Kaiserherrschaft und Königstaufe: Kaiser, Könige und Päpste als geistliche Patrone in der abendländischen Missionsgeschichte 9783110858570, 9783110098983


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German Pages 391 [392] Year 1984

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Geleitwort
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: DIE FRAGE NACH DER MISSIONSPOLITIK
§ 1 Anteil des christlichen Herrschers an der Mission
§ 2 Imperialer Taufpatronat in Byzanz
§ 3 Taufpatronat im Westen als Forschungsaufgabe
§ 4 Landeskirche — Erzbistum — Papsttum
§ 5 Weg und Ziel der Untersuchung
Erster Teil: DAS SAKRAMENT DER INITIATION IM FRÜHEN MITTELALTER
1. Der Ritus der Taufe
§ 6 Römischer Ritus
§ 7 Karolingische Liturgiereform
2. Die religiösen Vorstellungen von der Taufe
§ 8 Ritualismus
§ 9 Dämonismus
§ 10 Konkrete Gnade
§ 11 Erbsegen und Königsheil
§ 12 Kollektivtaufe
§ 13 Getaufte und Barbaren
3. Die Firmung
§ 14 Zwei postbaptismale Salbungen in Rom
§ 15 Gallikanische Praxis
§ 16 Firmung und karolingische Reform
4. Das Patenamt
§ 17 Assistenz bei der Taufe
§ 18 Geistliche Verwandtschaft
§ 19 Rechtliche und politische Verpflichtungen
a) Susceptio
b) Adoptio
c) Religiosus amor
d) Admonitio
e) Gegenseitige Hilfe
f) Patenschaft und säkulare Riten
§ 20 Pactum compaternitatis
5. Geistliche als Paten
§ 21 Der Gottesmann
a) Vir Dei
b) Asketische Priester
c) Absolute Weihe
d) Eigenpriester im Adelsgefolge
§ 22 Der Vir Dei als Pate
6. Der Papst als geistlicher Vater
§ 23 Römische Mission
§ 24 Der Papst als Pate
§ 25 Ergebnis und Ausblick
Zweiter Teil: DER IMPERIALE TAUFPATRONAT IM WESTEN
1. Die fränkische und angelsächsische Bekehrung
§ 26 Chlodwig und die Franken
a) Taufe Chlodwigs
b) Christianisierung der Franken
§ 27 Angelsachsen
a) Bekehrung von oben
b) Bretwalda-Amt und Patenschaft
c) Erzbistum und Oberherrschaft
2. Mission und Kirchenorganisation unter den Karolingern
§ 28 Friesen
§ 29 Hessen und Thüringer
§ 30 Sachsen
a) Sachsenkriege
b) Taufe Widukinds und Patenschaft Karls
c) Kirchenorganisation
§ 31 Abodriten und Wilzen
§ 32 Taufe Haralds von Dänemark
§ 33 Erzbischof Ansgar in Hamburg und Bremen
§ 34 Baiern
§ 35 Karantanen
§ 36 Awaren
§ 37 Erhebung Salzburgs zum Erzbistum
§ 38 Böhmen
§ 39 Mährer
§ 40 Bulgaren
a) Taufe des Boris
b) Zwischen Ost und West
c) Nachfolger Symeon
3. Bekehrung und Seßhaftmachung der Normannen
§ 41 In den karolingischen Reichen
a) Gottfried
b) Huncdeus
c) Rollo
d) Taufe und Infidelitas
§ 42 In England
a) Alfred der Große
b) Wikinger-Reich von York
c) Mission in Norwegen
4. Mission und Kirchenorganisation unter den Ottonen
§ 43 Otto der Große
§ 44 Dänemark
§ 45 Abodriten und Bistum Oldenburg
§ 46 Bistümer Havelberg und Brandenburg
§ 47 Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum
§ 48 Rus
§ 49 Polen
a) Mieszko
b) Akt von Gnesen
§ 50 Ungarn
5. Ergebnis
§ 51 Imperialer Taufpatronat und päpstliches Erzbistum
Verzeichnis der Quellen—Siglen
Verzeichnis der Literatur
Namensregister
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Kaiserherrschaft und Königstaufe: Kaiser, Könige und Päpste als geistliche Patrone in der abendländischen Missionsgeschichte
 9783110858570, 9783110098983

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ARBEITEN ZUR FRÜHMITTELALTERFORSCHUNG Schriftenreihe des Instituts für Frühmittelalterforschung

der Universität Münster

In Zusammenarbeit mit

Hans Belting, Hugo Borger, Dietrich Hofmann, Karl Josef Narr, Friedrich Ohly, Karl Schmid, Ruth Schmidt-Wiegand und Joachim Wollasch

herausgegeben von

KARL HAUCK

15. BAND

W DE

G 1984

WALTER DE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK

ARBEITEN ZUR FRÜHMITTELALTERFORSCHUNG

KAISERHERRSCHAFT UND KÖNIGSTAUFE Kaiser, Könige und Päpste als geistliche Patrone in der abendländischen Missionsgeschichte

von ARNOLD ANGENENDT

W DE

G 1984

WALTER DE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK

CIP-Kurztitelaufnabrne der Deutschen Bibliothek

Angenendt, Arnold: Kaiserherrschaft und Königstaufe: Kaiser, Könige u. Päpste als geistl. Patrone in d. abendländ. Missionsgeschichte / von Arnold Angenendt. — Berlin; New York : de Gruyter, 1984. (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung ; Bd. 15) ISBN 3-11-009898-9 NE: GT

Copyrigt 1984 by Walter de Gruyter & Co., Berlin — Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten. Satz: CIS-Verlag, Altenberge Druck und Bindearbeiten: Joh. Burlage, Münster

Johannes Bours Josef Perau Patribus meis spiritualibus

GELEITWORT

Das Buch von Arnold Angenendt wird als ein eigenständiges Werk für sich selbst werben. Denn mit seiner Thematik hat Angenendt in der abendländischen Missionsgeschichte eine bisher übersehene mächtige Goldader entdeckt. Weil aber der vorliegende Band der Arbeiten zur Frühmittelalterforschung aus einem zwei Jahrzehnte währenden Austausch und aus immer intensiver gewordenen Perioden gemeinsamer Bemühungen hervorgegangen ist, sei ihm dieses Geleitwort beigegeben. Können doch so die Bedingungen angesprochen werden, unter denen das Werk entstand und vollendet worden ist. Entscheidend war dabei die Förderung durch den ersten geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereich, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft anerkannte. So wesentlich die mit dieser Anerkennung verbundene Gewährung zusätzlicher Mittel für umfassendere Konzeptionen gewesen ist, noch folgenreicher war, daß ein Klima freundschaftlicher Kooperation gedieh. In ihm waren drei Grundeinsichten gemeinsame Gewißheit: einmal, daß die Missionsepoche auch nördlich der Alpen mit den gleichen religionsgeschichtlichen Fragestellungen erhellt werden muß, mit denen bereits zu Beginn des Jahrhunderts Franz Josef Dölger aufbrach und von 1912 bis 1927 in Münster forschte. Dölger ging es dabei um die Erfassung der Auseinandersetzung des sich ausbreitenden Christentums mit der jeweils anderen Umwelt, in die es vordrang. Denn nur so konnte man schließlich den Zugang zum inneren Leben der Kirche in der damaligen Gegenwart finden. Indem nun die Anstöße Dölgers in das große blühende Unternehmen des Reallexikons für Antike und Christentum einmündeten, lag es nahe, vergleichbaren Forschungen in der Übergangsepoche von der Antike zum Mittelalter nachzugehen. Die zweite gemeinsame Grundeinsicht ergibt sich als Konsequenz unserer Anknüpfung an Dölger. Allerdings war die spätantike Randzivilisation als Gedächtniskultur ungleich schwerer geschichtlich erforschbar als die meisten mittelmeerischen Verbreitungsgebiete des Christentums, in denen sich die Schriftlichkeit längst eingebürgert hatte. Denn die Erwartung von Museumsgründern in der Mitte des 19. Jahrhunderts wie Hans Freiherr von und zu Aufseß und Ludwig Lindenschmit, man könne die Denkmalüberlieferung so aufteilen, daß in Nürnberg "christlich-germanische Alterthümer", in Mainz dagegen die Sachzeugnisse der römisch-germanischen Vorzeit gesammelt würden, erfüllte sich in keiner Weise. Ja, in der großen Mainzer Hauptpublikation 'Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit', deren erster Band 1858 herauskam, wurde in Wirklichkeit jedenfalls im merowingischen Frühmittelalter eine bereits stark christlich überformte Reihengräberzivilisation archäologisch-formenkundlich erschlossen. In welchem erstaunlichen Umfang diese christliche Überformung stattgefunden hat, ist am unmittelbarsten in dem neueren archäologischen Nachweis ländlicher Kirchen Süddeutschlands bereits im frühen 7. Jahrhundert deutlich. Andererseits ist nun doch

VIII

Geleitwort

auch der vorchristliche Polytheismus im seegermanischen Norden überall dort erreichbar geworden, wo sich von ihm Bildzeugnisse erhalten haben. Denn die Antwort auf die Frage nach der Wechselbeziehung von Text und Bild in der oralen Kultur lautet inzwischen: Es würde diese religiös autorisierte Bildüberlieferung nicht geben ohne mündliche Textvorgaben. Derartige mündliche Überlieferung wurde aber mit den darstellerischen Mitteln der uns erhaltenen Kleinkunst so aufgezeichnet, daß uns etwa mit den goldenen Götterbildamuletten, den sogenannten Goldbrakteaten des Nordens, die Blütezeit einer untergegangenen Religion der Spätantike bezeugt wird. Wir lernen auf diese Weise einen neuen Bereich der Ausstrahlung der spätantiken Mittelmeerwelt kennen, aus der nicht nur das verwendete Gold, sondern auch die Bildkonventionen importiert werden, die nun im Norden ähnlich neuen Konzeptionen dienstbar gemacht wurden, wie im Süden die frühchristliche Kunst imperiale Grundlagen hatte. Kurz, mit diesem jetzt erst zum Sprechen gebrachten Denkmälerkreis läßt sich das neu entstehende christliche Abendland von einer bisher unbekannten Seite her in den Blick nehmen. Das ist um so willkommener, als es gilt, die Irrungen und Wirrungen des Zeitalters der Nationalhistorien, der Nationalphilologien und der Nationalarchäologien auf neuen Bahnen zu überwinden. Wir bemühen uns daher gemeinsam, aber arbeitsteilig um die Religionsgeschichte der Übergangsepoche in einem jetzt erst möglichen Längsschnitt, der ebenso die polytheistischen Jahrhunderte der Randkultur in der Übergangsepoche wie das Christentum der Bekehrungszeit umfaßt. Demgemäß erscheinen im gleichen Jahr als Veröffentlichungen unseres Sonderforschungsbereichs als Beginn der exemplarischen Erhellung der älteren Periode die ersten drei Bände des Korpus der Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit und Angenendts Werk. Ähnlich umspannt die Themenserie des Münsteraner Opfer'-Kolloquiums vom Herbst 1983 im Band 18 der Frühmittelalterlichen Studien 1984 sowohl vorchristliche wie christliche Opferversionen. Das dritte Axiom unserer Zusammenarbeit ist, daß in diesem jetzt möglich gewordenen Längsschnitt die Missionsgeschichte eine ganz besondere Dringlichkeit hat. Ihr wird im Sonderforschungsbereich historisch-archäologisch Rechnung getragen ebenso mit der Erhellung von exemplarischen Beleggruppen der Kleinkunst wie etwa den Christus-Adler-Brakteaten wie auch mit der Edition der Baugeschichte wichtigster Kirchenbauten im sächsischen Missionsgebiet. Demgemäß wurde Uwe Lobbedey vom Landschaftsverband Westfalen für fünf Jahre freigestellt, um seine Grabungen im Paderborner Dom und in der Abteikirche Corvey in unserem Sonderforschungsbereich für die wissenschaftlichen Veröffentlichungen vorzubereiten. Die Annahme der Buchreligion aus dem Süden vermittelte dem hinzugewonnenen Missionsgebiet eine andere Lebensqualität. Das spiegeln neben der Steinarchitektur der altsächsische Heliand, der, wie Ute Schwab wahrscheinlich macht, wohl für eine Klerikergemeinschaft als Buchepos in Stabreimen geschrieben wurde, oder auch in dem bis heute geretteten Westwerk der spätkarolingischen Kirche in Corvey der Meerwesenfries mit dem Odysseus christianus. Dessen mühselige Rekonstruktion und Publikation wird der Zähigkeit, Umsicht und Findigkeit von Hilde Claussen verdankt. In dieser Reihe von Forschungen, die teils innerhalb, teils außerhalb des Son-

Geleitwort

IX

derforschungsbereichs fertiggestellt werden, hat das Werk von Angenendt deswegen einen besonderen Rang inne, weil es in weitgespannten Horizonten Schrittmacherdienste bei der kirchengeschichtlichen Erkundung leistet, in welchen Weisen die Missionsepoche des früheren Mittelalters das Abendland neu geformt hat. Daß in einem Zeitalter, das Religion und Politik nicht trennen konnte, damit universalgeschichtliche Perspektiven eröffnet werden, erscheint in Angenendts Buch als etwas ganz Selbstverständliches, obwohl es das heute keineswegs mehr ist. Münster, Pfingsten 1984

Karl Hauck

VORWORT

Die vorliegende Untersuchung hat unter dem Titel "Taufe und Politik im frühen Mittelalter" zum Sommersemester 1975 dem Fachbereich II (Kath. Theologie) der Universität Münster als Habilitationsschrift vorgelegen. Den beiden Gutachtern, Professor Dr. Erwin Iserloh und Professor Dr. Bernhard Kötting, sei für ihre Mühen auch hier Dank gesagt. Die jetzige Fassung ist in den letzten zwei Jahren weitgehend neu geschrieben worden, um die vorangeschrittene Forschung aufzuarbeiten. Dabei ist auch die Fragestellung erweitert worden, weswegen ein neuer Titel gewählt wurde. Zwischenzeitlich publizierte Teiluntersuchungen sind eingearbeitet und in einzelnen Passagen übernommen. Die Arbeit ist hervorgegangen aus der Zusammenarbeit im Münsterschen Sonderforschungsbereich 7. Mein erster Dank gilt Professor Dr. Karl Hauck, der diese Arbeit schon in den Anfängen ermutigt und bis zur Drucklegung gefördert hat. Zu danken habe ich auch der Versammlung des Sonderforschungsbereichs für die Aufnahme in die Reihe der "Arbeiten zur Frühmittelalterforschung". Danken möchte ich ferner dem Bischof von Münster, Dr. Reinhard Lettmann, für einen Zuschuß zu den Druckkosten. Dankbar sei endlich auch mein Kollege Professor Dr. A.-Th. Khoury erwähnt, der in Zusammenarbeit mit dem Verlag de Gruyter eine günstige Drucklegung zu ermöglichen wußte. Ein eigenes Dankeswort gebührt sodann meinen Mitarbeitern, insbesondere Frau Dipl.-Theol. Veronika Schüller, ohne deren Geduld und Klugheit die Fertigstellung nicht so rasch hätte bewerkstelligt werden können. Münster, am Bonifatius-Tag 1984

Arnold Angenendt

INHALTSVERZEICHNIS

Geleitwort Vorwort Inhaltsverzeichnis

VII X XI

Einleitung: DIE FRAGE NACH DER MISSIONSPOLITIK § § § § §

l 2 3 4 5

Anteil des christlichen Herrschers an der Mission Imperialer Taufpatronat in Byzanz Taufpatronat im Westen als Forschungsaufgabe Landeskirche - Erzbistum — Papsttum Weg und Ziel der Untersuchung

l 5 11 13 17

Erster Teil: DAS SAKRAMENT DER INITIATION IM FRÜHEN MITTELALTER 1. Der Ritus der Taufe 6 Römischer Ritus 7 Karolingische Liturgiereform

8 9 10 11 12 13

2. Die religiösen Vorstellungen von der Taufe Ritualismus Dämonismus Konkrete Gnade Erbsegen und Königsheil Kollektivtaufe Getaufte und Barbaren

3. Die Firmung 14 Zwei postbaptismale Salbungen in Rom 15 Gallikanische Praxis 16 Firmung und karolingische Reform

21 32

45 49 57 61 66 72

75 77 81

XII

Inhaltsverzeichnis

4. Das Patenamt § 17 Assistenz bei der Taufe § 18 Geistliche Verwandtschaft § 19 Rechtliche und politische Verpflichtungen

91 97 106

a) Susceptio S. 109 — b) Adoprio S. 111 — c) Religiosus amor S. 115 — d) Admonitio S. 116 — e) Gegenseitige Hilfe S. 119 — f) Patenschaft und säkulare Riten 5. 120

§ 20 Pactum compaternitatis

121

5. Geistliche als Paten § 21 Der Gottesmann

126

a) Vir Dei S. 127 - b) Asketische Priester S. 131 - c) Absolute Weihe S. 135 d) Eigenpriester im Adelsgefolge S. 136

§ 22 Der Vir Dei als Pate

139

6. Der Papst als geistlicher Vater § 23 Römische Mission § 24 Der Papst als Pate § 25 Ergebnis und Ausblick

148 152 163

Zweiter Teil: DER IMPERIALE TAUFPATRONAT IM WESTEN 1. Die fränkische und angelsächsische Bekehrung § 26 Chlodwig und die Franken a) Taufe Chlodwigs S. 165 — b) Christianisierung der Franken S. 174 § 27 Angelsachsen

165 176

a) Bekehrung von oben S. 178 - b) Bretwalda-Amt und Patenschaft S. 181 c) Erzbistum und Oberherrschaft S. 187

2. Mission und Kirchenorganisation unter den Karolingern § 28 Friesen § 29 Hessen und Thüringer § 30 Sachsen

196 202 203

a) Sachsenkriege S. 203 - b) Taufe Widukinds und Patenschaft Karls S. 207 c) Kirchenorganisation S. 212

§ § § §

31 32 33 34

Abodriten und Wilzen Taufe Haralds von Dänemark Erzbischof Ansgar in Hamburg und Bremen Baiern

214 215 223 227

Inhaltsverzeichnis

S 35 § 36 § 37 § 38 S 39 S 40

XIII

Karantanen Awaren Erhebung Salzburgs zum Erzbistum Böhmen Mährer Bulgaren

229 232 234 237 238 247

a) Taufe des Boris S. 248 - b) Zwischen Ost und West S. 250 - c) Nachfolger Symeon S. 256

3. Bekehrung und Seßhaftmachung der Normannen § 4l

In den karolingischen Reichen

259

a) Gottfried S. 260 - b) Huncdeus S. 262 - c) Rollo S. 263 - d) Taufe und Infidelitas S. 265

§ 42 In England

267

a) Alfred der Große S. 267 - b) Wikinger-Reich von York S. 269 - c) Mission in Norwegen S. 273

4. Mission und Kirchenorganisation unter den Ottonen $ 43 S 44 § 45 § 46 § 47 § 48 S 49

Otto der Große Dänemark · Abodriten und Bistum Oldenburg Bistümer Havelberg und Brandenburg Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum Rus Polen

274 .276 ·. . . . 282 284 285 289 296

a) Mieszko S. 296 - b) Akt von Gnesen S. 300

§ 50 Ungarn

305

5. Ergebnis

§ 51 Imperialer Taufpatronat und päpstliches Erzbistum

310

Verzeichnis der Quellen—Siglen Verzeichnis der Literatur Namensregister

316 317 369

Einleitung: DIE FRAGE NACH DER MISSIONSPOLITIK

§ l Anteil des christlichen Herrschers an der Mission Über den Anteil des christlichen Herrschers an der frühmittelalterlichen Mission gibt es in der Forschungsliteratur nur gelegentlich noch kontroverse Äußerungen. Ganz negieren wollte einen solchen Anteil H. Kühn: Es sei nur eine Täuschung durch die summarischen Quellenangaben, wenn man einem König die Bekehrung seines Volkes zuspreche 1 . Aber mit dieser seiner Ansicht ist Kühn allein geblieben2 . Knut Schäferdiek, der sich neuerdings mehrfach mit Problemen der Missionierung befaßt hat, rechnet damit, daß die Bekehrung eines Königs bestimmend auch für sein Volk war. So konstatiert er für die Franken: "Entwicklungsbestimmend ist auf jeden Fall der Religionswechsel Chlodwichs"3. Ähnlich urteilt er über die Erfolgsaussichten der römischen Missionare, als sie die Bekehrung der Angelsachsen in Angriff nahmen: "Der Mission schienen durch eine hegemoniale Stellung Aethelberhts in Süd- und Mittelengland ... günstige Möglichkeiten eröffnet zu sein"4. Im tatsächlichen Ablauf erweist ihm die englische Bekehrungsgeschichte erneut "den kennzeichnenden frühmittelalterlichen Zug einer Bekehrung als der von den Herrschaftsträgern ausgehenden formellen Übernahme des Christentums durch ganze politische Verbände..." 5 . Nur darf man sich die Entscheidung des bekehrungswilligen Herrschers nicht als ein Diktat für sein Volk vorstellen. Besonders zwei Fakten sind in der neueren Forschung deutlicher hervorgetreten, welche den Bekehrungsvorgang besser durchschaubar machen. Einmal war der Herrscher nicht "absolut"6 . Der Entscheid zur Annahme des Christentums konnte darum kein selbstherrliches Edikt sein; er mußte vielmehr im Rat der die Herrschaft Mittragenden gefällt werden. Zum anderen eignete dem Königtum ein sakraler Charakter, der nach mythischer Art in einer Abkunft von den Göttern veranschaulicht werden konnte 7 . Es gab ein "Königsheil", von dem sich das Volk abhängig wußte. In der Christianisierung hat diese spezifisch religiöse Komponente deutlich nachgewirkt: "Das so gegebene sakrale Moment germani1

KÜHN, König und Volk S. 4; ähnlich DERS., Gorische Mission S. 50-65. S. die sofort geäußterte Kritik von W. BAETKE (Aufnahme des Christentums S. 20). 3 SCHÄFERDIEK, Bekehrung und Bekehrungsgeschichte S. 181. 4 Ebd. S. 189. 5 Ebd. S. 192; STANCLIFFE, Kings and Conversion S. 59-94. 6 KÜHN - WENSKUS - WÜHRER - AUTHEN-BLOM, Adel S. 58-77; SCHEYHING, Adel Sp. 41-51. 7 Zuletzt KIENAST, Germanische Treue S. 292; AFFELDT, Königserhebung Pippins S. 123f.; im einzelnen $11 Anm. 2. 2

2

Einleitung: Missionspolitik

scher politischer Herrschaft und vorweg germanischen Königtums ist von größter Bedeutung für die Germanenmission gewesen, die sich dadurch unreflektiert die Bedingungen ihrer erfolgreichen Durchsetzung hat stellen lassen und so den für sie ... charakteristischen Zug einer Christianisierung von oben nach unten angenommen hat."8 In neuer Weise stellte sich die Missionsfrage für solche Herrscher, die selbst längst Christen waren und auch über ein bereits christianisiertes Reich geboten, aber mit heidnischen Anrainern in Berührung standen. Hier kam dem Kaiser von jeher eine besondere Rolle zu, und die Forschung hat dessen missionarische Aufgabe denn auch nie im Zweifel gelassen. Immer wieder findet man betont, daß mit der Idee sowie dem Amt des Kaisers eine Schutzpflicht für die Kirche und dann auch für die Mission verbunden gewesen sei. So war zum Beispiel nach A. Brackmanns Meinung "der 'Bund' Karls des Großen mit Rom für ihn in erster Linie wegen der großen Missionsaufgaben im Osten von Bedeutung" 9 . Und diese Aufgabe sei von einem doppelten Motiv bestimmt gewesen: "1. durch den Glauben an die Weltmission seines Frankenvolkes und 2. durch den Glauben an die Verpflichtung der fränkischen Könige zum Schütze der Kirche und zur Bekehrung der Heidenwelt" 10 . Die Auffassung habe sich dann fortgesetzt: "Wie der große Karolinger sah auch Otto der Große seine Hauptaufgabe in der 'defensio ecclesiae' und in der Bekehrung der Heiden zu Gott"11 . Ja, noch im hohen Mittelalter hätten diese Gedanken die Vorstellung von Amt und Aufgabe des Kaisers bestimmt: "Es blieb die Anschauung von der Verpflichtung des Herrschers zur Verteidigung der Kirche und zur Ausbreitung des Christentums,' und es blieb die Überzeugung von der Weltmission des Kaisertums, wie sie in der Kreuznahme Friedrichs I. und später in dem Kreuzzuge seines Enkels und in dessen Privilegierung des Deutschordensstaates in die Erscheinung trat. Friedrich Barbarossa hat für diese traditionelle Art seiner Politik ein ganz klares Bewußtsein besessen"12. Daß die Aufgabe der Mission eigentlich für jeden christlichen Herrscher gegolten habe, hat Gerd Tellenbach erneut herausgestellt: "Der christliche Heidenkrieg gehört in seiner geistigen Erscheinung und in seiner theoretischen Formulierung zu dem Ideenkreis des Imperium Christianum. Deshalb wäre es bei der Aufdeckung der Zusammenhänge zwischen Imperium Christianum und mittelalterlichem Kaisertum wichtig festzustellen, ob dem Kaiser eine irgendwie einzigartige Funktion im Heidenkrieg zukommt. Gewiß und allgemein anerkannt ist es, daß nach mittelalterlicher Auffassung Heidenbekämpfung und Heidenbekehrung vornehmste Aufgabe aller christlichen Könige war, nicht nur des Kaisers" 13 . Die Vorstellung, daß der christliche Herrscher und insbesondere der Kaiser eine Verpflichtung für die 'pax' und 'religio' des Reiches wahrzunehmen habe, geht 8

SCHÄFERDIEK, Germanenmission Sp. 496. BRACKMANN, Slawenmission S. 74. DERS., Römischer Erneuerungsgedanke S. 111. 11 Ebd. S. 112f. 12 Ebd. S. 133. 13 TELLENBACH, Reichsgedanke S. 38. ENGELS, Mission S. 201-211, der freilich behauptet (ebd. S. 208): "Bis zur Lechfeldschlacht läßt sich nirgendwo an der Reichsgrenze eine missionarische Absicht als treibende Kraft beobachten ...". 9

$ l Herrscher und Mission

3

bekanntlich auf die spätantiken Christenkaiser zurück 14 . Aber schon in der Spätantike wurde auch den bekehrten Barbarenkönigen die Mission als Aufgabe zugesprochen. In seinem bekannten Glückwunschschreiben aus Anlaß der Taufe Chlodwigs sieht Avitus von Vienne (484-512) die Aufgabe des christlichen Königtums gerade in der Ausbreitung des Glaubens; dem Frankenkönig, so ist jüngst erklärt worden, sei damit im Westen jene Rolle zuerkannt worden, wie sie im Osten der Kaiser wahrgenommen habe 15 . Wichtig ist weiter die Beobachtung, daß viele frühmittelalterlichen Könige in ihrem Handeln sich von dem religionsgeschichtlich weitverbreiteten Modell des 'rex et sacerdos'16 leiten ließen. Interessant ist zum Beispiel die Rolle, die König Raedwald von Ostanglien einnahm, als er, wiewohl bereits getauft, einen Mischkult in seinem "Reichsheiligtum" einrichtete: 'In demselben Heiligtum hatte er sowohl einen Altar für das Opfer Christi wie auch ein Altargebilde für die Opfer der Dämonen' 17 . Karl Hauck hat dafür den Titel "Opfer-Herr" geprägt 18 . Im Christlichen freilich blieb es dem Herrscher verwehrt, die prinzipale Rolle des liturgischen Opferpriestertums zu übernehmen 19 . Dennoch wirkte auch hier die Vorstellung des 'rex et sacerdos' nach, und zwar in der 'defensio ecclesiae' sowie in der 'propagatio fidei'. Schon Konstantin galt bekanntlich als 'episkopos ton ekton' 20 . Die Reihe der Zeugnisse, daß auch der frühmittelalterliche Herrscher an das Modell des 'rex et sacerdos' angenähert wurde, ist vielfältig und zieht sich weit durch die Geschichte. Gregor von Tours nennt König Gunthram von Burgund ausdrücklich einen rex et sacerdos21. Der angelsächsische Mönch Cathwulf stellte Karl den Großen über die Bischöfe 22 . Karl hinwiederum beanspruchte gegenüber Leo III., nicht nur den äußeren Schutz der Kirche gewährleisten zu wollen, sondern auch im Inneren der Kirche die Sorge um den rechten Glauben23. Unter der Idee des 'rex et sacerdos' hat sich bemerkenswerterweise auch der Ritus der christlichen Königssalbung entfalten können 24 . So ist also vielfältig zu beobachten, daß die Kirchenmänner dem christlichen Herrscher eine besondere Rolle ein14

S. die Arbeiten in: RUHBACH, Kirche angesichts der Konstantinischen Wende. REYDELLET, Royaute S. 112: "Avit decouvre done, ä travers l'exemple de Clovis, cette verite nouvelle: desormais, les reges de l'Occident peuvent remplir a l'egard de la foi le meme role que, depuis longtemps, remplit l'empereur." 16 HAUCK, Randkultur S. 53. 17 Beda, Hist. eccl. II 15 (ed. PLUMMER l, S. 116). 18 HAUCK, Sutton-Hoo-Edition (2) S. 349. 19 SCHRAMM, Sacerdotium und Regnum S. 78-84. 20 STRÄUB, Kaiser Konstantin S. 187-205. 21 Gregor von Tours, Hist. IX 21 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 44l 2 2 ): ut tarn tunc non rex tantum, sed etiam sacerdus Domini putaretur. REYDELLET, Royaute S. 421. Cathuulfus, Ep. 7 (MGH Epp. 4, S. 503 ): Memor esto ergo semper, rex mi, Dei regis tui cum timore et amore, quod tu es in vice illius super omnia membra eius custodire et regere, et rationem reddere in die iudicii, etiam per te. Et episcopus est in secundo loco, in vice Christi tantum est. 2 Alcvini epp. 93 (ebd. S. 137 1): Nostrum est: sec.undum auxilium divinae pietatis sanctam undique Christi ecclesiam ab incursu paganorum et ab inßdelium devastations armis defenders Joris, et intus catholicae fidei agnitione muntre. 24 ANGENENDT, Rex et Sacerdos S. 100-118. 15

4

Einleitung: Missionspolitik

räumten. Für Alkuin zum Beispiel war Karl der Große 'praedicator' 25 . Mit Entschiedenheit jedoch verwahrte man sich kirchlicherseits dagegen, daß der gesalbte König ein Priester im Sinne des Opferpriestertums sei26 ; der mittelalterliche Kaiser wurde auf die Funktion eines Diakons beschränkt, so daß ihm die wirklich sazerdotalen Handlungen vorenthalten blieben 27 . So war also die Priester-Rolle des Königtums nicht unerheblich beschnitten; demgegenüber wurde aber der verbleibende Anteil in der Verteidigung der Kirche und in der Ausbreitung des Glaubens umso stärker betont. Avitus von Vienne sah die Bedeutung von Chlodwigs Taufe gerade darin, daß er nicht nur Christ und ein guter Herrscher werden sollte, sondern darüber hinaus 'aus dem reichen Schatz Eures Herzens die Glaubenssaat unter die ferner wohnenden Stämme' ausstreut und 'frisch und ohne Scheu ..., auch durch eigens entsandte Botschafter, die Sache Gottes' vertritt 28 . Indem also die religiöse Aufgabe des Herrschers einesteils beschnitten war, anderenteils aber in der Glaubensfürsorge stark betont wurde, stellt sich die Frage, ob diese religiöse Aufgabe in der Mission irgendwie "priesterlich" oder "liturgisch" ausgeführt wurde. Wichtig ist dabei zunächst einmal die Beobachtung, daß die Vorstellung von der herrscherlichen Mission auch in der Liturgie vorgetragen wurde: 'Gott, der du das römische Reich zur Verkündigung des Evangeliums vorbereitet hast, gewähre deinen Dienern, unseren Fürsten, die Waffen des Himmels ... ) 2 9 . Hans Hirsch 30 , Gerd Teilenbach31 und Carl Erdmann32 haben das liturgische Gebet als Quelle entdeckt, um neue Aussagen über die missionarische Aufgabe des Herrschers zu gewinnen. Zweifellos ist dadurch die Fundierung für diese wichtige Vorstellung verbreitert worden. Aber so anerkennenswert dieser Schritt ist, es fehlt das entscheidende Moment, ob und wie der Kaiser selbst als Liturge auftrat. Eine solche Frage mag befremdlich klingen. Doch sprechen zeitgenössische Texte davon, daß etwa Karl der Große die in der heiligen Taufe abgewaschenen Sachsen 'mit Chrisam gesalbt'33 und Otto der Große die Slawen getauft habe 34 . Nun wird niemand daran denken wollen, diese Herrscher hätten 25

Alcvini epp. 121 (MGH Epp. 4, S. 176 J: catholicae fidei lumen in extremis partibus incendere; ebd. Ep. 202 (s. 336 ): apostolicae fidei veritatem defendere, docere, et propagare; ebd. Ep. 257 (S. 41434;.· in praedicatione catholicae fidei. MEYER, Alkuin S. 423: Alkuin billigte "Karl dem Großen ein hohes Maß an Einfluß auf die Kirche zu". 26 Hinkmar, Capitula in synodo apud S. Macram a. 881 c." l (MIGNE PL 125, Sp. 1071B): Solus enim Dominus noster Jesus Christus vere fieripotuit rex et sacerdos. ... nee rex pontificis dignitatem, nee pontifex regiam potestatem sibi usurpare praesumpsit; SCHIEFFER, Übersehene Schrift Hinkmars S. 511-528; ANTON, Fürstenspiegel und Herrscherethos S. 319ff. 27 HEIMPEL, Königlicher Weihnachtsdienst S. 388-411. 28 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 76 11 ); Übersetzung nach VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 67 $ 23 u. 24. 29 Sacr. Gelas. 1505 (ed. MOHLBERG S. 217); TELLENBACH, Reichsgedanke S. 10. 30 HIRSCH, Kaisergedanke S. 22-46. 31 TELLENBACH, Reichsgedanke. 32 ERDMANN, Heidenkrieg S. 47-64. De conversione Saxonum carmen (MGH Poetae Lat. l, S. 38l60): Chrismatibus sacro inunxit baptismate lotos; zur Autorschaft Luls s. HAUCK, Taufort (im Druck). 34 ISRAEL - MÖLLENBERG, Magdeburg l, Nr. 28 S. 42: [gentes], quas predictus piissimus

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selbst, wie weiland Johannes der Täufer, an einem Fluß gestanden und die Taufe gespendet; dennoch kann Karl im Blick auf seine Rolle in der Sachsenbekehrung mit dem Täufer verglichen werden 35 . Immerhin könnten uns die Quellen mit solchen Redeweisen darauf aufmerksam machen wollen, daß der Herrscher in besonderer Weise an der Taufe beteiligt war. Tatsächlich ist erweisbar, daß die christlichen Regenten in bestimmter Hinsicht auch als Liturgen aufgetreten sind: in der Patenschaft. Diese liturgische Rolle soll im folgenden untersucht werden.

§ 2 Imperialer Taufpatronat in Byzanz Zur Klärung der missionarisch-liturgischen Aufgaben des Herrschers dürfte es lohnenswert sein, vorab den Blick auf Byzanz zu lenken. Der Kaiser nahm dort betont die Rolle des 'hiereus kai basileus' wahr 1 . Dementsprechend gab es eine klare Vorstellung von seinen liturgischen Aufgaben 2 , die, wie sich hat zeigen lassen, auch in der Mission von Bedeutung waren. Die byzantinische Vorstellung von christlichem Reich und kaiserlicher Mission beschreibt H.-G. Beck wie folgt: Es "decken sich aber ideell die Grenzen des Imperiums mit den Grenzen der Christenheit, jede Ausbreitung des Reiches ist potentiell eine Ausbreitung des Christentums und jede Ausweitung des christlichen Raumes potentiell ein Zuwachs zum Römischen Reich ... Der Kaiser aber ist der erste und vornehmste Missionar des Christentums, sein politisches Handeln ist immer auch missionarisch von Bedeutung"3 , wie andererseits eine Missionierung "in den meisten Fällen den Eintritt in die Interessensphäre des Reiches" bedeutet 4 . In der Durchführung dieser Missionsaufgabe sehen wir die Kaiser dann auch persönlich tätig werden. Beim Übertritt ganzer Völkerschaften benutzte man nämlich nicht selten ein Verfahren, bei dem der Kaiser die Patenschaft über den Fürsten oder König eines solchen Volkes übernahm. Franz Dölger hat zum ersten Mal auf diese Praxis aufmerksam gemacht. Ausgehend von der Idee der "Familie der Könige" 5 , die bereits im alten Sumer, aber ebenso in den hellenistischen Reichen und auch in Rom festzustellen ist, betrachteten sich die Herrscher als miteinander verwandt und brachten diese ihre gegenseitige Einschätzung in familiären Betitelungen zum Ausdruck. Für Byzanz konstatiert Dölger drei Stufen: "1. Als niedrigste Stufe diejenige der 'Freundschaft', 2. als höhere, aber zu besonderer Pietät verpflichtende Stufe die imperator baptizavit vel per eum suumque filium equivocum regem successoresque eorum deo annuente baptizandae sunt; KRETSCHMAR, Der Kaiser tauft S. 109. 5 Annales Petaviani a. 777 (MGH SS l, S. 16): Unde inpostmodum Karolus rex meritogaudet cum lohanne baptista, qui et baptizavit praedicans baptismum in remissionem omnium peccatorum. 1

BREHIER, 'lepak S. 86-93; TREITINGER, Oströmische Kaiser- und Reichsidee S. 124-157; HUNGER, Reich S. 61-107. 2 TREITINGER, Oströmische Kaiser- und Reichsidee S. 129-144; HUNGER, Reich S. 74-84. 3 BECK, Christliche Mission S. 654. 4 Ebd. S. 667f. 5 DÖLGER, Familie der Könige S. 34-69. S. auch DENS., Familie der Fürsten S. 159-182; DENS., Bulgarenherrscher S. 183-196.

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'Sohnschaft' und 3. die Stufe der 'Bruderschaft' " 6 . Bei der Sohnschaft hat nun Dölger eine christliche Sonderform herausgearbeitet. Mittels der Taufpatenschaft, wie sie der Basileus bei anderen Herrschern eingegangen sei, habe er sich den Taufsohn zum geistlichen Sohn gemacht: "So begründet das Sakrament der Taufe ein Nahverhältnis zwischen Paten und Täufling, welches sich in der Vorstellung vom geistlichen Vater und vom geistlichen Kinde niederschlägt"7. Auf diese Weise sei dann der Basileus zum "Vater einer weitverzweigten Herrscherfamilie"8 geworden. Die geistlichen Söhne aber hätten die Rolle politischer Gefolgsleute übernehmen müssen. Beispielsweise sei der Bulgaren-Khan Boris, als er sich unter dem Patronat Kaiser Michaels III. (842-867) habe taufen lassen, "nicht nur durch die Taufe der geistliche Sohn des Kaisers im Sinne des christlichen Sakraments, sondern zugleich dessen geistlicher Sohn im Sinne der byzantinischen Fürstenfamilie" geworden9. Aber schon seit dem 6. Jahrhundert treffen wir auf Fälle, in denen die politische und geistliche Sohnschaft verquickt erscheinen, und die byzantinischen Quellen bieten dafür in der Folgezeit sogar eine lange Reihe von Beispielen. So ist im Jahre 522 der Lazen-König Tzath von Kaiser Justin (518-527) 'aufgenommen' und, nachdem er getauft war, mit einer 'Römerin' verheiratet worden; außerdem erhielt er ein Diadem und eine weißseidene Chlamys, die ein goldenes Besatzstück mit dem Bild des Kaisers aufwies10 . Fünf Jahre später hob Kaiser Justinian (527565) den Hunnenkönig Grod aus der Taufe, übergab ihm reiche Geschenke und verpflichtete den neuen Sohn zu militärischen Diensten auf der Krim 11 . Ähnlich geschah es mit dem Heruler-König Grepes; auch über ihn wurde der Kaiser Pate, und er entließ den geistlichen Sohn als seinen Gefolgsmann12. Eine jüngst vorgelegte Untersuchung über die Missionspolitik der Kaiser Justin und Justinian erhebt zur Gewißheit, was sich bereits auf den ersten Blick als Vermutung aufdrängt, daß nämlich den politisch angereicherten Taufpatenschaften ein offenbar "formelhaftes Schema"13 zugrunde gelegen hat: "Der ähnliche Ablauf der Ereignisse läßt systematische Verfahren der byzantinischen Kaiser vermuten, um diese Herrscher und Länder zu gewinnen: Alle drei Könige kommen aus dem nordöstlichen Grenz6

DERS., Familie der Fürsten S. 167f. DERS., Familie der Könige S. 56. 8 DERS., Brüderlichkeit der Fürsten Sp. 645. 9 DERS., Familie der Fürsten S. 170. 10 Johannes Malalas, Chronographia 17 (CSHB 28, S. 413 7 ); DEßR, Ursprung der Kaiserkrone S. 32 Anm. 121; MORAVCS1K, Byzantinische Mission S. 18. - Zur Quelle DERS., Byzantinoturcica l, S. 329-334; ebd. S. 329: "Soviel ist gewiß, daß man — schreibt man das ganze Werk dem Malalas zu — annehmen muß, daß er die ersten 17 Bücher und den Anfang des 18. in Antiochia geschrieben hat und sie noch zu Lebzeiten Justinians (vielleicht um 548) veröffentlichte, während der Abschluß in Konstantinopel, jedenfalls nach dem Tod Justinians, verfaßt und herausgegeben worden ist." Die Quelle weist die Taufe der Zeit Justins zu, der 527 gestorben ist; das von G. MORAVCSIK angegebene Jahr 532/3 und die Zuweisung an Justinian müßte eigens verifiziert werden; s. ENGELHARDT, Mission S. 81, wo 522 angegeben wird. 11 Johannes Malalas, Chronographia 18 (CSHB 28, S. 43l 16 ); MORAVCSIK, Byzantinische Mission S. 19. 12 Johannes Malalas, Chronographia 18 (CSHB 28, S. 427 17 ). 13 ENGELHARDT, Mission S. 80-87, Zitat S. 80. 7

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bereich, in dem es für Byzanz von lebenswichtiger Bedeutung war, Bündnispartner zu gewinnen oder doch wenigstens zu erreichen, daß diese Völker Byzanz nicht feindlich gegenüberstanden ... Aus allen Berichten geht hervor, daß die Bekehrung mit einem Bündnis oder Vasallenverhältnis gekoppelt war. Tzath wird auf seinen Wunsch hin von Justin zum König von Lazika gekrönt und damit Vasall des byzantinischen Reiches. Auch Crepes kehrt als Vasall von Byzanz nach Hause zurück. Grod hat offensichtlich die Aufgabe übernommen, die byzantinischen Belange zu vertreten" 14 . Es mußten freilich nicht immer die Führer ganzer Völkerschaften sein; so hören wir auch von einem Magister militum namens Akum, den Kaiser Justinian aus der Taufe hob und später dann in das Militäramt einwies15 , Der Eindruck, daß den genannten Taufen und Patenschaften ein festgefügtes Modell zugrunde lag, wird durch zahlreiche Fälle ähnlicher Art, wie sie noch lange Zeit anzutreffen sind, zur Evidenz erhoben. Im Jahre 619 erschienen abermals Hunnen vor Konstantinopel, welche wiederum die Taufe begehrten. Kaiser Heraklios (610-641) hob ihren Fürsten aus der Taufe und verlieh ihm den Patrikios-Titel; bei den hunnischen Großen übernahmen hochgestellte Männer und Frauen des Hofes den Patendienst 16 . Im Jahre 777 war es der Bulgaren-Khan Telerig, den Kaiser Leon IV. (775-780) zum Patrikios erhob, dann mit einer Nichte seiner Gattin verheiratete und zuletzt ehrenvoll aus der Taufe hob 17 . Bei der Christianisierung des Rus-Reiches hat der Patronat des Basileus gleichfalls eine wichtige Rolle gespielt 18 . Noch aus dem 11. Jahrhundert sind solche Taufen überliefert. Zwischen den beiden Petschenegen-Fürsten Tyrach und Kegen, die am unteren Lauf der Donau ansässig waren, brach um die Mitte des Jahrhunderts ein Krieg aus, wobei Kegen unterlag; er rettete sich mit seinen Anhängern über die Donau auf byzantinisches Gebiet. Kaiser Konstantinos Monomachos (1042-1056) nahm den Geschlagenen auf, ließ ihn taufen und erhob ihn zum Patrikios; in altgewohnter Weise wurde also der Petschenegen-Fürst Freund und Verbündeter von Byzanz 19 . An der Donau wurde ihm die Aufgabe auferlegt, die Angriffe vom 14 15

Ebd. S. 87,89.

Johannes Malalas, Chronographia 18 (CSHB 28, S. 438 4 ); MORAVCSIK, Byzantinische Mission S. 26f. Die von G. MORAVCSIK (ebd.) erwähnte Taufe eines Sunikas, der gegen 560 in Byzanz die Taufe empfangen und das Amt eines Heerführers erhalten habe, ist nicht zu verifizieren. 16 Nicephorus, Opuscula historica (ed. DE BOOR S. 12 20 ); MORAVCSIK, Byzantinische Mission S. 21. Unter diesen Hunnen sind möglicherweise Bulgaren zu verstehen. — Nikephoros, von 806-815 Patriarch von Konstantinopel, hat eine Geschichte für die Zeit von 602-769 verfaßt; MORAVCSIK, Byzantinoturcica l, S. 456-459. 17 Theophanes, Chronographia (ed. DE BOOR l, S. 45l 5 ); DEER, Patricius-Romanorum-Titel S. 276; s. auch GUILLAND, Patrices de Leon III a Michel II, IX S. 325, - Theophanes (+ 818) verfaßte in den Jahren 810-814 eine Chronik, die von 284 bis 813 reicht; MORAVCSIK, Byzantinoturcica l, S. 531-537. 18 S. $ 48. 19 Georgius Cedrenus, Historiarum Compendium (CSHB 14, S. 58319). — Georgius Cedrenus hat für die Zeit von 811 bis 1057 das Werk des Johannes Skylitzes (+ kurz vor 1100) meist wörtlich ausgeschrieben; MORAVCSIK, Byzantinoturcica l, S. 273ff. loannes Zonaras, Epito-

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feindlichen Ufer her abzuwehren. Als dann sein Rivale Tyrach über den Fluß setzte, konnte Kegen ihn besiegen. Tyrach und sein Gefolge wurden nun gleichfalls getauft, und der Kaiser verlieh auch ihnen hohe Würden 20 . Wir stehen demnach vor einem eindrucksvollen Befund: Gut ein halbes Jahrtausend ist in Byzanz der kaiserliche Taufpatronat bei solchen Königen und Fürsten angewandt worden, die in den Verband des byzantinischen Reiches eintreten wollten und dabei den Übertritt zum Christentum vollzogen. In formelartigen Wendungen teilen die Quellen immer wieder das gleiche Verfahren mit. Gyula Moravcsik faßt diesen Befund wie folgt zusammen: "Die byzantinischen Quellen geben von der Taufe dieser fremden Fürsten eine von Fall zu Fall sich fast wörtlich wiederholende Beschreibung ... Der vornehme Fremde wird gewöhnlich vom Kaiser selbst aus dem Taufbecken gehoben. Der Neubekehrte wird vorn kaiserlichen Paten reich beschenkt und mit irgendeinem hohen Rang, öfters mit dem des Patrikios, bedacht. Seine Begleitung läßt sich dann ebenfalls taufen, und die vornehmen Hofleute werden ihre Paten. Der bekehrte Fürst nimmt sich bei seiner Heimkehr byzantinische Mönche in die Heimat mit, die im Kreise seines Volkes ihre Missionstätigkeit ausüben. Wenn nötig, werden auch Missionsbistümer im Lande der Barbaren geschaffen und die Missionsarbeit in die Hände eines Bischofs gelegt. Die Taufe des Barbarenfürsten zog das Schließen eines politischen Bündnisses nach sich. Der bekehrte Fürst wird Freund und Verbündeter von Byzanz. Er vertritt die Interessen von Byzanz und muß die Grenzen des byzantinischen Reiches gegen andere Barbaren verteidigen."21 An diesem über Jahrhunderte praktizierten Zeremoniell von geistlicher und politischer Sohnschaft wird auf den ersten Blick erkenntlich, daß es aus mehreren Elementen zusammengesetzt ist: Die Patenschaft ist verbunden mit Riten politischer Bedeutung. Am byzantinischen Hof kannte man zur Ehrung auswärtiger Fürsten bestimmte Titelverleihungen, deren Inhalt oft eine Hofwürde war. Mit der Verleihung solcher Titel sowie der Einordnung in die Hierarchie des Hofes verband sich die Übergabe entsprechender Insignien und Amtstrachten 22 . Die Patenschaft sehen wir nun sehr oft mit der Verleihung der Patrikios-Würde vereint. Der von Konstantin neugeschaffene Patriziat war ein Ehrenrang und kein Amt; ausgezeichnet wurden damit Dignitäre am Hof sowie Ausländer; nur für Italien war der Patriziat ein wirkliches Amt, nämlich das des obersten Heerführers 23 . Die Verleihung erfolgte durch die Übergabe entsprechender Insignien bei gleichzeitiger mae Historiarum XVII 26 (CSHB 31, S. 64l 17 ). - loannes Zonaras lebte in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts am byzantinischen Hof. Seine Geschichte reicht von der Weltschöpfung bis 1118; MORAVCSIK, Byzantinoturcica l, S. 344ff. - Zur Taufe DERS., Byzantinische Mission S. 25f; GÖCKENJAN, Hilfsvölker S. 95f. S. auch GUILLAND, Patrices du regne de Constantin IX Monomaque, XIII S. 8, 13. 20 Georgius Cedrenus, Historiarum Compendium (CSHB 14, S. 587 16 ); loannes Zonaras, Epitomae Historiarum XVII 26 (ebd. 31, S. 64311). 21 MORAVCSIK, Byzantinische Mission S. 27. 22 TREITINGER, Oströmische Kaiser- und Reichsidee S. 191-195, 215-219. 23 DEER, Patricius-Romanorum-Titel S. 278f; DERS., Verleihung des auswärigen Patriziats S. 424-438; HEIL, Konstantinischer Patriziat S. 1-76.

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Aushändigung eines kaiserlichen Kodizills 24 . Um einen Eindruck von der Erhebungszeremonie zu geben, sei der Passus eines Briefes von Papst Hadrian I. zitiert, wo über Arichis von Benevent berichtet wird, daß er sich mit dem Basileus habe verbünden wollen, um den Dukat von Neapel und die Patrikios-Würde zu erhalten. Für uns sind daran beachtenswert die nachfolgenden Bemerkungen, in denen das Verfahren der Erhebung angedeutet wird: Im Haarschnitt wie in der Tracht habe Arichis als kaiserlicher Gefolgsmann zu leben versprochen; darauf habe der Basileus seine Gesandten geschickt, welche auch bereits die entsprechenden Brokatgewänder (vestes auro textas) und weiter ein Schwert (spata) sowie Kämme (pectinae) und eine Schere (forcipes) bei sich gehabt hätten, um die PatrikiosErhebung in der Weise vorzunehmen, wie es Arichis in Kleidung und Frisur gewünscht habe 25 . Weiter finden wir mit der Patenschaft den Ritus der 'barbarischen' Waffensohnschaft verbunden, die den zum Sohn Erwählten zum Waffendienst verpflichtete; zum Ritus gehörte die Übergabe von Waffen 26 . Ein gutes Beispiel, sich die Bedeutung der barbarischen Waffen sohnschaft, dazu noch kombiniert mit byzantinischen Hofwürden, zu veranschaulichen, bietet der Aufstieg Theoderichs des Großen. Der Ostgote erfuhr im Jahre 476 eine Reihe besonderer kaiserlicher Ehrungen: Zenon (474-491) nahm ihn nach 'gentilem Brauch' zum Waffensohn an, nannte ihn seinen 'Freund' und machte ihn zum Patricius und obersten Heermeister27 ; im Jahre 484 wurde Theoderich Konsul und erhielt dabei das römische Bürgerrecht 28 . Nachdem er dann Ravenna erobert und dort schon mehrere Jahre residiert hatte, verlieh ihm Anastasius 498 die 'vestis regia'29. Den zu seinem Nachfolger bestellten Eutharich ließ er von Kaiser Justin als Waffensohn adoptieren und mit dem römischen Bürgerrecht ausstatten 30 . In ihren eigenen Reihen übten die Ostgoten die Waffenadoption offenbar recht häufig. Aus der Zeit vor der Mitte des 5. Jahrhunderts hören wir von einem Gesimund, der sich als überaus ergebener Waffensohn erwiesen haben soll31 . Theoderichs des Großen Vater Thiudimir 24

BREHIER, Monde byzantin 2, S. 102f; GUILLAND, Recherches 2, S. 132-161. Codex Carolinus 83 (MGH Epp. 3, S. 617 23 ). 26 EICHMANN, Adoption S. 291-312; HLAWITSCHKA, Adoptionen S. 3-7. 27 Jordanes, De origine actibusque Getarum 289 (MGH AA 5/1, S. 13213J: Theodorico vero gentis suae regem audiens ordinato imperator Zeno grate suscepit eique evocaturia destinata ad se in urbe venire precepit, dignoque suscipiens honore inter proceres sui palatii conlocavit. et post aliquod tempus ad ampliandurn honorem eius in arma sibi eum filium adoptavit de suisque stipendiis triumphum in urbe donavit, factusque consul Ordinarius. WOLFRAM, Geschichte der Goten S. 338; CLAUDE, Königserhebung Theoderichs S. Iff. 28 WOLFRAM, Geschichte der Goten S. 344ff. 29 Jordanes, De origine actibusque Getarum 295 (MGH AA 5/1, S. 1349); imp. consultu privatum abitum suaeque gentis vestitum seponens insigne regio amictu, quasi iam Gothorum Romanorumque regnator, adsumit. WOLFRAM, Geschichte der Goten S. 353; CLAUDE, Königserhebung Theoderichs S. 5. 30 WOLFRAM, Geschichte der Goten S. 404f; CLAUDE, Königserhebungen S. 153 Anm. 28. 31 Cassiodorus, Variae VIII 9 (MGH AA 12, S. 2393;.· Gensimundus ille toto orbe cantabilis, solum armis filius factus, tanta se Hamalis devotione coniunxit, ut heredibus eorum curiosurn exhibuerit famulatum. CLAUDE, Königserhebungen S. 152 mit Anm. 25; WOLFRAM, Geschichte der Goten S. 319. 25

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adoptierte den Suevenkönig Hunimund 32 . Theoderich selbst machte sich den Eruler-König Rodulf nach gentiler Art zum Waffensohn und übersandte ihm dabei Pferde, Schilde und anderes Kriegsgerät33. So finden wir also eine Waffensohnschaft bezeugt, die mehrmals als 'barbarischer' oder auch 'gentiler' Ritus bezeichnet wird. Schon bald sehen wir dieselbe dann, nicht anders als die altvertrauten byzantinischen Titel- und Ehrenverleihungeh, mit der Patenschaft verbunden. Wann aber zum ersten Mal die Riten der politischen Sohnschaft mit denen der geistlichen Sohnschaft verbunden worden sind, kann hier nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden; viel aber spricht dafür, daß der Lazen-König Tzath als erster zu nennen ist, der im Jahre 522 zu Konstantinopel seine Taufe empfing und dabei unter dem Patronat des Kaisers auch ein Diadem und eine Chlamys erhielt 34 . Mit Recht hat also Dölger davor gewarnt, die Patenschaft nur als "eine spielerische oder rhetorische Metapher" anzusehen; vielmehr handele es sich bei dem Patentitel um einen "ernstzunehmenden Titel", der sowohl im innenpolitischen Kampfe wie aber vor allem in der außenpolitischen Auseinandersetzung oft genug die Rolle eines anspruchsvollen Rechtstitels angenommen habe 35 . Dölger regte deswegen an, "den Auswirkungen und Ausstrahlungen dieser byzantinischen Institution auf andere mittelalterliche Staatswesen nachzugehen"; ein künftiger Bearbeiter dürfe sicher sein, einen eindrucksvollen Beitrag zu dem Thema "Lebenskraft und Wucherungsenergie urtümlicher Gedanken der Menschheit" zu liefern 36 . Daß diese byzantinische Institution über ihren eigenen Bereich "hinausgewuchert" ist, zeigt sich schon daran, daß die kaiserlichen Missionspatronate auch im Westen registriert worden sind. So bringt die Chronik des sogenannten Fredegar folgenden "legendären" Bericht: Die Gattin Caesara des Perser-Kaisers Anaulfus habe ihren Gemahl verlassen und sei mit ihren vier Söhnen und ebensovielen Töchtern zu Bischof Johannes nach Konstantinopel gekommen; dort habe sie die Taufe erbeten, die ihr der Bischof auch gespendet habe; die byzantinische Kaiserin, des Kaisers Maurikios Gemahlin, habe die Aufhebung aus der Taufe vollzogen. Als dann persische Gesandte ihre alte Herrin wiedererkannten und ihr die Bitte ihres Gemahls nach Rückkehr vortrugen, habe sie dessen Taufe zur Bedingung gemacht. Sogleich habe der Perser-Kaiser eine Gesandtschaft an Maurikios gesandt und darum gebeten, daß Bischof Johannes nach Antiochien komme, wo er selbst sich zur Taufe einfinden wolle. Tatsächlich habe er sich dort mit sechzigtausend 32 Jordanes, De origine actibusque Getarum 274 (MGH AA 5/1, S. 12910): facta ultione veniam condonavit reconciliatusque cum Suavis eundem, quern ceperat, adoptans sibi filium, remisit cum suis in Suavia. sed ille inmemor paternae gratiae ... WOLFRAM, Geschichte der Goten S. 319 mit Anm. 71; S. 330 Anm. 39. 33 Cassiodorus, Variae IV 2 (MGH AA 12, S. 1154J: Et ideo more gentium et condicione virili filiurn te praesenti munere procreamus, ut competenter per arma nascaris, qui bellicosus esse dinosceris. damns tibi quidem equos enses clipeos et reliqua instrumenta bellorum: sed quae sunt omnimodis fortiora, largimur tibi nostra iudicia. WOLFRAM, Geschichte der Goten S. 394f. 34 S. Anm. 10. 35 DÖLGER, Familie der Könige S. 36. 36 Ebd. S. 69.

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seines Volkes taufen lassen, wobei der Bischof von Antiochien ihn aus der Taufe gehoben habe. Anaulfus habe dann Maurikios gebeten, ihm Bischöfe und Kleriker zur Taufe aller seiner Perser zu geben, was dann auch geschehen sei 37 . In der Historia Langobardorum des Paulus Diaconus ist diese Geschichte wiederholt, dabei aber im Sinne eines idealtypischen Ablaufes "verbessert": Der PerserKönig sei nach Konstantinopel gekommen; Maurikios haben ihn dort aus der Taufe gehoben und mit vielen Gaben geehrt 38 . Gerade die Tatsache, daß man den älteren Bericht zu verbessern wußte, zeigt an, daß die Vollgestalt dieser Prozedur im Westen durchaus bekannt war und auch verstanden wurde.

§ 3 Taufpatronat im Westen als Forschungsaufgabe Trotz der Anregung Dölgers, der Bedeutung des kaiserlichen Tauf patron ate s auch im Westen nachzugehen, ist diesem Phänomen in der deutschsprachigen Forschung erstaunlich wenig Beachtung geschenkt worden. Wohl hat sich früh, aber nur kurz Gerd Tellenbach geäußert: "Bündnisse befestigte man ... gern durch Familienverbindungen, die durch Verlobungen oder Eheschließungen, durch Adoption ... oder die Übernahme von Patenschaften gestiftet werden können. Durch Adoption oder Patenschaft wird mitunter auch eine lose Schutzherrschaft begründet oder anerkannt" 1 . Ausführlicher hat Margret Wielers in ihrer Dissertation über "Zwischenstaatliche Beziehungsformen im frühen Mittelalter!' mit der Adoption auch die Patenschaft behandelt. Die angeführten Beispiele entstammen alle der Merowinger- und Karolingerzeit; unberücksichtigt geblieben sind jedoch jene Taufhandlungen, in denen sich ein Fürst unter dem Patronat eines christlichen Königs bekehrte 2 . Ein kenntnisreicher Abschnitt über die politische Bedeutung der Patenschaft findet sich in Ludwig Buisson's Untersuchung über die "Formen der normannischen Staatsbildung". Hier wird deutlich gemacht, daß die familiären Bindungen ein vielverzweigtes Geflecht bildeten und für die Staatsbildung fundamental waren. Dabei wird auch der Patenschaft Beachtung geschenkt: "Die christliche Patenschaft hat im Norden Bruchstücke jener Vorstellung einer Treue zwischen Vater und Sohn auch für die Beziehung zwischen Paten und Patensohn übernommen. Geistliche Verwandtschaft besitzt daher, wie Blutsverwandtschaft und künstliche Verwandtschaft auch, Friedewirkung und schützt vor Verlust von Leben und Freiheit" 3 . Fortgesetzt hat diese Untersuchung Ursula Perkow, die über "Wasserweihe, Taufe und Patenschaft bei den Nordgermanen" eine Dissertation vorlegte. Die Verfasserin glaubt dabei allerdings ein "auffallendes 37

Chronicon Fredegarii IV 9 (MGH SS rer. Merov. 2, S. 125f). Paulus Diaconus, Hist. Langobard. IV 50 (MGH SS rer. Langob. S. 13722): sacri baptismatis undo, perfusus et ab augusto de fönte levatus, catholica fide confirmatus est; multisque muneribus ab augusto honoratus. 38

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TELLENBACH, Abendländische Völker S. 4. WIELERS, Zwischenstaatliche Beziehungsformen S. 47-59. BUISSON, Staatsbildung S. 109-111; Zitat ebd. S. 109.

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Einleitung:

Missionspolitik

Verständnis nordischer Völker für das Patenamt" feststellen zu können; ebenso wird von einer "angelsächsischen Konzeption der geistlichen Verwandtschaft" gesprochen oder auch von einem "germanisierten Pateninstitut" auf dem Kontinent 4 . Eine synoptische Aufarbeitung der aufweisbaren Fälle, insbesondere auch die Beiziehung der zahlreichen byzantinischen Beispiele — die Untersuchungen von F. Dölger sind nicht konsultiert — hätte solche Besonderheiten allerdings rasch relativieren müssen. Weiter hat Harald Neifeind in seiner Dissertation über "Verträge zwischen Normannen und Franken" nützliche Analysen der einzelnen Vertragselemente vorgelegt und dabei auch die Taufe behandelt 5 . Daß aber gerade der Patenschaft eine überaus wichtige Bedeutung zukam, will nicht recht erkenntlich werden; Dölger wird wiederum nicht erwähnt. Dessen Beobachtungen hat als einziger Georg Kretschmar zu Rate gezogen, und zwar bei der Taufe Haralds von Dänemark, über den Ludwig der Fromme 826 Pate stand6 . Die Behauptung allerdings, daß dieses Patenschaftsmodell direkt im Rückgriff auf byzantinische Vorbilder und bei der Harald-Taufe vielleicht überhaupt zum ersten Mal für die Mission erprobt worden sei, widerspricht der vielfältigen Bezeugung dieser Patenschaft auch im Westen, denn das Beispiel der Harald-Taufe steht in der abendländischen Geschichte, wie in der byzantinischen, nur als eines unter vielen, älteren wie jüngeren. Gerade vorausgehende Fälle sind auch im Westen so zahlreich und gut bezeugt, daß sich längst eine von Byzanz unabhängige Tradition hatte herausbilden können. Vielerörterte und allbekannte Vorgänge der frühmittelalterlichen Geschichte, so die Eingliederung der Sachsen und der Awaren ins Frankenreich, dann im 9. Jahrhundert die Seßhaftmachung der Normannen und so auch noch Rollo's Ansiedlung in der Normandie, schließen Taufen der genannten Art ein; insbesondere aber weist die englische Geschichte vom 7. bis zum 11. Jahrhundert eine lange Kette von solchen auf Taufe und geistlicher Sohnschaft beruhenden Bündnissen oder politischen Subordinationen auf. Die englische Forschung hat denn auch die missionarische und politische Bedeutung der Patenschaft noch am ehesten zu erfassen vermocht, aber sie immer nur isoliert betrachtet. Schon die Konversion der angelsächsischen Könige vollzog sich des öfteren unter der Patenschaft eines anderen Königs, meist des als Overlord fungierenden Bretwalda. William A. Chaney hat eine Reihe solcher Fälle zusammengestellt und dabei an die germanische Waffensohnschaft wie auch an die Ziehvaterschaft erinnert 7 . Auch James Campbell führt die Patenschaften bei den Königstaufen an und erwägt die Möglichkeit, ob nicht das Verhältnis des Paten zu seinem Taufsohn von besonderer Bedeutung für die angelsächsische Christianisierung gewesen sein könnte 8 . Angesichts der Tatsache, daß die Forschung den byzantinischen Kaiserpatronat mit breiter Zustimmung rezipiert hat 9 , daß sie einen solchen auch im Westen 4

PERKOW, Wasserweihe S. 5f. NEIFEIND, Verträge S. 76-83. 6 KRETSCHMAR, Ansgars Bedeutung S. 106f; DERS., Ansgar S. 104. 7 CHANEY, Cult of Kingship S. 168ff. 8 CAMPBELL, Conversion of England S. 18. 9 GRABAR, God and the 'Family of Princes' S. 117-123; OSTROGORSKY, Byzantine Emperor S. 1-14. 5

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wenigstens in vereinzelten Fällen hat feststellen können, muß es verwunderlich genannt werden, daß unter den zahlreichen Bemühungen, die Elemente zu einer umfassenden Phänomenologie der frühmittelalterlichen Mission zusammenzutragen, der herrscherliche Taufpatronat keine weitere Beachtung gefunden hat. Das Phänomen wurde gelegentlich konstatiert, ansonsten aber isoliert behandelt und infolgedessen nur zu oft unverstanden stehengelassen. Als ein in nahezu allen Fürstenbekehrungen anzutreffendes Verfahren ist es jedenfalls nicht erkannt worden. Die durchgängige Anwendung und Konsistenz wird aber sofort klar, sobald man nur die bezeugten Fälle synoptisch erfaßt.

§ 4 Landeskirche - Erzbistum - Papsttum Für unser Thema ist noch auf wichtige andere Punkte aufmerksam zu machen. Ein christlicher Herrscher, unter dessen Patronat ein zuvor heidnischer Herrscher getauft wurde, hatte auf Grund seiner Patenpflichten sowohl für die christliche Betreuung des Taufsohnes wie auch für die Bekehrung von dessen Volk mit zu sorgen. Das geschah dadurch, daß dem Neugetauften Geistliche oder zuweilen auch ein Bischof mitgegeben wurden, welche die Seelsorge am Hof des Neubekehrten sowie die Mission in dessen Land zu übernehmen hatten. Die Entsendung von Geistlichen war aber für den Taufpatron weit mehr als eine fromme Pflicht. Dadurch eröffneten sich nämlich verheißungsvolle politische Perspektiven: Durch die Entsendung von Geistlichen war die Möglichkeit gegeben, das Herrschaftsgebiet des Patensohnes in die eigene Landeskirche einzugliedern. Bei der frühmittelalterlichen Landeskirche handelt es sich bekanntlich um ein Rechtsgebilde von nahezu autarker Art, über das aber die Könige nach Gewohnheitsrecht eine weithin beherrschende Dominanz ausübten 1 . "Solches Landeskirchentum setzt den Bereich partikularer politischer Herrschaft als abgeschlossenen kirchlichen Funktionszusammenhang und unterscheidet sich dadurch grundsätzlich von dem reichskirchlichen Gedanken der Spätantike, der aus der wechselseitigen Zuordnung von kirchlichem und politischem Universalismus lebt" 2 . Das Schwinden des Universalismus und demgegenüber das Erstarken partikularer Herrschaftsgebilde muß auf dem Hintergrund des allgemeinen Kulturverlustes im Übergang von der Antike zum Mittelalter gesehen werden. Dabei fand "eine Regression statt zu einer elementaren, allgemeinen, unspezifischen Minimalordnung, eben der Ordnung, die in kleinen Räumen, relativ primitiv, personalistisch oder gentilizisch, noch dazu vom Land aus, herrscht und die Sicherung ... von öffentlicher Ordnung und Recht in großen Räumen außerordentlich erschwert. Denn dies alles ist ihr gleichgültig"3. Die Reduktion der antiken, öffentlichen und großräumigen Staatlichkeit auf kleine, gentilizisch und personalistisch ausgeprägte Herrschaften fand im Religiösen ihre Entsprechung in dem, was man "Gentilreligion" genannt hat. Hans-Dietrich Kahl hat dafür eine einprägsame Definition formuliert: 1 2 3

FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte S. 233ff. SCHÄFERDIEK, Germanenmission Sp. 545. MEIER, Kontinuität - Diskontinuität S. 90f.

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Einleitung: Missionspolitik

"Völkern früher Stufe liegt nichts ferner als ein Denken in allgemeinen Kategorien: sie kennen nicht einmal den Begriff der einen, universalen Welt, wissen folglich auch nichts von einem allumfassenden Weltengott ... Der Wirkungskreis der eigenen Götter beschränkt sich auf 'unser' Volk und Land. Sie sind keineswegs die einzigen, die es gibt, oder die einzigen, die wirkliche Macht besitzen: auch die Götter anderer Völker sind wirklich und wirkmächtig; auch sie haben ihr Volk und ihr Land ... — nur in 'unserem' Bereich haben sie von Haus aus nichts zu schaffen: er liegt ... einfach außerhalb ihrer Zuständigkeit" 4 . Für die christianisierten, aber zumeist weiterhin gentil denkenden frühmittelalterlichen Völker hat diese Vorstellung eine tiefwirkende Konsequenz gehabt: "Das ... Ideal ist: die politische Gemeinschaft zugleich [als] Glaubens- und Kultgemeinschaft" 5 . Dieses Ideal aber verlangt — wenn es konsequent verwirklicht werden soll — an der Spitze des Gemeinwesens den 'rex et sacerdos', jenen Regenten also, der mit den politischen zugleich auch die religiösen Aufgaben zu vollführen vermag. Wie aber das Christentum von seiner Universalität her nicht die Abkapselung einzelner christlicher Länder zulassen konnte, so auch nicht den Zusammenfall von politischer und religiöser Leitungsgewalt. Darum mußte ein Herrscher, sofern er dem allgemeinen Ideal des Zusammenklangs von politischer und religiöser Gemeinschaft nachkommen wollte, die Zusammenarbeit mit einem "Hochpriester" suchen, und dieser war der Erzbischof. Das Erzbischofsamt selbst leitete sich von der Stellung des spätantiken Metropoliten ab, welchem bei der Organisierung der Provinzialsynoden und bei der Konsekration neuer Bischöfe die führende Rolle zukam 6 . Wenn auch seit der von Gregor dem Großen eingeleiteten AngelsachsenMission diese Metropolitenrechte nur noch nach Erhalt des vom Papst zu übersendenden Palliums ausgeübt werden konnten und damit als päpstlich verliehene Rechte erschienen 7 , so war der Erzbischof eben doch jener Rechtsträger, welcher mit der Bischofskonsekration und Synodenberufung der Landeskirche ihre relative Eigenständigkeit verlieh. Erst die Errichtung eines Erzbistums und die Bestellung eines Erzbischofs verschafften den politischen Herrschern die so begehrte Eigenständigkeit im Religiösen, was hinwiederum ihre politische Selbständigkeit bestärkte, ja erst vollendete. Es fällt denn auch sogleich auf, wie sehr die politischen Herrschaftsträger daran interessiert waren, einen Erzbischof zur Verfügung zu haben. Im Verein mit ihm eröffnete sich nämlich der Zugriff auf zwei wichtige Rechte: die Bischofserhebung und die Synoden. Die "Bindung der 'JReichskirchen' durch Immunität und Königsschutz an die Zentralgewalt, das Recht des Königs bei der Bestellung kirchlicher Amtsträger bilden ein Netz von Beziehungen im Rahmen der politischen Einheit des Regnum" 8 . 4

KAHL, Missionsgeschichtliches Mittelalter S. 29f. BAETKE, Aufnahme des Christentums S. 51. 6 KEMPF, Struktur der Kirche S. 28-33. 7 Ebd. S. 45-57. 8 BEUMANN, Kaisertum S. 322. Für Byzanz s. MICHEL, Kaisermacht S. 55: "Die sich immer mehr ausweitenden Nominationsrechte gaben dem Kaiser eine gewaltige Macht in die Hand. Die Krone besetzte die höchsten Stufen der Hierarchie, die wichtigsten Patriarchate, deren einflußreichste Räte wie die Spitzen und Bistümer der autonomen Kirche, nach und nach auch die 5

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Auf diese Weise aber vermochte man nicht nur auf die landeseigenen Kirchenverhältnisse einzuwirken, sondern gerade auch auf die Mission. Bei der Entsendung von Priestern und Bischöfen in ein zu bekehrendes Land blieben die Entsandten der eigenen Kirche unterstellt, und neu zu gründende Bistümer wurden dem landeseigenen Erzbistum eingegliedert. So bot sich also bei einer Patenschaft, wegen der damit verbundenen Pflicht der Entsendung von Priestern und Bischöfen, eine recht verheißungsvolle politische Aussicht, deretwegen sich ein Herrscher zur Mission geradezu gedrängt fühlen mußte. Es mag überpointiert klingen, trifft aber dennoch den wahren Sachverhalt, wenn G. Kretschmar schreibt: Weil als "typische Verfassungsgestalt einer derartigen Landeskirche ... im Westen seit der Christianisierung der Angelsachsen das Erzbistum" erscheine, könne die "Geschichte der Mission der lateinischen, abendländischen Kirche im Frühmittelalter bis zur Jahrtausendwende ... weitgehend als Geschichte der in diesem Zeitraum neu gegründeten Erzbistümer geschrieben werden" 9 . Als erstes Beispiel sei die Errichtung der Metropole Salzburg unter Karl dem Großen genannt, die mit ihrem weiten Ausgriff nach Osten in einzigartiger Weise erfolgreich wurde: Von Salzburg aus wanderte das Christentum die Donau hinab, und die christianisierten Gebiete gehörten selbstverständlich zum ostfränkisch-deutschen Reich 10 . Mit der Errichtung des Erzbistums Hamburg wurde ein ähnlicher Ausgriff in den Norden versucht, dem freilich am Ende der Erfolg versagt blieb. Auch war es keineswegs von ungefähr, daß Otto der Große von Magdeburg aus nach Osten vorstoßen wollte. Indem aber Otto III. Gnesen und Gran zu Erzbistümern erheben ließ· — ein in der nationaldeutschen Geschichtsschreibung viel gescholtener Akt —, erhielten Magdeburg und ebenso Salzburg einen nicht mehr überschreitbaren Riegel vorgeschoben. "In Polen und Ungarn entstanden jeweils ethnisch umschriebene Kirchenprovinzen ...",n war doch das hegemoniale Modell Ottos III. bereit, "das Autonomiebedürfnis der östlichen Nachbarvölker" anzuerkennen 12 . Mag dies alles der Geschichtsschreibung wohlvertraut sein, so verdient die Frage des Erzbistums in anderer Hinsicht neue Beachtung. Bekanntlich waren es die angelsächsischen Missionare, welche die Idee des Erzbistums in Gallien, wo die alte Metropolitanverfassung inzwischen verfallen und vergessen war, neu zur Geltung bringen wollten. Als erster ist Willibrord zu nennen, der Erzbischof der FrieStühle der Metropoliten, besonders in Rußland, konnte aber auch bei den gewöhnlichen bischöflichen Sitzen jederzeit ihren Mann einschieben, wenn es ihr zweckmäßig dünkte. Auch auf die Leitung der zahlreichen kaiserlichen Klöster, an denen das Volk mehr hing als am Klerus, hatte die Regierung nachhaltigen Einfluß." Ebd. S. 56: "Stand der Kaiser durch sein Nominationsrecht am Anfange der wichtigsten Pontifikate, so stand er auch durch das Synodalrecht am Anfange, im Mittelpunkte und am Ende der wichtigsten Synoden. Beherrschte er dort die einzelnen Ämter, so erfaßte sein mächtiger Einfluß hier die Gesamtheit der griechischen Kirche. Denn die Synoden, besonders die sogenannten ökumenischen, waren das wichtigste Organ des kirchlichen Lebens, durch das die Hierarchie sich im Lehramt und in der Hirtensorge korporativ auswirkte." 9 KRETSCHMAR, Der Kaiser tauft S. 101. 10 S. den Überblick bei KOLLER, Salzburger Missionsmethode S. 273-288. 11 BEUMANN, Kaisertum S. 360. 12 Ebd. S. 361.

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sen 13 . Schon bald folgte Baiern, dessen Herzog 716 in Rom um die Errichtung eines eigenen Erzbistums nachsuchte 14 . Beide Versuche aber scheiterten, offenbar deswegen, weil die Karolinger fürchteten, dadurch werde eine zu große kirchliche und damit eben auch eine zu große politische Verselbständigung herbeigeführt. Georg Kretschmar dürfte zu recht urteilen: ."Willibrords Versuch, Utrecht zum Erzbistum für die Friesen auszubauen, führte zunächst ebensowenig zum Erfolg wie die Neuordnung der baierischen Kirche durch Bonifatius. Weder Friesland noch Baiern konnten gegenüber dem Druck der Franken ihre Unabhängigkeit bewahren ..."ls. Mit der so begehrten Errichtung eines Erzbistums aber kam ein weiterer Faktor ins Spiel: das Papsttum; denn ohne Zustimmung des Papstes konnte kein Erzsitz aufgerichtet werden 16 . Es genügt, die Querelen Ottos des Großen um "sein" Erzbistum Magdeburg in Erinnerung zu rufen. Daß die politischen Hoffnungen, die an die Errichtung der Erzbistümer geknüpft waren, nur zum Teil aufgingen, resultierte aus einer konsequenten Politik der Päpste. Die weitgespannten Pläne, die das Erzbistum Hamburg hegte, scheiterten letztlich daran, daß in Lund ein eigenes Erzbistum für den ganzen Norden errichtet wurde. Eine deutliche Sprache sprechen auch die Papsturkunden für Magdeburg. Während noch Johannes XII. (955-963/64) Otto den Großen als selbständigen Leiter der Slavenmission anerkannte, konzedierte Johannes XIII. (965-972) eine wesentlich geringere Rolle. Hatte der Kaiser das Recht zur Mission aller Slaven östlich der Elbe beanspruchen wollen, so suchte Johannes XIII. — wohl im Blick auf Polen — die Ausdehnung der deutschen Kirche nach Osten zu beschränken 17 . Als dann Otto III. die kirchliche Verselbständigung der Polen und Ungarn einleitete, war es aus römischer Sicht nur konsequent, dies voll zu unterstützen. Denn "der Papst ... mußte es als seine Amtspflicht ansehen", so hat H. Löwe schon für das 8. Jahrhundert konstatiert, "dafür einzutreten, daß das Streben der Völker — oder besser: ihrer Herrscher — nach kirchlicher Reform und Organisation erfüllt wurde, ohne daß sie Gefahr liefen, durch kirchliche Maßnahmen ihre politische Selbständigkeit zu verlieren"18 . Die Verselbständigung, die Polen und Ungarn mittels eines eigenen Erzbistums erreichten, zeigt eine neue Variante der eminent politischen Bedeutung, die einem Erzsitz zukam. Wenn nämlich die unter dem Patronat des Ost- oder Westkaisers angenommene Taufe die Konsequenz einschloß, sich einem der beiden Imperien einzugliedern, so eröffnete demgegenüber die päpstliche Missionspolitik noch einen dritten Weg, der die politische Eigenständigkeit zu erhalten, ja sogar zu bestärken geeignet war: Ein bekehrungswilliger Fürst konnte vom Papst sowohl die 13

S. $ 28 Anm. 14. S. $ 34 Anm. 4. 15 KRETSCHMAR, Der Kaiser tauft S. 102. 16 FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte S. 118ff; NOTTARP, Bistumserrichtung S. 176-186; SANTIFALLER, Ottonisch-salisches Reichskirchensystem S. 101-107; KEMPF, Struktur der Kirche S. 38-45. 17 S. $ 47 Anm. 30. 18 LÖWE, Bonifatius S. 102. 14

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Missionare wie auch das eigene Erzbistum erbitten. Auf diesem Wege konnte er nicht nur die Subordination unter einen der beiden christlichen Kaiser vermeiden, sondern — weit positiver — er vermochte obendrein eine ganz neue politische Eigenständigkeit zu gewinnen. So schreibt H. Beumann: "Durch die Errichtung 'nationaler' Kirchenprovinzen auf dem östlichen, später auch auf dem nördlichen Missionsfeld hat Rom, die kirchliche Universalmacht, die Nationenbildung im Bereich der europäischen Randvölker gefördert" 19 .

§ 5 Weg und Ziel der Untersuchung Im folgenden soll nun der Nachweis erbracht werden, daß die Taufpatenschaft im Westen genau so wie im Osten eine eminent wichtige Rolle in der Missionspolitik gespielt hat. Mit ihrer politischen Verwendung ist auch ihr Verständnis im Westen kein grundsätzlich anderes als das des Ostens gewesen; die Darstellung von Wesen, Aufgabe und Pflichten der geistlichen Verwandtschaft sowie des Patenamtes wird dies in aller Deutlichkeit aufweisen. Und wenn in Byzanz die Patenschaften nach einem festen Zeremoniell eingegangen wurden, so treffen wir dasselbe auch im Westen; ein Verfahrensmodell verwandter Art war hier ebenfalls in Übung. In ottonischer Zeit kam es sogar zu einer Art Konkurrenz zwischen Ostund Westkaisern, wer jeweils die Patenschaft und damit die kirchlich-politische Oberhoheit über die im Mittelfeld zwischen Ost- und Westimperium angesiedelten Völkerschaften zu gewinnen vermochte. Schon bei dem bereits erwähnten Boris, der die endgültige Christianisierung der Bulgaren herbeiführte, ist dieses rivalisierende Bemühen festzustellen; ganz deutlich tritt es dann bei der Bekehrung der Ungarn und des Rus-Reiches hervor. Im Rückblick auf die bisherige Forschung wird überraschend auch deutlich, wie hilflos manche Autoren dem Quellen material gegenüberstehen. Es fehlt nicht selten an der Kenntnis einfachster liturgischer Vorgänge. Selbst Forscher, die sich als Meister der Quellenanalyse hervorgetan haben, unterscheiden gelegentlich nicht einmal Taufe und Patenschaft. Daß Karl der Große einen Awaren-Tudun aus der Taufe gehoben hat, kann zum Beispiel von Joseph Deer als "Taufe durch Karl"1 wiedergegeben werden. Umgekehrt schreibt P. Classen, daß Papst Hadrian 772 mit dem Baiernherzog Tassilo das "Verhältnis der 'compaternitas' durch Theodos [des Herzogssohnes] Taufe" eingegangen sei 2 ; tatsächlich wird nur von einer Taufe in Rom berichtet. Sollte allerdings der Papst auch die Patenschaft übernommen haben — was durchaus möglich ist —, wäre das zu jenem Zeitpunkt ein hochbrisanter politischer Akt gewesen: ein deutliches Entgegenkommen gegen die damals mit den Baiern verbündeten Langobarden 3 . Aber eben das wird nicht mitgeteilt, daß der Papst die Patenschaft übernommen habe. 19

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BEUMANN, Kaisertum S. 360. DEfiR, Untergang des Awarenreiches S. 769 Anm. 365. CLASSEN, Bayern S. 176. ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 65ff.

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Nicht selten stellt man auch fest, daß es selbst an der Kenntnis jenes Vokabulars fehlt, mit dem die Quellen die Patenschaft zum Ausdruck bringen. Als Beispiel sei die Wendung ex lavacro suscipere aus des Jonas von Bobbio Vita Columbani angeführt. Es ist die Bitte des Dux Waldelenus und seiner kinderlosen Frau Flavia: Der Heilige verspricht seine Gebetshilfe, verlangt aber für den Fall einer Kindesgeburt, daß mihique [filium] ex lavacro suscipiendum tradatis4. Nach der tatsächlich erfolgten Geburt entsprechen dann die Eltern dieser Bitte: Qucm vir sanctus suis manibus rcceptum sacravit sacroque lavacro ablutum ipse suscepit ...s. Der Tatbestand ist demnach folgender: Columban verlangt, das Kind aus der Taufe zu heben, also dessen Taufpate zu werden, was die Eltern bei der Taufe dann auch geschehen lassen: Der Heilige tauft und nimmt dabei selbst das Kind aus dem Taufbrunnen auf, so daß er dessen Pate ist. Bei der Überprüfung von vier Übersetzungen der Columban-Vita 6 zeigt sich, daß keine die Bedeutung des suscipere ex lavacro vollauf erkannt hat und angemessen wiedergibt. Solche offenbaren Ungenauigkeiten und Fehldeutungen lassen aber den Taufpatronat gar nicht erst in Erscheinung treten. Ebenso häufig fehlt es an der Kenntnis des Patenritus. So ist kürzlich noch im Zusammenhang mit der Karantanen-Mission behauptet worden, daß ein "Gevatter ... nicht selbst auch die Taufe vollzogen haben" könnte, und da der erwähnte Gevatter ein Geistlicher war, wurde weiter gefolgert, "daß also die Mitwirkung eines zweiten Geistlichen erforderlich war" 7 . Wer sich aber die Taufund Patenschaftsbräuche des frühen Mittelalter näher anschaut, wird bald feststellen, daß — wie schon bei Columban ersichtlich — nichts selbstverständlicher war als die Kombination von Taufspendung und Patenschaft in der Hand einer Person, die dann freilich ein Geistlicher sein mußte. Aber nicht nur den Übersetzungen und Interpretationen muß man mißtrauen, ebenso manchen Auskünften der wissenschaftlichen Hand- und Lehrbücher. In der Regel bleiben gerade jene Aspekte unerwähnt, derentwegen das Patenamt eine so ungewöhnliche Bedeutung erlangt hat: die juristischen 8 . Dabei hat die ältere Forschung durchaus schon von diesen Implikationen gewußt; man schaue nur in die materialgefüllten Werke von Corblet9 und Höfling 10 . Um in unserem Thema weiter voranzukommen, wäre es unzureichend, nur jene Einzelphänomene des Taufritus oder der Patenschaft erörtern zu wollen, wie sie jeweils bei den im Laufe unserer Untersuchung abzuhandelnden Taufpatronaten aufscheinen. Vielmehr möchte der erste Teil dieser Arbeit in umfassender Weise 4

Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 14 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 1754). Ebd. S. 17516. 6 FRANK, Leben Kolumbans S. 195f; HAUPT, ionae Vitae Columbani liber primus 14, S. 437, 439; MC DERMOTT, Jonas. Life of St. Columbanus S. 88; TOSI - CREMONA - PARAMIDANI, Jonas. Vita Columbani S. 43. 7 KAHL, Rolle der Iren S. 389. 8 ERLER, Patenschaft Sp. 1531f. 9 CORBLET, Sacrement de Bapteme 2, S. 172-221. 10 HÖFLING, Taufe 2, S. 4-20. 5

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informieren: zunächst über die Taufe, dann über die Firmung (deren Patenschaft gern in Anspruch genommen wurde, wenn die Taufpatenschaft bereits vergeben war) und endlich über die Patenschaft selbst. Ein solcher Gesamtüberblick ist notwendig, zum einen, weil nur so das historische Material in neuer Weise zum Sprechen gebracht werden kann, notwendig zum anderen, weil die liturgiegeschichtliche Forschung weiter vorangeschritten ist. Wolfram von den Steinen, dessen Untersuchung über die Taufe Chlodwigs gerade wegen ihrer Einbeziehung der Liturgiegeschichte zu neuen Ergebnissen gelangte und deswegen bis heute Anerkennung findet, hat am Ende des 1962 von ihm besorgten Nachdrucks geschrieben: "Die inzwischen stark ausgebaute liturgiegeschichtliche Forschung ... konnte ich nicht verfolgen"11. Das zu diesem Zeitpunkt bereits zu verzeichnende Defizit ist aber weiter angewachsen; dennoch wird allzu oft der Kenntnisstand des Dictionaire d'archeologie chretienne et de liturgie als weiterhin ausreichend angenommen. In Wirklichkeit vermag aber die Darstellung der Taufliturgie, so wie sie heute historisch möglich ist, in nicht wenigen Punkten neue Einsichten zu vermitteln. Darum soll im folgenden der Ritus mitsamt den tragenden theologischen Vorstellungen, aber auch mit den rechtlichen und politischen Konsequenzen, die ihm im Laufe der Zeit beigelegt worden sind, dargestellt werden. Darüber hinaus wird — wie im Vorgehenden bereits angedeutet — die Frage der Kirchenorganisation und vor allem des Erzbistums mitbehandelt werden. Natürlich erfaßt der Blickwinkel des Taufpatronates nicht die volle politische Valenz, die dem Erzbistum inhärierte; gleichwohl können wichtige Aspekte sichtbar gemacht werden, entschied sich doch hier, wieweit die politischen Ziele, die mittels des Taufpatronats angestrebt wurden, auf Zukunft hin institutionell abgesichert werden konnten. Überhaupt treten in der Durchführung des Themas eigentlich alle Aspekte hervor, die in der frühmittelalterlichen Mission von Bedeutung gewesen sind. Dabei kann und muß auf bereits Erarbeitetes zurückgegriffen werden. Manches erscheint allerdings in neuem Licht, so zum Beispiel das Phänomen, daß bei einer Königskonversion die herrschaftsberechtigten Söhne auffallend häufig ungetauft blieben — ein in der Forschung bislang nicht wahrgenommenes Faktum. Anderes hingegen wird weiterhin ein Desiderat bleiben müssen, etwa das Phänomen der bereits christlichen Fürstinnen, das zufolge H.-D. Kahl eine neue zusammenfassende Studie verdiente 12 . Als ebenso verdienstvoll dürfte sich eine Studie über das Gottesurteil erweisen, das in der Mission gleichfalls oft anzutreffen ist. Methodisch wird so vorgegangen, daß die aufweisbaren Fälle in chronologischer Abfolge vorgestellt werden. Für den Leser ergibt sich dabei freilich der mißliche Umstand, daß ihm erst im Gang der Untersuchung die durchgehende Konsistenz des Patenrituals deutlich wird. Diese Schwierigkeit wird noch dadurch vergrößert, daß die Quellen die für unser Thema grundlegenden Patenschaften meist nur formelartig wiedergeben. In der Regel wird allein mitgeteilt, daß der sich bekehrende Fürst Treue sowie Christlichkeit versprochen habe, daß daraufhin der christliche Herrscher ihn aus dem heiligen Brunnen aufgehoben und mit reichen Geschenken 11 12

VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 88. KAHL, Missionsgeschicktliches Mittelalter S. 63 Anm. 121.

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geehrt habe. Was aber hinter diesen knappen Formeln verborgen ist, wird erst aus einer Synopse aller Beispiele deutlich; allein die Kenntnis des Ganzen ermöglicht, die knappen und formelhaften Mitteilungen in ihrer wahren Tragweite zu entschlüsseln. Weil jedoch schon die ersten Beispiele nur formelartig überliefert sind, aber dennoch nach dem aufgefüllten Verständnis interpretiert werden müssen, mag im Anfang der Eindruck einer Überinterpretation entstehen. Erschwerend tritt hinzu, daß die Forschungsliteratur unser Thema, wenn überhaupt so allenfalls am Rande, behandelt hat und darum nicht wenige vermeintlich altbekannte Vorgänge neu interpretiert werden müssen. Immerhin mag es eine Hilfe sein, sich des byzantinischen Kaiserpatronates zu erinnern und ihn zum Verständnis beizuziehen.

Erster Teil: DAS SAKRAMENT DER INITIATION IM FRÜHEN MITTELALTER

1. Der Ritus der Taufe § 6 Römischer Ritus Wenn im Folgenden jener Taufritus vorgestellt wird, wie er uns in den römischen Sakramentaren und Ordines begegnet, hauptsächlich also im Sacramentarium Gelasianum und im Ordo Romanus XI, so findet das seine Rechtfertigung von der historischen Entwicklung her: Der römische Ritus ist für das abendländische Mittelalter die Norm geworden. Ursprünglich jedoch ist dessen Geltungsbereich auf die Stadt seiner Entstehung und die mittelitalischen Bistümer beschränkt gewesen 1 . Außerhalb hat es bekanntlich eine zweite, weit vielfältigere "Liturgiefamilie" gegeben, die wir die gallikanische nennen. Sie unterschied sich deutlich von der römischen, bildete aber in sich keineswegs eine einheitliche Größe. Zu umfangreich und zu verschiedenartig war ihr Geltungsbereich: Norditalien, Spanien, Gallien und Irland. Über ihre Ursprünge und ihr Gesamtbild sind wir nur dürftig unterrichtet. Die Gallien betreffenden Quellen, soweit sie Gestalt und Details erkennen lassen, entstammen dem Ende des 7. oder dem Anfang des 8. Jahrhunderts und sind schon so stark von römischen Formeln durchsetzt, daß sie nicht mehr als untrügliche Zeugen gelten können 2 . Ihren endgültigen Todesstoß erhielt die gallikanische Liturgie, als die Karolinger im 8. Jahrhundert die bereits älteren Romanisierungstendenzen aufgriffen und von Staats wegen unterstützten. Damals gewann auch der römische Taufritus seine abendländische Anerkennung und Verbreitung. Er nahm dabei aber eine Reihe gallischer Eigentümlichkeiten in sich auf, die auf diese Weise erhalten blieben. Die Gliederung des Folgenden ist damit vorgezeichnet: Die voll ausgebildete Taufliturgie Roms, gelegentlich ergänzt durch Bräuche anderer, hauptsächlich gallikanischer Kirchen, und dann die karolingische Reform mit ihren Auswirkungen insbesondere für die Taufe. Unter religionsphänomenologischem Blickwinkel betrachtet erweckt die Taufe den Eindruck, zu jenen Riten zu gehören, die eine Reinigung und Neuwerdung 1 VOGEL, Introduction S. 247-250; ebd. S. 249: "Les pretentions romaines, en matiere cultuelle, se limitent ä l'aire geographique de l'Italie suburbicaire, ... oü s'exerce aussi la juridiction immediate de Rome, et a cette aire seulement, ä Pexclusion de toute autre region de l'Occident." 2 DERS., Behanges liturgiques S. 198-204; DERS., Introduction S. 90ff, 223-235; PORTER, Gallican rite S. 9-56; GAMBER, Codices l, S. 56-93, 153-225, bes. S. 153-156 u. 194ff;JUNGMANN, Frühzeit S. 187-197, 216-226.

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anzeigen 3 . Im Christentum verband sich freilich mit diesem heiligen Bad eine solche Fülle von theologischen Vorstellungen4 , daß eine simple religionsgeschichtliche Herleitung aus ähnlichen Riten jüdischer oder hellenistischer Provenienz unzureichend bleibt 5 . Wie im Neuen Testament am Beginn der Predigt Jesu die Aufforderung nach Umkehr und Glauben (Mc 1,14) steht 6 , so hat diese Forderung intensiv auch auf den altchristlichen Initiationsritus eingewirkt: Die Taufe ist das Sakrament der Umkehr und des Glaubens 7 . Darum werden bei der Eingliederung in die Kirche sichtbare Beweise der Bekehrung und ein ausdrückliches Glaubensbekenntnis verlangt. Scheint es in der ersten Zeit noch möglich gewesen zu sein, eine Taufe bereits nach Stunden oder Tagen zu empfangen, so hören wir schon bald von langen Zeiten, sogar von mehreren Jahren, die zum Erweis der Würdigkeit durchstanden werden müssen. Dem Bericht der Apostelgeschichte zufolge taufte der Diakon Philippus den äthiopischen Kämmerer unmittelbar nach der Verkündigung der Heilsbotschaft, sobald sie an eine Wasserstelle kamen 8 . Demgegenüber verlangt die Apostolische Tradition Hippolyts (+ ca. 236) im Regelfall eine Zeit von drei Jahren 'zum Hören des Wortes' 9 . Diese langwierige Hinführung, das Katechumenat mit seinen Unterteilungen, vor allem mit der letzten intensiven Vorbereitung der 'electi' oder 'competentes' genannten Taufkandidaten10 , wurde dabei immer mehr liturgisch-rituell ausgestaltet: die Aufnahme unter 3

REITZENSTEIN, Vorgeschichte S. 152-292; LEIPOLDT, Urchristliche Taufe; NINCK, Bedeutung des Wassers; YSEBAERT, Baptismal terminology S. 12-39; HEILER, Religion S. 186-190. 4 G. KRETSCHMAR (Taufgottesdienst S. 14-51) behandelt folgende Aspekte: Christusbezogenheit, Geistwirkung, Salbung und Priesterweihe, heilige Hochzeit, Besiegelung, Gelöbnis, Bad, Wort und Glaube, die Spendung auf den Namen Jesu und auf den Namen von Vater, Sohn und Heiligem Geist; vor allem dann den in Rm 6,3-11 geäußerten Gedanken der Hineinnahme in Tod und Auferstehung Christi; s. ferner SCHNEIDER, Taufe S. 44-48; CULLMANN, Tauflehre S. 18-40; SCHLINK, Taufe S. 666-673; YSEBAERT, Baptismal terminology S. 40-83; BEASLEY-MURRAY, Taufe S. 128-163; zur Tauftheologie Pauli s. SCHNACKENBURG, Heilsgeschehen; KUSS, Tauflehre S. 121-150. 5 KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 51-58; MAERTENS, Bapteme S. 11-31; ALAND, Vorgeschichte S. 1-14; BEASLEY-MURRAY, Taufe S. 13-69. 6 SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft S. 69-76; BULTMANN, Theologie S. 2-10; JEREMIAS, Neutestamentliche Theologie l, S. 151-164. 7 BULTMANN, Theologie S. 41f, 136-146, 311-314, 41 If, "51 Iff; CONZELMANN, Grundriß S. 64-67; SCHLIER, Lehre von der Taufe S. 107-129; MAERTENS, Bapteme S. 35-71; KASPER, Glaube und Taufe S. 129-159; GOPPELT, Apostolische und nachapostolische Zeit S. A 27f, 140-143; DAUVILLER, Temps apostoliques S. 465-475. - Zum Verhältnis von Glaube und Taufe in der Dogmengeschichte s. VILETTE, Foi et sacrament 1-2. 8 Act 8,26-40; s. dazu HAENCHEN, Apostelgeschichte S. 259-266. Mit Vers 37: Philippus aber sagte zu ihm: 'Wenn du aus ganzem Herzen glaubst, darf es [die Taufe] geschehen.' Er antwortete ...: 'Ich glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist.' ist später — der Vers steht nur in dem "westlichen" Text — das vermißte Glaubensbekenntnis nachgetragen worden. 9 Hippolyt, Traditio Apostolica 17 (ed. BOTTE S. 38 12 ). Tertullian erklärt die sofortige Taufe des äthiopischen Kämmerers mit einem besonderen Geheiß Gottes; für die eigene Zeit erscheint ihm eine so rasche Taufe unerlaubt; De baptismo 18 (CChr.SL l, S. 292 8 ). - Eine Übersicht über den Taufritus in der Traditio Apostolica geben CAPELLE, Introduction 136-143; SCHMIDT, Introductio S. 238ff u. MAERTENS, Bapteme S. 81-112. 10 KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 63-86, 152-163; STENZEL, Taufe S. 43-52, 132-164;

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die Taufbewerber, die Bekanntgabe der Heiligen Schrift (zuletzt durch ein feierliches Ansingen der Evangelien-Initien), die Übergabe des Symbolums und des Vaterunsers samt deren Wiedergabe seitens der Kandidaten am Ende der Vorbereitungszeit und so noch weitere explikative Zeremonien 11 . Alle diese vorbereitenden Riten, deren Gestaltung grundsätzlich auf die Erwachsenentaufe abgestellt ist, wollen in erster Hinsicht den Glaubensakt samt seinen lehrhaften und lebensmäßigen Implikationen entfalten helfen und so zur Taufe vorbereiten. Denn unmittelbar bei der Taufe wird in feierlicher Form das ausdrückliche Bekenntnis zum dreieinigen Gott erfragt; nur im Glauben an ihn kann die Taufe empfangen werden 12 . Dem Glaubensbekenntnis ist dann aber seit dem 3. Jahrhundert eine Vergewisserung nach der Absage an den Teufel, meist ebenfalls in drei Fragen, vorangestellt worden. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß der Einwohnung des Gottesgeistes die des Teufels vorausgeht. Deswegen verlangt der mit der Taufe sich vollziehende Herrschaftswechsel die Austreibung Satans und eine ausdrückliche Absage an ihn 13 . Für das Verständnis der Taufe während der Spätantike und des Frühmittelalters ist es nun sehr bedeutsam, daß die katechetischen Elemente immer mehr von lustrativen und apotropäischen Vorstellungen verdrängt worden sind. Nicht so sehr die von vornherein so zu verstehenden Exorzismen beweisen das als vielmehr die alsbald ebenso interpretierten Exsufflationen sowie die präbaptismalen Salbungen und die Salzgabe14. Ganz massiv zeigt sich die apotropäische Umdeutung bei den Skrutinien in ihrer seit dem späten 6. Jahrhundert in Rom üblichen Gestalt: Ursprünglich waren sie eine Art öffentlicher (Selbst-) Prüfung auf dem Weg zur Taufe, verbunden durchaus mit Teufelsabsagungen, aber eben auch mit starken persönlichen Bußbemühungen 15 . Am Ende der EntMAERTENS, Bapteme S. 115-121; DE PUNIET, Catechumenat Sp. 2580-2590; SCHWARTZ, Bußstufen S. 274-362, bes. S. 338-352; FUNK, Katechumenatsklassen S. 209-241. 11 KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 222-260; STENZEL, Taufe S. 153-164; MAERTENS, Bapteme S. 122-137. Schon bei Augustinus finden wir alle diese Riten erwähnt; ROETZER, Augustinus S. 136-167; BUSCH, Augustinus S. 412-453; ferner die Überblicke bei BAUS, Urgemeinde S. 315-320; DERS., Innerkirchliches Leben S. 304ff; GAUDEMET, Eglise S. 55-69. 12 Über die Taufliturgie als Ausdruck des Glaubens s. LECUYER, Rapport S. 87-99; STENZEL, Taufe S. 79-98. 13 DÖLGER, Exorzismus S. 1-43; DERS., Sonne der Gerechtigkeit S. 110-129; KIRSTEN, Taufabsage S. 38-133 (wo eine Übersicht über die sprachlichen Formulierungen, deren Deutung und auch deren Stellung in der Taufliturgie gegeben wird); KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 98-101; STENZEL, Taufe S. 98-104; ferner der wichtige Artikel THRAEDE, Exorzismus Sp. 44-117, bes. Sp. 76-100 (Taufexorzismus). 14 DÖLGER, Exorzismus S. 44-159; THRAEDE, Exorzismus Sp. 85-100. EJ. LENGELING (Präbaptismale Salbung S. 330ff) verweist darauf, daß bei den Salbungen nicht von vornherein eine exorzistische Deutung anzunehmen ist; für die Exsufflationen stellt TH. MAERTENS (Bapteme S. 187, 225) dasselbe heraus. Die Salzgabe ist von Augustinus als heilige Speise gedeutet worden (s. Anm. 24). 5 Augustinus, Sermo 216,6 (MIGNE PL 38, Sp. 1080): cordis scrutatlone et contribulatione complete; BUSCH, Augustinus S. 434ff; ROETZER, Augustinus S. 145f; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 227f; Johannes Diaconus, Ep. ad Senarium 4 (ed. WILMART, Analecta S. 1737,).· Perscrutamur enim corda; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 253f; Sacr. Gelas. XXVIII 283 (ed. MOHLBERG S. 42 17 ): Scrutinii diem, ... quo electi nostri divinitus instruan-

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wicklung des römischen Taufritus, also in dem bis in die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts zurückreichenden Ordo Romanus XI und in dem noch davor anzusetzenden Sacramentarium Gelasianum 16 , bestehen die Skrutinen nur mehr aus einer Anhäufung von exorzistischen Beschwörungen, so daß man in der Tat "den Kampf gegen den Satan das zentrale Thema dieses Gottesdienstes" nennen kann 1 7 . Außerdem ist ihre Anzahl von ursprünglich drei — so noch in den älteren Schichten des Gelasianum und anderen Quellen greifbar18 - auf sieben erhöht: Den sieben Gaben des Geistes sollten ebenso viele Abschwörungen entsprechen 19 . Die Skrutinen beginnen am Mittwoch der dritten Fastenwoche; sie verteilen sich dann über die weitere Quadragesima20 und nehmen dabei einen solchen Raum ein, daß sie als das tragende Gerüst der ganzen Taufvorbereitung erscheinen. An den Anfang der ersten "Prüfung" sind die Riten und Gebete des alten Ordo ad catechumenum faciendum gestellt21 . Hier werden nun eine Exsufflation 22 , eine Handtur; CHAVASSE, Careme Romain S. 325-381; DERS., Discipline Romaine S. 227-240 (zu den Arbeiten von A. CHAVASSE s. auch JUNGMANN, Quadragesima S. 84-95); MAERTENS, Bapteme S. 146-157. 16 Die Datierung des Ordo Romanus XI hängt ab von seinem Verhältnis zum Gelasianischen Sakramentar, näherhin zu dessen Taufordo. Nun ist aber das Gelasianum in sich selbst keine Einheit. L.C. MOHLBERG (Sacr. Gelas. S. XXXI) faßte 1960 die bisherigen Forschungen so zusammen: "Das heute so genannte Gelasianum, womit die römischen Elemente gemeint sind, läßt sich nicht mehr als ein Buch aus einem Guß, durch eine Person zu einer bestimmten Zeit römischer Liturgie in Rom definieren, sondern ist eine Kompilation unabhängiger 'libelli' römischer Herkunft, an die später fränkische Elemente sich angliederten." Während M. ANDRIEU (Ordines Romani 2, S. 404f) das Gelasianum aus dem Ordo Romanus XI schöpfen läßt, den er darum noch in das Ende des 6. Jhs. setzt, sieht sein Schüler C. VOGEL (Introduction S. 138141) unter dem Eindruck der Arbeiten von A. CHAVASSE das Verhältnis umgekehrt: "La date de redaction a Rome de l'Ordo XI est posterieure ä la confection de l'ordo baptismal du Vat. Reg. 316 (v. 650 environ). L'Ordo XI peut avoir apparu des les annees 650-700 environ ..." (ebd. S. 139). Ferner CHAVASSE, Sacramentaire Gelasien S. 166ff; GAMBER, Codices l, Nr. 292 S. 188f, Nr. 610 S. 301ff; STENZEL, Taufe S. 230-234. Nach TH. MAERTENS (Bapteme S. 207ff) bietet Ordo Romanus XV gegenüber Ordo Romanus XI die bessere und ältere Form der römischen Taufliturgie. — Einen Überblick über die einzelnen Taufriten geben H. SCHMIDT (Introductio S. 250-254) und C. VOGEL (Introduction S. 140f). 17 KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 253; Überblick bei KIRSTEN, Taufabsage S. 103-108; MAERTENS, Bapteme S. 207-212; STENZEL, Taufe S. 223-230. 18 ANDIEU, Ordines Romani 2, S. 382-387; STENZEL, Taufe S. 207-219; NEUNHEUSER, Kindertaufe S. 325; grundlegend die in Anm. 15 zitierten Arbeiten von A. CHAVASSE. 19 OR XI 81 (ed. ANDRIEU 2, S. 44213 u. 388f). 20 Die liturgischen Zeitangaben sind zusammengestellt bei STENZEL, Taufe S. 226; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 253-257. 2 Am deutlichsten erwähnt sind die Elemente dieses Ritus in einem Formular des Gelasianum für die Katechumenisierung eines Heiden; Sacr. Gelas. XXXI 598 (ed. MOHLBERG S. 9314;.· facis eum caticuminum: exsufflas in fadem eius et facis ei crucem in fronte; inponis manum super caput eius; ebd. 601 (S. 93 ): postquam gustaverit medicinam salis et ipse se signaverit, benedicis eum; ferner ebd. XXVIIII-XXXII (S. 42ff); OR XV 86-94 (ed. ANDRIEU 3, S. 116 12 ); OR XI 1-7 (ebd. 2, S. 417ff). Im wesentlichen sind diese Riten schon aufgeführt in Traditio Apostolica 20 (ed. BOTTE S. 42 1 ); s. dazu CAPELLE, Introduction S. 136ff. Grundlegend die Arbeiten CHAVASSE, Catechumenat S. 79-93; DERS., Sacramentaire Gelasien S. 161f, 172-176; ferner MAERTENS, Bapteme S. 122-126, 183-227. 22 BARTSCH, Sachbeschwörungen S. 240-249; DÖLGER, Exorzismus S. 118-130.

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auflegung mit der ersten Kreuzsignierung23 und die Salzgabe24 verabreicht. Wer aber mit dem Kreuz des Katechumenates bezeichnet war, durfte sich, wie Augustjnus und andere bezeugen, bereits Christ nennen 2 5 . So war die Möglichkeit gegeben, nicht mehr als Heide zu gelten, ohne jedoch das Taufversprechen abgelegt zu haben und zu einem wirklich christlichen Leben verpflichtet zu sein. An dieser ersten Kreuzsignierung setzte der seit dem 4. Jahrhundert so weit verbreitete Taufaufschub an, der allerdings gelegentlich auch später noch anzutreffen ist, so in der nordischen Mission26. Aber nicht allein die Eröffnungsriten des alten Katechumenates sind mit dem ersten Skrutinium verbunden worden; an dieser Stelle erfolgte auch die Einschreibung der Taufkandidaten 27 . Ursprünglich wurde mit diesem Akt die Einreihung in die Klasse der 'electi' oder 'competentes' vollzogen, in jene Gruppe von Kandidaten also, die sich endgültig zur Taufe entschlossen hatten und die auch vom Bischof dazu angenommen worden waren 28 . Die tiefgreifende Veränderung, die sich an der Verschmelzung dieser beiden, ursprünglich durch die lange Katechumenatszeit getrennten Aufnahmeriten ablesen läßt, ist mit Recht hervorgehoben worden: "Das 'einfache Katechumenat' als Prüfungszeit ist verschwunden."29 Natürlich war die Reduktion der langen, nach Hippolyt auf drei Jahre zu bemessenden Katechumenatszeit auch eine Folge der inzwischen nahezu ausschließlich praktizierten Kindertaufe, für die bekanntlich kein eigener Ritus geschaffen worden ist30. Die eigentlich für Erwachsene konzipierte, nunmehr ganz ritualisierte Taufvorbereitung wurde weitgehend in Segensriten und Exorzismen umgedeutet und konnte in solcher Gestalt problemlos auch bei Kindern angewendet werden 31 . Dem dritten Skrutinium hat man auf diese Weise in einem Zuge die 'apertio aurium' 32 , die 'Übergabe' der Evangelien, des 23

DÖLGER, Geschichte des Kreuzzeichens (4) S. 9-13; VOGEL, Signalton S. 44-49. BARTSCH, Sachbeschwörungen S. 291-294; FRANZ, Benediktionen l, S. 223-227; DÖLGER, Exorzismus S. 92-100. Am ausführlichsten spricht Augustinus über die Bedeutung des Salzes als einer heiligen Speise; BUSCH, Augustinus S. 419-423; ROETZER, Augustinus S. 141ff; STENZEL, Taufe S. 171-175. 25 ROETZER, Augustinus S. 139ff; NAGEL, Kindertaufe S. 111-118. 26 SCHMITZ, Gottesdienst S. 30-34; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 308; BAUS, Innerkirchliches Leben S. 304f; LANGE, Studien S. 179ff. 7 Ausführlich beschrieben in Itinerarium Egeriae 45 (CChr.SL 175, S. 87 1 ); die Namensangabe ist mit einer Prüfung der Würdigkeit verbunden. Dasselbe ist für den Westen bezeugt bei Ambrosius und Maximus von Turin; MUTZENBECHER, Weihnachten und Epiphanie S. 112, 115. 28 BOTTE, Competentes Sp. 266ff; STENZEL, Taufe S. 153-164. 29 STENZEL, Taufe S. 218; MAERTENS, Bapteme S. 193ff; s. auch VOGEL, Introduction S. 139: "Les elements didactiques ont ete elimines au profit d'elements rituels." 0 STENZEL, Taufe S. 294: "Einen von Grund auf eigen konzipierten Kindertaufritus hat es nie gegeben." Die im Gelasianum und im Ordo Romanus XI anzutreffenden Hinweise auf die Kindertaufe sind zusammengestellt bei CHAVASSE, Sacramentaire Gelasien S. 164f; FISHER, Initiation S. 3ff; NEUNHEUSER, Kindertaufe S. 323-333. 31 STENZEL, Kindertaufe S. 96-107; BEASLEY-MURRAY, Taufe S. 465-470. 32 OR XI 42 (ed. ANDRIEU 2, S. 427 u. 392); zur Geschichte dieses Ritus s. BOTTE, Apertio aurium Sp. 487ff; STENZEL, Taufe S. 227. 24

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Symbolums und des Vaterunsers angefügt 33 . Die 'Wiedergabe' des Credo — die Taufanwärter hatten diese heiligen Texte ursprünglich auswenig zu lernen 34 — geschah beim letzten Skrutinium am Karsamstagmorgen, bei dem auch der EffetaRitus (cf. MC 7,34) 35 , die Salbung auf Brust und Rücken und die Abrenuntiation vollzogen wurden 36 . Nach den Skrutinien hört dann allerdings die Mitteilungsfreudigkeit des Ordo Romanus XI geradezu schlagartig auf; er wird noch karger als selbst die Sakramentare, die von ihrer Anlage her zuerst auf die Gebetstexte und weniger auf den Verlauf des Ritus zu achten haben. Es folgt eine nur knappe Bemerkung darüber, daß der Pontifex ein oder zwei Kinder selbst tauft und die anderen einem Diakon überläßt 37 . Glücklicherweise gibt sich jedoch das Gelasianum an dieser Stelle gesprächiger. Es bietet eine hinreichend genaue Beschreibung des rituellen Hergangs und überliefert dabei sogar eine überraschend alte Form der Taufspendung. Bekanntlich wird allgemein angenommen, daß in der Frühzeit auf den Namen Jesu getauft worden ist 38 ; ohne Zweifel sei dieser Name dabei angerufen worden, so daß dessen Proklamation als die altchristliche Taufformel anzusehen sei39. Neuerdings sind jedoch Bedenken angemeldet worden; nach H. von Campenhausen haben wir "aus urchristlicher Zeit kein einziges sicheres Zeugnis für eine Verwendung des bloßen Jesusnamens innerhalb einer geprägten Taufformel, die allein durch diesen Namen bestimmt wäre" 40 . Wie dem auch sei, die ausführlicheren Quellen setzen tatsächlich die trinitarische Formel voraus, wie sie zuerst in Mt 28,19 — der sprachlichen Fassung nach wohl nur als liturgische Formel erklärbar41 — und, vielleicht sogar unabhängig davon, auch in der Didache überliefert ist 42 . Hippolyt beschreibt dann anschaulich, wie diese Formel in der rituellen Praxis angewendet wurde; sie gliederte den Taufvorgang in drei Fragen und drei Tauchungen. Auf die Frage nach dem Glauben an den allmächtigen Vater (credis) 33

OR XI 39-76 (ed. ANDRIEU 2, S. 426-441); Sacr. Gelas. XXXIIII-XXXVI (ed. MOHLBERG S. 46-53): STENZEL, Taufe S. 227f; CHAVASSE, Sacramentaire Gelasien S. 160f. Eine Schilderung der Übergabe von Symbol und Evangelien findet sich auch in der für die gallische Liturgie wichtigen Expositio antiquae liturgiae Gallicanae II 7 (ed. RATCLIFF S. 20f). 34 KLAUSER, Auswendiglernen Sp. 1035ff. 35 STENZEL, Taufe S. 165ff; MAERTENS, Bapteme S. 135f. 36 Sacr. Gelas. XLII 419-424 (ed. MOHLBERG S. 67f); OR XI 82-88 (ed. ANDRIEU 2, S. 443f), wo freilich weder Salbung noch Abrenuntiation erwähnt sind; deutlicher dagegen OR XV 114 (ed. ANDRIEU 3, S. 1191 ).· tangit ipse presbiter de oleo benedicto pectus infantum, faciens bis crucem ... dicendo: Abrenuntias ... Et inde terciam crucem inter scapulas ...; ähnlich Sacr. Hadr. 83/360 (ed. DESHUSSES l, S. 182f); LENGELING, Präbaptismale Salbung S. 330344; STENZEL, Taufe S. 215f, 228ff u. 165-168; MAERTENS, Bapteme S. 285-289. 37

OR XI 96 (ed. ANDRIEU 2, S. 445 1 5 ). KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 18f; BEASLEY-MURRAY, Taufe S. 136-142. 39 BEASLEY-MURRAY, Taufe S. 137: "der Name [Jesu] ... vom Täufer ausgesprochen ..."; CONZELMANN, Grundriß S. 66. 40 VON CAMPENHAUSEN, Taufen S. 9. 38

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MICHEL, Matthäusevangelium S. 16-26; BEASLEY-MURRAY, Taufe S. 109-127; KERTELGE, Taufbefehl Jesu S. 29-40. 42 RORDORF, Didache S. 504f; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 32-36.

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und der gläubigen Zustimmung des Taufwilligen (credo) folgte eine erste Tauchung (mersio), die der Spender durch Handauflegung begleitete; und ebenso folgten dann Frage und Antwort bezüglich des Glaubens an den Sohn und den Geist mitsamt den weiteren Tauchungen 43 . Genau dieselbe Verquickung von Glaubensfragen und Tauchungen setzt auch Ambrosius voraus 44 , und dieselbe Ordnung führt noch das Gelasianum an: baptizas unumquemque in ordine suo sub has interrogationes^. Es überrascht an diesen älteren Taufritualien, daß eine eigene Spendeformel in der Art: 'Ich taufe dich ...' fehlt 46 . Indem aber der Spender kein autoritatives Wort proklamierte, erschien er auch weniger als die das Geschehen beherrschende Person. Die Taufhandlung war vielmehr vorrangig vom Täufling selbst her bestimmt, von dem Aussprechen seines Glaubenskonsenses und den darauf folgenden Tauchungen. Indem nämlich der Glaubenskonsens nur erfragt und außerdem bei der Tauchung allein durch Handauflegung assistiert wurde, standen Freiheit und Würde der Glaubenszustimmung eindrücklich im Vordergrund. Der Taufritus war so wirklich die "kultisch-ekklesiale Formgebung des Glaubensentscheids", denn die Formulierung des Glaubens erfolgte "im Akt der Entscheidung selbst: dem Bekenntnis zugeordnet, das zugleich Zusage neuen Lebens darstellt"47. Für diese Form der interrogativen Taufspendung ist allerdings das Gelasianum der letzte selbständige Zeuge. Schon im Sacramentarium Gregorianum findet sich die indikative Spendeformel, und zwar in einem Formular für die Krankentaufe, das A. Chavasse zwischen 680 und 720 datieren möchte 48 . Über den genaueren Zeitpunkt und die Gründe dieser Veränderung tappen wir freilich im Dunkeln, wenigstens bis jetzt 49 . Im 8. Jahrhundert sprechen die Papstbriefe an Bonifatius von der trinitarischen Spendeformel als dem in Rom geläufigen Modus50 ; dieselben wer43

Hippolyt, Traditio Apostolica 21 (ed. BOTTE S. 48 1 ); CAPELLE, Introduction S. 141f; KELLY, Glaubensbekenntnisse S. 36-55 (keine deklamatorischen Glaubensbekenntnisse vor dem 4. Jh. im Taufritual). S. auch DÖLGER, Taufsymbol S. 138-146. 44 QUASTEN, Baptismal Creed S. 223-232; SCHMITZ, Gottesdienst S. 127-130; s. auch ebd. S. 138-147, wo die 'mersio' als ein aktives Tauchen des Täuflings gedeutet wird. 45 Sacr. Gelas. XLIIII 448/449 (ed. MOHLBERG S. 74 4 ); vgl. ebd. LXXV 608 (S. 9528 u. 96 7 ); ANDRIEU, Ordines Romani 3, S. 85-90. 46 QUASTEN, Baptismal Creed S. 228: "In none of these three sources [Apostolic Tradition, Ambrose, Gelasian Sacramentary] is there any indication that the minister of the sacrament recited a special formula while he baptised." S. ferner STENZEL, Taufe S. 111-125; WHITAKER, History S. 1-9. — Daß die begleitende Handauflegung auch als Besiegelung der Taufe verstanden werden konnte, zeigt J. YSEBAERT (Baptismal terminology S. 374-387). 47 RATZINGER, Taufe S. 77 u. 84. 48 Sacr. Hadr. 206/982 (ed. DESHUSSES l, S. 336); CHAVASSE, Sacramentaire Gelasien S. 591f. Wahrscheinlich sind hier weiterführende Resultate erst dann zu erzielen, wenn nicht mehr allein die liturgischen Quellen durchsucht werden. So übernimmt zum Beispiel Dionysius Exiguus aus den sog. Canones Apostolorum eine Bestimmung, die im Sinne einer indikativen Taufspendung verstanden werden konnte; Canones Apostolorum 48 (ed. TURNER l, S. 31f): Si quis episcopus aut presbiter iuxta preceptum Domini non baptizauerit in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti... 50 Bonifatii epp. 26 (MGH Epp. sei. l, S. 46 20 ); ebd. 80 (S. 17323 u. 17429); s. auch Conventus episcoporum ad ripas Danubii a. 796 (MGH Conc. 2/1, S. 17534, 176 7 ).

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den denn auch allgemein als fester chronologischer Anhalt in dieser Frage angesehen 51 . Am deutlichsten ist jener Brief Papst Zacharias' aus dem Jahre 744, in dem Bonifatius wegen einer falsch gesprochenen Spendeformel beschwichtigt werden mußte 52 . Für den Angelsachsen stellte also die indikative Spendeformel bereits die Regel dar. Diese kann allerdings zu seiner Zeit nicht allgemein in Übung gewesen sein, sah doch jenes nordgallische Skriptorium, das die heute älteste Handschrift des Altgelasianum gegen Mitte des 8. Jahrhunderts anfertigte 53 , noch keine Veranlassung, die interrogative Form der Taufspendung zu korrigieren. Ein anderes Liturgiebuch, das sogenannte Prager Sakramentar, das bald darauf entstand und noch stark altgelasianisch geprägt ist, scheint eine Art Kompromiß anbieten zu wollen, indem es sowohl die interrogative wie auch die indikative Form zur Auswahl stellt54. Bonifatius für die indikative Spendeformel eintreten zu sehen, bedeutet freilich nicht, daß er hier ein Neuerer gegen den gallischen Ritus gewesen wäre, führen doch die wichtigsten gallischen Quellen bereits die indikative Formel an, so etwa das um 700 zu datierende Missale Gothicum, ferner das Missale Gallicanum Vetus und ebenso das Bobbio-Missale55. Die indikative Formel hat man zuerst für Syrien feststellen können, und manche Forscher wollen suggerieren, daß sie sich von dort als sogenannte syrische Formel weiter ausgebreitet habe 56 . Doch ist zu bedenken, daß die gallische Liturgie gerade im Taufritus mehrere solcher Ich-Formeln kannte, mit welchen der taufende Priester die zu vollziehenden Riten begleitete. So finden sich im Missale Gothicum: exorcizo te, perunguo te, ego tibi lauo pedes*1. Warum sollte da die Taufhandlung eine 51

WHITAKER, History S. 9; CHAVASSE, Sacramentaire Gelasien S. 592; danach ist STENZEL, Taufe S. 112 zu korrigieren. 52 Bonifatii epp. 68 (MGH Epp. sei. l, S. 14l 8 ). 53 MOHLBERG, Sacramentarium Gelasianum S. XXXV; CHAVASSE, Sacramentaire Gelasien S. VIII. 54 Sacr. Pragense 98,12-13 (ed. DOLD - E1ZENHÖFER 2, S. 62); zur Entstehungszeit ebd. S. 90-96. — Für den Übergang von der interrogativen zur indikativen Taufform bietet auch der üblicherweise Pirmin zugeschriebene Scarapsus ein höchst bemerkenswertes Zeugnis. Der Autor gibt im Anschluß an Martin von Braga's De correctione rusticorum 15 (ed. BARLOW S. 196) die Tauffragen wieder (deren Text er allerdings stark erweitert), um dann wie sein Vorbild daran die Mahnung anzuschließen, den in der Taufe geschlossenen Pakt wirklich zu befolgen. Am Schluß aber fühlt sich unser Autor genötigt, auch noch die indikative Spendeformel anzufügen, die Martin nicht kennt: Et credens baptizatus es in nomine ... (Scarapsus 12 [ed. JEKKER S. 43 25 ]); nicht zuverlässig KATTENBUSCH, Apostolisches Symbol 2, S. 794f. 55 Miss. Gothicum 259 (ed. MOHLBERG S. 6725J.· Dum baptizas interrogas ei et diets Baptize te ... Das interrogas der einleitenden Rubrik möchte B.C. WHITAKER (History S. 7) als Reminiszenz an eine interrogative Taufspendung deuten. Viel eher ist aber an einen Taufvorgang zu denken in der Weise des Missale Gallicanum vetus 173 (ed. MOHLBERG S. 42 7 J: Dicis: Baptizo te? Responsio: Baptiza. Baptizo te credentem ... Die weiteren Quellenzitate bei WHITAKER, History S. 9f; VANHENGEL, Chrismation S. 164f. Auch die Collectio vetus Gallica (c. 21,2 [ed. MORDEK S. 43l 9 ]) zitiert im Anschluß an Dionysius Exiguus jenen oben bereits erwähnten "apostolischen Kanon" (s. Anm. 49). 56 WHITAKER, Baptismal Formula S. 346-352; QUASTEN, Baptismal Creed S. 232f. 57 Miss. Gothicum 258 (ed. MOHLBERG S. 67 10 ), 261 (S. 67 29 ), 262 (S. 07 34 ). S. dazu den Hinweis bei KANTOROWICZ, Baptism S. 231.

§6 Römischer Ritus

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Ausnahme bleiben? Jedenfalls muß die Anwendung der Ich-Formel durch den Spender auch im Taufakt nicht ausschließlich auf einen fremden Einfluß zurückgehen; es bedurfte vielleicht nur noch eines geringen Anstoßes, um die Angleichung an verwandte und im Taufritus bereits vorhandene Formeln durchzuführen58 , zumal die indikative Spendeformel die inzwischen zur Regel gewordene Kindertaufe beträchtlich erleichtert haben dürfte 59 . Die nach der Taufe zu vollziehenden Salbungen stellen bekanntlich ein eigenes Problem dar. Hier braucht nicht die ganze, lange Zeit auch konfessionell belastete Diskussion um die Entstehung der Firmsalbung aufgerollt zu werden60 . Es kann sein Bewenden dabei haben, die beiden für den Westen grundlegenden Traditionen näher zu betrachten, die der römischen und der gallikanischen Liturgie. Schon die Apostolische Tradition Hippolyts kennt neben einer präbaptismalen noch zwei postbaptismale Salbungen. Nach dem Heraufsteigen aus dem Bad wird der Getaufte zuerst von einem Presbyter mit oleum sanctificatum gesalbt. Sodann erfolgen die Ankleidung und der Eintritt in die Kirche, wo der Bischof den Täuflingen seine Hand auflegt und über sie ein Gebet spricht; darauf salbt auch er die einzelnen mit geheiligtem Öl61. Dieselbe Ordnung finden wir in den beiden ausführlichsten Quellen der römischen Taufliturgie, im Gelasianum und im Ordo Romanus XI: Die erste postbaptismale Salbung wird von einem Presbyter gespendet, der auf dem Kopf des Täuflings (in vertice, in cerebro) mit Chrisam ein Kreuz zeichnet62 . Darauf folgt die dem Bischof vorbehaltene Herabrufung des siebenfältigen Geistes, vollzogen mit einer Handauflegung und einer weiteren kreuzförmigen Salbung auf der Stirn (in fronte)63. Die römische Ordnung unterschied also deutlich zwei postbaptismale Salbungsriten, von denen letzterer mit einer Handauflegung verbunden war und unabtretbar dem Bischof zustand. Gallien dagegen kannte nur eine postbaptismale Salbung. Die karolingische Liturgiereform in ihrer strikten Befolgung des römischen Vorbildes konnte sich damit natürlich nicht zufriedengeben. Wie dann auf diese Weise ein eigener, von der Taufe abgelöster bischöflicher Salbungsritus entstanden ist — ein höchst folgenreicher Vorgang —, soll in einem besonderen Kapitel dargestellt werden64 . 5

Die Frage der 'ego'-Formeln bedürfte sicherlich noch intensiverer Behandlung. So findet sich zum Beispiel eine solche Formel für die erste postbaptismale Salbung bereits in Traditio Apostolica 21 (ed. BOTTE S. 5014J: Unguo te ... Sie waren also seit alters bekannt. Bei den Exorzismen scheinen sie geradezu die Regel gewesen zu sein; BARTSCH, Sachbeschwörung S. 4-22. 59 WHITAKER, History S. llf. 60 MAURER, Firmung und Konfirmation S. 23-38. 61 Hippolyt, Traditio Apostolica 21 (ed. BOTTE S. 50 11 ); CAPELLE, Introduction S. 142f; STENZEL, Taufe S. 125-133, 170; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 101-109; MITCHELL, Anointing S. 92-102. 62 Sacr. Gelas. 449 u. 609 (ed. MOHLBERG S. 741S u. 96 8 ); OR XI 101 (ed. ANDRIEU 2, S. 446); Sacr. Hadr. 375 (ed. DESHUSSES l, S. 188); Suppl. Anianense 1086 (ebd. S. 379). 63 Sacr. Gelas. 443, 449, 450, 451, 615, 616 (ed. MOHLBERG S. 72 9 , 74 «+"+32, 96 28 > 1 97 ); ohne ausdrückliche Erwähnung einer Handauflegung: OR XI 97, 100-102 (ed. ANDRIEU 2, S. 446 1 + 1 2 ); KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 260-264; MITCHELL, Anointing S. 102112, 160-169; zu den postbaptismalen Salbungen des Sacramentarium Gregorianum s. ebd. S. 154-157; eine Gesamtübersicht bei SCHMIDT, Introductio S. 297-307. 64 S. $ 16.

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Endlich ist auch noch jener Deuteritus bemerkenswert, mit dem der Bischof seine Firmsalbung beginnt: Er übergibt zunächst jedem Täufling eine stola, eine casula, ein chrismale und dazu noch ein Geldgeschenk. Diese Rubrik findet sich im Ordo Romanus XI, ebenso in jüngeren Ordines und auch noch im Pontificale Romano-Germanicum des 10. Jahrhunderts 65 . Stola und Casel dürften, da sie spätestens seit dem 8. Jh. als rein sazerdotale Gewänder galten 66 , die vielbezeugte Ausdeutung unterstützen, daß die Getauften dem regale sacerdotium (cf. l Petr 2,9) angehören 67 . Das chrismale hat ersichtlich zunächst den Zweck zu erfüllen gehabt, das heilige Chrisma zu schützen 68 . Daneben aber wird es sehr häufig in Analogie zu den Kopfbedeckungen alttestamentlicher Priester als sazerdotales Würdezeichen interpretiert und so in die Deutung vom allgemeinen Priestertum der Getauften mit einbezogen. Der am Anfang des 6. Jahrhunderts schreibende römische Diakon Johannes verweilt ausführlich bei diesem Gedanken: Mit Chrisam seien ehemals die Priester und Führer des Volkes gesalbt worden; die einen, Gott Opfer darzubringen, die anderen, das Volk zu regieren. Ja, gerade um auch das Priestertum der Getauften besonders herauszustellen, werde das Haupt der Getauften mit einem linteum geziert, weil auch die Priester ihr Haupt in ein velamen mysticum gehüllt hätten 69 . Diese Gedanken sind später in den liturgischen Kommentaren der Karolingerzeit oft wörtlich wiederzufinden. Die gallische Liturgie ließ auf Taufe und Salbung noch eine Fußwaschung folgen 70 . Vielleicht geht deren Ursprung auf die Deutung der Fußwaschung Jesu im Abendmahlssaal als einer Aposteltaufe zurück 71 . In Rom wurde dieser Ritus nicht vollzogen, und so haben wir den interessanten Fall, daß Ambrosius ihn für Mailand als die bessere Form der Petrusliturgie gegenüber der römischen Kirche verteidigte. Er mußte sich dabei allerdings mit der Meinung auseinandersetzen, daß die Fußwaschung deswegen nicht in die Taufliturgie gehöre, weil sie kein Heiligungsritus sei, sondern nur ein Beispiel der Demut darstellte72 — eine Deutung, 65

OR XI 99 (ed. ANDRIEU 2, S. 446 9 J: Et deportantur ipsi infantes ante eum [pontificem] et dat singulis stola, casula et crismale et decem siclos et vestiuntur; OR XXVIII 78 (ebd. 3, S. 408 1 ); OR XXVIIIA 13 (ebd. S. 423 9 ); OR XXXI 89 (ebd. S. 50316); Pontificale RomanoGermanicum XCIX 380 (ed. VOGEL - ELZE 2, S. 10729). 66 S. ANGENENDT, Rex et Sacerdos S. 112 Anm. 60. 67 DABIN, Sacerdoce royal S. 69-258. 68 BLAISE, Lexicon S. 174 (s. v. chrismale 4); STENZEL, Taufe S. 129f Anm. 186. Ein crisme pannus kennen auch die Canones Theodori Co 70 (ed. FINSTERWALDER S. 275). 69 Johannes Diaconus, Ep. ad Senarium 6 (ed. WILMART, Analecta S. 174 15 ): Sumptis dehinc albis uestibus caput eius sacri chrismatis unctione perunguitur, ut intellegat baptizatus regnum in se ac sacerdotale conuenisse mysterium. Chrismatis enim oleo sacerdotes et principes unguebantur, ut illi afferent deo sacrificia, illi populis imperarent. Ad imaginem quippe sacerdotii plenius exprimendam, renascentis caput lintei decore conponitur. Nam sacerdotes illius temporis quodam mystico uelamine caput semper ornabant; cuncti uero regenerati albis uestibus induuntur ad ministerium resurgentis ecclesiae ... 70 VANHENGEL, Chrismation S. 165f (mit Übersicht über die Quellentexte); STENZEL, Taufe S. 168ff; KÖTTING (-HALAMA), Fußwaschung Sp. 765-768; SCHÄFER, Fußwaschung S. 1-19. 71 KANTOROWICZ, Baptism S. 214-219. 72 Ambrosius, De sacramentis III 1,4 (CSEL 73, S. 39-41); SCHMITZ, Gottesdienst S. 167-179.

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die zum Beispiel auch Caesarius von Arles dem Ritus unterlegt 73 . Den Abschluß der Taufordnung des Ordo Romanus XI bilden drei kurze Bestimmungen über die Taufeucharistie, die Osteroktav und die Taufspendung zu Pfingsten. Mit einzelnen Abwandlungen kehren diese Anordnungen in den jüngeren Ordines wieder. Es galt als selbstverständlich, daß die infantes an ihrer Taufeucharistie teilnahmen und auch kommunizierten 74 . Es gab daneben aber noch einen weiteren Konsumationsritus, der sogar bis tief ins Mittelalter fortlebte, nämlich dem Täufling Milch und Honig zu verabreichen 75 . In der Verbindung von Taufe, Salbung und Eucharistie wirkt ein altchristlicher Gedanke fort: Erst der Getaufte war voller Teilhaber der Heilsmysterien, galt doch selbst für das gemeinsame Gebet mit den Glaubensbrüdern, wie schon Tertullian bezeugt, das Getauftsein als Vorbedingung 76 . Sodann folgt die Verordnung, daß die Eltern während der folgenden acht Tage — gelegentlich wird eigens betont, mit den Kindern — zur Meßfeier erscheinen, wobei wieder alle kommunizieren sollen 77 . Die Hervorhebung dieser Oktav erinnert an die ehemals hier abgehaltenen mystagogischen Katechesen; denn auch an den lehrhaften Glaubensmysterien konnten nur Getaufte in voller Weise partizipieren78 . Endlich macht unser Ordo den für Ostern geltenden Ritus auch für Pfingsten verbindlich 79 ; er erinnert damit an die beiden offiziellen Tauftermine der römischen Liturgie80. Wann und wo die Verbindung der Taufe mit der Oster- und Pfingstvigil zuerst hergestellt worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis81 . Immerhin finden wir schon bei Tertullian die wesentlichen theologischen Gründe für diese Wahl: daß nämlich die Taufe die Teilhabe an Tod und Auferstehung Jesu Christi sowie den Geistempfang bewirke 82 . Die gallische Liturgie kannte noch einen weiteren Tauftermin, das Epiphaniefest, bei dem die Taufe Jesu in entspre-

73 Caesarius von Arles, Sermo 204,3 (CChr.SL 104, S. 821): secundum quod ipsis in baptismo factum est hospitibus pedes abluant; s. auch Sermo 64,2 (ebd. 103, S. 276); dazu BECK, Pastoral Care S. 181f. 74 OR XI 103 (ed. ANDRIEU 2, S.446 2 1 ): ingrediuntur ad missas et communicant omnes ipsi infantes; OR XV 118 (ebd. 3, S. 120); OR XXVIII 84 (ebd. S. 409); OR XXVIIIA 21 (ebd. S. 4 2 4 2 0 ) ; O R X X X B 6 3 (ebd. S. 474 18 ); OR XXXI 93 (ebd. S. 504). 75 GY, Milch und Honig S. 206-212; DERS., Taufkommunion S. 485-491. 76 So ausführlich dargestellt in Traditio Apostolica 21 (ed. BOTTE S. 54 14 ); KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 109-114; SCHLINK, Taufe S. 698-702; ARRANZ, Sancta sanctis S. 31-67; DE BRUYNE, Initiation chretienne S. 27-85; SCHMITZ, Gottesdienst S. 199; DÖLGER, Gebet der Täuflinge S. 142-155. 77 OR XI 104 (ed. ANDRIEU 2, S. 447); OR XV 120 (ebd. 3, S. 120); OR XXVIIIA 22 (ebd. S. 424). 78 SCHMITZ, Gottesdienst S. 214-229. 79 OR XI 105 (ed. ANDRIEU 2, S. 447 4 ); ähnlich in anderen Ordines. 80

KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 268-271; CONWAY, Time and place S. 4-13; VERHEUL, Dooptijden Sp. 606-609. 81 QUASTEN, Ostervigil S. 87. 82

Tertullian, De baptismo 19 (CChr.SL l, S. 293 41 ); KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 137f. Dieselbe Begründung bringt in karolingischer Zeit z.B. der Conventus episcoporum ad ripas Danubii a. 796 (MGH.Conc. 2/1, S. 173rö).

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chender Weise hervorgehoben wurde 83 . Sodann ist gelegentlich an Weihnachten getauft worden84 ; König Chlodwigs Taufe hat bekanntlich an diesem Festtag stattgefunden 85 . Die theologische Bedeutung, die diesen in Gallien üblichen Terminen unterlegt wurde, können wir uns anhand jenes berühmten Briefes verdeutlichen, den Bischof Alcimus Avitus von Vienne (494-518) aus Anlaß der Taufe Chlodwigs geschrieben hat: 'Der Durchbruch [des Lichtes, das Christus ist] geschah passend zur Weihnacht: folgerecht sollte Euch an dem Tage das Taufbad zum Heile wiedergebären, an welchem die Welt zu ihrer Erlösung die Geburt des Himmelsherrn empfing. Wie also der Geburtstag des Herrn gefeiert ist, sei es auch der Eure: an welchem Ihr für Christus, an welchem Christus für die Welt entsprungen; an welchem Ihr Eure Seele an Gott, Euer Leben für die Gegenwart, Euren Ruhm bei der Nachwelt geweiht habt'86 . Aber die Einhaltung von festen Terminen bereitete notgedrungen Schwierigkeiten. Die strikt empfundene Heilsnotwendigkeit der Taufe einerseits und die ständig drohende Kindersterblichkeit andererseits zwangen dazu, weitere Tauftage zuzulassen. Als solche boten sich die Heiligenfeste an, besonders etwa das Fest Johannes' des Täufers 87 . Caesarius von Arles empfahl seinen Hörern solche Festtage, verlangte dabei aber, wenigstens eine Woche vorher mit den Kindern zur Kirche zu kommen, 'wegen der Ölung und Handauflegung' 88 . Die 585 in Macon tagende Synode hingegen beklagte die Taufspendung an Heiligenfesten; für die Ostertaufe könne man mit Mühe noch gerade zwei oder drei Kinder finden 89 . Wohl um der österlichen Tauffeier das Ansehen zu erhalten, kam in Spanien der Brauch auf, das Baptisterium für die Dauer der Fastenzeit zu versiegeln90 .

§ 7 Karolingische Liturgiereform Daß im Westen die römische Liturgie allherrschend wurde, ist im wesentlichen eine Folge der karolingischen Liturgiereform 1 . Rom, die Stadt der Apostelfürsten 83

FRANK, Weihnachten und Epiphanie (2) S. 14ff; JUNGMANN, Advent und Voradvent S. 350-353. Conc. Geronense a. 517 c. 4 (ed. VIVES S. 39): Utpascha tantum et Natalis Domini baptismum detur; CONWAY, Time and place S. 14-17; MUTZENBECHER, Weihnachten und Epiphanie S. 109-116. 85 VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 39 mit Anm. 4. 86 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 19 ); Übersetzung nach VON DEN STEINEN, Chlodwigs. 66 $ 12. 87 Gregor von Tours, Hist. VIII 9 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 37614); als Tauftermine werden hier Weihnachten, Ostern und das Fest des Täufers genannt. 88 Caesarius von Arles, Sermo 225,6 (CChr.SL 104, S. 891). 89 Conc. Matisconense a. 585 c. 3 (CChr.SL 148A, S. 24083). 90 QUASTEN, Versiegelung des Baptisteriums S. 167-173. 1 Der folgende Überblick referiert in großen Zügen die Ergebnisse von C. VOGEL, der über die Austauschbeziehungen der römischen und gallikanischen Liturgie umfassende Untersuchungen vorgelegt hat. Für das Gregorianum sind jedoch die neuen Forschungen von J. DESHUSSES

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und ihrer Gräber, gewann im Frühmittelalter Ansehen auch als Vorbild für die Liturgie. Seit der Mitte des 7. Jahrhunderts haben wir mit römischen LiturgieKodizes in Gallien zu rechnen, von Verehrern des hl. Petrus dort verbreitet. Für den Beginn des 8. Jahrhunderts lassen sich diese Bücher auch namentlich benennen; zu diesem Zeitpunkt müssen bereits das Sacramentarium Gelasianum und wohl auch das Gregorianum nach Gallien gelangt sein. Beide Sakramentare haben ihren eigenen Charakter und ihre eigene Geschichte. Das Gelasianum2 gilt als Presbyter-Sakramentar; das heißt, es wurde in den römischen Pfarreien benutzt und enthielt deshalb alle Texte, die im liturgischen Jahreslauf notwendig sind: einmal die Sonn- und Festtage mit Ostern als Zentraldatum, sodann einen kalendermäßig geordneten Heiligen-Zyklus und schließlich noch Formulare für verschiedene Anliegen. Die Zusammenstellung dieses Buches, das mit Sicherheit ältere Materialien des 6. Jahrhunderts enthält, dürfte wohl erst im 7. Jahrhundert erfolgt sein. Die heute älteste Handschrift (Cod. Vat. Reginensis 316) wurde um 750 in einem fränkischen Skriptorium — wahrscheinlich im Nonnenkloster Chelles an der Marne — hergestellt; in diesem Codex sind aber bereits gallikanische Anreicherungen anzutreffen. Das Gregorianum3 hat demgegenüber einen anderen Charakter. Es ist von seinem Ursprung her ein rein päpstliches Liturgiebuch, das aber nicht auf Gregor den Großen zurückgeht, sondern wohl erst kurz vor der Mitte des 7. Jahrhunderts zusammengestellt worden ist. Für die Bedürfnisse eines vollständigen liturgischen Jahres-Zyklus war dieses Sakramentar unbrauchbar, weil es nur die Texte der päpstlichen Stationsgottesdienste enthielt. In der Zeit zwischen 660 und 683, vielleicht im Jahre 663, wurde es für die Gottesdienste in Sankt Peter soweit aufgefüllt, daß es dort den liturgischen Ansprüchen eines ganzen Jahres Genüge tun konnte; es wurde damit dem PresbyterSakramentar angenähert, und als solches war es dann geeignet, verbreitet zu werden. Im Blick auf die weitere Entwicklung ist wichtig, daß dieses Gregorianum in die Gelasiana mixta der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts eingegangen ist. Daneben aber blieb auch eine Form erhalten, die trotz einer Reihe von Erweiterungen den ursprünglich päpstlichen Charakter bewahrte. Ein solches Gregorianum hat Papst Hadrian an Karl übersandt, als dieser sich ein 'unvermischtes' Sakramentar erbat. Daß die Gregoriana das Gelasianum zu verdrängen vermochten, ist auf deren Ansehen zurückzuführen, das ihnen durch den Gebrauch in Sankt Peter und durch die seit der Mitte des 7. Jahrhunderts feststellbare Zuschreibung an Gregor den Großen zugewachsen ist. Endlich war eine erste Sammlung von Ordines Romani in Umlauf, welche M. Andrieu als "rein römisch" beurteilt und die er als "Collectio A" bezeichnet hat 4 . Darin findet sich der schon (s. Anm. 7) berücksichtigt. VOGEL, Behanges liturgiques S. 185-295; DERS., Reforme S. 217232; DERS., Introduction; DERS., Romanisation S. 13-41; die jüngste Übersicht: DESHUSSES, Sacramentaires S. 19-46; DERS., Sacramentaire Gregorien 3, S. 60-92; ferner die ältere Arbeit KLAUSER, Austauschbeziehungen S. 139-154. 2 VOGEL, Introduction S. 48-57; GAMBER, Codices l, S. 299-311, bes. Nr. 610; DESHUSSES, Sacramentaires S. 28. 3 VOGEL, Introduction S. 68-72; GAMBER, Codices 2, S. 397ff mit Nr. 880; DESHUSSES, Sacramentaires S. 28-36. 4 S. Übersicht bei VOGEL, Introduction S. 114-120.

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in Rom entstandene Ordo Romanus XI, der mit dem Altgelasianum die ausführlichste Beschreibung der römischen Taufliturgie enthält. Alle diese Bücher, vom Ansehen des heiligen Petrus getragen, wirkten auf die einheimische Liturgie ein, schufen jedoch keine Einheitsobservanz. Die Imitationsversuche spiegelten nämlich allzu oft anstelle der angestrebten Einheit ganz verschiedene Entwicklungsstadien und Anwendungsbereiche der römischen Liturgie. Außerdem drangen alsbald gallische Elemente in die römischen Kodizes ein. Seit der Mitte des 8. Jahrhunderts trat insofern ein durchgreifender Wandel ein, als nun die Rezeption der römischen Liturgie dank der offiziellen Unterstützung seitens der Karolinger ein allumfassendes Ausmaß annahm und innerhalb kurzer Zeit die alte einheimische Liturgie beseitigte, von der nur wenige Eigenheiten überlebten. Das Wirken des Bonifatius wie dann auch der Aufenthalt Papst Stephans II. im Frankenreich und insbesondere das damals zwischen dem Papst und Pippin ausgehandelte politische Bündnis mitsamt der gleichzeitig gestifteten geistlichen Verwandtschaft5 scheinen besonders anspornend gewirkt zu haben. Die oben erwähnten römischen Bücher, hauptsächlich das erweiterte Gregorianum und das Gelasianum, flössen nun zu einem neuen Sakramentar zusammen, das als "Sakramentar Pippins", auch als "Gelasianum des 8. Jahrhunderts" oder als "Gelasianum mixtum" bezeichnet wird. Der Archetyp ist verloren; wir können über den Kompilator bzw. seine Gruppe und auch über den Ort sowie den genauen Zeitpunkt der Entstehung nur Mutmaßungen anstellen: Es dürfte um 760 in der burgundischen Abtei Flavigny entstanden sein. Die Gesamtdisposition ist, stärker als der Name vermuten läßt, gregorianisch, wie überhaupt die weitere Entwicklung eine zunehmende Gregorianisierung aufweist 6 . In diesem Reformbestreben setzte Karl der Große den Schlußstein, als er sich von Papst Hadrian ein 'unvermischtes' Sakramentar erbat. Nach J. Deshusses7 müssen damals gleich zwei Rezensionen eines Gregorianum nach Norden gekommen sein, ein dem Urtyp sehr nahekommendes Exemplar — von Deshusses Praehadrianum genannt — und ein anderes, das sich bis zu Neuerungen Gregors II. weiterentwickelt hatte und als Hadrianum bezeichnet wird. Beide Versionen aber gehörten jenem gregorianischen Überlieferungszweig an, der rein päpstlich geblieben war und der nicht die Erweiterungen für die Normalliturgie der Petersbasilika in sich aufgenommen hatte. Die Annahme eines Praehadrianum rührt aus nachweisbar im Frankenreich vorgenommenen Korrekturen am Hadrianum (und noch anderen Indizien); Alkuin muß übrigens dieses Buch zu "seinem Meßbuch" erkoren und dabei erweitert haben. Insgesamt 5

ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 40-57. VOGEL, Introduction S. 58-67; GAMBER, Codices 2, S. 368-407; DUMAS, Liber sacramentorum Gellonensis 2, S. XXIII-XXVI. 7 DESHUSSES, Supplement S. 48-71. K. GAMBER (Fränkischer Anhang S. 267-289) akzeptiert im wesentlichen die Argumente von J. DESHUSSES, schlägt aber Lerins als Entstehungsort vor. Ferner DESHUSSES, Sacramentaire gregorien pre-hadrianique S. 213-237; s. dazu auch GAMBER, Sacramentaria praehadriana S. 15: "Im süddeutschen Raum haben sich an der Wende vom 8. zum 9. Jh. nachweisbar mehrere Gregoriana-Handschriften befunden, die dem Typus nach älter sind als jenes Exemplar, das gegen Ende des 8. Jhs. Papst Hadrian an König Karl übersandt hat." Zuletzt DESHUSSES, Sacramentaires S. 40-44. 6

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nämlich erwies sich der Typ der Hadriana als zu lückenhaft für die viel umfangreicheren Bedürfnisse der fränkischen Gottesdienste; sie mußten darum ergänzt werden. Aber nicht Alkuin — wie lange angenommen —, sondern Benedikt von Aniane gilt neuerdings als Autor des wohl bald nach 800 dem offiziellen Hadrianum angehängten Supplementes Hucusque, das auf Formulare der voraufgehenden Periode der Gelasiana mixta, auf Messen der alkuinischen Ergänzung, auch auf westgotische und nicht zuletzt auf gallikanische Elemente zurückgreift. Neben diesen Sakramentaren kamen in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts auch noch neue Sammlungen von Or dines Romani in Umlauf, nun nicht mehr rein römisch, sondern in vielen Details sich mit einheimischen Elementen vermischend; M. Andrieu hat diese Or dines als "Collectio B" bezeichnet8 . In dieser nur umrißhaft skizzierten Entwicklung gehörte die Taufe von Anfang an zu den vorrangigen Reformpunkten. Ja, die karolingische Liturgiereform hat einer ihrer wichtigsten Initiatoren, nämlich Bonifatius, gerade deswegen mit in Gang gebracht, weil er bei seiner Beauftragung zur Mission, die Papst Gregor II. ihm am 15. Mai 719 aussprach, sich bei der Spendung des Initiationssakramentes zur Einhaltung der römischen liturgischen Ordnung verpflichtet hatte: 'Was die Spendeform des Sakramentes anlangt, die du bei der Initiation der dank Gottes Führung zum Glauben Kommenden einzuhalten bemüht sein sollst, so ist es unser Wille, daß du dich an unseres Heiligen Apostolischen Stuhles liturgisches Formular halst, das dir zur Kenntnisnahme unterbreitet worden ist' 9 . Die weitere Untersuchung, führt zu dem Schluß, daß die staatsoffizielle Rezeption der römischen Liturgie bereits mit dem Herrschaftsantritt der beiden Martell-Söhne Karlmann und Pippin begonnen hat. Das Concilium Germanicum, die erste von Karlmann einberufene Reformsynode, zu der dann Bonifatius das Programm formulierte 10 , ent8

S. Überblick bei VOGEL, Introduction S. 120-127. Bonifatii epp. 12 (MGH Epp. sei. l, S. 18 ): Disciplinam denique sacramenti, quam ad initiandos Deo praevio credituros tenere studeas, ex formula officiorum sanctae nostrae apostolicae sedis instructions tuae gratia praelibata volumus ut intendas. Vgl. dazu den verwandten Sprachgebrauch in Kanon 10 und 13 der 747 im englischen Clovesho abgehaltenen Synode, wo zum officium baptismi der legitimus ritus gemäß einem exemplar der römischen Kirche gefordert wird (ed. HADDAN - STUBBS 3, S. 366f). - Eine Befolgung der römischen Liturgie hat Gregor II. auch schon 716 für Bayern verlangt: Ut loco singularum ecclesiarum praevidentes quomodo unusquisque sacerdos seu minister erga ecclesiam debeat conservare, vel qualiter sacra missarum sollempnia, sive cetera diurnarum atque nocturnarum horarum officia, sive etiam lectionum sacrarum novi et veteris testamenti ordinabilia praedicamenta studeat observare secundum traditum sanctae apostolicae sedis antiquitatis ordinem disponetis (Gregorii II. papae decretales [MGH LL 3, S. 452 1 ]). Zu dieser Instruktion s. J 34. 10 S. dazu die Vorrede Karlmanns zum Kapitular, in dem die Synodalbeschlüsse publiziert sind: Ego Karlmannus, dux et princeps Francorum cum consilio servorum Dei et optimatum meorum episcopos qui in regno meo sunt cum presbiteris et concilium et synodum pro timore Christi congregavi, id est Bonifatium archiepiscopum et Burghardum et Regenfridum et Wintanum et Wilbaldum et Dadanum et Eddanum cum presbiteris eorum, ut mihi consilium dedissent, quomodo lex Dei et aecclesiastica relegio recuperetur, quae in diebus praeteritorum principum dissipata corruit ... (MGH Capit. l, S. 2424 = MGH Conc. 2/1, S. 214 = MGH Epp. sei. l, S. 98 25 ). Ferner Bonifatii epp. 50 (MGH Epp. sei. l, S. 82 1 ): Carlomannus dux Francorum nie arcessitum ad se rogavit, ut in parte regni Francorum, quae in sua est potestate, synodum cepere con9

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hält einen Abschnitt über die priesterliche Amtsführung, der auch die Taufliturgie berührt. Zunächst wird dabei die Botmäßigkeit unter den zuständigen Bischof eingeschärft. Diesem schuldet jeder Priester während der Quadragesima Rechenschaft über seine Amtsführung, näherhin über die Taufe, über den katholischen Glauben — das Glaubensbekenntnis — sowie über die Gebete und die Ordnung der Meßfeier. Ferner hat der Pfarrklerus den Bischof zu empfangen und ihm zu Diensten zu sein, wenn er zur Firmung kommt. Endlich muß am Gründonnerstag beim Bischof auch das neue Chrisma abgeholt werden; dabei haben dann die Priester Zeugnis abzulegen über Keuschheit, Lebenswandel, Glauben und Lehre 11 . Dieser umfangreiche Kanon ist unbezweifelbar unter die zentralen Reformgesetze gezählt worden, wurde er doch in seinem wesentlichen Inhalt von Bonifatius wie auch von den Karolingern mehrmals in programmatischer Form neu eingeschärft; Pippin übernahm ihn zum Teil wörtlich auf seiner 744 in Soissons veranstalteten Synode, wobei der Text sogar noch eine etwas praktikablere Fassung erhielt, weil für die Rechenschaftslegung beim Bischof der Termin in der Quadragesima gestrichen wurde und so nur der für die Abholung des Öles ohnehin obligate Gründonnerstag übrigblieb12. Bonifatius erwähnt eine inhaltlich gleichartige Bestimmung in einem eigenhändigen Bericht über die sogenannte Fränkische Synode des Jahres 747 13 . Die wesentlichen Punkte wurden später von Karl dem Großen übergregare. Et promisit se de ecclesiastica religione ... aliquid corrigere et emendare vellet; ähnlich ebd. 51 (S. 8714). - Zu den ersten Reformsynoden Karlmanns und Pippins s. SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 208-222; DE CLERCQ, Legislation S. 115-125; GANSHOF, Kapitularien S. 163; WATTENBACH - LEVISON (BUCHNER), Geschichtsquellen (Rechtsquellen) Nr. 10 u. 11 S. 78; ferner JÄSCHKE, Concilium Germanicum S. 101-111; zum Datum des Conc. Germanicum, ob 742 oder 743, s. ebd. S. 111-128; SCHIEFFER, Angelsachsen und Franken S. 22-27. Karlmanni principis capitulare 3 (MGH Capit. l, S. 25 ): Decrevimus quoque secundum canones, ut unusquisque presbiter in parrochia habitans episcopo subiectus sit illi in cuius parrochia habitet, et semper in quadragesima rationem et ordinem ministerii sui, sive de baptismo sive de fide catholica sive de precibus et ordine missarum, episcopo reddat et ostendat. Et quandocumque iure canonico episcopus circumeat parrochiam populos ad confirmandos, presbiter semper paratus sit ad suscipiendum episcopum cum collectione et adiutorio populi qui ibi confirmari debet. Et in cena Domini semper novum crisma ab episcopo quaerat, ut episcopum testis adsistat castitatis et vitae et fidei et doctrinae illius. S. dazu VYKOUKAL, Examens S. 86-93. 12 Capitulare Suessionense a. 744 c. 4 (MGH Capit. 1, S. 293! = MGH Conc. 2/1, S. 35 2 ). Zur Frage der Anwesenheit des Bonifatius in Soissons s. SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 306; JÄSCHKE, Concilium Germanicum S. 105 mit Anm. 226. 13 Bonifatii epp. 78 (MGH Epp. sei. l, S. 163 25 ): Statuimus, ut per annos singulos unusquisque presbiter episcopo suo in quadragissima rationem ministerii sui reddat, sive de fide catholica sive de baptistno sive de omni ordine ministerii sui. Die Vermutung, daß es sich bei diesem Passus, der einem Brief an Erzbischof Cudberht von Canterbury entnommen ist, wohl um mehr als einen nur zusammenfassenden persönlichen Bericht des Bonifatius über die fränkischen Reformsynoden insgesamt handelt, sondern wohl eher um einen Kanon der von 13 Bischöfen besuchten Synode, könnte man dadurch gestützt sehen, daß sich dieselbe Anordnung im sog. Capitulare primum (c. 7 [MGH Capit. l, S. 45 23 ]) findet; freilich bleibt unsicher, welche Unterlagen der spätere Kompilator dieses nicht authentischen Kapitulares zur Hand gehabt hat (s. dazu Anm. 15). Doch wird man aufs Ganze gesehen unterstellen dürfen, daß der Passus über die

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nommen; sie erscheinen in seiner Admonitio generalis des Jahres 78914 und in weiteren offiziellen Instruktionen 15 . Trotz der beachtlichen Kontinuität, die diese Reformbestimmung dank der offiziellen Anerkennung durch die karolingischen Herrscher aufzuweisen hat, soll ihre einheitliche Interpretation jedoch zweifelhaft sein. C. Vogel und vor ihm schon Th. Klauser stellen ausdrücklich in Abrede, daß bereits unter Bonifatius die Forderung nach einer spezifisch römischen Taufliturgie erhoben worden sei; für eine solche Annahme finde sich nirgends ein fester Anhalt. Die Favorisierung der römischen Liturgie sei vielmehr bis zur Jahrhundertmitte eine private Vorliebe gallischer Romverehrer gewesen und habe erst unter König Pippin eine offizielle Unterstützung erfahren 16 . Bei näherem Zusehen erweist sich jedoch, daß gleich mehrere Bestimmungen des Concilium Germanicum auf eine Reform nach römischem Vorbild abzielen, am deutlichsten bei der Firmung und der Ölweihe des Gründonnerstags; diese Punkte sind ganz sicher römischen und nicht gallikanischen Ursprungs 17 . Angesichts eines solchen Befundes kann aber der Taufritus schwerlich unbeachtet geblieben sein, galt doch die Confirmatio als Teil des Initiationssakramentes, das Bonifatius laut päpstlichem Missionsauftrag nach römischem Formular zu spenden sich verpflichtet hatte 18 . Tatsächlich befassen sich denn auch einige seiner ängstlich-besorgten Anfragen bei den Päpsten mit Angelegenheiten der Taufe 19 . Es kann darum kein Zweifel sein: Die offizielle Unterstützung der römischen Liturgie seitens der Karolinger beginnt mit den Reformsynoden des Bonifatius. Als Karlmann und Pippin bei ihrem Herrschaftsantritt, damals allenfalls Kleinkönige und das nicht einmal dem Namen nach, den angelsächsischen Missionserzbischof zu sich riefen und dessen synodale Reformkanones als Kapitularien publizierten, da öffneten sie ihre Herrschaftsgebiete von Staats wegen der römischen Liturgie. Wenn Karlmann in seiner Vorrede zum KapiVisitations- und Firmpflicht jener "Serie von programmatischen Kanones ... [angehört], die als Testament des Bonifatius gelten dürfen" (SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 243). - Zu der Synode von 747 s. ebd. S. 241ff; DE CLERCQ, Legislation S. 128ff, 157f; neuerdings ablehnend J ARMUT, Bonifatius S. 1-26. 14 Admonitio generalis a. 789 c. 70 (MGH Capit. l, S. 5923j: Ut episcopi diligenter discutiant per suas parrochias presbyteros, eorum fidem, baptisma et missarum celebrationes, ut et fidem rectam teneant et baptisma catholicum observent et missarum preces bene intellegant, et ut psalmi digne secundum divisiones versuum modulentur et dominicam orationem ipsi intellegant et omnibuspraedicent intellegendam ... 5 VOGEL, Behanges liturgiques S. 269-275 mit weiteren Quellenangaben. Das sog. Capitulare primum, das Reformbestimmungen der ersten bonifatianischen Reformsynode wiederholt, darf dabei freilich nicht mit angeführt werden, da es nicht unter die echten Kapitularien gezählt werden kann; s. dazu GANSHOF, Kapitularien S. 163; LOT, Premier Capitulaire S. 1-7. 16 VOGEL, Echanges liturgiques S. 194ff; DERS., Reforme S. 217 f; DERS., Introduction S. 118: "L'activite missionnaire de s. Boniface ne semble pas avoir touche au domaine liturgique ..." Ähnlich KLAUSER, Austauschbeziehungen S. 139ff: Der Schnittpunkt sei "in der Mitte des Jahrhunderts anzusetzen" und von dem liturgischen Werk des Bonifatius seien "nur kümmerliche Andeutungen erhalten". 17 ANGENENDT, Bonifatius S. 141f. S. Anm. 9. Auch wird Bonifatius verpflichtet, die beiden römischen Tauftermine Ostern und Pfingsten einzuhalten; Bonifatii epp. 18 (MGH Epp. sei. l, S. 32 19 ). 19 ELLARD, Alcuin S. 11-17.

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tular mit den Beschlüssen des Concilium Germanicum erklärt, die unter den früheren Herrschern verfallene lex Dei und die ecclesiastica religio nun wiederherstellen zu wollen, so steht ihm dabei bereits die Norm Roms vor Augen, und er benutzt dieselbe, um an den 'früheren Fürsten' Kritik zu üben. Dem Reformkapitular von 743 muß darum in mehr als nur formaler Hinsicht Erstlingscharakter zugesprochen werden. Es ist "das erste fränkische Kapitular von Gewicht seit dem Edictum Chlotharii des Jahres 614 und ... das erste karolingische Kapitular überhaupt" 20 . Darüber hinaus ist es das erste offizielle Dokument der kontinentalen Geschichte, das die in England bereits geläufige Datierung nach Inkarnationsjahren trägt 21 . Aber diese mehr äußerlichen Auffälligkeiten bilden nur erst die Ummantelung eines weit geschichtsträchtigeren Inhaltes: Das Kapitular von 743 stellt in der abendländischen Liturgiegeschichte einen tiefgreifenden Wendepunkt dar; mit ihm beginnt die in den folgenden Jahren so rasch und wirkungsvoll durchgeführte Beseitigung der autochthonen Liturgien außerhalb Roms. Indem nämlich das bonifatianische Reformprogramm auch unter Karl dem Großen fortgeführt wurde, verbreitete sich die römische Liturgie in Anlehnung an das imperiale Karlsreich nahezu über ganz Westeuropa. Karl war sich dieser seiner Tat wohl bewußt 22 . Das faktische Gewicht, das die römische Liturgie damals eingeräumt erhielt, hat sie zum Fundament der ganzen mittelalterlichen und neuzeitlich-katholischen Liturgie werden lassen. In dem Maße wie die römische Liturgie für den fränkischen Norden zur Norm wurde, mußte sich dort auch jene Taufordnung verbreiten, wie wir sie in den römischen Quellen beschrieben finden 23 . Es sind vor allem zwei herausstechende Eigenheiten, die das Vordringen leicht erkennbar machen: einmal die gesondert zu erörternde bischöfliche Firmsalbung und dann die sieben Skrutinien. Die letzteren sind für die altgallische Liturgie zwar nur spärlich bezeugt, doch dürfte hier, nicht anders als in Spanien, in Norditalien und ursprünglich auch in Rom, nur eine Dreizahl bekannt gewesen sein24 . Die nach der Mitte des 8. Jahrhunderts sich ausbreitenden sogenannten Gelasiana mixta, welche die erste Welle der liturgischen Romanisierung unter König Pippin repräsentieren, enthalten bereits diese "römischen Erkennungsmerkmale". Das Sakramentar von Gellone, aber auch andere wichtige Vertreter dieses Typs, kennen sowohl die sieben Skrutinien wie auch die Firmsalbung 25 . Eine ganze Reihe von Kapitular- und Synodalbestimmungen

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JÄSCHKE, Concilium Germanicum S. 103; WATTENBACH - LEVISON (-BUCHNER), Geschichtsquellen (Rechtsquellen) Nr. 9-10 S. 78. 21 JÄSCHKE, Concilium Germanicum S. 104; LEVISON, England S. 65, 87f. 22 Libri Carolini I 6 (MGH Conc. 2, Suppl, S. 2l 18 ). 23 STENZEL, Taufe S. 234ff. 24 DONDEYNE, Discipline des scrutins S. 5-33, bes. S. 30ff; STENZEL, Taufe S. 210ff; CHAVASSE, Catechumenat S. 85; SCHMITZ, Gottesdienst S. 67ff. 25 Sacr. Gell. 73, 96, 97, 108, 111 (ed. DUMAS l, S. 48-52, 64f, 65-73, 90f, 98-101); ferner ebd. 344 (S. 312-339); Sakramentar von AngouleVne 416-423, 463-467, 509-513, 585-590, 682-729 (ed. CAGIN S. 24, 27f, 29, 33f, 44-52); VAN 1NNIS, Sacramentaire gelasien (2) S. 169-187, bes. S. 173f. S. auch ANDRIEU, Ordines Romani 3, S. 81-91; MITCHELL, Anointing S. 157-160; CHAVASSE, Sacramentaire Gelasien du Vllie siecle S. 296ff.

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schreiben ausdrücklich die Beobachtung der römischen Taufordnung vor 26 . Auch in karolingischen Tauferklärungen wird dieser Typ vorausgesetzt 27 . Noch bei der Redaktion des Pontificale Romano-Germanicum, das bekanntlich um 950 im Mainzer Albanskloster seine endgültige Fassung erhalten hat, ist eine Taufordnung nach dem Muster des Ordo Romanus XI zugrunde gelegt worden 28 . Mit der reinen Übernahme dieser Liturgie waren jedoch keineswegs alle Fragen gelöst. Obwohl nun seit des Bonifatius' Wirken die Taufspendung Gegenstand der liturgischen Reform gewesen war, müssen weiterhin erhebliche Unsicherheiten bestanden haben. Denn noch nach 800 sah sich Karl der Große veranlaßt, die Metropoliten seines Reiches in allen Einzelheiten des Taufritus zu befragen 29 : Warum ein Kind zunächst Katechumene werden müsse, und was überhaupt ein Katechumene sei; die einzelnen Riten durchgehend fragt er nach der Bedeutung des Skrutiniums, nach dem Symbolum, wie das Wort selbst und der Inhalt auszu26

Conc. Moguntinense a. 813 c. 4 (MGH Conc. 2/1, S. 261 J: Sacramenta ... baptismatis volumus, ut ... in singulis parrochiis secundum Romanum ordinem inter nos celebretur iugiter atque conservetur, id est scrutinium ad ordinem baptismatis; ähnlich in dem unter Arn von Salzburg tagenden Conc. Rispacense 4 (ebd. S. 19827J.· Baptismum publicum ... secundum ordinem traditionis Romanae. Auf den mos Romanus wird auch hingewiesen in Duplex legationis edictum 23 (MGH Capit. l, S. 64 6 ) und ähnlich in Capitulare missorum 28 (ebd. S. 103 ). 27 Amalar, Ep. de baptismo 31 (ed. HANSSENS l, S. 244'j: facimus scrutinium septimum, sicut in romano ordine invenimus scriptum; Jesse von Amiens, Ep. de baptismo (MIGNE PL 105, Sp. 782C-785C); Statuta Riculfi 8 (ebd. 131, Sp. 18A); Angilmodus, De ordine scrutinii (ed. STEGMÜLLER S. 23). 28 Pontificale Romano-Germanicum XCIX 81-158 (ed. VOGEL - ELZE 2, S. 23-40) = Skrutinien; XCIX 337-397 (ebd. S. 93-112) = Karsamstag und Osternacht. S. dazu STENZEL, Taufe S. 267-271; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 333f. - Zur Entstehung des Pontificale s. VOGEL - ELZE, Pontifical romano-germanique 3, S. 11-55. 29 Die Briefe an Odilbert von Mailand und Amalar von Metz sind erhalten; bei letzterem hat sich der Kaiser später für die Antwort bedankt. Ep. Karoli ad Odilbertum (MGH Capit. l, S. 246f); WIEGAND, Odilbert, dort die Edition sowohl der Anfrage wie der Antwort Odilberts samt einer Quellenanalyse. Ep. Caroli imperatoris ad Amalarium prior (ed. HANSSENS l, S. 235f); Ep. altera (ebd. S. 251); die Antwort Amalars: Ep. de baptismo (ebd. S. 236-251). Eine gute Übersicht über die erhaltenen Antworten bieten HANSSENS, Bapteme S. 69-78 sowie neuerdings BOUHOT, Rituel baptismal S. 278-301. Neben den Antworten von Amalar und Odilbert sind noch Schreiben von folgenden Metropoliten überliefert: Maxentius von Aquileja (ed. HEER S. 90-96; MIGNE PL 106, Sp. 51-54/58; s. PORTER, Maxentius of Aquileia S. 3-9); Magnus von Sens (MIGNE PL 102, Sp. 981-984); Leidrad von Lyon (ebd. 99, Sp. 853-872). Nicht verzeichnet sind bei J.M. HANSSENS zwei bischöfliche Traktate: Theodulf von Orleans hat seinem Metropoliten Magnus von Sens eine Antwort auf die kaiserlichen Fragen zugesandt (MIGNE PL 105, Sp. 223-240; s. dazu D AHLHAUS-BERG, Antiquitas S. 92-168; BOUHOT, Rituel baptismal S. 289f); ferner ist eine Abhandlung des Bischofs Jesse von Amiens erhalten (MIGNE PL 105, Sp. 781-796). Außerdem führen J.M. HANSSENS und J.-P. BOUHOT anonyme Texte an. Dann hat A. WILMART (Analecta S. 153-170) ein Florilegium ediert, das ihm der Entwurf für Alkuins Brief über die Taufe an den angelsächsischen Presbyter Odwin zu sein scheint (Alcvini epp. 134 [MGH Epp. 4, S. 202f]); diesen Brief soll dann Karl als Vorlage für seine Fragen benutzt haben, während Odilbert den Entwurf ausgeschrieben habe; J.-P. BOUHOT (Rituel baptismal S. 282f) hält es für wahrscheinlicher, daß sowohl Alkuin wie Karl als auch Odilbert und die meisten anderen Antwortgeber eine gemeinsame, heute verlorene Tauferklärung benutzt haben, die sich an die Erklärung des Johannes Diaconus anlehnte. S. jetzt KEEFE, Baptismal Expositions S. 169-237.

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legen seien 30 , weiter nach Teufelsabsage, Exsufflation und Exorzismen, nach Salzreichung und Salbungen, was endlich die weißen Gewänder, die Chrisamsalbung des Hauptes und das velamen mysticum zu bedeuten hätten, und warum die Taufkommunion gereicht werde. Die überlieferten Antworten freilich verraten die ganze "Hilflosigkeit der hochgestellten Kompilat-oren", die in der Mehrzahl ihre Auskünfte notdürftig zusammenborgen mußten 31 . Nun dürfte allerdings diese lange, über die ganze Quadragesima sich verteilende Taufliturgie nicht nur dem rechten Verständnis, sondern auch der praktischen Verwirklichung ein gehöriges Maß an Schwierigkeiten bereitet haben. Ein norditalischer Taufordo rechnet denn auch ausdrücklich mit einem Versäumnis der Skrutinien und bietet gleich eine kürzere Ersatzlösung an 32 . Zudem enthielt das von Papst Hadrian an Karl den Großen übermittelte gregorianische Sakramentar nur je ein Formular für die Ostertaufe und für die Taufe eines Kranken; Skrutinien sind darin überhaupt nicht erwähnt 33 . So mußte in dem bald beigefügten Supplement gerade auch die Taufliturgie ergänzt werden 34 . Es waren aber die Kurzformulare, die der weiteren Entwicklung einen wichtigen Weg wiesen, nämlich den vielgliedrigen, über einen längeren Zeitraum verteilten Ritus aufzugeben und einen geschlossenen Taufordo zu schaffen. So treffen wir denn in der Folgezeit oft genug auf Taufliturgien, die in den aufwendigen Skrutinienriten verkürzt sind, zuletzt soweit, daß die Taufe mit allen ihren Riten in einem Zuge gespendet werden konnte 35 . Übrigens hat das Pontificale Romano-Germanicum neben dem langen, offiziellen Ritus ebenso eine bereits kürzere Fassung36. Wenn darum auch in der landläufigen Praxis mit einer praktikableren Kurzform zu rechnen ist 37 , so darf daraus keine allgemeine Regel abgeleitet werden, erwähnen doch noch Quellen des 11. und 12. Jahrhunderts den vollen Ritus mit allen sieben Skrutinien 38 ; dieser blieb also die "Hochform". 30 So verstehen und beantworten Theodulf von Orleans (MIGNE PL 105, Sp. 226C u. 227B) und Leidrad von Lyon (ebd. 99, Sp. 859C u. 859D) den entsprechenden Fragepassus. 31 STENZEL, Taufe S. 249.

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LAMBOT, Services S. 18: Qualiter faciendum est erga catecuminos qui in praeteritos dies adscrutinium non fuerunt...; s. dazu GAMBER, Codices l, Nr. 290 S. 187f. Sacr. Hadr. 80: benedictio salis; 81: oratio ad catechumenum faciendum; 82: orat. super infantes, in quadragesima ad quattuor euangelia; 83: orat. in sabbato paschae; 85: benedictio fontis; 86: orat. ad infantes consignandos (ed. DESHUSSES l,'S. 180-183, 185-189); ferner der Taufritus für Kranke ebd. 205-206 (S. 335f). S. auch KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 318f; STENZEL, Taufe S. 236-240 (mit einer Erörterung, ob das Fehlen der Skrutinien ein Übergangsstadium zu dem entfalteteren Ritus oder bereits eine Reduktion darstellt). 34 Suppl. Anianense 1021-1089 (ed. DESHUSSES l, S. 360-379). Nach E. BOURQUE (Sacramentaires 2/2, S. 200) handelt es sich um einen abgekürzten Ordo für die Kindertaufe, wie er ähnlich in den gallischen Gelasiana mixta des späten 8. Jhs. zu finden ist; s. auch die Einzelnachweise bei KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 319f. 35 STENZEL, Taufe S. 267-293. 36 Pontificale Romano-Germanicum CVII (ed. VOGEL - ELZE 2, S. 155-164); daneben steht noch ein Taufordo für Kranke und für einen Heiden, ebd. CIX u. CX (S. 165-172); KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 331-336. 37 UNTERKIRCHNER - GAMBER, Kollektar-Pontifikale S. 122-126; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 329. Liber de unitate ecclesiae conservanda II 9 (MGH Ldl 2, S. 220 ): Legitur quoque in libro

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Beim Taufvorgang selbst dürfte die Spendeformel mit der Anrufung der Trinität kein gravierendes Problem mehr gewesen sein, konnte doch die seit 700 in den gallischen Liturgiequellen bezeugte indikative Form einfach weiterbenutzt werden39 . Die alten Tauffragen sind deswegen aber nicht eliminiert worden. Sie gehen jetzt für gewöhnlich der Taufspendung unmittelbar voraus; so schon in den gallischen Büchern wie nun auch in den Gelasiana mixta40 . Dagegen focht man um ein anderes Problem; zur klaren Bezeugung der Trinität in der Taufe wurde nämlich im Kampf gegen die spanischen Adoptionisten eine dreifache Tauchung für notwendig gehalten. Besonders Alkuin tat sich hier als eifriger literarischer Streiter hervor41 . Die trina mersio wurde zum beschwörenden Stichwort der Rechtgläubigkeit42 . Der Taufordo in den Gelasiana mixta sowie im Supplement des Hadrianum buchstabiert es den Taufspendern geradezu vor: sub trina mersione, tantum sanctam trmitatem semel inuocans ita dicendo: Et ego te baptizo in nomine patris. Et mergat semel. Et filii. Et mergat Herum. Et spiritus sancti. Et mergat terfio 43 . Diese Spendeformel wird dann das liturgische Gesetz des ganzen Mittelalters. Dabei darf man sich allerdings die mersio nicht mehr als ein Untertauchen vorstellen. Der erwachsene Täufling hat für gewöhnlich im Taufbecken gestanden44 , und die 'mersio' erfolgte in der Form des Übergießens; das Gellonense und andere Quellen erwähnen das dazu notwendige Schöpfgefäß 45 . Nicht nur zahlreiRomani ordinis, quia ordo scrutiniorum quarto, feria tertiae in quadragesima hebdomadae propter novae scilicet regenerations candidatum initiatur et in sabbato sancto pascae finitur, ut secundum formam VII donorum Spiritus sancti VII scrutinia et totidem oblationes, quas patrini vel matrinae pro electis iubentur offerre, compleantur; zur Datierung s. WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen 2, S. 406ff. Weitere Beispiele von Taufordnungen mit sieben Skrutinien bei KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 328f; EISENHOFER, Liturgik 2, S. 255. 39 Zur Diskussion über den Wortlaut dieser Formel während der Früh Scholastik s. LANDGRAF, Frühscholastik 2/2, S. 47-86 (Die Frage der Zugehörigkeit des Baptizo te zur Form der Taufe). 40 Miss. Gall. vet. 172 (ed. MOHLBERG S. 42 1 ); VAN INNIS, Sacramentaire gelasien (2) S. 182; Suppl. Anianense 1084 (ed. DESHUSSES l, S. 378); Sacr. Gell. 111/706 u. 344/2320 (ed. DUMAS l, S. 100, 335f); KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 319f. 41 ELLARD, Alcuin S. 68-75. 42 Hrabanus Maurus, De institutione clericorum 28 (ed. KNÖPFLERS. 50): Oportet ergo cum invocatione sanctae Trinitatis sub trina mersione baptismum confici, u t secundum personarum differentiam mystenum baptismi celebretur, et secundum unitatem substantiae unum baptisma fiat; Alcvini epp. 139 (MGH Epp. 4, S. 22l 1 5 ). 43 Suppl. Anianense 1085 (ed. DESHUSSES l, S. 378); Sacr. Gell. 111/707 u. 344/2321 (ed. DUMAS l, S. 100 u. 336); weitere Quellen texte bei ELLARD, Alcuin S. 70ff, 78f; s. auch KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 319ff; GY, Formule S. 65-72. So sagt der legendär ausgeschmückte Bericht über die Taufverweigerung des Friesenkönigs Radbod in Vita Vulframni 9 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 668 1): pedem a fönte retraxit. 45 Sacr. Gell. 345/2381 (ed. DUMAS l, S. 346): mergit III, aut in conca perfundit; Walafrid Strabo, De exordiis et incrementis 27 (MGH Capit. 2/2, S. 511 J: Notandum autem non solum mergendo, verum etiam desuper fundendo multos baptizatos fuisse et adhuc posse ita baptizari, si necessitas sit; sicut in passione beati Laurentii quendam urceo allato legimus baptizatum. Hoc etiam solet evenire, cum provectiorum granditas corporum in minoribus vasis hominem tingui non patitur. S. auch Stowe Missale (ed. WARNER 2, S. 31): Discendit in fontem et tingitur ter uel aspargitur. .

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ehe bildliche Darstellungen bestätigen diesen Taufmodus, auch die Maße der erhaltenen Taufbecken lassen die Untertauchung eines Erwachsenen normalerweise nicht zu 46 . Allenfalls bei Kleinkindern kann noch eine vollständige Eintauchung vorgenommen worden sein, wobei aber hygienische und gesundheitliche Sonderregelungen zugestanden wurden 47 . Der Taufbrunnen hat sich diesen Erfordernissen angepaßt. Er wird meist ein Gefäß genannt, das möglichst aus Stein sein soll und das der Pfarrklerus in Ehren zu halten hat 48 . Er muß groß genug sein, daß Kinder eingetaucht werden können, und zugleich durch ein Postament so weit erhöht, daß der Taufkleriker sich nicht niederzubeugen braucht. Auch in den postbaptismalen Riten sind einige Details zu beachten, die in der Folgezeit eine besondere Bedeutung gewonnen haben. Die Auslegung des römischen Diakons Johannes, daß die Salbung als eine 'Priestersalbung' und das linteum als ein priesterliches Würdezeichen anzusehen seien49 , hat unter den karolingischen Liturgie-Kommentatoren ein breites Echo gefunden und ist dabei sogar in bemerkenswerter Weise variiert.worden. Alkuin folgt in seiner dem angelsächsischen Priester Odwin gewidmeten Tauferklärung engstens den Ausführungen des römischen Diakons, und sein Brief hat ein weitverbreitetes Ansehen gewonnen50 . Das linteum, das er wie Johannes ein velamen mysticum nennt, erinnert ihn aber weiter noch an das diadema regni sowie an die dignitas sacerdotii51 . Ganz ähnlich spricht Amalar davon — wiederum in engem Anschluß an Johannes —, daß die Getauften das regale ac sacerdotale mysterium empfangen hätten, weil sie dem corpus des summus rex et sacerdos verus eingegliedert seinen; das linteum nennt er unter Berufung auf die Priestergewandung Aarons eine mi'ira52. Andere folgen mit oft gleichlautenden Erklärungen, so neben anonymen Autoren zum Beispiel Odilbert von Mailand, Leidrad von Lyon, Magnus von Sens, Theodulf von Orleans, Jesse von Amiens, Maxentius von Aquileja und Hrabanus Maurus 53 . Die Bezeich46

MIELKE, Taufe Sp. 244-247; FÄRBER, Taufspendung S. 63-71. Conc. Celchythense a. 816 c. 11 (ed. HADDAN - STUBBS 3, S. 584): non effundant aquam sanctam super capita infantum, sed semper mergantur; STENZEL, Taufe S. 278ff. 8 Conventus episcoporum ad ripas Danubii a. 796 (MGH Conc. 2/1, S. 17529): sanctificetur aqua in fönte vel tali vase, ubi... mersio fieripossit; Haito, Capitula ecclesiastica 7 (MGH Capit. l, S. 363 ): Et ut vas ad fontem baptismatis habeant, quod ad reliquos usus nullatenus assumatur; Hinkmar, Capitula synodica 3 (MIGNE PL 125, Sp. 773C): qui fontes lapideos habere nequiverit, vas conveniens ad hoc solummodo baptizandi officium habeat. 49 S. $ 6 Anm. 69. 50 ELLARD, Alcuin S. 75-79; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 316ff. 5 Alcvini epp. 134 (MGH Epp. 4, S. 202 ): Tunc sacro chrismate caput perunguitur et mystico tegitur velamine, ut intellegat se diadema regni et sacerdotü dignitatem portare iuxta apostolum: Vos estisgenus regale et sacerdotale ... 52 Amalar, Ep. de baptismo 44 u. 45 (ed. HANSSENS l, S. 247). DABIN, Sacerdos royal S. 162-172. Das diadema regni wird zitiert bei Maxentius von Aquileja (MIGNE PL 106, Sp. 58A), Theodulf von Orle'ans (ebd. 105, Sp. 235B), Magnus von Sens (ebd. 102, Sp. 983C), Jesse von Amiens (ebd. 105, Sp. 792A), Hrabanus Maurus, De institutione clericorum I 29 (ed. KNÖPFLER S. 52); ferner in anonymen Traktaten: BURN, Neue Texte S. 153; MIGNE PL 98, Sp. 939C. Auch unter den angeblich von Konstantin Papst Silvester überreichten Geschenken wird ein diadema vel corona erwähnt; Constitutum Constantini 14 u. 16 (ed. FUHRMANN S. 87220+25°). 47

5 7 Karolingische Reform

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nungen diadema und mitra gehen dabei über den exzerpierten Text des Johannes hinaus, und beide haben im zeitgenössischen Umfeld eine besondere Aktualität gehabt. Wie Amalar verwendet auch noch das Pontificale Romano-Germanicum das Wort mitra für jene Kopfbedeckung, die dem Täufling zum Schutz der Salbung aufgesetzt wird; ebenso aber gehört es dort zur pontifikalen Amtstracht 54 . Stärker noch ist bei dem diadema regni Alkuins ein aktueller Bezug zu vermuten. Zunächst einmal erinnert es an die gallische Taufliturgie, in der noch schwache Andeutungen davon zu finden sind, daß die Getauften in Christo coronati genannt werden konnten 55 ; östliche Liturgien sind hierin zum Teil noch viel deutlicher gewesen, kannten sie doch regelrechte Akklamationen der Getauften und 'Gekrönten' 56 . Bei Alkuin freilich könnte sich dieser schon ältere Gedanke an einem ganz aktuellen Ereignis neu entzündet haben: an den karolingischen Königskrönungen. Die alte Ausdeutung der Taufsalbung als einer Priester- und Königssalbung, von Alkuin weitergeführt bis zur ausdrücklichen Erwähnung eines diadema regni und von Amalar als Inkorporation in den summus rex et sacerdos verstanden, hat gelegentlich schon in der Forschung die Frage aufkommen lassen, ob solche Vorstellungen nicht ebensogut um Jahrzehnte früher zugänglich waren und dann eine wichtige Brücke gebildet haben könnten, wenn zum Beispiel 781 bei der Taufe und Königssalbung zweier Söhne Karls des Großen durch Papst Hadrian auch Kronen verwendet worden sind, vielleicht sogar zum ersten Mal in der abendländischen Geschichte57. Und noch ein letztes Detail: Zuweilen wird eingeschärft, das zum Schutz der Stirnsalbung aufgesetzte chrismale sei sieben Tage lang zu tragen und dürfte erst am achten abgelegt werden 58 . Es zeigt sich, daß dieser, vom Taufgeschehen her nur ganz nebensächliche Vorgang sowohl in den nordischen Volksrechten wie auch vereinzelt im Zeremoniell "politischer" Taufen eine besondere Bedeutung annehmen konnte 59 . Alkuin und Amalar folgen sodann dem Diakon Johannes auch darin, daß sie von weißen Gewändern sprechen; letzterer gibt in seinem Liber officialis sogar 54 Pontificale Romano-Germanicum CVII 36 (ed. VOGEL - ELZE 2, S. 16326): imponendo mitram dicat: Accipe vestem sanctam; vgl. ebd. LXXXI 12 (ebd. l, S. 2987J.· mitra ... caput pontificis tegebat; ferner ebd. Z. 14. BRAUN, Liturgische Gewandung S. 424-498. 55 So im Abschlußgebet zum Taufritus des Missale Gothicum (Nr. 265[ed. MOHLBERG S. 68 8 ]); s. auch VANHENGEL, Chrismation S. 197 mit Anm. 87. 56 MICHELS, Akklamation S. 16: "In verschiedenen Taufordines des christlichen Orients [wird] der durch Taufe und Salbung mit dem hl. Myron zum vollberechtigten Glied der Kirche gewordene Gläubige, angetan mit dem weißen Gewände und dem Kranz auf dem Haupte, feierlich dem Volk dargestellt und festlich akklamiert ..." 57 So schon HOFFMANN, Taufsymbolik S. 9-13; DESHMAN, Warmund Sacramentary S. 3ff. 58 WILMART, Catechese baptismale S. 200 [15]: renatorum capita chrismale idest pillei teguntur velamine; S. 200 [16]: septem diebus caput uelatur et octauo detegitur; Amalar, Liber officialis I 29 (ed. HANSSENS 2, S. 15424j.· ab eorum capite oleum non dificit per octo dies. 59 Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Frostothings III 8 (ed. MEISSNER S. 48f): 'Das ist die erste geistliche Verwandtschaft, wenn jemand einen ändern unter die Primsignierung hält: Das ist die zweite, wenn man unter das Taufwasser hält. Das ist die dritte, aus den weißen Kleidern (Taufkleidern) zu leiten. Das ist die vierte, wenn man unter die Hand des Bischofs hält (Firmung). Das ist die fünfte, wenn man die (Firmungs-)Binde von der Stirne löst. Alle diese geistlichen Verwandtschaften sind gleich.'

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eine längere Erläuterung, wobei er neben den stolae albae auch die cerei neofytorum erwähnt 60 . Die römischen Liturgiebücher wissen freilich nichts von dem Anlegen speziell weißer Gewänder nach der Taufe, wiewohl solche aus anderen Quellen hinlänglich bezeugt sind und das Gelasianum und Gregorianum die Osterwoche eine alba [septimana] nennen 61 . In gallischen Liturgiebüchern dagegen findet sich eine eigene Rubrik mit der Aufforderung: accipe vestem candidam. M.P. Vanhengel hält allerdings diese Formel, die im Missale Gothicum und im BobbioMissale vorkommt, für eine jüngere Zutat 62 . Ursprünglich soll die gallische Liturgie nur im übertragenen Sinne von einem Gewand gesprochen haben, weil sie die Salbung als solche eine gnadenhafte Bekleidung nannte 63 . So spricht denn auch das Missale Gothicum in seinem Salbungsgebet von einer tonica immortalitatis6* . Die Formel accipe vestem candidam hat später, zuweilen übrigens zusammen mit der Aufforderung accipe lampadam, über das Hadrianum, wo beide zunächst nur als Zusätze in einigen Handschriften erscheinen 65 , Eingang in den Taufritus gefunden 66 . Im frühen Mittelalter ist dann auch die Taufgewandung von politischen Vorstellungen berührt worden. Aus Ermolds ausführlicher Schilderung der Taufe Haralds von Dänemark erfahren wir zum Beispiel, daß Ludwig der Fromme seinen nordischen Taufsohn zunächst mit den üblichen weißen Gewändern und dann, in einer genau entsprechenden Parallelhandlung, mit einem Herrscherornat ausstattete 67 . Im Zuge der liturgischen Romanisierung suchte man auch für Ort und Zeit der Taufspendung wieder neue Verbindlichkeiten zu schaffen. So erfolgte noch einmal ein großangelegter Versuch, Ostern und Pfingsten als die einzigen Spendetermine durchzusetzen 68 . Das Ergebnis war die Ausmerzung des in Gallien ebenfalls 60

Alcvini epp. 134 (MGH Epp. 4, S. 202 29 ); s. auch ep. 143 (ebd. S. 226 18 ). Amalar, Ep. de baptismo 46 (ed. HANSSENS l, S. 247 18 ); ders., Liber officialis I 29: De vestimento albarorum(ebd. 2, S. 152 28+3S , 1538); cf. Apc 6,11; 7,9. 61 Sacr. Gelas. XLVII (ed. MOHLBERG S. 77 13 ); Sacr. Hadr. 89 (ed. DESHUSSES l, S. 193); ebd. 95 (S. 203). Als nichtliturgische Quelle s. z.B. Constitutum Constantini 9 (ed. FUHRMANN S. 76134).· inductus vestibus candidis. Ferner KURFESS - HERMANN, Candidatus Sp. 840f; zur theologischen Bedeutung s. QUASTEN, Garment of Immortality S. 391-401. 62 VANHENGEL, Chrismation S. 190-195 (mit Quellenangaben). 63 Ebd. S. 195-199; CHA V ASSE, Benediction du chreme S. 109-113. 64 Miss. Gothicum 261 (ed. MOHLBERG S. 67 29 ): Perunguo te crisma sanctitatis, [indua te] tonicam immortalitatis...; zu der von L.C. MOHLBERG eingefügten Erweiterung s. MITCHELL, Anointing S. 121. 65 DESHUSSES, Sacramentaire Gregorien l, S. 695 (119* u. 120*), 716 (426*); ebd. 3, S. 98 (3943); s. auch VANHENGEL, Chrismation S. 191 mit Anm. 73. Das linteum — wohl aus der von Johannes Diaconus herrührenden Tradition — und die gallische 'accipe'-Formel sind zusammengebracht im Sakramentar von Monza (Nr. 1117 [ed. DOLD — GAMBER S. 103]): Pone ei linteum in capite et die: Accipe uestem candidam ... In ähnlicher Weise sind cappa bzw. mitra mit der vestis Candida verbunden im Pontificale Romano-Germanicum (XCIX 380C u. CVII 36 [ed. VOGEL - ELZE 2, S. 10729, 16326]). 67 S. $ 32. Die große Reformsynode von Paris im Jahre 829 will sogar die außerhalb der regulären Zeiten Getauften nicht zu den kirchlichen Ämtern zulassen; Conc. Parisiense a. 829 c. 8 (MGH Conc. 2/2, S. 615 10 ).

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üblichen Epiphanie-Termins69 . Im übrigen aber mußte in allen Mahnungen zugunsten bestimmter Festtage immer wieder zugestanden werden, daß im Notfalle unter Hinnahme aller möglichen Umstände getauft werden könne, eben auch außerhalb der empfohlenen Termine70 . Diese wurden schließlich völlig illusorisch, als bei Strafe verlangt wurde — so zuerst in den angelsächsischen Königsgesetzen —, daß die Taufe der Kinder innerhalb weniger Wochen nach ihrer Geburt vollzogen werden müsse71 . Endlich machen die karolingischen Reformbestimmungen auch noch den Versuch, die Taufzuständigkeit neu zu umschreiben: Nur der Diözesanbischof soll befugt sein, ein baptisterium publicum zu errichten, und nur von ihm bestellte Priester sind zur Taufspendung berechtigt 72 . Diese Verordnungen zielen unverhohlen gegen eigenkirchliche Praktiken des Adels, wie sie damals weit verbreitet waren, treffen wir doch im Gefolge der großen Adelsfamilien nicht selten Eigenkleriker, die dort eine — vom Bischof nicht mehr kontrollierbare — Sakramentenspendung ausübten und so auch die Taufe. Die religionssoziologischen und politischen Aspekte dieser Praxis werden in einem eigenen Kapitel zu bedenken sein73 .

2. Die religiösen Vorstellungen von der Taufe § 8 Ritualismus Das Frühmittelater ist eine Periode ohne große Theologie gewesen1 . Dies gilt auch für die Taufe. "Die Epoche, in der sich die Tauftheologie zur höchsten und reifsten Blüte entwickelte, ist zweifellos die Zeit der großen Väter des 4. und 5. Jahrhunderts." 2 Zum Mittelalter hin trat jedoch ein gründlicher Wandel ein. Bereits um die Wende des 5. zum 6. Jahrhundert war der römische Taufordo so verfestigt, daß jener Diakon Johannes, in dem vielleicht der spätere Papst Johannes I. (523-526) zu sehen ist, auf die Frage nach Katechumenat und Skrutinium keine rechte Antwort mehr wußte 3 . Die Taufordnung war fortan ein "heiliger Ritus ..., der im allgemeinen tradiert und vollzogen wurde, auch wenn man ihn nicht mehr

FISHER, Initiation S. 69ff. Für Walafrid Strato z.B. ist dieser Tauftermin zwar noch bekannt, aber umstritten; De exordiis et incrementis 27 (MGH Capit. 2/2, S. 510 29 ). So schon Tertullian, De baptismo 17 (CChr. SL l, S. 29l 1 ): in necessitatibus ... staubt aut loci aut temporis aut personae condicio compellit; ferner weitere Hinweise bei CONWAY, Time and place S. 17-20; BROMMER, Gesetzgebung S. 89f. 71 LIEBERMANN, Gesetze 2, S. 677f (s. v. Taufe); FISHER, Initiation S. 82, 109-119; s. auch NEUNHEUSER, Kindertaufe S. 329. 72 Conc. Vernense a. 755 c. 7 u. 8 (MGH Capit. l, S. 3437). 73 S. S 21, Abschnitt d. 1 2 3

ANGENENDT, Religiosität und Theologie S. 29ff. NEUNHEUSER, Taufe S. 71. STENZEL, Taufe S. 201-206.

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verstehen konnte" 4 . Die Bemühungen des frühen Mittelalters um die Taufe bewegten sich weiter in dieser Richtung: rituell getreuer Nachvollzug des Hergebrachten. Gerade auch die immerhin noch tiefgreifendste Liturgiereform, die karolingische, zielte wesentlich, wie wir gesehen haben, auf die Befolgung des rechten Ritus, nach ihrem Verständnis des römischen. Und wie schon am Ende der patristischen Epoche die Theologie nicht mehr eigentlich schöpferisch war 5 , so gilt auch für die Karolingerzeit, daß "wir hier keine tiefe Theologie erwarten"6 dürfen. In den Bonifatius-Briefen ist an keiner Stelle eine eigentlich theologische Frage zu finden, wohl allenthalben ein besorgtes Sichvergewissern in rituellen Verfahrensfragen 7 . Dies ist der Zeit ureigenes Interesse. Auch die Antworten, die Karl der Große auf die Rundfrage über die Taufe von den Metropoliten seines Reiches erhielt, vermitteln "den Eindruck recht hilfloser Kompilationen"8. Theologisch neue Aussagen über dieses Sakrament oder — bescheidener — eine theologisch begründete Adaption des Ritus für besondere Erfordernisse der eigenen Zeit, so etwa der Mission, überstiegen bereits die theologischen Möglichkeiten. Auch ist zu fragen, wie das Besondere der christlichen Taufe, zumal ihr in der antiken Kirche so deutlich empfundenes Neuheitserlebnis 9 , gewahrt worden ist. Daß etwa die Viten sehr häufig eine bereits der Geburt vorausgehende Erwählung und Begnadung ihrer Heiligen zu berichten wissen 10 , mußte die Taufe als nicht mehr eigens erwähnenswert oder als nur noch zusätzliche, nicht aber als grundsätzlich andersartige — weil heilsgeschichtlich neue — Heilsgabe erscheinen lassen. Wenn ein noch nicht Getaufter bereits sanctissimus genannt werden kann 11 , dann hat die Taufe den Charakter der einmaligen und unersetzlichen Initiation eigentlich verloren. Die Scholastik hat sich eigens mit diesen Problemen befassen müssen12 . Ritualisierung und Unfähigkeit zu theologischer Reflexion erscheinen demnach als die hervorstechenden Züge in der Taufgeschichte des frühen Mittelalters. Kein Wunder, daß die Dogmengeschichte von der Tauftheologie der Väterzeit unvermittelt zur Frühscholastik überspringt, da erst hier wieder die adäquaten Gesprächspartner gefunden werden, die vom neuen theologisch argumentieren. Wenn nun von der Theologie keine besonderen Anstöße oder Veränderungen ausgingen, so könnte man versucht sein, auf eine Bewegungslosigkeit im ganzen zu schließen. Mit der Ritualisierung hat sich dennoch ein Vorgang höchst bedeut4

KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 251. NEUNHEUSER, Taufe S. 74. 6 Ebd. S. 79. 7 ISERLOH, Kontinuität des Christentums S. 15f. 8 KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 324. 9 PRÜMM, Christentum S. 161-183. 10 GÜNTER, Legende S. 44f (heidnisch-antike Beispiele), S. 94ff (Beispiele aus den christlichen Legenden); s. auch ZOEPF, Heilgen-Leben S. 52f; VOGT, Spiritualität S. 48: "... auch in den ältesten und zum Teil von uns bekannten Verfassern geschriebenen Viten ist ausdrücklich von der Vorherbestimmung die Rede." Reiches Material bei SCHEIBELREITER, Bischof S. 37-41. 11 Vita Declani 5 (ed. PLUMMER 2, S. 37): Colmanus baptizauit sanctissimum infantulum; Vita Moling 2 (ebd. S. 190): baptissauit sanctum infantem. 12 MÜLLER, Taufe bei Albert d. Gr. S. 149-154: Heiligung im Mutterleib und Taufempfang. 5

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samer Art vollzogen, der schlagwortartig damit umschrieben werden kann, daß an die Stelle des wahren Glaubens der allein richtige Ritus getreten ist. Die bereits erwähnte Verpflichtung des Bonifatius, das Sakrament der Initiation nach römischem Formular zu spenden 13 , bildet dabei den Wende- und Ausgangspunkt. Zunächst einmal muß die Verpflichtung, das in Rom übliche Initiationsritual auch nördlich der Alpen zu befolgen, als erstaunlich bezeichnet werden; erstaunlich wegen des Faktums, daß überhaupt ein solches Ansinnen gestellt worden ist. Auf ein bestimmtes liturgisches Formular des Apostolischen Stuhles zu verpflichten muß nämlich von den älteren römischen Gepflogenheiten her als ungewöhnlich bezeichnet werden. Denn, so resümiert der Straßburger Liturgiehistoriker Cyrille Vogel, in Kultfragen sei Rom immer äußerst liberal gewesen und habe außerhalb des suburbikarischen Italien nie auf die Annahme seiner gottesdienstlichen Bräuche gedrungen 14 . Eine Ausnahme bildet allein der für die Liturgiegeschichte so wichtige Brief Innozenz' I. an Bischof Decentius von Gubbio; darin wird aufgrund der Petrusautorität eine Befolgung der römischen Liturgie im ganzen Westen gefordert 15 . Um so bemerkenswerter ist es, daß dieser Anspruch sich damals nicht hat durchsetzen können 16 . Warum dann aber bei Bonifatius ein neuer und dazu noch erfolgreicher Vorstoß? In der Tat, die Rom nachgerühmte Liberalität bestimmt zum Beispiel noch ganz den Geist und die Entscheidungen Gregors des Großen. Als der zur Mission nach England entsandte Mönch Augustinus ob der in Rom und Gallien differierenden Meßzelebration besorgt um Rat fragte, empfahl der Papst, nach dem Maß der Gottgefälligkeit zu entscheiden: Ob aus Rom, Gallien oder von wo immer, was Gott am meisten Wohlgefallen könne, das solle er in der jungen Kirche Englands einführen 1 7 . Ebenso weitherzig beantwortete Gregor eine spanische Anfrage, ob bei der Taufe eine einmalige oder dreimalige Tauchung erforderlich sei: In una 13

S. i 7 Anm. 9. VOGEL, Reforme S. 217ff; DERS., Echanges liturgiques S. 198ff; DERS., Introduction S. 248ff. S. auch JUNGMANN, Frühzeit S. 216: "Rom war sich zwar dessen bewußt, daß ihm die Leitung der Kirche zustand. Aber in Fragen des Gottesdienstes hat Rom damals und noch durch viele Jahrhunderte von seinem Recht kaum Gebrauch gemacht." S. auch (gelegentlich überspitzt) HEILER, Altkirchliche Autonomie S. 3-112. 5 Innozenz L, Brief an Decentius von Gubbio (ed. CABlE S. 18 2 ) : quodaprincipe apostolorum Petro Romanae ecclesiae traditum est, ac nunc usque custoditur ab omnibus debere servari. S. auch das Zitat dieses Briefes in Coll. vet. Gallica c. 18,2 (ed. MÖRDER S. 424ff). 16 S. i 15 Anm. 9. Beda, Hist. eccl. I 27 (ed. PLUMMER l, S. 49): Ex singulis ergo quibusque ecclesiis, quae pia, quae. religiosa, quae recta sunt, elige; et haec ... apud Anglorum mentes in consuetudinem depone. Die Echtheit dieses bei Beda zitierten Papstbriefes ist freilich umstritten; BRECHTER, Angelsachsenmission S. 50-111, bes. S. 68-72 (gegen die Echtheit); KOTTJE, Studien zum Alten Testament S. 110-116 (vorsichtig für die Echtheit); MEYVAERT, Diversity within Unity S. 141-162 (für die Echtheit); zuletzt DERS., Libellus Responsionum S. 15-33. Selbst wenn sich die Unechtheit endgültig erweisen sollte, bleibt das Faktum, daß im Anfang des 8. Jhs., als diese Responsionen auch als eigener Libellus in Umlauf kamen, noch eine so weitherzige Liturgieauffassung vertreten werden konnte. — C. VOGEL geht auf die Echtheitsfrage dieses Textes, den er als wichtigen Zeugen für seine Auffassung zitiert, nicht ein. 14

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fide nil officit sanctae ecclesiae consuetudo diversa1*. Trotzdem glaubte eine spanische Synode wegen dieser Frage ein Schisma heraufziehen zu sehen19 , und 200 Jahre später betrachtete Alkuin, der Hoftheologe Karls des Großen, die dreifache Tauchung als ein unabdingbares Zeichen der Rechtgläubigkeit 20 . Diese zwischen Gregor dem Großen und Alkuin sich so radikal verändernde Beurteilung, sogar in ein und derselben Detailfrage, ist Anzeichen für eine generell zu beobachtende Veränderung. E. Kantorowicz hat von einer "drift of the age toward 'liturgifying' " gesprochen 21 . In dieser Drift tauchen Phänomene wieder auf, die von der Religionsgeschichte her als Ausrucksweisen des "selbstwirksamen Ritus" bekannt sind 22 , die in der Rechtsgeschichte als "Verhängnischarakter des Rechtes" bezeichnet werden23 und die fast immer auf eine genaue Befolgung des Ritus aus sind; insgesamt dürfen diese Kennzeichen als Ausdruck archaischen Denkens gelten 24 . Ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie der "Verhängnischarakter" des Ritus in der Liturgie sich auszuwirken beginnt, liefert ein Kanon des im Jahre 633 abgehaltenen vierten Konzils von Toledo. Die Versammlung hatte sich mit der Frage zu befassen, wie zwangsweise getaufte Juden zu behandeln seien. Zunächst wird nun festgestellt, daß niemandem Gewalt angetan werden dürfe, um ihn zum Glauben zu bringen; Gott wolle den freien Entscheid: non vi sed liberi arbitrii facultate25. Mit dieser Feststellung wiederholt das Konzil nur eine altkirchliche Selbstverständlichkeit, daß nämlich der Entscheid zur Taufe in Freiheit und Verantwortlichkeit zu fällen sei26. Dann aber folgen Anweisungen, die eine andere Denkweise verraten, eben die der frühmittelalterlichen Ritualität: Wer einmal getauft sei — und sei es mit Gewalt — müsse beim Glauben bleiben, nötigenfalls unter Zwang 27 . Mit dieser Doppelgesichtigkeit schaut der Entscheid einmal zurück in die Antike wie auch vorwärts in das Frühmittelalter: Einerseits weiß man noch um die Freiheit der Glaubensentscheidung und verbietet die Gewaltmission für die Zukunft; andererseits aber sieht man den vollzogenen Ritus als so wirksam an, daß für seine Gültigkeit der freie Entscheid nicht mehr konstitutiv ist; auch wer mit Gewalt zur Taufe gebracht worden ist, bleibt durch den an ihm vollzogenen Ritus gebunden. Das aber ist Verhängnischarakter der Liturgie!

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Gregorii I registrum I 41 (MGH Epp. l, S. 57 18 ); GLAUB, Taufe in Spanien 2, S. 14-21; KRINKE, Spanischer Taufritus S. 95ff. 19 Conc. Toletanum IV a. 633 c. 4 (ed. VIVES S. 191ff). 20 ELLARD, Alcuin S. 68-85. 21 KANTOROWICZ, Laudes Regiae S. 56. Vergleichbar ist die rechtliche "Formstrenge" (KAUFMANN, Formstrenge Sp. 1163-1168). 22 HEILER, Gebet S. 150-156. 23 BADER, Recht - Geschichte - Sprache S. 6ff; BÖCKENFÖRDE, Rechtsbegriffs. 149-152. 24 ANGENENDT, Bonifatius S. 180-183. 25 Conc. Toletanum IV a. 633 c. 57 (ed. VIVES S. 27). 26 KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 49ff; RATZINGER, Taufe S. 83-86. 27 Conc. Toletanum IV a. 633 c. 57 (ed. VIVES S. 27): oportet ut fidem etiam quam vi vel necessitate susceperunt tenere cogantur.

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§ 9 Dämonismus Auch die rituell genauestens festgelegte Liturgie bedeutete keineswegs, daß inhaltlich alles unverändert geblieben wäre. Schon die Beobachtung, daß wichtige Grundvollzüge des kirchlich-religiösen Lebens gerade im frühen Mittelalter eine bis in die Neuzeit sich durchhaltende oder doch nachwirkende Umformung erfahren haben, mahnt zur Bedachtsamkeit. Bernhard Poschmann konstatiert zum Beispiel in der Bußgeschichte einen "tiefgreifenden Wandel, den das abendländische Bußwesen in den Jahrhunderten nach Gregor I. durchgemacht hat"1 . Freilich resultiert dieser Wandel wiederum nicht aus einer "neuen Theologie". Ein Defizit an theologischer Reflexion bleibt hier ebenfalls festzustellen: "Die Theorie der Buße [ist] in dieser Zeit so gut wie gar nicht gefördert worden ... Man begnügte sich damit, die sich aufdrängenden Fragen mit entsprechenden Vätertexten zu beantworten ..."2. Das gleichwohl Neue zeigt sich einfach in einer veränderten Praxis. Zu ganz entsprechenden Ergebnissen ist jüngst A. Häußling bei seinen Untersuchungen zum frühmittelalterlichen Eucharistieverständnis gelangt: "Mönchtum und Praxis der Eucharistiefeier erleben in der Epoche zwischen der Niederschrift der Benediktregel ... und dem Werk Benedikts von Aniane (+ 821) einen Umbruch, der ihren Stellenwert grundlegend ändert, obwohl ... die Formen im einzelnen und die leitenden Rechtsnormen und ... Texte weithin unverändert und theoretisch anerkannt bleiben und darum der Umbruch in weiten Partien kaum aktenkundig wird" 3 . Ebenso ist nun bei der Taufe, obwohl die große Zeit der Tauftheologie längst zu Ende gegangen und eine rituelle Fixierung eingetreten war, nach dem zeitspezifisch Neuen zu fragen. Als wichtiges Beispiel, wie auch die Taufe in einem anderen Geist verstanden wurde, muß der Taufexorzismus angeführt werden4 . Daß der Exorzismus als Ritus der Dämonenaustreibung in apostolischer und nachapostolischer Zeit selbstverständliche Praxis gewesen ist, kann angesichts von Jesu eigener exorzistischer Tätigkeit nicht überraschen 5 . Doch hat ein entsprechender Ritus deswegen nicht sofort Eingang in die Taufliturgie gefunden. Wenn ein solcher dort erst seit dem 3. Jahrhundert seinen festen Platz erhalten hat, scheint dafür eine besondere Beeinflussungssituation gesucht werden zu müssen. Man denkt an gnostisierende Kreise, denen der Exorzismus nicht nur eine in Einzelfällen anzuwendende Hilfeleistung darstellte, sondern die grundsätzliche Trennung der verderblichen Vermischung von Gutem und Bösen leistete; diese Trennung aber wurde rein rituell vollzogen, als "ein Naturvorgang gleichsam am Individuum vorbei"6 oder auch als "Zauberexorzismus"7. Es wird nun angenommen, daß diese gnostische Auffassung zeitweilig so stark auf das christliche Tauf1 2

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POSCHMANN, Kirchenbuße im frühen Mittelalter S. 232. Ebd. S. 236. HÄUSSLING, Mönchskonvent S. 348. ANGENENDT, Taufexorzismus S. 388-409. BÖCHER, Christus exorcista S. 138-180. THRAEDE, Exorzismus Sp. 80; s. auch JONAS, Gnosis l, S. 191f. DÖLGER, Exorzismus S. 12.

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Verständnis eingewirkt hat, daß der Exorzismus ins Taufritual eindringen konnte 8 . Bei der Einfügung des Exorzismus ins Taufritual sind dann aber bezeichnende Abänderungen vorgenommen worden: Der Exorzismus mußte seines dualistischen Charakters entkleidet und insbesondere auch ethisiert werden. Denn es sollte deutlich werden, daß die Satansherrschaft nicht grundsätzlich und von vornherein bestehe, daß vielmehr erst die menschliche Übeltat den Teufel ins Herz eindringen lasse. F.J. Dölger charakterisiert diese Auffassung als "ethische Besessenheit"9. Die patristische Dämonologie ist, bei all ihren Unterschieden im einzelnen, durchgehend nach dem Grundgedanken konzipiert, daß es keinen Dualismus gibt, daß auch die Dämonen im letzten Gott unterworfen sind und den Menschen nicht absolut in Beschlag nehmen können 10 . Darum wird auch immer wieder betont, daß die Dämonen selbst ursprünglich gute Geister gewesen seien, die erst durch einen freien Entscheid von Gott abfielen 11 . Keineswegs aber sind sie von Gott unabhängige Verkörperungen eines bösen Weltprinzips 12 . So wurde denn auch im Taufritus zum Ausdruck gebracht, daß die böse Tat der Menschen selbst die anfängliche Ermöglichung sowie die weitere Verfestigung und zuletzt die endgültige Anerkennung der Satansherrschaft bewirke, daß aber andererseits der Kampf um das sittlich Gute die Teufelsherrschaft zumindest zurückzudrängen vermöge13 . Ihren bleibenden Niederschlag hat diese ethische Komponente in der dem Taufritus eingefügten Abrenuntiation gefunden14 . Sie ist als gelöbnisartige Absageerklärung an den Teufel gedacht, die zum Ausdruck bringen soll, daß es keine magischrituelle Befreiung "am Individuum vorbei" gibt, daß vielmehr eine aktive Bereitschaft gefordert ist, den bösen Mächten abzusagen und sie im sittlichen Bemühen zurückzudrängen 15 . Die Aufnahme unter die Electi konnte überhaupt erst stattfinden, wenn der Bischof sich über Fortschritte im sittlichen Kampf gegen das Böse vergewissert hatte 16 . Wir können also formelhaft zusammenfassen: Unterordnung des ehemals außerhalb des Christentums oft dualistisch verstandenen Exorzismus unter die Taufe und ethisch betonte Willensfreiheit anstelle eines dämonischen Determinismus. Im Westen sind für die Überprüfung des Glaubens- und Sittenkampfes gegen den Teufel zunächst drei Skrutinien in Übung gekommen. Schauen wir uns noch einmal an, wie diese Skrutinien sich in den beiden Hauptquellen der römischen Taufliturgie darstellen, im Sacramentarium Gelasianum und im Ordo Romanus 8

THRAEDE, Exorzismus Sp. 76-85. DÖLGER, Exorzismus S. 33. 10 KALLIS - VAN DER NAT, Geister Sp. 700-761. 11 Ebd. Sp. 700-703, 718-722; ZANDEE, Gnostic ideas S. 13-74. 12 TAVARD, Dämonen V (kirchengeschichtlich) S. 286-293. 13 Beispielhaft kann dafür Hippolyt genannt werden: Hippolyt, Traditio Apostolica 20 u. 21 (ed. BOTTE S. 42-59); KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 96-101. 14 WASZINK, Pompa diaboli S. 13-41; KIRSTEN, Taufabsage S. 38-74. 15 So THRAEDE, Exorzismus Sp. 98-100; BAKHUIZEN VAN DEN BRINK, Sakrament und Ethik S. 59-68. 16 Hippolyt, Traditio Apostolica 20 (ed. BOTTE S. 42): Cum autem eliguntur qui accepturi sunt baptismum, examinatur vita eorum: an vixerint in honestate dum essent catechumeni. 9

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XI, die beide dem 6./7. Jahrhundert angehören. Jede dieser Überprüfungen ist zu einer umfangreichen exorzistischen Prozedur angewachsen. Innerhalb einer langen Kette teufelsaustreibender Gebete bekreuzigt der Pate fünfmal die Stirn des Taufkandidaten und ein Akolyth dreimal; zum Schluß folgt noch die Kreuzsignierung durch einen Priester 17 . Wie schon die Bekreuzigung im alten Christentum als apotropäischer Schutz gegolten hatte 18 , so erst recht im Frühmittelalter 19 ; dieselbe muß sich gerade in dieser Epoche einer besonderen Beliebtheit erfreut haben, denn aus dem lateinischen Wort für die Bekreuzigung, aus signare, leitet sich bekanntlich das deutsche Wort "segnen" ab 20 . Weiter wurden die bei den Skrutinien ausgesprochenen Exorzismen mit allen für sie klassischen Elementen angereichert: In der Anrufung des Deus Abraham, Deus Isaac, Deus Jacob erklingen die dem Exorzismus typischen "fremdländischen Götternamen" 21 , die in Texten jüngeren Datums oft noch vermehrt sind 22 . Auch ist es bemerkenswerterweise nicht der Taufkandidat selbst, der in den Teufelsaustreibungen angesprochen wird; die "Schelte" zielt vielmehr direkt gegen den Teufel in ihm. Dieser wird beschworen und in Schrecken versetzt; sodann wird er angefahren zu entweichen: ut exeas et recedas23 . Aus der ursprünglichen Überprüfung der ethischen Teufelsabsage ist also eine ganze Kette von immer umfänglicheren Exorzismen geworden. Dabei hat man bekanntlich nicht nur eine Veränderung des einzelnen Skrutiniums vorgenommen, sondern deren Zahl auch noch von ursprünglich drei auf sieben erhöht 24 . Diese sieben "Prüfungen" verteilten sich über die ganze Quadragesima und bildeten sogar das tragende Gerüst der Taufvorbereitungj dem die anderen Riten nur noch wie angehängt erscheinen 25 . Ja, das exorzistische Verständnis bemächtigte sich selbst der katechetischen Elemente in der Taufvorbereitung: Das Symbolum, ursprünglich als theologisch-dogmatische Kurzformel des Glaubens für die Taufbewerber gedacht, heißt im Gelasianum bereits eine Schutzwehr gegen die Angriffe des Bösen; in anderer Deutung wird es dann sogar mit dem magischen Fachterminus incantatio belegt und als wahrer 'christlicher Zaubergesang' bezeichnet 26 ; bei Beda endlich gilt es als geistliches Gegengift (antidotum spirituale) gegen die Gifte des Teufels 27 . Auf diese Weise ist die während 17

Sacr. Gelas. XXVIIII-XXXIII (ed. MOHLBERG S. 42-46); ANDRIEU, Ordines Romani 2, S. 417-426; s. dazu STENZEL, Taufe S. 220-240; DÖLGER, Geschichte des Kreuzzeichens (4) S. 5-17; ebd. (5) S. 10-22. 18 DÖLGER, Geschichte des Kreuzzeichens (6) S. 7-34. 19 JACOBY, Kreuzzeichen Sp. 535-562. 20 KLUGE, Etymologisches Wörterbuch S. 697 (Segen). 21

RIST, God of Abraham, Isaac, and Jacob S. 289-303.

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S. z.B. Pontificale Romano-Germanicum CXVI 2 (ed. VOGEL - ELZE 2, S. 206 9 j.· Deus Abraham, Deus Ysaac, Deus lacob, Deus Moysi et Aaron, Deus Tobiae et Eliae ... 23 Sacr. Gelas. XXXIII 291-298 (ed. MOHLBERG S. 44f); XLII 419 (S. 67). 24 S. § 6 Anm. 18 u. 19. 25

KIRSTEN, Taufabsage S. 94-133; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 253-257. Martin von Braga, De correctione rusticorum 16 (ed. BARLOW S. 199 23 ); zur Bedeutung von 'incantatio' s. Thesaurus linguae latinae 7/1, S. 845f; BLAISE, Lexicon S. 463; NIERMEYER, Lexicon S. 518; Beda, Ep. ad Ecgbertum 5 (ed. PLUMMER l, S. 409). Nach FJ. DÖLGER (Sol salutis S. 108f) geht diese Auffassung vom Credo bis ins 4./5. Jh. zurück. 27 Beda, Ep. ad Ecgbertum'5 (ed. PLUMMER l, S. 409).

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der Taufvorbereitung seit langem übliche Übergabe des Glaubensbekenntnisses und des Vaterunsers, die ursprünglich selbstverständlich zur Belehrung vorgenommen wurde, zu einem Schutzritus umgedeutet worden. Überhaupt blieben von der alten Katechese nur noch wenige und nunmehr liturgisch formalisierte Elemente übrig; die Katechese war freilich wegen der inzwischen zur Regel gewordenen Kindertaufe ohnehin sinnlos geworden. "Das Ergebnis war ... eine beispiellose Ritualisierung"28. Weitere Beobachtungen bestätigen und veranschaulichen diesen Trend. Das Stowe-Missale zum Beispiel, ein irisches Liturgiebuch des 8. Jahrhunderts, das für die Taufliturgie verschiedenartige Materialien zusammenträgt, bietet in der modernen Druckedition sieben Seiten Taufvorbereitung, nahezu ausschließlich exorzistischen Inhalts. Gleich das zweite Gebet läßt nichts an Klarheit zu wünschen übrig; alle Gliedmaßen und Körperteile können zum Schlupfwinkel der Dämonen werden und müssen darum namentlich exorzisiert werden 29 . Es kann also gar keinem Zweifel unterliegen, welche Richtung die Entwicklung von der Antike zum Mittelalter hin genommen hat; es ist eine massive Exorzisierung. Darin nur die Einwirkung volksreligiösen Denkens sehen zu wollen verbietet sich ob der durchgehenden Allgemeinheit dieser Vorstellungen. Im Hintergrund steht eine bestimmte Theologie, oder besser: Dämonologie, die zum Beispiel Alkuin auf konzise Weise dargelegt hat. Einem Presbyter Odwin gibt er brieflich eine Erläuterung der Taufe, die ganz vom Schema des Herrscherwechsels herkommt: zuerst Austreibung des Teufels und dann Einzug Jesu Christi. Die zahlreichen anderen Aspekte, die im altkirchlichen Taufritus so vielfältig Ausdruck gefunden hatten, werden auf dieses Schema hin umgedeutet. Der Heide werde zuerst Katechumene und komme dann zur Taufe, um dem bösen Geist und seinem verderblichen Pomp abzusagen; er werde angehaucht, damit nach der Vertreibung des Teufels unserem Gott Christus der Eintritt offenstehe; er werde exorzisiert, damit der böse Geist ausfahre und entweiche und Raum gebe für Jesus Christus; er empfange Salz, damit die fauligen und abgestandenen Sünden mit der göttlichen Gabe des Salzes der Weisheit gereinigt würden; die Übergabe des Glaubensbekenntnisses geschehe, damit das leere, vom früheren Bewohner verlassene Haus mit dem Glauben ausgestattet und so zur Wohnung Gottes bereitet werde; dann würden die Skrutinien abgehalten, um mehrmals zu erkunden, ob nach der Absagung an den Teufel die Worte des ausgehändigten Glaubensbekenntnisses im Herzen Wurzel gefaßt hätten; die Brust werde gesalbt, um dem Teufel mit den Zeichen des heiligen Kreuzes den Zutritt zu verschließen30. Von der reichen Tauftheologie der Patristik kennt 28

KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 257. Stowe- Missale (ed. WARNER 2, S. 24-31); ebd. S. 24: Ordo babtismi: Domine sanctae pater omnipotens aeterne deus expelle diabulum et gentilitatem ab homine isto de capite de cappillis de uertice de cerebro de fronte de oculis de auribus de naribus de ore de lingua de sublingua de gutore de faucibus de collo de pectore de corde de corpore toto intus de foris de manibus de pedibus de omnibus membris de compaginibus membrorum eius et de cogitationibus de uerbis de operibus et omnibus conuersationibus hie et futuro per te iesu christus qui regnas. S. dazu auch McNALLY, Keltische Kirche S. 106-109. 30 Alkuin benutzt dabei die Tauferklärung, die der römische Diakon Johannes in der ersten Hälfte des 6. Jhs. verfaßt hatte; Johannes Diaconus, Ep. ad Senarium (ed. WILMART, Analecta 29

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Alkuin, immerhin einer der führenden Theologen der karolingischen Renaissance, allein noch den Antagonismus von Teufel und Christus: Das Reich Satans steht gegen das Reich Gottes. Es gilt nun, alles daranzusetzen, den Teufel hinauszuwerfen und Christus in das Haus der Seele einziehen zu lassen. Darum bilden Exorzismus und Taufe zwei geradezu gleichwertige Vorgänge: Ohne Loslösung vom Teufel scheint die Eingliederung in Christus nicht möglich. Alle, die getauft würden, so dekretiert Burkhard von Worms in seiner großen Rechtssammlung, müßten zuvor exorzisiert werden: Ut omnes baptizandi prius sint exorcizandi31. Erst die Scholastik kann sich wieder eine Taufe auch ohne voraufgehenden Exorzismus vorstellen32. Die ganze Entwicklung läßt aber noch eine weitere Tendenz erkennen: Wie die alte Kirche keine (Erwachsenen-)Taufe ohne Glauben, ohne Kenntnis der Evangelien und des eigenen Sündenzustandes zugelassen hatte, so auch keinen Exorzismus ohne die willentliche Absage an den Teufel. "Die Verdrängung des Katechetischen durch das Liturgische und damit des Verständigen durch das Zeremonielle konnte sich erst in Folge bedauerlicher neuer Umstände im Frühmittelalter stark machen."33 In der Tat hat die Gefahr bestanden, daß die ethische Komponente des Taufexorzismus, die der alten Kirche so wichtig gewesen war, verdunkelt wurde. Immerhin hat man sich in der karolingischen Liturgiereform des bewußten Entscheidungscharakters zu entsinnen gewußt. Damit die Teufelsabsage von jedermann verstanden und vollzogen werden konnte, ist sie nämlich in die Volkssprachen übersetzt worden — zusammen mit dem Glaubensbekenntnis und dem Vaterunser eines der wenigen volkssprachlichen Liturgiestücke, die das Mittelalter allgemein verständlich gemacht hat 34 . S. 17215): exorcizatur, ut, fugato diabolo, Christo domino nostro paretur introitus, ... ut qui dudum uas fuerat satanae fiat nunc domicilium saluatoris ... Diesen Text hat Alkuin für eine später weit verbreitete Tauferklärung ausgeschrieben; Alcvini epp. 134 (MGH Epp. 4, S. 20215 J: Exsufflatur etiam, ut fugato diabolo Christo deo nostro paretur introitus. Exorcizatur ..., ut exeat et recedat dans locum Deo vero. ... traditur ei fides, ut vacua domus et aprisco habitatore derelicta fide ornetur et preparetur habitatio Dei. Die Raumvorstellungen sind also von Alkuin noch weiter verstärkt worden. Zur Abhängigkeit Alkuins vom Diakon Johannes s. auch BOUHOT, Rituel baptismal S. 282. 31 Burchard von Worms, Decretum IV 10 (MIGNE PL 140, Sp. 730C): nonprius fontem vitae adeant, quam et exufflationibus clericorum Spiritus ab eis immundus abigatur, ut tunc vere appareat quomodo princeps hujus mundi mittatur foras. — Daß man sich wirklich vorgestellt hat, der Mensch sei zuerst durch Exorzismen zu reinigen, dann seine "Leere" gegen ein neuerliches Eindringen der Dämonen durch die Kreuzessignierung abzusichern, um so "innerlich frei" Christus einziehen lassen zu können, zeigt beispielsweise eine Geschichte Gregors des Großen in seinen Dialogen: Böse Geister stürmen auf einen Juden ein in der Hoffnung, bei einem Nichtgetauften leicht eindringen zu können. Zu ihrem Entsetzen jedoch müssen sie feststellen, daß ihr Opfer bereits signiert ist; der Jude hatte sich vorher bekreuzigt. So müssen die Dämonen resignieren: Vae, uae, uas uacuum et signatum (Gregor der Große, Dialoge III 7,6 [ed. DE VOGÜß 2, S. 282]). 32 ANGENENDT, Taufexorzismus S. 401-409. 33 BAKHUIZEN VAN DEN BRINK, Sakrament und Ethik S. 68. Zum frühmittelalterlichen Dämonismus s. auch TAVARD, Dämonen V (kirchengeschichtlich) S. 293-296; HAUBRICHS, Motive S. 544f. 34 ANGENENDT, Bonifatius S. 139ff; zu den althochdeutschen Abrenuntiationsformeln s.

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Für die Mission hatte der Antagonismus von Gottes- und Teufelsreich zur Folge, daß man alle Nichtgetauften der Herrschaft des Bösen ausgeliefert sah. Alkuin läßt in der Vita Willibrordi seinen Missionarsheiligen dem heidnischen Friesenkönig Radbod gegenüber erklären: 'Es ist kein Gott, den du verehrst, sondern der Teufel, der dich, o König, in bösem- Irrtum getäuscht hat und gefangenhält, auf daß er deine Seele den ewigen Flammen übergeben kann ... Wenn du mich, der ich dir den Weg des Heils zeige, mißachtest, wisse für sicher, daß du mit dem Teufel, dem du gehorchst, die ewigen Strafen und die Höllenflammen erleiden wirst' 35 . Die einzige Rettung liege darin, sich gläubig im Lebensbrunnen taufen zu lassen, dadurch alle Sünden abzutun und als neuer Mensch weiterzuleben36 . Aus der Vorstellung heraus, daß jeder Nichtgetaufte zur Hölle fahren müsse, entsprangen absonderliche Praktiken. Als der Westsachsen-König Caedwalla (+ 689) die Insel Wight eroberte und dort zwei Königssöhne hinrichten wollte, kam ein Priester und bat um die Möglichkeit, dieselben noch bekehren und taufen zu dürfen. Beda berichtet darüber in folgender Weise: 'Unter den ersten von denen, die auf dieser Insel durch den Glauben gerettet wurden, wurden zwei königliche Knaben ... durch die Gnade Gottes besonders ausgezeichnet ... Angesichts des Henkers nahmen sie freudig den zeitlichen Tod auf sich, wodurch sie, wie sie nicht zweifelten, zum ewigen Leben der Seele gelangen würden.'37 Im Rolandslied des Pfaffen Konrad aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wird der Missionsauftrag Karls des Großen gleichfalls noch nach der Auffassung beschrieben, daß die Heiden der Hölle verfallen seien: 'Er bat Gott inständig ..., er möge auch die zahllosen Heiden retten, denen die pechschwarze Nacht ewige Finsternis bereithielte, und möge sie dem Teufel entreißen ... Gott hat dich erhört: Das Heidenvolk wird bekehrt werden. Die sich dir widersetzen, werden Kinder des Teufels heißen und alle verdammt sein. Sie wird der Zorn Gottes treffen in diesem und jenem Leben. Sie werden ewig in der Hölle schmachten.'38 Vor diesem Hintergrund wird eigentlich erst ermeßbar, welch neuartige Auffassung dann Wolfram von Eschenbach in seinem Willehalm vortrug. Die Beurteilung der Heiden steht hier "in schroffem Gegensatz zu dem thematisch vergleichbaren Rolandslied"39, heißt es doch: "Die Heiden sind nun nicht mehr Ungebildete, Wilde, Teuflische, freisliche diet, man kann sie also nicht einfach erschlagen alsam ein vihe ... Sie sind vielmehr, wie auch die Christen, Gottes Geschöpfe, Gottes handgetat"40. So kann denn Wolfram auch den Satz aussprechen, daß nicht alle Heiden zum Verderben bestimmt sei-

VON STEINMEYER, Sprachdenkmäler S. 20ff (sächsisches Taufgelöbnis); FOERSTE, Westfälische Sprache S. 90f (altwestfälisches Taufgelöbnis); DE BOOR - NEWALD, Deutsche Literatur l, S. 26f; RATHOFER, Realien S. 16-19. 35 Alkuin, Vita Willibrordi 11 (MGH SS rer. Merov. 7, S. 125 16 ); SCHÄFERDIEK, Germanenbekehrung S. 504. 36 Alkuin, Vita Willibrordi 11 (MGH SS rer. Merov. 7, S. 12521). 37 Beda, Hist. eccl. IV 14 (ed. PLUMMER l, S. 237 f). 38 Rolandslied 38-46, 57-64 (ed. KARTSCHOKE l, S. 6/7, 8/9); BACKES, Teufel, Götter und Heiden S. 417-441. 39 SCHRÖDER, Toleranzgedanke S. 403. 40 Ebd.

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en 41 . Auch der zeitgenössischen Theologie stellte sich in neuer Weise das Problem, wie man sich das ewige Geschick der Heiden zu denken habe; angesichts des allgemeinen Heilswillens Gottes mochte man die schuldlos ungetauft Gebliebenen nicht einfach der Verdammung anheim fallen lassen42. Menschen der Bekehrung und der Taufe zuzuführen bedeutete dem Frühmittelalter, sie dem Teufel zu entreißen 43 . Das missionarische Bemühen zielte in immer neuen Beweisen darauf ab, die Macht und Güte des Christengottes gegenüber den heidnischen Göttern, die allesamt böse Geister waren44 , als überlegen darzustellen. Zum Missionsbeweis gehörte darum immer der Geisterkampf: die Zerstörung heidnischer Heiligtümer oder auch das Fällen dämonenbehauster Bäume. Nicht intellektuelle Bekehrungspredigt überzeugte, sondern teufelsbezwingende "Tatmission"45 . Schon der heilige Martin kann dafür als Beispiel angeführt werden. Die alten Heidentempel galten ihm als bevorzugte Versammlungsorte der Dämonen und mußten darum beseitigt werden. 'Wo der heilige Martin Heidentempel zerstört hatte, baute er sogleich Kirchen oder Klöster.'46 Einmal verlangte die Bevölkerung bei der Zerstörung eines heidnischen Tempels, daß ein benachbarter Baum stehenbleiben sollte. Martin aber bestand darauf, ihn zu fällen, da besagter Baum einem Dämon geweiht war. Um dessen Ohnmacht bloßzustellen, begab sich der Heilige furchtlos in eine scheinbar unentrinnbare Todessituation; er ging nämlich auf das Verlangen der Leute ein, sich gerade dorthin zu stellen, wohin der Baum stark geneigt war und beim Fällen mit Sicherheit hinfallen würde. Während Martins Mönche vor Angst erbleichten, 'vertraut er selbst furchtlos auf Gott' 47 . Tatsächlich kann Sulpicius Severus seinen Lesern mitteilen, daß der Baum nicht in die erwartete Richtung auf den Gottesmann, sondern zur genau anderen Seite gefallen sei. Weiter vermag der Teufel auch in Gestalt heidnischer Götter zu erscheinen. So habe er sich als Jupiter, noch öfter aber als Merkur und gelegentlich sogar als Venus oder Minerva gezeigt48. All diese Momente begegnen uns ebenso noch in der karolingischen Mission. Das Motiv des "Götterbaumes" wiederholt sich in der 41

Wolfram von Eschenbach, Willehalm 307,14f (ed. SCHRÖDER S. 393). OHM, Stellung der Heiden. 43 Beda lobt z.B. Gregor den Großen: quia nostram, id est Anglorum, gentem de potestate Satanae ad fidem Christi... conuertit (Hist. eccl. II l [ed. PLUMMER l, S. 73]). 44 ACHTERBERG, Interpretatio Christiana, passim; allgemein zum frühmittelalterlichen Dämonenglauben HAUBRICHS, Motive S. 544f. 45 KAHL, Missionsgeschichtliches Mittelalter S. 31f. Es muß als Fehleinschätzung bezeichnet werden, wenn K.HOLL (Missionsmethode S. 6) schreibt: "Der Niedergang der Predigt beginnt ... mit dem Augenblick, wo die Missionsarbeit in der Hauptsache vollendet ist." Die frühmittelalterliche Mission ist aber genau in der Zeit der "niedergegangenen" Predigt geschehen; daß diese neue große Missionstätigkeit nicht auch eine Erneuerung der Predigt herbeiführte, liegt an der veränderten Mentalität, der mehr an der "Tat" gelegen war. HOLL weiß freilich durchaus um die "Propaganda der Tat" (ebd. S. 8) in der altkirchlichen Mission; diese bestand in der ethischen Disziplin der Christen, in ihrem Gottesdienst sowie in der sozialen Fürsorge (ebd. S. 10). Im Mittelalter aber war es vornehmlich die "Geister-Tat", die missionarisch überzeugend wirkte. 46 Vita Martini 13,9 (ed. FONTAINE l, S. 282). 47 Ebd. 13,1-8 (S. 280ff). 48 Ebd. 22,1 (S. 300). 42

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von Bonifatius vorgenommenen Fällung der Donar-Eiche zu Geismar 49 . Die Dämonisierung der germanischen Götter findet sich im "altsächsischen Taufgelöbnis", näherhin in dessen Abrenuntiation: die Absage an den Teufel und alles Teufelswerk sowie an Thunaer, Uuoden, Saxnote und allen unholdum50. Die Zerstörung der sächsischen Irminsul gleich zu Beginn von Karls Sachsenfeldzügen bildet den demonstrativen Auftakt für die Ankunft des überlegenen Christengottes51 ; dessen Sieg ist das Ziel. Alkuin schreibt nach der fränkischen Niederwerfung der Awaren an Arn von Salzburg: 'Jenes Reich hat lange fest und stark bestanden. Aber stärker ist, der es besiegt hat': Christus 52 . Das Fazit kann nur lauten: "Heidnische Religionsausübung ist in jedem Fall Teufelsdienst und ordnet die Heiden dem 'corpus diaboli' zu" 53 . Dem Reich des Teufels eingegliedert zu sein bedeutete aber nicht nur ewiges, sondern auch zeitliches Unheil. Als Karl der Große die Taufe Widukinds nach Rom melden konnte, antwortete Papst Hadrian mit einem Glückwunsch und gab dabei der Zuversicht Ausdruck, daß Gott wegen dieser Bekehrung Krankheiten und Pest fernhalten werde 54 . Denn solches Unheil wurde als Werk der Dämonen angesehen, die aber wegen der Christianisierung entfliehen mußten. Einhard, Verfasser der berühmten Vita Karls des Großen und dessen "Hofarchitekt" 55 , weiß von eben solchen Dämonen zu berichten, die selbst noch das christliche Frankenreich verwüstet und dabei Menschen, Tiere und Feldfrüchte schwer geschädigt hätten 56 . Nichts Besseres konnte man demnach tun, als die Dämonen zu vertreiben und ihnen die Menschen zu entreißen. Mission war darum ganz konkreter Heilsdienst. Von solcher Sicht aber mußte sich die Taufspendung geradezu aufdrängen. Ja, dies wurde nochmals dringlicher dadurch, als neben dem verderblichen Teufelsreich nur die Alternative des Gottesreiches bestand; es war ein klar geschiedenes Entweder - Oder57 . So sind zum Beispiel für Alkuin jene Sachsen, die ihre Patria verlassen hatten und nach England gegangen waren, optimi christiani geworden; die aber zurückblieben, bezeichnet er als Sündenbabel und als Wohnort der Dämonen 58 . Indem aber zeitliches und ewiges Glück, irdisches und himmlisches Heil miteinander verschlungen waren, mußte der christliche Herrscher gerade um der irdischen Fürsorge willen auch.die himmlischen Belange mitberücksichtigen: Er mußte das Reich Gottes, 49

Willibald, Vita Bonifatii 6 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 57, S. 3l 10 ). Altsächsisches Taufgelöbnis (ed. BRAUNE - EBBINGHAUS S. 39); RATHOFER, Realien S. 16f; ACHTERBERG, Interpretatio Christiana S. 72-76; BISCHOFF, Paläographische Fragen S. 109. 51 Annales regni Francorum a. 772 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 34); BÜTTNER, Mission S. 467; LÖWE, Irminsul S. 1-22. 52 Alcvini epp. 107 (MGH Epp. 4, S. 154 4 ). 53 SCHÄFERDIEK, Germanenbekehrung S. 503. 54 Codex Carolinus 76 (MGH Epp. 3, S. 60S25 ). 55 EBERL, Einhard Sp. 420-425. 56 Einhard, Translatio et Miracula SS. Marcellini et Petri 14 (MGH SS 15/1, S. 2S3 34 ). 57 ACHTERBERG, Interpretatio Christiana S. 54-59; EHLERS, Gut und Böse S. 27-71. 58 Alcvini epp. 174 (MGH Epp. 4, S. 289 9 J: Qui fo ras recesserunt, optimi fuerunt christiani, sicut in plurimis worum est. Et qui remanserunt patria, in faecibus malitiae permanserunt. Nam Babylon propter peccata populi daemoniorum deputata est habitatio. 50

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das als alleiniges Reich des Heiles sowohl irdisches wie himmlisches Wohlergehen garantierte, mit aller Macht sichern und möglichst auch ausbreiten. Das Tor zu diesem Heil aber bildete die Taufe, in die darum jedermann eintreten mußte. Den "edlen Heiden" kennt erst wieder das Hochmittelalter, als die Theologie einen Zwischenbereich zwischen Gottes- und Teufelsreich für das von Natur aus Gute und damit auch für den guten, aber noch nicht getauften Menschen entdeckte 59 .

§ 10 Konkrete Gnade Desweiteren läßt sich auch in der positiven Gnade, welche die Taufe mitteilt, eine Akzentverschiebung konstatieren. Wiederum ist eine ähnliche Verschiebung in der Eucharistietheologie festzustellen und dort auch besser untersucht: Die Intention zielte weniger auf die personale Eingliederung in den Leib Christi als vielmehr auf die Bitte um Heilsgaben. So trat also die kirchenerbauende Funktion der Meßfeier zurück; stattdessen wurde dieselbe als vorzügliches Mittel erachtet, Gnadenfrüchte zu erlangen. Die eucharistischen Gaben erschienen dabei als das kostbare Heiltum, das die helfende Nähe Gottes verbürgte1. Die Meßliturgie wurde darum als kultisch-sakraler Ritus verwandt, der in allen möglichen Fällen als Bittformel eingesetzt werden konnte: für Reisende, bei Kinderlosigkeit, in Krankheit, um gute Witterung, auf Kriegszügen oder für den Frieden und nicht zuletzt auch für die Toten 2 . Bei der Taufe tritt eine ähnliche Auffassung hervor; auch sie vermittelt vornehmlich heilige Gaben. Schon Augustin mußte das Mißverständnis beklagen, daß der Taufspendung eine medizinelle Wirkung zugesprochen wurde, und er wandte sich dagegen, daß Eltern ihre Kinder zur Taufe brächten, nicht in der Absicht, daß sie zum ewigen Leben wiedergeboren würden, sondern in der Erwartung, daß der heilige Brunnen ein Mittel zur Erhaltung oder Wiedererlangung der Gesundheit gewähre3. Die bei Augustin kritisierte Auffassung wird aber von den frühmittelalterlichen Vitenverfassern in ungenierter Weise weitergeführt. Die Taufe heilt Seele und Leib; mit ihr sind zum Beispiel die Genesung von Lepra, Blindheit oder sonstigen Gebrechen verbunden 4 . Der Taufe eine 59

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SCHWINGES, Kreuzzugsideologie und Toleranz; ENGELS, Mission S. 218-224.

HÄUSSLING, Mönchskonvent S. 251-255; JUNGMANN, Eucharistia S. 29-40. ANGENENDT, Missa specialis S. 153-221. 3 Augustinus, Ep. 98,5 (CSEL 34/2, S. 526 5 ): Nee illud te moueat, quod quidam non eafide ad baptismum percipiendum paruulos ferunt, ut gratia spiritali ad uitam regenerentur aeternam, sed quod eos putant hoc remedio temporalem retinere uel recipere Sanitätern. S. dazu JELLINGER, Augustin S. 25f. 4 Vita Arnulfi 11 (MGH SS rer. Merov. 2, S.'43616J: Accepto ergo a sancto viro babtismi Sacramento, repente de corpore illius lepra discessit, et factus est deinceps in utraque substantia sanus; ähnlich Vita Gaugerici 5 (ebd. 3, S. 65320); Vita Odiliae 4 (ebd. 6, S. 409/): accepit ipsam puellam et ... in fontern sanctificatum inmersit. Et cum earn a fönte sancto elevaret et oculos ipsius crismate liniret, ilico ligaturis oculorum laxatis clare intendebat in fadem antistitis; Vita secunda Patricii l (ed. BIELER S. 52 10 ): Ille autem baptizari portatus est ad alium sanctum a nativitate caecum ... Qui de manu infantis signum crucis in terra posuit et inde erupit 2

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irdisch-konkrete Wirkung zuzusprechen ist Ausfluß der frühmittelalterlichen Religiosität, die sich das Wirken Gottes in unmittelbarer Weise leibhaftig und erlebbar vorstellte und der das Ausbleiben von konkret erfahrbarer Gotteshilfe nur aus schuldhaftem Versagen der Menschen erklärlich war. Erst die frühscholastischen Theologen empfanden wieder die Notwendigkeit, ausdrücklich zu betonen, daß "die Taufe viel mehr die Seele reinigt als den Leib"5. Die Auffassung von einer göttlichen Gnadenbegabung in der Taufe führte ferner dazu, in einer Art "himmlischer" Taufspendung die Höchstform von Begnadung zu sehen. Irische Viten sind es, die von taufenden Engeln wissen, deren Wirken eine Taufspendung von Menschenhand erübrige6. Daß Taufe wesentlich ein Sakrament der Kirche ist, gespendet von ihren Organen und in der Zeit des Glaubens, wird nicht mehr so recht deutlich. Vielmehr löst sie sich aus ihrem ausschließlichen Heilsbezug auf die menschliche Lebenszeit, obwohl doch die Taufe nach altchristlicher Auffassung als Berufung und erster Schritt zur christlichen Lebensbewährung aufgefaßt werden muß. Als Begabung mit göttlichen Segensgaben ist sie selbst für die Toten heilsam, ja unersetzlich. So geschehen, wiederum in irischen Viten, Totenerweckungen, nur um einem für einen Moment zu Leben Erweckten noch die Gelegenheit der Taufgnade gewähren zu können 7 . Man begreift die Aktualität, wenn Hraban die Bestimmungen der altafrikanischen Synoden wiederholt, Toten nicht die Taufe zu spenden 8 . Nicht zuletzt ist typisch für die Taufauffassung des Frühmittelalters wie schon der Spätantike, daß die göttliche Kraft als im Taufwasser anwesend und auch verbleibend.gedacht wird, da doch die virtus Spiritus sancti in den Taufbrunnen herabgerufen sei9. Das gehei-

fons, et lauit fadem et aperti sunt oculi eins et relegit baptismum qui numquam litteras didicit — tres uirtutes simul — et postea baptizatus est; Vita Lasriani 17 (ed. PLUMMER 2, S. 135): Lasrianus ... in fide Christi instructum baptizauit; et tunc pergratiam baptismi utriusque hominis Sanitätern recepit; Vita Mochoemog 6 (ebd. S. 167): A fönte iam baptismatis gratia Dei in signis et prodigiis cum eo apparuit; Vita Abbani 3 (ebd. 1,5.5): baptissatus est, eratque plenus gratia Dei. s LANDGRAF, Frühscholastik 3/2, S. 34. Vita Coemgeni l (ed. PLUMMER l, S. 234): Tune angelus Domini in forma hominis insufflans, signauit in nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti, et orans benedixit eum ... Et videns sanctus Cronanus infantem, alt: 'Iste sanctus infans rebaptizari non indiget, quia a viro sanctiore et meliore me baptizatus est'; ähnlich in Vita Moling l u. 2 (ebd. 2, S. 190). Vita Cronani 4 (ebd. 2, S. 23): Et benedicens sanctus Cronanus illud sepulcrum ... Statimque vir mire magnitudinis surrexit ... et rogauit se baptizari. Ibique baptizatus est a viro sancto, et iussit ei ibi statim mori. In einem anderen Falle verlangt ein zum Leben erweckter Kopf (!) getauft zu werden: Accepto autem baptismo, positus est cum corpore suo in alio sepulcro (Vita Cainnicci 9 [ebd. l, S. 156]). S. auch Vita Maurilii 25 (MGH AA 4/2, S. 98 11 ). 8 Walafrid Strabo, De oxordiis et incrementis 27 (MGH Capit. 2/2, S. 51226): Mortuis vero baptisma vel eucharistiam dari supradicti loci prohibetur concilia ...; s. ferner Breviarium Hipponense 4 (CChr.SL 149, S. 34 7 ): Deinde cauendum est ne mortuos etiam baptizari posse fratrum infirmitas credat, cum eucharistiam non dari mortuis animaduertit; Canones in causa Apiarii 18 (ebd. S. 106182). Die Taufwasserweihe heißt benedictio oder consecratio fontis (BENZ, Taufwasserweihe S. 218-255). Wichtig ist dabei die Epiklese: Descendat in hanc plenitudinem fontis uirtus Spiritus tui totamque aquae substantiam regenerandi fecundet effectu; s. dazu BENZ, Taufwasserweihe

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ligte Wasser galt deswegen in höchstem Maße als wunderwirksam, wie überhaupt bei zahlreichen Wunderhandlungen, besonders solchen apotropäischen Charakters, Weihwasser verwendet wurde10. Die Frühscholastik mußte darum ihre Tauftheologie damit beginnen, daß sie zunächst einmal Sentenzen wie 'Taufe ist das Wasser' oder 'Taufe ist Abwaschung' zu überwinden suchte 11 . Erst scholastische Theologen konnten freimütig erklären, die Weihe des Taufwassers gebe oder nehme dem Sakrament nichts 12 . Bemerkenswert ist dabei, daß aus solcher Taufauffassung ein Verständnis durchscheint, welches aus religionsphänomenologischer Sicht der Vorstellung vom heilbringenden Segen nahesteht. Denn der Segen und ebenso sein Gegenstück, der Fluch, bedeuten bekanntlich eine von numinosen Mächten ausgehende Förderung oder Schädigung irdischen Lebens. "Es ist wohl eine der ältesten religiösen Vorstellungen, daß es Wesen und Mächte gibt, von denen Gutes, Kraft und Leben, ausgeht, wie es solche gibt, die Böses bringen. Die Übertragung geschieht durch Handlungen (Gesten, Berührungen), vor allem aber durch das Wort, das je nachdem Segen oder Fluch sein kann. Es steckt im Segen nach primitivem Glauben etwas dinghaft Wirkliches. Wenn es in Bewegung gerät, wenn etwa ein Vater sein Kind segnet, so ist die Wirkung unaufhaltsam, es sei denn, daß sie durch ebenso starke Gegenkräfte durchkreuzt würde. Menschen und Dinge, auf die Segen gekommen ist, sind wie geladen mit dieser Kraft, können sie weiterleiten, ja sie wirken auf alles, was mit ihnen in Berührung kommt."13 Verwandte Vorstellungen treffen wir nun auch in den frühmittelalterlichen Taufschilderungen an: Der Segen der Taufe bewährt sich als Hilfe im Leben des Getauften und Gesegneten. Beispiele solcher Art wissen die Viten zahlreich zu berichten; oft auch werden die geistlichen Taufväter nachträglich wieder eingeladen, um erneut ihren Segen zu spenden, damit das Wohl der Getauften weiter gefestigt werde und noch lange erhalten bleibe14 . Wie sehr die Taufe in die Nähe eines Segens gerückt wurde, mag auch daran deutlich werden, daß man gelegentlich ihre Unterscheidung eigens hat einschärfen müssen; ein irischer Bußkanon stellt jedenfalls unter Strafe, daß ein Kind statt getauft zu werden nur gesegnet wird15 ; beide Riten konnten offenbar von ihrer Substanz her als zum Verwechseln gleichartig empfunden werden. Für die frühmittelalterliche Mission konnte die Auffassung von der Taufe als einer leibhaftigen Gotteshilfe nur förderlich sein. Die religiöse Erwartung der Germanen glaubt Walter Baetke in folgender Weise charakterisieren zu sollen: S. 241ff; zu dem Bestreben, die Taufwasserweihe der Eucharistie-Epiklese anzugleichen und dadurch das Bleibende zu betonen, s. DÖLGER, Fischsymbol l, S. 68-87; SCHEIDT, Taufwasserweihgebete S. 85-91; LENGELING, Taufwasserweihe S. 176-251; ANGENENDT, Bonifatius S. 159ff. Zu der allgemeinen Auffassung vom Sakrament als einem "Gefäß" s. WEISWEILER, Wirksamkeit der Sakramente S. 11-22. 10 NEUNHEUSER, De benedictione S. 455-459; FRANZ, Benediktionen l, S. 43-220. 11 LANDGRAF, Frühscholastik 3/2, S. 7-22. 12 ANGENENDT, Bonifatius S. 161f. 13 BEYER, Segnen S. 752f. 14 S. $ 22 Anm. 26. 15 Paenitentiale Cummeani X 19 (ed. BIELER S. 12831): Benedicens infantulum uice baptismi annum ... penitent.

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"Die Einstellung zum Christentum ... ist ganz deutlich: man versteht den christlichen Kult nach Analogie der heidnischen Religion als Heilsveranstaltung im Sinne des politischen Heils ... Das wirkte sich auf die Christusauffassung in dem Sinne aus, daß man zunächst gar nicht nach dem Wesen des neuen Gottes ..., sondern nach seiner Macht und Wirksamkeit fragte. Nicht auf die Seins- oder Personenfrage kam es den Germanen an ..., ihr Interesse war vielmehr darauf gerichtet, was von dem neuen Gott zu erwarten war, welche Macht und Wirkungskraft er hatte."16 Diese göttliche Wirkmacht mußte sich zuallererst im Krieg bewähren; dem stärkeren Gott war man bereit zu folgen. Es braucht nur an die bekannten Schlachtengelübde erinnert zu werden, deren sieghafte Erfüllung jeweils die Taufe nach sich zog. Chlodwig gelobte in der Alemannenschlacht: 'Jesus Christus, Chrodichilde verkündet, du seiest der Sohn des lebendigen Gottes; Hilfe, so sagt man, gebest du den Bedrängten, Sieg denen, die auf dich hoffen — ich flehe dich demütig an um deinen mächtigen Beistand: gewährst du mir jetzt den Sieg über diese meine Feinde und erfahre ich so jene Macht, die das Volk, das deinem Namen sich weiht, an dir erprobt zu haben rühmt, so will ich an dich glauben und mich taufen lassen auf deinen Namen. Denn ich habe meine Götter angerufen, aber, wie ich erfahre, sind sie weit davon entfernt, mir zu helfen. Ich meine daher, ohnmächtig sind sie (nullius potestatis), da sie denen nicht helfen, die ihnen dienen. Dich rufe ich nun an, und ich verlange, an dich zu glauben; nur entreiße mich aus der Hand meiner Widersacher.'17 Schon die schriftlichen Zeugnisse für das Motiv des stärkeren.Gottes — im Voraufgehenden ist nur eines der bekanntesten nochmals angeführt — lassen darauf schließen, daß der mit dem Christentum konfrontierte Heide die neue Religion mit den ihm gewohnten, also nichtchristlichen Kategorien beurteilte 18 . Hat es also, so lautet die in der jüngsten Forschung neu und erfolgreich behandelte Frage, in der Germanenwelt die Vorstellung eines göttlichen Sieghelfers gegeben? In der Chronik des sogenannten Fredegar ist ein Kriegsgebet der heidnischen Langobarden überliefert. Vor einer Schlacht sei über den Heeren eine Stimme mit dem Ruf: 'Dies sind die Langbärte' erschollen, und die Langobarden hätten darin Wodan erkannt und ausgerufen: 'Wer auch immer uns den Namen gegeben hat — schenke uns auch den Sieg!'19 Weiter hat Karl Hauck dem Gregor-Bericht über den Alemannenkampf Chlodwigs eine gleichzeitige alemannische Scheibenfibel mit einer Reiterdarstellung (aus Pliezhausen bei Tübingen) gegenübergestellt; auf dieser ist in Abwandlung von Motiven spätantiker Staatskunst ein Sieghelfer dargestellt, der dem Reiter den Speer zu schleudern hilft. Dasselbe Motiv findet sich auf Helmen sowohl aus Schweden wie auch auf dem Königshelm aus dem Sutton HooGrab 20 . "Diese Bilder aber propagieren den Kult jenes Mars-Wodan mit der Ver-

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BAETKE, Aufnahme des Christentums S. 45. Gregor von Tours, Hist. II 30 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 75 18 ); Übersetzung BUCHNER, Gregor von Tours l, S. 117. 18 LJUNGBERG, Nordische Religion S. 165-183. 19 Chronicon Fredegarii III 65 (MGH SS rer. Merov. 2, S. HO 18 ). 20 HAUCK, Bildforschung S. 27-70; DERS., Götter- und Heldenwaffen S. 168-269. 17

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herrlichung seiner Kampfhilfen." 21 Als Sieghelfer konnte, wie Hauck weiter erschlossen hat, selbst Odin in Vogelgestalt erscheinen 22 , ebenso "ein Paar im Waffentanz", nach Hauck "germanische Dioskuren"23. Die neuerschlossenen Bildzeugnisse werfen auch ein neues Licht auf den Bekehrungsvorgang derjenigen Germanen, die in der Spätantike mit dem römischen Reich in Verbindung getreten waren. Diese Bildzeugnisse können nämlich nicht als genuin germanisch angesprochen werden, sie sind vielmehr eine Entlehnung aus der spätantiken Reichskunst. Wie schon die heidnische Antike kannte auch die christliche Reichstheologie den Sieghelfer24 ; das Kreuz zum Beispiel trat bei Konstantin an die Stelle der vormaligen heidnischen Schutzzeichen und wurde "zum Unterpfand des militärischen Sieges und zum Abwehrmittel gegen seine Feinde" 25 . Es gab demnach eine "germanische Randkultur" im Ausstrahlungsbereich des spätantiken Imperiums, und hier wurde, wie wir jetzt deutlicher sehen, jene religiöse Mentalität ausgebildet, in der sich die Konversion zum Christentum vollzog. Bei Chlodwig haben wir noch den interessanten Fall, daß das Christentum zunächst einmal als unterlegen erschien. Schon bei der Geburt des ersten Sohnes hatte der König auf Bitten seiner katholischen Gemahlin Chrodechilde der Taufe zugestimmt. Aber das Kind wurde noch in den Taufkleidern vom Tod ereilt, weswegen der König den Vorwurf erhob: 'Wäre der Knabe im Namen meiner Götter geweiht worden, würde er gewiß noch leben; nun aber, da er im Namen eures Gottes getauft worden ist, vermochte er nicht zu leben.'26 H. Hattenhauer kommentiert treffend: "Hier hatten sich die alten Götter gerächt. Sie hatten sich damit stärker erwiesen als der Christengott."27

§ 11 Erbsegen und Königsheil Das Beispiel des nach der Taufe verstorbenen Chlodwig-Sohnes verdeutlicht noch einen weiteren Aspekt, der das Segensverlangen zusätzlich bestärken mußte: die Sicherung des Lebensfortgangs in der Familie. Aus der Rechts- und Verfassungsgeschichte ist als Grundfaktum geläufig, daß bestimmten Adelsfamilien ein unangefochtener Herrschaftsanspruch eingeräumt gewesen ist. Das Recht der Nachfolge folgte der blutmäßigen Abstammung; in weniger eindeutigen Fällen galt — mindestens in der zeitüblichen Vorstellung — der dem verstorbenen Herrscher blutsmäßig am nächsten Stehende als der Erstberechtigte1. Für die Respek21 22 23

24 25 26 27

DERS., Götter- und Heldenwaffen S. 240. DERS., Bildforschung S. 46ff. Ebd. S. 50. SPEYER, Hilfe und Epiphanie S. 74-77. STOCKMEIER, Konstantinische Wende S. 8. Gregor von Tours, Hist. II 29 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 75 2 ). HATTENHAUER, Recht der Heiligen S. 114.

1 KERN, Gottesgnadentum S. 13-45; MITTEIS, Königswahl S. 28-36; RÖRIG, Geblütsrecht S. 71-147; HOFFMANN, Königserhebung S. 1-22.

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tierung der Herrschaftsfolge nach der genealogischen Deszendenz hat sich die Bezeichnung Geblütsrecht eingebürgert; ja es wird — allerdings nicht unbestritten — auch von Geblütsheiligkeit gesprochen 2 . Die darin anklingende sakrale Komponente findet insofern eine Grundlage in den Quellen, als tatsächlich von einer benedictio oder virtus gesprochen werden kann, die auf dem Herrschergeschlecht liegt und sich durch die Generationen fortsetzt. Paulus Diaconus zum Beispiel spricht den Karolingern von ihrem "Spitzenahn" her, von Bischof Arnulf von Metz (+ 640), einen so wirkungsvollen und dauerhaften Segen zu, daß deswegen dem Geschlecht das regnum Francorum übertragen worden sei. Indem sich aber dieser Segen über mehrere Generationen weiterleitet, darf man von einem Erbsegen sprechen 3 . Solche dynastisch-politischen Erwartungen konnten aber auch mit der Taufe verbunden werden. Besonders deutlich sprechen wieder die irischen Viten: Die Taufe bringt einem Herrscher Heil und Segen, zunächst ihm selbst, darüber hinaus aber auch den nachfolgenden Generationen; der König und mit ihm das Volk empfangen darin eine heilsmäßige Sicherung ihrer Zukunft 4 . Für die Vorstellung des Erbsegens und der sakralen Herrschaftsbegründung fand das Frühmittelalter eine autoritative Bestätigung im Alten Testament. In Altisrael wie an vielen anderen Stellen im Alten Orient kannte man einen "Segen, den der Stammesgott bereits dem Stammvater zugesagt oder den der Stammvater durch ein Segenswort seinen Nachkommen hinterlassen hat" 5 . Die ganze Patriarchengeschichte ist geprägt von solchen Vorstellungen6 , und entsprechende Stellen, die den Nachkommen oder dem 'Samen' eines Geschlechtes den Segen verheißen, wurden im Frühmittelalter gerne aufgegriffen 7 . 2

HAUCK, Geblütsheiligkeit S. 187-240; DERS., Herrschergenealogien S. 186-223; HÖFLER, Sakralcharakter S. 75-104; DE VRIES, Königtum S. 289-309; zur Kritik s. SCHNEIDER, Königswahl S. 204ff; HOFFMANN, Heilige Könige S. 46-58; ferner die Wiedergabe des Diskussionsstandes bei KAUFMANN, König Sp. 1002-1014; THEUERKAUF, Geblütsrecht Sp. 1421f; zum Erbcharisma in der Antike s. TAEGER, Charisma l, S. 31ff; ebd. 2, S. 13-17. 3 Paulus Warnefridus, Gesta episcoporum Mettensium (MGH SS 2, S. 264 48 ): [Arnulfus] benedixit eum [Anschisum] eiusque cunctam progeniem nascituram in posterum. ... et ita in eo paterna est constabilita benedictio, ut de eius progenie tarn strenui fortesque viri nascerentur, ut non inmerito ad eius prosapiam Francorum translatum sit regnum; ausführlich dazu HAUCK, Ausbreitung S. 147-160; weiteres Material in VAUCHEZ, Säintete S. 209-215 ('Beata stirps': la saintete du lignage). 4 Vita Albei 21 (ed. PLUMMER l, S. 54): Si tu credideris, et baptizatus fueris, diuinum auxilium rogabo pro te et filiis tuis. Tune rex credidit, et baptizatus est; Vita Geraldi 5 (ebd. 2, S. 110): uir Dei Geraldus baptizauit [iuuenem] ... Ex illo enim propter benedictionem uiri Dei multi ualentes proceres ac potentes in terra ilia processerunt. Die gleichen Wirkungen werden auch einer Segensspendung zugesprochen; Vita Abbani 33 (ebd. l, S. 24): sanctus senior ... ipsam gentem, et semen eius in eternum, et.regem, et omnes reges futuros de semine eius, prefer dissipatores ecclesiae Dei, diligenty benedixit; Vita Barri 12 (ebd. S. 71): benedixit ilium cum semine suo. In der Taufprophetie kann dann das glückliche Geschick des ganzen Geschlechtes vorhergesagt werden; Vita Carthagi 12 (ebd. S. 174): Et filii eius regnabunt post se in etemum... Quod uaticinium sie completum est. 5 SCHARBERT, Prolegomena S. 31-44; Zitat S. 38. 6 DUBARLE, Sünde S. 47-90. 7 Codex Carolinus 17 (MGH Epp. 3, S. 51730).· ut semen vestrum splendidissimum usque in

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Daß auch die Taufe in einem Geschlecht einen neuen Erbsegen zu initiieren vermochte, mußte besonders die konvertierenden Herrscher interessieren. Ein Beispiel dafür, was die Taufe in der Begründung einer neuen Herrschaft zu leisten vermochte, vermittelt die Historia Brittonum des Nennius. Der Fall spielt vorgeblich im 5. Jahrhundert, zur Zeit der Ankunft der ersten Angelsachsen auf den britannischen Inseln. Aufgezeichnet wurde die Geschichte zu Beginn des 9. Jahrhunderts, als die Bekehrung der angelsächsischen Königreiche zum Abschluß gekommen war, aber noch in lebendiger Erinnerung gewesen sein dürfte 8 . Germanus von Auxerre, der tatsächlich in Britannien gewesen ist 9 , soll von einem Britenkönig abgewiesen worden sein, doch bei einem von dessen Knechten Bewirtung und Herberge gefunden haben. Zur Strafe vernichtete den König samt Familie und Anhängerschaft ein Feuer, das vom Himmel auf seine Burg fiel. Der gastliche Knecht aber bekehrte sich zum Glauben und wurde getauft. Germanus habe ihn dabei gesegnet und hinzugefügt: Vom Tage an sei er, der Knecht, König, und die Königswürde werde von seinem Stamm nicht weichen; so sei es denn auch geschehen 10 . Natürlich überzieht der Bericht das damals Mögliche. Doch so viel soll der Leser beherzigen: Ein abweisender König wird vom Thron gestoßen, und ein niedriger, sich bekehrender Knecht steigt auf; dies aber geschieht in dem mit der Taufe vermittelten Segen11 . In Wirklichkeit verblieben die Herrscher natürlich auf ihrem Thron. Doch ihre Legitimation bedurfte dort, wo sie in heidnischer Zeit aus einer religiösen oder gar göttlichen Abkunft abgeleitet wurde 12 , einer neuen verchristlich ten Basis. Die alten Götterabkömmlinge mußten nach einem neuen Heil Ausschau halten. Schon bei der Bekehrung Chlodwigs mußte man für diese Frage eine Lösung finden. So suchte Avitus von Vienne dem neugetauften König klarzumachen, daß er consuetudinem generis et ritum paternae observations aufgeben müsse. Von der alten finem mundi eundem regni fruatur culmen; ebd. 26 (S. 531 ): et solium regni vobis vestroque praeclaro semini aevis prosperisquae temporibus; ebd. 33 (S. 5406): regnum et semini eius in aeternum gloriose tribuit possidendum. ... in utero matris vos sanctificans, ad tarn magnum regale provexit culmen, mittens apostotum suum, beatum Petrum, per eiusnempe vicarium, et oleo sancto vos vestrumque praecellentissimum genitorem unguens celestibus replevit benedictionibus; ebd. 35 (S. 5432 ): de vestro praeclaro semine super regale solium potentiae vestrae usque in finem seculi sedere permittat. Die Segnung des semen und die fortdauernde Inhabe des Thrones sind biblisch inspiriert; Gn 32,12b: et dilatares semen meum ...; 2 Reg 7, 13b: et stabiliam thronum regni eius usque in sempiternum; l Chron 22,10b: firmaboque solium regni eius super Israel in aeternum. — Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine Feststellung von E. EWIG (Gebetsdienst der Kirche S. 45-86), daß die Gebetsintention, die in der Merowingerzeit vornehmlich dem Reich galt, sich in karolingischer Zeit immer mehr umwandelte in eine Fürbitte für die herrschende Dynastie. 8 GRANSDEN, Historical Writing S. 5-12. 9 BORIUS, Vita Germani S. 76-91. 10 Nennius, Historia Brittonum (MGH AA 13, S. 176 ): In crastino die ille vir, qui hospitalis fuit illis, credidit et baptizatus est cum omnibus filiis suis et omnis regio cum eis, cui nomen erat Catel. et benedixit ei et addidit et dixit: non deficiet rex de semine tuo. ipse est Catell Durnluc, et tu rex eris ab hodierna die. 11 HATTENHAUER, Rex et sacerdos S. 34-38; die Thematik wiederholt DERS., Recht der Heiligen S. 32-60 (ohne Einzelbelege). 12 HAUCK, Herrschergeneälogien S. 186-223; VOLLRATH, Orale Gesellschaften S. 574-580.

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Abkunft behalte er nur den Adel; was die Hoheit seines Geschlechtes in Zukunft ausmachen werde, müsse von ihm seinen Anfang nehmen: Respondetis proavis, quod regnatis in saeculo; instituistis posteris, ut regnetis in coelo13. "Chlodwig wird durch seinen Glaubenswechsel selbst zum Begründer eines neuen Stammbaumes."14 Ja sogar noch bei jenem Geschlecht, das die Merowinger ablöste, bei den Karolingern, hat die Taufe bei der Gewinnung eines neuen Heiles insofern eine Rolle gespielt, als die Königssalbung, welche den Karolingern das neue Heil vermittelte, aller Wahrscheinlichkeit nach aus den Taufsalbungen abgeleitet worden ist 15 . Noch Karl der Große ließ 781 seinen Sohn Pippin von Papst Hadrian taufen sowie zum König von Italien salben und krönen: baptizavit... pontifex ... Pippinum unxitque eum in regem16. In gleicher Weise wurde der bereits getaufte Sohn Ludwig zum König von Aquitanien erhoben. Wie vorher schon Pippin der Jüngere und seine Söhne mit Hilfe der Salbung sich gegenüber den Merowingern ein neues Königsheil verschafft hatten, so geschah es 781 auch noch mit Karls Söhnen Pippin und Ludwig, die in soeben eroberten Gebieten, welche aber über eine eigene Königstradition verfügten, die Herrschaft übernahmen 17 . Wir dürfen demnach feststellen: Wie die Taufe einerseits die alte Herrschaftslegitimation in Frage stellte, so enthielt sie andererseits doch auch Momente, welche ein neues Herrschaftsheil zu begründen vermochten. Ein bestätigendes Beispiel dafür, wie sehr die Taufe in der Vorstellung der Zeit eine neue Herrscherlinie zu initiieren vermochte, führt uns kein geringerer als Hinkmar von Reims vor Augen. In den Annales Bertiniani stellt er Ludwig den Frommen in folgender Weise den Lesern vor: Kaiser Hludowicus stamme über den seligen Arnulf von jenem Frankenkönig Hludowicus ab, der sich auf des seligen Remigius Predigt hin mit seinem Volk bekehrt habe und mit dreitausend Franken zu Reims getauft worden sei; dabei sei er mit vom Himmel herabgesandtem Öl, das man immer noch in Vorrat habe, gesalbt und zum König geweiht worden 18 . Den Anfang also bildet Chlodwig mit seiner Taufe und der dabei geschehenen Königssalbung; von ihm leiten sich nun ebenso die Karolinger ab, deren Königsstellung gleichfalls noch aus jener Taufsalbung herrührt, die auch Chlodwig empfangen hat. Die Umdeutung der Taufgnade zu einem familiären Erbsegen und zum Königsheil hat erhebliche Konsequenzen nach sich gezogen. Die alte Kirche war von einem starken Öffentlichkeitsbewußtsein durchdrungen, in welchem zuerst die Kirchenglieder vom gemeinsamen Glauben her als" wahlverwandte Brüder und Schwestern angesehen wurden 19 . Die Kirche, weniger die eigene Familie, galt als erstverpflichtende Gemeinschaft 20 . Im Frühmittelalter aber drohte dieses umfas13

Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 1S ). HAUCK, Geblütsheiligkeit S. 194. 15 ANGENENDT, Rex et Sacerdos S. 100-118. 16 Annales qui dicuntur Einhardi a. 781 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 57); dazu zuletzt BRÜHL, Kronen- und Krönungsbrauch S. 27f. 17 ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 70-90. 18 Annales Bertiniani a. 869 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 5, S. 104). 19 RATZINGER, Christliche Brüderlichkeit S. 1-124. 20 GAUDEMET, Familie Sp. 343f. 14

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sende Öffentlichkeitsbewußtsein von der weit gespannten religiösen Wahlverwandtschaft auf das Familiäre reduziert zu werden. Aus der Religionsgeschichte ist bekannt, wie sich in familiär organisierten Sozietäten auch entsprechende Formen von Religiosität zu entwickeln pflegen 21 . Daß gerade im Frühmittelalter kirchliche Einrichtungen von Familieninteressen okkupiert worden sind, ist hinreichend bekannt; daß etwa Adelsfamilien selbst Bischofssitze, erst recht Klöster und Landkirchen zu Domänen ihrer Familienherrschaft und sogar erbrechtlicher Ansprüche gemacht haben, daß sie ihre Familienklöster benutzten zur Versorgung nachgeborener Kinder, weiter auch zur eigenen Grablegung und nicht zuletzt zur Erlangung jener göttlichen Segensgaben, die das immerwährende Gebet der Klosterleute den Lebenden wie den Toten einbringen sollte 22 . Gerade von der Taufe her läßt sich gut sichtbar machen, wie nun auch die religiösen Vollzüge in ihrem inneren Verständnis auf die Familie hin umorientiert werden konnten, weil sie jetzt mehr als heilbringender Segen zum Fortbestand der Familie denn als Eingliederung in die Kirche verstanden wurden. Zur Verdeutlichung sei nochmals auf eine parallele Entwicklung im Eucharistie-Verständnis verwiesen; indem es dort zuerst um die Gewinnung heiliger Gaben und besonderer Gnadenfrüchte ging, trat die kirchenerbauende Funktion der Meßfeier zurück; es ging weniger um die personale Eingliederung in den Leib Christi als vielmehr um die Sicherung des persönlichen Wohlergehens; aus der 'missa publica' wurde eine 'missa specialis'23. Das in dieser Hinsicht gleichartige Taufverständnis des frühen Mittelalters führte ebenfalls dazu, daß der öffentliche, auf die Gesamtkirche tendierende Bezug der Taufe verwischt wurde. Das öffentliche Gepräge der alten Kirche, "vom Standpunkt des kirchlichen Gemeinwesens konzipiert"24 und augenfällig sich darstellend in den übergreifenden Ordnungen des Synodalwesens wie des Metropolitanverbandes, hatte sich gerade auch im Taufritus seinen Ausdruck geschaffen. Denn durch die Taufe trat der Bekehrungswillige in die Kirche ein, näherhin in eine bestimmte Gemeinde; er vollzog damit, wie de Lubac einmal gesagt hat, "etwas wesentlich Soziales"25. Taufspender war der Bischof dieser Gemeinde, in deren Beisein der Taufakt normalerweise vollzogen wurde. Im Frühmittelalter aber ändern sich bezeichnenderweise diese äußeren Umstände: Nicht mehr einfach der zuständige Bischof, sondern ein in besonderem Rufe stehender Gottesmann tauft, und oft auch nicht mehr in und vor der Gemeinde, sondern in der Königspfalz oder im Adelshaus, also im familiären Raum. Die karolingische Reform hat zweifellos bedeutsame und für die Grundrichtung des kirchlichen Lebens auch erfolgreiche Versuche unternommen, die Taufspen21

WACH, Religionssoziologie S. 65-88; MENSCHING, Soziologie der Religion S. 34-44; ferner das sehr instruktive, die altisraelitischen Verhältnisse betreffende Buch von DE FRAINE, Adam und seine Nachkommen S. 17-46, 52-64, 79-89; SCHARBERT, Prolegomena S. 37ff. 22 SCHMID, Problematik S. 1-62; DERS., Nachfahren Widukinds S. 1-47; DERS., Gemeinschaftsbewußtsein S. 18-81; DERS., Person und Gemeinschaft S. 225-249; ANGENENDT, Willibrord S. 94-104; VON PADBERG, Heilige und Familie. 23 HÄUSSLING, Mönchskonvent S. 251-255; ANGENENDT, Missa specialis S. 153-221. 24 FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte S. 66. 25 DE LUBAC, Katholizismus S. 75.

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spendung aus der privaten Verfügung und auch aus den Adelshäusern herauszunehmen: Die Taufe sollte wieder der Oberaufsicht des Bischofs unterstehen, und nur die in seiner Hoheit stehenden Baptisterien sollten als legitimer Taufort gelten26 . Dabei war sicherlich zunächst der Gedanke maßgebend, aufgekommene Mißbräuche durch eine bischöfliche Überwachung auszumerzen. Zugleich war es aber auch die Wiederherstellung einer gewissen Kirchenöffentlichkeit, weil man eben für die Taufspendung wie auch für die Meßfeier wieder "zur Kirche gehen" mußte 27 . Aber gerade die Herrscherfamilien sicherten sich für die Taufe ihrer Kinder ein Sonderrecht; dieselben durften in der Königskapelle getauft werden 28 .

§ 12 Kollektivtaufe Albert Hauck hat in einem heute noch lesenswerten Aufsatz1 den Unterschied zwischen der altkirchlichen und der frühmittelalterlichen Weise der Taufspendung auf die soziologische Formel von Individuum und Gruppe gebracht: Die Antike kannte die Einzelbekehrung und forderte in der Taufe vom Einzelnen die persönliche Entscheidung. "Das Christentum erscheint somit schlechthin als Religion des Individuums ... Denn entscheidend ist lediglich die Überzeugung."2 Im Frühmittelalter dagegen galt: "Nicht der einzelne, sondern die Gesamtheit entscheidet über die Zugehörigkeit zu dieser oder jener Kirche" 3 . Die Missionsmethode der alten Kirche habe darum gegenüber Völkern versagen müssen, bei denen die Individualität des einzelnen sehr wenig entwickelt, die geistige Abhängigkeit von der Gesamtheit noch kaum erschüttert gewesen sei; Religion habe vielmehr als Volkssitte gegolten, von der der Einzelne sich weder habe losreißen können, noch auch habe losreißen wollen; die Mission habe deswegen die Gesamtheit gewinnen 26

Conc. Vernense a. 755 c. 8 (MGH Capit. l, S. 344 ): ut nullus presbiter non praesumat in illa parrochia nee baptizare, nee missas celebrate sine iussione episcopi in cuius parrochia est; ebd. c. 7 (S. 34 ): Ut publicum baptisterium in ulla parrochia esse non debeat, nisi ibi ubi episcopus constituent cuius parrochia est; ... illi presbyteri, quos episcopus in ipsa parrochia constituent ... licentiam habeant baptizandi; CONWAY, Time and Place S. 32-43 (wenig ergiebig)27 Duplex legationis edictum 25 (MGH Capit. l, S. 64 9 j: Ut in diebus festis vel domnicis omnes ad ecclesiam veniant; et non invitent presbyteros ad domus suas ad missam faciendam; s. auch HÄUSSLING, Mönchskonvent S. 232f. 28 CONWAY, Time and place S. 56f, 125-132; GRASS, Pfalzkapellen und Hofkirchen (1) S. 364-394; ULLMANN, Liber regie capelle bes. S. 1-9. Das unter Papst Paul V. im Jahre 1614 erschienene Rituale Romanum (s. dazu LÖWENBERG, Rituale Sp. 1327ff) verbietet die Taufe in privatis locis, gestattet aber für die Königs- und Fürstenhöfe eine Ausnahme; Rituale Romanum (ed. Papa Paulus V., Rom 1614, S. 10): in privatis locis nemo baptizari debet nisi forte sint Regum, auf magnorum Principum filii, id ipsis ita deposcentibus; dummodo id fiat in eorum Capellis seu Oratoriis, et in aqua baptismali de more benedicta. Diese Bestimmung findet sich noch in der Ausgabe Tournai 1885, S. 5f. 1

2 3

HAUCK, Missionsmethode S. 305-316, 375-383. Ebd. S. 313. Ebd. S. 377.

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müssen, um bis zum einzelnen zu gelangen4. Mit diesen Feststellungen sind zweifellos richtige Beobachtungen wiedergegeben5. Doch muß vor einer allzu plakativen Beurteilung gewarnt werden. Die von Karl Barth ausgelöste Diskussion um die Kindertaufe hat eine neue Serie exegetisch-historischer Forschungen zur Folge gehabt, wobei es vor allem darum ging, ob bei der Taufe ganzer Häuser', von denen das Neue Testament berichtet, die Kinder eingeschlossen gewesen seien und folglich die Taufe kumulativ gespendet worden sei6 . Lange und heftig wurde dabei um die religiöse, soziale und antik-rechtliche Bedeutung des Oikos gestritten; die Kontroverse hat in den Publikationen von J. Jeremias und K. Aland einen ergebnisreichen Niederschlag gefunden 7 ; nachfolgende Detailuntersuchungen konnten weitere Klärungen herbeiführen 8 . Auffälligerweise wurde wenig beachtet, wie die Christen selbst über Ehe, Familie und Kinder gedacht haben. Jean Gaudemet hat dazu wichtige Feststellungen gemacht: Die christliche Familie erschien von vornherein in der Form der Kleinfamilie, die nurmehr Eltern und Kinder umschloß. "Für die Groß-Familie ... und für die absolute Autorität eines Patriarchen ist in der Welt der Evangelien kein Raum."9 Ferner beobachtet Gaudemet eine betonte Gegenseitigkeit bei den Pflichten und Rechten jedes Familienmitgliedes. Gerade darin, daß den Kindern soviel Platz eingeräumt werde, zeige sich "eine neue Tendenz in der Auffassung von Familienbeziehungen"10. Den Eltern fiel selbstverständlich die Aufgabe der Erziehung zu, "die sie zwar mit Festigkeit, jedoch ohne ungerechtfertigte Härte erfüllen sollen"11. Im Vergleich mit der antiken Vatergewalt fallen die bei den Christen weitgehend auf Gegenseitigkeit beruhenden Familienbeziehungen deutlich auf: "Die altrömische Familie ... war sehr einfach aufgebaut, sie gewährte dem 'pater' Vorrechte, ohne ihm dagegen viele Pflichten aufzuerlegen. In der christlichen Auffassung findet sich nichts Ähnliches"12 . Von daher ist es nicht eben wahrscheinlich, daß über die Taufe der Kinder mit väterlicher Gewalt hätte entschieden werden können. Tatsächlich gab es bei den Christen die religiös gespaltene Familie13. Im Übergang zum Mittelalter ist wiederum eine Verfestigung der Familienstruktur und gleichzeitig auch eine neue Betonung der väterlichen Hausgewalt 4 5

Ebd.

Im Taufritus kam ehemals die Bedeutung des Einzelnen darin zum Ausdruck, daß er seine Taufbereitschaft und seinen Glauben ausdrücklich bekundete und auf entsprechende Fragen antwortete (S. i 6 Anm. 43-46); RATZINGER, Taufe S. 81: "Die Taufbefragung mit ihrem dreifachen 'credo' ist ... Mitte des Taufgeschehens selbst". 6 S. die Übersichten bei HUBERT, Kindertaufe S. 315-329; SCHENKE, Oikosformel S. 226243. 7 JEREMIAS, Kindertaufe; ALAND, Säuglingstaufe; JEREMIAS, Anfänge der Kindertaufe. 8 WEIGANDT, Oikosformel S. 49-74; DELLING, Taufe von 'Häusern' S. 285-311; STROBEL, Haus S. 91-100. 9 GAUDEMET, Familie Sp. 339. 10 Ebd. Sp. 340. 11 Ebd. Sp. 341. 12 Ebd. Sp. 346f. 13 Es sei nur an Augustin erinnert, der aus einer religiös gespaltenen Familie stammt.

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festzustellen 14 . Das Haus soll sogar, um eine bekannte Formulierung O. Brunners zu wiederholen, den "Kern aller Herrschaft"15 gebildet haben; auf jeden Fall gingen "die hausherrlichen Rechte gegenüber Frauen, Kindern und Gesinde ... ursprünglich sehr weit"16 . Wie aber die Familie rechtlich eine korporative Einheit bildete, so auch religiös17. Für die Bekehrung mußte dies zur Folge haben, daß nicht mehr der einzelne, sondern der familiäre Verband diesen Schritt vollzog. Tatsächlich berichten die frühmittelalterlichen Quellen von der Taufe ganzer Familien18 . So sehr dies der damaligen Sozialstruktur entsprach, so ist dennoch auf eine bedeutsame Ausnahme hinzuweisen: daß nämlich bei der Bekehrung eines Königs auffallend häufig dessen nachfolgeberechtigter Sohn ungetauft blieb. Die Gründe werden sorgfältig zu erörtern sein. ' Wie aber schon A. Hauck betonte, war dem familiären Entscheid zur Taufe der umfassendere "Volksbeschluß"19 vorgeordnet. Der Grund für diese korporative Entscheidung ist zunächst einmal darin zu suchen, daß das Christentum bei den frühmittelalterlichen Völkern gentilreligiösen Vorstellungen begegnete. Hören wir wieder H.-D. Kahl: "Ethnische, politische und religöse Ordnung decken sich; sie alle haben eine gemeinsame Grenze nach außen; innerhalb dieser Grenze ist jedes Glied der Gemeinschaft, solange sie innerlich intakt ist, zur Teilnahme auch an ihrem kultischen Leben verpflichtet, um seinerseits beizutragen zur Erhaltung des gemeinsamen 'Heils'"20. Diese gentilreligiöse Geschlossenheit bewirkte, daß die Konversion, obwohl das Christentum von seinem Wesen her ganz anders denken mußte, in korporativer Entscheidung vollzogen wurde. Kahl hat deswegen die "methodische Forderung" erhoben, "daß wir in der Anwendung von Begriffen wie 'Gewaltmission' und 'Zwangschristianisierung' eine sehr viel größere Zurückhaltung zu üben haben als bisher"21. Von Zwangstaufen könnte zutreffend nur vom Blickwinkel individuellen Denkens her gesprochen werden; wo aber ein solch individuelles Denken noch nicht geweckt war, ist angemessen nur von einer korporativen Taufe zu sprechen. Tatsächlich sah sich der einzelne im frühen Mittelalter eingebunden in umfassendere Verbände. So schreibt Karl Schmid: "Offenbar lebte damals die Person nicht aus sich selbst; ihr Eigenbereich war nicht der Schwerpunkt, aus dem sie lebte. Vielmehr war sie gleichsam hineinverwoben in die Lebensbereiche, die ihr zu leben erst ermöglichten, hineinverwoben in die 14

SCHWAB, Familie Sp. 1067-1071; DERS., Familie S. 253-301. BRUNNER, Land und Herrschaft S. 254. 16 SCHULZE, Hausherrschaft Sp. 2031; s. ferner SCHLESINGER, Herrschaft und Gefolgschaft S. 135-190; KROESCHELL, Haus und Herrschaft. 17 SCHMID, Problematik S. 1-62; VON PADBERG, Heilige und Familie; BOSL, Familia S. 403424. 8 Vita Boecci 7 (ed. PLUMMER l, S. 89): Regem quoque suosque familares et alias quam plurimos lauacro salutari ipse baptizauit; Vita Hilarii 7 (MGH AA 4/2, S. 4 1 ): cuncta familia in nomine domini meruerunt pariter baptizari; Vita Audomari 10 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 759 12 ): [Adrowaldus], quem beatus Audomarus ... cum omni sua baptizavit familia. S. auch S 27 Anm. 15 u. S 28 Anm. 20. 19 HAUCK, Missionsmethode S. 378. 20 KAHL, Missionsgeschichtliches Mittelalter S. 31. 21 Ebd. S. 58. 15

§ 12 Kollektivtaufe

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natürlichen Gemeinschaften, in den Kultverband, den Geburtsstand, in das ihr verliehene Amt, den von ihr ausgeübten Beruf und so fort. Die Person scheint in starker Abhängigkeit von den sie tragenden Mächten. Mit Recht wird daher in Abrede gestellt, die Persönlichkeit habe im frühen Mittelalter für sich selbst und in sich selbst einen Wert dargestellt. Sie galt in diesem Zeitalter nicht als autonom."22 Nicht der Einzelne, vielmehr war es jeweils die größere Gruppe, die sich bekehrte, und dies vollzog sich im Zusammenspiel der Großen mit dem König. Sobald die Quellen die Taufe eines Königs vermelden können, wird sofort auch mitgeteilt, daß die Großen ihm gefolgt seien. Bei Chlodwig sollen es, wie Gregor von Tours zu berichten weiß, 3000 aus dem fränkischen exercitus gewesen sein23 ; beim nordhumbrischen Oswald waren es dessen milites™, und in Sussex gingen mit König Aethelwalh die primi prouinciae duces ac milites25 zur Taufe. Besonders ausführlich berichtet Beda über die Taufentscheidung des nordhumbrischen Edwin und seiner Großen, daß nämlich der König mit seinen 'Freunden', 'Großen' und 'Ratgebern' beraten habe, um dann mit dem gesamten Adel und zahlreichem Volk die Taufe zu empfangen26 . Sobald die politisch und militärisch führende Schicht im Verein mit dem König den Glaubenswechsel vollzogen hatte, nahm die Mission den Weg "von oben nach unten", zum gemeinen Volk. Dies galt so selbstverständlich, daß Papst Gregor die Merowingerin Berta, die Gemahlin des kentischen Königs Aethelberht, mahnen konnte, für die Konversion des Königs und durch ihn für die des ganzen Volkes Sorge zu tragen 27 . Ähnlich heißt es in den fränkischen Reichsannalen, daß mit der Taufe des Sachsenführers Widukind tota Saxonia subiugata est26 ; das heißt, den Unterwerfungs- und Bekehrungsprozeß glaubte man mit der Taufe des Anführers abgeschlossen. So plausibel es erscheinen mag, die frühmittelalterliche Bekehrung als korporative Entscheidung darzustellen, so bleibt eine solche Darstellung dennoch unzureichend; diese vornehmlich soziologische Betrachtung muß um wesentliche Aspekte ergänzt werden. Bei den Völkern außerhalb der antiken Hochkultur gab es keine Trennung des Profanen vom Heiligen, des Säkularen vom Religiösen; vielmehr galten nahezu alle Lebensvorgänge als irgendwie sakral und wurden dementsprechend von der Religion getragen und überformt. Bei der Hinwendung zum Christentum gab es folglich keine religionslosen oder säkularisierten Lebensgebiete, die unberührt hätten weiterbestehen können. Die Konversion veränderte vielmehr alles, nicht nur das Gottesbild und das Ethos, sondern gerade auch das tagtägliche Leben. So mußte der Wechsel der Religion wohl bedacht und von 22

SCHMID, Person und Gemeinschaft S. 239f. Gregor von Tours, Hist. II 31 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 7714 ): rex [Chlodovechus] ... baptizatus ... De exercito vero eius baptizati sunt amplius tria milia. 24 Beda, Hist. eccl. III 3 (ed. PLUMMER l, S. 131): [Oswald] ipse baptismatis sacramenta cum his, qui secum erant, militibus consecutus erat. 25 Ebd. IV 13 (S. 230). 26 S. S 30 Anm.31. Gregorii I registrum XI 35 (MGH Epp. 2, S. 3042 ): per eum de totius gentis conversione. 28 S. $ 30 Anm.31. 23

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allen mitvollzogen werden, weil sonst das Zusammenleben unmöglich geworden wäre. Nehmen wir als Beispiel die sogenannten Responsa Bulgarorum, die Antworten Papst Nikolaus' I. auf Anfragen der soeben bekehrten Bulgaren 29 . Da geht es darum, ob der König allein speisen dürfe (Kap. 42), welche Tiere und Vögel zu essen erlaubt sei (Kap. 43 u. 90), daß man als Kriegstrophäe statt eines Pferdeschweifs das Kreuz mitführen solle (Kap. 33), ob für unachtsame Wachtposten an der Grenze die Todesstrafe angemessen sei (Kap. 25), wie die Mitgift der Ehegattinnen auszusehen habe (Kap. 49), ob Frauen Hosen anziehen dürften (Kap. 59), ob Kranken zur Genesung ein Halsband umzuhängen sei (Kap. 79). Hier gibt es noch keinerlei Entflechtung von Religion und Säkularität; weder ein rationales Recht noch eine naturwissenschaftliche Medizin sind bekannt. Folglich bleiben Verhaltensweisen, die in aufgeklärteren Kulturen säkularisiert und von der Religion längst abgelöst sind, noch ganz religiös bestimmt, so daß bei Unsicherheit entsprechende Fragen an die religiöse Autorität, hier den Papst, herangetragen werden. Dieser freilich wies fast wie ermüdet ab: 'In euren Fragen und Gesuchen fordert ihr ständig Gesetze für die weltlichen Angelegenheiten' (Kap. 13). Dem Papst war eben nicht mehr alles "religiös"; er kannte "Weltliches", das nicht sofort mit Religion in Berührung stand. Was bei den Bulgaren in detaillierten Fragen greifbar wird, überliefern Zeugnisse der sächsischen Bekehrungsgeschichte nur allgemein, aber doch deutlich dasselbe Problem betreffend. Die im späten 9. Jahrhundert entstandene Translatio Pusinnae spricht im Rückblick auf die Christianisierung von novorum sacrorum susceptione et veterum rituum abdicatione30. Ganz richtig schreibt Heinrich Schmidt: "Ein kollektives Bewußtsein, das sich in überkommenen Zusammenhängen, Werten, Gewohnheiten orientiert, sieht sich hier von außen angegriffen und von fremdartigen Neuerungen in seinen heiligen Ordnungen bedroht; die Härte des Gegenschlages entspricht dem Grad der Zersetzungsgefahr, die man mit der Mission ins Land eindringen glaubt ... Man reagiert darauf mit umso bewußterer Beschwörung gewohnter Lebensnormen; an ihnen gemessen erscheinen die Erfolge des christlichen Missionars als Einbruch einer unheilvollen Zerstörungskraft in eine ohne ihn gesunde Welt"31. Die beiden Ewalde, Missionare aus der Umgebung Willibrords, sind Opfer dieses Selbstbehauptungswillens der Sachsen geworden. Als sie vom Rhein her ins Sachsenland vordringen wollten, fielen sie sofort als Vertreter der neuen Religion auf und wurden erschlagen; die Leute befürchteten, daß ihr 'Satrap' sich von den beiden hätte bereden lassen können, die alten Götter zu verlassen und sich dem neuen Christengott zuzuwenden 32 . 29

Nicolai I papae ep. 99 (MGH Epp. 6, S. 568-600); Übersetzung: HEISER, Responsa S. 400488. Translatio Pusinnae (ed. WILMANS l, S. 541): Haec primo quidem duruscule ad divinam fidem accessit, quoniam antiquis ritibus tenebatur, et nefas videbatur maiorum ceremoniis errorem ascribere: quod videlicet fiebat novorum sacrorum susceptione, et veterum rituum abdicatione. 31 SCHMIDT, Christianisierung S. 2. 32 Beda, Hist. ecc. V 11 (ed. PLUMMER l, S. 300): si peruenirent ad satrapam, etloquerentur cum illo, auerterent illum a diis suis, et ad nouam Christianae religionem transferrent, sicque

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Die Translatio Pusinnae weiß noch ein weiteres zu benennen: Wer die von den Vorfahren überlieferten Zeremonien abtun wolle, müsse einschlußweise bekennen, daß die Vorfahren geirrt hätten, er selbst aber die Wahrheit gefunden habe 33 . Christliche Mission war immer Auseinandersetzung mit dem 'mos maiorum', der aber für Völker archaischer Kulturen die Grundlage des ganzen Lebens darstellte. Dabei bildete wiederum die Taufe den entscheidenden Akt. Vom Täufling war nicht nur die Lossagung von den alten Göttern verlangt, sondern auch von den Vorfahren, weil dieselben ja als Nichtgetaufte in der Hölle waren. Die dem 9. Jahrhundert entstammende Vita Vulframni, die in legendärer Weise von Bekehrungsbemühungen um den Friesenkönig Radbod erzählt, hat dieses Problem in pittoresker Weise dargestellt: Der Friesenkönig, bereits mit einem Fuß im Taufbecken, habe dann aber doch die Taufe verweigert, weil er der Gemeinschaft mit seinen Vorfahren nicht habe verlustig gehen wollen, auch wenn diese als Ungetaufte in der Hölle seien 34 . Die mit der Taufe geforderte Ablösung von den Ahnen galt grundsätzlich: Für die im Unglauben verstorbenen Vorfahren durfte nicht einmal gebetet werden 35 . Was uns zunächst nur als soziologisches Phänomen erschien, nämlich das Fehlen der Individualität, läßt sich erst eigentlich von hierher erklären: Der Mensch einfacher Kulturen "wiederholt"; seine Lebenssicherheit besteht darin, das zu tun, was ihm überliefert ist. Mircea Eliade schreibt dazu: "In den Einzelheiten seines bewußten Verhaltens kennt der 'Primitive', der archaische Mensch, keine Handlung, die nicht von einem anderen gesetzt und vorgelebt worden wäre, von einem anderen, der kein Mensch gewesen ist. Was er tut, ist schon getan worden. Sein Leben besteht in der ununterbrochenen Wiederholung von Handlungen, die von anderen eingesetzt worden sind"36 . Am Anfang stehen die begründenden Urtaten der Götter, und dann ist es Aufgabe einer jeden Generation, diesen göttlichen Anfang von Geschlecht zu Geschlecht durchzuhalten und weiterzugeben. So gilt, "daß für die archaischen Gesellschaften alle wichtigen Handlungen des täglichen Lebens 'ab origine' von Göttern oder Heroen offenbart worden sind. Denn Menschen tun nichts anderes, als unaufhörlich diese beispielhaften und vorbildlichen Akte zu wiederholen"37. Für den einzelnen Menschen hat das zur Folge, daß seine Individualität, die notwendig ein Abweichen von diesem Ur- und Normbild herbeiführen müßte, nicht nur bedeutungslos ist, sondern sogar eine schlimme Verfehlung darstellt. "Alles, was kein exemplarisches Vorbild besitzt, ist 'des Sinnes entblößt', das heißt, es besitzt keine Wirklichkeit. Die Menschen paulatim ornnis eorum prouincia ueterem cogeretur noua mutare culturam. Itaque rapuerunt eos subito, et interemerunt. Translatio Pusinnae (ed. WILMANS l, S. 541): Qui enim ceremoniis a maioribus sibi traditis renuntiare contendit, errasse eos, se vero veritatem invenisse, tacite confitetur. Vita Vulframni 9 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 668 ): Nam praedecessores tui principes gentis Fresionum, qui sine baptismi Sacramento recesserunt, cerium est dampnationis suscepisse sententiam; HATTENHAUER, Recht der Heiligen S. 126-130. 5 Nicolai I papae epp. 99,88 (MGH Epp. 6, S. 596 J: Pro parentibus vestris, de quibus consulitis, qui infideles mortui sunt, propter peccatum incredulitatis orare non licet. 36 ELIADE, Kosmos und Geschichte S. 10. 37 Ebd. S. 32f.

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müssen demnach die Tendenz haben, archetypisch und paradigmatisch zu werden. Eine solche Tendenz könnte paradox erscheinen insofern, als der Mensch der frühen Kulturen sich nur in dem Maße für wirklich hält, als er aufhört, er selbst zu sein (in den Augen eines modernen Beobachters), und sich damit zufrieden gibt, die Handlungen eines anderen zu wiederholen und nachzuahmen. Mit anderen Worten: er erkennt sich als wirklich, das heißt als 'wahrhaftig er selbst' nur, soweit er eigentlich aufhört, es zu sein."38 Daß also das frühe Mittelalter wie alle archaischen Kulturen kaum Individualität kannte, hatte demnach tiefere "weltanschauliche" Gründe. Von hierher läßt sich dann auch das Phänomen der ungetauften Königssöhne enträtseln. Gerade die Stellung der Könige beruhte darauf, daß sie Repräsentanten der alten Lebensordnung waren, führten sie doch nicht nur ihre Herrschaft, sondern zumeist auch ihre Abstammung auf göttlichen Ursprung zurück 39 . Indem aber das Christentum die Abkehr von diesen Göttern verlangte, forderte es zum denkbar radikalsten Bruch auf. Hans Hattenhauer konnte deswegen über Chlodwig schreiben: "Der Übertritt zum Christentum wurde ein offensichtlicher Vertragsbruch und konnte über die Regeln des fränkischen Rechtes nicht legitimiert werden. Niemand im Frankenvolk konnte den Akt der Christianisierung fordern und gutheißen und gleichzeitig behaupten, daß man damit in Übereinstimmung mit dem überlieferten Recht stehe" 40 . Offenbar sollte die so oft zu beobachtende Teilkonversion eines Königshauses die Gefahr des "Verfassungsbruches" mindern helfen. Meistens nahm der konvertierende König selbst das Risiko des Bruches auf sich; im Falle des Mißlingens aber konnte immer noch der ungetaufte Sohn an seine Stelle treten und die alten Verhältnisse wieder herstellen. Gelegentlich freilich treffen wir auch die umgekehrte Version, daß der König selbst Heide blieb und es seinem Sohn überließ, es mit dem Christentum zu versuchen.

§ 13 Getaufte und Barbaren Die Darstellung des Taufritus endete bei der Feststellung, daß nur der Getaufte sich als vollberechtigtes Mitglied der Christengemeinde verstehen durfte 1 . Zwischen Getauften und Nichtgetauften wurde in der Liturgie genau unterschieden. Für die spätantike und frühmittelalterliche Mission verschärfte sich die Trennung weiter noch dadurch, daß man die alte Abschätzigkeit der Griechen und Römer gegen die Barbaren auf die Heiden übertrug 2 . "Die unvermeidliche Folge dieser Einstellung ist, daß die Barbaren in dem Maß, wie sie nicht nur Unruhe, Elend und Tod in die 'Romania' tragen, sondern auch durch die Versuchung des Arianismus die Ergebnisse der noch lückenhaften Verbreitung des Evangeliums ernstlich 38

Ebd. S. 34.

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S. $ l Anm. 7 ; f 11 Anm. 2. HATTENHAUER, Recht der Heiligen S. 121f.

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S. i 6 Anm. 76. SPEYER - OPELT, Barbar S. 251-290.

$ 13 Getaufte und Barbaren

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gefährden, nun als eine Art Helfershelfer des Satans erscheinen, dessen teuflisches Werk sich nur in apokalyptischen Begriffen beschreiben läßt."3 Zahlreich sind die Berichte, daß die Ungetauften in 'tierischer Wildheit' lebten, weswegen sie auch als Tiere benannt wurden 4 . Und diese Denk- und Redeweise setzte sich bis ins Mittelalter hinein fort 5 : Erst die Bekehrung zum Christentum stelle den Übergang zu einem menschenartigen und menschenwürdigen Leben dar. Nur Getaufte, die nicht mehr Barbaren waren, galten eigentlich als Menschen; von ihnen aber erwartete man dann auch ein menschenwürdiges Leben. Die Spätantike und deutlicher noch das Frühmittelalter zogen daraus noch eine weitergehende Konsequenz: Zwischen Getauften und Ungetauften solle es nicht nur keine religiöse, sondern auch keine gesellschaftliche Gemeinschaft geben. Der Heide war zu meiden6 . Dies galt selbst in 'Kleinigkeiten' wie der Jagd; so heißt es in den Responsa Bulgarorum, daß Heiden und Christen nicht Wildbeute austauschen dürften, 'damit es nicht aussieht, als gebe es — wenn auch nur in Kleinigkeiten — zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen gemeinschaftlichen Austausch' 7 . Schwieriger gestaltete sich das Verbot gemeinsamer Mähler; solche aber stellten insofern einen religiös und politisch relevanten Vorgang dar, als zum Beispiel die Königsnähe in der Tischgemeinschaft des Hofes ihren Ausdruck fand 8 . Welche Fragen es aufwarf, wenn eine heidnisch-christliche Gefolgschaft sich zur Tafel versammelte, zeigt uns eine Passage aus der von Jonas von Bobbio verfaßten Vita des heiligen Vedastus (+ 540). Der Heilige sei zu einem Mahl mit König Chlothar eingeladen worden und habe dort die Situation angetroffen, daß es einmal Bier für Christen und dann solches für Heiden gegeben habe; letzteres sei nach heidnischem Ritus geweiht gewesen9. Das Königsmahl war demnach ein politischer wie auch religiöser Vorgang. Ferner berichtet die Conversio Bagoariorum et Carantanorum von einem Fürsten Ingo im karantanisch-pannonischen Missionsgebiet, daß er 'die rechtgläubigen Knechte zu sich an den Tisch lud, während er ihre ungläubigen Herren draußen vor der Tür, als wären sie Hunde, Platz nehmen ließ, wo er ihnen Brot, Fleisch und schmutzige Krüge mit Wein vorsetzte, daß sie so äßen'. Zur Begründung wird dem Gastgeber in den Mund gelegt: 'Ihr seid unwürdig, mit Euren [in der Taufe] nicht abgewaschenen 3

MANDOUZE, Zusammenbruch der römischen Kultur S. 216. SPEYER - OPELT, Barbar S. 271-290, bes. S. 286. 5 DICKERHOF, Gentiles S. 41-71; ENGELS, Mission S. 216ff. 6 Coll. vet. Gallica c. 57,7 (ed. MORDEK S. 58433;.· Quod non oporteat cum gentilibus festa celebrare et communicare pravitatibus eorum, qui sine Deo sunt. Canones Theodori U II, IV 11 (ed. FINSTERWALDER S. 318): Non licet baptizatis cum catecuminis manducare neque osculum eis dare quanta magis gentilibus; s. auch ebd. G 125 (S. 265); Co 67 (S. 275);Poenitentiale Remense 35 a + b (ed. ASBACH, Anhang S. 22): Caticumini manducare non debent cum baptizatis, neque gentiles; das Remense ist in der 1. Hälfte des 8. Jhs. entstanden: ASBACH, Poenitentiale Remense S. 213-218. 7 Nicolai I papae epp. 99,91 (MGH Epp. 6, S. 596 25 ). 8 Zum 'conviva regis' vgl. CLAUDE, Frühfränkischer Comitat S. 74ff; HAUCK, Rituelle Speisegemeinschaft S. 611-621. 9 Vita Vedastis 7 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 31511): [vasa] alia christianis, alia vero paganis opposita ac gentile ritu sacrificata. 4

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Leibern mit denen zusammen zu essen, die aus dem heiligen Wasser wiedergeboren wurden. Nehmt also wie Hunde draußen vor der Tür Eure Nahrung!' Die derart Gemaßregelten sollen sich schleunigst im Glauben haben unterweisen lassen und seien dann um die Wette zur Taufe gelaufen10 . Soviel Eifer aber war anderen wiederum zu viel, heißt es doch in einem karolingischen Missionskatechismus: Keiner solle zur Taufe kommen, um auf diese Weise die Möglichkeit zu erhalten, mit Christen gemeinschaftlich essen und trinken zu können 11 . — Bei den in dieser Arbeit abgehandelten Taufbeispielen wird oft genug ersichtlich, daß eine ausdrückliche Erwähnung des gemeinsamen Mahles oder auch einer gemeinsamen Jagd folgt. Erst die volle religiöse Gemeinschaft erlaubte auch die volle "gesellschaftliche" Gemeinschaft. In akuter Weise brisant wurden die Verbote der heidnischen Kontakte im "außenpolitischen" Verhalten. So schreibt wiederum Papst Nikolaus I. in seinen Responsa Bulgarorum, daß man ein Friedensangebot von keinem Volk abschlagen dürfe. Wie aber im einzelnen zu verfahren sei, wollte der Papst von den Sitten und Versprechungen des jeweiligen Volkes abhängig machen. Vor allem riet er zu Folgendem: 'Wiewohl ein Friedensschluß löblich ist, so kann er doch auch verderbenbringend sein; darum sei Vorsorge getroffen, daß in jedem Vertrag Christus vornean steht, so daß nach seinem Gesetz und vor allem unverbrüchlich in Treu und Glauben zu ihm das miteinander vereinbarte Bündnis unverletzt bleibt ...; mit jenem also, der Christi Frieden nicht hat, dürfen wir auch keine Friedensgemeinschaft haben ...'12. Eigentlich könne ein Vertrag zwischen Christen und Heiden, wie nachfolgend noch einmal ausgeführt wird, nicht abgeschlossen werden; nur 'wenn ein Gläubiger mit einem Ungläubigen in der Absicht einen Vertrag schließt, daß er diesen zur Verehrung des wahren Gottes bekehren kann, ist es statthaft ,..'13. Es wird hier also gefordert, Christus solle jeweils der Garant des Friedens sein. Bei Heiden aber war dies nur zu erreichen, wenn sie sich zur Anerkenntnis Christi, also zum Glauben, bekannten. Hier liegt der Grund dafür, daß — wie wir sehen werden — christliche Herrscher immer wieder danach strebten, Friedensabmachungen mit Heiden durch deren Christianisierung zu befestigen. In. der kriegerischen Welt der Nachantike verknüpfte man mit der Barbarentaufe vor allem auch die Hoffnung auf Pazifizierung. Diese Erwartungen glaubte man umso stärker hegen zu können, als es ein altes, inzwischen aber in vielfältiger Weise mißachtetes Gebot war, daß Christen untereinander kein Blut vergießen dürften 14 . Die mit der Taufe erhoffte Ablegung der tierischen Wildheit sah man Conversio Bagoariorum et Carantanorum 7 (ed. WOLFRAM S. 46f; dortige Übersetzung undeutlich). KAHL, Rolle der Iren S. 397, CIBULKA Bekehrung S. 108f. HEER, Karolingischer Missionskatechismus S. 77 .· interrogandus est, utrum hoc propter uitae praesentis aliquod commodum facief, ut uel ita licentiam cum christianis habeat manducare et bibere, sicut quidam fecerunt, et aeternum sibi praemium perdiderunt. Et ita breuiter est edocendus, ut non propter huius saeculi commodum, sed propter adipiscendam potius aeternam uitam etgloriam christianus esse contendat. 12 Nicolai I papae ep. 99,80 (MGH Epp. 6, S. 594 16 ). 13 Ebd. 99,82 (Z. 38). 14 ERDMANN, Kreuzzugsgedanke S. 1-29.

$ 14 Postbaptismale Salbungen in Rom

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durch den Eintritt in die allgemeine christliche Brüderlichkeit noch weiter bestärkt. Entsprechende Erwartungen und Gebote sind oft genug ausgesprochen worden: Die politischen Herrscher sollten keine Kriege gegen Christen führen. Gleichzeitig galt, keine Bündnisse mit Heiden einzugehen 15 . Gerade letzteres aber war aus politisch-militärischen Gründen nicht immer zu vermeiden und beeinflußte dann in nicht unerheblichem Maße die Praxis der Königstaufe. Sobald nämlich ein Heide einen christlichen Nachbarn zum Verbündeten gewinnen wollte, mußte es ihm ratsam erscheinen, die Taufe zu nehmen. Wir werden sehen, daß dies die Situation Haralds von Dänemark war, als er sich unter Ludwig dem Frommen taufen ließ. Doch gab es auch die andere Konstellation, daß der christliche König in Bedrängnis geriet und sich mit einem Heiden arrangieren mußte. Der König konnte dann zum Heidentum zurückkehren, was in der Missionsepoche noch oft genug geschah. Schon bald aber wurde dies unmöglich, denn die Gefolgschaft, auf die ein König immer — und gerade auch bei einem Religionswechsel — angewiesen blieb, war in der Regel nicht mehr bereit, ihr Christsein preiszugeben, ja, sie lernte rasch, den Christenglauben gegen den König auszuspielen; man drohte damit, keinen Oberherrn ertragen zu wollen, der mit Heiden paktiere. Wenn also ein christlicher König durch einen Heiden bedrängt wurde und ihm Anteil am christlichen Imperium zu geben gezwungen war, mußte er sein möglichstes tun, den Heiden zuvor zur Taufe zu bringen, weil sonst mit einem Abfall im eigenen Reich zu rechnen war. Wir werden sehen, daß solche Situationen in den Normannenkriegen des 9. und 10. Jahrhunderts eintreten konnten. Immer wieder wird dabei freilich deutlich, daß in solchen Situationen die Taufe nicht mehr primär aus religiösen Gründen propagiert und empfangen wurde, sondern aus politischen.

3. Die Firmung § 14 Zwei postbaptismale Salbungen in Rom Ein bemerkenswertes Ergebnis der karolingischen Liturgiereform ist die endgültige Abspaltung der zweiten postbaptismalen Salbung vom Taufritus. Lange hat die römische Kirche an ihrer Form der Initiation, die in der geschlossenen Abfolge von Taufe, priesterlicher Salbung, bischöflicher Handauflegung mit gleichzeitiger Stirnsalbung und einer abschließenden Eucharistiefeier bestand, erfolgreich festgehalten. Die Einheit des Ritus wurde aber zum Problem, als mit der Ausbreitung des Glaubens auf dem flachen Lande1 der bischöfliche Anteil Schwierigkeiten bereitete: Durfte den bereits von Priestern und Diakonen Getauften die Herabrufung des Heiligen Geistes vorenthalten werden? Erst die Geistbegabung brachte die Vervollständigung des Ritus der Wiedergeburt, die im Wasser und im Geist 15

1

HEHL, Kirche und Krieg S. 1-8.

GAUDEMET, Eglise S. 375ff; LESNE, Histoire l, S. 49-50; ANGENENDT, Liturgie S. 199209.

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geschah2. Hieronymus erörtert das neue Problem in seiner Altercatio contra Luciferanos und bezeugt, daß die Bischöfe damals zur Handauflegung aufs Land hinausgegangen seien3. Demnach verfuhr man mit der Delegierung der Geistspendung anders als bei der Taufe selbst; denn deren Spendung galt zwar, wie schon Tertullian anmerkte 4 , als vernehmliches, aber doch keineswegs als ausschließliches Recht des Bischofs. Daß das Neue Testament über die Person des Taufspenders im allgemeinen keinen Aufschluß gab 5 , daß ferner in Notfällen eine sofortige Spendung geboten war, verhinderte eine allzu starre Regelung. Dagegen galt die Handauflegung zur Herabrufung des Geistes als eine die Taufe vervollständigende Handlung, die nur vom Bischof vollzogen werden konnte. Den Grund für diese Regelung fand man in der Apostelgeschichte, wo von Petrus und Johannes berichtet ist, daß sie nach Samaria gehen mußten, um den vom Diakon Philippus Getauften die Hände aufzulegen und den Geist zu vermitteln (Act 8,14-17). So galt die Vermittlung des Geistes, weil von den eigens herbeigerufenen Aposteln vollzogen, als ein apostolisches und damit bischöfliches Vorrecht 6 . Immer wieder ist sie in dieser Weise begründet worden 7 . So erklärte Papst Innozenz I. in seinem bekannten Brief an Bischof Decentius von Gubbio aus dem Jahre 416, daß es allein den Bischöfen zustehe, zu konsignieren und den Heiligen Geist zu spenden; so sei es alter Brauch, weil Vorschrift der Apostelgeschichte. Priester dürften zwar, so erläutert er des weiteren, die (erste) postbaptismale Salbung vollziehen, nicht aber die Stirnsalbung: non tarnen frontem ex eodem oleo signare, quod solis debetur episcopis, cum tradunt Spiritum paracletum6. Die Stirnsalbung vermittelt also den Geist; ihre ausschließlich bischöfliche Spendung wird dabei aber begründet mit der apostolischen Handauflegung. Die Verbindung dieser für den ersten Blick disparaten Elemente erschien möglich, ja sogar geboten, weil an einigen Stellen des Neuen Testamentes der Geistbesitz mit der Vorstellung der Salbung (unctio) und der Siegelung (signare, confirmare) verbunden ist 9 , wobei 2

MAGRASSI, Confirmatione Baptismus perficitur S. 429-444. Hieronymus, Dialogus contra Luciferianos (MIGNE PL 23, Sp. 172B): ad eos qui lange a maioribus urbibus per presbyteros et diaconos baptizati sunt, episcopus ad invocationem sancti Spiritus manum impositurus excurrat; MITCHELL, Anointing S. 94f. 4 Tertullian, De baptismo 17 (CChr.SL l, S. 291 )·' summum habet ius summits sacerdos; sufficit ... in necessitatibus ut utaris sicubi aut loci aut temporis aut personae condicio compellit. 5 VON ALLMEN, Taufberichte S. 44ff. Act 8,16b-17a: baptizati tantum erant in nomine domini Jesu. Tune [Petrus et Johannes] imponebant manus super illos et accipiebant Spiritum sanctum; Act 19,5s: baptizati sunt in nomine Domini Jesu. Et cum imposuisset illis manus Paulus, venit Spiritus sanctus super eos; ADLER, Taufe und Handauflegung S. 58-108; eine Übersicht über die Interpretation dieser Stelle im Laufe der Jahrhunderte ebd. S. 9-22; ferner HAENCHEN, Apostelgeschichte S. 250259, 487-492. 7 NEUMANN, Spender der Firmung S. 92-103. 8 Innozenz L, Brief an Decentius von Gubbio (ed. CABlE S. 24 62 ); YSEBAERT, Baptismal terminology S. 356f. 9 2 Gor 1,21s: Qui autem confirmat nos vobiscum in Christo, et qui unxit nos Deus, qui et signavit nos et dedit pignus Spiritus in cordibus nostris; Eph 1,13: signati estis Spiritu; 4,30: 3

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sich für letztere eine Kreuzsignierung auf der Stirn als ritueller Ausdruck herausbildete (cf. Apc 7,2 u. 9,4: habent signum Dei in frontibus suis)10. Aus der Vereinigung dieser verschiedenen Aussagen und Riten ergab sich dann die bischöfliche Vollmacht der Geistmitteilung, bestehend aus der Handauflegung, einer Kreuzsignierung auf der Stirn und der Salbung11 . Die Einzelelemente sind freilich nie zu einer endgültig festgefügten Ritusform zusammengewachsen; zumindest geben die beschreibenden Quellen ein oft schwankendes Bild. Diese Unsicherheit hat mehrere Gründe. Einmal wurden die genannten Riten — einzeln oder kombiniert — auch außerhalb der Taufe verwendet, so bei Segnungen, Heilungen, Exorzismen, Rekonziliationen und Ordinationen 12 . Zum anderen finden wir sehr oft, zumal in der Beschreibung der postbaptismalen Confirmatio, nur eine einzige Handlung erwähnt oder hervorgehoben, offenbar auch dann, wenn das ganze Ritusgefüge von Handauflegung, Signierung und Salbung vollzogen worden ist 13 . Unsere beiden grundlegenden römischen Quellen, das Gelasianum und der Ordo Romanus XI, vereinigen die verschiedenen Elemente bekanntlich in der Weise, daß der Pontifex die siebenfältige Gnade des Geistes herabruft, indem er zur Konfirmation die Hände auflegt, dabei ein Gebet spricht und dann in Kreuzesform die Stirn der Täuflinge mit Chrisma 'signiert'14 .

§ 15 Gallikanische Praxis Innerhalb der westlichen wie der östlichen Liturgie stellte aber die römische Tradition mit einer doppelten Salbung nach der Taufe ein Unikum dar, denn außerhalb Roms hat man nirgends eine zweite, allein dem Bischof vorbehaltene Spiritum sanctum Dei, in quo signati estis; l Joh 2,20: unctionem habebitis; cf. 2,27. S. dazu SCHNACKENBURG, Heilsgeschehen S. 77-86; LAMPE, Seal S. 9-18; YSEBAERT, Baptismal terminology S. 281ff. 10 FITZER, Sphragis S. 939-954, bes. S. 951f; DÖLGER, Sphragis S. 70-171 (Taufe), 171-179 (Kreuz), 179-193 (Firmung); DE BRUYNE, Imposition des mains S. 212-247; COPPENS, Imposition des mains S. 313-323; YSEBAERT, Baptismal terminology S. 390-421. 11 LAMPE, Seal S. 215-222 (chrismation and the spirit), 223-231 (laying on of hands), 235296 (sealing), 297-305 (consignation and confirmation), dazu die ergänzte Einleitung zur 2. Auflage (S. XV-XXVI). Grundlegend ferner YSEBAERT, Baptismal terminology S. 181-426 (touching, imposition of hands, anointing, tattooing, branding and sealing in pagan antiquity, in Judaism, in the New Testament and in early Christian literature). 12 YSEBAERT, Baptismal terminology S. 289-340, 367-374. - Ein Beispiel für die mehrfache Verwendung bietet MACDONALD, Imposition of Hands S. 49-53. 13 YSEBAERT, Baptismal terminology S. 365. 14 Sacr. Gelas. 450 u. 451 (ed. MOHLBERG S. 7422+3 2 ): Deinde datur eis Spiritus septiformis. Ad consignandum inponit eis manum ... Postea signat eos in fronte de chrismate; OR XI 100 u. 101 (ed. ANDRIEU 2, S. 446 1 J: pontifex ... confirmans eos cum invocatione septiformis gratiae Spiritus sancti. Oratione expleta, facit crucem cum police et chrisma in singulorem frontibus ... — Es erscheint mehr als zweifelhaft, ob aus den römischen Quellen mehrere Firmriten herauszulesen sind, wie J.-P. BOUHOT (Confirmation S. 60-66) möchte; jedenfalls wäre ein solches Ergebnis in Auseinandersetzung mit der viel umsichtigeren Arbeit von J. YSEBAERT (Baptismal terminology S. 353-357) nachzuweisen.

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postbaptismale Salbung gekannt oder anerkannt 1 , wenigstens zunächst nicht. Auch im Bereich der gallikanischen Liturgie treffen wir auf eine andere Tradition. Die Bischöfe des südöstlichen Gallien entschieden 441 in Orange 2 , daß nur eine einzige Salbung gespendet werden sollte. Der zweite Kanon dieser Bischofsversammlung ist nach A. Chavasse im Kontext-mit anderen Quellen so auszulegen, daß man an der einmaligen Salbung (semel chrismari / non necessaria habeatur repetita chrismatio) als einem Eigenbrauch bewußt habe festhalten wollen. Zugleich aber erschien die Spendung des Chrisma unmittelbar nach der Taufe als so wichtig, daß Priester und selbst Diakone gemahnt wurden, sie bei der Taufe sofort mitzuvollziehen: Eine einmalige Salbung also, die in genereller Weise den Taufspendern in den bischofsfernen Landgemeinden zur Pflicht gemacht ist. Als Begründung wird die einhellig anerkannte Auffassung von der una benedictio chrismatis angeführt, die allein dem Bischof zustehe. So bleibt also auch hier ein Vorrecht des Bischofs, denn nur er kann dem Chrisma den besonderen Heiligungseffekt verleihen, und dieses Chrisma wird als der eigentliche Gnadenträger angesehen. Dabei muß man sich die Wirkung des konsekrierten Öls als eine einmalige gedacht haben, denn nur diese Auffassung erklärt den Ausspruch des Kanons, daß eine abermalige Spendung nutzlos sei. Die einschränkende Formulierung (inter nos placuit) scheint anzudeuten, daß man sehr wohl andere Lösungen in dieser Frage kannte, sie jedoch nicht verunglimpfen mochte. Da aber eine Doppelsalbung allein in Rom praktiziert wurde, haben A. Chavasse und L.A. van Büchern angenommen, der Brief Innozenz' I. mit seiner Forderung nach einer besonderen bischöflichen Handauflegung und Stirnsalbung sei im südöstlichen Gallien bekannt geworden und habe Unsicherheit in der dortigen Praxis hervorgerufen. Weiter enthält der Kanon ein wichtiges Indiz dafür, daß eine bischöfliche Confirmatio bei dieser Lösung nicht einfachhin entfallen ist. Sofern nämlich eine Salbung unmittelbar bei der Taufe unterblieben sei — so der Kanon —, solle man sich an den Bischof wenden, wenn er firme. Diese Firmung kann für gewöhnlich — wegen des klaren Verbotes einer zweimaligen Salbung — nur eine reine Handauflegung gewesen sein. Als solche finden wir sie in den Predigten des Faustus von Riez beschrieben3 . Aber dies ist ein singuläres Zeugnis. Denn weder aus dem zeitgenössischen Umfeld noch aus der Folgezeit hat man ein weiteres eindeutiges Zeugnis 1

YSEBAERT, Baptismal terminology S. 355: "The double postbaptismal anointing is typically and exclusively Roman. It does not fit in with the development of the ritual in any other region in East or West." 2 Cone. Arausicanum a. 441 c. 2 (CChr.SL 148, S. 78 ): Nullum ministrorum, qui baptizandi recipit officium, sine chrismate usquam debere progredi, quia inter nos placuit semel chrismari. De eo autem qui in baptismate, quacumque necessitate faciente, non chrismatus fuerit, in confirmatione sacerdos commonebitur. Nam inter quoslibet chrismatis ipsius nonnisi una benedictio est, non ut praeiudicans quidquam, sed ut non necessaria habeatur repetita chrismatio. CHAVASSE, Canon d'Orange S. 103-120; L.A. VAN BUCHEM (Homelie pseudo-eusebienne S. 87-113) hat in seiner umsichtigen Neuuntersuchung das Ergebnis von A. CHAVASSE nur in wenigen Punkten zu ergänzen brauchen. — J. YSEBAERT und L. MITCHELL berücksichtigen in ihren Untersuchungen diese grundlegende Arbeit von CHAVASSE nicht. — Die ältere Interpretation bei VAN DEN EYNDE, Canon du Concile d'Orange S. 97-109. 3 VAN BUCHEM, Homere pseudo-euse'bienne S. 113-134.

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für diese Handauflegung oder einen vergleichbaren bischöflichen Konfirmationsakt beizubringen gewußt 4 . So scheint denn die gelegentlich bereits ausgesprochene Folgerung5 unvermeidlich: Da sich seit dem 6. Jahrhundert weder in den Liturgiebüchern noch sonst irgendwo in gallischen Quellen ein Anhaltspunkt für einen bischöflichen Akt auffinden lasse, der die eine postbaptismale Salbung zu vervollständigen oder zu bestätigen gehabt hätte, sei der verselbständigte Firmritus erst im 8. Jh. mit der Ausbreitung der römischen Liturgie in den Norden gelangt. An dieser Schlußfolgerung muß freilich eine Modifizierung vorgenommen werden. Denn jüngst ist die älteste systematische Kirchenrechtssammlung Galliens neu ediert und dabei überhaupt erst richtig analysiert worden. Es handelt sich um die Collectio vetus Gallica, als deren Verfasser höchstwahrscheinlich einer der damals patriarcha genannten Metropoliten von Lyon anzusehen ist, vielleicht der mit Papst Gregor dem Großen korrespondierende Etherius (ca. 568-602). Als ein im ganzen überlegt auswählender Redaktor bringt er ein Kapitel über die Taufe und im Anschluß daran ein eigenes Kapitel De confirmations cum crisma6 . Darin zitiert er aus dem bekannten Brief Innozenz' I. jenen Passus, nach welchem die Stirnsalbung allein dem Bischof vorbehalten ist 7 . Der Autor kennt aber ebenso gut den anderslautenden Kanon von Orange,und er führt denselben sogar an. Doch hat er ihn so weit zurechtgestutzt — offensichtlich um jede Anfechtbarkeit der bischöflichen Salbung auszuschließen —, daß der Kanon nun zum Taufkapitel paßt: Er zitiert die Verpflichtung für den Taufspender, das Chrisma bei sich zu haben, ferner die Anweisung über das semel chrismari und endlich noch die Mahnung, sich bei unterlassener Salbung an den Bischof zu wenden, wenn er firme 8 . Nur der letzte Satz, der das unmißverständliche non necessaria habeatur repetita chrismatio enthält, ist gestrichen. In dieser Verkürzung wird nun der Kanon der Taufe zugeschlagen und ergibt damit einen guten, wenn auch grundlegend veränderten Sinn: Der ersten postbaptismalen Salbung, welche dem Taufspender obliegt und deren Notwendigkeit nun mit dem verkürzten Kanon von Orange eingeschärft wird, hat nämlich eine zweite, vom Bischof zu vollziehende Stirnsalbung zu folgen, die mit dem Innozenz-Brief begründet wird. Wenn die Vermutung richtig ist, daß der Beschluß von Orange sich ursprünglich gegen ein Vordringen der römischen Doppelsalbung, ja vielleicht sogar direkt gegen den InnozenzBrief selbst gerichtet hat 9 , so zeigt sich hier, daß der Entscheid von 441 diesen Papstbrief doch nicht für alle Zeiten mundtot zu machen vermochte. Dabei hat der Kompilator der Collectio das Innozenz-Zitat aus einer bereits älteren Samm4

VAN DEN EYNDE, Rites liturgiques latins S. 71-76; VANHENGEL, Chrismation S. 204; ferner FISHER, Initiation S. 52-57; MITCHELL, Anointing S. 112-131. 5 MITCHELL, AnointingS. 121-126. 6 Coll. vet. Gallica 22 (ed. MÖRDER S. 435 1 ); zur Arbeitsweise des Verfassers und seinen Absichten s. ebd. S. 21-36, zur Entstehung und den .weiteren Redaktionen S. 62-96. 7 Ebd. 22,2 (S. 436 7 ); der Brief ist noch ausführlicher schon vorher zitiert: ebd. 18,2 (S. 424s429 56 ). 8 Ebd. 21,11 (S. 43S48). Das semel ist jetzt nicht mehr im Sinne von "nur einmal" aufzufassen, sondern in der anderen Bedeutungsmöglichkeit von "zunächst", "zuerst", dem sinngemäß ein "dann" zu folgen hat. 9 CHAVASSE, Canon d'Orange S. 118f; VAN BUCHEM, pseudo-eusebienne S. 105f.

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lung übernommen; schon vor seiner Zeit muß der Papstbrief als Rechtstext Anerkennung in Gallien gefunden haben 10 . Möglicherweise besitzen wir auch noch ein weiteres Zeugnis darüber, daß eine bischöfliche Konfirmation in Gallien weiterhin oder gar von neuem ausgeübt worden ist. Ein 573 in Paris abgefaßter Synodalbrief, der einem unrechtmäßig geweihten Bischof jedwede Amtshandlung untersagt, erwähnt dabei unter anderem die Tätigkeit infantes confirmare11. Mag auch unklar bleiben, wie diese Confimatio ausgesehen hat, so zeigt sich doch, daß man nicht vorschnell generelle Schlüsse ziehen darf. Auch mag es geraten erscheinen, den gallischen Quellenbestand noch einmal durchzumustern. Trotzdem dürfte das allgemeine Ergebnis abzusehen sein. Daß es sich nämlich bei der erwähnten Rechtssammlung und anderen möglicherweise ähnlichen Bemühungen um zwar wohlgemeinte, für die gallische Firmpraxis aber weithin wirkungslose Reformversuche gehandelt hat, läßt sich an einer ganz einfachen Tatsache ablesen: Wie sollten die Bischöfe der großen Diözesen im nördlichen Gallien und am Rhein — das Bistum Köln reichte damals von Remagen bis Utrecht 12 — alle dort gespendeten Taufen eigenhändig "vervollständigen"? Das Zitat des Innozenz-Briefes in der Collectio vetus Gallica kann darum nur wenig an der gallischen Liturgie mit ihrer einmaligen Salbung nach der Taufe geändert haben. Auch für die postbaptismale Liturgie der westgotischen Kirche gibt es eine Reihe von Zeugnissen, die auf eine mit Gallien verwandte Praxis hinweisen13 . Kanon 20 des ersten Toledaner Konzils aus dem Jahre 400 bestimmt, daß nur der Bischof das Chrisma bereiten könne, das dann von den einzelnen Pfarreien zeitig vor Ostern abgeholt werden sollte. Ferner wird verordnet, daß bei Abwesenheit des Bischofs die Chrisma-Spendung zwar nicht von einem Diakon, wohl aber von einem Priester vollzogen werden dürfe 14 . Ähnlich lautende Bestimmungen anderer Konzilien folgen, so Kanon 52 des zweiten Konzils von Braga15 und dann Kanon 2 des Konzils von Barcelona im Jahre 599, der schlicht mitteilt, chrisma presbyteris dioecesanis pro neofitios confirmandos datur16. Zur Begründung dieser Praxis erklärt Bischof Braulio von Saragossa seinem Amtsbruder Eugenius von Toledo, daß zwar die alten Vorschriften den Priestern verböten, die Chrisamsalbung zu erteilen, was im Orient und in ganz Italien noch immer befolgt werde. Dann aber sei auch den Priestern diese Salbung erlaubt worden, freilich nur in Stellvertretung für den Bischof, dessen eigentliches Recht sie weiterhin bleibe 17 . Bischof 10

MORDEK, Kirchenrecht S. 42, 51. Conc. Parisiense a. 573, Ep. synodi ad Egidium Remensem episcopum (CChr.SL 148A, S. 21334). 12 JEDIN - MARTIN, Atlas zur Kirchengeschichte S. 22; OEDIGER, Bistum Köln S. 79-82. 13 MITCHELL, Anointing S. 131-143; ALONSO, Cura pastoral S. 292-295; LEWANDOWSKI, Evolutio S. 97-120, wo freilich bei der Interpretation der Ildefons-Texte übersehen ist, daß sacerdos auch und sogar sehr häufig den Bischof bezeichnet (ebd. S. 113ff). 14 Conc. Toletanum a. 397/400 c. 20 (ed. VIVES S. 24f). 15 Conc. Bracaracense a. 572 c. 51 u. 52 (ebd. S. 99). 16 Conc. Barcelonense a. 599 c. 2 (ebd. S. 159). 7 Braulio von Saragossa, Ep. 2 (MGH AA 14, S. 285 ): optime novit prüdentia tua canonum antiqua esse statuta, ut presbyter chrismare non audeat; quod servare et orientem et omnem Italiam hucusque scimus; sed postea consultum est, ut chrismarent presbyteres, sed de chrisma11

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Braulio weiß also von einer anderen, den alten Kanones sogar konformeren Praxis in Italien — und darin ist selbstverständlich Rom eingeschlossen zu denken —, hält aber dennoch an der eigenen Tradition fest. Isidor von Sevilla dagegen räumt der römischen Position bereits den Vorrang ein. In seinem Liber de ecclesiasticis officiis schreibt er, daß nach der Salbung des Priesters der Bischof eine zweite Chrisam-Salbung an der Stirn zu vollziehen habe, welche mit der apostolischen Handauflegung den Heiligen Geist verleihe18 . L. Mitchell möchte den Widerspruch zu der in den erwähnten Konzilskanones anders bezeugten Praxis damit erklären, daß Isidor hier nicht den wirklichen Brauch seiner Zeit beschreibe, sondern eine Idealvorstellung gebe, wie er sie aus der Kenntnis älterer Dokumente gewonnen habe; tatsächlich zitiert dieser denn auch das berühmte Schreiben Innozenz' I. 19 . Während also Bischof Braulio von einer andersartigen Praxis in Italien — und damit muß vor allem Rom gemeint sein — nur Kenntnis gibt, gilt nach den Vorstellungen Isidors die von Papst Innozenz geforderte bischöfliche Stirnsalbung bereits als verpflichtender Bestandteil des Initiationsritus. Wir sehen also, daß die päpstliche Dekretale im 7. Jahrhundert in Spanien wie in Gallien weiter vorgedrungen ist. Mag sie dabei auch nicht sofort den bestehenden liturgischen Ritus verändert haben, der späteren Entwicklung hat sie zweifellos vorgearbeitet. Der vielgelesene Spanier dürfte mit seinem Verweis auf Innozenz sogar manchem jüngeren Autor den Weg zu einer fortan immer wieder zitierten Autorität gewiesen haben. Bereits Beda und bald noch viele andere folgen ihm, wenn sie bei der Rechtfertigung der römischen Firmung auf diesen Papst zurückverweisen20 .

§16 Firmung und karolingische Reform Bei der Reform der fränkischen Liturgie nach dem römischen Vorbild konnten die Differenzen bei den postbaptismalen Riten schwerlich verborgen bleiben. Quellenzeugnisse, die eine tatsächlich praktizierte zweite bischöfliche Firmsalbung nördlich der Alpen in größerem Umfang bezeugen, setzen gegen 700 ein. Die frühesten Hinweise finden sich in England. In der ersten Vita des heiligen Cuthbert (+ 687), die von einem unbekannten Verfasser zwischen 699 und 705 te benedicto ab episcopis, ut non videretur presby terorum hoc esse privilegium, ... sed episcoporum, quorum benedictione et permissu, quasi de manu episcopi, ita huiusce rei peragunt officia. 18 Isidor von Sevilla, Liber de ecclesiasticis officiis II 27 (MIGNE PL 83, Sp. 826A), in Anlehnung an Innozenz. Unmittelbar vorher spricht Isidor von der Handauflegung (ebd. Sp. 824A): post baptismum per episcopos datur Spiritus sanctus cum manuum impositione, hoc in Actibus apostolorum fecisse meminimus; s. auch Etymologiae VI 19 (54) (ed. LINDSAY 1) = Tertullian, De baptismo 8 (CChr. SL l, S. 283 1 ). 19 MITCHELL, Anointing S. 134f. 20 S. § 14 Anm. 8. Auch Theodulf von Orleans hat an dieser Stelle Innozenz ausgeschrieben; DAHLHAUS-BERG, Antiquitas S. 129; s. ferner Walafrid Strabo, De exordüs et incrementis 27 (MGH Capit. 2/2, S. 509 ); Jesse von Amiens, Ep. de baptismo (MIGNE PL 105, Sp. 790f); Leidrad von Lyon, Liber de sacramento baptismi 7 (ebd. 99, Sp. 864B).

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geschrieben worden ist, wird an dem Heiligen gerühmt, daß er das einfache Volk aus den Berggegenden versammelt habe, um den Einzelnen die Hand aufzulegen und sie mit geweihter Salbe zu signieren1. Das gegen 690 zu datierende Volksrecht des westsächsischen Königs Ine (688-725) kennt bereits die Firmpatenschaft; bei der Tötung eines Firmkindes ist dem Paten ein Wergeid zu entrichten 2 . Im Werk des gelehrten Beda findet sich gleich eine Vielzahl von Äußerungen zur Firmung. Der Mönch aus Nordhumbrien belobigt jene Bischöfe, die zur Handauflegung bis in die kleinsten Dörfer gehen und tadelt andere, die diese Pflicht zu säumig nehmen 3 . Für gewöhnlich spricht er nur von einer Handauflegung. In seinem Kommentar zur Apostelgeschichte begründet er jedoch die Notwendigkeit, daß Petrus und Johannes zur Handauflegung nach Samaria hätten gehen müssen, mit der Tatsache, daß der dort missionierende Philippus als Diakon zu dieser Handlung nicht befugt gewesen sei; er zitiert dann die Innozenz-Dekretale, wodurch sichergestellt ist, daß seine Handauflegung im Sinne der zweiten postbaptismalen Salbung Roms zu verstehen ist4 . Beachtung verdient auch Bedas Mahnung, daß Diözesen, in denen der Bischof eine regelmäßige Visitation der Gläubigen nicht zu bewältigen vermöge, aufgeteilt werden müßten 5 . Auf dem Kontinent setzt ein ähnlicher Quellenstrom mit Bonifatius ein. Ein erstes Echo hören wir in dessen Briefsammlung. Papst Gregor II. erklärt 726 — offenbar auf Anfrage des Angelsachsen —, wem von einem Pontifex die Firmung gespendet worden sei (confirmatus), könne dieselbe nicht noch ein zweites Mal empfangen 6 . Dann mahnt Gregor III. 739 in einem Schreiben anläßlich der Neuordnung der bäurischen Kirche, daß die Getauften auch gefirmt werden müßten: oportet eos per manus inpositionis et sacri crismatis confirmari1. Diese Formulierung des Papstbriefes ist außerordentlich wichtig, wird doch die Firmung als Handauflegung und zugleich als Chrisma-Salbung bezeichnet. In solcher Kombination kann es sich nur um die zweite postbaptismale Salbung der römischen Litur1

Vita Cuthberti anonyma IV 5 (ed. COLGRAVE S. 116): Congregato populo de montanis, manutn ponens super capita singulorum, liniens unctione consecrata. — Zur Datierung s. ebd. S. 13f. 2 Institutiones Ine regis 76,3 (ed. LIEBERMANN l, S. 122f); FÖRSTER, 'gebisceopian' S. 262. 3 Beda, Vita Cuthberti 29 (ed. COLGRAVE S. 252): parrochiam suam circuiens monita salutis omnibus ruris casts, et uiculis largiretur, nee non etiam nuper baptizatis ad accipiendum spiritus sancti gratiam manum imponeret (kurz vor 721 geschrieben, s. ebd. S. 16); Ders., Ep. ad Ecgbertum 7 (ed. PLUMMER l, S. 410): talibus locis [=uillis ac uiculis} desit antistes, qui manus impositione baptizatos confirmet ... Sicque fit, ut episcoporum quidam non ... manus fidelibus imponant. S. auch Anm. 5. Ferner WILLIS, Early Roman liturgy S. 219f, dort weitere Quellentexte. 4 Beda, Expositio actuum apostolorum, (ed. LAISTNER S. 37 9 J: Notandum autem quad Philippus qui Samariae evangelizabat unus de septem fuerit; si enim apostolus esset, ipse utique manum imponere potuisset ut acciperent spiritum sanctum. 'Hoc enim solis pontificibus debetur ...[ folgt weiter der Innozenz-Text]. 5 Ders., Ep. ad Ecgbertum 9 (ed. PLUMMER l, S. 412). 6 Bonifatii epp. 26 (MGH Epp. sei. l, S. 45 2 2 ); s. auch Sermo Bonifatii 5,3 (MIGNE PL 89, Sp. 854A): semel et non amplius ad confirmationem accedere; zur (umstrittenen) Echtheit dieser Predigten s. RAU, Briefe des Bonifatius S. 373f. 7 Bonifatii epp. 45 (MGH Epp. sei l, S. 736).

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gie handeln und nicht etwa um eine Neubelebung der in Gallien zeitweilig üblichen reinen Handauflegung. Dann aber werden die confirmatio und Handauflegung, die Willibald mehrfach in seiner Vita Bonifatii erwähnt, ebenso zu verstehen sein 8 . Noch wichtiger ist indes die Feststellung, daß auch einige der Reformkanones des Bonifatius nur auf dem Hintergrund der römischen Firmung verständlich werden. Indem nämlich eine zweite, allein dem Bischof erlaubte Handauflegung mit Salbung gefordert wurde, mußte in den großen Diözesen des Nordens eine neue bischöfliche Hirtenpflicht proklamiert werden: die Pfarreien zu besuchen, um die Firmsalbung zu spenden. Und genau dies geschieht auf den bonifatianischen Synoden. Im Concilium Germanicum wird die neue Pflicht mehr im Hinblick auf den Pfarrklerus beschrieben, daß er den Bischof zu empfangen und dann auch das Volk zu versammeln habe 9 . Weitere Synodalbestimmungen, die uns nur in einem persönlichen Bericht des Bonifatius, nicht aber als offizielles Dokument erhalten sind, scheinen es direkt als Bischofsaufgabe formuliert zu haben: episcopus parrochiam suam sollicite circumeat, populum confirmare10 . Wohl stellte die bischöfliche Pfarrvisitation an sich nichts Neues dar11 ; durch die Verbindung mit einer unbedingt und nur vom Bischof zu spendenden Salbung mußte ihre Pflicht allerdings nachdrücklicher empfunden und vor allem regelmäßig ausgeführt werden 12 . Zweifellos haben wir hier ein Reformprojekt vor uns, das tief in die Organisation und in das Leben der fränkischen Kirche eingegriffen hat. Um so erstaunlicher wirkt es, daß dieses Ansinnen uneingeschränkt schon im ersten Anlauf proklamiert werden konnte. Weniger, daß es von der austrasischen Synode akzeptiert wurde, unter deren sieben mit Namen angeführten Bischöfen mindestens vier, wahrscheinlich sogar fünf, Angelsachsen gewesen sind13 ; viel überraschender ist, daß Pippin 744 in Soissons mit seinen 23 Bischöfen, die namentlich nicht bekannt sind, dasselbe anzuordnen imstande war 14 . Immerhin kann man vermuten, daß 8

Willibald, Vita Bonifatii 6 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 57, S. 3019;.· Hessorum iam multi, catholica fide subditi ac per septiformis Spiritus gratia confirmati, manus inpositionem acceperunt; ebd. 8 (S. 49 5 ): quia festum confirmationis neobitorum diem et nuper baptizatorum ab episcopo manu inpositionis et confirmationis populo praedixerat. — Die bischöfliche Handauflegung der Firmung könnte auch der Hintergrund sein für die Klage des Bonifatius, daß ein Ire propagiere, quod sine misterica invocatione aut lavacro regenerationis posse fieri catholicum christianum per episcopalis manus inpositionem (Bonifatii epp. 80; [MGH Epp. sei. l, S. 1777]). 9 Gone. Germanicum a. 742 c. 3 (MGH Capit. l, S. 2519; zitiert in $ 7 Anm. 11). 10 Bonifatii epp. 78 (MGH Epp. sei. l, S. 16329). 11 BACCRABERE, Visite canonique S. 1513-1517; PLÖCHL, Kirchenrecht l, S. 173f; KOENIGER, Sendgerichte l, S. llff. Daß die Visitationspflicht erst durch Bonifatius richtig ins Bewußtsein gebracht worden sei und die Firmung dabei den eigentlichen Anlaß gebildet habe, ist schon von A.M. KOENIGER (Sendgerichte l, S. 13ff) gesehen worden. 13 S. $ 7 Anm. 10; SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 209. 14 Capitulare Suessionense a. 744 c. 4 (MGH Capit. l, S. 2933J: Et quando iure canonico episcopus circumeat parrochia ad confirmandum populum, episcopi sive abbati sive presbyteri parata sint ad suscipiendum episcopo in adiutorium necessitatis. SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 219.

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den Zeitgenossen die hier so feierlich als ius canonicum proklamierte Pflicht nicht mehr einfachhin unbekannt gewesen ist 15 . Der von Bonifatius für Rouen ausersehene Erzbischof Grimo zum Beispiel hat die Collectio vetus Gallica, welche den wichtigen Innozenz-Brief zitiert, während seiner Abts/eit in Corbie neu bearbeiten lassen 16 , so daß ihm die Firmung wenigstens theoretisch bekannt gewesen sein muß. Da außerdem in England bischöfliche Firmreisen schon für die Zeit vor 700 angenommen werden müssen, könnten auf dem Kontinent neben einheimischen Romverehrern auch angelsächsische Missionare, so wahrscheinlich Willibrord, bereits Ähnliches gefordert und praktiziert haben17 . Mag darum Bonifatius wohl nicht der erste Propagator der bischöflichen Firmspendung gewesen sein, ohne Zweifel darf er — vor allem dank der weitreichenden Unterstützung seitens der Karolinger — als der erfolgreichste und in der Verwirklichung dieser Pflicht auch als einer der vorbildlichsten gelten: Nicht nur, daß sein Biograph ihm die Erteilung der Firmung nachrühmt, es war auf einer Firmreise in Friesland, als der Achtzigjährige überfallen und erschlagen wurde18 . Wir können uns nun auch den unmittelbaren historischen Kontext jener Verpflichtung näher verdeutlichen, mit der Bonifatius sich 719 vor Papst Gregor II. auf eine Spendung des Initiations-Sakramentes nach römischem Formular einließ19 . Von seiner Heimat her muß dem Angelsachsen die bischöfliche Konfirmation bekannt gewesen sein; auf dem Kontinent hingegen dürfte er dieselbe vernachlässigt gefunden haben. Was wunder, daß er sich gleich bei seinem ersten Aufenthalt in Rom über das sacramentum initiationis Instruktionen erteilen ließ. Die dabei eingegangene Verpflichtung hat er dann, wie die Quellen zeigen, in aller Gewissenhaftigkeit ausgeführt. Ja, es dürfte nicht einer gewissen Symbolik entbehren, daß das Sacramentum initiationis, so wie es bereits Bestandteil des päpstlichen Missionsauftrags gewesen ist, auch noch den Tod des Achtzigjährigen überschattete: Bonifatius zählte es offensichtlich zu den großen Aufgaben seines Lebens. So kann kein Zweifel sein, daß auf dem nordalpinen Kontinent hauptsäch5

Die wesentlichen Elemente des Ritus müssen bekannt gewesen sein, wenn auch vielleicht nicht die spezielle Form der Stirnsignierung. Handauflegung und Salbung konnten nämlich auch als Heilungsritus verstanden werden, und in dieser Form begegnen sie ebenfalls in Gallien. So berichtet die bald nach 700 entstandene Vita Boniti 13 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 1263J: duo demoniaci obvii facti, eum, ut eis confirmandi gratia manus inponeret, deprecati sunt. ... orans atque eis manus inponens confirmatis ...; Vita Pardulfi 3 (ebd. 7, S. 26 2 j: manum inponebat vel oleo benedicto perunguebat ..., repente ab eis ... omnes infirmitates febrium repellebat; ebd. 9 (S. 3020); Vita Germani 24 (ebd. S. 387 3 ), 38 (S. 396 s ), 58 (S. 407 12 ). S. auch DE BRUYNE, Imposition des mains S. 129-174; COPPENS, Imposition des mains S. 28-109; YSEBAERT, Baptismal terminology S. 290-319. 16 MORDEK, Kirchenrecht S. 92ff. 7 Zu beachten sind hier besonders die verschiedenen Uberlieferungsvarianten der Canones Theodori, die höchstwahrscheinlich bereits angelsächsische Missionsaspirationen auf dem Kontinent wiederspiegeln; Canones Theodori D 7 (ed. FINSTERWALDER S. 239): Nullum perfectum credimus in babtismo esse sine confirmatione episcopi; ebd. G 12 (S. 254); U II 4(5) (S. 317); s. auch ebd. Co 19 (S. 272); Co 68-70 (S. 275). 18 Willibald, Vita Bonifatii 8 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 57, S. 49 s ). 19 S. $ 7 Anm. 9.

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lieh seine Initiative die Firmung als ausschließlich bischöflichen Ritus der Geistmitteilung bekannt gemacht und mit Hilfe der Karolinger auch durchgesetzt hat 20 . Von der Firmforderung her gewinnen auch noch andere Bestrebungen, für die Bonifatius seine besten Kräfte eingesetzt hat, eine neue und plausiblere Erklärung. Zunächst einmal sei an die auffällige Erscheinung erinnert, daß ausgerechnet Angelsachsen auf dem Kontinent begonnen haben, neue Bistümer zu gründen: Willibrord in Utrecht 21 , Bonifatius in Büraburg, Erfurt und Würzburg 22 sowie in Baiern, dessen Aufgliederung in vier Bistümer er geleitet hat 23 . Die einheimischen Kirchenmänner in Gallien und im ostrheinischen Germanien haben offenbar keine Veranlassung zu solchen Schritten gesehen; sie verblieben bei den seit der Antike bestehenden Episkopalsitzen. Weiter waren es wiederum die angelsächsischen Erzbischöfe Willibrord und Bonifatius, die zum ersten Mal Hilfsbischöfe geweiht haben, deren Existenz seit der Jahrhundertmitte mit dem alten Institut der Chorbischöfe kanonisch gerechtfertigt wurde 24 . Beide Vorgänge, die Schaffung neuer und kleinerer Bistümer wie auch die Ordination von Auxiliarbischöfen, sind bisher als nicht weiter erklärbare Fakten hingenommen worden, gewinnen aber auf dem Hintergrund der nun als unabdingbar geltenden Firmsalbung eine plausible Erklärung. Die Quellen deuten diese Verknüpfung auch noch eben erkennbar an. Daß gerade im Zusammenhang mit der Neuordnung der bairischen Kirche ein Papstbrief mahnt, die Handauflegung und Chrisma-Salbung nicht zu vergessen 25 , dürfte kaum zufällig sein. Aber schon bei der 732 ausgesprochenen Erhebung des Bonifaz zum Missionserzbischof, bei welcher mit dem Pallium die Vollmacht der Bischofsweihe verliehen wurde, referiert Gregor III. in seinem Ernennungsschreiben den Wunsch des Neuernannten, solche Weihen nun endlich auch vornehmen zu wollen. Vor allem die aus Bonifazens Gesuch übernommene Begründung verdient dabei Beachtung. Der Missionar muß vorgebracht haben, daß er allein der großen Zahl der Neugläubigen nicht gewachsen sei und folglich die Gläubigen nicht mehr alle die nötigen Heilsmittel empfangen könnten 26 . Als Argument für die Weihe 20

In der Literatur findet sich, so weit ich sehe, wohl der allgemeine Hinweis darauf, daß diese Neuerung auf die Liturgiereform im 8. Jh. zurückgehe. Daß Bonifatius wesentlichen Anteil daran hat, ist nicht gesehen worden; auch seine Reformsynoden sind für die Geschichte der Firmung nicht ausgewertet. Jüngst konnte sogar noch behauptet werden, die Firmspendung gleich im Anschluß an die Taufe habe man "im Westen ab Ende des 13. Jhs. aufgegeben" (FIALA, Handauflegung S. 127). 21 FRITZE, Utrechts. 107-151. 22 SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 200f; BIGELMAIR, Mitteldeutsche Bistümer S. 266-286; JÄSCHKE, Concilium Germanicum S. 73-80; SCHIEFFER, Bischofssitz S. 18-32. 23 SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 182ff. S. auch $ 34 Anm. 12. 24 FUCHS, Ordinationstitel S. 211-236; GOTTLOB, Chorepiskopat S. 20-27; frühere Erwähnungen von Chorbischöfen in Gallien "sind sporadische Fälle, die sich aus besonderen Umständen erklären" (ebd. S. 19); LEVISON, England S. 66ff; KOTTJE, Isidor von Sevilla S. 533-537. 25 S. Anm. 7. 26 Bonifatiii epp. 28 (MGH Epp. sei. l, S. 503j: Quia vero turbas Domini gratia in eisdem partibus ad rectam fidem asseruisses converses, nequire te occurrere omnibus ea quae salutis sunt impendere auf intimare, cum iam lange lateque gratia Christi eius fides in illis partibus propagetur: precipimus, ut iuxta sacrorum canonum statuta, ubi multitude excrevit fidelium, ex

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weiterer Bischöfe hat dieser Gedanke nur dann einen Sinn, wenn es spezifisch bischöfliche Aufgaben gab, welche die Priester, die es ja in größerer Zahl gab, nicht auszuführen vermochten. Als solches Bischofsreservat, das aber zugleich für die Masse der Gläubigen von allgemeiner Bedeutung war, läßt sich eigentlich nur die Firmsalbung anführen. Deren Unterlassung bedeutete nämlich, wie Beda schon lebhaft beklagt hatte, einen geistlichen Schaden für die Gläubigen 27 . Mag auch der Papstbrief bei der Wiedergabe des Bonifatius-Gesuches die Firmspendung nicht ausdrücklich erwähnen, es dürfte dennoch die Sorge um diese Heilshandlung im Hintergrund gestanden haben, so daß nur mit Hilfe von neugeweihten Bischöfen Abhilfe geschaffen werden konnte. Trotz aller Bemühungen um eine größere Zahl von Bischöfen ließ sich jedoch die Abspaltung der zweiten postbaptismalen Salbung vom Taufvollzug nicht verhindern. Was in Rom ob der räumlichen Nähe einer Stadt keine Mühe bereitete, war in den immer noch großen Diözesen des Nordens weiterhin unmöglich: die Anwesenheit des Bischofs bei jeder Taufspendung. Die Firmsalbung mußte darum für gewöhnlich nachträglich erteilt werden. Die karolingischen Liturgie-Reformer konnten sich zur Rechtfertigung freilich auf Beispiele aus Rom selbst berufen. Denn dort hatte es immer wieder unvermeidliche Notfälle gegeben, wo in aller Eile die Taufe gespendet worden war, ohne daß die Ankunft des Bischofs hatte abgewartet werden können. Das früheste Beispiel ist Novatian, dem vorgeworfen wurde, er habe seine auf dem Krankenbett empfangene Taufe später nicht durch die bischöfliche Confirmatio vervollständigen lassen28 . Die römischen Formulare für die Krankentaufe, sowohl des Gelasianum wie des Gregorianum, lassen die nachgeholte Firmung geradezu als normal für diese Notsituation erscheinen 29 . Anstelle der üblicherweise geltenden Aufeinanderfolge von Taufe, Konfirmation und Kommunion erfolgte hier eine Vertauschung der beiden letzten Handlungen; nach der Taufe wurde sofort die Kommunion gespendet und später erst die Konfirmation. Desgleichen galt im Krankheitsfalle des Bischofs, daß er seiner Firmpflicht so weit wie eben möglich nachzukommen habe; die Getauften sollten, wie Gregor der Große einmal schreibt, tunlichst nicht 'inconsignati' bleiben 30 . Was aber in Rom immer nur in Notfällen geschah und als baldigst zu behebende Ausvigore apostolicae sedis debeas ordinäre episcopos. S. auch SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 157-161. 27 Beda, Ep. ad Ecgbertum 8 (ed. PLUMMER l, S. 411): Si autem aliquid utilitatis fidelibus conferre manus impositionem, qua. Spiritus Sanctus accipitur, credimus et confitemur; constat e contrario, quia haec ipso, utilitas ei quibus manus impositio defuerit, abest. Cuius nimirum priuatio boni ad quos amplius quam ad ipsos respicit antistites, qui illorum se promittunt esse praesules, quibus spiritualis officium praesulatus exhibere aut negligunt aut nequeunt? 28 VOGT, Coetus sanctorum S. 109ff; BOUHOT, Confirmation S. 35ff. Ob freilich eine Bemerkung des Liber Pontificalis über Papst Silvester, er habe den Priestern die (erste) Salbung erlaubt propter occasionem transitus mortis, auf eine Taufsalbung in abzusehenden Todesfällen zu deuten ist, dürfte nicht so unangefochten gelten wie J.-P. BOUHOT (ebd. S. 59f) will; J. YSEBAERT (Baptismal terminology S. 356) hält diese Deutung für unwahrscheinlich. 29 Sacr. Gelas. 611 u. 615 (ed. MOHLBERG S. 9615+28 j; Sacr. Hadr. 984 (ed. DESHUSSES l, S. 336): Communicas et confirmas eum. S. auch MITCHELL, Anointing S. 92-102, bes. S. HOf u. 156f, wo diese frühen Formen der Abspaltung besonders herausgestellt sind. 30 MITCHELL, AnointingS. 101.

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nähme empfunden wurde, stellte im Norden seit Bonifatius den Regelfall dar. Angesichts solcher Neuerungen ist es nicht verwunderlich, daß hinsichtlich der Firmung immer wieder Verordnungen ergingen, in denen die Bischöfe zur Spendung und die Gläubigen zum Empfang angehalten wurden 31 . Wenn dieser neue Ritus auch nicht die Gewichtigkeit der Taufe beanspruchen konnte, so suchten doch einzelne Autoren seine Bedeutung möglichst hoch zu veranschlagen 32 . Auffallend ist dabei allerdings, daß in der Taufrundfrage Karls des Großen die Firmsalbung unerwähnt bleibt. Dabei möchte man erwarten, daß gerade dieser für Gallien neuartige Ritus sich vielleicht nur schwer habe durchsetzen können und deshalb besondere Aufmerksamkeit erfordert habe. Doch ist auch denkbar, daß die Firmung zu dieser Zeit bereits als ein von der Taufe gesonderter Akt aufgefaßt wurde 33 . In der Formulierung weist Karls Brief deutliche Parallelen mit Alkuins bekanntem Schreiben über die Taufe auf und weiter auch noch mit dem für die römische Taufliturgie so wichtigen Brief des Diakons Johannes aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Letzterer spricht zunächst von nur einer postbaptismalen Salbung, die er in Beziehung setzt zur alttestamentlichen Priesterund Königssalbung, erwähnt dann beiläufig die Kommunion (mensa sponsi caelestis) und läßt anschließend eine ausführliche Begründung für das ausschließliche Recht des Bischofs auf die Chrisam-Salbung folgen, ohne freilich das Zueinander der beiden Salbungen richtig klarzulegen 34 . Alkuin spricht in deutlicher Anlehnung an Johannes von der Salbung, die aber von ihm eindeutig zur ersten postbaptismalen Salbung gemacht wird, da er nach Erwähnung der Kommunion noch einen unmißverständlichen Satz über die allein dem Bischof zustehende zweite Salbung anfügt. Karl hingegen, dessen Anfrage neben Anklängen an den JohannesBrief ebenso deutliche Anklänge an Alkuins Text enthält, erwähnt diese bischöfliche Firmsalbung gerade nicht mehr; die Frage nach der Taufkommunion bildet den Schluß 35 . Nicht minder bemerkenswert sind sodann die Reaktionen der Antwortgeber. Amalar zum Beispiel hält sich strikt an Karls Fragen. Mit keinem Wort erwähnt er die bischöfliche Firmsalbung, obwohl er später in seinem Liber officialis ein Kapitel über beide Riten bringt: De unctione ehr ismatis a presbyter o et 31

Decretum Compendiense a. 757 c. 12 (MGH Capit. l, S. 38 * j: Impositione tarnen manuum episcopi indiget; OR XV 119 (ed. ANDRIEU 3, S. 120): Baptizati ... infantes, si ad praesens possunt episcopum habere, confirmari cum crisma debent. Quod si ipsa die minime episcopum invenire potuerint, in quantum celerius possunt invenire, hoc sine dilatione faciant; der Ordo ist im Frankenreich während der 2. Hälfte des 8. Jhs. entstanden (VOGEL, Introduction S. 143). Conc. Parisiense a. 829 c. 33 (MGH Conc. 2/2, S. 63337); Haito, Capitula ecclesiastica 5 (MGH Capit. l, S. 36316): ut sciant quid sit sacramentum baptismatis et confirmationis (s. dazu DE CLERCQ, Legislation S. 282ff); Statuta anonyma 6 (MGH Capit. l, S. 36815;.· Celerrime ... infantulos ad confirmandum episcopo praesentare (s. dazu DE CLERCQ, Legislation S. 284292). 32 Amalar, Liber officialis I 27 (ed. HANSSENS 2, S. 14033, 14435); FISHER, Initiation S. 59. 33 So auch FISHER, Initiation S. 58f; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 325; ANGENENDT, Bonifatius S. 157f. 34 Johannes Diaconus, Ep. ad Senarium 6 u. 7 (ed. WILMART, Analecta S. 17415 , 175 6 ). Zu dem Problem der zweiten bischöflichen Salbung bei Johannes Diaconus s. FISHER, Initiation S. 20ff; MITCHELL, Anointing S. 98f.

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de impositione manus episcopi super neofytum36 . Andere Antworten halten sich getreu an Alkuin; wieder andere korrigieren — auch bei sonst vollständiger Anlehnung an ihn — dessen dem idealen liturgischen Ablauf widersprechende Ordnung und schieben ihre Erklärung über die Firmsalbung an der, theologisch gesehen, richtigen Stelle ein, nämlich zwischen der ersten Salbung und der Taufkommunion37 . Wenn Alkuin die Firmsalbung erst nach der Kommunion erwähnt, so mag das bedingt sein durch seine Abhängigkeit vom Diakon Johannes, dem er im wesentlichen folgt und den er dann ergänzt. Es dürfte darin aber ebenso zum Ausdruck kommen, daß die Firmung, weil praktisch nur noch in wenigen Fällen mit der Taufe zusammen gespendet, ein bereits selbständiger Ritus geworden war: Der Pfarrer taufte und für irgendwann stand zu erwarten, daß der Bischof firmen werde 38 . Der Empfang der bischöflichen Salbung verlangte dann bald auch eine eigene Vorbereitung, so daß beispielsweise Bischof Herard von Tours (855-869) vorschrieb, zum würdigen Empfang seien Nüchternheit und die Beichte erforderlich39. Bemerkenswert ist ferner die weitere rituelle Ausgestaltung. Unter den Akten einer Trierer Synode wohl des Jahres 927 findet sich folgende Ermahnung: Die Eltern sollten die Kinder nach deren Taufe so rasch wie möglich der Firmung zuführen, noch bevor dieselben zu sündigen wüßten und sich mit schmutzigen Lastern befleckten; man solle sich bewußt sein, daß durch die Gabe der Firmung die 5

Johannes Diaconus

(Ep. ad Senarium 6 [ed. Wilmart, Analecta 17415]): Sumptis dehinc albis uestibus caput eius sacri chrismatis unctione perunguitur ut intellegat baptizatus regnum in se ac sacerdotale convenisse mysterium Utunter albis uestibus ut ad mensam sponsi caelestis renascentis caput lintei decore conponitur Nam sacerdotes illius temporis quodam mystico velamine caput semper ornabant

36 37 38 39

Alkuin

Karl der Große

(Ep. 134 [MGH Epp. 4, S. 202 31 ]): Tunc sacro chrismatis caput perunguitur et mystico tegitur velamine u t in teilega t se diadema regni et sacerdoti dignitatem portare

(Ep. ad Odilbertum [MGH Capit. l, S. 247 14 ]): Cur albis induitur vestimentis Cur sacro chrismate caput perunguitur et mystico tegitur velamine

Sie corpore et sanguine dominico confirmantur Novisseme per inpositionem manus a summo sacerdote septiformis gratiae spiritum accipit

Vel cur corpore et sanguine dominico confirmatur

Amalar, Liber officialis I 27 (ed. HANSSENS 2, S. 138'23). FISHER, Initiation S. 67ff. Ebd. S. 69, 120-140. Herard, Capitula 75 (MIGNE PL 121, Sp. 769): Ut jejuni ad confirmationem veniant per-

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Vollendung des Christseins und die Fülle des siebenfältigen Geistes vermittelt werde; ohne diese Gabe bestehe Gefahr beim Verscheiden aus diesem Leben. Die Gefirmten sollten die Salbung sieben Tage lang mittels schützender Binden an ihrer Stirn behalten und sich währenddessen nicht irgendwie beflecken; die Binden seien für ähnliche Zwecke aufzubewahren oder aber im Feuer zu verbrennen40 . Der alte Zusammenhang von Taufe, Firmung und Eucharistie, der in wohlbegründeter Abfolge die schrittweise Einführung und Teilhabe an den christlichen Heilsmysterien verwirklichte, war mit der Verselbständigung der Firmung zerrissen. Diese wurde zusammenhanglos, ein Gnadenempfang eigener Art. Endlich muß noch ein Wort über den liturgischen Sprachgebrauch angefügt werden, weil wir nämlich die Firmspendung oft in verkürzenden und auch uneinheitlichen Ausdrucksweisen beschrieben finden. Zur Klärung seien nochmals die beiden grundlegenden römischen Quellen in Erinnerung gerufen, das Gelasianum und der Ordo Romanus XI. Ihnen zufolge spendet der konfirmierende Bischof den siebenfältigen Geist, indem er zur Konsignierung die Hand auflegt, ein Gebet spricht und dann mit Chrisma die Stirn in Kreuzesform salbt41 . In den karolingischen Quellen heißt nun die Firmung sehr oft einfach nur die bischöfliche Handauflegung, die zur Austeilung des siebenfältigen Geistes42 erfolge. Doch lassen genügend Texte erkennen, daß damit zugleich die Stirnsalbung verbunden war 43 . Auf einer Elfenbeinplatte im Buchdeckel des dem 9. Jahrhundert entstammenden Drogo-Sakramentares ist diese Stirnsalbung auch bildlich dargestellt44. Während des ganzen Mittelalters blieb freilich das alte Problem, wie die genauere Zuordnung dieser Rituselemente zueinander und infolgedessen auch die liturgifectae aetatis; et moneantur confessiones dare prius, ut mundi donum sancti Spiritus valeant accipere; s. auch BROMMER, Gesetzgebung S. 26-42. 40 Sermo in synodo faciendus c. 24 (ed. POKORNY S. 20): Confirmati vero usque in diem septimum ipsam sancti crismatis unctionem cum bindis desuper ligatis in frontibus portent neque alicui pollutioni aut luxurie vel venationi se maculent. Ipsas vero bindas auf ad usus similes servent aut igni tradant. 41 S. $ 14 Anm. 14. 42 S. Anm. 8 (Willibald in der Vita Bonifatii); Vita Hugberti 3 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 4842 ): Baptismi unda ablutos septiformi gracia corroborabat; Passio Kiliani 7 (ebd. 5, S. 725 J: baptizatus est ab illo et confirmatus et omnis populus; Alcvini epp. 143 (MGH Epp. 4, S. 226 18 ): per manus impositionem apontifice Spiritum sanctum accipere. 43 Libri Carolini I 23 (MGH Conc. 2, Suppl., S. 5l 3 9 ): in vexillo crucis, quod accepto baptismatis sacramento per sacrosanctum unguis liquorem nostris frontibus imprimitur; Capitula excerpta a. 806 c. 17 (MGH Capit. l, S. 133 ): De confirmatione curn chrismate; Amalar, Liber officialis I 29 u. 30 (ed. HANSSENS 2, S. 1495 + 14/): arabona Dei suscepimus ... signo crucis ... Ha.ec crux chrismate efficitur ... Ut ab episcopis solis inungatur per manus impositionem ...; ähnlich ebd. I 40 (S. 186 27 ); Ratramnus, Contra Graecorum opposita IV 7 (MIGNE PL 121, Sp. 333B): per manuum impositionem, quando frontes baptizatorum chrismate sancto liniuntur ...; Jesse von Amiens, Ep. de baptismo (ebd. 105, Sp. 790C): De confirmatione episcopi. ... confirmet episcopus in fronte de chrismate. Jdeoque manus impositio fit, utper benedicitionem advocatus invitetur Spiritus sanctus ...; Leidrad von Lyon, Liber de sacramento baptismi 7 (ebd. 99, Sp. 864B): per chrismatis unctionem et manus impositionem dari Spiritum sanctum ... Angilmodus, De ordine scrutinii (ed. STEGMÜLLER S. 31): manus impositio frontisque perunctio; VAGAGGINI, Per unctionem chrismatis in fronte S. 363-439. 44 DESHMAN, Warmund Sacramentary S. 2. S. auch HOLL, Firmung Sp. 34f.

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sehe Ausführung zu handhaben seien. Es mußte verunsichernd wirken, daß man im Rückgriff auf die Apostelgeschichte allein eine Handauflegung erwähnt fand, während man sich von der Tradition her ebenso zu einer Salbung und Stirnsignierung verpflichtet sah 45 . Für die Theologen der Scholastik aber stellte gerade die Salbung das entscheidende Element dar:- Das Chrisma wurde als die Materie des Sakramentes46 und die indikative Formel 'Confirmo te ..." oder auch 'Consigno te ...' als die Form angesehen 47 . Angesichts solcher Verschiebungen kann es nicht verwundern, wenn die Terminologie oft schwankte und bis heute der Textinterpretation Schwierigkeiten bereitet 48 . Ja, bis in die Gegenwart sind die Fragen nach dem Zueinander von Handauflegung und Salbung wie auch die Frage nach einer Delegierung an nichtbischöfliche Spender vom historischen Befund her umstritten geblieben 49 . Zum Schluß sei noch der Frage nachgegangen, ob die Bischöfe tatsächlich der so nachdrücklich proklamierten Firmpflicht nachgekommen sind. Einzelne Zeugnisse sind durchaus aufweisbar, so etwa aus der Vitenliteratur 50 . Die Synode von Chalon-sur-Saone des Jahres 813 läßt die Firmspendung als gänzlich normalen Vorgang erscheinen 51 . Realistischer aber dürfte die 845 in Meaux tagende Synode geurteilt haben, indem sie feststellte, daß die Firmung weithin vernachlässigt worden sei 52 . Die schon von Willibrord und Bonifatius herbeigeführte Lösung, Chor45

MALVY, Imposido pollicis S. 213-232; BANTING, Imposition of Hands S. 147-159; AUF DER MAUR, Unctio S. 476-482. 46 ADAM, Sakrament der Firmung. 47 Pontificale Romano-Germanicum XCIX 387 (ed. VOGEL - ELZE 2, S. 10928;.· pontifex facial crucem in sirigulorum frontibus ita dicendo: Confirmo et consigno te. Eine bemerkenswerte Firmformel findet sich in Constitutum Constantini 9 (ed. FUHRMANN S. 76 134 J: Levatoque me de venerabili fönte, indutus vestibus candidis, septemformis sancti Spiritus in me consignatione adhibuit beati chrismatis unctionem et vexillum sanctae crucis in mea fronte linivit dicens: Signat te deus sigillo fidei suae in nomine patris et filii et Spiritus sancti in consignatione fidei. Cunctus clerus respondit: Amen. STÜRNER, Fides Konstantins S. 96. S. ferner BRINKTRINE, Lateinische Firmformel S. 51-53; NEUNHEUSER, Taufe S. 105ff. 48 Ein Beispiel: Die in der zweiten Hälfte des 9. Jhs. verfaßte Vita Pirminii rühmt ihrem bischöflichen Heiligen nach, daß er unermüdlich darin gewesen sei, den Gläubigen die Hand aufzulegen. Aber nur dadurch, daß der Verfasser hauptsächlich von dem Wunder einer dabei geschehenen ölvermehrung berichten will, erfahren wir, daß es sich um eine (Firm-)Salbung gehandelt haben muß; Vita Pirminii 7 (MGH SS 15/1, S. 27 27 ). In seiner Konstitution Divinae consortium naturae vom 15. August 1971 hat Papst Paul VI. bei der Neuordnung des Firmritus folgende Formel gewählt: "Sacramentum confirmationis confertur per unctionem chrismatis in fronte, quae fit manus impositione, atque per verba: Accipe signaculum doni spiritus sancti" (Ephemerides Liturgicae 86, 1972, S. 102); ferner die dort sich anschließenden Kommentare von B. LEWANDOWSKI, A.M. TRIACCA und G. AUSTIN; LIGIER, Confirmation S. 267-321; DERS., Imposition des mains S. 407-486. Vita Faronis 103 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 195 ): Faro pontifex in ministerio confirmationis, in quo animae corporum baptizatorum donum sancti Spiritus accipiunt, per liniamentum chrismae sanctificationis se devotissime obligavit. S. auch BECK, Annotationes S. 24-27. Conc. Cabillonense a. 813 c. 14 (MGH Conc. 2/1, S. 276): quando eis peragrandae parroechiae necessitas incumbit, in confirmandis hominibus ... 52 Conc. Meldense a. 845 c. 28 (MGH Capit. 2/2, S. 40534,).· confirmation!, quod hactenus per parrochias fuit neglectum.

§17 Assistenz bei der Taufe

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bischöfe zu weihen, ist über längere Zeit bestehen geblieben, und dieselben dürften sich, wie Hrabanus Maurus schreibt 53 , vor allem in der Firmspendung betätigt haben. Da aber das Institut der Chorbischöfe gegen Ende des 9. Jahrhunderts wieder unterdrückt wurde 54 , war man in spätkarolingischer Zeit eigentlich dort wieder angelangt, wo Bonifatius begonnen hatte: bei den großen Diözesen, in denen der Bischof nicht selbst in der Lage war zu firmen.

4. Das Patenamt §17 Assistenz bei der Taufe Das Patenamt, wie wir es in den frühmittelalterlichen Quellen antreffen, ist selbst ein Produkt dieser Zeit. In den neu testamentlichen Schriften, soweit sie von der Taufe sprechen, sind Paten nicht erwähnt 1 . Erst seit dem Beginn des 3. Jahrhunderts hören wir von Handlungsweisen, denen eine gewisse Nähe zum späteren Patenamt zugesprochen werden kann. Gemäß der Apostolischen Tradition Hippolyts mußten alle, die der Kirche zugeführt werden wollten, Bürgen mitbringen, die für sie Zeugnis ablegten; die Ernsthaftigkeit der Bekehrung wollte die Gemeinde von Vertrauensleuten bezeugt wissen. Diese hatten dann den Taufbewerber noch weiter durch die Vorbereitungszeit bis zur Taufe zu begleiten 2 . Ein anderes Element, das für das Pateninstitut von Bedeutung war, bildete das Amt der Taufhelfer: Diakone und Diakonissinnen nahmen die Getauften beim Hinaussteigen aus dem Brunnen in Empfang 3 . Das für diese Tätigkeit verwendete suscipere diente später fast regelmäßig zur Umschreibung der Patenhandlung 4 . Darüber hinaus ist bezeugt, daß nach der rituellen Assistenz auch noch Aufgaben eines mehr geistlich-lehrhaften Beistandes für die erste Zeit nach der Taufe folgen konnten; von hierher scheinen sich die Bezeichnungen pater spiritualis und mater spiritualis eingebürgert zu haben 5 . Für die volle Ausbildung des Patenamtes ist 53 Hrabanus Maurus, De institutione clericorum I 5 (ed. KNÖPFLER S. 18): Ordinati sunt autem chorepiscopi propter pauperum curam, qui in agris et villis consistunt, ne eis solatium confirmationis deesset. 54 GOTTLOB, Chorepiskopat S. 102-143. 1

DUJARIER, Parrainage S. 117-171; BAILEY, Sponsors S. Iff. Hippolyt, Traditio Apostolica 15 (ed. BOTTE S. 32 j: Et dent testimonium super eos illi qui adduxerunt eos an sit eis virtus ad audiendum verbum; ähnlich ebd. 20 (S. 424/).· iHi qui adduxerunt eos testantur super eum. Ferner STENZEL, Taufe S. 134f. 3 Hippolyt, Traditio Apostolica 21 [S] (ed. BOTTE S. 481): diaconus descendat cum eo in aquam et dicat ei adiuvans eum. Didascalia III 12 (ed. FUNK S. 210 2 ) : Et cum ascendit ex aqua, quae baptizatur, earn suscipiat diaconissa ac doceat et erudiat, infragile esse sigillum baptismi ...; DICK, Pateninstitut S. 40-45; BAILEY, Sponsors S. 10-15. 5 Itinerarium Egeriae 45 (CChr.SL 175, S. 87 1 1 ) und 46 (S. 878 und 8838) nennt die Katechumenatshelfer patres und matres. S. dazu BASTIAENSEN, Itineraire d'Egerie S. 17ff; DÖLGER, Garantiewerk der Bekehrung S. 273ff. Für den Westen ist wichtig die Bestimmung in Statuta 2

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dann insbesondere die Kindertaufe von Bedeutung gewesen, weil sich bei ihr die Frage nach der Verantwortung und Beteiligung Dritter am eindringlichsten stellte6 . Schon Tertullian (+220) kannte sponsores, die bei der Taufe von Kindern für deren späteres christenwürdiges Leben einstehen sollten — ein Unterfangen, das er allerdings für vermessentlich hielt 7 . Zunächst waren es naturgemäß die Eltern, die ihr Wort für die Kinder abgaben. Die stellvertretende Taufantwort der Eltern oder anderer Familienangehöriger erwähnt bereits die Apostolische Tradition Hippolyts 8 . Für Augustin (+430) waren es ebenfalls noch die Eltern, die normalerweise selbst ihre Kinder zur Taufe brachten; wegen ihrer Verantwortung für den Glauben der Täuflinge nennt er sie fidedictores9. Dann aber hat sich ein besonderes Patenamt entwickelt, das eigens bestellten Männern oder Frauen oblag. Bei Caesarius von Arles (+542) sehen wir dieses Amt bereits weitgehend ausgebildet. Er nennt die Paten ähnlich wie Augustin fideiussores. Doch ist es für ihn noch nicht obligatorisch, daß die Eltern ihre Stelle an Paten abtreten müssen 10 . Aufschluß über Einzelheiten des rituellen Ablaufs der Taufe und die damit verbundenen Patenhandlungen geben wiederum die Ordines Romani. Der für den frühmittelalterlichen Taufritus grundlegende Ordo Romanus XI, der dem späten 7. Jahrhundert entstammt 11 , weist den Paten gleich eingangs einen Platz zu, der sie den Eltern eindeutig vorordnet. Die führende Rolle der Paten ist bereits so selbstverständlich, daß ihre Namen bei der Anmeldung eines Täuflings sofort mit aufgeschrieben werden 12 . Sie heißen suscepturi oder auch patrini und matrinae13. In den sieben Skrutinien, deren Kreuzsignierungen, Exorzismen und Segnungen sich vielmals wiederholen, obliegt es ihnen, als erste, in Abwechslung mit drei Akolythen und einem Priester, die Stirn der Kinder in Kreuzesform zu signieren14 . Bei den nachfolgenden Skrutinienmessen bringen die Paten oder die ecclesiae antiqua 100 (CChr.SL 148, S. 184 8).· Viduae uel sanctimoniales, quae ad ministerium baptizandarum mulierum eliguntur, tarn instructae sint ad id officium, ut possint aperto et sano sermone docere imperitas et rusticanas mulieres, tempore quo baptizandae sunt, qualiter baptizatoris ad interrogata respondeant et qualiter accepto baptismate uiuant. 6 JEREMIAS, Kindertaufe S. 95-100; ALAND, Säuglingstaufe S. 36-44; JEREMIAS, Anfänge der Kihdertaufe S. 54ff. 7 Tertullian, De baptismo 18 (CChr.SL l, S. 293 22 ). 8 Hippolyt, Traditio Apostolica 21 (ed. BOTTE S. 44 ): Qu.i autem non possunt loquipro se, parentes eorum loquantur pro eis, vel aliquis ex eorum genere. DICK, Pateninstitut S. 45-48; ALAND, Säuglingstaufe S. 24f; KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. lOOf. 9 Augustinus, Ep. 98,7 (CSEL 34/2, S. 52816j: quando ad baptismum offeruntur, pro eis parentes tamquam fidedictores respondent ... S. auch KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 243 und 245. 10 BERG, Werke des hl. Caesarius S. 48-54. 11 VOGEL, Introduction S. 115, 138-141. 12 OR XI 2 (ed. ANDRIEU 2, S. 4182J: scribantur nomina infantum vel eorum qui ipsos suscepturi sunt... S. voraufgehende und nachfolgende Anmerkung. 14 OR XI 12 (ed. ANDRIEU 2, S. 42011).· Et signent illos infantes in frontibus eorum patrini vel matrinae; desweiteren ebd. 17, 20, 23 und 27; s. ferner ebd. S. 391f; STENZEL, Taufe S. 225ff; VAN MOLLE, Parrainage S. 124f; BAILEY, Sponsors S. 38ff. Zur Kreuzsignierung s. auch die in § 22 Anm. 3 zitierten Untersuchungen von F.-J. DÖLGER.

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Eltern — diese werden im Ordo hier überhaupt zum ersten Mal erwähnt — für die Taufkandidaten Opfergaben dar 15 . Im Memento vivorum des Hochgebetes wird allein der Paten gedacht 16 . Auch in der Wiedergabe des Credo und des Paternoster treten sie als Sprecher auf 1 7 . Während noch der Ordo Romanus XI wie auch das Altgelasianum die Kinder das Symbolum wiedergeben lassen wollen 18 , werden in Sakramentaren des 9. Jahrhunderts ausdrücklich die Paten aufgefordert, die Antworten zu geben 19 . Auch die Frage nach dem Namen des Kindes, die vor der Taufe gestellt wurde, war vom Taufpaten zu beantworten 20 , so daß er, wie es tatsächlich auch in manchen Quellen zum Ausdruck kommt, als der Namensgeber erscheinen konnte. Was allerdings die Paten unmittelbar bei der Taufhandlung zu tun hatten, wird im Ordo Romanus XI nicht näher erläutert. Obwohl sie durchweg suscepturi heißen, muß doch die Frage gestellt werden, ob sie die ihnen Anempfohlenen wirklich aus dem Taufbrunnen emporgehoben haben. Der Ordo verordnet: Levantes autem ipsos infantes in manibus suis offerunt eos uni presbitero21. Dieser Presbyter hatte die sogenannte erste postbaptismale Salbung zu vollziehen. Darauf folgt die Bestimmung, daß die suscepturi mit Leinentüchern bereitstehen sollen, um die Täuflinge in Empfang zu nehmen 22 . Mag man hier noch Andrieu's Deutung, daß die levantes die Paten seien, gelten lassen 23 , so haben doch die jüngeren Ordines ihre Schwierigkeiten damit, die levantes richtig einzuordnen. Nach dem Ordo Romanus XV, der in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts abgefaßt worden ist 24 , steigen barfüßige Priester oder Diakone in den Brunnen 15

OR X! 32 (ed. ANDRIEU 2, S. 42510).· Et offeruntur oblationes a parentibus eorum vel ab his qui ipsos suscepturi sunt; ähnlich ebd. 74 (S. 44l 7 ). 16 Ebd. 34 (S. 425 14 j: Üb i dielt: Memento ... recitantur nomina virorum ac rnulierum qui ipsos infantes suscepturi sunt. Ähnlich findet sich dieser Passus in Sacr. Gelas. 26/195 (ed. MOHLBERG S. 33 j: Et recitantur nomina uirorum et mulierum, qui ipsos infantes suscepturi sunt. S. dazu ANDRIEU, Ordines Romani 2, S. 385, 390; ferner BERGER, Offere pro S. 201204. 17 VAN MOLLE, Parrainage S. 125; FISHER, Initiation S. llf; BAILEY, Sponsors S. 43ff. 18 OR XI 82 (ed. ANDRIEU 2, S. 443 2 J: cateäzantur et reddunt symbolum et baptizantur; Sacr. Gelas. 42 (ed. MOHLBERG S. 6721;.· reddunt infantes symbulum. 19 Sakramentar von Monza 1114 (ed. DOLD — GAMBER S. 103): qui suscepturus est tenente infantem in manu sua interrogat eum pbr; OR XV 114 (ed. ANDRIEU 3, S. 119 22 ): respondent circumstantes ...; S. auch Amalar, Liber officialis I 24, 13 (ed. HANSSENS 2, S. 13212,).· Solemus enim nominare infantem et dicere ei: 'Credis in Deum Patrem?' atque respondet offerens: 'Credo'. Walafrid Strabo, De exordiis et incrementis 27 (MGH Capit. 2/2, S. 51212,).· inventum est, ut patrini vel matrinae adhibeantur suscepturi parvulos de lavacro et pro eis respondeant omnid ... 20 Suppl. Anianense 1084 (ed. DESHUSSES l, S. 378): Benedic to fönte et eo tenente infantem a quo suscipiendus est, interroget sacerdos ita: Quis uocaris. R. Ille. Weitere Belege s. § 19 Anm. 24. 21 OR XI 97 (ed. ANDRIEU 2, S. 446 1 ). Ebd. 98 (S. 446 j: Et sunt parati qui eos suscepturi sunt cum linteis in manibus eorum et accipiunt ipsos a pontifice vel diaconibus qui eos baptizant. 23 ANDRIEU, Ordines Romani 2, S. 395f. 24 VOGEL, Introduction S.-123ff, 143.

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und taufen; danach reichen sie die Kinder, 'nachdem diese wieder emporgehoben worden sind', einem Priester zur Stirnsalbung; dort erst müssen die Paten mit ihren Tüchern bereitstehen, damit ihnen die Täuflinge übergeben werden können 25 . Nach dem Ordo Romanus XXXB, der ebenfalls noch dem 8. Jahrhundert angehört 26 , halten Subdiakone die Täuflinge, bei der postbaptismalen Salbung 27 . Auch hier treten die Paten erst nach der Stirnsalbung wieder in Aktion: Sie bekleiden dann die Täuflinge und bringen sie ins Konsignatorium28 . Das Sacramentarium Gellonense wiederholt diese Anordnung 29 . Nach dem Pontificale RomanoGermanicum des 10. Jahrhunderts nehmen allerdings die Paten ihre Täuflinge sofort nach der Taufe in Empfang und halten sie bei der ersten postbaptismalen Salbung30. Diese Beobachtungen führen, wenn wir daraus das Fazit ziehen, zu einem immerhin nicht ganz unwichtigen Ergebnis: Man wird vorsichtig sein müssen, die Patenaufgabe des suscipere in jedem Falle wörtlich zu nehmen; weniger das Aufheben aus der Taufe als vielmehr das Bereithalten von Tüchern und das Ankleiden der Täuflinge kennzeichnen die Patenaufgaben. Wenn aber das Aufheben aus der Taufe nicht der die Patenhandlung schlechthin charakterisierende Akt gewesen ist, stellt sich die Frage, warum man trotzdem an der Bezeichnung suscipere festhielt und die Paten ausdrücklich susceptores nannte. Wir werden sehen, daß der Grund möglicherweise woanders zu suchen ist, nämlich in der Tatsache, daß man die Taufpatenschaft mit religiösen und weiter noch mit familienrechtlichen Akten des 'Aufhebens' zusammenbrachte 31 . Mit ihrer Beteiligung beim Taufritus waren freilich die Paten noch nicht aus ihren Aufgaben entlassen. In den folgenden acht Tagen, an denen bei den Gottesdiensten spezielle Bitten für die Täuflinge gesprochen wurden, waren sie gehalten, deren besondere duces zu sein 32 . Gelegentlich ist dabei auch von Patengeschenken 25

OR XV 75 (ed. ANDRIEU 3, S. 112*); ähnlich OR XXVIII 76 (ebd. S. 407 10 ). VOGEL, Introduction S. 122f, 150. 27 OR XXXB 51 (ed. ANDRIEU 3, S. 473 8 ). 28 Ebd. 54 (S. 473 14 ); ferner OR XXXI 86 (ebd. 3, S. 503 3 ). 29 Sacr. Gell. 111/709 (ed. DUMAS l, S. 100). 30 Pontificale Romano-Germanicum XCIX 377 (ed. VOGEL - ELZE 2, S. 10636): Cum autem infantes Ut autem surrexerint a fönte, elevati fuerint a fönte, illi qui eos suscipiunt, patrini vel matrinae levantes ipsos infantes in singulorum accipientes manibus suis, offerunt eos eos habeant intra baptismum uni presbitero. Ipse vero pedibus infantum adhuc in presbiter facit de chrismate aqua consistentibus donee crucem cum pollice in episcopus vel presbiter vertice eorum ... chrima requirens faciat crucem cum pollice in vertice eorum. 31 S. $ 19, Abschnitt a. 32 Amalar, Liber officialis I 29,9 (ed. HANSSENS 2, S. 15633J: neofyti nostri per octo dies sub ducibus, presbyteris scilicet atque patronis et matronis, deducuntur. S. dazu VAN MOLLE, Parrainage S. 139ff. 26

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die Rede 33 . Am nachdrücklichsten wurde die nach der Taufe den Paten obliegende geistliche Belehrung betont. Da es längst zur Regel geworden war, Kinder zu taufen, wurde dem Paten aufgegeben, seinen Täufling, für den er bei der Taufe stellvertretend die Glaubensantworten gegeben hatte, später im Glauben zu belehren. So predigte Caesarius von Arles: 'Darum müßt ihr nicht nur im Beispiel, sondern auch im Wort [die Neugetauften] zu allem guten Werk anhalten; insbesondere wer Söhne oder Töchter in frommer Liebe (religiöse amore) [aus der Taufe] aufnehmen will, höre nicht auf, sie vor und nach ihrer Taufe zu Keuschheit, Demut, Nüchternheit und Frieden zu ermahnen und sie darüber zu belehren. Solche sollen sich bewußt machen, daß sie deren Bürgen (fideiussores) sind. Für sie nämlich antworten sie, dem Teufel, seinem Pomp und seinen Werken zu entsagen. Sowohl wer [aus der Taufe] aufnimmt wie auch wer aufgenommen ist, also die Väter wie die Söhne, müssen sich deshalb bemühen, den Vertrag zu halten, den sie mit Christus im Sakrament der Taufe unterschreiben.'34 In karolingischer Zeit sind große Anstrengungen gemacht worden, das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser in das allgemeine Christenbewußtsein zu heben; jedermann sollte diese Texte auswendig können, weswegen sie auch in die Volkssprachen übersetzt worden sind 35 . Sofern das Kirchenvolk sonntags keine Predigt hörte, sollte wenigstens das Credo rezitiert werden36 . Vor allem aber wurde von den Paten die Kenntnis des Credo und des Paternoster verlangt 37 ; Karl 33 Vita Bardonis maior l (MGH SS 11, S. 32325).· tincto baptismate, quidam compater eius ammirabili donavit eum munere, galea, agno, psalterio. Per quae dona materialia adverti possunt eius facta spiritalia, scilicet ut in pnmordio secundae nativitatis nobis resplendeat prodigium tocius sequentis aetatis. 34 Caesarius von Arles, Sermo 200,6 (CChr.SL 104, S. 811). 35 Haito, Capitula ecclesiastica c. 2 (MGH Capit. l, S. 3637): Secundo iubendum, ut oratio dominica in qua omnia necessaria humanae vitae comprehenduntur et symbolum apostolorum in quo fides catholica ex integro conprehenditur ab omnibus discatur, tarn latine quarrt barbarice, ut quod ore profitentur corde credatur et intellegatur; s. auch Herard, Capitula 55 (MIGNE PL 121, Sp. 768B): Orationem dominicam et Symbolum juxta linguam suam et intellectum. BECK, Gebrauch der Volkssprachen S. 577-585; BISCHOFF, Paläographische Fragen S. 101-134; ANGENENDT, Bonifatius S. 137ff. 36 JUNGMANN, Missarum sollemnia l, S. 604f. 37 Die Forderung wird erhoben in karolingischen Kapitularien, in der bischöflichen (Synodal-) Gesetzgebung sowie in theologischen Traktaten. Reiches Material gesammelt bei WIEGAND, Apostolisches Symbol S. 303-331, bes. S. 323ff; Capitula e canonibus excerpta a. 813 c. 18 (MGH Capit. l, S. 17425): unusquisque compater vel parentes vel proximi filios suos spiritales catholice instruant, ita ut coram Deo ratiocinare debeat; Capitula de examinandis ecclesiasticis 14 (ebd. S. HO 41 ): Ut nullus infantem vel alium ex paganis de fönte sacro suscipiat, antequam simbolum et orationem dominicam presbitero suo reddat; Theodulf von Orleans, Capitula ad presbyteros parochiae suae 22 (MIGNE PL 105, Sp. 198B): Constitutum namque est ut nullus chrismetur, neque baptizetur, neque a lavacro fontis illius suscipiatur, neque coram episcopo ad confirmandum quemlibet teneat, nisi symbolum et orationem Dominicam memoriter tenuerit; Amalar, Liber officialis I 24,13 (ed. HANSSENS 2, S. 13212;.· Solemus enim nominare infantem et dicere ei: 'Credis in Deum Patrem?' atque respondet offerens: 'Credo'. Satis superius demonstratum est ex evangelico testimonio quod fides offerentis possit eum salvare ..; ebd. I 24,15 (S. 13333J.· Sacramento fidei salvatur parvulus usque ad tempus quo possit ipse discere fidem suam; Amalar schließt seine Darlegungen eng an Augustinus an; Walafrid Strabo,

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der Große soll einmal selber unwissende Paten wieder weggeschickt haben 38 . Die Patenaufgaben galten als Gewissenspflicht. Altdeutsche Beichten fragen nach ihrer Erfüllung; so heißt es in der Lorscher Beichte, 'daß ich meine Patenkinder nicht so in Ehren gehalten und unterwiesen habe, wie es meine Pflicht gewesen wäre' 39 . In der Laienwelt war man geneigt, die Patenpflichten als Überforderung anzusehen. Jonas von Orleans zitiert in seiner Institutio laicalis unwillige Äußerungen: Wer da sage: 'Ich kann nicht lernen, weil ich nicht eine solche Auffassungsgabe besitze, daß ich die Gebote Christi, die gewiß wunderbar und zahlreich sind, zu lernen vermöchte', den solle man auf die beim jüngsten Gericht fällige Rechenschaft über die Ausübung des Patenamtes hinweisen40 . Zur vollen Information über das Patenamt ist endlich noch zu konstatieren, wieviele Paten bei der Taufe und Firmung zugegen sein mußten. Die Quellen lassen es als die Regel erscheinen, daß jeweils nur ein Pate beigezogen wurde; die liturgischen Texte verwenden schlicht die Formel: qui suscepturus est41. Einzelne Synodalbestimmungen sanktionierten diese Praxis 42 . Lampert von Hersfeld berichtet freilich folgende Begebenheit: Als Heinrichs IV. Frau Praxedis während eines Aufenthaltes in Hersfeld einen Sohn gebar, mußte der gerade anwesende Bischof Ezzo von Oldenburg (Holstein) in aller Eile die Taufe vornehmen, weil um das Leben des Kindes gefürchtet wurde; der Abt und einige der Brüder, so Lampert, hätten dann das Kind aus dem heiligen Bad gehoben 43 . Tatsächlich ist zu beobachten, daß es nach der Jahrtausendwende üblich wurde, für jeden Täufling mehrere Paten zu bestellen. Wenn die scholastischen Theologen die Patenschaft behandeln, setzen sie für den Regelfall mehrere Paten voraus44 . De exordiis et incrementis 27 (MGH Capit. 2/2, S. 512 ): Pariterque debet spiritalis pater vel mater ei, quem de fönte regenerations suscepit, cum ad intellegibilem pervenerit aetatem, insinuare confessionem, quam pro eo fecit. Ep. Karoli ad Ghaerbaldum (MGH Capit. l, S. 241 J: ... multi fuerunt apud nos inventi, qui volebant suscipere infantes de sacro fönte baptismatis; quod iussimus singulariter et diligenter examinare et requirere, si orationem dominicam et simbolum ... scirent aut memoriter tenerent; et plures fuerunt, qui nulla exinde in memoriam habebant. Quibus praecepimus abstinere, ut antequam orationem et simbolum scirent et recitare potuissent, neque aliquem de sacro fönte baptismatis suscipere praesumerent. Et valde erubescentes fuerunt... 39 Lorscher Beichte (ed. BRAUNE - EBBINGHAUS S. 58 12 ). 40 Jonas von Orleans, De institutione laicali I 8 (MIGNE PL 106, Sp. 134C). 41 S. Anm. 19. Conc. Mettense a. 888 c. 6 (MANSI 18, Sp. 79): infantem nequaquam duo vel plures, sed unus a fönte baptismatis suscipiat ... Nam unus Deus, unum baptisma, unus, qui a fönte suscipit, debet esse pater vel mater infantis; HEFELE — LECLERCQ, Histoire des Conciles 4/2, S. 688-693, bes. S. 689. 43 Lampert von Hersfeld, Annales a. 1074 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 38, S. 17416): [regina] peperit filium. Is quantum infirmari et iamiam expiraturus putabatur, tercio die baptizatus est ab Ezzone Altenburgensi episcopo, qui tune forte apud abbatem hospitabatur, et nomine atavi sui Cuonradus est vocatus. Et quoniam alii non aderant, qui digne eo munere fungerentur, abbas et alii plerique fratres Herveldensis cenobii eum de sacro fönte susceperunt. 44 So heißt es z.B. in Sentenzen der Schule Anselms von Laon: Patrini ... in testimonium ecclesie, ne iterum rebaptizarentur pueri, adhibentur et debent esse tres uel septem (Sententie diuine pagine [ed. BLIEMETZRIEDER S. 45]). S. ferner CORBLET, Sacrement de bapteme 2, S. 203206; BAILEY, Sponsors S. 101-106.

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Gelegentlich werden auch besondere Bedingungen für die Eignung zum Patenamt gestellt. So verordnen die Canones Theodori, daß ein Ungetaufter oder Ungefirmter nicht aus der Taufe heben könne 45 . Das große Pariser Reformkonzil von 829 wollte auch die Büßer vom Patenamt ausgeschlossen wissen46. Hinsichtlich der Firmpatenschaft konzedierten die theodorischen Canones, daß ein und derselbe Pate sowohl bei der Taufe wie bei der Firmung agieren dürfe 47 .

§ 18 Geistliche Verwandtschaft Was aber das Patenamt so bedeutsam gemacht hat, war die Vorstellung von der geistlichen Verwandtschaft. Ausgehend von dem Verhältnis Christi zu seiner Kirche, das als Ehebund interpretiert wurde, galten die Getauften als von Christus gezeugt und von der Mater Ecclesia neu geboren1 . Die Vaterschaft Christi sah man dabei auf alle übertragen, die an seiner Statt bei der sakramentalen Neugeburt mitwirkten, so auf die Taufspender und auch auf die Taufpaten. Unter Rückgriff auf neutestamentliche Aussagen einer Geburt 'non secundum carnem, sed secundum spiritum' (cf. Rom l,3f) 2 glaubte man dabei, zwischen leiblichen und geistlichen Eltern scheiden zu sollen. Im Osten war es Dionysius Areopagita (5. Jh.), der schrieb, 'daß die nach heiliger Satzung auferzogenen Kinder zu einem heiligen Zustand gelangen werden, indem sie von jedem Irrtum entbunden und von einem unheiligen Leben unberührt sind. Da nun unseren göttlichen Führern diese Wahrheit in den Sinn kam, erschien es ihnen gut, die Kinder nach diesem heiligen Brauche fin die Kirche] aufzunehmen, daß die leiblichen Eltern des [zur Taufe] herbeigebrachten Kindes es irgend einem der Getauften, der ein guter Erzieher in den göttlichen Dingen ist, übergeben, so daß das Kind in Zukunft unter ihm gleichwie unter einem göttlichen Vater und einem Bürgen der geistlichen Wohlfahrt des Kindes beständig bleibe. Diesen Mann nun, der die Zusage gibt, das Kind in heiligem Leben aufzuziehen, fordert der Hierarch auf, die Abschwörungen zu sprechen und die heiligen Gelöbnisse zu tun ...'3. Im Westen stellte die Regula Magistri eine 45

Canones Theodori (Co) 68 (ed. FINSTERWALDER S. 275): In baptisma et in crisma qui non est baptizatus vel crismatus non potest alium suscipere. 46 Conc. Parisiense a. 829 c. 54 (MGH Conc. 2/2, S. 64S 36 ): Illos tarnen in hoc capitulo specialiter ab his officiis removendos iudicamus, qui propter reatum suum publica sunt paenitentia multati, videlicet ut nee alias de sacri fontis baptismate suscipiant nee etiam ad percipiendum sancti Spiritus donum aliorum patroni coram pontificibus existant, donec per dignam paenitentiae satisfactionem reconciliationem mereantur. 47 Canones Theodori (Co) 69 (ed. FINSTERWALDER S. 275): In catecumino et in baptismo et in conjirrnatione unus pater si necessitas cogit. non tarnen consuetudo est, sed per singula singuli suscipiunt. 1

RAHNER, Gottesgeburt S. 13-87; SCHMID, Heilige Brautschaft Sp. 554ff. Zur mittelalterlichen Tradition s. OHLY, Hohelied - Studien, Sachregister s.v. Braut/Bräutigam. 2 S. auch Joh 3,6: Quod natum est ex carne, caro est, et quod natum est ex spiritu, Spiritus est. Dionysius Areopagita, De ecclesiastica hierarchia 7,11 (MIGNE PG 3, Sp. 568); Übersetzung nach STIGLMAYR (Bibliothek der Kirchenväter 2, S. 207).

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ähnliche Forderung auf, allerdings nicht für die Täuflinge, sondern für Mönche (die aber nach des Magisters Ansicht zu nichts anderem als zur konsequenten Befolgung des Taufpak turns verpflichtet waren): 'In der Kirche haben wir bereits eine Mutter gefunden und durften schon wagen, den Herrn als unseren Vater vom Himmel herbeizurufen. So ist also nun mit Recht der irdische Vater und die fleischliche Mutter zu verlassen. Es sollen ja nicht dadurch, daß wir zwei Elternpaaren gehorchen, die Bürger [des Gottesreiches] gekränkt und auch wir nicht als Bastarde zweier Elternpaare angesehen werden, wie es der Fall wäre, wenn wir die fleischlichen Eltern nicht aufgäben.' 4 Während die Magisterregel dazu auffordert — allerdings nur bei Mönchen —, den irdischen Vater und die fleischliche Mutter zu verlassen, weil allein Gott als Vater und die Kirche als Mutter anzusehen seien, spricht Pseudo-Dionysius nur erst von einem bewährten Brauch, wenn die leiblichen Eltern ihr Kind zur weiteren Erziehung einem geistlichen Vater und Bürgen zur geistlichen Wohlfahrt übergeben. In der — auch amtlicherseits bekräftigten — Praxis hatte bis dahin gegolten, daß die Eltern selbst ihre Kinder zur Taufe brachten und für sie in besonderer Weise verantwortlich waren. Papst Gelasius I. (492-496) wollte der elterlichen Frömmigkeit sogar eine besondere Bedeutung beimessen: 'Durch die Gebete des christlichen El tern teils, durch die für sie [die Kinder] unverzüglich die göttliche Barmherzigkeit angerufen wird, ist ihnen schon eine Heiligung zuteil geworden. Meist auch werden sie durch den Eifer des gläubigen Elternteils zur Kirche gebracht und erhalten die volle Heiligung, von der sie als Neugeborene aus dem Taufbrunnen noch nicht wissen, die ihnen aber, wenn sie zum Vernunftgebrauch gelangt sind, durch die Ermahnung und Anempfehlung des frommen Elternteils vermittelt wird.'5 Es sind also die Eltern, die ihre Kinder sowohl zur Taufe bringen wie auch deren spätere geistliche Erziehung leisten. Auffällig ist allein der Gedanke, daß das Gebet der Eltern die Kinder bereits vor der Taufe zu heiligen vermöge, was dem Aufkommen einer eigenen Patenschaft eher hinderlich gewesen sein muß. Auch Augustinus hat den Gedanken der Glaubenssolidarität auf die Kindertaufe angewandt; seine Gedanken wirkten freilich in der Weise weiter, daß immer stärker zwischen leiblichen und geistigen Eltern unterschieden wurde. In der zwischen 388 und 395 entstandenen Schrift De libero arbitrio fragt Augustin, inwiefern den Kleinkindern die Taufe zu nützen vermöchte, da dieselben doch oft genug noch vor deren bewußter Anerkennung verstürben. 'In dieser Sache wird hinlänglich fromm und richtig geglaubt, daß dem Kinde der Glaube jener nützt, von denen es zur Heiligung dargeboten wird. Und das heilsamste Ansehen der Kirche knüpft daran die Empfehlung, daß jeder daraus die Empfindung gewinne, wie nützlich ihm sein eigener Glaube sein muß, wenn er sogar einem ändern, der noch keinen eigenen Glauben besitzt, zur Wohltat gereichen kann. Was hat dem Sohne 4

Regula Magistri, Thema (ed. DE VOGÜfi l, S. 3005 ): Videte ergo, fratres, si inuenimus lam matrem ecclesiam et patrem ausi sumus Dominum uocare de caelis, ergo iam iuste a nobis relinquendus est pater terrenus et mater carnalis, ne binis öbtemperantes parentibus, non solum dues offendantur, sed uelut adulteri de duobus parentibus nasci, si carnales non dimittimus, iudicemur; Übersetzung nach OHLMEYER, Regel des Magister S. 4. 5 Gelasius I., Dicta adversus Pelaginanam haeresim (CSEL 35/1, S. 425 4 ).

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der Witwe sein Glaube genützt, den er als Toter jedenfalls nicht mehr hatte? Nützte ihm nicht trotzdem der seiner Mutter, so daß er auferstand? Wieviel mehr also vermag ein fremder Glaube für ein Kind zu sorgen, dem sein Unglaube nicht angerechnet werden kann?' 6 Die fides aliena ist für die Folgezeit ein höchst wichtiges Stich wort geworden. In seinem 408 an Bischof Bonifatius von Cataqua abgefaßten Brief — ein für die westliche Tauftheologie äußerst wichtiger Text — muß Augustin abwehren, 'daß die von Adam ererbte Verschuldung nur gelöst werden könne, wenn die Kinder von den Eltern zum Empfang der Gnade gebracht werden. Denn du schreibst: 'Wie die Eltern die Schuld tragen an ihrer Strafe, so sollen die Kinder auch ebenso durch den Glauben der Eltern gerechtfertigt werden' ' 7 . Augustin lehnt eine solche Spiegelbildlichkeit ab unter Hinweis darauf, daß viele Kinder gar nicht von ihren Eltern, etwa wenn diese verstorben seien, zur Taufe gebracht werden könnten. Das Stichwort von der fides aliena wirkte dennoch weiter. So verlangt der Diakon Johannes in seinem Brief an Senarius: Wenn Eltern oder sonstige die Kinder zur Taufe brächten, sei das notwendig, damit diese durch das Bekenntnis anderer gerettet würden, denn durch die Irrung anderer seien sie auch verdammt gewesen 8 . Der Gegensatz liegt zwischen dem zu taufenden Kleinkind und den 'anderen', den Erwachsenen, seien diese nun die Eltern oder die Paten. Weil nämlich ein Kind nicht selbst gesündigt hat, so lautet der Gedankengang, aber doch durch andere mit Sünden befleckt worden ist, scheint es auch angemessen, daß andere die Reinigung bewirken. Der Gedanke soll eigentlich nur die Tatsache der stellvertretenden Taufantwort rechtfertigen. Anders jedoch in karolingischer Zeit, als der Johannes-Brief bekanntlich auf Alkuins Tauferklärung sowie auf Karls des Großen Taufrundfrage — wohl durch einen Zwischentext — einwirkte. Bei Alkuin heißt es: 'Die Kinder, die noch nicht über den Verstand verfügen, waren abhängig von den Sünden anderer und können gerettet werden durch den Glauben und das Bekenntnis anderer' 9 . Diese Aussage aber stand jetzt in einem veränderten Praxis-Kontext. Da die Paten die Eltern längst verdrängt hatten, mußten sie fortan als die 'anderen' erscheinen, nun aber als geistliche Eltern im Gegensatz zu den leiblichen. So gab es also die Vorstellung von einer besonderen geistlichen Elternschaft, die sich im 5. und 6. Jahrhundert entwickelt hat und immer mehr dazu drängte, bei der Taufe eigene geistliche Eltern zu bestellen, eben die Taufpaten. Es gibt sogar einen Text, dessen Herkunft und Alter allerdings nur schwer zu bestimmen sind, welcher den seit Augustin virulenten Gedanken von den 'anderen' noch schärfer faßt: 'Die Kinder, die noch nicht zu sprechen wissen, werden durch 6

Augustinus, De libero arbitrio III 23,67 (CChr.SL 29, S. 314 20 ); Übersetzung nach PERL, Aurelius Augustinus. Der freie Wille S. 177. 7 Augustinus, Ep. 98,6 (CSEL 34/2, S. 527 10 ). Johannes Diaconus, Ep. ad Senarium (ed. WILMART, Analecta S. 175 2 ): [paruuli] qui adhuc pro ipsius aetatis primordio nihil intellegunt, Unde scire debetis quia, dum a parentibus aut a quibus Übet aliis offeruntur, aliena eos professione saluari necesse est qui fuerant alieno errore dampnati. 9 Alcvini epp. 110 (MGH Epp. 4, S. 158 31 ); s. ebd. ep. 113 (S. 16416): ut, qui alieno inpaterna praevaricatione ligatus est peccato, alterius in baptismi mysterio professione solutus sit.

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den Glauben derjenigen, die sie vom heiligen Brunnen aufheben, gewürdigt, die Verzeihung ihrer Sünden zu erhalten. Und gewiß ist es angemessen, daß sie, die durch die Sünde der fleischlichen Eltern befleckt werden, durch den Glauben der geistlichen Eltern das Heil erlangen' 10 . Der Text stellt einen Gegensatz her zwischen den Eltern, die — so bekanntlich zeitweilig die Auffassung Augustins11 — im Zeugungsakt die Erbsünde übertragen, und den geistlichen Eltern: Von der Sünde seitens der leiblichen Eltern kann das Kind nur durch den Glauben der geistlichen Eltern gerettet werden. Die Scheidung von leiblicher und geistlicher Elternschaft wurde dann bis zu der Konsequenz getrieben, daß die leiblichen Eltern unter keinen Umständen die Aufnahme der eigenen Kinder aus der Taufe vollziehen durften. Denn es sollte vermieden werden, daß sie zugleich die geistlichen Eltern der eigenen Kinder wurden. Walafrid Strabo (+ 849) schreibt dazu: 'Ein Vater oder eine Mutter dürfen ihr Kind nicht aus der Taufe heben, damit die Scheidung zwischen geistlicher und fleischlicher Zeugung gewahrt bleibt' 12 . Die in der Patenschaft herbeigeführte geistliche Verwandtschaft galt als so andersartig und so viel gewichtiger, daß man im Falle einer elterlichen Patenschaft sogar die Fortsetzung der Ehe für nicht mehr möglich hielt. Wiederum Walafrid Strabo verordnet dazu: Wenn Vater oder Mutter ihr eigenes Kind aus der Taufe heben, 'dürfen sie fortan keine geschlechtliche Gemeinschaft mehr miteinander haben, da sie bei einem gemeinsamen Sohn das geistliche Band der Kompaternität sich zugezogen haben' 13 . Aus dem 9. Jahrhundert ist sogar der Fall überliefert, daß ein Vater, der seinem Kind die Nottaufe gespendet hatte und dabei notgedrungen dessen Taufpate geworden war, bis nach Rom pilgern mußte, um vom Papst die Fortsetzung seiner Ehe zu erwirken 1 4 . Der Liber historiae Francorum berichtet den "legendären" Fall, daß die Königin Fredegund in listiger Weise Chilperichs Gattin Audovera veranlaßt habe,

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Homilia in Ascensa Domini (MIGNE PL 97, S. 488A-B). S. DEKKERS - GAAR, Clavis Patrum Nr. 1158a S. 261: die Homilie stammt möglicherweise aus dem 6. Jh. 11 GROSS, Erbsündendogma l, S. 334-346. 12 Walafrid Strabo, De exordiis et incrementis 27 (MGH Capit. 2/2, S. 512 19 ), zitiert in Anm. 13. 13 Walafrid Strabo, De exordiis et incrementis 27 (MGH Capjt. 2/2, S. 51219j: Nullum autem debet pater vel mater de fönte suam suscipere sobolem, ut sit discretio inter spiritalem generationem atque camalem: quodsi casu evenerit, non habebunt carnalis copulas deinceps ad invicem consortium, qui in communi filio compaternitatis spiritale vinculum susceperunt. Conc. Moguntinense a. 813 c. 55 (MGH Conc. 2/1, S. 273 ): Nullus igitur proprium filium velfiliam de fönte baptismatis suscipiat. 14 Registrum Johannis VIII papae 195 (MGH Epp. 7, S. 15612): innotuit, quod filium suum in extremo vite positum necdum baptismatis unda lotum, absentia scilicet sacerdotum necessario cogente, baptizasset eumque ipse propriis manibus retinendo suscepisset ... Unde si predictus genitor filium suum corpore morientem aspiciens, ne animam morte perpetua pereuntem dimitteret, sacri unda baptismatis lavit, ut eum de potestate auctoris mortis et tenebrarum eriperet et in regnum Christi iam regcneratum indubitanter mitteret, bene fecisse laudatur. Et idcirco cum sua uxore sibi iam olim legitime sociata irnpune, quamdiu vixerint, iudicamus manere coniunctum. Später haben sich scholastische Theologen gelegentlich auf diesen Papstbrief berufen; Magister Gandulph von Bologna, Sententiae IV 61 (ed. VON WALTER S. 424).

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ihr eigenes Kind aus der Taufe zu heben. Dadurch aber wurde Audovera Commater ihres Kindes, konnte darum nicht mehr Gattin des Königs bleiben und mußte ihre Ehe aufgeben. Chilperich entließ sie und nahm Fredegund zur Frau — was diese aber von vornherein beabsichtigt hatte 15 . Wie sich hier schon zeigt, hat man die geistliche Verwandtschaft gelegentlich bewußt zur Ehescheidung benutzt, so daß etwa das 813 in Chalon-sur-Saone tagende Konzil mahnen mußte, nicht in betrügerischer Weise die eigenen Kinder dem Bischof bei der Firmung darzureichen, um sich anschließend wegen der dadurch entstandenen Patenschaft vom Ehegatten zu trennen 16 . Von zentraler Wichtigkeit ist die Feststellung, daß die Bindung zwischen den neuen Eltern und dem geistlichen Kind als Wirkung des Gottesgeistes aufgefaßt wurde. Amalar von Metz hat zum Beispiel diese Bindung darin begründet gesehen, daß der neuschaffende Gottesgeist sowohl dem Erwachsenen, der ein Kind zur Taufe bringe, wie auch dem neugeborenen Kind in gleicher Weise zu eigen sei 17 . Der berühmte Liturgieerklärer wiederholt dabei einen Gedanken Augustins, den dieser freilich in einem ganz anderen Kontext vorgetragen hatte. Dem Bischof von Hippo war, und zwar in dem bereits zitierten Bonifatius-Brief, die Frage vorgelegt worden, ob Eltern mit einer Anempfehlung an heidnische Gottheiten ihren bereits getauften Kindern einen Schaden anzutun vermöchten, wo sie doch durch die von ihnen bewerkstelligte Taufe den Kindern so viel Gutes getan hätten; kurz, es ging um die Sorge, ob dieselben Leute durch eine böse Handlung ihre frühere gute Tat zu korrumpieren imstande seien. Augustin argumentierte demgegenüber, daß der eine Gottesgeist zunächst bei den Eltern den guten Entschluß, ihre Kinder zur Taufe zu bringen, bewirkt habe und dann bei den Kindern die Wiedergeburt, und diese könne nicht durch einen anderen Entschluß der Eltern rückgängig gemacht werden. Dabei fällt dann der Ausspruch: 'Der Geist der Wiedergeburt ist den Erwachsenen, die [ein Kind] zur Taufe bringen, und dem kleinen wiedergeborenen Täufling gemeinsam' 18 . Das frühe Mittelalter aber interpretierte diesen Satz nach einer anderen Richtung hin: Da nämlich das Neue Testament die vom Geist gewirkte Liebe nach Art eines vereinenden Bandes beschreiben kann 19 , wurde der dem Paten und dem Täufling gemeinsame Geist als ein solches Band aufgefaßt. Walafrid Strabo wendet genau diese Bezeichnung auf die Patenschaft an: compaternitatis spiritale vinculum20. An diesem vinculum muß der Zeit in ganz besonderer Weise gelegen gewesen sein, sehen wir doch im 8. Jahrhundert eine Ausweitung seiner Bindekraft sich 15

Liber historiae Francorum 31 A (MGH SS rer. Merov. 2, S. 292 19 ). Conc. Cabillonense a. 813 c. 31 (MGH Conc. 2/1, S. 279 19 ). 17 Amalar, Liber officialis I 24,9 (ed. HANSSENS 2, S. 13l24). Augustinus, Ep. 98,2 (CSEL 34/2, S. 522 ).· regenerans ergo Spiritus in maioribus offerentibus et paruulo oblato renatoque communis est; NAGEL, Kindertaufe S. 136ff. 19 Eph 4,3: servare unitatem Spiritus in vinculo pads; Col 3,14: ca.rita.tem habete, quod est vinculum perfectionis. 20 Walafrid Strabo, De exordiis et incrementis 27 (MGH Capit. 2/2, S. 51221): non habebunt carnalis copulae deinceps ad invicem consortium, qui in communi filio compaternitatis spiritale vinculum susceperunt. 16

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vollziehen, die eigentlich nur überraschend genannt werden kann. Hatte zunächst allein eine Bindung zwischen dem Paten und seinem Täufling bestanden, die als geistliche Elternschaft streng von der leiblichen Elternschaft geschieden sein sollte, so führte das Verwandtschaftsdenken den geistlichen Elternteil in Wirklichkeit schon bald wieder mit den leiblichen Eltern zusammen, weil sie ja gemeinsam Vater beziehungsweise Mutter waren. So schreibt zum Beispiel Gregor von Tours, daß die Güter des heiligen Martin — also seiner Kirche — durch einen gewissen Eberulf oftmals geschädigt worden seien; trotzdem wolle er diese Unbill lieber vergessen, da er den Sohn seines Widersachers aus der Taufe gehoben habe21 . Und ein Gunthram-Boso, dessen Fall später noch eingehender behandelt werden soll, nahm sich, als er vom Königsgericht verurteilt worden war, Bischof Magnerich von Trier (+ nach 578), welcher Pate über einen Königssohn war, als Geisel; als pater communis des Königs vermöge der Bischof, so hoffte der Verurteilte, alles zu erreichen, auch seine Freisprechung 22 . Somit ist klar: Wer mit dem Sohn eine geistliche Bindung eingegangen ist, kann es an Wohlverhalten zum Vater nicht fehlen lassen. Fast notwendig ergab sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den geistlichen und leiblichen Eltern, und dies führte dann auch zu einer eigenen Sprachregelung. Waren ursprünglich nur der geistliche Vater und die geistliche Mutter als 'compater' oder 'commater' ihrer Taufkinder bezeichnet worden, so dienten diese Benennungen nun beiden Elternpaaren dazu, wechselseitig ihre neue Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen. Die Bezeichnungen 'compater' und 'commater' wurden auf diese Weise zwischen den beiden Elternpaaren austauschbar: Nicht mehr allein die geistlichen Eltern wurden als solche bezeichnet, sondern auch — von der Sicht der geistlichen Eltern aus — die leiblichen Eltern; auch sie galten nun erstaunlicherweise als 'compater' und 'commater'23 . Für die Päpste der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts war es zum Beispiel ganz selbstverständlich, daß sie, nachdem sie die Taufpaten über einzelne Söhne und Töchter der Karolinger geworden waren, die königlichen Eltern als compater und commater bezeichneten 24 . Oder um es bildlich auszudrücken: wenn man die Beziehung zwischen Paten und Täufling als vertikal ausgerichtete Kompaternität auffaßt, dann ist die neue, beide Elternpaare verbindende Kompaternität als horizontal ausgerichtet zu verstehen. Es ist folglich sorgfältig zu unterscheiden, wer jeweils in der Kompaternität gemeint ist, die geistlichen oder die leiblichen Eltern. Die neue, horizontal ausgerichtete Kompaternität"ist bald auch geistlich inter21 Gregor von Tours, Hist. VIF 22 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 34l1;.· Et quamquam multas nobis insidias prius de rebus sancti Martini fecisset, extabat tarnen causa, ut eadem obliviscerem, eo quod filium eius de sancto lavacro suscipissem. Zu Eberulf s. IRSIGLER, Frühfränkischer Adel S. 224ff. 22 S. $ 19 Anm. 12. 23 Der vielleicht friiheste Beleg für dieses 'compater'-Verständnis findet sich in Coll. vet. Gallica c. 46,10 (ed. MORDEK S. 53251 j: Ut conpatres nullus eorum [monachorum] audeat habere. Diese Bestimmung gehört in den Zusammenhang der desöfteren ausgesprochenen Patenschaftsverbote für Mönche (s. f 22 Anm. 31-33); hier ist sinnvoll nur in gleicher Weise zu interpretieren: Die Mönche sollen keine Patenschaften eingehen, so daß sie auch keine conpatres haben, als welche folglich die leiblichen Väter anzusehen sind. 24 ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 4Off, 60, 74.

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pretiert worden, was erst recht erstaunlich genannt werden muß. Denn die Bestellung von Paten war ja nicht zuletzt deswegen zu einem allgemeinen Brauch geworden, weil die leiblichen Eltern nicht zugleich die geistlichen Eltern sein konnten. Seit dem 8. Jahrhundert aber galten die in der neuen Kompaternität Verbundenen auch im gleichen Geiste vereint: Wie Pate und Taufkind im Geist zusammengehörten und von einem geistlichen Band umschlossen waren, so nun auch die leiblichen und geistlichen Eltern; auch sie wußten sich im Gottesgeist zusammengebunden. Daß die Eltern, die als die leiblich Zeugenden den allem Fleisch widerstreitenden Geist zur geistlichen Zeugung ihrer eigenen Kinder selbst nicht besaßen, nun dennoch in eben diesem Geist mit den Paten vereint gesehen wurden, erscheint wenig logisch, ist aber klar zum Ausdruck gebracht worden. Ein eindrückliches Beispiel findet sich in einem Brief, den Papst Paul I., wohl noch im Jahre 757, an Pippin richtete, als er das Tauftuch der königlichen Tochter Gisela entgegengenommen hatte: 'Im Band des geistlichen Bündnisses sind wir beide gleicherweise vereint' 25 . Das Zustandekommen wie auch die geistliche Wirkung dieser Kompaternität werden dabei eingehend erläutert: Pippins Bote habe als überaus kostbare Gabe der himmlischen Gnade das Tauftuch überbracht, in dem die geliebte geistliche Tochter vom heiligen Bad des Taufbrunnens aufgehoben worden sei; durch das übersandte Tauftuch dürfe er, der Papst, sich erfreut zuerkennen, die Aufhebung gleichsam selbst vollzogen zu haben. Weil die Liebe zum Glauben das königliche Herz dazu entflammt habe, ihm, dem Papst, durch das Band des geistlichen Bündnisses (per vinculum spiritalis foederis) anzuhangen, danke er Gott und bitte ihn um Wohlergehen für die Zukunft der königlichen Familie. Da die Machtfülle des Heiligen Geistes, zumal die zwischen ihnen gültig bestehende Gnade der Kompaternität, Zutrauen erwecke, bitte er seinen geistlichen Compater und allerbesten König darum, die Gerechtsame des heiligen Petrus wiederherzustellen 26 . In der Kompaternität vollzog sich demnach eine Ausweitung von einem zunächst nur zwischen dem Paten und seinem Täufling bestehenden Band zu einer Verbundenheit des Paten auch mit den Eltern seines Täuflings. Der Kreis der in die geistliche Bindung Einbezogenen war damit nicht unerheblich vergrößert. Wie wenig die geistliche Verwandtschaft als eine unverbindliche Ehrenaufgabe angesehen worden ist, zeigt sich deutlich auch daran, daß sie ein Ehehindernis zwischen den in der Taufe zu geistlicher Verwandtschaft Verbundenen aufrichtete. Der Codex lustinianus bringt dafür den ältesten Beleg: Die Patenbindung, in der durch Gottes Vermittlung die Seelen verbunden seien, bewirke wie nichts sonst eine väterliche Beziehung und damit ein Ehehindernis 27 . Auch im Westen 25

Codex Carolinus 14 (MGH Epp. 3, S. 51120J.· ... in vinculo spiritalis foederis pariter sumus adnexi. 26 Ebd.S. 511 21 -512 2 . 7

Codex lustinianus 5,4,26 (2) (ed. KRÜGER S. 197): Ea videlicet persona omnimodo ad nuptias venire prohibenda, quam aliquis, sive alumna sit sive non, a sacrosancto suscepit baptismate, cum nihil aliud sic inducere potest paternam adfectionem et iustam nuptiarum prohibitionem, quam huiusmodi nexus, per quern deo mediante animae eorum copulatae sunt. S. dazu HINSCHIUS, Kirchenrecht 4, S. 38f; STEINWENTER, Corpus iuris Sp. 459; PREISEN, Eherecht S. 508f.

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galt dieses Verbot; während des ganzen Frühmittelalters ist es immer wieder eingeschärft worden 28 . Papst Nikolaus I. (858-867) liefert im 9. Jahrhundert noch einmal eine ausführliche Begründung von der geistlichen Verwandtschaft her und beruft sich dabei auch auf die alten römischen Gesetze, auf den Codex Justinianus: 'Zwischen ihnen [den geistlichen Vätern] und ihren Söhnen besteht keine Blutsverwandtschaft, denn der Geist weiß nicht um die Dinge, die dem Blute zugehören: 'Das Fleisch nämlich', so der Apostel, 'verlangt gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch; sie liegen miteinander im Streit'. Es besteht zwischen ihnen eine andere, eine gnadenhafte und heilige Gemeinschaft, die nicht Blutsverwandtschaft genannt werden kann, vielmehr als geistliche Nähe betrachtet werden muß. Bei solchen [Verwandten] erachten wir eine eheliche Verbindung für unmöglich; denn schon die altehrwürdigen römischen Gesetze gestatteten bei solchen, die von Natur oder durch Adoption Söhne sind, keine Ehe.'29 Wie aber von dem einen Gottesgeist her die Begründung für die enger wie die weiter gefaßte Kompaternität dieselbe war, so wird auch das Ehehindernis, das ursprünglich nur für den Paten und sein Taufkind galt, nun ebenso für den Paten und die Eltern seines Täuflings in Geltung gesetzt: Pate oder Patin können nicht mehr den verwitweten Elternteil ihres Patenkindes zur Ehe nehmen. An der Durchsetzung dieses Ehehindernisses läßt sich die Ausbreitung der weitergefaßten Taufverwandtschaft sogar am besten verfolgen. Zum ersten Mal finden wir dieses Eheverbot auf der sogenannten zweiten Trullanischen Synode von 691 formuliert: Die geistliche Verwandtschaft sei bedeutender als die leibliche; darum könnten Paten nicht mehr die verwitweten Mütter ihrer Taufkinder heiraten 30 . Fortan sollte demnach das Hindernis auch für die erweiterte Kompaternität gelten. Römische Synoden von 721 und 743 übernahmen dieses Verbot 31 , und so finden wir es auch in der karolingischen Reformgesetzgebung 32 . Im Frankenreich war es allerdings nicht der romtreue Bonifatius, der die neue Anschauung verbreitete; vielmehr zeigt er sich in Briefen des Jahres 735 höchst überrascht: 'Ein 28

S. Anm. 31 u. 32. Nicolai I papae ep. 99,2 (MGH Epp. 6, S. 569 14 ). 30 Conc. Quinisextum a. 691 c. 53 (MANSI 11, S. 967): Quoniam spiritalis necessitudo, seu affinitas, corporum coniunctione major est; ... cognovimus quosdam, qui ex sancto et salutari baptismate infantes suscipiunt, postea quoque cum matribus illorum viduis matrimonium contrahere, statuimus ut inposterum nihil fiat eiusmodi. Conc. Romanum a. 721 c. 4 (ebd. 12, S. 263): Si quis commatrem spiritalem duxerit in conjugium, anathema sit; Conp. Romanum a. 743 c. 5 (MGH Conc. 2/1, S. 1316 und 3l 1 2 ): diaconam, nonnam aut monacham vel etiam spiritalem commatrem nullus praesumat nefario coniugio copulari. 2 Es wird das Verbot ausgesprochen, daß man weder die geistliche Tochter noch die commater heiraten dürfe, so z.B. der "kanonistische Brief' von Papst Zacharias an Pippin (Codex Carolinus 3 [MGH Epp. 3, S. 48531 ]): Sed nee spiritalem cummatrem aut filiam, quod absit, quis ducat temerario ausu uxorem. Doch ist hier letztlich nicht sicher, wer diese commater ist: die eigene Patin oder die Mutter der Tauftochter. Wenn es dann aber in König Pippins erstem Kapitular heißt, das Verbot gelte aut commatre sua aut cum matrina sua spiritali de fönte et confirmatione episcopi (Pippini Capitulare a. 754/55 [MGH Capit. l, S. 3l 19 ]; F.L. GANSHOF [Kapitularien S. 163] datiert auf 751/55), so kann kein Zweifel mehr sein: Das Verbot gilt für eine Ehe mit der eigenen Patin (matrina) wie auch mit der Mutter des Taufkindes (commater). 29

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Mann hat, wie es viele tun, den Sohn eines anderen beim Aufnehmen aus dem Taufbrunnen zum Sohn adoptiert und später dessen verwitwete Mutter geheiratet. Die Römer nennen das eine Sünde, sogar eine schwere Sünde, daß sie in solchen Fällen eine Scheidung verlangen ... Doch ich vermag nicht einzusehen, warum auf einmal die geistliche Verwandtschaft bei der leiblichen Eheschließung ein so großes Vergehen sein soll, da wir doch alle in der heiligen Taufe Christi und der Kirche Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern sind' 33 . Wenn man bedenkt, daß die kirchliche Eheauffassung den mit der Taufe Chlodwigs christianisierten Franken "erst verhältnismäßig spät" nahegebracht worden ist, ja, daß die "entscheidende Wende" überhaupt erst in jenen Reformen geschah, welche die Hausmeier Karlmann und Pippin in Zusammenarbeit mit Bonifatius eingeleitet haben 34 , dann besagt es für die Bedeutsamkeit der geistlichen Verwandtschaft außerordentlich viel, daß sie von Anfang an mit zu diesem Reformprogramm gehörte. In der Folgezeit ist das Eheverbot für die in der Kompaternität miteinander Verwandten immer wieder ausgesprochen worden. Gelegentlich erscheint dabei ein Sprachgebrauch, der die "horizontale" Kompaternität besonders gut erkennen läßt. So behandelt ein Kanon der 895 zu Tribur abgehaltenen Synode die Ehe mit der Witwe eines computer, dessen Sohn der Pate aus der Taufe gehoben hat 35 . Der computer ist hier eindeutig der leibliche Vater. Durch die Ausweitung der geistlichen Verwandtschaft von der Bindung des Paten an den Täufling zu einer Bindung auch mit den Eltern des Täuflings wurde der Kreis der geistlich miteinander Verwandten erheblich vergrößert. Zur gleichen Zeit vollzog sich aber noch eine andere Vervielfachung, weil nämlich eine Patenschaft auch für die Firmung gefordert wurde: Paten hatten den Firmling dem Bischof zur Salbung darzureichen (tenere coram episcopo), und für diesen Akt galten dieselben Pflichten und Verbote wie schon für die Taufpatenschaft 36 . 33

Bonifatü epp. 33 (MGH Epp. sei. l, S. 57 22 ); ferner ep. 34 (S. 59 14 ). MIKAT, Dotierte Ehe - rechte Ehe S. 16ff. 35 Der Kanon heißt (Concilium Triburiense a. 895 c. 47 [MGH Capit. 2/2 S. 24Q15]): Qui spiritalem habet compatrem, cuius filium de lavacro sacri fontis accepit, et eius uxor commater non est, liceat ei defuncto compatre suo eius viduam ducere in uxorem, si nullam habent consanguinitatis propinquitatem. Der Kanon ist insofern bemerkenswert, als der Pate die Witwe seines compater heiraten darf. Der zeitübliche Sprachgebrauch ging freilich davon aus, daß für den Paten die leiblichen Eltern seines Täuflings sowohl 'compater' als auch 'commater' waren. Die Ehe mit der verwitweten commater kann darum auch verboten werden. So dürfte beispielsweise ein jüngst publizierter Bußkanon genau dieses Verbot aussprechen wollen: Ut nullus accipiat in coniugium viduam spiritalis patris neque cummatrem pater spiritalis filioli sui (HARTMANN, Bußtexte S. 212). Im zweiten Teil des Kanon wird man den pater spiritualis als Paten anzusehen haben, der die cummater seines filiolus nicht heiraten kann. Wenn dagegen der Kanon von Tribur die Ehe mit der Witwe des compater erlaubt, stellt sich die Frage, ob die Frau des verstorbenen compater, von der ausdrücklich gesagt wird, daß sie nicht cummater sei, vielleicht auch nicht die leibliche Mutter des Patenkindes gewesen ist, sondern etwa dessen Stiefmutter. Daß aber der Kanon bestimme, ein Täufling dürfe die Witwe seines Paten heiraten (HARTMANN, Bußtexte S. 212 Anm. 7), widerspricht eindeutig dem Text. 36 Decretum Compendiense a. 757 c. 15 (MGH Capit. l, S. 3839).· Si qu is fHas tram aut filastrum ante episcopum ad confirmationem tenuerit, separetur ab uxore sua et alteram non accipiat; Conc. Moguntinense a. 813 c. 55 (MGH Conc. 2/1, S. 273 5 ): nee filiolam nee comma34

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§ 19 Rechtliche und politische Verpflichtungen Daß die geistliche Verwandtschaft eine besondere Bedeutung zu gewinnen vermochte, ist zweifellos daraus zu erklären, daß die Zeit allgemein in familiären Kategorien dachte, und dies wirkte sich gerade auch im politischen Bereich aus. Das "Staatsleben" war von bestimmten Familien beherrscht, deren Beziehungen untereinander immer wieder durch Akte familiärer Bindungen bestärkt wurden. So ist es längst geläufig, daß "die Verheiratung fürstlicher Personen von je her eine Sache der Politik" gewesen ist1 ; die Heirat wurde der Vertrags- und Friedenssicherung, aber auch der territorialen Ausdehnung dienstbar gemacht. Politische Gemeinschaftsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit sah man offenbar nur dort gegeben, wo man "eine Familie" bildete. Dies läßt sich deutlich auch an der überfamiliaren Gemeinschaft der Stadtbewohner beobachten. Schon in der Antike wurde die Gemeinschaft der Stadtbewohner als "Solidarität der Bürger nach dem Muster des Familiengefühls" beschrieben 2 . Im Mittelalter war es nicht anders: die Stadtbewohner verbanden sich als "Schwurbrüder"3. Darüber hinaus hat man beobachten wollen, daß nach Auffassung primitiver Religiosität — und wie schon Dölger andeutete, haben wir es bei der Kompaternität mit der "Wucherungsenergie urtümlicher Gedanken" zu tun — auch der Klan durch eine "geistige Verwandtschaft" zusammengehalten wurde: "Auf Grund des nahen Zusammenlebens innerhalb des Klans gibt es eine geistige Verwandtschaft, die sich sowohl im Äußeren als auch im Inneren zu erkennen gibt"4. Wenn aber das zum Familiären tendierende Denken die Vorstellung einer Geistesverwandtschaft mit einschloß, kann die in der Patenschaft hergestellte geistliche Verwandtschaft keine Schwierigkeiten bereitet haben. Im Gegenteil, leicht konnte die ältere Idee durch die christliche Vorstellung vom verwandtschaftsbildenden Gottesgeist überhöht trem ducat uxorem nee illam, cuius filium aut filiam ad confirmationem duxerit. Dazu HINSCHIUS, Kirchenrecht 4, S. 61f; vor allem PREISEN, Eherecht S. 533f. 1 HELLMANN, Heiraten der Karolinger S. 294. Wenn S. HELLMANN in seiner Untersuchung (ebd. S. 294f) ständig auf "das feine Spiel politischer Berechnungen" stößt, so gilt dasselbe für die politischen Heiraten etwa des Alten Orients: "Wir dürfen unterstellen, daß Hochzeiten zwischen Herrscherhäusern, zumal im Alten Orient, keine 'Liebesheiraten' waren, sondern mit politischer Absicht erfolgten. Verschiedene Absichten konnten dabei bestimmend sein: Waren beide Partner politisch gleich stark, so konnte das Knüpfen familiärer Bande die gegenseitige Beziehung neutral halten. War einer der Partner stärker als der andere, so konnte er eine Tochter vergeben, um den schwächeren an sich zu binden; der schwächere Partner konnte eine Königstochter anbieten, um sich den Schutz des Stärkeren zu sichern. Auch der Prestigegewinn, der mit der familiären Bindung an ein oder mehrere Fürstenhäuser verbunden war, soll nicht unterschätzt werden. Schließlich konnten politische Heiraten dazu benutzt werden, um Völkerschaften oder Stämme zu integrieren, die neu in das Reichsgebiet eingegliedert wurden oder zu solch mächtigen Faktoren im politischen Kräftespiel geworden waren, daß sie nicht länger ignoriert werden konnten. Alle diese Motivationen gibt es bereits im Alten Orient, und es ist reizvoll, einmal die verschiedenen Verbindungen nachzuzeichnen, die die Überlieferung uns nennt." (RÖLLIG, Politische Heiraten S. 11). 2 DIHLE, Gerechtigkeit Sp. 249. 3 ENNEN, Europäische Stadt S. 105-138. 4 GR0NBECH, Primitive Religion I, S. 14.

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werden. So darf es denn nicht sonderlich verwundern, daß die Patenschaft mit ihrem der Blutsbindung sogar überlegenen Verpflichtungscharakter rasch und weithin Anwendung fand. Die Auffüllung der ursprünglich rein religiös verstandenen Patenpflichten mit familienrechtlichen Vorstellungen hat sich im 6. Jahrhundert vollzogen. Der Umschwung wird sichtbar, wenn man die Ausführungen zweier gallischer Kirchenmänner vergleicht: die Predigten des Caesarius von Arles (+ 542) und die "Geschichten" Gregors von Tours (+ 594). Während der Prediger nur die geistlichen Pflichten kennt, bezeugt der "Historiker" die säkularen Aspekte. Wie schon erwähnt, ruft Caesarius seinen Hörern, sofern sie Kinder aus der Taufe gehoben haben, immer wieder in Erinnerung, daß sie stellvertretend für ihre Taufkinder das Pactum vollzogen hätten 5 . Pate zu sein resultiere aus einem religiosus amor6. Deswegen müßten die Paten in der Einhaltung des eigenen Taufversprechens mit gutem Beispiel vorangehen; ihre Taufkinder sollten sie zum christlichen Leben anhalten und sie auch in Glauben und Gebet — genannt werden das Symbolum und das Vaterunser7 — belehren. Das Patenamt stellt demnach für Caesarius eine eindeutig religiöse Verpflichtung dar. Wohl verwendet er dabei Rechtsbegriffe, so etwa wenn er die Paten 'Bürgen' nennt; mehrmals heißt es formelartig: filios, quos in baptismo excepistis, scitote vos fideiussores pro ipsis apud deum extitisse* . Die Verwendung des Rechtsterminus fideiussor muß schon deswegen plausibel erschienen sein, weil das Taufpactum selbst in die Rechtsform eines Vertrages gekleidet war 9 . Aber dieses Recht diente noch ganz der Religiosität. Ganz anders nun die Beispiele bei Gregor von Tours; die Patenschaft ist bei ihm großenteils mit neuartigen Verpflichtungen besetzt. Ein gewisser GunthramBoso zum Beispiel suchte wegen früherer Vergehen gegen die Königin Brunichild die Versöhnung mit deren Sohn Childebert II. (575-596). Zunächst wandte er sich an den Bischof Agerich von Verdun (+ 588), der 'von der Taufe her des Königs Vater'10 war, damit er als Pate sich bei seinem königlichen Taufsohn für ihn verwende. Childebert, noch zu jung für ein selbstherrliches Regiment, wagte seinem bischöflichen Paten keinen ungünstigen Entscheid zu geben und verwies die Angelegenheit an seinen Onkel Gunthram, den König von Burgund (561-592). Dieser verurteilte den Gunthram-Boso zum Tode, wobei freilich der ChildebertPate Agerich, der den Angeklagten, wie Gregor eigens mitteilt, obendrein noch in 5

Caesarius von Arles, Sermo 12,3 (CChr.SL 103, S. 60). Ders., Sermo 200,6 (ebd. 104, S. 811). 7 Ders., Sermo 13,2 (ebd. 103, S. 65); Sermo 130,5 (S. 537). 8 Ders., Sermo 12,2 (S. 67); Sermo 50,3 (S. 226); Sermo 71,2 (S. 301); Sermo 204,3 (ebd. 104, S. 821); Sermo 229,6 (S. 910). 9 HEGGELBACHER, Taufe als Rechtsakt S. 96-99. 10 Gregor von Tours, Hist. IX 8 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 421 7 J: Sed et rex ad ulciscendam iniuriam genetricis iussit eum persequi atque inter/id. Ille vero cum se cerneret positum in disrimine, Veredunensem eclesiam petiit, per Agericum prorsus episcopum, qui erat regis pater ex lavacro, veniam inpetrare confidens. Tunc pontifex ad regem properat depraecaturque pro eo; cui rex cum negare nequiret quae petebat, ait: 'Veniat coram nobis, et datis fideiussoribus in praesentia patrui mei, quicquid illius indicium decreverit, exsequamur'. Zu Agerich s. DUCHESNE, Pastes 3, Nr. 10 S. 7 ; WEIDEMANN, Kulturgeschichte der Merowingerzeit l, S. 225f. 6

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seine fides aufgenommen hatte, fernblieb 11 . Der Verurteilte nahm sich in seiner äußersten Bedrohung Bischof Magnerich von Trier (+ nach 587) als Geisel; weil der Bischof mit König Childebert über einen von dessen Söhnen der pater communis war, also der Pate, hoffte Gunthram-Boso, derselbe könne beim König jedes Verlangen durchsetzen 12 . In der Tat hatte -Magnerich, wie Gregor anderenorts berichtet, den Childebert-Sohn Theudebert aus der Taufe gehoben13 . In einer dramatischen Verquickung von Verurteilung und Lynchjustiz wurde freilich Gunthram-Boso doch ums Leben gebracht. Der Vorfall zeigt aufs deutlichste, daß die Patenschaft im frühmittelalterlichen "Personenverbandsstaat" einen ganz neuartigen Verpflichtungscharakter anzunehmen begonnen hatte: den der persönlichen Verbundenheit. Aus den zahlreichen Beispielen, die später in anderem Zusammenhang erörtert werden sollen, sei allein noch folgender Fall vorgetragen: Die Königin Brunichild versuchte, die beiden Aufwiegler Ursio und Berthefrid, die im Widerstand gegen ihren Sohn Childebert verharrten, voneinander zu trennen. Sie fühlte sich nämlich dem Berthefrid zur Nachsicht verpflichtet, weil sie dessen Tochter aus der Taufe gehoben hatte 14 . Der Vergleich zwischen Caesarius und Gregor macht schlagartig deutlich, in welche Dimensionen die Patenschaft noch im Laufe des 6. Jahrhunderts heineingewachsen ist: ins familiäre Recht. Dabei hat die familienrechtliche Überformung ihren Ausgang genau von jenen Punkten genommen, welche in der theologischen Literatur als fundamentale Patenpflichten aufgezählt wurden. So bezeichnet etwa Ildefons von Toledo (+ 667) die Paten als diejenigen, welche die aus dem Schoß der Mutter Kirche im heiligen Geist Wiedergeborenen mit religiöser Liebe (religioso amore) zur Sohnesadoption (in adoptionem) aufnehmen (suscipiunt), ihnen dann in der Lebensführung mit gutem Beispiel vorangehen und sie ermahnen (admonere) sollen 15 . Aus diesem Text lassen sich genau jene Stichworte 11

Gregor von Tours, Hist. IX 10 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 42414J.· Venit etiani Gunthchramnus Boso, quem Agericus Veredunensis episcopus sua in fide susciperat. Sed pontifex ille, qui pro eo fidem fecerat, non adfuit, quia convenerat, ut absque ullius defensione regi praesetitaretur, scilicet ut, si ipse decerneret eurn morte debere, non excusaretur a sacerdote; sin autem ille vitam concideret, liber abiret. Sed, coniunctis regibus, pro diversis facilitatibus culpabilis iudicatur; iussum est, ut interficeretur. 12 Ebd. S. 425 s : O sanctus sacerdos, scio enim, te patrem communem cum rege esse filio eius, et novi, quoniam quaecumque petieris ab eo obtenebis, nee negare omnino poterit sanctitate tuae quaecumque poposceris. 13 Ebd. VIII 37 (S. 405 1 ): Post haec Childebertho regi filius natus est, qui a Magnerico Treverorum episcopo de sacro fönte susceptus, Theodoberthus est vocitatus. Zu Magnerich von Trier s. DUCHESNE, Pastes 3, Nr. 25 S. 38; ferner WEIDEMANN, Kulturgeschichte der Merowingerzeit l, S. 222. 14 Gregor von Tours, Hist. IX 9 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 424 2 ): [Ursio et Berthefredus] tractantes, ut, si rex Childeberthus aliquid contra eos agere voluissit, virtute se ab eius exercitu defensarent. Caput enim horum et causa malorum Ursio erat. Sed Brunichildis regina mandatum misit Berthefredo, dicens: 'Disiungere ab homine inimico, et habebis vitam. Alioquin cum eodem interibis'. Filia enim eius ex lavacro regina susciperat et ob hoc misericordiam de eo höhere voluit. S. EWIG, Teilungen S. 687; IRSIGLER, Frühfränkischer Adel S. 139ff. 15 Ildefons von Toledo, De cognatione baptismi 114 (MIGNE PL 96, Sp. 159B): Illi sane, qui ex utero matris Ecclesiae, id est ex lavacri fönte per Spiritum sanctum genitos in adoptionem

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herauslösen, die für die familienrechtliche Interpretation der Patenpflichten so wichtig geworden sind, nämlich susceptio, adoptio, religiosus amor und admonitio. Alle diese Begriffe haben in der Patenschaft zu ihrem religiösen Gehalt auch noch einen rechtlichen und politischen Verpflichtungscharakter angenommen. a) Susceptio Die Kontaminierung von geistlicher und weltlicher Vaterschaft läßt sich bis zu den einzelnen Elementen hin verfolgen, aus denen die Patenschaft aufgebaut ist. Schon die 'susceptio' ist dafür ein lehrreiches Beispiel. Es war eine weitverbreitete Redeweise, daß die Mutter Kirche ihre Söhne und Töchter mittels ihrer Amtsträger, eben der geistlichen Väter, in ihre Arme schließe; dieser Ausdruck wurde gerade dann verwendet, wenn der mit der Taufe vollzogene Eintritt in die Kirche oder auch die Rückkehr des reuigen Sünders zum Ausdruck gebracht werden sollte. In solchen Fällen erscheint immer wieder die Wendung 'in ulnis suscipere'16. Wir fassen hier den theologischen Hintergrund für die Benennung der Paten als 'susceptores'. Diese Bezeichnung hat sich durchgehalten, obwohl das 'suscipere', wie wir gesehen haben, durchaus nicht immer die eigentliche Patenhandlung gewesen ist. Indem aber die eigentlich entscheidende Patenhandlung als ein 'in ulnis suscipere' aufgefaßt wurde, mußte sich ein Pate als geistlicher Vater wähnen, der im Namen der Kirche handelte, wenn er sein Taufkind auf die Arme nahm. Darüber hinaus ist zu konstatieren, daß der 'susceptio' auch im weltlichen Recht eine ganz wesentliche Bedeutung zukam. Nach römischem Recht hatte der Vater, wenn er seinen Sohn als legitim anerkennen wollte, denselben in einem förmlichen Akt 'aufzunehmen' ('tollere liberum') 17 ; auch bei den Germanen entschied der Vater durch eine ähnliche, gleichfalls rechtsbedeutsame Aufhebung über die Aufnahme des Kindes in die Familie18. Von daher mußte einem Paten, wenn er seinen Täufling 'aufhob', eine evidente Parallele zur leibhaftigen Vaterschaft bewußt werden. So wandte sich zum Beispiel die verwitwete Königin Fredegund (+ 597) an den König Gunthram von Burgund (561-592), den damaligen Senior der Merowinger-Dynastie, mit dem Ansinnen, ihm ihren nachgeborenen Sohn in die Arme legen zu dürfen und dabei sein Dominat anerkennen zu wollen; Gregor verwendet hierbei den Ausdruck in ulnis ponere19. Fredegund zielte offenkundig filiorum religioso amore excipiunt, et ante quam baptizantur, et postquam baptizati fuerint, non solum exemplis, sed etiam verbis eos admonere prorsus oportet. 16 S. $ 24 Anm. 27 u. 29; i 39 Anm. 45, 50 u. 51; $ 40 Anm. 42 u. 44. Vgl. auch den biblischen Sprachgebrauch MC 9,35f: [/esus] accipiens puerum, statuit eum in media eorum;quem cum complexus esset, ait illis: Quisquis unum ex huiusmodi pueris reciperit in nomine meo, me recipit ,..; cf. Lc 2,28: [Simeon] accepit eum \puerumjesum] in ulnas suas. 17 BINDER, Geburt, religionsgeschichtlich Sp. 115f; KÄSER, Privatrecht l, S. 57: "Es steht dem Ehemann der Mutter frei, ob er das Kind anerkennen oder verstoßen will. Die Anerkennung geschieht nach römischem Brauch durch das 'tollere liberum', das Aufnehmen des Neugeborenen. Mit diesem Akt bestätigt der Mann die schon mit der Geburt erworbene Vatersgewalt; das einmal aufgehobene Kind kann er wohl nicht mehr ohne Sakralvergehen aussetzen." 18 ERLER, Geburt Sp. 1426f; PERKOW, Wasserweihe S. 14-27. 19 Gregor von Tours, Hist. VII 5 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 328 16 ); Zitat Anm. 36.

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darauf ab, daß Gunthram ihren Sohn 'aufhebe' und dadurch zum rechtsfähigen und 'geschützten' Vollglied der Sippe mache20 . Verwirklicht wurde diese Aufnahme bei der Taufe, als Fredegund noch einmal darum bat, daß Gunthram ihren Sohn aus dem heiligen Bad hebe und ihn als seinen alumnus zu sich nehme 21 . In der Einschätzung der politischen Tragweite dieses Aktes wird man mit R. Schmidt annehmen dürfen, "daß Gunthram den Sohn der Fredegunde dadurch, daß er ihn zu Paris aus der Taufe hob, in seiner dortigen Herrschaft befestigte, daß er ihm diesen Reichssitz sicherte" 22 . Wie nahe die rechtsbedeutsame Aufnahme an das Taufgeschehen herangerückt werden konnte, zeigen ferner auch einzelne frühmittelalterliche Bestimmungen aus den Leges: In der Lex Visigothorum wird die Erbfähigkeit, welche die Zugehörigkeit zur Familie voraussetzt, unter anderem an die empfangene Taufe gebunden, desgleichen im nordischen Recht 23 . Und noch ein Moment: Im Zusammenhang mit der Taufe wird des öfteren berichtet, daß der Pate dem Täufling den Namen gegeben habe 24 . Die Namensgebung ist ein in verschiedener Hinsicht bedeutsamer Akt. Im Namen wollte man bereits jene Wesensart vorgezeichnet sehen, die das künftige Leben prägen werde; die Benennung kam dann einer präfigurativen Handlung gleich, bei der man einen bestimmten Namen wählte, um dadurch auf die Wesensart und Zukunft eines Menschen einzuwirken 25 . In jedem Fall aber bedeutete die Namensgebung eine Eingliederung in die Familie des Namensgebers; so wurde es schon im antiken Adoptionsrecht gehandhabt 26 und ebenso dann im Frühmittelalter. Als der Hausmeier 20

EWIG, Dynastie S. 17. Gregor von Tours, Hist. X 28 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 520 2 2 ); Zitat Anm. 39. 22 SCHMIDT, Königsthron S. 53. E. EWIG weist auf eine Formulierung Fredegars hin, daß im Zusammenhang mit der Taufe Gunthram eine firmatio Chlothars im Reiche seines Vaters vorgenommen habe; Chronicon Fredegarü: IV 3 (MGH SS rer. Merov. 2, S. 12422): et eum de sancto lavacro excipiens, in regnum patris firmavit. 23 Leges Visigothorum IV 2,17 (MGH Leges Nationum Germanicarum l, S. 1855).· hereditatem capiet qui nascitur, nisi post nativitatis ortum et sacri baptismatis gratiam consequatur. S. KAHL, Altschonisches Recht S. 29f, 44. 24 Gregor von Tours, Hist. VIII 22 (MGH SS rer. Merov. l / l , S. 38817).· Berthchramnus ... arcessitum ... Waldonem diaconem, qui et ipse in baptismo Berthchramnus vocitatus est, summam ei sacerdotii depotat; Vita Chrothildis 7 (ebd. 2, S. 345 5 ): filium, cui in sacro baptismate nomen inposuit; Vita Arnulfi ep. Suessionensis 2 (MGH SS 15/2, S. 878 25 j: quem etiam de sacro fönte suscipiendum secundum morem direxerunt ad Arnulfum Oldenardensem, divitiis tunc et potentia inclitum virum. Hie letanter suscipiens puerum, mox acceleravit impertiri illi sacrae regenerations lavachrum, et ex nimio propinquitatis amore fastuque iactantiae non permisit, ut nominaretur Christoforus, sed sibi equivocum nominari fecit Arnulfum. 25 Als Gunthram seinen Neffen Chlothar II. aus der Taufe hob, gab er ihm den Namen Chlothar, was 'berühmter Krieger' bedeutet: Crescat puer et huius sit nominis exsecutur (Gregor von Tours, Hist. X 28 [MHG SS rer. Merov. l / l , S. 522 2 ]); HAUCK, Randkultur S. 35;GestaCnutonis 2,18 (MGH SS 19, S. 520 ): imponuntque ei vocabulum quodammodo optinens indicium futurae virtutis. Vocatur siquidem Hardocnuto, nomen patris referens cum additamento. Cuius si ethimologia theutonice perqitiratur, profecto quis quantusve fuerit dinoscitur. Harde quidem velox vel fortis, quod utrumque, multoque maius'his, in eo uno cognosci potuit, quippe qui omnes sui temporis viros omnium virtutum praestantia anteivit. — ALY, Name Sp. 950-961; LECLERCQ, Noms propres Sp. 1481-1553. 26 WENGER - OEPKE, Adoption Sp. 99-103; KÄSER, Privatrecht l, S. 292 A n m . 16: "Her21

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Grimoald seinen Sohn auf den merowingischen Thron zu bringen suchte, ließ er ihn von dem austrasischen König Sigibert adoptieren und mit dem Merowingernamen Childebert benennen 27 . b) Adoptio Wiederum ist daran zu erinnern, daß die Adoption ursprünglich ein Deutungselement der Tauftheologie gewesen ist, daß nämlich "die Verleihung der Sohnschaft, die Adoption ..., als eigentliche Taufgabe galt"28 : Bei der Taufe adoptiert Gott durch und in Jesus Christus zur Sohnschaft. Im Frühmittelalter hingegen erscheint nun auch der Pate als Adoptiwater. Dessen Aufgabe wurde nicht allein als geistlich, sondern auch als rechtlich bedeutsam aufgefaßt. Schon ein Beispiel aus den merowingischen Thronkämpfen vermag den rechtlichen Charakter der geistlichen Taufadoption zu verdeutlichen. König Gunthram von Burgund (561592) hat seinen Brudersohn Childebert 577 und nochmals 585 in feierlichen Akten der Thronsetzung und Waffenübergabe 'adoptiert'. Im Jahre 577 hatte der Burgunder bei einer Begegnung zu Pompierre, auf der Brücke des Grenzflusses Mouzon, seinen Neffen Childebert auf den Thron gesetzt und ihm, da er selbst kinderlos geworden war, die Anwartschaft aufsein Reich eingeräumt: 'Ein Schild schirme uns, ein Speer verteidige uns. Und wenn ich noch Söhne bekommen sollte, will ich dich doch gleich wie einen von ihnen halten, und mich soll mit dir und mit ihnen dieselbe Liebe verbinden, die ich dir hier vor Gott als Zeugen verspreche'29 . Ein gemeinsames Mahl gab dem feierlichen Zeremoniell den Abschluß30. Nach E. Hlawitschka handelte es sich um eine Adoption, die mit Formen der Waffensohnschaft verschmolzen war und neben der Erbregelung den Zweck verfolgte, Ansprüche von Gunthrams neustrischem Bruder Chilperich (561-584) abzuweh-

kömmlich führt der Adoptierte den vom Adoptiwater übernommenen Namen, vermehrt um ein aus dem Gentile des leiblichen Vaters gebildetes zweites Cognomen." Beispiele aus dem merovingischen Königshaus bei THOMAS, Namenliste S. 35; ferner KLEWITZ, Namengebung und Sippenbewußtsein S. 89-103. 28 KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 16. 29 Gregor von Tours, Hist. V 17 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 2161): Post haec Gunthchramnus rex ad Childeberthum, nepotem suum, legates mittit, pacem petens ac depraecans eum videre. Tunc ille cum proceribus suis ad eum venit; ... Gunthchramnus rex ait: Evenit inpulso peccatorum meorum, ut absque liberis remanerem, et ideo peto, ut hie nepus meus mihi sit filius. Et inponens eum super cathedram suam, cunctum ei regnum tradedit, dicens: Una nos parma protegat unaque asta defendat. Quod si filius habuero, te nihilhominus tamquam unum ex his reputabo, ut ilia cum eis tecumque permaneat caretas, quam tibi hodie ego pollicior, teste Deo. Proceris vero Childeberthi similiter pro eodem polliciti sunt. Et manducantes simul atque bibentes dignisque se muneribus honorantes, pacifici discesserunt. Die von Gunthram bei der Adoption verwendete Einleitungsformel findet sich übrigens ganz ähnlich auch in Adoptionsformularen; Formula Turonensis 23 (MGH Form. S. 147 J: Dum peccatis meis facientibus, orbatus sum filiis, mihi placuit, ut ille ... in mea potestate veniente in loco filiorum adoptassem; ähnlich Formula Salica Lindenbrogiana 18 (ebd. S. 279 13 ). Dadurch wird der Rechtscharakter der geschilderten Adoption noch einmal unterstrichen. HAUCK, Randkultur S. 70f. 30 HAUCK, Rituelle Speisegemeinschaft S. 611-621.

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ren 31 . Wie bei jeder Adoption erhielt dabei der Adoptiwater die Leitungsgewalt über den noch unmündigen Adoptivsohn. Die Bevormundung Childeberts durch Gunthram versuchten aber die Großen des austrasischen Reiches zeitweilig abzuschütteln, so daß der Vertrag 585 erneuert werden mußte. Gunthram übergab seinem Neffen wiederum einen Speer (hasta): 'Dies zum Zeichen, daß ich dir mein ganzes Reich übergebe ... Du also sollst mir als Erbe in meinem ganzen Reiche folgen, und alle anderen sollen enterbt sein' 32 . Wenig später, wohl 587, folgte dann der Vertrag von Andelot: Im Todesfall eines Kontrahenten solle dessen Reich ungeschmälert an den Partner fallen. In Wirklichkeit bedeutete dies, daß der söhnelose Gunthram seinen Neffen zum Erben einsetzte; ja, wenn Childebert vor ihm sterben sollte, so wolle er dessen Söhne 'wie ein liebender Vater unter seinen Schutz und Schirm' nehmen; desgleichen gedenke er, Mutter, Schwester und Gattin des Königs 'als seine liebe Schwester und als seine Töchter in christlicher Liebe unter seinen Schutz und Schirm zu nehmen ...'33 . Solange freilich der adoptierende Gunthram lebte, war ihm der Suprematsanspruch über seinen Adoptivsohn eingeräumt. Wiewohl er die Königsherrschaft seines Neffen anerkannte, ja, ihm in der Adoption sogar einen gesteigerten Erbanspruch einräumte, verschaffte er sich doch auch die Möglichkeit, "seine vorhandenen rechtlichen Suprematsansprüche als Oheim gegenüber dem Neffen entscheidend zu intensivieren"34 . Was aber diese Adoption neben der Erbregelung immer mit intendiert hatte, war die Abwehr möglicher Erbansprüche des neustrischen Königs Chilperich. Dieser wurde im Herbst 584 ermordet; mit seiner Gattin Fredegunde (+ 597) hinterließ er nur einen damals gerade drei Monate alten Sohn 35 , der den Namen Chlo31

HLAWITSCHKA, Adoptionen S. llf; R. SCHNEIDER ist geneigt, die Thronsetzung als erbrechtliche Komponente des Adoptionsaktes, also im Sinne einer 'adoptio in hereditatem", zu deuten, während die Übergabe der Waffen wohl stärker die Schutzverpflichtung für den Adoptierten betont habe (Königswahl S. 117-121). 32 Gregor von Tours, Hist. VII 33 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 35313J: Post haec rex Gunthchramnus, data in manu regis Childeberthi hasta, ait: Hoc est indicium, quod tibi omne regnum meum tradedi. Ex hoc nunc vade et omnes civitates meas tamquam tuas proprias sub tui iuris dominatione subice. Nihil enim, facientibus peccatis, de stirpe mea remansit nisi tu tantum, qui mei fratris es filius. Tu enim heres in omni regno meo succede, ceteris exheredibus factis. S. EWIG, Teilungen S. 683-689; HLAWITSCHKA, Adoptionen S. 13f. R. SCHNEIDER (Königswahl S. 121ff) sieht hier eine Steigerung der Ansprüche Childeberts zu einem "bedingten Herrschaftsrecht", zu einem "partiellen Machtanspruch", ja zu einer "Mitherrschaft". 33 Gregor von Tours, Hist. IX 20 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 436 12 j: Pari conditione repromittit domnus Gunthchramnus rex, ut, ... si contigerit domnum Childeberthum eo suprestite de hac luce migrari, filius suos Theodoberthum et Theodoricum reges, vel si adhuc alias ipsi Deus dare voluerit, ut pius pater sub sua tuitions et defensione recipiat, ita ut regnum patris eorum sub omni soliditate possedeant; et genetricem domni Childeberthi, domnam Brunichildem reginam, vel filiam eius Chlodosuindam, germanam domni Childeberthi regis, ... tamquam sororem bonam et filias in sua tuitions et defensione spiritali dilectione recipiat ...; SCHNEIDER, Königswahl S. 124ff; HLAWITSCHKA, Adoptionen S. 14ff; zur Chronologie s. WEIDEMANN, Chronologie S. 473-487. 34 SCHNEIDER, Königswahl S. 121. 35 HLAWITSCHKA, Adoptionen S. 10; DERS., Genealogie S. 96-99.

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thar erhielt und nun als der Erbe angesehen wurde. Gunthram ließ sich bewegen, auch zu ihm nähere Beziehungen aufzunehmen, und dabei ist die Patenschaft eingesetzt worden. Zunächst hören wir von der bereits erwähnten Bitte Fredegundes, Gunthram möge kommen und das Reich seines Bruders in Besitz nehmen; sie wolle ihm ihren kleinen Sohn in die Arme legen und sein Dominat anerkennen36 . Der in Gregors Bericht verwendete Ausdruck in ulnis ponere dürfte, wie schon dargelegt, auf jenen wichtigen Rechtsakt anspielen, mit dem die verwitwete Fredegunde bei dem von ihr als Muntherrn (dominus) und Senior der Dynastie anerkannten Gunthram zu erreichen suchte, daß er ihren Sohn 'aufhebe' und dadurch zum Vollglied der Sippe mache 37 . Das eigentliche Aufheben scheint dann aber, wie die nachfolgenden Ereignisse zeigen, bei dem suscipere de lavacro geschehen zu sein. Obwohl seit 584/85 eine ausdrückliche Einladung bei Gunthram vorlag, wurde die Taufe noch längere Zeit hinausgeschoben 38 . Erst 591 empfing Chlothar das heilige Bad. Fredegundes Bitte an Gunthram lautete dabei, daß er ihren Sohn aus der Taufe hebe und ihn als seinen alumnus zu sich nehme39 . So ist also der anfängliche Wunsch, daß Gunthram den nachgeborenen Sohn Chlothar 'auf seine Arme nehme', durch das Aufheben aus der Taufe in Erfüllung gegangen. In der so verstandenen Patenbindung Gunthrams an einen anderen Merowinger sah aber Childebert eine Gefährdung seiner aus Adoption und Vertrag herrührenden Ansprüche. Er ließ bei Gunthram vorstellig werden, daß der König ihm gegenüber sein Versprechen breche, wenn er nun mit dem alten Gegner Freundschaft schließe. Was nur erst aus der neuen Patenverpflichtung Gunthrams befürchtet werden mochte, stellte Childebert in seiner Beschwerde bereits als gegeben hin, daß nämlich der Patensohn damit eigentlich schon auf den Pariser Thron gesetzt sei. Offenbar sah er sich in eigenen Hoffnungen betrogen; vielleicht auch fürchtete er um die Realisierung seiner Erbansprüche bei Gunthram, der den Sproß einer anderen Linie gleichfalls feierlich anzuerkennen bereit war und ihn eben damit auch zu möglichen Erbansprüchen berechtigte. Gunthram freilich verschanzte sich hinter der allgemeinen christlichen Patenpflicht; ohne jeden Hintergedanken komme er allein einer Verwandtenpflicht nach, der sich kein Christenmensch ent36

Gregor von Tours, Hist. VII 5 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 32814): Fredegundis igitur regina ... legates ad Gunthchramnum regem mittit, dicens: Veniat dominus meus et suscipiat regnum fratris sui. Est, inquid, mihi in/ans parvolus, quem in eins ulnis ponere desiderans, me ipsam eius humilio dicioni; s. SCHNEIDER, Königswahl S. 113f, EWIG, Dynastie S. 16. 37 S.Anm. 17-21. 38 Gregor von Tours, Hist. VIII l (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 3708J.· [Gunthchramnus] invitatus enim Parisius veniebat, ut Chilperici filium, quem iam Chlothacharium vocitabant, a sacro regenerationes fönte deberet excipere; ferner ebd. VIII 9 (S. 37610). S. auch EWIG, Dynastie S. 17f; SCHNEIDER, Königswahl S. 115f; HLAWITSCHKA, Adoptionen S. 12 Anm. 51. 39 Gregor von Tours, Hist. X 28 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 52020J: Post haec autem kgatos ad Gunthchramnum regem mittit, dicens: 'Proficiscatur dominus meus rex usque Parisius, et arcessitu filio meo, nepote suo, iubeat eum baptismatis gratia consecrare; ipsumque de sancto lavacro exceptum, tamquam alumnum proprium nähere dignetur' ... Ebd. S. 521s: [rex] accessit Parisius, exinde ad Rotoialinsim villam ipsius urbis properans, evocato puero, iussit baptisterium praeparari in vico Nemptudoro. S. dazu SCHNEIDER, Königswahl S. 126ff; natürlich ist Chlothar nicht "durch seinen Oheim Guntram getauft" worden, wie es ebd. S. 115 Anm. 284 heißt.

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ziehen dürfe 40 . "Man hat den Eindruck", schreibt Eugen Ewig 41 , "daß Gunthram auswich". In der Tat, dem Burgunder dürfte vollauf bewußt gewesen sein, daß er mit der Patenschaft über den neustrischen Neffen dasselbe anstrebte, was er zuvor mit Adoption und Vertrag über seinen austrischen Neffen bereits erlangt hatte. Da dieser immer die neustrischen Ansprüche hatte ausschließen wollen, wäre eine Adoption Chlothars eine offene Brüskierung gewesen. Die Patenschaft aber erlaubte in aller Unschuld ein Doppelspiel: Als fromme Christenpflicht ausgegeben, schloß sie in Wahrheit eine politisch bedeutsame Adoption ein. Der Einspruch Childeberts zeigt aufs deutlichste, daß sie als solche auch empfunden wurde; in den Augen des Protestierenden vermochte sie eine durch Thronsetzung, Adoption und Vertrag bekräftigte Erbfolgeregelung in Frage zu stellen. Das aber heißt: Ihr muß ein zu den genannten Rechtshandlungen vergleichbares Gewicht beigemessen worden sein. Für Gunthram freilich ergab sich die verlockende Möglichkeit, mit der Patenschaft eine Suprematie auch über Chlothar und dessen Herrschaft zu erwerben. Gregor von Tours sieht denn auch Adoption und Patenschaft in ihrer tatsächlichen Rechtswirkung als offenbar gleichwertige Akte an, kann er doch schreiben, daß Gunthram väterliche Gewalt ausgeübt habe über den Sohn sowohl Sigiberts wie Chilperichs — also über Childebert und Chlothar —, die er beide 'adoptiert' habe; dadurch verfüge er über die oberste Macht in seinem Reiche wie einst sein Vater Chlothar42 . 40

Gregor von Tours, Hist. X 28 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 52l 7 ).· Dum autem haec agerentur, legati Childeberthi regis accesserunt ad eum, dicentes: 'Non enim ista nuper nepote tuo Childebertho pollicitus eras, ut cum inimicis eius amicitias conlegaris. Sed in quantum cernimus, nihil de promissione tua custodis, sed potius quae promiseras praetermittis etpuerum istum in urbis Parisiacae cathedram regem statues. ludicavit enim Deus, quia non reminisceris, quae ultra pollicitus es'. Haec his dicentibus, rex ait: 'Promissionem, quam in nepotem meum Childeberthum regem statutam habeo, non obmitto. Nam ilium non oportet scandalizare, si consubrinum eius, filium fratris mei, de sancto suscipiam lavacro, quia hanc petitionem nullus christanorum debet abnuere. Eamque ego, ut Deus manifestissime novit, non calliditate aliqua, sed in simplicitate puri cordis agere cupio, quia offensam Divinitatis incurrere formido. Non est enim humilitas genti nostrae, si hie a me excipiatur. Si enim domini proprios famulos de sacro fönte suscipiunt, cur et mihi non liceat propinquum parentem excipere ac filium facere per baptismi gratiam spiritalem? Abscedite nunc et nuntiate domino vestro: 'Pactionem, quam tecum pepigi, custodire cupio inlibatam; quam si tuae conditionis noxa non obmiserit, a me prorsus omitti non que.it.' Et haec dicens, legatis discedentibus, rex accedens ad lavacrum sanctum, obtulit puerum ad baptizandum. Quem excipiens, Chlotharium vocitari volu.it, dicens: 'Crescat puer et huius sit nominis exsecutur ac tale potentia polleat, sicut ille quondam, cuius nomen indeptus est'. Quod misterium celebratum, invitatum ad epulum parvolum multis muneribus honoravit. Similiter et rex ab eodem invitatus, plerisque donis refertus abscessit et ad Cavillonensim urbem redire statuit. S. dazu EWIG, Dynastie S. 18; die Angaben im Chronicon Fredegarii: IV 3 (MGH SS rer. Merov. 2, S. 12420) sind irrig; vgl. SCHNEIDER, Königswahl S. 116 Anm. 290; FRITZE, Fränkische Schwurfreundschaften S. 95f, 100. 41 EWIG, Dynastie S. 18. 42 Gregor von Tours, Hist. VII 13 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 3345J: adserentes, hunc [Guntchramnum] esse nunc patrem super duos filios, Sigyberthi scilicet et Chilperici, qui ei fuerant adoptati; et sic tenere regni principatum, ut quondam Chlotharius rex fecerat, pater eius. S. SCHNEIDER, Königswahl S. 12f mit Anm. 52. - Anders E. HLAWITSCHKA (Genealogie S. 99), der glaubt, daß hier "lediglich ein Zeugnis für einen nicht immer ganz präzisen Wortgebrauch Gregors von Tours" vorliege.

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Die bei Gregor von Tours ausführlich geschilderten Auseinandersetzungen um König Gunthrams Nachfolge, bei der (Waffen-)Adoption und Patenschaft geradezu als konkurrierende Rechtsverfahren erscheinen, ist für unser Thema überaus bedeutsam. Es zeigt sich daran nämlich, daß das Pateninstitut, das im 6. Jahrhundert noch relativ jung gewesen ist, bereits in die Sphäre des Rechtes einzudringen begann, dabei den rechtsbedeutsamen Akt des 'Aufhebens eines Kindes' in sich aufnahm, ja darüber hinaus noch einer Waffensohnschaft und Adoption als geradezu gleichwertiger Akt an die Seite treten konnte. So kann es nicht mehr erstaunen, Beispiele anzutreffen, in denen die Patenschaft nach Maßgabe des gängigen Adoptionsrechtes verstanden wurde. Bei Gregor von Tours findet sich bereits folgender Fall: Bischof Praetextus von Rouen (+ 586), der von König Chilperich angefeindet und vor einer Bischofsversammlung der unrechtmäßigen Aneignung von Königsgut angeklagt wurde, suchte sich dadurch zu rechtfertigen, daß er die bei ihm gefundenen Schätze als Eigentum seines Patensohnes ausgab, welcher ein Merowingersproß war; er habe geglaubt, zumindest zeitweilig darüber verfügen zu dürfen 43 . Umgekehrt aber konnte auch der Fall eintreten, daß ein Pate sein Vermögen, oder wenigstens Teile davon, seinem Taufkind hinterließ. Dhuoda, die Frau Bernhards von Aquitanien, erinnert in dem 842 geschriebenen Liber manualis ihren ältesten Sohn Wilhelm daran, daß sein verstorbener Pate als guter nutritor und amator ihm Hab und Gut überlassen habe 44 . Gerade an solchen Beispielen wird sichtbar, in welchem Maße die Patenschaft "realistisch" verstanden worden ist. Für unsere Thematik ist wichtig, daß mittels der Adoption, die man auch in der Patenschaft vollzogen sah, eine familiäre Nähe hergestellt wurde: Pate und Täufling galten wie Vater und Sohn, und Gott selbst hatte sie im Heiligen Geist zusammengeführt. c) Religiosus amor In den merowingischen Thronkämpfen wird weiter auch die verpflichtende Wirkung des aus der Patenschaft erfließenden religiosus amor sichtbar. In dem Bestreben der merowingischen Könige, jeweils die eigene Herrschaft durch die Beseitigung von möglichen Konkurrenten zu sichern, fällt auf, daß man die Patenkinder zu schonen bereit war. Fredegar zufolge hat der schon erwähnte Chlothar II. (584-629), als er die Söhne Theuderichs II. (596-613) ausrotten ließ45, dabei einen Merowech am Leben gelassen: 'Ihn umfing er mit der gleichen Liebe, mit 43

Gregor von Tours, Hist. V l (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 222 17 ): si fas fuisset, angelum de caelo evocaveram qui esset adiutor eius; filius enim mihi erat, ut saepe dixi, spiritalis ex lavacro. Zu Praetextus s. DUCHESNE, Pastes 2, Nr. 16 S. 207; zum Prozeß s. WEIDEMANN, Kulturgeschichte der Merowingerzeit l, S. 188-192. 44 Dhuoda, Liber Manualis VIII 15 (ed. RICHß S. 320 2 J: qui te, ex meis suscipiens brachiis, per lauacrum regenerations filium adoptauit in Christo ... Nutritor etenim atque amator tuus fuerat in cuntis ... Te quasi primogenitum paruulum relinquens in saeculo, suo cuncta domno et seniori nostro, ut tibi prodesse ualerent in omnibus, remanserunt. 45 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 29 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 219 17 ).

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der er ihn vom heiligen Bad aufgehoben hatte' 46 . Es wird hier deutlich, daß der religiosus amor der Taufe eine stärkere Verpflichtung ausübte als selbst die Blutsbindung. Einen bereits früheren Fall berichtet Gregor von Tours, daß nämlich Theuderich (511-534) seinen Verwandten Sigiwald, den Dux von ClermontFerrand, mit dem Schwert umgebracht habe,· daß Theuderich ferner den eigenen Sohn Theudebert I. (534-548) habe veranlassen wollen, auch noch den gleichnamigen Sohn des Getöteten zu beseitigen. Aber Theudebert, bei dem sich der Sigiwald-Sohn aufhielt, scheute vor einer solchen Bluttat zurück, weil er der Taufpate des Sigiwald war. Er offenbarte seinem Taufsohn das väterliche Ansinnen und riet ihm zur Flucht 47 . Nachdem dann Theudebert selbst die Herrschaft angetreten hatte, kehrte der junge Sigiwald zurück, wurde mit allen Ehren von seinem Paten empfangen und in den väterlichen Besitz, der vorher konfisziert worden war, wieder eingewiesen48 . Wir können also erneut feststellen, daß die Patenschaft eine Schonung bewirkt; sie erhält dem Taufsohn nicht nur Freiheit und Besitz, sondern auch das Leben. In ähnlicher Weise aber sprechen die Quellen noch oft von der Bedeutung der Patenschaft. So berichtet die Angelsachsen-Chronik zum Jahre 757 den Fall, daß ein Patensohn im Kampf verschont blieb 49 . Noch in den nordischen Sagas wird die lebenserhaltende Friedenswirkung der Patenschaft bezeugt. Ein Hallfred, der nach den Hofgesetzen sein Leben verwirkt hatte, wurde vom König begnadigt, weil er dessen Patensohn war: 'Es soll dir eher als anderen verziehen werden' 50 . d) Admonitio In der 'admonitio' drückt sich die dem Paten obliegende Pflicht zur sittlichen und glaubensmäßigen Belehrung seines Zöglings aus. Wie bereits dargelegt, gehörte es zu den wesentlichen Aufgaben der Paten, jene Fragen nach dem Gottesglau46

Chronicon Fredegarii IV 29 (MGH SS rer. Merov. 2, S. 132 ): Eodem anno natus est de concupina Teuderici filius nomen Meroeus, quem Clotharius de sancto lavacro suscepit; ebd. 42 (S. 141 8 ): Captis filiis Theuderici tres, Sigiberto, Corbo et Meroeo, quem ipse de fontes excipit, Childebertus fugaciter ascendens ... Sigybertus et Corbus, filius Theuderici, iusso Clothariae interfecti sunt. Meroeus secrecius iusso Chlothariae in Neptrico perducetur; eodem amplectens amore, quod ipso de sancto excepisset lavacrum, Ingobode graffione commendatur, ubiplures post annos vixit. SCHNEIDER, Königswahl S. 138; EWIG, Teilungen S. 692. 47 Gregor von Tours, Hist. Ill 23 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 122 8 ); In illis diebus Theudoricus parentem suum Sigivaldum occidit gladio, mittens occulte ad Tlieudobertum, ut et ille Sigivaldum, filium eius, neci daret, quem tunc secum habebat. Sed quia eum de sacro fönte exciperat, perdere noluit. Litteras vero, quas ei pater transmiserat, ipsi ad legendum dedit, dicens: Fuge hinc ... SCHNEIDER, Königswahl S. 79. 48 Gregor von Tours, Hist. Ill 24 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 12310j: Haec audiens Sigivaldus, quod scilicet Theudoberthus regnum patris obtenuisset, ad eum de Italia rediit. Quem ille congaudens ac deosculans, tertiam partem ei de muneribus, quae a patruo acceperat, est largitus; et omnia, quae in fisco suo pater posuerat de rebus Sigivaldi, patri eius, ipsi reddi praecipit. 49 Anglo-Saxon Chronicle a. 757 (ed. WHITELOCK S. 31): 'And they ... killed the atheling and the men who were with him, all except one, who was the ealdorman's godson. And he saved his life, though he was often wounded.' 50 PERKOW, Wasserweihe S. 74ff.

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ben und der Teufelsabsage zu beantworten, die im Taufritual das Pactum bildeten; ebenso oblag ihnen die Rezitation des Glaubensbekenntnisses und des Vaterunsers. Mit diesen wichtigen Antworten übernahmen die Paten — wie wir gesehen haben — eine Art Bürgschaft dafür, daß die Täuflinge die mit dem Taufversprechen eingegangenen Pflichten später auch im eigenen Leben erfüllen würden. Eben das war der Grund, weswegen Augustinus und Caesarius die Paten fideiussores bzw. fidedictores genannt hatten. Die karolingische Kirchenreform ist nicht müde geworden, die geistlichen Patenpflichten, die in der Vermittlung des Glaubensbekenntnisses und des Vaterunsers bestanden, anzumahnen 51 . In der Welt des Adels und der Königshöfe rückte die Verpflichtung zur geistlichen Erziehung die Paten in die Nähe der 'nutritores', die als Erzieher zuweilen in recht einflußreiche Positionen hineinwuchsen 52 . Ein geistlicher Taufpate zumal mußte aufgrund seiner Bildung als der gegebene 'nutritor' erscheinen. Doch ist festzustellen, daß die Mönchsregeln die Übernahme von Patenschaften nicht wünschten 53 . Dies wurde unter anderem damit begründet, daß im Kloster eine Erziehung von Kindern, wie man sie von Paten erwarte, nicht erlaubt werden könnte 54 . Die Klöster fürchteten, die Pflegestätten von Adelskindern zu werden 55 . Ebenso schien es geboten, Geistliche von den Affären des Hofes wegzuhalten, in die sie aber aufgrund patenschaftlicher Erziehungsaufgaben hineingezogen werden konnten; schon Amandus meldete hier Bedenken an 5 6 . Dennoch lassen sich bemerkenswerte Beispiele anführen. Unter den deutschen Herrschern hat vor allem Ludwig das Kind (900-911) unter dem maßgeblichen Einfluß seiner Taufgeistlichen gestanden; diese waren Erzbischof Hatto von Mainz (891-913) und Bischof Adalbero von Augsburg (887-909). Die Regensburger Erweiterung der Fuldaer Annalen, die von der Taufe Ludwigs berichtet, läßt leider nicht erkennen, wie dabei Taufe und Patenschaft vollzogen worden sind 57 . 51

ANGENENDT, Bonifatius S. 139. DERS., Geistliches Bündnis S. 23ff. 53 S. $ 22 Anm. 31-33. 5 Bemerkenswert etwa ein Passus aus der Nonnenregel des Donatus von Besa^on: Regula Donati 54 (ed. HOLSTENIUS - BROCKIE l, S. 388): Nulla cujuslibet filiam in Baptismo neque divitis neque pauperis praesumat excipere. Neque ad enutriendum, neque ad docendum nobilium vel pauperum filiae recipiantur, nisi quae in Monasterio sub habitu religionis, sicut et reliquae, perseverent. 55 Capitulare monasticum a. 817 c. 45 (MGH Capit. l, S. 34634J: Ut scola in monasterio non habeatur, nisi eorum qui oblati sunt; Capitula ecclesiastica ad Salz data a. 803-804 c. 7 (ebd. S. 119 ): Omnino prohibemus, ut nullus masculum filium aut nepotem vel parentem suum in monasterio puellarum aut nutriendum commendare praesumat, nee quisquam illum suscipere audeat; Consuetudines Cluniacenses. Epistola nuncupatoria (MIGNE PL 149, Sp. 636B): non aetate lasciva, nee imperio parentum, sed sponte sua. LORCIN, Vie scolaire S. 221-236; s. auch BROMMER, Gesetzgebung S. 57ff. 56 S. 22 Anm. 29. 57 Annales Fuldenses a. 893 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 122): filius nascebatur, quem Haddo Magonciacensis archiepiscopus et Adalpero Augustae Vindelicae episcopus sacro fönte baptismatis chrismantes nomine avi sui Hludawicum appellaverunt. 52

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Doch nennt der Vater des Täuflings, Arnulf von Kärnten, in einem original erhaltenen Diplom Hatto seinen compater5*. In den eigenen Urkunden bezeichnet Ludwig Hatto als spiritalis pater59, während Adalbero darüber hinaus auch noch als nutritor und magister erscheint 60 . Ganz eklatant waren die politischen Verwicklungen, in die Abt Hugo von Cluny wegen seiner Patenschaft über Heinrich IV.61 hineingezogen wurde; dieser appellierte nämlich in den Kämpfen des Investiturstreites ausdrücklich an den Abt als seinen pater spiritalis6*. Für unsere Thematik ist freilich ein anderer Punkt besonders bedeutungsvoll. Bei Neubekehrten mußten die Paten dafür sorgen, daß ihre geistlichen Kinder nicht wieder vom Glauben abfielen. So erklärte Papst Nikolaus I. in seinen Responsa Bulgarorum: Wer durch die Taufe gereinigt werde, erwähle sich dabei einen anderen zum geistlichen Vater, von dem er unterwiesen und betreut werde63 . Kann man dies als die üblichen Patenpflichten bezeichnen, so weiß der Papst doch auch die besonderen Konsequenzen für die Missionssituation anzugeben: 'Darüber hinaus muß der, welcher vom Glauben, den er versprochen hat, abgefallen ist, von demjenigen, der ihn [aus der Taufe] gehoben hat und dabei der Vermittler seines Glaubens geworden ist, unter allen Umständen zurückgerufen werden. Wenn er aber auf den nicht hört, den er als seinen Bürgen gestellt hatte, muß es der Kirche gemeldet werden, der es zukommt, das verirrte Schaf mit umso größerem Nachdruck zum eigenen Schafstall zurückzuführen ,..'64. Denn wer die Kirche nicht höre, so heißt es weiter, gelte allen als Heide und als ein Außenstehender, und ein solcher dürfe zu Recht mit äußerer Gewalt unter Druck gesetzt werden 65 . Dabei kommt dem König naturgemäß eine besondere Rolle zu: 'Denn es gehört zu den Aufgaben der christlichen Könige in dieser Welt, daß sie zu ihrer Zeit für die Kirche, von der sie geistlich wiedergeboren sind, ohne allen Schaden den Frieden wahren'66 . Papst Nikolaus verknüpft hier die Patenaufgaben mit dem alten Grundsatz, daß Ketzer, weil böswillig vom Glauben abgefallen, mit Gewalt zurückgeführt werden dürften 67 . Der Pate ist der Erstverpflichtete, der die Rück58 DA 135 (MGH Dipl. reg. Germ. Karol. 3, S. 203 4 J: Hathonis venerabilis archiepiscopi et carissimi compatris nostri. 59 DLdK 60 (ebd. 4, S. 190 7 ), 71 (S. 207 32 ), 72 (S. 209 2 7 ). 60 Ebd. 66 (S. 19730): spiritalis pater et magister noster; 5 (S. 1029): dilectus magister; 9 (S. 110 ): studiosissimus nutritor noster; 65 (S. 196s J: nutritor noster. 61 S. $ 22 Anm. 28; Donizo, Vita Mathildis II l (MGH SS 12, S. 38183J: Inter quos abbas Hugo Cluniacensis hie astat, qui pater in lavacro regis fuerat sacrosancto. S. auch SCHNEIDER, Sacerdotium S. 201-213. 62 Heinrich IV., Ep. 37 (ed. ERDMANN S. 47 7 ): ut tuis affusi genibus caput nostrum, quod de fönte salutari suscepisti, in sinum sanctitatis tue familiariter possemus reclinare; Ep. 38 (S. 51 ): H. dei gratia Romanorum imperator augustus V. venerabili Cluniacensi abbati, quicquid, licet peccator, tarnen spiritalis filius ...; Ep, 40 (S. 60 3 j: consilio principum et spiritualis patris nostri H. Cluniacensis abbatis. 63

Nicolai I papae ep. 99,18 (MGH Epp. 6, S. 577 40 ). Ebd. Z. 44. 65 Ebd. S.578 1 2 . 66 Ebd. Z. 29. 67 RUHBACH, Kirche angesichts der Konstantinischen Wende, bes. MARKUS, Coge intrare S. 337-361; ferner KAHL, Compellere intrare S. 177-274. 64

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gewinnung mit guten Worten versuchen soll; der König aber muß es notfalls mit Gewalt tun. Denn grundsätzlich gilt, daß ein Abfall vom Taufversprechen den Grund liefere, gewaltsam vorzugehen. Wir werden sehen, daß Karls des Großen Sachsenkriege von solchen Vorstellungen her motiviert gewesen sind68 . Noch konzentrierter mußte eine solche Gewaltaktion in dem Fall wirksam werden, daß der König selbst Pate über einen anderen König war und damit die Verantwortung für den Glauben seines Täuflings wie weiter auch über dessen Volk trug. e) Gegenseitige Hilfe Eine geradezu ideale Zusammenfassung dessen, was man im frühen Mittelalter als Wesen und Pflicht der Patenschaft angsehen hat, bietet der Liber manualis der Dhuoda, der Frau Bernhards von Aquitanien, die im Jahre 842 für ihren ältesten Sohn Wilhelm ein Buch mit Erziehungsratschlägen verfaßt hat. Die Verfasserin kennt die grundlegende Unterscheidung zwischen leiblicher und geistlicher Geburt und weiß das treffend auch mit Schriftstellen zu begründen 69 . 'Über die zweite Geburt, welche die geistliche ist, sagt das Evangelium: 'Wer nicht wiedergeboren wird ...' usw. Von der ersten Geburt heißt es: 'Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch'. Über die zweite Geburt wird hinzugefügt: 'Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist'. Wie aber ein Mensch für viele der Vater bei der zweiten Geburt sein kann, darüber höre den Apostel: 'Meine Kinder, die ich euch wiederum gebäre, bis Christus in euch stärker geformt werde'. Und ein anderes Mal: 'Durch das Evangelium', so sagt er, 'zeuge ich euch'. Viele sind durch die zusätzliche Möglichkeit der zweiten Geburt für viele auf vielfältige Weise die Eltern geworden ... Früher wie heute und immer zeugen unaufhörlich viele täglich durch das Evangelium, wie gesagt, durch Lehre, Predigt und durch das Beispiel der guten Taten in der Kirche Söhne.'70 Solche Sätze zeigen in anschaulicher Weise, wie tief sich die Vorstellungen und Pflichten der Patenschaft auch in Laienkreisen verwurzelt haben. Auffällig ist allein das weitgefaßte Verständnis von geistlicher Zeugung, denn alle geistlich-erzieherische Tätigkeit wird darunter subsumiert; sogar sich selber kann Dhuoda 'als gleichsam zweite Mutter' ihres Sohnes bezeichnen 71 . Für diesen selbst aber begründet die fromme Erzieherin von der geistlichen Verwandtschaft her die Mahnung, für seinen inzwischen verstorbenen Paten zu beten. 'Auch darfst du nicht, mein Sohn, [beim Gebet] jenen übergehen, der dich aus meinen Armen aufgenommen und dann durch das Bad der Wiedergeburt zum Sohne in Christus adoptiert hat. Er hieß in seiner Erdenzeit Theoderich, aber er lebt jetzt nicht mehr. In allem ist er dein Erzieher (nutritorj und Fürsorger (amator) gewesen, so gut er konnte ... Dich hat er sozusagen als erstgeborenen Sohn hinterlassen; all sein Hab und Gut hat er dir zum Nutzen unserem Herrn und Senior 68

S. $ 30 Anm. 18 u. 35. Dhuoda, Liber Manualis VII (ed. RICHfi S. 298 10 ). Zu Dhuoda und ihren Angehörigen s. WOLLASCH, Adelige Familie S. 150-188. 70 Dhuoda, Liber Manualis VII 3 (S. 300 2 ). 71 Ebd. VII l (S. 298 7 ). 69

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überlassen' 72 . Wiederum stoßen wir auf Stichworte wie Erziehung, Fürsorge und Adoption, und wiederum sind nicht nur geistliche Aspekte, sondern auch materielle Konsequenzen bis hin zum Erbrecht eingeschlossen. f) Patenschaft und säkulare Riten Sehen wir hier, wie sehr die Patenschaft mit Rechtselementen angereichert wurde, so ist abschließend noch darauf aufmerksam zu machen, daß das neue erweiterte Patenschaftsverständnis die älteren säkularen Formen künstlicher Verwandtschaftsbildung alsbald zu ersetzen begann. Bei den Nordgermanen gab es zum Beispiel eine "Ziehvaterschaft", deren Wirkung der Patenschaft vergleichbar ist: "Das enge Band [zwischen Ziehvater und -söhn] schließt einen Waffengang ebenso aus wie es die Übertragung des Erbes durch den söhnelosen Ziehvater an den Ziehsohn natürlich macht" 73 . Ähnlich läßt sich auch im keltischen Bereich feststellen, daß Pflegesohnschaft und Patenschaft Entsprechungen aufwiesen74. Solche Formen dürften der christlichen Patenschaft ihre so auffallend rasche Ausbreitung gesichert haben. Beachtung verdienen ferner einzelne Bräuche der säkularen Adoption. Als Karl Martell seinen Sohn Pippin, den späteren König, am langobardischen Königshof von Liutbrand adoptieren ließ, wurde dem jungen Karolinger das Haar geschoren75. Interessant ist nun aber, daß spätere Quellen die Haarschur, der Pippin sich am Langobarden-Hof unterzog, umgedeutet haben: Der Langobarden-König sei, so heißt es nun auf einmal, der pater spiritualis des Karolingers geworden und dieser der filius spiritualis des Königs 76 . Offenbar hat man sich die Adoption mittels des Haar-Ritus nurmehr nach geistlicher Art vorstellen können. Und dies dürfte nicht ohne Grund so gewesen sein: Wie schon Haar-Riten ein nahezu allgemeinreligiöses und auch rechtsbedeutsames Phänomen darstellen, so auch bei den christlichen Völkern des frühen Mittelalters. In unserem Zusammenhang ist wichtig, daß das Scheren der Haare und des Bartes als Adoptionsritus wie auch als Initiationszeremonie verstanden werden konnte. Meist traten dabei auch "neue" Eltern auf. Die "Ähnlichkeit mit der Patenschaft bei der Taufe" ist augenfällig77. Auch in Byzanz ist festzustellen, daß die "Über72

Ebd. VIII 15 (S. 320 2 ). BUISSON, Staatsbildung S. 107. 74 KERLOUEGAN, Mise en nourriture S. 121. 75 Paulus Diaconus, Hist. Langobard. VI 53 (MGH SS rer. Langob. S. 18315): Circahaec tempora Carolus princeps Francorum Pipinum suum filium ad Liutprandum direxit, ut eius iuxta morem capillum susciperet. Qui eius caesariem incidens, ei pater effectus est multisque eum ditatum regiis muneribus genitori remisit. 76 Chronicon Novaliciense III l (MGH SS 7, S. 98 n J: ut ei iuxta more ex capillis totonderet et fieret ei pater spiritualis; Ekkehard, Chronicon universale, Hystoria Langobardorum (ebd. 6, S. 15019J: misit Pippinum filium suum ad Liutprandum regem, ut tonderet capillos eius et faceret eum sibi exinde compatrem. 77 FRANZ, Benediktionen 2, S. 245-257, Zitat S. 249; ferner eine beachtliche Sammlung des religionsgeschichtlichen und frühmittelalterlichen Materials bei A. NAEGLE (Haarschur und Haarweihe S. 110-153). S. auch SPRIGADE, Einweisung ins Kloster S. 1-131; LEACH, Magical Hair S. 77-108. 73

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sendung der Haare meist ...[als] ein Symbol der geistigen Patenschaft oder Adoptierung" galt 78 . Tatsächlich gibt es im Liber Pontificalis einen Bericht, demzufolge Papst Benedikt II. (684-685) zusammen mit Klerus und Heer die Haarlocken der kaiserlichen Söhne Justinian und Heraklios entgegengenommen hat 79 . Daß die Haare sowohl in Byzanz wie beim Papst wie auch bei den Germanen eine politische Bedeutung einnehmen konnten, läßt sich beispielhaft an weiteren Nachrichten des Papstbuches aus dem 8. Jahrhundert zeigen. In dem zeitgenössisch abgefaßten Bericht über die ersten Amtsjahre Papst Hadrians I. erfahren wir, daß mit der sich abzeichnenden Niederlage der Langobarden die Spoletiner und Reatiner nach Rom gekommen seien, Zuflucht beim heiligen Petrus gesucht und dem Papst Treue gelobt hätten; bei ihrem Treueschwur, so heißt es dann, seien sie more Romano geschoren worden 80 . Eine Generation zuvor, als Liutbrand vor Rom lagerte, hatten viele adelige Römer es sich gefallen lassen müssen, more Langobardorum geschoren und eingekleidet zu werden 81 . Wie aber Papst und Langobarden jeweils Haarschur und Kleidung als Zeichen ihrer Gefolgschaft benutzten, so auch die Griechen. Als Arichis von Benevent sich Byzanz anschließen wollte, da meldete Hadrian dies an Karl mit dem Hinweis, der Herzog habe sich in Tonsur und Tracht den Griechen anzupassen bereiterklärt 82 . Angesichts solcher Bedeutsamkeit ist es nicht weiter verwunderlich, daß wir noch andere Beispiele antreffen werden, in denen die Haar-Riten mit der päpstlichen Sohnschaft in Verbindung gebracht sind.

§ 20 Pactum compaternitatis , Die Einbeziehung der Eltern des Täuflings in jene Bindung, die ursprünglich nur den Paten mit seinem Täufling verbunden hatte, bewirkte, wie wir gesehen haben, die Konsequenz, daß die geistlichen und leiblichen Eltern miteinander verwandt wurden. Wohl stand trennend ein Ehehindernis zwischen ihnen; wichtiger aber war, daß sie im Gottesgeist verwandtschaftlich zusammengeführt wurden. Wie schon die alte, "vertikale" Patenbindung rechtliche und politische Verpflichtungen nach sich gezogen hatte, so nun auch die jüngere, "horizontale" Kompaternität. Die um die Mitte des 9. Jahrhunderts entstandene Vita Bertini liefert dazu eine instruktive Erläuterung. Der Heilige war mit einem Graf Waltbert der computer1 ; er hatte, nach allerdings späterer Überlieferung, dessen Sohn aus der 78

TREITINGER, Oströmische Kaiser- und Reichsidee S. 107. Liber Pontificalis, Vita Benedict! II (ed. DUCHESNE l, S. 363I4j.· Hie una cum clero et exercitu suscepit mallones capillorum domni lustiniani et Heraclii filiorum clementissimi principis, simul et iussionem per quam significat eosdem capillos direxisse. HALLER, Papsttum 2, S. 615. 80 Liber Pontificalis, Vita Hadriani (ed. DUCHESNE l, S. 49524). 81 Ebd., Vita Gregorii III (S. 420 16 ). 82 S. $ 2 Anm. 25. 79

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Vita Bertini c. 19 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 765 18 ).

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Taufe gehoben 2 . Diese Kompaternität bezeichnet nun der Vitenschreiber als laudabilem ritum, inter christianos ad coniungenda fraternae caritatis foedera consecratum3; sie diente also zur Herstellung eines brüderlichen Liebesbundes. Tatsächlich ist denn auch in vielen Fällen festzustellen, daß die Auswahl der Paten vorrangig darauf abgestellt war, mittels der Kompaternität ein Bündnis zwischen den beiden Elternpaaren herzustellen. Das wohl sprechendste Beispiel liefern die Patenschaften über die Kinder des französischen Königs Ludwigs IV. (936-954), der mit Ottos des Großen Schwester Gerberga verheiratet war. Wie kaum irgendwo sonst wird hierbei sichtbar, daß die Patenschaften über die einzelnen Kinder der jeweils erwünschten Bündnisherstellung dienstbar gemacht wurden. Für den 941 geborenen Lothar hat der Vater den zweiten Herzog der Normandie, Wilhelm Langschwert, zum Paten gewonnen. Ein Jahr zuvor hatte er den Normannen aus der Front seiner Widersacher herauslösen und zur Kommendation veranlassen können 4 . Der Patenschaft unterlegt Dudo von St. Quentin, der freilich aus einer Distanz von gut zwei Generationen berichtet 5 , ausdrücklich die Absicht, daß sie das bestehende Band der Liebe weiter habe verstärken sollen: quatenus majoris copula dilectionis ampliorisque nexibus amoris colligati6. Dann berichtet Flodoard, Zeitgenosse und Beobachter des verwickelten politischen Geschehens, daß der übermächtige Vasall Hugo beim König der Pate einer Tochter geworden sei und den ducatus Franciae erhalten habe; der Reimser Mönch Richer wiederholt kurz vor der Jahrtausendwende, daß Hugo, als er 943 für eine kurze Zeit mit dem König wieder ausgesöhnt gewesen sei, so sehr in dessen Gunst gestanden habe, daß er zum dux omnium Galliarum und weiter zum Paten einer Tochter bestellt worden sei 7 . Während uns der Pate eines 945 geborenen Karl unbekannt bleibt 8 , diente die Patenschaft über eine dann folgende Tochter wieder zur Bekräftigung einer politischen Verbundenheit. Ludwig, der sich starker Gegenkräfte in seinem Land erwehren mußte, hat bekanntlich seinen Schwager Otto den Großen zu Hilfe gerufen. Dabei hat Ottos Schwiegersohn, Herzog Konrad der Rote von Lothringen, 946 einen Feldzug zugunsten Ludwigs unternommen; daß der Herzog in diesem Jahr auch eine Tochter des Königs aus der Taufe hob 9 , wird 2

Ebd. S. 765 Anm. 2. Ebd. S. 76519. 4 WERNER, Westfranken-Frankreich S. 742; BUISSON, Staatsbildung S. 143f. 5 WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen 3, S. 997. Dudo von St. Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum III 55 (ed. LAIR S. 199); s. dazu BUISSON, Staatsbildung S. 145. 7 Flodoard, Annales a. 943 (ed. LAUER S. 89f): Hugo dux filiam regis ex lavacro sancto suscepit, et rex ei ducatum Franciae delegavit; Richer, Historiarum Über II 39 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 51, S. 59): Quo tempore Hugo dux in magna gratia regi habitus, eius filiam ex sacro lavacro suscepit. Unde et eum rex omnium Galliarum ducem constituit. — DÜMMLER, Otto der Große S. 129; BUISSON, Staatsbildung S. 145; WERNER, Westfranken-Frankreich S. 745-755. Zu Flodoard und Richer s. WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 290-300; ZIMMERMANN, Flodoards Historiographie S. 200-214. 8 Flodoard, Annales a. 945 (ed. LAUER S. 95f). Ebd. a. 948 (S. 116): Chonradus quoque dux filiam Ludowici regis sacro de fönte suscepit; DÜMMLER, Otto der Große S. 158, 165. 3

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kaum anders denn als Zeichen dankbarer Verbundenheit für die empfangene Unterstützung gedeutet werden können. Noch gegen Ende desselben Jahres hören wir von einer weiteren Patenschaft: Erzbischof Artoald von Reims (+ 962), Favorit des Königs für den wichtigsten Erzstuhl der Francia und nach vielen Auseinandersetzungen endlich auch in Amt und Würde anerkannt, wurde zu einer Patenschaft ins Königshaus gebeten, womit zweifellos der nach langem Streit erreichte Ausgleich besiegelt werden sollte10. Bei der letzten uns überlieferten Geburt in der königlichen Familie, bei den Zwillingen Karl und Heinrich, bleiben die Paten dann wieder unbekannt 11 . Ohne sich in Einzelheiten zu verlieren, sei als weiterer größerer Komplex, in dem Kompaternitätsbündnisse als politische Mittel eingesetzt worden sind, allein noch die Politik der Dogen von Venedig erwähnt 12 . Schon früh hat die Stadt ihr Verhältnis zu den Westkaisern vertraglich zu regeln gewußt. Als ältestes erhaltenes Dokument ist jenes Pactum zu nennen, das am 21. Februar 840 von Kaiser Lothar I. ausgestellt worden ist, dem freilich mindestens ein früheres, wohl von Karl dem Großen, vorausliegen dürfte13 . Die Reihe der Pacta Veneta setzt sich dann bis ins hohe Mittelalter hinein fort. Aber nicht allein mit Hilfe von Verträgen haben die Dogen ihr Verhältnis zu den Westherrschern zu gestalten gesucht, obendrein haben sie noch das Mittel der Patenbindung eingesetzt. Die Venezianische Chronik des Johannes, verfaßt wohl von dem zwischen 995 und 1018 urkundlich nachweisbaren Diakon gleichen Namens 14 , berichtet mehrmals von solchen patenschaftlichen Bindungen. Als erster wird Dux Johannes erwähnt, der gegen 856 den 'Langobardenkönig Ludwig' — es ist Kaiser Ludwig II. (850-857) — veranlaßt habe, eines seiner Kinder aus der Taufe zu heben, ad dilectionis seu pads vinculum corroborandum, wie offen heraus gesagt wird 15 . Die Patenschaft fällt in jene schwierige Phase der venezischen Geschichte, in der die Stadt zwischen Ost und West ihre Selbständigkeit zu finden suchte und gerade deswegen auch eines pfleglichen Verhältnisses zum Westen bedurfte 16 . In ottonischer Zeit hören wir von der nächsten Kompaternität. Als der junge Otto III. im Frühjahr 996 nach 10

Flodoard, Annales a. 948 (ed. LAUER S. 121): Nasciturregi Ludowico filius, quem praesul Artoldus de sacro fönte suscepit, patris ei nomen imponens. Die Vorgänge um Erzbischof Artoald sind übersichtlich dargestellt von H. ZIMMERMANN (Ottonische Studien S. 126-135). 11 Flodoard, Annales a. 953 (ed. LAUER S. 136). 12 Zur Geschichte Venedigs s. den Überblick bei ENZENSBERGER, Venedig S. 389-396. 13 FANTA, Verträge der Kaiser mit Venedig S. 51-128; BRESSLAU, Venezianische Studien S. 69-92; UHLIRZ, Stellung Venedigs S. 82-110; BÖHMER, Regesta Imperil l, Nr. 1067 S. 430f. 14 WATTENBACH - HOTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 331f. 5 Johannes Diaconus, Chronicon Venetum (ed. MONTICOLO l, S. 1166J: anno quidem domini nostri Jhesu Christi ab incarnatione ... Lodovicus Longobardorum rex una cum congunge sua ad locum qui Brundulus vocatur veniens, apud sancti Michaelis monasterium ab utroque duce honorifice susceptus est; ubi cum triduo sirnul comanerent, ad dilectionis seu pacts vinculum corroborandum Johannes dux suam de sacro baptismate sobolem regem promovit ut susciperet; quo peracto, rex cum congunge Italiam, duces vero ad pallacium reversi sunt. KRETSCHMAYR, Venedig l, S. 95; BÖHMER, Regesta Imperii l, Nr. 1205 S. 493. 16 LENTZ, Venedig S. 64-H5; KRETSCHMAYR, Venedig l, S. 95.

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Italien aufbrach, schickte ihm der Doge Petrus Orseolo II. (991-1009) Boten entgegen, um den Herrscher in einem Streit mit den Bischöfen Johannes von Belluno und Rozo von Treviso günstig zu beeinflussen. Otto ließ dabei dem Dogen die Bitte zukommen, ihm seinen Sohn zur Patenschaft zuzusenden. Da dieser aber bereits getauft war, wurde Otto zu Verona, wohin der junge Orseolo ihm entgegengeschickt wurde, der Firmpate über ihn, und er verlieh ihm dabei seinen eigenen Namen 17 . Nicht genug damit, Otto hob in der Osterwoche des Jahres 1001, während des bekannten Geheimtreffens mit dem Dogen in Venedig, auch noch dessen jüngstgeborene Tochter aus der Taufe; Geschenke — so berichtet Johannes — habe der Kaiser nicht entgegennehmen wollen; er sei nicht aus Habgier, sondern aus Zuneigung zum Dogen und aus Verehrung des heiligen Markus gekommen18 . Zu Verona wurde dann im Jahre 1004 auch Heinrich II. Firmpate über einen weiteren Sohn des Dogen, der ebenfalls den Namen seines Paten erhielt19. Daß dann der Orseolo-Sohn Johannes, der seit 1004 Mitregent seines 17

Johannes Diaconus, Chronicon Venetum (ed. MONTICOLO l, S. 15l16): tune suos nuncios denuo Teutonicam mittere disposuit, qui inter Alpium anfractus regem iam a Ausonia venientem repperierunt; a quo honorifice suscepti, quicquid nefas suis dux inimicis intulerat libenter audivit; insuper promisit numquam quolibet modo ilium constringere ad pacem faciendam interim ipse vellet. deinde antequam Italiae planiciem peteret, eundem ducem dulci praece rogando demandavit ut suum natum, adhuc christianae fidei confirmatione carentem, Veronam sine aliqua mitteret mora; quod dux suorum fidelium consilio facere adquievit. puero quidem Verona pervento, officiose a rege susceptus est; quem chrismatis unctione propriis amplexibus coartatum fecit munire, et amisso paterno nomine, Otto, id est suus aequivocus, nuncupatus est. lohannes quidem prememoratus episcopus, seu Rozo, Tarvisianae sedis antistes, cum quibuslibet aliis ad pacem interpellandam ibi convenerunt. S. ferner BÖHMER, Regesta Imperil 2/3, Nr. 1164b u. d S. 610f; UHLIRZ, Stellung Venedigs S. 97; DIES., Otto III. S. 197f; H. KRETSCHMAYRs Angabe (Venedig l, S. 132), Otto habe den Sohn des Dogen "aus der Taufe gehoben", ist natürlich zu korrigieren; ebenso ENZENSBERGER, Venedig S. 395. Johannes Diaconus, Chronicon Venetum (ed. MONTICOLO l, S. 163 ): ad perfectae namque fidei vinculum confirmandum, filiam ducis adhuc caticumina de sacro baptismatis lavacro cesar suscepit; pallium quidem, quod pro pacti federe a Veneticis supra quinquaginta libras persohebatur, eidem suo compatri duci perpetua scriptione donabat, et omnia quomoda illi firmiter dehinc impertiri pro votis promittebat; sed nichil dux ei exigere volens nisi ut ecclesiarum suarum seu omnium Veneticorum predia integre solidatis, in statu suis temporibus conservaret. altero autem die, cum iam redeundi licitum höhere völebat, diversarum generum fortunis dux eum munerare voluit; qui nichil orum continere cupiebat dicens: illud mihi crimen inducere nolo, ne quis cupiditatis et non sancti Marci tueque dilectionis causa me hue venisse asserat. tarnen importunis coartatus precibus, ebumeum sedile cum suo subsellio, nee non argenteum siphum et urceum raro peractum opere dono, licet invitus, recepit, datoque obsculo, lacrimantibus utrisque separati sunt. Das mit diesem Besuch zusammenhängende Diplom nennt den Dogen dilectus compater noster (DO III 397 [MGH Dipl. reg. et imp. Germ. 2/2, S. 83020"*"26]). Bedenken gegen dieselbe W.endung in einem Diplom des Jahres 995 äußert mit Recht M. UHLIRZ (Stellung Venedigs S. 96f). S. ferner BÖHMER, Regesta Imperil 2/3, Nr. 1407 d u. e, Nr. 1408, S. 797ff; UHLIRZ, Otto III. S. 373-376; DIES., Stellung Venedigs S. 107f; KRETSCHMAYR, Venedig l, S. 133ff; MITTEIS, (Verträge S. 126). 19 Johannes Diaconus, Chronicon Venetum (ed. MONTICOLO l, S. 16718): cui [Heinrico regi] Petrus etiam Veneticorum dux in predicta urbe suum natum mire pulchritudinis puerulum, prece sua permotus, honorifice delegavit, quem crismatis divo liquore ex more fecit linire, patri obtime muneratum remisit. Ebd. S. 17l6.· quintus [filius Petri] estat vocabulo Heinricus.

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Vaters Petrus war, 1006 in Byzanz auf Betreiben des Kaisers mit einer Prinzessin verheiratet und zum Patrikios ernannt wurde 2 0 , hat Karl Leyser als eine Gegenaktion des Ostkaisers gegen die westlichen Compaternitas-Bindungen interpretiert21 . Schließlich hat noch Heinrich IV., als er 1095 in Treviso weilte, venezische Gesandte empfangen, die ihm unter anderem auch eine Patenschaft über eine Dogentochter antrugen. Bei der Pactum-Bestätigung kann der Kaiser bereits auf die Erfüllung der Bitte hinweisen. Dadurch hätten sie, so heißt es in einer längeren Begründung, ratione christianitatis zu einer Einheit gefunden; weil den Dogen mitsamt den Venezianern eine sincera dilectio, egregia fides und pure dilectionis exhibitio zu Kaiser und Reich bewegten, sei er würdig, bei der kaiserlichen Majestät den Platz eines computer und vir sapiens einzunehmen 22 . Die Kompaternität scheint ein fast alltäglicher Verbrüderungsritus geworden zu sein. Im Ravennater Liber Pontificalis wird uns das Bemühen um die mit der Kompaternität ermöglichte Bündnisschließung in geradezu genrehafter Manier beschrieben. Zur Absicherung eines Geldgeschäftes schlössen Ravennater Kaufleute eine Kompaternität: 'Zwei Männer wollten ein Bündnis miteinander schließen; da sagte der eine zum anderen ...: 'Gib mir deinen Sohn, daß ich ihm Vater sei von der Taufe her und ich ihn aufnehme aus dem geheiligten Brunnen. Seien wir gemeinsam Väter, du der fleischliche, ich aber der geistliche.' Der andere antwortete: 'Im Namen unseres Herrn Jesus Christus soll es geschehen.' Und so geschah es. Und von jenem Tage an, seitdem das Kind getauft war, waren sie gemeinsam Vater und hatten Liebe zueinander im Heiligen Geist und im Kuß des Friedens, weil es sich so geziemt für solche, die derart miteinander handeln, denn nicht Menschen, sondern den Heiligen Geist haben sie als Vermittler zwischen sich gestellt. Wie ihr wißt, ist der geistliche Vater bedeutender als der fleischliche, weil letzterer den Sohn aus der Sünde gezeugt hat, der Sohn ihm in Sünde geboren worden ist und auch in Sünde sterben müßte. Der andere aber ist der geistliche Vater; indem er ihn aus dem Wasser der Taufe gehoben hat, wird unter Beseitigung des Teufels und seines Blendwerkes der geistliche Sohn aus dem heiligen Brunnen gezeugt. Den geheiligten, durch Wasser und Geist geborenen Sohn nimmt er auf, und der vorher geboren war als Sünder aus der Sünde, wird nachher umso mehr geheiligt durch den Heiligen Geist' 23 . Daß die Compaternitas dazu geschaffen sei, Freundschaftsbeziehungen zu unterhalten und auszuweiten, war eine Vorstellung, mit der sich auch die Scholastiker noch auseinanderzusetzen hatten. Petrus Cantor (+ 1197) behandelt den Fall, daß ein Pate nach dem Tode seines Taufkindes den Vater um die Patenschaft bei einem weiteren Kind bittet. Die Antwort des Vaters aber lautet, daß er lieber einen anderen bitte, weil die Compaternitas ihm ermögliche, die cantos auszuweiten. Der Theologe weiß dazu nur zu sagen, daß die Kirche nichts gegen eine Ver20 21

Ebd. S. 16727.

LEYSER, Byzantine-Western Relationships S. 105f mit Anm. 15. DH IV 442 (MGH Dipl. reg. et imp. Germ. 6, S. 594 3 ); dazu MEYER VON KNONAU, Heinrich IV. 4, S. 453ff; KRETSCHMAYR, Venedig l, S. 166. 23 Agnellus, Liber pontificalis ecclesiae Ravennatis 30 (MGH SS rer. Langob. S. 294 4 ); PATLAGEAN, Christianisation S. 631. 22

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vielfachung der Kompaternität einzuwenden habe; warum das aber so sei, vermöge er nicht zu begründen24 . Die angeführten Beispiele stehen für zahlreiche ähnliche Bündnisbemühungen. Daß das Kompaternitätsbündnis so oft angewandt worden ist, dürfte wiederum in der Affinität mit bereits älteren Praktiken .der Verwandtschaftsbüdung begründet sein. Die bei den Nordgermanen festzustellende "Ziehsohnschaft" hatte neben ihrer "vertikalen" Bindung gleichfalls eine "horizontale" und entsprach damit der erweiterten "horizontalen" Kompaternität. Auch der Ziehvater war in zweifacher Weise gebunden, an den Ziehsohn wie an dessen Vater. "Da die förmliche Annahme eines Ziehsohnes nicht nur ein enges Band ... [zwischen ihm und] dem Ziehvater, sondern auch 'Freundschaft' des Ziehvaters mit dem natürlichen Vater wirkte, ... eignete sich die Pflegeverwandtschaft in hohem Maße zur Bündnisgestaltung ... ."2S Gegenüber diesen älteren Formen enthielt aber die Kompaternität den Gedanken einer von Gott selbst bewirkten und damit sakrosankten Verwandtschaft, und dies dürfte ihr den Vorrang gesichert haben. So ist denn auch zu konstatieren, daß die Kompaternität die älteren Bräuche der künstlichen Verwandtschaftsbildung bald ganz in sich aufgenommen und überformt hat. Wenn W.H. Fritze feststellt, daß "die Schwurfreundschaft in den Quellen der karolingischen Zeit ungleich seltener festzustellen [ist] als in der voraufgehenden Periode" 26 , so korrespondiert damit aufs beste die Tatsache, daß die Kompaternität als 'der geheiligte Ritus zur Bildung brüderlicher Freundschaftsbündnisse' sich in genau dieser Zeit ausgebreitet hat. 5. Geistliche als Paten § 21 Der Gottesmann Wie es schon bei der Taufe nicht genügte, allein den Ritus zu betrachten, ebensowenig befriedigt die alleinige Darstellung des Patenritus. Auch hier gab es ein religiöses Verständnis, das der Patenschaft jenes zusätzliche Ansehen verlieh, deretwegen sie im Frühmittelalter so sehr geschätzt wurde. Wie die "Tauftheologie" des Frühmittelalters auf eine konkrete Segenshilfe abzielte, so war vielfach 24

Petrus Cantor, Summa de sacramentis et animae consiliis $ 334 (ed. DUGAUQUIER 3/2a, S. 4041): Quesiuit quidam utrum liceret iterare compaternitatem. Aliquis enim fuit compater alicuius, mortuus est filiolus quo mediante contracta est compaternitas; modo timet ne langueat gratia compatris sui, petit ut iterum leuet alium filium suum de sacro fönte. Respondit ille: 'Compaternitas fuit instituta causa dilatande caritatis, tu autem astrictus es michi compaternitate una et ego tibi. Nonne melius est ut faciam alium compatrem ad dilatandum caritatem? Si enim höherem uxorem de cognatione aliqua, illa mortua, non possem aliam accipere de illa cognations. Hoc autem non est institutum ob aliam causam, nisi ob dilatandam caritatem. simili, ex quo filiolus tuus mortuus est, non debeo te iterum recipere ad compaternitatem'. Ad hoc respondeo quod ecclesia non reprobat talem iteratam compaternitatem in multis locis, nescio tarnen qua de causa. 25 BUISSON, Staatsbildung S. 107. 26 FRITZE, Papst und Frankenkönig S. 33.

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auch die Wahl des Taufgeistlichen von dem Verlangen bestimmt, einen in besonderer Weise ausgezeichneten Segensvermittler zu gewinnen. Die Hoffnung auf den besonderen Segen richtete sich vor allem an solche, die in den Quellen als 'viri Dei' — Gottesmänner — bezeichnet werden. So ist für unsere Thematik zunächst einmal die Figur des 'vir Dei' darzustellen. An ihn wandte sich nämlich der Adel, der die Gottesmänner in seine Nähe, ja in die Gefolgschaft aufzunehmen suchte und sie dann zur Spendung der Gnadenmittel, und so auch der Taufe, heranzog. Das aber hatte eine gewisse Konkurrenz mit dem Amtsklerus zur Folge, was sich noch dadurch verschärfte, daß gerade die insularen Peregrini, die meist außerhalb der Bischofskontrolle und Diözesanbindung blieben, sich als gefolgswillige Gottesmänner anboten. Dem Adel aber wurde auf diese Weise ermöglicht, seine Eigenkirchen aufzubauen. a) Vir Dei

Die in der frühmittelalterlichn Vitenliteratur wohl am häufigsten verwendete Kennzeichnung des Heiligen ist vir Dei1. Schon Athanasius legte seiner Vita des ägyptischen Einsiedlers Antonius (+ 356) das Bild vom Gottesmann zugrunde 2 . Er griff dabei auf eine antik-heidnische Vorstellung zurück 3 , der er dann eine christliche Überhöhung gab: Der Gottesmann ist im Besitz göttlicher virtus. Freilich ist diese virtus, die sich auch als Wunderkraft auswirkt, nicht unabhängig von der Askese. Gebet und Fasten, insbesondere aber das tägliche Erleiden des unblutigen Martyriums, erwirken dem Gottesmann den wunderbaren Gnadenbeistand: 'Er betete und wurde dabei so gestärkt, so daß er spürte, nunmehr eine größere virtus in sich zu haben als vorher' 4 . Antonius wirkt seine großen Taten durchaus nicht aus eigener Kraft 5 ; die Gnade bleibt immer als Gabe Gottes anerkannt, aber sie wird doch vorzüglich jenen geschenkt, die Gott darum angefleht und ihr Herz in strenger Askese gereinigt haben 6 . So aber gilt es weiter bis tief ins Mittelalter. Frantisek Graus hat am Ende einer 1 Nach F. LOTTER (Severinus S. 78f) tritt zum Beispiel Severinus 37mal als vir Dei, je 19mal als servus und famulus Dei, ISmal als sanctus vir, 11 mal als homo Dei, je 8mal als beatus vir oder sanctus und 6mal als famulus Christi auf. S. auch PUZICHA, Vita iusti S. 291: "An ungefähr 80 Stellen bezeichnet Gregor den hl. Benedikt als 'vir Dei', ein Terminus, der wie kaum ein anderer in der biographischen und hagiographischen Tradition der Antike und des frühen Christentums von Bedeutung ist ..." Erst neuerdings hat der vir Dei ein regeres Interesse der Forschung auf sich lenken können; LOTTER, Severinus S. 77-140; DERS., Methodisches S. 298356; VAN UYTFANGHE, Controverse S. 205-233; CRACCO, Viri Dei S. 283-297. 2 STEIDLE, Homo Dei Antonius S. 148-200. 3 BIELER, S. 1-130. 4 Vita Antonii 10 (ed. HOPPENBROUWERS S. 9l 2 9 ). 5 Ebd. 80 (S. 177 26 ): Non nos sumus qui facimus, sed Christus est qui facit per eos qui credunt in eum; vgl. ebd. 58 (S. 155 13 ); s. auch DÖRRIES, Vita Antonii S. ]73f; allgemein LOTTER, Severinus S. 51; GRAUS, Volk S. 67. 6 Vita Antonii 34 (ed. HOPPENBROUWERS S. 12413J.· Et orationes habeamus ad Dominum, ... ut Dominus cooperarius sit noster aduersus diabolum. Si autem et hoc pertinet ad nos, ut et scientiam habeamus, emundemus mentem nostram; s. DÖRRIES, Vita Antonii S. 168f.

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langen Untersuchung frühmittelalterlicher Wunderberichte das Fazit gezogen: Das Wunder muß erbeten werden 7 . Schon Sulpicius Severus (+ ca. 420) erklärt gleich eingangs in seinem dem ganzen Mittelalter vorbildlichen Leben des heiligen Martin, vor allem die göttliche virtus darstellen zu wollen. Wiederum ist es das verdienstliche Gebet, mittels dessen eine solche Kraft erlangt wird: Vor seiner ersten Totenerweckung 'betete der Heilige eine Zeit lang und spürte dann, wie sich ihm durch den Geist eine besondere Kraft des Herrn mitteilte'; darauf'erwartete er voller Zuversicht die Frucht seines Gebetes und der göttlichen Barmherzigkeit' und tatsächlich regte sich alsbald in dem Toten wieder neues Leben8 . Soll aber dem Heiligen die himmlische virtus verfügbar bleiben, muß er, wie sein Hagiograph nachdrücklich betont, in beständigem Gebet zu Gott flehen und unerschütterlich auf ihn vertrauen 9 . In den Dialogen kann Sulpicius beklagen, daß Martin als Bischof nur noch über eine verminderte Wundermacht verfügt habe 10 , weil augenscheinlich die Amtsgeschäfte nicht mehr genügend Zeit für Askese und Gebet gelassen hatten. Allein der rigorose Asket verfügt über den Schatz himmlischer Gnade, bei asketischer Höchstleistung dann sogar über göttliche Wundermacht. Ganz dieselbe Gnadentheologie demonstriert im Frühmittelalter auch Jonas von Bobbio in seinem Leben des heiligen Columban 11 . Vor jedem Wunder muß sein Heiliger beten12 . Desgleichen wird der 'lautere und unerschütterliche Glaube' vorausgesetzt, daß Gott seine Asketen auf Erden nie im Stich läßt, sondern ihnen das Notwendige untrüglich mitteilt, gerade auch in hoffnungslos erscheinenden Situationen: Obwohl einmal alle Nahrung fehlte, blieb sein Glaube, bei Gott alles Notwendige zu erlangen, ungebrochen und unerschüttert' 13 ; man dürfe nur nicht zweifeln14. Erneut sind es der feste Glaube und das anhaltende Gebet, welche das Verdienst ausmachen. Auf diese Weise aber erlangt der Heilige, daß die Gnade Gottes überfließt und sich ihm als Wundergabe mitteilt 15 . Jonas gibt seiner Theologie recht einprägsame Kurzformeln: fides et oratio meruit oder: viri Dei fide et oratione16 . Auch erfahren wir, wie Columban der drohenden geistlichen Entleerung zuvorzukommen suchte: An den Hochfesten, den besonders gnadenträchtigen Tagen, betete er allein in der Einsamkeit. Es sei seine Gewohnheit gewesen, so berichtet Jonas, beim Herannahen von Herren- und Heiligenfesten sich von der Gemeinschaft zu trennen und eine abgelegene Stelle in der Einsam7

GRAUS, Volk S. 52. Vita Martini 7,3 (ed. FONTAINE l, S. 268). S. auch die Erläuterungen ebd. S. 166ff; 2, S. 618-623. 9 Vita Martini 26,2 (ed. FONTAINE l, S. 312). 10 Sulpicius Severus, Dialogus II 4 (CSEL l, S. 18417); zitiert in Anm. 32. 11 MEINHOLD, Columban S. 48-65. 12 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 7 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 166 8 ); ferner ebd.7 (S. 16423), 9 (S. 168 16 ),14(S. 174 10 ),21 (S. 200 6 ) u.ö. 13 Ebd. 127 (S. 2151). 14 Ebd. I 9 (S. 16823). 15 Ebd. 126 (S. 2109). 16 Ebd. I 13 (S. 174*), 17 (S. 18215). 8

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keit aufzusuchen, um dort frei von allen Sorgen sich allein dem Gebet und mit aller Macht der Askese zu widmen 17 . Offenbar sollte ihm nicht passieren, was bei Martin hatte beklagt werden müssen, daß sich nämlich die Gotteskraft in der Betriebsamkeit des Hirtenamtes abgeschwächt hatte. Bei der hier propagierten Praxis kann freilich rasch der Schritt vom beharrlichen Gebet zur zwingenden Magie getan werden. 'Wir sind sicher', sagen die Bittsteller den Heiligen immer wieder, 'was du von Gott erbittest, erhältst du sofort."8 Natürlich konnte, wie J. Fontaine zu Recht bemerkt, eine Wunderbeschreibung, in der die wunderwirkende Gnade eindeutig als Folge des vorangehenden Gebetes erscheint, in den theologischen Diskussionen des 5. Jahrhunderts nur zu leicht ein willkommenes Argument liefern, die Mönche des Pelagianismus zu zeihen 19 . Der Auffassung vom asketischen Verdienst, dem dann die Gnade nachfolgt, wurde bekanntlich in einer für manche Mönchskreise tief beunruhigenden Weise durch Augustin widersprochen, der zuletzt sogar in recht schroffer Art von der radikalen Ungeschuldetheit und Allwirksamkeit der göttlichen Gnade gesprochen hatte; Gnade könne nur Gnade sein, wenn sie sich an keine noch so geringe menschliche Vorleistung binde, weil auch bereits das 'initium fidei' von der zuvorkommenden Gnade getragen sei. Wozu dann noch, so fragte man sich in den Klöstern bestürzt, die reinigende Askese, zumal nach Augustinus der gute oder böse Ausgang des menschlichen Lebens ohnehin von Gott bereits prädestiniert war 20 . Gerade der im Abendland sehr einflußreiche Cassian verwendet im Ringen um einen mittleren Weg Formulierungen, die weiterhin von der voraufgehenden mönchischen Verdienstlichkeit sprechen. In einer oft wenig differenzierenden Terminologie gebraucht er Begriffe wie charismata, dona, virtutes, signa oder auch einfach gratia im Sinne von wunderwirkender Gnadenbegabung21 . Wenn auch Charismenbesitz und Askese nicht notwendig miteinander verbunden sein müssen, so erscheinen die Gnadengaben doch oft genug als göttliche Bestätigung einer Lebensführung. "Je vollkommener jemand ist, desto größere und stärkere Charismen erhält er", schreibt A. Kemmer über Cassians Vollkommenheitslehre22 . In den Institutiones, in denen Cassian laut Harnack 23 recht unbefangen und eigentlich pelagianisch spricht, kann es tatsächlich heißen: diuersa sunt dona et non omnibus unagratia Spiritus sancti tribuitur, sed ad quam se unusquisque studio uel industria sua dignum aptumque prae17

Ebd. 19 (S. 16717).

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Vita Darercae 29 (ed. HEIST S. 93). FONTAINE, Vita Martini 2, S. 621. Zu der sehr differenzierten Bedeutung der gratia bei Pelagius s. GRESHAKE, Gnade S. 143-147; ebd. S. 146f: "Daß ... Gnade secundum meritum gegeben wird, findet sich im übrigen bei Pelagius äußerst selten, während Augustin diese Aussage als Basis-Satz der pelagischen Lehre unterstellt und somit das meritum ... 'unzulässig urgiert'." Zum theologiegeschichtlichen Hintergrund s. ebd. S. 158-192. 20 S. den Überblick bei BAUS, Innerkirchliches Leben S. 168-185; ausführlich GRESHAKE, Gnade S. 193-274. 19

21 22 23

KEMMER, Charisma S. Iff; CHADWICK, John Cassian S. 99-109. KEMMER, Charisma S. 4-15; Zitat S. 7. VON HARNACK, Dogmengeschichte 3, S. 243 Anm. 3.

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buerit24. Das in Gallien noch länger nachwirkende "semipelagianische" Denken wurde zwar auf der zweiten Synode von Orange 529 in aller Form verurteilt 25 , doch hielten zahlreiche Vitenschreiber weiterhin dafür, daß Gott seine virtus nicht immerito verleihe, und sie feierten darum unbefangen die Verdienste ihrer Heiligen. Überhaupt dürfte das theologische Bewußtsein schon bald nicht mehr so geschärft gewesen sein, daß die Problematik des pelagianisch-augustinischen Gnadenstreites voll bewußt geblieben wäre. Bereits die Regel Benedikts ist von solchen Fragen kaum noch berührt 26 . Nun ist es freilich Klosterregeln und ebenso Heiligenviten nicht so sehr um spekulative Erörterungen als vielmehr um 'exempla' für die konkrete Lebensführung zu tun. Und gerade diese von allen diffizilen theologischen Differenzierungen absehenden praktischen Handlungsanweisungen suchen nun immer wieder zu verdeutlichen, daß Gott seine Gnadengaben nicht immerito gibt27 . Wer in Gebet und Fasten, in Selbstabtötung und Nachtwachen sich merita erwoben hat, in dem und durch den wirkt die virtus Gottes ihre wunderbaren Taten28 . Ja, dem landläufigen religiösen Bewußtsein muß eine rigorose Askese der zuverlässigste Indikator gewesen sein, bei welchem Gottesmann am ehesten Erhörungsgewißheit und damit Hilfe zu finden war 29 . So hören wir denn auch immer wieder, wie den asketischen Gottesmännern die Schüler, aber ebenso die Wundersuchenden zuströmen, die Hilfe erbitten und mit reichen Stiftungen entlohnen30 . G. Kretschmar hat anhand östlicher Quellen darauf aufmerksam ge24

Johannes Cassian, Institutiones VI 18 (CSEL 17, S. 12519); ferner GUY, Jean Cassien S. 57ff. 25 LORENZ, Viertes bis sechstes Jahrhundert C68-C71; VOGT, Innerkirchliches Leben S. 297-302. 26 DE VOGÜE, Regle de Saint Benoit l, S. 63ff; VAGAGGINI, La posizione di S. Benedetto S. 17-83. 27 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 9 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 16821J: Nee inmerito misericors Dominus suis sanctis tribuit postulata; Passio Praeiecti 17 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 2361 ): nee inmerito Dominus sanctos suos ita remunerare in terris dignatur, qui suas propter ipsum crucifixerunt voluntates; Passio Leudegarii I. 3 (ebd. S. 286 ): Nee enim inmerito suam omnipotens Deus illi contulerat gratiam, quia prius ipsi se totum devoverat custodire mandata; Vita Audoini 8 (ebd. S. 559 J: Merito omnipotens Deus famulum suum in gentes plurimas manifestando glorificavit et signis apostolicis decoravit. 28 Vita Hugberti 17 (ebd. 6, S. 493 11 ): pro cuius merita ibi virtus Dei claruit; Vita Corbiniani 8 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 13, S. 19617J: vir Dei spiritu sancto repletus, ... ut per conversationis Studium ostendere quivisset exempla virtutum; Vita Condedi 9 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 650 J: O sacerdotis istius inclita merita, quae et verbis fulgent et miraculis coruscant; Vita Audoini 17 (ebd. S. 565 ): Longum est enarrare de tantis miraculis, quod ibidem Dominus merita beati Audoini dignatus est demonstrare; Vita Ansberti 7 (ebd. S. 624 18 ): istius sancti gloria, cuius laudabile meritum tali volu.it omnipotens signo demonstrari; Vita Ermenlandi 11 (ebd. S. 698 ): sancti sacerdotis merito hoc gestum est miraculum, quia illi [=Christo] toto corde adheserat. 2 Der Typus des asketisch lebenden wundertätigen Gottesmannes bleibt durch das Mittelalter bis in die Neuzeit hin lebendig; HUIZINGA, Herbst des Mittelalters S. 246-267. 3 Vita Landiberti 5 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 41l 12 ): per acceptam superhabundanter spiritualium donorum gratiam opinio eins lange lateque celebriter predicabatur non solum prerogativa meritorum, sed et claritate miraculorum; Arbeo, Vita Corbiniani 5 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 13, S. 19324J.· Coepitque lange lateque fama eius crescere et fidelium ad eum fluere

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macht, daß die Bedeutung des charismatischen Wundertäters gerade auch für die Mission besonders zu bedenken sei31. Es wird sich zeigen, daß dies im Westen nicht anders gilt. b) Asketische Priester Die Auffassung von dem asketischen und wundertätigen Gottesmann drängte naturgemäß zu einer Konfrontation mit der Stellung des geweihten Amtsträgers in der Kirche. Wer war denn nun berufen und begnadet, Gottes Heüsgaben auszuteilen? Nochmals sei an die bekannte Erörterung aus den Dialogen des Sulpicius Severus erinnert, daß der heilige Martin die größere virtus vor seiner bischöflichen Zeit in sich verspürt habe 32 . So finden wir denn auch Schilderungen, daß die Asketen ihre weiterreichende Wunderkraft gegenüber den nur Geweihten unter Beweis zu stellen vermögen 33 . Doch setzte bereits im martinischen Mönchtum ein Verschmelzungsprozeß ein: Mindestens auf gallischem Boden dürfte hier zum ersten Mal versucht worden sein, "mönchisches Leben und seelsorgerisch-karitatives Wirken zu vereinen ..., der erste Schritt zu einem Prozeß, der für die künftige Geschichte der beiden Größen von entscheidender Wichtigkeit geworden ist"34. In den frühmittelalterlichen Viten wird die Verbindung oftmals so gesehen, daß das asketische Leben als Voraussetzung für die Klerikerweihen gilt. Wenn Heiligkeit, also asketische Verdienste und göttliche Gnadenbegabung, vor aller Welt augenfällig geworden sind, dann soll auch die Weihe nicht mehr fehlen 35 . Eine ähnliche Praxis läßt sich im östlichen Mönchtum feststellen, daß nämlich "ein turba nobilium, ignobilium utriusque sexui verba ad audiendam vitae, in tantum eximia illius vitae perflagans, u t ad summum maiorem domui qui fuerat Pippinum pervenisset, ita u t ipse suum per quendam praesidem pretiosissimum indumentum ex auro et lapidibus contextum, eximia varietate conpositum, quem ad campum, antiquorum mos u t fuerat, Martias utebatur, ad viri Dei cellulam transmittebat seque humillima illius prece orationibusque commendabat. Sicque nonnulli nobilitabant eum senes, certatim concurrentes ad viri Dei cellulam; alii pro semet ipsis multa detulerunt, alii per directos exenia transmittebantur. 31 KRETSCHMAR, Christliches Leben S. 94-100. Sulpicius Severus, Dialogus II 4 (CSEL l, S. 184 ): Illud autem animaduerti saepe, Sulpici, Martinum tibi dicere solitum, nequaquam sibi in episcopatu earn uirtutum gratiam suppetisse, quam prius se habuisse meminisset. ... quod uerum esse ... possumus aestimare, siquidem ante episcopatum duos mortuos uitae restituerit ..., in episcopatu uero ... unum tantummodo suscitarit. Das Bischofsamt mit all seinen Verpflichtungen läßt nicht genügend Zeit für Gebet und Askese; ebd. I 24 (S. 176 ): [eremitae uel anachoretae] ab omni inpedimento liberi ..., iste [Martinus] in media coetu et conuersatione populorum, inter clericos dissidentes, inter episcopos saeuientes, cum fere cotidianis scandalis hinc adque inde premeretur, ... uirtute fundatus stetit. LOTTER, Methodisches S. 316. 33 GRAUS, Volk S. 53. 34 SCHATZ, Mönchtum S. 354. 5 Vita Landelini 4 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 440 ): ... sanctitatis in eo considerans vigere virtutem, promovit ad diaconatus ordinationem; ebd. 5 (S. 441 ): ... presbiterii suscepit officium. Sublimatus vero in huius apicem honoris, enarrari non potest, quantum excreverit culmine sanctitatis; Vita Trudonis 12 (ebd. S. 285 6 ) : ad sacerdotalem dignitatem vitae suae merita perduxit.

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hoher Grad von Askese und Geistbegabung für das Priestertum 'disponiert' " 36 . Nicht also, daß man den Asketen in grundsätzlicher Weise gegen den geweihten Amtsträger ausgespielt hätte, wohl aber gilt der asketische Amtsträger als der wahrhaft effiziente Gnadenvermittler. Deutlich hat sich dieses Ideal in der irischen Hagiographie aufzeigen lassen: "Der zum Priester geweihte Mönch ist offenbar ein noch besserer Mittler, weil alle seine amtliche Tätigkeit durch seine persönliche Heiligkeit gestützt ist; aber den Ausschlag gibt doch die persönliche Heiligkeit, wie man an den beiden Frauen Brigida und Ida sehen kann" 37 . Allem Anschein nach hat Columban mit seiner Kritik an den gallischen Kirchenverhältnissen ein ihm sich aufdrängendes Mißverhältnis bloßstellen wollen, daß nämlich den Priestern und Bischöfen das asketische Fundament für eine segensreiche Tätigkeit fehle. Die virtus sei abhanden gekommen, weil es an den Heilsmitteln der Buße und am Eifer zur Selbstertötung fehle; erst die merita heiliger Priester gäben der Kirche ihre Leuchtkraft 38 . Wir fassen in solchen Äußerungen die mehr inneren Beweggründe für die Monastisierung des Klerikerstandes. Sobald nämlich mönchische Askese als wesentliche Vorbedingung für die Priesterweihe angesehen wird, muß vornehmlich das Kloster als Schule wahren Priestertums gelten. Die Folge ist einerseits die rapide Vermehrung der Priestermönche in den Klöstern 39 , andererseits die quasimonastische Disziplinierung des Weltklerus durch 'kanonische' Lebensordnungen 40 . Die Vorstellung, daß der begehrte Gottessegen vornehmlich bei besonders begnadeten und asketisch lebenden Gottesmännern gesucht werden müsse, hat die altkirchliche Auffassung, derzufolge jeder geweihte Amtsträger unterschiedslos 36

BACHT, Orientalisches Mönchtum S. 301; HÄUSSLING, Mönchskonvent S. 150f. VOGT, Spiritualität S. 49f. 38 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 5 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 1614j: ob frequentia hostium externorum vel neglegentia praesulum religionis virtus pene abolita habebatur. Fides tantum manebat christiana, nam penitentiae medicamenta et mortificationis amor vix vel paucis in ea repperiebatur locis; ebd. I 2 (S. 155 ): ut sol vel luna astraque omnia noctem diemque suo nitore nobilitant, ita sanctorum merita sacerdotum ecclesiae monumenta roborant. Es hat den Anschein, daß die Austeilung der medicamenta paenitentiae, weil nur dem Priester zustehend, in besonderer Weise mitgewirkt hat, die Qualitäten des Gottesmannes mit dem Priesteramt in Verbindung zu bringen; Vita Ansberti 13 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 627 27 J: Cum igitur eiusdem beati viri praerogativa meritorum longius claresceret, confluebant passim ad eum plurimi, salvationis suae expetentes salubria consilia. Et quoniam sacerdotii dignitate fulgebat, confluentium ad se confessiones suscipiebat, monita eis salutis inpertiens, quomodo salvi esse possent et vias iustitiae sine defectu alicuius tedii immobiliter retinerent. Cuius doctrina et exortationibus plurimi corroborati munitique, ad conversionis festinantes gratiam ... S. auch CONGAR, Ministeres S. 82-85. 39 NUSSBAUM Kloster S. 65-81; HÄUSSLING, Mönchskonvent S. 156-159; OEXLE, Gemeinschaften S. lOlff, HOff; SCHMID, Mönchslisten S. 621f. Chrodegang hat für seine Kanonikerregel monastische Regeln zur 'Disziplinierung' seines Klerus exzerpiert; Regula Chrodegangi, Prologus (ed. PELT S. 8): parvum decretulum facere, per quod se clerus ab illicitis coerceat. Tatsächlich ist das decretulum aus monastischen Regeln, vor allem der Regula Benedict!, zusammengestellt; HOCQUARD, Regle de saint Chrodegang S. 55-89. Der ganze Prozeß ist vorzüglich dargestellt bei HÄUSSLING, Mönchskonvent S. 142156; s. ferner SCHIEFFER, Domkapitel S. 232-260. 37

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in Wort und Sakrament die Heilsgnaden zu vermitteln befähigt war, schwer gefährdet. Die im frühen Mittelalter sich durchsetzende Vorstellung vom heiligen Gnadenvermittler erscheint von der antiken Theologiegeschichte her als Rückfall in eine Auffassung, die eigentlich seit Augustins Auseinandersetzungen mit den Donatisten als überwunden zu gelten hatte. Das Gnadenwirken der kirchlichen Amtsträger war dort bekanntlich als unabhängig von den persönlichen Qualitäten des Spenders aufgefaßt worden: Es werde nicht die Heiligkeit des Spenders mitgeteilt, sondern diejenige Christi41. Wenn nun im frühen Mittelalter nicht mehr einfach der zuständige Amtsinhaber, sondern ein noch in zusätzlicher Weise Qualifizierter als wahrer Heilsspender galt, dann fiel damit auch die durchgehend gleichartige Kirchenorganisation von Bistum und Pfarrei, denn diese Aufgliederung war ja Ausdruck dafür, daß die Heilsgaben der Kirche wirklich überall in gleicher Weise zur Verfügung standen. Das Bestreben, bevorzugt einen verdienten Gottesmann heranzuholen, führte zur Überspringung der pfarrlichen und diözesanen Zuständigkeit. Hier wird sichtbar, daß die Schwächung der episkopalen Kirchenverfassung im spätmerowingischen Gallien nicht einfach aus einem kirchlich-moralischen Verfall zu erklären ist, daß vielmehr andersgerichtete, aber durchaus religiöse Intentionen mitgewirkt haben, die alte Struktur auszuhöhlen. Die karolingische Reform mit ihrer erneuten Bindung des Klerus und der Sakramentenspendung an die Bischofshoheit42 hat hier korrigierend eingegriffen. Die bischöflich-diözesane Kirchenordnung blieb auf diese Weise für die Zukunft die Grundlage. In anderer Form hingegen wurde das Konzept der reinen Werkzeuglichkeit im Frühmittelalter allgemein in Frage gestellt: nicht Überfließen persönlicher Gnaden des Spenders in seinen sakramentalen Spendehandlungen, wohl aber die Forderung nach einer besonderen kultischen Reinheit, die als Voraussetzung für effiziente Gnaden- und Sakramentenspendung angesehen wurde. Zahlreiche Stimmen erhoben im Frühmittelalter diese Forderung. Nehmen wir ein erstes Beispiel aus der im 8. Jahrhundert entstandenen und im frühen 9. Jahrhundert dann noch einmal überarbeiteten Vita des heiligen Gallus: Zwei Bischöfe versuchen, einen Teufel auszutreiben, bleiben jedoch erfolglos, weil der Böse beide Hierarchen der Unzucht und der Kinderzeugung überführen kann. Der Asket Gallus hingegen, weil unbefleckt, ist stark genug, den Bösen auszutreiben — womit demonstriert ist, daß nur der geschlechtlich Enthaltsame über genügend geistliche Kraft verfügt, den Teufel zu überwinden, und daß selbst Bischöfe, wenn sie nicht enthaltsam leben, versagen müssen 43 . Die generelle Folgerung, daß Amtsträger, die nicht ohne Befleckungen geblieben waren, zur Vermittlung von Gnadengaben, selbst bei der Sakramentenspendung, unfähig seien, hat dann im Zuge der Zeit gelegen. Dem heiligen Bonifatius sind die Zweifel an den von unenthaltsamen Priestern und Diakonen gespendeten Taufen sogar zum Lebensproblem geworden; mehrmals hat er in seiner Rom41 42 43

SIMONIS, Ecclesia visibilis S. 103-124. ANGENENDT, Monachi peregrini S. 216-229; DERS., Pirmin S. 257f. Wetti, Vita Galli 16-18 (MGH SS rer. Merov. 4, S. 265f).

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Korrespondenz diesbezügliche Fragen gestellt. In einem Brief des Jahres 742 an Papst Zacharias bringt er seine tiefe Beunruhigung über die zuchtlosen Kleriker zum Ausdruck und stellt zum Schluß die Bitte: 'Ich möchte eine schriftliche Anweisung eurer Autorität haben, was ihr von solchen [unenthaltsam lebenden Klerikern] haltet, um durch eine apostolische Auskunft solche Sünder zu überwinden und bloßzustellen'44. Der Papst antwortete so, wie es inzwischen kanonische Tradition geworden war, daß nämlich konkubinarische Bischöfe, Priester und Diakone abzusetzen seien. Eine Ehe sei nur vor der Übernahme des Priesteramtes erlaubt, vom Tag der Weihe an aber sei die Fortsetzung der eigenen Ehe verboten 45 . Die Aufforderung des Papstes, verheirateten oder konkubinarischen Klerikern die Amtsausübung zu verbieten, hat Bonifatius schon gleich auf seiner ersten großen Reformsynode, dem sogenannten Concilium Germanicum, zu realisieren gesucht46. Eine andere Frage hingegen blieb ungeklärt, und sie beunruhigte Bonifatius weiterhin: Wie stand es mit der Gültigkeit jener Taufen, die von 'falschen' Priestern und Diakonen gespendet worden waren? Hier jedoch beharrte der Papst entschieden darauf, daß die Gültigkeit mit der Einhaltung der rechten Form garantiert sei. Für Bonifatius scheint dies ganz unbegreiflich gewesen zu sein. Noch Jahre später mußte der Papst dem über Siebzigjährigen fast unwirsch antworten, selbst wenn der schlimmste Verbrecher, Häretiker, Schismatiker, Räuber oder Ehebrecher die Taufe spende, so sei dieselbe als gültig anzusehen, sofern nur die rechte Form eingehalten worden sei47. Das energische Papstwort mag Bonifatius für seine letzten Lebensjahre beruhigt haben, das Problem war damit keineswegs ausgeräumt. Im Gegenteil, noch über Jahrhunderte sind die von beweibten Amtsträgern gespendeten Sakramente in ihrer Wirksamkeit bezweifelt worden 48 . So ist bekanntlich auch in der Gregorianischen Reform die Gültigkeit der von konkubinarischen Priestern gespendeten Sakramente bestritten worden, und selbst scholastische Tauftraktate befassen sich noch intensiv mit der Frage, ob ein besonders heiliger Spender nicht doch das Maß der Taufgnade vermehre 49 . Herbert Grundmann hat das Verlangen nach dem 'heiligen Priester' den Kern aller ketzerischen Bewegungen des Mittelalters genannt 50 . Natürlich fand man im 12. Jahrhundert rasch zu dem augustinischen Konzept zurück; verräterisch bleibt aber doch, mit welcher Intensität das Problem des heiligen Spenders diskutiert werden mußte. Insgesamt muß für das frühe Mittelalter die weitverbreitete Auffassung konstatiert werden, daß eine verdienstliche Leistungsaskese und dabei insbesondere die geschlechtliche Enthaltsamkeit als Voraussetzung für Gottes Gnadenvermittlung 44

Bonifatii epp. 50 (MGH Epp. sei. l, S. 83 1 ). Ebd. Ep. 51 (S. 87 2 1 );BOELENS, Klerikerehe S. 25-115. 46 Conc. Germanicum a. 742 c. l (MGH Conc. 2/1, S. 3 6 ). 47 Bonifatii epp. 80 (MGH Epp. sei. l, S. 1744). 48 LADNER, Theologie und Politik S. 51-59. 49 WEISWEILER, Wirksamkeit der Sakramente S. 54-95; MÜLLER, Taufe bei Albert d. Gr. S. 98-101. 50 GRUNDMANN, Religiöse Bewegungen S. 14ff; DERS., Ketzergeschichte G 18. 45

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angesehen wurde. Auch für das Wirken der geweihten Amtsträger wurde die Askese als unentbehrliche Grundlage gefordert; ihr Wirken war also nicht unabhängig vom eigenen 'meritum'. Eine "semipelagianische" Askese ist in Mönchskreisen noch lange lebendig geblieben und damit auch ein verdienstlich geprägtes Heilswirken. Erst der Frühscholastik wurde das hier anstehende Problem von neuem bewußt. "Es dürfte keine Übertreibung sein, zu behaupten, daß gerade in dieser Frage nach der Verdienstmöglichkeit am deutlichsten zutage tritt, wie wenig man bis zum 13. Jahrhundert vom Übernatürlichen unserer heutigen Theologie wußte."51 c) Absolute Weihe Mit dem Einwirken des Bildes vom Gottesmann ist als wichtige weitere Veränderung der Übergang von den "relativen" zu den "absoluten" Personenweihen festzustellen. Ursprünglich nämlich war die Weihe vorrangig Berufung zum Amt; sie war auf den Dienst in der Gemeinde abgestellt. Normalerweise wurde überhaupt nur ordiniert, wenn eine Seelsorgsstelle es erforderte, und der Ordinierte blieb an diese Stelle gebunden 52 . Die Kanonistik spricht darum von "relativen" Weihen 53 . In dieser Amtsauffassung drückt sich deutlich eine Funktionalität aus: Weihe ist "Anstellung"54 . Seit dem späten 4. Jahrhundert kommen jedoch andere Akzente hinein: Mönche lassen sich weihen, ohne den Anforderungen seitens einer Gemeinde verpflichtet zu sein. Nicht mehr unbedingt Sendung und Beauftragung zum Gemeindedienst werden als Grundlage der Weihe angesehen; das Priestertum wird vielmehr um seiner selbst willen geschätzt, weil die Weihe in die göttliche Sphäre versetzt und den Geweihten mit besonderen Gnadengaben 51

LANDGRAF, Frühscholastik l/l, S. 183. FUCHS, Ordinationstitel S. 281: "Es ist ein grundlegender Unterschied festzustellen hinsichtlich ... des Verhältnisses, in welchem der Bischof einerseits, die übrigen Kleriker andererseits zu ihrer Kirche standen. ... Das Band, welches Bischof und Gemeinde umschloß, war das denkbar innigste, galt als geradezu unauflöslich. ... Priestern und den übrigen Klerikern ... war der Übergang von einer Bischofskirche zur anderen nur untersagt, sofern er eigenmächtig geschah, hingegen mit Zustimmung ihres Bischofs gestattet." 53 Ebd. S. 1-77; GAUDEMET, Eglise S. 112f; ÜLHOF, Zuständigkeit S. 3-40. 54 SOHM, Altkatholisches Kirchenrecht S. 188. Die bei R. SOHM mit dieser Formel verbundenen Konsequenzen sind freilich vielfach "überspitzt" und haben sich als unhaltbar erwiesen; VON CAMPENHAUSEN, Priesterbegriff S. 275. Die Arbeit von V. FUCHS (Ordinationstitel) ist eine Auseinandersetzung mit SOHM; sie kommt zu dem Ergebnis, daß "der altchristliche Ordinationsbegriff zwei Elemente in sich [schloß], die Weihe und die Anstellung an einer Kirche" (S. 280). Trotzdem wurde "die absolute Ordination eines Bischofs ... stets als schwere Störung der ... kirchlichen Organisation empfunden" (S. 281), und die "absolute Ordination der Priester und übrigen Kleriker galt als regelwidrig" (S. 282). - Auch D.N. POWER (Ministers S. 60) kommt bei der Untersuchung der spätantiken-friihmittelalterlichen Weiheriten zu der Feststellung: "Lastly, there is that action of God which is effective in the ordination rite. This action both confers the office and sanctifies the ordinand. This distinction between office and the grace of office is particularly clear in the petition of the prayer for a presbyter". 52

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ausstattet 55 . Die Weihen werden "absolut"56. Am deutlichsten wird die Auffassung von der Gnadenbegabung in irischen Viten ausgesprochen, wenn sie einen Weihespender, sogar den Papst, sich als unwürdig und unfähig bezeichnen lassen, bei bestimmten Kandidaten die Weihe vorzunehmen; Gott selbst oder seine Engel hätten bereits ein Übermaß an Gnaden verliehen, so daß eine Weihe von Menschenhand sich erübrige 57 . Kein Wort mehr davon, daß die Weihe eine innerhalb der kirchlichen Verfassungsorgane sich vollziehende Beauftragung zum Amt bedeutet; es geht hier vornehmlich um eine Gnadenbegabung von Gott her. Sobald sich aber das Priesteramt aus der Gemeindefunktion löst und sogar vorrangig als göttliche Gnadenbegabung der eigenen Person verstanden wird, ist in der Tat nicht mehr einzusehen, warum auf absolute Weihen verzichtet werden soll. Es erscheint dann sogar ganz sinnvoll, möglichst viele Träger solcher heiligen Gaben und Kräfte bei sich zu wissen. d) Eigenpriester im Adelsgefolge Die beiden soeben registrierten Vorgänge, das Verlangen nach segensmächtigen Gottesmännern sowie die Praxis der absoluten Weihen, kamen in höchst vorteilhafter Weise den eigenkirchlichen Bestrebungen des Adels entgegen. Erst die absoluten Weihen setzten genug Kleriker frei, die losgelöst von der Diözesanbindung sich nun in die Gefolgschaft der adeligen Herrschaftsträger begeben konnten. Die Priesterweihe sogar eines Wilfrid von York läßt ein solches adelig-geistliches Zusammenspiel deutlich werden. Denn Wilfrid ist auf Betreiben des nordhumbrischen Königssohnes Altfrid und von einem in Nordhumbrien nicht zuständigen Bischof geweiht worden; sit mihi comes individuus, lautet die erklärte Intention seines königlichen Herrn 58 . Auf dem Kontinent geht der in Rom geweihte Erzbischof Willibrord ein besonderes Treueverhältnis zu Pippin dem Mittleren und dann auch zu Karl Martell ein59 ; letzterer läßt sich von den Äbten seiner Klöster mit dem gefolgschaftlichen Terminus senior anreden 60 . In welche Dimensionen eine solche Bindung von Klerikern und Mönchen an eine Herrscherfamilie führen 55

VON CAMPENHAUSEN, Priesterbegriff S. 280-283; BACHT, Orientalisches Mönchtum S. 301-307; NUSSBAUM, Kloster S. 23-46; POWER, Ministers S. 61: "the context suggests that consecratio is thought of in much the same way as benedictio ... The bidding for the rite of deaconate speaks of the 'gifts of the consecration bestowed' alongside 'the benediction of [God's] grace' ". 56 FUCHS, Ordinationstitel S. 103-118; ÜLHOF, Zuständigkeit S. 40-43; FRANK, Klosterbischöfe S. 3-19. 57 Vita Albei 14 (ed. PLUMMER l, S. 51): Sanctus papa ait: Vellem ego ordinäre eum; set piget me ponere manum meam super capud eius pre magnitudine gratie spiritalis quam sibi Dominus omnipotens largiter donauit; Vita Barri 11 (ebd. S. 70): vir sanctus ... Romam perrexit ad magistrum suum Gregorium, ut gradum episcopalem ab eo acciperet. Cut sanctus Gregorius dixit: Gradum episcopalem a me non accipies, quia dignior me est, qui te consecrabit. Te enim et sanctum Barrum ... angeli Dei consecrabunt episcopos. 58 Eddius Stephanus, Vita Wilfridi 9 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 202 19 ). 59 MÜHLBACHER, Treupflicht S. 871-883; ANGENENDT, Willibrord S. 68-76. 60 ANGENENDT, Willibrord S. 76-80.

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konnte, zeigt am besten die Hofkapelle der Karolinger. Die Bezeichnungen 'capella' und 'capellani' deuten noch auf die ursprüngliche religiöse Aufgabe hin, nämlich den großen geistlichen Schatz der karolingischen Familie, die 'cappa' des heiligen Martin, zu hüten 61 . Diese Hofkapläne sind, wie J. Fleckenstein hat nachweisen können, aus dem Eigenklerus der karolingischen Familie hervorgegangen und dann mit Pippin dem Jüngeren in die neuen Königsaufgaben hineingewachsen62 . Der Klerus der Hofkapelle war aber neben seinen politischen Aufgaben weiterhin der Träger des herrscherlichen Gottesdienstes, der darum von seinem Ursprung her einen eigenkirchlichen Charakter hat. Die großen Adelsfamilien und besonders die Königsfamilie waren die Initiatoren eines eigenen Gottesdienstes. "Wichtig ist, daß die regierende Gruppe den staatspolitisch wichtigen Gottesdienst trägt, und zwar durch Stiftung der Heiligtümer auf dem eigenen Boden, durch Sicherung des Unterhalts des Liturgiepersonals, Bestellung von Vertretern personeller und materieller Art (Oblationsgaben), schließlich auch durch persönliche Präsenz wenigstens an den ausgezeichneten Tagen."63 Wohl suchten dann die karolingischen Reformkanones zu verbieten, daß sich Kleriker oder auch Bischöfe in die gefolgschaftliche defensio eines (nicht zuständigen) Klerikers oder Laien begaben64 . Aber gerade die Karolinger haben es lange Zeit verstanden, die kirchlichen Verfassungsorgane zugunsten ihrer Herrschaft zurechtzubiegen. Die ersten Erzbischöfe, sowohl Bonifatius wie Chrodegang von Metz und auch noch Wilchar von Sens, waren jeweils der erste Bischof des fränkischen Reiches; in ihrer Tätigkeit waren sie auf den karolingischen Herrschaftsbereich ausgerichtet, nicht aber fungierten sie in erster Hinsicht als Vorsteher einer Erzdiözese65. Noch Karl der Große hat sich für seine Hofkapelle durch den Papst die Erzbischöfe Angilram von Metz und Hildebald von Köln von ihren Erzsitzen freistellen lassen66. Auf diese Weise beherrschte die Kirchenpolitik der Karolinger nahezu alles: Die Bischöfe wurden mit ihrer Billigung berufen, die Synoden bedurften selbstverständlich der herrscherlichen Zustimmung 67 , die Missionstätigkeit war an die königliche Lizenz gebunden 68 , und die sogenannten freien Klöster wurden in die Einflußsphäre ihrer Dynastie gezogen69. Als dann ein weitgespannter politischer Aktionsradius die Karolinger schließlich sogar mit dem Papsttum in Verbindung brachte, trachteten sie wie selbstverständlich auch nach 61

VAN DEN BOSCH, Capa, Basilica, Monasterium S. 22-35; FLECKENSTEIN, Hofkapelle l, S. l Iff. 62 FLECKENSTEIN, Hofkapelle l, S. 13f, 28-43. 63 HÄUSSLING, Mönchskonvent S. 352. 64 Conc. Vernense c. 13 (MGH Capit. l, S. 36*): Et si ullus clericus aut laicus talem episcopum auf presbyterum defensaverit sine comeato episcopi cuius parrochia est, excommunicetur; s. auch Bonifatii epp. 83 (MGH Epp. sei. l, S. ISO 11 ): ut nullus saecularis clericum in suum obsequium habeat. 65 ANGENENDT, Pirmin S. 280f;OEXLE, Karolinger S. 285-289. 66 FLECKENSTEIN, Hofkapelle l, S. 48-51. 67 BARION, Synodalrecht S. 252-307, 324-350; ANGENENDT, Pirmin S. 276-282. 68 ANGENENDT, Pirmin S. 282ff; DERS., Willibrord S. 104-112. 69 SEMMLER, Karl der Große S. 270-287; ANGENENDT, Willibrord S. 67-76.

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der geistlichen Hilfe des 'vicarius sancti Petri' und erbaten sich von ihm den Segen wie auch die Königserhebung. Ohne Zweifel waren in der karolingischen "Reichskirchenpolitik" viele eigenkirchliche Vorstellungen wirksam. Mit dem Aufstieg des Geschlechtes ist diese Politik aus dem Bereich einer regionalen Adelsherrschaft auf das Gesamtreich übertragen worden; hier konnte sie an bereits traditionelle Formen staatlich-kirchlicher Verflechtung anknüpfen, und auf dieser Ebene ist sie durch die Reformen des 8./9. Jahrhunderts teils behoben, teils auch sanktioniert oder zumindest toleriert worden70 . Für unsere Thematik ist besonders beachtenswert die Tatsache, daß die Eigenkleriker auch die Taufe gespendet haben; bei Bekehrungstaufen sind es oft genug Geistliche aus dem Gefolge des Patenkönigs, und sie vollziehen diese Handlung bezeichnenderweise in Pfalzkapellen. Schon für die merowingischen Königshöfe sind Taufanlagen vorauszusetzen71, desgleichen für die karolingischen Pfalzen Attigny und Aachen 72 , und genau hier fanden jene herrscherlichen Patronatstaufen statt, wie sie Gegenstand unserer Untersuchung sind. Denn das Zusammenwirken von Adel und "Geistlichkeit" hat sich gerade auch in der Mission fortgesetzt. Für die Christianisierungsbewegung der späteren Merowingerzeit ist beobachtet worden, daß "Träger dieser kirchlichen Durchdringungs- und Missionstätigkeit ... durchweg Mönche"73 und "ihre Ansatzpunkte ... die Königsresidenzen, die römischen und merowingischen Kastelle, und die großen Höfe des Königsgutes"74 waren. Mit dem Niedergang der Königsgewalt konnte dann auch die Reichsaristokratie "die Funktion des Königtums gegenüber Christentum und Kirche wahrnehmen"75 . Auf diese Weise aber fielen Herrschaft und — an den Grenzen des Reiches — Herrschaftsausweitung mit Christianisierung zusammen. Weiter erklären sich aus diesem spezifischen Zusammenwirken von Herrschaftsträgern und mönchischer Mission einige für die fränkische Kirche auffällige Besonderheiten, daß zum Beispiel keine Bistümer gegründet wurden 76 . Die "Amtskirche" war an dieser Mission kaum beteiligt, und infolgedessen setzte sich auch ihre Amtsstruktur nicht fort. Erst die Angelsachsen und insbesondere Bonifatius setzten hier neue Akzente. Wie Bonifatius nicht länger die frei umherziehenden Kleriker zulassen wollte, sondern ihre Unterstellung unter den zuständigen Bi70

FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte S. 233-244. Für die Taufe des Dagobert-Sohnes durch Amandus wird die Pfalz Clichy genannt; Vita Amandi 17 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 440 22 ). Schon 591 findet eine Taufe in Rueil statt; Chronicon Fredegarü IV 3 (ebd. 2, S. 124 ): Rioilo villa baptizare tobet. Gregor von Tours weiß von einer Taufe im Baptisterium des Königshofes Nanterre; Hist. X 28 (ebd. l/l, S. 52l 6 ): iussit baptisterium praeparari in vico Nemptudoro. R. SCHNEIDERS Bemerkung (Königswahl S. 127 Anm. 339), letztlich sei das Motiv, weshalb in Nanterre getauft werde, nicht erkennbar, dürfte durch die mehrmalige Bezeugung von Pfalzen als Taufort aufklärbar sein. 72 Widukind wurde in Attigny getauft (s. $ 30 Anm. 31), ein Awaren-Tudun in Aachen (s. § 36 Anm. 3). 73 EWIG - SCHÄFERDIEK, Christliche Expansion S. 131. 74 Ebd. S. 134. 75 Ebd. 76 S. S 26 Anm. 75. 71

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schof verlangte 77 , so war es in der Mission sein Ziel, Bistümer zu errichten. Herrscherlicherseits wurden diese Neugründungen mit der Übertragung eines zuvor zum Fiskalgut gehörigen, meist befestigten Platzes — so in Utrecht, Büraburg, Erfurt, Würzburg — durchgeführt; die künftige Kathedrale, das "gottesdienstliche Herzstück des neuen Sprengeis", erhielt auf Königsgut ihren Platz78 . Im neueroberten Sachsen wurde die von Karl als Pfalz und Stadt ausgebaute Karlsburg zu Paderborn der zentrale Taufort und dann auch ein Bischofssitz79. So "war die Konstituierung eines neuen Bischofssitzes im 8. Jahrhundert ein Vorgang von nicht zu übersehender öffentlicher, ja geradezu hoheitlicher Bedeutung"80 . Während also das Zusammenwirken von herrscherlicher Macht und Mission in der Bistumserrichtung weiterhin gewahrt blieb, stellte sich mit der Errichtung von Erzdiözesen in soeben bekehrten Gebieten ein neues Problem: Da nur der Papst ein Erzbistum errichten und allein das zur Ausübung der erzbischöflichen Gewalt notwendige Pallium verleihen konnte, wurde mit der bonifatianischen Reform und der Forderung nach Erzsitzen in der Mission eine neue Konstellation herbeigeführt: eine Konkurrenz zwischen der herrschaftlich betriebenen Mission, die immer zugleich auch Herrschaftsausweitung war, und einer päpstlich autorisierten Mission, die im Gegensatz zu der imperial herrschaftlichen Missionsweise bereit war, jedem Volk mit der Konzedierung eines Erzbistums eine angemessene kirchliche Eigenständigkeit zu gewähren. In den langen Auseinandersetzungen um die Errichtung des Magdeburger Erzbistums ging es — laut H. Beumann — letztlich um die Frage, wem in der Mission nächst Gott die höchste Autorität zukomme, dem Kaiser oder dem Papst81 . In Magdeburg siegte bekanntlich der Papst.

§ 22 Der 'Vir Dei' als Pate Die Wahl eines besonderen Gottesmannes zum Paten rührt, wie wir gesehen haben, an ein ganzes Bündel religiöser Vorstellungen, wie sie dem Frühmittelalter zu eigen waren. Voransteht der 'vir Dei', der verdienstlich lebende Asket, welcher in besonderer Weise jene göttliche 'virtus' in sich trug, die allen heilsam war. Der Gottesmann war darum der wahre Gnadenvermittler; was wunder, daß man ihn auch für die Taufe und insbesondere für die Patenschaft zu gewinnen suchte. Die Beispiele sind zahlreich und zugleich instruktiv. Gregor von Tours berichtet, daß Childebert II. (574-596) für die Taufpatenschaft seines Sohnes den Bischof Veranus von Cavaillon herangeholt habe. Die beigefügte Begründung, daß dieser Bischof mit großen virtutes begabt gewesen sei, eröffnet den charakteristischen Einblick in das frühmittelalterliche Taufverständnis1 . Die virtus bezeichnet 77 78 79 80 81

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ANGENENDT, Pirmin S. 251-301. SCHIEFFER, Bischofssitz S. 25f. HAUCK, Taufort (im Druck). SCHIEFFER, Bischofssitz S. 30. BEUMANN, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 46. Gregor von Tours, Hist. IX 4 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 416 7 J: Eo anno Childebertho rege

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auch hier, wie aus der weiteren Erläuterung eindeutig hervorgeht, die wunderbare Heilkraft2 . Ja, daß Gregor dabei das Kreuzzeichen erwähnt, durch das der Bischof seine wunderbaren Heilungen bewirkt habe, entsprach genau der damaligen Praxis: Vor dem Kreuz wichen die Dämonen zurück, und durch das Kreuz wurden desgleichen Krankheiten geheilt, die ja als Wirkungen der Dämonen galten 3 . In den apotropäischen Riten der Taufe kam der Kreuzsignierung, an der, wie bereits gezeigt, auch die Paten beteiligt waren, eine besondere Bedeutung zu 4 . Wir sehen also, wie einem König daran gelegen gewesen ist, einen Paten zu gewinnen, dessen Heilkraft seinem Sohn eine besondere Lebens- und Heilssicherung zu vermitteln vermochte. Und so konstatieren wir immer wieder, daß die heilbringenden Gottesmänner bevorzugt zur Taufe herangeholt wurden. Doch ist dabei genau zu modifizieren: Die Quellen, zumal die Viten, berichten von Taufen ihrer Heiligen nicht eben häufig; sie werden erst dann gesprächiger, wenn der Heilige nicht nur tauft, sondern den Täufling auch selbst aus der Taufe aufhebt. Solche mit Patenschaften verbundenen Taufhandlungen sind nun allerdings nicht selten bezeugt 5 . Die geistlichen Gottesmänner übernahmen ihre Patenschaft in der Weise, daß sie von eigealius filius natus est, quem Veranus Cavelonensis episcopus suscipiens a lavacro, Theodorici nomen inposuit. Erat enim eo tempore ipsi pontifex magnis virtutibus praeditus, ita ut plerumque infirmis signum crucis inponens, statim sanitate, tribuenti Domino, restauraret. WEIDEMANN, Kulturgeschichte der Merowingerzeit l, S. 147f. Ob aber der Bischof den Königssohn auch getauft hat, teilt Gregor nicht mit. 2 S. auch GRAUS, Volk S. 50; LOTTER, Severinus S. 53ff; DERS., Methodisches S. 311; VAN UYTFANGHE, Controverse, passim. 3 DÖLGER, Geschichte des Kreuzzeichens (4) S. 5-17 (das Kreuzzeichen in Katechese, beim Aufnahmeritus und als Heiligungsmittel), ebd. (5) S. 10-22 (das Kreuzzeichen im Taufritual), ebd. (6) S. 7-34 (das Kreuzzeichen als Schutzzeichen von Leib und Seele, das Kreuzzeichen in den poetischen Beschwörungsgebeten des Gregor von Nazianz, das Kreuzzeichen in Verbindung mit Teufelsabschwörung und im Kampf gegen Zauber, das Kreuzzeichen als Mittel in der Bekämpfung dämonischer Besessenheit), ebd. (7) S. 5-16 (das Kreuzzeichen in der Volksmedizin, das Kreuzzeichen als Wunderzeichen in der volkstümlichen Erzählung). S. oben $ 9 Anm. 17 u. 18; die Paten bezeichnen die Stirn der Täuflinge mit dem Kreuzzeichen. 5 Vita Trudonis 15 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 28727): Petivit quoque ab illo isdem fidelis vir, ut filium suum sacro lavacri fönte baptizaret; Vita Pardulfi 20 (ebd. 7, S. 3710/): Homo quidam ex pago Biturico, Leodulfus nomine, ad eum veniens poposcerat, ut filium suum ad baptismum fontis susciperet; et famulus Dei nihil denegans adque hoc quod hab eo pecierat adquievit, elevatoque infante ab eo de fönte, albis indutum deosculans, etgenitori suo ad nutriendum commendavit ...; Alkuin, Vita Willibrordi 23 (ebd. S. 133 7): Baptizavit igitur Pippinum, filium fortissimi Francorum ducis Carli, patrem huius nobilissimi Caroli ...; Vita Geremari 5 (ebd. 4, S. 62912): Erat enim in illis diebus in palatio regis quidam amicus eius nomine Audoenus, vir sanctus Dei vocatus, et omnia que agebat per consilium eius exercebat. Direxit itaque nuncium ad eum narravitque ei, quod filius illi successerat; prostratus ergo petivit ab eo, ut a sancto fönte susciperet filium eius. Acquievit ei sacerdos Dei, ivit ad fönte m et suscepit eum ab ipsis aquis vocavitque illum filiolum benedixitque eum atque dimisit; Vita Rigoberti 8 (ebd. 7, S. 59 ): Quia Pipinus, hunc reverentissimum reverentissime colens, filium suum miserit ei Karlum ad baptizandum, et quia baptizatum ipse vir sanctus susceperit de lavacro regenerationis; Vita Pirminii 5 (MGH SS 15/1, S. 2415}.· venit ad locum Sinlazesouva nuncupatum, ibique aliquantum temporis requiescens, praedicti viri filium levans de sacro fönte baptismatis, in renato sibi fecit filium adoptivum.

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ner Hand sowohl die Taufe spendeten wie auch die Aufnahme aus dem Taufbrunrien vornahmen 6 . Wenn man mit Amalar von Metz die Paten an jener geistlichen Vaterschaft partizipieren läßt, die eigentlich den Taufgeistlichen obliege, von diesen aber wegen der großen Zahl der Täuflinge nicht wahrgenommen werden könne 7 , dann wird die Praxis, vom Taufspender zugleich auch das Patenamt ausüben zu lassen, bestens verständlich. Der Gottesmann war über einen von ihm selbst Getauften und von ihm auch aus der Taufe Gehobenen in doppelter Hinsicht geistlicher Vater: sowohl durch die Taufspendung wie auch durch die Patenschaft. So kann es denn auch gelegentlich heißen: in utroque pater spiritualis effectus ests . Hier erscheint das geistliche Band noch einmal wie verstärkt, war es doch die besondere Aufgabe eines Paten, für seinen Täufling zu beten oder auch ihn zu erziehen. Amalar von Metz hält es zum Beispiel für selbstverständlich, daß der geistliche Pate im Memento vivorum der Messe seiner Taufkinder gedenkt 9 , 6

Ein Beispiel aus den Reichsannalen: 781 hat Karl der Große auf der Rückreise von seinem römischen Osteraufenthalt in Mailand seine Tochter Gisela taufen lassen: Et inde revertente domno Carola rege, Mediolanis civitate pervenit, et ibi baptizata est filia eius domna Gisela ab archiepiscopo nomine Thoma, qui et ipse earn a sacro baptismo manibus suscepit (Annales regni Francorum a. 781 [MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 56]). Frühere Beispiele finden sich schon bei Gregor von Tours (Hist. V 22 [MGH SS rer. Merov. l/l, S. 22919]J.· baptizatus et ab ipso episcopo susceptus. Ebenso lassen sich jüngere Beispiele anführen; Vita Heriberti 9 (MGH SS 4, S. 748 5 ): Descendit promtissime ad fontes, dat futuro per baptismum filio albarum vestes, immergit eum baptisterio, et eundem suscipit a baptisterio; verfaßt von dem 1069 gestorbenen Abt Lambert von St. Lorenz in Lüttich, s. WATTENBACH - HOLTZMANN SCHMALE, Geschichtsquellen 2, S. 650f; Vita Wolfkangi 30 (MGH SS 4, S. 53847); verfaßt von dem bald nach 1070 verstorbenen Otloh von St. Emmeram, s. WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 270-274; Legenda maior Stephani regis Ungariae 5 (Scriptores rerum Hungaricarum 2, S. 38027); verfaßt bald nach 1083, s. WATTENBACH HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen 2, S. 817. 7 Amalar, Liber officialis I 29, 10 (ed. HANSSENS 2, S. 15636;.· Illi qui baptizant, patres sunt baptizatorum, ut ex multis testimoniis scripturarum possumus conicere ... Quoniam plures sunt baptizatorum, quam deduci possint ab his qui baptizant, commendantur ceteris patribus spiritualibus, ut eis hoc praebeant, quod a presbyteris praebendum erat. In den irischen Viten wird recht häufig berichtet, daß der Taufgeistliche seinen Täufling auch selbst erzieht; Vita Abbani 26 (ed. PLUMMER l, S. 20): [unicus filius] baptizatus est. Ille siquidem vir habitum sanctum accepit, et rnansit cum sancto Abbano ... in conuersacione felici; Vita Berachi 4 (ebd. S. 76): 'Hüne', inquit, 'infantem ad ecclesiam perducite, ut lauacro salutis abluatur ... Infantem ... regeneratum mater secum conabatur detinere ... Set sanctus uir Dei hoc non permisit ...: '... Mecum enim in Christi nomine remanebit ...'; Vita Carthagi 12 (ebd. S. 173): Fintanus ... cum filio suo ad sanctum episcopum Carthagum aduenit, ut baptizaret episcopus ilium infantem, et offeret eum episcopo; Vita Colmani 26 (ebd. S. 269): statim baptizauit sanctus Colmanus illum infantem, dans ei nomen Cheallanum. Postea docuit eum sacris scripturis et bonis moribus. — Von Taufpatenschaften wissen die irischen Viten in der Regel nichts zu vermelden. Einzig die Vita Tigernaci berichtet davon, daß die hl. Brigida ihren Patensohn zur Bischofsweihe befördert habe; Vita Tigernaci 11 (ebd. 2, S. 266): ad matrem suam spiritualem, que eum olim de fönte baptismatis leuauit, sanctam ... Brigidam ... profectus est. Que misticis commonita signis, ac Spiritu ei reuelante quod filius suus spiritualis episcopali dignus esset honore, conuocatis episcopis, eum ad pontificalis ordinis apicem prouehi fecit. 8 Vita Trudonis 15 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 287 29 ). 9 Amalar, Liber officialis IH 23, 19 (ed. HANSSENS 2, S. 3354j: Memoratum sacrificium pro

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ein Gedenken übrigens, das zu erlangen normalerweise besondere Stiftungen erforderte 10 . Daß selbst die Päpste, die als geistliche Gnadenvermittler besonders hoch geschätzt wurden, mit der Taufspendung auch Paten werden konnten, ist ein eigenes und bislang wenig beachtetes Kapitel 11 . Einzelne Beispiele beschreiben besonders deutlich die Wirkung des Segens, den man sich von den Gottesmännern erhoffte. So kann berichtet werden, daß eine geistliche oder weltliche Karriere in der Segenskraft des heiligen Taufspenders und Paten begründet worden sei. Eine zur Erhellung dieser Praxis bemerkenswerte Quelle ist das hagiographische Werk des Jonas von Bobbio. Columban vermag die glückliche Geburt jenes Donatus zu erbitten, der später Bischof von Besangen geworden ist. Als Bedingung gilt dabei freilich, daß der Heilige den Neugeborenen in der Taufe 'heiligt' und dabei auch die Patenschaft übernimmt, daß ferner der Knabe für das Klosterleben prädestiniert wird 12 . So begleitet Columban als geist-

tribus offertur, idestpro ecclesia sancta universali; pro specialibus fratribus, quorum elemosinas suscepimus aut munus, aut quorum sponsores sumus facti... 10 ANGENENDT, Missa specialis S. 167-175. 11 S. § 24. 12 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 14 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 1752): Quibus vir sanctus: 'Si', inquit, 'voti vestri est, ut largitoris donum eius nomini consecretis mihique ex lavacro suscipiendum tradatis, pro vobis ego Domini clementiam implorabo, ut non solum eum quem Domino vovetis habeatis, verum etiam, quantum volueritis, post pignora suscipiatis'. ... Quem vir sanctus suis manibus receptum sacravit sacroque lavacro ablutum ipse suscepit Donatumque nomen inponet matrique ad nutriendum reddit. Qui post alitus in eodem monasterio, sapientia inbutus, Vesontionensis pontifex praefectus, nunc usque superest, eandem cathedram regens. Qui post in amore beati Columbani ex ipsius regula monasterium virorum construxit ... — Zu Donatus und seiner Taufe s. MOYSE, Origines du monachisme S. 99 mit Anm. 1; MEINHOLD, Columban S. 113f. Als weiteres Beispiel: Vita Fridolini 24 (MGH SS rer. Merov. 3, S. 3652 ): pio eum recepit amore, quia nimie dignitatem sanctitatis in eo florere cognoverat, atque in tantum eum statim dilexit, quatinus suam filiam, quam eadem nocte sua coniux peperit, in crastinum rogaret baptizare et de eiusdem sacri baptismatis fönte levare. Hoc facto, cum sua coniux multum irasceretur, eo quod talis vir peregrinus ac pannosus sibi in compatrem eligeretur, ampliavit adhuc eius iracundiam, condonans huic sancto viro magnam herditatis possessionisque partem. Sed tarnen postea, ut eidem predicts femine huius sancti viri laudanda pietas innotuerat, commendavit ei suam quam de sacro levaverat baptismate filiam, ut sanctis studiis litterarum ab eo imbuta divinoque sacrata velamine, deinceps in predicta insula in Dei permaneret servitio. Zum Verfasser Balther s. KOCH, Sankt Fridolin S. 42-49. — Daß ein Gottesmann tauft und den Täufling dann für sein Kloster beansprucht, findet man häufig in irischen Viten berichtet: Vita Declani 5 (ed. PLUMMER 2, S. 37): tradiderunt ei [Colmano] filium suum, ut baptizaret illum. Tunc sanctus Cohnanus baptizauit santissimum infantulum, Declanum nomen ei imponens ... Colmanus ... recessit, commendans ut diligenter nutriretur sanctus infans, et septimo anno ad legendum traderetur; ebd. 7 (S. 37): Completis itaque septem annis etatis sancti Declani, traditus est ad legendum a parentibus etnutritoribus suis concorditer, sicut beatus Colmanus mandauit; ebd. 14 (S. 41): [Colmanus] baptizatus est, et habitum suscepit ecclesiasticum ab eo; mansitque apud eum sedule legens, et effectus est vir sanctus et mirabilis; ebd. 31 (S. 54): sanctus Declanus antistes ibi illum infantem baptizauit, et dedit ei nomen Chiaranum. Et ait sanctus episcopus illis post baptismum: Hüne meum spiritalem filium diligenter nutrite; et apto tempore ad docendum viris tradite eum catholicis. Vita Fintani l (ebd. S. 96): [vir sanctus] baptissauit gaudens P'intanum, et postea apud eum legit, et profecit multum in gratia et litteris. S. dazu die kurze, aber bestens aus den

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lieber Vater von Anfang an den Lebensweg des Donatus, der dann als Klostergründer und Bischof von Besagen seine Berühmtheit erlangt. Überhaupt ist die Segenskraft des Heiligen so nachhaltig, daß solche, die er mit seinem Segen geheiligt hat, sich sowohl im Königsdienst wie im Klosterleben zu bewähren vermögen13 . Es ist also die Kraft der 'benedictio', die vom Heiligen her sich auf andere überträgt und dann ihre gute Wirkung tut. Darum suchen die Großen und sogar Könige die Gottesmänner infra terminos regni zu halten 14 . Sofern aber der Gottesmann seinen Segen verweigert und gar eine Verfluchung ausspricht, droht Unheil. Königin Brunichilde ließ Columban ihre Urenkel mit dem Ansinnen präsentieren: Regis sunt filii; tu eos tua benedictione robora15. Daß der Gottesmann sich weigerte, löste seine Vertreibung aus, führte aber auch zum Untergang der nicht gesegneten Königssöhne 16 . Und wie die Columban-Vita so sprechen noch zahlreiche Zeugnisse davon, daß der Adel heilige Männer in seine Nähe zu ziehen suchte. Der heilige Trudo wurde in eine Familie eingeladen; er taufte den Sohn des Hauses und fungierte dabei auch als dessen Pate. Der Gastgeber baute, um die Erinnerung an den Heiligen festzuhalten, ein Oratorium an der Stelle, wo dieser geruht und gebetet hatte 17 . Bei größeren politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten konnte eine solche Zusammenarbeit noch weit stabilere Formen anQuellen gearbeitete Studie von A. LORCIN (Vie scolaire S. 221-236), der allerdings auf den 'pater spiritualis' der Taufe nicht eingegangen ist. 13 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 26 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 20918); Ibi receptus a quodam viro Autharium nomen, cuius coniunx Aiga dicebatur; erantque his filii infra infantiae annis detenu, quos mater ad benedicendum viro Dei obtulit. Videns ille matris fidem, infantulos sua benedictione sacravit ... Tanta in virum Dei gratia redundavit, ut quoscumque sacravit, in boni cultus perseverantia dies suprema invenit. S. auch ebd. S. 20910.· Ad hoc enim aliorum differebat subsidium, ut vir Dei secum, quamdiu valeret, teneret et eius doctrina sua domus nobilitaretur. Benedixit ergo vir Dei domum eius, filiamque illius nomen Burgundofara, quae infra infantiae annis erat, benedicens, Domino vovit ... Das vovere bezieht sich auf das Klosterleben. - MEINHOLD, Columban S. 116-119. 14 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 6 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 16311): [rex]: ... ne, nostrae ditionis solo relicto, ad vicinas pertranseas nationes, ut tut praemii augmentum et nostrae salutis provideas oportuna; ebd. I 18 (S. 187 j: Theudericus ergo, quia infra terminus regni sui beatum Columbanum haberet, gratulabatur; Virtutes Fursei 12 (MGH SS rer. Merov. 4, S. 444 '): Erchenaldus ... gratias aegit Deo, qui talem ei virum dedisset, unde talia processissent miracula; Vita Corbiniani 21 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 13, S. 21l21).· Vir Dei ... a rege receptus, regali deductus aulae, quia nequaquam ea principem latebant divinae virtutis potentiae miracula; Alkuin, Vita Willibrordi 5 (MGH SS rer. Merov. 7, S. 12l2).· Qui [Pippinus] eum cum omni honore suscipiens, sed nolens tanto doctors se vel suum privare gentem. 15 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 19 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 37, S. 1885). 16 SCHÄFERDIEK, Columbans Wirken S. 187f. 17 Vita Trudonis 15 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 28727).1 Petivit quoque ab illo isdem fidelis vir, ut filium suum sacro lavacri fönte baptizaret. Ille vero petitionibus eius libenter obtemperans, statim baptizavit illum et a sacro fönte suscepit; in utroque pater illi spiritalis effectus est. Laeti autem pariter illum diem in praeceptis divinis usque ad vesperum perduxerunt. Peracto autem noctis spatio, valde mane venerabilis vir Dei hospitibus suis valedicens ... Recedente autem viro Dei, praedictus hospes illius surrexit oratoriumque in loco, quo venerandus pater requieverat, ob memoriam admirandae visionis construxit ...

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nehmen. So bat der Hausmeier Erchinoald den Iren Furseus in sein Palatium, um dort seinen Sohn zu taufen. Ein Wunder überzeugte dann den Adelsmann so sehr von den göttlichen Fähigkeiten des Heiligen, von dessen virtus, salus undadiutorium, daß er ihn bei sich zu behalten wünschte und ihm aus seinen Besitzungen einen Ort zur klösterlichen Niederlassung anbot. Sogar den Leichnam des Heiligen erkämpfte sich Erchinoald, weil Furseus 'sein Mönch' gewesen und ihm nun ein Unterpfand himmlischen Beistandes sei18 . Die Vita Bertini weiß von einem Grafen Waltbert, der sich mit seiner Gattin den Heiligen als Beichtvater ausersehen und ihn auch zum computer gemacht habe. Immer wieder sucht der Graf den Heiligen auf; so feiert er bei ihm die Messe mit und empfängt von ihm nach der Kommunion den Segen. Als der Graf einmal den Segen nicht erbittet, stößt ihm sogleich ein Unglück zu, von dem ihn freilich sein geistlicher Helfer sofort zu heilen vermag, was hinwiederum den Grafen dazu bewegt, ihm einen Gutteil seines Besitzes zu übergeben19 . Oder ein noch drastischeres Beispiel: Bei der Taufe Chlothars II., über die Gregor von Tours ein bemerkenswertes, in anderem Zusammenhang bereits erörtertes Kapitel geschrieben hat 2 0 , soll zufolge der zwischen 868 und 872 entstandenen Vita Faronis21 eben dieser Bischof Faro von Meaux (629/37-673/75) Pate gestanden haben 2 2 ;ja, der Vitenverfasser will ihm Virtutes Fursei 10 (ebd. 4, S. 443 j: Vir Domini memoratus Erchenaldus audiens eius famam, obviam ei perrexit, orans et postulans, ut veniret ad domum eius ad palatium Perronensis viel et in sacrum baptisma filium suum poneret et a fönte susciperet, Qui sanctus non rennuens ...; ebd. S. 4447; Cuncti adstantes simul cum principe veniam postulaverunt etglorificaverunt Deum, eo quod eis venisset virtus, salus et adiutorium; ebd. 11 (S. 444 j: Tunc electus Domini Erchenaldus constituit tres domesticos suos, qui virum iustum per diversa loca deducerent, et ubicumque sua propria fuissent, ei monstrassent, ut, qualis ei locus amabilior fuisset, ad habitandum daretur; qui et fecerunt. Sanctus vero Furseus e cunctis locis Latiniacum expetivit; ebd. 16 (S. 44526J: Erchenaldus dicit ...: Redde mihi monachum meum, alioquin eras mane iudicet hoc Deus inter me et te. Vita Bertini 19 (ebd. 5, S. 765 8 ): Huic vero Waldberto et coniugi suae pater confessionum beatus fuit Bertinus necnon et computer fuit secundem laudabilem ritum, inter christianos ad coniungenda fraternae caritatis foedera consecratum ... Quapropter enim pius vir predictus Waldbertus ad Bertinum saepe venire solebat, ut a beato viro divina precepta audiret et ut a sacra huius ore post communicationem corporis et sanguinis Christi more benediceretur solito. Quadam igitur die ... neglexit venire Bertinum; ebd. S. 766 : periculum per suam contigit neglegentiam, quia sine vestrae benedictionis tutamine per hostis callidi astutiam, aliqua necessitate se retrahente, de hoc hodie loco perrexit; ebd. S. 767 : ... sanus effectus est, inmensasque omnipotenti Deo salutis suae auctorigratias referens cordisque conpunctione repletus, magnam suae herditatis partem Deo et beato optulit Bertino. 20 Gregor von Tours, Hist. X 28 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 520 20 ); s. S 19 Anm. 36 u. 38. 21 GUEROUT, Faron Sp. 643ff, 661. 22 Vita Faronis 21-22 (ed. MABILLON 2,. S. 612): In qua tantum virtute prudentiae ubertim floruit, ut a Regibus honore magnificentissimo amplificaretur, ac pro pacto amicitiae filium Chilperici Regis a sacro fönte suscipiens, Baptismatis novus regenerator efficeretur. Qui Chlotharius nomine postmodum Monarchiae trium Regnorum primus obtentor ex origine Francorum esse meruit. Unde manifeste datur intelligi, mentis viri Dei hanc dignitatem emeruisse, a quo accidit spiritaliter regeneratum esse. Von der Segenskraft des Heiligen kann Ähnliches gesagt werden; ebd. 14-16 (S. 612): Obtulerunt \Autharius et conjunx Aia] ... proprios duos filios benedictioni illius, quos spiritualibus verbis roreque caelestis gratiae cum genitore, matre-

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gemäß der geläufigen Verquickung von Patenschaft und Taufhandlung offenbar auch die Taufspendung zuschreiben 23 . Die Ausführungen, die aus einigen wenigen Urkunden-Formeln herausgesponnen sind 24 , zeichnen genau das Bild, wie sich die Zeit eine solche Taufe vorzustellen beliebte, daß nämlich die Person des Faro durch die Taufspendung für die weitere politische Karriere Chlothars eine entscheidende Bedeutung erlangt habe. Der Verfasser — es ist Bischof Hildegar von Meaux (853/56 - nach 873) — führt die durch Chlothar erlangte monarchia trium regnorum auf die merita des vir Dei und baptismatis regenerator Faro zurück 25 . Dem politischen Aufstieg des Königs hat sich also der Taufspender und Pate als höchst nützlich erwiesen. Weiter begegnen wir auch immer wieder der Praxis, daß der Taufvater und Pate gebeten wird, ins Haus zu kommen, um von neuem seine Taufkinder oder auch das ganze Haus zu segnen 26 ; man kann den Eindruck gewinnen, als sollte die patenschaftliche Verbundenheit weiterhin nutzbar gemacht werden, um die in der Taufe übertragene Heilskraft durch neue Segnungen weiter zu bestärken. Und weil der Gottesmann nicht selten die 'virtus', bevor er sie überträgt, zunächst in sich selbst spürt, darf er sich ihrer zukünftigen Wirksamkeit im Gesegneten auch sicher sein. Mit Taufe und Segensübermittlung wird darum oft genug eine Prophezeiung über den kommenden Werdegang ausgesprochen 27 . Wie stark die Vorstelque eorum perfundens invocavit electos Dei fieri, participesque regni aeterni. Cujus verbis hodie fulget S. Autharius, caelo meritis, et ... Matrona ... coruscat magnis miraculis. Nee etiam filii ejus ab hac gratia Christi exstiterunt remoti, ut qui unius viri Dei benedictione fuerunt uniti, essent et pares et aequalis meriti. 23 Darauf deuten die Wendungen baptismatis novus regenerator efficitur und a quo accidit spiritaliter regeneratum esse. Ein vielleicht von Hildegar selbst verfaßtes Inhaltsverzeichnis der Vita gibt allerdings allein die Patenschaft an: Ex vita Faronis 22 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 185 J: De susceptione filii regis, scilicet Chilperici, ab eo ex sacri fontis lavacro. Zu dieser Sonderüberlieferung s. GUEROUT, Faron Sp. 661. 24 GUEROUT, Faron Sp. 646. 25 S. Anm. 22; die entsprechende Kapitelsüberschrift lautet (Ex vita Faronis 23 [MGH SS rer. Merov. 5, S. 18530]): Quod merito sancti Faronis Chlotharius rex, eius ex fönte filius, monarchiam trium regnorum promeruerit. S. auch GUEROUT, Faron Sp. 643. 26 Vita Trudonis 19 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 290 10 J: Godmundus, cuius etiam filium vir Dei a sacro fönte susceperat, postulavit ab eo, ut domum suam visitaret, ut sua etiam benedictione consecraret; Alkuin, Vita Richarii 10 (ebd. 4, S. 39423): femina ... habens in ulnis filiolum suum, ut parvulus quoque benedictione hominis Dei roboraretur, quem ipse ante sacro baptismate Deo regneravit; zur Patenschaft s. auch Vita Richarii primigenia 5 (ebd. 7, S. 446 26 ); Vita Fidoli 10 (ebd. 3, S. 43029): Homo quidam nomen fr'redulfus, cuius filium e lavachro fontis sacri baptismatis gratia spirituale fide susceperat, praemissa postulatione, ut domum ipsius visitaret, unici obtinuit caritas. Besonders häufig finden sich solche Prophetien in irischen Viten; Vita Boecii 2 (ed. PLUMMER l, S. 87): Denique uir ille sanctus, paruulum aqua perfundens, totum baptismatis ordinem compleuit, eumque Boecium nominauit. Vnde et prophetico spiritu loquens de puero ait: Magnus, inquit, hie erit apud Deum et homines; et erit uita et doctrina precipuus, multisque preerit et proderit. Et hiis dictis et puero et parentibus eius benedictis ... Der Text enthält biblische Anklänge; die Aussage hie erit magnus gehört zum Engelsgruß an Maria (Lc 1,32). Weitere Beispiele in Vita Carthagi 6 (ebd. S. 171); Vita Declani 5 (ebd. 2, S. 37); Vita Moling l (ebd. S. 190); Adam von Bremen, Gesta pontificum I 20 (MGH SS rer. Germ, in us. schol.

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Geistliche als Paten

lung von der Segensgewalt des geistesmächtigen Paten auf die Patenbestellung eingewirkt hat, zeigt noch die Bitte Heinrichs III. an Hugo von Cluny, über den soeben geborenen Sohn — es ist Heinrich IV. — die Patenschaft zu übernehmen: Jeder wünsche sich des Abtes und der Seinen Gebet, jeder auch die liebevolle Verbundenheit mit ihnen; denn ihr Gebet sei-allem weltlichen Treiben enthoben und Gottes Blicken ganz nahegerückt. So möge also der Abt kommen, den Neugeborenen aus der Taufe heben und als geistlicher Vater ihn mit der Gabe seines Segens zeichnen 28 . Von solcher Praxis und Mentalität her wird bestens verständlich, warum dem Adel so sehr daran gelegen gewesen ist, für Taufe und Patenschaft bei den eigenen Kindern 'Gottesmänner' zu gewinnen, warum andererseits die Vitenschreiber ihre Heiligen dadurch herauszustreichen suchen, daß sie ihnen die Patenschaft in berühmten Adelsfamilien zuschreiben. Den heiligen Amandus zum Beispiel versetzt der Verfasser seiner Vita geradezu in eine Position der Verhandlungsstärke, als König Dagobert an ihn herantritt mit der Bitte, den Sohn zu taufen und ihn als filius spiritualis zur Erziehung anzunehmen; im Gegenzug vermag Amandus nun, dem König auch eigene Forderungen zu präsentieren 29 . Amandus aber kann zugleich auch als Beispiel dafür angeführt werden, daß Geistlichen wie Klosterleuten die Übernahme einer Patenschaft eigentlich verbo2, S. 26 ): Quem [Rimbertum] sanctus Ansgarius adoptans in filium prophetico spiritu, quo plenus erat, lange ante predixit illum suae virtutis aemulum et in cathedra pontificali succedere gratiaque meritorum in celesti regno consortem fore. 28 DH III 263 (MGH Dipl. reg. et imp. Germ. 5, S. 351 29 ): te dixisti nimium exultasse de reddita nobis sanitate, de concessa celitus filii adoptions, grates paternitati tuae referimus, grates ex intimo corde persolvimus. Id etiam non tarn summopere mandamus quam humiliter deposcimus, ut tua apud clementissimum dominum nostrum iugis non desit oratio pro rei publicae commodo, pro totius imperil honore, pro nostra nostrorumque salute, ut divinitus nobis collata prosperitas aecclesiarum et populi totius pax possit esse et tranquillitas. Quis enim sapiens sanum tuam orationem tuorumque non exoptet? Quis insolubili caritatis vinculo retinere non ambiget? — quorum oratio tanto purior quanta ab actibus seculi remotior, tanto dignior quanta divinis conspectibus extat propinquior. Quad autem te pre longinquitate itineris negasti potuisse venire, sicut iussimus, quamquam gratanter tuum suscepissemus adventum, eo ignoscimus tenore ut in pascha ad nos Coloniam venias, si est fieri possibile, quatinus, si audemus dicere, eundem puerum, de quo ita laetatus es, de sacra fönte susciperes et spiritualis pater tuae benedictionis munere signares ... 29 Vita Amandi 17 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 441 5 J: Tune rex ad sanctum ait Amandum: Penitet enim me valde, quod stulte adversum te egerim. Praecor igitur, ne memineris iniuriae, quam in te inrogavi, adque praecem meam, quam a te summopere postolo, ne dedigneris annuere. Dedit mihi Dominus filium, non meis praecedentibus mentis, praecorque, ut eum sacro digneris abluere baptismate atque, ut tibi sit filius spiritalis, in manibus accipere ne dedigneris. Quod vir Domini vehementer rennuens, scilicet sciens esse scriptum, militanti Deo non oportere inplicare saecularibus negotiis et quietum atque remotum palatia non debere frequentare regia, e conspectu regis abscessit. Tunc. demum rex misit ad eum virum inlustrem Dadonem atque cum eo venerabilem virum Eligium ... Hi humiliter ad virum Dei petierunt, ut praecibus regis daret adsensum atque filium ipsius sacro dignaretur dilui fönte, et ut eum enutriret atque legem inbueret divinam, quantotius adsentiret, dicentesque, quod si hoc vir Dei non rennueret, per hanc familiaritatem liberius in regno ipsius, vel ubicumque eligeret, haberet licentiam praedicandi, seu et nationes quam plures per hanc gratiam se posse conquiri fatebantur. Tandem igitur fatigatus praecibus amborum, facturum se esse promisit.

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ten war. Die Amandus-Vita begründet das Zögern ihres Heiligen damit, daß es den Streitern Gottes nicht anstehe, sich in weltliche Angelegenheiten hineinziehen zu lassen und am königlichen Hof zu verkehren 30 . Des öfteren finden wir ein solches Verbot in den Mönchsregeln. Die Regula Ferioli verbietet den Mönchen die Übernahme von Patenschaften, weil dadurch eine verwerfliche familiaritas mit den Eltern des Täuflings entstehe31 . Einem Mönch, der sich in seinem Gelübde von aller Familiarität getrennt hatte, sollte auch nicht unter dem Vorwand einer geistlichen Verpflichtung erlaubt sein, neue Verbindungen familiärer Art einzugehen; deshalb sehen sich die Klosterregeln genötigt, die Patenschaft zu verweigern 32 . Auch für Geistliche wurden im 7. Jahrhundert solche Verbote erlassen, die noch die karolingische Gesetzgebung wiederholt33. Die Dringlichkeit sah man darin begründet, daß geistliche Paten ihre Taufsöhne zu bevorzugen versucht sein konnten, sie deswegen in wichtige Ämter brachten34 oder gar zu ihren Erben einsetzten35. Beispiele solcher Art sind erweislich, aber nicht eben häufig; vielleicht haben hier die kanonischen Verbote doch vorbeugend gewirkt. Um so auffälliger bleibt die Tatsache, daß dennoch immer wieder Gottesmänner in den Adels- und Königsfamilien eine Patenschaft zu übernehmen bereit gewesen sind. Selbst Päpste haben sich dazu herbeigelassen, Kinder aus der Taufe zu heben und ihre Patenschaften mit sogar politischen Akten zu verbinden.

S. voraufgehende Anm. Regula Ferreoli 15 (ed. HOLSTENIUS - BROCKIE l, S. 159): Baptizari in Monasterio parvulos tractavimus necessarium non esse, sicut in reliquis Monasteriis observatur; neque Monacho ullo loco de lavacro sancto filios cujuslibet excipere: ne parentibus illius, ut fieri sole t, illicita paulatim vel turpi familiaritate jungatur. HOLZHERR, Regula Ferioli S. 121f. Caesarius von Arles, Regula ad virgines 11 (ed. MORIN S. 7): Nulla cuiuslibet filiam in baptismo ... praesumat excipere; Regula Aureliani ad monachos 20 (ed. HOLSTENIUS — BROKK1E l, S. 151): Nullus infantem de baptismo excipiat; Regula Tarnatensis 3 (ebd. S. 181): Spiritalem se fieri patrem sine Abbaus imperio nullatenus acquiescat; sed si causa tantae necessitates extiterit ... quad contradicenti cpgnoscitur impositum, charitatis inruitu est omnimodis admiitendum. 33 Synodus dioecesana Autissiodorensis a. 561-605 c. 25 (CChr.SL 148A, S. 26878J: Non licet abbate filios de baptismo höhere nee monachus commatres habere; Conc. Leudegarii a. 663-680 c. 5 (ebd. S. 3198): Ut compatres nullus ... audeat habere; Capitulare monasticum a. 817 c. 16 (MGH Capit. l, S. 34432): Ut sibi compatres commatresve non faciant. Überhaupt sollen Geistliche nicht fideiussor werden: Capitula a sacerdotibus proposita a. 802 c. 16 (ebd. S. 107 10 ); Capitula ad lectionem canonum et regulae S. Benedict! pertinentia a. 802 c. 4 (ebd. S. 1087). Vita Nivardi 7 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 165 ): beatus Bercharius tune abbas, nunc etiam martyr, vir magnificus et spiritualis eius filius, quoniam eum a sacris fontibus susceperat, hoc idem devote a beato presule petierat, scilicet sibi et fratribus suis locum dari pro eterne remunerationis mercede, ubi sub regula sancti patris Benedict! et Columbani vivere posset; ebd. 10 (S. 168 j: Bercharium filiolum suum abbatem prefecit; Passio Desiderii 2 (ebd. 6, S. 5618,).· ducens etiam secum socium, videlicet Reginfridum diaconum suum et filium in baptismo; Avitus von Vienne, Homilia in rogationibus (MGH AA 6/2, S. HO20,): Praedecessor namque meus et spiritalis mihi a baptismo pater Mamertus sacerdos ... 35 Vita Gamalberti 9 (MGH SS rer. Merov. 7, S. 19030): ... is turn dedit mihi Dominus heredem ... lusta quidem lege successurus est mihi, quem ego filium Christo et sanctae ecclesiae per baptismum generavi. 31

6. Der Papst als geistlicher Vater § 23 Römische Mission Die nach FJ. Dölger von Papst Leo dem Großen (410-461) verfaßte Inschrift im Baptisterium des Lateran, der eigentlichen römischen Taufstätte, macht Aussagen, von denen zwei Momente hier besonders bedeutungsvoll sind: Es ist einmal die Vorstellung von der Mutter Kirche (genetrix ecclesia) und dann der Anspruch auf Universalität (fons hie est uitae, qui totum diluit orbem)1 . Wir begegnen in dieser Inschrift der Vorform des später sehr klar formulierten Anspruchs, die römische Kirche sei die 'Mutter aller Kirchen' und von ihr gehe das Heil in alle Welt hinaus. Im Frühmittelalter sind aus diesen Vorstellungen gewichtige kirchenpolitische Folgerungen gezogen worden. Daß durch die Missionstätigkeit der Kirche neue Kinder geboren wurden, wofür den Amtsleitern in Stellvertretung Christi die Zeugung zugesprochen wurde, war nicht ausschmückende Sprache, sondern eine theologisch und rechtlich bedeutsame Terminologie2. Die Kirche, auch die jeweilige Ortskirche, war und blieb Mutter ihrer Kinder, die sie wiedergeboren hatte und die ihr niemand, auch keine andere Ortskirche, entreißen durfte 3 . Im Ergebnis resultierte daraus die Territorialität der verschiedenen Lokalkirchen4 , deren Gebiet durch Missionstätigkeit erweitert und nur durch heidnische Eroberung vermindert werden konnte. Dabei übertrug die missionierende Kirche ihre spezifischen Bräuche, so etwa die Liturgie, auf die von ihr Bekehrten. Der christlichen Antike wie zunächst auch noch dem frühen Mittelalter war diese Missionsautonomie das Normale 5 : Die griechische, gallische oder römische Mission waren selbstverständlich christliche Mission, bewahrten dabei aber jeweils ihre spezifischen Eigenarten. Erst wenn man sich dies vergegenwärtigt, wird ermeßbar, was römische Mission im Norden und Osten Galliens bedeutete: neue, von der gallischen Kirche abgeho1

DÖLGER, Baptisterium S. Giovanni in Fönte S. 252-257. S. $ ISAnm. 1. 3 HEILER, Altkirchliche Autonomie S. 3-185. 4 GAUDEMET, Eglise S. 323f;PLÖCHL, Kirchenrecht l, S. 54f. 5 Jenen hierarchischen Verbänden, die "für weite Bereiche des kirchlichen Lebens autonome Setzungsgewalt [hatten], wenn sie sich auch an die Communio mit dem Nachfolger Petri gebunden fühlten", hat F. KEMPF eine Studie gewidmet, aus der liier einige Ergebnisse zitiert seien: "Selbst im Westen, also im Raum des eigenen Patriarchats, gelang es der römischen Kirche nicht, eine ihrem Primatsanspruch entsprechende Zentralgewalt aufzurichten ... Eine regelmäßige Jurisdiktionstätigkeit übte das Papsttum eigentlich nur in dem ihm von jeher unterstellten suburbikarischen Italien aus, also in Mittel- und Unteritalien sowie auf Sizilien, Sardinien und Korsika. Außerhalb dieses Bereichs blieb es bei gelegentlichen, meist durch Petitionen oder Appellationen ausgelösten Eingriffen. Hatten sich doch auch im Westen die Bischöfe zu mehr oder minder festen Verbänden zusammengeschlossen, um auf autonomer Basis die kirchlichen Angelegenheiten zu regeln. So gab es eine nordafrikanische, mailändische, aquilegensische, spanisch-westgotische, gallisch-merowingische, keltisch-irische Kirche. Von der irischen Kirche abgesehen, bestanden sie sämtlich aus Metropolitanverbänden, die allerdings in Nordafrika und Spanien unter dem primatialen Vorsitz einerseits des Bischofs von Karthago, andererseits (seit 681) von Toledo eine landeskirchliche Einheit bildeten ... Die hierarchischen Verbände besaßen ein erhebliches Autonomiebewußtsein ... Auch die merovingische Kirche dachte und handelte vorwiegend autonom" (Struktur der Kirche S. 29ff). 2

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bene, weil römisch geprägte Missionsgebiete. Dieses neue Konzept von "römischer" Mission ist darin grundgelegt, daß die römische Kirche nunmehr in aller Deutlichkeit den Anspruch formulierte, mater omnium ecclesiarum zu sein. Nach E. Caspar zählt dieser Titel, der sich zum ersten Mal in einem Brief Papst Leos II. (682-683) findet, zu den "Neuprägungen von großer Zukunft" 6 . Derselbe Papst hat in einem Brief an den westgotischen König Erwig (680-687) ein Kirchenverständnis vorgetragen, das als Erläuterung der universalen 'Mutterschaft' Roms interpretiert werden darf: 'Der König der Könige und der Herr der Herrscher ... fügt es im Gleichmaß seiner Vorsehung, daß in den verschiedenen Zeiten und Räumen der Erde jeweils andere herrschen. Wenn auch ihre Reiche unterschiedlich sind, so fordert Gott doch von jedem einzelnen Rechenschaft, wie er auch von allen das eine geistige Opfer des wahren Glaubens erwartet. Allein durch diese Gabe kann das Menschengeschlecht seiner Majestät gefallen, daß nämlich von allen das wahre Bekenntnis über ihn verkündigt wird, so daß bei aller zeitlichen Verschiedenheit im Bekenntnis des wahren Glaubens doch einhellige Einigkeit besteht. So hat es auch der Weltenheiland und Gottessohn bei seinen Jüngern verordnet, als er den heiligen Petrus an seiner Statt zum Fürsten der Apostel bestellte; durch dessen heilbringende Predigt und Überlieferung sind von dieser heiligen apostolischen Kirche, wie aus einem Quell der Lehre hervorquellend, alle Lande, auch die deiner Herrschaft, zur Kenntnis der Wahrheit und zum Weg des Lebens hingelangt.'7 Von Rom, der Mutter aller Kirchen, so wird hier deklariert, fließt das Heil in alle Welt, zu allen Völkern. Es waren dann die angelsächsischen Missionare, die sich dieser Auffassung unterstellten: Sie traten in römische Dienste, indem sie sich in Rom den Segen und die Sendung für ihre Mission holten 8 . Da aber ihre Missionstätigkeit in Gebieten erfolgte, die von der Lage her als "gallisches Vorland" zu betrachten waren, entstanden kirchengeographisch ganz ungewöhnliche Überlagerungen: römisch geprägte Kirchengebiete vor den Grenzen der gallischen Kirche. Zu des Bonifatius' Bestreben gehörte außerdem noch, daß er sich nicht nur als römischer Missionar verstand, sondern auch als fränkischer Reformator und bei dieser Reform nicht anders vorging als in seiner Mission, nämlich unter Anwendung römischer Prinzipien. Dadurch wurde ein Prozeß eingeleitet, in welchem die abendländische Kirche, die zuvor durchaus ihre regionalen Autonomien gekannt hatte, alsbald zu einer einheitlich römischen Kirche sich umwandelte. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Tätigkeit des Angelsachsen erst ihre volle Bedeutung. Der von Papst Gregor II. am 15. Mai 719 ausgesprochene Missionsauftrag verpflichtete ihn, wie wir schon gesehen haben, zur Einhaltung der römischen Liturgie9. In seinem Bischofseid, den er bekanntlich als erster nichtitalischer Bischof nach römischem Formular ablegte, gelobte er, unkanonisch lebende 6

Leonis II papae epp. 4 (MIGNE PL 96, Sp. 413B); CASPAR, Papsttum 2, S. 593; MACCARRONE, Primato papale S. 704. 7 Leonis II papae epp. 7 (MIGNE PL 96, Sp. 418B); CASPAR, Papsttum 2, S. 592f; MACCARRONE, Primato papale S. 704f. 8 S. $ 28 Anm. 8. 9 S. § 7 Anm. 9.

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Papst als geistlicher Vater

Bischöfe zur Korrektur aufzufordern oder aber dem Papst über sie zu berichten 10 . Im Jahre 748 teilte Bonifatius dem Erzbischof Cudberht von Canterbury mit, daß er die auf einer Synode versammelten fränkischen Bischöfe zur subiectio Romanae ecclesie habe veranlassen können: nämlich dem heiligen Petrus und seinem Vikar untertänig zu sein und alle Jahre Synoden abzuhalten; daß ferner die Metropoliten das Pallium vom römischen Stuhl erbitten und alle kanonischen Vorschriften des heiligen Petrus befolgen wollten, um so unter dessen Schafe gezählt zu werden; alle hätten diesem Bekenntnis zugestimmt, sodann dasselbe unterschrieben und zur Niederlegung auf das corpus beati Petri nach Rom geschickt11 . Was also Bonifatius betrieb, war nicht nur "römische" Mission in bis dahin heidnischen Gebieten, sondern auch römische Reform der gallischen Kirche. Die Reform wurde nach seinem Martyrertod von dem einheimischen Chrodegang weitergeführt; dessen Synoden schlössen sich in ihren Reformbestimmungen ganz an Bonifatius an 12 . Metz wurde dabei der Vorort für die römische Liturgie, ja überhaupt für die Einhaltung des 'mos atque ordo Romanae ecclesiae' im Frankenreich13 . Höchst bezeichnend ist dabei, daß bald auch die Geschichte der Metzer Sedes "römisch" interpretiert wurde. Als erstes Bistum im fränkischen Kernbereich erhob Metz den Anspruch auf petrinischen Ursprung: Petrus habe von Rom, dem caput orbis, seinen Schüler und späteren Nachfolger Clemens nach Metz gesandt 14 . Diese Apostellegenden, wie sie bald jede gallische Kirche besaß 15 , zeigen eindrucksvoll die rasche und breite Zustimmung, welche der Idee von Rom als der Mutter aller Kirchen entgegengebracht wurde. 10

Bonifatü epp. 16 (MGH Epp. sei. l, S. 28f); zum suburbikarischen Bischofseid des Bonifatius s. GOTTLOB, Amtseid der Bischöfe S. 28. 11 Bonifatii epp. 78 (MGH Epp. sei. l, S. 1639J: Decrevimus autem in nostro sinodali conventu et confessi sumus fidem catholicam et unitatem et subiectionem Romane ecclesiae fine tenus vite nostre velle servare; sancto Petra et vicario eins velle subici; sinodum per omnes cmnos congregate; metropolitanos pallia ab illa sede querere et per omnia precepta sancti Petri canonice sequi desiderare, ut inter oves sibi commendatas numeremur. Et isti confessioni universi consensimus et subscripsimus et ad corpus sancti Petri principis apostolorum direximus. Quad gratulando clerus Romanus et pontifex suscepit. 12 SCHIEFFER, Angelsachsen und Franken S. 34ff. 13 Übersicht bei OEXLE, Karolinger S. 289ff. 1 Paulus Diaconus, Versus de episcopis Mettensis civitatis (ed. NEFF S. 1888 j: Cum Petrus aeterni dux summus Romula regis, Quae caput orbis erat, ad moenia finibus omni Schemate virtutum plenus venisset eois, Claras quosque viros, summas caelestibus armis Qui caperent arces, ad vitae gaudia mittit. E quorum numero Clemens vocitatus, utille Qui Romae Petra successerat, intulit urbi Huic, quam olim Mettis veteres dixere coloni, Aegregius praesul divina voce salutem Primusque hie domini digne fundavit ovile Aurea transmit tens p opulis exempla futuris. OEXLE, Karolinger S. 300f. 15 LEVISON, Anfänge rheinischer Bistümer S. 7-27.

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Bonifatius aber trat damit nicht nur in Gegensatz zur Eigentradition der gallischen Kirche, sondern auch zu jener Art von "Landeskirchentum", wie es die Merowinger und ebenso die Karolinger praktiziert haben. Nehmen wir als Beispiel einen essentiellen Punkt der bonifatianischen Reform: das Amt des Erzbischofs mitsamt der Pallienverleihung. Bekanntlich ist das Amt des Metropoliten ursprünglich aus dem synodalen Zusammenschluß der jeweils zu einer Provinz gehörigen Bistümer hervorgegangen, wobei es dem Bischof der Provinzmetropole, eben dem Metropoliten, zukam, diese Synoden zu organisieren, darüber hinaus auch die Bischofswahlen zu überprüfen und dem Erwählten mit zwei Komprovinzialen die Weihe zu erteilen. Als aber Gregor der Große den Organisationsplan für die angelsächsische Kirche entwickelte, war zwischenzeitlich die Entwicklung dahin gegangen, daß der Inhaber eines Metropolitensitzes nur erst dann in Funktion treten konnte, wenn er das päpstlicherseits zu verleihende Pallium besaß. War ursprünglich die Metropolitangewalt in synodal-kollegialer Weise "von unten her" entwickelt worden, so mußte sie seit der obligaten Palliumsverleihung als Ausfluß päpstlicher Machthoheit erscheinen; zur Kennzeichnung dieses neuen Verständnisses wird üblicherweise der Palliumsträger Erzbischof genannt16 . Die Schaffung von Erzsitzen der neuen Art hätte im Frankenreich zur Konsequenz haben müssen, daß von neuem kirchliche Provinzen sich gebildet hätten und daß der Papst dabei auf Grund der Palliumsverleihung ein Mitspracherecht gewonnen hätte. Beides konnten oder wollten die Karolinger nicht so rasch zulassen. Eben erst hatten Pippin der Mittlere und Karl Martell die mächtigen "Kirchenstaaten", die sich um die alten Episkopalsitze gebildet hatten, zerschlagen 17 . In der Bischofsberufung, wo längst ein königliches und zuletzt ein hausmeierliches Gewohnheitsrecht sich herausgebildet hatte 18 , hätte die Erzbistumsverfassung dazu führen können, daß ein neu zu berufender Bischof, wenn auch nicht mehr von seiner Gemeinde gewählt, so doch vom Erzbischof im Verein mit den Komprovinzialen bestellt worden wäre. Wiewohl nun die beiden Martell-Söhne Karlmann und Pippin Bonifatius mit der Kirchenreform beauftragten und die römische Liturgie unterstützten 19 , sehen wir sie doch sofort zögern, wo es um die von ihnen gewohnheitsmäßig ausgeübten Kirchenrechte ging. Die Erzbistumsverfassung blieb unausgeführt; oder genauer: sie wurde nur soweit verwirklicht, als sie zum Vorteil der karolingischen Kirchenpolitik umgebogen werden konnte. Höchst bemerkenswert ist schon die Stellung, die Bonifatius selbst erhielt: Er war Erzbischof, aber nicht eines Metropolitensitzes — wohl wegen der Sachsenmission war zeitweilig Köln für ihn vorgesehen20 —, sondern sozusagen im Gefolge des Hausmeiers und für dessen Reich21 . In Neustrien wurde allerdings unter Pippin die 16

KEMPF, Struktur der Kirche S. 45-55. SEMMLER, Episcopi potestas S. 305-395. Die Auflösung der "Kirchenstaaten" und deren Einbeziehung in die Verfassungsstrukturen des karolingischen Reiches wurde unter König Pippin und Karl dem Großen noch weiter fortgesetzt. 18 SCHEIBELREITER, Bischofs. 128-171. 19 S. $ 7 Anm. 10. 20 S. $ 30 Anm. 72. SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 229-233. 17

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Karlmanni principis capitulare a. 742 (MGH Capit. l, S. 2424 = Bonifatii epp. 56 [MGH Epp.

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Papst als geistlicher Vater

Wiedererrichtung von drei Metropolitansitzen beschlossen: Rouen, Sens und Reims; "aber von einer tatsächlich gehandhabten Metropolitangewalt fehlt ...jede Spur" 22 . Der gefolgschaftliche Charakter, welcher der erzbischöflichen Stellung des Bonifatius anhaftete, tritt, wie ähnlich früher schon bei dem fidelis Willibrord 23 , gleicherweise auch bei dem Nachfolger hervor: Chrodegang von Metz, ein alter Vertrauter der Karolinger, wurde Palliumsträger wiederum für das ganze fränkische Reich 24 ; nach der alten Metropolitanverfassung aber hätte er der Suffragan von Trier sein müssen 25 . Es wurden also zunächst noch nicht die alten Metropolitansitze wieder aufgerichtet, wohl aber wollten Karlmann und Pippin einen Palliumsträger zur Hand haben, der die Bischofsweihen im Reich ausführen und die Synoden leiten konnte. Sich einer solchen Person zu versichern, bedeutete einen erheblichen Machtzuwachs, lag darin doch die Garantie für einen folgsamen Episkopat. — Für uns ist wichtig, daß in der Folgezeit mit einer Konkurrenz zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt in Fragen der Mission zu rechnen ist. Denn wer bestimmte über ein Erzbistum in Missionsgebieten?

§ 24 Der Papst als Pate Die Patenschaft der Päpste bildet ein Thema, das schon kirchlich, aber mehr noch politisch hochbedeutsam genannt werden muß, bislang jedoch wenig Beachtung gefunden hat. Dabei darf allerdings die Person des Papstes, wiewohl in höchstem Maße als heilig angesehen, nicht eigentlich nach den Kriterien des oben erwähnten 'vir Dei' beurteilt werden. Die besondere Heiligkeit resultierte vielmehr aus der Stellung des 'vicarius Petri' und letztlich eines 'vicarius Christi'1 . Als solcher war er der Amtswalter jener Mutter Kirche, die wie keine andere beanspruchte, die 'mater omnium' zu sein. Der römischen Kirche gebührte der Vorrang, weil sie allein sich auf den heiligen Petrus, den ersten der Apostel, und obendrein auch sei. l, S. 9825 ]): Ego Karlmannus, dux et princeps Francorum ... episcopos qui in regno meo sunt cum presbiteris et concilium et synodum pro timore Christi congregavi, id est Bonifatium archiepiscopum et Burghardum et Regenfridum et Wintanum et Wilbaldum et Dadanum et Eddanum cum presbiteris eorum. ANGENENDT, Pirmin S. 276-281. 22 SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 220, 228f, Zitat S. 229" 23 ANGENENDT, Willibrord S. 68-81. 24 Liber Pontificalis, Vita Stephani II (ed. DUCHESNE l, S. 456 4 J: Et dum in Francia esset positus, Rodigango sanctissimo viro episcopo pallium tribuit et archiepiscopum ordinavit; Bedae Continuatio a. 754 (ed. PLUMMER l, S. 362): pro eo [Bonifatio] Redgerus consecratur archiepiscopus a Stephana papa. OEXLE, Karolinger S. 285-293; ebd. S. 288: "... in jedem Fall ist sicher, daß Chrodegang von Metz bis zu seinem Tod als einzigem fränkischen Bischof die dem erzbischöflichen Titel entsprechende Funktion und Stellung zugesprochen werden darf. SCHIEFFER, Angelsachsen und Franken S. 33f; zur Herkunft Chrodegangs s. WERNER, Lütticher Raum S. 197-216. 25 OEXLE, Karolinger S. 328-345. 1

MACCARRONE, Vicarius Christi, bes. S. 59-83; DERS., Primato papale S. 1-110; FUHRMANN, Heiligkeit des Papstes S. 28-43.

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noch auf Paulus, den 'Völkermissionar', zurückführen konnte. Die alte Auffassung, derzufolge die Amtsträger anstelle Christi mit der Mater ecclesia das Heilswerk fortzeugten, mußte demnach in ganz besonderem Maße für die Päpste und die römische Kirche gelten. Wie selbstverständlich dann auch in "politischen" Dingen die Identifizierung des Papstes mit Petrus und weiter mit Christus, ja sogar mit Gott vorgenommen wurde, läßt sich gut an Redeweisen des Codex Carolinus zeigen. Nehmen wir als Beispiel, wie die Papstbriefe von der Salbung Pippins und seiner Söhne sprechen. In letzter Hinsicht ist nämlich Gott selbst der Spender dieser Salbung; er vollzieht sie durch Christus; dieser aber läßt seinen Stellvertreter Petrus handeln, und der Apostelfürst agiert hinwiederum im jeweiligen Papst2 . Die Selbstverständlichkeit dieser Identifizierungskette zeigt sich auch noch in dem bekannten Brief Papst Stephans II., in dem der heilige Petrus als Sprecher auftritt, der 'gleichsam leibhaftig' vor die Karolinger hintritt und sie um Unterstützung bittet 3 . Wenn aber in der päpstlichen Königssalbung eigentlich Petrus und durch ihn Christus, ja letztlich sogar Gott selbst tätig wurde, so kann es wenig verwundern, daß solches auch für die Taufe angenommen wurde. Tatsächlich ist der Papst denn auch um die Taufe angegangen worden. Der erste Fall einer von einem Papst gespendeten Königstaufe ist aus der angelsächsischen Bekehrungsgeschichte zu vermelden. Papst Sergius I. (687-701) taufte in der Osternacht des Jahres 689 den westsächsischen König Caedwalla und gab ihm den Namen Petrus. Doch der königliche Täufling verstarb noch in den weißen Taufkleidern 4 . Die Inschrift auf seinem Grab, das er ehrenvollerweise in Sankt Peter erhielt, führt an, daß der Papst ipse pater fönte renascentis gewesen sei 5 , eine Mitteilung, die durchaus, 2

Codex Carolinus 16 (MGH Epp. 3, S. 5132 ): Deus omnipotens ex utero main's tuae et predistinatum habens, ideo te benedicens et in regem ungens; s. auch ebd. 24 (S. 528 ): domino Deo nostro, qui vos in regem unxit; ebd. 26 (S. 530 ): Dominus elegit prae omnibus regibus et liberatores sanctae suae catholicae et apostolicae constituit ecclesiae et in reges per manus beati Petri ungui dignatus est; ebd. 45 (S. 56l 3 ): oleo sancto uncti per manus vicarii beati Petri; ANGENENDT, Rex et Sacerdos S. 108f. Oft wird diese "Identifizierung" mittels der Stellvertretung — mißverständlich — als "Petrusmysdk" bezeichnet. Dieser Ausdruck hat sich vor allem für die Petrus-Auffassung der Zeit Gregors VII. eingebürgert. Es handelt sich dabei nicht um Mystik im Sinne einer höheren Beschauung, sondern um eine Einheit mit Petrus, wie F. KEMPF (Gregorianische Reform S. 424) richtig schreibt: "... Petrus lebt weiter, indem er mit jedem Nachfolger ... eine gleichsam personale Einheit eingeht und ihn kraft seiner Verdienste zu einem besseren, heiligeren Sein hinaufhebt". Ferner K. GANZER (Kirchenverständnis Gregors VII. S. 97): "Petrus als dem Fürsten der Apostel, dem himmlischen Richter, werden Vollmachten zugeschrieben, die sonst nur Gott zukommen ..." Das hier gezeichnete Petrusbild dürfte sich ebenso aus den Briefen des Codex Carolinus erheben lassen. Zur Petrusverehrung im frühen Mittelalter s. EWIG, Petrus- und Apostelkult S. 338-354. Codex Carolinus 10 (MGH Epp. 3, S. 50212): in carne vivus adsistens coram Vobis. 4

Beda, Hist. eccl. V 7 (ed. PLUMMER l, S. 292): Etenim illo perueniens, pontificatum agente Sergio, baptizatus est die sancto sabbati paschalis anno ab incarnatione Domini DCLXXXVIIII; et in albis adhuc positus, langore correptus. KRÜGER, Königskonversionen S. 178f. 5

Beda, Hist. eccl. V 7 (ed. PLUMMER l, S. 293): Sergius antistes iussit, u t ipse pater Fönte renascentis, quem Christi gratia purgans Protinus albatum uexit in arce poli.

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wenn auch nicht mit letzter Sicherheit, im Sinne einer Patenschaft des Papstes verstanden werden kann6 . Damit aber böte diese Taufe das erstüberlieferte Beispiel einer päpstlichen Patenschaft über einen Barbarenkönig. Die Taufe Caedwallas in Rom stützt weiter auch das nächste Zeugnis, das zwar nicht mit letzter Gewißheit abzusichern ist, hier aber doch große Bedeutung hat: Es sind zwei griechische Briefe Papst Gregors II. an Kaiser Leon III. (717-741); darin macht der Papst Mitteilung von einer ihm 'aus dem Westen' zugegangenen Einladung, Könige aus der Taufe zu heben. Die beiden Briefe sind in den letzten hundert Jahren vielfachen Verdächtigungen ausgesetzt gewesen, die auch in neuesten Bearbeitungen, trotz einer im allgemeinen positiven Bewertung, nicht gänzlich behoben werden konnten. Immerhin betrachtete Erich Caspar bereits "große Partien beider Briefe ... als echt gesichert" 7 . Er fügte seiner Untersuchung einen neuerstellten Text an, den er freilich nicht als kritische Edition werten wollte8 . Diese lieferte Jean Gouillard, der allerdings den historischen Wert der Briefe wieder geringer veranschlagte9 . Eine jüngst von H. Grotz vorgelegte Untersuchung glaubt die Echtheit der Briefe weitgehend absichern zu können, sieht aber "nicht schon mit letzter Sicherheit erwiesen, daß sie aus der Feder Gregors II. selbst oder doch aus dem römischen Patriarchium stammen" 10 . In unserem Zusammenhang interessiert vor allem die Mitteilung des Papstes, daß er sich einer drohenden Verhaftung seitens des Kaisers zu entziehen wisse, denn der Westen sei ihm überaus zugetan und die Königreiche des Westens betrachteten den heiligen Petrus wie einen Gott auf Erden; so habe er auch eine Einladung aus dem inneren Abendlande erhalten, sich dorthin zu begeben und die Taufe zu spenden11 . Caspar hat diese Aussage auf die Germanenmission bezogen, zu der Gregor II. bekanntlich Bonifatius ausgesandt hat 12 . Der für uns wichtigste Passus aber findet sich am Ende des allgemein als zuverlässig erachteten zweiten Briefes, wo der Papst nochmals das Taufbegehren erwähnt und dann erklärt, sich schon auf den Weg zum äußersten Land des Westens zu machen: 'Wohl haben wir dorthin schon Bischöfe und Kleriker unserer heiligen Kirche ausgesandt, aber die Fürsten jener Völker wollten nicht vor ihnen das Haupt beugen und sich taufen lassen, sondern verlangten uns persönlich als Taufpaten. Darum rüsten wir uns nun mit Gottes Gnade zur Reise, auf daß wir nicht einst zur Rechenschaft gezogen werden ...'13 Der Verfasser des Gedichtes ist Erzbischof Crispus von Mailand; RABY, Secular Latin Poetry l, S. 159. 6 B. COLGRAVE - R.A.B. MYNORS (Bede's Ecclesiastical History S. 471) übersetzen: As Sergius bade, who took a father's place For this his son, reborn by heavenly grace. P.M. STENTON schreibt in seinem Standardwerk Anglo-Saxon England S. 70: "the pope, who received him from the font ..." 7 CASPAR, Gregor II. S. 40f. 8 Ebd. S. 72-89 mit Vorbemerkung S. 71. 9 GOUILLARD, Iconoclasme S. 243-277. 10 GROTZ, Beobachtungen S. 40. 11 Gregor II., Brief l an Leon III. (ed. GOUILLARD S. 297 261 ); ebd. S. 297 272 . 12 CASPAR, Gregor II. S. 44f, 64. 13 Gregor II., Brief 2 an Leon III. (ed. GOUILLARD S. 305391):

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Gregor II., der nach Caspar wegen der "Größe der geistigen Konzeption ... der bedeutendste [Papst] seines Jahrhunderts war" 14 , kann sich schwerlich darüber im unklaren gewesen sein, welches "Reizwort" er hier dem Kaiser entgegenhielt, nämlich dasselbe tun zu wollen, was die Kaiser in Byzanz schon seit langem mittels des Taufpatronates verwirklichten: der Vater der Völkerfamilie zu sein 15 . Wenn man nun bedenkt, daß bereits im Jahre 689 ein angelsächsischer König in Rom getauft worden ist und möglicherweise der Papst dabei als Taufpate fungiert hat, daß dann nach der Jahrhundertmitte gleich mehrmals päpstliche Taufen und Patenschaften festzustellen sind, klingt die Patenschaftsbitte in dem Gregor-Brief durchaus plausibel; nur bleibt jener Rest an Bedenken, von dem die beiden Briefe nicht gänzlich freigesprochen werden können. Auch dürfte sicher sein, daß der Papst seine Taufreise nicht angetreten hat 16 . "Aber daß er sie plante, und wie er von ihr und insgesamt von der neuen germanischen abendländischen Welt sprach, das erweist ihn als den größten Papst des achten Jahrhunderts, als den Moses, welcher das neue Land erschaute, das erst die kleineren Nachfolger betreten sollten."17 Gregor erschaute tatsächlich recht klar das neue Land; sein Brief jedenfalls kündigt genau jene Verfahrensweisen an, die dann eine Generation später Stephan II. bei seiner Reise in den Norden wirklich angewendet hat: die Patenschaft18. Während Stephans ersterhaltener Brief an König Pippin vom Jahre 753 sich an filio Pippino regi wendet, führen alle nach 754 abgesandten Briefe den compaterTitel. E. Caspar schloß daraus ganz richtig, daß dem Papst "die indirekte geistliche Verwandtschaftsbeziehung zu Pippin die Hauptsache war"19 . Mittels welcher Akte aber die geistliche Verwandtschaft begründet worden ist, wird nicht ersichtlich. Nach allem, was wir über die Kompaternität wissen, ist anzunehmen, daß der Papst einem Mitglied der Königsfamilie das Initiationssakrament gespendet hat. Denn Stephan II. und sogar auch sein Nachfolger Paul I. nennen die Pippin-Söhne Karl und Karlmann filii spiritales20. Die beiden aber waren 754 dem Kindesalter bereits entwachsen, so daß man weniger an eine Taufe als vielmehr an die Firmung denken möchte 21 . Erst beim nächstfolgenden Papst erfahren wir . Übersetzung nach RAHNER, Kirche und Staat S. 455. Das Wort bezeichnet eindeutig den Paten. E. CASPAR (Papsttum 2, S. 661) übersetzt "Täufer"; richtig GOUILLARD (Iconoclasme S. 304) "parrain". 14 CASPAR, Gregor II. S. 68. 15 16

S. $ 2. Anm. 8.

CASPAR, Gregor II. S. 69. 17 DERS., Papsttum 2, S. 661; zur politischen Bedeutung der beiden Briefe s. auch ULLMANN, Machtstellung des Papsttums S. 69-74. 18 ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 32-94. 19 CASPAR, Pippin S. 41. 20 Stephan II gegenüber Pippin: tuos amantissimos natos meosque spiritales filios (Codex Carolinus 11 [MGH Epp. 3, S. 50511 ]); Paul I.: vestros quidetn carnales natos, nostros autem spiritales filios (ebd. 22 [S. 526 19 ]). 21 Als Stephan II. König Pippin und seine Söhne Karl und Karlmann 756 zum erneuten Eingreifen aufforderte, erinnerte er an die Wiedergeburt aus dem lebendigen Brunnen der römischen Kirche: currite et subvenite, antequam fons vivus unde saciati et renati estis, arescat (Codex

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in Einzelheiten, wie die päpstlich-karolingische Compaternitas tatsächlich zustande gekommen ist. Der am 29. Mai 757 geweihte Paul I. richtete — wohl noch im Oktober — einen Brief an Pippin, der in ausführlicher Weise Auskunft gibt: Er, der Papst, sei in gemina festivitatis gaudia versetzt worden, denn sein Herzenswunsch habe sich erfüllt: Im Bund des geistlichen Bündnisses seien sie beide, der Papst und der Frankenkönig, vereint (in vinculo spiritalis foederis pariter sumus adnexij. Ausführlich wird dann referiert, wie dieses geistliche Bündnis zustande gekommen ist: Ein Missus des Königs habe das Tauftuch, mit dem die Königstochter Gisela aus der Taufe gehoben worden sei, überbracht. Dieses habe er, der Papst, entgegengenommen bei der Messe, die zur Weihe des Petronilla-Heiligtums gefeiert worden sei; durch die Entgegennahme dieses Tauftuchs habe er die Königstochter gleichsam selbst aus der Taufe gehoben 22 . Es sei die reiche Vollmacht des Heiligen Geistes, eben die Gnade der Compaternitas, die auf Gottes Geheiß zwischen ihnen, den Bündnispartnern, vollgültig bestehe 23 . Wir sehen hier, daß die Kompaternität durch die Patenschaft bewirkt wurde, deren Übernahme sich jedoch in symbolischen Formen vollzog. Die Entgegennahme des Tauftuches war zudem eingebettet in eine Reihe weiterer bedeutsamer Akte: Das PetronillaHeiligtum, eine Rotunde an der Südseite von Sankt Peter, war auf Verlangen Pippins, der die Elevation der angeblichen Petrus-Tochter gewünscht hatte, eingerichtet und am 9. Oktober 757, dem Tag des den Karolingern so wichtigen heiligen Dionysius, bei eben jener Messe geweiht worden, in welcher der Papst auch das Tauftuch entgegengenommen hatte 24 . Zwei Jahre nach seiner ersten Patenschaft hat Papst Paul, als im Hause Pippins wiederum ein Sohn geboren worden war, nochmals eine Patenschaft angeboten: 'Daß wir diesen Eueren hohen Sohn aus dem heiligen Taufbad aufheben dürfen, damit die doppelte Gnade des Heiligen Geistes zwischen uns Wirklichkeit werde ..S (duplex spiritus sanctigratia fiat in media nostrum)25. Erneut wird mit der Patenschaft die besondere Gnade des Gottesgeistes beschworen, welche die geistliche Verwandtschaft herbeiführt. Von diesen Ereignissen her ergibt sich rückschauend noch ein wichtiger, verdeutlichender Hinweis auf die bei Papst Stephan erstmals bezeugte Kompaternität: Nach Auskunft Pauls I. hat König Pippin mit der Erneuerung des geistlichen Bündnisses nur etwas erfüllt, was er seinem Vorgänger bereits versprochen hatte, Carolinus 10 [MGH Epp. 3, S. 50235 ]). ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 40-43. 22 Codex Carolinus 14 (MGH Epp. 3, S. 51l 19 ): Interea, christianissime, Dei providentia victor rex, gemina festivitatis peregimus gaudia in eo, quod, optata cordis adepti desideria, in vinculo spiritalis foederis pariter sumus adnexi. Praelatus nempe sodalitatis vestrae inluster missus preciosissimum nobis supernae gratiae munus adferuit, sabanum videlicet, in quo nostra dulcissima atque amantissima spiritalis filia sacratissimo fontis lavacro abluta suscepta est. Quem et, cum magna iocunditate aggregata populi cohors infra aulam sacrati corporis auxiliatricis vitae beatae Petronellae, quae pro laude aeterna memoria nominis vestri nunc dedicata dinoscitur, caelebrantes missarum solemnia, cum magno gaudio suscepimus; et per allatum eundem sabanum earn tamquarn praesentaliter nos suscepisse gaudemus. 23 Ebd. S. 5123: Et quia copiosa nobis ipsa Spiritus sancti — scilicet compaternitatis gratia, quae opitulante Deü inter nos rata consistit, — auctoritas ... 24 ANGENENDT, Mensa Pippini Regis S. 52-68; DERS., Geistliches Bündnis S. 45-53. 25 Codex Carolinus 18 (MGH Epp. 3, S. 519 1 ).

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nämlich 'ihm durch das Band des geistlichen Bündnisses anzuhangen, gemäß dem, was Ihr dem Herrn und meinem Bruder seligen Andenkens, dem heiligen Papst Stephan, versprochen habt' (per vinculum spiritalis foederis adherendum, iuxta quod domino et germano ... Stephana papae spopondistis)26. Das heißt also: Im Herbst des Jahres 757 wurde nurmehr erneuert, was bereits 754 grundgelegt worden war, nämlich die Stiftung einer Kompaternität mittels der Patenschaft. Erneut brachte Papst Stephan III. die Patenschaft ins Spiel, als um das für Rom lebenswichtige Bündnis mit den Franken gefürchtet werden mußte. Als nämlich die beiden Pippin-Erben Karl und Karlmann in Streit gerieten und der ältere Karl eine Langobardin heiratete, wandte sich der Papst beschwörend an Karlmann und bot dabei wiederum eine Kompaternität an: Den soeben geborenen Sohn wolle er zu seinem geistlichen Sohn machen, ihn entweder 'auf den eigenen Armen aus dem heiligen Taufbrunnen heben oder auch ihn mit dem verehrungswürdigen Chrisma salben'; das alles wiederum in der Absicht, 'daß unter Gottes Segen die eine Gnade der Compaternitas wieder zwischen uns zur Geltung komme' 27 . Aber Karl, nach dem Tode seines Bruders alleiniger König, kehrte schon bald zum päpstlichen Bündnis zurück, und dabei wurde auch die päpstliche Kompaternität erneuert, allerdings erst zu Ostern des Jahres 781. Der 777 geborene Königssohn Karlmann hatte ursprünglich am Osterfest 778 in Rom getauft werden sollen. Aber Kämpfe in Aquitanien und Sachsen banden Karl und verhinderten einen Romzug 28 . Ein Brief Papst Hadrians vom Mai 778 schildert, wie die anfängliche Freude darüber, daß Karl nach Rom komme und er, Hadrian, den soeben geborenen Sohn auf seinen Armen aus dem Taufbrunnen heben solle, ob des Ausbleibens in Enttäuschung umschlug29 ; doch bat Hadrian flehentlich, es bei der vereinbarten Taufe in Rom zu belassen, 'auf daß die zweifache Gnade des Heiligen Geistes zwischen uns Wirklichkeit werde' 30 . Tatsächlich blieb das Kind Karlmann ungetauft, bis endlich Hadrian es 781 sowohl taufen als auch aus der Taufe aufheben konnte, wobei dem Täufling auch noch ein anderer Name, nämlich Pippin, gegeben wurde 31 . 26

Ebd. 14 (S. 51l 28 ). Ebd. 47 (S. SOS36): in nostris ulnis ex fönte sacri baptismatis aut etiam per adorandi chrismatis unctionem spiritalem suscipere valeamus filium; ut, eadem Deo prosperante compaternitatis gratia in media nostrum corroborata ...; ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 64. 28 ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 70ff. Codex Carolinus 60 (MGH Epp. 3, S. 586 J: dignati estis nobis repromittere, ut in sanctum diem Pascae ad limina beati apostolorum principis Perri una cum spiritale filia nostra, regina, Domino auxiliantae properare debuissetis, ut filium, qui nunc vobis procreatus est, a sacro baptisma in ulnis nostris suscipere debuissemus: sicut terra sitiens imbrem, itaet nos exspectabiles fuimus mellifluam excellentiam vestram; et dum adpropinquasset ipsum diem sanctum Pascae et nullum mandatum de adventum vestrum suscaepissemus aut de missis vestris secundum placitum, quod inter nos extiterat, valde tristes effecti sumus. Ebd. S. 586 : Sed obnixae te petimus, praecellentissimae et magnae rex, ut, secundum quomodo inter nos constitit, pro ipso sancto baptisma nostrum adimplere iubeas desiderium de eundem eximium vestrum filium, quatenus duplex spiritus sancti gratia in media nostrum ade reseat et gemina festivitatis laetitia nobis caelebretur. 1 Annales regni Francorum a. 781 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 56): Et ibi baptizatus est domnus Pippinus, filius- supradicti domni Caroli magni regis, ab Adriano papa, qui et ipse 27

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Auch mit Leo III. (796-816) hat Karl eine Compaternitas angestrebt; denn dies dürfte als Inhalt seiner an den Papst herangetragenen Bitte um das paternitatis pactum anzusehen sein: Wie mit dem Vorgänger wolle er auch mit dem neuen Papst das fidei et caritatis inviolabile foedus eingehen, damit die. Fürbitte des Papstes ihm überall den apostolischen Segen verschaffe und er in Ergebenheit die Sedes der römischen Kirche verteidigen könne 32 . Dann folgt die berühmte "Aufgabenteilung" nostrum est — vestrum est: Als seine Aufgabe bezeichnet Karl den "äußeren" Schutz der Kirche vor den Heiden und Ungläubigen, dann aber auch die Erkenntis des katholischen Glaubens "im Inneren". Die Aufgabe des Papstes sei es, wie Moses mit zum Gebet erhobenen Händen die Kriegsmacht zu stärken, damit das christliche Volk den Sieg davontrage und der Name Christi in aller Welt verherrlicht werde 33 . Aber dies alles hing offenbar an dem pactum paternitatis. Wie sehr gerade Karl seine Compaternitas mit dem Papst zum Ausdruck seiner gleichrangigen Stellung zu machen bestrebt war, zeigt eine Briefanrede — die einzige erhaltene — an Papst Hadrian. Pap etlicher seits galt der Frankenkönig immer zuerst als filius und dann erst als compater. Karl aber sah es umgekehrt; er bezeichnet sich zuerst als compater und dann erst als filius, wie auch der Papst zuerst compater und dann erst pater ist: Carolus, gratia dei rex francorum et langobardorum ac patricius romanorum, compater idemque in christo filius: Adriano pontifici atque uniuersali pape compatri in christoque patri, salutem34. In der päpstlichen Patenschaft realisierten sich zunächst einmal all jene Obliegenheiten, wie sie patenüblich waren. Der Papst als geistlicher Vater war zu besonderer geistlicher Fürsorge verpflichtet, und wirklich ist zu beobachten, daß die Karolinger den Vorzug eines eigenen Gedenkens in der päpstlichen Liturgie, zumal der Peterskirche, eingeräumt erhielten 35 . Die Karolinger hinwiederum hatten sich als treue geistliche Söhne zu erweisen. Die von ihnen geförderte Durchsetzung der eum de sacro fönte suscepit; Annales Mosellani a. 781 (MGH SS 16, S. 497 I3 J: perrexit rex Karins Romam et baptizatus est ibi filius eius, qui vocabatur Karlomannus; quem Adrianus papa mutato nomine vocavit Pippinum et unxit in regem super Italiam et fratrem eius Ludowigum super Aequitaniam; CLASSEN, Karl der Große S. 557ff, 58If, [74], [77]; DERS., Thronfolge S. 113-121; ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 74. 32 Alcvini epp. 93 (MGH Epp. 4, S. 13727J: Sicut enim cum beatissimo patre, praedecessore vestro, sanctae paternitatis pactum inii, sic cum beatitudine vestra eiusdem fidei et caritatis inviolabile foedus statuere de.ude.ro; quatenus, apostolicae sanctitatis vestrae divina gratia advocata precibus, me ubique apostolica benedictio consequatur, et sanctissima Romanae ecclesiae sedes Deo donante nostra semper devotione defendatur. Zur Bedeutung von pactum paternitatis s. ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 90f. 33 Alcvini epp. 93 (MGH Epp. 4, S. 13731).· Nostrum est: secundum auxilium divinae pietatis sanctam undique Christi ecclesiam ab incursu paganorum et ab infidelium devastatione armis defendere foris, et intus catholicae fidei agnitione munire. Vestrum est, sanctissime pater: elevatis ad Deum cum Moyse manibus nostram adiuvare militiam, quatenus vobis intercedentibus Deo ductore et datore populus christianus super inimicos sui sancti nominis ubique semper habeat victoriam, et nomen domini nostri lesu Christi toto clarificetur in orbe. 34 MUNDING, Königsbrief Karls d. Gr. S. 31. Zur Datierung ebd. S. 22-31: wohl im letzten Viertel des Jahres 791; ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 78f. 35 ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 43-53, 60, 74-77.

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römischen Liturgie und mehr noch die Verteidigung der Gerechtsame des heiligen Petrus wurde ihnen als ihre "Verwandtschaftspflicht" nahegebracht36 . Bei den Karolingern wird man sich als Motivation für die den Päpsten angetragenen Taufen und Patenschaften zunächst einmal das bereits angesprochene Segensverlangen vorzustellen haben, das darauf abzielte, dem eigenen Geschlecht Leben und Herrschaft zu erhalten. So bringt denn auch die anonyme Vita Hludowici eine Deutung der Ereignisse von 781 genau in diesem Sinne: Karl habe geglaubt, daß es eine nicht geringe Hilfe bedeute, wenn seine Söhne vom Statthalter der Apostelfürsten die Königsinsignien mit apostolischem Segen entgegennähmen 37 . Epochemachend aber wirkten vor allem die politischen Faktoren, die mit dieser Kompaternität verbunden waren. Den Päpsten muß bewußt gewesen sein, zu wem sie hier in Konkurrenz traten. Bis dahin galt "der byzantinische Kaiser ... als der Vater einer weitverzweigten Herrscherfamilie, die nach Gottes Ratschluß und mit seiner Gnade die Oikumene regiert"38. Nach eben diesem Anspruch begannen nun aber die Päpste, ihre eigene politische Familie aufzubauen. Selbst im Verfahren hielten sie sich ganz an das in Byzanz vorgeformte Modell: Der geistliche Sohn, den sie aus der Taufe hoben, erhielt zum Zeichen seiner politischen Stellung entsprechende Ehrenämter und Insignien. So empfingen Pippin und seine Söhne genau jene Würde, die auch in Byzanz den Täuflingen normalerweise zuteil wurde: die Patriziuswürde39. Und wie in Byzanz mit der Taufsohnschaft eine irgendwie geartete Königsinvestitur vorgenommen werden konnte, so tat es nun auch der Papst, indem er Pippin und seine Söhne zu Königen erhob, freilich mit der in Byzanz unüblichen Königssalbung40 . Entscheidend ist aber folgendes: Wie in Byzanz der Kaiser dem geistlichen Sohn die Herrschaftsstellung umschrieb und zuteilte, so maßten sich nun die Päpste im Westen ein gleiches Recht an: 751 bei der Königserhebung Pippins und 754 in der von Stephan bestätigend an Pippin und seinen Söhnen vorgenommenen Königssalbung; dadurch erhielt die neue Dynastie, die bis dahin mit ihren Königsplänen gescheitert war, ihre Legitimation. Der Papst aber war der neue Vater in dieser Familie der Könige. Auch der Taufe von 781 ist eine gewichtige politische Komplementärseite beigefügt worden. Mit KarlmannPippin war der jüngere und bereits getaufte Ludwig nach Rom gekommen; beide 36

S. z.B. die Aufforderung Pauls I. an Pippin; Codex Carolinus 14 (MGH Epp. 3, S. 512s): precor, benignissime spiritalis computer, obtime rex, ut coeptum redemptionis Dei ecclesiae etplenariae iustitiae beati Petri perficere iubeas bonum opus. 37 Astronomus, Vita Hludowici 4 (MGH SS 2, S. 6083SJ: Post non multutn sane tempus incidit ei desiderium dominam quondam orbis videre Romam, principisque apostolorum atque doctoris gentium adire limina, seque suamque prolem eis commendare, ut talibus nitens suffragatoribus, quibus coeli terraeque potestas attributa est, ipse quoque subiectis consulere, perduellionum etiam, si emersissent, proterviam proterere posset; ratus etiam non mediocre sibi subsidium conferri, si a vicario eorum cum benedictione sacerdotali tarn ipse quam et filii eius regalia sumerent insignia. Quae res Deo prosperante pro voto cessit, ibidemque Hludowicus eius filius, cunarum adhuc utens gestatorio, benedictione regnaturo congrua et regali insignitus est diademate per manus Adriani venerandi antistitis. 38 DÖLGER, Brüderlichkeit der Fürsten Sp. 645. 39 S. $ 2 Anm. 22-25. 40 OSTROGORSKY, Kaisersalbung S. 94-108.

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erhielten dort die Königssalbung und dabei wohl auch Königskronen41 . Hatten die Salbungen von 751 und 754 die Legitimierung Pippins und seiner Söhne — und damit die Abdankung der Merowinger — bewirken sollen, so ähnlich wiederum jetzt: Pippin wurde König im langobardischen Italien und Ludwig in Aquitanien. Beide Reiche hatten ihre eigenen Herrschergeschlechter gehabt, die aber durch die Karolinger vom Thron gestoßen waren und gegen die jetzt die päpstliche Salbung eine Legitimierung der dort eingesetzten Karolingerkönige bewirken sollte. Dies aber geschah dadurch, daß der Papst als "Vater der Völkerfamilie" diese Könige einsetzen zu können glaubte, ganz so wie es der Basileus in Byzanz schon seit langem tat. Wenn die Päpste in ihren Patenschaften und Königserhebungen wirklich als "Vater der Völkerfamilie" gehandelt haben, erscheint es lohnend, von solchem päpstlichen Selbstverständnis her noch einmal auf den vieldiskutierten Akt der Königserhebung Pippins zurückzuschauen. Besonders erfolgreich in der Deutung dieses für die ganze abendländische Geschichte fundamentalen Ereignisses ist eine Formulierung von Fritz Kern geworden: "So schickte man zum Papst, dem Orakel des göttlichen Naturrechts, das allein imstande war, den Prozeß gegen das merowingische Geblütsrecht sicher zu gewinnen" 42 . Das "Orakel" wird bis heute angeführt, weil es offenbar einer bestimmten Deutung sehr entgegenkommt, obwohl in den Quellen kein Anhalt dafür zu finden ist. W. Affeldt, der über die Königserhebung Pippins eine umsichtige Aufarbeitung der langen historischen Diskussion vorgelegt hat, resümiert folgendermaßen: "Das päpstliche Responsum bedeutet für Pippin eine zusätzliche Legitimation, einen zusätzlichen Rechtstitel ,.."43. Hierin spiegelt sich die Meinung bedeutender Forscher, so Johannes Hallers44, Walter Schlesingers45 oder auch Uta Reinhardts 46 . Es ist die gängig gewordene Meinung, der Papst habe zur Königserhebung Pippins "moralischen" Beistand geleistet, so etwa gegen bestimmte fränkische Oppositionsgruppen, wohl auch gegen die von der Herrschaft abgedrängten Karlmann-Söhne und endlich gegen die Legitimisten. Der Papstbescheid sei nur eine zusätzliche Legitimierung gewesen, die Gehör gefunden habe wegen der vorangeschrittenen Verchristlichung des Adels und des persönlichen Ansehens der Päpste. Das Responsum, das keinen Befehl und nur ein Gutachten darstelle, habe keine irgendwie entscheidende Funktion bei der Königserhebung gehabt. Die Krone sei selbstverständlich nicht von den Päpsten, sondern von den Franken übertragen worden; konstitutiv sei deren Wahlhandlung gewesen. Wohl habe man dem Papst die moralische Last für den Umsturz aufbürden wollen, wie J. Haller schrieb; dessen Wort habe auch die zartesten Gewissen be seh wichtigt 47 . Auf jeden Fall müsse dafürgehalten werden, daß der Dynastiewechsel im Frankenreich im Grunde auch ohne päpstliche 41 42 43 44 45 46 47

ANGENENDT, Rex et Sacerdos S. 113f. KERN, Gottesgnadentum S. 67. AFFELDT, Königserhebung Pippins S. 185. HALLER, Papsttum l, S. 410f. SCHLESINGER, Karlingische Königswahlen S. 89-92. REINHARDT, Geistlichkeit bei den Königswahlen S. 4-19. HALLER, Papsttum l, S. 411.

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Hilfe hätte vonstatten gehen können. Andererseits muß aber Affeldt doch zugestehen, daß "die Rolle des Papstes Zacharias bei der Königserhebung Pippins noch beachtlich genug" sei48. Er kann nicht leugnen, daß die Tatsache der Anfrage beim Papst einhellig in den Quellen zu konstatieren ist, und er muß weiter eingestehen, daß die Entscheidung der päpstlichen Auctoritas und das entsprechende Responsum nicht den Eindruck einer Routine-Entscheidung erweckten, ja daß es eher den Anschein habe, der Reichsannalist wie überhaupt die den Karolingern nahestehende Annalistik sei "gewissermaßen päpstlicher gewesen ... als der Papst"49. Ferner gibt zu denken, daß eine so wichtige Autorität wie E. Perels sogar mit der Möglichkeit einer päpstlichen Ernennungsurkunde für Pippin gerechnet hat 50 und daß O. Bertolini in dem Entscheid des Zacharias die erste Ausweitung der päpstlichen Binde- und Lösegewalt auf den politischen Bereich konstatierte51 . Dennoch bleibt Affeldt insgesamt skeptisch: "Daß man dem Papst gestattet haben sollte, über des Hausmeiers Pippin weiteres politisches Schicksal zu verfugen, daß man sich dem Orakelspruch' des Bischofs von Rom ... gebeugt hätte, halte ich schlechterdings für ausgeschlossen"52 . Es bleibt bei der "moralischen" Unterstützung: "Pippin und sein Anhang benutzten daher die guten Beziehungen zu Kirche und Papsttum, um sich hier Luft zu verschaffen und sich von einer im ganzen anerkannten ... überparteilichen Institution in Form einer gutachterlichen, allerdings mit bedeutender 'auctoritas' ausgestatteten Äußerung, die zudem den bekannten älteren Responsa entsprach, den Rücken stärken zu lassen"53. Aber auch diese Wirkung denkt er sich nochmals eingeschränkt; sie wirkte vor allem "geistlich", daß nämlich "das päpstliche Responsum zumindest auf die fränkische Geistlichkeit seine Wirkung nicht verfehlt hat"54 . Daß aber der Papst wirklich als "Vater der Völkerfamilie" gehandelt hat, läßt sich an Hinweisen aus bereits älteren Papstbriefen, die ein neues päpstliches Selbstverständnis auszusprechen beginnen, weiter bestärken. Nachdem schon Papst Benedikt II. (684-685) erstmals den Anspruch erhoben hatte, daß die römische Kirche mater omnium ecclesiarum sei 55 , ist als weiteres wichtiges Dokument der Synodalbrief Papst Agathos' (678-681) zu nennen, den dieser aus Anlaß des 6. Ökumenischen Konzils an den Oberkaiser' Konstantinos und dessen als 'Augusti' betitelten Söhne Heraklios und Tiberios gerichtet hat; darin wird die römische Kirche mehrmals als spiritalis mater a deo fundati vestri imperil bezeichnet 56 . 48 49

50 51 52 53 54

55 56

AFFELDT, Königserhebung Pippins S. 182. Ebd. S. 170. PEREIS, Pippins Erhebung S. 414ff. BERTOLINI, Roma S. 502. AFFELDT, Königserhebung Pippins S. 184. Ebd. Ebd. S. 184f. S. J 23Anm. 6.

Agatho, Epistola prima ad augustos imperatores (MIGNE PL 87, Sp. 1165A): haec spiritalis mater eorum ac a Deo propagati imperil, apostolica Christi Ecclesia ...; ebd. Sp. 1169G: haec spiritalis mater vestri tranquilissimi imperil, apostolica Christi Ecclesia; ebd. Sp. 1172C: aposrolica Christi Ecclesia, spiritalis mater a Deo fundati vestri imperii; CASPAR, Papsttum 2, S. 781 f.

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Papst als geistlicher Vater

Auch begannen zu genau dieser Zeit die Päpste damit, den byzantinischen Kaiser als filius noster oder filius sancti Petri zu benennen 57 . Der in dem Titel 'mater imperii' mitschwingende politische Anspruch hat später eine massive Ausdeutung im Constitutum Constantini erfahren, das "dem Papst die kaisergleiche Stellung im Westen ... zuspricht" 58 . Dieser Anspruch der Päpste muß mit berücksichtigt werden, wenn der päpstliche Anteil an der Königserhebung Pippins diskutiert wird. Wenn nämlich die römische Kirche als geistliche Mutter des Imperiums auftreten konnte, wie sollte es ihr da an Selbstbewußtsein gegenüber den Barbarenfürsten gefehlt haben! Die Päpste handelten als 'pater' im Namen der römischen Kirche; diese war 'mater omnium ecclesiarum', zugleich auch 'mater imperii' und 'mater omnium nationum' 59 . Die Päpste handelten zudem als von Konstantin beerbte Kaiser im Westen. Demzufolge war auch das angewandte Verfahren "kaiserlich". Daß Stephan II., Paul L, versuchsweise auch Stephan III. und zuletzt Hadrian I. an den Karolingern genau jenes patenschaftlich-politische Ritual vollzogen, mit dem im Osten die Kaiser schon seit langem Herrscher in ihr Imperium aufnahmen und dabei auch zu Königen erheben konnten, kann eigentlich nur noch als selbstverständliche Konsequenz empfunden worden sein. Nicht eine nachträgliche "moralische" Beruhigung haben die Päpste geliefert, vielmehr haben sie selbst die Erhebung "gerechtfertigt". Wenn hingegen Affeldt glaubt herausstellen zu sollen, daß die Karolinger bei der endgültigen Legitimierung ihrer Dynastie — wohl infolge der vorangeschrittenen Verchristlichung60 — nicht mehr den Weg der Adoption gewählt hätten, wie ihn zuletzt noch Karl Martell mit der Adoption Pippins durch den Langobardenkönig zu gehen versucht hatte 61 , so haben dieselben nach unserer Auffassung gerade auch beim letztgültigen Akt ihrer Königserhebung nochmals die Adoption in Anspruch genommen, freilich jetzt in einer christlich-imperialen Form. Wenn man außerdem noch bedenkt, daß die Merowinger, wie E. Ewig gezeigt hat 6 2 , durch die Sohnschaft zum byzantinischen Kaiser ihre Stellung erstgültig und langfristig zu legitimieren vermochten, so scheint es, daß die Karolinger nicht anders gehandelt haben; nur daß sie sich jetzt einen anderen 'Vater' erwählten. Daß in der Erfassung des päpstlichen Anteils an der Königssalbung Pippins und der Legitimierung seiner Dynastie Resignation nicht angebracht ist, läßt sich endlich auch daran verdeutlichen, daß bei den 751 an Pippin und 754 an ihm und seinen Söhnen vorgenommenen Salbungen, denen traditionellerweise eine "kompensierende Funktion" für das den Karolingern fehlende Königsheil zugesprochen wird63 , der päpstliche Anteil nicht nur größer ist als bisher angenommen, sondern 57

Leonis II papae epp. 4 (MIGNE PL 96, Sp. 413C); CASPAR, Papsttum 2, S. 78If. CLASSEN, Karl der Große S. 544. 59 S. $ 23 Anm. 7. 60 Darauf hat H. BÜTTNER (Abendländischer Staatsgedanke S. 163-167) hingewiesen. 61 S. $ 19 Anm. 75 u. 76. 62 EWIG, Merowinger. 63 AFFELDT, Königserhebung Pippins S. 125. C. BRÜHL (Kronen- und Krönungsbrauch S. 24): "... die Hilfestellung einer moralischen Autorität wie des Papstes [war] für den neuen König Pippin von unschätzbarem Wert, ja die eigentliche Voraussetzung des Staatsstreichs". 58

$ 2 5 Ergebnis und Ausblick

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sogar als dominierend angesehen werden muß 64 . Insbesondere dürften die Päpste der Salbung eine ganz bestimmte Deutung unterlegt haben: Sie war eine Spezifizierung der postbaptismalen Salbungen, die dem Getauften Anteil an Christi Königtum gaben 65 . Schon Avitus von Vienne (+ 518) hat dieses Verständnis auf König Chlodwigs Taufe angewandt: Die Salbung vermittelte dem Franken ein besonderes Königtum66 . Die Päpste dürften ebenso gedacht haben67 . Das Verhältnis zwischen den Päpsten und Karolingern, wie es sich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts hergestellt hat, bietet uns eine erstaunliche Kette von päpstlichen Taufpatenschaften, wie sie keinem Geschlecht sonst zuteil geworden, ja wie sie überhaupt nicht noch ein zweites Mal anzutreffen ist. Wohl hat noch der Baiernherzog Tassilo eine päpstliche Compaternitas angestrebt; ob er sie auch erhalten hat, bleibt fraglich68 . Seit den Ereignissen des Jahres 800 hatte der Papst dann einen Kaiser zur Seite, welcher gleichfalls der Vater der westlichen Völkerfamilie zu sein beanspruchte 69 . Nicht daß die Päpste deswegen auf jeden Anspruch einer politischen Oberhoheit verzichtet hätten 70 , aber dies wurde nicht mehr mittels der Patenschaft bewerkstelligt. Päpstliche Patenschaften waren fortan "Ehrensache"71 .

§ 25 Ergebnis und Ausblick Das Taufverständnis, so konnten wir feststellen, hat sich im Frühmittelalter in vieler Hinsicht den zeitüblichen Vorstellungen geöffnet: Die Taufe diente dem Heil von Seele und Leib; ja, sie galt als förderlich sogar für das Königsheil wie auch das Wohlergehen des Volkes und in der Politik für den Frieden. Besonders wichtig ist in unserem Zusammenhang die Patenschaft, deren Verständnis und Praxis bislang nicht hinreichend untersucht worden sind. Wiederholen wir noch einmal unsere Feststellungen: Bei der Taufe hatte ein geistlicher Vater oder eine geistliche Mutter mitzuwirken. Sie wurden mit dem Täufling geistlich verwandt, weil Gott selbst bzw. sein Heiliger Geist die Seelen zu einer Gemeinschaft zusammenfügte; solche waren dann durch ein geistliches Band (vinculum spiritale) miteinander verbunden. Diese geistgewirkte Verbundenheit erforderte ein besonderes Wohlverhalten. Die geistlich Verbundenen mußten in frommer Liebe (religiosus amor) miteinander umgehen. Wie sehr diese Pflicht respektiert wurde, ist am besten daran abzulesen, daß die Patenliebe auch dann noch, wenn die Blutsbande bereits ihren Verpflichtungscharakter verloren hatten, ihre Wirkung tat und zum Beispiel lebensschonend wirkte. Im 7. und 8. Jahrhundert 64 65 66

67 68 69 70 71

ANGENENDT, Rex et Sacerdos S. 116f. DABIN, Sacerdoce royal S. 69-258. S. i 26 Anm. 30. ANGENENDT, Rex et Sacerdos S. 107-110. DERS., Geistliches Bündnis S. 65ff. HOLTZMANN, Weltherrschaftsgedanke S. 251-264. FRIED, Päpstlicher Schutz S. 37-53. CORBLET, Sacrement de- Bapteme 2, S. 220.

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Papst als geistlicher Vater

hat sich dann eine Ausweitung der geistlichen Verwandtschaft vollzogen. Sie umfaßte jetzt nicht mehr nur den Paten und sein Taufkind, sie umschloß fortan auch die Eltern des Täuflings. Zwischen den geistlichen und leiblichen Eltern des Getauften war nun gleichfalls ein geistliches Band gezogen, das ein besonderes Wohlverhalten verlangte. Die Patenschaft mit ihrer Erstellung einer geistlichen Verwandtschaft wurde als ein Ritus gefeiert, der es Christen ermöglichte, miteinander einen brüderlichen Bund einzugehen. Dieser Bund war von Gott selbst geheiligt und deswegen von übermenschlicher Festigkeit. In der Missionspolitik bekam die Patenschaft noch eine zusätzliche Bedeutung. Ein christlicher Herrscher, der einen konvertierenden König aus der Taufe hob, war als geistlicher Vater nicht allein für diesen seinen Taufsohn verantwortlich, sondern auch für dessen Volk. Der herrscherliche Pate entsandte die Missionare, wodurch sich die Möglichkeit auftat, das neubekehrte Land der eigenen Landeskirche einzugliedern. Die Mission wurde dadurch "imperial". Für einen bekehrungsbereiten Herrscher aber bot sich noch die weitere Möglichkeit an, den Papst zum geistlichen Vater zu erwählen und von ihm die Missionare zu erbitten. So gab es also eine Dualität in der Missionspolitik: Während die politischen Herrscher mit der Mission immer zugleich auch Reichsausweitung verbanden, war die von Rom ausgehende Mission bereit, jedem Volk ein eigenes Erzbistum und damit eine relative kirchliche Eigenständigkeit zuzuerkennen.

Zweiter Teil: DER IMPERIALE TAUFPATRONAT IM WESTEN

1. Die fränkische und angelsächsische Bekehrung § 26 Chlodwig und die Franken a) Taufe Chlodwigs Schon dem Zeitgenossen Avitus von Vienne hat sich in Chlodwigs Taufe der Eindruck einer Wende aufgedrängt1 ; nach W. von den Steinen soll diese sogar als "Staatsakt größten Stils"2 empfunden worden sein. Auch in heutiger historischer Rückschau erscheint sie noch als epochales Ereignis: Ein "Markstein auf dem Wege der Entfaltung der geschichtlichen Eigengestalt Europas"3 ist sie genannt worden, sogar "ein wahrhaft weltgeschichtlicher Akt"4 . Doch hat uns die Überlieferung nur ein lückenhaftes Bild hinterlassen: Zeit, Ort und Personen der Handlung sind nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen. Remigius von Reims als der zuständige Metropolit gilt als Taufspender, wiewohl Avitus von einer numerosa pontificum manus spricht 5 . Durch die Beteiligung eines größeren Teiles des gallikanischen Episkopates, den Chlodwig offenbar insgesamt eingeladen hatte 6 , mußte die gesamtkirchliche Bedeutung der Taufe augenfällig hervortreten. Als Taufort gilt Reims, was deswegen wahrscheinlich ist, weil diese Stadt die für die Franken nächstgelegene Metropole war und Remigius ein wesentliches Verdienst an Chlodwigs Bekehrung zuzusprechen ist 7 . Ein Brief des Trierer Bischofs Nicetius — das letzte der drei grundlegenden Zeugnisse zur Chlodwigstaufe8 — spricht freilich davon, daß Chlodwig in Tours das Gelübde der Taufe abgelegt und dann dieselbe auch empfangen habe9 ; doch weiß Gregor von Tours, trotz offenbar guter Informanten, nichts von einer Taufe in seiner Bi1

REYDELLET, Royaute S. 88ff; STAUBACH, Germanisches Königtum S. 18. VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 34. 3 SCHÄFERD1EK, Chlodwig S. 2. 4 ZÖLLNER, Geschichte der Franken S. 63; s. auch ANTON, Chlodwig S. 482. 5 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 30 ). Zu Remigius ausführlich VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 15-27; zur Taufhandlung ebd. S. 34-53. Kritik an der "liturgischen Argumentation" bei SCHÄFERDIEK, Remigius S. 265ff. Es ist nur modernes Ressentiment, wenn M. REYDELLET schreibt (Royaute S. 108 Anm. 84): "un seul a accompli les rites et prononce les paroles sacramentelles. On n'avait pas encore invente la 'concelebration'." 6 VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 71; REYDELLET, Royaute S. 97ff. 7 VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 13-29; SCHÄFERDIEK, Remigius S. 262-268. 8 VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 53-61. 9 Epp. Austrasicae 8 (MGH Epp. 3, S. 1224): humilis ad domni Martini limina cecidit et baptizare se sine morapromisit, qui baptizatus ... 2

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Fränkische und angelsächsische Bekehrung

schofsstadt. Besonders umstritten ist die Datierung; die Kontroverse geht um eine Frühdatierung vor 500 und eine Spätdatierung auf 507, wofür sich jüngst Rolf Weiß wieder eingesetzt hat 10 . Die neueren Stellungnahmen neigen alle zu einer freilich unterschiedlich angesetzten Frühdatierung: zwischen 496 und499 n . Das wichtigste Argument für die Datierung vor 500 ist darin zu sehen, daß die nach der Taufe Chlodwigs geborenen Söhne bei dessen Tod im Jahre 511 offenbar schon ein herrschaftsfähiges Alter erreicht hatten, was bei einer 507 vollzogenen Taufe als unmöglich angesehen werden müßte 12 . Für das Taufverständnis der sich bekehrenden Germanen hat die Chlodwig-Taufe immer ein wichtiges Beispiel abgegeben, sowohl im Blick auf das schon erwähnte Motiv des stärkeren Gottes13 wie auch der korporativen Taufentscheidung 14 . Mit Recht aber nennt M. Reydellet diese bei Gregor von Tours bevorzugte Thematik "miraculeux", demgegenüber Avitus mehr "rationel" geblieben sei15 ; letzterer verdient darum besondere Beachtung. Vornean steht die von Reydellet erneut ausgesprochene und von N. Staubach weitergeführte Deutung, daß in dem Brief des Avitus die Idee eines neuen christlichen Königtums vorgetragen werde. Ausgangspunkt ist dabei die Lichtsymbolik, die Avitus gleich im Briefbeginn aufleuchten läßt: 'Auch in der Gegenwart [ist] der selten durchbrechende Strahl der Wahrheit aufgeblitzt.' 16 Daß die Taufe an Weihnachten stattfinden sollte, bietet willkommene Gelegenheit, dem Lichtgedanken eine beziehungsreiche Ausdeutung zu unterlegen. Wie oben bereits angedeutet17 , liefert die nativitas den grundlegenden Gedanken, daß die in der Taufe vollzogene Wiedergeburt des Königs der Geburt Christi an Weihnachten entspreche18 : Das in der Geburt Christi über der Welt aufgegangene Licht entzündet sich neu im König bei dessen Wiedergeburt (natalis ... quo vos scilicet Christo, quo Christus ortus est mundo), so daß nun der König selbst zum Licht für den Okzident wird, freilich zu einem Licht nur von dem neuen Licht Christus her (occi10

WEISS, Chlodwigs Taufe S. 92-100. SCHÄFERDIEK, Chlodwig S. 1: "am Weihnachtstag wohl 499"; ausführlicher DERS., Geschichte Chlodwigs S. 270-277; ANTON, Chlodwig S. 482: "frühestens zu Weihnachten 497 bzw. 498, spätestens aber ein Jahr danach"; GRIFFE, Episcopal gaulois S. 272: "on peut penser a l'annee 496 ou 497"; REYDELLET, Royaute S. 95: "la date de 496/497 n'a pas ete solidement remise en cause" (dort auch eine Übersicht über die französische Literatur); EWIG, Merowinger S. 9: "wohl 498"; DERS., Chlodwig Sp. 1865; LIPPOLD, Chlodovechus Sp. 151: "mit von den Steinen ... [ist] jede Datierung von 495 an möglich". 12 EWIG, Dynastie S. 36-38; SCHÄFERDIEK, Geschichte Chlodwigs S. 272f; REYDELLET, Royaute S. 95 mit Anm. 27. 13 S. $ 10 Anm. 16-25. 14 S. S 12. 15 REYDELLET, Royaute S. 102f. 16 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 s ): etiam in praesentibus interlucens radius veritatis emicuit; Übersetzung nach VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 65 S 2. 17 S. S 6 Anm. 83-86. 18 STAUBACH, Germanisches Königtum S. 29ff. Die Licht-Dunkel-Symbolik konnte auch insofern mit der Taufe verbunden werden, als sie in der Nacht zum Oster- oder Pfingstfest gespendet wurde. 11

S 26 Chlodwig und die Franken

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duis partibus in rege non novi iubaris lumen)19 . Der gelehrte und literarisch ambitionierte Bischof verflicht dann das alte Weihnachts-Theologumenon, demzufolge Christus als novus sol über der Welt aufging, mit dem Grundgedanken des Epiphaniefestes. Der in der Taufe erleuchtete König ist für den Westen jener Stern, der im Osten ehemals die Weisen — die Heiden — zu Christus führte: "Der mit der Taufe Chlodwigs am Geburtstag des Herrn aufleuchtende, die Wiedergeburt (regeneratio) des Königs anzeigende Stern entspricht dem Stern von Bethlehem, dem 'Nativitätsgestirn' Christi. Er heißt non novum iubar, weil er eine gleichsam postfigurative Wiederkehr des novum sidus der ersten Weihnacht darstellt."20 Gegenüber der Graecia — dem oströmischen Kaiser — aber stellt Avitus heraus, daß nicht mehr allein der Osten einen Fürsten von wahren Gnadengaben besitze, daß solches Licht nun auch im Westen leuchte. Und wirklich spricht Avitus dem Chlodwig eine in der Taufe vermittelte Erleuchtung zu, die den Barbarenkönig zum Licht für andere Völker erhebe: "Die in der Missionsaufgabe am deutlichsten zum Ausdruck kommende universalkirchliche Funktion des Frankenkönigs wie des Kaisers hat ihn sicherlich vor allem dazu bewogen, Chlodwig in seinem Brief unter der Licht- und Astralbildlichkeit des non novum iubar darzustellen."21 Das alte Theologumenon von der Taufe als einem 'photismos', der jedem Getauften zuteil wurde, war schon bald in dem Sinne weitergeführt worden, daß der Kaiser eine besondere Erleuchtung empfangen habe, um der Welt voranzuleuchten 22 . Avitus spricht nun auch Chlodwig eine solche in der Taufe vermittelte Erleuchtung zu, die den Barbarenkönig gleichfalls zum Licht für die anderen Völker erhebt. Mit seiner Wiedergeburt aus der Taufe am Geburtstag des Erlösers wiederholt sich die Epiphanie Christi für die Barbarenvölker des Westens: "Im König, der nun als Glied des Gottesvolkes in neuer Weise geadelt und geheiligt ist, erstrahlt auch ihnen jener nun nicht mehr neue Stern der Berufung zum Christentum." 23 Hierin geschieht ideell die Stiftung eines neuen christlichen Königtums, als dessen besondere Aufgabe die Erleuchtung der Völker gilt. Angesichts dieser heilsgeschichtlichen Aufgabe des Königs, die Völker wie ein neuer Stern von Bethlehem zu Christus zu führen, erscheint dann die Aufforderung, mit der Avitus seinen Brief beendet, als "ein gedanklich konsequenter und auch rhetorisch brillant zugespitzter Schluß- und Höhepunkt" 24 : 'Nur eines wünschten wir gemehrt: wenn nun Gott Euren Stamm durch Euch ganz und gar zu dem Seinen machen wird, so streut aus dem reichen Schatz Eures Herzens die Glaubenssaat auch unter die ferner wohnenden Stämme, die bisher in natürlicher Unwissenheit leben und nicht durch Keime von Irrlehren verdorben sind. Frisch und ohne Scheu vertretet, auch durch eigens entsendete Botschafter, die Sache Gottes, der 19

Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 7518).· Illustrat tuum quoque orbem claritas sua, et occiduis partibus in rege non novi iubaris lumen cffulgurat. 20 STAUBACH, Germanisches Königtum S. 28. 21 Ebd. S. 33. 22 HUNGER, Reich S. 96-103. 23 STAUBACH, Germanisches Königtum S. 37. 24 Ebd. S. 32.

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Fränkische und angelsächsische Bekehrung

die Eure so hoch erhöht hat: auf daß all die Heidenvölker draußen vorerst um des christlichen Gebotes willen Euch dienen und, während sie noch getrenntes Eigentum zu behalten scheinen, doch eher dem Stamme als dem Herrscher nach geschieden seien.'25 Es besteht in der Forschung weitgehend "Einigkeit darüber, daß Avitus dem Königtum Chlodwigs eine christliche Grundlage zu schaffen unternommen hat. Wie aber M. Reydellet und N. Staubach hervorgehoben haben, hat dabei Avitus auch noch Einzelheiten der Taufzeremonie so ausgelegt, daß er die mit dem christlichen Taufverständnis verbundenen Motive der Umkehr, Verwandlung und Wiedergeburt dazu verwenden konnte, eben daraus das neue Königtum hervorgehen zu lassen26 . Chlodwig wurde ja in der Taufe nicht nur Christ, sondern christlicher König. So benutzt Avitus das Salbungsmotiv in einer seiner "Königstheologie" entsprechenden Weise. Mit der Taufe ist bekanntlich früh die Idee des Königtums verbunden worden, wobei die alttestamentliche Königs- und Priestersalbung als Erläuterung diente 27 . In Gallien bezeugt bereits Salvian von Marseille (+ nach 480) diese Auffassung 28 , die freilich in der gallischen Liturgie nurmehr in jüngeren Quellen zu fassen ist 29 . Für Avitus mußte die Taufsalbung ein willkommener Ritus sein, das in der Taufe begründete neue Königtum Chlodwigs zu verdeutlichen. Tatsächlich setzt er die Salbung in Beziehung zu wichtigen Königsinsignien, zum crinis nutritus und zum Helm (cassis): 'Das volle Haar unter dem Kriegshelm erhielt den heilbringenden Helm der heiligen Salbung aufgesetzt.'30 Einen Rückbezug auf die alttestamentliche Königssalbung hat freilich Avitus nicht angebracht. Vielmehr wählt er einen neutestamentlichen Hintergrund: Es ist die im sechsten Kapitel des Epheser-Briefes geschilderte 'Waffenrüstung Gottes' mit der galea salutis (Eph 6,17). Hatte aber das Anlegen dieser spirituellen Waffenrüstung ursprünglich allen Getauften gegolten, so erscheint hier eine königsgemäße Spezifizierung: Anstelle des alten Kriegshelmes verschafft die Salbung dem König eine neue galea salutaris. Wenn später aus den Taufsalbungen die Königssalbung abgeleitet wurde, so haben wir hier eine erste frühe Vorstufe. 25

Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 76 8 ); Übersetzung nach VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 67 $ 23 und 24. 26 STAUBACH, Germanisches Königtum S. 24; REYDELLET, Royaute S. 106-109. 27 DABIN, Sacerdoce royal S. 69-258. 28 Salvian, De gubernatione Dei III (MIGNE PL 53, Sp. 58B): divini chrismatis unctionem: scilicet ut sicut apud Hebraeos quondam, id est, peculiarem ac propriam Dei gentem, cum judiciarius honor in potestatem regiam transcendisset, probatissimos et lectissimos viros per unguentum regium Deus vocavit in regium, sic omnes homines Christiani, cum post chrisma ecclesiasticum omnia Dei mandata fecissent, ad capiendum laboris praemium vocarentur ad caelum. S. ferner Venantius Fortunatus, In laudem chrismatis (ebd. 88, Sp. 97B): Consecrare tu dignare, Rex perennis patriae, Hoc olivum, signum vivum. Jura contra daemonum. 29 S. § 15. 30 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 '): cum sub casside crinis nutritus salutarem galeam sacrae unctionis indueret.

$ 26 Chlodwig und die Franken

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Den Unterschied, der für Chlodwig in der Taufe zwischen dem Früheren und Zukünftigen bewirkt wurde, verdeutlicht Avitus noch in weiteren Punkten: 'Gutes habt Ihr geerbt, Besseres wolltet Ihr vererben: Ihr verantwortet Euch vor den Vorfahren dahingehend, daß Ihr auf Erden regiert; Ihr gebet es den Nachfahren zum Gesetz, daß Ihr im Himmel regieren möget.'31 Es ist dies die religiös so wichtige Frage nach den Vorfahren, deren Erbe es weiterzutragen gilt. Die meisten, so beklagt Avitus, stellten der Taufe consuetudinem generis et ritum paternae observations entgegen; aus Ehrfurcht zu den Eltern würden sie am Unglauben festhalten und sich damit entschuldigen, nicht zu wissen, was sie wählen sollten. Chlodwig aber ist schon gleich zu Anfang dafür gelobt worden, gewählt zu haben: vobis eligitis32. Hierbei ist gewiß der schon von Tertullian geforderte Entscheid zwischen heidnischer consuetudo und christlicher veritas vorauszusetzen 33 . Avitus aber hat neben der consuetudo generis wohl auch an das speziell germanische Problem der heidnischen Geschlechterüberlieferung sowie der Abstammung von Göttern gedacht, spricht er doch weiter von dem priscae originis stemma3*. In der historischen Forschung sind diese Ausdrücke durchweg als Anspielung auf eine göttliche Abstammung der Merowinger gedeutet worden 35 , wiewohl diese Abkunft erst bei Fredegar bezeugt ist. Immerhin, schon für Avitus ist klar, daß Chlodwig im Blick auf seine Herkunft einen Verzicht bei der Taufe zu leisten hatte: vos de toto priscae originis stemmate sola nobilitate contentus36, und dieser Verzicht kann sich sinnvollerweise nur auf ein christlich nicht akzeptierbares und darum heidnisches Verständnis der Abkunft beziehen. Daß es wohl 31

Ebd. Z. 15: Habetis bonorum auctores, voluistis esse meliorum. Respondetis proavis, quod regnatis in saeculo; instituistis posteris, ut regne tis in caelo; Übersetzung nach VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 65 § 9. 32 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 7 ). 3 Tertullian, De virginibus velandis I l (CChr.SL 2, S. 1209 ): Ex his enim fere consuetudo initium ab aliqua ignorantia uel simplicitate sortita in usum per succesionem corroboratur et ita aduersus ueritatem uindicatur. Sed Dominus noster Christus ueritatem se, non consuetudinem, cognominauit. — Mit der Loslösung aus der kollektiven Ordnung mußte vor allem die Bedeutung des Einzelnen hervortreten. S. z.B. die Feststellung von G. ALFÖLDY (Rolle des Einzelnen S. 38): "Die Individualität wurde nicht primär an persönlichen Fähigkeiten, Interessen, Ambitionen, nicht an der Einzigartigkeit und Einmaligkeit, nicht an der Originalität, nicht an der Unwiederholbarkeit des einzelnen Menschen gemessen, sondern an dessen Verhältnis zu Roms kollektiver moralischer Ordnung, zum Kanon der Werte der römischen Tradition." Ebd. S. 47: "Wir müssen nämlich dem Christentum die Verantwortung — oder das Verdienst — zuweisen, daß den alten Wertvorstellungen Roms mit der Bewältigung der Krise des 3. Jahrhunderts keine lange Zukunft mehr beschieden war, und daß dadurch die Neubewertung der Stellung des Einzelnen unvermeidlich wurde. Denn weder die Erlangung der Weltherrschaft noch die Begegnung mit dem griechischen Geist bewirkten in den Wertvorstellungen Roms und dementsprechend auch in den Vorstellungen über den Wert des Einzelnen einen so tiefgreifenden Wandel wie die christliche Lehre. Durch die Lehre von Glaube und Nächstenliebe kam nicht nur eine neue Ethik, sondern auch eine neue Anthropologie auf." S. auch STOCKMEIER, Konstantinische Wende S. 1-17. 34 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 13 ). 35 Chronicon Fredegarii III 9 (MGH SS rer. Merov. 2, S. 95f); HAUCK, Herrschergenealogien S. 195-198, 203f; kritisch GRAUS, Volk S. 319f; REYDELLET, Royaute S. 196 Anm. 74. 36 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 13 ).

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wirklich um die Abkehr des Königs von seinem gentilen Ursprungsglauben ging, hat Nikolaus Staubach im Rückgriff auf die alte Tauftheologie weiter erhärten können: "Mit der Taufe tritt er in eine andere Kult- und Abstammungsgemeinschaft ein; er verliert seinen alten 'Götter-Stammbaum' und wird als ein 'neuer Mensch' gleichsam Christus 'angesippt'. "37 So schafft also die Taufe den Ersatz für die alte heidnische Abkunft. Nicht minder bedeutsam war offenbar die von Avitus gleichfalls angesprochene Frage nach der fortuna; es heißt nämlich an späterer Stelle: 'Was bisher das Glück geschenkt hat, die Heiligkeit wird es nun vermehren.'38 Karl Hauck deutet die fortuna als Königsglück, das nun durch die sanctitas ersetzt sei 39 . Wie schon der Abschied von den alten Göttern tief in das Selbstverständnis eingriff, so nicht minder die Ablösung von der fortuna, die freilich mit den Vorfahren engstens verbunden war. Jordanes berichtet uns zum Beispiel, daß die Goten geglaubt hätten, durch die fortuna ihrer Großen zu siegen, die sie deswegen nicht mehr als Menschen, sondern als Halbgötter angesehen hätten 40 . Und noch viel später berichtet Rimbert in der Vita Anskarii von einer heidnischen Gottesoffenbarung, die vor dem Besuch des Heiligen im schwedischen Birka ergangen war: 'Nehmt den Kult des fremden Gottes, dessen Lehre uns feindlich ist, nicht bei euch auf und wendet euch seinem Dienst nicht zu! Doch falls ihr mehr Götter wünscht, ... dann wollen wir einstimmig euren früheren König Erik in unserem Kreis aufnehmen; er soll einer in der Zahl der Götter sein.'41 Die großen Vorfahren sind Garanten des Wohlergehens. Für Avitus muß klar gewesen sein, was alles Chlodwig mit seiner Taufe aufgeben mußte; darum sein christliches "Gegenangebot". Auf jeden Fall bleibt es aufschlußreich, daß er Anlaß sah, all diese Punkte einzeln anzusprechen. Für uns stellt sich weiter noch die Frage nach der Patenschaft. Remigius selbst soll seinem Testament zufolge der Pate gewesen sein; nur ist dieses Dokument, das uns erst Hinkmar (+ 882) überliefert, gerade in diesem Punkte nicht unstrittig: Hluaowicus rex, quem de sacro baptismatis fönte suscepi^ . Wenn Hinkmar in der von ihm bearbeiteten Vita Remigii seinen Amtsvorgänger als susceptor Chlodwigs feiert, dient ihm das ebenso zur ruhmvollen Erhöhung seines eigenen Erzsitzes wie das dort vorgeblich immer noch vorhandene Salböl, das man wunderbarerweise für die Taufe des ersten Frankenkönigs vom Himmel her erhalten habe 43 . Die Patenschaft des Remigius ist historisch möglich, aber nicht sicher zu beweisen. 37 8

STAUBACH, Germanisches Königtum S. 30.

Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 76 ): et quicquid felicitas usque hie praestiterat, addet hie sanctitas; Übersetzung nach VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 67 i 1.8. 39 HAUCK, Königtum und Adel S. 112f; REYDELLET, Royaute S. 100 mit Anm. 48. S. auch WOLFRAM, Fortuna S. 1-33. 40 Jordanes, De origine actibusque Getarum 78 (MGH AA 5/1, S. 76 1 2 ); vgl. ebd. 43 (S. 65 3 ). 41 Rimbert, Vita Anskarii 26 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 55, S. 56); HAUCK, Veränderung der Missionsgeschichte S. 241. 42 Hinkmar, Vita Remigii 32 (MGH SS rer. Merov. 3, S. 337*); JONES - GR1ERSON CROOK, Testamentum Remigii S. 368f; SCHÄFERDIEK, Remigius S. 258f, 266. 43 Hinkmar, Vita Remigii 13-15 (MGH SS rer. Merov. 3, S. 294-300); s. ebd. 15 (S. 297 2 4 ):

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Verläßlicher sind wir nur über einige andere Fakten informiert, die allerdings dem politischen Taufpatronat engstens benachbart sind: Chlodwig erhielt von Kaiser Anastasius (491-518) den Ehrenkonsulat und wurde dadurch in die "Familie der Könige" Ostroms aufgenommen. Dies aber vollzog sich vor einem religiös und politisch brisanten Hintergrund. Schon darin, daß Avitus den getauften Chlodwig in einem kaiserlichen Licht erstrahlen lassen möchte, zeigt sich, wie sehr Rom und der Kaiser für den Frankenkönig sowie überhaupt für alle Barbarenkönige das Vorbild und — noch wichtiger — der Legitimitätsgrund blieben. Tatsächlich war es "seit dem Staatsstreich Odoakers 476 ... ein Ziel des höchsten Machtstrebens im Westen, der erste Repräsentant des Kaisers im westlichen Abendland zu sein"44. Theoderich hatte sich diese Stellung erkämpft: Von Kaiser Zeno war er als Waffensohn adoptiert worden, dann hatte er das römische Bürgerrecht erhalten, ferner war er Inhaber des Heermeister-Amtes und des Patriziates; im Jahre 497 endlich übersandte ihm Kaiser Anastasius die 'vestis regia'45. So durfte sich der Ostgote "als der wahre, alleinige Exponent der Kaisermacht im Westen" anerkannt sehen 46 . In seiner herausgehobenen Stellung hat Theoderich dann begonnen, selbst eine "Familie der Könige" aufzubauen. Daß er Chlodwigs Schwester Audofleda heiratete, scheint anzuzeigen, daß auch dieser zu den Einbezogenen gehörte. So wäre also der Frankenkönig zunächst nicht in die Weltfamilie der Herrscher mit dem Ost-Kaiser als Vater, sondern in die "lateinischgermanische abendländische Familie der Könige mit Theoderich als Haupt" eingetreten 47 . Nun aber befolgte Theoderich wie alle bis dahin christianisierten Germanen das arianische Glaubensbekenntnis 48 . Allem Anschein nach hat es Bemühungen gegeben, auch Chlodwig zur Annahme dieses Bekenntnisses zu bewegen, heißt es doch im Avitus-Brief gleich eingangs: 'Euren scharfen Geist haben die Anhänger von allerlei Sekten mit ihren verschieden gerichteten, vielfältigen, aller Wahrheit baren Lehrmeinungen als dunkle Christen zu benebeln gesucht.'49 Mit Sicherheit reichte der Arianismus bis in Chlodwigs Familie, denn eine Schwester von ihm bekannte sich zeitweilig als Arianerin50 . Angesichts dieser Konstellation ist an Chlodwigs Bekehrung immer als epochales Moment herausgestrichen worden, daß der Frankenkönig sich für den katholischen Glauben entschied und damit eine Möglichkeit der Aussöhnung von Romasusceptus ab ipso pontifice de sancto fönte; S. 298 : Materials autem chrisma in vase materiali per columbam delato; s. auch Annales Bertiniani a. 869 (zitiert $ 11 Anm. 18). 44 HAUCK, Randkultur S. 53. 45 S. $ 2 Anm. 27-29. 46 ENSSLIN, Theoderich der Große S. 84-90; Zitat S. 90. 47 HAUCK, Randkultur S. 26f. 48 SCHÄFERDIEK, Germanischer Arianismus S. 79-90. 49 Avitus von Vienne, Ep. 46 (MGH AA 6/2, S. 75 2 ); Übersetzung nach VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 64 $ l. Gregor von Tours, Hist. 11 31 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 78 2 j: Conversa est enim et alia soror eius Lantechildis nomen, quae in haeresim Arrianorum dilapsa fuerat, quae confessa aequalem Filium Patri et Spiritum sanctum, crismata est. SCHÄFERDIEK, Remigius S. 275f; VON DEN STEINEN, Chlodwig S. 53.

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Fränkische und angelsächsische Bekehrung

nen und Franken schuf 51 . Politisch aber mußte das einen Bruch mit Theoderich zur Folge haben, und so darf es als wahrscheinlich gelten, daß Chlodwig bei seiner Taufe "letztlich ... die Anlehnung an den Kaiser in Byzanz" suchte 52 . Vollzogen aber wurde diese Hinwendung im Jahre 508. Gregor von Tours weiß zu berichten, daß Chlodwig damals von Kaiser Anastasius' codecillos de consolato53 erhalten habe; zu Tours sei er dann in der Martins-Basilika mit einer tunica blattea bekleidet und mit einem diadema gekrönt worden 54 ; anschließend habe er zu Pferd den Weg von der Martinskirche zur Stadtkirche zurückgelegt und dabei Gold und Silber ausgestreut. Die Schlußbemerkung, mit der Gregor die bleibende Bedeutung dieses Vorganges herausstellen möchte, ist in der Forschung lange umstritten gewesen: ab ea die tamquam consul out augustus est vocitatus55. Karl Hauck übersetzt: "Von diesem Tag (des 'processus consularis') an wurde Chlodwig wie ein (regulärer) Konsul oder der Kaiser (mit Akklamationen — 'voces') gerufen."56 Für das sich gerade konsolidierende Frankenreich war der Vorgang insofern von grundlegender Bedeutung, als dadurch eine "Legitimierung durch den Kaiser"57 geschah. Für uns ist daran besonders wichtig, daß Chlodwig nunmehr in die kaiserliche Familie der Könige eintrat und damit in die 'paternitas' des oströmischen Basileus58. Die tunica blattea und das diadema lassen darauf schließen, daß Chlodwig dabei auch die 'vestis regia' erhielt 59 . In der Forschung hat man diese Auszeichnung gerne mit der Ehrung verglichen, die 522 dem Lazen-König Tzath zuteil wurde 60 ; es sei dies "eine ganz ähnliche Königsbestätigung wie in Tours"61 gewesen — wobei man sich freilich bewußt bleiben muß, daß Tzath der Taufsohn des Kaisers wurde, eine Symbolhandlung, die bei Chlodwig, wie noch zu erörtern ist, gerade nicht überliefert ist. Die byzantinische Sohnschaft der Merowinger-Könige hat sich über Chlodwig hinaus fortgesetzt. Daß sie für den Chlodwigsohn Childebert I. (511-558) gegolten hat, bezeugt ein Brief Pelagius' I. (556-561), in welchem der Papst den Frankenkönig an seinen pater vester, clementissimus imperator erinnert 62 . Weiter sind Briefe des ältesten Chlodwig-Enkels Theudebert an Kaiser Justinian anzuführen, worin derselbe als dominus et pater angeredet wird63 ; im Schlußwort eines dieser 51

HAUCK, Randkultur S. 26-30. Ebd. S. 28. 53 Gregor von Tours, Hist. II 38 (MGH SS rer. Merov. l/l, S. 881S). 54 Ebd. S. 89 1 . 55 Ebd. S. 89 4 . 56 HAUCK, Randkultur S. 31; s. auch ENSSLIN, Ehrung Chlodowechs S. 499-507; REYDELLET, Royaute S. 406ff. 57 EWIG, Merowinger S. 68. 58 HAUCK, Randkultur S. 43; zum Protest Theoderichs s. ebd. S. 55f; ferner EWIG, Merowinger S. 11 und 60. 59 EWIG, Merowinger S. 60. 60 S. J 2 Anm. 10. 61 HAUCK, Randkultur S. 44; ENSSLIN, Ehrung Chlodowechs S. 505; DERS., Theoderich der Große S. 82. 62 Pelagius I., Ep. 48 (MGH Epp. 3, S. 7l 2 3 ). 63 Epp. Austrasicae 19 (ebd. S. 13216); 20 (S. 1331). 52

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Briefe wird sodann um den Fortbestand des bereits seit den Vorgänger-Kaisern bestehenden Freundschaftsverhältnisses gebeten: antiquam retroactorum principum amicitiam conservetis64 . Daraus geht hervor, "daß Theudebert wie andere germanische Könige in das Vater-Sohn-Verhältnis zu dem byzantinischen Kaiser aufgenommen war, und zwar in einer staatsrechtlichen Beziehung, die, wie der Briefschluß sagt, seit den Zeiten der früheren Kaiser (der Plural deutet auf Anastasius und lustin) dauerte"65 . Dieses Vater-Sohn-Verhältnis hat über längere Zeit angedauert; noch Kaiser Maurikios (582-602) beanspruchte gegenüber dem Austrasier Childebert II. (575-596) amicalem ... voluntatem et paternum affectum66 . Eugen Ewig, der jüngst eine umfassende Untersuchung über die Merowinger und das Imperium vorgelegt hat, kann darin deutlich machen, wie grundlegend wichtig diese 'paternitas' für die Merowinger gewesen ist: Eine Sonderstellung habe Kaiser Anastasius dem Frankenkönig unter den übrigen Herrschern des Abendlandes eingeräumt, als er Chlodwig 508 mit dem Ehrenkonsulat ausgezeichnet und ihm wohl auch eine 'vestis regia' übersandt habe; eben darin sei damals die 'paternitas' des Kaisers gegenüber dem Frankenkönig begründet worden67 . Weiter sei anzunehmen, "daß durchweg auch in späterer Zeit alle Merowinger, die in freundschaftliche Beziehungen zum Kaiserhof traten, in das Vater-SohnVerhältnis aufgenommen wurden"68 . Die Realität dieses Bündnisses zeigt sich nicht zuletzt in seiner Beständigkeit: Von den Königen des lateinischen Westens haben im 6. und 7. Jahrhundert "die Merowinger zweifellos die engsten und — allen zeitweiligen Trübungen und Gegensätzen zum Trotz — auch die besten politischen Beziehungen zum Imperium unterhalten" 69 . Die von E. Ewig am Ende gestellte Frage, wie die Paternitas des Kaisers zu verstehen sei, ob vielleicht als "eine geistliche Patenschaft"70 , verdient hier natürlich besondere Aufmerksamkeit. Mit Recht ist auf die Schwierigkeit hingewiesen worden, daß Kaiser Anastasius eine monophysitische Haltung eingenommen habe71 . Wichtiger jedoch dürfte die Frage sein, ob es die Kombination von politischer und geistlicher Sohnschaft bereits vor Justinian gegeben hat; dies scheint beim derzeitigen Stand der Forschung eher unwahrscheinlich72 . Immerhin wird man soviel sagen dürfen, daß bei Chlodwig die beiden Elemente einander schon recht nahegerückt erscheinen, ohne aber miteinander verbunden worden zu sein. Die Absicht jedoch, die ihrer nur wenig später vorgenommenen Fusionierung zugrunde lag, nämlich die politische und religiöse Handlungsgemeinschaft unter Führung des Kaiser- Vaters, wird man als erfüllt ansehen dürfen: In der Folgezeit hat die katholisch-orthodoxe Solidarität, so lautet das Fazit von E. Ewig, eine große 64

Ebd. 20 (S. 13317).

65

HAUCK, Randkultur S. 43. Epp. Austrasicae 42 (MGH Epp. 3, S. 14826) EWIG, Merowinger S. 60. Ebd. Ebd. Ebd. S. 61. Ebd.; HAUCK, Randkultur S. 27. S. i 2.

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Fränkische und angelsächsische Bekehrung

Rolle gespielt. Schon Justinian stellte sie beim Abschluß des Frankenbündnisses von 535 betont heraus. Spätere Kaiser — so Tiberios und Maurikios — sind ihm darin gefolgt. Auch die Franken haben die Parole aufgenommen, freilich nicht immer im Sinne des Kaisers. "Man kann daher wohl die idea della unitä e della comunitä cristiana ... als Grundlage der kaiserlichen Paternitas ansprechen."73 b) Christianisierung der Franken Für die Bekehrung der Franken war die Taufe Chlodwigs das entscheidende Datum. Die in der Folgezeit geleistete Missionsarbeit zielte auf die Gesamtheit der Einwohner des fränkischen Reiches, zunächst im Kernraum und dann in den Randzonen, so in Nordgallien und östlich des Rheins 74 . Die Christianisierung hat sich weitgehend geräuschlos vollzogen, jedenfalls hören wir nur selten von besonderen Aktionen. Auffallend ist, daß Neugründungen von Bistümern, sofern es überhaupt dazu gekommen ist, nicht recht faßbar werden 75 . Wohl traten jene antiken Bischofssitze, deren Sukzession eine Unterbrechung erlitten hatte oder deren Stühle ins besser geschützte Landesinnere verlegt worden waren, wieder in Erscheinung76 . Aber Neugründungen sind selbst beim Ausgriff in die Gebiete östlich des Rheins unterblieben; vielmehr dehnten sich die Sprengel der alten, am Rhein gelegenen Episkopien mit der fränkisch-christlichen Expansion nur weiter nach Osten aus 77 . Am stärksten fällt auf, daß keine vom Frankenreich auf andere, noch heidnische Völkerschaften übergreifende Missionsbewegung sichtbar wird. Nahezu einhellig konstatiert die Forschung, daß die Missionsbemühungen der fränkischen Kirche nur gering gewesen seien78 . Tatsächlich sind die Anstöße zu einer stärkeren Aktivität von außen gekommen: durch die Peregrini zunächst aus Irland und später aus England. Die alte asketische Forderung, getrennt von der Heimat zu leben, hatte diese Asketen in die Fremde aufbrechen lassen 79 . Sie verbanden damit aber die positive Aufgabe, 73

EWIG, Merowinger S. 61. DERS., Missionsarbeit S. 102-135; EWIG -- SCHÄFERDIEK, Christliche Expansion S. 116145. 75 NOTTARP, Bistumserrichtungen S. 1-6; SCHIEFFER, Domkapitel S. 169: "Straßburg und erst recht Konstanz und Augsburg wiesen viel stärker den Charakter frühmittelalterlicher, näherhin merowingischer Neugründungen auf. Wenn diese Bischofssitze auch sämtlich eine (in Umrissen erkennbare) kirchliche Kontinuität seit den letzten Tagen der Römerherrschaft bewahrt haben, so scheinen von ihnen selber doch zunächst nicht die entscheidenden Impulse zur ersten christlichen Durchdringung und organisatorischen Festigung ihrer nachmaligen Sprengel ausgegangen zu sein ..." 76 EWIG, Missionsarbeit S. 115-124; BÜTTNER, Mission S. 454ff. 77 EWIG, Missionsarbeit S. 126ff; BÜTTNER, Mission und Kirchenorganisation S. 457-461 (Resümee zahlreicher früherer Arbeiten des Autors). 78 FINSTERWALDER, Angelsächsische Mission S. 207: "Der Gedanke einer Predigt des Christentums über die Reichsgrenzen hinaus war der fränkischen Kirche fremd." LEVISON, England S. 48: "The missionary efforts of the Prankish Church were small." SEMMLER, Mission und Pfarrorganisation S. 813-888. 79 ANGENENDT, Peregrinatio S. 52-79; PRINZ, Peregrinatio, Mönchtum und Mission S. 445-465. 74

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für das Heil der fremden Völker, unter denen sie lebten, tätig zu werden. So schreibt Jonas von Susa über den Iren Columban und seine Gefährten, daß sie in der Absicht nach Gallien gekommen seien, dort eine Zeit lang sich aufzuhalten und nach Möglichkeit 'das Heil zu säen'; sofern sie aber die Herzen verhärtet fänden, wollten sie zu anderen Völkern weiterziehen 80 . Die Peregrini handelten also nach einer klaren Devise: Ihr Verbleiben sollte von den geistlichen Wirkmöglichkeiten abhängig sein. Jonas berichtet nun, wie eifrig die Merowingerkönige bemüht waren, den Heiligen infra terminos regni zu halten, denn als Gottesmann brachte er Segen, und deswegen sollte er dem Lande erhalten bleiben. So gab Theuderich II. von Frankoburgund (596-613) seiner Freude Ausdruck, Columban in den Grenzen seines Reiches verweilen zu sehen 81 . Später, als der Ire der zwangsweisen Heimführung entronnen war und an den neustrischen Hof kam, begrüßte ihn Chlothar II. (584-629) 'als Geschenk des Himmels' und lud ihn sogleich zum Verbleiben in seinem Reiche ein; Columban aber wollte lieber seine Peregrinatio fortsetzen 82 . Daraufhin bot ihm der Austrasier Theudebert II. (596612) einen Klosterort in seinem Reiche an; gleichzeitig ermunterte er ihn, bei den benachbarten Völkern zu predigen 83 . Columban ging darauf ein und missionierte am Bodensee. Ja, ihn bewegte in dieser Zeit sogar der Gedanke, zu den Slawen zu gehen; doch wurde er im Traum eines anderen belehrt 84 . Dem Iren ist es also mit dem von ihm selbst bezeugten Verlangen, 'Völker aufzusuchen und ihnen das Evangelium zu predigen' 85 , durchaus ernst gewesen. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, wie stark das fränkischerseits immer wieder bekundete Verlangen war, den Gottesmann in den eigenen Grenzen zu behalten. In der Folgezeit waren es vielfach Mönche der irofränkischen Klosterbewegung, die den Missionsimpuls aufnahmen 86 . Stellvertretend für viele sei allein Amandus genannt, der bei den Friesen an der Scheide, bei den Slawen an der Donau und bei den Basken in den Pyrenäen das Evangelium verkündete 87 . Von ihm wird bezeugt, daß er sich durch eine Bindung allein an das Frankenreich eingeengt gefühlt habe, weswegen er sich bei König Dagobert I. (623/29-638), der ihn für die Taufpatenschaft über seinen Sohn Sigibert habe gewinnen wollen, die Freiheit erhandelt habe, zu allen Völkern gehen zu dürfen88 — ein Beweis für die starke Spannung, 80

Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 4 (MGH SS rer. Germ, in us schol. 37, S. 16014); KOCH, Sankt Fridolin S. 97 Anm. 93 und 94; SCHÄFERDIEK, Columbans Wirken S. 194-200. 81 Jonas von Bobbio, Vita Columbani I 18 (MGH SS rer. Germ, in us schol. 37, S. 1873j: quia infra terminus regni sui beatum Columbanum haberet, gratulabatur. 2 Ebd. I 24 (S. 2075).· ut, si velit, intra sui regni terminos resedeat ... At ille nequaquarn ait his in locis se consistere velle vel ob suam peregrinationem augendam. Ebd. I 27 (S. 21l 9 ): intra suos terminos loca venusta et famuli Dei ad omni oportunitate congrua proximasque ad predicandum nationes undique haben. 84 Ebd. I 27 (S. 2178): Intellexit ergo ille, non esse gentis illius in promptu fidei profectus. 85 Columban, Ep. 4 (ed. WALKER S. 3010). 86 EWIG, Missionsarbeit S. 117: "Die zweite Phase der innerkirchlichen Restauration ... wurde ganz überwiegend von Kreisen getragen, die dem Mönchtum von Luxeuil — im weitesten Sinne - angehörten oder nahestanden." PRINZ, Rolle der Iren S. 202-218. 87 FRITZE, Universalis gentium confessio S. 84-92, bes. S. 88. 88 Vita Amandi I 17 (MGH.SS rer. Merov. 5, S. 44l 17 ): Hi [Dodo et Eligius] humiliter ad virum

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Fränkische und angelsächsische Bekehrung

die im fränkischen Reich zwischen "gentüer" und "universalmissionarischer" Zielsetzung89 empfunden wurde: Zunächst und normalerweise sollte ein Gottesmann infra terminos bleiben. Amandus aber konnte sich in seinem Testament nicht ohne Stolz rühmen, 'daß wir lange Zeit und weithin durch alle Provinzen und Völker aus Liebe zu Christus und zur Verkündigung des Gotteswortes wie auch zur Spendung der Taufe umhergezogen sind'90 . Im Hinblick auf unsere Fragestellung ist zu konstatieren, daß ein Taufpatronat eines christlichen Herrschers, der missionarisch von Bedeutung gewesen wäre, nicht anzutreffen ist. Einzig in der Entsendung des Bischofs Liudhard an den Hof von Kent, wovon noch zu sprechen sein wird91 , könnte sich andeuten, daß ein solches Verfahren einmal wenigstens versucht worden ist. § 27 Angelsachsen Da die Patenschaft sich erst im Laufe des 6. Jahrhunderts zu einem besonderen Amt weiterentwickelt hat, kann ihre Anwendung in der Mission nicht vor diesem Zeitpunkt erwartet werden. Auch in Byzanz stellen wir erst für das 6. Jahrhundert die frühesten Beispiele eines imperialen Taufpatronates fest. Im Westen haben wir den historischen Glücksfall, daß die sieben Königreiche der Angelsachsen, deren Christianisierung sich über das ganze 7. Jahrhundert hinzog, eine verhältnismäßig große Zahl von Königskonversionen aufweisen und daß dabei die Patenschaft bereits eine politische Bedeutung eingenommen hat. Beda, dessen Kirchengeschichte wir unser Wissen weithin verdanken, gibt vielfältige Einblicke sowohl in die politischen Voraussetzungen wie auch in den Ablauf des Bekehrungsprozesses. Die sieben Königreiche waren: Kent, Sussex, Essex, Wessex, Ostanglien, Mercia ('Grenzland') und Nordhumbrien, das aus Deira (Yorkshire) und Bernicia (Northumberland) zusammengefügt war 1 . Den übergreifenden politischen Zusammenhalt lieferte nicht nur ein allgemeines ethnisches Verwandtschaftsbewußtsein2 , sondern auch ein — wie Beda sagt — gemeinsames Imperium, Dei petierunt, utpraecibus regis daret adsensum atque filium ipsius sacro dignaretur dilui fönte, et ut eum enutriret atque legem inbueret divinam, quantotius adsentiret, dicentesque, quod si hoc vir Dei non rennueret, per hanc familiaritatem liberius in regno ipsius, vel ubicumque eligeret, haberet licentiam praedicandi, seu et nation.es quam plures per hanc gratiam se posse conquiri fatebantur. Tandem igitur fatigatus praecibus amborum, facturum se esse promisit. S. auch FRITZE, Universalis gentium confessio S. 89f. 89 FRITZE, Universalis gentium confessio S. 78-130. Exemplar petitionis seu coniurationis sancti Amandi de corpore suo (MGH SS rer. Merov. 5 S. 484 1 ); FRITZE, Universalis gentium confessio S. 88f. 91 S. $ 27 Anm. 100. 1

WENSKUS, Angelsächsische Stämme S. 325-329. JOHN, Early English Church S. 40: "We may agree that these people had some sense of identity and we may as well call it English, but not without qualifications. They also had a very strong sense of their diversity and particularity. They were extremely vague about their Englishry and much more precise about being West Saxons and Mercians or Northumbrians, 2

J 27 Angelsachsen

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als dessen Inhaber er folgende Könige nennt: zuerst Aelle von Sussex, anschließend Caelin von Wessex, weiter Aethelberht von Kent, dann Raedwald von Ostanglien und endlich die drei Nordhumbrier Edwin, Oswald und Oswiu3. Als Aufgabe, so glauben manche, sei den Imperiumsträgern der Oberbefehl im gemeinsamen Kampf gegen die Briten übertragen gewesen; denn spätere angelsächsische Quellen verwenden den Ausdruck bretwalda, was als Briten-Beherrscher oder Oberherrscher gedeutet wird 4 . Ob das Bretwalda-Amt auf einer Machtüberlegenheit des jeweiligen Inhabers oder auf ursprünglich freier Zustimmung der übrigen Könige beruhte, wird nicht mitgeteilt. Derzeit bemüht sich gerade die englische Forschung in neuer Intensität um das Bretwalda-Amt. Patrick Wormald5 hat aber jüngst Herkunft wie Aufgabe dieses Amtes nur noch recht vorsichtig skizzieren wollen: Es habe die Idee einer südhumbrischen Oberherrschaft gegeben, zugleich auch eine damit irgendwie verbundene Idee einer Königsherrschaft über Britannien. Im Blick auf die hier behandelte Thematik ist von besonderer Wichtigkeit Wormalds Erwägung, ob nicht die großen Könige des 7. und 8. Jahrhunderts die Erben der geistlichen Ambitionen Canterburys gewesen seien, ja ob nicht Canterbury, wiewohl es die Bretwalda-Idee nicht geschaffen habe, dieselbe doch aufrechterhalten und beeinflußt haben könnte. Wenn im Folgenden weiterhin von 'Bretwalda' gesprochen wird, so zunächst einfach deswegen, weil diese Bezeichnung sich in der historischen Literatur eingebürgert hat. Die römischen Missionare erreichten das Land, als Aethelberht von Kent das Imperium innehatte. Noch zu dessen Lebzeiten breitete sich das Christentum nach Essex sowie nach Ostanglien aus und eine Generation später noch weiter bis nach Nordhumbrien. Die angelsächsische Missionsgeschichte, so verwirrend sie angesichts der vielen Akteure und Schauplätze erscheinen mag, enthält indes ein reiches Material zum Studium des Bekehrungsvorganges. Zunächst einmal haben die zahlreichen Fälle von Königskonversionen der Forschung von jeher Material geboten, um das durch die Bekehrung ausgelöste politische Spiel zwischen König und Volk zu analysieren. Wichtiger noch ist die Beobachtung, daß die Stellung des Bretwalda für die Christianisierung von besonderer Bedeutung gewesen ist6 . War dies der Forschung schon seit längerem geläufig, so wurde erst jüngst nachdrücklicher darauf aufmerksam gemacht, daß dabei auch die Patenschaft eine Rolle gespielt hat. Es sei doch auffallend, so schreibt J. Campbell, daß Beda, wenn er die Taufe eines Königs schildere, einen anderen König als Paten erwähne 7 . although even then there was room for bitter and protracted disputes about just who and what constituted Mercia or Northumbria." 3 Beda, Hist. eccl. II 5 (ed. PLUMMER l, S. 89f); VOLLRATH-REICHELT, Königsgedanke S. 80-88. 4 JOHN, Orbis Britanniae S. lOff; VOLLRATH-REICHELT, Königsgedanke S. 112-119; YORKE, Vocabulary S. 171-200. 5 WORMALD, Bretwaldas S. 99-129, bes. S. 119 u. 127; P.H. SAWYER (Roman Britain S. 21 ff) vermeidet 'bretwalda' für das 8. Jh. H. KLEINSCHMIDT (Englisches Königtum S. 57-62) weist bei 'bretwalda' auf die Möglichkeit einer "Rückinterpretation" aus der Alfred-Zeit hin. 6 S. Abschnitt b). 7 CAMPBELL, Conversion of England S. 18: "It is possible that the relationship of godfather to godson was of special importance in these conversions."

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Endlich ist festzustellen, daß recht bald auch die Bedeutung des Erzbistums für die Befestigung einer Oberherrschaft erkannt worden ist. Um so dringlicher stellt sich die Frage, ob nicht im Prozeß der Christianisierung das vieldiskutierte Bretwalda-Amt neue Elemente in sich aufgenommen und damit auch eine neue Gestalt angenommen hat. So verspricht also die angelsächsische Bekehrungsgeschichte für unsere Fragestellung einen geradezu verheißungsvollen Auftakt. a) Bekehrung von oben Insbesondere hat Bedas Bericht über die Vorgeschichte der Taufe Edwins von Nordhumbrien (616/17-634) die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen. Denn wie kaum irgendwo sonst wird eine Schilderung des Bekehrungsvorgangs geboten, die so typisch für die Missionsweise des Mittelalters zu sein scheint: nicht mehr die Konversion eines Einzelnen wie in der Antike, sondern der kollektive Übertritt eines ganzen Volkes, wobei der König vorangeht. Es ist die vielberedete Bekehrung "von oben nach unten" 8 . In der Tat, Beda liefert nicht nur eingängige Formeln: accepit rex Aeduini cum cunctis gentis suae nobilibus ac plebe perplurima /ufern et lauacrum9 . Er überliefert auch die Vorgeschichte dieser Entscheidung, daß sich nämlich der König cum amicis principibus et consiliariis beraten habe, damit sie gemeinsam die Heiligung aus dem Lebensbrunnen empfangen könnten 10 . Allen voran habe der heidnische Oberpriester Coifi erklärt, daß die alte Religion weder Kraft besitze noch Nutzen bringe (nihil omnio uirtutis habet, nihil utilitatis religio illa)11 ; die neue Predigt hingegen erweise Besseres und Stärkeres. Mit eigener Hand soll der Priester den Speer in das alte Heiligtum geworfen haben, um es zu entweihen 12 . Einen anderen aus dem Kreis der Großen läßt Beda jenes eindringliche und mit Recht oft zitierte Gleichnis von dem Vogel vortragen, der in nächtlich-kalter Winterzeit flugs durch die warme Königshalle schießt: Aus dem Dunkel kommend und dahin zurückkehrend, sei er für einen Moment nur in der Helle und Wärme — so aber sei es auch mit dem menschlichen Leben. Demgegenüber war nun der christliche Glaube das erhellende Licht. Auf Ostern 628 wurde Edwin zu York in einer eigens dafür errichteten Holzkirche getauft13 . Die königlichen Söhne Osfrid und Eadfrid, die ihm — wie wir bei dieser Gelegenheit erfahren — in der Zeit seiner Verbannung von der mercischen Königstochter Queonburga geboren worden waren, erhielten ebenfalls die Taufe; doch scheint Bedas Bericht anzudeuten, daß dies erst zu einem späteren Zeitpunkt geschah 14 . Weiter wurden in der Folgezeit die von Aethelberg, der aus Kent stam8

HAUCK, Missionsmethode S. 305-317, 375-383. Beda, Hist. eccl. II 14 (ed. Plummer l, S. 113). 10 Ebd. II 13 (S. 111). 11 Ebd.; BRUCE-MITFORD, Sutton-Hoo l, S. 687f. 12 Zur Bedeutung dieses Speerwurfs s. HAUCK, Randkultur S. 58ff. 13 Beda, Hist. eccl. II 13 (ed. PLUMMER l, S. 112). Zum Datum s. SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 165 mit Anm. 49. 14 Beda, Hist. eccl. II 14 (ed. PLUMMER l, S. 114). Beda schiebt zwischen die Nachrichten über die Taufe des Königs und der Königskinder den Bericht der Ersetzung einer Holz- durch 9

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menden christlichen Frau Edwins, geborenen Kinder sowie endlich auch ein Yffi, Sohn des älteren Edwin-Sohnes Osfrid, getauft. Der Andrang unter den Großen und im Volk sei so groß gewesen, daß der Missionar Paulinus einmal sogar 36 Tage lang von morgens bis abends in der bernicischen Königspfalz Yeavering habe katechetisieren und in einem Fluß taufen müssen. Ähnlich sei es in der Provinz Deira vonstatten gegangen; auch dort sei die Taufe mangels Taufkirchen im Fluß gespendet worden. Sogar südlich des Humber habe Paulinus den 'Präfekten' von Lincoln mit seinem ganzen Hause bekehren können 15 . Alle diese Mitteilungen entsprechen aufs beste der Vorstellung einer kollektiven Bekehrung, die am Königshof beginnt und sich dann bis zum letzten Dorf fortsetzt. Doch ist die Vollkommenheit des Bildes in einem Punkte gestört: bei der Taufe der Königssöhne. Daß man festgestellt hat, die Taufe von Edwins Kindern erscheine wie verzögert, kann nicht als sprachliche Unklarheit Bedas abgetan werden. Es dürfte sich darin vielmehr genau jene Praxis wiederspiegeln, wie wir sie noch oft bezeugt finden: Die erbberechtigten Königssöhne blieben — wenigstens zunächst — ungetauft. Dabei möchte man annehmen, daß die Taufe des ganzen Hauses, wie sie bereits biblisch bezeugt ist 16 , weit eher als selbstverständlich gegolten haben müßte als die dem Frühmittelalter so geläufige Volkstaufe. Die angelsächsischen Königsbekehrungen — und wie wir sehen werden, nicht nur sie — lehren freilich ein anderes: Gerade die zur Nachfolge befähigten Söhne bleiben in Wirklichkeit ungetauft. Schon Aethelberht von Kent, der doch die katholische Merowingerin Berta zur Frau hatte, hat es so gehalten. Zum Herrschaftsantritt seines Sohnes Eadbald muß Beda offenbaren, daß dieser 'den Glauben Christi nicht hatte annehmen wollen' 17 . Erst als auch der letzte Missionar, Laurentius, das Land habe verlassen wollen, sei das Wunder der Bekehrung und der Taufe des heidnisch gebliebenen Königssohnes eingetreten 18 . Was aber in Aethelberhts eigenem Hause unterlassen worden war, hatten ebensowenig die unter seinem Einfluß eine Steinkirche ein. K. SCHÄFERDIEK (Grundlegung S. 168) folgert daraus: "Bemerkenswert ist, daß Edwins Söhne anscheinend den Übertritt des Vaters nicht sogleich auch ihrerseits mitvollzogen haben, sondern erst später getauft werden können." 15 Beda, Hist. eccl. II 16 (ed. PLUMMER l, S. 117f). 16 S. i 12 Anm. 6. Die religiöse Solidarität des Hauses ist biblisch gut bezeugt. CULLMANN, Tauflehre S. 39. Ferner JEREMIAS, Kindertaufe S. 26f: "Neuere Untersuchungen haben uns gezeigt, welche Bedeutung für das Denken der Bibel die 'korporative Persönlichkeit' besessen hat und welche große Rolle in der alten Welt die Familiensolidarität spielte ... Man fühlte sich miteinander solidarisch, gesamthaftbar, einheitlich ... Insbesondere vor Gott war das Haus eine Ganzheit. Dementsprechend war für antike Verhältnisse normalerweise der Glaube des Hausvaters entscheidend, wenn ein Haus sich aus der alten Religionsgemeinschaft löste und sich einer neuen Religion anschloß." Doch betont J. GAUDEMET (Familie Sp. 339): "Für die Großfamilie, diese umfassende Gemeinschaft des Lebens, der Arbeit und des Vermögens und für die absolute Autorität eines Patriarchen ist in der Welt der Evangelien kein Raum." Insgesamt ist aber in der christlichen Antike "auf das Fortschreiten des Individualismus hinzuweisen, der den Familienverband angreift". 17 Beda, Hist. eccl. II 5 (ed. PLUMMER l, S. 90). S. dazu auch BROOKS, Aethelberht Sp. 187: "Als Aethelberht starb, war sein Sohn und Nachfolger Eadbald mit Sicherheit ... noch heidnisch." WENSKUS, Aethelberht S. 88f. 18 Beda, Hist. eccl. II 6 (ed: PLUMMER l, S. 92f).

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getauften Könige vollzogen. Raedwald von Ostanglien wurde in Kent getauft, ließ sich aber anschließend zu einem christlich-heidnischen Mischkult verführen19 ; dies sei auf Anraten seiner Frau geschehen, was deren Taufe nicht eben wahrscheinlich macht 20 . Mit Sicherheit aber blieben die königlichen Erben Eorpwald und Sigeberht ohne Taufe. Ersterer entschloß'sich erst nach seines Vaters Tod auf Betreiben des nordhumbrischen Edwin zur Christwerdung; letzterer nahm die Taufe im gallischen Exil, das er für längere Zeit auf sich nehmen mußte 21 . Am schlimmsten aber war der Bruch in Essex. Aethelberhts Entsendung des Mellitus nach London und die Erbauung der dortigen Paulskirche waren mit der Taufe König Saberhts in eins gegangen. Nach dessen Tod aber trotzten die Söhne dem Mellitus: 'Wir wollen nicht in den Taufbrunnen steigen'22 — ein Widerspruch, der das Königreich für eine ganze weitere Generation im Heidentum beließ. Die Reihe der ungläubigen Söhne setzt sich fort mit Coinwalch, dem zweiten Sohn und Nachfolger des von Birinus bekehrten und von König Oswald aus der Taufe gehobenen Cynegils von Wessex: 'Den Glauben und die Sakramente des Himmelreiches anzunehmen, weigerte er sich.'23 Zur Strafe jedoch büßte er sein irdisches Reich ein. Auf der Flucht vor dem heidnischen Penda von Mercien, dessen Schwester er vom Ehebett verstoßen hatte, wandte er sich nach Ostanglien, dessen König Anna ihm dann zur Erkenntnis der Wahrheit verhalf, woraufhin er auch seine Herrschaft wiedererlangte24. Wir haben demnach einen recht klaren Befund: Die Annahme des Christentums durch einen König bedeutete keineswegs die Taufe seiner ganzen Familie. Im Gegenteil, wir stellen oft genug fest, daß gerade die Söhne, die in der Herrschaft nachfolgten, ungetauft blieben. Die Gründe für dieses Phänomen, das dem im Frühmittelalter doch gewiß zu supponierenden Familiendenken so sehr widerspricht, können — wie bereits an früherer Stelle dargelegt — nur im Rahmen weitergreifender Überlegungen vermutet werden: Am ehesten dürfte der Verzicht auf die Taufe der Söhne mit dem außergewöhnlichen Risiko zu erklären sein, das die Annahme der neuen Religion für das Herrscherhaus in sich barg. Die Entscheidung des Königs mußte von den Großen mitgetragen werden. Aber selbst wenn ein König glaubte, den Schritt wagen zu können, scheint er doch nicht so viel Vertrauen in die Beständigkeit seiner Entscheidung haben setzen zu können, daß er nicht doch mit einem Umschlag der politischen Kräfte und einem neuerlichen Überwiegen der heidnischen Partei hätte rechnen müssen. So dürften die konvertierenden Könige, wohl im Interesse der Herrschaftssicherung für ihre Familie, sich die Möglichkeit einer erneuten heidnischen Herrschaft durch eigene Angehörige offengehalten haben. Wir müssen demnach unterstellen, daß man es mit der christlichen Herrschaft zunächst überhaupt nur probeweise versuchte und dabei 19

S. Anm. 39. BRUCE-MITFORD, Sutton-Hoo l, S. 703, der die "pagan widow" des Königs für dessen Beerdigung in SuttonHoo verantwortlich macht. 21 Beda, Hist. eccl. II 15 (ed. PLUMMER l, S. 115); ebd. III 18 (S. 162). 22 Ebd. II 5 (S. 91). 23 Ebd. III 7 (S. 140). 24 Ebd. 20

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die Möglichkeit einer Rückkehr zu den alten Verhältnissen bewußt einkalkulierte. Im Falle der Bewährung des christlichen Regimentes konnte eine Taufe des zunächst heidnisch gebliebenen Sohnes rasch nachgeholt werden. Für diese Überlegungen liefern nicht zuletzt die Ereignisse nach Edwins Niederlage und Tod noch eine gewisse Bestätigung. In Deira folgte Osric und in Bernicia Eanfrid. Beide verleugneten ihr Christentum, versprachen sich also von einer heidnischen Parteinahme den besseren Erfolg 25 . Edwins eigene Familie aber hatte niemanden, der in dieser Situation als Nichtchrist den Konkurrenten, die sich ja vom christlichen Glauben erst noch wieder abwenden mußten, hätte zuvorkommen können. Sie alle waren und blieben Christen und mußten nun mit der Königin in deren Heimat Kent, ja sogar bis nach Gallien, entfliehen 26 . In der bisherigen Forschung ist die Tatsache, daß herrschaftsbefähigte Söhne ungetauft blieben, zwar gelegentlich registriert27, aber nicht eigentlich untersucht worden, was angesichts der vieldiskutierten Frage, welcher Anteil dem König an der frühmittelalterlichen Mission zuzusprechen sei, überraschen muß. Für die angelsächsische Missionsgeschichte ist jedenfalls davon auszugehen, daß die Könige im eigenen Land nur mit Vorsicht und Bedacht zum Christentum überwechseln konnten. Wie anders soll man die erstaunliche Tatsache, daß sie ihre erbberechtigten Söhne so oft ungetauft ließen, erklären? b) Bretwalda-Amt und Patenschaft Angesichts der Tatsache, daß einzelne Könige ihre eigenen Söhne gerade nicht taufen ließen, muß es aber besonders auffallen, daß manche von ihnen, und gerade jene, welche das Bretwalda-Amt innehatten, sehr wohl andere Könige zur Taufe zu bewegen vermochten. Schon dieses eigenartige Vorgehen dürfte Grund genug sein, der Rolle des Bretwalda in der Bekehrungsgeschichte besondere Aufmerksamkeit zu schenken 28 . Während die ersten vier Bretwaldas nur bis zum Humber 'walteten', war seit Edwin auch Nordhumbrien mit einbegriffen, wobei dann aber Kent offenbar ausgeklammert blieb 29 . Zur Erklärung des angelsächsischen Imperiums hat man in der Forschung recht unterschiedliche Thesen vorgebracht. War es für manche, insbesondere für deutsche Forscher, ein "romfreies Kaisertum" 30 , so vermochten andere nur eine allgemeine Overlordship zu sehen 31 . Bedeutungsvoll ist in unserem Zusammenhang die Interpretation von Rupert Bruce-Mitford, der den Bret25

Ebd. III l (S. 127). Ebd. II 20 (S. 125f). 27 S. z.B. SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 168. 28 MAYR-HARTING, Christianity S. 64-68. 29 Beda, Hist. eccl. II 5 (ed. PLUMMER l, S. 89): quintus Aeduini rex Nordanhymbrorum gentis, id est eius, quae ad Borealem Humbrae fluminis plagam inhabitat, maiore potentia cunctis, qui Brittaniam incolunt, Anglorum pariter et Brettonum populis praefuit, praeter Cantuariis tantum. STENGEL, Imperator und Imperium S. 15-72; ERDMANN, Ideenwelt des Frühmittelalters 26

S. 7-16. 31 JOHN, Orbis Britanniae S. 6-25.

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walda als "Herrscher über Britannien" ansieht 32 . Das zu Sutton Hoo im Grab des als König und Bretwalda verstorbenen Raedwald von Ostanglien aufgefundene Zepter möchte er mit Karl Hauck als Ahnenstab, dann aber vor allem als typisches Herrschaftszeichen des Bretwalda ansehen; darin habe sich der Anspruch dokumentieren sollen, Herrscher Britanniens und zugleich Erbe Roms zu sein: "... the last pagan king sought to fuse in his bretwalda-ship the Roman legacy and the sacral power of Germanic kingship" 33 . Wenn aber in das Selbstverständnis des Bretwalda wirklich die Erinnerung an die römische Herrschaft und damit an die Kaiser eingegangen ist, dann könnte die Missionstätigkeit dieses Overlord durchaus auch von Vorstellungen der spätantiken christlichen Kaiser beeinflußt gewesen sein34. Um die wirkliche Bedeutung des Bretwalda für die Mission zu erläutern, ist an erster Stelle Aethelberht von Kent zu erwähnen, der den römischen Missionaren den Zutritt zur Insel ermöglichte und dessen Imperium, wie Beda in diesem Zusammenhang noch einmal wiederholt, bis zum Humber reichte 35 . Nachdem Aethelberht selber das Christentum angenommen hatte36 , hat er offenbar seine oberherrliche Stellung dazu genutzt, auch andere Könige zur Annahme des Christenglaubens zu veranlassen. Der in Essex regierende Saberht, Sohn seiner Schwester Ricula, mußte die Missionstätigkeit des Mellitus und die Errichtung der Paulskirche in London zulassen 37 . Wiewohl Beda nicht die Taufe des ostsächsischen Königs schildert, ist eine solche doch anzunehmen, weil er, wie schon erwähnt, über die königlichen Söhne berichten muß, daß sie jenes heilige Bad, in dem ihr Vater abgewaschen worden sei, abgelehnt hätten 38 . Einen weiteren Erfolg konnte Aethelberht in Ostanglien verzeichnen. Noch zu seinen Lebzeiten, also vor 616, hat der dort herrschende Raedwald am kentischen Hof die 'Sakramente des christlichen Glaubens' empfangen 39 . Der getaufte Ostanglier war auffälligerweise dann 32

BRUCE-MITFORD, Sutton-Hoo l, S. 699. Ebd. 2, S. 376. S. auch JOHN, Orbis Britanniae S. 14: "The evidence indeed suggests the 'empire of Britain' was a factor of importance in the mind of churchmen from the day of the conversion." 34 HAUCK, Sutton-Hoo-Edition (2) S. 357-362. 35 Beda, Hist. eccl. I 25 (ed. PLUMMER 1, S. 44f): Erat eo tempore rex Aedilberct in Cantia potentissimus, qui ad confinium usque Humbrae fluminis maximi, quo meridiani et septentrionales Anglorum populi dirimuntur, fines imperil tetenderat. 36 SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 155. 37 Beda, Hist. eccl. II 3 (ed. PLUMMER 1, S. 85): in qua uidelicet gente [Orientalium Saxonum] tune temporis Saberct nepos Aedilbercti ex sorore RicuL· regnabat, quamuis sub potestate positus eiusdem Aedilbercti, qui omnibus, ut supra dictum est, usque ad terminum Humbrae fluminis Anglorum gentibus imperabat. Ubi uero et haec prouincia uerbum ueritatis praedicante Mellito accepit, fecit rex Aedilberct in ciuitate Lundonia ecclesiam sancti Fault apostoli ...; s. SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 161; BRUCE-MITFORD, Sutton-Hoo l, S. 704. 38 Beda, Hist. eccl. II 5 (ed. PLUMMER l, S. 91): mors Sabercti regis Orientalium Saxonum, qui übt regna perennia petens tres suos filios, qui pagani perdurauerant, regni temporalis heredes reliquit ... Quibus ille [Mellitus] respondebat: 'Si uultis ablui fönte illo salutari, quo pater uester ablutus est...'; s. SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 162f. 39 Beda, Hist. eccl. II 15 (ed. PLUMMER l, S. 116): Reduald iamdudum in Cantia sacramentis Christianae fidei inbutus est, sed frustra. S. dazu WHITELOCK, Pre-Viking age church S. 3; 33

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der nächste, der das Bretwalda-Amt an sich zu ziehen vermochte 40 . Daß Raedwalds Sohn Eorpwald sich erst später durch Edwin von Nordhumbrien zum Glauben und zu den Sakramenten bekehren ließ41 , ist Indiz einer wiederum veränderten politischen Lage: Das Imperium war inzwischen an den Nordhumbrier übergegangen42 . Edwin seinerseits scheint mit der Taufe gewartet zu haben, bis er der Macht Raedwalds, dem er seinen Aufstieg verdankte, so weit entwachsen war, daß er sich dabei nicht in dessen Abhängigkeit begeben mußte 43 . Im Jahre 628 wurde er getauft. Nur wenige Jahre später endete er auf dem Schlachtfeld (634?) 44 . In den beiden nordhumbrischen Teilreichen Deira und Bernicia folgte eine heidnische Reaktion, bis Oswald, der bei den Schotten in der Verbannung gelebt und im Kloster lona die Taufe empfangen hatte, die Herrschaft für sich gewinnen konnte. Bereits im Jahre 635 — so jedenfalls die Angelsachsen-Chronik — war der neue König, der seinem Land weiterhin die gesamtenglische Oberherrschaft sichern konnte, bei der Taufe Cynegils', des Königs von Wessex, anwesend, den der aus Rom entsandte Bischof Birinus bekehrt hatte. Beda berichtet dabei, daß Oswald den Getauften aus dem heiligen Bad gehoben habe, also dessen Taufpate geworden sei. Es ist das erste Mal, daß bei dem Bemühen eines Bretwalda um die Taufe anderer Könige die Patenschaft ausdrücklich erwähnt wird. Gleichzeitig habe Oswald eine Tochter seines Patensohnes geehelicht, und zuletzt hätten Täufling und Pate dem Bischof Birinus die civitas Dorcic geschenkt, um dort einen Episkopalsitz zu errichten 45 . Daß auch eine Heirat vollzogen wurde, verweist auf MAYR-HARTING, Christianity S. 65f; STENTON, East Anglian Kings S. 43-52; SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 162; BRUCE-MITFORD, Sutton-Hoo l, S. 699. 40 Beda, Hist. eccl. II 5 (ed. PLUMMER l, S. 89): quartus Reduald rex Orientalium Anglomm, qui etiam uiuente Aedilbercto eidem suae genti ducatum praebebat, obtinuit. VOLLRATH— REICHELT, Königsgedanke S. 82ff; BRUCE-MITFORD, Sutton-Hoo l, S. 699. 41 Beda, Hist. eccl. II 15 (ed. PLUMMER l, S. 115f): Tantum autem deuotionis Aeduini erga cultum ueritatis habuit, ut etiam regi Orientalium Anglorum, Earpualdo filio Redualdi, persuaderet, relictis idolorum superstitionibus, fidem et sacramenta Christi cum sua prouincia suscipere. S. SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 169. 42 VOLLRATH-REICHELT, Königsgedanke S. 85ff. 43 MAYR-HARTING, Christianity S. 66f. 44 Zur Datierung s. SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 165. 45 Beda, Hist. eccl. III 7 (ed. PLUMMER l, S. 139): Eo temporegens Occidentalium Saxonum, qui antiquitus Geuissae uocabantur, regnante Cynigilso fidem Christi suscepit, praedicante illis uerbum Birino episcopo, qui cum consilio papae Honorii uenerat Brittaniam ... Itaque euangelizante illo in praefata prouincia, cum rex ipse cathecizatus, fönte baptismi cum sua gente ablueretur, contigit tunc temporis sanctissimum ac uictoriosissimum regem Nordanhymbrorum Osualdum adfuisse, eumque de lauacro exeuntem suscepisse, ac pulcherrimo prorsus et Deo digno consortio, cuius erat filiam accepturus in coniugem, ipsum prius secunda generatione Deo dedicatum sibi accepit in filium. Donauerunt autem ambo reges eidem episcopo ciuitatem, quae uocatur Dorcic, ad faciendum inibi sedem episcopalem; Anglo-Saxon Chronicle a. 635 (ed. WHITELOCK S. 18): 'King Cynegild was baptized by Bishop Birinus in Dorchester, and Oswald stood sponsor to him.' Ein Enkel Cynegilds wird ebenfalls von Birinus getauft, zugleich aber auch aus der Taufe gehoben; ebd. a. 639 (S. 18): 'Birinus baptized KingCuthred in Dorchester, and also received him as his godson.' Zur Angelsachsen-Chronik s. R. WENSKUS (Angelsächsische Chronik S. 319f), der darauf aufmerksam macht, daß für die frühe Zeit "die Zuordnung zu einzelnen Jahren vielfach kaum mehr als vage Kombination sein kann".

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einen weiteren Vorgang ähnlicher Art aus der Regierungszeit Oswius (641-670), des Bruders und Nachfolgers von Oswald. Der mercische Königssohn Peada ließ sich 653 von Oswius Sohn Alchfried zur Taufe überreden, als er dessen Schwester heiraten wollte (nachdem übrigens Alchfried zuvor eine Schwester Peadas geheiratet hatte) 46 . Oswiu selbst hat dann König Sigeberht von Essex zur Annahme der Taufe veranlaßt 47 . Beide Male fand die Taufspendung in der nordhumbrischen Königspfalz Ad Murum statt; beide Male wurde die Taufe von dem Bischof Nordhumbriens, dem im Kloster Lindisfarne ansässigen Iren Finan, gespendet. Eine Patenschaft des Königs, die man bei solchen am Hof gespendeten Taufen wie mit Sicherheit erwarten möchte, erwähnt Beda allerdings nicht. Um die Mitte des 7. Jahrhunderts wurde dann noch der ostanglische Hof Schauplatz wichtiger Bekehrungen. Der westsächsische König Cenwalh konvertierte hier unter König Anna (636/7-654), nach der Angelsachsen-Chronik im Jahre 64648 . Wie sehr es wiederum nahelag, bei einer solchen am Hof gespendeten Taufe eine Patenschaft des Königs anzunehmen, zeigt noch der um die Mitte des 12. Jahrhunderts kompilierte Liber Eliensis, der von einer solchen zu berichten weiß49. Nach Bedas Zeugnis hat wenig später Annas Bruder und zweiter Nachfol46

Beda, Hist. eccl. III 21 (ed. PLUMMER l, S. 69f): His temporibus Middilangli, idestMediterranei Angli, sub principe Peada filio Pendan regis fidem et sacramenta ueritatis perceperunt. Qui cum esset iuuenis optimus, ac regis nomine ac persona dignissimus, praelatus est a patre regno gentis illius; uenitque ad regem Nordanhymbrorum Osuiu, postulans filiam eius Alchfledam sibi coniugem dari. Neque aliter, quod petebat, inpetrare potuit, nisi fidem Christi ac baptisma cum gente, cui praeerat, acciperet. At ille audita praedicatione ueritatis, et promissione regni caelestis, speque resurrectionis ac futurae inmortalitatis, libenter se Christianum fieri uelle confessus est, etiamsi uirginem non acciperet; persuasus maxime ad percipiendam fidem a filio regis Osuiu, nomine Alchfrido, qui erat cognatus et amicus eius, Habens sororem ipsius coniugem, uocabulo Cyniburgam, filiam Pendan regis. Baptizatus est ergo a Finano episcopo cum omnibus, qui secum uenerant, comitibus ac multibus, eorumque famulis universis in uico regis inlustri, qui uocatur Ad Murum. Et acceptis presbyteris, qui ad docendam baptizandamque gentem illius et eruditione et uita uidebantur idonei, multo cum gaudio reuersus est. VOLLRATH-REICHELT, Königsgedanke S. 98f. 47 Beda, Hist. eccl. III 22 (ed. PLUMMER l, S. 172): Haec et huiusmodi multa cum rex Osuiu regi Sigbercto amicali et quasi fraterno consilio saepe inculcaret, tandem iuuante amicorum consensu credidit, et, facto cum suis consilio, cum exhortatione, fauentibus cunctis et adnuentibus fidei, baptizatus est cum eis a Finano episcopo in uilla regia, cuius supra meminimus, quae cognominatur Ad Murum. Est enim iuxta mumm, quo olim Romani Brittaniam insulam praecinxere, XII milibus passuum a mari orientali secreta. VOLLRATH—REICHELT, Königsgedanke S. 99f: Bei der Erörterung der übergeordneten Autorität Oswiu's wird man den "freundschaftlichen und gleichsam brüderlichen Rat" kaum als Gegenargument gegen eine Oberhoheit ins Feld führen dürfen; ein Theologe wie Beda wußte, daß die Taufe nur freiwillig und nicht gezwungen empfangen werden durfte. Gerade eine apologetische Betonung der Freiwilligkeit könnte an dieser zweifeln lassen und damit indirekt eine Oberhoheit bestätigen. 48 Beda, Hist. eccl. III 7 (ed. PLUMMER l, S. 140): [Coinualch] secessit ad regem Orientalium Anglorum, cui nomen erat Anna; apud quem triennio exulans fidem cognouit ac suscepit ueritatis; Anglo-Saxon Chronicle a. 646 (ed. WHITELOCK S. 19): 'Cenwealh was baptized'. WHITELOCK, Pre-Viking age church S. 8f; HAUCK, Sutton-Hoo-Edition (1) S. 445. Zur ostanglischen Königsdynastie s. BRUCE-MITFORD, Sutton-Hoo l, S. 695. 49 Liber Eliensis (ed. BLAKE S. 18): Baptizatus est rex Chenuualla in eadem provincia a Felice episcopo, quem de fönte sacro rex Anna suscepit; zur Abfassungzeit s. ebd. S. XLVIff.

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ger Aethelwald (655-663/4) Pate gestanden, als in seiner Pfalz Rendlesham König Swidhelm von Essex durch Bischof Cedd getauft wurde 50 . Der Bischof war von König Oswald infolge der am nordhumbrischen Hof dem ostsächsischen König Sigeberht gespendeten Taufe nach Essex entsandt worden; er war für dieses Königreich zuständig und ging nun mit seinem König Swidhelm an den ostanglischen Hof, um ihn dort unter dem Patronat Aethelwalds zu taufen. Möglicherweise wird man in der von Swidhelm akzeptierten ostanglischen Patenschaft einen geschickten politischen Schachzug sehen dürfen, daß nämlich zum Zeitpunkt der Taufe die Stellung Nordhumbriens infolge des Aufstandes der Mercier bereits geschwächt war, daß aber Wulfhere von Mercien (657-678) noch nicht die Macht gewonnen hatte, um nach Essex auszugreifen, wie er es bei dem Nachfolger Swidhelms getan hat51 . Sobald Wulfhere für Mercien die Vorherrschaft errungen hatte, machte auch er die Patenschaft wieder zum Ausdruck seiner Oberhoheit: Aethelwalh, König von Sussex, wurde 661 auf sein Zureden hin in Mercien getauft und von ihm auch aus der Taufe gehoben; zum Zeichen der 'Adoption' erhielt der Täufling zwei ehemals zu Wessex gehörige 'Provinzen' 52 . Nach dieser Übersicht leidet es keinen Zweifel, daß der Bretwalda und gerade auch seine Rolle als eines "Königspaten" von besonderer Bedeutung für die Christianisierung gewesen sind. Offenbar bot das Amt des Overlord günstige Möglichkeiten, auf andere Könige einzuwirken und ihnen die Taufe nahezubringen. Wenn auch nicht in allen Fällen von der Patenschaft eines Bretwalda die Rede ist, so sind doch mehrere Beispiele bestens bezeugt. Schon das aber muß erstaunlich genannt werden. Denn, so möchte man fragen, woher und warum taucht dieser in Byzanz ein Jahrhundert zuvor aufgekommene Ritus des politischen Taufpatronates nun auch im Westen auf und dazu noch in einer politischen Landschaft, die weder an ein seit langem christliches Reich angelagert war noch auch direkt 50

Beda, Hist. eccl. III 22 (ed. PLUMMER l, S. 174): Successit autem Sigbercto in regnum Suidhelm, filius Sexbaldi, qui baptizatus est ab ipso Cedde in prouincia Orientalium Anglorum, in uico regio, qui dicitur Rendlaesham, id est mansio Rendili; suscepitque eum ascendentem de fönte sancto Aediluald rex ipsiusgentis Orientalium Anglorum, frater Anna regis eorundem. WHITELOCK, Pre-Viking age church S. 9; HAUCK, Sutton-Hoo-Edition (1) S. 242, 245. 51 Beda, Hist. eccl. III 30 (ed. PLUMMER l, S. 199): Eodem tempore prouinciae Orientalium Saxonum post Suidhelmum ... praefuere reges Sigheri et Sebbi, quamuis ipsi regi Merciorum Uulßierae subiecti. Quae uidelicet prouincia cum praefatae mortalitatis clade premeretur, Sigheri cum sua parte populi, relictis Christianae fidei sacramentis, ad apostasiam conuersus est ... Quod ubi rex Uulfheri conperit, fidem uidelicet prouinciae ex parte profanatam, misit ad corrigendum errorem, reuocandamque ad fidem ueritatis prouinciam laruman episcopum ... qui... et populum et regem praefatum ad viam iustitiae reduxit. S. VOLLRATH —REICHELT, Königsgedanke S. 108; BRUCE-MITFORD, Sutton-Hoo l, S. 704. 52 Beda, Hist. eccl. IV 13 (ed. PLUMMER l, S. 230): Erat autem rex gentis ipsius Aedilualch, non multo ante baptizatus in prouincia Merciorum, praesente ac suggerente rege Uulfhere a quo etiam egressus de fönte, Joco filii susceptus est; in cuius signum adoptionis duos Mi prouincias donauit, Uectam uidelicet insulam, et Meanuarorum prouinciam in gente Occidentalium Saxonum; Anglo-Saxon Chronicle a. 661 (ed. WHITELOCK S. 21): 'And Wulfhere, the son of Penda, harried in the Isle of Wight, and gave the people of the Isle of Wight to Ethelwold, king of the South Saxons, because Wulfhere had stood sponsor to him at baptism. And the priest Eoppa was the first man to bring baptism to the people of the Isle of Wight, by the commands of Wilfrid an King Wulfhere'.' VOLLRATH-REICHELT, Königsgedanke S. 109f.

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von dort patenschaftlich missioniert wurde? Vielmehr geschah diese Anwendung in einem insgesamt noch heidnischen Verband, der sich gerade erst dem Christentum zuwandte und dabei zugleich einen Kampf um seine zentrale Oberherrschaft austrug. Insofern gehört es gewiß zu den erstaunlichen Fakten, daß dabei das Pateninstitut benutzt wurde. Offenbar hat man dessen Bedeutung rasch zu erfassen vermocht. Und selbst in jenen Fällen, wo eine Patenschaft nicht bezeugt ist, wurden gerade auch solche Verhaltensweisen befolgt, wie wir sie sonst mit der Patenschaft verbunden sehen: daß etwa die Taufe des sich bekehrenden Königs am Hof des bereits christlichen Königs stattfindet und von dessen "Landesbischof" vollzogen wird. Hier scheint eine "eigenkirchliche" Verfahrensweise durch, die — wie die Patenschaft — auf eine persönliche Bindung hindeutet. Was aber glaubte ein Bretwalda durch die Christianisierung anderer Könige und durch eine Patenschaft über sie erreichen zu können? Es mag zur Deutung naheliegend erscheinen, sich die Rivalitäten unter den in den einzelnen Königreichen zur Herrschaft Berechtigten zu vergegenwärtigen, daß nämlich der jeweilige Herrschaftsinhaber seine Konkurrenten oft mit Gewalt vertreiben mußte, diese dann bei feindlichen Nachbarn Unterschlupf und Unterstützung suchten und dort oft genug auch fanden. Von daher könnte es einleuchten, daß durch die Christianisierung der nächsten Nachbarn ein möglicher Rückhalt für eine heidnische Opposition beseitigt wurde. So muß es plausibel erscheinen, daß Aethelberht sofort eine solche Absicherung versuchte, indem er Raedwald von Ostanglien an seinem Hof taufen ließ und auch die Christianisierung von Essex einleitete. Aber dies kann, so plausibel die Erklärung klingt, bestenfalls nur eine Vermutung sein. Wichtiger ist die Frage, ob es als Ausdruck von Aethelberhts Machtfülle zu verstehen ist, daß er andere Könige zur Taufe zu bewegen vermochte 53 . Die Schwierigkeiten, die sich für einen König aus der Taufe ergaben, hat Aethelberht, wie schon dargelegt, selber indirekt dadurch bestätigt, daß er den eigenen Sohn, der ihm nachfolgte, ungetauft ließ. Hatte er nun wirklich gegenüber anderen Königen die Macht, sie zur Taufe zu veranlassen, wo doch die Schwierigkeiten im eigenen Hause offen zutage lagen? Oder müssen unsere Überlegungen von einer anderen Seite her ansetzen, daß etwa die Taufe jenen Königen, die sie annahmen, einen gewissen Vorteil verschaffte und deswegen attraktiv erschien? Aber worin kann dieser Vorteil gelegen haben? Aus den Quellen scheint eine Antwort unmöglich. Läßt man sich trotzdem dazu herbei, Vermutungen anzustellen, so könnte etwa daran gedacht werden, daß die Taufe unter dem Patronat des Bretwalda eine Anwartschaft auf dessen Amt bewirkt haben könnte. Denn dieses Amt war ja, anders als das Königtum, nicht an die blutsmäßige Vererbung gebunden. So ist denn auch Raedwald, der sich in Kent unter Aethelberht hatte taufen lassen, dessen Nachfolger im Bretwalda-Amt geworden. Aber dies kann wiederum nur als Vermutung hingestellt werden, denn die nordhumbrischen Bretwaldas haben ihr Amt, wie wir sehen werden, eben nicht mehr abgegeben, auch nicht an ihre geistlichen Söhne.

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CAMPBELL, Conversion of England S. 17: "It has long been recognised that the first expansion of Christianity from Kent to Essex and East Anglia reflected the authority of Ethelbert as overlord of southern England ..."

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c) Erzbistum und Oberherrschaft Ein wirklich konkreter Gesichtspunkt ergibt sich erst im Blick auf das Amt des Erzbischofs. Nach Gregors des Großen Missionsplan sollten in England gemäß der antiken Provinzialstruktur zwei Metropolitanbezirke errichtet werden: zu London und York 54 . Erinnern wir uns dabei der Bedeutung dieses Amtes: War ursprünglich der Metropolit nur der Sprecher unter den Bischöfen seiner Provinz gewesen, so wurde mit Gregors des Großen Rechtspraxis der Erzbischof durch ein von Rom übersandtes Pallium in die bevorrechtigte Lage versetzt, als einziger die Bischofsweihen vornehmen und Synoden berufen zu dürfen. Um die beiden in England geplanten Erzsitze sollte sich demnach eine nicht unerhebliche Macht konzentrieren: die Bischofserhebung und die Synodenberufung. Die darin liegenden politischen Möglichkeiten können den um eine festere Oberherrschaft ringenden Bretwaldas schwerlich verborgen geblieben sein. Auszugehen ist von dem Faktum, daß im angelsächsischen England die Bistümer wie die Königreiche "gentil" organisiert waren; das heißt: jedes Volk hatte seinen König, aber auch einen eigenen Bischof 55 . Zudem läßt sich beobachten, daß die Könige "die Bischofssitze ihres Herrschaftsbereiches ganz in ihrem Sinne besetzten" 56 . Da aber allein der Erzbischof als übergeordnete Instanz zur Weihe von Bischöfen befugt war und es ihm außerdem noch zukam, Synoden zu berufen, mußten die mit einem Königreich deckungsgleichen Bistümer sich zu dieser Oberinstanz hin öffnen 57 . Wenn nun ein Herrscher in seinem Reich über einen Erzbischof verfügte, war ihm ein kirchlicher Amtsträger an die Seite gestellt, der recht genau die Entsprechung zu dem den Einzelkönigen übergeordneten Bretwalda-Amt darstellte. Sofern sich nun die Person des Erzbischofs dem politischen Oberherrscher gefügig erwies, eröffnete sich diesem die Möglichkeit, auf die Bischofsernennung einer ganzen 54

LAMB, Archbishopric of Canterbury S. 17-21; MAYR-HARTING, Christianity S. 265f. POOLE, St. Wilfrid S. 63: "It should be observed that Beda almost always speaks of a bishop by his territorial style; he is bishop of a kingdom or underkingdom: or more exactly his title is gentilic; he is bishop of the Northumbrians, or the Middle English, or the Gwissas, or the like. It is only in regard to the most ancient bishoprics, Canterbury, Rochester, London and York, that he designates a bishop by his 'see' or place of residence." Vgl. auch MOORMAN, Church in England S. 27; ferner JOHN, Early English Church S. 39-63; VOLLRATH-REICHELT, Königsgedanke S. 69: "So fällt bei der Einrichtung der angelsächsischen Bistümer doch besonders auf, daß die Bischöfe zunächst nicht für ein bestimmtes Gebiet, eine Diözese, eingesetzt wurden, sondern in der Regel für das Herrschaftsgebiet eines Königs (oder Unterkönigs), so daß die alten Diözesen die Grenzen weltlicher Herrschaften zur Zeit ihrer Einrichtung widerspiegeln." 56 VOLLRATH-REICHELT, Königsgedanke S. 73. Ein Beispiel dafür, wie ein Bischof in einen zwischen verschiedenen "Landesbistümern" bestehenden Konflikt hineingezogen wurde und sich an den ihm übergeordneten Erzbischof wenden mußte, liefert ein Brief des Londoner Bischofs Wealdhere. Der Bischof befand sich in den Einflußfeldern sowohl von Wessex und East Anglia, deren Könige sich im Streit befanden und an deren Versöhnung Wealdhere mitwirken sollte. Da aber der König von Wessex durch den Erzbischof von Canterbury gemaßregelt worden war, bat er denselben um nähere Weisungen. Die Existenz eines Erzbistums ließ in sich abgeschlossene "Landesbistümer" nicht zu. CHAPLAIS, Letter from Bishop Wealdhere [mit Text-Edition] S. 3-23. 55

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Kirchenprovinz — und das waren in England gleich mehrere Königreiche — Einfluß zu nehmen. So kann es kein Zweifel sein: Wer an der gesamtangelsächsischen Oberherrschaft interessiert war, konnte an dem Amt der Pallienträger nicht uninteressiert vorbeigehen. Bereits Aethelberhts Ausgriff nach London mag darum von dem Gedanken motiviert gewesen sein, 'diesen als Erzsitz projektierten Bischofsstuhl von vornherein in die eigene Machtsphäre zu ziehen, um die von dort aus vorzunehmenden Bischofserhebungen beeinflussen zu können. Die weitere Entwicklung nahm allerdings einen Verlauf, der nicht London, sondern Canterbury zum ersten Kirchensitz werden ließ. Der von Rom entsandte Augustinus, den Gregor nie Bischof oder Erzbischof von Canterbury nennt, sondern als Bischof der Angeln anredet, erhielt im Jahre 601 das Pallium. Der Begleitbrief legt das entsprechende kirchenorganisatorische Programm dar: Der Erzbischof soll zwölf Bischöfe weihen, die ihm unterstellt bleiben; der Bischof von London aber wird für alle Zukunft von einer Synode geweiht werden und dann vom heiligen Stuhl das Pallium erhalten. Ferner soll Augustinus nach York, sobald die Mission sich dort günstig entwickelt hat, einen Bischof eigener Wahl entsenden, der gleichfalls zwölf Bischöfe weihen und das Metropolitenrecht ausüben soll, wie ihm der Papst dann auch das Pallium senden will; sein Vorrecht soll sich nach Augustins Tod auf die von ihm geweihten Bischöfe beziehen, nicht aber auf London. Zwischen London und York soll es so gehalten werden, daß derjenige den Vorrang hat, der jeweils zuerst geweiht worden ist; immer aber sollen sie gemeinsam beraten und handeln 58 . Augustinus selbst war also nicht gehalten, London zu seinem Erzsitz zu machen. Tatsächlich blieb er in Canterbury, wo er 604 verstarb und auch sein Grab fand 59 ; die Grabschrift nennt ihn Doruuernensis archiepiscopus primus60 . Kurz vor seinem Tode hatte er Justus zum Bischof von Rochester und Mellitus zum Bischof von London 61 geweiht. Die Annahme, daß Letzterer damit Anwärter auf das nach Augustinus' Tod neu zu verleihende Pallium geworden wäre, trügt, denn Nachfolger wurde Laurentius, den Augustinus noch zu seinen Lebzeiten geweiht hatte, um nach seinem Tode jedweden Bruch zu vermeiden62 . Laurentius hat laut Beda tatsächlich das Erzbischofsamt erlangt 63 . Als mit dem Tode sowohl Aethelberhts von Kent wie auch Saberhts von Essex die Herrschaft von deren heidnischen Söhnen einsetzte, harrte allein Laurentius weiter aus; Mellitus und Justus hingegen entwichen nach Gallien64 und kehrten erst nach Eadbalds Taufe und auf dessen Geheiß zurück, wobei freilich die Londoner ihrem Bischof die Rückkehr verwehrten 65 . Eadbalds Macht war damals, 58

Gregorü I registrum XI 39 (MGH Epp. 2, S. 312f); LAMB, Archbishopric of Canterbury S. 16-24. 59 Beda, Hist. eccl. II 3 (ed. PLUMMER 1, S. 85f). 60 Ebd. S. 86. 61 Ebd. S. 85. 62 Ebd. II 4 (S. 86): Successit Augustitio in episcopatum Laurentius, quem ipse idcirco adhuc uiuens ordinauerat, ne, se defuncto, status ecclesiae tarn rudis uel ad horam pastore destitutus uacillare inciperet. Ebd. S. 87: Laurentius archiepiscopi gradu potitus. 64 Ebd. II 5 (S. 92). 65 Ebd. II 6 (S. 93).

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wie Beda eigens erläutert, nicht mehr so groß wie die seines Vaters, daß er den Widerstrebenden den Bischof hätte aufnötigen können. Wiewohl Laurentius als Erzbischof bezeichnet wird66 , weiß Beda doch nichts von einer Übersendung des Palliums. Dasselbe gilt für den Nachfolger Mellitus; auch er heißt Erzbischof 67 , ohne daß ein Pallium erwähnt wird, was insofern erstaunt, als Mellitus und Justus mit Papst Bonifatius V. in brieflichem Kontakt standen68 . Erst als Justus von Rochester nach Canterbury aufrückte, vermag Beda einen Brief desselben Papstes anzuführen, der wieder die Übersendung des Palliums bezeugt 69 . Aufs ganze gesehen entsteht der Eindruck, als habe Augustinus wie ein "Missionserzbischof" gehandelt und als sei der Plan Gregors, der für London den Erzsitz mit zwölf Suffraganen vorsah, an der heidnischen Reaktion in Essex gescheitert. Es war dann der Zwang der Verhältnisse, daß der Erzbischof am kentischen Königssitz verblieb und Canterbury infolgedessen der Erzsitz wurde. Das auf diese Weise dem kentischen Königsthron zugespielte politische Potential wurde jedoch nicht genutzt 70 . Es waren die Könige von Nordhumbrien, die das Bretwalda-Amt für sich zu gewinnen vermochten und rasch auch ihr eigenes Interesse an der kirchlichen Oberhoheit bekundeten. Daß König Edwin, der mit Hilfe Ostangliens und möglicherweise auch Merciens — er hatte zunächst eine mercische Königstochter zur Frau gehabt71 — in Nordhumbrien zur Macht gekommen war, sich zuletzt nach Kent und an die dort tätigen römischen Missionare wandte, dabei die christliche Schwester des kentischen Königs zur Frau nahm, bald auch die christliche Predigt in seinem Land zuließ und sogar die eigene Taufe nicht ausschließen mochte, kann durchaus damit zusammengehangen haben, daß er die Bedeutung erkannte, die York als zweitem Erzsitz zugedacht war. Als dann Papst Honorius (625-638) dem zum Erzbischof erhobenen Paulinus das Pallium übersandte 72 , schrieb er an Edwin einen Brief, der das königliche Interesse an den Palliumsrechten offen bezeugt: Was der König sich für die Weihe seiner Priester erhofft habe, das habe er, der Papst, auf den Bericht des Briefboten hin wohlgefällig und unverzüglich zugestanden; die Pallien für die zwei Metropoliten — also für Honorius in Canterbury und Paulinus in York — seien dazu verliehen, daß in dem von Rom so weit entfernten Britannien beim Versterben des ersten Palliumträgers immer noch ein zweiter vorhanden sei, um an des Papstes Statt den Nachfolger zu berufen. Glücklicherweise überliefert Beda 66

Ebd.: No« enim tanta erat ei, quanta patri ipsius regni potestas, ut etiam nolentibus ac contradicentibus paganis antistitem suae posset ecclesiae reddere. 67 Ebd.: archiepiscopus Mellitus. 68 Ebd. II 7 (S. 94): susceperunt scripta exhortatoria a pontifice Romanae et apostolicae sedis Bonifa tio. 69 Ebd. II 8 (S. 96): Pallium praeterea per latorem praesentium fraternitati tuae ... direximus. Daß damit "die Metropolitanrechte von London auf Canterbury übergingen" (BRECHTER, Bekehrung der Angelsachsen S. 206), dürfte in dieser Bestimmtheit kaum zutreffen. 70 Daß es "die politische Überlegenheit von Kent zur Zeit Aethelberhts" gewesen sei, die "für die Folgezeit Canterbury den Primat in England gebracht" habe (WENSKUS, Aethelberht S. 89), kann schwerlich zutreffend sein. 71 Beda, Hist. eccl. II 15 (ed. PLUMMER l, S. 114). 72 Ebd. II 17 (S. 118ff); SCHÄFERDIEK, Grundlegung S. 169; BLAIR, World of Bede S. 96f.

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noch einen weiteren Brief mit gleichem Datum, worin diese Regelung auch dem Honorius von Canterbury mitgeteilt wird; wir erfahren dort, daß der Papst seine Anordnung auf Bitten des angesprochenen Erzbischofs sowie auch 'unserer Söhne, der Könige'73 getroffen habe. Damit ist in aller Deutlichkeit erwiesen, daß die Könige, eben die von Kent und Nordhumbri'en, an der Palliumerteilung ein persönliches Interesse hatten, ja mehr noch, daß sie gemeinsam sich in dieser Frage verständigt haben müssen. Als Papst Honorius die Briefe an Edwin und Honorius schrieb, war jedoch der nordhumbrische König bereits tot. In einer Schlacht gegen Penda von Mercien und den keltischen Caedwalla hatte er Leben und Reich verloren. Nach kurzem heidnischen Zwischenspiel errang dann Oswald in Nordhumbrien die Oberhand. Im Exil, das dieser während Edwins Herrschaft hatte auf sich nehmen müssen 74 , war er dem Christentum der keltischen Observanz beigetreten. Es ist nun interessant zu sehen, wie auch er, der auf den Rechtsträger eines römischen Erzbischofs verzichten mußte, in anderer, aber durchaus entsprechender Weise die nordhumbrische Oberherrschaft wiederum mit kirchlichen Mitteln zu unterbauen wußte. Zunächst freilich wandte er sich, so erfahren wir, an die maiores natu Scottorum, bei denen er mit seinen Anhängern während des Exils die Taufe empfangen hatte, und trug an sie die Bitte heran, ihm zur Bekehrung und Belehrung seines Volkes einen Bischof zu senden 75 . Tatsächlich schickte man ihm einen solchen; es war Aidan, der mit einer Schar mönchischer Mitarbeiter zu ihm stieß. Sie alle kamen aus dem Kloster lona 76 , und sie begannen nun im Herrschaftsbereich Oswalds zu wirken (in illis Anglorum prouinciis, quibus regnauit Osuald)77. Es ist genau an dieser Stelle, daß Beda seine berühmte Schilderung des Klosters lona mit der für die irische Kirchenorganisation typischen monastischen Oberherrschaft einschiebt: Das Kloster habe als Vorort die Oberhoheit über alle Klöster bei den Pikten ausgeübt (arcem tenebat)1*. Tatsächlich regierte das Inselkloster über alle Niederlassungen, die vom eigenen Stifter Columba und seinen Schülern in Britannien und Irland gegründet worden waren, und übte dort die volle kirchliche Oberhoheit (principatus) aus. Die weitverzweigte Jurisdiktion wurde jeweils vom Abt des Gründungsklosters, der aber nur ein Priester war, ausgeübt, und ihm 73

Beda, Hist. eccl. II 18 (ed. PLUMMER l, S. 121): iuxta uestrampetitionem, quam filiorum nostrorum regum. 74 ANDERSON, Kings and Kingship S. 156f. 75 Beda, Hist. eccl. III 3 (ed. PLUMMER l, S. 131): misit ad maiores natu Scottorum, inter quos exulans ipse baptismatis sacramenta cum his, qui secum erant, rnilitibus consecutus erat; petens, ut sibi mitteretur antistes, cuius doctrina ac ministerio gens, quam regebat, Anglorum, dominicae fidei et dona disceret, ut susciperet sacramenta. Ebd. S. 132: Monachus ipse episcopus Aedan, utpote de insula, quae uocatur Hü, destinatus, cuius monasterium in cunctis pene septentrionalium Scottorum, et omnium Pictorum monasteriis non paruo tempore arcem tenebat, regendisque eorum populis praeerat; s. auch ebd. Ill 5 (S. 135). 77 Ebd. III 3 (S. 132): Exin coepere plures per dies de Scottorum regione uenire Brittaniam atque illis Anglorum prouinciis, quibus regnauit Osuald, magna deuotione uerbum fidei praedicare et credentibus gratiam baptismi, quicumque sacerdotali erant gradu praediti, ministrare. 78 S. Anm. 76.

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waren, wie Beda mit merklichem Befremden hervorhebt, 'ungewöhnlicherweise' auch die Bischöfe unterstellt 79 . Der ganze Vorgang enthält Elemente von sowohl kirchlicher wie politischer Bedeutsamkeit. Schon daß Oswald die schottischen maiores um Missionare bat, wirft die Frage auf, über welche Selbständigkeit er überhaupt verfügte. Daß die ihm zugesandten Missionare dem kirchlich-monastischen Prinzipat von Hy verbunden blieben, brachte seinen ganzen Herrschaftsbereich unter die kirchliche arx der Schotten; und dies wirkte sich auch auf die Ausgriffe aus, die den nordhumbrischen Bretwaldas in der Folgezeit zum Süden hin gelangen. Indem Oswald und später Oswiu Missionare bis an die Grenzen von Kent entsenden konnten, vervielfachten sie ihren politischen wie auch kirchlichen Einflußbereich. Doch vermochten sie dabei offenbar keine selbständige nordhumbrische "Kirchenprovinz" zu errichten, blieben doch ihre Missionare an Hy gebunden 80 . Wohl gründete Aidan in getreuer Nachahmung des Mutterklosters auf einer der Ostküste vorgelagerten Insel das Kloster Lindisfarne81 . Auch behielt er Klosterleitung und Bischofsamt in seiner Hand vereinigt. Dieses System überdauerte sogar lange Zeit, versetzte aber Lindisfarne nicht in die Position einer monastischen arx für Nordhumbrien; denn Aidans Nachfolger Finan kam wiederum von Hy82 . Und an dieser Situation änderte sich auch dann nichts, als mit Nordhumbriens wachsendem politischen Einfluß der Wirkungsbereich von Lindisfarne immer weiter nach Süden ausgedehnt wurde. Als am nordhumbrischen Königshof Ad Murum der mercische König Peada, der über die Mittelangeln regierte, getauft wurde, gab Oswald ihm vier Priester: drei Angeln und einen Kelten namens Diuma, der dann nach Pendas tödlicher Niederlage der Bischof in Mittelanglien und Mercien wurde 83 . Dessen 79

Beda, Hist. eccl. III 4 (ed. PLUMMER l, S. 134): Ex quo utroque monasterio plurima exinde monasteria per discipulos eius et in Brittania et in Hibernia propagata sunt, in quibus omnibus idem monasterium insulanum, in quo ipse requiescit corpore, principatum teneret. Habere autern solet ipsa insula rectorem semper abbatem presbyterum, cuius iuri et omnis prouincia, et ipsi etiam episcopi ordine inusitato debeant esse subiecti. 80 Diesen Aspekt hat A.A.M. DUNCAN (Bede, lona, and the Picts S. lOf) besonders herausgestellt. In der Bezeichnung lona's als einer arx sei wohl mehr als nur die Oberhoheit über andere Klöster ausgedrückt; auch sieht er hierin den Anspruch auf die Führung in der englischen Mission angemeldet. Das Wort principatus, schon weil es in der Historia ecclesiastica nur hier vorkomme, könne keineswegs zufällig sein; ebensowenig die Benennung des Abtes als eines abbas presbyter, die eher als eine defensive Stellungnahme gegen Primatsanspriiche solcher Kirchen zu verstehen sei, deren erste Lehrer samt ihren Nachfolgern — anders als der Gründungsabt Columba von lona — Bischöfe gewesen seien. Zu der irisch-nordhumbrischen Mission in England s. BLAIR, World of Bede S. 100-114; BULLOUGH, Missions S. 80-98; LAMB, Archbishopric of Canterbury S. 52-61; 81 Beda, Hist. eccl. I l l 3 (ed. PLUMMER 1, S. 132): Uenienti igitur ad se episcopo, rex locum sedis episcopalis in insula Lindisfarnensi, ubi ipse petebat, tribuit. 82 Ebd. Ill 17 (S. 160): Successit uero ei in episcopatum Finan, et ipse illo ab Hit Scottorum insula ac monasterio destinatus, ac tempore non pauco in episcopatH permansit. Ebd. I l l 21 (S. 170): Baptizatus est ergo a Finan episcopo cum omnibus, qui secum uenerant, comitibus ac militibus, eorumque famulis uniuersis in uico regis inlustri, qui uocatur Ad Murum. Et acceptis IIII presbyteris, qui ad docendam baptizandamque gentem illius et eruditione et uita uidebantur idonei, multo cum gaudio reuersus est. Erant autem presbyteri. Cedd,

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Nachfolger wurde Ceollach, wiederum ein Kelte, bei dem die weiterhin intakte Bindung an Hy daran erkenntlich wird, daß er schon bald wieder zu seinem caput und zu seiner arx Hy zurückkehrte 84 . Den weitesten Ausgriff konnte Oswiu tun, als in seiner Pfalz Ad Murum Sigeberht von Essex getauft wurde. Auch dem Ostsachsen wurden Priester mit auf den Weg gegeben; es waren Cedd und ein weiterer Presbyter, die als 'Lehrer' die Bekehrung von Essex herbeiführen sollten85. Nach einer ersten Zeit des Wirkens erhielt Cedd, der selber anglischer Herkunft war, von Finan in Lindesfarne die Bischofsweihe86. Die Tatsache, daß diese Weihe nicht mehr in Hy vollzogen wurde, als ein Zeichen dafür ansehen zu wollen, daß Lindisfarne nun endlich die Rolle eines eigenständigen Vorortes im Reiche Oswius eingenommen habe, dürfte täuschen. Daß nämlich lona weiterhin auch für das nordhumbrische Inselkloster die dominierende arx blieb, scheint sich darin anzudeuten, daß Coloman, der letzte in der Reihe der keltischen Abtbischöfe von Lindisfarne, nach dem Sieg der römischen Partei auf der Synode von Whitby 'zur Insel Hy, von wo aus er zur Predigt des Wortes bei dem Volk der Angeln gesendet worden war', zurückkehrte 87 . Demnach dürfte es sich allenfalls erst allmählich und wohl nicht einmal vollständig dahin entwickelt haben, daß Lindisfarne als Vorort der nordhumbrischen Kirche fungierte. Wir stehen folglich vor der Tatsache, daß die dortigen Bischöfe, bei denen keinerlei Anhalt für einen Kontakt mit Canterbury sichtbar wird, auf lona als ihrem caput ausgerichtet blieben; dort war ihre Mutterkirche, und ihr waren sie Untertan 88 . Für uns ist wichtig, daß die von lona dem nordhumbrischen "Landeskloster" vermittelten Missionare bis nach London kamen, und insofern wird klar, was das Recht der Entsendung von Geistlichen in ein zu bekehrendes Land an politischen Möglichkeiten in sich barg89 . et Adda, et Betti, et Diuma, quorum ultimus natione Scottus, ceteri fuere de Anglis. Ferner ebd. S. 170f: Ipso [Pendan] autem occiso, cum Osuiu rex Christianus regnum eius acciperet, ut in sequentibus dicemus, factus est Diuma unus ex praefatis IIII sacerdotibus episcopus Mediterraneorum Anglorurn simul et Merciorum, ordinatus a Finano episcopo. Ebd. S. 171: Suscepitque pro illo episcopatum Ceollach, et ipse de natione Scottorum, qui non multo post, relicto episcopatu, reuersus est ad insulam Hü, ubiplurimorum caput et arcem Scotti habuere coenobiorum. 85 Ebd. III 22 (S. 172): [Sigberct] postulans ab Osuiu rege, ut aliquos sibi doctores daret, qui gentem suam ad fidem Christi conuerterent, ac fönte salutari abluerent. At ille mittens ad prouinciam Mediterraneorum Anglorum clamauit ad se uirum Dei Cedd, et dato illi socio altero quodam presbytero, misitpraedicare uerbum genti Orientalium Saxonum. 86 Ebd. S. 172f: [Finan] fecit eum [Cedd] episcopum in gentem Orientalium Saxonum, uocatis ad se in ministerium ordinationis aliis duobus episcopis. Qui accepto gradu episcopatus rediit ad prouinciam, et maiore auctoritate coeptum opus explens, fecit per loca ecclesias, presbyteros et diaconos ordinauit. 87 Ebd. IV 4 (S. 213): Interea Colmanus, qui de Scottia erat episcopus, relinquens Brittaniam ... primo uenit ad insulam HU, unde erat ad praedicandum uerbum Anglorum genti destinatus; CHADWICK, Bede S. 188f. 88 BLAIR, World of Bede S. 105f: "There is no sign that they had any contact with Canterbury and we must presume that they looked to Lindisfarne, and beyond to lona, as the mother church to whom obedience was due." 8 JOHN, Orbis Britanniae S. 20: "It can hardly be a coincidence that from the time of the

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Nach dem Sieg der römischen Partei auf der Synode von Whitby im Jahre 663/64 stand sofort auch die Frage einer neuen Kirchenorganisation an. Dem resignierenden Coloman folgte Tuda, der binnen kürzester Zeit nach York übersiedelte; mit E. John ist zu vermuten, daß man sich dabei des alten römischen Missionsplanes Gregors des Großen entsonnen hat, demzufolge York als Erzsitz in Nordhumbrien ausersehen war 90 . Tatsächlich drängte sich auch sofort die Frage nach dem Erzbischof in den Vordergrund. Als in Canterbury 664 Erzbischof Deusdedit verstarb, entschied nicht allein der kentische König Egbert über den Nachfolger, vielmehr geschah die Auswahl in Zusammenarbeit mit Oswiu von Nordhumbrien. Wighard, aus dem Klerus von Canterbury, wurde als Kandidat ausersehen und zur Ordination nach Rom gesandt 91 . Dort aber verstarb er noch vor seiner Weihe, und Papst Vitalian sandte nun — nach Beda — an Oswiu einen Brief, der die Antwort auf ein Schreiben des Königs darstellt und in dem der Papst versichert, daß er einen gelehrigen und allseits ausgezeichneten Bischof senden werde, ganz wie es der König in seinem Brief gewünscht habe 92 . Es könne kein Zweifel sein, so ist dieser Papstbrief interpretiert worden, daß Vitalian der Meinung gewesen sei, bei dem zu konsekrierenden Erzbischof handele es sich vornehmlich um einen Mann für Oswiu 93 . Trotz Oswius Initiative, die seinen Blick für die überragende Bedeutung des Erzbistums verrät, wurde aber York erst sehr viel später zum Erzsitz erhoben. Der lange Streit um Wilfrid und seine Stellung in Nordhumbrien ist möglicherweise dadurch zu erklären, daß der nordhumbrische König Ecgfrith (670-685) den aus Rom entsandten Theodor gerne als einzigen Erzbischof unter seine Oberhoheit genommen hätte 94 . Aber erst im Jahre 735 wurde York zum Erzsitz erhoben; Egbert, der ein Vetter des regierenden Königs Ceolwulf war, erhielt als erster das Pallium 95 . Die Verzögerung, die York in der Erhebung zum Metropolitansitz widerfuhr, entsprach dem Machtverfall Nordconversion the hegemony took on a new stability, a new persistence." 90 DERS., Early English Church S. 48f. Ebd. S. 49: "At any rate there is no doubt that before the year was out the see had moved south. This meant that the bishop of the Northumbrian and Bernician king moved away from his court to York — and the potentially breakaway province of Deira. There is no doubt, then, that the move was made very soon after Whitby: there must have been a compelling reason, and I suggest that one of the consequences of the synod was an acceptance of Gregory's original wishes for the siting of the principal northern see." 91 Beda, Hist. eccl. Ill 29 (ed. PLUMMER 1, S. 196): His temporibus reges Anglorum nobilissimi, Osuiu prouinciae Nordanhymbrorum, et Ecgberct Cantuariorum, habito inter se consilio, quid de statu ecclesiae Anglorum esset agendum, intellexerat enim ueraciter Osuiu, quamuis educatus a Scottis, quid Romana esset catholica et apostolica ecclesia, adsumserunt cum electione et consensu sanctae ecclesiae gentis Anglorum, uirum bonum et aptum episcopatu, presbyterum nomine Uighardum, de clero Deusdedit episcopi, et hunc antistitem ordinandum Romam miserunt; quatinus accepto ipse gradu archiepiscopatus, catholicos per omnem Brittaniam ecclesiis Anglorum ordinäre posset antistites. Ebd. S. 197f: Hominem ... docibilem et in omnibus ornatum antistitem, secundum uestrorum scriptorum tenorem. 93 JOHN, Orbis Britanniae S. 17. S. auch VOLLRATH-REICHELT, Königsgedanke S. 104108; LAMB, Archbishopric of York S. 32f; GIBBS, Decrees S. 219ff. 94 GIBBS, Decrees S. 224. 95 LAMB, Archbishopric of York S. 55ff.

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Fränkische und angelsächsische Bekehrung

humbriens. Demgegenüber behauptete Mercien, beginnend mit König Wulfhere (657-678) und andauernd bis um die Wende des 8./9. Jahrhunderts, den Vorrang unter den angelsächsischen Königreichen. Für die Zeit von 788-802 vermochte deswegen das mercische Lichfield den Rang eines Erzsitzes einzunehmen 96 . Wie sehr eine gesamtenglische Oberhoheit sich immer auch kirchlich manifestierte, veranschaulicht die Tatsache, daß von 742 bis 825 die mercischen Könige insgesamt 21 südenglischen Synoden präsidierten 97 . Es kann wiederum kein Zweifel sein, daß die Einrichtung eines Erzbistums den zur gesamtenglischen Herrschaft strebenden Bretwaldas von besonderer Bedeutung gewesen ist. Rückschauend auf die angelsächsische Bekehrungsgeschichte sehen wir recht verschiedenartige Kräfte am Werk: Die Missionare begegneten dem König und seinen Großen, aber auch dem Bretwalda, der einerseits die Mission in andere Königreiche weiterzutragen half, andererseits aber die Einrichtungen und Amtsvorstellungen der Kirche, insbesondere das Erzbischofsamt, in den Dienst seines Imperiums zu stellen suchte: Die eigene Landeskirche und ebenso der eigene Herrschaftsbereich konnte durch die Mission ausgeweitet werden. Wendet man aber diese Beobachtungen noch einmal wieder zurück auf die allerersten Anfänge der angelsächsischen Bekehrungsgeschichte, so zeigt sich nochmals ein überraschender Befund: Aethelberht von Kent hatte Berta, die Tochter des in Paris residierenden Merowingers Charibert I. (561-567), geheiratet98 ; dies muß — Aethelberht hat ein ungewöhnlich hohes Alter erreicht — um 562/3 geschehen sein 99 . Als Christin hatte sich Berta, wie Beda noch zu wissen glaubte, die freie Ausübung ihres Glaubens ausbedungen und deswegen einen Geistlichen namens Liudhard mit nach Canterbury gebracht. Dieser war aber nicht einfach ein Priester, sondern Bischof100. Hält man sich vor Augen, daß im Gallien des 6. Jahrhunderts Bischofsweihen nur für einen leerstehenden Episkopalsitz, nicht aber zur Auszeichnung einer Person gespendet wurden 101 , muß die Tatsache, daß Liudhard Bischof war, aufmerken lassen. Sollte hier nicht dasselbe imperiale Missionsmodell inauguriert worden sein, das wir in der Missionsgeschichte Englands und darüber hinaus noch so oft antreffen? Liudhard wäre dann der Emissär des Merowingerkönigs gewesen, um als Bischof das zu bekehrende Kent an die gallische Kirche anzubinden. Die 96

LEVISON, England S. 19. S. auch die Karte bei LAMB, Archbishopric of York S. 135. HART, Mercia S. 58 mit Anm. 3. 98 Gregor von Tours, Hist. IX 26 (MGH SS rer. Merov. l / l , S. 4454).· Ingoberga reginu, Chariberti quondam relicta, migravit a saeculo, ... relinquens filiam unicam, quam in Canthia regis cuiusdam filius matrimonio copulavit; Beda, Hist. eccl. I 25 (ed. PLUMMER l , S. 45): Nam et antea fama ad eum [Aedilberct] Christianae religionis peruenerat, utpote qui et uxorem habebat Christianam de gente Francorum regia, uocabulo Bercta. 99 LOHAUS, Merowinger und England S. 6ff; WALLACE-HADRILL, Early Germanic Kingship S. 27ff; EWIG, Dynastie S. 29. 100 Beda, Hist. eccl. I 25 (ed. PLUMMER l, S. 45): ea condicione ..., ut ritum fidei ac religionis suae cum episcopo, quem ei adiutorem fidei dederant, nomine Liudhardo, inuiolatum seruare licentiam näheret. Liuthard den 'chaplain' Bertas zu nennen (STANCLIFFE, Kings and Conversion S. 62; WALLACE—HADRILL, Early Germanic Kingship S. 27) verwischt die bedeutsame Tatsache seines Bichofsamtes. 101 GOTTLOB, Chorepiskopat S. 7-19; FUCHS, Ordinationstitel S. 118-137, 211-226. 97

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schon so oft gestellte Frage, warum eigentlich Liudhard missionarisch untätig blieb, muß dann nicht unbedingt mit dessen persönlicher Inaktivität erklärt werden, wie es die Forschung vielfach tut; sie könnte vielmehr darin begründet gewesen sein, daß Aethelberht ihn ob der abzusehenden Konsequenz einer Eingliederung in die gallische Kirche und — schlimmer noch — einer Unterwerfung unter den Patronat des Merowingerkönigs abgedrängt hat. J.M. Wallace-Hadrill102 hat mehrmals darauf hingewiesen, daß man sich doch fragen müsse, warum Aethelberht die christliche Mission von den Merowingern weder erbeten noch erhalten habe, dieselbe aber von Rom anzunehmen bereit gewesen sei. Ja, er hält mit F.M. Stenton dafür, daß bereits Aethelberhts Heirat mit Berta eine irgendwie geartete politische Verbindung mit den Merowingern eingeschlossen und sogar den Eintritt in die Familie der katholischen Könige inauguriert habe 103 . Dies vorausgesetzt, hätte eine Missionierung durch die fränkische Kirche eine bereits vorgezeichnete Anbindung an die Merowinger nur weiter verstärken müssen. Außerdem gibt es Anzeichen dafür, daß die Initiative zur Entsendung der römischen Missionare, wie Papst Gregor andeutet, von England ausgegangen ist 104 . So hat also vielleicht schon ganz am Anfang der angelsächsischen Missionsgeschichte das Modell der imperialen Herrschertaufe seine Wirkung getan, freilich in der Weise, daß es bewußt gemieden und stattdessen Rom eingeschaltet wurde: "It was safe to take Christ from Rome ..."10S Daß die Überlegungen von WallaceHadrill weit über die angelsächsischen Verhältnisse hinausgreifen und dadurch erhöhte Plausibilität gewinnen, wird die weitere Missionsgeschichte zeigen: Die osteuropäischen Völker haben dem Bestreben der Ost- und Westkaiser, sie mittels

102 WALL ACE- ADRILL, Early Germanic Kingship S. 29: "He [Aethelberht] had neither sought nor obtained conversion at Merovingian hands ... But by 596 or earlier he was ready to consider it from Rome, as Pope Gregory was aware." So auch MAYR—HARTING, Christianity S. 63f; CAMPBELL, First century S. 16f und ebd. S. 19: "... we know that Justus, bishop of Rochester, and Peter, abbot of St Peter's Canterbury, attended the great council at Paris in 614. Many explanations of their presence are possible, from chance to their having been summoned as an indication of Clothar II's having some kind of overlordship in Kent." 103 J.M. WALLACE-HADRILL (Early Germanic Kingship S. 25) beruft sich auf eine Passage aus einem Brief Gregors des Großen an Theuderich II. und Theudebert II. vom Juli des Jahres 596: magnam de vobis materiam praesumendi concepimus, quod subiectos vestros ad earn coriverti fidem per omnia cupiatis, in qua eorum nempe estis reges et domini. Atque ideo pervenit ad nos Anglorum gentem ad fidem christianam Deo miserante desideranter velle converti, sed sacerdotes e vicino neglegere et desideria eorum cessare sua adhortatione succendere (Gregorii I registrum VI 49 [MGH Epp. l, S. 423 22 ]). Er kommentiert (S. 25): "The only escape from 'subiectos vestros' is to suppose that Gregory did not mean what he said, or was ill-informed, but he was quite well-informed about Prankish affairs as a whole. The dependence, whatever it meant, was there in his eyes. I think Stenton was right to argue that marriage into the great Merovingian house would have implied some sort of political dependence for the Kentish kings ..." S. auch STENTON, Anglo-Saxon England S. 59: "In the sixth century the king of a small people who married into a great family became its dependant. None of the Prankish kings contemporary with Aethelberht would have regarded him as an equal." S. Gregors Bemerkung: pervenit ad nos Anglorum gentem ad fidem christianam ... desideranter velle converti (vgl. voraufgehende Anm.). 105 WALLACE-HADRILL; Early Germanic Kingship S. 45.

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des Taufpatronats in ihr Reich einzugliedern, dadurch zu entgehen versucht, daß sie den politisch neutralen Papst um Missionare baten. Dasselbe könnte aber auch schon bei der Angelsachsen-Mission geschehen sein.

2. Mission und Kirchenorganisation unter den Karolingern

§ 28 Friesen Eine neue Phase missionarischer Aktivität setzte ein, als die Angelsachsen auf dem Kontinent zu wirken begannen. Sie trugen die Mission bewußt zu den ihnen stammesverwandten Friesen und Sachsen und überschritten dabei die fränkischen Grenzen. Wilfrid von York, eigentlich auf der Reise nach Rom, war der erste, der während eines aus politischen Rücksichten erzwungenen Aufenthaltes bei den Friesen im Winter 678/79 zu missionieren anfing. Wie Eddius Stephanus, der Verfasser seiner Vita, betont, tat er dies cum licentia regis, mit Erlaubnis des in Utrecht residierenden Friesenkönigs Aldgisel1 . Auch Wikbert, der sich als nächster für zwei Jahre in der Friesenmission versuchte, predigte 'dem Volk und seinem König', als welcher inzwischen Radbod regierte 2 . Noch Winfrid-Bonifatius, der 716 seine Missionsarbeit ebenfalls bei den Friesen begann, bemühte sich um die Zustimmung dieses Königs 3 . Nichts zeigt besser die veränderte Situation als diese königliche Zulassung: Die Missionare befanden sich nicht mehr in einem nominell christlichen Reich, wo nur noch letzte Reste von Heidentum zu beseitigen gewesen wären; vielmehr betraten sie ein Königreich, das noch keine grundsätzliche Bereitschaft zur Annahme des Christentums ausgesprochen hatte und mit den Franken um den ungeschmälerten Besitz seiner Unabhängigkeit kämpfte. Den Angelsachsen mag bei ihren ersten Versuchen zugute gekommen sein, daß sie nicht als Emissäre der fränkischen Reichskirche auftraten, ja, daß sie den Friesen in der Gestalt des aus der angelsächsischen Heimat geläufigen Erzbistums eine von den Franken sogar unabhängige Kirchenform anzubieten vermochten: ein Erzbistum für das friesische Volk, was eine eigene Landeskirche bedeutet hätte. 1

Eddius Stephanus, Vita Wilfridi 26 (MGH SS rer. Merov. 6, S. 220 6 ): in Preis ... pervenit, ibique gentilium copiis inventis ab Aldgislo rege honorifice susceptus est. Tunc statim sanctus pontifex noster cum licentia regis verbum Dei gentilibus cotidie praedicavit. s. auch Beda, Hist, eccl. V 19 (ed. PLUMMER l, S. 326); LEVISON, England S. 49-53; DERS., Willibrord S. 314329; RICHTER, Angelsächsische Mission S. 123-131. 2 Beda, Hist. eccl. V 9 (ed. PLUMMER l, S. 298): Fresiam perueniens, ... genti illi ac regi eius Rathbedo ... praedicabat. 3 Willibald, Vita Bonifatii 4 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 57, S. 1621 ): pervenit ad Treckt, ibique ..., advenientem regem Raedbodum adlocutus est, ... utrum sibi in futurum praedicationis uspiam patesceret locus.

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Daß diese Idee wirklich eine Rolle gespielt hat, wird an jenem angelsächsischen Missionar deutlich, der sich das größte Verdienst in der Bekehrung der Friesen erworben hat, an Erzbischof Willibrord. Aber gerade er verdankte seinen Erfolg der Tatsache, daß er politisch einen anderen Weg einschlug: Er wandte sich nach seiner Ankunft auf dem Kontinent an den Hausmeier Pippin 4 , der kurz zuvor die Fresia citerior — wohl das Gebiet südlich von Maas und Rhein, aber noch ohne Utrecht 5 — erobert hatte. Von ihm ließ er sich die licentia praedicandi geben 6 . "Die ursprünglich freie angelsächsische Friesenmission trat somit in den Bannkreis der fränkischen Reichsgewalt."7 Nach Erhalt der Lizenz seitens des Hausmeiers aber ging Willibrord, wie Beda berichtet, zuerst nach Rom, um mit des Papstes 'Erlaubnis und Segen das ersehnte Missionswerk bei den Heiden zu beginnen' 8 . Weiter erfahren wir dann, daß die in Friesland tätigen Missionare einen Bischofskandidaten namens Suidbert aus ihrem Kreis auswählten und nach Britannien schickten; in Kent sollte er von Erzbischof Theodor geweiht werden, was aber wegen dessen Versterbens nicht mehr möglich war. Die Weihe vollzog dann der aus Nordhumbrien vertriebene Wilfrid. Als aber Suidbert zurückkehrte, ging er, so berichtet Beda überraschenderweise, zu den Brukterern, statt in Friesland als Bischof zu beginnen 9 . Der Vorgang, der in der Tat verwundern muß, ist in der Historiographie ohne rechte Erklärung geblieben10 . Eine gewisse Plausibilität kann freilich von folgender, hier wichtiger Überlegung abgeleitet werden: Für die Angelsachsen konnte die Bischofsweihe nur von einem Erzbischof vorgenommen werden; da es aber einen solchen in Nordgallien, im Herrschaftsbereich Pippins, nicht gab 11 , könnte hierin der Grund zu suchen sein, daß man sich nach England 4

Beda, Hist. eccl. V 10 (ed. PLUMMER l, S. 298f); ANGENENDT, Willibrord S. 67. FRITZE, Utrechts. 106-114. 6 Beda, Hist. eccl. V 11 (ed. PLUMMER l, S. 301). Daß diese 'Erlaubnis' nicht zufällig ausgesprochen worden ist, sondern wohl eher die fränkische Missionspoiitik veranschaulicht, dürfte auch im Blick auf eine Formulierung der Vita des hl. Wulfram klar werden. Es heißt dort, daß der Heilige in Friesland missioniert habe cum licentia regis Hildeberti et Pippini principis (Vita Vulframni 11 [MGH SS rer. Merov. 5, S. 670 ]). Eine solche Formel wird man schwerlich als Erfindung des späteren Vitenschreibers ansehen können. 7 LÖWE, Pirmin S. 202. 8 Beda, Hist. eccl. V 11 (ed. PLUMMER l, S. 301): ut cum eius licentia et benedictione desideratum euangelizandi gentibus opus iniret. 9 Ebd. S. 302: Quo (empöre fratres, qui erant in Fresia uerbi ministerio mancipati, elegerunt ex suo numero uirum modestum moribus, et mansuetum corde, Suidberctum, qui eis ordinaretur antistes, quem Brittaniam destinatum ad petitionem eorum ordinauit reuerentissimus Uilfrid episcopus, qui turn forte patria pulsus in Merciorum regionibus exulabat. Non enim eo tempore habebat episcopum Cantia, defuncto quidem Theodora, sed necdurn Berctualdo successors eius, qui trans mare ordinandus ierat, ad sedem episcopatus sui reuerso. Qui uidelicet Suidberct accepto episcopatu, de Brittania regressus, non multo post adgentem Boructuarorum secessit ... 10 HAUCK, Kirchengeschichte l, S. 407f: Pippin habe Willibrord als Erzbischof gewünscht; FLASKAMP, Suidbercht S. 18f: Weihe durch Wilfried sei kanonisch unerlaubt gewesen; RADEMACHER, Sachsenmission S. 148: Zwist unter den Missionaren. S. auch JUNG-DIEFENBACH, Friesenbekehrung S. 28 mit Anm. 28. Beda berichtet allerdings, daß der als Nachfolger des verstorbenen Theodor ausersehene Bertwald in Lyon geweiht wurde: a Goduine metropolitano episcopo Galliarum (Hist. eccl. V 8 fed. PLUMMER l, S. 295]). 5

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wandte. Die Konsequenz aber dürfte Pippin rasch klar geworden sein: ein zum südenglischen Metropolitanverband gehöriger Bischof in Friesland!12 Deswegen dann der Abgang Suidberts und anschließend die Auswahl eines neuen Kandidaten, der Willibrord war. Dieser ging, zufolge Beda auf Geheiß Pippins, nach Rom, wo er die Weihe erhielt13 . Von dort aber kehrte er mit dem Pallium zurück, als 'Erzbischof für das Volk der Friesen' 14 . Wohl genau zu diesem Zeitpunkt sind die Franken in einem neuerlichen Vorstoß bis zum Vlie vorgedrungen15 jedenfalls konnte Pippin dem Neugeweihten den friesischen Königsort Wiltaburg, das alte Traiectum und heutige Utrecht, zur Aufrichtung seines Erzstuhles zuweisen16 . Willibrord wurde auf diese Weise eine Kampffigur in der politischen und religiösen Selbstbehauptung der Friesen gegen die Franken. Seine Konfrontation verschärfte sich noch dadurch, daß er, wie Klosterurkunden von Echternach und Susteren erkennen lassen, eine besondere Treuebindung an die pippinische Hausmeierfamilie einging17. Ihm nun, dem fränkischen fidelis, wurde der friesische Königssitz Wiltaburg/ Utrecht zum Erzsitz gegeben. So mußte er den Friesen als ein Missionar in fränkischen Diensten erscheinen, der ihnen aber mit dem Anspruch eines 'Erzbischofs der Friesen' entgegentrat und an ihrem Königsort residieren wollte. Unübersehbar verkörperte er damit den Anspruch, für das ganze Volk zuständig zu sein und es gleichzeitig ins Frankenreich einbeziehen zu wollen. Hatte Willibrord Erfolg mit seiner Mission, mußte es notwendig dahin kommen, daß das bislang selbständige Friesenreich kirchlich und zugleich politisch unter die fränkische Oberhoheit ge12

Unter den Responsa Gregorii, jenen teilweise umstrittenen Antworten Gregors des Großen auf Anfragen Augustins von Canterbury, behandelt die siebte das Problem der Jurisdiktionellen Zuständigkeit Augustins, die der Papst streng auf die britannischen Inseln beschränkt, wobei er ausdrücklich Gallien ausschließt (Gregorii I registrum XI 56a c. VII [MGH Epp. 2, S. 337]). Da gegen 700 die Responsa auch als eigener Libellus in Umlauf kamen (s. $ 8 Anm. 17), könnten sie durchaus mitgewirkt haben, eine Abhängigkeit von England in Frage zu stellen. 13 Beda, Hist. eccl. V 11 (ed. PLUMMER l, S. 302): ... misit Pippin fauente omnium consensu uirum uenerabilem Uilbrordum Romam, cuius adhuc pontificatum Sergius habebat, postulans, ut eide-m Fresonum genti archiepiscopus ordinaretur. FRITZE, Utrecht S. 124-129. 14 Liber Pontificalis, Vita Sergii (ed. DUCHESNE l, S. 376 15 ): Hie [Sergius] ordinavit Bertoaldum Brittaniae archiepiscopum atque Clementem in gentem trisonum. LEVISON, England S. 53-69; DERS., Willibrord S. 325f; FRITZE, Utrecht S. 120-124. 15 FRITZE, Utrecht S. 130-148. 16 Beda, Hist. eccl. V 11 (ed. PLUMMER l, S. 303): Donauit autem ei Pippin locum cathedrae episcopalis in castello suo inlustri, quod antique) gentium illarum uerbo Uiltaburg, idestOppidum Uiltorum, lingua autem Gallica Traiectum uocatur. SCHIEFFER, Domkapitel S. 175-180. 17 WAMPACH, Echternach 1/2, Nr. 15 S. 42f: cum ipse ... Willibrordus de hac luce migraverit, ipsi fratres quem ex semetipsis elegerint, sibi constituant abbatem ea ratione, ut heredibus nostris in omnibus fidelis appareat, et ibidem secundum ordinem sanctum degat, et sub nostro mundeburdio vel defensione persistant. Ebd. Nr. 24 S. 59: Et illud nobis inserendum placuit, ut cum ipse Willibrordus de hac luce migraverit, ipsi fratres, quem ex se elegerint, sibi constituant abbatem, in ea ratione ut nobis vel filio nostro Grimoaldo et filiis suis vel filiis Drogonis, nepotibus nostris, in omnibus fidelis appareat et ibidem secundum ordinem sanctum degat et sub nostro mundiburdio et ipsius Grimoaldi filiorumque suorum et Drogonis, nepotum nostrorum, defensione persistere debeat. S. auch ANGENENDT, Willibrord S. 68-76; SEMMLER, Episcopi potestas S. 313ff; WERNER, Adelsfamilien S. 84-90, 253f.

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riet, denn der karolingische Imperialismus scheute sich bekanntlich nicht, angestammte Herrscherhäuser zu beseitigen und deren Land zu vereinnahmen. Wäre aber Radbod — ein solches Gedankenspiel möge einmal erlaubt sein — als König anerkannt geblieben, und wäre er in dieser Situation unter fränkischem Patronat getauft worden, hätte ihm und seinem Volk wenigstens ein Rest an politischer Eigenständigkeit erhalten werden können. Und hätten die Franken ihm dabei sogar ein Erzbistum gewährt, wäre Friesland ein politisch weitgehend selbständiges Reich mit sogar eigener Landeskirche geworden. Tatsächlich hat sich Radbod zeitweilig auf nähere Beziehungen zu den Pippiniden eingelassen, und dabei kann die Frage der Christianisierung schwerlich außer acht geblieben sein. Grimoald, ein Sohn Pippins und Hausmeier in Neustrien und Burgund, hatte, wie der Liber historiae Francorum berichtet, Theudesinda zur Ehe, eine Tochter des heidnischen Dux Radbod' 18 . Daß dieselbe Quelle dann weiter berichtet, Grimoald sei in der Lambertus-Kirche zu Lüttich von dem 'Heiden Rantgar' ermordet worden 19 , darf möglicherweise als Indiz dafür genommen werden, daß man heidnischerseits in der Ehe Grimoalds mit Theudesinda eine Bedrohung sah; dies um so mehr, als die Franken, und gerade auch Grimoald, um Parteigänger im friesischen Adel warben 20 , ein Vorgehen, das die Verteidiger des Althergebrachten und der politischen Eigenständigkeit verunsichern mußte. Dabei scheint aber Radbod selbst der Christianisierung nicht gänzlich abgeneigt gewesen zu sein, war er doch, wie wir gesehen haben, zur Vergabe der licentia praedicandi durchaus bereit 21 . Doch traf die fränkischerseits verordnete Mission entschieden auf Gegenwehr. Als mit dem Tode Pippins im Jahre 714 das Frankenreich durch die rivalisierenden Hausmeierkämpfe geschwächt wurde, gelang den Friesen noch einmal ein großer Gegenschlag: Sie entledigten sich der fränkischen Oberhoheit, vertrieben Willibrord mitsamt seinen Missionaren, und Radbod begann wieder von Utrecht aus zu herrschen 22 . Aber auch jetzt scheint er sich nicht grundsätzlich gegen die christliche Predigt verschlossen zu haben, konnte doch

Liber historiae Francorum 50 (MGH SS rer. Merov. 2, S. 324 J: Habebat igitur Grimoaldus uxorem in matrimonium nomine Tlieudesindam, filiam Radbodis ducis gentilis. Eratque ipse Grimoaldus maiorum domus pius, modestus, mansuetus et iustus. 19 Ebd. S. 325 2 : peremptus est a Rantgario gentile, filio Belial; WERNER, Lütticher Raum S. 306ff. 20 Beds, Hist. eccl. V 10 (ed. PLUMMER l, S. 299): [Pippin] multisque eos, qui fidem suscipere uellent, beneficiis adtollens; Vita Liudgeri 1,2 (ed. DIEKAMP S. 7): Wrssingus ... fugiens ad ducem Francorum nomine Grimoldiim pervenit. Qui benigne ab eodem duce susceptus ... et imbutus fide catholica baptismi consecutus est gratiam una cum coniuge sua et filio ac domo reliqua; ebd. 1,3 (S. 8) [Radbodus] rnisit ad ... Wrssingurn postulans, ut ad se rediret recepturus hereditatem suam; GYSSELING - KOCH, Diplomata Belgica l, Nr. 174 S. 307: in pago tiatuvua, uilla ..., quantumcumque ibi habuit uel possedit Euerhardus, dum ipse infidelis regi apparuit et in regis Francorum infidelitate foris patria ad infideles se sociauit. S. dazu HEIDRICH, Titulatur und Urkunden S. 241 f; HALBERTSMA, Frisian Kingdom S. 71; FRITZE, Utrechts. 130f, 144f. 21 S. Anm. l u. 2. 22 FRITZE, Utrecht S. 115f, 137, 147; SEMMLER, Sukzessionskrise S. 7f, 23.

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der Angelsachse Wilfrid sich im Jahre 716 bis nach Utrecht vorwagen und sogar im Lande predigen 23 . Nach Radbods Tod vermochte Karl Martell ganz Friesland gewaltsam ins Frankenreich einzugliedern. Die Mission Willibrords, zu dessen Kloster Echternach sich Karl schon früher wohlwollend gezeigt hatte 24 , förderte er durch Güterstiftungen auch für Utrecht. Ein friesisches Erzbistum ist dennoch nicht entstanden25 . Den Grund wird man unschwer erraten können: Die Überführung in den bevorrechtigten Rechtsstatus eines Erzbistums dürfte als ein zu starkes Element von Eigenständigkeit erschienen sein und damit die Angst vor einer erneuten Verselbständigung heraufbeschworen haben. Das selbständige Friesland wurde vielmehr gänzlich beseitigt, politisch wie kirchlich26. Karl Martell, so lautete die harte, aber zutreffende Formulierung Alkuins in der Vita Willibrords, habe das Friesenvolk mit dem Schwert dem fränkischen Imperium hinzuerworben 27 . Und wenn dabei Willibrord als Missionar Frieslands gefeiert wird, so war dieser für die Friesen der vom Eroberer entsandte Kirchenmann, der das Land in religiöser Hinsicht für die Franken gewinnen sollte. Dabei scheinen es sowohl der Hausmeier wie der Missionar nicht an gegenseitiger Hochschätzung haben fehlen zu lassen. Nicht nur, daß Karl für Echternach und Utrecht Stiftungen machte, laut Alkuin hat er den Friesenmissionar, von dem er sich als Senior betiteln ließ 28 , zum Taufpriester seines Sohnes und späteren Nachfolgers Pippin bestellt 29 . Das hierin bekundete Wohlwollen wie auch die materielle Förderung betrafen freilich mehr die Person Willibrords sowie seine Mission, nicht aber die Stabilisierung der Sedes in Utrecht. Nach Willibrords Tod (739) scheint es dort nicht bruchlos weitergegangen zu sein; denn Bonifatius berichtet, daß erst Karlmann ihm den Auftrag gegeben habe, für Utrecht einen neuen Bischof zu weihen 30 . 23

S. Anm. 3. FRITZE, Utrecht S. 137f; SEMMLER, Sukzessionskrise S. 20, 28. 25 LEVISON, England S. 62f. 26 KRETSCHMAR, Der Kaiser tauft S. 102. 27 Alkuin, Vita Willibrordi 13 (MGH SS rer. Merov. 7, S. 127 6 j: Qui multas gentes sceptris adiecit Francorum, inter quas etiam cum triumphi gloria Fresiam, devicto Rabbodo, paterno superaddidit impend. In qua tune gente sanctus Wilbrordus positus est praedicator sedisque episcopalis in Traeiecto castello delegatus est. Qui, maiori euangelizandi occassione accepta, nuper gladio adquisitam gentem sacro baptismate abluere conatus est. S. auch die Bemerkung von W. LAMMERS (Bildprogramm S. 272): "Dabei wirkt bezeichnend, daß Karl Martell hier nicht, wie ein Moderner wohl erwarten würde, als der Abwehrsieger über die Araber erscheint, sondern als der Mehrer und Festiger des Frankenreiches, der die Friesen, eine andere gens, in das Reich zwang." 28 ANGENENDT, Willibrord S. 76-80; WAMPACH, Echternach 1/2, S. 95 mit Anm. 14, Nr. 39 S. 97. 29 ANGENENDT, Willibrord S. 80; Alkuin, Vita Willibrordi 23 (MGH SS rer. Merov. 7, S. 13317J: Baptizavit igitur Pippinum, filium fortissimi Francorum ducis Carli, patrem huius nobilissimi Caroli. LEVISON, Willibrord S. 323. 30 Bonifatii epp. 109 (MGH Epp. sei. l, S. 2358J.· Qui [Uilbrord]per L annos predicansprefatam gentem Fresorum maxima ex parte convertit ad fidem Christi, fana et dilubra destruxit et ecclesias construxit et sedem episcopalem et ecclesiam in honore sancti Salvatoris constituens 24

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Hat Karl Martell, so müssen wir fragen, kein Interesse an einem Nachfolger Willibrords auf der Utrechter Kathedra gehabt? Möglicherweise schien ihm selbst noch der Status einer Diözese zu "separatistisch" zu sein. Die Gründe mögen aber auch noch woanders gelegen haben. Möglicherweise ist das Missionsgebiet Willibrords mitsamt dem Bistum Utrecht als ein kirchlicher Fremdkörper empfunden worden. W.H. Fritze hat zu bedenken gegeben, daß "Willibrords Schöpfung, das Bistum Utrecht, unzweifelhaft der erste Ansatzpunkt der großen, die Geschichte des abendländischen Mittelalters bestimmenden Romazentrischen Kirchenorganisation nördlich der Alpen gewesen" ist 31 . Tatsächlich muß auffallen, wie Bonifatius die Stellung des Utrechter Bischofssitzes beschreibt; gegen Ansprüche des Kölner Bischofs — es ist Hildeger (+ 753)32 —, dem er Nachlässigkeit in der Friesenbekehrung vorwirft, betont er gegenüber Stephan II. die bevorrechtigte Stellung dieses Sitzes: Sergius, der Pontifex der Sedes Romana, habe Willibrord als Bischof zur Bekehrung des Friesenvolkes gesandt; der Kölner Bischof aber wolle nun Willibrords Bischofssitz an sich ziehen, so daß diese Sedes, welcher die Predigt beim Friesenvolk obliege, nicht länger dem römischen Pontifex unterworfen sei. Bonifatius vermeldet sodann dem Papst, er habe dem Kölner Bischof entgegengehalten, daß die Anordnung des Apostolischen Stuhles wie auch die Weihe und Sendung (legatio) Willibrords durch Papst Sergius — was alles die Schaffung eines dem römischen Pontifex unterstellten und der Friesenpredigt dienenden Bischofssitzes zum Ziel gehabt habe — mehr und stärker ins Gewicht falle als die Ansprüche eines Bischofs, der zwar auf eine verlassene und längst verfallene Kirche aus König Dagoberts Zeiten verweisen könne, aber die Friesenbekehrung unterlassen habe 33 . Der kurze Text weist eine zweimal vorkommende Formel auf: episcopalis sedis (!) subiecta Romano pontifici predicans gentem Frisonum34. Die Forschung hat sich mit dieser 'subiectio' schwer getan und das Problem meist schweigend übergangen 35 . Halten wir hier einfach fest, was Bonifatius als seine — und offenbar auch des Papstes — Rechtsauffassung darlegt: Ein von Rom zur Bekehrung eines Volkes gegründeter Bischofssitz steht höher als Ansprüche lokaler Kirchen; Kölns Anspruch zählt dabei umso weniger, als die dortigen Bischöfe die Missionierung der Friesen unterlassen haben. Hätten sie aber — so scheint man umgekehrt folgern zu dürfen — die Bekehrung herbeigeführt, dann wäre ihren Ansprüchen offenbar mehr Gewicht beizumessen. Hier

in loco et castello, quad dicitur Traiectum. Et in illa sede et ecclesia sancti Salvatoris, quam construxit, predicans usque ad debilem senectutem permansit. Et sibi corepiscopum ad ministerium implendum substituit; et finitis longeve vite diebus in pace migravit ad Dominum. Princeps autem Francorum Carlmannus commendavit mihi sedem illam ad constituendum et ordinandum episcopum. Quad et fed. SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 270f; FRITZE, UtrechtS. 150f. 31 FRITZE, Utrecht S. 151. 32 OEDIGER, Regesten l, Nr. 74 S. 33. 33 Bonifatii epp. 109 (MGH Epp. sei. l, S. 235 20 ). 34 Ebd. S. 2367 + "; FRITZE, Utrechts. 118f. 35 S. z.B. NOTTARP, Bistumserrichtung S. 18f.

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wird zunächst nur wieder das alte "Recht"36 angesprochen, demzufolge niemand in die von einem anderen gegründete Gemeinde oder Diözese eindringen durfte; positiv hieß das: wer missionierte, gewann Jurisdiktion über die Neubekehrten. Zugleich aber wird auch das Neue sichtbar, daß nämlich Mission und (Erz-)Bistumsgründung als ein Recht Roms betrachtet wurden. Wenn die römische Kirche missionarisch aktiv wurde und zum Beispiel die Friesenmission bewerkstelligte, dann war dabei die von ihr begründete Sedes dem römischen Pontifex in besonderer Weise 'unterworfen' 37 . Offenbar wollte Bonifatius dies hervorkehren.

S 29 Hessen und Thüringer Karl Martell, so haben wir festgestellt, hat dem Friesenvolk alle Selbständigkeit genommen. Schon der Ansatz zu einer kichlichen Eigenständigkeit wurde unterdrückt, so daß das geplante Erzbistum nicht zustande kam. In die Regierungszeit Karl Martells fällt aber auch die Beseitigung von Untergewalten im fränkischen Reich selbst: Die noch zu Beginn des Jahrhunderts in Würzburg regierende Familie der thüringischen Herzöge ist nach 716 verschwunden, ebenso in den vierziger Jahren die Familie der Etichonen im Elsaß1. Es paßt ganz dazu, daß der Hausmeier den Bonifatius in dessen zentralem Anliegen, nämlich Bistümer in den Missionslanden östlich des Rheins zu errichten 2 , nicht zum Zuge kommen ließ. Bonifatius hatte 719 einen päpstlichen Missionsauftrag erhalten3 und 722 in Rom die Bischofsweihe empfangen 4 ; obendrein waren für ihn päpstliche Empfehlungsbriefe an die Großen Thüringens ergangen 5 , und 732 hatte er — um endlich Bischöfe weihen zu können — das Pallium empfangen 6 . Schon 724 hatte Gregor II. 36

So gilt es schon für die frühe Kirche; DAUVILLIER, Temps apostoliques S. 253-271. Schon W. FRITZE (Utrecht S. 148f) hat erwogen: "Diese großzügige Planung stimmte mit den römischen universalmissionarischen Bestrebungen im Sinne des Gedankens einer Bekehrung aller Völker ebenso überein wie mit den an sie anknüpfenden Bemühungen der römischen Kirche um Erweiterung ihres Oboedienzbereiches unter den nördlichen Barbarenvölkern, zu denen sie die Bedrohung ihrer primatialen Stellung innerhalb der byzantinischen Reichskirche veranlaßte." 37

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SCHMALE, Eingliederung S. 17; SEMMLER, Pippin III. S. 97ff; nach J. JARNUT (Fränkischalemannische Beziehungen S. 21 ff) ist der Abtritt der Etichonen erst nach Karl Martell erfolgt. 2 Zur vorbonifatianischen Mission in Hessen und Thüringen s. WERNER, Iren und Angelsachsen S. 239-318; ferner HEINEMEYER, Kloster Fulda S. 10-23. 3 Bonifatii epp. 12 (MGH Epp. sei. l, S. 17f). 4 Ebd. Ep. 18 (S. 31ff); Willibald, Vita Bonifatii 6 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 57, S. 29 18 ); SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 139-146. 5 Bonifatii epp. 19 (MGH Epp. sei. l, S. 33); Ep. 43 (S. 68f). Ebd. Ep. 28 (S. 49 2 S J' Hinc iure tibi sacri pallet direximus munus, quod beati Petri apostoli auctoritate suscipiens induaris atque inter archiepiscopos unus Deo auctore precipimus ut censearis. Qualiter enim eum utaris, ex mandate apostolico informatus cognosces, ita ut, dum missarum sollempnia geris vel episcopum te contingerit consecrare, illo tantummodo tempore eum utaris. S. SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 156-161.

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den Thüringern geschrieben, daß sie episcopia errichten 7 und für Bonifatius ein Haus bauen sollten, wo ihr 'Vater, der Bischof', wohnen könne 8 . Ansprüche, die offenbar vom Mainzer Stuhl auf das Gebiet des Bonifatius erhoben wurden, lehnte der Papst, wie wir es schon in Utrecht gegenüber Köln gesehen haben, mit dem Hinweis auf die unterlassene Aussaat des Gotteswortes ab 9 . Daß die Diözesanpläne für Thüringen oder auch für Hessen dennoch nicht verwirklicht werden konnten, hat man zu Recht damit erklärt, daß hier der Keim zu Konflikten hätte entstehen können: Obwohl Karl Martell Bonifatius schon 723 in seinen Schutz und damit auch in seine Pflicht genommen hatte 1 0 , eröffnete sich mit dessen Mission den großen Adelsherren in Thüringen und Hessen "eine Möglichkeit für Eigenmächtigkeiten, die mit der von den Karolingern erstrebten Konzentration der Herrschaft kaum vereinbar war"11 . Erst Karls Söhne Karlmann und Pippin, die den Angelsachsen zur Reform ihrer Kirchenverhältnisse beriefen 12 , unterstützten die Errichtung der Bistümer Würzburg, Erfurt und Büraburg 13 . Ein ostrheinisches Erzbistum gab es freilich nicht.

S 30 Sachsen a) Sachsenkriege Die Alternative, entweder in Freiheit sich zu bekehren oder aber eine kriegerische Unterwerfung mit erzwungener Christianisierung erfahren zu müssen, war in Friesland im Sinne einer Schwertmission entschieden worden. Für die Sachsen1 stand nun Ähnliches zu erwarten. Die älteste Vita Lebuini2 läßt ihren Heiligen diese Alternative auf der alljährlichen Stammesversammlung zu 'Marklo' an der Weser verkünden: 'Es gebietet euch Gott, der König Himmels und Erden, und 7

Bonifatii epp. 24 (MGH Epp. sei. l, S. 42 s4 ). Ebd. Ep. 25 (S. 44 4 ). 9 Ebd. Ep. 24 (S. 42 2 S ). 10 Ebd. Ep. 22 (S. 36ff); HEIDRICH, Titulatur und Urkunden Nr. 9a S. 240f. 11 LÖWE, Bonifatius S. 93. 12 S. das persönliche Zeugnis des Bonifatius in Bonifatii epp. 50 (MGH Epp. sei. l, S. 82 1 ): Carlomannus dux b'rancomm me arcessitum ad se rogavit, ut in parte regni Francorum, que in sua est potestate, synodum cepere congregare. Et promisit se de ecclesiastica religione, que iam longo tempore ... dissipata fuit, aliquid corrigere et emendare vellet. Ebd. S. 81 : tres ordinavimus episcopos et provinciam in tres parrochias discrevimus; et illa tria oppida sive urbes, in quibus constitute et ordinati sunt, scriptis auctoritatis vestrae confirmari et stabiliri precantes desideramus. Unam esse sedem episcopatus decrevimus in castello, quad dicitur Uirzaburg; et alteram in oppido, quod nominatur Buraburg; tertiam in loco, qui dicitur Erphesfurt, qui fuit iam olim urbs paganorum rusticorum. SCHIEFFER, Domkapitel S. 180-187. 8

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Neuere Geschichtsdarstellungen: BÜTTNER, Mission S. 467-475; HOFFMANN, Schleswig und Holstein S. 15-61; LAST, Niedersachsen S. 543-652; PATZE, Mission und Kirchenorganisation S. 653-712; SCHNEIDER, Karl der Große S. 227-248; KAHL, Karl der Große S. 49-130; PREISE, Frühmittelalter S. 275-335, bes. S. 292-310. 2 HAUCK, Utrechter Missionar S. 734-745; LÖWE, Vita Lebuini S. 345-370.

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Jesus Christus, sein Sohn: Für den Fall, daß ihr Sein werden wollt und tut, was er durch seine Diener euch gebietet, wird er euch so viel Gutes gewähren, wie ihr es vorher nie gehört habt.' Drohend folgt die Alternative: 'Wie ihr bis jetzt, ihr Sachsen, keinen König über euch gehabt habt, so wird es keinen König geben, der euch überwältigen und unterwerfen könnte. Wenn· ihr nicht seine [Gottes] Anhänger werden wollt, so läßt er euch folgendes kundtun: Bereit steht im Nachbarland ein König, der in euer Land eindringt, es plündert und verwüstet, mit Kriegen euch zur Erschöpfung treibt, ins Exil euch führt, euch enterbt oder tötet, euren angestammten Besitz nach seinem Gutdünken austeilt — ihm werdet ihr und eure Nachkommen Untertan sein.'3 Lebuins Botschaft löste einen Tumult aus, und nur mit Mühe konnten befreundete Adelige — auf solche konnte also der Missionar bereits zählen — Gewalttätigkeiten gegen ihn verhindern. Als 772 der damals gerade 25jährige und eben erst zur fränkischen Gesamtherrschaft aufgestiegene Karl gegen die Sachsen zog 4 , wollte er möglicherweise die Bedrohung Lebuins bestrafen 5 . Auffälligerweise zielte die Stoßrichtung des fränkischen Heeres zur Weser gerade dorthin, wo aller Wahrscheinlichkeit nach 'Marklo' zu lokalisieren ist, nämlich südlich der Porta Westfalica 6 . Dort erfolgten den Reichsannalen zufolge die Friedensverhandlungen und die Gestellung von zwölf sächsischen Geiseln, ein nicht eben überwältigendes Ergebnis7 . Zur blutigen Fortsetzung des Krieges trieb ein anderes Ereignis, von dem die Reichsannalen ausführlich berichten: die Zerstörung der Irminsul, jenes engrischen Baumheiligtums, das in oder bei der Eresburg zu lokalisieren ist 8 . Es sollte dies als Zeichen der Tatmission, wie bereits dargelegt9, die Überlegenheit des Christengottes dartun. Bischof Lul von Mainz, so hat man vermutet, sei der geistige Urheber dieser Demonstration gewesen10. 3

Vita Lebvini antiqua 6 (MGH SS 30/2, S. 794 s ). S. dazu SCHMIDT, Christianisierung S. 1-11; PREISE, Frühmittelalter S. 292. 4 BÖHMER, Regesta Imperü l, Nr. 149 a-f S. 68f; PREISE, Frühmittelalter S. 294. 5 PREISE, Sachsenmission S. 98f. Ob die in den Annales Mettenses priores zum Jahr 753 sächsischerseits den christlichen Missionaren zugestandene freie Betätigung hierbei noch eine Rolle gespielt hat, kann dahingestellt bleiben; KAHL, Karl der Große S. 72f. 6 PRINZ, Marklo S. 3-23; PREISE, Frühmittelalter S. 283. 7 Annales regni Francorum a. 772 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 34): rex ... ibi cum Saxonibus placitum habuit et recepit obsides XII. Die Annales Mettenses priores a. 772 "korrigieren", obwohl sie hier von den Reichsannalen abhängig sind: Receptis ... obsidibus quot voluit (ebd. 10, S. 59 9 ). Daß Karl Verluste hinnehmen mußte, vermelden die Annales Nordhumbranes a. 772 (MGH SS 13, S. 154 ): Multisque. ex principibus ac nobilibus viris suis amissis ... 8 Annales regni Francorum a. 772 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 34): ad Ermensul usque pervenit et ipsum fanum destruxit et aurum vel argen turn, quod ibi repperit, abstulit. Dazu KAHL, Karl der Große S. 55-60; ferner LÖWE, Irminsul S. 1-22. 9 S. $ 9 Anm.45. In Luls Briefsammlung finden sich drei Schreiben vom Mai 773 aus Nordhumbrien, die zur Tatmission aneifern: Bonifatii epp. 119-121 (MGH Epp. sei. l, S. 254-258). S. dazu PREISE, Sachsenmission S. 60, DERS., Früh mittelalter S. 295f; H.-D. KAHL (Karl der Große S. 57) macht darauf aufmerksam, daß der an Karl gerichtete Brief aus dem Brief Papst Gregors des Großen an König Aethelberht von Kent gerade die Aufforderung zur Vernichtung des heidnischen Kultes und der heidnischen Heiligtümer zitiert. Ob deswegen distinkt von zwei angel-

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Offenbar aus Verbitterung über die Schändung des engrischen Heiligtums erfolgte im Jahre 773, als Karl, dem päpstlichen Hilferuf folgend, gegen die Langobarden gezogen war 11 , ein gezielter Racheschlag12: der sächsische Angriff gegen das älteste Bonifatius-Kloster Fritzlar und gegen die zeitweilig als Bischofssitz genutzte Büraburg 13 . Karl, der erst im Herbst 774 aus Italien zurückkehrte, faßte auf einer zu Quierzy abgehaltenen Winterversammlung den Entschluß — wie die Reichsannalen noch wissen wollen —, 'den ungläubigen und Vertragsbrüchigen Stamm der Sachsen mit Krieg zu überziehen und solange durchzuhalten, bis sie entweder besiegt und der christlichen Religion unterworfen oder aber gänzlich ausgerottet sind'14 . Natürlich "kam es Karl gerade entscheidend auf die Umkehrbarkeit dieser furchtbaren Formel an, um, statt töten zu müssen, taufen zu können" 15 . Umfassende Maßnahmen, auch religiöser Art, wurden eingeleitet16. Zum Sachsenzug des Jahres 775 werden aber tatsächlich Tod und Taufe vermeldet 17 . Im Herbst 776 gelang Karl ein Überraschungsangriff, so daß die Sachsen, die sich bei ihm an den Lippequellen einfinden mußten, ihre patria verpfändeten und dabei Christlichkeit und Unterwerfung gelobten18 . Karl war sich des Erfolges so sicher, sächsischen Wegen der Mission gesprochen werden kann, einer friedlichen und einer kriegerischen (PREISE, Sachsenmission S. 60ff), scheint fraglich; Alkuin, einerseits kritisch gegen die gewaltsame Sachsenmission, lobt andererseits die Schwertmission Karl Martells und die Mitwirkung Willibrords (s. $ 28 Anm. 27). 11 HAUCK, Ausbreitung S. 138-172. 12 Annales regni Francorum a. 773 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 36): Saxones exierunt cum magno exercitu super confinia Francorum, pervenerunt usque ad castrum, quod nominatur Buriaburg ... Dum igitur ipsa Saxonum gens coepisset seviens domos forinsecus incendia cremare, venerunt ad quandam basilicam in loco, qui dicitur Fricdislar. 13 KAHL, Karl der Große S. 62f; PREISE, Sachsenmission S. 63; DERS., Frühmittelalter S. 296f. 14 Annales qui dicuntur Einhardi a. 775 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 41): Cum rex in villa Carisiaco hiemaret, consilium iniit, ut perfidam ac foedifragam Saxonum gentem bello adgrederetur et eo usque perseveraret, dum aut victi christianae religioni subicerentur aut omnino tollerentur. — Die Alternative Tod — Taufe findet sich auch in Vita Faronis 74 (MGH SS rer. Merov. 5, S. 1923): Quorum [=Saxonum] corda inter mortem et vitam pavitando pendentia occulte miles Christi Faro alloquiis divinis miserando aggreditur, suadens fönte christianitatis sibi ipsis subveniri et a duplici morte, praesentis videlicet et aeternae, sese servare. Ad haec animis illi inclinati, praevalentibus meritis misericordissimi Faronis, fönte sacri sunt abluti baptismatis; s. dazu KAHL, Compellere intrare S. 227f, 231f. 15 HAUCK, Taufort (im Druck). 16 PREISE, Sachsenmission S. 64ff; BALZER, Paderborn S. 24. Annales Sangallenses Baluzii a. 775 (MGH SS l, S. 63): perrexit Karlus super Saxones, et plurimos ex ipsis ad baptismi gratiam perduxit, et multos pluriores interfecit. Das Vorgehen löste schon bei den Zeitgenossen Entsetzen aus, bezeichnen doch die wohl zeitgenössischen nordhumbrischen Annalen Karl als blutbriinstigen Wahnsinnigen (ebd. 13, S. 1554 zum Jahr 775): Karl denique rex, ut praefati sumus, bellicosissimus Francorum ... gentem Saxonum est ingressus ... quam magnis et inedicibilibus regionem praeliis gravissimis vastavit, igne ferroque debacchans, quia erat consternatus animo. 18 Annales regni Francorum a. 776 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 46): nimia festinatione Saxonum caesas seu firmitates subito introivit. Et Saxones perterriti omnes ad locum, übt Lippia consurgit, venientes ex omni parte et reddideruntpatriam per wadium omnes mani-

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daß er für das folgende Jahr 777 die Reichsversammlung in die neuerbaute Pfalz und Stadt Paderborn, die stolz den Namen Karlsburg trug, einberief 19 . In großer Zahl ließen sich die Sachsen taufen, und wiederum verpfändeten sie ihr Land, wie sie auch erneut Treue gelobten20 . Gleichzeitig fand eine Synode statt; den Vorsitz dürfte der als 'fränkischer Erzbischof' amtierende Wilchar von Sens geführt haben. Mit Sicherheit haben die Vorsteher der Hofkapelle, Fuldrad von Saint Denis, und ebenso Angilram von Metz teilgenommen21 , ferner wohl auch Lul von Mainz 22 . Die Sachsen nutzten gleich das folgende Jahr 778, als Karl einen Zug über die Pyrenäen gegen die Sarazenen wagte, zu einem neuen Gegenschlag; aus Rache alles vernichtend — auch die Karlsburg — drangen sie ostseits des Rheins bis nach Deutz und sogar bis gegenüber Koblenz vor 23 . Widukind war ihr Anführer24 . In den Augen der Franken galten die Sachsen fortan als Verräter und Apostaten, die mit dem Tode zu bestrafen waren 25 . Das sogenannte Blutgericht zu Verden im Jahre 783 betraf an Karl ausgelieferte Rebellen, die auf seinen Befehl hingerichtet wurden, wobei aber die in den Reichsannalen überlieferte Zahl von 4500 als "weit übertrieben" zu gelten hat 26 . In die blutigen Jahre 782/785 dürfte zudem die Capitulatio de partibus Saxoniae mit ihrem so oft und rigoros wiederholten morte moriatur — der Strafe für Apostaten - zu datieren sein 27 . Dann aber trat eine Wende ein.

bus eorum et spoponderunt se esse christianos et sub dicione domni Caroli regis et Francorum subdiderunt. BÖHMER, Regesta Imperii l, Nr. 203 b-e S. 85f; BALZER, Paderborn S. 25; KAHL, Karl der Große S. 74f; PREISE, Frühmittelalter S. 297. 19 BALZER, Paderborn S. 25ff, 67-70; HAUCK, Taufort (im Druck); KAHL, Karl der Große S. 76ff. 20

BÖHMER, Regesta Imperii l, Nr. 211 a S. 88; HAUCK, Taufort (im Druck); PREISE, Frühmittelalter S. 298. DK I 118 (MGH Dipl. Karol. l, S. 165 ): veniens Foleradus, cappellanus palacii nostri et abba sancti Dyonisii, nobis retullit priuuilegium a partibus sancti Dionisii, quem senodalis concilius anno nono ad Patrisbrunna ex promisso Angalramno episcopo et Uuilhario archyepiscopo constituerunt. S. dazu HAUCK, Paderborn S. 92-140. 22 HAUCK, Taufort (im Druck). PREISE, Frühmittelalter S. 298. 23 Annales qui dicuntur Einhardi a. 778 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 53): a Diutia civitate usque adfluenta Mosellae ... non praedandi, sed ultionem exercendigratia. 24 Annales regni Francorum a. 778 (ebd. S. 52); KAHL, Karl der Große S. 81; PREISE, Frühmittelalter S. 298f. 25

KAHL, Karl der Große S. 82f, 93. Daß die Frage der Apostasie eine Rolle gespielt hat, zeigt auch eine Anfrage bei Papst Hadrian (Codex Carolinus 77 [MGH Epp. 3, S. 6094]J.· suscipientes missos, scilicet Ittherium et Magenarium religiosos abbates, sciscitati sunt nos interrogantes de Saxonibus, qui christiani fuerunt et ad paganissmum reversi sunt, qualem penitentiam eis sacerdotes iudicare debeant; dort (Z. 18) auch die wichtige Formel: unurn confitentes baptismum, sub iusiurandum pollicentes fidem christianitates servaturos. 26 PREISE, Frühmittelalter S. 299; SCHIEFFER, Karolingisches Großreich S. 554 mit Anm. 21: "absurde Zahl"; HENGST, Urbs Karoli S. 291-297. Die ältere Diskussion mit Beiträgen von K. BAUER, F. VON KLOCKE, E. RUNDNAGEL u. W. SCHMITT in: LAMMERS, Eingliederung der Sachsen S. 109-257. 27

Capitulatio de partibus Saxoniae (MGH Capit. l, S. 68-70); THEUERKAUF, Lex, speculum, compendium luris S. 47f. Zur Apostasie s. $ 19 Anm. 64-67.

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b) Taufe Widukinds und Patenschaft Karls Angesichts solcher Politik muß — wie die Forschung schon des öfteren vermerkt hat — das Verhalten Karls gegenüber Widukind, der sich im Sommer 785 zum Frieden bereitfand, ungewöhnlich genannt werden 28 . Im Bardengau traf der Franke mit Widukind und dessen gener Abbo zusammen. Für das von Karl gestellte Ansinnen, in die Francia zu kommen, verlangten die beiden Sachsenführer Straffreiheit sowie Sicherheit für Leib und Leben 29 . Karl bestätigte dieses Sicherheitsbedürfnis, indem er durch seinen Missus Amalwin Geiseln sandte, die in sächsische Hand gegeben wurden 30 . Daraufhin begaben sich Widukind und Abbo nach Attigny, wo sie die Taufe erhielten 31 . Da Karl in dieser Pfalz sowohl Weihnachten wie Ostern feierte 32 , dürften damit auch die wahrscheinlichen Tauftermine genannt sein. Wenn auch nähere Einzelheiten über den liturgischen Hergang nicht mitgeteilt werden, so dürfte es doch als bezeichnend anzusehen sein, daß die Taufe in einer königlichen Pfalz stattfand: Karl betrachtete sich als Herr des Geschehens. Daß weiter als Überbringer eines von Karl anläßlich der Widukind-Taufe an Papst Hadrian gerichteten Briefes ein Andreas religiosus abbas, wohl der Abt von Luxeuil, in Rom erscheint 33 , könnte vermuten lassen, daß dieser Abt auch an der Taufe beteiligt gewesen ist; der eigenkirchliche Charakter des Geschehens wäre damit nur noch deutlicher hervorgekehrt. Wie schon die Initiative für den Friedensschluß von Karl ausging, der dabei, wie offen zugegeben wird, in erstaunlichem Maß Sicherheiten zu bieten bereit war, so dürfte auch die Taufe Widukinds im wesentlichen nach seinen Vorstellungen durchgeführt worden sein. Die Annales Mosellani erwähnen dann weiter eine Handlung Karls, die das Sicherheitsverlangen der beiden Sachsen in erheblichem Maße zu bestärken geeignet war: die Patenschaft. Die Nachricht lautet: Widuchind tot malorum auctor ac perfidie incentor venit cum sociis suis ad Attinacho palacio, et ibidem baptizatus est, et domnus rex suscepit eum a fönte ac donis magnificis honoravit3*. Es wird dies wiederum in annalenüblich kurzgefaßter Form mitgeteilt, ist aber inhaltlich die vollständige Beschreibung einer politischen Patenschaft. Wir werden 28

BRANDI, Sachsenkriege S. 18: "Die großen Führer des letzten Aufstandes Widukind und Abbio ergaben sich und ließen sich, fast überraschend, weit von ihrer Heimat, zu Attigny mitten im westfränkischen Lande taufen." 29 Annales regni Francorum a. 785 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 70): firmavit, ut non se subtrahissent, nisi in Francia ad eum pervenissent; patentibus illis, ut credentias haberent, quad in laesi fuissent, sicut et factum est. Annales qui dicuntur Einhardi a. 785 (ebd. S. 71): accepta ab eo, quam optabant, inpunitatis sponsione. Annales regni Francorum a. 785 (ebd. S. 70). Ebd.: et coniunxerunt se ad Attiniacum villa ad domnum regem Carolum. Et ibi baptizati sunt supranominati Widochindus et Abbi una cum sociis eorum; et tunc tota Saxonia subiugata est. PREISE, Frühmittelalter S. 300. Annales regni Francorum a. 785 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 70): celebravit ... natalem Domini et pasch a similiter. 33 Codex Carolinus 76 (MGH Epp. 3, S. 60720). 34 Annales Mosellani a. 785'(MGH SS 16, S. 497 38 ).

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voraussetzen dürfen, daß dieselbe allen Beteiligten, auch den Sachsen, in ihrer Wirkung bekannt gewesen ist. Da die Patenschaft schon in der angelsächsischen Missionsgeschichte angewandt und dort sogar wie selbstverständlich praktiziert wurde, kann sie auch den Sachsen des Kontinents keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereitet haben. Widukind und Abbö werden darum in der Patenschaft eine Bestätigung der ihnen von Karl zugesprochenen Sicherheiten erblickt haben. Selbst wenn die Zusicherung der Straffreiheit und die Garantie für Leib und Leben nicht eigens erwähnt wären, so müßten wir sie gleichwohl aus der Patenschaft erschließen, weil gerade diese beiden Momente immer darin eingeschlossen waren. Gleichzeitig will aber die Mitteilung nicht verleugnen, wie ungewöhnlich diese Wendung der Dinge erscheinen mußte. Welche Spannung mittels Taufe und Patenschaft überwunden wurde und welch überraschende Versöhnungstat sich darin vollzog, klingt deutlich in der Charakteristik des Täuflings nach: Widukind, 'der Urheber so vieler Übel und der Anstifter zur Untreue', habe mit seinen Gefährten die Taufe empfangen; Karl aber habe ihn aus dem heiligen Brunnen gehoben und mit reichen Geschenken geehrt. Der langjährige rebellis und perfidus35 wurde zur geehrten Person! Aber so war es, wie bereits mehrfach gezeigt, Pflicht der Patenschaft. Die Patenschaft einzugehen verlangte von Karl, daß er seinem Feind, der ihm wie kein anderer die Anspannung seiner Kräfte abverlangt hatte, Straflösigkeit gewährte und selbstverständlich auch das Leben garantierte, das sein Täufling als Anführer der von ihm abgefallenen und wiederholt rebellierenden Sachsen eigentlich verwirkt hatte. Man vergleiche nur, wie Einhard in seiner Karls-Vita die perfidia der Sachsen schildert: Ihren vielmals abgelegten Versprechen auf Unterwerfung und Annahme des Christentums sei immer wieder die Untreue gefolgt; Karl aber habe solche Vergehen nie ungestraft gelassen und die Untreue stets gerächt bis hin zur Deportation ganzer Bevölkerungsgruppen36 . Umso stärker muß auffallen, daß Widukind Schonung erfuhr. Und mehr noch: Karl 'ehrte ihn mit wundervollen Geschenken'. Die spätere Tradition glaubte noch eines dieser Geschenke benennen zu können: das Bursenreliquiar von Enger, das tatsächlich der frühkarolingischen Zeit angehört 37 . Höher dürfte jedoch zu veranschlagen sein, daß das Wort 'honor' in der Regel weit mehr bedeutete als ein Geschenk; es be-

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Annales regni Francorum a. 778 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 48): Widochindis rebellis; ebd. a. 782 (S. 60): rebellis Widochindus; Annales Mosellani a. 782 (MGH SS 16, S. 497 20 ): [&J3co«es] herum a fide dilapsus et cum Widuchindo ad rebellandum esse adunatos; Annales Mettenses priores a. 778 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 10, S. 67 8 ) und a. 782 (S. 70 1 J: perfido Witicindo; a. 782 (S. 6924).· rebelies, quibus Witigindus princeps preerat. Zur perfidia s. BEUMANN, Christianisierung der Sachsen S. 137ff. 36 Einhard, Vita Karoli 7 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 25, S. 931J: Poterat siquidem citius finiri, si Saxonum hoc perfidia pateretur. Ebd. S. l O 16 : Nam numquam eos huiuscemodi aliquid perpetrantes inpune ferre passus est, quin aut ipse per se ducto auf per comites suos misso exercitu perfidiam ulcisceretur et dignam ab eis poenam exigeret, usque dum, omnibus qui resistere solebant profligatis et in suam potestatem redactis, decem milia hominum ex his qui utrasque ripas Albis fluminis incolebant cum uxoribus et parvulis sublatos transtulit. 37 ELBERN, Bildende Kunst S. 432.

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zeichnete eine herausgehobene Stellung38. Hat demnach Widukind — so müssen wir fragen — eine politische Funktion behalten? Dies muß nicht unwahrscheinlich gewesen sein39. An anderen Tauf- und Patenschaftsbeispielen wird denn auch noch deutlich werden, daß mit der so simplen Mitteilung einer 'Ehrung' eine beachtliche Stellung bezeichnet sein konnte 40 . So werden wir mindestens zu unterstellen haben, daß Widukind nicht zur recht- und ehrlosen Person degradiert wurde. Bemerkenswert ist ferner, daß auch seine Familie nicht ausgelöscht wurde. Nachfahren treffen wir später auf nicht wenigen sächsischen Bischofsstühlen an 41 . Daß Karl auch anders vorgehen konnte, zeigt das Ende des bairischen Herzogs Tassilo: Als dieser 791 endgültig entmachtet wurde, hatte das zur Folge, daß auch seine Familienangehörigen verschwanden42 ; der Dynastie sollte auch die letzte Hoffnung auf eine Rückkehr zur Macht genommen werden. Wie aber bei Widukind und seiner Familie anders verfahren wurde, so später auch mit dem ganzen Volk der Sachsen. Zweifellos büßten sie zunächst ihre polische Selbständigkeit und damit ihre Unabhängigkeit ein. Doch behielt die Allgemeinheit sowohl die persönliche Freiheit wie auch den Besitz. Die Capitulatio de partibus Saxoniae wurde 797 durch das Capitulare Saxonicum gemildert 43 , und schon im Jahre 802/803 folgte die Verkündigung des schriftlich niedergelegten sächsischen Stammesrechtes 44 . Damit hatten die Sachsen im fränkischen Vielvölkerreich eine gleichberechtigte, von aller Diskriminierung befreite Stellung 45 . Und so darf man Einhard Glauben schenken, wenn er seine Ausführungen über Karls langwierigsten Krieg mit der Bemerkung beschließt, daß die Sachsen mit den Franken e i n Volk geworden seien46 . Jüngst hat nun Gerd Althoff die These vorgetragen, Widukind sei nach seiner Taufe Mönch auf der Reichenau gewesen. Zum Beweis führt er an: Mit Sicherheit lasse sich feststellen, daß der Name Widukind bis ins 10. Jahrhundert höchst selten belegt sei; wahrscheinlich gehörten alle Träger dieses Namens in dem angegebenen Zeitraum zu den Nachfahren des Sachsenherzogs; im ganzen 9. Jahrhundert ließen sich überhaupt nur zwei Träger des Namens Widukind nachweisen: 38

NIERMEYER, Lexicon S. 495-498; MITTEIS, Lehnrecht S. 203f; GANSHOF, Lehnswesen S. 23, 46f, 126ff. 39 Die gängige Forschung rekapituliert SCHMID, Nachfahren Widukinds S. 1: "Niemand kann mit Sicherheit sagen, wann und wo Widukind gestorben ist, wo er begraben liegt, ob er nach seiner Unterwerfung ein Amt bekleidet hat oder als 'Privatmann' auf seinen Gütern lebte." Doch glaubt E. PREISE Argumente beibringen zu können, die wahrscheinlich machen, daß Widukind vielleicht sogar als fränkischer Graf weiter amtiert hat (Sachsenmission S. 81 Anm. 67; DERS., Frühmittelalter S. 300). Wichtige und weiterführende Überlegungen auch bei M. BALZER (Widukind S. 17-21). Am deutlichsten wird dies bei der Taufe Haralds von Dänemark; s. $ 32. 41 SCHMID, Nachfahren Widukinds S. 1-47. 42 REINDEL, Agilolfinger S. 133; LASKE, Mönchung S. 189-197. 43 S. Anm. 27; Capitulare Saxonicum a. 797 (MGH Capit. l, S. 71f). 44 THEUERKAUF, Lex, speculum, compendium luris S. 38-67. 45 HAMPE, Karl der Große und Widukind S. 72. Einhard, Vita Karoli 7 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 25, S. 1029J: Francis adunati unus cum eis populus efficerentur.

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ein Fuldaer und ein Reichenauer Mönch. "Der Reichenauer Mönch nun legte sicher um 786 die Profeß ab, lebte lange in der Reichenauer Klostergemeinschaft ohne eine kirchliche Weihe zu erhalten, und überdies steht vor seinem Namen in der Profeßaufzeichnung das Wort dominator, das als Mönchsname sonst auf der Reichenau nicht nachgewiesen werden kann, 'dessen Deutung aber keine Schwierigkeiten bereitet, wenn man es als Zusatz zu dem Sachsenherzog Widukind interpretiert."47 Angesichts der Behandlung, die Karl anderen Gegnern habe angedeihen lassen, sei es gewagt, "mit allzuviel Großmut und Freizügigkeit bei der Behandlung Widukinds zu rechnen"48 ; vielmehr sei derselbe wie so viele andere Gegner ins Kloster eingewiesen worden 49 . Nicht zuletzt Karls Patenschaft soll dabei den Rechtstitel geliefert haben, daß nämlich "eine Einweisung ins Kloster keineswegs einen Bruch der Patenschaftsverpflichtungen darstellte, sondern vielmehr dem Täufling die beste Möglichkeit bot, von Gott Verzeihung für seine früheren Vergehen zu erlangen"50 ; auch sei Widukind "nicht Freiheit, sondern für den Fall der Unterwerfung und Taufe nur seine Unverletzlichkeit" garantiert worden 51 . Doch muß gefragt werden, ob mit der 'Ehrung' der Taufe eine erzwungene Einweisung ins Kloster noch vereinbar ist. Die Divisio regnorum von 806 verbietet zum Beispiel, Angehörige der Karolingerfamilie gegen deren Willen zu tonsurieren, denn dieselben seien als honorati zu behandeln 52 . Ein 'honoratus' aber war seit Karls Patenschaft auch Widukind. Wie wir zudem gesehen haben, hat ihm Karl neben der zugesicherten Unverletzlichkeit auch die sponsio inpunitatis gegeben53. Auch von daher ist es wenig wahrscheinlich, daß Widukind nach der Taufe in Klosterhaft verwiesen wurde, weil das Kloster "dem Betroffenen die Möglichkeit bot, für seine Sünden in bestmöglicher Weise zu büßen" 54 . Bei aller Schwäche der frühmittelalterlichen Tauftheologie kann doch in keinem Moment zweifelhaft gewesen sein, daß die Taufe von allen vorher begangenen Sünden reinige; dann aber muß die Einweisung ins Kloster zur Abbüße der vor der Taufe begangenen Sünden unmöglich genannt werden 55 . Eher wäre denkbar, daß dem Neu47

ALTHOFF, Widukind S. 272f.

48

Ebd. S. 256. Ebd. S. 273. Ebd. S. 271. Ebd. Divisio regnorum 18 a. 806 (MGH Capit. l, S. 1302 j: aut invitum tondere. S. Anm. 29. ALTHOFF, Widukind S. 271.

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Für das ganze 7. Jh. gibt es Zeugnisse sowohl römischer wie gallischer als auch irischer Provenienz, daß Büßer auch gegen ihren Willen ins Kloster geschickt werden konnten, um dort die Sünden abzubüßen (POSCHMANN, Kirchenbuße im frühen Mittelalter S. 118-123; SPRIG ADE, Einweisung ins Kloster S. 100-113). Eine solche Einsperrung zur Buße mußte aber keineswegs eine Mönchung bedeuten. Für die Mönchung blieb — wenigstens theoretisch — bewußt, daß sie freiwillig geschehen müsse (ANGENENDT, Monachi peregrini S. 132 Anm. 36; DERS., Peregrinatio S. 54ff). Freilich gibt es auch den Fall des Westgoten-Königs Wamba, der bewußtlos gemacht und dann tonsuriert wurde; die toledanische Synode von 681 befand, daß eine Mönchung gegen den eigenen Willen unerlaubt sei, daß andererseits aber der einmal vollzogene Ritus lebenslang gelte (DERS., Bonifatius S. 172f). In den Consulta Bulgarorum verbietet Papst

$ 30 Sachsen

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getauften zur vollständigen Belehrung und Festigung im Glauben ein Aufenthalt im Kloster verordnet worden sein könnte. Aber das wäre keine Mönchung auf Lebenszeit gewesen. Endlich ist noch zu fragen, ob sich Karls Patenschaft in deren politischen Aspekten erschöpft hat. Manches spricht dafür, daß der Frankenkönig darin die Erfüllung seines Willens, die Sachsen zur Taufe zu führen 56 , erblickt hat. Es sollte ja nicht vergessen werden, daß der Sachsenkrieg von Anfang an mit religiösen Mitteln geführt worden ist. Einzelne versprengte Belege geben davon noch Zeugnis, so etwa ein wohl auf 780 zu datierendes Bischofskapitular, das den Episkopien und Klöstern eine Vielzahl geistlicher Leistungen für domno rege et pro exercitu Francorum in presente tribulatione auferlegte 57 : Jeder Priester hatte drei Messen zu feiern und jeder Mönch sowie jede Nonne drei Psalter zu beten. Karl machte sich hier eine gerade neu aufgekommene Frömmigkeitspraxis zunutze, die wie nie zuvor eine Vielzahl von geistlichen Leistungen zu erbringen ermöglichte 58 . Nach Widukinds Taufe sah sich Karl dann auch zu einem entsprechenden religiösen Dank veranlaßt. Wie wir aus einem Brief Papst Hadrians erschließen können, muß er dem Papst mitgeteilt haben, daß er das wilde und feindliche Sachsenvolk nunmehr mit Gottes und der Apostelfürsten Hilfe zum Gottesdienst und wahren Glauben der heiligen, katholischen und apostolischen Kirche geführt, ihre Führer seiner Herrschaft unterworfen und das ganze Volk zur Taufe veranlaßt habe 59 . Dem Papst erweist sich in Karls Sieg die himmlische Bestätigung für dessen von Gott gewährte und festbegründete Herrschaft. Indem der König seine Versprechen dem heiligen Petrus und ihm, dem Papst, reinen Herzens und willigen Geistes erfülle, unterwerfe ihm der heilige Petrus durch seine Fürbütte sogar die größten und mächtigsten Völker, und am Tage des Gerichtes werde der König wegen der geretteten Seelen ein großes Verdienst aufweisen können 60 . In Rom bestimmte der Papst drei Tage zur feierlichen Dankesbezeugung.· die Vigil Johannes des Täufers (23. Juni), den Tag der Heiligen Johannes und Paulus (26. Juni) und die Vigil von Peter und Paul (28. Juni); Karl solle ebenso in seinem Herrschaftsbereich und Nikolaus I. die erzwungene Mönchung: Monachicum autem habitum induere ac vitam remotam ducere nonnisi a spondente divinitus exiguntur. Unde, quisquis vim intulerit alicui, ut monachicum habitum et vitam remotiorem, quam non optavit nee elegit, assumat, hie tamquam violentus peccatum evadere non valet; et, quoniam quod agitur ex accipientis voto non venit, nee accipiens religiosum habitum inde mercedem habet nee infevens crudelitatis suae iudicio carebit (Nicolai I papae epp. 99,87 [MGH Epp. 6, S. 596 4 ]). - Natürlich konnte eine lebenslange Klosterbuße dem Mönchsleben gänzlich angeglichen erscheinen. Im Blick auf Widukind bleibt jedoch zu beachten, daß sowohl die Klosterbuße wie das Mönchsleben, sofern dasselbe bußwirksam sein sollte, sich nur auf nach der Taufe begangene Sünden hätte beziehen können, nicht aber auf solche vor der Taufe. Codex Carolinus 76 (MGH Epp. 3, S. 607 ): gentem Saxonum ad sacrum deduxistis baptismatis fontem. 51 Capitulare episcoporum a. 780 (?) (MGH Capit. l, S. 52). 58 ANGENENDT, Missa specialis S. 167-175. 59 Codex Carolinus 76 (MGH Epp. 3, S. 60725 ). 60 Ebd. S. 60S1. S. auch das Widmungsgedicht Papst Hadrians I. bei Überreichung der Rechtssammlung des Dionysius Exiguus an Karl im Jahre 774 (MGH Poetae lat. l, S. 91 ): Ad haec Hadrianus praesul Christi praedixit triumphos.

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selbst jenseits des Meeres, wo immer christliche Völker wohnten, triduanas letanias anordnen 61 . Wie sehr der Papst in der Unterwerfung und Christianisierung die Aufgaben des christlichen Herrschers erfüllt sah, zeigt sich auch an einem Schreiben aus dem Herbst des Jahres 785, das er an den oströmischen Kaiser richtete und in welchem er Karl als idealen Herrscher hinstellte: Wenn im Osten der böse Irrtum der Ablehnung der heiligen Bilder beseitigt sei, dann 'werdet Ihr unter des Apostels Petrus Geleit als triumphierende Sieger über alle barbarischen Völker herrschen, wie unser Sohn und geistlicher Compater Karl, König der Franken und Langobarden und Patricius der Römer, der, unseren Mahnungen folgend und unseren Willen in allen Dingen erfüllend, alle barbarischen Völker des hesperischen Westens sich zu Füßen geworfen hat, indem er ihre Macht bändigte und durch Unterwerfung mit seinem Reich vereinte' 62 . Karl hinwiederum hat nicht anders gedacht. In den Libri Carolini stellt er sich in betonter Polemik gegenüber Byzanz als der Hüter des wahren Glaubens und als treuer Gefolgsmann des heiligen Petrus dar und bekundet dabei stolz, die Sachsen zur Annahme des Glaubens und zur Gefolgschaft des heiligen Petrus bekehrt zu haben; seine erfolgreiche politische Herrschaft ist ihm Beweis und Belohnung für sein Christianisierungswerk63 . Wenn aber dem Frankenkönig in der Konkurrenz mit dem Basileus die Sachsenbekehrung der eigenen Rühmung dienlich erschien, so möchte man unterstellen, daß ihm der in Byzanz so oft geübte Kaiserpatronat gleichfalls nicht unbedeutend erschienen sein mag. c) Kirchenorganisation Mit der für 777 in Karlsburg-Paderborn bezeugten Synode, von der wir freilich weder eine Traktandenliste noch auch die Beschlüsse kennen, ist die Forschung eine Mitteilung in Eigils Vita Sturmi zu verbinden geneigt, derzufolge Karl nicht allzulange nach Kriegsbeginn die Provinz der Sachsen in Bischofssprengel geteilt und den Gottesdienern die Befugnis zum Lehren und Taufen erteilt habe 64 . Tatsächlich wurden eine ganze Reihe fränkischer Klöster und Bistümer zum Bekeh61

Codex Carolinus 76 (MGH Epp. 3, S. 60S 14 ). Hadrian, Epistula (MANSI 12, Sp. 1075C): sicut filius et spiritualis compater noster dominus Carolus rex Francorum et Langobardorum, ac patricius Romanorum, nostris obtemperans monitis, atque adimplens in omnibus voluntates, omnis Hesperie occidueque partis barbaras nationes suo suis prosternens conculcavit pedibus, omnipotentatum illarum domans, et suo subjiciens regno adunavit. 63 Libri Carolini I 6 (MGH Conc. 2, Suppl., S. 21 ): Quod non solum omnium Galliarum provinciae et Germania sive Italia, sea etiam Saxones et quaedam aquilonalis plagae gentes pernos Deo annuente ad verae fidei rudimenta conversae facere noscuntur, et ita beati Petri sedem in omnibus sequi curant, sicut illo pervenire, quo ille clavicularius exstat, desiderant. 64 Vita Sturmi 23 (ed. ENGELBERT s. 15828): Et post non longum tempus totam provinciam illam in parochias episcopates divisit et servis Domini ad docendum et baptizandum potestatem dedit. Dazu PREISE, Sachsenmission Anm. 74; andere Quellen nennen auch 780: Annales Laureshamenses (MGH SS l, S. 31): divisitque ipsam patriam inter episcopos et presbyteros seu abbates, ut in ea baptizarent et praedicarent; ebenso Annales Mosellani (ebd. 16, S. 497 9 ). 62

5 30 Sachsen

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rungsdienst herangezogen65. Dank der neuen Forschungen zur Fuldaer Klostergemeinschaft lassen sich wenigstens in diesem Fall auch genauere Zahlen angeben: Die Abtei dürfte in den Jahren 775/777 etwa 30 bis 40 Priester und wohl ebensoviele Diakone bzw. Kleriker niederen Ranges ins Sachsenland entsandt haben66 . Die Gesamtzahl der in Friesland und Sachsen tätigen Kleriker und Mönche soll "nicht höher als einige wenige Hundert zu schätzen sein"67 . Die Formierung der Bistümer zog sich über einen längeren Zeitraum hin68 . Daß aber Karls Missionsplan eine "selbständige sächsische Kirchenprovinz" vorgesehen habe, die nur nicht mehr zustande gekommen sei69, ist mit Sicherheit nicht zutreffend. Wohl spricht Eigil vom Sachsenland als einer provincia70 ; kirchenorganisatorisch hätte dem ein Erzbistum entsprochen71 . In Wirklichkeit aber hat ein solcher Plan von Anfang an nicht mehr zur Debatte gestanden. In dem päpstlichen Schreiben, das Bonifatius als Erzbischof von Köln bestätigte72 , dessen Verwirklichung aber von 'den Franken' verhindert wurde 73 , findet sich die Wendung, daß der neue Erzsitz neben seinen fünf bereits bestehenden Suffraganen 'auch alle Völker Germaniens, die deine Brüderlichkeit durch ihre Predigt das Licht Christi erkennen läßt' 74 , erhalten solle. An eine eigene Kirchenprovinz für die Völker Germaniens, worunter nach des Bonifatius erklärtem Willen zur Sachsenmission eben dieselben wenn nicht gar hauptsächlich so doch eingeschlossen zu denken sind, wurde also schon in der Mitte der vierziger Jahre nicht mehr gedacht. Bedenkt man ferner, daß bei der Friesen mission ursprünglich noch eine eigene Kirchenprovinz in Aussicht genommen wurde, dann aber — bezeichnenderweise — doch nicht zustande kam, so zeigt sich bei der Sachsenmission, daß eine kirchliche 65

Übersicht bei PREISE, Sachsenmission S. 86f Anm. 149; DERS., Frühmittelalter S. 305-308. DERS., Sachsenmission S. 64f;DERS., Frühmittelalter S. 305. 67 DERS., Sachsenmission S. 65. 68 Ebd. S. 73f; DERS., Frühmittelalter S. 309f; BÜTTNER, Mission S. 471-475; WIEDEMANN, Sachsenbekehrung S. 67-95; MÜLLER, Sächsische Bistümer; SCHIEFFER, Domkapitel S. 207-231. 69 PRINZ, Weserraum S. 89. 70 S. Anm. 64; PREISE, Sachsenmission S. 74 mit Anm. 331. 71 S. § 37 Anm. 15. 72 Bonifatii epp. 60 (MGH Epp. sei. l, S. 124 ): De civitate namque illa, quae nuper Agrippina vocabatur, nunc vero Colonia, iuxta petitionem Francorum per nostrae auctoritatis preceptum nomini tuo metropolim confirmavimus et tuae sanctitati direximus pro futuris temporibus eiusdem metropolitane aecclesiae stabilitatem. Die päpstliche Urkunde s. ebd. Ep. 88 (S. 201f). Die Urkunde ist bekanntlich nur in verfälschter Form erhalten; s. TANGL, Bonifatius-Briefe S. 787: "Die Kölner Urkunde ... ist in der angeblichen Mainzer mit Ausschluß der später angeleimten Datierung und bis auf die Vertauschung der Namen Mainz und Köln wortgetreu erhalten." SCHIEFFER, Angelsachsen und Franken S. 62f. 7 Bonifatii epp. 80 (MGH Epp. sei. l, S. 179 7 ): Alia denique scripta tuae fraternitatis continebant, quad tarn olim de Agrippina civitate scripsisti, quad Franci non perseveraverunt in verbo, quodpromiserunt; et nunc moratur tua fraternitas in civitate Magontia. 74 Ebd. Ep. 88 (S. 202 14 ): omnes Germaniae gentes, quas tua fraternitas per suam predicationem Christi lumen cognoscere fecit; SCHIEFFER, Angelsachsen und Franken S. 69: "Dem hl. Bonifatius hatte fraglos eine Zusammenfassung wenn nicht des ganzen Ostens, so doch dieser seiner eigentlichen Missionsländer in einer Kirchenprovinz vorgeschwebt." 66

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Verselbständigung nicht einmal mehr im Anfang geplant war 75 . Vielmehr wurde Sachsen an zwei fränkische Bischofssitze, die zu Erzbistümern erhoben wurden, angebunden: zu Köln kamen Münster, Osnabrück, Minden und Bremen, zu Mainz sodann Paderborn, Verden, Hildesheim und Halberstadt. In ähnlicher Weise ordnete Karl übrigens zur selben Zeit die Kircheriverhältnisse der Frisia; er vermied, "sie kirchlich insgesamt in der schon bestehenden Diözese Utrecht zusammenzufassen, sondern teilte sie auf verschiedene Diözesen auf"76 . Daß auch Bonifatius der imperialen Missionspolitik zugestimmt hat, stellt ihn in eine Reihe mit Willibrord und seinem eigenen Schüler Lul, der die Kölner Urkunde bekanntlich auf Mainz umschrieb und auf diese Weise das neubekehrte Sachsen zu seinem Sitz herüberziehen wollte 77 . Daß bei der bereits unter Bonifatius im Frankenreich begonnenen, dann aber noch lange Zeit verzögerten Neuschaffung von Erzbistümern Lul im Jahre 780/82 als einer der ersten das Pallium erhielt, mag durchaus auch im Blick auf die Sachsen geschehen sein78. Der Taufvater Widukinds ist er aber dennoch nicht geworden.

§ 31 Abodriten und Wilzen Die Eroberung Sachsens brachte das fränkische Reich in Nordalbingien1 mit neuen Nachbarn zusammen: den Dänen sowie den slawischen Wilzen und Abodriten2 . Mit letzteren hatte schon während der Sachsenkriege ein Bündnis bestanden. Ihr Verhältnis zum Frankenreich galt als traditionell gut 3 , ja sogar als reichsfreundlich 4 . Zum Jahre 817 aber vermelden die Reichsannalen einen Abfall 5 . Anklagen seitens abodritischer Großer veranlaß ten Ludwig den Frommen, Fürst Sclaomir, der ihm als Gefangener nach Aachen gebracht wurde, durch dessen 75

Es dürfte darum fraglich sein, die Sachsenmission Karls des Großen beginnen zu lassen mit einer ersten Phase noch "friedlicher Christianisierung unter bloßer Hegemonie", die sich dann zu einer "zweiten Eskalationsstufe" gesteigert habe, in der immer noch eine "friedliche Christianisierung" mit "Autonomie unter Vorbehaltsrechten" vorgesehen gewesen sei, und daß erst in einer "dritten Eskalationsstufe" die "Zwangschristianisierung und Annexion" mit "Aufhebung jeder Eigenständigkeit" in Angriff genommen worden sei (so KAHL, Karl der Große S. 50). Nicht daß Bonifatius unbedingt ein Befürworter der Schwertmission gewesen sei, wohl aber wird deutlich, daß er einer Eingliederung Sachsens ins fränkische Reich von Anfang an zugestimmt haben dürfte. 76 FRITZE, Utrecht S. 128. 77 SCHIEFFER, Angelsachsen und Franken S. 62f. 78 Ebd. S. 95-103; PREISE, Frühmittelalter S. 306. 1

JANKUHN, Karl der Große und der Norden S. 699-707; JENKIS, Eingliederung "Nordalbingiens" S. 29-58. 2 HELLMANN, Slawische Welt S. 708-718. 3 Ebd. S. 715. 4 ERNST, Nordostpolitik S. 84. 5 Annales regni Francorum a. 817 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 147). Zum ganzen ERNST, Nordostpolitik S. 84-91.

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Rivalen Ceadrag zu ersetzen 6 . Doch auch der neue Herrscher wurde schon nach kurzem der Untreue bezichtigt 7 . Ludwig entschied sich nun wieder für Sclaomir und sandte ihn ins Heimatland zurück. Doch unterwegs verstarb dieser in Sachsen, wohl gegen Ende des Jahres 821. Die Reichsannalen berichten, daß er noch die Taufe empfangen habe 8 . Sofern dies nicht ein plötzlicher Entschluß gewesen ist, käme darin zum Ausdruck, daß durchaus eine Geneigtheit zum Christenglauben vorhanden war. Möglicherweise war das den Franken bekannt, was deren insgesamt gutes Verhältnis zu den Abodriten nur bestärkt haben müßte. Dabei könnte dann die Spannung, die unter den abodritischen Großen hervortrat, durch die Auseinandersetzung um eine mögliche Taufe hervorgerufen oder verstärkt worden sein. Demgegenüber galten die Wilzen als reichsfeindlich. Dennoch scheint man fränkischerseits eine Mission wenigstens versucht zu haben9 . § 32 Taufe Haralds von Dänemark Die Oberherrschaft in Dänemark war zu Beginn des 9. Jahrhunderts strittig. Karl der Große hatte 811 mit dem Nachfolger des kriegerischen Göttrik, König Hemming, Frieden geschlossen. Nach dessen Tod vermochten sich jedoch seine Söhne Reginfred und Harald nicht gegen Göttriks Söhne zu behaupten 1 . Harald, der bald sogar allein stand, wandte sich 814 an Ludwig den Frommen und bat um Hilfe; dabei kommendierte er sich dem Kaiser 2 , "obwohl der heidnische Glaube des Dänen die Qualität dieser Lehnsbeziehung nicht unwesentlich geschmälert haben dürfte" 3 . Auf der im Herbst 822 zu Frankfurt abgehaltenen Reichsversammlung erschienen sowohl Vertreter Haralds wie der Göttriksöhne 4 . Im Reich muß man an eine günstige Missionssituation geglaubt haben, jedenfalls berichten die Reichsannalen, daß mit der kaiserlichen Gesandtschaft, welche 823 die streitenden Parteien in ihrem Lande aufsuchte, auch der Reimser Erzbischof Ebo zurückkehrte, der auf den Rat des Kaisers und mit Ermächtigung des Papstes den Sommer über in Dänemark gepredigt und viele getauft hatte 5 . Harald, der ebenfalls mit ins Reich kam, entschloß sich im Jahre 826 zur Taufe. Er sei mit Frau 6

Annales regni Francorum a. 819 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 149f). Ebd. a. 821 (S. 157). 8 Ebd.: Sclaomir ... in patriam remittitur; qui, cum in Saxoniam venisset, aegritudine decubuit perceptoque baptismi Sacramento defunctus est. DRALLE, Slaven S. 126f. 9 HELLMANN, Slawische Welt S. 710ff; ERNST, Nordostpolitik S. 91f. 7

1

ERNST, Nordostpolitik S. 83f, 92-97. Annales regni Francorum a. 814 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 141). 3 ERNST, Nordostpolitik S. 93. Annales regni Francorum a. 822 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 159). Ebd. a. 823 (S. 163): Cum quibus et Ebo Remorum archiepiscopus, qui consilio imperatoris et auctoritate Romani pontificis praedicandi gratia ad terminos Danorum accesserat et aestate praeterita multos ex eis ad fidem venientes baptizaverat, regressus est.

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und großem Gefolge zum Albanskloster nach Mainz gekommen, so berichten die Reichsannalen, und alle hätten die Taufe erhalten; mit vielen Geschenken des Kaisers habe Harald über Friesland, wo ihm die Grafschaft Rüstringen ausgetan worden sei, den Rückweg angetreten6 . Eine weit ausführlichere Schilderung, die vor allem auch das Zeremoniell veranschaulicht, hat uns Ermoldus Nigellus überliefert. Der Dichter, zeitweilig Angehöriger des Hofes, zum Zeitpunkt der Taufe aber von dort verbannt, hat in seinem 826/828 verfaßten Lobgedicht auf den Kaiser den feierlichen Akt mit allen seinen rituellen Einzelheiten festgehalten 7 . Für den Taufakt erübrigt er allerdings kein Wort. Im Mittelpunkt stand nach ihm die kaiserliche Familie, die bei den Dänen die Patenschaft übernahm 8 . Den Vortritt hatte Ludwig der Fromme: 'Der Kaiser hob Harald ehrenvoll aus dem Wasser und legte ihm eigenhändig das weiße Gewand an.' Ihm folgten seine Gemahlin Judith und der Sohn Lothar, die beide in entspechender Weise die Patenschaft über Haralds Frau und Sohn übernahmen. Annales regni Francorum a. 826 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 169f): Eodem tempore Herioldus cum uxore et magna Danorum multitudine veniens Mogontiaci apud sanctum Albanum cum his, quos secum adduxit, baptizatus est; multisque muneribus ab imperatore donatus per Frisiam, qua venerat via, reversus est. In quaprovincia unus comitatus, qui Hriustri vocatur, eidem datus est, ut in eum se cum rebus suis, si necessitas exigeret, recipere potuisset. Astronomus, Vita Hludowici 40 (MGH SS 2, S. 629 s j.· Necnon et Herioldus a Nordmanniae partibus cum uxore veniens Danorumque non parva manu, Mogontiaci apud sanctum Albanum cum suis omnibus baptismatis sacri perfusus est unda, plurimisque ab imperatore donatus muneribus. Verens autem piissimus imperator, ne ob tale factum negaretur ei habitatio soli naturalis, dedit ei quendam comitatum in Fresia, cuius vocabulum est Riustri, quo se suosque, si necessitas exigeret, tuto recipere passet. Ähnlich Thegan in Vita Hludowici 33 (ebd. S. 5972 J: Sequent! vero anno erat in palatio regio Ingilenheim, et ibi ad eum venit Heriolt de Danais, quem domnus imperator elevavit de sacro fönte baptismatis, et uxorem eius elevavit de fönte domna ludith augusta. Tunc domnus imperator magnam partem Fresonom dedit ei, et honorificis donis omavit eum, et cum legatis suis dimisit eum ire cum pace; ferner Annales Xantenses a. 826 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 12, S. 6 30 ). S. dazu LAMMERS, Bildprogramm S. 248f; CLASSEN, Königspfalz Ingelheim S. 96ff; NEIFEIND, Verträge S. 76ff, 160f. 7 WATTENBACH - LEVISON, Geschichtsquellen 3, S. 329-332; SZÖVERFFY, Weltliche Dichtungen l, S. 550-555; LAMMERS, Bildprogramm S. 243-251. 8 Ermoldus, Carmen 4 (ed. FARAL S. 170, V. 2234): Ecce parate, jubet, cuncti concurrite, Caesar, Munera baptismi rite parare decet, Candidolas vestes quales gestare decebit Cristicolis, fontes, crismaque, seu latices. Ordine hisgestis, sacris quoque rite paratis, Caesar et Heroldus tecta sacrata petunt. Caesar honore Dei Heroldum suscepit ab undis, Vestibus albidulis ornat et ipse manu; Judith reginam Heroldi pulcra induperatrix Fönte levat sacro, vestibus atque tegit; Hlutharius Caesar, Hludowici filius almi, Heroldi natum sustulit a latice; Regis honoratos proceres relevantque decorant, Ast alias plures turba levavit aquis. O Hludowici, Deo quantas das, magne, catervas!

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In abgestufter Folge waren weiter auch die Rollen beim jeweiligen Gefolge verteilt: Kaiserliche Hofleute versahen bei den dänischen Großen den Patendienst. Mit weißen Taufgewändern angetan, betraten Harald und die Seinen dann den Palast, wo in einem eigenen Akt die Übergabe der Patengeschenke erfolgte 9 . Ludwig bekleidete Harald mit einer steinbesetzten, goldpurpurnen Chlamys, schnallte ihm ferner Gürtel und Dolch um und setzte ihm sogar eine Krone auf; auch Beinbekleidung und Handschuhe wurden überreicht. Judith legte der dänischen Königin ein weißes Gewand an, dazu noch Hals- und Armschmuck, und auch sie krönte ihre Patentochter mit einer goldenen Binde. Zuletzt übergab der Kaisersohn Lothar dem Sohn Haralds ein golddurchwirktes Gewand. Die überreichten Gewänder und ebenso die Kopfbekrönungen bildeten sowohl zum Taufgewand wie auch zur liturgischen Kopfbinde, die zum Schutz der Hauptsalbung getragen wurde, eine offenkundige Entsprechung, symbolisierten aber einen eindeutig politischen Gehalt: Im Anlegen des Königsornates mit Schwert, Gürtel und Krönung vollzog sich zweifellos der altvertraute Einsetzungs- bzw. Adoptionsritus. Anschließend beschreibt Ermold den Zug zur Meßfeier. Die dabei erwähnten Kleriker sind anscheinend alle der Hofkapelle zuzurechnen. Der Ire Clemens, wahrscheinlich der Nachfolger Einhards als Leiter der Hofschule, führte die Gruppe der Priester an; Theuto fungierte als Chorleiter, und ein nicht näher bekannter Adalvitus bahnte den Weg durch die Menge. Zur Rechten des Kaisers ging Hilduin, 9

Ebd. S. 172, V. 2252: Vestibus albatus Herold, seu corde renatus, Jam patris eximii Candida tecta subit. Caesar ei celsus praegrandia munera donat, Qualia Francorum gignere rura valent, Consertam clamidem gemmis seu murice rubro, Aureus in gyro quam quoque limbus arat. Dat lateri insignem Caesar, quem gesserat, ensem, Aurea quem comunt cingula rite data. Aurea mox geminos constringunt vincla lacertos, Foemora gemmatus balteus ejus obit; Et caput insigni donatur rite corona, Perstringuntque pedes aurea plectra suos; Aurea per dorsum resplendent tegmina latum, Ornanturque manus tegmine candidulo. Munera praeterea matronae regia Judith Congrua namque deditgratificumque decus, Scilicet ex auro tunicam gemmisque rigentem, Conficit äst qualem arte Minerva sua; Aurea vitta caput gemmis redimita coronat, Atque monile tegit pectora grande nova: Flexilis obtorti per collum it circulus auri, Armillaeque tenent brachia femineae; Foemora lenta tegunt auro gemmisque peracta Cingula, dorsum tegit aurea cappa suum. Nee minus interea Hluttarius ornat amore Heroldi natum vestibus aurigeris. Caetera namque cohors Francisco more paratur, Vestimenta sibi Caesar dmore dedit.

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Mission und Kirchenorganisation unter den Karolingern

'Erzkaplan' und Abt von Saint-Denis, zur Linken der "erste Kanzler" Helisachar. Der kaiserlichen Familie folgte der ehrwürdige Fridugis, ein Schüler Alkuins und dessen Nachfolger in Tours 10 . Es muß sich demnach um eine Liturgie der Hofkapelle gehandelt haben und nicht, wie es das Kirchenrecht erfordert hätte, des zuständigen Mainzer Erzbischofs. Dem kultisch-sakramentalen Mahl folgte noch ein Festmahl 11 , an dem teilzunehmen immer freundschaftliche Verbundenheit mit dem Herrscher bedeutete 12 . Den folgenden Tag verbrachte die Gesellschaft auf der Jagd, an deren Ende sich Harald in die Hände Ludwigs kommendierte13 ; es ist die ausführlichste Schilderung eines Handganges aus karolingischer Zeit. Endlich erhielt Harald bei seiner Entlassung noch Priester und Mönche sowie liturgisches Gerät zugewiesen, damit er sein Christsein auch zu praktizieren vermochte 14 . Für die Bewertung der in politische Vorgänge eingebetteten Tauf- und Patenhandlungen bedeutet Ermolds Schilderung eine unschätzbare Hilfe. Denn nur er liefert eine durchgängige Schilderung des ganzen Geschehens und zugleich jene Vielzahl an Einzelzügen, die den genaueren Einblick in den konkreten Ablauf und in die damit verbundenen Intentionen gestatten. Wie sich im Verlauf unserer Untersuchung schon gezeigt hat, lassen zwar die Quellen bei der Erwähnung solcher Taufen und Patenschaften immer eine Reihe gleichartiger Elemente durchblicken, aber in ihren inhaltlichen Angaben bleiben sie meist recht allgemein. Genannt werden für gewöhnlich das Aufheben aus der Taufe, die Ehrung mit Geschenken, zuweilen das gemeinsame Festmahl, gelegentlich auch die Erwähnung der Pfalz, die Ort der Handlung gewesen ist, und vielleicht noch ein Hinweis über Bündnisverhandlungen mit Anteilgabe an Land und Herrschaft oder über Heiratsabsprachen. Dank Ermolds umständlicher, auch die Details benennender Laudatio erhalten wir dagegen eine explizite Vorstellung, wie sie aus den formelhaften Wendungen allein nicht zu entnehmen ist. Indem er als einziger die eher andeutenden als vollauf beschreibenden Kurzformeln aufbricht, lehrt er uns, hinter vergleichbaren Taufhandlungen, die nur in annalistisch knapper Form überliefert sind, mehr zu sehen, als auf den ersten Blick erkennbar wird. Ermold bestätigt, daß gerade bei weniger ausführlich bezeugten Taufen die Quellen auch auf Andeutungen hin befragt werden müssen. Um so dringlicher stellt sich die Frage, wie vertrauenswürdig der Dichter einzuschätzen ist. Daß die Reichsannalen nur die Taufe, nicht aber von der Patenschaft berichten, braucht nicht zu befremden; bei der Taufe Widukinds halten sie es genauso. Zudem ist Ludwigs Patenschaft über Harald durch andere Quellen, zum Beispiel durch die Vita Anskarii, bestens abgesichert15. Dennoch hat man 10

Ebd. S. 174ff, V. 2280-2313. Die Angaben zu den Personen bei FLECKENSTEIN, Hofkapelle l (Register). 11 Ermoldus, Carmen 4 (ed. FARAL S. 178ff, V. 2338-2361). 12 HAUCK, Rituelle Speisegemeinschaft S. 611-621. S. auch § 13 Anm. 9-11. 13 Ermoldus, Carmen 4 (ed. FARAL S. 180ff, V. 2362-2491). 14 Ebd. S. 190, V. 2497-2501. 15 S. Anm. 36.

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Ermolds Darstellung eine "farbenprächtige Schilderung"16 und im einzelnen eine "übertriebene Darstellung"17 genannt, die "für die geschichtliche Beurteilung des Ereignisses ohne Wert"18 sei. In der Tat ist zu bedenken, daß der Dichter kein Augenzeuge war. Doch schreibt er in unmittelbarem Anschluß an die Ereignisse, und mit Recht hat man darauf hingewiesen, daß gerade ihm, dem Verbannten, alles daran liegen mußte, "genaue und konkrete Nachrichten möglichst aus erster Hand zu erhalten und zu verwenden"; darum ist es schlecht denkbar, "daß Ermold den großen Vorrat an einzelnen Sach- und Personenauskünften für die Ausmalung der herrscherlichen Szenen in Ingelheim erfunden habe" 19 . In einem Punkt freilich hat er Unklarheit geschaffen: Da bei ihm nur Ingelheim genannt wird, entsteht der Eindruck, als habe auch die Taufe dort stattgefunden, während die Reichsannalen das Mainzer Albans-Kloster für diesen Akt nennen 20 . Aber eine einzelne Ungenauigkeit sollte nicht daran hindern, seine Ausführungen mit erhöhter Aufmerksamkeit zu beachten: "Seine dezidierte Beschreibung der Taufhandlungen verliert dadurch nicht an Wert." 21 Im Gegenteil, an den Mitteilungen über die Patenschaft läßt sich erweisen, daß dieselbe vollauf der zeitüblichen Praxis entsprach. Wenn etwa Ermold von Taufkleidern spricht, wird man sich daran erinnern müssen, daß just zu Beginn des 9. Jahrhunderts der alte Brauch der Übergabe von Taufkleidern zu einem liturgischen Akt ausgestaltet wurde 22 . Wichtiger noch ist die Bedeutung der Taufgeschenke. Daß die Überreichung der kaiserlichen Gaben einer Herrscherinvestitur gleichkam, ist bei einer gesonderten Betrachtung der einzelnen Gegenstände und ihrer symbolischen Bedeutung mühelos aufzuweisen. Die Chlamys, der purpurne antike Königsmantel, ist selbstverständlich dem Mittelalter bekannt gewesen und hat auch als herrscherlicher Ornat gedient 23 . Die Umgürtung mit dem Schwert 16 17 18 19

SEMMLER, Corvey S. 304 Anm. 136. ERNST, Nordostpolitik S. 105 Anm. 78. HAUCK, Kirchengeschichte 2, S. 692 Anm. 7. LAMMERS, Bildprogramm S. 246f.

20

Ebd. S. 248f; s. oben Anm. 6. Skeptisch CLASSEN, Königspfalz S. 99f: "Skeptischer stimmt schon die Tatsache, daß der zur Zeit der Ereignisse in Straßburg verbannte Dichter Haralds Taufe nach Ingelheim verlegt, den Ort der sakralen Feier mit dem der weltlichen Feste verwechselnd. ... Da es keine Abtei und keine Stiftskirche dort gab, die Taufe Haralds in St. Alban gefeiert und, vom Winter 787/88 abgesehen, keine Kirchenfeste in Ingelheim begangen wurden, wird man eher an eine kleine Kapelle als an eine große Kirche — wie sie Ermold beschreibt — denken wollen." — Immerhin hat es in Ingelheim eine Kapelle gegeben. 21 LAMMERS, Bildprogramm S. 249. 22

S. i 7 Anm. 65.

Wie sehr Ermold mit seiner Schilderung der königlichen Einkleidung Haralds dem damaligen Königsbrauch nahekommt, zeigen die Ornate der karolingischen Herrscher; Einhard, Vita Karoli 23 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 25, S. 28 7 j: Peregrina vero indumenta, quamvis pulcherrima, respuebat nee umquam eis induipatiebatur, excepto quod Romae semel Hadriano pontifice petente et iterum Leone successore eius supplicante \onga tunica et clamide amictus, calceis quoque Romano more formatis induebatur. In festivitatibus veste auro texta et calciamentis gemmatis et fibula aurea sagum adstringente, diademate quoque ex auro et gemmis ornatus incedebat. Aliis autem diebus habitus eius parum a communi ac plebeio abhorrebat; Thegan, Vita Hludowici 19 (MGH SS 2, S. 595 ): Tunc nihil in illis diebus se induit praeter

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Mission und Kirchenorganisation unter den Karolingern

gehörte zum Ritus der Waffenadoption und der Herrschaftseinsetzung24 wie überhaupt zum herrscherlichen Repräsentationszeremoniell 25 . Die Krone galt spätestens seit Karl dem Großen als Königs- und Kaiserzeichen26 . Ermolds Schilderung verdient gerade hier volles Vertrauen, steht sie doch in nächster Nähe zu einer Mitteilung des Astronomus über die Königse'rhebung Karls, des jüngsten Sohnes Ludwigs des Frommen: domnus Imperator filium suum Karolum armis virilibus, id est ense, cinxit, corona regali caput insignivit, partemque regni ... id est Neustriam, attribuit27. Die bei dieser Investitur vollzogene Zuweisung eines Reichsteiles findet bei Harald ihre Entsprechung in der noch zu erörternden Belehnung mit der Grafschaft Rüstringen. Auffallen muß ferner eine gewisse Nähe des Patenschaftszeremoniells zur byzantinischen Praxis: Die Übergabe von Krone und Chlamys trafen wir schon bei Kaiser Justinian an, und eine parallele Personenzuordnung zwischen Patenfamilie und Tauffamilie wurde bei der Hunnentaufe unter Heraklios praktiziert. Daß aber das Taufzeremoniell, das wir bei Harald vorfinden, "im Rückgriff auf camisiam et femoralia nisi cum aura texta, lembo aureo, baltheo aureo praecinctus et ense auro fulgente, ocreas aureas et clamidem cum auro textam, et coronam auream in capite gestans, et baculum aureum in manu tenens. Die von Konrad I. an Heinrich I. übersandten Königsinsignien sind nach Widukind folgende gewesen: Sumptis igitur his insigniis, lancea sacra, armillis aureis cum clamide et veterum gladio regnum ac diademate, ito ad Heinricum (Widukind, Res gestae I 25 [MGH SS rer. Germ, in us. schol. 60, S. 388]). S. auch SCHNEIDER, Königswahl S. 218-226. 24 S. § 2 Anm. 25-27. Ludwig selbst wurde, als er — noch ein Kind — die aquitanische Herrschaft antrat, mit Waffen umgürtet und aufs Pferd gesetzt; Astronomus, Vita Hludowici 4 (MGH SS 2, S. 6095): armis accinctus, equo impositus et in Aquitaniam est ... transpositus. Ludwigs Sohn Lothar erhielt bei seiner Kaiserkrönung am Osterfest 823 vom Papst neben der Krone auch ein Schwert zur Verteidigung von Kirche und Reich; Vita Walae (ebd. S. 5646).· a summa pontifice ... honorem et nomen suscepi imperialis officii, insuper diademata capitis et gladium ad defensionem ipsius ecclesiae et imperii vestri; s. dazu EICHMANN, Kaiserkrönung l, S. 47f. Auch im nordischen Bereich war die Schwertgürtung von besonderer Bedeutung: "Die Jarle leisteten dem König einen Treueid und wurden in Form der Schwertgürtung und Schildumhängen in ihre Würde eingesetzt." (BUISSON, Staatsbildung S. 96). — Die Annales Fuldenses berichten zum Jahr 873 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 79), wie dänische Gesandte durch Überreichen eines Schwertes um Waffensohnschaft bitten: Optulerunt ... nuntiigladium regi ... obnixe flagitantes, ut rex dominos suos in loco filiorum höhere dignaretur, et illi eum quasi patrem venerari vellent. Noch Dudo von St. Quentin läßt Rollo den ihm vom englischen König Alstelmus angeblich angetragenen Herrschaftsanteil zurückgeben mit den Worten: Regnum quod mihi ultra dedisti, per hunc mucronem, duodecim libras auri capulo habentem, reddo tibi (Dudo von St. Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum II 19 (ed. LAIR S. 160); weitere Beispiele bei BUISSON, Staatsbildung S. 128f. 25 Einhard, Vita Karoli 23 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 25, S. 284 J: gladio semper accinctus, cuius capulus ac balteus aut aureus aut argenteus erat. Aliquoties et gemmato ense utebatur, quad tarnen nonnisi in praecipuis festivitatibus vel si quando exterarum gentium legati venissent. Aus dem Schatz Ludwigs des Frommen erhält Lothar ein besonders geschmücktes Schwert mit der Auflage, Karl und der Kaiserin Judith die Treue zu wahren; Astronomus, Vita Hludowici 63 (MGH SS 2, S. 647 ): Hlothario quidem coronam, ensem auro gemmisque redimitum, eo tenore habendum misit, ut fidem Karolo et Judith servaret. 26 BRÜHL, Krönungsbrauch S. 305-321; SCHRAMM, Herrschaftszeichen 2, S. 384-389. 27 Astronomus, Vita Hludowici 59 (MGH SS 2, S. 64341); BRÜHL, Krönungsbrauch S. 301; SCHRAMM, Herrschaftszeichen 2, S. 387.

$ 32 Taufe Haralds von Dänemark

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byzantinische Tradition" und "gewiß unter byzantinischem Einfluß" gestaltet worden sei 28 , kann angesichts der zahlreichen voraufgegangenen Beispiele nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden. Allenfalls könnte das junge abendländische Kaisertum dem verpflichtenden Vorbild in Byzanz noch vollkommener zu entsprechen gesucht haben. Aber auch dafür fehlen eindeutige Belege. Was Ermold überliefert, ist ein Staatsakt, wie wir ihn im 9, Jahrhundert noch öfter antreffen: Harald wurde — so dürfen wir im Vorgriff auf die spätere Terminologie bereits sagen — 'consors regni' 29 . Solche Teilhaberschaft aber stand nur einem Christen zu. Als geistlicher Vater half der Kaiser dem Dänen, ein Christgläubiger zu werden, und als politischer Vater stattete er ihn, den neuen Sohn, anteilmäßig aus. Der Kaiser handelte also in religiöser und zugleich politischer Funktion. Das erklärt auch die Parallelität von geistlicher und politischer Symbolhandlung, die für so wichtig genommen wurde, daß man den Taufritus nach der eigentlichen Patenhandlung unterbrach und durch die komplementären Symbolhandlungen politischer Natur vervollständigte; erst dann konnte die Meßfeier fortgesetzt werden. Gerade daran zeigt sich, wie sehr der Kaiser die Mitte sowohl des politischen wie auch des religiösen Geschehens bildete. So war es auch nur konsequent, daß Geistliche seiner Hofkapelle (die man in eben diesen Jahren als kirchlich akephal zu kritisieren begann 30 ) den priesterlichen Part ausführten. Als Eigenkleriker waren sie hier nur Diener des Kaisers: Es sollte die doppelte 'fidelitas Dei et regis' zum Ausdruck gebracht werden und nicht allein eine 'fidelitas ecclesiae'. In der Patenschaft war Harald der geistliche und politische Sohn des Kaisers geworden. Die Vita Anskarii kann darum sagen, der Kaiser habe den Dänenkönig adoptiert, und dadurch sei zwischen den beiden eine besondere familiaritas hergestellt worden 31 . Ludwig mußte folglich Harald wie einen seiner Söhne behandeln. Wenn dieser dann vor dem Kaiser die Kommendation vollzog, also sich und sein — allerdings noch zu eroberndes — Reich dem Kaiser zu Diensten auftrug, und dabei Waffen, Pferd und die Grafschaft Rüstringen erhielt 32 , so stellte das 28

KRETSCHMAR, Ansgars Bedeutung S. 107; DERS., Ansgar S. 104.

29

S. $ 41 Anm. 7.

30

VOGEL, Vacua manus impositio S. 523; K.ÖHN, Militia curialis S. 236. S. $ 41 Anm. 7. 32 Annales regni Francorum a. 814 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 141): Herioldus rebus suis diffidens ad imperatorem venit et se in manus illius commendavit; Ermoldus, Carmen IV (ed. FARAL S. 188, V. 2481): Mox manibus junctis regt se tradidit ultra Et secum regnum, quod sibi jure fuit. Suscipe, Caesar, ait, me nee non regna subacta: Spante tuis memet confero servitiis. Caesar at ipse manus manibus suscepit honestis; Junguntur Francis Danica regna piis. Mox quoque Caesar ovans Francisco more veterno Dat sibi equum nee non, ut solet, arma simul. Festa dies iterum surgit renovata nitescens, Francis et Denis concelebrata micat. Interea Caesar Heroldum jamque fidelem Munere donat opum pro pietate sua. 31

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keineswegs einen Widerspruch zu seiner Sohnschaft dar. Denn "genau so verfuhr ... Ludwig der Fromme bei der Verteilung der Reichsprovinzen an seine Söhne, die dann im staatsrechtlichen Sinne gleichfalls als Vasallen erscheinen"; "die Kommendation [wurde] in jener Zeit schon zur Verstärkung der familienrechtlichen Abhängigkeit verwandt"33. Demnach war Haralds Kommendation eine Bestärkung der bereits in der Patenschaft entstandenen familiaritas. Freilich darf man das politische Alltagsgeschäft dabei nicht übersehen. Harald hatte schon seit Jahren zusehen müssen, daß seine Sache vom Kaiser nur wenig unterstützt wurde. So wird man seine Taufe tatsächlich eine "Flucht nach vorne" nennen können 34 . Ermold freilich versuchte, diese politischen Implikationen herunterzuspielen: Es sei dem Kaiser nicht um die Zugewinnung von Haralds Reich zu tun gewesen; im Gegenteil, er habe ihn mit Waffengewalt unterstützen wollen, um ihm sein eigenes Reich zurückzuerobern 35 . Die militärische Unterstützung seitens des Reiches war aber für Harald zweifellos ein vorrangiges Motiv: Wenn er getauft sei, so läßt die Vita Anskarii verlauten, dann sei auch die familiaritas zwischen ihm und dem Kaiser größer, dann endlich könne ihm auch eine größere Hilfe zuteil werden, denn beide verehrten gemeinsam den einen Gott 36 . Demnach begründete Tllius äst prop ter tribuit sibi praedia fines, Et loca vinifera multimodasque dapes. Zur Schilderung des Handganges s. GANSHOF, Lehnswesen S. 26f; NEIFEIND, Verträge S. 71f. Daß ein Pferd unter den Geschenken des Kaisers erwähnt wird, erinnert an andere Waffenadoptionen; s. S 2 Anm. 33. 33 MITTEIS, Lehnrecht S. 71. 34 ERNST, Nordostpolitik S. 94. 35

Ermoldus, Carmen IV (ed. FARAL S. 150, V. 1981): Dona salutaris capiat de fönte sacrato, Atque crucem Christi frontibus, opto, ferat. Non, sua regna mihiut cedant, hoc consulo, credat, Sed quo plasma del lucrificare queam. Si cupit, ad nostras concurrat concitus arces, Percipiat vero fönte lavacra dei. Insuper ablutus, dapibus iuvatus et armis, Mox sua regna petens vivat amore dei. Ebd. S. 156, V. 2050: Ebo redit gaudens, lucrisque propheta futuris Aestuat, et regi Vota placenda refert, Qualiter Heroldus, Denorum rector opimus, Sacra lavacra dei suscipienda petat. S. aber auch die Harald in den Mund gelegte Bemerkung (ebd. S. 170, V. 2228): Idcirco ad vestrum properavi remige regnum, Ut mihi vestra fides consociata forer. 36 Rimbert, Vita Anskarii 7 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 55, S. 26): Post haec vero contigit, ut Herioldus quidam rex, qui partem tenebat Danorum ... regno suo expulsus sit. Qui serenissimum adiit imperatorem Hludowicum, postulans, ut eius auxilio uti mereretur, quo regnum suum denuo evindicare valeret. Qui eum secum detentum tarn per se quam per alias ad suscipiendam christianitatem cohortatus, quod scilicet inter eos ita maior familiaritas esse posset, populusque christianus ipsi ac suis promptiori voluntate in adiutorium sic veniret, si uterque unum coleret Deum, tandem gratia divina tribuente ad fidem convertit, et sacro baptismate perfusum ipse de sacro fönte suscepit sibique in filium adoptavit. NEIFEIND, Verträge S. 77f.

§33 Erzbischof Ansgar in Hamburg und Bremen

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erst die vollständige religiöse Gemeinschaft eine wirkliche politische Handlungsgemeinschaft. Um ein rechter 'fidelis regis' zu sein, mußte man zuvor ein 'fidelis Dei' werden. Daß Ermold am Ende auch noch der Entsendung von Geistlichen gedenkt, macht deutlich, daß ihm trotz aller Panegyrik die essentiellen Punkte bewußt waren. Aus Rimberts Lebensbeschreibung des heiligen Ansgar wissen wir, welche Mühe es den Kaiser kostete, einen geistlichen Begleiter für Harald ausfindig zu machen. Auf einer Reichsversammlung benannte Wala, Abt von Corbie, seinen Mönch Ansgar, dem sich noch ein zweiter namens Autbert anschloß 37 . Ansgar selbst scheint dabei vom Martyriumsverlangen motiviert gewesen zu sein38. Seine Mission scheiterte allerdings so rasch, wie sich Haralds dänische Ambitionen zerschlugen39 . Seit 827 blieb ihm und seinen missionarischen Begleitern die Grenze Dänemarks verschlossen. Für Ansgar eröffnete sich freilich überraschend schnell ein anderes Arbeitsfeld: Schweden 40 . Die Reichskirche sah sich dabei zu großen Hoffnungen veranlaßt: Ansgar wurde Erzbischof.

§ 33 Erzbischof Ansgar in Hamburg und Bremen Wie uns die Reichsannalen mitteilen, besaß Ebo von Reims — von Geburt ein Sachse und unfreier Herkunft 1 — für seine bereits erwähnte Missionsreise2 die auctoritas des Papstes. Einem Brief Paschalis' I. (817-824) zufolge erhielt Ebo in Rom am Petrusgrab den Predigtauftrag: evangelizandi publica auctoritate liberam ... facultatem3. Auch Ansgar bezeugt noch Jahre später diese publicam evangelizandi licentiam, die Ebo von Paschalis in Rom für den Norden erhalten hat 4 . Beide Quellen sprechen von einer legatio5, weswegen Ebo als Missionslegat anzusehen ist 6 . Nun berichtet Rimbert in seiner Vita Ansgars, daß dieser nach einer Missionsreise zu den Schweden den Kaiser aufgesucht habe, der angesichts der positiven Nachrichten sofort entschlossen gewesen sei, den alten Plan seines Vaters zu verwirklichen, nämlich in Hamburg ein Erzbistum für den Norden zu errichten; Drogo von Metz habe zusammen mit anderen Erzbischöfen, unter ihnen auch Ebo von Reims, Ansgar zum Erzbischof geweiht 7 . Darüber hinaus liegt eine Urkunde 37

SEMMLER, Karl der Große S. 285. LAMMERS, Missionsauftrag S. 541-558. 39 Annales regni Francorum a. 827 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 173); Anonymus, Vita Hludowici 42 (MGH SS 2, S. 63l 36 ). 40 JANKUHN, Missionsfeld Ansgars S. 213-221. 38

1

HE1DRICH, Ebo von Reims S. 247ff; MCKEON, Ebbo of Reims S. 437-447. S. § 32 Anm. 5. 3 Paschalis I., Ep. 11 (MGH Epp. 5, S. 70 1 ). 4 Ansgar, Epistula (ebd. 6, S. 163 12 ). 5 Ebd. S. 16314; Paschalis ., . 11 (ebd. 5, S. 70 16 ). 6 SEEGRÜN, Papsttum S. 20ff; DERS., Erzbistum Hamburg S. 26ff; DRÖGEREIT, Erzbistum Hamburgs. 139f. 7 Rimbert, Vita Anskarii 12'(MGH SS rer. Germ, in us. schol. 55, S. 33f). 2

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Mission und Kirchenorganisation unter den Karolingern

Gregors IV. (827-844) vor, welche die Bistumsgründung bestätigt, anschließend die Erhebung zum Erzbistum ausspricht, dabei Ansgar das Pallium verleiht und ihn zusammen mit Ebo zum Missionslegaten für den Norden ernennt 8 . Ähnliches weiß eine Urkunde Ludwigs des Frommen vom 15. Mai 834 zu berichten, die in der Schilderung der kirchlichen Anfänge Hamburgs noch weiter ins Detail geht, dann von Ansgars Erzbischofswahl berichtet und ihm zuletzt durch den Kaiser und die römische Kirche die Legation zur Mission ausspricht 9 . Die Forschung hat aufgrund dieser drei Quellen folgendes Bild entworfen: Ludwig der Fromme habe, wohl im Spätherbst 831, das Bistum Hamburg gegründet und Ansgar durch Erzbischof Drogo von Metz, wahrscheinlich am 10. oder 11. November auf dem Reichstag zu Diedenhofen, zum Bischof weihen lassen; der Kaiser habe dann Ansgar nach Rom gesandt, wo ihm das Pallium erteilt und Hamburg zum Erzbistum erhoben worden sei10. Das verheißungsvoll begonnene Werk aber habe 845 einen fast tödlichen Schlag erlitten; damals nämlich zerstörten Normannen die Hammaburg11 . Ansgar habe dort fortan keine Wirkmöglichkeiten mehr gesehen; er sei Bischof von Bremen geworden mit der Folge, daß auch der Sitz des Erzbistums hierhin verlegt worden sei. Aus der Tatsache, daß aber Bremen Suffragan von Köln war, sei dann jene fast unabsehbare Folge von Verwicklungen entstanden, wie sie die Geschichte von Hamburg und Bremen kennzeichnen. In diese rechtlichen und politischen Auseinandersetzungen sind schon früh auch die Hamburger und Bremer Urkunden hineingezogen worden. Der alte Streit um deren Echtheit ist nun jüngst neu entfacht worden. Galten die oben ausgewerteten Quellen bislang als weitgehend gesichert, so hat R. Drögereit schwere Zweifel geäußert und ihre historische Aussagekraft negiert 12 . Sein Ergebnis lautet: "Ein Bistum Hamburg hat es sicherlich nicht gegeben"13 ; ja, das Erzbistum sei "eine bewußte Fiktion"14. Und für Ansgars Stellung folgert er, daß dieser zunächst nur Missionsbischof für Dänemark gewesen sei. Als solcher habe er noch an der Mainzer Synode von 847 teilgenommen15. Wahrscheinlich am 9. Septem8

CURSCHMANN, Papsturkunden des Erzbistums Hamburg Nr. l S. 13-17; MAY, Regesten Nr. 18 S. 8. 9 Jüngste Edition: REINCKE, Hamburger Fälschungen S. 67-72. S. auch SEEGRÜN, Erzbistum Hamburgs. 13 (BM 928). 10 So KRETSCHMAR, Ansgar S. 73-117; GÖBELL, Christianisierung des Nordens S. 74ff; LAMMERS, Ansgar S. 92-97. 11 Rimbert, Vita Anskarii 16 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 55, S. 37f); GÖBELL, Christianisierung des Nordens S. 75ff; RICHTER, Hamburgs Frühzeit S. 25-28, 37-40. 12 DRÖGEREIT, Erzbistum Hamburg S. 140-178. 13 Ebd. S. 183. 14 DERS., Ansgar S. 126. 15 Im einzelnen argumentiert R. DRÖGEREIT (Erzbistum Hamburg S. 144): Daß Ebo und zugleich Ansgar als Erzbischöfe für den Norden hätten bestimmt werden können, scheine undenkbar: " Z w e i Erzbischöfe für die e i n e Mission". Ein wichtiges Argument ist ihm dann das Protokoll der Mainzer Synode vom 1. Oktober 847, wo Ansgar unter den Suffraganen von Mainz aufgeführt ist; Conc. Moguntinum a. 847 (MGH Capit. 2/1, S. 17321): Rabanus videlicet Magcmtiacensis ecclesiae indignus archiepiscopus cum coepiscopis meis, qui adpraedictae ecclesiae diocesim pertinent, hoc est: Samuele, Gozbaldo, Baturato, Hebone, Gozprahto, Hemmcme,

§ 33 Erzbischof Ansgar in Hamburg und Bremen

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ber 848 sei er dann Bischof von Bremen geworden 16 , und wohl erst kurz vor seinem am 3. Februar 865 erfolgten Tod, nämlich am 31. Mai 864, habe er das Pallium erhalten 17 . Tatsächlich bezeichnet Ansgar selbst sich in einem an die Bischöfe des Ostreiches gerichteten Begleitschreiben zu einer verlorengegangenen Schrift über Ebos nordische Mission als Erzbischof 18 . Nach Drögereit ist aber keinesfalls an einen Erzsitz Hamburg oder Bremen zu denken, sondern an das Amt eines Missions-Erzbischofs. Er verweist auf den unverdächtigen Brief Papst Nikolaus' I. (858-867), der tatsächlich davon spricht, daß der Bremer Bischof an dem genannten Ort Bremen die Gewalt und Würde des Erzbistums über Dänen und Schweden innehaben solle19 . Demgegenüber verteidigt W. Seegrün die traditionelle Deutung und hält am Erzbistum Hamburg mit Entschiedenheit fest. Er macht geltend, daß schon in dem soeben zitierten und wirklich ganz unverdächtigen Nikolausbrief eine Berufung auf Papst Gregor IV. erfolge20 . Gleichfalls finde sich eine solche Berufung in dem bislang unumstrittenen Pallienprivileg für Ansgars Nachfolger Rimbert 21 . Aus diesen und noch weiteren Gründen hält Seegrün die Echtheit der anfangs zitierten Gregor-Urkunde für gesichert22 und damit auch die Gründung des Erzbistums Hamburg zu Beginn der dreißiger Jahre. Immerhin muß auch er zugeben: "Ansgar, der erste Hamburger Erzbischof, hat, soweit wir sehen, den Titel 'von Hamburg' für sich nicht in Anspruch genommen."23 Seit Rimbert (865-888) aber sieht er den Titel 'Erzbischof von Hamburg' zweifelsfrei belegt; so in der echten Pallien-Urkunde Nikolaus' L: Rimberto, archiepiscopo hammaburgensi2* ; weiter dann in einer Urkunde des Mainzer Erzbischofs Liutbert für Corvey und Herford aus dem Jahre 888, wo Rimberts Nachfolger Adalgar (888909) unterzeichnet hat als ecclesie Hammaburgensis archiepiscopus25. Drögereit hingegen erhebt gegen beide Urkunden, sowohl die von Nikolaus I. wie die von Liutbert, Einwände, so daß sie ihm nichts für die Frage nach dem Erzbischof von Hamburg hergeben 26 . Vielmehr streicht er heraus, daß in einem Diplom König Waltgario, Ansga.no, Otgario, Lantone, Salomone et Gebeharto. DRÖGEREIT (Erzbistum Hamburg S. 182f) folgert, daß Ansgar damals weder Bischof von Bremen noch von Hamburg gewesen sei, sondern eben "Missionsbischof'; die Mission habe seit Ebos Ausscheiden offenbar unter der Aufsicht des Metropoliten im Ostreich, des Mainzer Erzbischofs, gestanden. 16 DRÖGEREIT, Erzbistum Hamburg S. 184f. 17 Ebd. S. 203, 206f. Ansgar, Epistula (MGH Epp. 6, S. 1637): Ansgariusgratia Dei archiepiscopus. Nicolai I papae epp. 26 (ebd. S. 291 J.· Ut episcopus Bremonensis, licet a Gunthario haec non potuerit dari licentia nee ab eo tale quid peti debuerit, tarnen pro amore domni regis, quia pia est eins petitio, cum nostra auctoritate in praedicto loco Bremon potestatem et honorem archiepiscopatus supter Danos et Swevos habeat ... DRÖGEREIT, Erzbistum Hamburg S. 195ff. 20 SEEGRÜN, Fiktion S. 11. 21 CURSCHMANN, Papsturkunden des Erzbistums Hamburg Nr. 6 S. 26f; MAY, Regesten Nr. 53 S. 16. 22 SEEGRÜN, Erzbistum Hamburg S. 28-35. 23 Ebd. S. 23. 24 CURSCHMANN, Papsturkunden des Erzbistums Hamburg Nr. 6 S. 26; MAY, Regesten Nr. 53 S. 16. 25 STIMMING, Mainzer Urkundenbuch l, Nr. 167 S. 103. 26 DRÖGEREIT, Erzbistum Hamburg S. 207-218.

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Arnulfs aus dem Jahre 888, an dessen Originalität nach P. Kehrs editorischer Vorbemerkung kein Zweifel sein kann, der archiepiscopus Rimpertus ecclesiae videlicet Bremensis angesprochen wird 2 7 ; also: Rimbert als Erzbischof von Bremen, nicht aber von Hamburg. Die Frühgeschichte Hamburgs scheint demnach mit nur noch vagen Strichen skizziert werden zu können. So schreibt denn auch K. Richter in der jüngst publizierten Geschichte Hamburgs: Eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche dafür, daß Kaiser Ludwig der Fromme 831 in Hamburg ein Bistum errichtet habe, das dem Erzbistum Mainz unterstellt gewesen sei. Ansgar, der erste Bischof, habe über einen sehr kleinen Sprengel verfügt, sei aber darüber hinaus für die Dänenmission zuständig gewesen 28 . Nach der Katastrophe von 845 hätten Ludwig der Deutsche und die führenden Bischöfe seines Reiches im Jahre 848 das Bistum Hamburg mit dem Bistum Bremen vereinigt und dabei Ansgar die seit 845 vakante Bremer Sedes übertragen. Spätestens seit 864 aber sei Bremen Erzbistum gewesen29. Demgegenüber zeigt die neue Übersicht über die frühen Hamburger Urkunden in der von W. Seegrün und Th. Schleifer bearbeiteten Germania Pontificia ein entschieden günstigeres Bild. Als völlig unverdächtig gilt Gregors IV. Urkunde von 832 mit ihren höchst wichtigen Aussagen: die schon von Karl dem Großen beabsichtigte und dann von seinem Sohn Ludwig verwirklichte Bistumsgründung, ferner die Weihe Ansgars als des 'ersten nordalbingischen Bischofs' durch Drogo von Metz, dann die Verleihung des Palliums an Ansgar und endlich die ihm und Bischof Ebo von Reims ausgesprochene Bestätigung als Legaten für den Norden. Für Hamburg aber hat der Papst darin verordnet: sedem Nordalbingorum Hammaburg dictam archiepiscopalem deinceps esse decemimus30. Damit kann das neuerliche Bellum Diplomaticum als entschieden gelten> zumal von Nikolaus I. neben dessen Palliumsbestätigung für Rimbert auch noch eine im Mai 864 ausgestellte Urkunde als zuverlässig gilt; diese aber bezieht sich auf die Urkunde Gregors IV. und bestätigt deren Mitteilungen 31 . Für uns ist wichtig, daß das seit Ansgar bezeugte Erzbistum vor allem auf die Mission der nördlichen Völker, die dabei zahlreich benannt werden, ausgerichtet war 32 . Damit aber verfolgte die deutsche Reichskirche unverkennbar ein imperiales Ziel: Nicht eigene Erzbistümer für Dänemark und die anderen Nordvölker, sondern allenfalls nur jeweils ein Bistum, das dann dem deutschen Erzbistum unterstellt werden sollte. Die politischen und kirchenrechtlichen Auseinandersetzungen der Folgezeit, die uns noch beschäftigen werden, entsprangen tatsächlich dem Anspruch des Erzbistums Hamburg-Bremen auf den gesamten skandinavischen Norden. 27

DA 27 (MGH Dipl. reg. Germ. Karol. 3, S. 40 10 ); dazu DRÖGEREIT, Erzbistum Hamburg S. 215f. 28 RICHTER, Hamburgs Frühzeit S. 36. 29 Ebd. S. 39. 30 SEEGRÜN - SCHIEFFER, Germania Pontificia 6, Nr. 11 S. 25f; CURSCHMANN, Papsturkunden des Erzbistums Hamburg Nr. la S. 14. 31 SEEGRÜN - SCHIEFFER, Germania Pontificia 6, Nr. 21 S. 31f; s. auch ebd. S. 12f. 32 S. die Übersicht bei SEEGRÜN, Erzbistum Hamburg S. 110.

$ 34 Baiern

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§ 34 Baiern Baiern hat im Karolingerreich eine relativ eigenständige Rolle einzunehmen vermocht: zunächst als — freilich untergebenes — Herzogtum, dann als Kernland der ostfränkischen Karolinger. Diese Stellung reflektiert sich auch in der Kirchenund Missionspolitik. Wilhelm Levison hat mehrfach darauf hingewiesen, daß es die Angelsachsen gewesen sind — und als erster Willibrord —, die das Konzept des Erzbistums auf den Kontinent übertragen haben 1 . Wenngleich die Gründung von Erzbistümern weder in der Friesenmission noch in den Gebieten östlich des Rheins Gestalt annahm, so hat sich diese für den Kontinent neue Idee doch schon bald in der Kirchenpolitik bemerkbar gemacht. Das Bemühen um ein Erzbistum erscheint fortan sogar an Brennpunkten des politischen Geschehens. Es tritt überall dort in Erscheinung, wo es um die Schaffung einer eigenständigen politischen Herrschaft geht. So wird berichtet, daß der bairische Herzog Theoto 716 nach Rom kam und dort den Plan für eine "bairische Landeskirche" erörterte2 . Entsprechend der Herrschaftsgebiete der einzelnen Herzöge — das Land war damals aufgeteilt3 — sollten drei oder vier Bischofssitze errichtet werden; der vorzüglichste Sitz aber sollte einem Erzbischof vorbehalten bleiben4. Die politischen Nebenziele, die dem Plan anhaften, verfolgten augenscheinlich ein Doppeltes: Einmal die innere Verklammerung der Landesteile mittels eines Erzbistums; obwohl die Bistümer den politischen Unterteilungen entsprachen, blieben sie doch unter der praecipua sedes zusammengefaßt. Zum anderen sollte zweifellos jene kirchliche Eigenständigkeit herbeigeführt werden, die nur mit einem Erzbischof möglich war, um so die politische Unabhängigkeit nach innen und außen zu stärken. Eine solche Politik mußte sich vor allem gegen die Franken richten, und so dürfte es kein Zufall sein, daß Theoto gerade zu jenem Zeitpunkt in Rom erschien, als die fränkische Macht infolge innerer Auseinandersetzungen nach dem Tod Pippins des Mittleren empfindlich geschwächt war 5 . So weit wir sehen, ist aber der Plan von 716 nicht verwirklicht worden. 1

LEVISON, England S. 62; DERS., Willibrord S. 325. Gregorii II papae decretales (MGH LL 3, S. 451ff); REINDEL, Agilolfinger S. 164f; WOLFRAM, Agilolfmger S. 134f. 3 REINDEL, Agilolfinger S. 122. Gregorii II papae decretales (MGH LL 3, S. 452 ): Ut consideratis locorum spaciis iuxta gubernationem uniuscuiusque ducis episcopia disponatis et dyocesane subiacentia singulis sedibus terminetis. Et si tres aut quatuor vel maiores numeri visae fuerint constitui sedes, reservato praecipuae sedis loco pro archiepiscopo resedendo, adhibito trium episcoporum conventu probabiles fide ac boni testimonii et erv.ditos sana doctrina viros ordinetis antistites ex auctoritate beati Petri apostoli et nostra subseqnentis vigoris tradita dispensatione locis eos traditis conlocantes. Ut praeviso propter archiepiscopum loco, si talem reperire potueritis virurn, qui possit doctrinis salutiferis et operum exemplis instruere sibi subditos sacerdotes ac regere prudentissime clerum ac plebem et amplificare congrue creditas oves, aut datis litteris vestris eum adnos dirigatis, aut vobiscum venire faciatis. Si certe talem invenire non poteritis, hoc aut per vos aut per vestras litteras innotescatis, quatenus de hoc sancta praemissa sede praevidentes utilem cum Dei auxilio dirigamus. 5 WOLFRAM, Rupert S. 20. 2

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Wohl wirkte damals der heilige Corbinian im Lande, der nach dem Zeugnis seiner Vita in Rom die Predigtvollmacht und die Bischofsweihe erhalten haben soll6. Auffälligerweise stellt ihn die Vita auch als einen Vertrauten Pippins hin 7 . Später — wahrscheinlich nach Karl Martells Baiernfeldzug im Jahre 725 — hat Herzog Hukbert ihn, der inzwischen vertrieben worden war, zurückgeholt und 'sich ihm durch das Band des heiligen Brunnens verbunden', also mit ihm eine Kompaternität geschlossen8. Daß bei alledem weiterhin eine unmittelbare Verbindung zwischen bäurischer Kirche und Papsttum bestehen blieb, scheint sich darin anzuzeigen, daß Bonifatius einen von Gregor III. geweihten Bischof namens Vivilo antraP. Der Angelsachse war es dann, der die endgültige Aufgliederung in festumgrenzte Diözesen vollzog. Bei seinem dritten Romaufenthalt im Jahre 738 übergab ihm Gregor III. einen Brief an die 'Bischöfe, welche in der Provinz der Baiern und in Alemannien eingesetzt sind', um dieselben zu einer Reformsynode an der Donau oder in der Stadt Augsburg zusammenzurufen 10 . Wenn es wirklich, wie Erich Caspar vermutet hat, "der Plan einer konstituierenden Synode des apostolischen Vikars für eine römische Kirchenprovinz der rechtsrheinischen christlichen Gebiete nichtfränkischer Stammeszugehörigkeit" war11 , ist wiederum die politische Brisanz offenkundig. In Wirklichkeit aber wurde die bairische Kirche so geordnet, daß sie nicht "autokephal" wurde: Vier Bischofssitze entstanden, jedoch kein Erzsitz 12 . Der päpstliche Legat Bonifatius, den Karl Martell an sich gebunden hatte, behielt weiterhin die Oberaufsicht 13 . Damit war die Konstituierung einer eigenen bairischen Landeskriche vereitelt 14 . Daß diese Regelung weit hinter den bairischen Intentionen zurückblieb, kann an dem Faktum ermessen werden, daß Herzog Odilo (+ 748) in den Jahren, als nach dem Tode Karl Martells (+ 741) die Herrschaft an Karlmann und Pippin überging, sich einen eigenen päpstlichen Legaten namens Sergius zu besorgen wußte, der sogar Karlmann und Pippin bei 6

Arbeo, Vita Corbiniani 9 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 13, S. 19710): Recepto palleo cum sanctiones beati principis apostolorum Petri: ubique praedicationis officium exercere per Universum orbem potuisset, ex tanti patris relations potestatem habuisset, cum suo diligentissime denotata Galliis brivilegio reversus est. S. LÖWE, Corbinians Romreisen S. 409-420: Das pallium bedeutet hier nur Tuchumschlag für eine Urkunde. 7 Arbeo, Vita Corbiniani 10 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 13, S. 197f). 8 Ebd. 32 (S. 224 10 ); REINDEL, Agilolfinger S. 123f, 151f. Bonifatii epp. 45 (MGH Epp. sei. l, S. 72 5 ): Uiuilo, quern nos ante tempus ordinavimus ... [Brief Papst Gregors III.]; REINDEL, Agilolfinger S. 164f. 10 Bonifatii epp. 44 (MGH Epp. sei. l, S. 70f). 11 CASPAR, Papsttum 2, S. 704; LÖWE, Bonifatius S. 96-100. S. auch SCHIEFFER, WinfridBonifatius, Nachwort zum Neudruck, S. 332f. 12 SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius S. 181-185; REINDEL, Agilolfinger S. 164-170; WOLFRAM, Agilolfinger S. 135ff. 13 JARNUT, Odilo S. 278ff. 14 LÖWE, Bonifatius S. 100; s. auch JARNUT, Odilo S. 280: "Die Struktur dieser mit Billigung Odilos auf der Basis alter herzoglicher Pläne reorganisierten Kirche, die unter Leitung eines päpstlichen Legaten stand, dessen Schutzherr der fränkische Hausmeier war, beruhte auf einem Kompromiß zwischen bayerischen, fränkischen und päpstlichen Interessen."

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ihrem bairischen Unterwerfungszug im Jahre 743 entgegentrat 15 . Dieser Legat war allerdings kein Erzbischof, sondern nur Presbyter. Auch Bonifatius scheint von ihm überrascht gewesen zu sein. Es klingt fast wie eine Verlegenheit, wenn Papst Zacharias in einem Brief vom 5. November 744 auf die Anfrage des Angelsachsen bezüglich seiner bairischen Vollmacht antwortete, daß diese keineswegs gemindert sei, sondern sogar weiter auf ganz Gallien ausgedehnt werde 16 . Dennoch blieb die Stellung des "Päpstlichen Vikars" in Baiern schwierig. Der von König Pippin nach Salzburg entsandte Ire Virgil17 fand offenbar rasch das Ohr Herzog Odilos, denn Bonifatius sah sich beim Papst zu der Klage veranlaßt, daß Virgil gegen ihn arbeite und bei Odilo sogar gegen den Papst hetze 18 . Tatsächlich entspricht es aller historischen Wahrscheinlichkeit, daß Odilo und ebenso Virgil an einem von den Franken und damit auch von Bonifatius unabhängigen Kirchenregiment interessiert gewesen sein dürften. Wiewohl im fränkisch-bairischen Verhältnis keine Herrschertaufe mit einem politischen Patronat aufzuweisen ist, zeigen sich doch wichtige Elemente, wie sie ansonsten im Gefolge des politischen Taufpatronates anzutreffen sind: das Bemühen um ein eigenes Erzbistum und der Rückhalt beim Papst zur Sicherung der politischen Selbständigkeit.

§ 35 Karantanen Gleichwohl hat in der bairischen Geschichte des 8. Jahrhunderts die Taufe anderer Herrschwer eine bereits bedeutsame Rolle gespielt: Die Baiern selbst wandten sie bei der Errichtung ihrer Oberhoheit über die Karantanen und deren Missionierung an. Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum, die allerdings erst 871 entstanden ist1 , überliefert dazu ausführliche und höchst instruktive Nachrichten 2 . Als nämlich vor der Mitte des 8. Jahrhunderts die Awaren im Ostalpenraum 15

Annales Mettenses priores a. 743 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 10, S. 3412J: Captus est autem in eodem prelio Sergius presbiter, missus domni Zachariae papae, quipridie quam bellum committeretur ab Ogdilone Carolomanno et Pippino directus fuerat falsoque ex auctoritate domni apostolici bellum interdixerat et quasi ex precepto supradicti pontificis Francos a Bawariis discedere persuaserat. LÖWE, Bonifatius S. 100-104. 1 Bonifatii epp. 58 (MGH Epp. sei. l, S. 107 ): Et quia, si deberes in Baioarie provinciam ius habere predicationis, sciscitasti, an non, quam a decessore nostro habuisti concessam: nos ... et predecessor noster, non minuimus, sed augemus. Et non solum Baioariam, sed etiam omnem Galliarum provinciam ... 17 WOLFRAM, Agilolfinger S. 138-150; KOLLER, Iren S. 365-373; KAHL, Rolle der Iren S. 376f. 18 Bonifatii epp. 80 (MGH Epp. sei. l, S. 17820J.· Nam et hoc intimatum est a tua fraterna sanctitate, quod Virgilius ille, — nescimus si dicatur presbiter —, malignatur adversum te ... inmissiones faciens Otiloni duci Baiubariorum, ut odium inter te et illum seminaret... WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 9-18. Conversio Bagoariorum et Carantanorum 4 (ed. WOLFRAM S. 42). Ausführlich zur Karantanen-Mission ebd. Kommentar S. 70-115; WALDMÜLLER, Slawen S. 487-515; DERS., Bairi2

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begonnen hatten, die Karantanen zu beunruhigen, wandte sich deren Herzog Boruth an Odilo von Baiern. Vereint vermochten die beiden die Awaren zu schlagen, mit der Folge allerdings, daß der Slawenstamm eine bairisch-fränkische Oberhoheit anerkennen mußte. Datiert werden diese Vorgänge "um 740" 3 ; jedenfalls sind sie vor 743, dem Jahr des bairisch-fränkischen Kampfes auf dem Lechfeld, anzusetzen. Unter den Geiseln, die von Boruth gefordert wurden, befanden sich sein Sohn Gorazd (Cacatius) wie auch sein Neffe Hotimir (Cheitmar)4 . Der Vater habe, wie die Conversio noch zu wissen glaubte, darum gebeten, daß die beiden getauft und christlich erzogen würden 5 . Die eigene Taufe zu erbitten, hat sich der Herzog offenbar nicht genötigt gesehen. Erneut stoßen wir auf jenes gespaltene Vater-Sohn-Verhältnis, wie es bereits mehrfach in der angelsächsischen Bekehrungsgeschichte anzutreffen war, hier nur in umgekehrter Version. An welchem Ort die karantanischen Prinzen ihre Taufe erhielten wird nicht mitgeteilt. Die christliche Erziehung wurde ihnen auf der Auua im Chiemsee zuteil, wo damals vielleicht schon ein Kloster oder eine eigens eingerichtete "Missionszentrale" bestand 6 . Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die Bekehrung von Erfolg war. Denn nach Boruths Tod wurde dessen Sohn Gorazd, nunmehr Christ, von den Karantanen zurückerbeten7 . Einen eigenen Herzog zu haben, war also den Karantanen weiterhin zuerkannt, weswegen ihnen "im Innern eine gewisse Selbständigkeit" erhalten geblieben sein muß8 . In welchem Maße allerdings politische Implikationen bei der Benennung dieses Herzogs im Spiel waren, zeigt die Bemerkung, die Baiern hätten Gorazd auf Befehl der Franken heimgeschickt. Als Zeitpunkt dürfte dafür frühestens 749, das Jahr der Niederwerfung Grifos, anzunehmen sein9. Bairische Missionspolitik konnte also nicht ohne höheres Wissen und Wollen geschehen. Gorazd aber starb bereits nach drei Jahren. Nun war Hotimir an der Reihe. Auch er wurde von den Karantanen zurückerbeten und gleichfalls mit einer höheren Orts, nämlich von König Pippin, ausgesprochenen Erlaubnis heimgeschickt 10 . Er hielt trotz heftiger heidnischer Reaktion an seinem Glauben fest. sehe Slawenmission S. 111-127; VILFAN, Cristianizzazione S. 895-898; KUHAR, Slovenes S. 29-34. 3 WOLFRAM, Agilolfinger S. 137, 145; DERS., Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 77f. Zu den slawischen Namen s. KRONSTEINER, Alpenslawische Personennamen S. 21: Boruth — 'kämpfen'; S. 41: Gorazd — 'erfahren', 'besonnen'; S. 29: Hotimir — 'will'. Conversio Bagoariorum et Carantanorum 4 (ed. WOLFRAM S. 42): Duxeruntque inde secum obsides in Bagoariam. Inter quos erat filius Boruth nomine Cacatius, quern pater eius more christia.no nutrire rogavit et christianum facere; sicut et factum est. Et de Cheitmaro filio fratris sui similter postulavit. S. ebd. Kommentar S. 86f. Die Anfänge der Inselklöster im Chiemsee sind nicht eindeutig zu fassen; ATSMA, Geschichte der Chiemsee-Klöster S. 43-57; PRINZ, Frühes Mönchtum S. 432f. Conversio Bagoariorum et Carantanorum 4 (ed. WOLFRAM S. 42): Mortuo autem Boruth per iussionem Francorum Bagoarii Cacatium iam christianum factum petentibus eisdem Sclavis remiserunt, et illi eum ducem fecerunt. * MORO, Politische Stellung Karantaniens S. 82. 9 WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 87; DERS., Agilolfinger S. 145. 10 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 4 (ed. WOLFRAM S. 42): Sed ille postea tertio

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Für uns sind gerade manche Einzelheiten, die hier sichtbar werden, von Belang. Ein nach Salzburg gehöriger Priester namens Lupo war Hotimirs Taufpate. Er hat seinen Täufling auf der Chiemsee-Insel erzogen und gab ihm dann den eigenen Neffen, den Presbyter Maioranus, mit in die Heimat; insbesondere sollte dadurch die Verbindung zum Salzburger Kloster als dem kirchlichen caput der Mission aufrechterhalten werden 11 . Der neue Herzog freilich verlangte, keinen geringeren als Bischof Virgil bei sich zu sehen. Abgeordnet aber wurde ein Bischof namens Modestus zusammen mit einer Anzahl Kleriker, und sie begannen in Karantanien ihr Missionswerk12. Nach des Modestus' Tod kam Hotimir wiederum mit der Forderung, Virgil selbst solle kommen. Unruhen verhinderten die neuerliche Entsendung eines Bischofs; ja, nach Hotimirs Tod vermochte sich während einer Reihe von Jahren überhaupt kein Priester mehr im Lande zu halten 13 . Erst der zum Jahre 772 bezeugte Karantanensieg Herzog Tassilos14 scheint die christliche Mission wiederum in Gang gebracht zu haben. Der neue Herzog Waltunc nahm die Verbindung mit Salzburg wieder auf, und Virgil entsandte aufs neue Presbyter 15 . Doch erst im Jahre 799 wurde den Karantanen wieder ein Bischof — er hieß Theoderich — zugeführt; dies geschah auf Geheiß Karls des Großen und wurde ausgeführt durch dessen in Baiern eingesetzten Präfekten Gero sowie durch den Salzburger Erzbischof Arn, der die Weihe vollzog16 . Die Missionierung der Karantanen, übrigens "die erste Slawenmission, über deren Verlauf und Ergebnisse wir durch zuverlässige Quellen verhältnismäßig gut unterrichtet sind" 17 , zeigt viele Züge, wie sie für eine imperiale Missionspolitik typisch sind. So fragt man sich fast erstaunt, warum gerade der Taufpatronat des christlichen Herrschers fehlt. Wenngleich das Interesse der Hauptquelle, der Conversio Bagoariorum et Carantanorum, vor allem auf die Bindung der Mission an Salzburg gerichtet ist und sie darum die politischen Bindungen weniger stark hervortreten läßt, wird dennoch soviel klar, daß eine politische Patenschaft wohl anno defunctus est. Iterum autem permissione domni Pippini regis ipsis populis petentibus redditus est eis Cheitmar christianus factus. SCHMID, Salzburger Verbrüderungsbuch S. 175f. Conversio Bagoariorum et Carantanorum 4 (ed. WOLFRAM S. 42): Ille vero secum habens Maioranum presbyterum in luvavensi monasterio ordinatum ad presbyterum. Qui admonuit eum ad ipsum monasterium suum caput declinare in servitium dei. Et Hie ita fecit ac promisit se ad ipsam sedem serviturum. Sicut et fecit atque annis singulis ibidem suum servitium persolvebat et inde semper doctrinam et officium christianitatis percepit, usque dum vixit. S. dazu ebd. Kommentar S. 90; zu dem genannten servitium ebd. S. 85f; DOPSCH, Salzburg und der Südosten S. 8ff. S. auch KAHL, Rolle der Iren S. 388ff. 12 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 5 (ed. WOLFRAM S. 42): Peractis aliquantis temporibus praenominatus dux Carantanorum petiit Virgilium episcopum visitare populum gentis illius eosque in fide firmiter confortare. Quad ille tunc minime adimplere valuit, sed sua vice misso suo episcopo nomine Modesto ad docendam illam plebem. S. ebd. Kommentar S. 91ff. 1 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 5 (ebd. S. 44): aliquot annis nullus presbyter ibi erat. 14 Annales luvavenses maximi a. 772 (MGH SS 30/2, S. 73231J: Tassilo Carintanos vicit. WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 94. 15 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 5 (ed. WOLFRAM S. 44). 16 Ebd. 8 (S. 48), Kommentar ebd. S. 109f. 17 WALDMÜLLER, Slawen S. 488.

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nicht angewendet worden ist, zumindest nicht bei Hotimir, denn als dessen Pate wird jener Priester Lupo genannt, der auch die christliche Erziehung des Slawenprinzen übernommen hatte 18 . Daß aber die politische Bedeutung der Patenschaft nicht bekannt gewesen sein sollte, ist kaum vorstellbar, hat doch .König Pippin 754, um nur diesen spektakulären Fall in Erinnerung zu rufen, bei den Verhandlungen mit Papst Stephan II. denselben als Compater für seine Söhne gewonnen19 . Wahrscheinlich ist mit besonderen Hinderungsgründen zu rechnen. Möglicherweise waren es die Karolinger, die nach Auskunft der Conversio die politischen Vorgänge dieser Bekehrung unter ihrer Kontrolle behielten und nicht zulassen wollten, daß eine so starke Bindung, wie sie die Kompaternität darstellte, zwischen den Karantanenfürsten und dem bairischen Herzog zustande kam. § 36 Awaren Wie schon bei Widukind ist Karl eine weitere Patenschaft bei einem Awarenfürsten eingegangen. Die Awaren, ursprünglich innerasiatische Reiternomaden, besiedelten seit dem Ende des 6. Jahrhunderts das Donaubecken und stellten lange Zeit den bedeutendsten Machtfaktor zwischen Ost- und Westimperium dar1 . Doch scheinen sie zur Zeit Karls des Großen nicht mehr über ihre einstmals so gefürchtete Stärke verfügt zu haben. Mit dem Frankenreich waren sie seit Karls Eroberung der Lombardei und der fränkischen Einnahme Baierns an zwei Grenzen die Anrainer geworden. Dem Doppelangriff vom Süden und Westen waren sie denn auch in keiner Weise gewachsen. Warum es aber zum Krieg gekommen ist, läßt sich nicht mehr vollständig erhellen. Möglicherweise handelten die Awaren aus Treue zu Tassilo, der zuletzt mit ihnen verbündet gewesen war 2 . Im Jahre 791 wurden die Feindseligkeiten eröffnet. Im Herbst des Jahres 795 ließ dann ein Fürst, der den Würdetitel eines Tudun trug und wohl nur über einen Volksteil herrschte, seine Bereitschaft zur Unterwerfung und zur Annahme des Christentums erklären. Noch im Winter erschien er mit einem Gefolge von Großen in Aachen, leistete für sich und sein Land den Treueid und wurde von Karl aus der Taufe gehoben3 . Josef Deer deutet den Wort8

Conversio Bagoariorum et Carantanorum 4 (ed. WOLFRAM S. 42): Cui etiam Lupo presbyter ordinatus de luvavense sede in insulam Chemingi lacus, quae et Auua vocatur, dedit ei nepotem suum nomine Maioranum ad presbyterum iam ordinatum. Et quia conpater eius erat idem Lupo presbyter docuit eum, ut ad luvavense monasterium se devota mente ad christianitatis officium subdidisset. 19 ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 40-63. 1

DEER, Untergang des Awarenreiches S. 719f; LÄSZLO, Awaren S. 527-534; SOS, Slawische Bevölkerung S. 3-28. Zur Frage nach dem Christentum zwischen Spätantike und Karolingerzeit s. KAHL, Zwischen Aquileja und Salzburg S. 33-81. 2 DEER, Untergang des Awarenreiches S. 756ff. 3 Alcvini epp. 99 (MGH Epp. 4, S. 14322J: Quorum [Avarorum] missi ad dominum regem directi sunt, subiectionem pacificam et christianitatis fidem promittentes; Annales regni Francorum a. 795 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 96): Ibi etiam venerunt missi tudun, qui in

$ 36 Awaren

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laut der Reichsannalen — se cum populo suo et patria regi dedit — als Übergabe der eigenen Person, der Untertanen sowie des Landes. Für den Tudun sei dabei aber nicht alle Eigenständigkeit verlorengegangen: "Die Aufnahme in den Vasallenverband ihres Besiegers war mit der Anerkennung ihrer bis dahin ausgeübten Hoheitsrechte über ihre Stämme und deren Siedlungsgebiet gleichbedeutend. Sie blieben auch nach der Niederlage die Fürsten ihrer Volksteile und übten ... eine unmittelbare Herrschaft über ihre bisherigen Untertanen aus."4 Im Unterschied zu Widukind ist hier eine zweifellos günstigere Lösung bezeugt: Der Tudun wurde nicht entmachtet 5 . Und selbst wiederholte Aufstände, die in rascher Folge für die Jahre 797, 799 und 802/803 vermeldet werden, vermochten nicht "die schonungsvolle fränkische Politik" zu beirren 6 . Man wird dabei die schonende Wirkung von Taufe und Patenschaft mit in Anschlag bringen dürfen. Zum Jahre 805 wird die Taufe eines weiteren Awarenfürsten gemeldet: Es war der Kagan, der als der oberste Awarenherrscher galt 7 . In Anwesenheit Karls wurde er in der Fischa getauft und erhielt den Christennamen Abraham 8 . Daß Karl dabei Pate war, möchte man vermuten, wird aber nicht ausdrücklich erwähnt. Insgesamt war das Geschick, das dem Awarenvolk zuteil wurde, nicht ungünstig: "Krieg und Pazifierung wurden unvergleichlich milder durchgeführt, als im Falle der Sachsen."9 Es mag bei dieser Politik ins Gewicht gefallen sein, daß die Reichstheologen, allen voran Alkuin, davor warnten, die Christianisierung erneut, wie in Sachsen geschehen, mit Zwang und der verhaßten Zehnteintreibung durchzuführen. Allerdings scheint diese Liberalität geradezu in Tatenlosigkeit umgeschlagen zu sein. Gleichgültigkeit habe die Reichsgewalt in der Christianisierung an den Tag gelegt, schreibt Josef Deer, von einer missionarischen oder kirchenorganisatorischen Kleinarbeit sei nicht das Geringste zu vernehmen 10 . Dabei gente et regno Avarorum magnarn potestatem habebat; qui dixerunt, quod idem tudun cum terra et populo suo se regi dedere vellet et eius ordinatione christianam fidem suscipere vellet. Ebd. a. 796 (S. 98): In eodem anno tudun secundum pollicitationem suam cum magna parte Avarorum ad regem venit, se cum populo suo et patria regi dedit ipse et populus baptizatus est, et honorifice muneribus donati redierunt; Annales Alamannici a. 795 (ed. LENDI S. 168f): vuandali conquisiti sunt et zotanus dux de pannonia venit ad karolum regem ad achas et se ipsum dedit et patriam quam habebat et ipse baptizatus est et omnes qui cum eo venerant et reversus est cum pace et honore in patriam suam; Annales Maximiniani a. 796 (MGH SS 13, S. 2230J: Huni se dicioni domni Caroli regis subdiderunt. Aericus comis thesaurum magnum inde ad Aquis palatium domni regi adduxit, quern max fidelibus ac magnatis suis largitus est. Tudun ibi baptizatus est cum sociis suis et a domno rege de fönte susceptus est et magnifice honoratus. 4 DEER, Untergang des Awarenreiches S. 771. 5 Ebd. S. 767. 6 Ebd. S. 772; KOLLER, Eingliederung der Slaven S. 37, 40f. DEER, Untergang des Awarenreiches S. 775. 8 Annales Emmerammi maiores a. 805 (MGH SS 30/2, S. 7396).· Cabuanus venit ad domno Carola, et Abraham cagonus baptizatus super Fiskaha; Annales luvavenses maiores a. 805 (ebd. S. 7386J.· Hoc anno babtizatus est caganus vocatus Abraham XL kal. Octobr; ferner DEER, Untergang des Awarenreiches S. 775f. 9 DEER, Untergang des Awarenreiches S. 767. 10 Ebd. S. 787.

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waren die theoretischen und organisatorischen Voraussetzungen ausnehmend günstig: Eine eigene Missionskonferenz ist an einem nicht benannten Ort an der Donau abgehalten worden, um das Vorgehen in der Mission zu beraten 11 . Auch fällt genau in diese Zeit die Erhebung Salzburgs zum Erzbistum, wodurch das große Potential dieses Sitzes für die Mission genutzt werden konnte.

§ 37 Erhebung Salzburgs zum Erzbistum Zu den bemerkenswerten Auffälligkeiten der fränkischen und bäurischen Geschichte des 8. Jahrhunderts gehört die Parallelität in der Kirchen- und Missionspolitik1 . Herzog Tassilo ging hier nicht anders vor als der Franke Karl: 772 besiegte der Baier die Karantanen, in eben dem Jahr, in welchem Karl den Sachsenkrieg mit der Zerstörung der Irminsul einleitete 2 . Zu Dingolfing wurde 772 eine Gebetsverbrüderung geschlossen, die kaum anders denn als Kopie des großen fränkischen Gebetsbundes von Attigny zu verstehen ist 3 . Nicht minder deutlich ist die Parallele in der Klosterpolitik: Innichen im Pustertal sollte der Bekehrung der Slaven dienen4 ; ebenso wurde Kremsmünster als Stützpunkt herzoglicher Landesund Missionspolitik gegründet 5 . Beiden Klöstern war damit eine Rolle zugewiesen, wie sie ähnlich Fulda und Hersfeld für die Sachsenmission einnahmen. Ferner wird man auf den von Tassilo unterstützten "Virgil-Dom" in Salzburg verweisen dürfen, den man das "Saint Denis" der Agilolfinger genannt hat6 . Und so wie die Karolinger ihr Königtum mit Hilfe der Päpste erlangt und befestigt hatten, suchte auch Tassilo einen Halt beim Papst. Wenn Papst Stephan 754 während seines Aufenthaltes im Frankenreich eine geistliche Verwandtschaft mit Pippin einging7 und 781 Papst Hadrian den Karlssohn Karlmann-Pippin taufte und ihn zusammen mit dem nächstfolgenden Sohn Ludwig zum König krönte 8 , so hat Tassilo gewiß ähnliche Motive im Sinn gehabt, als er 772 seinen Sohn Theodo in Rom taufen ließ9. Was aber der bäurischen Kirchenpolitik zu ihrer vollen Entfaltung letztlich fehlte, war jener kirchliche Rechtsträger, der die volle Eigenständigkeit hätte 11 Conventus episcoporum ad ripas Danubii a. 796 (MGH Conc. 2/1, S. 172-176); KRETSCHMAR, Taufgottesdienst S. 309f; LÖWE, Karolingische Reichsgründung S. 76-81. 1

REINDEL, Agilolfinger S. 127-133; WOLFRAM, Fürstentum Tassilos III. S. 157-179; ZÖLLNER, Agilolfinger S. 106ff. 2 S. $ 35 Anm. 14 u. $ 30 Anm. 8. 3 Conc. Dingolfingense a. 770 (MGH Conc. 2/1, S. 93-96); Notitia de pacto fraternitatis (ebd. S. 96f). S. dazu SCHMID - OEXLE, Gebetsbund von Attigny S. 86f. 4 PRINZ, Frühes Mönch turn S. 427ff; ZÖLLNER, Gründung von Innichen S. 362-387. 5 HAIDER, Kloster Kremsmünster S. 1-197; bes. WOLFRAM, Gründungsurkunde (mit Edition) (ebd. S. 51-82). 6 SEDLMAYR, Virgildom S. 145-160; WOLFRAM, Agilolfinger S. 147f; VETTERS, Dome in Salzburg S. 418-426. 7 ANGENENDT, Geistliches Bündnis S. 40-57. 8 Ebd. S. 70-90. 9 Ebd. S. 65ff.

§ 37 Erhebung Salzburgs zum Erzbistum

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realisieren können: ein Erzbischof, wie ihn die Karolinger in Bonifatius, Chrodegang und Wilchar von Sens zu ihrer Verfugung hatten. Salzburg, das von Anfang an der bestausgestattete Episkopalsitz des Landes war, scheint "aus dem Vorsprung ... wirtschaftlicher Macht zur Erfüllung des herrschaftspolitischen Auftrages der Slawenmission"10 geradezu prädestiniert gewesen zu sein: "Als reichestes der bayerischen Bistümer verfügte Salzburgauch über die besten wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Aufgaben als Erzstift und als Missionszentrum."11 Mit einer eigenen bairischen Metropole aber wäre genau jene kirchlich-politische Autarkie verwirklicht worden, welche die Karolinger nicht zulassen wollten. Die Missionspolitik der Baiern vollzog sich, wie wir gesehen haben, unter fränkischer Oberhoheit. Ein bairisches Erzbistum zu errichten war Karl der Große erst in dem Augenblick bereit, da er selbst Herr über Baiern geworden war. Ein Brief Papst Leos III., datiert vom April 798, läßt erkennen, daß es Karls Initiative war, die zur Erhebung von Salzburg führte. Der König habe geboten, so schreibt der Papst, daß Bischof Arn das Pallium erhalten solle und zum Erzbischof in der Provinz Baiern bestellt werde 12 . Weitere Briefe geben zusätzliche Informationen. In einem gleichzeitigen Schreiben an die bairischen Bischöfe stellt der Papst es als deren Initiative dar, daß die Erhebung Salzburgs vorgenommen wurde; von Karl ist nur insofern die Rede, als dies mit seinem Rat und seiner Zustimmung erfolgt sei13. In einem Papstbrief vom Jahre 800 wird betont, daß die Erhebung einer Metropole und die Ernennung des Erzbischofs ein Vorrecht des Papstes sei 14 . Wenn dabei an den wichtigen Grundsatz erinnert wird, daß jede Provinz ihre Metropole haben solle (unaqueque provintia suam habeat metropolim)15, so hätte diese Regel folgerichtig auch auf Karantanien und ebenso auf das damals soeben eroberte Awarenland angewendet werden müssen; beide Gebiete hätten mindestens Bistümer werden müssen. Und tatsächlich hat Karantanien zunächst einen eigenen Bischof erhalten; es ist der bereits erwähnte Modestus. Auch unter Erzbischof Arn wurde wieder ein Bischof dorthin gesandt; es war der bereits erwähnte Theoderich, der aber, wie die Conversio Bagoariorum et Carantanorum betont, zur Anerkennung der dominatio et subiectio luvavensium rectorum verpflichtet wurde 16 . Man hat sowohl Modestus wie Theoderich als Chorbischöfe bezeich10

WOLFRAM, Rupert S. 18. DOPSCH, Karolinger und Ottonen S. 161; REYNOLDS, Canon law collections S. 15-34. 12 Epp. Leonis III papae 4 (MGH Epp. 5, S. 59 29 J: quad vestra a Deo protecta regalis excellentia mandasset nobis ..., quod Arnoni episcopo pallium tribueremus et in provincia Baiowariorum archiepiscopum constitueremus. Ebd. Ep. 3 (S. 58 ): petitorias emisistis, syllabas libenti suscepimus animo, in quibus ferebatur, ut in provincia vestra Baiourariorum archiepiscopum ordinaremus. Ebd. Z. 24: una cum consensu et voluntate praedicti filii nostri domni Caroli praecellentissimi magni regis vobis ordinavimus secundam sanctiones patrum archiepiscopum, videlicet Amonem. Ebd. Ep. 5 (S. 61 3): licentiam habeat eiusdem ecclesiae [Romanae] apostolicus et vicarius beati Petri apostolorum principis constituere metropolim et ordinäre archiepiscopum. 15 Ebd. Z. 32. 16 Conversio Bagoariorum ei Carantanorum 8 (ed. WOLFRAM S. 48). 11

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net 17 — vielleicht zu voreilig, denn die allzeit auf Salzburgs Rechte bedachte Conversio bezeichnet die beiden wie auch noch ihre weiteren Nachfolger jeweils als episcopus1*. So stellt sich die Frage, ob hier vielleicht ein Sprachgebrauch fortlebt, der darauf hindeuten könnte, daß im Anfang noch daran gedacht war, Karantanien zu einem eigenen Bistum zu erheben. Dies wäre genau die Entsprechung zum politischen Status gewesen, daß nämlich dem Land ein eigener Herzog belassen wurde. Andererseits scheint festzustehen, daß Virgil sich die Zugehörigkeit Karantaniens zur Salzburger Diözese von mehreren Päpsten hat bestätigen lassen; jedenfalls konnte Erzbischof Arn, einer Urkunde aus dem Jahre 811 zufolge, entsprechende Präzepte und Bestätigungen von Päpsten — genannt werden Zacharias, Stephan II. und Paul I. — glaubhaft vorweisen 19 . Demnach hätte das Bestreben von früh an darauf abgezielt, Karantanien in das salzburgische Bistum einzugliedern20 . Aber selbst wenn anfangs noch an eine kirchliche Eigenständigkeit Karantaniens gedacht worden wäre, wie hätte man sie verwirklichen können, wenn dabei eine Oberhoheit der bairischen Mutterkirche gewahrt bleiben sollte? Eigentlich nur durch die Einrichtung eines bairischen Erzbistums. Gerade das aber konnte lange Zeit nicht durchgesetzt werden. Als die Erhebung Salzburgs dann endlich erfolgte, kam es dennoch nicht zur Errichtung neuer Bistümer. Sowohl Karantanien wie das soeben eroberte Awarenland, in das nun Slawen einströmten, erhielten keine Eigenständigkeit: Sie wurden nicht selbständige Diözesen unter der Metropole Salzburg, vielmehr wurden sie dem Salzburger Diözesangebiet einverleibt: "Die Sclavinia verblieb im Diözesansprengel von Salzburg."21 Ja, Salzburg behauptete eine so dominierende Stellung, daß seine östlichen Bistümer nur den Status von "Eigenbistümern" — ein kirchenrechtliches Unikum — erlangten 22 . 17 WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 91f; GOTTLOB, Chorepiskopat S. 33-36. 18 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 5 (ed. WOLFRAM S. 42), 8 (S. 48), 9 (S. 48ff). Daß die Conversio sich die Gelegenheit, die von Salzburg abhängigen Bischöfe an ihren geminderten bischöflichen Status zu erinnern, hätte entgehen lassen, ist eigentlich kaum denkbar. Im Salzbürger Verbrüderungsbuch findet sich erst im jüngeren, 1004 abgefaßten Teil der Ordo chori episcoporum Carantenae regionis (MGH Necr. 2, S. 46, Sp. 2, Z. 15) eingetragen. Zudem ist es ganz auffällig, daß "das Verbrüderungsbuch von St. Peter ... nirgends den Namen des Modestus [enthält]; das gleiche gilt aber auch für die Chorbischöfe zwischen 799 und der Mitte des neunten Jahrhunderts" (WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 92); s. ferner SCHMID, Salzburger Verbrüderungsbuch S. 175-196, bes. S. 175f, 186. Der Karantanenbichof Osbald wandte sich — offenbar unter Umgehung Salzburgs — direkt an Papst Nikolaus I. (WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 114). 19 DK I 211 (MGH Dipl. Karol. l, S. 28234/): Arno vero archiepiscopus asserebat se auctoritatem habere pontificum sancte Romane ecclesie Zacharie, Stephani atque Pauli, quorum preceptis et confirmacionibus predicta provincia tempore antecessorum suorum ad luvavensis ecclesie dyocesim fuisset adiuncta. 20 LÖWE, Karolingische Reichsgründung S. 81-86; KLEIN, Salzburg an der Slawengrenze S. 1-14; H. KOLLER (Rechtsstellung Karantaniens S. 161) weist darauf hin, daß Salzburg immer auf "seine antike Tradition hingewiesen und stets die Restaurierung antiker Zustände betrieben habe", um auf diese Weise die alte Provinz Pannonien für sich zu reklamieren. 21 BÜTTNER, Mission S. 480. 22 S. dazu SEIDENSCHNUR, Salzburger Eigenbistümer S. 177-287.

$ 38 Böhmen

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§ 38 Böhmen Die Böhmen erscheinen in den fränkischen Annalen zum erstenmal bei der Erwähnung von Karls Awarenkriegen 1 . Im Jahre 805, als die Taufe des AwarenKagans geschah, erfolge ein eigener Feldzug ins Land der als Beheimi bezeichneten Slawen 2 , desgleichen im folgenden Jahr 806 3 . Die Unternehmungen waren offenbar erfolgreich. Doch wird nicht eindeutig mitgeteilt, ob die Böhmen dabei unterworfen und tributpflichtig gemacht wurden 4 ; laut Einhard aber soll Karl sie zum Tribut verpflichtet haben 5 . Die Ordinatio imperil von 817 sprach die im Osten Baierns angesiedelten slawischen Völkerschaften Ludwig dem Deutschen zu; neben den Karantanen, Awaren und allgemein den Slawen gehörten dazu auch die Böhmen 6 . Im Jahre 822 zählten diese zu jenen Slawenvölkern, die Ludwig dem Frommen ihre munera darbrachten 7 . Wiewohl auch hier nicht eindeutig von Tribut gesprochen wird, scheint es eben doch, daß die Böhmen "damals dem fränkischen Machtbereich eingegliedert worden sind"8. Weiter zeigt sich, daß "die Franken offensichtlich während des ganzen 9. Jahrhunderts die Oberhoheit über Böhmen angestrebt haben" 9 . Für die Christianisierung ist zum Jahre 845 eine wichtige Nachricht überliefert: Auf Geheiß Ludwigs des Deutschen wurden am Oktavtag von Epiphanie vierzehn böhmische duces getauft 10 . Daß dies in Regensburg geschehen sei, wird zwar durchweg als selbstverständlich hingestellt11, hat aber allein die Wahrscheinlichkeit für sich, daß die Stadt damals Residenzort und darüber hinaus das für Böhmen wichtigste Missionszentrum war 12 . Auch ist sich die Forschung darüber klar geworden, daß die duces nicht mit den deutschen Stammesherzögen verglichen werden können, weswegen man die Bedeutung dieser Taufen nicht überschätzen darf; ihnen folgte keine großangelegte Bekehrung der "slawischen Stämme" Böhmens, wie man einmal geglaubt hat 13 . Der Vorgang "war ein Auftakt, aber leitete nicht die Christianisierung des Landes" ein14 . Damit stimmt überein die Beobachtung, auf die F. Graus hingewiesen hat, "daß die böhmische kirchliche Tradition ... nichts von älteren Spuren christlicher Mission in Böhmen weiß und 1

Annales qui dicuntur Einhardi a. 791 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 89). Annales regni Francorum a. 805 (ebd. S. 120). 3 Ebd. a. 806 (S. 122). 4 HOFFMANN, Böhmen S. 3-10. 5 Einhard, Vita Karoli 15 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 25, S. 1828). 6 Ordinatio imperil a. 817 c. 2 (MGH Capit. l, S. 27l 23 ). 7 S. $ 39 Anm. 2. 8 HOFFMANN, Böhmen S. 7. 9 Ebd. S. 10. 10 Annales Fuldenses a. 845 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 35): Hludowicus XIIII ex ducibus Boemanorum cum hominibus suis christianam religiösem desiderantes suscepit et in octavis theophaniae baptizari iussit. 11 BOSL, Probleme S. 3f; PREIDEL, Taufe. 12 HERRMANN, Regensburger Mission S. 178f. 13 BOSL, Probleme S. 25f. 14 PREIDEL, Taufe; DERS.', Denkmäler S. 74f. 2

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die Bekehrung der Böhmen erst in das ausgehende 9. Jahrhundert verlegt" 15 . Die weitere Geschichte Böhmens vollzog sich dann im Schatten des großmährischen Reiches. Erst nach Swatopluks Tod vermelden die Fuldaer Annalen wieder, daß die böhmischen duces, die der Mährerfürst mit Gewalt der bairischen Herrschaft entfremdet habe, erneut Arnulf von Kärnten gehuldigt hätten 16 . § 39 Mährer Ganz deutlich ist die Patronatstaufe in der Missionsgeschichte von zwei anderen Balkanvölkern anzutreffen, nämlich bei den Mährern und Bulgaren. Fast bis zu den letzten Nuancen wurde das Verfahren durchexerziert, angestachelt noch durch die Konkurrenz von Ost- und Westreich. Sowohl die Mährer wie die Bulgaren sahen sich jeweils dem Druck ihres imperialen Nachbarn ausgesetzt. Als sie dann, wie es den Anschein hat, auch noch Reibereien miteinander bekamen, war die politische Konstellation vorgegeben. Der eine verbündete sich jeweils mit der Macht im Rücken des anderen: die Bulgaren mit Ludwig dem Deutschen und der Führer des großmährischen Reiches Rastislaw mit Byzanz 1 . Im Jahre 864 vollzogen sich die entscheidenden militärischen Auseinandersetzungen. Der Sieg fiel den beiden Imperien zu. Die Bulgaren mußten sich unter Byzanz beugen und die Mährer unter das ostfränkische Reich. Der politischen folgte wie selbstverständlich die kirchliche Abhängigkeit. Hier aber wollten die Unterlegenen nicht sogleich kapitulieren. Sie beschritten vielmehr einen Weg, welcher der Anfang einer neuen Unabhängigkeit werden sollte: Beide wandten sich nach Rom und baten den Papst um einen Erzbischof. Die Zerstörung des Awarenreiches hinterließ ein Machtvakuum, das auch die fränkischen Sieger auf die Dauer nicht auszufüllen vermochten. Nördlich der Donau entstand das großmährische Reich, das sich im Laufe des 9. Jahrhunderts eine selbständige Stellung zu erstreiten vermochte. Zum Jahre 822 führen die Reichsannalen die Mährer, wie vorher schon die Böhmen, in der langen Liste östlicher Slawen auf, die alle Kaiser Ludwig dem Frommen munera darzubringen hatten 2 . Bei den Mährern scheint damals eine innere Machtkonkurrenz bestanden zu haben, jedenfalls berichtet die Conversio Bagoariorum et Carantanorum 15

GRAUS, Böhmen S. 12. Annales Fuldenses, Contin. Ratisbon. a. 895 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 126): Mediante mense lulio habitum est urbe Radasbona generale conventum; ibi de Sclavania omnes duces Boemanorum, quos Zwentibaldus dux a consortio et potestate Baioaricae gentis per vim dudum divellendo detraxerat, quorum primäres erant Spitignewo, Witizla, ad regem venientes et honorifice ab eo recepti per manus, prout mos est, regiae potestati reconciliatos se subdiderunt. 16

1

Kritik an dieser Deutung bei DITTRICH, Great-Moravia S. 97ff; s. dagegen RICHTER, Böhmische Länder S. 193. 2 Annales regni Francorum a. 822 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 6, S. 159): In quo conventu omnium orientalium Slavorum, id est Abodritorum, Sorabarum, Wilzorum, Beheimorum, Marvanorum, Praedenecentorum, et in Pannonia residentium Abarum legationes cum munenbus ad se directas audivit.

f 39 Mährer

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von dem in Nitra (Neutra) residierenden Fürsten Pribina (+ 860/61) 3 , daß er durch Mojmir (+ 846) 4 , einen anderen Mährerfürsten, vertrieben wurde. Der Flüchtling meldete sich beim fränkischen Markgrafen Ratbod, der ihn zu Ludwig dem Deutschen führte, auf dessen Geheiß er die Taufe empfing5 ; dies dürfte gegen 833 geschehen sein6 . Ob die Patenschaft dabei eine Rolle gespielt hat, wird nicht überliefert. Doch war das anfängliche Einvernehmen schon bald getrübt. Pribina floh weiter zu den Bulgaren, versöhnte sich dann aber wieder mit den Franken und erhielt in Unterpannonien ein Lehen, das Ludwig ihm 847 sogar zu eigen gab 7 . Für die Folgezeit hat man ihn "den wohl treuesten Gefolgsmann Ludwigs des Deutschen im Ostland" genannt 8 . Zudem hat er, wie auch sein ihm nachfolgender Sohn Kocel, eine amtliche Stellung eingenommen: als Graf slawischer Herkunft in Pannonien unter Oberaufsicht des ostfränkischen Präfekten 9 . Der 3

Ausführlich zu Pribina SOS, Slawische Bevölkerung S. 29-47; DITTRICH, Great-Moravia S. 67ff. 4 Nicht wenige Forscher halten dafür, daß Mojmir Christ gewesen ist; VAVRINEK, Christianisierung S. 22f; CIBULKA, Großmährische Kirchenbauten S. 55. Z. DITTRICH (Great-Moravia S. 53-65) will aus einer in den Fälschungen des Passauer Bischofs Pilgrim (s. § 50 Anm. 9) wiedergegebenen Bemerkung, in der Bischof Urolf von Passau angeredet wird als Mojmirs spiritualis pater, qui per suam sanctam predicationem adoptivos deo vos genuit filios (Ps.-Eugenius II., Ep. 2 [ed. LEHR S. 32]) ableiten, daß der Mährerfürst zwar nicht von Urolf, aber doch von seinem Nachfolger Reginhar gegen 820 mit großen Massen seines Volkes getauft worden sei. Abgesehen davon, daß der Text nicht ausdrücklich von der Taufe spricht, ist die Intention doch zu verräterisch, als daß man sie akzeptieren könnte: Pilgrim möchte eine möglichst frühe Passauer Mission in Mähren nachweisen, um dadurch entsprechende Hoheitsrechte für seine Ansprüche auf ein Erzbistum Passau zu begründen. Schon für Bischof Hartwig (838-865) muß DITTRICH (Great-Moravia S. 81) zugestehen, daß sein Name nirgends in Verbindung mit der Christianisierung Mährens genannt werde. 5 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 10 (ed. WOLFRAM S. 50): Ratbodus suscepit defensionem termini. In cuius spacio temporis quidam Priwina exulatus a Molmaro duce Maravorum supra Danubium venit ad Ratbodum. Qui statim illum praesentavit domno regi nostro Hludowico, et suo iussu fide instructus baptizatus est in ecclesia sancti Martini loco Treisma nuncupate, curte videlicet pertinenti ad sedem luvavensem; s. ferner ebd. Kommentar S. 128f; REINDEL, Bayern S. 192ff; MITTERAUER, Karolingische Markgrafen S. 90-103; KUHAR, Slovenes S. 70f; VAVRINEK, Christianisierung S. 11; VLASTO, Entry S. 24f; zum Taufort WERNECK, St.-Martins-Kirche S. 79-83. - Pribina soll bereits vor seiner Flucht und Taufe in Nitra eine Kirche haben weihen lassen; als Datum wird 827/28 angenommen: Conversio Bagoariorum et Carantanorum 11 (ed. WOLFRAM S. 52): Cui [Priwinae] quondam Adalrammus archiepiscopus ultra Danubium in sua proprietate loco vocato Nitrava consecravit ecclesiam. S. ebd. Kommentar S. 128, 130; TH. VON BOGYAY (Mosapurc S. 384 mit Anm. 86) warnt davor, zu große Folgerungen daraus abzuleiten. Andere dagegen sehen in dem Beleg ein wichtiges Indiz für eine bereits im frühen 9. Jh. wirksame Mission in Mähren, ja daß Pribina die Mission unter fränkischem Druck habe gestatten müssen; VLASTO, Entry S. 24; VAVRINEK, Christianisierung S. 15f, 22; zum archäologischen Befund s. CHROPOVSKY, Situation of Nitra S. 5-33. 6 SOS, Slawische Bevölkerung S. 28. 7 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 11 u. 12 (ed. WOLFRAM S. 52-56); ferner DLdD 46 (MGH Dipl. reg. Germ. Karol. l, S. 62); dazu WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 129f; JÄGER, Abhängigkeitsverhältnisse S. 33f. WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 139. 9 SOS, Slawische Bevölkerung S. 38-42.

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Mission und Kirchenorganisation unter den Karolingern

Conversio Bagoariorum et Carantanorum ist es wie immer auch hier darum zu tun, die Salzburger Rechte herauszustreichen: Erzbischof Liutpram habe die Kirche an Pribinas neuem Herrschaftssitz Mosapurc (Moosburg bei Zalavar) konsekriert, und der Fürst habe ihm seinen Eigenpriester Dominicus unterstellt10 . Der erste Kriegszug Ludwigs des Deutschen gegen die Mährer, von dem wir zu 846 hören, wurde zur Strafe für deren Abfall unternommen. Als neuen Dux bestellte Ludwig dann Rastislaw, dessen Christsein die Quellen voraussetzen 11 . Doch zeugen Rastislaws Aktionen allesamt davon, daß sein "Kampf die Erreichung der vollständigen Unabhängigkeit zielbewußt anstrebte" 12 . Zeitweilig vermochte er sogar Ludwigs des Deutschen Sohn Karlmann, der sich mit seinem Vater entzweit hatte, an sich zu ziehen 13 . Zumal in der Kirchenpolitik verfolgte er eigene Ziele, wobei ihm, wie bereits beobachtet worden ist, "die Schaffung eines mährischen eigenständigen Erzbistums ... als der geeignetste Weg" erschien14 . Dieses Ziel war selbstverständlich nicht in Zusammenarbeit mit dem Ostfränkischen Reich zu erreichen, und so wandte er sich an Byzanz 15 , wobei er offenbar die bairischen Missionare des Landes verwies16. In Byzanz wurde das Gesuch um einen 'Bischof und Lehrer'17 für die Mährer auf Veranlassung 10

Conversio Bagoariorum et Carantanorum 11 (ed. WOLFRAM S. 52): complacitationem illo die inter Luiprammum et Priwinonem, quo ilia dedicata est ecclesia, id est VIIll Kalendas Februarias. Tunc dedit Priwina presbyterum suum nomine Dominicum in manus et potestatem Luiprammi archiepiscopi; ebd. Kommentar S. 130f; VON BOGYAY, Mosapurc S. 349-405; VAVRINEK, Christianisierung S. 25; SOS, Slawische Bevölkerung S. 84-127. - Der Eigenpriester Dominicus gehörte zum Regensburger Klerus, daher war die Unterstellung unter Salzburg notwendig. Annales Fuldenses a. 846 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 36): ducem eis constituit Rastizen nepotem Moimari. Zu Rastislaw s. VAVRINEK, Christianisierung S. 31-45; WOLFRAM, Conversio Bagoariorum et Carantanorum S. 11 ff; DITTRICH, Great-Moravia S. 84f. Die Erwägung, "daß sowohl Rastislav wie [der spätere] Svatopluk ... in ihrer Jugend als Geisel am Hof in Regensburg weilten" (BOSL, Großmährisches Reich S. 17) und dort dann Christ geworden wären, ist im einzelnen nicht zu belegen, entspräche aber einem des öfteren feststellbaren Verfahren. 12 VAVRINEK, Christianisierung S. 32. 13 DÜMMLER, Ostfränkisches Reich 2, S. 23ff. 14 HANNICK, Byzantinische Missionen S. 287. 15 Vita Constantini 14 (ed. BUJNOCH S. 93f); Vita Methodü 5 (ebd. S. 114); SALAJKA, Großmährische Gesandtschaft S. 159-184; OSTROGORSKY, Moravian Mission S. 1-18; DITTRICH, Great-Moravia S. 92f. Es ist vermutet worden, daß Rastislav sich nicht nur an Byzanz, sondern zugleich an Rom gewandt habe. In einem späteren Schreiben Hadrians II., das nach den Anfangsworten 'Gloria in excelsis' betitelt und in der Vita Methodü 8 (ed. BUJNOCH S. 116f) überliefert ist, heißt es: 'Ihr habt ja nicht nur bei diesem (hohen-)priesterlichen Stuhl um einen Lehrer gebeten, sondern auch bei dem frommen Kaiser Michael.' Weil aber Papst Nikolaus L, wie wir aus seinem Brief vom 30. März 864 an Ludwig den Deutschen wissen, den Kampf gegen Rastislav guthieß (s. § 40 Anm. 1), wird gefolgert, daß das römische Gesuch abschlägig beschieden worden ist: VAVRINEK, Christianisierung S. 33f; SALAJKA, Großmährische Gesandtschaft S. 168; DVORNIK, Byzantine Missions S. 102f. 16 VAVRINEK, Christianisierung S. 32. 17 Vita Constantini 14 (ed. BUJNOCH S. 93); ausführlich dazu HANNICK, Byzantinische Missionen S. 287ff; GRIVEC, Konstantin und Method S. 54ff.

$ 39 Mährer

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Kaiser Michaels III. von einer Synode geprüft, mit dem Ergebnis, daß Konstantinos, der nur 'Lehrer' genannt wird und sicher kein Bischof war, mit seinem älteren Bruder Methodios zu Rastislaw entsandt wurde. Wäre ein Bischof beauftragt worden, hätte das notwendigerweise die Errichtung eines Bistums nach sich gezogen, das dann vom Patriarchen in Konstantinopel abhängig gewesen wäre; aber ein solches Projekt wurde offenbar bewußt abgelehnt. Die Gründe können nur vermutet werden: Mähren grenzte nicht unmittelbar an byzantinisches Reichsgebiet und lag außerdem noch jenseits der spätantiken Trennungslinie, derzufolge die kirchliche Diözese Sirmium immer zum Westen, nämlich zu Mailand, gehört hatte 18 . So dürfte es kaum Zufall gewesen sein, daß der Rastislaw zugesandte 'Philosoph' Konstantinos kein Bischof und wohl nur Priester war19 . Im Jahre 863 traf er mit seinem älteren Bruder Methodios in Mähren ein, und sie übergaben Rastislaw ein Schreiben des Kaisers20. Aber schon im folgenden Jahre vollzog sich der große Umsturz: Ludwig der Deutsche zwang Rastislaw zur Subordination 21 , übrigens zur gleichen Zeit als Leo III. das benachbarte Bulgarien überwand. Unter dem Schutz der erneuerten fränkischen Oberhoheit kehrten die bäurischen Missionare nach Mähren zurück. Zwei Gruppen von Geistlichen wirkten nun nebeneinander, was rasch zu Zwistigkeiten führte 22 . Einen Streitpunkt bildete vor allem die von Konstantinos ins Slawische übersetzte Liturgie 23 , welche der lateinische Klerus unter Hinweis auf die drei heiligen Sprachen des Hebräischen, Griechischen und Lateinischen ablehnte 24 . Das byzantinische Brüderpaar wandte sich daraufhin nach Rom. Der Weg führte sie zunächst nach Pannonien, wo sie bei Pribinas Sohn Kocel Aufnahme und Unterstützung fanden 25 . Schließlich gelangten sie über Venedig nach 18

HANNICK, Byzantinische Missionen S. 290ff. Zur Grenzziehung und Geschichte Sirmiums s. LIPPOLD - KIRSTEN, Donauprovinzen Sp. 173-177; HAVLIK, Pannonisches Erzbistum S. 49f; DVORNIK, Byzantine Missions S. 105ff; VLASTO, Entry S. 28f. 19 HANNICK, Byzantinische Missionen S. 292ff; DVORNIK, Byzantine Missions S. 144f. 20 Vita Constantini 14 (ed. BUJNOCH S. 94f); zu diesem nur in der Vita überlieferten Schreiben s. auch DÖLGER, Regesten l, Nr. 463 S. 56. 21 Annales Fuldenses a. 864 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 62). 22 Darauf dürfte angespielt sein in Vita Constantini 15 (ed. BUJNOCH S. 95ff), wo 'lateinische und fränkische Archipresbyter ... mit ihren Priestern und Schülern' erwähnt werden. VAVRINEK, Christianisierung S. 37; GRIVEC, Konstantin und Method S. 63-68. 23 GRIVEC, Konstantin und Method S. 57-63, 73-77. Wichtig ZAGIBA, Geistesleben S. 13221; DOSTÄL, Slavonic Liturgy S. 67-87; DVORNIK, Byzantine Missions S. 107-118; VLASTO, Entry S. 57-66. 24 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 12 (ed. WOLFRAM S. 56): quidam Graecus Methodius nomine noviter inventis Sclavinis litteris linguam Latinam doctrinamque Romanam atque litteras auctorales Latinos philosophice superducens vilescere fecit cuncto populo ex parte missas et euangelia ecclesiasticumque officium illorum, qui hoc Latine celebraverunt; ebd. Kommentar S. 138f: "Das Auftreten des Methodios wird ... als Bedrohung ... der gesamten westlich-lateinischen Kirche dargestellt." — Isidor von Sevilla, Etymologiae IX 1,3 (ed. LINDSAY l [o.S.]): Tres sunt autem linguae sacrae: Hebraea, Graeca, Latina, quae toto orbe maxime exellunt. His enim tribus linguis super crucem Domini a Pilato fuit causa eius scripta; weitere Belege bei LENTNER, Sakralsprache S. 35-38. 25

Vita Constantini 15 (ed. BUJNOCH S. 97); GRIVEC, Konstantin und Method S. 68ff;

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Rom; dort aber verstarb Konstantinos am 14. Februar 869, der dabei zuvor noch Mönch wurde und den Namen Kyrillos annahm 26 . Die weiteren Ereignisse sind in der Vita Methodii verzeichnet, freilich in einer Weise, daß sich mancherlei Fragen ergeben 27 . Zunächst einmal soll Papst Hadrian II. (867-872) die slawische Liturgie gebilligt haben; das diesbezügliche Schreiben, das nur im altslawischen Text der Vita überliefert ist und nach dem Anfang seiner lateinischen Version 'Gloria in excelsis Deo' heißt, ist nicht unbestritten, wird aber, vielleicht mit Ausnahme der liturgischen Aussagen, als verläßlich angesehen 28 . Als Adressaten werden Rastislaw, Swatopluk und Kocel genannt. Von Rom zurückgekehrt, soll dann Method, der dort nur zum Priester geweiht worden war, von Kocel sofort wieder zum Papst gesandt worden sein, um sich zum Bischof von Pannonien weihen zu lassen; Method sei dann für den Stuhl des heiligen Andronikos, also für das im Awarensturm untergangene Sirmium, ordiniert worden 29 . Es kann hier dahingestellt bleiben, ob Method 869/70 noch eine neuerliche Rom-Reise hat bewältigen können 30 . Wichtiger ist, daß er tatsächlich zum Erzbischof geweiht wurde. Nicht wenige Forscher sind bei der Deutung dieser Weihe zu der Annahme geneigt, Papst Hadrian habe hier eine besondere Initiative ergriffen, um angesichts der bulgarischen Hinwendung zu Byzanz (von der noch zu sprechen ist) wenigstens das alte Sirmium für den Westen zu reklamieren31. Weiter stellt sich die Frage, ob Kocel, der doch ostfränkischer Amtsträger war, im Verein mit Rastislaw und Swatopluk eine eigene Kirchenpolitik wagen konnte. Sein Gebiet gehörte zu Salzburg; daß die Conversio Bagoariorum et Carantanorum berichtet, Erzbischof Adalwin habe Weihnachten 864 bei Kocel in Moosburg gefeiert, ist als "Gegenmaßnahme" gegen das Auftreten von Konstantin und Method gedeutet worden 32 . Sollte Kocel dennoch die Verselbständigung gewagt VAVRINEK, Christianisierung S. 41; SOS, Slawische Bevölkerung S. 44-47; DVORNIK, Byzantine Missions S. 128ff; DITTRICH, Great-Moravia S. 153-156. 26 Vita Constantini 18 (ed. BUJNOCH S. 103ff); GRIVEC, Konstantin und Method S. 77-86; GROTZ, Erbe wider Willen S. 172-175. 27 HAVLIK, Pannonisches Erzbistum S. 50ff. 28 Vita Methodii 8 (ed. BUJNOCH S. 116ff); die lateinische Rückübersetzung: Hadriani II papae epp. 43 (MGH Epp. 6, S. 763f). - Zur Echtheitsfrage" GRAFENAUER, Brief Hadrians S. 63-77; BUJNOCH, Rom und Byzanz S. 220ff Anm. 48. 29 Vita Methodii 8 (ed. BUJNOCH S. 118); GRIVEC, Konstantin und Method S. 86-92; GROTZ, Erbe wider Willen S. 175-181; HAVLIK, Pannonisches Erzbistum S. 45-60; BOBA, Episcopacy of St. Methodius S. 85-93; DVORNIK, Byzantine Missions S. 131-151; VLASTO, Entry S. 66ff; DITTRICH, Great-Moravia S. 177f. 30 Nicht wenige Autoren schreiben kurzerhand, die Weihe Methods sei auf Intervention von Kocel geschehen, und übergehen die zweite Romreise; s. z.B. RICHTER, Böhmische Länder S. 194: "Nach Verhandlungen mit Kocel weihte Hadrian II. Method zum Erzbischof ..."; OBOLENSKY, Byzantine Commonwealth S. 144: "Hadrian II, after consulting Prince Kocel, appointed him [Method] archbishop of Pannonia and papal legate to the Slavonic nations ..."; DITTRICH, Great-Moravia S. 177: "back to Rome in the autumn of 869". 31 DVORNIK, Byzantine Missions S. 150; HAVLIK, Pannonisches Erzbistum S. 55; anders DITTRICH, Great-Moravia S. 179. - Zur Erzbischofsweihe S. Anm. 37. 2 Conversio Bagoariorum et Carantanorum 13 (ed. WOLFRAM S. 56); Kommentar ebd. S. 139.

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haben? Eher noch könnte Rastislaw die treibende Kraft gewesen sein. Dieser aber wurde 870 von seinem eigenen Neffen Swatopluk, bis dahin Teilfürst in Nitra, gefangengenommen und an Ludwig den Deutschen ausgeliefert33. Mit Rastislaws Gefangensetzung war die ostfränkisch-bairische Machtstellung in Mähren so gestärkt, daß bairische Bischöfe noch im Jahre 870 Method vor ihr Gericht zogen und ihn auf der Reichenau in Haft setzten, bis Johannes VIII. im Jahre 873 seine Freilassung gebot 34 . In seinen Briefen an Ludwig den Deutschen betont der Papst die bereits seit alters bestehende 'subiectio' Pannoniens unter die römische Kirehe 35 . Swatopluk vermochte sich dann 874 im Frieden von Forchheim eine faktische Unabhängigkeit zu sichern, obwohl er Ludwig dem Deutschen Treue und Tributzahlung geloben ließ36 . Sein Verhältnis zu Karlmann und dessen Sohn Arnulf von Kärnten gestaltete sich dabei so gut, daß er wohl damals ein Kompaternitätsbündnis mit ihnen einging: Er hob einen illegitimen Sohn Arnulfs, der zu Beginn der siebziger Jahre geboren worden war, aus der Taufe und gab ihm seinen eigenen Namen 37 ; es ist jener Zwentibold, der nachmals zum König über Lothringen eingesetzt wurde. Möglicherweise hat Swatopluk auch den Patronat über den Böhmerfürsten Borivoj übernommen; jedenfalls berichten spätere Legenden, daß dieser sich an den großmährischen Hof begeben habe und dort von Method getauft worden sei38 . Demnach hätte Swatopluk selber die Taufe auch imperial zu nutzen gesucht. Für Method als pannonischem oder — wie er auch genannt wird39 — mährischem Erzbischof brachte aber die Selbständigkeit des großmährischen Reiches 33 Annales Fuldenses a. 870 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 70); DÜMMLER, Ostfränkisches Reich 2, S. 301f; DITTRICH, Great-Moravia S. 181-185. 34 Vita Methodii 9 (ed. BUJNOCH S. 118f); MASS, Bistum Freising S. 119-135; DERS., Bischof Anno von Freising S. 210-221; MAYER, Causa Methodii S. 335-360; DVORNIK, Byzantine Missions S. 151-157; VLASTO, Entry S. 68ff; DITTRICH, Great-Moravia S. 186-192. Die Quellen bei HERRMANN, Slawisch-germanische Beziehungen S. 146ff. ZETTLER, Cyrill und Method S. 280-298; zur älteren Auffassung, daß Method in Ellwangen festgehalten worden sei, s. BURR, Anmerkungen zum Konflikt S. 39-56. Für die Reichenau als Haftort auch schon MASS, Bischof Anno von Freising S. 41; anders LÖWE, Methodius S. 341-362, der den MethodEintrag im Reichenauer Verbrüderungsbuch auf den Konstantinopeler Patriarchen Method (843-847) beziehen möchte. S. auch DITTRICH, Great-Moravia S. 193-200. 35 In einem Brief von Mai 873 führt Papst Johannes VIII. die 'subiectio'-Formel für Pannonien an: Pannonica diocesis apostolice sedi sit subiecta (Fragmenta registri lohannis VIII papae 21 [MGH Epp. 7, S. 284 2 ]); s. auch ebd. 15 (S. 2813J: Pannonicam diocesin ab olim apostolice sedis fuisse privilegiis deputatam. 36 Annales Fuldenses a. 874 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 82f); DÜMMLER, Ostfränkisches Reich 2, S. 375; HOFFMANN, Böhmen S. 15f. 37 Regino von Prüm, Chronicon a. 890 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 50, S. 134): filium eius, quem ex pelice susceperat, a sacro fönte levavit eumque ex nomine suo Zuendibolch appellari fecit. DÜMMLER, Ostfränkisches Reich 2, S. 317; HAVLIK., Papal Court S. 116-122. 38 GRAUS, Böhmen S. llf; WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 218*: "Allgemein wird heute nicht mehr an der Richtigkeit der Nachricht über die Taufe Borivojs gezweifelt." VLASTO, Entry S. 86f. Zur legendären Ausgestaltung dieser Taufe s. CIBULKA, Bekehrung S. 106-111. 39 Die Päpste verwenden folgende Bezeichnungen: Johannes VIII. an Ludwig den Deutschen im

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keinen Gewinn. Sein Landesherr wandte sich immer stärker dem in Nitra residierenden lateinischen Bischof Wiching zu, den er zur Weihe nach Rom gesandt hatte40 . Von Herkunft Alemanne, war Wiching später in König Arnulfs Kanzlei tätig und zuletzt Bischof von Passau (+ nach 899) 41 . Auch begann Papst Johannes VIII. die slawische Liturgie einzuschränken,· bis sie zum Schluß ganz verboten wurde 42 . Swatopluk stimmte dem zu; vielleicht wollte er dadurch jeden Vorwand für ein Eingreifen seitens der deutschen Reichskirche beseitigen. Im ganzen aber scheint seine römische Kirchenpolitik, die für ihn ja zugleich die politische Verselbständigung bestärkte, ihr Früchte gezeitigt zu haben, denn es sieht ganz so aus, daß irgendwann nach Methods Tod (+ 885) von Rom ein neuer Erzbischof samt weiteren Bischöfen ins Land gekommen ist. Jedenfalls ist ein Brief Erzbischof Thietmars von Salzburg erhalten, in welchem sich der bairische Episkopat bei Papst Johannes IX. (898-900) darüber beschwert, daß von dessen Seite 'Erzbischof Johannes sowie die Bischöfe Benedikt und Daniel in das Land der Slawen kamen, die Mährer genannt werden; dieses Land aber war unseren Königen und unserem Volk sowie auch uns [Bischöfen] mit seinen Bewohnern unterworfen, sowohl in der Ausübung des christlichen Glaubens wie auch im Tribut weltlicher Güter, weil sie nämlich von hier aus zuerst unterwiesen und aus Heiden zu Christen geworden sind' 43 . Es ist wieder das altvertraute Argument der ersten Mission, demzufolge ein christianisiertes Gebiet der missionierenden Kirche gehören sollte. Längst aber betrachtete sich die römische Kirche als Quelle aller Missionsrechte, erst recht in Böhmen, wo es nach päpstlicher Auffassung nicht um bairische Mission, sondern um die Wiedererstehung des alten Erzsitzes Sirmium ging. Mai 873: Pannonicam diocesin (Fragmenta registri lohannis VIII papae 15 [MGH Epp. 7, S. 28l 3 ]); ders. gleichzeitig an Karlmann: Pannoniensium episcopatu (ebd. Nr. 16 [S. 281 2 ]); ders. an Bischof Anno von Freising nach Sept. 873: Methodium, Pannonicum archiepiscopum legations, apostolice sedis ad gentes fungentem (ebd. Nr. 23 [S. 286 ]); ders. an Method im Juni/Juli 879: Methodio archiepiscopo Pannoniensis ecclesie (lohannis VIII papae epp. 201 [ebd. S. 161 ]; ders. an Swatopluk im Juni 880: Methodio reverentissimo archiepiscopo sancte ecclesie Marabensis (ebd. Ep. 255 [S. 222 28 ]). 40 lohannis VIII papae epp. 255 (ebd. S. 223 21 j: Ipsum quoque presbiterum nomine Uuichinus, quem nobis direxisti, electum episcopum consecravimus sancte ecclesie Nitrensis. DITTRICH, Great-Moravia S. 209-230. 41 HERRMANN, Slawisch-germanische Beziehungen S. 209-212. - Im Reichenauer Verbrüderungsbuch findet sich Uuichinc zusammen mit Szuentebulc, March here und weiteren Personen eingetragen; MGH Libri Mem. et Necr., Nova Series l, S. 63 B/4 (Faksimilie); zu Wiching s. ebd. S. 171 (w 303), zu Swatopluk S. 152 (s 356). SCHWARZMAIER, Mähren S. 65; SCHÜTZ, Methods Widersacher Wiching S. 390-394 (dürfte zu korrigieren sein). 42 VAVRfNEK, Christianisierung S. 49-56; GRIVEC, Konstantin und Method S. 109-132; SCHWARZMAIER, Mähren S. 55-66; DITTRICH, Great-Moravia S. 230-250. 43 Epistola Theotmari (ed. BRESSLAU S. 22): Sedvenerunt, ut ipsipromulgaverunt, de latere vestro tres episcopi, videlicet lohannes archiepiscopus, Benedictus et Danihel episcopi, in terrain Sclauorum qui Maraui dicuntur, que regibus nostris et populo nostro, nobis quoque cum habitatoribus suis subacta fuerat tarn in cultu Christiane religionis, quatn in tributo substantie secularis, quia exinde primum imbuti et ex paganis christiani sunt facti. S. ebd. S. 12: Der Brief "wird allgemein und mit Recht als echt anerkannt". GRAUS, Böhmen S. 15; VAVRINEK, Christianisierung S. 55f; BOSL, Probleme S. 23f; DITTRICH, Great-Moravia S. 304ff; VLASTO, Entry S. 83f.

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Angesichts solcher Erfolge in der kirchlichen Verselbständigung kann es nicht überraschen, daß Swatopluk schon zu Papst Johannes VIII. (872-882) in ein besonderes Verhältnis eingetreten ist. In dem wegen der Sprachenfrage berühmten Brief 'Industriae tuae' lobt der Papst den Mährerfürsten, daß er die Bindung an weltliche Fürsten zugunsten einer Unterstellung unter den Apostelfürsten aufgegeben habe (contemptis aliis seculi huius principibus beatum Petrum apostolici ordinis principem vicariumque illius habere patronum et in omnibus adiutorem ac defensorem)**. Der Papst seinerseits erklärte, Swatopluk mit offenen Armen und in unermeßlicher Liebe als einzigen Sohn umarmen zu wollen und mit all dessen Getreuen in seinen väterlichen Schoß, wie ihm anvertraute Schafe, aufzunehmen (ulnis extensis te quasi unicum filium amore ingenti amplectimur et cum omnibus fidelibus tuis paternitatis nostre gremio veluti oves Domini nobis commissas recipimus)*5. Man hat dies im Sinne einer geistlichen Sohnschaft deuten wollen, und tatsächlich benutzt der Papst die dafür gebräuchlichen Ausdrücke. Lubomir Havlik46 ist noch weiter gegangen, daß nämlich Swatopluk seitens des Papstes eine rechtmäßige Bestätigung seiner Unabhängigkeit erlangt habe. Indem freilich Swatopluk die päpstliche Oberhoheit anerkannt habe, müsse er dabei eine Art Kommendation vollzogen haben. Dadurch aber, daß er sich den Papst zum Oberherrn erkoren habe, sei er in der abendländischen Völkerfamilie zu einer mit dem ostfränkischen Reich Ludwigs des Deutschen, dem westsächsischen Reich Alfreds des Großen und dem spanisch-asturischen Reich gleichberechtigten Stellung aufgestiegen. Nun hat demgegenüber Hartmut Hoffmann argumentiert, der Papst habe ja "nur vorsichtig" geantwortet, daß nämlich die Mährer als 'Schafe des Herrn' in seinen väterlichen Schoß aufgenommen seien; das aber könne ebensogut im geistlichen wie im weltlichen Sinn gemeint sein47. Dennoch bleibt darauf hinzuweisen, daß hier festgeprägte Formeln vorliegen, die in den Papstbriefen noch des öfteren anzutreffen sind; am häufigsten begegnen sie — wovon noch zu sprechen ist — in Papstbriefen an den Bulgaren-Khan Boris-Michael48. Später erhält Swatopluk auch von Stephan V. noch einmal ein Lob dafür, daß er sich von den weltlichen Fürsten abgewandt und dem Papst zugewandt habe. Dabei wird wiederum von seiner geistlichen Sohnschaft gesprochen: König Swatopluk, wie die Anrede jetzt sogar lautet, habe sich aus den Fürsten dieser unbeständigen Welt den Papst, den Vikar des heiligen Petrus, zum Herrn (patronus) erkoren und sich mit den Großen und dem Volk in dessen Schutz (tuitio) begeben49 ; der Papst 44

lohannis VIII papae epp. 255 (MGH Epp. 7, S. 222 33 ). Ebd. Z. 38. HAVLIK, Päpstlicher Schutz S. 19f. 46 HAVLIK, Papal Court S. 108 u. 112f; DERS., Päpstlicher Schutz S. 16-21 (doch ohne erneut von Kommendation zu sprechen). S. auch J. HALLER (Papsttum 2, S. 183): "... ähnlich wie einst Pippin mit seinem ganzen Volk in den Schutz des hl. Petrus". 47 HOFFMANN, Böhmen S. 18. 48 S. $ 40 Anm. 41-47. 49 Stephani V papae epp. l (MGH Epp. 7, S. 355 1 ): Stephanus episcopus servus servorum Dei Zventopolco regi Sclavorum. Quia te zelo fidei sanctorum apostolorum principi Petra videlicet regni caelestis clavigero omni devotione devovisti eiusque vicarium prae cunctis huius fluctivagi saeculi principibus principalem patronum elegisti eiusque te cum primatibus ac reliquo terrae populo tuitioni pariter commisisti. Zur Königsanrede s. HAVLIK, Päpstlicher Schutz S. 21 mit Anm. 88 u. 89. 45

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versichert dann, als geistlicher Vater den Fürsten mit geistlichen Armen (spiritualibus ulnis) und in Liebe gleichsam leibhaftig umarmen zu wollen als seinen geistlichen Sohn 50 . Derselbe Papst gab Legaten, die zu einem Dux des Slawenlandes — wohl Swatopluk — gesandt wurden, den ganz ähnlich klingenden Auftrag mit, daß er, der Papst, als geistlicher Vater gleichsam selbst den Fürsten besuche, ihm seine Vaterschaft anempfehle, ihn geistlich umarme und liebe wie den einzigen Sohn51 . Daß also gleich zwei Päpste in fast gleichartigen Formulierungen eine Abwendung von den weltlichen Fürsten sowie eine Hinwendung zum heiligen Petrus belobigen und dabei von tuitio, defensio und patrocinium sprechen, was alles die Päpste ihrem 'geistlichen Sohn' mit offenen Armen zu gewähren bereit sind, sollte nicht voreilig als Ausdruck religiösen Überschwangs abgetan werden 52 . In missionspolitischer Hinsicht bedeutet dieser "Schutz" seitens der Päpste die Gutheißung der Abkehr von den beiden Imperien und damit die Anerkennung eines politisch-kirchlichen Existenzrechts auch außerhalb von deren Einflußsphären. So gesehen ist Swatopluk durchaus in ein besonderes Verhältnis zu den Päpsten eingetreten. Eine Bestätigung dieser Interpretation werden wir noch in den römischen Beziehungen des Bulgaren-Khans Boris finden, der zur selben Zeit sich bekehrte und dabei gleichfalls mit Rom die Verbindung suchte. Der Aufbau des großmährischen Reiches und die damit verbundene Kirchenpolitik bietet für die hier behandelte Thematik einen geradezu paradigmatischen Fall, sind doch alle jene politischen und religiösen Momente beisammen, wie sie Gegenstand unserer Untersuchung sind. Es begann mit der Taufe des Pribina. Wiewohl hierbei keine Patenschaft Ludwigs des Deutschen bezeugt ist, muß dieselbe doch irgendwie unter dessen Patronanz vollzogen worden sein: suo iussu baptizatus53, Bald aber setzte ein politisches Wechselspiel ein. Rastislaw holte Missionare aus Byzanz. Der Grund ist offensichtlich: Er wollte sich den Baiern und der bairischen Kirche entziehen. Konstantin und Method aber eröffneten — überraschenderweise — den Weg nicht nach Byzanz, sondern nach Rom. Method kehrte von dort als 'mährisch-pannonischer Erzbischof' zurück. Mit der Schaffung des mährischen Erzbistums wurde ein für die Ablösung von der ostfränkischbairischen Reichskirche entscheidender Schritt vollzogen; die bairischen Maßnahmen gegen Method zeigen das in aller Deutlichkeit. Wichtig ist ferner, daß die Päpste dieses von ihnen (wieder-)errichtete Erzbistum auch über Method hinaus aufrechterhalten und gefördert haben, wie die Entsendung des Erzbischofs Johannes und der Bischöfe Benedikt und Daniel beweist. Für die Dauer hätte die "nationale Metropolitanverfassung"54 Mährens zweifellos jene Folgen gezeitigt,

50

Stephani V papae epp. l (MGH Epp. 7, S. 35513j: spiritualibus ulnis quasi pmesentem amplectimur amore ut spiritualem filium. 51 Fragmente registri Stephani V papae 33 (ebd. S. 35225J: papa, spiritalis videlicet pater vester, visitat vos et rnandat vobis amabilem paternitatem. Aniplectitur enim vos spiritaliter et diligit sicut unicum et carissimum filium. 52 S. i 40 Anm. 48. 53 S. Anm. 5. 54 BOSL, Probleme S. 8.

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wie sie später bei Polen55 und Ungarn 56 zu beobachten sind: die kirchliche Eigenständigkeit als Unterstützung und Absicherung der politischen Selbständigkeit. Daß es in Mähren nicht soweit kam, ist nicht der politischen Konzeption anzulasten, sondern dem vernichtenden Einbruch der Ungarn. Wenn wir im herrscherlichen Taufpatronat jene politische Tendenz verkörpert sehen, welche Mission und Herrschaftsausweitung zu einer Aktion zusammenwachsen ließ, so wird demgegenüber am Beispiel Mährens sichtbar, welchen "Störfaktor" das Erzbistum für die imperiale Mission darstellte. Zwar war es noch in Salzburg gelungen, das dort errichtete Erzbistum für die Reichskirche zu vereinnahmen; Salzburg wurde die Metropole der pannonischen Slavinia. Den mährischen Fürsten aber gelang es im 9. Jahrhundert, mit Hilfe des Papstes ein eigenes Erzbistum für ihr Land zu errichten. Wenn dabei auch die Vorstellung von der Wiederbelebung des alten Sirmium eine Rolle spielte, so entsprach es doch ganz der päpstlichen Politik, jedem Land bzw. jeder Provinz ein eigenes Erzbistum zuzugestehen. In der Konkurrenz zwischen Ost- und Westreich bietet das großmährische Reich ein instruktives Beispiel, daß man sich mit Hilfe des Papstes der Eingliederung in eines der großen Imperien zu entziehen vermochte.

§ 40 Bulgaren Wie kaum eine andere Konversion hat die Annahme des Christentums durch den Bulgaren-Khan Boris (852-889) einen breiten literarischen Niederschlag gefunden. Aus einem um die Mitte des Jahres 864 von Papst Nikolaus I. an Ludwig den Deutschen gerichteten Brief erfahren wir, daß der König sich zu Tulln mit dem Bulgaren-König zu treffen beabsichtigte, um den Frieden mit ihm zu bekräftigen und gleichzeitig den Mährerfürst Rastislaw zum Gehorsam zu zwingen. Der Papst versprach für das Unternehmen seine Gebetshilfe; dies insbesondere auch deswegen, weil der christliche König die Hoffnung geäußert habe, daß sich der Bulgaren-König zur Annahme des Glaubens geneigt zeigen werde, wie ja bereits viele aus dessen Volk Christen seien 1 . Schon zum Jahre 863 wird — allerdings nur in den Annales Fuldenses — ein Feldzug gegen die Mährer erwähnt, den die Bulgaren von Osten her unterstützt hätten 2 ; ein weiterer Zug ist für 864 bezeugt3 , wobei Hinkmar berichtet, Ludwig sei dem Bulgaren-Khan, der Christ zu werden 55 56

S. J 49. S. $ 50.

Nicolai I papae epp. 26 (MGH Epp. 6, S. 293 ): fidelis rex dispositum Viabeat venire Tullinam et deinde pacem cum rege Vulgarorum confirmare et Rastitium aut volendo aut nolendo sibi oboedientem facere; ebd. Z. 5: quod Christianissimus rex speret, quod ipse rex Vulgarorum adfidem velit converti et iam multi ex ipsis Christian! facti sint. 2 Annales Fuldenses a. 863 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 56): Interea rex collecto exercitu specie quidem quasi Rastizen Margensium Sclavorum ducem cum auxilio Bulgarorum ab Oriente venientium ... domaturus. 3 Ebd. a. 864 (S. 62).

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versprochen habe, hostiliter entgegengezogen 4 . Tats chlich hat Khan Boris sich dem Christentum zugewandt, allerdings nicht unter dem Patronat Ludwigs des Deutschen. Diesem ist vielmehr der Basileus Michael III. (842-867) zuvorgekommen, dem die Ausdehnung des lateinischen Christentums bis unmittelbar vor Byzanz, dazu noch unter dem politischen Patronat des Ostfranken, unertr glich gewesen sein mu . Byzanz brachte ein erdr ckendes Aufgebot zustande, und Boris mu te sich 864 ergeben; die Konsequenz war seine Taufe 5 . a) Taufe des Boris Im einzelnen freilich sind sowohl der Ablauf wie das Datum der Taufe umstritten6 . Die wichtigsten Versionen der berlieferung schildern die Ereignisse wiederum "modellhaft". Relativ ausf hrlich ist die Fortsetzung der Chronik des Georgios Monachos, und zwar in den sp ter angef gten Kaiserviten (= Georgius Monachus Continuatus), die bald nach der Mitte des 10. Jahrhunderts entstanden sind: 'Die Bulgaren aber gaben noch vor den K mpfen und vor der Schlacht hinsichtlich des Sieges auf und baten darum, Christen zu werden und sich dem Kaiser und den Rhom ern zu unterwerfen. Michael taufte ihren Anf hrer, hob ihn auf und gab ihm seinen Namen; seine Gro en aber f hrte er in die Stadt und taufte sie, so da von da an tiefer Friede entstand.' 7 Ein wohl noch lterer Bericht, n mlich aus der Mitte des 10. Jahrhunderts, findet sich bei Theophanes Continuatus: 'So wird er [Boris] zur Fr mmigkeit gebracht und des Bades der Wiedergeburt gew rdigt und Michael genannt nach dem Namen des Basileus seitens des von der K nigin der St dte zu jenem gesandten Hohenpriesters.'8 Eine wohl im kaiserlichen Auftrag gleichfalls um die Mitte des 10. Jahrhunderts abgefa te Kaisergeschichte, die aber f r das 9. Jahrhundert und speziell auch f r Annales Bertiniani a. 864 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 5, S. 72): Hludowicus rex Germaniae hostiliter obviam Bulgarorum cagano . . . . nomine, qui se christianum fieri velle promiserat, pergit. Das hostiliter bereitet Schwierigkeiten; nach E. D MMLER (Ostfr nkisches Reich 2, S. 86 Anm. 1) bedeutet es hier nicht 'feindlich', sondern 'in Begleitung eines Heeres'; nach F. DVORNIK (Byzantine Missions S. lOOf) soll Ludwig mit Boris ungeduldig geworden sein, weil dieser sein Versprechen, Christ zu werden, nicht habe halten wollen; hnlich CANKOVA— PETKOVA, Conversion des Bulgares S. 27-30. 5 SULLIVAN, Khan Boris S. 69f. 6 R.E. SULLIVAN (Khan Boris S. 70 Anm. 32) gibt eine kritische bersicht ber die Quellen zu diesen Ereignissen. Zu sp teren Legenden um die Boris-Taufe s. DUJCEV, Legendes byzantines S. 63-75. S. auch den allgemeinen berblick im neuen Handbuch der bulgarischen Geschichte von J. DUjiEV (Etat bulgare S. 93-109). 7 Georgius Monachus Continuatus, De Michaele et Theodora 16 (CSHB 48, S. 824 17 ): Οί δε Βούλγαροι ... προ των αγώνων και της μάχης περί της νίκης απεγνωσαν, και Χριστιανοί γενέσθαι και ϋποτάττεσθαι τφ βασιλεϊ και Τωμαώις ήτήσαντο. ο δε Μιχαήλ τον μεν 'άρχοντα αυτών βαπτισας και δεζάμενος έπέθηκεν αυτόν το αϊτού 'όνομα, τους δε μεγιστάνας αυτού εν τϋ πάλει αγαπών έβάπτισεν αυτούς, έκτοτε γενομένης ειρήνης βαθεΐας. Zur Abfassung s. MORAVCSIK, Byzantinoturcica l, S. 269-273. 8 Theophanes Continuatus IV 14 (CSHB 48, S. 16315): ούτω δη προς θ ευσέβεια^ μετατίθεται, και της του λουτρού παλιγγενεσίας καταξιούνται, και Μιχαήλ κατονομάζεται κατά το 'όνομα του βασιλέως, παρά του προς εκείνον αποσταλέντος αρχιερέως από της βασιλίδος των πόλεων. Zu den Theophanes-Fortsetzungen s. MORAVCSIK, Byzantinoturcica l, S. 540-544.

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die Bulgarengeschichte eine wichtige Quelle darstellt, schreibt: '... und so sind auch alle bereitwillig der Taufe der Christen gew rdigt worden; ihr F hrer aber bat, nach dem Namen des Kaisers Michael genannt zu werden, wobei einige namhafte Hohepriester dorthin geschickt wurden, um den christlichen Glauben zu erfahren.' 9 Boris hat also die Taufe empfangen, und Kaiser Michael ist dabei sein Pate geworden; als solcher hat er seinem geistlichen Sohn den eigenen Namen bertragen10 . Die Taufe ist, wie die Quellen andeuten, von einem aus Byzanz entsandten Bischof gespendet worden11 . Der Kaiser, der selbst nicht zugegen gewesen sein kann, wird seine Patenschaft durch Stellvertretung wahrgenommen haben; dem Basileus kam es ohnehin "in erster Linie auf die daraus sich ergebende Piet tspflicht des neuen Familienmitgliedes an" 12 . Das Datum von Boris' Taufe wird unterschiedlich angesetzt; die in der Forschungsliteratur diskutierten Vorschl ge variieren zwischen dem Fr hjahr 864 und dem 25. Mai 86613. Boris-Michael hat seine Taufe nie in Frage gestellt; im Gegenteil, auf vielf ltige Weise hat er bewiesen, wieviel ihm pers nlich, aber auch im Blick auf sein Volk, die Durchsetzung der christlichen Lebensweise bedeutete 14 . Selbst gegen den Widerstand einer Gruppe von Gro en, den Bojaren, hat der Khan an seiner Christianisierungspolitik festgehalten; diese war also nicht ungef hrlich f r ihn, f hrte aber nach der erfolgreichen Niederwerfung der Aufst ndischen zu einer St rkung seiner Herrschaft 15 . 9

Genesius, Liber regum IV (CSHB 49, S. 9719): και τοσούτον ωστβ και του Χριστιανών eimei coc καταξιωθήναι βαπτίσματος απαντάς, τον δε αυτών αρχηγόν αίρετισασοαι Μιχαήλ ώνομάσθαι έπι' τω βασιλέως ονόματι, εκτεμφθέντων έκεισε αρχιερέων τινών ελλογιμων τα της Χριστιανικής πίστεως εγκρατύ^ασοαι. Zur Abfassungszeit s. MORAVCSIK, Byzantinoturcica l, S. 318f. 10

SULLIVAN, Khan Boris S. 70 Anm. 35 (mit Quellenbelegen). HANNICK, Byzantinische Missionen S. 308f. 12 D LGER, Familie der F rsten S. 170f. 13 Einige Beispiele: CANKOVA-PETKOVA, Conversion des Bulgares S. 30: erste H lfte des Jahres 864; SULLIVAN, Khan Boris S. 70: Sommer 865; OBOLENSKY, Byzantine Commonwealth S. 84: wohl im September 865; DUJCEV, Bulgarien Sp. 918: Fr hherbst 865; HANNICK, Byzantinische Missionen S. 309 (in Anlehnung an T. WASILEWSKI): 25. Mai 866. 14 SULLIVAN, Khan Boris S. 134: "It appears certain that he was a religious man." 15 Ebd. S. 73f. Mit zu den wichtigsten Quellen z hlt ein Bericht in den Annales Bertiniani a. 866 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 5, S. 85): Quod proceres sui moleste ferentes, concitaverunt populum adversus eum, ut ilium interficerent, Quotquot igitur fuerunt intra decem comitatus, adunaverunt se circa palatium eius. Ille vero, invocato Christi nomine, cum quadraginta tantum octo hominibus, qui erga christianam devotionem ferventes sibi remanserant, profectus est contra omnem illam multitudinem. S. auch Nicolai I papae epp. 99,17 (MGH Epp. 6, S. 577 ): 'Nun zu eurem Bericht, wie ihr durch Gottes Barmherzigkeit den christlichen Glauben angenommen habt und wie ihr euer ganzes Volk taufen lie et, wie aber jene, die sich nach ihrer Taufe gemeinschaftlich in gro em wilden Trotz gegen euch erhoben und behaupteten, ihr h ttet ihnen kein gutes Gesetz gebracht, die euch sogar umbringen und einen anderen als K nig einsetzen wollten, und wie ihr euch im Zusammenwirken mit der Macht Gottes gegen sie ger stet und sie, gro und klein, berwunden und sie in eure Gewalt bekommen habt, und wie alle ihre F rsten und hohen Adligen zusammen mit ihren Kindern durch das Schwert hingerichtet worden sind, der Mittelstand aber und das einfache Volk keine Bestrafung erfahren haben.' bersetzung nach HEISER, Responsa S. 421f; SULLIVAN, Khan Boris S. 73ff. 11

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b) Zwischen Ost und West Was aber Boris-Michael von Anfang an mit Entschiedenheit abgelehnt hat, waren die politischen Bindungen, die ihn, den militärisch Unterlegenen, seit der Taufe gegenüber Byzanz verpflichteten 16 . Die Niederlage, nicht die Taufe, suchte er wettzumachen. So sehen wir ihn denn auch bald darum bemüht, sich der politischen Sohnschaft gegenüber dem byzantinischen Kaiser und der Eingliederung in dessen Reich und Kirchenorganisation zu entziehen. Gleich die zweite einer langen Reihe von Fragen, die er bald nach seiner Taufe an Papst Nikolaus I. richtete — es sind die berühmten Consulta Bulgarorum17 —, betraf die Patenpflicht. Der Papst antwortete: 'Genauso wie einen Vater muß man den Paten lieben, der einen aus der Taufe gehoben hat. Ja, um wieviel bedeutender der Geist als das Fleisch ist, um soviel mehr soll der geistliche Vater in jeder Beziehung vom geistlichen Sohn geliebt werden; denn geistiger Art ist jene Vaterschaft und im Hinblick auf Gott eine Annahme an Kindes Statt. Der Evangelist Markus, der Schüler des Petrus [cf. l Petr 5,13], wurde ja auch durch die heilige Taufe dessen Sohn. Hätte er ihn nicht wie einen Vater geliebt, wäre er ihm nicht in allem wie ein Sohn folgsam gewesen.'18 Politisch freilich war diese Auskunft eher dazu angetan, für den Papst ungünstig zu wirken, mußte sich doch der Bulgare nur weiter zur Unterwürfigkeit gegenüber Byzanz gedrängt fühlen, während doch gerade dessen Hinwendung nach Rom den Papst in eine solche Freude versetzt hatte, daß er Hinkmar von Reims davon Mitteilung machte und dabei den Neid der Byzantiner nicht unerwähnt lassen konnte 19 . Interessant ist auch, daß im Westen aufgrund dieser Umorientierung der Bulgaren nach Rom schon bald eine "Legende von der lateinischen Taufe Bulgariens" entstand, die vollauf unserem "Modell" entspricht. So heißt es in dem 877 verfaßten Chronicon des Andreas von Bergamo: Der Bulgaren-Fürst sei von Gott erleuchtet mit Geschenken nach Rom gekommen, von Papst Nikolaus sodann im Glauben unterwiesen sowie getauft worden und danach mit den Geistlichen, die er vom Apostolischen Stuhl erhalten habe, in sein Land zurückgekehrt 20 . Demgegenüber hat sich Photios in 16

OBOLENSKY, Byzantine Commonwealth S. 92: "Internal unity and the maintenance of his country's autonomy were his two basic aims." 17 DUJCEV, Responsa Nicolai S. 125-148; DERS., Responsa di papa Nicole. I S. 143-173; HEISER, Responsa. 18 Nicolai I papae epp. 99,2 (MGH Epp. 6, S. 569 9 ): ha diligere debet homo eum, qui se suscipit ex sacro fonte, sicut patrem; quin immo quanta praestantior est Spiritus carne, quod illud spiritale sit patrocinium et secundum Deum adoptio, tanto magis spiritalis pater in omnibus est a spiritali filio diligendus. Marcus enim evangelista Petri discipulus et ex sancto fuit eius baptismate filius. Quern nisi dilexisset ut patrem, ei nan in omnibus oboedisset ut filius. Übersetzung nach HEISER, Responsa S. 401. 19 Nicolai I papae epp. 100 (MGH Epp. 6, S. 601 22 ): invidia vero, quia regem Vulgarum Michahelem nomine cum gente sua Christi fide suscepta a sede beati Petri institutores et doctrinam expetisse audierunt; ebd. S. 603 : quanta gaudio vel quanta exultatione simus rcpleti, eo quod et eorum salubrem conversionem per divitias bonitatis Dei cognovimus et quia illos doctrinam beati apostoli Petri seu sedis eius exquisisse camperimus. 2 Andreas von Bergamo, Historia 13 (MGH SS rer. Langob. S. 227 ): tanto amor caritatis in

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seiner an Boris-Michael gerichteten Unterweisung, die wie eine Kombination von Taufbelehrung und Fürstenspiegel erscheint, politisch zurückhaltender gezeigt; wohl redet er Boris als 'in Christus geliebten, geistlichen Sohn'21 an, erwähnt aber mit keinem Wort die politische Sohnschaft 22 . Boris-Michael hat freilich sofort Schritte unternommen, um sich kirchenorganisatorisch zu verselbständigen. Eine Bitte um Entsendung von Missionaren richtete er sowohl an Papst Nikolaus I. wie an Ludwig den Deutschen. Dieser schickte Bischof Ermenrich von Passau (+ 874) zusammen mit einer Gruppe von Geistlichen nach Bulgarien 23 ; doch waren ihnen aus Rom entsandte Kleriker zuvorgekommen, so daß sie unverrichteter Dinge wieder heimkehren mußten 24 . Die Hintergründe verdeutlicht uns der römische Liber Pontificalis. Er berichtet über die Ankunft der bulgarischen Gesandtschaft in Rom — es war im August 866 — und über die Entsendung römischer Missionare25. Nach dem Eintreffen der römischen Geistlichen aber habe Boris-Michael alle anderen Missionare aus seinem Land ausgewiesen26 . Eine wirkliche kirchliche Unabhängigkeit aber sah Boris-Michael nur erst in einem landeseigenen Erzbistum garantiert, und darauf zielte seine ganze Politik in den nächsten Jahren. Schon in den an Papst Nikolaus gerichteten Fragen hat er dieses Thema vorgebracht. Der Papst beschreibt in seiner Antwort ausführlich die in der westlichen Kirche geltenden Anschauungen: (72) 'Ihr fragt an, ob für euch ein Patriarch ordiniert werden kann. In dieser Angelegenheit können wir nichts Endgültiges sagen, bevor nicht unsere Legaten, die wir zu euch entsenden, zurückgekehrt sind und uns berichten, wie groß die Anzahl der Christen bei euch ist und ob unter ihnen Einmütigkeit herrscht. Freilich sollt ihr inzwischen einen Bischof haben, und wenn mit wachsendem göttlichen Wohlwollen sich das Chrieorum regem pervenit, ut per se ipse ad aecclesia beati Petri Roma veniens, et ibi dona obtulit, et a domno papa Nicholaus catholica fide monitus, Divinitatis scientiae instructus, baptizatus et fide sancta confirmatus, recepit doctores ab eodem domno apostolico, suam reversus est patriam. DÖPMANN, Lateinische Taufe Bulgariens S. 169-176; zur Datierung der Historia s. WATTENBACH - LEVISON, Geschichtsquellen 4, S. 403. 21 Photius, Epistolarum liber I 8 (MIGNE PG 102, Sp. 657). Dies wird in der Literatur immer mit einem gewissen Erstaunen vermerkt: SULLIVAN, Khan Boris^ S. 60-63, 90; OBOLENSKY, Byzantine Commonwealth S. 86. - Zum ganzen Brief s. DUJCEV, Conversion du peuple Bulgares S. 107-123. 23 Annales Fuldenses a. 866 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 65): Legati Vulgarorum ... petentes, ut rex ideoneos predicatores christianae religionis adeos mittere non differet. Am 13. Mai 866 war der bischöfliche Stuhl von Passau durch den Tod des Bischofs Hartwig vakant geworden. Daß gerade Ermenrich im Sommer oder im Herbst desselben Jahres zum Nachfolger bestellt wurde, geschah, wie M. HEUWIESER (Bistum Passau l, S. 146f) vermutet, wohl mit Blick auf die Bulgarenmission. 24 Annales Fuldenses a. 867 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 65f): Rex Hludowicus Vulgarum petitionibus annuens Ermenrichum episcopum cum presbyteris ac diaconibus ad propagandam fidem catholicam praefatae genti destinavit. Sed cum illuc pervenissent, episcopi a pontifice Romano missi totam illam terram praedicando et baptizando tarn tunc repleverunt; quapropter isti accepta a rege licentia redierunt in sua. 25 Liber Ponrificalis, Vita Nicolai (ed. DUCHESNE 2, S. 16414~35). 26 Ebd. S. 16513.· omnes a suo regno pellens alienigenas, prefatorum apostolicorum solummodo predicatione usus missorum.

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stentum dort ausgebreitet hat und Bischöfe für die einzelnen Kirchen geweiht sind, dann soll aus ihrer Reihe einer gewählt werden, der, wenn auch nicht Patriarch, so doch gewiß Erzbischof genannt werden muß. An ihn sollen sich alle wenden und in wichtigen Angelegenheiten seinen Entscheid entgegennehmen ... (73) Von wem ein Patriarch ordiniert werden muß, fragt ihr. Dazu nehmt zur Kenntnis, daß dort, wo bisher kein Patriarch oder Erzbischof eingesetzt war, er erstmalig von einem Höherstehenden eingesetzt werden muß; denn nach dem Apostel wird das Geringere von dem Bedeutenderen gesegnet [cf. Hebr 7,7]. Nachdem er so die Ermächtigung zur Amtsausübung erhalten hat und das Pallium trägt, weiht er dann selbst die Bischöfe, die seinen Nachfolger zu ordinieren berechtigt sind. Ihr aber, ganz gleich, ob ihr verlangt, daß euch ein Patriarch, Erzbischof oder Bischof ordiniert werde, könnt jetzt nichts Vernünftigeres anstreben, als daß dieser einzig vom Hohenpriester auf dem Stuhle des heiligen Petrus ordiniert wird, 'von dem die Bischofswürde und das Apostelamt den Anfang nahmen'. Dabei ist folgende Ordnung zu beachten: Zunächst muß vom Inhaber des Apostolischen Stuhles für euch ein Bischof geweiht werden; wenn Christi Volk unter seiner Führung wächst, nimmt er durch uns die Rechte eines Erzbischofs entgegen und schließlich setzt er Bischöfe für sein Gebiet ein, die nach seinem Hinscheiden seinen Nachfolger wählen. Wegen der Länge des Reiseweges braucht der Gewählte zur Weihe aber nicht hierher zu kommen, sondern die Bischöfe, die von dem heimgegangenen Erzbischof geweiht wurden, sollen ihn bei einer Zusammenkunft in sein Amt einführen. Allerdings soll er einstweilen nicht den erzbischöflichen Stuhl übernehmen und, abgesehen vom Leibe Christi, keine Konsekrationen vollziehen, bevor er nicht vom römischen Stuhl das Pallium erhalten hat. Dieses Verfahren erkennen alle Erzbischöfe in Gallien, Germanien und in den übrigen Gebieten an.' 27 Boris hat den päpstlichen Rat getreu zu befolgen gesucht. Von den römischen Missionaren wollte er sich Formosus zum Erzbischof ausersehen. Dieser aber war bereits Bischof von Porto. Der Papst verweigerte dem Bulgaren sein Begehren mit dem Hinweis auf die unlösliche Bindung, die ein Bischof mit der ihm anvertrauten Herde einzuhalten habe 28 . So entsprach es in der Tat idealen Vorstellungen des Kirchenrechtes, wurde aber in Wirklichkeit oft genug durchbrochen 29 . Die wahren Gründe des Papstes für seine Verweigerung, die wesentlich zur alsbaldigen Abkehr der Bulgaren von Rom beigetragen hat, liegen im Dunkeln 30 . Der Nachfolger, Hadrian II., empfing im Jahre 869 nochmals eine bulgarische Gesandtschaft unter Leitung des dem Boris-Michael verwandten Petrus, der den römischen Diakon Marinus zum Erzbischof erbat; ihn oder sonst einen aus den Kardinalen wünschte Boris-Michael sich auswählen zu dürfen. Auch Hadrian entsprach dieser 27

Nicolai I papae epp. 99,72f (MGH Epp. 6, S. 592 27 -593 17 ); Übersetzung nach HEISER, Responsa S. 465-467; KEMPF, Struktur der Kirche S. 50-53. 28 Liber Pontificalis, Vita Nicolai (ed. DUCHESNE 2, S. 16515;.· unumque exhts, Formosum, vita et moribus episcopum, sibi dari archiepiscopum expetiverit; ebd. S. 16520: Formosum episcopum plebem dimittere sibi creditam non oportebat. 29 GROTZ, Erbe wider Willen S. 208 mit Anm. 4. 30 Ebd. S. 209; SULLIVAN, Khan Boris S. 92.

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Bitte nicht, woraufhin die Bulgaren nochmals nachdrücklich ihren Wunsch nach Formosus vorbrachten; aber wiederum vergeblich 31 . Seit 870 sehen wir dann Boris-Michael sich enttäuscht von Rom abwenden. Im Anschluß an das 869/70 in Konstantinopel abgehaltene Konzil, das 8. Ökumenische, fand eine Sitzung statt, auf der die Patriarchen des Ostens über die kirchliche Zugehörigkeit Bulgariens eine Entscheidung fällen sollten 32 . Dabei erfahren wir, daß päpstliche Legaten anwesend waren, daneben aber auch eine bulgarische Gesandtschaft, wiederum unter Führung des Petrus. Die Patriarchen entschieden selbstverständlich für den Osten, und die Bulgaren haben dies befolgt. Aus einem im November 871 geschriebenen Brief Hadrians II. ersehen wir, daß der Patriarch Ignatius zu der Zeit bereits einen Bischof für Bulgarien ernannt hatte 33 . Der griechische Klerus übernahm erneut die Missionsarbeit, und schon in einem Brief des Papstes Johannes VIII. von der Jahreswende 872/873 wird beklagt, daß Ignatius 'einen Schismatiker mit dem Titel Erzbischof'34 nach Bulgarien gesandt habe. Das ostwestliche Ringen um Bulgarien war damit, wenn auch zeitlich noch nicht beendet, so doch für alle Zukunft entschieden. Daß in der Hinwendung des Khans zum Papst auch "politische" Momente enthalten waren, verraten zwei Quellentexte, die bisher allerdings nicht entsprechend ausgewertet worden sind. Es ist einmal jenes Protokoll, das uns über die bekannte "Bulgarensitzung" informiert, welche im Anschluß an das 8. Ökumenische Konzil stattfand 35 . Darin rufen die päpstlichen Legaten dem bulgarischen Abgesandten Petrus, dem Verwandten des Boris, in Erinnerung, daß sich doch sein Herr, eben der regierende Khan, mitsamt seinem Volke durch ihn, den Gesandten Petrus selbst, dem Apostelfürsten Petrus übergeben habe und daß sie von dessen Nachfolger, von Papst Nikolaus, die Gebote, nach denen sie leben sollten, wie auch die Bischöfe und Priester erhalten hätten 36 . Der andere Text findet sich in der von Anastasius verfaßten Vorrede zu den Akten desselben 8. Ökumenischen Konzils. Die Ergebenheit des Boris, so heißt es da, sei derart angewachsen und in ihrer Verehrung gegen den heiligen Petrus so überschwenglich geworden, daß der Khan eines Tages sich mit eigener Hand 'ins Haar gegriffen' und vor aller Augen sich selbst den römischen Gesandten übergeben habe mit den Worten: 'Alle Großen und alle Völkerschaften Bulgariens sollen erkennen, daß ich vom heutigen Tage an 31

Liber Pontificalis, Vita Hadriani II (ed. DUCHESNE 2, S. 1854); GROTZ, Erbe wider Wülen S. 207-210. 32 STIERNON, Konstantinopel IV S. 190-194. 33 Hadriani II papae epp. 41 (MGH Epp. 6, S. 760 14 ): Ignatius in Vulgarum regione consecrare praesumpsit antistitem. Fragmenta registri lohannis VIII papae 9 (MGH Epp. 7, S. 278): [Ignatius] illuc quemdam scismaticum sub nomine archiepiscopi destinavit. 35 S. Anm. 32. 36 Liber Pontificalis, Vita Hadriani II (ed. DUCHESNE 2, S. 18224J.· Legati sanctae Romanae aecclesiae responderunt: 'Sanctae Romanae aecclesiae, cui per te, o Petre, tuus senior beato apostolorum principi Petra cum omni gentis suae regno se tradidit, a cuius successore, videlicet egregio papa Nicolao, et precepta vivendi et episcopos ac presbiteros suscipere meruit, vos et pertinuisse et pertinere debere etiam in eo monstratis quod postulates notros sacerdotes et suscepistis et actenus veneratione congrua retinetis.'

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nächst Gott des heiligen Petrus und seines Stellvertreters Knecht bin.'37 Die Forschung hat diese, auf den ersten Blick zweifellos merkwürdigen Aussagen nur reserviert aufgenommen, sie aber auch nicht einfachhin zu verwerfen gewagt. Interessant ist zum Beispiel, wie sich die Herausgeber der Konzils-Praefatio, E. Perels und G. Laehr, verhalten haben; sie verweisen auf jenen Brief Johannes' VIII., in dem dieser Swatopluk von Mähren lobt, die weltlichen Fürsten hintangestellt und den heiligen Petrus als alleinigen Patron erwählt zu haben 38 . An anderer Stelle begnügt sich E. Perels damit zu konstatieren, der Bulgarenkönig habe sich zum Knecht des heiligen Petrus gemacht 39 . Was aber dies bedeutete, insbesondere ob darin kirchenpolitische Implikationen eingeschlossen waren, wird nicht erörtert. Daß mit dem uns so fremdartig anmutenden "Haar-Ritus" durchaus ein politischer Gestus der Selbstübergabe an den Papst vorliegen könnte, ist schon an anderer Stelle bei Erörterung ähnlicher Akte dargestellt worden40 . Wichtiger sind aber noch andere Quellenaussagen. In einem Brief, den Johannes VIII. im April 878 an Boris-Michael gerichtet hat, erscheint wieder jene Sprache der geistlichen Sohnschaft, wie wir sie schon bei Swatopluk kennengelernt haben. Der Papst fordert den Bulgaren auf, zum heiligen Petrus, dem ersten der Apostel, zurückzukehren, 'den ihr geliebt, den ihr auserwählt, den ihr gesucht, dessen Schutz (patrocinium) ihr in allen Bedrängnissen erhalten, von dem ihr heilsam und geziemlich das Wasser seiner Lehre geschöpft und in dessen Schutz (protectio) ihr euch mit allen Untergebenen empfohlen und übergeben habt'41 . Der Papst hält sich bereit, den Rückkehrenden mit offenen Armen aufzunehmen 42 . Andere Briefe enthalten Hinweise, die diese Redeweisen noch weiter zu erläutern geeignet sind. So erinnert Papst Johannes VIII. in einem Schreiben des Sommers 879 den Khan Boris-Michael daran, daß doch sein eigener Bruder Petrus nach Rom gekommen sei; Rom aber sei Haupt und Lehrerin aller Kirchen; von dort hätten alle Könige und Fürsten das Wort der Wahrheit empfangen; von dort aber hätten auch die Bulgaren die kirchliche Lehre und die rechten Weisungen erhalten 43 ; mit

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Anastasius bibliothecarius, Praefatio V (MGH Epp. 7, S. 412 35 J: In tantum autem pietas creverat principis et abundabat circa beatum Petrum venerationis affectu, ut quadam die manu propria capillos suos apprehenderit et contemplantibus cunctis se Romanis missis tradiderit dicens: Omnes primates et cuncti populi Vulgarum terrae.cognoscant ab hodierno die me servum fore post Deum beati Petri et eius vicarii.' 38 MGH Epp. 7, S. 412 Anm. 9; Text zitiert in $ 39 Anm. 44, s. auch Anm. 49. 39 PERELS, Papst Nikolaus I. S. 162f. 40 S. $ 19 Abschnitt f. 41 lohannis VIII papae epp. 66 (MGH Epp. 7, S. 59 ): Revertimini ergo ad beatum Petrum apostolorum primum, quem amastis, quem elegistis, quem quesistis cuiusque in necessitatibus patrocinium percepistis et fluenta doctrine salubriter et convenienter hausistis cuiusque vos protectioni cum subiectis omnibus commendastis et tradidistis. 42 Ebd. Ep. 182 (S. 14634), Ep. 192 (S. 15412J: spiritaliter amplectimur ulnis. Ebd. Ep. 192 (S. 1543): Ipsius etiam gratia vobis revelante ad sedem beati Petri apostolorum principis, que caput et magistra omnium ecclesiarum Dei existit et a qua omnes reges et principes verbum veritatis acceperunt, legatos vestros, Petrum scilicet cognatum vestrum et lohannem atque Martinum, precessoris nostri domni Nikolai beatissimi presulis tempore direxistis, ut et vos inde doctrinam ecclesiasticam atque canonica instituta reciperetis, übt totius ecclesie

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seinem Brief aber besuche er gleichsam in eigener Person ihn, Michael, das ihm vom Apostelfürsten anvertraute Schaf aus der Herde des Herrn, und er umarme ihn geistlich mit geistlichen Armen als geliebten Sohn44. König Michael möge, so heißt es in einem anderen Brief, zurückkehren zu seiner Mutter, der römischen Kirche, die ihn in ihrem geistlichen Mutterschoß geboren und ihm durch Papst Nikolaus die wahre Gestalt der Religion und des Rechtes vermittelt habe, die überhaupt den Prinzipat über alle Völker innehabe und bei der deswegen alle Nationen wie bei der einen Mutter und dem einen Haupt zusammenkämen. Die Gemeinde eines anderen an sich zu reißen sei, wie die Väter lehrten, den Griechen nicht gestattet 45 . In einem schon vorher geschriebenen Brief heißt es nochmals verdeutlichend: Wiewohl der allmächtige Gott sich die ganze Kirche als seine Braut anvermählt und ohne Makel bewahrt habe, so habe er doch jenen Teil der Kirche, den er als Hauptsitz des heiligen Petrus anerkannt wissen möchte, in besonderer Weise ohne Makel und Runzel erhalten wollen46. Vorwurfsvoll schreibt dann der Papst an Basileios L, daß der Patriarch Ignatios in das Bulgarenvolk eingedrungen sei, welches doch auf des heiligen Petrus, des Himmelspförtners, und des heiligen Paulus, des Völkerlehrers, Fürsprache hin göttlich erleuchtet, sodann durch Gesandte des Apostolischen Stuhles zum Glauben an Christus bekehrt und in der Taufe abgewaschen worden sei47 . Die päpstlicherseits an Boris-Michael herangetragenen Gedanken lassen sich verhältnismäßig leicht zu einer geschlossenen Abfolge zusammenordnen. Grundlegend ist wieder der alte Gedanke von der Mater ecclesia, die, Gott angetraut, in Taufe und Lehre ihre geistlichen Söhne gebiert. Wer aber in Glaube und Taufe wiedergeboren ist, bleibt Glied derjenigen Kirche, die ihn wiedergeboren hat. Die römische Kirche gilt dabei als bevorzugt und besonders makellos. In ihr waltet an Christi Statt der heilige Petrus und stellvertretend für ihn die Päpste. Wer Lehre und Taufe von Rom erhalten hat, steht darum in einem besonderen Verhältnis zu dieser Kirche und ihren Leitern, den Päpsten. Dies glaubte Papst Johannes VIII. auch gegenüber Boris-Michael beanspruchen zu dürfen; die Tatsache, daß der Christus posuit principatum, quod nimirum secundum vestram voluntatem ab eadem sancta Romana ecclesia promeruisti. Ebd. Z. 12: his nostri apostolatus litteris visitamus et nostris apostolicis spiritaliter amplectimur ulnis. 5 Ebd. Ep. 198 (S. 159 ): Revertere iam, fili amantissime, ad sanctam matrem tuam Romanam ecclesiam, que te religiöse utero genuit et per quam totius religionis et iustitie formam sancto predecessors nostro Nikolao presule mittente suscepisti et que omnium gentium retinet principatum et ad quam totius mundi quasi ad unam matrem et unum caput convenient nationes. Nolite amplius deserere matrem tuam, quia illa tui non obliviscitur, quin potius quasi unicum diligit et semper memoriam tui coram Domino facit. Non enim licitum fuit Grecis alteriusparroechiam usurpare, sanctis hoc patribus apertissime prohibentibus. Fragmenta registri lohannis VIII papae 7 (ebd. S. 277 2S J: Deus omnipotens, licet universam aecclesiam sibi ut sponsam coniunxerit, quam sine macula exhibuerit, earn tarnen partem, quam esse principalem sedemque Petri vocari decrevit, peculiarius noluit penitus höhere maculam aut rugam aut aliquid huiusmodi. 7 Ebd. Nr. 40 (S. 296 28 J: ausu temerario presumpsit novam Bulgarorum gentem, beati Petri celestis regni clavigeri et Pauli gentium doctoris precibus divinitus illustratam et per apostolicae sedis legates ad fidem Christi conversam et sancto ablutam baptismate.

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Khan von Papst Nikolaus sowohl die christliche Lehre wie auch die Missionare erbeten hatte, vermochte offenbar aufzuwiegen, daß Boris seine Taufe von Byzanz empfangen hatte. Endlich wird auch verständlich, was die Hintanstellung der weltlichen Fürsten meint; es sind die byzantinischen Kaiser, deren, im Taufpatronat begründete geistliche Vaterschaft verlassen werden durfte, weil der Patronat der Päpste und des heiligen Petrus von höherer Dignität war. Wenn jüngst wieder darauf hingewiesen worden ist, daß die Begriffe 'patrocinium', 'tuitio', 'defensio', wie sie die Päpste im 9. Jahrhundert gegenüber den Balkanfürsten verwandten, nicht im Sinne einer politischen Abhängigkeit, sondern nur allgemein "religiös" zu interpretieren seien48, so ist das zunächst gewiß richtig, sofern nur sichergestellt bleibt, daß dieses religiöse Verständnis nicht zu allgemeiner Unverbindlichkeit verschwimmt. Die Päpste erhoben hier einen klaren Anspruch auf'subiectio'; das bedeutete, daß die von ihnen missionierten Länder und Völkerschaften sich in Lehre und Kult ganz an Rom anzuschließen hatten. Dies schloß dann auch politische Aspekte ein: der König eines von Rom missionierten Volkes hatte in der 'subiectio' des heiligen Petrus voranzugehen. c) Nachfolger Symeon Endlich ist noch ein Blick auf die Nachfolgeregelung zu werfen, die BorisMichael getroffen hat. Zwei Söhne von ihm sind in das Rampenlicht der Geschichte getreten. Vladimir wurde zum Nachfolger berufen, als Boris 889 ins Kloster eintrat. Die bulgarische Bekehrungsgeschichte, die schon in der Taufe des Boris so sehr dem üblichen Verfahren entsprach, erweist sich auch darin noch als gleichartig mit vielen anderen Konversionen, daß der Nachfolger-Sohn es wiederum mit dem Heidentum versuchte: Vladimir reaktivierte die heidnischen Kräfte im Lande. Boris mußte aus dem Kloster noch einmal auf die politische Bühne zurückkehren. Seine Autorität aber vermochte das Bekehrungswerk zu retten 49 . Nachfolger wurde nun ein anderer Sohn, der eigentlich zum geistlichen Beruf bestimmt worden war und in Byzanz seine Erziehung erhalten hatte: Symeon50 . 48

FRIED, Päpstlicher Schutz S. 40ff. S. ebd. S. 44: "... wenn in dieser frühen Zeit der Gedanke des päpstlichen Schutzes für sie [Laienfürsten] aufleuchtete, so läßt er sich — sehe ich recht — durchweg auf Gebetsschutz reduzieren." 49 SULLIVAN, Khan Boris S. 75ff. Von den westlichen Chronisten ist Regino von Prüm zu beachten: Chronicon a. 868 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 50, S. 96), wo im Vorausgriff auf a. 889 berichtet wird: et ordinato in suo loco regem filium suum maiorem natu, comatn capitis deposuit habituque sanctae conversations suscepto monachus effectus est, elemosinis, vigiliis et orationibus die noctuque intentus. Interea filius eius, quem regem constituerat, lange a paterna intentione et operatione recedens predas cepit exercere, ebrietatibus, comessationibus et libidinibus vacare et omni conamine adgentilitatis ritum populum noviter baptizatum revocare. Quod cum pater audisset, nimio zelo accensus sacrum habitum deposuit et militiae cingulum resumpsit et cultu regio indutus, adsociatis sibi Deum timentibus, filium persecutus est: quem mox absque difficultate cepit, oculosque eius effodit, et in ca.rce.rem misit; deinde convocato omni regno suo filium iuniorem regem constituit. RUNCIMAN, Bulgarian Empire S. 133-176. 50 Ebd. S. 137-183; OBOLENSKY, Byzantine Commonwealth S. 103-117; DUJCEV, Etat bulgareS. 111-126.

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Hat Boris-Michael wenigstens zeitweilig versucht, dem byzantinischen Patronat dadurch zu entkommen, da er sich nach Rom wandte, so ging sein Nachfolger Symeon konsequent den Weg in Richtung Byzanz. Aber nicht untergebener Sohn wollte er bleiben, vielmehr setzte er alles daran, von Byzanz sogar als Kaiser anerkannt zu werden, und er scheute sich nicht, deswegen zu den Waffen zu greifen. Im August 913 stand er drohend vor den Mauern von Konstantinopel und konnte erreichen, da er von dem jungen Kaiser Konstantinos (913-959) und dem Patriarchen Nikolaos Mystikos (901-907/912-925), dem tats chlichen Regenten des Reiches, empfangen wurde. Dabei soll der Patriarch den Bulgaren sogar gekr nt haben. Auch wurde die Verheiratung des damals etwa siebenj hrigen Kaisers mit einer Tochter Symeons verabredet, was ein Protektorat des Bulgaren ber das Kaiser-Kind bedeutet h tte. Aber bald nach diesen Ereignissen trat ein Umschwung ein. Zun chst nahm die Kaiserin-Mutter Zoe die Herrschaft in ihre H nde. Der als nachgiebig geltende Patriarch Nikolaos mu te sich aus dem politischen Geschehen zur ckziehen. Die Zuerkennung der Kaiserw rde an Symeon suchte man durch das Ger cht zu entwerten, da der Bulgare mit einer nicht echten Krone get uscht und deswegen ung ltig gekr nt worden sei51 . Von der beabsichtigten Verheiratung wurde gleichfalls Abstand genommen. Symeon k mpfte mit umso gr erer Bitterkeit und belagerte 924 noch einmal die Kaiserstadt. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, den ber hmten Briefwechsel des Patriarchen Nikolaos mit Symeon auf die Terminologie der geistlichen Verwandtschaft hin zu untersuchen. Am st rksten f llt auf, mit welcher Selbstverst ndlichkeit der byzantinische Patronat auch f r Symeon als weiterhin g ltig und verpflichtend betrachtet wurde. In einem Anfang Juli 913 geschriebenen Brief wird gegen den Bulgaren, der in Waffen vor Konstantinopel stand, der Vorwurf erhoben, er habe das bereinkommen gebrochen, das zwischen Rhom ern und Bulgaren Frieden bewirkt habe seit jenem Anfang, da die Bulgaren zur Taufe gekommen seien 52 . Nach einem weiteren Triumph Symeons im August 917 mahnt der Patriarch, er solle nicht von neuem an Krieg denken gegen das Volk seines geistlichen Vaters, des von Gott gekr nten Kaisers. Dieser geistliche Vater des damals gut f nfzigj hrigen Symeon aber war der 905 geborene Konstantinos VII. 53 ; halb entschuldigend f gt deswegen der Patriarch an, der junge Vater habe seine Liebe noch nicht unter Beweis stellen k nnen 54 . Zudem wird wieder die Taufe in Erinnerung gebracht, durch welche die Bulgaren die Erkenntnis Christi erlangt h tten; dabei sei auch die Vereinbarung getroffen worden, was r misches und was bulgarisches Gebiet sei 55 . Auf die Taufe wird berhaupt mehrfach rekurriert. 51

OSTROGORSKY, Kr nung Symeons S. 53-64; D LGER, Bulgarenherrscher S. 183-196.

52

Nikolaos, Ep. 5 (ed. JENKINS - WESTERINK S. 26 26 ): Αλλ' ουδέ των κοινών συμφώνων έποιήσω λόγον α την είρήνην εξ αρχής, αφ' ου τω βαπτισματι προσεληλύθατε, Τωμαώις έμεσιτευσαν και Βουλγάροις. 53

54

D LGER, Bulgarenherrscher S. 192 Anm. 19.

Nikolaos, Ep. 9 (ed. JENKINS - WESTERINK S. 64 220 ): μηκέτιδίανοηθης έττηρεάσαι μηδέ πόλεμον άναλαβέσθαι κατά του λαού τον αού πνευματικού πατρός, του θεοστεφούς ημών βασιλέως · ου ei και μη -πεΐραν έλαβες της αγάπης δια τε το άωρον της ηλικίας. 55 Ebd. S. 66235: αφ' ου χρόνου τοις Βουλγαροις έξε'γένετο δια του -πανάχραντου βαπτίσματος

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Mittels der Wiedergeburt habe Gott sie, die Bulgaren, mit dem rhom ischen Volk wie S hne mit V tern verbunden 56 ; so ein Brief vom Beginn des Jahres 921. Nur wenig sp ter formuliert der Patriarch ein Gebet, in dem f r Symeon erfleht wird, er m ge zur ckfinden zu jenem g ttlichen Frieden, der durch die Taufe sowohl Rhom ern wie Bulgaren gew hrt worden sei 57 . Ja, Symeon solle sich der alten Tage erinnern, da er wie ein geliebter Sohn durch das Band des Heiligen Geistes zur Liebe gegen den Vater und Kaiser verpflichtet worden sei; erinnern solle er sich ebenso des ehemals guten und heiligen Friedens zwischen Rhom ern und Bulgaren 58 . In einem der letzten Briefe beschw rt ihn der Patriarch noch einmal, Gott habe doch Frieden zwischen Rhom ern und Bulgaren geschaffen, und die Bulgaren m chten die Rhom er anerkennen wie Kinder ihre V ter, von denen sie die Taufe empfangen h tten, und die Rhom er sollten, weil V ter, die Bulgaren als ihre Kinder in Christus anerkennen 59 . Der Befund ist eigentlich erstaunlich zu nennen. Denn obwohl Symeon von einer starken, zeitweilig sogar bedrohlichen Position her agieren konnte, hielt selbst der nachgiebige Patriarch Nikolaos daran fest, da der Bulgaren-Herrscher und sein Volk sich seit ihrer Taufe in einer Position der Sohnschaft bef nden. Die Absicht ist klar: Der ungeb rdige Sohn soll zu einem piet tvollen Verhalten gegenber seinem Vater, dem Kaiser, angehalten werden. Nur gelegentlich werden auch andere T ne angeschlagen, indem der Patriarch "auf die allgemeinere und auf die 'Bruderschaft in Christo' anspielende Bezeichnung 'Bruder' ... ausweicht, wohl um die Empfindlichkeit des stolzen Bulgaren zu schonen"60 . Erst Symeons Sohn Peter schlo 927 endg ltig Frieden. Eine bei dieser Gelegenheit im Kaiserpalast gehaltene Rede rekapituliert die Geschichte der byzantinisch-bulgarischen Beziehungen mit bemerkenswerten Einzelheiten: Durch das Ablegen der barbarischen Lebensweise seien die Bulgaren adoptierte S hne Gottes geworden; aber mit Symeon sei es zu Aufstand und Abfall gekommen; seine Kaiserproklamation und die mi br uchliche Verwendung kaiserlicher Titel seien gefolgt; ja, er habe seinen Vater — den Kaiser — verworfen und auch den Geist, der die Grundlage seiner Sohnschaft gewesen sei 61 . τον Χριστόν και θεόν των όλων έπιγνώναι και τα γεγενημένα τότε σύμφωνα των τε 'Ρωμαίων και Βουλγάρων την επικράτειαν διορίζοντα συμπεφώνηται. 56 Ders., Ερ. 17 (ebd. S. 118152): δια της άγιας κολυμβήθρας και της εναυτή αναγεννήσεως, ενώσας ως υιούς πατράσι τω 'Ρωμαίων γένει. 57 Ders., Ερ. 18 (ebd. S. 126 117 ): θείαν είρήνην, την δια του άγιου βαπτίσματος δεδομένην 'Ρωμαώις και Βουλγάροις. 58 Ders., Ερ. 21 (ebd. S. ISO 150 ): Μνήσθητι, τέκνον ημών, ήμερων αρχαίων εκείνων οτε τω δεσμω του άγιου πώματος συνδεδεμένος ετύγχανες τη του πατρός και βασιλέως ως υιός ποοεινός αγάπη · μνήσθητι της καλής εκείνης και αγίας μεταξύ 'Ρωμαίων και Βουλγάρων ειρήνης. 59 Ders., Ερ. 29 (ebd. S. 202 85 ): το εξ αρχής έβράβευσε θεός την είρήνην μεταξύ 'Ρωμαίων και Βουλγάρων, πάλιν έχητε την είρήνην, και ύμεϊς μεν ως τέκνα τους πατέρας έπιγινώσκητε, παρ' ων έδέξασθε και του αγίου βαπτίσματος την χάριν, και οι 'Ρωμαίοι ως πατέρες τα οικεία εν Χριστώ τέκνα τους Βουλγάρους έπιγινώσκωσιν. 60 61

D LGER, Bulgarenherrscher S. 190f Anm. 17. JENKINS, Peace with Bulgaria S. 287-303; dort auch der griechische Text mit bersetzung.

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Für uns ist wichtig, daß hier Gedanken vorgetragen werden, wie sie der Westen ebenso befolgte: Der Taufpatron war mit seinem geistlichen Sohn durch das Band des heiligen Geistes verbunden. Daneben aber treten in Byzanz auch Vorstellungen auf, die offenbar nur dort gegolten haben. Das Verhältnis 'Vater-Sohn' wurde für dauernd erachtet und deshalb als von Fürst zu Fürst und von Generation zu Generation übertragbar angesehen, so daß man sogar von einem "geistlichen Großvater" oder auch einem "geistlichen Neffen" hat reden können 62 . Obendrein betraf das Sohnesverhältnis den Herrscher wie ausdrücklich auch sein Volk. Mit F. Dölger ist demnach festzustellen: Das "Verhältnis 'Sohn-Vater' [gilt] sowohl zwischen dem byzantinischen Kaiser und dem jeweiligen Bulgarenherrscher als auch zwischen dem byzantinischen und dem bulgarischen Volke"63.

3. Die Bekehrung und Seßhaftmachung der Normannen § 41 In den karolingischen Reichen Die Ereignisse in Bulgarien haben kaum zufällig einen so überaus starken Nachhall in westlichen Quellen gefunden. In Westeuropa stand man zur selben Zeit vor gleichen Problemen, nämlich bei den Normannen. Für die karolingischen Herrscher des 9. ynd noch des beginnenden 10. Jahrhunderts waren die Taufen der ins Reich eindringenden Normannenfürsten ein ständig akutes Politikum. So erwähnen die Fuldaer Annalen zum Jahr 852 einen Harald, der vor dem Dänenkönig Horik zu Ludwig dem Deutschen geflohen war und dann nach Taufe und Treueeid einige Jahre 'ehrenvoll' unter den Franken lebte; als jedoch fränkische Grenzverteidiger Verrat argwöhnten, erschlugen sie ihn kurzerhand 1 — ein erstes Beispiel dafür, daß die Taufe ihre schonende Wirkung zu verlieren begann, wie überhaupt seit der Mitte des 9. Jahrhunderts das Thema der erheuchelten Taufe ständig wiederkehrt. Im Jahre 852 hat auch Gottfried, der in Mainz mit seinem 62

DÖLGER, Bulgarenherrschers. 183-196.

63

Ebd. S. 190.

1 Annales Fuldenses a. 852 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 41): Herialdus Nordmannus, qui superioribus annis iram domini sui Horic Danorum regis fugiens ad regem Hludowicum se contuiit et ab eo benigne susceptus baptizatus ac fidei sacramentis imbutus est, cum per plures annos honorifice inter Francos haberetur, tandem principibus borealium partium et custodibus Daniel limitis quasi lubricae fidei et molimine proditionis coepit esse suspectus, unde et ab eis occisus est. S. dazu VOGEL, Normannen S. 408f; DÜMMLER, Ostfränkisches Reich l, S. 358.

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Bekehrung und Seßhaftmachung der Normannen

Vater getaufte Haraldsohn, den Franken den Rücken gekehrt, und sein Pate, Kaiser Lothar, der ihn in St. Alban so feierlich aus der Taufe gehoben hatte, mußte gegen ihn zu Felde ziehen2 . Als zu Beginn des Jahres 862 ein Normannentrupp unter Führung Welands in einem nächtlichen Überfall die Stadt Meaux ausgeplündert und angezündet hatte, vermochte Karl der Kahle den Abziehenden die Talfahrt auf der Marne zu verlegen, so daß verhandelt werden mußte. Zwanzig Tage später, so berichtet Hinkmar von Reims, stellte sich Weland bei Karl ein, kommendierte sich als dessen Vasall und leistete dabei mit seinen Leuten Eide. Wohl noch im Frühjahr begab er sich erneut zu Karl — die Gründe sind im einzelnen unbekannt — und wurde mitsamt seinem Anhang Christ 3 . Da dieser Akt offenbar im Beisein des westfränkischen Königs vollzogen wurde, möchte man auch dessen Patenschaft vermuten. Daß dem Taufsohn ein Herrschaftsgebiet zugewiesen worden wäre, wird allerdings nicht berichtet. Im folgenden Jahr wurde Weland vor Karl der Treulosigkeit bezichtigt, und zwar von zwei Normannen, die mit ihm — allerdings in heuchlerischer Weise, wie abschätzig mitgeteilt wird — die Taufe empfangen hatten. Weland leugnete, unterlag freilich in einem darob ausgetragenen Zweikampf 4 . a) Gottfried Am stärksten hat die Taufe des Normannen Gottfried die Gemüter erregt. Im Sommer 882 gelang es Kaiser Karl III., Gottfrieds Heer in Ascloha, das an der Maas nördlich von Maastricht zu lokalisieren ist 5 , einzuschließen. Ohne nun den entscheidenden Kampf auszufechten, ging Karl auf Verhandlungen ein. Die Mainzer Rezension der Fuldaer Annalen, die auf den aus der Gunst des Kaisers entlassenen vormaligen Erzkapellan Erzbischof Liutbert von Mainz zurückgeht6 , beklagt den mit Gottfried ausgehandelten Frieden als schmählichen Verrat; den größten Feind und Verräter habe man zum consors regni erhoben 7 . Die Regensburger 2

Annales Bertiniani a. 852 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 5, S. 42): Godefridus, Herioldi Dani filius, qui quondam sub imperatore Ludowico Mogontiaci fuerat baptizatus, a Lothario deficiens, ad suos se confert. Unde conrogata manu valida, Fresiam cum multitudine navium adgreditur, deinde vicinia Scaldis fluminis, ad postremum [Sequanam] ingreditur. Quo occurrentibus Lothario et Karolo cum omni suo exercitu, utramque ripam eiusdem fluminis obsident. VOGEL, Normannen S. 134f. Annales Bertiniani a. 862 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 5, S. 57): Et post viginti circiter dies ipse Welandus ad Karolum veniens, illi se commendavit et sacramenta cum eis quo s se cum habuit statim praebuit; ebd. S. 58: Welandus cum uxore et filiis ad Karolum venit et christianus cum suis efficitur. S. dazu VOGEL, Normannen S. 186-193; NEIFEIND, Verträge S. 79, 165f; ZETTEL, Normannen S. 167f. Annales Bertiniani a. 863 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 5, S. 66): Duo quoque Nortmanni, qui nuper cum Welando, christianitatem dolo, ut tunc dicebatur et post claruit, postulantes, de navibus exierunt, super eum infidelitatem miserunt. Quorum unus secundum gentis suae morem cum eo negante armis coratn rege contendens, illum in certamine interfecit. 5 D'HAENENS, Invasions S. 312-315, wo mehrere Lokalisierungen diskutiert sind. 6 KELLER, Zum Sturz Karls III. S. 336-342; ZETTEL, Normannen S. l 55f. 7 Annales Fuldenses (A) a. 882 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 99): Sed Imperator

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Rezension hingegen, welche die Ansicht des allmächtigen kaiserlichen Ratgebers und seit 883 als Erzkapellan bezeugten Liutward von Vercelli wiedergibt 8 , sucht die Abmachung zu rechtfertigen 9 . Zum Ergebnis jedenfalls gehörte, daß der Normanne beschwor, weitere Raubzüge zu Lebzeiten Karls und in dessen Reich zu unterlassen und überdies das Christentum anzunehmen. Tatsächlich wurde er getauft, wobei der Kaiser — wie wir nunmehr sagen können — in gewohnter Weise Pate stand. An den Patengeschenken wird freilich deutlich, wie sehr der Täufling als der Fordernde aufzutreten vermochte: Er erhielt jene Teile Frieslands, welche vorher sein Verwandter (?) Rorik 10 , der seinerseits ein naher Verwandter des in Mainz getauften Harald war, besessen hatte; faktisch nahm er fortan die Stellung eines Dux im Rheindeltagebiet ein. Obendrein erhielt er 2412 Pfund reinsten Goldes und Silbers, was nichts anderes als eine gewaltige Kontribution darstellte, die, wie die Mainzer Version bitter bemerkt, demjenigen entrichtet wurde, von dem der Kaiser hätte Tribut einfordern müssen" . Auch ist wohl schon damals eine Heiratsabsprache getroffen worden; jedenfalls hat Gottfried 883 Gisla geheiratet 12 , die Schwester jenes Hugo, welcher als Bastardsohn Lothars II. bald darauf tantam contumeliam exercitui suo illatam flocci pendens praedictum Gotafridum de fönte baptismatis levavit et, quern maximum inimicum et desertorem regni sui habuerat, consortem regni constituit. Nam comitatus et beneficia, quae Rorich Nordmannus Francorum regibus fidelis in Kinnin tenuerat, eidem hosti suisque hominibus ad inhabitandum delegavit; et quad maioris est criminis, a quo obsides accipere et tributa exigere debuit, huic pravorum usus consilio contra consuetudinem parentum suorum, regum videlicet Francorum, tributa solvere non erubuit. Nam thesauros aecclesiarum, qui propter metum hostium absconditi fuerant, abstulit et auri purissimi atque argenti ad confusionem sui totiusque exercitus, qui illum sequebatur, libras H. CCCC. XII eisdem dedit inimicis. 8 KELLER, Zum Sturz Karls III. S. 342-347. 9 Annales Fuldenses (B) a. 882 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 108): Consultum est ex utraque parte, ut datis ex nostra parte obsidibus Sigifridus rex, qui manu validior erat, venit extra munitionem supra sex miliaria ad regem. Primum iuramento contestatus est ex illa hora et ultra usque, dum Karolus imperator viveret, numquam in suum regnum hostili praedatione iturus; dehinc christianitatem professus ipsum imperatorem patrem in baptismate adquisivit. Duos ibi dies laeti insimul versabant, turn remissis nostris obsidibus de munitione ipse e contrario cum maximis muneribus remissus ad sua. Munera autem talia erant: in auro et argent o duo mille libras et LXXX vel paulo plus; quam libram XX Solidos computamus expletam. Daß die Regensburger Version nicht Gottfried, sondern Siegfried als normannischen Führer und Unterhändler auftreten läßt, wird allgemein als Verwechselung gedeutet (VOGEL, Normannen S. 292 Anm. 2); KELLER, Zum Sturz Karls III. S. 342 Anm. 25 mit weiterführenden Überlegungen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Roric getauft worden; Flodoard, Historia Remensis Ecclesiae III 26 (MGH SS 13, S. 54l 33 ): Rorico Nordmanno ad fidem Christi converso; ebd. 23 (S. 529 30 ). S. NEIFEIND, Verträge S. 78; ZETTEL, Normannen S. 165; BOSHOF, Königtum S. 9-12; ebd. S. 12: "Alle ... Einzelmaßnahmen zeugen von dem konsequenten Bemühen Roriks um eine feste Eingliederung in den fränkischen Staatsverband. Taufe und vasallitische Huldigung boten dafür die entscheidenden Voraussetzungen." 11 Zum Ganzen s. VOGEL, Normannen S. 280-294; D'HAENENS, Invasions S. 49f, 178ff; NEIFEIND, Verträge S. 80 (Taufe), S. 106 (Tribut); ZETTEL, Normannen S. 166f; BOSHOF, Königtum S. 13-16. 12 Regino von Prüm, Chronicon a. 882 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 50, S. 119): Novissime Godefridus rex Nortmannorum ea conditione christianum se fieri pollicetur. si ei munere regis Fresia provincia concedetäur, et Gisla filia Lotharii in uxorem daretur. Quae, ut optavit,

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im Verein mit seinem neuen Schwager gegen Karl das Reich seines Vaters zu gewinnen suchte. Gottfried, dem man diese Komplizenschaft als Verrat auslegte, wurde darauf in einen Hinterhalt gelockt und bei Verhandlungen auf einer Rheininsel oberhalb von Nimwegen erschlagen. 'So verlieh ihm der Herr .den verdienten Lohn für seine Untreue', wie die Mainzer Version hinzuzufügen nicht unterlassen kann 13 . Welcher Art freilich die von Gottfried beschworene Treue gewesen ist, läßt sich nicht mehr ganz durchschauen. Ob nämlich zu dem Band des ohnehin nur für Karls Lebenszeit beschworenen Friedens sowie der Patenschaft und der Heirat auch noch die Kommendation und gar der Lehnseid getreten sind, berichtet keine Quelle. "Sichtlich waren die Bande der Patenschaft und Schwägerschaft die einzigen Treubindungen." 14 Zu Recht ist bemerkt worden, daß bei den Verhandlungen mit Gottfried bereits "modellhaft"15 jener Weg beschritten worden sei, den später in England wie in der Normandie noch andere Normannen gegangen seien. Ausweitend müssen wir jedoch feststellen, daß das "Modell" bei Gottfried nicht zum ersten Mal und mit der Taufe der Normannen auch nicht zum letzten Mal angewendet worden ist. Wir sehen hier einfach wiederum jenes Verfahren angewandt, das in Ost und West schon seit langem bei der Pazifizierung solcher Völkerschaften üblich war, die ins Reich einzudringen suchten. b) Huncdeus Kurz vor der Jahrhundertwende hören wir erneut von einer Taufe unter christlichem Herrscher-Patronat. Zu Ostern 897 ließ sich der Normanne Huncdeus in einem nicht näher bekannten Kloster Duninium taufen, und als sein Pate fungierte Karl der Einfältige 16 . Dieser war 893 vierzehnjährig zum König erhoben worden, mußte sich aber gegen den bereits 888 gleichfalls zum König erhobenen adeptus baptizatus est et ex sacro fönte ab imperatore susceptus. Sigifrido et reliquis Nortmannis inmensum pondus auri et argenti expositum est, et tali tenore fines regni excedunt; Annales Fuldenses (A) a. 883 (ebd. 7, S. 100): Gotafrid Nordmannus, qui superiore anno fuerat baptizatus, cum Hugone Hlothariii filio foedus iniit eiusque sororem duxit in coniugium. Unde idem Hugo audacior effectus regnum patris sui suae dicioni subiugare studuit; Annales Vedastini a. 882 (ebd. 12, S. 51): Godefridus vero rex ad euni exiit, cui imperator regnum Fresonum, quod olim Roricus Danus tenuerat, dedit. Coniugemque ei dedit Gislam filiam Hlotharii regis Nortmannosque e suo regno abire fecit. S. dazu VOGEL, Normannen S. 295-311; BUISSON, Staatsbildung S. 122ff; NEIFE1ND, Verträge S. 70. 13 Annales Fuldenses (A) a. 885 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 7, S. 102): Gotafrid Nordmannus, qui christianus effectus fidem imperatori et christiano populo se servaturum esse sacramento firmavit, fidem mentitus exercitum non modicum de sua gente congregavit ... Nam ab Heimricho aliisque fidelibus imperatoris ad colloquium invitatus et infidelitatis correptus, cum eos convitiis variisque ludibriis exacerbaret, occisus est et omnes, qui cum illo erant, Domino illi condignam infidelitatis suae mercedem retribuente; s. auch die Regensburger Version ebd. (B) a. 885 (ebd. S. 114). 14 BUISSON, Staatsbildung S. 124. 15 ZETTEL, Normannen S. 167. 16 Annales Vedastini a. 897 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 12, S. 78): Karolus vero Hundeum ad se deductum Duninio monasterio in pascka eum de sacro fönte suscepit. NEIFE1ND, Verträge S. 80f; ZETTEL, Normannen S. 278f.

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Grafen Odo von Paris durchsetzen. Die Patenschaft über Huncdeus, den Karl wohl als Kampfgenossen zu gewinnen hoffte, stellt möglicherweise nur die Antwort auf eine kritische Attacke dar, die Erzbischof Fulco von Reims vorgebracht hatte. Der Kirchenmann hatte gemahnt, ein Bündnis mit Heiden bedeute nichts anderes, als Gott zu verleugnen und Götzen anzuhangen. Wer sich mit Gottesfeinden verbünde, verlasse Gott; er verliere das irdische und zugleich das himmlische Reich. Fulco drohte dem König sogar an, daß er persönlich ihm die Treue aufsagen müsse und andere ebenfalls zu einem solchen Schritt veranlassen werde; selbst eine Exkommunikation sei dann nicht auszuschließen17. Der Reimser Erzbischof rührte hier an das Fundament der christlichen Herrschaft: Treue zum König und Treue zu Gott waren unteilbar 18 . Von daher wird es leicht begreiflich, daß sich christliche Könige — und so auch Karl der Einfältige — bei einem Bündnisschluß mit Heiden einem starken Druck ausgesetzt sahen, so daß sie versuchen mußten, solche Partner zuerst zur Taufe zu bewegen; anderenfalls liefen sie selbst Gefahr, im eigenen Herrschaftsbereich die Gefolgschaft zu verlieren. c) Rollo Die Taufe des Huncdeus, der wohl kein mächtiger Anführer mit großem Gefolge gewesen ist, blieb ohne sichtliche Folgen. Ganz anders die gleichfalls in der Zeit Karls des Einfältigen vollzogene Taufe des Normannen Rollo, aus dessen Ansiedlung in der Grafschaft Rouen die nach den Nordleuten benannte Normandie hervorgegangen ist. Bedauerlicherweise sind die zeitgenössischen Quellen äußerst karg 19 . Wie in so vielen anderen Fällen war Rollo erst zu Verhandlungen bereit, als er eine militärische Schlappe bei der Belagerung von Chartres hinnehmen mußte20 . Die Folge war der Vertrag von St. Clair-sur-Epte21 . Daß Rollo sich hat taufen lassen, ist hinreichend bezeugt 22 , aber kaum mehr. In ausführlicher Weise berichtet erst der Stiftsdekan Dudo vom St. Quentin über diese Vorgänge; freilich schreibt er aus einem Abstand von hundert Jahren (zwischen 1000 und 1017), 17

Flodoard, Historia Remensis Ecclesiae IV 5 (MGH SS 13, S. 565 23 J: Quis enim ... qui vobis sicut oportet fidelis est, non expavescat, vos inimicorum Dei amicitiam velle et in cladem ac ruinam nominis christiani pagana arma et foedera detestanda suscipere? Nihil enim distat, utrum quis se paganis societ, an, abnegato Deo, idola adoret; ebd. Z. 32: ... dicam certe, licet nolens, quia Deum relinquitis, cum vos eius hostibus sociatis; ebd. Z. 46: Sciatis enim, quia, si hoc feceritis ... adquieveritis, numquam me fidelem habebitis, sed et quoscumque potuero a vestra fidelitate revocabo, et cum omnibus coepiscopis meis vos et omnes vestros excommunicans, aeterno anathemate condempnabo. SCHNEIDER, Erzbischof Fulco S. 164; VOGEL, Normannen S. 377; NEIFEIND, Verträge S. 70, 80f. 18 HELBIG, Fideles S. 287-291. S. die Quellensammlung DE BOÜARD, Documents S. 67-76; ferner die Quellenanalyse bei GUILLOT, Conversion des Normands S. 101-116, 181-219. 20 VOGEL, Normannen S. 396-400; ZETTEL, Normannen S. 279f. 21 ZETTEL, Normannen S. 283-288; NEIFEIND, Verträge S. 92-98; GUILLOT, Conversion des Normands S. Ulf. 22 PRENTOUT, Dudon S. 250ff; DOUGLAS, Rollo S. 432; DERS., Normandy S. 105; NEIFEIND, Verträge S. 81f.

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dazu als sozusagen offizieller normannischer Hofschreiber 23 . Wenn darum seine Ausführungen in sogar wichtigen Punkten der historischen Kritik nicht standhalten, so stellen sie doch eine vorzügliche Quelle für die Denkweise der Zeit dar, wie man sich die Patenschaft im Verein mit Vasallentum, Herrschaftszuweisung und Heirat vereinbar dachte. Wie in anderen Quellen wird der zentrale Vorgang nur in knapper Form mitgeteilt: Erzbischof Franco von Rouen habe Rollo nach dessen Bekenntnis des Glaubens an den dreieinigen Gott getauft, und der Frankenherzog Robert sei dabei der Pate gewesen; dieser habe dem Täufling auch seinen Namen gegeben und ihn mit großen Gaben ehrenvoll beschenkt. Der getaufte Rollo-Robert habe dann die Großen seiner Umgebung, ja sogar das ganze Heer taufen lassen 24 . Wenn allerdings Dudo Erzbischof Franco als Taufspender anführt, kann man ihm aus chronologischen Gründen nicht folgen 25 . Die Patenschaft Roberts hingegen wird man akzeptieren dürfen 26 , und gerade sie — wie übrigens auch die Heirat — umgibt Dudo mit Erwägungen und Intentionen, wie sie charakteristisch sind für die politische Einbindung dieser Akte 27 . Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Robert, der mächtige Rivale Karls des Einfältigen, mit der Patenschaft ein Gegengewicht gegen den König zu schaffen gesucht. Diesem gegenüber hatte nämlich Rollo den Handgang geleistet, war also eine vasallitische Bindung 23

GUILLOT, Conversion des Normands S. 198-208; WATTENBACH - HOLTZMANN SCHMALE, Geschichtsquellen 3, S. 997; MANITIUS, Lateinische Literatur 2, S. 257-265; D'HAENENS, Invasions S. 224-228; NITSCHKE, Beobachtungen S. 272-284; vor allem PRENTOUT, Dudon S. 1-30. 24 Dudo von St. Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum II 30 (ed. LAIR S. 170): Anno ... nongentesimo duodecimo, Franco archiepiscopus catholica fide sacrosanctae Trinitatis imbutum Rollonem baptizavit, duxque Francorum Robertus de fönte Salvatoris eum suscepit, nomenque suum ei imposuit, magnisque muneribus et donis honorifice ditavit. Robertus autem, qui et Rollo, comites suos et milites omnemque manum exercitus sui baptizari fecit. NEIFEIND, Verträge S. 81, 175. 25 GUILLOT, Conversion des Normands S. 200f; PRENTOUT, Dudon S. 259f; DOUGLAS, Rollo S. 432; NEIFEIND, Verträge S. 82 Anm. 318. Auch dürfte sich Dudo geirrt haben, wenn er die Verheiratung Rollos mit der Königstochter Gisla berichtet; Dudo von St. Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum II 25 (ed. LAIR S. 166): Quin etiam ut pax et concordia, atque amicitia firma et stabilis atque continua, omni tempore inter te et ilium permanent, filiam suam, Gislam nomine, uxorem in conjugio dabit tibi; qua copula prole laetaberis, regnumque in perpetuum tenebis. S. dazu DOUGLAS, Rollo S. 429 Anm. 4; ECKEL, Charles le Simple S. 80-83. 26 Dudo von St. Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum II 27 (ed. LAIR S. 167f): [Nuntius Roberti]: '... Quinimo dux idem deprecans ..., ut testificatum in Christi nomine et in fönte salutifero baptismate lotum suscipi ab eo te sinas. Hinc eritis, si tibi placuerit, inseparabiliter fidi amici, nullusque contra vos stare poterit, facietque incessanter tuum servitium regemque tibi omni tempore benevolum.' [Rollo\ dixit: '... veniat ... meque redimat fönte immersum. Hie. mihi sit paterno amore pro patre, ego filiorum dilectione ero illipro filio. Sucurrat mihi, si necesse fuerit, ut pater filio; ego illi, ut filius patri. Gaudeat meaprosperitate, tristetur mea adversitate. Quae meae potestatis sunt, sui juris sint, et quae met juris, suae potestatis sint.' S. dazu NEIFEIND, Verträge S. 81f; ZETTEL, Normannen S. 288; BUISSON, Staatsbildung S. 124f; DOUGLAS, Normandy S. 109; ECKEL, Charles le Simple S. 37, 83f. 27 O. GUILLOT (Conversion des Normands S. 207) vermerkt gleichfalls: "Le tableau dresse par Dudon est en realite une sorte de modele theorique ..." Daß aber z.B. die Patenschaft darin ein bereits geprägtes Element darstellt, ist nicht erkannt.

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eingegangen 28 . So liegt der politische Hintergrund offenkundig zutage; der neue Vasall des Königs sollte nicht diesem allein verpflichtet sein. Robert "brauchte den mächtigsten Vasallen Karls, Rollo, nicht zu fürchten; war er doch dessen Pate und hatte ihn auch durch Namensgebung 'wie einen Sohn' an sich gebunden" 29 . Die Ansiedlung und besonders die Christianisierung der Neuankömmlinge stellten die theologisch und kirchlich Verantwortlichen vor schwierige Fragen. Erzbischof Wido von Rouen (892-909) scheint sich in einer ratlosen Situation gesehen zu haben, als die Normannen sich in seinem Distrikt ansiedelten. Sein Reimser Amtsbruder Heriveus stellte ihm eine kanonische Exzerpten-Sammlung von 23 Kapiteln zusammen30 , wobei er sich zuvor noch ratsuchend an Papst Johannes X. wandte, dessen Antwort uns erhalten ist 31 . Was ist, so muß eine der Anfragen gelautet haben, mit Getauften und bereits mehrmals Getauften zu tun, die weiterhin heidnisch leben und sogar nach Heidenart Christen erschlagen32. Die von der Taufe erhoffte Friedenswirkung scheint nicht so rasch in Erfüllung gegangen zu sein. d) Taufe und 'infidelitas' Aber es war ja nur natürlich, daß eine Taufe, die in stärkstem Maße von der militärisch-politischen Konstellation diktiert war, in ihrem religiösen und ethischen Gehalt Schaden nehmen mußte; nur zu leicht konnte es geschehen, daß sie notgedrungen hingenommen oder gar erheuchelt wurde. Das wiederum zog neue politische Konsequenzen nach sich: Man traute ihrer friedensstiftenden Wirkung nicht mehr. Die Annalisten des 9. Jahrhunderts beklagen allgemein die 'infidelitas' der getauften Normannen. Infolgedessen fühlten sich auch die Christen nicht mehr unbedingt zur Schonung verpflichtet 33 . So waren ja schon der Normanne Harald und später auch Gottfried erschlagen worden 34 . Der Reimser Chronist Richer berichtet im ersten Buch seines kurz vor 1000 geschriebenen Geschiehtswerkes, das freilich besonders im Anfang Nachrichten recht unterschiedlicher Glaubwür28

Dudo von St. Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum II 28 (ed. LAIR S. 169): manus suas misit inter manus regis, quod numquam pater ejus, et avus, atque proavus cuiquam fecit. Dedit itaque rex filiam suam, Gislam nomine, uxorem illi duci, terramque determinatam in alodo et in fundo. S. dazu MITTEIS, Lehnrecht S. 324-335; BUISSON, Staatsbildung S. 124ff; NEIFEIND, Verträge S. 95f; ECKEL, Charles le Simple S. 87f. 29 BUISSON, Staatsbildung S. 141. 30 Flodoard, Historia Remensis Ecclesiae IV 14 (MGH SS 13, S. 577); GUILLOT, Conversion des Normands S. 181-186. 31

BÖHMER, Regesta Imperii 2/5, Nr. 20 u. 21 S. 8f; GUILLOT, Conversion des Normands S. 102-116. 2 Ep. Johannis papae ad Heriveum (MANSI 18, Sp. 190 C): quid agendum sit, quod fuerint baptizati et rebaptizati, et post baptismum Centiliter vixerint, atque Paganorum more Christianas interfecerint. 33 Annales Xantenses a. 873 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 12, S. 33 1 ): [Ruodoldus] interfectus est et, quamvis baptizatus esset, caninam vitam digna morte finivit. S. auch NEIFEIND, Vertrages. 128ff. 34

S. Anm. l u. 13.

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digkeit enthält, einen dramatischen Vorfall, der gerade das Schwinden des Taufund Patenschutzes veranschaulicht. Ein vom französischen König Odo besiegter und gefangener Piraten-Tyrann Catillus wird vor die bekannte Alternative Tod oder Taufe gestellt; er wählt letztere und wird dann in der Kathedrale von Limoges getauft. Als er aber aus dem Wasser des Taufbrunnens hinaufsteigen will, um sich vom König 'aufnehmen' zu lassen, stürzt einer von dessen Gefolgsmannen hinzu und durchbohrt den Täufling mit dem Schwert. Der Mörder flieht zum Altar als der nächsten sakrosankten Asylstätte, um im ersten Ansturm des allgemeinen Entsetzens geschützt zu sein. Von dort aus gelingt es ihm alsbald, sowohl den König wie auch alle anderen davon zu überzeugen, daß seine Tat vollauf zu rechtfertigen sei: Der Getötete habe ja nur aus Furcht die Taufe angenommen; in Freiheit entlassen, würde er nur seine Niederlage zu rächen gesucht haben 35 . Wie also die Taufe keine Garantie mehr bot, den Frieden einzuhalten, so gewährte sie auch keinen Schutz mehr für das Leben. Fühlten sich aber die Christen davon entbunden, einen Getauften in jedem Falle zu schützen, so kann es nicht mehr verwundern, wenn heidnische Fürsten die christliche Hochschätzung der Taufe in listiger Weise ausnutzten, um auch ihrerseits eigene Ziele skrupellos durchzusetzen. Ein legendär ausgeschmückter Bericht, der am ausführlichsten bei Dudo von St. Quentin mitgeteilt wird36 , im Kern aber auch bei vielen anderen zu finden ist 37 , kennt einen Normannenfürsten 35

Richer, Historiarum über I 10 (MGH SS rer. Germ. in. us. schol. 51, S. 8): Utiliter ergo patrata victoria, rex tirannum captum secum Lemovicas ducit, Ibique ei vitae ac mortis optionem dedit; si baptizaretur, vitam, sin minus, mortem promittens. Tirannus mox absque contradictione baptizari petit. Sed dubium, an fide i quicquam habuerit. ... in sacrum fontem ab ipso rege excipiendus descenderet iamque trina inmersione ... baptizatus esset, Ingo ante signifer, gladio educto, loetaliter eum transverberat ... Rex tantum facinus indignans, principibus frementibus, homicidam rapi ac trucidari iubet. Ille, gladio proiecto, fugiens, sancti Marcialis aram complexus est; indulgentiam ab rege ac primatibus postulans; ebd. 11 (S. 9): [/ngo].· Tirannum captum metus causa baptismum petiisse, adverti, eumque, postquam dimitteretur, pluribus iniuriis vicem redditurum suorumque stragem gravissime ulturum. GUILLOT, Conversion des Normands S. 190. Dudo von St. Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum I 5-7 (ed. LAIR S. 132ff): Decernens ergo Alstignus blasphemus ab omnibus non posse civitatem capi armis, dolosum reperit consilium nefandissimae fraudis. [Normannen:] Noster senior infirmatus, multisque doloribus plenus, vult a vobis fönte salutife.ro redimi, christianumque sese fieri: et si morte hac in infirmitate praeoccupatus fuerit, vult vestra misericordia vestraque pietate hac in civitate sepeliri. [Hasting nach der Taufe zu seinen Normannen:] 'Imminente nocte, me mortuum nuntiate praesuli et comiti, et deposcite, nimium flentes, ut faciant me neophytum sua urbe sepeliri. Enses et armillas, et quidquid est mei juris, dicite vos daturas illis.' [Nach der Totenmesse:] His missarum solemniis decenter expletis, paulatimquepaganis congregatis, jussit praesul corpus ad sepulturam deferri. Pagani cum magno clamore petebant feretrum, et dicebant alternatim non eum sepeliendum. Stabant igitur christiani super responsis eorum stupefacti. Tunc Alstignus feretro desiluit, cnsemque fulgentem vagina deripuit. Invasit funestus praesulem, librum manu tenentem. Jugulat praesulem, prostrato et comite, stantemque clerum in ecclesia inermen. Obstruxerunt pagani ostia templi, ne posset ullus elabi. NITSCHKE, Beobachtungen S. 287f. Kern dieser Geschichte könnte möglicherweise ein Italienzug sein, den eine Normannengruppe in den 60er Jahren des 9. Jhs. unternommen hat; SMYTH, Scandinavian Kings S. 64ff; DE VRIES, Lodbrokssöhne S. 122-146. 37 NITSCHKE, Beobachtungen S. 288 Anm. 93; DE VRIES, Lodbrokssöhne S. 146.

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Hasting, der die Stadt Luna an der ligurischen Küste, die er fälschlicherweise für Rom hielt, belagerte. Eines Tages läßt nun Hasting dem Bischof und den Bewohnern unter Vorgabe des ihm nahe bevorstehenden Todes die Bereitschaft zum Christentum und zur Taufe melden. Dem Wunsch wird entsprochen, und noch am Abend des Tauftages tragen die Normannen den inzwischen angeblich Verstorbenen in die Stadt, um ihn in der Kathedrale beerdigen zu lassen. Dort aber springt der "Tote" plötzlich auf, greift mit seinen Leuten zu den Waffen und richtet ein grausames Blutbad an. Die Taufe verpflichtet nicht mehr! Ihre Unverbindlichkeit zeigt sich pittoresk auch an einer oft zitierten Anekdote aus Notkers Gesta Karoli. Wieder einmal habe sich eine ganze Gruppe von Normannen am kaiserlichen Hof taufen lassen; als dabei aber die Taufkleider knapp geworden seien, habe einer der Täuflinge protestiert; schon zwanzigmal sei er hier gebadet worden, habe jedoch stets gute Kleider erhalten 38 . Die Taufe ist ein Akt von Bauernschläue geworden 39 .

§ 42 In England a) Alfred der Große Hatten im 8. Jahrhundert die Könige von Mercia eine einigende Oberhoheit über die angelsächsischen Königreiche ausgeübt, so nahmen im 9. Jahrhundert die Könige von Wessex diese Aufgabe wahr. Ihnen fiel dabei hauptsächlich zu, die Normannen abzuwehren, die seit 834 eine wachsende Bedrohung darstellten. Als Alfred der Große (871-899/901) die Herrschaft antrat, beherrschten die Dänen ganz England nördlich der Themse. Der von Alfred im Jahre 878 bei Edington (Wiltshire) erfochtene Sieg und der daraufhin zu Wedmore (Somerset) abgeschlossene Friede retteten Wessex und dem südlichen Mercien die Selbständigkeit1 . Für unser Thema ist wichtig, daß der unterlegene Däne Guttorm sich zur Taufe bereitfand; König Alfred übernahm dabei die Patenschaft und verlieh ihm den Namen Athelstan. Die Angelsachsen-Chronik berichtet darüber mit einigen bemerkenswerten Details: Pate und Täufling seien zwölf Tage beieinander geblieben; nach acht Tagen sei die Abnahme der Salbungsbinde erfolgt 2 . Bei Guttorms 38 39

1

Notker, Gesta Karoli II 19 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 12, S. 90). GRAUS, VolkS. 155f.

WENSKUS, Alfred der Große S. 167ff; SMYTH, Scandinavian Kings S. 240-254; ZETTEL, Normannen S. 240-246, 275ff. — Zur englischen Geschichte allgemein in dieser Periode BROOKE, Kings S. 116-129; LYON, Vikings S. 44-67. 2 Anglo-Saxon Chronicle a. 878 (ed. WHITELOCK S. 49): '[King Alfred] fought against the whole army and put it to flight, and pursued it as far as the fortress, and stayed there a fortnight. And then the enemy gave him preliminary hostages and great oaths that they would leave his kingdom, and promised also that their king should receive baptism, and they kept their promise. Three weeks later King Guthrum with 30 of the men who were the most important in the army came (to him) at Aller, which is near Athelney, and the king stood sponsor to him at his baptism there; and the unbinding of the chrism took place at Wedmore. And he was twelve days with the king, and he honoured him and his companions greatly with gifts."

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Tod im Jahre 890 äußert sich die Chronik nochmals ausführlich: Sein Taufname habe Athelstan gelautet, König Alfreds Patenkind sei er gewesen, und in Ostanglien habe er als erster Normannen-König gesiedelt3. Tatsächlich hat die Taufe Guttorms, jedenfalls aufs Ganze gesehen, die erhoffte Friedenswirkung zu erzielen vermocht. Wie im zuvor ausgehandelten Frieden festgelegt, erhielt der Neugetaufte Ostanglien, wo er für seine Dänen ein eigenes Reich schuf 4 . Alfred mußte sich in der Folgezeit freilich das friedliche Auskommen mit neuen Verträgen sichern und sogar mit Tributzahlungen erkaufen. In den Jahren 893-895 drängten erneut Dänen, die auf dem Kontinent in der Schlacht von Löwen 891 eine Niederlage erfahren hatten, nach England und verursachten schwere Kämpfe. Wiederum hören wir davon, daß die Patenschaft eine schonende Wirkung auszuüben vermochte: Als 893 die Familienangehörigen des Normannen Hasting gefangen genommen wurden, ließ König Alfred die Söhne seines Gegners frei, weil er und einer seiner Großen sie früher aus der Taufe gehoben hatten 5 . Wie aber dieser Taufvorgang vonstatten gegangen ist, wird nicht mitgeteilt; ob dabei auch wieder S. auch Chronicon Aethelweardi IV (ed. CAMPBELL S. 43): Post autem pugnae solutionem barbari pacem promittunt, inducias petunt, non negant obsides, iusiurandum confirmant, rex eorum scilicet suscipit baptismatis fontem, quem superstes de lauacro sumit rex Aelfred in Alnea insula paludensi. Dux pariter Aeihelnoth abluit post lauacmm eundem in loco Vuedmor, illicque ei praebuit rex Aelfred honores magnifice. Asser, De rebus gestis Aelfredi 56 (ed. STEVENSON S. 46 20 j; pagani insuper iuraverunt se citissime de suo regno exituros, necnon et Godrum, rex eorum, Christianitatem subire et baptismum sub manu Aelfredi regis accipere promisit. Quae omnia ille et sui, ut promiserant, impleverunt. Nam post hebdomadas tres Godrum, paganorum rex, cum triginta electissimis de exercitu suo viris, ad Aelfred regem prope Aethelingaeg in loco, qui dicitur Alre, pervenit. Quem Aelfred rex in filium adoptionis sibi suscipiens, de fönte sacro baptismatis elevavit. Cuius chrismatis solutio octavo die in villa regia, quae dicitur Waedmor, fuit. Qui, postquam baptizatus fuit, duodecim noctibus cum rege mansit. Cui rex cum suis omnibus multa et optima beneficia largiter dedit. STENTON, AngloSaxon England S. 255ff; CHANEY, Cult of Kingship S. 171; BUISSON, Staatsbildung S. 120f; ANGUS, Christianity S. 145. Die Frist von drei Wochen stimmt auffallend überein mit den '20 Tagen' vor Welands Gang zum König (s. $ 41 Anm. 3). Die Abnahme der Kopfbinde gehört nach dem (allerdings jüngeren) norwegischen Recht zu den eine geistliche Verwandtschaft begründenden Akten (s. $ 7 Anm. 59). 3 Anglo-Saxon Chronicle a. 890 (ed. WHITELOCK S. 53): 'And the northern king, Guthrum, whose baptismal name was Athelstan, died. He was King Alfred's godson, and he lived in East Anglia and was the first to settle that land'; Chronicon Aethelweardi IV (ed. CAMPBELL S. 47): Turn et Oreo tradit spiramen Guthrum, Borealium rex Anglorum, qui et Ethelstan a lauacro baptismatis sumpserat nomen a suo patrino, rege Aelfredo. — Guttorm hat auf seinen Taufnamen Münzen schlagen lassen; NORTH, Coinage Nr. 479 S. 72. 4 LIEBERMANN, Gesetze l, S. 126-129; ebd. S. 127: Hec sunt pads agenda, que Aelfredus rex et Godrun rex omnes Anglie sapientes et omnis populus, qui in Eastanglia manet, constituerunt et iureiurando confirmauerunt pro se ipsis et iunioribus suis, progenitis et ingenitis, qui Dei misericordiam diligunt et nostram. ZETTEL, Normannen S. 281ff. 5 Anglo-Saxon Chronicle a. 893 (ed. WHITELOCK S. 55): 'Haesten's wife and two sons were brought to the king; and he gave them back to him, because one of them was his godson, and the other the godson of Ealdorman Ethelred. They had stood sponsor to them before Haesten came to Benfleet, and he had given the king oaths and hostages, and the king had also made him generous gifts of money, and so he did also when he gave back the boy and the woman.' CHANEY, Cult of Kingship S. 171; STENTON, Anglo-Saxon England S. 266.

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ein Vertrag ausgehandelt wurde, ist nur zu mutmaßen 6 . Weiter war Alfred auch über den walisischen König Anarawd ap Rhodri der Pate, und zwar von der Firmung her. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um einen "Missionspatronat". Bei dem Firmsohn ging es vielmehr um einen Beistands- und Freundschaftspakt: König Alfred habe den Waliser ehrenvoll empfangen, ihn dann bei der Firmung als Sohn aus den Händen des Bischofs angenommen und mit reichen Gaben beschenkt; der solcherart Aufgenommene habe sich mit allen seinen Gefolgsleuten der Oberhoheit Alfreds unterworfen und sich bereit erklärt, ihm in allem Gefolgschaft zu leisten 7 . Der Fall verdient insofern unser Interesse, als er erneut die Wirkkraft der geistlichen Verwandtschaftsbildung für politische Verbindungen demonstriert. Alfred dürfte es darum gegangen sein, sich des Waliser-Königs, der ihm beim Dänenkampf im Rücken stand, zu versichern. Später setzten sein Sohn Eduard (899-924) und ebenso dessen Sohn und Nachfolger Athelstan (924-939) den Kampf gegen die Dänen fort, und es gelang ihnen, die besetzten Gebiete Merciens und Ostangliens zurückzuerobern8 . b) Wikinger-Reich von York Hartnäckiger als mit den ostanglischen Dänen gestaltete sich der Kampf gegen das Normannenreich von York, das seit 918 mit dem norwegischen WikingerReich um Dublin in engster Verbindung stand. In diesem Jahr erfocht sich nämlich der heidnische Norweger Ragnvald, aus Irland kommend, die Herrschaft über York, und bis zur Mitte des Jahrhunderts ging der Kampf darum, ob seine Familie, das Haus Ivar, sich dort zu behaupten vermöchte 9 . Ragnvalds Nachfolger wurde der gleichfalls von Dublin kommende Sigtrygg. englischer Seite herrschte seit 924 der alsbald so erfolgreiche Athelstan. Am 30. Januar 926 trafen sich die beiden Herrscher zu Tamworth und schlössen einen 'ewigen Vertrag', der weitgehend unserem Modell entspricht: Sigtrygg heiratete eine Schwester Athelstans10, und nach Roger von Wendover gehörte zur Zeremonie auch die Konversion; der Dänenherrscher habe die heidnische Religion aus Liebe zu seiner Braut aufgegeben und den christlichen Glauben empfangen 11 . Ob 6

ZETTEL, Normannen S. 282. Asser, De rebus gestis Alfredi 80 (ed. STEVENSON S. 6613j: Anaraut quoque filius Rotri, cum suis fratribus, ad postremum amicitiam Northanhymbrorum deserens, ... amicitiam regis studiose requirens ad praesentiam illius advenit, cumque a rege honorifice receptus esset, et ad manum episcopi in filium confirmations acceptus, maximisque donis ditatus, se regis dominio cum omnibus suis eadem condicione subdidit, ut in omnibus regiae voluntati sie oboediens esset, sicut Aethered cum Merciis. 8 BROOKE, Kings S. 130-157. 9 CAMPBELL, Norse Kingdoms S. 85-91; ANGUS, Christianity S. 142. 10 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum II 134 (ed. STUBBS S. 146): sororis copula et multiplicibus xeniis muneratus, perpetui foederis fundamenta jecit. 11 Roger von Wendover, Chronica sive Flores Historiarum a. 925 (ed. COXE l, S. 385): Ethelstanus, rex Anglorum, Eathgitam sororem suam, Sithrico Danica nations progenito, Northanhumbrorum regi, matrimonio honorifice copulavit; qui, ob amorem virginis paganismum relinquens, fidem Christi suscepit... 7

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Athelstan dabei als Pate fungierte, bleibt unbekannt. Wohl ist vermutet worden, daß außer dem beiderseitigen Versprechen, nicht in das Land des jeweils anderen einzufallen, Sigtrygg für York wie für Nordhumbrien die westsächsische Oberhoheit anerkannt habe 12 . Doch blieb der Vertrag nicht lange bestehen: Sigtrygg habe sehr bald die gesegnete Braut verstoßen, seinen Christenglauben verlassen und die Verehrung der Götzen wieder aufgenommen13 . Aber schon 927 'beendete er sein beklagenswertes Leben als Apostat'14 . Von Dublin kam nun Gotfrit (+ 934), der sich aber in York nicht lange zu behaupten vermochte. Als erster westsächsischer König betrat Athelstan im Jahre 927 die Stadt 15 . Gotfrit machte nach vergeblicher Gegenwehr seinen Frieden mit ihm, und 'verschwenderisch feierten sie vier Tage lang'16. Zuvor aber hatte Gotfrit die Unterstützung des schottischen Königs Konstantin gefunden, der sich jedoch schon mehrmals englischen Königen unterworfen hatte; den Schotten suchte Athelstan nun aufs neue dadurch in Pflicht zu nehmen, daß er dessen Sohn aus der Taufe hob; dies sei geschehen 'behufs eines Vertrages' 17 . Als nach Gotfrits Tod (934) dessen Sohn Olaf in England erschien, um sich York zu erkämpfen, vermochte ihm Athelstan 937 bei Brunaburh (das nicht sicher zu lokalisieren ist) eine vernichtende Niederlage beizubringen18 ; mit den Unterlegenen kämpfte auch der schon betagte Konstantin, der dabei einen Sohn auf dem Schlachtfeld ließ19. Nach Atehlstans Tod (939) anerkannten die Nordhumbrier allerdings nicht dessen Bruder Edmund, sondern brachen, wie die Angelsachsen-Chronik berichtet, 'ihren feierlichen Eid und erkoren Olaf von Irland zum König' 20 . Olaf fand in Nordhumbrien die Unterstützung des Erzbischofs Wulfstan von York 21 ; manche möchten deswegen annehmen, daß er Christ gewesen sei 22 . Schon bald aber fand Olaf den Tod (941). Ihm folgte in York, wiederum von Dublin kommend, sein heidnischer Vetter Olaf Sigtryggson, der auch Olaf Cuaran genannt wird23 . Seine Herrschaft erlitt durch Edmund schon bald beträchtliche Einbußen. Der Angelsachsen-Chronik zufolge nahm Olaf im Jahre 943 unter Edmunds Patenschaft die 12

SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 6f. Roger von Wendover, Chronica sive Flores Historiarum a. 925 (ed. Coxe l, S. 385): sednon multo post beatam virginem abjiciens, idolorum culturam restauravit ... SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2,5.4. 14 Roger von Wendover, Chronica sive Flores Historiarum a. 925 (ed. COXE l, S. 385): et post modicum temporis apostatus vitam miserabiliter terminavit. 15 SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 10-14. 16 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum II 134 (ed. STUBBS S. 147). 1 Ebd.: In cujus pacti gratia filium Constantini baptizari jussum ipse de sacro fönte suscepit. SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 65f. 18 SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 31-88; ebd. S. 62: "the greatest single battle in Anglo-Saxon history before Hastings". 19 Ebd. S. 37, 40. 20 Anglo-Saxon Chronicle (D) a. 941 (ed. WHITELOCK S. 70): 'In this year the Northumbrians were false to their pledges, and chose Olaf from Ireland as their king.' 21 SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 90ff, 99f. 22 ANGUS, Christianity S. 155; LAMB, Archbishopric of York S. 121f. 23 SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 107-125. 13

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Taufe 24 , was bedeuten dürfte, daß er sich mit der Stellung eines Unterkönigs zufriedengeben mußte 25 ; vielleicht war diese seine untergeordnete Stellung der Grund dafür, daß die Nordhumbrier ihn schon bald ablehnten. Ebenfalls erschien in Nordhumbrien Ragnvald Gutfritson, ein Bruder Olafs, der sich gleichfalls unter Edmund beugen mußte; 943 wurde der König sein Firmpate, was voraussetzt, daß er bereits vorher Christ geworden war 26 . Der königliche Pate hat freilich seine geistlichen Söhne wenig schonend behandelt; schon 945 waren beide endgültig aus Nordhumbrien vertrieben, wobei Ragnvald sogar den Tod fand 21 . Als Edmund selbst 946 ermordet wurde, folgte ihm sein Bruder Eldred (946-955). Die Nordhumbrier aber erwählten wiederum nicht ihn zum König, sondern einen Sohn des Norweger-Königs Harald Schönhaar, nämlich Erich Blutaxt; ihn hatte sein Halbbruder Hakon, der aber ein Ziehsohn Athelstans war, aus Norwegen vertrieben28 . Nach der Heimskringla-Saga soll dem Erwählten die Taufe zur Bedingung gemacht worden sein 29 . Mit wechselndem Glück — zeitweilig kehrte Olaf Cuaran wieder zurück — regierte Erich bis zu seiner Vertreibung im Jahre 954; wenig später wurde er ermordet. Man hat beobachten wollen, daß in all diesen Jahren Erzbischof Wulfstan (930/31-956) die wichtigste Persönlichkeit im Reich von York gewesen sei. Dem Erzbischof und den Großen von Nordhumbrien ging es in Wirklichkeit zuerst um ihre Unabhängigkeit von Wessex. Dafür waren sie auch normannische Könige zu akzeptieren bereit, deren Taufe erwünscht, aber nicht unabdingbar war 30 . Den Erzbischof traf dann auch die ganze Abneigung der westsächsischen Könige; Edmund setzte ihn zeitweilig gefangen. Lucien Musset hat darauf hingewiesen, daß dem Christenglauben und insbesondere einem Erzbischof für das Zusammenleben von Normannen und Einheimischen eine große Bedeutung zugesprochen werden müsse. Nur zwei skandinavische Kolonien hätten hier eine Lösung gefunden: das Reich von York sowie das von Rouen; in beiden Fällen sei es eine besondere Sorge der Wikingerführer gewesen, den Repräsentanten der Kirche, eben den Erzbischof, für sich zu gewinnen, was sowohl dem Zusammenleben wie auch dem eigenen Ansehen förderlich gewesen sei. Andere Kolonien, so die in Friesland sowie zu Nantes oder auch in Dublin, hätten keine solche Zusammenarbeit zustande gebracht, sehr zum Schaden ihres Fortbestandes 31 . 24

Anglo-Saxon Chronicle (C) a. 943 (ed. WHITELOCK S. 71): 'In this year King Edmund stood sponsor to King Olaf at baptism ...' 25 SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 110. 26 Anglo-Saxon Chronicle (C) a. 943 (ed. WHITELOCK S. 71): 'and the same year, after a fairly big interval, he stood sponsor to King Ragnald at his confirmation'; SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 11 If. 27 SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 113f. 28 Anglo-Saxon Chronicle a. 948 (ed. WHITELOCK S. 72); ANGUS, Christianity S. 157; LAMB, Archbishopric of York S. 125f; Heimskringla, Die Geschichte von Hakon dem Guten 3 (Thule 14, S. 139). 29 SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 180f. 30 ANGUS, Christianity S. 158ff; LAMB, Archbishopric of York S. 125ff. 31 MÜSSET, Etude comparative S. 41, 46.

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Bekehrung und Seßhaftmachung der Normannen

Mit Erich Blutaxt fand das Reich von York sein Ende. England erlebte eine längere Friedensperiode, bis um die Jahrtausendwende neue dänisch-norwegische Wikingerscharen das Land heimsuchten. Der Norweger Olaf Tryggvasson erfocht 991 bei Maldon in Essex den Sieg über König Aethelred (978-1016), der den Beinamen "the Unready" — der Unberatene — trägt. Drei Jahre später erschien Olaf zusammen mit dem Dänenkönig Sven Gabelbart; doch sah er sich zum Frieden genötigt, weil er nach Norwegen zurückgerufen wurde. Wie die AngelsachsenChronik zum Jahre 994 berichtet, fand sich Olaf zu Andover ein, wo Aethelred die Patenschaft bei seiner Firmung übernahm und ihn königlich beschenkte 32 . Wie schon für die angelsächsische Bekehrungszeit müssen wir auch für die Periode der Normanneneinfälle feststellen, daß immer wieder die bis zur Formelhaftigkeit typisierten Berichte über Königstaufen und königliche Patenschaften erscheinen, welche in Verträge und Friedensbündnisse eingebunden sind. Schauen wir dabei noch einmal auf König Athelstan zurück, bei dem am deutlichsten sichtbar wird, wie sehr der Patronat dem Aufbau einer politischen Oberherrschaft dienstbar gemacht wurde. Schon zwei Jahre nach seinem Regierungsantritt, im Jahre 926, ließ sich Sigtrygg in seiner Gegenwart taufen, und 927 wurde der König Pate über einen Sohn des schottischen Konstantin. Ein anderes bei Athelstan nicht zu übersehendes Mittel, politische Verbindungen herzustellen, war die "Heiratspolitik": Seine Schwester Eadgifu war mit dem westfränkischen Karl III. verheiratet; 926 vermählte er die Schwester Eadhild mit Hugo von Francien, und eine dritte, Eadgyth, wurde 929 Gemahlin Ottos I.33 . Wenn die AngelsachsenChronik bereits Edward den Älteren 'Vater und Herrn' der Schotten, Waliser, Nordhumbrier, Dänen und Nordleute nennt 34 , so wird man dies wohl im Sinne einer Völker-Vaterschaft, ja einer Oberhoheit, interpretieren dürfen. Vor allem Athelstan hat diese Oberhoheit weiter befestigt und auch in seinen Titulaturen deutlich dokumentiert. Die Angelsachsen-Chronik vermeldet zum Jahre 927, daß er die Könige der Insel unter seine Herrschaft gebracht habe: den Waliser-König Hywel, den Schotten-König Konstantin, den Gwenter-König Owain und endlich Ealdered von Bamburgh 35 . In den Königsurkunden wurde schon seit Alfred dem Großen die Oberhoheit der Westsachsen über andere Gentilverbände zum Ausdruck gebracht 36 . Bei Athelstan erreichte diese "imperiale" Selbstdarstellung einen ersten Höhepunkt: Seine "hegemonialen Titulaturen [reflektieren] die ober32

Anglo-Saxon Chronicle a. 994 (ed. WHITELOCK S. 83): 'And they then brought Olaf to the king at Andover with much ceremony, and King Ethelred stood sponsor to him at confirmation, and bestowed gifts on him royally. And then Olaf promised — as also he performed — that he would never come back to England in hostility.' 33 SMYTH, Scandinavian York and Dublin 2, S. 82; LEYSER, Ottonen und Wessex S. 73-97. 34 Anglo-Saxon Chronicle (A) a. 920 (ed. WHITELOCK S. 67f): 'And then the king of the Scots and all the people of the Scots, and Ragnald, and the sons of Eadwulf and all who live in Northumbria, both English and Danish, Norsemen and others, and also the king of the Strathclyde Welsh and all the Strathclyde Welsh, chose him as father and lord.' 35 Anglo-Saxon Chronicle (D) a. 926 (ebd. S. 68f); KLEINSCHMIDT, Englisches Königtum S. 66. 36 KLEINSCHMIDT, Englisches Königtum S. 50-64.

§ 42 In England

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herrschaftliche Stellung ... gegenüber anderen Königen auf der Britischen Insel" 37 . Am häufigsten verwandten er und seine Nachfolger den Titel 'basileus', aber auch 'gubernator et rector', 'archons' und 'imperator'38 . c) Mission in Norwegen Ob dabei wirklich, wie man gefolgert hat, "die Formulierung der hegemonialen Urkunden-Titulaturen eine auf die Britische Insel beschränkte Intention verfolgte"39 , bleibt fraglich. Jedenfalls hat es den Anschein, daß Athelstan den Taufpatronat, wie er ihn schon zur Bestärkung seiner Oberherrschaft im eigenen Land einsetzte, so auch missionarisch außerhalb der britischen Insel zu nutzen suchte. An seinem Hof war der schon erwähnte Gegner von Erich Blutaxt, Hakon der Gute (935-959), erzogen worden, der darum auch als sein Ziehsohn galt (Athelstanfostre) 40 ; möglicherweise war der König auch sein Pate41. Als Hakon Erich Blutaxt aus Norwegen vertrieben hatte, begann er dort, das Christentum einzuführen 42 . Die Missionare aber kamen aus England. Darüber berichten nicht nur die Sagas43, dies läßt sich vielmehr auch aus historischen Quellen wahrscheinlich machen 44 . Noch deutlicher zeigt sich der englische Einfluß zur Zeit Olaf Tryggvassons (995-1000). Dieser hatte 994 zu Andover unter dem Patronat König Aethelreds die Firmung empfangen 45 . Als er in seiner Heimat das Christentum durchzusetzen begann, holte auch er die Missionare aus England46. Da aber Norwegen zu den vom Erzbistum Bremen-Hamburg beanspruchten Missionsgebieten zählte 47 , wurden durch die englischen Missionare die Interessen der deutschen Reichskirche tangiert, zumal Agapet II. 948 in einem Privileg die Zugehörigkeit des ganzen Nordens zu Bremen-Hamburg bestätigt hatte 48 . So konnte denn auch Adam von Bremen seine Ungehaltenheit über die englischen Eindringlinge nur "großzügig" überspielen. Nach Norwegen sei als erster Bischof Johannes aus England gekommen, der den König bekehrt und mitsamt dem Volk getauft habe 49 . In einem Scholion aber verrät Adam seine ganze Empfindlichkeit: Zuvor 37

Ebd. S. 70. Ebd. S. 40ff. 39 Ebd. S. 103. 40 S. Anm. 28. Dies kann aber nur erschlossen werden aus der Verwandtschaft von Ziehvaterschaft und Patenschaft. 42 Übersicht bei GERHARDT - HUBATSCH, Norwegische Geschichte S. 50-79; TRILLMICH, Nordgermanisches Heidentum S. 27-43; WOLF, Olaf Tryggvason S. 9-32. 43 Heimskringla, Die Geschichte von Hakon dem Guten 13 (Thule 14, S. 149). 44 BIRKELI, Missionary activities S. 28ff. 45 S. Anm. 32. 46 MAURER, Bekehrung des Norwegischen Stammes l, S. 282f. 47 SEEGRÜN, Erzbistum Hamburg S. 110 mit anschließender Übersicht. 48 S. $ 44 Anm. 17. 49 Adam von Bremen, Gesta pontificum IV 34 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 2686): In Nortmanniam primus ab Anglia venit quidem lohannes episcopus, qui regem conversum cum populo baptizavit. 38

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Mission und Kirchen organisation unter den Ottonen

hätten 'von den Unsrigen' Liafdag, Odinkar und Poppo dem Volke gepredigt. 'Wir können also sagen, die Unsrigen haben die Arbeit getan, aber in ihre Arbeit haben sich die Angeln eingedrängt.'50 Doch die Mutterkirche Hamburg sehe es ohne Neid, sofern nur ihren Kindern, selbst von Eindringlingen, Gutes widerfahre51 . Der ganze Vorgang erweist wiederum die große Bedeutung der Missionarsentsendung für die jeweilige kirchliche Zuständigkeit; undenkbar, daß dies den angelsächsischen Königen, die sich so stolz 'basüeus' nannten, nicht bewußt gewesen sein soll. Tatsächlich sprechen denn auch die nachfolgenden Ereignisse eine beredte Sprache. Olaf der Heilige (1015-1030) holte ebenfalls die Missionare aus England; doch schickte er später seinen Bischof Grimkil nach Bremen zu Erzbischof Unwan52 . Das Motiv dürfte darin zu suchen sein, daß Olaf, der in ständigem Krieg mit Knut von Dänemark lag, sich der kirchlichen Oberhoheit Englands, wo sein dänischer Rivale ebenfalls regierte, entziehen wollte53.

4. Mission und Kirchenorganisation unter den Ottonen

$ 43 Otto der Große Schon 936 bei seiner Königskrönung und ebenso 962 bei der Kaiserkrönung suchte Otto der Große bewußt den Rückbezug auf Karl den Großen1 . Ähnlich steht es mit der Missionspolitik. Wie schon bei Karl "war Ottos Vorgehen durch die Gleichrichtung von Mission und Herrschaft bestimmt" 2 ; es war wiederum eine "Kombination von staatlicher Expansion und kirchlicher Mission"3 . Hier interessiert vor allem, ob Otto erneut auch den Taufpatronat eingesetzt hat. In seinem Bemühen um den Ausgleich im Innern des Reiches sehen wir ihn tatsächlich als Compater agieren. So nennt der König in einem Diplom des Jahres 940 den Mindener Bischof Evergis seinen fidelis compater4 ; doch bleiben uns die 50

Ebd. Scholion 147 (S. 268 11 ). Ebd. II 37 (S. 98 6 ). 52 Ebd. II 57 (S. 117f); IV 34 (S. 268 8 J: Grimkil episcopus, qui tunc fuit ad Unwanum archiepiscopum Olaph regis legatus. 53 SEEGRÜN, Papsttum S. 51; GERHARDT - HUBATSCH, Norwegische Geschichte S. 72f. 51

1

SCHRAMM, Renovatio S. 68ff; HAUCK, Ottonen und Aachen S. 39-53. FLECKENSTEIN, Reich der Ottonen S. 253. 3 BEUMANN, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 43. 4 DO I 34 [940 Sept. 15] (MGH Dipl. reg. et imp. Germ, l, S. 1209): Eberisus venerabilis episcopus nosterque fidelis computer. ORTMANNS, Bistum Minden S. 23f. 2

f 43 Otto der Große

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näheren Umstände, warum und auf welche Weise dieses besondere Verhältnis zustandegekommen ist, unbekannt. Weiter hören wir, daß Otto den Sohn Siegfrid des Markgrafen Gero (+ 965) aus der Taufe gehoben hat 5 . Gero, der im Ostharz begütert war und jenseits von Elbe und Saale im Kampf gegen die Slawen hervorgetreten ist, hat sich immer als überaus treue Stütze ottonischer Politik erwiesen; Otto nennt ihn in seinen Urkunden fidelis und dilectus6 . Walter Schlesinger deutet die Güterübertragung jener Urkunde, die uns von der Patenschaft Mitteilung macht, als das königliche Patengeschenk an den Patensohn 7 . Endlich wird noch Bischof Adalbero I. von Metz (929-965) als computer angeführt 8 . Dieser entstammte einem bedeutenden lothringischen Geschlecht; 929 war er als Kandidat des Metzer Kapitels auf den Bischofsstuhl gekommen und dann von Heinrich I., allerdings nur mit Zögern, anerkannt worden. Im Jahre 939 beteiligte sich der Bischof an der Erhebung des lothringischen Herzogs Gieselbert, und er verschloß sich zunächst auch nach dem Tode des Rebellen noch einer Einigung mit Otto. Bei der zweiten, von Konrad dem Roten im Jahre 951 entfachten Aufstandsbewegung blieb Adalbero jedoch treu auf Seiten des Königs. Nach der Niederwerfung erhielt sein Bruder Friedrich die herzogliche Würde. Einen bleibenden Namen hat sich der Bischof mit dem Titel 'pater monachorum' erworben, gehörte er doch zu den entscheidenden Förderern der Gorzer Abtei und ihrer monastischen Ausstrahlung9 . In einem Diplom für das Peterskloster in Metz, das von einem Kanonissenstift zu einem Benediktinerinnenkloster umgewandelt wurde, tritt der Bischof mit seinem Bruder Friedrich als Intervenient auf, und bei dieser Gelegenheit wird er der computer Ottos genannt. Auf welche Weise die Kompaternität zustandegekommen ist, bleibt wiederum unbekannt. Wie schon bei Gero dürfte dieselbe auch bei Adalbero bewußt als Mittel der gegenseitigen Verpflichtung angesehen worden sein. Ganz sicher gilt dies für einen weiteren Fall, als nämlich Ottos Gemahlin Adelheid den nachmals als Abt berühmten Wilhelm von Dijon aus der Taufe hob; der Vater des Täuflings, der im Dienst König Berengars II. (950-964) stehende Graf Robert, hatte im Sommer 962 die Festung San Giulio im Ortasee gegen Otto zunächst verteidigt, dann aber bald übergeben. Es muß ein Ausdruck der Versöhnung gewesen sein, als anschließend die Kaiserin den während der Belagerung geborenen Wilhelm aus der Taufe hob10 . 5

DO I 40 [941 Juni 7] (MGH Dipl. reg. et imp. Germ, l, S. 12624J: flagitationibus dilectissimi marchionis nostri Geronis ceterorumque comitum nostri eiusdem Geronis filio, nostro autem spiritali filiolo, videlicet Sigifrido quem sacri baptismatis fönte levavimus. 6 DO I 56 (ebd. S. 139 1 ), 65 (S. 14611+19), 76 (S. 15611), 105 (S. 189 11 ), 130 (S. 21l 6 ), 132 (S. 21342), 298 (S. 414 21 ). 7 SCHLESINGER, Gero S. 312ff; ferner FISCHER, Politiker um Otto den Großen S. 82-87; SCHMID, Verständnis des Adels S. 211-223. 8 DO I 210 (MGH Dipl. reg. et imp. Germ, l, S. 28937).· compater noster Adalbero. 9 RENN, Luxemburger Grafenhaus S. 28-31; HALLINGER, Gorze - Kluny l, S. 51-112; EWIG, Adalbero I. S. 40. S. auch OEXLE, Dreiteilung der Gesellschaft S. 16f. 10 Rodulfus Glaber, Vita Guillelmi 2 (MIGNE PL 142, Sp. 703f): Rotbertus ... suggessit imperatori ut filium, quem ei uxor sua intra ipsius obsidionem castri pepererat, catechumenum fieri per manum imperialem praeciperet. Quad ille libentissime annuens, ut monitus fuerat impleri mandavit, ac propria puerum sustulit dextera, eique nomen indixit Willelmum, quem scilicet

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Otto der Große hat also die Patenschaft gekannt und als Mittel politischer Verbundenheit genutzt. Da er sich von seinem herrscherlichen Selbstverständnis auch als Propagator des Christentums betätigte 11 , möchte man erwarten, ihn ebenso als missionarischen Taufpaten agieren zu sehen. Hierfür aber gibt es keinen sicheren Beleg. Was hingegen bei Otto besonders augenfällig hervortritt, ist seine Initiative zur Gründung von Bistümern. Für das Jahr 948 sind gleich fünf Neugründungen bezeugt; es sind die drei dänischen Sitze in Schleswig, Aarhus und Ripen sowie die ostelbischen Sitze Havelberg und Brandenburg. Eine weitere Phase setzte 955 nach der siegreichen Lechfeld-Schlacht ein. Ottos Bemühungen zielten fortan auf die Schaffung eines Erzbistums für die Sclavinia. Mit der Errichtung des Erzsitzes in Magdeburg wurden 968 zugleich die Bistümer Merseburg, Zeitz und Meißen gegründet. Für die Abodriten endlich wurde ein Sprengel mit Sitz in Oldenburg eingerichtet. Zuletzt ist auch noch das Bistum Prag zu nennen, das 973, noch in Ottos Todesjahr, errichtet wurde. — Insgesamt ergibt sich die stolze Zahl von zehn Bistümern und einem Erzbistum 12 . Zum Vergleich ist nur wieder Karl der Große zu nennen, dem in Sachsen eine fast ähnlich hohe Zahl nachzurühmen ist.

§ 44 Dänemark Mit Heinrich I., dem ersten deutschen König aus ludolfingischem Geschlecht, begann ein neuer Abschnitt der Ost- und Missionspolitik. Nach den Quellen ist es nicht unwahrscheinlich, daß Heinrich auch Königspate gewesen ist. Doch lassen es die Bekundungen darüber an der letzten Klarheit fehlenDer deutlichste Fall ist aus dem Norden zu berichten. Heinrich unterwarf im Jahre 934 König Gnupa, einen Kleinkönig aus schwedischem Geschlecht, der im Gebiet beiderseits der Schlei um den bekannten Handelsplatz Haithabu die Herrschaft innehatte. Er veranlaßte den Besiegten, sich taufen zu lassen; ob dabei der Sieger die Patenschaft übernahm, wird nicht mitgeteilt 1 . Haithabu wurde, weil auf der deutsch-dänischen Grenze gelegen, in der Folgezeit von beiden Seiten so heftig angegriffen, daß es bald seine Selbständigkeit verlor 2 . postmodum regina, conjux illius, ex sacro fönte suscepit baptismatis. BULST, Klosterreformen Wilhelms von Dijon S. 22f. 11 BRACKMANN, Ostpolitik Ottos d. Gr. S. 140-153; BEUMANN, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 39-44; SCHMID, Otto I. S. 70-106. 12 Übersichten bei SCHLESINGER, Kirchengeschichte Sachsens l, S. 20-70; BÜTTNER, Ostwärts der Elbe S. 145-181. 1 Widukind, Res gestae I 40 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 60, S. 59 ): Demos, qui navali latrocinio Fresones inc.ursabant, cum exercitu adiit vicitque, et tributaries faciens, regem eorum nomine Chnubam baptismum percipere fecit; BÖHMER, Regesta Imperii 2/1, Nr. 47b S. 29; SCHEEL, Haithabu S. 299-303; ANER, Schwedenherrschäft S. 37-56, vor allem S. 38-42 (zur Quellenlage); ferner JANKUHN, Haithabu bes. S. 42ff; DERS., Frühgeschichte S. 186-203; JORDAN, Deutsche Könige S. 24. 2 SCHLESINGER, Schleswig/Haithabu S. 70-91.

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Einer Unterwerfungstaufe in geradezu klassischer Form soll sich laut Adam von Bremen 3 König Harald Blauzahn (ca. 940-ca. 985) unterzogen haben. Dieser machtvolle Dänenherrscher, nach seinem Vater Gorm der zweite der berühmten Jelling-Dynastie4, habe nach einer Niederlage durch Otto I. sein Reich von diesem zu Lehen genommen und dabei die Einführung des Christentums geloben müssen. Er selbst sei mit seiner Familie getauft worden, und der deutsche König habe dem Sohn des Dänen beim Aufheben aus der Taufe den Namen Sven-Otto gegeben 5 . Nun wird der Dänenzug Ottos I. von der Forschung schon seit langem ins Legendäre verwiesen6 . An der Tatsache der Taufe kann allerdings nicht gezweifelt werden. Bereits in der vor 969 abgefaßten Vita des Erzbischofs Brun (955-965) schreibt deren Verfasser Ruotger, daß 'zu der Zeit' — der Amtszeit Bruns — Harald von Dänemark Christ geworden sei 7 ; wann genau dies geschehen ist, darüber sind allerdings nurmehr Vermutungen möglich 8 . Zudem überliefert uns jener Runenstein, den Harald an seinem Königssitz Jelling zu Ehren seiner Eltern hat aufstellen lassen, folgendes Selbstzeugnis: 'König Harald ließ dieses Gedenkzeichen errichten für seinen Vater Gorm und seine Mutter Thyre, jener Harald, der ganz Dänemark an sich brachte, und Norwegen, und der die Dänen zu Christen machte' 9 . Haralds persönliche Annahme des Christentums wie auch eine entsprechende Bekehrungspolitik in seinem Volk können demnach als hinreichend gesichert gelten. Seine Christianisierungspolitik muß in ihrer Auswirkung auch deswegen hoch veranschlagt werden, weil Harald, wie er von sich selbst aussagt, nicht nur die Einigung Dänemarks herbeiführte, sondern zeitweilig sogar nach Norwegen 3

Zu Adam von Bremen und seiner Hamburgischen Kirchengeschichte s. TRILLMICH, Adam von Bremen S. 137-158; das Werk ist zwischen 1073 und 1080 verfaßt. Zum Namen 'Blauzahn' s. MÜLLER, Harald Gormsson S. 132. 4 HOFFMANN, Geschichte Dänemarks S. 147-155. Die Daten der Regierungszeit sind nur annähernd auszumachen; hier werden die "durchschnittlichen" Angaben übernommen. 5 Adam von Bremen, Gesta pontificum II 3 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 63 13 ): Tandemque condicionibus ad pacem inclinatis Haroldus Ottoni subicitur, et ab eo regnum suscipiens christianitatem in Dania recipere spopondit. Nee mora baptizatus est ipse Haroldus cum uxore Gunhild et filio parvulo, quem rex noster a sacro fönte susceptum Sueinotto vocavit. Eo tempore Dania cismarina, quam Indiana incolae appellant, in tres divisa episcopatus Hammaburgensi episcopatui subiecta est. 6 GRUND, Kaiser Otto S. 561-592; JORDAN, Deutsche Könige S. 25. 7 Vita Brunonis 40 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 10, S. 43 5 J: eodem tempore et rex eorum Haroldus cum magna sue multitudine gentis regi regum Christo colla summittens ... In der Literatur werden unterschiedliche Angaben gemacht; HAUCK, Kirchengeschichte 3, S. 101 Anm. 5: Zeit unsicher; UHLIRZ, Otto II. S. 55: 965; HAENDLER, Frühmittelalter E 71: 947; GLAESKE, Hamburg-Bremen S. 16: Mitte der 60er Jahre; KEMPF, Abendländische Völkergemeinschaft S. 264: um 960; HOFFMANN, Geschichte Dänemarks S. 152: Pontifikat Bruns. Übersetzung übernommen von MÜLLER, Harald Gormsson S. 118; zur Entstehung des Harald-Steines und zur Verläßlichkeit der Inschrift CHRISTENSEN, Jelling Monuments S. 7-26. Ebd. S. 11: "The text and the interpretation of the text are thus, as far as it goes, clear and unambiguous, but problems arise as soon as we try to relate inscriptions to reality." Ebd. S. 12: "The words ['made the Danes Christian'] must thus answer to a royal proclamation that went with the official change to Christianity." Doch rechnet der Autor bei diesem letzten Teil der Inschrift mit der Möglichkeit einer späteren, aber zeitgenössischen Hinzufügung.

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auszugreifen vermochte 10 . Unsicher bleibt hingegen das Urteil über die von Adam überlieferte Patenschaft. Dessen Schilderung entspräche ganz und gar einem glatten, historisch nicht weiter greifbaren Idealtypus, wenn nicht der Name Sven-Otto einen gewissen Anhalt böte; der Name könnte tatsächlich auf einen von Otto nach Patenmanier verliehenen Namen hindeuten. Doch muß festgestellt werden, daß nur Adam diesen Namen für Sven Gabelbart anführt 11 . So bleibt seine Nachricht über die Patenschaft Ottos des Großen ein vereinzeltes Zeugnis12 . Wie rasch eine solche Taufe im zeitgenössischen Denken eine legendäre Überformung erfahren konnte, zeigt die Ausgestaltung, die bereits Widukind von Corvey über Haralds Bekehrung überliefert. Er läßt einen Geistlichen namens Poppa, der aber inzwischen Bischof geworden sei, den Dänen ansagen, sie sollten ihre Vielgötterei beenden und den trinitarischen Gott der Christen anbeten. König Harald habe daraufhin von Poppa das Gottesurteil mit dem glühenden Eisen verlangt. Dieser habe nicht gezögert und die Probe mit unversehrter Hand bestanden. 'Daraufhin bekehrte sich der König; er beschloß Christus allein als Gott zu verehren und befahl seinen heidnischen Untertanen, die Götzen zu verwerfen ,..'13. Als Poppa-Legende ist der Bericht in die Forschung eingegangen; ihre Überlieferung hat eine weitverästelte Ausformung erfahren 14 . Mit Sicherheit ist festzuhalten, daß "die ersten Schritte zur Christianisierung Dänemarks in enger Verbindung zum machtvollen Königtum Ottos des Großen stehen" 15 . Aber auch Harald scheint bei dem Glaubenswechsel eine persönliche Initiative entfaltet zu haben, glaubte doch Adam noch zu wissen, daß bereits der junge König Erzbischof Unni bei seinen Missionsreisen unterstützt habe, als noch sein Vater Gorm ablehnend gewesen sei16 . Gleich zu Beginn seiner Regierungszeit öffnete Harald, wiewohl damals selbst noch nicht Christ, sein Land der Mission und ließ sogar zu, daß im Jahre 948 die neuen, Hamburg-Bremen unterstellten Bistümer Schleswig, Ripen und Aarhus Bischöfe erhielten, die im Sommer des genannten Jahres auf der Synode von Ingelheim erschienen, ja vermutlich dort ihre Weihe erhielten; Papst Agapet II. (946-955) hatte zuvor am 2. Januar 948 10

HOFFMANN, Geschichte Dänemarks S. 150f; MÜLLER, Harald Gormsson S. 123. Eine neben Adam eigenständige Überlieferung des Namens Sven-Otto ist nicht festzustellen; ich verdanke diese Auskunft Herrn Dr. GUNTER MÜLLER, Münster. 12 Unkritisch SEEGRÜN, Papsttum S. 49. 13 Widukind, Res gestae III 65 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 60, S. 11813); Thietmarvon Merseburg, Chronicon II 14 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 53f). 14 VON SCHWERIN, Gottesurteil des Poppa S. 69-107; der Autor hält dafür, daß das Ordal zunächst mit der 826 geschehenen Bekehrung König Haralds verknüpft gewesen und später dann auf den Zeitgenossen Ottos I. übertragen worden sei. Zur weitverzweigten Überlieferung s. DEMIDOFF, Poppo Legend S. 39-67; MÜLLER, Harald Gormsson S. 140f. 15 HOFFMANN, Geschichte Dänemarks S. 151. 16 Adam von Bremen, Gesta pontificum I 59 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 57 17 J: Postquam vero confessor Dei pervenit ad Danos, ubi tunc crudelissimum Worm diximus regnasse, illum quidem pro ingenita flectere nequivit saevitia; filium autem regis Haroldum sua dicitur predicatione lucratus. Qiiem ita fidelem Christo perfecit, ut christanitatem, quam pater eius semper odio habuit, ipse haben publice permitteret, quamvis nondum baptismi sacramentum percepit. 11

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dem Erzbischof Adaldag (937-988), einem engen Vertrauten Ottos L, die Zuständigkeit für Bischöfe bei den Dänen, Norwegern, Schweden und überhaupt in allen nordischen Ländern bestätigt 17 . Wie angesichts dieser Initiative eines deutschen Herrschers die politische Stellung Dänemarks einzuschätzen sei, hat in der Geschichtsschreibung eine durchaus unterschiedliche Beurteilung erfahren. Oft wird gesagt, daß der deutsche Einfluß rein kirchlicher Natur gewesen sei und keineswegs eine Oberhoheit eingeschlossen habe 18 . Wer aber die Agilität kennt, mit der die Könige bei ihrer Konversion immer sofort auch die kirchliche Zuständigkeit angingen, wird die politische Bedeutung der Zugehörigkeit der dänischen Bischöfe zur deutschen Reichskirche nicht länger zu minimalisieren vermögen. Hier wurde vielmehr, für jedermann sichtbar, die Eingliederung in die Reichskirche vollzogen und das gewiß nicht ohne das Interesse des deutschen Königs. Selbst wenn man den Vorgang auf das "rein Kirchliche" einschränken wollte, er konnte auf die Dauer nicht ohne politische Folgen bleiben. Daß dann Otto I. die drei Bischofssitze in marca vel regno Danorum im Jahre 965 urkundlich ab omni censu vel servitio nostri iuris befreite und ihnen die Immunität verlieh, erweist denn auch seine tatsächlich ausgeübte Hoheit 19 . So dürfte es denn auch im zeitgenössischen Rechtsempfinden durchaus als schlüssig empfunden worden sein, daß Adam seinem Bericht über die angeblich von König Otto an Harald vollzogene Patronatstaufe die Aufteilung Dänemarks in die drei Bistümer und deren Unterstellung unter Hamburg-Bremen folgen läßt, wobei er sogar darauf hinweisen kann, in Bremen lägen noch die königlichen Urkunden darüber vor, daß König Otto Herrschaftsrechte über das Dänenreich 17

BÖHMER, Regesta Imperii 2/5, Nr. 215 S. 81; MAY, Regesten Nr. 107 S. 30; HOFFMANN, Geschichte Dänemarks S. 152; GLAESKE, Hamburg-Bremen S. 8. — Die Namen der drei dänischen Bischöfe sind in der Unterzeichner-Liste der Ingelheimer Synode als letzte aufgeführt: Liopdago Ripensis ecclesiae episcopo, Oredo Sliewiccensis ecclesiae episcopo, Reginbrando Arhuswensis ecclesiae episcopo (Synodus Ingelheimensis. Gesta synodalia [MGH Const, l, S. 1329]). H. FUHRMANN (Generalsynode S. 52f) sieht die Liste nach dem Weihealter geordnet und möchte die Mitteilung in der Urkunde Papst Agapets vom 2. Januar 948, in der die Rechte von Hamburg-Bremen gegen Köln bestätigt, dabei aber die Bischöfe von Halberstadt und Hildesheim zur Unterstützung Erzbischofs Adaldag bei seinem sacerdotale ministerium aufgefordert werden (CURSCHMANN, Papsturkunden des Erzbistums Hamburg Nr. 17 S. 41; BÖHMER, Regesta Imperii 2/5, Nr. 215 S. 81; MAY, Regesten Nr. 106 S. 30), als eine Aufforderung ansehen, mit dem Hamburger Erzbischof, der selbst nicht über Suffragane verfügte, die anstehenden Bischofsweihen mitzuvollziehen, für die bekanntlich drei Konsekratoren, normalerweise Komprovinziale, erforderlich waren. Weiter möchte FUHRMANN (S. 52f) aus der Anordnung der Bischöfe nach dem Weihealter folgern, daß die drei dänischen Bischöfe, weil sie am Ende der Liste stehen, überhaupt erst auf der Ingelheimer Synode ihre Weihe erhalten haben. 18 HOFFMANN, Geschichte Dänemarks S. 152; JORDAN, Deutsche Könige S. 25: "Das Immunitätsprivileg ... trug der Tatsache Rechnung, daß sie [die drei Bistümer] zwar kirchenrechtlich zum Erzbistum Hamburg-Bremen, politisch aber zu Dänemark gehörten." 19 DO I 294 (MGH Dipl. reg. et imp. Germ, l, S. 41l 22 ). O. GSCHWANTLER (Bekehrung und Bekehrungsgeschichte. Der Norden S. 195) hält gleichfalls dafür, "daß von den deutschen Kaisern der Übertritt zum Christentum als Anerkennung der deutschen Oberhoheit verstanden wurde".

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ausgeübt und infolgedessen auch die Bistümer habe ausstatten können 20 . Das bereits erwähnte Privileg Papst Agapets vom 2. Januar 948 weiß er ebenfalls anzuführen. Erzbischof Adaldag, so schreibt er weiter, habe die Bischöfe der drei Diözesen geweiht21 . Man wird schwerlich bestreiten können, daß all diese Punkte bestens geeignet erscheinen mußten, um sie unter dem Ritual des imperialen Taufpatronates zusammenzufassen, denn so entsprach es der geläufigen Zeitvorstellung. Angesichts des unbestreitbaren deutschen Einwirkens auf die dänischen Verhältnisse entspricht es nur der politischen Logik, daß nach Ottos Tod — wie Thietmar von Merseburg berichtet — die Dänen rebelles geworden seien 22 . Mit Recht wird man daraus schließen dürfen, "daß es das Ziel des Dänenkönigs war, sich aus Bindungen gleich welcher Art an das benachbarte deutsche Großreich zu lösen" 23 . Otto II. brachte jedoch Harald Blauzahn eine Niederlage bei24 , die möglicherweise auch noch dazu geführt hat, daß Hakon Jarl, der für Harald in Norwegen wirkte und gegen den Kaiser mitgekämpft hatte, zur Taufe veranlaßt wurde 25 . Ob aber der Getaufte deswegen der "verlängerte Arm des kaiserlichen Missionswerkes" genannt werden darP 6 , muß dahingestellt bleiben. Denn allein die späteren Sagas berichten von der Taufe Hakons und seiner Beauftragung zur Mission in Norwegen: Nach Snorri Sturloson ist dabei Harald der Promotor dieser Taufe gewesen27 ; nach der Jomsvikinga-Saga aber soll es der Kaiser selbst gewesen sein28 . Doch der Getaufte, so wissen beide Sagas, habe noch auf der Rückkehr nach Norwegen mit neuen Raubzügen begonnen und dabei die ihm mitgegebenen Missionare ausgesetzt. Gegen Ende seines Lebens mußte Harald, dem ein halbes Jahrhundert lang zu regieren vergönnt war 29 , erleben, daß der eigene Sohn Sven-Otto, wie Adam berichtet, gegen ihn intrigierte und sich mit denen zusammentat, die der Vater zum Glauben gezwungen hatte 30 . Wie so manches Mal in der Bekehrungsgeschichte suchte der Sohn wieder das Bündnis mit der antichristlichen Partei. 20

Adam von Bremen, Gesta pontificum II 3 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 643J: Servantur in Bremensi ecclesia precepta regis, quae signant Ottonem regem in sua ditione regnum Danicum tenuisse, adeo ut etiam episcopatus ille donaverit. 21 Ebd. II 4 (S. 6414J: Igitur beatissimus pater noster primus ordinavit episcopos in Daniam, Horitum (Haredum) ad Sliaswig, Liafdagum ad Ripam, Regjnbrondum ad Harusam. Quibus etiam commendavit illas ecclesias, quae trans mare sunt, in Fune, Seland et Scone ac in Sueonia. 22 Thietmar von Merseburg, Chronicon III 6 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 10226). 23 HOFFMANN, Geschichte Dänemarks S. 152. 24 Ebd. JORDAN, Deutsche Könige S. 25f; SCHLESINGER, Schleswig/Haithabu S. 82f. 25 GSCHWANTLER, Bekehrung und Bekehrungsgeschichte. Der Norden S. 197; MAURER, Bekehrung des norwegischen Stammes l, S. 185ff. 26 SEEGRÜN, Papsttum S. 45. 27 Heimskringla, Die Geschichte von König Olaf Tryggvissohn 27 (Thule 14, S. 226ff). 28 Jomsvikinga Saga 6 (ed. BLAKE S. 8). 29 A. CHRISTENSEN (Jelling Monuments S. 10) rechnet bei den 50 Jahren, die Adam als Herrschaftszeit Haralds angibt (Gesta pontificum II 28 [MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 889]), mit einer "runden" Zahl. 30 Adam von Bremen, Gesta pontificum II 27 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 874J: Nam tunc Suein Otto, filius magni Haroldi, regis Danorum, multas in patrem molitus insidias,

$ 44 Dänemark

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Sowohl Sven Gabelbart (986/88-1014) wie stärker noch Knut der Große (1014/18-1035) bemühten sich um die kirchliche Verselbständigung ihres Landes31 . Sven, der nach Wikingerart erneut England angriff und dort sogar die Anerkennung als König erlangte, ließ Missionare und einen Bischof von der Insel herüberkommen 32 . Der Nachfolger Knut suchte ausdrücklich die Versöhnung mit der englischen Kirche; 1022 weihte der Erzbischof Ethelnod von Canterbury drei Bischöfe für Dänemark 33 , sehr zum Unwillen des Hamburger Erzbischofs Unwan 34 . Doch kam 1025 ein Ausgleich zustande, wobei der deutsche König Konrad II. auf Expansionsansprüche im Norden verzichtete und Knut die Rechte der Hamburger Kirche anerkannte 35 . Der Däne nahm 1027 an Konrads II. Kaiserkrönung in Rom teil36 und dürfte bei dieser Gelegenheit wohl auch über seine Probleme mit Hamburg beraten haben 37 . Knut ließ sich dazu herbei, daß wie in England auch in Dänemark der Peterspfennig erhoben wurde 38 . Ein anderer Punkt, an welchem dem König offenbar gelegen war, soll das specialius patrocinium des heiligen Petrus gewesen sein39. Es kann darum gar kein Zweifel sein, daß Knut sich um ein näheres Verhältnis zum Papsttum bemüht hat 40 . Das wichtigste Ziel, das damit erreicht werden sollte, finden wir bei seinem Nachfolger zum ersten Mal ausdrücklich benannt: Adam berichtet, daß Sven Estridson (10471076) ein Erzbistum für Dänemark angestrebt habe. Zunächst einmal vermehrte Sven die Bistümer in seinem Reich 41 , was dann die Forderung nach einem dänischen Erzbistum nur um so natürlicher erscheinen lassen mußte. Weiter berichtet Adam dann, daß der Dänenkönig, weil sich das Christentum bis zu den Enden der Erde ausgebreitet habe, für sein Reich die Errichtung eines Erzbistums verlangt habe und — für Hamburg besonders bedrohlich — daß die Verwirklichung aufgrund einer Vollmacht des apostolischen Stuhles auch schon beinahe gesichert

quomodo eum iam longaevum et minus validum regno privaret, consilium habuit et cum his, quos pater eius ad christianitatem coegit invitos. MÜLLER, Harald Gormsson S. 125-142. 31 GLAESKE, Hamburg-Bremen S. 37f£. 32 Adam von Bremen, Gesta pontificum II 41 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 10l10): Tunc etiam Gotebaldum quendam ab Anglia venientem episcopum in Scania posuit doctorem. BARLOW, EngKsh Church S. 233. 33 Adam von Bremen, Gesta pontificum II 55 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 11511): episcopos ab Anglia multos adduxit in Daniam. De quibus Bernardum posuit in Sconiam, Gerbrandum in Seland, Reginbertum in Fune. BARLOW, English Church S. 233. 34 SEEGRÜN, Papsttum S. 58; GLAESKE, Hamburg-Bremen S. 38. 35 Adam von Bremen, Gesta pontificum II 56 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 116 ): Cum rege Danorum vel Anglorum mediante archiepiscopo fecit pacem. GLAESKE, HamburgBremen S. 38f. 36 Wipo, Gesta Chuonradi 16 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 61, S. 36 23 ). 37 SEEGRÜN, Papsttum S. 60ff. 38 Ebd. S. 63f. 39 LIEBERMANN, Gesetze der Angelsachsen l, Nr. l und 4 S. 276; SEEGRÜN, Papsttum S. 60f. 40 SEEGRÜN, Papsttum S. 56-62. 41 Adam von Bremen, Gesta pontificum III 25 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 167f).

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gewesen sei42. Erzbischof Adalbert muß sich in eine dramatische Lage versetzt gesehen haben, ersann er doch einen geradezu abenteuerlichen Plan, nämlich ein Patriarchat zu schaffen, welches sowohl das neue Erzbistum in Dänemark wie auch das auf das deutsche Reichsgebiet eingeschränkte Erzbistum Hamburg, das er unter zwölf Suffragane aufteilen wollte, umgreifen sollte43 . Papst Alexander II. muß von diesem Patriarchatsplan gewußt haben 44 . Aber er und seine Nachfolger begünstigten die dänische Verselbständigung. Gregor VII. schickte an Sven Estridson Legaten, 'die dir auf das, was du zur Auszeichnung deines Reiches hinsichtlich eines Metropolitansitzes wie auch hinsichtlich einiger anderer Angelegenheiten zur Zeit unseres Herrn Papstes Alexander vom Apostolischen Stuhl gefordert und dafür versprochen hast, antworten ...'4S. Wahrscheinlich ist damals die Erhebung von Lund, das für den Erzsitz ausersehen worden war, an der Person des dortigen Bischofs, der den Reformvorstellungen Gregors ganz und gar nicht entsprach, gescheitert46. Aber nach 1100 war es dann so weit: Lund wurde Erzbistum für Dänemark und — wenigstens zunächst — für den gesamten Norden 47 . Solange aber die dänischen Bischöfe Suffragane von Hamburg waren, blieben sie Mitglieder der Reichskirche. Tatsächlich ließen sich einzelne Bischöfe auch persönlich in die Reichskirche einbinden: So soll zum Beispiel der aus vornehmem dänischen Königsgeschlecht stammende Bischof Odinkar von Ripen, wie Adam mitteilt, von Bischof Adaldag getauft worden sein und auch dessen Namen erhalten haben; in Bremen sei er auf der Schule gewesen und dann von Liäwizo (9881013) zum Bischof von Ripen geweiht worden 48 . Mit seinem Erzbischof finden wir Odinkar dann auf der Dortmunder Synode von 1005, wo er sich der großen Gebetsverbrüderung Heinrichs II. anschloß49 .

§ 45 Abodriten und Bistum Oldenburg Wie im Norden bei König Gnupa von Haithabu soll Heinrich I. einiger AnnalenNachrichten zufolge auch die Taufe eines namentlich nicht benannten Königs der 2 Ebd. III 33 (S. 175 ): quoniam rex Danorum christianitate iam in fines terrae dilatata desideravit in regno suo fieri archiepiscopatum. Ebd. S. 175 : Metropolitanus igitur his rerum successibus elatus, et quadpapam vel cesarem suae voluntati pronos videret, multo studio laboravit in Hammaburg pa.triarcha.tum constituere. Ebd. Z. 12: Disposuit vero patriarchatui subicere XH episcopatus. FUHRMANN, Mittelalterliche Patriarchate (3) S. 120-170. 44 FUHRMANN, Mittelalterliche Patriarchate (3) S. 160ff. 45 Gregorii VII registrum II 51 (MGH Epp. sei. 2/1, S. 19329). 46 SEEGRÜN, Papsttum S. 82-86. 47 Ebd. S. 108-129; CHRISTENSEN, Archbishop Asser S. 25-42. Zu der eine Generation später versuchten Suppression s. BEUMANN, Päpstliches Schisma S. 479-500; GORSKI, Lund et Gniezno S. 47ff, 50f. 48 Adam von Bremen, Gesta pontificum II 36 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 96). 49 BÖHMER, Regesta Imperii 2/4, Nr. 1597a S. 915; WOLLASCH, Dortmunder Versammlung S. 58.

J 45 Abodriten und Bistum Oldenburg

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Abodriten veranlaßt haben 1 . Die Abodriten waren ursprünglich ein Verband von slawischen Kleinstämmen, die nach ihrem Zusammenschluß zu einer Gesamtherrschaft eine bedeutende politische Kraft darstellten 2 . Leider bleibt unklar, ob der getaufte König bereits dem in der Folgezeit für die Samtherrschaft wichtigen Geschlecht der "Nakonen" angehörte. Diese Dynastie wurde spätestens mit dem um die Jahrtausendwende regierenden Mstislaw christlich 3 . Am besten bekannt ist ein Gottschalk (+ 1066), der wohl als Geisel ins billungischen Hauskloster Sankt Michael zu Lüneburg kam, dort dann eine christliche Erziehung erhielt und dabei den Namen des dortigen Klosterleiters, des Götenbischofs Gottschalk, annahm 4 . Daß aber die Namensgleichheit des Abodritenprinzen mit dem Klosterleiter eher gegen als für eine dort vollzogene Taufe sprechen soll, ist schwer einzusehen 5 . Die bei der Untersuchung der Patenschaft 6 offen gelegten Praktiken lassen bei Namensgleichheit viel eher darauf schließen, daß Bischof Gottschalk gerade in Ausübung einer Patenschaft den eigenen, für einen Fürsten gewiß ungewöhnlichen (Mönchs-)Namen Gottschalk verliehen haben könnte; zu einer möglichen Patenschaft oder gar Taufe seitens des Prälaten paßt bestens auch die von Adam bezeugte Erziehung des Prinzen im Lüneburger Kloster. Gottschalk aber verließ das Kloster, um seinen von einem Sachsen ermordeten Vater zu rächen; am Ende freilich erwies er sich nicht nur als guter Christ, sondern sogar als Missionar seines Volkes 7 . Ein Bistum wurde für die Abodriten in Oldenburg errichtet, dem vormaligen heidnischen Burg- und Kultort Starigard 8 . Wie H. Beumann jüngst dargelegt hat, zielte Ottos des Großen Missionspolitik seit 948 auf "zwei in ethnischer Hinsicht geschlossene Missionsgebiete, das skandinavische und das slawische jenseits von Elbe und Saale"9. Diese Konzeption hätte dann Hamburg die bis dahin ausgeübte Zuständigkeit für das Abodritengebiet gekostet; aber das 968 errichtete Bistum Oldenburg — so Beumann — sei dann doch noch zu Lebzeiten Ottos dem Hamburger Erzsitz unterstellt worden 10 . Die endgültige Christianisierung des Landes hat sich erst im 12. Jahrhundert vollzogen 11 . 1

Herimanni Augiensis chronicon a. 931 (MGH SS 5, S. 11314); Adalbert! Continuatio Reginonis a. 931 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 50, S. 158): Henricus rex regem Abotridorum et regem Danorum efficit christianos. FRITZE, Abodritische Stammes- und Reichsverfassung S. 157 f. 2 FRITZE, Abodritische Stammes- und Reichsverfassung S. 141-219. 3 Ebd. S. 158-163. 4 Adam von Bremen, Gesta pontificum II 66 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 2, S. 125f); FRITZE, Abodritische Stammes- und Reichsverfassung S. 167; KAHL, Heidnisches Wendentum S. 81 ff. 5 KAHL, Heidnisches Wendentum S. 81 Anm. 30. 6 S. $ 18. 7 KAHL, Heidnisches Wendentum S. 81-85. 8 Helmold, Cronica Slavorum I 12 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 32, S. 2330); DIECK, Slawenbistümer S. 18-21. 9 BEUMANN, Bistum Oldenburg S. 68; PETERSOHN, Ostseeraum S. 18-22. 10 BEUMANN, Bistum Oldenburg S. 68f. 11 LOTTER, Christianisierung der Abodriten S. 395-442.

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§ 46 Bistümer Havelberg und Brandenburg Im Osten zielten die Vorstöße Heinrichs I. gegen die Heveller. Am besten bekannt ist sein Winterfeldzug von 928/29, bei dem er die Brennaburg eroberte 1 . Später berichtet Widukind von Corvey zum. Abschluß der ersten Slawenkriege Ottos I. rückschauend davon, daß seit König Heinrichs Zeiten ein Slawe namens Tugumir in Sachsen zurückgeblieben sei, der in seinem Heimatland bei den Hevellern als rechtmäßiger Erbe der Herrschaft gegolten habe. Ihn nun habe man mit viel Geld und großen Versprechungen dafür gewinnen können, sein Land auszuliefern. Um dies zu bewerkstelligen, sei er als angeblicher Flüchtling in seine Heimat zurückgekehrt, habe Aufnahme in die Brennaburg gefunden und sei vom ganzen Volk als Herrscher anerkannt worden; dabei habe er seinen Neffen, den einzigen weiteren Überlebenden seines Geschlechtes, heimtückisch getötet und zuletzt dann Burg und Land dem deutschen König ausgeliefert; daraufhin hätten sich alle barbarischen Völkerschaften bis zur Oder zu Unterwerfung und Tribut bereitgefunden 2 . Man hat vermutet, daß "Tugumir zweifellos Christ gewesen" sei3. Dies lege sich nahe wegen des Aufenthaltes in Sachsen, ferner auch wegen der Tatsache, daß die 948 auf der Hevellerburg errichtete Bischofskirche bereits einen Vorgängerbau gehabt habe und endlich wegen der Einschreibung von Tugumirs Sterbetag in den Nekrolog des Stiftes Möllenbeck 4 . Eine Schwester Tugumirs soll übrigens jene vornehme Slawin gewesen sein, mit der Otto I. zeitweilig verbunden war und aus deren Verbindung der Sohn Wilhelm stammte, der nachmals Erzbischof von Mainz wurde 5 . Im Blick auf die Missionspolitik ist festzustellen, daß wir hier auf ein Vorgehen treffen, wie es ähnlich schon beim bairischen Herzog Odilo in der Behandlung der Karantanen festzustellen war; deren Herzog Boruth mußte sich bekanntlich zur Anerkennung der bairischen Oberhoheit bereitfinden und seine möglichen Nachfolger ausliefern, wobei aber er selber im Amt bleiben konnte 6 . So hat man auch für Tugumirs Vater vermutet, daß er, natürlich als Vasall, in seiner Stellung belassen worden sei, aber seine Kinder habe ausliefern müssen 7 . Und wie schon die beiden Karantanenprinzen sich unerschütterlich zur bairischen Oberhoheit bekannten und auch unbeirrte Verfechter des Christentums wurden, so möglicherweise auch Tugumir. Die von ihm anerkannte Oberhoheit der Ottonen wie auch die eingeleitete Christianisierung der Heveller schienen bald in einem solchen Grade gefestigt, daß 948 in Brandenburg8 wie auch in Havelberg9 Bischofssitze errichtet werden 1

Widukind, Res gestae I 35 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 60, S. 48ff). Widukind, Res gestae II 21 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 60, S. 85); LUDAT, An Elbe und Oder S. lOff; BRÜSKE, Lutizenbund S. 20ff; DRALLE, Slaven S. 130ff. 3 KAHL, Heidnisches Wendentum S. 86; LUDAT, An Elbe und Oder S. 12. 4 LUDAT, An Elbe und Oder S. 12 mit Anm. 30; ENGELS, Mission S. 208f. 5 LUDAT, An Elbe und Oder S. 12; DRALLE, Slaven S. 129f. 6 S. S 35. 7 LUDAT, An Elbe und Oder S. 12. 8 WENTZ, Bistum Havelberg S. 16-19; SCHLESINGER, Stiftungsurkunde S. 413-446; D1ECK, Slawenbistümer S. 9-15; BRÜSKE, Lutizenbund S. 22f. 9 Das original erhaltene Gründungsdipolm DO I 105 [Magdeburg 948 Oktober 1] (MGH Dipl. 2

$ 4 7 Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum

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konnten. Beide Bistümer gehörten zum Erzbistum Mainz 10 . Der große Slawenaufstand von 983 zerstörte jedoch das begonnene Werk. Für zwei Jahrhunderte vermochte sich das slawische Heidentum weiter zu behaupten. Bis 1150/57 blieb auf dem Harlangerberg bei Brandenburg das Triglaw-Heiligtum erhalten, ein alter slawischer Kultmittelpunkt 11 . Als weiteres, für unsere Thematik bemerkenswertes Ereignis ist aus dem 12. Jahrhundert noch zu verzeichnen, daß nach dem Tode des letzten Wendenfürsten Pribislaw-Heinrich der Südteil von dessen Brandenburger Herrschaftsgebiet, die Zauche, an den Askanier Albrecht den Bären überging; es sei dies, wie bezeugt wird, ein Patengeschenk des erbenlosen Wendenfürsten für seinen askanischen Taufsohn gewesen 12 .

§ 47 Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum Auf dem Lechfeld, angesichts der heidnischen Ungarn, hatte Otto der Große die Stiftung eines Bistums in Merseburg gelobt1 . Der Sieger löste sein Gelöbnis mit der Errichtung des Erzbistums Magdeburg ein 2 . Nach Ottos Vorstellung sollten alle östlich der Elbe zu gründenden Slawenbistümer dem neuen Erzsitz unterstellt werden 3 . Der Heidensieg also wurde für die Mission und zugleich für die Reichserweiterung fruchtbar gemacht. Wenn außerdem ein "ursächlicher Zusammenhang zwischen Ottos Ungarnsieg und seiner Kaiserwürde"4 anzunehmen ist, so dokumentiert sich der imperiale Zug ottonischer Politik offenkundig gerade reg. et imp. Germ, l, S. 187ff); ABB - WENTZ, Bistum Brandenburg l, S. 8-13; KAHL, Bistum Brandenburg S. 54-79; DIECK, Slawenbistümer S. 15ff; BRÜSKE, Lutizenbund S. 22f. 10 S. $ 47 Anm. 14. 11 KAHL, Triglaw von Brandenburg S. 68-76; DERS., Slawen und Deutsche l, S. 328-350. 12 DERS., Slawen und Deutsche l, S. 30f, 50-61. 1 Thietmar von Merseburg, Chronicon II 10 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 48 26 J: si Christus dignaretur sibi eo die tanti intercessione preconis dare victoriam et vitam, ut in civitate Merseburgiensi episcopatum in honore victoris ignium construere domumque suimet magnam noviter inceptam sibi ad aecclesiam vellet edificare. BÖHMER, Regesta Imperü 2/1 Nr. 240f-g, S. 120ff. Wir erfahren von dem Plan des Magdeburger Erzbistums zuerst in einem Protestbrief Wilhelms von Mainz aus dem Jahre 955 (ed. QUITER, Anhang III, S. 155ff). Thietmar von Merseburg, Chronicon II 11 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. SO19,): statuit rex abbaciam in Magadaburgiensi civitate, incipiens aecclesiam mirum in modum in loco, ubi sancta requiescit Aedith et iuxta quam post obitum suimet pausare desideraverat ipse. Ibi etiam episcopatum facere conatus, apud Bernardum, sanctae Halverstidensis aecclesiae antistitem VII, in cuius diocesi urbs prefata iacet, quamdiu vixit, impetrare non potuit. Zu der Frage des Gelübdes für Merseburg und der schon 955 eingeleiteten Gründung eines Erzbistums in Magdeburg ausführlich BEUMANN, Laurentius und Mauritius S. 238-275. Ebd. S. 274: "Gleichwohl kann sich der König nach dem Ungarnsieg auch dem hl. Mauritius, seinem speziellen Patron, verpflichtet gefühlt haben, ohne ihn in dem öffentlichen Gebetsgelübde zu berücksichtigen. An die Stelle eines Gelübdes trat hier die unverzügliche Tat ..." CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 88: Ein entsprechendes Zugeständnis Papst Agapets II. (946-955) spiegelt sich in den Briefen Erzbischof Wilhelms von Mainz. 4 BEUMANN, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 30.

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auch in der Missionspolitik: "Ottos gesamte Ost- und Missionspolitik ..., deren Anfänge mit den Anfängen seiner Regierung zusammenfallen, [ist] in eine imperiale Beleuchtung getaucht."5 Noch im Jahre 955 wurde Abt Hadamar von Fulda nach Rom gesandt, um die päpstliche Zustimmung zu Ottos Plänen zu erwirken 6 . Aber die Hemmnisse, die der Verwirklichung entgegenstanden, erwiesen 'sich als äußerst hinderlich. Bei der Kaiserkrönung im Jahre 962 fügte es sich wie ein besonderer Glanzpunkt in die neue imperiale Herrlichkeit ein, daß Otto unmittelbar nach dem feierlichen Akt ein Privileg Papst Johannes' XII. erhielt, das die Gründung des Erzbistums guthieß7 . Der Papst erinnerte ausdrücklich an den Ungarnsieg und an die Besiegung noch anderer Barbarenvölker8. "Der enge Zusammenhang zwischen der Begründung des Erzbistums und dem Angriff auf das noch nicht bezwungene Slawenland liegt auf der Hand."9 Die imperiale Missionspolitik erfuhr dabei eine Bestätigung, die den kaiserlichen Vorstellungen vollauf entsprochen haben muß: Die Unterstellung aller unter den Slawen zu gründenden Bistümer unter den neuen Erzsitz Magdeburg wurde darin verbrieft 10 . "Die Urkunde Johannes' XII. bedeutete für den Kaiser nicht nur eine Anerkennung seiner Stellung als Leiter der Slawenmission, sondern er erhielt auch die Befugnis, die kirchliche Organisation des Slawenlandes selbständig einzurichten."11 Daß aber seit Gelöbnis und Sieg auf dem Lechfeld sieben Jahre vergangen waren, verdeutlicht noch einmal die Schwierigkeiten, die überwunden werden mußten: zunächst mit Ottos eigenem Sohn, Erzbischof Wilhelm von Mainz 12 , und dann noch mit Bischof Bernhard von Halberstadt13. Erst während des im Sommer 966 begonnenen Italienaufenthaltes konnte der Magdeburg-Plan zum Abschluß gebracht werden. Zu Ostern 967 trafen sich Otto und Papst Johannes XIII. auf einer Synode in Ravenna. Für Magdeburg wurde eine neue Urkunde ausgestellt: Die Bischöfe von Brandenburg und Havelberg, bislang unter Mainz stehend, wurden Suffragane von Magdeburg; desgleichen sollte der neue Erzbischof die Bischöfe in Merseburg, Zeitz und Meißen einsetzen14 . Auffallend ist dabei, daß die Urkunde Johannes' XIII. dem Kaiser eine 5 6

Ebd. S. 39.

CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 69. 7 ISRAEL - MÖLLENBERG, ÜB Magdeburg l, Nr. 28 S. 41ff. 8 Ebd. S. 41: devictis barbaris gentibus, Auaribus scilicet ceterisque quam pluribus. 9 BRACKMANN, Ostpolitik Ottos d. Gr. S. 143. 10 ISRAEL - MÖLLENBERG, ÜB Magdeburg l, Nr. 28 S. 42: Cum vero omnipotens deus per pretaxatum servum suum invictissimum inperatorem suumque jilium regem successoresque eorum vicinam Sclauorum gentem ad cultum Christiane fidei perduxerit, per eosdem in convenientibus locis secundum oportunitatem episcopatus constitui et in eisdem per consensum predictorum quinque archipresulum successorumque eorum ab archiepiscopo Magdaburgensi episcopos consecrari volumus suffraganeos. 11 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 89. A. BRACKMANN (Magdeburg als Hauptstadt S. 13) glaubte es sogar im Superlativ ausdrücken zu sollen: "In der deutschen Geschichte gibt es nur wenige Dokumente von größerer Bedeutung." 12 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 75ff. 13 Ebd. S. 81ff. 14 ISRAEL - MÖLLENBERG, ÜB Magdeburg l, Nr. 52 S. 74: Suffraganeos vero eidem metro-

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wesentlich geringere Rolle zuerkennt als die seines Vorgängers von 962. Überhaupt erscheint hier die Mission als Initiative des Papstes, dem sich der Kaiser untergeordnet hat 15 . "Die Urkunde Johannes' XIII. zeigt in der Frage der Mission gegenüber derjenigen seines Vorgängers eine einschneidende Gewichtsverlagerung zwischen regnum und sacerdotium."16 Ein Bericht über eine 968 ebenfalls in Ravenna abgehaltene "Synode", die sogenannte Narratio erectionis ecclesiae Magdeburgensis, sieht den Kaiser wieder als Initiator sowohl der Mission wie der Errichtung des Erzsitzes in Magdeburg 17 . Im übrigen aber vermeldet dieser Bericht eine gütliche Vereinbarung mit Halberstadt und Mainz18. Sowohl der Halberstädter Bischof Bernhard wie auch Wilhelm von Mainz waren im Frühjahr 968 verstorben19 . Ihre Nachfolger zeigten sich den kaiserlichen Plänen gefügig. Die Zustimmung Hattos von Mainz, sogar mit dem ausdrücklichen Verzicht auf Brandenburg und Havelberg, ist erhalten20 . In einer besonderen Weisung zur Durchführung der poli omnes unanimiter preordinavimus Brandeburgensem episcopum et Hauelbergensem ... episcopos ordinäre, nominative nunc et presentaliter Merseburc, Cici et Misni. 15 Ebd. S. 73: inperator ardentissimo cepit amore perquirere, quomodo nostra apostolica auctoritate a primordio nomen christianitatis in aquilonalibus partibus dilataretur. CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 89. 16 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 90. 17 ISRAEL - MÖLLENBERG, ÜB Magdeburg l, Nr. 61 S. 84: imperator Otto cesar augustus, qui eandem sanctum synodum ob communem imperil sui salutem congregaverat, plurimas Sclauorum nationes ultra flumen Albie in confinio Saxonie multo se labore et maximis sepe periculis ad Christum convertisse coram omnibus retulit ...; sancta synodus eundem piissimum imperatorem summa devotione petiit, ut eius auctoritate, quia canonicum et deo acceptabile erat, illic archiepiscopalem sedem statui canonica ordinatione annueret, in qua archiepiscopus ordinatus ultra flumen Albie episcopos, qui ordinati sunt et ordinandi futuris post temporibus erunt, subiectos habeat et in convenientibus locis episcopos statuat. Zu diesem Bericht s. ENGELS, Kirchenprovinz Magdeburg S. 136-158. 18 ISRAEL - MÖLLENBERG, ÜB Magdeburg l, Nr. 61 S. 85: Eo igitur revoluto anno et altero dimidio transacto cum Hattonem archiepiscopum Mogontiacensem et Hilduuardum episcopum Alberstatensem Rauennam convenire contingeret, sanctissimus imperator, si bona voluntate commutationem parrochie Albarstatensis ecclesie ad Magadaburgensem fieri vellent, coram archiepiscopo Rauennate et episcopis conprovincialibus eos omni dilectione convenit. Wilhelm scheint seinen Widerstand schon früher aufgegeben zu haben. H. BEUMANN (Laurentius und Mauritius S. 254f) denkt an das Jahr 961, in dem der Erzbischof als Intervenient für Magdeburg auftritt und die Obhut über Otto II. erhielt. D. CLAUDE (Erzbistum Magdeburg l, S. 76) sieht den Zeitpunkt in dem Regensburger Hoftag von Weihnachten 960. Wilhelm sei gewonnen worden durch die Verleihung des primatialen Vorrangs vor den anderen deutschen Metropoliten und durch die Gewährung des Krönungsrechtes der deutschen Könige. H. BÜTTNER (Ostwärts der Elbe S. 176; DERS., Mainzer Erzbischöfe S. 20-23) hingegen hält dafür, daß Wilhelm seinen Widerstand gegen das Erzbistum Magdeburg lebenslang aufrecht erhalten habe. 19 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 84. 20 ISRAEL - MÖLLENBERG, ÜB Magdeburg l, Nr. 59 S. 82: Ad dilatandos quippe fidei Christiane terminos et Sclauorum indomitas gentes ultra Albiam et Salam iugo Christi subdendas, in Magdeburg sedem archiepiscopalem fieri et ordinari permittimus et consentimus. Sed et in Merseburg episcopum Magadaburgensi ecclesie subiciendum et ab eius archiepiscopo ordinandum archiepiscopali nostra auctoritate censemus et instituimus. Episcopos vero ultra Albiam, Brandoburgensem scilicet et Haualbergensem, nostre hactenus ecclesie subiectos, a debita nobis obedientia absolvimus et prescripte Magadaburgensi ecclesie eiusque archiepiscopo obedituros eque permittimus et consentimus.

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Magdeburger Gründung gibt allerdings Otto zu erkennen, daß er selbst an seinen weitgesteckten Zielen festhielt; den Tätigkeitsbereich des neuen Erzbischofs wollte er auf alle slawischen Stämme ausgedehnt wissen21 . Am 18. Oktober 968 erhielt der erste Erzbischof Adalbert seine päpstliche Ernennung zusammen mit dem Pallium22 . In der entsprechenden Urkunde erscheint wiederum, sogar in kirchenrechtlicher Idealität 23 , der päpstliche Standpunkt: In Absehung vom tatsächlichen Gang der Dinge wird die Gründung der Stadt Magdeburg dem Kaiser, die Errichtung des Erzsitzes aber der Initiative Hattos von Mainz und Hildewards von Halberstadt sowie ihrer Komprovinzialen zugesprochen; auch werden für die Magdeburger Zuständigkeit nur die bereits unterworfenen Slawen genannt 24 . Die hier aufscheinende Differenz zwischen dem Kaiser und dem Papst ist insofern erstaunlich, als Otto gerade zu Johannes XIII., dessen Verbleiben und Wirken in Rom er sichergestellt hatte 25 , in ansonsten besten Beziehungen gestanden hat; Hagen Keller konstatiert sogar eine "weitgehende Übereinstimmung von Kaiser und Papst"26 . U n d dennoch, so H. Beumann, "kann es nicht zweifelhaft sein, daß es im Ringen zwischen Otto dem Großen und Papst Johannes XIII. um die Frage gegangen ist, wem von beiden die 'auctoritas post deum' bei der Begründung und Besetzung des Magdeburger Stuhles zukomme" 27 . Im Ergebnis blieb das Erzbistum Magdeburg für den Kaiser ein "Kompromiß"28 : Die Päpste beharrten darauf, daß "die Mission ... allein Sache Roms"29 sei. Wenn der Kaiser den Tätigkeitsbereich des Magdeburger Oberhirten auf alle slawischen Stämme ausgedehnt wissen wollte, so mußte er hier ein deutliches Zögern seitens Johannes' XIII. hinnehmen. Offenbar wollten die Päpste — wohl im Hinblick auf die soeben sich formierende Herrschaft des Polen Mieszko — keine vollendeten Tatsachen schaffen 30 . Und noch ein weiteres: Gelegentlich ist vermerkt worden, daß erst der Widerstand Wilhelms von Mainz es dem Papst ermöglicht habe, seine Autorität in der Magdeburger Frage zur Geltung zu bringen 31 . Nun ist aber nichts verfehlter als die 21

Ebd. Nr. 67 S. 97: archiepiscopum et metropolitanum totius ultra Albiam et Salam Sclauorum gentis modo ad deum converse vel convertende fieri decrevimus; CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 93. 22 ISRAEL - MÖLLENBERG, ÜB Magdeburg l, Nr. 62 S. 88ff; CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 116. 23 S. die Anweisung Nikolaus' I. in den Consulta Bulgarorum,.zitiert in S 40 Anm. 27. 24 ISRAEL - MÖLLENBERG, ÜB Magdeburg l, Nr. 62 S. 89: Hatto, sancte Magunciensis ecclesie archiepiscopus, et Hildiuuardus, Halberstatensis ecclesie episcopus, et comprovinciales episcopi, sicut per consentaneas et petitorias litteras ab ipsis propriis manibus roboratas, que in presentia nostra ante corpus beati Petri apostoli relecte sunt, didicimus, in predicta Magadaburg civitate archiepiscopalem sedem privilegio apostolice sedis statui ordinaverunt. 25 ZIMMERMANN, Parteiungen und Papstwahlen S. 380-400. 26 KELLER, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 273-295, Zitat S. 293. 27 BEUMANN, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 46; ferner ZIMMERMANN, Parteiungen und Papstwahlen S. 400ff. 28 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 95; vorher schon BRACKMANN, Ostpolitik Ottos d. Gr. S. 144-151; zustimmend auch BEUMANN, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 44-50. 29 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg S. 92. 30 Ebd. S. 92f. 31 KELLER, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 273; QUITER, Kirchenprovinz Magdeburg S. 86.

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Annahme einer gemeinsamen antikaiserlichen Allianz von Erzbischof und Papst. Denn beider Intentionen waren durchaus verschieden ausgerichtet. Die päpstliche Missionspolitik zielte ja schon seit alters darauf ab, jedem Volk oder — in kirchlich-rechtlicher Terminologie — jeder Provinz in der Form des Erzbistums eine angemessene Eigenständigkeit zu verleihen. Wenn Johannes XIII. wirklich die Ostgrenze Magdeburgs wegen des sich formierenden Polenstaates nur bis zur Oder ausgedehnt wissen wollte 32 , so hätte er ganz im Sinne dieses alten päpstlichen Grundsatzes gehandelt. Wilhelm von Mainz aber war weit entfernt von dieser Auffassung. Er dachte "reichskirchlich" und war darin gewissermaßen kaiserlicher als der Kaiser. Denn ihm ging es ja nicht einmal darum, daß die östlich der Elbe neu errichteten Diözesen unter einem eigenen Erzbistum zusammengefaßt wurden; vielmehr sollten dieselben Mainz unterstellt werden. Und wie Wilhelm so dachten auch seine Nachfolger. Als Mainz zugunsten Magdeburgs verzichten mußte, sah man es nur als rechtens an, dafür anderwärts "entschädigt" zu werden: mit Böhmen und der Unterstellung des dort errichteten Bistums Prag unter Mainz 33 . Ja, von solcher Sicht fällt auch noch Licht auf Wilhelms Aktivität bei der Erwählung eines Bischofs für die Rus (von deren Bitte um Missionare bei Otto dem Großen noch zu sprechen ist 34 ); möglicherweise sollte hier von vorneherein ein Anspruch der Mainzer Metropole manifestiert werden.

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Die Frühgeschichte der Rus ist nicht leicht zu durchschauen. Ostslawische Stammesverbände und lokale Herrschaftsbildungen durch Skandinavier müssen den Anfang gebildet haben. Das Reich von Kiew gewann dabei den bedeutendsten Rang. Es schuf sich eine Verbindung bis weit in den Norden, bis nach Smolensk und Nowgorod, so daß für den Handel eine durchgehende Verbindung von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer entstand, und das heißt von Skandinavien bis Byzanz1 . Im Jahre 860 attakierten die Rus, bis dahin unbekannte Gegner, Konstantinopel; Patriarch Photios, der über diesen Angriff zwei Predigten gehalten hat 2 , vermeldet nur wenig später, im Jahre 867, daß das Volk, welches unlängst noch wild und barbarisch gewesen sei, sich zum christlichen Glauben bekehrt und einen Bischof angenommen habe 3 . Kaiser Basileios I. (867-886) soll ihnen sogar einen Erzbischof gesandt haben 4 . In den Jahren 911 und 944 wurden Handels32 33 34

BRACKMANN, Ostpolitik Ottos d. Gr. S. 249; CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 93f. HILSCH, Bischof von Prag S. 12f. S. $ 48 Anm. 11.

1 Grundlegend RÜSS, Reich von Kiev S. 199-429; zur Frühgeschichte: S. 267-282; HELLMANN, Kiever Reich S. 398-414. 2 Photius, Homilie 3 u. 4 (MANGO S. 74-110 englische Übersetzung mit Erläuterungen). 3 Photius, Epistolarum liber I 13,35 (MIGNE PG 102, S. 736f). 4 Theophanes Continuatus V 97 (De Basilio Macedone) (CSHB 48, S. 342f); MÜLLER, Byzantinische Mission S. 30 mit Anm. 6; TINNEFELD, Angriff der Rhos S. 243-250. H. AHRWEILER (Relations, VII S. 44-70) will die 860 bezeugten Rus von den Kiewer Rus trennen.

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vertrage mit Byzanz geschlossen; aus letzterem geht — im Gegensatz zum ersteren — hervor, da nicht wenige der Rus bereits Christen waren 5 . Eine durchgreifende Christianisierung hat unter der Regentin Olga begonnen, die seit 945 regierte. ber ihre eigene Taufe gibt es drei Versionen6 . Es ist einmal die bald nach 1110 entstandene Nestor-Chronik, in der auch lteres Material verarbeitet ist. Die Bekehrung Olgas wird darin ganz "typisch" dargestellt. Die F rstin sei zum Kaiser gekommen und habe dessen Wertsch tzung gefunden. Der Basileus habe sie zusammen mit dem Patriarchen 'getauft'; dabei sei ihr der Name Helena gegeben worden. Dann aber habe der Kaiser sie heiraten wollen, was Olga freilich unter Hinweis auf die geistliche Verwandtschaft abgelehnt habe. Erstaunt ob ihrer 'List', habe der Kaiser sie reichbeschenkt entlassen und der Patriarch sie nochmals gesegnet 7 . Es ist also wiederum eine Taufe unter dem Patronat des Kaisers; aber wie etwa an der von Olga so "schlau" abgelehnten Heirat ersichtlich wird, bereits in legend r ausgestalteter Form8 . Weiter ist zu erw hnen Johannes Skylitzes. Er berichtet — freilich in einem Abstand von mehr als 200 Jahren —, Olga sei als verwitwete Russenf rstin nach Konstantinopel gekommen; sie habe die Taufe empfangen und sich sehr eifrig in der Fr mmigkeit gezeigt, dann sei sie ehrenvoll wieder nach Hause zur ckgekehrt 9 . Endlich ist auch eine westliche Quelle anzuf hren: die Fortsetzung der Chronik des Regino von Pr m; diese hat jenen Adalbert zum Autor, der von Otto dem Groen 961 als Bischof zu den Rus geschickt wurde, dort aber scheiterte und dann zum ersten Erzbischof von Magdeburg aufstieg 10 . Er berliefert zum Jahre 959, da Gesandte Olgas zu Otto dem Gro en gekommen seien, und macht dabei eine Reihe von detaillierten Angaben: Er nennt die K nigin der Rus bei ihrem Taufnamen Helena und l t deren Taufe in Konstantinopel geschehen sein11. Wenn er aber daf r die Zeit 'unter Kaiser Romanos' angibt, ist zu bedenken, da Romanos zum Zeitpunkt von Olgas Taufe, die ja nach seinen Angaben vor 959 stattgefunden haben mu , nur Mitregent war und erst seit Herbst 959, in eben dem Jahr der von Adalbert vermeldeten Gesandtschaft, Kaiser wurde 12 . 5

R SS, Reich von Kiev S. 214ff, 291; M LLER, Byzantinische Mission S. 31f. S. dazu OSTROGORSKY, F rstin Olga S. 35-52. 7 Nestor-Chronik a. 955 (TRAUTMANN S. 40 M -41 29 ); WATTENBACH - HOLTZMANN SCHMALE, Geschichtsquellen 2, S. 814f; ebd. 3, S. 231 *f. 8 OSTROGORSKY, F rstin Olga S. 42. 9 Johannes Skylitzes, Synopsis historiarum [zu Konstantinos VII.] 6 (ed. THURN S. 240): Kot τ? του ποτέ κατά 'Ρωμαίων βκπλεύσαντος άρχοντος των 'Ρώς γαμέτη, Έλγα τοΰνομα, τον ανδρός αυτής αποθανόντος παρεγβ>ετο ev Κωνσταντινουπόλει. και βαπτισθείσα και προαίρεση ειλικρινούς επιδεικνυμένη πίστεως, αξΐως τιμηθεϊσα της προαιρέσεως έπ' οίκου άνέδραμε. 10 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg l, S. 114-135. Zur Chronik s. WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 166-170; HAUCK, Erzbischof Adalbert S. 276-353. 11 Adalbert! continuatio Reginonis a. 959 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 50, S. 170): Legati Helenae reginae Rugorum, quae sub Romano imperatore Constantinopolitano Constantinopoli baptizata est, ficte, ut post claruit, ad regem venientes episcopum et presbiteros eidem genti ordinari petebant. 12 M LLER, Byzantinische Mission S. 32 Anm. 5; zur Chronologie der Herrschaft s. D LGER, Regesten l, S. 80, Nr. 657 S. 82, Nr. 685 S. 88. 6

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Am heftigsten geht die Diskussion darum, ob die Taufe Olgas wirklich in Byzanz stattgefunden hat 13 . Bestritten wird dies von all denjenigen, welche das von Kaiser Konstantinos Porphyrogennetos verfaßte Zeremonienbuch für die eigentlich wichtigste Quelle halten. Dieses Buch enthält nicht nur Anweisungen für das am Hof und im Umgang mit auswärtigen Gesandten einzuhaltende Zeremoniell, es enthält darüber hinaus auch Berichte über tatsächlich abgestattete Besuche und die dabei veranstalteten Empfänge und so auch über die Fürstin der Rus14 . Wenn aber Olga bei diesem ihren Besuch getauft worden sei — so argumentiert zum Beispiel G. Ostrogorsky — dann hätte das Zeremonienbuch diese wichtige Handlung nicht übergehen können: "Wenn man sich vorstellt, was für ein Ereignis für die byzantinische Hauptstadt und für die Kaiserfamilie selbst die Taufe der Kiewer Fürstin während ihres Aufenthaltes in Konstantinopel gewesen wäre, wenn man dazu in Betracht zieht, was die Taufe als solche für jeden Byzantiner ideologisch bedeutete, so kann man das Schweigen, scheint mir, nur damit erklären, daß Olga nicht in Konstantinopel getauft wurde, sondern schon als Christin in Byzanz ankam, und daß ihre Bekehrung zu dieser Zeit schon eine Sache ziemlich ferner Vergangenheit war."15 Die Einmütigkeit anderer Quellen bedeute nicht viel, weil das Wissen um Olgas Annahme des Christentums und ihres Besuches in Konstantinopel eine dortige Taufe sozusagen selbstverständlich habe erscheinen lassen16. Auch seien die unterschiedlichen Zeitangaben zu beachten: Die Nestor-Chronik lasse die Taufe 955 geschehen, während der Besuch in Konstantinopel 957 stattgefunden habe. Und so lautet die Konsequenz: "Olga ließ sich nicht zur Zeit ihres Aufenthaltes in Konstantinopel taufen, sondern 954/55 in Kiew, so daß zwischen ihrer Taufe und ihrer Reise nach Konstantinopel einige Jahre vergangen waren."17 Doch melden sich neuerdings auch wieder Autoren, die eine Taufe zu 957 in Byzanz für wahrscheinlicher halten; die Begründungen sind freilich wenig durchschlagend18 . 13

OSTROGORSKY, Fürstin Olga S. 36-44. Ebd. S. 37-41. 15 Ebd. S. 41. 16 Ebd. S. 42. 17 Ebd. S. 43f, Zitat S. 44; so auch MÜLLER, Byzantinische Mission S. 32; RÜSS, Reich von Kiev S. 292; VLASTO, Entry S. 250; BECK, Orthodoxe Kirchen D 130. 18 D. OBOLENSKY (Byzantine Commonwealth S. 189) hält daran fest, daß die Taufe Olgas während ihres Besuches 957 in Byzanz geschehen sei; ebenso DVORNIK, Slavs S. 201; eine Begründung wird jeweils nicht gegeben. Weiter ist zu nennen CH. HANNICK mit seinem großen Beitrag über "Die byzantinischen Missionen". Er entscheidet sich nach Abwägung vielfältiger Überlegungen für folgende Lösung: "Für die feierliche Taufzeremonie begab sich Olga mit ihrem Mentor im Glauben, dem Priester Grigorij, nach Konstantinopel, wo sie die Taufe vom Patriarchen Theophylaktos empfing." (S. 345f). Dies ist aber wegen der Chronologie nicht aufrecht zu erhalten, jedenfalls nicht für 957. Nur wenige Seiten vorher (S. 342) ist — richtig — als Todesdatum des Patriarchen Theophylaktos der 22. Februar 956 angegeben (GRUMEL, Regestes l/l, S. 222). Der Annahme, die Taufe Olgas habe in Kiew stattgefunden, stellt HANNICK die Frage entgegen, wieso dann ihr unmündiger Sohn Svjatoslav Heide geblieben sei (Byzantinische Missionen S. 343). Das Phänomen der ungetauften Kinder gerade in Familien sich bekehrender Herrscher habeji wir als ein nahezu allgemeines und für viele Herrscherbekehrungen 14

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Bedeutsam ist für uns die Feststellung, daß Olga geistliche Tochter des byzantinischen Kaisers geworden sein dürfte und ihr damit all jene Konsequenzen auferlegt waren, die wir schon so oft kennengelernt haben: Es ist nicht zu bezweifeln, so schreibt G. Ostrogorsky, "daß die Taufe der Regentin der Kiewer Rus unter der Ägide der byzantinischen Kirche erfolgte. Deshalb nahm sie bei der Taufe auch den Namen der byzantinischen Kaiserin Helene an, der Gattin Konstantins Porphyrogennetos."19 Und noch deutlicher: "Die so [im Zeremoniell gegenüber Olga] unterstrichene Nähe zeigt, daß die Regentin der Rus, nachdem sie sich dem Christentum angeschlossen hatte, zur 'geistigen Tochter' der byzantinischen Kaiserin geworden war, sich in die Familie der vom byzantinischen Kaiser angeführten christlichen Herrscher eng eingefügt hatte und im byzantinischen hierarchischen System einen Ehrenplatz einnahm."20 Doch muß man sich bewußt bleiben, daß dies mehr aus dem allgemein üblichen Verfahren, wie es in Byzanz Tradition war, abgeleitet werden muß, denn aus den konkreten Nachrichten. Gleichermaßen wichtig sind für uns die Schilderungen über Olgas Empfänge, die ihr zu Ehren vom byzantinischen Hof am 9. September und am 18. Oktober 957 veranstaltet wurden. Hier wird genauestens beschrieben, was es bedeutete, Patrikios oder Patrikia zu sein, welche Rolle Kaiser und Kaiserin bei solchen Empfängen spielten und welche Geschenke verteilt wurden. Dabei erfahren wir auch nähere Einzelheiten über genau jene Dinge, die sonst meist nur formelhaft mitgeteilt werden. Am 9. September wurde Olga zuerst vom Kaiser empfangen, also von Konstantinos Porphyrogennetos selbst; die Fürstin stand an der Spitze ihres Gefolges, und alles verlief, wie das Zeremonienbuch vermerkt, nach üblicher Weise. Ausführlicher beschrieben wird der Empfang durch die Kaiserin Helena, die auf einem reichverzierten Thron saß, der auf einem erhöhten Podium stand; an diesem normales Faktum anzusehen. Auch soll gegen die Taufe in Kiew sprechen, daß Olga damit auf die begehrte Ehre der Aufnahme in die Familie der Könige verzichtet hätte. Wie aber die Taufe des Khan Boris-Michael, die sicher in dessen Land stattfand, deutlich macht, mußte der Akt nicht in Konstantinopel stattfinden, um in die Familie der Könige aufgenommen zu werden. HANNICK, der sich selbst diesen Einwand macht, erklärt die Bulgaren-Taufe zu seinem singulären Fall (ebd. S. 344f). Für die Taufe Vladimirs sieht A. POPPE (Baptism of Rus' S. 241) keine Bedenken, eine prokuratorisch vorgenommene Patenschaft des byzantinischen Kaisers anzunehmen (s. Anm. 38). Die unterschiedlichen Jahresangaben der Quellen, ob Olgas Taufe 955 oder 957 stattgefunden hat, möchte HANNICK mit dem Eintritt ins Katechumenat und dem erst später folgenden Taufakt erklären — zweifellos eine bedenkenswerte Möglichkeit, aber historisch nicht beweisbar. Zu nennen ist ferner T. WASILEWSKI (Etat russe S. 46), der Olga — wie schon HANNICK — als Katechumene 957 in Byzanz ankommen läßt. — Ein neues Datum schlägt J.-P. ARRIGNON vor. Mit OSTROGORSKY lehnt er 957 als Taufdatum ab, akzeptiert aber ebensowenig 955. Da die Taufe 959 aufgrund der Notiz in der Continuatio Reginonis als vollzogen anzusehen ist, kommt er zu einer Datierung zwischen 957 und 959 (Relations S. 177). Es müßte sich demnach also innerhalb von zwei Jahren Folgendes abgespielt haben: ehrenvoller Empfang Olgas in Byzanz, bald darauf die Taufe sowie die Hinwendung zum Westkaiser. Dies alles so eng zusammengedrängt zu sehen wirkt wenig wahrscheinlich. 19 OSTROGORSKY, Fürstin Olga S. 44. OBOLENSKY, Byzantine Commonwealth S. 189: "... she was baptised by the Byzantine patriarch, adopting the name, symbolic of her new spiritual and political relationship with the imperial house, of the reigning Empress Helen ..." 20 OSTROGORSKY, Fürstin Olga S. 50.

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Empfang nahm auch die Schwiegertochter Theophano teil, die Gemahlin des Thronfolgers Romanos II., die etwas abseits von der Kaiserin auf einem goldenen Sessel saß. Wie beim Kaiserempfang erschienen vor Beginn des Eintritts bei der Kaiserin die Würdenträgerinnen in hierarchischer Ordnung, und auch Olga mußte den weiblichen Teil ihres Gefolges entsprechend ordnen. Nach Beendigung dieser offiziellen Empfänge wurde die Fürstin in den engeren Familienkreis eingeladen; sie durfte deswegen die inneren Gemächer der Kaiserin betreten; dort "setzte sich der Kaiser mit der Augusta [der Kaiserin] und mit seinen purpurgeborenen Kindern, und es wurde die Archontissa [die Fürstin Olga] gerufen ..., und sie setzte sich auf Geheiß des Kaisers und redete mit dem Kaiser, worüber sie wollte."21 Weiter wurde zu Ehren der russischen Fürstin ein großes Essen gegeben. Bevor man zu Tisch ging, saß die Kaiserin mit ihrer Schwiegertochter auf dem Thron, die Archontissa Olga aber stand beiseite, so daß die hierarchische Position bei den einzelnen Personen genau sichtbar wurde. Immerhin wurde der Russin zugestanden, daß sie bei ihrem Eintritt nur eine Kopfverneigung vor den Kaiserinnen zu machen brauchte, während ihre Begleitung die Proskynese vollziehen mußte. Bei Tisch erhielt Olga einen Rang, welcher der Position der ersten Hofdame entsprach, der Zoste; erst darauf folgten die Magistrissai und Patrikiai. Für das Gefolge fand eigens ein Essen statt, wobei die Teilnehmer je nach Rang Geschenke erhielten, wie auch Olga zum Schluß reich beschenkt wurde. "Diese Begegnungen im Familienkreis ... spiegeln eine Nähe, die in der blasierten Atmosphäre, in der steifen zeremoniellen Starre des Kaiserhofes recht ungewöhnlich und unerwartet erscheint." 22 Demgegenüber muß das nächste, was uns die Quellen berichten, erstaunen. Es ist die Nachricht aus der Fortsetzung der Regino-Chronik über Olgas Gesandtschaft des Jahres 959, die Otto den Großen um einen Bischof und eine Anzahl von Priestern für die Rus bat 2 3 . Diese so kurz nach dem Aufenthalt in Konstantinopel ausgesprochene Bitte wirkt rätselhaft: Einen Bischof kann Byzanz unmöglich verweigert haben. Der Grund könnte eher darin zu suchen sein, "daß man in Kiew nicht bereit war, sich den geistlichen und politischen Vorherrschaftsansprüchen der Byzantiner unterzuordnen" 24 . Wie aber ist es dann zu erklären, daß Olga einen Bischof von Otto anzunehmen bereit gewesen sein soll? Denn ein solcher hätte sich doch gleichfalls "unterordnen" müssen, nur eben unter einen westlichen Erzbischof. Möglicherweise spielt aber der deutsche Bericht, indem er nicht von einem Erzbischof, sondern nur von einem Bischof spricht, die russischen Wünsche absichtlich herunter, weil es so vorzüglich in die eigenen Vorstellungen paßte. Wenn nämlich die reichskirchliche Missionspolitik von Hamburg aus bis nach Norwegen und Schweden auszugreifen bereit war, warum sollte da ein reichskirchlicher Erzbischof nicht auch die Oberhoheit über einen Bischof von Kiew ausüben können? Otto den Großen muß jedenfalls das Ersuchen Olgas zu größten Hoffnungen beflügelt haben, betrieb er doch damals die Erhebung Magdeburgs zum 21 22

Constantinus Porphyrogenitus, De ceremoniis aulae Byzantinae II 15 (CSHB 7, S. 596 17 ~ 20 ). OSTROGORSKY, Fürstin Olga S. 50; RÜSS, Reich von Kiev S. 292f.

23

S. Anm. 11.

24

RÜSS, Reich von Kiev S.. 293.

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Erzbistum, dem alle für die Slawen östlich der Elbe zu gründenden Bistümer unterstellt werden sollten. Für ihn muß sich darum bei der Ankunft der russischen Gesandten die "visionäre Vorstellung eines christlichen Imperiums, das vom 'ewigen Rom' bis zu den Toren Kiews reichte", aufgetan haben; was er damals wollte, gehörte, so A. Brackmann, "zu den umfassendsten Plänen ..., die je ein deutscher Staatsmann im Osten verfolgt hat" 25 . Um so kläglicher war das Scheitern. Die Wahl des Kaisers fiel auf Libutius, einen Mönch aus dem Mainzer Albanskloster. Adaldag von Bremen weihte ihn zum Bischof. Die Abreise aber verzögerte sich, bis Libutius am 15. Februar 961 verstarb 26 . Auf Vorschlag Erzbischof Wilhelms von Mainz wurde dann der dem Trierer Maximinuskloster angehörende Mönch Adalbert geweiht 27 . Der Erkorene war allerdings kein Mann, der sich bereiten Herzens für das Evangelium geopfert hätte. Adalbert, der über seine Mission in der von ihm verfaßten Fortsetzung der Regino-Chronik selbst berichtet, scheut nicht die Anklage: Von Wilhelm habe er Besseres erwarten dürfen. Schon 962 meldet er seine erfolglose Rückkehr: Er habe sich vergeblich bemüht; nur mit Not sei er dem Tod entronnen, den einige seiner Begleiter hätten erleiden müssen. Mit Befriedigung vermerkt er die ihm von Wilhelm zuteil gewordenen 'Güter und Vergünstigungen', die eine Genugtuung dafür seien, daß der Erzbischof ihm diese beschwerliche Reise "eingebrockt" habe 28 . Aber auch auf Otto selbst dürfte das Scheitern nicht ohne Nachwirkung geblieben sein. So gibt H. Beumann zu bedenken, daß Otto gerade "am Vorabend der Kaiserkrönung das byzantinische Kaisertum als Rivalen auf dem von ihm beanspruchten östlichen Missionsfelde erlebt habe" 29 . Daß aber Adalbert erfolglos blieb, muß nicht allein seiner Person zugeschrieben werden. Wahrscheinlich fand er in Kiew eine für ihn hoffnungslose Situation vor; Olga dürfte von ihrem heidnisch gebliebenen Sohn Svjatoslav entmachtet worden sein30 . Auch wäre es möglich, daß man in Kiew enttäuscht war angesichts der Tatsache, nur einen Bischof erhalten zu haben. Denn wenn man dort nicht bereit gewesen sein soll, sich der politischen und kirchlichen Oberhoheit von Byzanz unterzuordnen, warum sollte man da eine Abhängigkeit von der Metropole Magdeburg und den ottonischen Kaisern akzep25

BRACKMANN, Magdeburg als Hauptstadt S. 13. Adalbert! continuatio Reginonis a. 960 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 50, S. 170): Libutius ex coenobitis sancti Albani a venerabili archiepiscopo Adaldago genti Rugorum episcopus ordinatur. Zum Tod s. ebd. a. 961. 27 Ebd. a. 961 (S. 170): Adalbertus ex coenobitis sancti Maximini machinatione et consilio Willihelmi archiepiscopi, licet meliora in eum confisus fuerit et nihil umquam in eum deliquerit, peregre mittendus in ordinatione successit. Quem piissimus rex solita sibi misericordia omnibus, quibus indigebat, copiis instructum genti Rugorum honorifice destinavit. 28 Ebd. a. 962 (S. 172): Hodem anno Adalbertus Rugis ordinatus episcopus nihil in his, proprer quae missus fuerat, proficere valens et inaniter se fatigatum videns revertitur et quibusdam ex suis in redeundo occisis ipse cum magno labore vix evasit. Et ad regem veniens caritative suscipitur et a Deo amabili Willihelmo archiepiscopo pro retributione tarn incommodae ab eo sibi machinatae peregrinationis bonis omnibus et commodis, quasi frater a fratre, amplectitur et sustentatur. 29 BEUMANN, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 44. 30 RÜSS, Reich von Kiev S. 293. 26

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tiert haben? 31 Erstaunlicherweise hat aber der nächste Regent, Svjatoslavs Sohn Jaropolk (972-978/80), der ebenfalls ungetauft war, im Jahre 973 noch einmal eine Gesandtschaft zu Otto dem Großen nach Quedlinburg geschickt 32 . Erst der Nachfolger Vladimir (+ 1015) leitete mit seiner Taufe die endgültige Bekehrung des Rus-Reiches ein33 . Die Quellen bieten folgendes Bild: Kaiser Basileios II. bat im Herbst 987 Vladimir um militärische Hilfe bei der Niederwerfung einer Revolte. Als Gegenleistung forderte dieser die Hand einer purpurgeborenen Prinzessin. Der Kaiser stimmte der ungewöhnlichen Forderung unter der Bedingung zu, daß Vladimir sich zuvor taufen lasse. Dieser ging darauf ein und wurde wahrscheinlich Anfang 988 in oder bei Kiew getauft. Eine Truppe von 6000 Mann half dem bedrängten Kaiser aus seiner Notlage. Die traditionelle Deutung läßt die Ereignisse sich dann so fortentwickeln, daß der Kaiser gezögert habe, sein außergewöhnliches Versprechen zu erfüllen; Vladimir sei darum 989 gegen Cherson gezogen und habe es erobert; daraufhin sei ihm erst die griechische Prinzessin zugesandt worden, so daß er sich mit ihr habe vermählen können 34 . Demgegenüber hat A. Poppe anhand chronologischer Überlegungen klargelegt, daß Taufe und Heirat Vladimirs nicht zu trennen sind und folglich der Zug gegen Cherson nicht als Rachehandlung, sondern als Kampf gegen die kaiserfeindlichen Revoltierer zu verstehen sei 35 . Hinsichtlich der Taufe Vladimirs kommt Poppe zu folgendem Ergebnis: Eine byzantinische Gesandtschaft, darunter ein Bischof, habe sich seit Herbst 987 in Kiew aufgehalten und die Taufe vorbereitet. Mit den einzelnen liturgischen Akten habe man aller Wahrscheinlichkeit nach an Weihnachten begonnen und dann an Epiphanie des Jahres 988 die Taufe vollzogen 36 . Wichtig ist, daß Vladimir den Namen Basileios erhielt 37 , den Namen also des älteren der beiden damals regierenden Kaiser, woraus Poppe schließt, daß dieser als Patron über der Konversion Vladimirs gestanden habe und auf prokuratorischem Wege dessen Taufpate geworden sei38. 31

Ähnlich ARRIGNON, Relations S. 174ff. Lampert von Hersfeld, Annales a. 973 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 38, S. 42 3 ). 33 RÜSS, Reich von Kiev S. 302-315; HELLMANN, Herrscherbild S. 224-236. 34 So noch HANNICK, Byzantinische Missionen S. 351. 35 POPPE, Baptism of Rus' S. 195-244; zustimmend auch RÜSS, Reich von Kiev S. 307 und PODSKALSKY, Christentum S. 17-24. 36 POPPE, Baptism of Rus' S. 240f. 7 G. LAEHR (Anfänge des russischen Reiches S. 113) konstatiert bei der Untersuchung der Quellen zur Taufe Vladimirs "das einstimmige Zeugnis der russischen Quellen, daß Wladimir bei seiner Taufe den Namen des Byzantinischen Kaisers Basileios (Wasilij) annahm". S. auch OBOLENSKY, Byzantine Commonwealth S. 198: "... his assumption at baptism of the name Basil, in honour of his imperial godfather ..." 38 p O pp E; Baptism of Rus' S. 241. Erst der um die Wende des 11./12. Jhs. schreibende Kedrenos nennt Vladimir 'Bruder des Kaisers'; der fast gleichzeitige Skylitzes (Synopsis historiarum [ed. THURN S. 354 ]), den Kedrenos ausgeschrieben hat und dessen Chronik erst vor wenigen Jahren ediert wurde, spricht von 'Schwager'. Die Folgerungen, die T. WASILEWSKI (Etat russe S. 47) aus dem Brudertitel zieht, verlieren damit an Bedeutung. S. ferner OBOLENSKY, Byzantine Commonwealth S. 200: "... he became by baptism, at which he was christened Basil, his spiritual son." 32

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Die Eingliederung Vladimirs und seines Rus-Reiches in die geistliche und politische Sphäre von Byzanz war endgültig. Der Aufenthalt Bruns von Querfurt in Kiew blieb missionspolitisch ohne Wirkung 39 . Thietmar von Merseburg weiß bereits von der Existenz eines archiepiscopus in Kiew 40 . Daß die dortigen Metropoliten von Anfang an dem konstan tin opeler· Patriarchat zugehörten, dürfte trotz vielfältiger anderer Deutungsversuche die am besten begründete Annahme sein41. Wahrscheinlich hat Kaiser Basüeios II. den Bischof Theophylaktos von Sebasteia, der bereits an den byzantinisch-russischen Verhandlungen beteiligt war 42 , zu Vladimir entsandt; jedenfalls ist dieser "der erste glaubwürdig bezeugte Metropolit von Kiew"43.

§ 49 Polen Mit den Anfängen der Geschichte Polens fällt auch die Missionsgeschichte des Landes zusammen. Mit Mieszko I. tritt Polen in die Geschichte ein; unter ihm wurde auch die Christianisierung eingeleitet. a) Mieszko In einem Bericht über den sächsischen Grafen Wichmann (+ 967), der, im eigenen Land verfemt, zu den Slawen übergegangen war, spricht Widukind von dessen Kämpfen mit einem Slawenvolk namens Licicaviki; deren König Misaca sei dabei zweimal überwunden worden 1 . Bei einem neuerlichen Kampf aber habe Mieszko zwei Reiterabteilungen seines Schwiegervaters, des Königs Boleslaw von Böhmen, zur Verfügung gehabt, und Wichmann sei zur Flucht genötigt worden; überraschenderweise bezeichnet Widukind dabei Mieszko als amicus imperatoris2. Anders dagegen stellt es Thietmar von Merseburg dar, dessen 1012/18 geschriebene Chronik allerdings jünger ist, das Geschehen aber gelegentlich nach Zeugenberichten wiederzugeben vermag3 . Zum Jahre 963 vermeldet er, daß Markgraf Gero (937-965) 'den Mieszko mit seinen Untertanen der kaiserlichen Herrschaft unter39

HELLMANN, Vladimir der Heilige S. 400-408; WIDERA, Brun von Querfurt S. 365-381; PODSKALSKY, Altrussische Theologie S. 195-201. 40 Thietmar von Merseburg, Chronicon VIII 32 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 530 13 ). 41 MÜLLER, Hierarchischer Status S. 42-47; POPPE, Kirche und Staat der Rus S. 64-75; PODSKALSKY, Christentum S. 24-30. 42 RÜSS, Reich von Kiev S. 308. 43 MÜLLER, Hierarchischer Status S. 77; DERS., Russen in Byzanz S. 96f. 1

Widukind, Res gestae III 66 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 60, S. 14l 15 ): Misacam regem, cuius potestatis erant Sclavi qui dicuntur Licicaviki, duabus vicibus superavit. Dazu BRÜSKE, Lutizenbund S. 29-32; LUD AT, Polnischer Staat S. 24-32. 2 Widukind, Res gestae III 66 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 60, S. 1441). Der flüchtende Wichmann bittet, als er auf der Flucht gestellt wird, sein Schwert seinem Feind als Siegestrophäe zu übergeben, damit dieser es seinem 'Freund, dem Kaiser' übersenden könne (ebd. S. 145 19 ). 3 WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 54f.

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worfen' habe 4 . Geros Nachfolger Hodo, so weiß Thietmar weiter noch, habe erneut Mieszko angegriffen, Obwohl dieser dem Kaiser treu war und bis zur Warthe Tribut zahlte'; der Kaiser habe aus Italien den weiteren Kampf untersagt 5 . So begrüßenswert und wichtig diese Nachrichten sind, die Forschung6 sieht sich dabei vor schier unlösbare Probleme gestellt: Denn wie soll man es zusammenbringen, daß Mieszko einerseits r ex und amicus genannt wird, andererseits aber zugleich auch tributarius? Die Frage verschärft sich noch weiter, wenn wir später wiederum Thietmar berichten hören, daß Mieszko 986 dem jungen Otto III. gehuldigt habe 7 . Eine Lösung wird darin gesucht, daß die Tributpflicht nur auf dem Westteil des polnischen Reiches, auf dem Gebiet zwischen Warthe und Oder, gelegen habe 8 . Hinsichtlich der Huldigung, die Mieszko zum "Vasallen" machte, denkt W. Schlesinger daran, daß allein "die Form der Ergebung ... vasallitisch" gewesen sei; man müsse deswegen nicht an ein Lehnsband denken, das Polen dem Reich eingegliedert habe 9 . H. Ludat hinwiederum hält es für wahrscheinlich, daß Mieszko nach dem Tod des Markgrafen Dietrichs von der Nordmark (+ 985), des Vaters seiner zweiten Frau Oda 10 , als der geeignete Vertreter der Reichsinteressen in der 983 verlorengegangenen Mark angesehen worden sein könnte und hierfür die vasallitische Huldigung geleistet habe 11 . Mit den politischen Nachrichten verbinden sich solche über die Anfänge des Christentums. Zunächst einmal weiß Thietmar Einzelheiten über die schon von Widukind erwähnte böhmische Gemahlin Mieszkos zu berichten: Ihrem Namen Dubrawa, die 'Gute', habe sie alle Ehre gemacht 12 , denn sie habe ihren Gemahl dazu bewogen, die Taufe anzunehmen 13 ; Jordan sei der erste Bischof gewesen14. Wiederum ergibt sich ein ganzes Bündel von Fragen. Für die Taufe geben die polnischen Annalen das Jahr 966 an 1 5 . Die Heirat mit Dubrawa scheint ein Jahr vorher stattgefunden zu haben 16 . Am wichtigsten aber ist für uns die Frage nach 4

Thietmar von Merseburg, Chronicon II 14 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 54 13 ). Ebd. II 29 (S. 74 ): Miseconem inperatori fidelem tributumque usque in Vurta fluvium solventem. 6 Übersicht bei STASIEWSKI, Christianisierung Polens S. 332-349; BRACKMANN, Ostpolitik Ottos d. Gr. S. 140ff; DERS., Polnischer Staat S. 154-159; LUDAT, Polnischer Staat S. 33-37; DERS., An Elbe und Oder S. 34-37. 7 Thietmar von Merseburg, Chronicon IV 9 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 14024J: Miseco semet ipsum regi dedit. 8 LUDAT, Mieszkos Tributpflicht S. 185-192; DERS., Warthe oder Netze S. 193-201; HELLMANN, Osthälfte Europas S. 907. 9 SCHLESINGER - BEUMANN, Urkundenstudien S. 374 Anm. 228; anders BRACKMANN, Polnischer Staat S. 156f: "Lehnserneuerung". 10 S. Anm. 28 u. 30. 11 LUDAT, An Elbe und Oder S. 45-51. 12 Thietmar von Merseburg, Chronicon IV 55 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 19412). 13 Ebd. IV 56 (S. 194ff). 1 Ebd. S. 196 : lordan, primus eorum antistes. ls Annales capituli Posnaniensis a. 965 (MGH SS 29, S. 438 8 ); STASIEWSKI, Christianisierung Polens S. 361-374; VLASTO, Entry S. 115f. 16 H. LUDAT (An Elbe und Oder S. 137 Anm. 266) weist auf Überlegungen hin, daß die Heirat möglicherweise "zwischen -Ostern 963 und den Anfang des folgenden Jahres zu setzen" sei; 5

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den Motiven und Umständen der Taufe. Hat vielleicht Gero, als er Mieszko zum Tribut zwang, die Taufe gefordert? Wurde Mieszko deswegen als 'Freund' des Kaisers angesehen, weil er sich — gar unter kaiserlichem Patronat — hatte taufen lassen? Aber davon verlautet nichts, nicht einmal in nachträglicher legendärer Ausgestaltung. Thietmar schreibt die Taufe allein den Bemühungen der aus dem frommen Hause der Pfemysliden 17 stammenden Dubrawa zu. Wahrscheinlich war sie es auch, die den von Thietmar erwähnten Bischof Jordan mit ins Land brachte 18 . Über dessen Herkunft wissen wir, trotz vielerlei Spekulationen, nichts 19 . Das von Paul Kehr herausgestellte Faktum, daß Jordan nie unter die Magdeburger Suffragane gezählt worden ist, macht es unwahrscheinlich, daß er aus der Reichskirche stammte: "Das Christentum in Polen, woher es immer gekommen sein mag, ist keine Magdeburger Gründung."20 Vielleicht müssen für die Zurückhaltung, die hier schon bei den Anfängen des polnischen Christentums gegen das benachbarte Magdeburg spürbar wird, wiederum die altbekannten Gründe angeführt werden, daß wohl Mieszko schon damals entschlossen gewesen sei, "sich bei der untrennbaren Verbindung von Missions-, Kirchen- und Machtpolitik nicht über Magdeburg in das 'regnum' einbeziehen zu lassen"21. Doch in der Folgezeit hat der Pole ein sogar zunehmend besseres Verhältnis zum Reich gewonnen22 . So ist es auch nicht verwunderlich, daß in Posen als Jordans Nachfolger ein Deutscher namens Unger, der anscheinend zuvor Abt des Klosters Memleben war, anzutreffen ist 23 . Dieser freilich sollte sich später als eindeutiger Verfechter reichskirchlicher Interessen erweisen. Als besonders bedeutsam ist in der frühen polnischen Kirchengeschichte ein "sonst nicht bezeugter Rechtsakt"24 zu erwähnen: die Übereignung der Herrscherfamilie mitsamt dem Polenlande an Papst Johannes XV. (985-996). Von der darüber ausgestellten Urkunde ist in der 1086/87 angefertigten Kanones-Sammlung des Kardinals Deusdedit (+ 1099) das vieldiskutierte Regest 'Dagone iudex' folglich läge dann die Taufe Mieszkos "drei Jahre später" (ebd. S. 36), so daß der älteste Sohn Boleslaw noch vor diesem Zeitpunkt geboren wäre. M. HELLMANN gibt in seinem repräsentativen Artikel für das Handbuch der Europäischen Geschichte (Osthälfte Europas S. 907) annähernd 'die traditionellen Daten wieder: "daß Mieszko sich 965/66 mit Dubrawa ... vermählte und 966/67 das lateinische Christentum annahm". VLASTO, Entry S. 115: Heirat 964. 17 STASIEWSKI, Christianisierung Polens S. 349ff. 18 SAPPOK, Bistum Posen S. 71-74; STASIEWSKI, Christianisierung Polens S. 367ff. 19 Die Erwägung von H. LUDAT (An Elbe und Oder S. 37), "daß die Taufe Mieszkos in erster Linie mit Hilfe der für Böhmen zuständigen Regensburger Kirche vorbereitet worden ist und vielleicht sogar in Regensburg stattgefunden hat", ist beachtenswert, hat aber nur Wahrscheinlichkeitswert. Andere denken wegen des Lambert genannten Mieszko-Sohnes (s. Anm. 28) an eine Herkunft aus dem lothringischen Raum. S. dazu STASIEWSKI, Christianisierung Polens S. 375-382. — Zu den vielfach angestellten Erwägungen über Jordans kirchenrechtlichen Status s. WARNKE, Schenkung Polens S. 136f. 20 KEHR, Erzbistum Magdeburg S. 23; s. auch ENGELS, Mission S. 211 Anm. 41. 21 WARNKE, Schenkung Polens S. 147. 22 LUDAT, An Elbe und Oder S. 18-32. 23 SAPPOK, Bistum Posen S. 74-78; CLAUDE, Erzbistum Magdeburg S. HOff. VLASTO, Entry S. 118. 24 HELLMANN, Osthälfte Europas S. 907; VLASTO, Entry S. 121f.

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erhalten geblieben 25 . Die Urkunde scheint der Sprache nach von einem Angehörigen der römischen Kirche abgefaßt worden zu sein 26 . Dem Kardinal hat noch die Originalurkunde oder doch eine originalgetreue Abschrift vorgelegen 27 . Trotz der Entstellung einiger Namen sind die Angaben hinreichend klar: Dagone iudex et Ote senatrix et filii eorum Misica et Lambertus leguntur beato Petra contulisse unam civitatem in Integra quae vocatur Schinesne cum omnibus suis pertenentiis infra has affines ...28 "An der Echtheit des Aktes und einer Verbindung Mieszkos mit Rom ist nicht zu zweifeln", urteilt Harald Zimmermann 29 . So sind von den Personenangaben mindestens zwei gut verifizier bar. Ote senatrix und deren erstgenannter Sohn Misica werden beide auch bei Thietmar erwähnt; Ota, Tochter des Markgrafen Dietrich und zunächst Nonne zu Calbe, war Mieszkos zweite Frau, die ihm drei Söhne gebar, von denen aber Thietmar nur zwei namentlich zu nennen weiß: Miseco und Suentepulcus30. Desgleichen läßt die Umschreibung des Landes eindeutig Polen erkennen; erwähnt werden Pruzze, Russe, Craccoa, flumen Oddere und Milze31. Die Diskussionen darüber, ob mit Schinesne Stettin oder Gnesen gemeint sei, dürfte zugunsten von letzterem entschieden sein 32 . Schwieriger und bis heute ungelöst ist die Frage nach dem Dagone iudex33. Die früher favorisierte Lösung, in dem Namen Dagone stecke ein zweiter, nordischer Name Mieszkos, ist heute aufgegeben 34 . Auffallen muß das Fehlen von Mieszkos ältestem Sohn Boleslaw, dem Sohn der Dubrawa. Dieser soll jüngeren Nachrichten zufolge im Frühjahr 973 — damals mußte er vermutlich als Geisel an den deutschen Hof gehen35 — in feierlicher Zeremonie in den päpstlichen Schutz gegeben worden sein; es wird berichtet, daß man die dem Sohn abgeschnittenen Haare dem Papst übersandt habe 36 . Ob das Fehlen im Regest mit dieser Schutzunterstellung 25

BÖHMER, Regesta Imperil 2/5, Nr. 703 S. 279f. WARNKE, Schenkung Polens S. 129. 27 LEITSCH, Deusdedit S. 166-185. 28 Deusdedit, Kanonessammlung III 199 (ed. VON GLANVELL S. 359 12 ). Eine verbesserte Ausgabe von R. HOLTZMANN (Böhmen und Polen S. 18); daraus nachgedruckt STASIEWSKI, Untersuchungen S. 38; jüngste Ausgabe KÜRBISOWNA, Dagome iudex S. 394-397 [Paralleldruck der verschiedenen Überlieferungen] S. 395. 29 BÖHMER, Regesta Imperil 2/5, Nr. 703 S. 280 [Kommentar]. 30 Thietmar von Merseburg, Chronicon IV 57 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 196 16 + 31 ); STASIEWSKI, Untersuchungen S. 93-103. 31 Deusdedit (ed. HOLTZMANN, Böhmen und Polen, S. 18; ed. KÜRBISOWNA S. 395); STASIEWSKI, Untersuchungen S. 53-81; WARNKE, Schenkung Polens S. 171f. W. SCHLESINGER (SCHLESINGER - BEUMANN, Urkundenstudien S. 371) verweist darauf, daß diese Grenzbeschreibung die von Mieszko neugewonnenen Gebiete einschließt, wohl um "für diese Grenzen mit dem päpstlichen Schutz gleichsam die Garantie des Hl. Stuhles zu erlangen". 32 STASIEWSKI, Untersuchungen S. 49-53. 33 Ebd. S. 81-93. 34 HOLTZMANN, Böhmen und Polen S. 36; STASIEWSKI, Untersuchungen S. 86-90; BRACKMANN, Polnischer Staat S. 157-161; KOSSMANN, Herrscher Polens S. 31-45; HENSEL, Frühgeschichte Polens S. 270. 35 BÖHMER, Regesta Imperil 2/1, Nr. 562d S. 247; Annales Altahenses maiores a. 973 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 4, S. 11): Miszego ... filium mittit obsidem. 36 STASIEWSKI, Untersuchungen S. 105ff; WARNKE, Schenkung Polens S. 168f. 26

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oder aber mit Erbauseinandersetzungen zu erklären ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Wohl aber stellt sich die Frage, was mit diesem Akt insgesamt erreicht werden sollte37. Zu Recht kann angenommen werden, daß Mieszko sich in der Spätphase seiner Herrschaft zu sichern suchte "gegenüber der Tendenz, ihn über die Kirchenorganisation in das [deutsche] 'regnum' zu integrieren"38 . Wollte er die volle politische Eigenständigkeit gewinnen, brauchte er dazu einen eigenen Erzbischof; dies um so dringlicher, als Magdeburg seine Ansprüche gegenüber Polen nicht aufgab39 . Mit der urkundlich fixierten Auftradierung an den Papst vollzog allerdings Mieszko etwas Neues: "Zum ersten Mal standen ein Land, sein Fürst und seine gesamte Bevölkerung unter dem besonderen Schutz des heiligen Petrus und seiner Vikare, beziehungsweise waren sie sein Eigen."40 So sehr aber ein neuartiger Vorgang zu konstatieren ist, so artikuliert sich in der Übergabe an den heiligen Petrus doch nur ein altbekanntes Ziel neubekehrter Fürsten: "die Errichtung einer dem Apostolischen Stuhl direkt unterstellten polnischen Kirchenprovinz"41 . Die Päpste trugen auf diese Weise "entscheidend zu einem festeren Zusammenschluß der jungen polnischen Gebilde bei und festigten deren Position gegenüber den imperialen Mächten der Zeit" 42 . Der ganze Vorgang hatte demnach durchaus eine Stoßrichtung gegen das imperiale deutsche Reich und seine Kirchenpolitik 43 . b) Akt von Gnesen Mieszko war einerseits treuer "Vasall" der Ottonen, zuletzt aber auch mit seiner Familie und seinem Land Untergebener des Papstes, was immer diese beiden Rechtsverhältnisse im einzelnen zu bedeuten hatten. Bei dem in der For37

STASIEWSKI, Untersuchungen S. 104-117; WARNKE, Schenkung Polens S. 150-177. WARNKE, Schenkung Polens S. 150. 39 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg S. 196ff. 40 WARNKE, Schenkung Polens S. 163. Wenn die Autorin Mieszkos Vorgehen mit der Politik Swatopluks vergleicht (ebd. S. 161ff) und dabei feststellt, Swatopluk habe sein Land nicht dem Apostelfürsten schenken können, weil es als Teil des alten Sirmium jenem bereits gehört habe, so wird man diese Überlegung nicht gelten lassen können. Die Folgerung, im östlichen Mitteleuropa sei es notwendig gewesen, "daß dem heiligen Petrus das Land übereignet wurde, damit sein Vikar sichere Rechte an ihm gewann" (ebd. S. 166), provoziert die Frage, ob etwa vor Errichtung eines Erzbistums das Gebiet "staatsrechtlich" an den Papst geschenkt werden mußte. J. FRIED (Päpstlicher Schutz S. 44 Anm. 31) hält den in Dagome iudex festgehaltenen Akt "nicht für eine nach weltlichem Recht vollzogene Auftragung Polens an den Apostolischen Stuhl, sondern für die Zuordnung einer künftigen polnischen Kirchenprovinz oder Diözese unmittelbar unter Rom zur Abwehr Magdeburger Ansprüche". 41 WARNKE, Schenkung Polens S. 167. 42 Ebd. S. 164. 43 Anders H. LUDAT (An Elbe und Oder S. 163 Anm. 410), der den "Schenkungsakt Mieszkos nicht als politischen Schlag gegen das Reich" werten möchte. Differenzierter hatte schon A. BRACKMANN (Polnischer Staat S. 173f) geurteilt: In dieser Schenkung eine schwere Schädigung der deutschen Interessen zu sehen sei richtig, aber doch ein Urteil ex even tu; die in der Schenkung bewirkte Stärkung des polnischen Staates sei von deutscher Seite zunächst als Hilfe empfunden worden im Kampf gegen die heidnischen Lutizen. 38

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schung viel erörterten "Akt von Gnesen" des Jahres 1000 suchte der Nachfolger Boleslaw Chrobry (+ 1025) eine neue Umschreibung des Verhältnisses sowohl zum Kaiser wie auch zum Papst zu erreichen. Die Quellen spiegeln freilich erneut keinen vollkommen klaren Befund, so daß die Deutung mühsam und bis heute umstritten ist. Den ausführlichsten Bericht liefert Thietmar von Merseburg: Von Rom habe der Kaiser zusammen mit dem Patricius Ziazo, dem Oblationarius Robert sowie einer Reihe von Kardinalen seinen Weg über Regensburg, Zeitz und Meißen nach Polen genommen, wo ihm Boleslaw an dem Bober entgegengekommen sei. Das letzte Stück sei der Kaiser zu Fuß gegangen; Bischof Unger habe ihn empfangen und in die Kirche geleitet, in der Otto unter Tränen den heiligen Adalbert um seine Fürbitte angerufen habe. 'Dann errichtete er unverzüglich ein Erzbistum', fügt Thietmar unvermittelt an; Radim, der Halbbruder des Märtyrers, sei als Erzbischof eingesetzt worden über die Bischöfe Reinbern von Kolberg, Poppo von Krakau und Johannes von Breslau; doch sei Bischof Unger von Posen ausgenommen geblieben. Berühmt ist Thietmars Zwischenbemerkung, er könne nur hoffen, daß diese Erhebung rechtens geschehen sei, da der zuständige Bischof nicht sein Einverständnis gegeben habe 44 . Den ältesten Bericht bieten sodann die um 1007/8 begonnenen Quedlinburger Annalen 45 , die aber von den kirchenpolitischen Ereignissen keine Notiz nehmen. Otto sei von Rom mit großem Gefolge, darunter nicht wenigen aus dem römischen Senat, über die Alpen nach Polen zum Grab des Märtyrers Adalbert geeilt und sei dort von Boleslaw mit großem Aufwand empfangen worden. Auf der Rückreise habe er die Kartage wie auch die Osterwoche bei seiner Schwester in Quedlinburg verbracht, um dann über Aachen nach Rom zurückzukehren 46 . Die Hildesheimer Annalen, deren erhaltene Fassung aus einem zeitgenössischen, aber verlorenen Annalenwerk schöpft 47 , beschreiben zunächst deutlicher den Weg und die Termine: Zur Fastenzeit sei Otto in die Sclavinia gereist, habe den Palmsonntag in Magdeburg, Ostern in Quedlinburg und Pfingsten in Aachen gefeiert. In der Schilderung der kirchenpolitischen Ereignisse wird der Ort des Geschehens mit Prag verwechselt. Dann aber folgen einige bedeutsame Punkte: Eine Synode habe sieben Bistümer eingerichtet und Gaudentius, den Bruder des Märtyrers Adalbert, zum Erzbischof bestellt; dies sei mit 'Erlaubnis des römischen Pontifex' und 'auf Verlangen Boleslaws' geschehen 48 . Der längste Bericht findet sich in der Anfang des zwölften Jahrhunderts von einem "anonymen Gallier" verfaßten Chronik der Polenfürsten 49 . Boleslaw habe den Pruzzen den Leichnam Adalberts abgekauft und ihn in Gnesen beigesetzt. Unter Berufung auf eine — heute verlorene — Adalbert-Passio50 wird dann vom 44 45 46 47 48 49 50

Thietmar von Merseburg, Chronicon IV 44-46 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 1829). WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 44f. Annales Quedlinburgenses a. 1000 (MGH SS 3, S. 77 1 ). WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 42ff. Annales Hildesheimenses a. 1000 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 8, S. 27f). WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen 2, S. 812f; 3, S. 230*f. WENSKUS, Brun von Querfurt S. 232ff; BEUMANN, Laurentius und Mauritius S. 270.

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Besuch Kaiser Ottos berichtet: Der Kaiser sei von dem Glanz und Reichtum Boleslaws ganz überwältigt gewesen, so daß er denselben nicht länger als princeps oder dux, sondern als König habe sehen wollen. Die eigene Krone habe er genommen und sie Boleslaw zum Bündnis der Freundschaft aufgesetzt. Als Siegeszeichen habe er ihm einen Nagel vom Kreuz Christi und die Lanze des heiligen Mauritius geschenkt, wofür ihm als Gegengabe ein Arm des heiligen Adalbert ausgehändigt worden sei. Der Kaiser habe Boleslaw zum frater und cooperator imperii berufen und ihn amicus populi Romani genannt. Die kirchlichen honores, soweit sie dem Reich zustünden, habe er Boleslaw und seinen Nachfolgern überlassen, was Papst Silvester in einem Privileg bestätigt habe. So sei also Boleslaw vom Kaiser zum König erhoben worden; das festliche convivium habe drei Tage gedauert 51 . In der naturgemäß vielfältigen und bis heute nicht einhelligen Deutung der Gnesener Vorgänge52 hat schon seit langem die Idee der "Familie der Könige" eine bedeutsame Rolle gespielt. So schreibt H. Ludat, daß Boleslaw zum "ebenbürtigen 'frater' " und Polen "zu einem eigenen, dem deutschen Reich nebengeordneten 'regnum' innerhalb des Imperiums erhoben" worden sei; "die Parallele zur byzantinischen 'Familie der Könige' ist unverkennbar" 53 . Diesen Gedanken hat T. Wasilewski durch den Hinweis auf byzantinische Vergleichsfälle verstärkt und daraus den ganz ähnlichen Schluß gezogen, daß Boleslaw mit seinem Staat zur Würde der Bruderschaft, dem höchsten Rang in der Familie der Könige, aufgestiegen sei. Die Sclavinia habe damit im Imperium eine Stellung wie Roma, Gallia und Germania erhalten. Bei kleineren Völkern sei demgegenüber eine ganz andere Methode der Aufnahme in die Familie der Könige angewandt worden: die Taufpatenschaft, wie es am Beispiel der Dogen von Venedig ersichtlich sei 54 . Tatsächlich lassen sich die Argumente für die Deutung des Aktes von Gnesen als einer Aufnahme in die Familie der Könige noch weiter präzisieren und auch vermehren. Als erstes ist anzuführen, daß Boleslaws jüngster Sohn, dessen Geburt für das Jahr 1000 angesetzt wird, bei der Taufe offenbar den Namen Otto erhielt55 . Wenn auch von einer kaiserlichen Patenschaft nicht die Rede ist, so 51

Gallus anonymus, Cronica et Gesta Ducum sive Principum Polonorum I 6 (Monumenta Poloniae Historica. Nova Series 2, S. 16ff). 52 BRACKMANN, Polnischer Staat S. 164-187; UHLIRZ, Otto III. S. 316-326; GIEYSZTOR, Christiana Respublica S. 54-60; LUDAT, An Elbe und Oder S. 69-79; VLASTO, Entry S. 124127. 53 LUDAT, An Elbe und Oder S. 41f. 54 WASILEWSKI, Couronnement S. 471. Der Autor hat sich freilich aus den zahlreichen byzantinischen Beispielen nur solche ausgewählt, die seiner "differenzierenden" Deutung entgegenkommen. Daß in Byzanz bei der Aufnahme in die Familie der Könige gerade Taufe und geistliche Verwandtschaft von erheblicher Bedeutung waren, wird nicht dargelegt. Daß etwa der Lazenfürst Tzath der Taufsohn des Kaisers wurde und dabei doch eine Krone erhielt, macht nicht eben wahrscheinlich, daß die Patenschaft nur der niedrigere Ritus gewesen sei. Auch ist es unzutreffend zu unterstellen, daß erst Otto III. die Vorstellung und das Zeremoniell der Familie der Könige im Westen bekannt gemacht und praktiziert habe; man erinnere sich nur Ludwigs des Frommen und seiner Patenschaft über Harald von Dänemark ($ 32). 55 Thietmar von Merseburg, Chronicon IV 58 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 19813J.· Peperit ha.ec [Emnildis] duos filios, Misecone.m et alium, quern dilecti senioris sui nomine pater vocavit. Die Frage ist freilich, wer der senior ist, ob der Vater oder der Lehnsherr. Die Vermu-

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müssen Taufe und Namensgebung doch als wichtiges Indiz angesehen werden. Ferner scheint schon damals eine Heirat in Aussicht genommen worden zu sein, daß nämlich Boleslaws noch unmündiger Sohn Mieszko die kaiserliche Nichte Richeza zugesprochen erhielt, eine Tochter des Pfalzgrafen Ezzo und Mathildens, der Schwester Ottos 56 . Unbezweifelbar ist ferner die politische Rangerhöhung des Polen, glaubte doch Thietmar beklagen zu müssen, derselbe sei vom tributarius zum dominus befördert worden 57 . Daß der Kaiser aber Boleslaw zum König erhoben habe, wie es Gallus Anonymus will58 , wird durchgehend in Zweifel gezogen. Da nämlich Boleslaw sich erst nach Heinrichs II. Tod die Königswürde vindizierte 59 , kann man dem Gallus Anonymus schwer darin folgen, daß der Pole schon im Jahre 1000 zu dieser Würde erhoben worden sei. Aber die Forschung sieht dennoch in Boleslaws Krönung mit dem Diadem des Kaisers einen historisch durchaus wahrscheinlichen Ritus, nämlich die Erhebung zum Patricius. Otto habe, so wird argumentiert, von seinem Selbstverständnis her, wie es in dem gerade während der Gnesen-Reise geführten Titel 'servus Jesu Christi' zum Ausdruck komme60 , einen Rechtsanspruch auch auf den römisch-päpstlichen Besitz angemeldet61 ; dies habe ihm dann erlaubt, in dem vom deutschen Reich wie auch — seit Mieszkos Tradierung — vom Papst abhängigen Polen tätig zu werden. Denn es "mußte auch für diesen Besitz der Rechtssatz gelten, daß Kaiser und Papst als Stellvertreter des Apostels seine irdischen Verwalter waren, und damit erhalten wir nunmehr auch den Schlüssel zur Beurteilung des Gnesener Aktes"62 . Als berufener Hüter des päpstlichen Besitzes habe dann Otto in Polen dasselbe getan, was schon zuvor in Rom geschehen sei: zur Wahrung des Kirchenbesitzes die Ernennung eines Patricius. Tatsächlich hat Otto 998 in Rom einen sächsischen Adeligen namens Ziazo als Patricius eingesetzt63 . In Polen habe dann diese Würde Boleslaw erhalten 64 . Endlich scheint demselben auch eine Nachahmung der Lanze des heiligen Mauritius zusammen mit einem Nagel vom heiligen Kreuz überreicht worden zu sein 65 . tung, daß es Otto 111. gewesen ist, wird dadurch bestärkt, daß Thietmar später einen BoleslawSohn namens Otto erwähnt (ebd. VIII l, S. 494'). S. dazu H. LUDAT (An Elbe und Oder S. 72 mit Anm. 426), der wie selbstverständlich davon spricht, daß "Boleslaws jüngster Sohn in der Taufe den Namen des Kaisers" empfing. S. auch ebd. die genealogische Tafel im Anhang. 56 LUDAT, An Elbe und Oder S. 72, 77, 84f; LEWALD, Ezzonen S. 127f; HLAWITSCHKA, Königin Richeza S. 237-240. 57 Thietmar von Merseburg, Chronicon V 10 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 232 22 ). 58 Gallus anonymus, Cronica et Gesta Ducum sive Principum Polonorum I 6 (Monumenta Poloniae Historica. Nova Series 2, S. i914): Et accipiens imperiale diadema capitis sui, capiti Bolezlaui in amicicie fedus inposuit. 59 HELLMANN, Osthälfte Europas S. 910. 60 SCHRAMM, Renovatio S. 135-146. 61 BRACKMANN, Polen und Ungarn S. 243-249: 62 Ebd. S. 244f. 63 ERDMANN, Ideenwelt des Frühmittelalters S. 93-96. 64 Ebd. S. 99-102. Bedenken gegen eine Patricius-Ernennung bei UHLIRZ, Otto III. S. 320f, 454ff; GIEYSZTOR, Christiana Respublica S. 58. 65 BRACKMANN, Mauritius-Verehrung S. 211-241; SCHRAMM, Herrschaftszeichen 2, S. 502f. S. auch HAUCK, Erzbischof Adalbert S. 299-344.

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Wir sehen hier ein zweifellos eindrucksvolles Ensemble von politischen Riten beisammen, wie sie bestens der Aufnahme in die Familie der Könige entsprachen. Die Forschung hat sich in vielfältiger Weise mit den einzelnen Vorgängen befaßt, allerdings recht unterschiedliche Deutungen vorgetragen. Im Blick auf die hier behandelte Thematik interessiert vor allem - die Patenschaft. Wenn in Gnesen, wie es nicht unwahrscheinlich ist, ein Sohn Boleslaws getauft und dabei auch noch Patensohn Ottos geworden ist, so wäre dem ganzen Geschehen ein klarer Akt von geistlicher Verwandtschaftsbildung mit sogar einer bezeichnenden Akzentuierung zugrunde gelegt worden. Während wir nämlich in Byzanz vor allem die Sohnschaft samt ihren geistlichen und politischen Konsequenzen betont finden, müßte für Otto und Boleslaw stärker die verbindende und zur Gleichberechtigung tendierende Kompaternität als das Besondere angesehen werden. Dies aber würde sich bestens in den allgemeinen Deutungsbefund des Gnesener Aktes einfügen, daß nämlich Boleslaw vom Kaiser eine mehr eigenständige Rolle zugesprochen erhielt. Ist schon das Ensemble der politischen Akte als höchst bedeutsam anzusehen, so nicht weniger die kirchenpolitischen Vorgänge: Polen erhielt damals ein eigenes Erzbistum, womit, wie in der Forschung schon immer gesehen worden ist, "ein eminent politischer Beitrag für die staatliche Konsolidierung Polens"66 geleistet wurde. Gerade hier wird sichtbar, daß die Ereignisse von Gnesen, wie auch nicht anders vorstellbar, bereits vorher eingeleitet und beschlossen worden sein müssen: Der zum Erzbischof ernannte Radim, Halbbruder des heiligen Adalbert und mit lateinischem Namen Gaudentius geheißen, erscheint denn auch schon mit seinem Amtstitel in einer am 2. Dezember 999 ausgestellten Urkunde Ottos III. für das Kloster Farfa 67 . Wie aus den Quellen weiter ersichtlich wird, fand in Gnesen dann eine Synode statt, auf der die endgültige Erhebung durchgeführt wurde 68 . Das Land erhielt, wie Thietmar berichtet, drei Bistümer, deren Sitze in Kolberg, Breslau und Krakau standen 69 . Die dort eingesetzten Bischöfe waren alle Deutsche70 ; vielleicht hoffte man in der Reichskirche, auf diese Weise die Verbindung mit Polen aufrechterhalten zu können. Gegen die Bestellung des Erzbischofs und seiner Suffragane protestierte freilich Bischof Unger von Posen 71 , dessen Sprengel das polnische Kernland umfaßte. Die kirchliche Neuordnung war sozusagen eine Konstruktion um ihn herum: Nicht Posen, sondern Gnesen, das bereits das Adalbert-Grab erhalten hatte, wurde Erzsitz, und die Suffragane wirkten in Gebieten, 66

LUDAT, An Elbe und Oder S. 70. DO III 339 (MGH Dipl. reg. et imp. Germ. 2/2, S. 76920,).· Gaudentius archiepiscopus sancti Adelberti martyris. Zu Radim-Gaudentius s. UHLIRZ, Otto III. S. 539ff. 68 Thietmar von Merseburg, Chronicon IV 45 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 1844J.' Nee mora, fecit ibi archiepiscopatum, ut spero legitime, sine consensu tarnen prefati presulis, cuius diocesi omnis haec regio subiecta est, committens eundem predicti martyris fratri Radimo. 69 Ebd. S. 1848: eidemque subiciens Reinbernum, Salsae Cholbergiensis aecclesiae episcopum, Popponem Cracuaensem, lohannem Wrotizlaensem, Vungero Posnaniensi excepto. Zu Kolberg s. PETERSOHN, Ostseeraum S. 42ff. 70 CLAUDE, Erzbistum Magdeburg S. 112. 71 SAPPOK, Bistum Posen S. 74-78. 67

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die erst seit kurzem f r Polen erobert worden waren — was brigens deutlich macht, da die kirchliche Neuordnung nicht nur die Eigenst ndigkeit gegen ber der deutschen Reichskirche sichern, sondern auch die Konsolidierung des soeben arrondierten politischen Herrschaftsgebietes bewirken sollte. Das so vielen Herrschern in ihrer Missions- und Kirchenpolitik vorrangige Ziel, ein eigenes Erzbistum zu haben, hat f r Polen im Akt von Gnesen seine Verwirklichung erfahren 72 . Erstaunlich ist daran nur, da hier ein Kaiser, dessen Vorg nger immer eine entschieden imperiale Missionspolitik betrieben hatten, die Losl sung von der deutschen Reichskirche nicht nur zulie , sondern sogar aktiv bef rderte. Otto III. schwenkte mit dieser Politik auf eine Linie ein, wie sie der schon lange von den P psten vertretenen Auffassung entsprach, n mlich jedem Volk eine relative Eigenst ndigkeit zu geben. Buchmalereien des Reichenauer Scriptoriums zeigen in entsprechender Weise aufgebaute Bilder: Roma, Gallia, Germania und Slavinia in Huldigung vor dem Kaiser 73 .

§ 50 Ungarn Ein politisches Wechselspiel zwischen Ost und West, wiederum bei Anwendung der Taufpatenschaft, zeigt auch die Christianisierung Ungarns 1 . Die Ungarn, der finno-ugrischen V lkerfamilie zugeh rig, drangen gegen 900 in die gro e Ebene an der mittleren Donau ein, zerst rten das gro m hrische Reich und beunruhigten f r ein halbes Jahrhundert Deutschland und Norditalien. Um die Jahrhundertmitte lie en sich zwei Ungarnf rsten in Konstantinopel taufen. Der erste war Bulcsu (Bulosudes); Kaiser Konstantinos (913-959) hob ihn aus der Taufe, verlieh ihm den Rang eines Patrikios und zeichnete ihn ehrenvoll mit Geschenken aus. Wenig sp ter geschah die Taufe des F rsten Gyula (Gyla), der dabei ebenfalls mit Ehren und Geschenken ausgezeichnet wurde und dem ein zum 'Bischof Turkiens' geweihter M nch namens Hierotheos mitgegeben wurde 2 . Tats chlich hat Gyula im 72 Zu der von Kaiser Lothar I I I . im Verein mit Papst Innozenz II. versuchten Degradierung Gnesens s. BEUMANN, P pstliches Schisma S. 479-500; GORSKI, Lund et Gniezno S. 49f, 51f. 73 WEIZS CKER, Imperator S. 815-831; HOFFMANN, Herrscherbild S. 324-341. S. auch BEUMANN, Kaisertum Ottos d. Gr. S. 336f.

1

BECK, Christliche Mission S. 671f; MORAVSCIK, Byzantium 102-108; RIPOCHE, Hongrie S. 9-23. 2

Georgius Cedrenus, Historiarum Compendium (CSHB 14, S. 3283): Ob δΐέλιπον δε και oi Τούρκοι είσβολάς εις την 'Ρωμαίων ποιούμενοι και ταύτην δηούντες, μέχρις ου Βουλοοονδης ο τούτων αρχηγός την των Χριστιανών πίστιν άσπάξεσθαι ΰποκριβείς κατειλήφει την Κωνσταντίνου- και βαπτισθείς υπό τον βασιλέως ανεδέχεται Κωνσταντίνου, τί) των πατρικίων αξία τιμηθείς και πλείστων χρημάτων νπάρξάς κύριος, εΙτ' αύθις οίκαδε υποστρέφας. μετ' ου πολύ δε και Γυλάς, άρχων ων και αυτός των Ίούρκων, έισεισιν εις την βασιλίδα και βαπτίζεται, των ίσων αξιωθείς και αυτός ευεργεσιών και τιμών, ανελάβετο δε μεθ' εαυτού και τίνα μοναχόν Ίερόθεον τοΰνομα, δόξαν ευλάβειας έχοντα, επίσκοπον Τουρκίας παρά τον Θεοφύλακτου χειροτονηθέντα, ος έκεϊσε -γενόμενος πολλούς από της βαρβαρικής πλάνης εις τον χριστιανισμόν επανήγαΎεν. αλλ' ό μεν Π;λάς ενέμεινε τη πίστει ... Βονλοσουδής δε τάς προς θεόν συνθήκας ηθετηκώς πολλάκις συν παντί τω έθνει κατά 'Ρωμαίων εξήλασε. το δ '

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Verein mit seinem Bischof tatkr ftig f r die Bekehrung seines im Osten des Ungarnlandes gelegenen Herrschaftsgebietes Sorge getragen 3 . Bulcsu dagegen, so wei die berlieferung, habe nur Glauben vorget uscht und sei h ufig in das rhom ische Reich eingedrungen; als er dieses dann auch den Franken gegen ber versucht habe, sei er in Gefangenschaft geraten, und der K nig der Franken, Otto, habe ihn pf hlen lassen. Tats chlich d rfte Bulcsu der Ungarnf hrer in der Schlacht auf dem Lechfeld gewesen sein, der dann nach deren vernichtendem Ausgang geh ngt wurde 4 . Die endg ltige Missionierung der Ungarn wurde — berraschenderweise — vom Westen her durchgef hrt. Im Jahre 973 waren unter den vielen Gesandtschaften, die der kurz vor dem Tod stehende Otto der Gro e noch empfing, auch Ungarn 5 . Der Gro f rst Geza (+ 997) ffnete sein Land f r Missionare aus dem Reich des Westkaisers6 . Eine der ersten Amtshandlungen Ottos II. d rfte die Entsendung des Bischofs Brun von Verden nach Ungarn gewesen sein 7 . Anfang 972 ist schon der heilige Wolfgang f r kurze Zeit dort gewesen, bevor er im Dezember 972 zum Bischof von Regensburg erkoren wurde 8 . Eigentlich h tte das neu zu missionierende Gebiet an Salzburg anwachsen m ssen; aber der dortige Erzbischof Friedrich mu te zusehen, wie sein eigener Neffe, Bischof Pilgrim von Passau, mit Hilfe gef lschter Papst- und Kaiserurkunden die Vorrechte eines angeblich r mischen Erzbistums Lauriacum zu vindizieren suchte: Diesem von ihm beanspruchten Sprengel sollte das neue Missionsgebiet zugeschlagen werden 9 . Schon bald aber scheiterte der Bekehrungseifer an innerdeutschen K mpfen, an dem Aufstand Heinrichs des αυτό τούτο κα£ κατά φράγγων ποιήσαι δκιΐΌηΟεις και αλοϋς ανεσκολοπισοτ? υπό Ιωάννου TOU βασιλέως αυτών. Zu dieser Quelle s. MORAVCSIK, Byzantinoturcica l, S. 273ff. S. auch die Adressenliste bei Constantinus Porphyrogenitus, De administrando imperio 40 (ed. MORAVCSIK, transl. JENKINS S. 187 51 ); D LGER, Ungarn S. 163; MORAVCSIK, Byzantine Church S. 328ff. 3 HOMAN, Ungarisches Mittelalter l, S. 147f. 4 Annales Sangallenses maiores a. 955 (MGH SS l, S. 79): Otto rex cum Agarenis pugnabat in festivitate sancti Laurentii, eosque Deo auxiliante devicit. Et erat numerus eorum 100 milia et multi illorum comprehensi sunt cum rege eorum nomine Pulszi, et suspensi sunt in patibulis. Gesta episcoporum Cameracensium I 75 (ebd. 7, S. 428 ): rex Bulgio — sie enim dicebatur. Zu Bulcsu als F hrer auf dem Lechfeld s. LEYSER, Battle at the Lech S. 51f u. 63f. S. ferner MORAVCSIK, Byzantium S. 106f; HOMAN, Ungarisches Mittelalter l, S. 146f; WEINRICH, Lechfeldschlacht S. 295; L TTICH, Ungarnz ge S. 146 u. 164. 5 Annales Altahenses maiores a. 973 (MGH SS rer. Germ, in us. schol. 4, S. 11): Illuc venere ... XII primates Ungarorum; B HMER, Regesta Imperii 2/1, Nr. 562d S. 247. 6 HOMAN, Ungarisches Mittelalter l, S. 154-166; UHLIRZ, Otto II. S. 94ff. 7 DO I 434 (MGH Dipl. reg. et imp. Germ, l, S. 586f); B HMER, Regesta Imper 2/1, Nr. 569 S. 249. 8 KELLER, Kloster Einsiedeln S. 51. Pilgrim von Passau, Ep. 6 (ed. LEHR S. 44): A qua ergo prefata Ungrorum gente multis precibus ipse invitabar venire aut missos meos in opus evangelii illuc dirigere. Zu den F lschungen s. LEHR, Piligrim [dort die Papst-Texte]; DOPSCH, Karolinger und Ottonen S. 209ff; FICHTENAU, Urkundenf lschungen Pilgrims S. 157-179; DERS., Urkundenwesen S. 122ff; HEUWIESER, Bistum Passau l, S. 60-89. S. auch B HMER, Regesta Imperii 2/5, Nr. 120 S. 47; Nr. 513-515 S. 205ff.

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Zänkers gegen Otto II., dem Pilgrim die Treue hielt 10 . In der ungarischen Bekehrungsgeschichte muß ferner der heilige Adalbert erwähnt werden. Der dem Geschlecht der Slavnikinger entstammende Vojtech-Adalbert war seit 982 Bischof von Prag, mußte aber in den Auseinandersetzungen seiner Familie mit dem Premysliden weichen. Nach längerem Aufenthalt in Rom dürfte er im Spätherbst und Winter 996/ 997 in Ungarn gewesen sein, um dann nach Polen weiterzureisen; Art und Umfang seiner Missionstätigkeit lassen sich indes nicht eindeutig bestimmen 11 . Nur mühsam sind die Nachrichten zu interpretieren, die auf die Taufe des damals regierenden Fürsten Geza und seines Sohnes Waik hindeuten. Wichtigste Quelle ist die erst 1083 entstandene Legenda maior des damals heiliggesprochenen Königs Stephan I. 1 2 . Darin wird zunächst die Taufe Gezas vermeldet 13 und weiter, nach Ankunft des heiligen Adalbert in Ungarn, die des Sohnes Waik; eigens wird gesagt, daß dem Fürsten ein Sohn geboren worden sei, den dann Adalbert crismali baptismate eingetaucht habe und dabei auch dessen susceptor geworden sei 14 . In der Forschung haben diese Angaben recht unterschiedliche Deutungen gefunden. Entweder hat man den Adalbert-Aufenthalt zum Eckdatum der Interpretation erhoben oder aber den Heiligen beiseite gelassen und die Taufe früher angesetzt. So vertritt beispielsweise Balint Homan in seiner großen Geschichte des ungarischen Mittelalters die Ansicht, daß einer der von Pilgrim nach 973 entsandten Geistlichen sowohl Geza wie auch dessen 969 geborenen Sohn Waik getauft habe 15 ; die Nachricht von dessen crismale baptisma durch Adalbert deutet er als Firmung 16 . Ähnlich argumentiert Thomas von Bogyay, der allerdings einen ersten, um zehn Jahre früheren Aufenthalt Adalberts in Ungarn annehmen möchte 17 . Ganz anders dagegen Mathilde Uhlirz; sie betrachtet als "festen Punkt" den auf 996 anzusetzenden Aufenthalt Adalberts in Ungarn. Zugleich hält sie entschieden daran fest, daß der Heilige an Waik die Taufe vollzogen habe, weswegen sie die in der Legenda maior vorgenommene Verknüpfung von Geburt und Taufe als legen10

REINDEL, Bayern S. 221-227. MACHILEK, Adalbert von Prag S. 410-414; ebd. S. 412: Chronologie und Umfang der Mission in Ungarn sind "offen". HOMAN, Ungarisches Mittelalter l, S. 162ff. 12 WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 817. 13 Legenda maior Stephan! regis Ungariae 2 (Scriptores rerum Hungaricarum 2, S. 3791 ): credidit ipse [= Geiza] cum familiaribus suis et baptizatus est, omnes ditioni sue subditos se pollicens Christiana nomini mancipaturum. 14 Ebd. 5 (S. 38024J.· Nascitur interea predictus a domino principis filius ... Hüne deo dilectus Adalbertus episcopus crismali baptismate secundum credulitatis sue veritatem intinxit et susceptor eius fuit. Nomen sibi inpositum est Stephanus. 15 HOMAN, Ungarisches Mittelalter l, S. 155; DERS., König Stephan I. S. 94f. 16 DERS., Ungarisches Mittelalter l, S. 163; DERS., König Stephan I. S. 96. Gegen diese Deutung ist freilich einzuwenden, daß der ganze Kontext, insbesondere die Zuordnung von Geburt und crismale baptisma eine solche Deutung ausschließt. Der Neugeborene mußte selbstverständlich zuerst getauft werden; die Firmung, die längst ein eigener, von der Taufe abgetrennter Ritus geworden war, konnte nur erst später, meist nach Vollendung des Kindesalters, empfangen werden. Auch lexikographisch kann 'chrismalis' als 'auf die Taufe bezogen' verstanden werden; s. NIERMEYER, Lexicon S. 177 s.v. (3); BLAISE, Lexicon S. 174 s.v. (4); MITTELLATEINISCHES WÖRTERBUCH 2, Sp. 552 s.v. Iba. 17 VON BOGYAY, Adalbert von Prag S. 24ff. 11

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dar ansieht; wenn Waik wirklich 96918 geboren worden sei, so habe er doch erst im Alter von 27 Jahren seine Taufe erhalten. Diese ihre Lösung sieht M. Uhlirz durch eine weitere Quelle gestützt, nämlich durch Ademar von Chabannes. In dessen nach 1028 abgeschlossener Historia finden sich, allerdings in einer nicht gut beleumdeten erweiterten Fassung19, bemerkenswerte Nachrichten über die Christianisierung Ungarns20 . Kaiser Otto III. habe Gezas Sohn Waik aus der Taufe gehoben und mit dem Vorrecht ausgezeichnet, nach Kaiserart eine heilige Lanze mitsamt den Reliquien der Kreuznägel und der Mauritius-Lanze tragen zu dürfen. Wenn dabei Bischof Brun von Augsburg als Taufspender auftritt, möchte Uhlirz nach der Legenda maior korrigieren, daß also Adalbert im Verlauf seine Ungarnaufenthaltes getauft habe. Da bei Ademar weiter berichtet wird, daß die Taufe Waiks am Stephanustage stattgefunden habe, sei folglich der 26. Dezember 996 als Tauftag anzusehen; da weiter Otto III. der Taufpate gewesen sei, müsse man in dessen Itinerar den Weihnachtsaufenthalt feststellen, als welcher für 996 Köln bezeugt sei. Daraus ergibt sich dann die Folgerung, "daß am 26. Dezember 996 in Köln der feierliche Taufakt im Beisein Brunos, des Bruders der Braut als Vertreter des bayrischen Herzogshauses, durch Adalbert von Prag ... vollzogen wurde. Aber auch die Nachrichten von der Patenschaft des Kaisers und der Übergabe einer heiligen Lanze ... fügen sich ... ohne Widerspruch in den Rahmen der von dem Kaiser befolgten Politik."21 Dies erscheint nun doch eher als mühselige Konstruktion denn als Lösung. Daß der wohl 969 geborene Waik zunächst ungetauft geblieben wäre, muß nicht unwahrscheinlich sein. Aber ist er seiner Taufe wegen nach Köln gezogen? Diesen Zug deswegen zu unterstellen, weil Otto III. das Weihnachtsfest 996 in Köln gefeiert hat und dessen Anwesenheit bei der Taufe für erforderlich gehalten wird, dürfte nicht angehen, konnte doch die Patenschaft, wenn auch nur in Einzelfällen bezeugt, durch Stellvertretung und durch Symbolhandlungen wahrgenommen werden. Aber dies ist nicht der einzige Punkt, der die Konstruktion fragwürdig macht. Als gewichtigster Einwand ist festzustellen, daß die beiden ausführlichsten Quellen, nämlich die Legenda maior sowie die Nachrichten bei Ademar von Chabannes, sich direkt widersprechen; während die Legenda Adalbert als Taufspender und Paten hinstellt, sollen sich nach Ademar der Augsburger Bischof Brun und der Kaiser diese Aufgaben geteilt haben. Bei solcher Widersprüchlichkeit und ange18

Zum Geburtsjahr s. GYÖRFFY, Gedächtnis Stephans S. 2; s. auch VON BOGYAY, Stephanus Rex S. 8. 19 WATTENBACH - HOLTZMANN - SCHMALE, Geschichtsquellen l, S. 310ff; 3, S. 99*f; sehr kritisch DEER, Krone Ungarns S. 196 Anm. 38. 20 Ademar, Historia C 31 (ed. LAIR S. 158): Sanctus autem Brunus convertit ad fidem Ungriam provintiam ... Regem Ungrie baptizavit, qui vocabatur Gouz, et mutato nomine in baptismo Stephanum vocavit, quem Oto imperator a baptismate excepit, et regnum ei liberrime habere permisit, dans ei licentiam ferre lanceam sacram ubique, sicut ipsi imperatori mos est... Rex quoque supradictus filium suum baptizare jussit sancto Bruno, imponens ei nomen sicut sibi Stephanum. Et ipsi filio ejus Stephana, Oto imperator sororem Eenrici, postea imperatoris, in conjugio dedit. 21 UHLIRZ, Otto III. S. 503-510 (Exkurs: Die Taufe Stephans von Ungarn und die Verleihung der heiligen Lanze); Zitat S. 509f.

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sichts des gänzlichen Fehlens besserer Zeugnisse dürfte Vorsicht geboten sein. Man wird in Betracht ziehen müssen, daß die Nachricht von dem Patronat Ottos III. allein in der nicht zuverlässigen Erweiterung bei Ademar überliefert ist und möglicherweise nur die Erklärung für die von den Ungarn vollzogene Westorientierung darstellt. So wie es über die Hinwendung der Bulgaren zum Papsttum bald eine westliche Tauf- und Patenschaftslegende gab22 , so mag eine ähnliche Deutung auch für die Ungarn nahegelegen haben, die dann mit dem Taufpatronat Ottos III. erklärt wurde. Festzuhalten aber bleibt die hinreichend gut bezeugte Tatsache, daß Otto III. auf die Christianisierung Ungarns eingewirkt hat 2 3 . Weiter ist der Legenda maior darin beizupflichten, daß Waik-Stephan eine bairische Prinzessin zur Frau hatte 24 . Auch findet in der Forschung die von Ademar berichtete Übergabe einer Lanze eine gewisse Anerkennung 25 . Schließlich besitzen wir noch das wichtige Zeugnis von Gregor VII., der in einem Brief des Jahres 1074 davon spricht, daß schon König Stephan Ungarn dem heiligen Petrus übertragen habe: regnum Ungarie sancte Romane ecclesie proprium est a rege Stephana olim beato PETRO cum omni iure et potestate sua oblatum et devote traditum.26 Durch diese Angabe, daß also Ungarn dem heiligen Petrus übereignet worden sei, "wird der Gründungsakt der ungarischen Kirche in Parallele zu dem Übereignungsakt Mieszkos I. gerückt" 27 ; überhaupt drängt sich der Eindruck auf, als seien alle für den Akt von Gnesen bezeugten Vorgänge in Ungarn wiederholt worden, so daß die "Parallelität beider Akte ... nicht zu verkennen" ist 28 . Ja, in der Kronenübergabe, die gerade auch Thietmar bezeugt 29 , scheint noch ein zusätzliches Moment vollzogen worden zu sein, daß nämlich Waik-Stephan sogar die Königswürde erhielt 30 . Die schon im Politischen auffallende Parallelität mit Polen hat in der Kirchenorganisation ihre Fortsetzung erfahren. Thietmar berichtet, daß Waik-Stephan in seinem Reich Bischofssitze errichtet habe31 . Tatsächlich aber geschah noch mehr, nämlich, wie schon in Polen, die Errichtung eines Erzbistums. Über den Hergang der Gründung sind wir nur wenig unterrichtet. Als erster Erzbischof amtierte Astrik (Ascherik), der deutscher Herkunft war und vielleicht identisch ist mit 22

S. $ 40 Anm. 20. BÖHMER, Regesta Imperil 2/3, Nr. 1217c S. 645f. 24 Thietmar von Merseburg, Chronicon 59 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 19819j: gener Heinrici, ducis Bawariorum, Waic. Weitere Belege wie voraufgehende Anm. 25 BRACKMANN, Polen und Ungarn S. 255f; SCHRAMM, Herrschaftszeichen 2, S. 503f; kritisch DEER, Krone Ungarns S. 196 Anm. 38. 26 Gregorii VII registrum II 13 (MGH Epp. sei. 2/1, S. 145 2 ); DEER, Krone Ungarns S. 199. 27 BRACKMANN, Polen und Ungarn S. 255. 28 Ebd. S. 256. 29 Thietmar von Merseburg, Chronicon IV 59 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 19818J: Inperatoris autem predicti gratia et hortatu ... Waic ... coronam et benediccionem accepit. Legenda maior Stephani regis Ungariae 9 (Scriptores rerum Hungaricarum 2, S. 384 s ). 30 UHLIRZ, Otto III. S. 572-582; DEER, Krone Ungarns S. 195-200; GYÖRFFY, Ungarische Kirchenorganisation S. lOlff; DERS., Gedächtnis Stephans S. 4f. 31 Thietmar von Merseburg, Chronicon IV 59 (MGH SS rer. Germ. Nova Series 9, S. 19819j: Waic in regno suimet episcopates cathedras faciens. 23

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Ergebnis

einem Mönch Anastasius, der mehrere Jahre in der Umgebung des heiligen Adalbert verbracht hat; seine Ernennung zum Erzbischof dürfte wohl im Jahre 1001 geschehen sein 32 . Erwähnenswert sind noch einige Beobachtungen, die bei der kirchenorganisatorischen Durchführung sichtbar werden: Die Anfänge der diözesanen Aufgliederung gingen vom Hof aus; femer wurden die Bistümer dort errichtet, wo Mitglieder der königlichen Familie eine ständige Pfalz hatten, und endlich waren es Hofgeistliche bzw. am Hof wirkende Missionsbischöfe, die die ersten Bischofssitze einnahmen 33 . Es ist also erneut die alte, schon in der MerowingerZeit feststellbare Kombination von Herrschaft und Mission.

5. Ergebnis § 51 Imperialer Taufpatronat und päpstliches Erzbistum Ausgangspunkt der Untersuchung ist die verchristlichte Form der alten Idee der "Familie der Könige", wie sie zuerst F. Dölger für Byzanz festgestellt hat. Die christliche Form ist darin zu sehen, daß der Basileus mittels der geistlichen Vaterschaft, die er im Taufpatronat über andere Könige und Fürsten erwarb, sich zum Vater der Völkerfamilie machte und der jeweilige geistliche Sohn sich zugleich als politischer Sohn verstehen muße. Hatte Dölger dies nur fallweise am Beispiel der byzantinisch-bulgarischen Geschichte herausgearbeitet, so haben in weiterführenden Untersuchungen G. Moravscik und — begrenzt für die Zeit Justins und Justinians — Isrun Engelhardt den "modellhaften" Charakter dieses Verfahrens unterstrichen: In nahezu gleichartigen Formeln wird immer wieder mitgeteilt, daß der Basileus über bekehrungswillige Fürsten am Rande des Reiches der Pate wurde, sodann seinen geistlichen Sohn mit politischen Würden, zumeist dem Patriziat, oder auch mit politischen Insignien 'ehrte', wobei Zeremonien der Herrschaftsoder Waffeninvestitur angewandt wurden. Der 'Geehrte' mußte sich unter die Oberhoheit des Kaisers beugen und wurde auf diese Weise als "Vasall" dem Reiche eingegliedert, behielt dabei aber eine gewisse Selbständigkeit und wurde oft mit Verteidigungsaufgaben an der Reichsgrenze betraut. Neben diesen politischen Aspekten zog die geistliche Vaterschaft aber auch missionspolitische Konsequenzen nach sich. Der Kaiser gab, ganz wie es seiner Patenaufgabe entsprach, seinem Sohn 'geistliche Lehrer' mit, die den Neugetauften im christlichen Glauben zu festigen und dessen Volk zu bekehren hatten. In Wirklichkeit bedeutete die Entsendung von Missionaren die kirchliche Eingliederung in die byzantinische Reichskirche. So hatte also die Vaterschaft des Basileus sowohl politische wie kirchliche Folgen: Der geistliche Sohn gehört samt seinem Volk zum Reich wie auch zur Reichskirche. Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, diesem "Modell" im Westen nachzugehen. Das Ergebnis lautet, daß die Patenschaft im Westen in ähnlicher Weise praktiziert worden ist: Sie bewirkte wie im Osten eine geistliche und zu32 33

GYÖRFFY, Ungarische Kirchenorganisation S. 99ff. Ebd. S. 98f.

$51 Imperialer Taufpatronat und päpstliches Erzbistum

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gleich politische Sohnschaft. Mit der geistlichen Vaterschaft des Patenrituals verbanden sich weiter auch Formen der Herrschaftsinvestitur und der Waffensohnschaft, wie es besonders deutlich etwa für Ludwig den Frommen und Harald von Dänemark bezeugt ist. Desgleichen ergaben sich missionspolitische Konsequenzen. Um die Quellen, die im Westen ebenso wie im Osten beim Taufpatronat meist nur eine formelhafte Sprache verwenden, vollauf erschließen zu können, ist zunächst die Tauf- und Patenschaftspraxis des frühen Mittelalters untersucht worden. Hier bereits zeigt sich eine Fülle von — oftmals unaufgearbeiteten — Aspekten. Ein Beispiel ist etwa die Bekehrung "von oben nach unten". Wiewohl diese in der missionsgeschichtlichen Literatur geradezu zum Topos geworden ist, sind der Forschung dabei doch wichtige Aspekte entgangen. So zeigt sich bei den Königskonversionen, daß oftmals der zur Nachfolge berechtigte Sohn nicht mitgetauft wurde; offenbar wollte man bei einem Sieg der heidnischen Partei dieser noch einen genehmen Kandidaten präsentieren können. Gelegentlich ist freilich auch der umgekehrte Fall anzutreffen, daß der König selbst bei der angestammten Religion blieb, den Sohn aber taufen ließ. Grundlegend sind für unsere Untersuchung ferner der Taufritus und die Patenschaft. Liturgie- und dogmengeschichtliche Untersuchungen informieren darüber, beachten aber in der Regel zu wenig die wirkliche Taufpraxis, in der allzuoft — angeblich aus der "Volksreligiosität" oder aus dem "heidnischen Erbe" bedingte — Verformungen, ja Mißbräuche, festgestellt werden, die man nicht zum Eigentlichen der Taufe zählt und folglich glaubt übergehen zu können. In Wirklichkeit aber sind oftmals diese der Zeit typischen Ausgestaltungen die tragenden und treibenden Vorstellungen gewesen: so etwa der Ritualismus und der Dämonismus. Daß Karl der Große selbst sich um den genauen Ritus der Taufspendung bemühte, ja daß die Herrscher die Taufe noch heidnischer Völker als wichtiges Ziel ihrer Politik verstanden, resultiert aus dem zeitüblichen Heilsverständnis, daß in der Taufe das Teufelsreich, die verderbliche Quelle allen geistlichen und leiblichen Unheils, eingedämmt wurde. Deshalb diente ein Herrscher in geistlicher wie zugleich in weltlicher Hinsicht dem Wohl seines Volkes, ja der ganzen Christenheit, wenn er 'taufte'. Ohnehin galten schon lange Verteidigung und Ausbreitung des Glaubens als vorrangige religiöse Aufgaben des christlichen Herrschers. Dieser konnte deswegen im zeitgenössischen Verständnis mit dem religionsgeschichtlich so wichtigen Ideal eines 'rex et sacerdos' beschrieben werden. Doch war dem christlichen 'Priesterkönig' in der Liturgie nur eine vergleichsweise schmale Rolle zugestanden. Am besten bekannt ist sein Auftreten in der liturgischen Funktion eines Diakons bei der Evangelienverkündigung. Von unserer Thematik her eröffnet sich noch ein weiterer Bereich herrscherlicher Liturgie: in der Taufpatenschaft. Diese konnte zwar von jedermann übernommen werden, gewann aber im Patronat über andere Herrscher eine besondere Dimension. In der Erforschung des Patenamtes ist generell wenig geschehen. Die Lücken sind eklatant und dementsprechend häufig die Mißverständnisse in der Literatur. Ursprünglich hat es ein Patenamt nicht gegeben; nur allmählich hat sich dasselbe aus verschiedenartigen Bräuchen und Notwendigkeiten heraus entwickelt. Schon

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Ergebnis

früh verlangte die Gemeinde bei den Taufbewerbern einen Bürgen, der die Ernsthaftigkeit der Bekehrung bestätigen konnte. Ferner gab es Diakone und Diakonissen, die beim Taufakt, besonders beim Aus- und Einkleiden, behilflich waren und zuletzt den Getauften aus dem 'Brunnen aufnahmen'. Endlich kannte man 'geistliche Väter' und ebenso 'geistliche Mütter', die für die weitere Belehrung und eine geistliche Assistenz in der christlichen Lebensführung bereitstanden. Um die Wende des 5. zum 6. Jahrhundert tritt uns das Patenamt in vollentwickelter Form entgegen. Zunächst ist es rein religiös bestimmt, wie etwa die Predigten des Cäsarius von Arles erkennen lassen. Doch gewinnt es noch im Laufe des 6. Jahrhunderts, wie dann bei Gregor von Tours sichtbar wird, zusätzliche Aspekte familienrechtlicher Art. Grundlegend ist dabei die geistliche Verwandtschaft, die aus der Patenschaft erwächst: Durch Gottes heiligen Geist sahen sich die geistlich Verwandten mittels eines 'vinculum spiritale' verbunden. Glaubte man dieses geistliche Band zunächst nur zwischen dem Paten und seinem Taufkind wirksam, so verband es bald auch den 'compater' bzw. die 'commater' mit den leiblichen Eltern des Täuflings. Um diese doppelte Bindung der geistlichen Verwandtschaft zu unterscheiden, mag es förderlich sein, von einer "vertikalen" und einer "horizontalen" Bindung zu sprechen: Zuerst mit dem Täufling und dann mit dessen Eltern. Besonders wichtig ist dabei, daß die geistliche Verwandtschaft höher als die "fleischliche" eingeschätzt wurde. Sie bildete ein Ehehindernis und führte darüber hinaus noch zu einer Vielzahl weiterer Verpflichtungen. Zunächst einmal galt der Pate, der in der Taufe stellvertretend für sein Taufkind die Teufelsabsage und das Glaubensbekenntnis gesprochen hatte, als dessen "Erzieher", jedenfalls als mitverantwortlich für den späteren christlichen Werdegang. Mit dieser geistlichen Aufgabe verbanden sich rasch zusätzliche Pflichten: Der Taufsohn war gleichsam 'adoptiert', und sein Leben mußte der Pate höher achten als das der Blutsverwandten; überhaupt mußte der Pate seinem geistlichen Sohn in 'religiöser Liebe' ein Höchstmaß an Fürsorge angedeihen lassen. So sehen wir beispielsweise, daß in den Thronkämpfen der Merowinger die Taufkinder geschont wurden. Die jüngere, "horizontal" ausgerichtete Compaternitas zwischen geistlichen und leiblichen Eltern, die sich in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts durchgesetzt hat, wurde gleichfalls als eine besondere, weil göttlich gestiftete Bindungsform aufgefaßt. Doch hatte sie von vornherein eine andersgeartete Auswirkung. Wohl bestand auch hier zwischen den geistlichen und leiblichen Eltern ein von Gott gestiftetes geistliches Band, das die Partner gleichfalls in höchstmöglicher Weise verband und verpflichtete: das 'pactum compaternitatis'. Während aber die ursprüngliche Patenbindung vornehmlich auf die geistlichen Erziehungsaufgaben abzielte, konnte dies bei der erweiterten horizontalen Kompaternität entfallen; bei ihr ging es einzig um die Verbrüderung, und diese aller religiösen Erziehungspflichten ledige Bündnisform, die aber gleichfalls als göttlich gestiftet und heilig galt, erfreute sich besonderer Hochschätzung zur politischen Bündnisbildung; sie vermochte sogar bald die alten, paganen Formen der Blutsbrüderschaft zurückzudrängen. Ein eigenes Kapitel bildet in der westlichen Taufgeschichte die Firmung. Als in der karolingischen Liturgiereform auch die römische Taufliturgie für den Norden

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zur Norm erhoben wurde, hat sich die zweite postbaptismale Salbung, die allein der römischen Liturgie eigentümlich war, vom Taufritus gelöst; denn in den großen Diözesen des Nordens konnte der Bischof, dem ausschließlich die Spendung oblag, nicht mehr überall persönlich bei den Taufen dabeisein und sofort seine Salbung anschließen. So entstand ein eigener, abgetrennter Ritus, eben die Firmung. Für unser Thema ist wichtig, daß dabei auch eine Patenschaft notwendig war, mit der alle Eigenschaften und Forderungen verbunden wurden, wie wir sie schon von der Taufe her kennen. Vor allem schuf die Firmpatenschaft erneut eine geistliche Verwandtschaft. In der politischen Alltagswelt hatte das zur Folge, daß im Fall einer Bündnisschließung auch die Firmpatenschaft eingesetzt werden konnte. Gegenüber Byzanz stellt dies eine westliche Besonderheit dar. In der Mission ist die jüngere "horizontale" Kompaternität nur gelegentlich von Bedeutung gewesen. Hier behielten vielmehr die geistliche Vater- und Sohnschaft ihre primäre Bedeutung. Zunächst einmal galt auch hier die Forderung nach einer 'besonderen Liebe', in der Pate und Taufsohn miteinander verbunden sein sollten. Chris die her se its knüpfte man daran die Hoffnung, daß ein getaufter Heidenfürst seine 'Wildheit' ablege und sich im Religiösen wie im Politischen als treuer und friedfertiger Sohn erweise. Nicht immer freilich erfüllte sich diese Erwartung. Besonders seit den Normannenkämpfen mehrten sich die Klagen über die 'infidelitas' der Neugetauften. Was im letzten erstrebt wurde, war die 'fidelitas Dei et regis', daß nämlich der Glaube an Gott zugleich auch Treue zum christlichen Herrscher bedeutete. Für diese doppelte 'fidelitas' war die Taufe unter der Patenschaft des christlichen Herrschers genau das rechte Ritual: im Credo das Bekenntnis zu Gott und in der Patenschaft die Treue zum christlichen Kaiser oder König; immer war der Taufsohn zugleich vor Gott wie vor seinem HerrscherPaten gebunden. Aber auch der christliche Patenkönig ging eine Verpflichtung ein. Er hatte seinen Täufling als 'Sohn' zu behandeln, dem ein gewisses Maß an Freiheit und Eigenständigkeit erhalten bleiben mußte. Keineswegs war dieser nur ein besiegter Feind. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß der Taufpatronat dem christlichen Herrscher bedeutende Vorteile zu verschaffen vermochte. Als Pate war er gehalten, seinem Taufsohn 'Erzieher' mitzugeben, was faktisch die Eingliederung von dessen Herrschaftsgebiet und Volk in die eigene Landes- oder Reichskirche bedeutete. Den Taufpatronat kann man darum als wirklich "imperial" bezeichnen; er versprach die Ausdehnung der eigenen Herrschaftssphäre. Wenn Hartmut Hoffmann die politisch-kirchliche Ausdehnung, wie sie die Karolinger und Ottonen im Norden und Osten ihres Reiches betrieben haben, in der Weise zu generalisieren versucht hat, daß er zunächst von einem "deutschen Einfluß im kirchlichen Bereich" spricht 1 , so deckt sich dieser Befund genau mit dem hier erörterten imperialen Taufpatronat; denn dieser war eines der Mittel, auf Grund deren der christliche Herrscher eine religiöse Schutzhoheit über das Land seines Täuflings beanspruchte. In der politischen Realisierung dieser zunächst religiösen Hoheit läßt sich eine ganze Vielfalt von Lösungen beobachten. Im angelsächsischen England suchte der 1

HOFFMANN, Böhmen S, 52ff.

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Ergebnis

Bretwalda durch Taufpatenschaften seine Oberhoheit zu konkretisieren bzw. auszubauen. Auf dem Kontinent waren es die Karolinger, die ganz Ähnliches versuchten. Mission und Reichsausweitung gingen bei ihnen zusammen. Karl der Große hat dabei auch Patenschaften übernommen, so über Widukind und mindestens einen, wahrscheinlich sogar zwei Awaren-Fürsten. Ludwig der Fromme setzte diese Politik fort; seine Patenschaft über Harald von Dänemark ist uns dank Ermolds Lobgedicht auf den Kaiser in einem ungewöhnlichen Detailreichtum überliefert. Weiter hat der Taufpatronat bei den Normannen eine große Bedeutung gehabt. Bekannte Beispiele sind die Patenschaft Kaiser Karls III. über den Normannen Gottfried sowie die Taufe Rollos in der Normandie. Ferner muß nochmals England erwähnt werden, wo die seit Alfred dem Großen führende Dynastie von Wessex, deren Könige sich sogar Basileus nannten, schwere Kämpfe gegen die Normannen zu bestehen hatten, aber mehrmals auch eine Patenschaft über friedens- und bekehrungswillige Gegner eingingen. Demgegenüber muß auffallen, daß die Ottonen den Taufpatronat, wiewohl sie denselben kannten und ausübten, in ihrer Missionspolitik weniger konsequent angewendet haben. Am ehesten ist noch an Heinrich I. zu denken, der den Kleinkönig Gnupa und einen Abodriten-König 'taufen ließ'. In abgewandelter Form könnte ihn auch noch Otto III. benutzt haben, wenn er tatsächlich als Pate von Boleslaw Chrobry's Sohn Otto anzusehen ist; im Kontext des Aktes von Gnesen aber wäre dann die gemeinsame Kompaternität mit dem Vater vorrangig gewesen. Eine beachtenswerte Rolle hat ferner von früh an Baiern gespielt. Im Frankenreich hat es seine Eigenständigkeit am längsten und erfolgreichsten zu verteidigen gewußt und dann im 9. Jahrhundert als Kernland des ostfränkischen Reiches neu auszuspielen vermocht. Schon gegenüber den Karantanen betrieben die Baiern eine politische wie missionarische Subordinationspolitik, wobei aber dem angestammten Herzogshaus nach Annahme des Christentums die Herrschaft belassen wurde. Freilich begannen dann die Karolinger, diese Missionsbewegung unter ihre Kontrolle zu nehmen. Im 9. Jahrhundert wäre es den ostfränkischen Karolingern von Baiern aus fast gelungen, bei der Bulgaren-Mission bis in die unmittelbare Nachbarschaft von Byzanz vorzustoßen. Doch trat ihnen der Basileus erfolgreich entgegen, unter dessen Patronat der Bulgaren-Khan Boris-Michael die Taufe empfing. Eine ähnliche Konkurrenz ist noch einmal bei den Ottonen angesichts der Bekehrung der Rus und der Ungarn festzustellen. Während sich bei den Rus der Basileus den Vorsprung sicherte, erfolgte die Christianisierung Ungarns von Westen her. Aber nicht allein den Basileus erfuhr die bairisch-reichskirchliche Mission als Konkurrenten. Das erstarkende großmährische Reich konnte sich kirchenpolitisch deswegen von Baiern lösen und verselbständigen, weil der Papst den 'König' Swatopluk zu seinem 'geistlichen Sohn' machte. Tatsächlich sehen wir neben dem Ost- und Westkaiser auch noch den Papst die Rolle eines geistlichen Vaters einnehmen, und sogar in zweifacher Weise. Einmal konnten die Stellvertreter Petri selber Patenschaften übernehmen. So waren sie die geistlichen Väter der Karolinger; diese wurden mittels der Patenschaft ihre geistlichen Söhne und dabei auch noch zu Patriziern und Königen erhoben. Die Päpste haben damit das Verfahren des Basi-

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leus, als Vater der Völkerfamilie aufzutreten, auch für sich beansprucht. Doch ist dies nur für die Zeit von der Königserhebung Pippins bzw. von dem Besuch Papst Stephans II. im Frankenreich bis zur Kaisererhebung Karls des Großen festzustellen. Daß die Päpste in der Missionspolitik den deutschen Kaisern entgegenwirkten, war noch anders begründet. Die Päpste, so ist festzustellen, interpretierten ihre geistliche Vaterschaft in grundsätzlicher und umfassender Weise. Die römische Kirche galt ihnen, weil von Apostelfürsten begründet, als die erstrangige Kirche. Aus dem Anspruch der römischen Mutterkirche, 'mater omnium ecclesiarum' zu sein, folgte für die Päpste ein gleichfalls universaler Anspruch. Das Mittel, diese Autorität auch in der Mission durchzusetzen, bildete das Erzbistum. Wohl war es den Herrschern bei ihrer imperialen Missionsbewegung weiterhin möglich, Diözesen zu gründen, nicht jedoch Erzbistümer, denn hierfür war eine besondere päpstliche Erlaubnis notwendig. Die Päpste verfolgten dann in der Vergabe der Erzbistümer ihre eigene Missionspolitik. Die römische Kirche verstand sich als die wahre Quelle, von der das Heil zu allen Völkern floß. Von diesem Bewußtsein her waren die Päpste bereit, jeder "Provinz" bzw. jedem politisch eigenständigen Volk ein Erzbistum zu gewähren. Ein Herrscher aber, dessen Gebiet kirchlich als Erzbistum organisiert war, verfügte über eine eigene, relativ autarke Landeskirche. Nicht zufällig dürfte schon 716 der bairische Herzog Theoto die von den angelsächsischen Missionaren eben erst auf dem Kontinent propagierte Einrichtung von Erzbistümern für sich zu nutzen gesucht haben. Für die karolingische Missionspolitik ist es bezeichnend, daß Erzbistümer zunächst nicht zugelassen wurden. In Utrecht entstand kein Erzsitz, obwohl Willibrord zum Erzbischof der Friesen geweiht worden war. Auch Bonifatius scheiterte mit seinem Plan der Reaktivierung erzbischöflicher Sitze in Gallien. Erst Karl der Große ließ die Entstehung fester Erzbistümer zu, von denen aber einige ganz in den Dienst der imperialen Mission gestellt wurden. Die Sitze in Köln, Mainz und Salzburg fungierten als kirchenrechtliche Instrumente, um die in Sachsen und Karantanien gegründeten Bistümer an in der Reichskirche verankerte Sitze anzubinden; nicht aber entstanden Erzbistümer in den Missionsgebieten selbst. Insbesondere Salzburg mit seinem Ausgriff bis weit nach Pannonien kann als das Exempel erfolgreichster imperialer Mission bezeichnet werden. Tatsächlich entschied sich deren Gelingen wie auch ihr Mißlingen am Erzbistum. Die in karolingischer Zeit neugeschaffenen Erzsitze in Salzburg und Hamburg-Bremen konnten noch missionspolitisch für das Reich vereinnahmt werden, da alle im Vorland zu gründenden Bistümer diesen Metropolen angegliedert wurden oder doch angegliedert werden sollten; durch die Metropolitensitze in Salzburg und Hamburg-Bremen sicherte sich die deutsche Reichskirche ein Vorrecht auf den balkanischen Südosten und ebenso auf den skandinavischen Norden. Bei Magdeburg hingegen mißlang der große Ausgriff. Indem Otto III. dann Gnesen und Gran für Polen und Ungarn zu Erzbistümern erhob, war die imperiale Missionspolitik beendet.

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CChr.SL

— Corpus Christianorum. Series Latina

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— Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum

CSHB

— Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae

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- G.D. MANSI (Hg.), Collectio Conciliorum

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MIGNE PG

- J.-P. MIGNE (Hg.), Patrologia. Series Graeca

MIGNE PL

- J.-P. MIGNE (Hg.), Patrologia. Series Latina

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NAMENSREGISTER

Aaron, 42, 51 Abbanus, irischer Hl.,58, 62, 141 Abbo, Verwandter Widukinds, 207, 208 Abraham, 51 Adalbero, Bf. v. Augsburg, 117, 118 Adalbero, Bf. v. Metz, 275 Adalbert, Bf. v. Prag, 301, 302, 304, 307, 308, 310 Adalbert, Ebf. v. Hamburg-Bremen, 282 Adalbert, Ebf. v. Magdeburg, 283, 288, 290, 294 Adaldag, Ebf. v. Hamburg-Bremen, 279, 280, 282, 294 Adalgar, Ebf. v. Hamburg, 225 Adalram, Ebf. v. Salzburg, 239 Adalvitus, Hofkaplan, 217 Adalwin, Ebf. v. Salzburg, 242 Adam v. Bremen, 273, 277, 278, 279, 281, 282, 283 Adda, Priester, 192 Adelheid, Frau Ottos L, 275 Ademar v. Chabannes, 308, 309 Adrowaldus, Täufling des Audomarus, 68 Aelle, Kg. v. Sussex, 177 Aericus (= Erich), Mgf. v. Friaul, 233 Aethelberg, Frau Edwins, 178 Aethelberht, Kg. v. Kent, l, 69, 177, 179, 180, 182, 186, 187, 189, 194, 195, 204 Aethelnoth, westsächs. Ealdorman, 268 Aethelred, Kg. v. England, 272, 273 Aethelred, Kg. v. Mercia, Ealdorman, 268, 269 Aethelwald, Kg. v. Ostanglien, 185 Aethelwalh, Kg. v. Sussex, 69, 185 Aethelward, westsächs. Ealdorman, 268 Agapet II., Papst, 273, 278, 279, 280, 285 Agathos, Papst, 161 Agerich, Bf. v. Verdun, 107, 108 Agnellus v. Ravenna, Geschichtsschreiber, 125 Aidan, Abtbf., 190, 191 Akum, Magister militum, 7 Albeus, irischer Hl., 62, 136 Albrecht der Bär, 285 Alchfleda, Tochter Oswius, 184 Alchfried, Sohn Oswius, 184 Aldgisil, Friesenkg., 196

Alexander II., Papst, 282 Alfred d. Gr., 177, 245, 267, 268, 269, 272, 314 Alkuin, 3, 4, 34, 35, 39, 41, 42, 43, 44, 48, 53, 54, 56, 87, 88, 89, 99, 140, 143, 158, 200, 205, 218, 232, 233 Altfnd, nordhumbr. Kgssohn, 136 Amalar, Bf. v. Metz, 39, 42, 43, 44, 87, 88, 89, 93, 94, 95, 101, 141 Amalwin, Gesandter Karls d. Gr., 207 Amandus, Bf. v. Maastricht, 117, 138, 146, 147, 175, 176 Ambrosius, Bf. v. Mailand, 25, 27, 30 Anarawd ap Rhodri, walisischer Kg., 269 Anastasius Bibliothecarius, 253, 254 Anastasius, Ks., 9, 171, 172, 173 Anastasius, Mönch, 310 Anaulfus, Ks. v. Persien, 10, 11 Andreas, Abt v. Luxeuil, 207 Andreas v. Bergamo, Chronist, 250 Andronikos, HL, 242 Angilmodus, Bf. v. Soissons 39, 89 ' Angilram, Bf. v. Metz, 137, 206 Anna, Kg. v. Ostanglien, 180, 184, 185 Anno, Bf. v. Freising, 244 Ansbert, HL, 130, 132 Anschisus ( = Ansegisil), 62 Anselm v. Laon, 96 Ansgar, Ebf. v. Hamburg-Bremen, 146, 223, 224, 225, 226 Antonius, Einsiedler, 127 Arbeo, Bf. v. Freising, 130, 228 Arichis II., Hg. v. Benevent, 9, 121 Arn, Ebf. v. Salzburg, 39, 56, 231, 235, 236 Arnulf, Bf. v. Metz, 57, 62, 64 Arnulf, Bf. v. Soissons, 110 Arnulf v. Kärnten, 118, 226, 238, 243, 244 Arnulfus Oldenardensis, 110 Artoald, Ebf. v. Reims, 123 Asser, Biograph Alfreds d. Gr., 268, 269 Astrik ( = Ascherik), Ebf. v. Ungarn, 309 Astronomus, Biograph Ludwigs d. Fr., 159, 216, 220 Athanasius, Bf. v. Alexandria, 127 Athelstan, Kg. v. England, 269, 270, 271, 272, 273 Audofleda, Schwester Chlodwigs L, 171

370 Audoin, Bf. v. Rouen, 130, 140 Audomar, Missionar, 68 Audovera, Frau Chilperichs L, 100, 101 Augustinus, 23, 25, 57, 67, 92, 95, 98, 99, 100, 101, 117, 129, 133 Augustinus, Ebf. v. Canterbury, 47, 188, 189, 198 Autbert, Mönch, 223 Autharius, austrasischer Adeliger, 143, 144, 145 Avitus, Bf. v. Vienne, 3, 4, 32, 63, 64, 147, 163, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171 Barrus, irischer Hl., 62, 136 Basileios L, Ks., 255, 289 Basileios II., Ks., 295, 296 Baturato, Bf. v. Paderborn, 224 Beda, 3, 47, 51, 54, 55, 69, 70, 81, 82, 86, 153, 176, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 194, 196, 197, 198 Benedikt II., Papst, 121, 161 Benedikt v. Aniane, 35, 48 Benedikt, Bf. v. Mähren, 244, 246 Benedikt v. Nursia, 48, 127, 130, 147 Berachus, irischer Hl., 141 Berchar, Abt, 147 Berengar II., Kg. v. Italien, 275 Bernhard v. Aquitanien, 115, 119 Bernhard, Bf. v. Halberstadt, 285, 286, 287 Bernhard, Bf. v. Schonen, 281 Berta, Frau Aethelberhts, 69, 179, 194, 195 Berthefrid, austrasischer Großer, 108 Berthram, Bf. v. Bordeaux, 110 Bertinus, Hl., 121, 144 Bertwald, Ebf. v. Canterbury, 197, 198 Betti, Priester, 192 Birinus, Bf. v. Wessex, 180, 183 Boeccus, irischer Hl., 68 Boecius, irischer HL, 145 Boleslaw L, Hg. v. Böhmen, 296 Boleslaw Chrobry, 298, 301, 302, 303, 304, 314 Boleslaw, Sohn Mieszkos, 299 Bonifatius, 16, 27, 28, 34, 35, 36, 37, 39, 46, 47, 56, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 90, 91, 101. 104, 105, 133, 134, 137, 138, 149, 150, 151, 152, 154, 196, 200, 201, 202, 203, 205, 213, 214, 228, 229, 235, 315 Bonifatius V., Papst, 189

Bonifatius, Bf. v. Cataqua, 99 Bonitus, Bf. v. Clermont, 84 Boris (-Michael), Bulgarenkhan, 6, 17, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 292, 314 Bonvo), Böhmenfürst, 243 Boruth, Karantanenhg., 230, 284 Braulio, Bf. v. Saragossa, 80, 81 Brigida, irische HL, 132, 141 Brun, Bf. v. Augsburg, 308 Brun, Bf. v. Verden, 306 Brun, Ebf. v. Köln, 277 Brun v. Querfurt, 296 Brunichild, Frau Sigiberts I, 107, 112, 143 Bulcsu (Bulosudes), Ungarnfürst, 305, 306 Burchhard, Bf. v. Würzburg, 35, 152 Burgundofara, Klostergründerin u. Äbtissin, 143 Burkhard, Bf. v. Worms, 53

Caedwalla, Kg. v. Wessex, 54, 153, 154, 190 Caelin, Kg. v. Wessex, 177 Caesara, Frau d. Anaulfus, 10 Caesarius, Bf. v. Arles, 31, 32, 92, 95, 107, 108, 117, 147, 312 Camniccus, irischer HL, 58, Carthagus, inscher HL, 62, 141 Cassiodor, 9, 10 Cathwulf, angelsächs. Mönch, 3 Catillus, legendärer Normanne, 266 Ceadrag, Abodritenfürst, 215 Cedd, Bf. v. Essex, 185, 191, 192 Cenwalh, Kg. v. Wessex, 184 Ceollach, Bf. v. Mercien, 192 Ceolwulf, Kg. v. Nordhumbrien, 193 Childebert I., 172 Childebert II., 107, 108, 111, 112, 113, 139, 173 Childebert III., 197 Childebert, Grimoaldsohn, 111 Childebert, Sohn Teuderichs II., 116 Chilperich L, 100, 101, 111, 112, 113, 115, 144, 145 Chlodowintha, Schwester Childeberts II., 112 Chlodwig L, l, 3, 4, 19, 32, 60, 61, 63, 64, 69, 72, 105, 163, 165, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174 Chlothar L, 73, 113

371 Chlothar II., 38, 110, 112, 113, 115, 116, 144, 175, 195 Chrodechilde, Frau Chlodwigs L, 60, 61, 110 Chrodegang, Bf. v. Metz, 132, 137, 150, 152, 235 Clemens L, Papst, 150 Clemens, Ire, 217 Coemgenus, irischer Hl., 58 Coifi, heidn. Oberpriester, 178 Coinwalch, Sohn Cynegiis v. Wessex, 180 Colmanus, irischer Hl., 46, 141, 142 Coloman, Abtbf. v. Lindisfarne, 192, 193 Columba, Gründer v. lona, 190, 191 Columban, Gründer v. Luxeuil, 18, 128, 132, 142, 143, 147, 179 Condedus, irischer HL, 130 Corbinian, Bf. v. Freising, 130, 143, 228 Corbus, Sohn Theudrichs II., 116 Crispus, Ebf. v. Mailand, 154 Cudberht, Bf. v. Canterbury, 36, 150 Cuthbert, Abtbf. v. Lindisfarne, 81, 82 Cuthred, Kg. v. Wessex, 183 Cynegil, Kg. v. Wessex, 180, 183 Cyniburga, Tochter Pendas, 184 Dadanus, Bf. v. Erfurt (?), 152 Dado( = Audoin), 146, 175 Dagobert L, 138, 146, 175, 201 Dagone iudex (Regest), 299, 300 Daniel, mährischer Bf., 244, 246 Darerca, irische HL, 129 Decentius, Bf. v. Gubbio, 47, 76 Declanus, irischer HL, 46, 142 Desiderius, Bf. v. Cahors, 147 Deusdedit, Ebf. v. Canterbury, 193 Deusdedit, Kardinal, 298, 299 Dhuoda, Frau Bernhards v. Aquitanien, 115, 119 Dietrich, Mgf., 297, 299 Dionysms, HL, 156 Dionysius Aeropagita, 97, 98 Dionysius Exiguus, 27, 28, 211 Diuma, Bf. v. Mercien, 191, 192 Dominicus, Priester, 240 Donar, germanischer Gott, 56 Donatus, Bf. v. Besancon, 117, 142, 143 Drogo, Bf. v. Metz, 89, 223, 224, 226 Drogo, Hg. d. Champagne, 198 Dubrawa, Frau Mieszkos L, 297, 298, 299

Dudo v. St. Quentin, Geschichtsschreiber, 122, 220, 263, 264, 265, 266 Eadbald, Kg. v. Kent, 179, 188 Eadfrid, Sohn Edwins, 178 Eadgifu, 2. Frau Karls III., 269, 272 Eadgyth, 1. Frau Ottos I., 272, 285 Eadhild, Frau Hugos v. Francien, 272 Eadwulf, nordhumbr. Großer, 272 Eanfrid, Kg. v. Bernicia 181 Eberulf, fränkischer Großer, 102 Ebo, Ebf. v. Reims (Bf. v. Hildesheim), 215, 222, 223, 224, 225, 226 Ecgfrieth, Kg. v. Nordhumbrien, 193 Eddius Stephanus, 136, 196 Eddo ( = Heddo), Ebf. v. Straßburg, 35, 152 Edmund, Kg. v. Wessex, 270, 271 Edward d. Altere, Kg. v. Wessex, 269, 272 Edwin, Kg. v. Nordhumbrien, 69, 177, 178, 179, 180, 183, 189, 190 Egbert, Ebf. v. York, 193 Egbert, Kg. v. Kent, 193 Eigil, Abt v. Fulda, 212, 213 Einhard, 56, 64, 205, 206, 207, 208, 209, 217, 219, 220, 237 Ekkehard v. St. Gallen, 120 Eldred, Kg. v. Wessex, 271 Elias, Prophet, 51 Eligius, Bf. v. Noyon, 146, 175 Eorpwald, Sohn Raedwalds, 180, 183 Erchinoald, neustrischer Hausmeier, 143, 144 Erich Blutaxt, 271, 272, 273 Erik, Kg. v. Dänemark, 170 Ermenlandus, Klostergründer u. Abt, 130 Ermenrich, Bf. v. Passau, 251 Ermoldus Nigellus, Dichter, 44, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 314 Erwig, Kg. d. Westgoten, 149 Ethelnod, Ebf. v. Canterbury, 281 Etherius, Metropolit v. Lyon, 79 Eugenius, Bf. v. Toledo, 80 Eutharich, Ostgotenkönig, 9 Evergis, Bf. v. Minden, 274 Ewald, Missionar (1), 70 Ewald, Missionar (2), 70 Ezzo, Bf. v. Oldenburg, 96 Ezzo, Gf., 303 Faro, Bf. v. Meaux, 90, 144, 205 Faustus, Bf. v. Riez, 78 Felix, Bf. v. Ostanglien, 184

372 Ferreolus, Bf. v. Uzes, 147 Finan, Abtbf. v. Lindisfarne, 184, 191, 192 Fintanus, irischer HL, 142 Flavia, Frau d. Waldelenus, 18 Flodoard, Chronist, 122, 123, 261, 263, 265 Formosus, Bf. v. Porto, 252, 253 Franco, Ebf. v. Rouen, 264 Fredegar, Chronist, 10, 11, 60, 110, 113, 115, 116, 138, 169 Fredegund, 100, 101, 109, 110, 112, 113 Fridolin, Hl., 142 Fridugis, Abt v. Tours, 218 Friedrich I., 2 Friedrich, Ebf. v. Salzburg, 306 Friedrich, Hg. v. Lothringen, 275 Fulco, Ebf. v. Reims, 263 Fuldrad, Abt v. St. Denis, 206 Furseus, 143, 144 Gallus, Klostergründer, 133 Gandulph, Kanonist in Bologna, 100 Gaudentius (- Radim), Ebf. v. Gnesen, 301, 304 Gaugericus, Bf. v. Cambrai, 57 Gebhard, Bf. v. Speyer, 225 Gelasius I., Papst, 98 Genesius, Bf. v. Lyon, 249 Georgius Cedrenus, 7, 8, 305 Georgios Monachos, 248 Geraldus, irischer Mönch, 62 Gerberga, Schwester Ottos L, 122 Gerbrand, Bf. v. Roskilde, 281 Geremarus, Klostergründer u. Abt, 140 Germanus, Bf. v. Auxerre, 63 Germanus, Bf. v. Paris, 84 Gero, Mgf., 275, 296, 297, 298 Gero, Präfekt Karls d. Gr., 231 Gesimund, Ostgote, 9 Geza v. Ungarn, 306, 307, 308 Gieselbert, Hg. v. Lothringen, 275 Gisela, Tochter Karls d. Gr., 141 Gisela, Tochter Pippins d. Jüngeren, 103, 156 Gisla, Frau d. Normannen Gottfried, 261, 262, 264, 265 Gnupa, Kg. v. Haithabu, 276, 282, 314 Goduinus, Ebf. v. Lyon, 197 Göttrik, Dänenkg., 215 Gorazd (Cacatius), Karamanenfürst, 230 Gorm, Kg. v. Dänemark, 277, 278

Gotebald, Bf. v. Schonen, 281 Gotfnt, Normanne v. Dublin, 270 Gottfried, Normannenführer, 260, 261, 262, 265, 314 Gottschalk, Abodritenprinz, 283 Gottschalk, Götenbf., 283 Gozbald, Bf. v. Würzburg, 224 Gozbert, Bf. v. Osnabrück, 224 Gregor I, Papst, 14, 33, 47, 48, 53, 55, 69, 79, 86, 127, 151, 187, 188, 189, 193, 195, 198, 204, Gregor II., Papst, 34, 35, 82, 84, 149, 154, 155, 202, 227 Gregor III., Papst, 82, 85, 228 Gregor IV., Papst, 224, 225, 226 Gregor VII, Papst, 153, 282, 309 Gregor v. Nazianz, 140 Gregor, Bf. v. Tours, 3, 32, 60, 61, 69, 102, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 115, 116, 138, 139, 140, 141, 144, 165, 166, 171, 172, 194, 312 Grepes, Herulerfürst, 6, 7 Grifo, Sohn Karl Martells, 230 Grimkil, Bf. v. Norwegen, 274 Grimo, Ebf. v. Rouen, 84 . Grimoald L, Hausmeier, 111 Grimoald II, Hausmeier, 198, 199 Grod, Hunnenkg, 6, 7 Gunthar, Ebf. v. Köln, 225 Gunthram, Kg, 3, 107, 109, 110, 111, 112, 113, 115 Gunthram-Boso, merow. Großer, 102, 107, 108 Guttorm (-Athelstan), 267, 268 Gyula (Gyla), Ungarnfürst, 305 Hadamar, Abt v. Fulda, 286 Hadrian I, Papst, 9, 17, 33, 34, 40, 43, 56, 64, 121, 157, 158, 159, 162, 206, 207, 211, 212, 219, 234 Hadrian II, Papst, 240, 242, 252, 253 Haito, Bf. v. Basel, 42, 87, 95 Hakon, d. Gute, 271, 273 Hakon Jarl, 280 Harald Blauzahn, 277, 278, 279, 280 Harald (Klak), 12, 44, 75, 209, 215, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 239, 260, 261, 302, 311, 314 Harald Schönhaar, 271 Hardeknut, Kg. v. Dänemark, 110

373 Hartwig, Bf. v. Passau, 239, 251 Hasting, Normannenfürst, 266, 267, 268 Hatto, Ebf. v. Mainz, 117, 118, 287, 288 Heinrich L, 220, 275, 276, 282, 283, 284, 314 Heinrich II., 124, 282, 303, 308 Heinrich III., 146 Heinrich IV., 96, 118, 125, 146 Heinrich d. Zänker, 306, 309 Helene, byz. Kaiserin, Frau Konstantins VII., 292 Helisachar, Kanzler Ludwig d. Fr., 218 Helmold v. Bosau, 283 Hemming, Dänenkg., 215 Hemmo ( = Haimo), Bf. v. Halberstadt, 224 Heraklios, Ks., 7, 220 Heraklios, byz. Prinz, 121, 161 Herard, Bf. v. Tours, 88, 95 Heribert, Ebf. v. Köln, 141 Heriveus, Ebf. v. Reims, 265 Hermann v. Reichenau, 283 Hieronymus, 76 Hierotheos, Bf. v. Turkien, 305 Hilarius, Bf. v. Poitiers, 68 Hildebald, Ebf. v. Köln, 137 Hildeger, Bf. v. Meaux, 145 Hildeger, Ebf. v. Köln, 201 Hildeward, Bf. v. Halberstadt, 287, 288 Hilduin, Abt v. St. Denis, 217 Hinkmar, Ebf. v. Reims, 4, 42, 64, 170, 247, 250, 260 Hippolyt, 22, 25, 26, 27, 29, 50, 91, 92 Hodo, Mgf, 297 Honorius L, Papst, 183, 189, 190 Honorius, Ebf. v. Canterbury, 189, 190 Hored, Bf. v. Schleswig, 279, 280 Horik, Dänenkg., 259 Hotimir (Cheitmar), Neffe Boruths, 230, 231, 232 Hrabanus Maurus, Ebf. v. Mainz, 41, 42, 58, 91, 224 Hüben, Bf. v. Maastricht, 89, 130 Hugo Capet, Hg. v. Francien, 122 Hugo, Abt v. Cluny, 118, 146 Hugo d. Große, Hg. v. Francien, 272 Hugo, Sohn Lothars II., 261, 262 Hukbert, Hg. v. Baiern, 228 Huncdeus, Normanne, 262, 263 Hunimund, Suevenführer, 10 Hywel, Waliserkg, 272

laruman, mercischer Bf., 185 Ida, irische Hl., 132 Ignatios, Patriarch, 253, 255 Ildefons, Bf. v. Toledo, 80, 108 Ine, Kg. v. Wessex, 82 Ingebodus, Gf., 116 Ingo, Fürst im karantamschen Missionsgebiet, 73 Ingo, Gefolgsmann Kg. Odos, 266 Ingoberga, Frau Chariberts L, 194 Innozenz L, Papst, 47, 76, 78, 80, 81, 82,84 Innozenz II., Papst, 305 Isidor, Bf. v. Sevilla, 81, 241 Ittherius, Abt, 206 Jaropolk, Fürst v. Kiew, 295 Jesse, Bf. v. Amiens, 39, 42, 81, 89 Joannes Zonares, Chronist, 7, 8 Johannes L, Papst, 45 Johannes VIII., Papst, 100, 243, 244, 245, 253, 254, 255 Johannes IX., Papst, 244 Johannes X., Papst, 265 Johannes XII., Papst, 16, 286 Johannes XIII., Papst, 16, 286, 287, 288, 289 Johannes XV., Papst, 298 Johannes, Apostel, 76, 82 Johannes, Bf. v. Belluno, 124 Johannes, Bf. v. Breslau, 301, 304 Johannes, Bf. v. Norwegen, 273 Johannes, Ebf. v. Mähren, 244, 246 Johannes, röm. Märtyrer, 211 Johannes Cassianus, 129, 130 Johannes Diaconus, 23, 30, 39, 42, 43, 44, 45, 52, 53, 87, 88, 99 Johannes Diaconus, Chronist, 123, 124 Johannes dux, 123 Johannes Malalas, 6, 7 Johannes Orseolo, 124 Johannes Skylitzes, 7, 290, 295 Johannes d. Täufer, 5, 32, 211 Jonas, Abt v. Bobbio, 18, 73, 115, 128, 130, 132, 142, 143, 175 Jonas, Bf. v. Orleans, 96 Jordan, Bf. v. Posen, 297, 298 Jordanes, Geschichtsschreiber, 9, 10, 170 Judith, Frau Ludwigs d. Fr., 216, 217, 220 Justin L, oström. Ks., 6, 7, 9, 173, 310

374 Justinian L, oström. Ks., 6, 7, 172, 173, 174, 220, 310 Justinian II., byz. Ks., 121 Justus, Bf. v. Rochester u. Ebf. v. Canterbury, 188, 195 Karl III., 260, 261, 262 Karl III., d. Einfältige, 262, 263, 264, 265, 272, 314 Karl d. Gr., 2, 3, 4, 5, 15, 17, 33, 34, 36, 38, 39, 40, 43, 46, 48, 54, 56, 64, 87, 88, 95, 99, 119, 121, 123, 137, 139, 140, 141, 155, 157, 158, 159, 200, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 220, 226, 231, 232, 233, 234, 235, 237, 274, 276, 311, 314, 315 Karl d. Kahle, 220, 260 Karl Martell, 120, 136, 140, 151, 162, 200, 201, 202, 203, 205, 228 Karlmann, Frankenkg., 155, 157 Karlmann, Hausmeier, 35, 36, 37, 105, 151, 152, 160, 200, 201, 203, 228, 229 Karlmann, Sohn Ludwigs d. Deutschen, 240, 243, 244 Karlmann-Pippin, Sohn Karls d. Gr., 157, 158, 159, 160, 234 Kedrenos, Chronist, 295 Kegen, Petschengenfürst, 7, 8 Kilian, Missionar, 89 Knut d. Gr., Dänenkg, 274, 281 Kocel, Slavenfürst, 239, 241, 242 Konrad, Sohn Heinrichs IV., 96 Konrad I., Kg., 220 Konrad II., 281 Konrad d. Pfaffe, 54 Konrad d. Rote, Hg. v. Lothringen, 122, 275 Konstantin, Schottenkg., 270, 272 Konstantin d. Gr., 3, 8, 42, 61, 90, 162 Konstantinos IV., Ks., 161 Konstantinos VII., Ks., 257, 290, 291, 292, 293, 305, 306 Konstantinos (-Kyrillos), Missionar, 241, 242, 246 Konstantinos Monomachos, byz. Ks., 7 Lambert, Abt v. St. Lorenz, 141 Lambert, Bf. v. Lüttich, 130 Lambertus, Sohn Mieszkos, 299 Lampen v. Hersfeld, 96, 295, 298

Landelinus, Abt v. Lobbes, 131 Lantechilde, Schwester Chlodwigs L, 171 Lanto, Bf. v. Augsburg, 225 Lasrianus, irischer HL, 58 Laurentius, Missionar, Ebf. v. Canterbury, 179, 188, 189 Lebuin, angelsächs. Missionar, 203, 204 Leidrad, Ebf. v. Lyon, 39, 40, 42, 81, 89 Leo L, Papst, 148 Leo II, Papst, 149, 162 Leo III, Papst, 3, 158, 219, 235, 241 Leodegar, Bf. v. Autun, 130, 147 Leon III., Ks, 154 Leon IV, Ks, 7 Liafdag, Bf. v. Ripen, 279, 280 Liafdag, Missionar, 274 Libutius, Missionsbischof für Rus, 294 Liudhard, fränkischer Bf. in Kent, 176, 194, 195 Liutbert, Ebf. v. Mainz, 225, 260 Liutbrand, Langobardenkg, 120, 121 Liutpram, Ebf. v. Salzburg, 240 Liutward, Bf. v. Vercelli, 261 Liäwizo, Ebf. v. Bremen, 282 Lothar, Sohn Ludwigs IV, .122 Lothar I, Ks, 123, 216, 217, 220, 260 Lothar II, Kg, 261, 262 Lothar III, Kg, 305 Ludwig II, Ks, 123 Ludwig IV, Kg. v. Westfranken, 122 Ludwig d. Deutsche, 237, 238, 239, 240, 241, 243, 245, 246, 247, 248, 251, 259, 260 Ludwig d. Fromme, 12, 44, 64, 75, 158, 159, 160, 214, 215, 216, 217, 218, 220, 221, 222, 224, 226, 234, 237, 238, 302, 311, 314 Ludwig d. Kind, 117, 118 Lul, Ebf. v. Mainz, 4, 204, 206, 214 Lupo, salzburgischer Priester, 231, 232 Magnerich, Abt v. St. Denis, 206 Magnerich, Bf. v. Trier, 102, 108 Magnus, Bf. v. Sens, 39, 42 Maioranus, salzburgischer Priester, 231, 232 Marchhere, mährischer Großer, 244 Marcus, Evang, 124, 250 Marinus, röm. Diakon, 252 Martin, Ebf. v. Braga, 28, 51 Martin v. Tours, 55, 102, 128, 129, 131, 137, 165

375 Mathilde, Schwester Ottos III., 303 Maurikios, byz. Ks., 10, 11, 173, 174 Maurilius, Hl, 38 Mauritius, HL, 285, 302, 303, 308 Maxentius, Patriarch v. Aquileja, 39, 42 Maximus, Bf. v. Turm, 25 Mellitus, Bf. v. London, 180, 182, 188, 189 Merowech, Sohn Theuderichs II, 115, 116 Methodios, Missionar, 241, 242, 243, 244, 246, Michael III, byz. Ks., 6, 240, 241, 248, 249 Mieszko I, Hg. v. Polen, 288, 296, 297, 298, 299, 300, 309 Mieszko II, Hg. v. Polen, 302, 303 Mochoemog, irischer Hl, 58 Modestus, Karantanenbf, 231, 235, 236 Mojmir I, mährischer Fürst, 239, 240 Moling, irischer Hl, 46, 58 Moses, 51, 155, 158 Mstislaw, Abodritenfürst, 283 Nennius, Geschichtsschreiber, 63 Nestor, Chronist, 290, 291 Nicephorus. Chronist, 7 Nicetius, Bf. v. Trier, 165 Nikolaos Mystikos, Patriarch, 257, 258 Nikolaus I, Papst, 70, 71, 73, 74, 104, 118, 211, 225, 226, 236, 240, 247, 249, 250, 251, 253, 254, 255, 256, 288 Nivard, Bf. v. Reims, 147 Notker Balbulus, 267 Novatian, röm. Gegenbf, 86 Oda, Frau Mieszkos I, 297 Odilbert, Bf. v. Mailand, 39, 42 Odilia, Hl, 57 Odilo, Hg. v. Baiern, 228, 229, 230, 284 Odinkar, Bf. v. Ripen, 282 Odinkar, Missionar, 274 Odo, Gf. v. Paris, westfränk. Kg, 263, 266 Odoaker, 171 Odwin, Priester, 39, 42 Olaf I. Tryggyasson, Kg. v. Norwegen, 272,273 Olaf II, d. Heilige, Kg. v. Norwegen, 274 Olaf Gotfritsohn, Normanne aus Dublin, 270 Olaf Sigtrygsson ( = Cuaran), Normanne aus Dublin, 270, 271

Olga (-Helene), Großfürstin v. Kiew, 290, 291, 292, 293, 294 Orseolo (Otto), Sohn des Petrus Orseolo II, 124 Osbald, Karantanenbf, 236 Osfried, Sohn Edwins v. Nordhumbrien, 178, 179 Osric, Kg. v. Deira, 181 Oswald, Kg. v. Nordhumbrien, 69, 177, 180, 183, 184, 190, 191 Oswiu, Kg. v. Nordhumbrien, 177, 184, 191, 192, 193 Ota, 2. Frau Mieszkos I, 299 Otgar, Bf. v. Eichstätt, 225 Otloh v. St. Emmeran, 141 Otto I, 2, 4, 15, 16, 122, 272, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 283, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 293, 294, 295, 305, 306 Otto II, 280, 287, 306, 307 Otto III, 15, 16, 123, 124, 297, 301, 302, 303, 304, 305, 308, 309, 314, 315 Otto, Sohn Boleslaws, 302, 303, 314 Owain, Gwenter-Kg, 272 Pardulfus, Hl, 84, 140 Paschalis I, Papst, 223 Patricius, Missionar, 57 Paul I, Papst, 103, 155, 156, 159, 162, 236 Paul V, Papst, 66 Paul VI, Papst, 90 Paulinus, Missionar, 179, 189 Paulus, Apostel, 22, 76, 153, 211, 255 Paulus, Märtyrer, 211 Paulus Diaconus, 11, 62, 120, 150 Paulus Warnefried, 62 Peada, Kg. v. Mercien, 184, 191 Pelagius I, Papst, 172 Pelagius, britischer Mönch, 129 Penda, Kg. v. Mercien, 180, 184, 185, 190, 191, 192 Peter, Bulgarenks, 258 Petronilla, Hl, 156 Petrus, Abt v. St. Peter Canterbury, 195 Petrus, Apostel, 33, 34, 47, 63, 76, 82, 103, 121, 149, 150, 153, 154, 156, 159, 162, 202, 211, 212, 227, 228, 235, 245, 246, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 281, 288, 299, 300, 309, 314

376 Petrus, Bruder d. Boris, 252, 253, 254 Petrus Cantor, 125, 126 Petrus Orseolo II., 124, 125 Philippus, ml. Diakon, 22, 76, 82 Photios, Patriarch v. Konstantinopel, 250, 289, 251 Pilatus, 241 Pilgrim, Bf. v. Passau, 239, 306, 307 Pippin d. Jüngere, 34, 35, 36, 37, 38, 64, 83, 103, 104, 105, 120, 137, 140, 151, 152, 153, 155, 156, 157, 159, 160, 162, 200, 203, 228, 229, 230, 231, 232, 234, 315 Pippin d. Mittlere, 131, 136, 140, 143, 151, 197, 198, 199, 227, 228, 245 Pippin, Sohn Karls d. Gr., 64 Pirmin, 28, 90, 140 Poppa, Bf. v. Dänemark, 278 Poppo, Bf. v. Krakau, 301, 304 Poppo, Missionar in Norwegen, 274 Praetextus, Bf. v. Rouen, 115 Praxedis, 96 Pribina, Mährerfürst, 239, 240, 241, 246 Pribislaw-Heinrich, Wendenfürst, 285 Queonburga, mercische Kgstochter, 178 Radbod, Friesenkg, 41, 54, 71, 196, 199, 200 Radim (-Gaudentius), Ebf. v. Gnesen, 301, 304 Raedwald, Kg. v. Ostanglien, 3, 177, 180, 182, 183, 186 Ragnvald, Kg. v. Dublin u. York, 269, 272 Ragnvald Gutfntson, Normanne aus Dublin, 271 Rantgar, heidn. Friese, 199 Rastislaw, Mährerfürst, 238, 240, 241, 242, 243, 246, 247 Ratbod, baierischer Mgf., 239 Ratramnus v. Corbie, Theologe, 89 Regenfrid, Bf. v. Köln, 35, 152 Reginbert, Bf. v. Fünen, 281 Reginbrand, Bf. v. Aarhus, 279, 280 Reginfred, Sohn des Dänenkgs. Hemming, 215 Reginfrid, Diakon, 147 Reginhar, Mährerfürst, 239 Regino v. Prüm, 243, 256, 261, 290, 292, 293, 294 Reinbern, Bf. v. Kolberg, 301, 304 Remigius, Ebf. v. Reims, 64, 165, 170

Richarius, HL, 145 Richer v. Reims, Chronist, 122, 266, 265 Richeza, Frau d. Hgs. Mieszko II., 303 Ricula, Schwester Saberhts, 182 Riculf, Bf. v. Soissons, 39 Rigobert, Ebf. v. Reims, 140 Rimbert, Ebf. v. Hamburg-Bremen, 146, 170, 222, 223, 224, 225, 226 Robert, Gf. v. Meaux und Troyes, 275 Rodulf, Erulerkg., 10 Rodulfus Glaber, 275 Roger v. Wendover, 269, 270 Rollo, Wikingerführer, Gf. v. Rouen, 220, 263, 264, 265, 314 Romanes II., byz. Ks., 290, 293 Rorik, Wikingerführer, 261, 262 Rozo, Bf. v. Treviso, 124 Ruotger, Biograph Bruns v. Köln, 277 Saberht, Kg. v. Essex, 180, 182, 188 Salomon, Bf. v. Konstanz, 225 Salvian v. Marseille, 168 Samuel, Bf. v. Worms, 224 Sclaomir, Abodritenfürst, 214, 215 Sebbi, Kg. v. Essex, 185 Sergius L, Papst, 153, 154, 198, 201 Sergius, Legat, 228 Severin v. Noricum, 127 Sexbald, Vater Swidhelms v. Essex, 185 Siegfrid, Sohn d. Mgf. Gero, 275 Sigeberht, Kg. v. Essex, 180, 184, 185, 192 Sigfrid, Normannenführer, 261, 262 Sigibert I., 113 Sigibert III., Ill, 175 Sigibert, Sohn Theuderichs II., 116 Sigiwald, merowingischer Großer, 116 Sigtrygg, Normanne aus Dublin, 269, 270, 272 Silvester L, Papst, 42, 86 Snorn Sturloson, 280 Stephan I., Kg. v. Ungarn, 307 Stephan II., Papst, 34, 153, 155, 157, 159, 162, 201, 232, 234, 236, 315 Stefan III., Papst, 162 Stefan V., Papst, 245, 246 Stephanus, Märtyrer, 308 Sturmi, Abt v. Fulda, 212 Suidbert, Missionsbf. in Friesland, 197, 198 Sulpicius Severus, 55, 128, 131 Sunikas, Heerführer, 7

377 Sven Estridson, 281, 282 Sven (-Otto) Gabelbart, 272, 277, 278, 280, 281 Svjatoslaw v. Kiew, 291, 294, 295 Swatopluk, Mährerfürst, 238, 240, 242, 243, 244, 245, 246, 254, 299, 300, 314 Swidhelm, Kg. v. Essex, 185 Symeon, Bulgarenks., 256, 257, 258 Tassilo II., Hg. v. Baiern, 17, 163, 209, 231, 232, 234 Telerig, Bulgarenkhan, 7 Tertullian, 22, 31, 45, 76, 81, 92, 169 Thegan, Chorbf. v. Trier, 216, 219 Theoderich, Karantanenbf., 231, 235 Theoderich d. Gr., 9, 10, 171, 172 Theodo, Hg. v. Baiern, 17, 227, 234, 315 Theodor, Ebf. v. Canterbury, 84, 193, 194 Theodulf, Bf. v. Orleans, 39, 40, 42, 81, 95 Theophanes, Chronist, 7 Theophano, Frau d. Ks. Romanos II., 293 Theophylaktos, Bf. v. Sebasteia, 296 Theophylaktos, Patriarch v. Konstantinopel, 291 Theophylaktos, Bf. v. Sebasteia, 296 Theotmar, Ebf. v. Salzburg, 244 Theudebert L, 116, 172 Theudebert II., 108, 112, 175, 195 Theuderich L, 116 Theuderich II., 112, 115, 140, 143, 175, 195 Theudesinda, Tochter Radbods, 199 Thietmar, Bf. v. Merseburg, Chronist, 278, 280, 285, 296, 297, 298, 299, 301, 302, 303, 304, 309 Thietmar, Ebf. v. Salzburg, 244 Thiudimir, Ostgotenkg., 9 Thomas, Ebf. v. Mailand, 141 Thyre, Mutter Haralds v. Dänemark, 277 Tiberios II, Ks, 174 Tiberios, Sohn Konstans' II, 161 Tigernacus, inscher Hl, 141 Trudo, Hl, 131, 140, 143, 145 Tuda, Bf. v. York, 193 Tugumir, Hevellerfürst, 284 Tyrach, Petschengenfürst, 7, 8 Tzath, Lazenkg, 6, 7, 10, 172, 302 Unger, Bf. v. Posen, 298, 301, 304 Unni, Ebf. v. Hamburg-Bremen, 278 Unwan, Ebf. v. Hamburg-Bremen, 274, 281

Urolf, Bf. v. Passau, 239 Ursio, austrasischer Gr., 108 Vedastus, Hl, 73 Venantius Fortunatus, 168 Veranus, Bf. v. Cavaillon, 139, 140 Virgil, Bf. v. Salzburg, 229, 231, 236 Vitalian, Papst, 193 Vladimir (-Basileios) v. Kiew, 256, 292, 295, 296 Waik (-Stephan) v. Ungarn, 307, 308, 309 Wala, Abt v. Corbie, 223 Walafrid Strabo, 41, 45, 58, 81, 93, 95, 100, 101 Waldelenus, alemanischer Dux, 18 Waldo, Diakon, 110 Waltbert, Gf, 121, 144 Waltgarius, Bf. v. Verden, 225 Waltunc, Karantanenfürst, 231 Wamba, Westgotenkg, 210 Wealdhere, Bf. v. London, 187 Weland, Normannenführer, 260, 268 Wetti, Reichenauer Mönch, 133 Wiching, Bf. v. Passau, 244 Wichmann, sächs. Gf, 296 Wido, Bf. v. Rouen, 265 Widukind, Sachsenführer, 59, 69, 138, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 218, 232, 233, 314 Widukind v. Corvey, 220, 276, 278, 284, 296, 297 Wikbert, Missionar, 196 Wilchar, Bf. v. Sens, 137, 206, 235 Wilfrid, Bf. v. York, 136, 185, 193, 196, 197, 199 Wilhelm, Abt v. St. Benigne in Dijon, 275 Wilhelm, Ebf. v. Mainz, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 294 Wilhelm, Hg. v. Aquitanien, 115, 119 Wilhelm Langschwert, 122 Wilhelm v. Malmesbury, Chronist, 269, 270 Willibald, Biograph d. Bonifatius, 56, 83, 84, 89, 196, 202 Willibald, Bf. v. Eichstätt, 35, 152 Willibrord (-Clemens), Ebf. v. Utrecht, 15, 16, 54, 70, 84, 85, 90, 136, 152, 197, 198, 199, 200, 201, 205, 214, 227, 315 Wintanus, Bf. v. Büraburg, 35, 152 Wipo, Chronist, 281 Wolfgang, Bf. v. Regensburg, 306

378

Wolfram v. Eschenbach, 54, 55 Wulfhere, Kg. v. Mercien, 185, 194 Wulfram, Hl., 71, 197 Wulfstan, Ebf. v. York, 270, 271 Yffi, Sohn Ostrids, 179 Zacharias, Papst, 28, 104, 134, 160, 229, 236 Zeno, oström. Ks., 9, 171 Ziazo, sächs. Gf., 301, 303 Zoe, Frau Ks. Leons VI., 257 Zwentibold, Kg. v. Lothringen, 238, 243