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German Pages 389 [402]
Handbuch zum Neuen Testament Begründet von Hans Lietzmann Fortgeführt von Günther Bornkamm Herausgegeben von Andreas Lindemann
9/1
Andreas Lindemann
Der Erste Korintherbrief
Mohr Siebeck
Andreas Lindemann, geboren 1943; Studium der T heologie in Tübingen und Göttingen; 1973-74 Gemein devikariat; 1974 zweites theol. Examen; 1975 Promotion; 1977 Habilitation; seit 1978 Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Bethel.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lindemann, Andreas: Der erste Korintherbrief / Andreas Lindemann. - Tübingen : Mohr Siebeck, 2000 (Handbuch zum Neuen Testament; 9,1) ISBN 3-16-147473-2 br. ISBN 3-16-147410-4 Ln. / eISBN 978-3-16-160483-6 unveränderte eBook-Ausgabe 2022
© 2000 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Bembo-Antiqua gesetzt, auf alterungsbestän diges Papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden.
Vorwort Der Erste Korintherbrief des Apostels Paulus ist ein in vielerlei Hinsicht besonderer Text innerhalb des Neuen Testaments: Nirgendwo wird die zwischen einem Autor und seinen Adressaten bestehende komplizierte Beziehung so deutlich wie in diesem Brief; und nirgendwo erkennen wir so klar wie hier die Schwierigkeiten, denen sich Christen, Frauen und Männer, in der Anfangszeit des Christentums ausgesetzt sahen. Gleichwohl ist der Erste Korintherbrief nicht einfach ein Spiegel der geschichtlichen Gegebenheiten; vielmehr ist auch dieser Brief in erster Linie ein Zeugnis für die theologische Argumentation des Paulus, der auf diese Gegebenheiten eingeht und der den in dieser Wirklichkeit in Korinth lebenden Menschen zu helfen sich bemüht. In der Auslegung des Briefes habe ich versucht, das so erkennbar werdende Denken des Paulus so weit wie möglich nachzuzeichnen. Der im Jahre 1907 vom damaligen Herausgeber des Handbuchs zum Neuen Testament Hans Lietzmann vorgelegte Kommentar zu beiden Korintherbriefen erschien 1931 in dritter Auflage; 1949 wurde er von Werner Georg Kümmel in einem Anhang kritisch ergänzt. 1969 erschien die lediglich um einen Literaturnachtrag erweiterte fünfte Auflage; dies zeigt den besonderen R a n g der von Lietzmann gebotenen Kommentierung. Für die jetzt vorgelegte neue Auslegung des Ersten Korintherbriefes gilt zum einen unverändert die Absicht des „Handbuchs", auf knappem R a u m philologische und religionsgeschichtliche Information zu liefern, soweit sie für das Verständnis des Textes erforderlich ist; das ausführliche Vorwort Lietzmanns zu der 1910 erschienenen einbändigen Ausgabe der Kommentare zu den vier „Hauptbriefen" des Paulus gibt über seine damaligen Ziele und Vorgehensweisen Auskunft. Wichtig war mir jetzt vor allem aber auch, den Brief als ein theologisches Dokument zu sehen, d.h. es kommt mir darauf an, den Gedanken- und Argumentationsgang des Paulus inhaltlich zu verfolgen und zu versuchen, ihn wirklich zu verstehen. Damit wurde es unmöglich, die Kommentierung beider Korintherbriefe wie bisher in einem einzigen Band unterzubringen. Der Erste Korintherbrief ist ein Text des 1. Jahrhunderts, der sich an eine Gemeinde wendet, die bewußt wahrnimmt, daß sie in einer nichtchristlichen Welt lebt. Die christliche Kirche zu Beginn des 21. Jahrhunderts kann aus dem damals von Paulus Geschriebenen viel lernen, wenn sie denn bereit ist, den Brief wirklich aufmerksam zu lesen. Zu danken habe ich an dieser Stelle François Vouga als meinem ständigen Gesprächspartner und Herrn Dr. David du Toit für die kritische Lektüre des Manuskripts. Zu danken habe ich auch den Studierenden an der Kirchlichen Hochschule Bethel für ihre Mitarbeit in Seminaren und Vorlesungen, die dem Nachdenken über die paulinische Korrespondenz mit Korinth gewidmet waren. Ein besonderer Dank gilt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des zwischen 1987 und 1993 arbeitenden Seminars „First CorinthiV
Vorwort
ans/Erster Korintherbrief' innerhalb der Studiorum Novi Testamenti Societas, vor allem Victor Paul Furnish. Bethel, den 30. Juli 2000
VI
Andreas Lindemann
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
V
Einleitung
1
1.
Der Text des Briefes und seine Rezeption im frühen Christentum
1
2.
Zum Problem der literarischen Einheitlichkeit
3
3.
Aufbau, Gliederung und Gattung
6
4.
Zur Gemeindesituation in Korinth
9
5.
Z u m theologischen Thema des IKor
14
6.
Abfassungsort und -zeit
17
Literaturverzeichnis
19
1.
Hilfsmittel und Quellen
19
2.
Kommentare zum Ersten Korintherbrief
20
3.
Abgekürzt zitierte Literatur zum Ersten Korintherbrief
20
4.
Weitere abgekürzt zitierte Literatur
21
Auslegung 1,1—3
Das Präskript
25
1,4-9
Der Dank des Paulus an Gott
29
1,10-4,21
Erster Hauptteil: Paulus und die Gemeinde in Korinth
33
1,10—25
Die korinthischen Auseinandersetzungen und die Kreuzespredigt . .
34
1,26—31
Die soziale Wirklichkeit der Gemeinde und das Handeln Gottes . . .
48
2,1-5
Die Predigt des Paulus in Korinth
53
2,6-16
Die Offenbarung der verborgenen Weisheit Gottes
57
3,1—17
Die Gemeinde in Korinth: Gottes Acker und Gottes „heiliger Tempel"
75 VII
Inhaltsverzeichnis
3.18—23
„Alles gehört euch, ihr aber gehört Christus"
90
4,1—5
Die Warnung vor dem Richten
95
4.6—13
Das Selbstbewußtsein der Korinther und die Wirklichkeit der apostolischen Existenz
4,14—21
Zwischenbilanz: „Werdet meine Nachahmer!"
111
Zweiter Hauptteil:
120
5,1-7,40 5,1—13
Ethisch-moralische
Probleme in Korinth
Ein Fall von itOQveia in der korinthischen Gemeinde
99
120
6,1—11
Recht und Rechtsverzicht in der christlichen Gemeinde
133
6,12-20
Der Leib als Tempel des Heiligen Geistes
143
7,1—40
Mann und Frau in der vergehenden Welt
154
7,1-7
Askese und Ehe
156
7,8-16
Ehe und Ehescheidung
162
7,17-24
Bleiben in der Berufung
167
7,25—40
Jungfrauen und Witwen: Ehelosigkeit und Heirat
175
8,1—11,1
Dritter Hauptteil:
Die Christen und das Götzenopfer
186
8,1—6
Das Götzenopferfleisch und die christliche Erkenntnis
188
8.7—13
Das Götzenopferfleisch und die „schwachen Brüder"
194
9,1-18
Die Freiheit des Apostels: Vollmacht und Verzicht
198
9.19-27
Der Apostel als Vorbild für die Gemeinde
209
10.1—22
„Die Väter" als warnendes Beispiel und die Unvereinbarkeit von Herrenmahl und Dämonenmahl
216
Ergebnis: Meine christliche Freiheit und das Gewissen des anderen
228
Vierter Hauptteil:
237
10,23-11,1
11,2—14,40
Die Versammlungen der Gemeinde
11.2—16
Männer und Frauen bei Gebet und Verkündigung
237
11,17-34
Das Herrenmahl
247
12,1—31
Die Geistesgaben und die Gemeinde
261
12,1—11
Die Geistesgaben und der Geist
262
12,12-31
Die Gemeinde als Leib
268
13,1-13
Über die Liebe
279
14,1—40
Glossolalisches und prophetisches Reden in der Gemeinde
295
VIII
14,1—5
Zur Unterscheidung von glossolalischer und prophetischer R e de
296
14,6-19
R e d e n und Verstehen
300
14,20-25
Die Wirkung des Redens
306
14,26-40
Die Ordnung der gottesdienstlichen Versammlung
311
Inhaltsverzeichnis
15,1-58
Fünfter Hauptteil:
Die Aufenveckung
Christi und die Auferste-
hung der Toten
324
15,1—11
Die Auferstehung Christi: Verkündigung und Glaube
325
15,12—20
Die Auferweckung Christi und der Glaube
336
15,21—28
Adam und Christus: Der Sieg Gottes über den Tod
342
15,29—34
Stellvertretende Taufe und Tierkampf: Argumenta ad hominem
350
15,35-49
Der Leib der Auferstehung
354
15,50—58
Die endgültige Verwandlung
363
16,1-24
Aktuelle Mitteilungen und Grüße
374
16,1—14
Jerusalemkollekte und Reisepläne
374
16,15—18
Stephanas und die Seinen
383
16,19-24
Briefschluß: Grüße und Wünsche
385
Verzeichnis der Exkurse: hw.hi\a{a bei Paulus (nach 1,2) Die EQiöeg in Korinth (nach 1,12) Das „Schriftwort" in 1 Kor 2,9 (nach 2,9) Das theologische Problem der Weisheit im Ersten Korintherbrief (zu 3,19) Das Problems des „Inzests" in 1 Kor 5 (zu 5,1) Zur aktuellen Bedeutung der Argumentation des Paulus in 1 Kor 5 (nach 5,13) 1 Kor 6,1—11 und das antike Gerichtswesen (nach 6,11) Sklaven bei Paulus (nach 7,24) Sexualität, Ehe und Ehescheidung bei Paulus und in Korinth (nach 7,40) Das Zitat in 1 Kor 9,9 und seine Auslegung (nach 9,9) Die Korinther und das Herrenmahl (nach 11,22) Das Herrenmahl bei Paulus (nach 11,26) Die Gemeinde als Leib (nach 12,27) • Das textkritische Problem in 13,3 Glossolalie (nach 14,2) Das Textproblem in 14,34.35 (nach 14,35) Der Schweigebefehl gegen die Frauen (nach 14,35) Zur Analyse des EtiayYeXiov in 15,3b-5(7) (nach 15,3a) Die Bestreitung der Totenauferstehung in Korinth (nach 15,12) Die Auferstehung der Toten bei Paulus (nach 15,52)
...
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IX
Einleitung 1. Der Text des Briefes und seine Rezeption im frühen Christentum Literatur. K. ALAND, Die Entstehung des Corpus Paulinum, in: DERS., Neutestamentliche Entwürfe, T h B 63, 1979, 302-350. - K. ALAND / B. ALAND, Der Text des Neuen Testaments, 2 1989. - A. LINDEMANN, Paulus im ältesten Christentum, B H T h 58, 1979. - DERS., Paulus in den Schriften der Apostolischen Väter, in: DERS., Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche, 1999, 252-279. - DERS., Der Apostel Paulus im 2. Jahrhundert, in: aaO., 294—322. — Das Neue Testament auf Papyrus. II. Die paulinischen B r i e f e . T e i l l : R o m . , 1. K o r . , 2 . K o r . , b e a r b e i t e t v o n K . JUNACK, E . GÜTING, U . N I M T Z , K . W I T T E , m i t
einer Einführung von B. ALAND, A N T F 12, 1989. - Text und Textwert der griechischen Handschriften des Neuen Testaments. II. Die paulinischen Briefe. Band 1: Allgemeines, Römerbrief und Ergänzungsliste. A N T F 16, 1991. Band2: Der 1. und der 2. Korintherbrief, A N T F 17, 1991. - D. TROBISCH, Die Entstehung der Paulusbriefsammlung. Studien zu den Anfängen christlicher Publizistik, N T O A 10, 1989 (dazu Rez. T h L Z 115 [1990] 682f.).
Altester erhaltener Textzeuge für das Corpus Paulinum und darin auch für 1 Kor ist der „um 2 0 0 " ( N T auf Papyrus, p. XLV) geschriebene Chester Beatty Papyrus $jß46. Er enthält den Brief so gut wie vollständig (Lücken in 1,23; 2,3; 3,5; 16,24 fehlt), und zwar ungewöhnlicherweise an dritter Stelle, nach R o m und Hebr (Einzelheiten aaO. p. XL— XLVI; vgl. Trobisch* 12—61). Nach der von B. Aland vorgeschlagenen Kategorisierung gehört ^ß46 in die Kategorie I, obwohl gelegentlich deutliche Fehler vorkommen (z.B. in 16,15 'Atriag statt 'Amatas). Aus dem 3./4. Jh. stammt POxy 1008 (= $ß15), ein Fragment, das nur 7,18—8,4 enthält (ungewöhnlich in 7,40 Jtvei3|xa X Q I O T O I ) [als nomen sacrum geschrieben: I1NA X Y ] statt Ttveö|ia 0eoi> [geschrieben: Ü N A 0 Y ] . Weitere Papyri: (zusammen mit vermutlich aus dem 6. Jh., nach B. Aland Kategorie II, enthält große Teile von 1,17-7,14; gS 34 , vermutlich 6./7. Jh., enthält nur 16,4-7 und 16,10 (Kat. II); von dem vermutlich um 700 geschriebenen sind lediglich 1,1—6; 5,1—6; 5,9—13 erhalten (Kat. II), von s £ 6 8 (6. Jh., Kat. III) nur 4,12-17 und 4,19-5,3. Die drei wichtigsten Pergamentmajuskeln X (Sinaiticus) A (Alexandrinus) und B (Vaticanus) aus dem 4. und 5. Jh. (für die Paulusbriefe durchgängig Kategorie I, wobei B allen anderen an Wert voransteht) enthalten den Text des 1 Kor vollständig; in dem Palimpsest C (Ephraemi Syri rescriptus, Kat. II) fehlen 1,1—2; 7,18—9,6 und 13,8—15,40. Die genannten Handschriften bieten den alexandrinischen Text. Der „westliche Text", vertreten vor allem durch Codex D 0 6 (Claromontanus), bietet textliche Besonderheiten wie sonst auch, allerdings in geringerem Umfang als insbesondere in Lk/Apg. Der Canon Muratori, ein möglicherweise auf die Zeit um 200 zurückgehendes Schriftenverzeichnis (älteste Handschrift aus dem 8. Jh.), nennt nach den Evangelien und der Apg die Korintherbriefe zuerst, offenbar in der Annahme, es handele sich um die ältesten Paulusbriefe: „Zuerst von allen hat er an die Korinther, (denen) er die Häresie der Spaltung, sodann an die Galater, (denen) er die Beschneidung untersagt, sodann aber an die R ö m e r ... ausführlicher geschrieben"; Paulus habe dem Vorbild des Johannes fol-
1
Einleitung
gend im ganzen an sieben G e m e i n d e n geschrieben, u n d zwar „in folgender O r d n u n g : an die Korinther der erste (Brief), an die Epheser der zweite" usw., wobei er den K o r i n thern u n d den Thessalonichern „zu ihrer Zurechtweisung" ein zweites Mal geschrieben habe (zitiert nach Schneemelcher, N T A p o k r y p h e n I 5 , 29). Später stehen die beiden Kor durchgängig im Anschluß an den R o m . Eine frühe Bezugnahme auf 1 Kor k ö n n t e in Kol 2,5 vorliegen, w o der Verfasser dieselbe W e n d u n g gebraucht wie Paulus in 1 Kor 5,3 (Abwesenheit Tfj oagxi, Anwesenheit xcp jtVEUjiau); ob dies eine literarische R e z e p t i o n voraussetzt oder nur eine briefstilistische Parallele darstellt, läßt sich nicht sicher sagen (vgl. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum* 115). Berührungspunkte zeigen sich zwischen Eph 3,8 u n d 1 Kor 15,9 (Paulus als „geringster Apostel") sowie Eph 5,23 u n d 1 Kor 11,3 (der M a n n als X£(j)a>cr| der Frau). Selbst w e n n man an diesen Stellen mit einem literarischen Z u s a m m e n h a n g rechnet, m u ß das aber nicht bedeuten, daß die Autoren des Kol und des E p h den paulinischen 1 Kor vollständig gekannt haben (Lindemann aaO. 126f.). D e r Autor der Pastoralbriefe scheint 1 Kor gekannt zu haben; die R e d e von der „Ubergabe an den Satan" in 1 T i m 1,20 erinnert deutlich an 1 Kor 5,5, u n d vor allem stammt die Interpolation in 1 Kor 14,33b—35 möglicherweise aus d e m U m f e l d der Pastoralbriefe (s. den Exkurs „Der Schweigebefehl gegen die Frauen" nach 14,35). Altester sicherer Z e u g e für eine literarische R e z e p t i o n des 1 Kor ist der Erste C l e mensbrief, ein gegen Ende des 1. J h . von der römischen an die korinthische Gemeinde gerichtetes umfangreiches Schreiben; 1 C l e m enthält nicht nur mehrere Anspielungen auf 1 Kor, sondern er erwähnt diesen ausdrücklich in 47,1—4 (s. Lindemann, H N T 17, 18 u n d zSt.). T h e m a ist das aktuelle Problem des korinthischen „Aufstands" (axäoig) gegen die Presbyter, der vom Autor des 1 C l e m mit den „Parteien" zur Zeit des Paulus verglichen (und als wesentlich schlimmer empfunden) wird. Mehrere deutliche Anspielungen in den Briefen des Ignatius (erste Hälfte 2. Jh.) lassen erkennen, daß zu den ihm b e kannten Paulusbriefen (in IgnEph 12,2 ausdrücklich erwähnt) auch 1 Kor gehört: In Ign Eph 18,1 ist in einer deutlich an 1 Kor 1,18—23 erinnernden Weise v o m axüvöaXov des Kreuzes die R e d e ; das in IgnTrall 10 z u m T h e m a Auferstehung Gesagte zeigt zwar keine direkte Bezugnahme auf 1 Kor 15, stellt aber ein deutliches Zeugnis für die R e z e p t i o n der dortigen paulinischen Argumentation dar (vgl. Lindemann, Paulus bei den Apost. Vätern* 270f.). In dem nur in lat. Ubersetzung erhaltenen Teil des Polykarpbriefes an die Philipper wird 1 Kor 6,2 unter N e n n u n g des N a m e n s Paulus nahezu wörtlich zitiert (PolPhil 11,2); daß Polykarp bei der Verwendung des Bildes von der Kirche als corpus u n d membra (11,4) definitiv 1 Kor 12 im Blick hat, ist dagegen wenig wahrscheinlich. Die Aussagen über die Ehe in Herrn M a n d IV 4,1 f. berühren sich z.T. wörtlich mit 1 Kor 7,39f.28, auch w e n n Hermas sie als „Offenbarungsworte" empfängt. D a ß die Paulusbriefe einschließlich des 1 Kor u m die Mitte des 2. Jh. in der Kirche selbstverständlich in Geltung standen, zeigt der „Apostolos" im Kanon des Marcion. Die insbesondere von Tertullian geführte Auseinandersetzung mit Marcion setzt den auch in der „großen Kirche" anerkannten Gebrauch des 1 Kor wie überhaupt des C o r p u s Paulin u m voraus. Tertullian (Adv Marc III 5,4) gewinnt aus 1 Kor 9,9 den entscheidenden Beleg für die Zurückweisung der marcionischen These, man dürfe das Alte Testament nicht allegorisch auslegen, sondern müsse seine Aussagen wörtlich verstehen; die oft zitierte B e m e r k u n g Tertullians, Paulus sei der haereticorum apostolus, fällt an dieser Stelle und besagt im Zusammenhang, daß der Apostel zwar von Marcioniten für ihre Zwecke
2
Zum Problem der literarischen
Einheitlichkeit
beansprucht wird, daß er aber in Wahrheit ein Zeuge für die Richtigkeit der Allegorese als hermeneutischem Prinzip ist (vgl. dann auch die Auslegung des 1 Kor im ganzen Adv Marc V 6—10). In der von Irenäus geführten Debatte „Gegen die Häresien" beziehen sich sowohl die (gnostischen) Gegner des Irenäus wie auch der Kirchenvater selber auf Paulus und dabei selbstverständlich auch auf Aussagen des 1 Kor. 2. Z u m Problem der literarischen Einheitlichkeit Literatur. BECKER, Paulus (198-208). - H . MERKLEIN, D i e Einheitlichkeit des ersten Korintherbriefes, in: DERS., Studien zu Jesus u n d Paulus, W U N T 4 3 , 1 9 8 7 , 3 4 5 - 3 7 5 . - W. SCHENK, Art. K o r i n t h e r b r i e f e , T R E 19, 1990, 6 2 0 - 6 4 0 . - W. SCHMITHALS, M e t h o d i s c h e E r w ä g u n g e n zur Literarkritik der Paulusbriefe, Z N W 87 (1996) 5 1 - 8 2 . - G. SELLIN, H a u p t p r o b l e m e des Ersten Korintherbriefes, A N R W II. B a n d 2 5 . 4 , 1987, 2 9 4 0 - 3 0 4 4 .
Die Frage, ob 1 Kor in der vorliegenden Form eine ursprüngliche literarische Einheit darstellt oder aber das Ergebnis eines Redaktionsprozesses ist, wird kontrovers diskutiert (s. Sellin* 2965—2968). Die zahlreichen im 1 Kor enthaltenen unterschiedlichen Themen haben immer wieder zu der Annahme geführt, diese Themen seien ursprünglich in verschiedenen Briefen erörtert worden. Dazu trägt die Beobachtung bei, daß sich innerhalb des 1 Kor gewisse Spannungen in der Argumentation zu zeigen scheinen: In Kap. 1—4 werden die „Parteien" kritisiert, in ll,18f. dagegen wird gesagt, es „müsse" sie geben. Kap. 13 mit dem Thema dycuir] steht seltsam sperrig zwischen Kap. 12 und Kap. 14, wo es um xagio^axa und JtveD|i,axLxä geht. In Kap. 5 und in 6,12-20 behandelt Paulus Probleme der JtOQveia in Korinth, in 6,1—11 steht dagegen mit den Fragen von Rechtssuche und Rechtsverzicht ein ganz anderes Thema zur Diskussion. Zum Problem des „Götzenopferfleisches" wird zwischen der in Kap. 8 von Paulus vertretenen Position einerseits und den Aussagen in Kap. 10 andererseits oft eine erhebliche Diskrepanz erkannt, die sich auflöse, wenn man die beiden Kap. zwei verschiedenen Briefen zuweise. In 11,2—16 gibt Paulus den Frauen, die predigen (jtQO(|)riXEi)eiv) und beten, bestimmte Anweisungen für ihr Verhalten, in 14,34.35 dagegen wird festgestellt, daß Frauen in den Gemeindeversammlungen zu schweigen haben. Auch die vorausgesetzte äußere Situation scheint in den verschiedenen Abschnitten des 1 Kor eine unterschiedliche zu sein: Nach 1,11 ist Paulus durch „die Leute der Chloe" über die Lage in Korinth unterrichtet worden; nach 5,1 hat „man" etwas „gehört" (axotiexai) von einer besonderen Form der JtOQveia in Korinth, in 11,18 schreibt Paulus im Zusammenhang der Spaltungen beim Herrenmahl hingegen axoixo ... Auf der anderen Seite erwähnt Paulus in 7,1 einen an ihn gerichteten Brief der Korinther (jteqi öe tov EyQcn|jax£), auf den er offenbar auch an anderen Stellen Bezug nimmt (8,1; 12,1, vielleicht auch 16,1 und 16,12); die Quelle für sein in 15,12 genanntes Wissen nennt Paulus nicht. In 16,17 wird von der Anwesenheit des Stephanas bei Paulus gesprochen, während bei dessen Erwähnung in 1,16 davon nichts erkennbar ist. Schließlich ist zu beachten, daß in 5,9f. ein früherer Brief des Paulus nach Korinth erwähnt und inhaltlich kurz referiert wird; dieser Brief ist entweder verlorengegangen, oder es muß versucht werden, ihn zumindest teilweise innerhalb des vorhandenen Textes des 1 Kor bzw. beider Kor zu finden. Für die Lösung der beschriebenen Probleme sind in der Exegese seit langem Teilungshypothesen vorgeschlagen worden. Dabei hat Sellin* 2968 sehr genau die theoretischen 3
Einleitung
Ansprüche benannt, die an alle Teilungshypothesen zu stellen sind: a. Es müssen Spannungen nachgewiesen werden, „die sich nur auf der Kommunikationsebene des R e d a k tors im Sinne einer (neuen) Kohärenz erklären lassen"; b. die unterschiedlichen „Kommunikations-Situationen" müssen historisch nachgewiesen werden; c. die ursprüngliche Reihenfolge der Briefe m u ß plausibel gemacht werden; d. die Gründe für die Redaktion und die neue Anordnung müssen erklärt werden (vgl. auch Sellin* 2980—2982). Die einfachste Hypothese ist die Annahme, daß 1 Kor aus ursprünglich zwei Briefen besteht. Einen entsprechenden Vorschlag hat Weiß, K (p. XL—XLII) gemacht und seiner Auslegung zugrundegelegt (wobei er dann aber dem überlieferten Text folgt). Nach Weiß könnte „Kor A " die Textabschnitte 10,1-22(23); 6,12-20; 9,24-27; 11,2-34; 16,7b-9.15—20 umfaßt haben: Hier sind die axio|iaxa „noch in einem harmlosen Anfangsstadium geschildert" (p. XLI), in der Götzenopferfrage vertritt Paulus einen rigorosen Standpunkt (10,14); der Besuch in Korinth wird für die Zeit „nach Pfingsten" angekündigt, Abfassungsort ist Ephesus (16,8f.). „Kor B " habe die übrigen Abschnitte des 1 Kor umfaßt, und zwar vermutlich in der Abfolge 1,1—6,11 („eine untrennbare Einheit", p. XLII), Kap. 7.8.13, „dann etwa 10,24-11,1, dann 9,1-23, dann Kap. 12.14.15" sowie 16,1—7a. 10—14.21—24; Weiß hält es dabei für möglich, daß „die lehrhaften Kapp.7ff." früher niedergeschrieben wurden als 1,1—6,11. Aus 15,32 sei zu folgern, daß „Kor B " nicht mehr in Ephesus, sondern vermutlich in Makedonien (16,1—7a) verfaßt wurde. Weiß meint, so lasse sich die Entwicklungsgeschichte der korinthischen Gemeinde aufhellen; die Notiz des Paulus in 5,9 beziehe sich auf „Kor A". Auf die Frage, nach welchen Kriterien der Redaktor des 1 Kor den jetzigen Text geschaffen hat, geht Weiß nicht ausdrücklich ein; allerdings betont er, daß im Falle der Einheitlichkeit des 1 Kor „über dem Ganzen eine geschickt disponierende Hand gewaltet hat" (p. XLIII). Weiß sieht in 1 Kor 1,2 eine „katholisierende" Interpolation; von derselben Hand könnten auch 4,17; 7,17; 11,16; 14,33 (ferner 10,29f.; l l . l l f . ; 14,34f.) eingefügt worden sein (p. XLI). Mit ursprünglich zwei Briefen innerhalb des 1 Kor rechnete auch Schmithals, Gnosis. Für die Redaktion vermutete er, als R a h m e n für „1 Kor" seien bewußt der Anfang von „ K o r B " (1,1-6,11) und der Schluß von „Kor A" (nach Schmithals 15,1-58; 16,13-24) gewählt worden; Schmithals nahm an, 2 Kor 6,14—7,1 sei Bestandteil von „Kor A " gewesen und habe dort unmittelbar vor 6,12—20 gestanden. Mit zwei Briefen innerhalb des 1 Kor rechnen u.a. auchPh. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur, 1975,140f. („Brief A" 11,2-34, „ B r i e f B " 1,1-11,1; 12-16) u n d H . - M . Schenke/K.M. Fischer, Einleitung in die Schriften des N e u e n Testaments 1,1978, 92-94 („Brief A " 6,12-20; 9 , 2 4 10,22; 11,2-34; 13; 15, „ B r i e f B " 1,1-6,11; 7,1-9,23; 10,23-11,1; 12; 14; 16). Sellin* 2979 nimmt an, daß 1 Kor aus drei ursprünglich selbständigen Briefen besteht: „Kor A " sei der in 5,9 erwähnte „Vorbrief' (11,2-34; 5,1-8; 6,12-20; 9,24-10,22; 6,1-11), „Kor B " sei der „Antwortbrief' (5,9-13 als Selbstkorrektur zu 5,1-8; 7,1-9,23; 10,23—11,1 sowie Kap. 12—16, ohne die Interpolation 14,33b—36), „Kor C " umfasse 1 Kor 1 - 4 . Mit vier ursprünglichen Briefen rechnet Senft, K 19: „Kor A " 6,1-11; 15,1-58; 16,13-24, vielleicht auch 6,12-20 und 11,2-34; „Kor B " 5,1-13; 9,24-10,22, vielleicht auch 6,12-20 und 11,2-34; „Kor C " 7,1-40; 8,1-13; 9,19-23; 10,23-11,1; 12,1-14,40; 16,1-12, vielleicht auch 9,1-18; „Kor D " bildete mit Kap. 1 - 4 den Abschluß der im 1 Kor enthaltenen Korrespondenz. Fünf Briefe innerhalb des 1 Kor (von insgesamt acht ursprünglichen Briefen) findet Schenk* 628—632, wobei er Teile des 2 Kor mit Teilen des 1 Kor kombiniert.
4
Zum Problem der literarischen
Einheitlichkeit
A m weitesten geht Schmithals, Briefe 19. Er nimmt an, dem Redaktor der „Hauptsammlung" der paulinischen Briefe (s.u.) hätten insgesamt dreizehn an die Korinther gerichtete Paulusbriefe vorgelegen, die in einem Zeitraum von sechs bis acht Monaten verfaßt worden seien; da Paulus es „nicht mit einer einheitlich organisierten Gemeinde in Korinth" zu tun gehabt habe, lasse sich nicht sagen, „wem die Briefe jeweils zugestellt wurden". Der Redaktor habe diese Briefe dann „in gefälliger Form" in einer thematischen Ordnung zusammengestellt (z.B.: 1 Kor 5—7 Ethik, 8—10 Götzendienst, 11—14 Gottesdienst, vgl. 2 Kor 8—9 Kollekte), bei „weitgehender Rücksichtnahme auf die ursprüngliche Chronologie". Schmithals, Briefe 26 nimmt an, daß 1 Kor 6,1—11 und 2 Kor 6,14—7,1 gemeinsam „Kor C " bildeten; die oft vertretene Annahme, 1 Kor 1,1—4,21 bildeten eine Einheit, sei zu verneinen: „Kor F" habe 1,1—3,23; 4,14—21 umfaßt, 4,1—5 seien zusammen mit 9,1b—18; 2 Kor 6,3—13; 7,2—4a der ursprüngliche „Kor H " und 4,7-13 zusammen mit 2 Kor 2,14-3,18; 4,16-6,2 und R o m 13,12b-14 „Kor K" (1 Kor 4,6 sei eine redaktionelle Glosse, verbunden mit einer irrtümlich in den Text geratenen Kopistenanmerkung, s.u. zu 4,6). Die Frage, warum durch eine sekundäre Redaktion aus mehreren Briefen ein einziger „1 Kor" gebildet wurde, beantworten Schenke/Fischer, Einleitung 94 mit der Annahme, der Redaktor, auf den auch die Glosse in 1,2b zurückgehe, habe „aus den halb vergessenen Gelegenheitsschreiben des Paulus, die er selbst vielleicht aus irgendeiner Privatschatulle ans Licht gezogen hatte, ein Lesebuch für seine und andere Gemeinden machen" wollen. Schmithals, Briefe vermutet eine umfassende Redaktion und Edition von ursprünglich 25 in einer „Hauptsammlung" enthaltenen an sechs verschiedene Adressaten gerichteten Schreiben des Paulus, wobei durch die Redaktion bewußt sieben Briefe geschaffen worden seien (1,2 Kor; Gal; Phil; 1,2 Thess; R o m ) ; Entstehungsort sei wohl Korinth. Man kann den Teilungs- bzw. Redaktionshypothesen zum 1 Kor nicht entgegenhalten, daß es für sie keine textgeschichtlichen Indizien gibt (zu Aland*); denn alle diese Hypothesen gehen von der Annahme aus, daß die Redaktion sehr früh, jedenfalls noch vor dem Beginn einer weiteren Verbreitung der paulinischen Briefe erfolgte. Kein grundsätzlicher Einwand gegen die Teilungshypothesen ist auch der Sachverhalt, daß die Hypothesen im einzelnen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen kommen; allerdings ist zu beachten, daß die in den einzelnen Hypothesen angenommenen „Brüche" bzw. Widersprüche zwischen bestimmten Textabschnitten so groß nicht sein können, wenn sie in anderen Hypothesen als gar nicht vorhanden vorausgesetzt werden. Methodisch ist von der Annahme auszugehen, daß ein Brief in seiner überlieferten Form literarisch einheitlich ist, sofern sich nicht zwingende Argumente für eine andere Annahme ergeben. Ausgangspunkt der Exegese des 1 Kor ist also die Annahme der ursprünglichen literarischen Einheitlichkeit; diese ist dann allerdings nicht nur thetisch zu behaupten, sondern vom vorliegenden Text her auch als plausibel zu erweisen. Entscheidend ist die Antwort auf die Frage, ob 1 Kor in der vorliegenden Form als eine vom ursprünglichen Autor geschaffene sinnvolle Einheit verstanden werden kann, oder ob er nur unter der Annahme einer sekundären Redaktion zu verstehen ist. Z u fragen ist auch, ob es möglich ist, den in 5,9f. erwähnten früheren Brief des Paulus innerhalb der vorhandenen Texte des 1 Kor (oder auch des 2 Kor) zu entdecken. Die zweite Frage ist sofort zu beantworten: Nirgendwo in den erhaltenen Texten der beiden Kor findet sich eine Aussage, die inhaltlich dem entspricht, was Paulus in 1 Kor 5,9f. referiert und dann 5
Einleitung
teilweise korrigiert. Der „Vorbrief' muß also als verlorengegangen angesehen werden (s. auch u. zSt.). Die Antwort auf die erste Frage ist ungleich schwieriger; sie kann im Grunde nur im Vollzug der eigentlichen Exegese gegeben werden. Immerhin zeigt eine Inhaltsanalyse, daß 1 Kor als ein literarisch in sich geschlossenes theologisches Dokument verstanden werden kann (s. Merklein*; ferner unten Abschnitt 3: Aufbau, Gliederung und Gattung). Kein Argument zugunsten von Teilungshypothesen ist es jedenfalls, wenn gezeigt werden kann, daß einzelne Abschnitte nach Gesichtspunkten einer rhetorischen Analyse gegliedert werden können (zu Pöttner, Realität, der 1,4—4,21 als rhetorisch kohärenten Brief erweisen will; Probst, Paulus sieht in 8,1—11,1 einen solchen Brief und nimmt im übrigen an, auch in Kap. 1—4; 5—7; 11,2—34; 12—14; 15; 16 lägen selbständige Briefe vor, die von der Redaktion in der ursprünglichen chronologischen Abfolge geordnet worden sein). Rhetorisch kohärente Argumentation kann sich selbstverständlich auch innerhalb von Teilen eines umfangreicheren Briefes finden (eingehend dazu Merklein, K), sie muß keineswegs zu der Annahme führen, daß der so analysierte Text als ein ursprünglich eigenständiger Brief anzusehen ist. Kein Argument zugunsten von Teilungs- bzw. Redaktionshypothesen ist auch der Verweis auf die Tatsache, daß die Paulusbriefe in der uns erkennbaren handschriftlichen Uberlieferung nicht als Einzeltexte, sondern im Rahmen von Briefsammlungen begegnen (Schmithals*); zum einen sind die Briefe jedenfalls in der Ursprungssituation als Einzeltexte versandt worden, und zum andern müßten sich eindeutige Textindizien dafür finden lassen, daß die Zusammenstellung der Paulusbriefe überhaupt mit einer die Texte selber mehr oder weniger intensiv verändernden Redaktion verbunden war. Die im Vollzug der Exegese sich bestätigende Annahme der literarischen Einheitlichkeit des 1 Kor schließt nicht aus, daß gleichwohl an einzelnen Stellen sekundäre Interpolationen vorliegen könnten. Zwingend ist diese Annahme aber nur bei dem gegen die Frauen in der christlichen Kirche gerichteten Schweigegebot (14,34.35 bzw. 14,33b—35, s.u. zSt. und die dortigen Exkurse); hier ist der Widerspruch zu dem in 11,2—16 Gesagten so eklatant, daß die Annahme einer nachträglichen Einfügung unausweichlich ist, sofern man nicht annehmen will, daß Paulus bei der Abfassung von Kap. 14 nicht mehr gewußt habe, was er kurz zuvor zu demselben Thema gesagt hatte. Eben dies spricht aber auch gegen den Versuch, die beiden Aussagen zwei verschiedenen Briefen zuzuweisen: Bei einer so grundsätzlichen Selbstkorrektur, wie sie im Falle der Authentizität von 14,33b—35 vorläge, wäre unbedingt zu erwarten, daß Paulus diese Korrektur ähnlich wie in 5,9f. zumindest kommentierend erläutert hätte. Da das aber nicht der Fall ist, muß es als überaus wahrscheinlich gelten, daß die Aussagen in 14,33b—35 in einer späteren Phase der kirchengeschichtlichen Entwicklung in den vorhandenen Text des 1 Kor eingefügt wurden. Im übrigen aber ist 1 Kor in der vorliegenden Form als literarisch einheitlich anzusehen.
3. Aufbau, Gliederung und Gattung Literatur. H . D . BETZ / M . M . MITCHELL, Art. Corinthians, First Epistle to the, A B D I, 1992, 1 1 3 9 1148. - R . F . COLLINS, Reflections on 1 Corinthians as a Hellenistic Letter, in: R . Bieringer (Hg.), C o rinthian Correspondence, 3 9 - 6 1 . — T. ENGBERG-PEDERSEN, T h e Gospel and Social Practice according to I Corinthians, N T S 33 (1987) 5 5 7 - 5 8 4 . - D. LÜHRMANN, Freundschaftsbrief trotz Spannungen. Z u Gattung und Aufbau des Ersten Korintherbriefs, in: W. Schräge (Hg.), Studien z u m Text und zur Ethik
6
Auflau,
Gliederung
und
Gattung
des Neuen Testaments. FS H. Greeven, B Z N W 47, 1986, 298-314. - H. MERKLEIN, Die Einheitlichkeit des ersten Korintherbriefes, in: DERS., Studien zu Jesus und Paulus, W U N T 43, 1987, 3 4 5 - 3 7 5 . E. SCHÜSSLER FIORENZA, Rhetorical Situation and Historicak Reconstruction in I Corinthians, NTS 33 (1987) 386—403. - E VOUGA, Der Brief als Form der apostolischen Autorität, in: K. Berger u.a., Studien und Texte zur Formgeschichte, TANZ 7, 1992, 7 - 5 8 .
Die außergewöhnliche Länge des 1 Kor und die Vielfalt der Themen machen es unmöglich, den B r i e f insgesamt von einer bestimmten rhetorischen Theorie her zu interpretieren und ihn womöglich einer entsprechenden rhetorischen Gattung zuzuweisen, wie dies insbesondere beim Gal versucht wird. Lührmann* versteht 1 Kor von der antiken Gattung des „Freundschaftsbriefes" her: Durch 1,4 und 1,10 (jraQaxaXcö „ich bitte freundschaftlich") werde der ganze Brief als Paraklese erwiesen, wobei sich der Aufbau an dem durch die inhaltlichen Themen Vorgegebenen orientiere (vgl. Engberg-Pedersen*). Als „deliberative letter" wird 1 Kor von Mitchell, Paul (vgl. Betz/Mitchell*) definiert: Das eigentliche Briefcorpus („epistolary body") in 1,10—15,58 (s.u.) bestehe aus der propositio (1,10), der narratio (1,11—17) und der in drei große Abschnitte gegliederten probatio (1,18—15,57) mit der conclusio in 15,58; diese These setzt voraus, daß der gesamte Brief durchgängig vom Thema der .Parteien' („factions") und der Aufforderung zur Einheit bestimmt ist. Diese Annahme sieht Richtiges (s.u. 5: Zum theologischen Thema des 1 Kor), aber die These, damit verbinde sich die strikte Übernahme eines rhetorischen Schemas, geht über das Erkennbare hinaus; insbesondere bestünde ein starkes U n gleichgewicht zwischen der narratio und der probatio (s. auch Schüssler Fiorenza*). Zwar übertrifft 1 Kor vom Umfang her alle anderen Paulusbriefe mit Ausnahme des R o m erheblich (2 Kor ist m.E. tatsächlich ein aus mehreren ursprünglich selbständigen Briefen redaktionell zusammengestellter Text) und sprengt auch den Rahmen eines antiken Privatbriefes. Der B r i e f tritt aber nicht nur (vorläufig, vgl. 11,34) an die Stelle einer persönlichen Anwesenheit des Paulus in Korinth; vielmehr bedient sich Paulus für die Darlegung seiner Theologie bewußt der Briefform, weil sie für ihn ein autoritatives Mittel der Kommunikation mit den Adressaten war (s. Vouga*). Dabei geht er nacheinander inhaltlich auf die ihm bekannt gewordenen Probleme ein, d. h. 1 Kor ist eine Antwort auf die vielfältigen Informationen, die Paulus aus Korinth erhalten hatte und die nach seinem Urteil eine sofortige Stellungnahme erforderten, obwohl ein persönlicher Besuch in Korinth geplant war (4,19; 16,7f.). Abgesehen von Briefeingang (1,1-9) und Briefschluß (16,1—24) kann 1 Kor in fünf große Abschnitte gegliedert werden, wobei sowohl inhaltliche Gesichtspunkte als auch formale Gliederungssignale von Bedeutung sind. Der erste Hauptteil, eingeleitet mit nagaxakm öe 1)^05, aÖ£>.(j)oi (1,10), umfaßt den Abschnitt 1,10—4,21; in der Regel wird dieser Teil unter das Stichwort .Parteien' gestellt, doch reicht das hier von Paulus Gesagte inhaltlich weit über diese vor allem in 1,12—17 und 3,1—4 sowie 3,21—23 erörterte Thematik hinaus. Paulus schließt diesen Briefteil ab mit der Ankündigung eines baldigen Besuchs (4,18—21), nachdem ein erneutes JTCIQaxaXöi ovv ¿[läg (4,16) eine inclusio mit 1,10 gebildet hatte. In dem auf den brieflichen Eingangsteil (1,1—3.4—9) folgenden Argumentationsgang führt Paulus das ihm zugetragene Problem der o/io^ata auf die nach seinem Urteil damit verbundene Grundproblematik des Verhältnisses von göttlicher und menschlicher ao(j)ia zurück (2,5—7). Nachdem er in 1,17 ooO|0r|T£); dieses Element der superscriptio ist in den Deuteropaulinen besonders nachgeahmt worden (Kol 1,1; Eph 1,1; 2 Tim 1,1; zur Sache vgl. Gal 1,1). Paulus sagt mit dieser kurzen Wendung, daß er das Apostelamt nicht aus freien Stücken auf sich genommen hat und daß er es auch 25
1,1-3
Das
Präskript
nicht aus eigener Kraft tragen könnte (Furnish* 211). Paulus nennt als Mitabsender den sonst in den Briefen nicht erwähnten Sosthenes; ob dieser identisch ist mit dem in Apg 18,17 erwähnten korinthischen Synagogenvorsteher, läßt sich nicht sagen, zumal der Name häufiger belegt ist (nach Clemens Alex, zitiert bei Euseb KG 112,1, war Sosthenes einer der 70 Jünger Jesu von Lk 10,1). o döeta^ög, wie in Phlm 1 und dann auch in 2 Kor 1,1, bezeichnet den Mitchristen (wie 1,10 u.ö.; vgl. 2 Makk 1,1: Tolg aöeta|)oi5 tolg x a t ' Al'yimtov Iouöaioig xaigeiv oi aöeX4>ol oi ev IeQoaoXi) ¡101,5 Iouöaloi; nach Jos Bell II 122 handelten die Essener aufgrund ihrer Gütergemeinschaft als döeXcfioi,). Daß Sosthenes Mitverfasser des 1 Kor ist, kann man angesichts der im folgenden fast durchgängig gebrauchten 1. Pers. Sing. (1,4.10 usw.) ausschließen (vgl. zum Problem aber Ollrog, Paulus 187-189; M u r p h y - O ' C o n n o r * 567—570 sieht Sosthenes als „co-author" in dem „wir" in 1,18—31 und 2,6—16, s. dort). Offenbar nennt Paulus ihn, um sofort die besondere persönliche Beziehung zur korinthischen Gemeinde zu betonen; denn es ist klar, daß er den Adressaten bekannt sein muß (woraus Ollrog, Paulus 30 f. folgert, es handele sich doch um die in Apg 18,17 erwähnte Person). Adressiert ist der Brief 2 „an die Kirche Gottes, die in Korinth ist". exxXr|aia fehlt im Präskript der Gemeindebriefe des Paulus nur im R o m (wie überhaupt in R o m 1—15) und im Phil (vgl. aber Phil 3,6; 4,15); im 1 Kor ist das Wort auffallend oft gebraucht (19mal, dazu in 14,33b—35). Das griech. Wort hat als solches keine religiöse Konnotation, sondern bezeichnet die (politische) Gemeindeversammlung (s. den folgenden Exkurs); der religiöse Zusammenhang wird durch den Verweis auf Gott hergestellt. Mit der partizipialen Wendung Tfj oiiar| ev Kogivöcp, die wieder in 2 Kor 1,1 (in ähnlicher Weise auch in Phil 1,1) begegnet, deutet Paulus an, daß er „die Kirche" als „weltweite" Einheit sieht und dementsprechend die korinthische (Orts-) Kirche als deren Konkretion versteht. Der der Kanzleisprache zuzurechnende Sprachgebrauch (E. Mayser, Grammatik I I / l , 347f.) begegnet oft in der Apg (5,17: f] o-uaaai^eaigT&vüaööouxaimv; 13,1; 16,3; 28,17; vgl. Bauer-Aland, W b s.v. eijw V). Wichtig im Blick auf die Probleme, die von 1,10 an erörtert werden, ist, daß Paulus die Existenz einer korinthischen Gemeinde (die sich auch als solche versammelt, vgl. 11,18) voraussetzt. Parallel dazu werden die Adressaten etwas plerophor als f|yia0[i8V0L ev Xq. 'It]ö. und als xXt|toi äyioi (vgl. R o m 1,7; Phil 1,1) angesprochen, dyidi^eiv verweist ebenso wie ayiog auf die Gottesbeziehung (vgl. Lev 19,2 LXX: äyioi eoeoöe, ötl eyd> ayiog, xÜQiog 6 öeög v^röv ; 22,32: eycb xvgiog o dyid^oov i)|i.äg ); die Formulierung zeigt an, daß den Adressaten die „Heiligkeit" nicht von sich aus eignet, sondern daß sie nur „in Christus" als „(von Gott) Geheiligte" bezeichnet werden können (vgl.Joh 17,19; Apg 20,32): Nicht „Heilige" sind berufen worden, sondern als Berufene (vgl. xXrixög äjiöozoXog in V. 1; xX.T|TÖ5 ist Verbaladj.) sind die Christen „heilig" (vgl. Lev 19,2). Der zweite Teil von V. 2 ist eine ganz ungewöhnliche Erweiterung der adscriptio (die Möglichkeit, hier werde die Nennung der Absender fortgesetzt — „Paulus und Sosthenes ... samt allen ..." — wird man aus sachlichen und sprachlichen Gründen ausschließen dürfen). Der Ausdruck oi ejuxa^oiiiiEVOiTÖ övo(ia toC xuqiou ist eine konkrete Bezeichnung der Christen (Apg 9,14.21; vgl. R o m 10,12f.; 2 Tim 2,22). Die Wendung ejtixa>.eio8aiTOÖvo(i,aToi3 xiipioD (oder: tövxijqiov) begegnet häufig in LXX (z.B. Gen 13,4; 21,33; vgl. 1 Regn 12,7f.; 99,6; Joel 3,5; vgl. JosAs ll,17f.; PsSal 6,1; 15,1); auch in außerjüdischer Religiosität werden die Götter im Gebet „angerufen" (K.L. Schmidt, T h W N T III, 499). Der „Name" steht dabei für die Person. Eine ganz ungewöhnliche 26
Exkurs: exxÄrjaia bei Paulus
1,2
Vorstellung ist natürlich, daß Paulus seinen B r i e f „an alle Christen ev jtavxl TÖJtü)" gerichtet haben sollte. Weiß, K 3 verweist auf die bei Tertullian (Adv Marc V 17,1) begegnende Anschauung, der Apostel habe seine Briefe eigentlich stets an alle Christen gerichtet (cum ad omnes apostolus scripsit dum ad quosdam), und deshalb sei V. 2b als spätere katholisierende Glosse anzusehen und zu streichen. D e m ist in der Forschung oft zugestimmt worden (Fascher,K 81; Schmithals, Briefe 48; Schnider/Stenger* 23), wobei als (freilich nicht ganz treffende) Parallele daraufhingewiesen werden kann, daß in R o m 1,7.15; Eph 1,1 die Ortsangaben sekundär gestrichen (!) wurden, um auf diese Weise den Empfängerkreis der Briefe zu entgrenzen. Trobisch, Entstehung 81—83 sieht in V. 2b die Adresse einer zweiten, „allgemeinen" Ausgabe des 1 Kor innerhalb einer Briefsammlung, zu der R.öm, Hebr, 1 Kor und Eph gehört hätten (s. dazu die Einleitung: Z u m Problem der literarischen Einheitlichkeit). Zu beachten ist die Verwendung der Präposition ovv (anstelle von xai); offenbar sind die erwähnten itcivxeg gar nicht als weitere Briefempfänger zu sehen (was tatsächlich schwer vorstellbar wäre), sondern Paulus will schon hier darauf verweisen, daß die Korinther in der Gemeinschaft mit allen anderen Christen stehen (vgl. Allo,K 2f.; Fee,K 33f.; hingewiesen wird auf die Synagogeninschriften CIJ II 9 7 3 . 9 7 4 : „Es sei Friede diesem Ort und allen Orten Israels"; nach Kümmel, K zSt. hat Paulus „alle zum Gottesdienst versammelten Christengemeinden" vor Augen). D a xönoq Bezeichnung der jüdischen heiligen Stätten sein kann, erwägt Barrett, K 3 4 hier einen entsprechenden (juden-) christlichen Sprachgebrauch; aber wahrscheinlich ist einfach gemeint „überall" (vgl. 1 Thess 1,8). Wirklich unklar ist nur der Sinn der beiden Pronomina aivträvxair||xa)v; nach Lietzmann, K 5 nehmen sie das T||j,A>v bei XUQLOU wieder auf, was Kümmel zSt. j e d o c h für „unmöglich" hält, da X U Q I M I ZU weit entfernt stehe (Wickert* 8 0 sieht in r)|iöjv den Bezug auf Paulus, in atixöjv den Bezug auf die K o r i n ther) . Bousset, Schriften 75 erwägt, Paulus selbst habe nur ev jtavxl xöjrcp aiixcöv („an j e dem O r t bei ihnen") geschrieben und dann habe ein Abschreiber durch x a i rpajv „uns" mit hineinzubringen versucht. Will man j e d e Konjektur vermeiden, so muß man sich wohl mit der Feststellung begnügen, daß eine etwas überladene adscriptio vorliegt.
ey.xXr)oia bei Paulus Literatur: K. BERGER, Volksversammlung und Gemeinde Gottes, ZThK 73 (1976) 167-207. - M. GIELEN, Zur Interpretation der Formel r| xax' olxov E>txA.r|oia, Z N W 77 (1986) 109-125. - H. MERKLEIN, Die Ekklesia Gottes. Der Kirchenbegriff bei Paulus und in Jerusalem, in: DERS., Studien zu Jesus und Paulus, W U N T 43, 1987, 296-318. - J . ROLOFF, Die Kirche im Neuen Testament, G N T 10, 1993, 9 6 99. - W. SCHRÄGE, „Ekklesia" und „Synagoge", ZThK 60 (1963) 178-202. Der These, £xy.Xr]aia sei als Profanbegriff bewußt in Abgrenzung von der jüdischen Bezeichnung ouvayor/ii als Selbstbezeichnung der christlichen Gemeinde gewählt worden (Schräge*; vgl. Gielen* 119f.), ist von Berger* widersprochen worden: Der Befund in der L X X , wo exxXr)aia xupiou regelmäßig für m n ' "?np steht, und auch der neutestamentliche Sprachgebrauch im ganzen verwiesen auf einen von vornherein religiösen Zusammenhang; die Angehörigen der £xx\r\aia seien die 07101, d.h. die in besonderer Weise (kultisch) Ausgesonderten. Demgegenüber ist jedoch zu beachten, daß zumindest im griechischsprachigen Raum das Wort tv.y.'kr\aia zunächst nicht als religiöser Begriff gehört wird (vgl. im N T Apg 19,32.39.41): Paulus „kann (und muß?) seinen hellenistischen Lesern den traditionellen Begriff der ,Ekklesia Gottes' vom profanen griechischen Begriff der Ekklesia-Versammlung her erklären" (Merklein* 313). Denkbar ist, daß £XxXr]oia ursprünglich Selbstbezeichnung der griechisch-sprechen-
27
1,1-3
Das Präskript
den Judenchristen Jerusalems war (vgl. d e n eigenartigen B e f u n d in A p g 8 , 1 - 3 , daß bei der Verfolgung der EXXXT)OLdr|TOLg äyioig) auf; der „treue" Gott hat die korinthischen Christen in die xoivcovia seines Sohnes berufen (öiä verweist hier natürlich nicht auf den Mittler, sondern auf den Ursprung der Berufung; B D R § 223,3), und er ist so der Garant für die Erfüllung der Aussage von V. 8. Zu xoivüjvia vgl. 10,16; denkbar ist, daß dieser Begriff von Paulus schon mit Blick auf die im unmittelbar folgenden Textabschnitt erörterte Problematik der oxiö|xaTa bzw. EQLÖEg verwendet wird - die xoivcovia Christi ist dann zugleich ein Element der xoivcovia der Christen untereinander (vgl. Mitchell, Paul 135f.). Jesus Christus wird hier als „Sohn Gottes" und — schon zum fünftenmal in V. 1—9 — als „unser Herr" bezeichnet, wobei der Sohnestitel gerade die besondere Nähe Christi zu Gott zum Ausdruck bringt (vgl. 1 Thess 1,10) und insofern einen gegenüber den bisherigen christologischen Aussagen etwas veränderten Akzent setzt. Von der Osten-Sacken* sieht in V. 9.8.7 einen ursprünglich auf Gott bezogenen Treuespruch verarbeitet, den Paulus umgeformt und stärker christologisch akzentuiert habe (zustimmend Radi, Ankunft 34). Die Formel hätte danach gelautet: motög 6 0£Ög, öi' o i exXt|0tite 8 tg xoivcoviav toxi ukrü axitoO / og xal ßeßaicbaei i>|iäg... äveyxXfiToug..., ajiExöexo^evoug tr]v ajioxäXmjHv xoD xugiou rpöv'Irjcro'ü Xqiotot). Aber das pass. exXr|6t]te wäre im Rahmen einer Formel eher ungewöhnlich, und die Verwendung des Verbs ßeßaioOv scheint kontextbedingt und also jedenfalls nicht einer Formel zuzuweisen zu sein. Gegen die These spricht vor allem, daß Paulus die Formel ohne weiteres unverändert hätte übernehmen können — man sieht nicht, warum er die Umstellungen hätte vornehmen müssen. Die eucharistia des 1 Kor folgt einer festen Form, doch zeigen sich vor allem in V. 5.7f. Aspekte, die sich speziell auf Korinth beziehen und dabei direkt oder indirekt auf Themen des ganzen 1 Kor vorgreifen (Baumann* 44): Zu £TtA.oira|j,cöv keyei xxL ist natürlich pauschale (und zugleich abgekürzte) Redeweise; ob wirklich jeder (und jede) sich einer bestimmten Position angeschlossen hatte, ist zumindest fraglich, und natürlich rechnete man sich nur einer der genannten Positionen zu (also eigentlich: o |aev Xeyei' kydi el[H •••, o öe Xeyev ejv)e'i|j,i ...). Der Gebrauch der 1. Pers. Sing, fällt ins Auge; offenbar geht es nicht so sehr um Gruppenbildungen, sondern um die Bindung des jeweils einzelnen an eine Leitfigur (s.u.). Daß die Aussage eyd) (el|xi) c. gen. ( B D R § 162 7 ) wirkliches Zitat einer korinthischen „Parole" ist, kann man bezweifeln; dagegen spricht schon ihre formale Gleichheit. Clarke, Leadership 92f. vergleicht das zeitgenössische Patronatswesen (vgl. aaO., 35); aber da keine der erwähnten Leitfiguren sich ständig in Korinth aufhält, ist diese These kaum schlüssig. Nach Mitchell, Paul 83—86 gibt es zur Wendung „Ich bin des . . . " weder in politischer noch in philosophischer Literatur exakte Analogien; nächste Parallele ist Jes 44,5 ( L X X : toD Oeoü el|lil; H T : ' i S mn ,l 7) > und da die Wendung ein Besitzverhältnis bezeichne, unterstelle Paulus den Korinthern, daß sie sich wie Kinder oder Sklaven von den jeweiligen Leitfiguren abhängig machen (vgl. 7,23). Wer sind die genannten Leitfiguren? Paulus, der (zufällig?) zuerst genannt wird, ist Gründer der Gemeinde (3,6.10) und ihr Apostel (9,2); er hat den Korinthern „das Evangelium" gebracht (15,1—11). Wenn nun einzelne in Korinth Eycb ei|u IIaöÄ.ou sagen, dann deutet dies auf einen nicht unerheblichen Autoritätsverlust des Paulus hin. Apollos war nach Paulus in Korinth tätig (vgl. 3,6—9). Seine Beziehung zu Paulus ist für uns im einzelnen nicht genau faßbar; nach 16,12 hält sich Apollos zur Zeit der Abfassung des 1 Kor in Ephesus auf und weigert sich, nach Korinth zu reisen, obwohl Paulus ihn dringend darum gebeten hatte. Er scheint also in seinen Handlungen von Paulus unabhängig zu sein; Paulus kann es sich aber leisten, dies die Korinther auch wissen zu lassen (s. zu 16,12). Aus der Tatsache, daß in 3,4f. nur Paulus und Apollos als Leitfiguren im Blick sind, wird oft gefolgert, hier zeige sich die eigentliche Konkurrenz. Tatsächlich scheint es nach 4,6 zwischen Anhängern beider zu einer Kontroverse gekommen zu sein (s. dort); aber das es wirklich nur zwei „Gruppen" gegeben habe, ist nach dem Wortlaut von V. 12 eigent-
38
Exkurs: Die egideg in Korinth
1,12
lieh ausgeschlossen (s. den folgenden Exkurs). Ü b e r eine Verbindung des Kephas (d.h. Petrus; diese N a m e n s f o r m verwendet Paulus aber nur in Gal 2,7f.) mit Korinth wissen wir nichts; einen „sicheren Beweis" fiir einen Korinth-Aufenthalt des Petrus (so Strobel, K 40f., ähnlich schon Vielhauer* 172f.; Barrett* 37 spricht von „probable presence") bietet 1 Kor jedenfalls nicht. In dem kurzen R ü c k b l i c k auf die Gemeindegeschichte (3,6—11) wird er nicht erwähnt, wohl aber in dem das T h e m a abschließenden Gedankengang in 3,18—23 (V. 22) sowie in 9,5 u n d vor allem in 15,5. Die korinthischen C h r i sten verbinden mit seinem N a m e n also zweifellos gewisse Kenntnisse. O b auch Christus in Korinth als Leitfigur einer G r u p p e analog zu Paulus usw. galt, ist heftig umstritten. Z u beachten ist, daß einerseits die Formulierung eym öe XQIOTO'Ö voraussetzt, es werde in Korinth hier keinerlei Verstehensprobleme geben, u n d daß andererseits wir das Problem o h n e weitere Quellen vermutlich niemals werden lösen k ö n n e n . Das V 12 abschließende eym öe XQIOTO'Ö gilt als Randglosse eines späteren Lesers oder als persönliche A n m e r k u n g des Paulus selber (so schon Chrysostomos; vgl. B a u m a n n * 54) oder, „trotz der fehlenden syntaktischen Zäsur", als ironisch gemeinte hypothetische Zuspitzung („es k o m m t noch so weit, daß ...", Schräge, K 1 , 1 4 8 ) oder wirklich als Hinweis auf eine korinthische „Christus-Partei" (Conzelmann, K 52; Barrett, K 45; Wolff, K 28). Für diese Auslegung spricht der Textduktus. Es wird dagegen eingewandt, daß die Fortsetzung in V. 13a unlogisch wäre, w e n n eine Gruppe Christus für sich beansprucht hätte (Weiß, K 17); aber die rhetorische Frage in V. 13a bringt im Gegenteil z u m Ausdruck, daß Christus eben keine „Leitfigur" n e b e n anderen sein kann (Wolff). Hätte Paulus das eyd> öe XQIOTO'Ö von sich aus angefugt, so hätte er das Christusbekenntnis zumindest der Formulierung nach einer „Parteiparole" gleichgestellt, was sicher auszuschließen ist.
Die EQiöeg in Korinth Literatur: BARRETT (S. ZU 1 , 1 0 - 4 , 2 1 ) . - BAUMANN (S. ZU 1 , 4 - 9 ) . - H . MERKLEIN, K I, 1 3 4 - 1 5 2 . - M . M . MITCHELL, Paul 8 3 - 8 6 . - SELLIN (S. ZU 1 , 1 0 - 4 , 2 1 ) . - T H E I S (S. ZU 1 , 1 0 , 4 - 2 1 ) . - G . THEISSEN, L e g i t i m a -
tion und Lebensunterhalt: ein Beitrag zur Soziologie urchristlicher Missionare, in: DERS., Studien zur Soziologie des U r c h r i s t e n t u m s , W U N T 19, 2 1 9 8 3 , 2 0 1 - 2 3 0 .
Uber die Diskussion in der älteren Forschung informiert knapp Lietzmann im Exkurs zu 1,12. Die „Spaltungen" in der korinthischen Gemeinde gelten schon in der ersten uns bekannten Erwähnung des 1 Kor als „typisch" (1 Clem 47,1-7; s. dazu Lindemann, HNT 17 zSt.). Jedes Nachdenken muß davon ausgehen, daß wir über das von Paulus in 1,12 Gesagte hinaus im Grunde nichts wissen. Der Apostel spricht im 1 Kor die Gemeinde stets als ganze an, d. h. durch die EOIÖE; ist die Einheit der E5txXr)aia zumindest in „organisatorischer" Hinsicht zwar vielleicht gefährdet, aber sie ist keinesfalls schon beseitigt. Zu fragen ist: 1. Wie war es zu den EQiöeg gekommen: Entstanden die Spaltungstendenzen auf der Basis ursprünglicher Einheit? Oder führte Zuzug von außen zur Gruppenbildung? Darauf gibt es im Text des 1 Kor (anders als 2 Kor 10-13, insbesondere 11,4) keine Antwort; vermuten kann man, daß beides zusammentraf. 2. Wie bestimmt der jeweilige korinthische Christ, der eyd) sagt, das eigene Verhältnis zur jeweiligen Leitfigur? Nach Sellin* bezeichnet der Genitiv den Heilsmitder, während Schnelle, Gerechtigkeit 137 annimmt, die korinthischen Christen beriefen sich jeweils auf denjenigen, der sie getauft hatte (womit vorausgesetzt wäre, daß es die „Christus-Partei" nicht gab). Denkbar ist, daß die Zuordnung gar nicht in jedem Fall einheitlich erfolgte, daß vielmehr in einem Fall die Taufe, im andern Fall die theologische Orientierung bzw. Frömmigkeit den Ausschlag gab.
39
1,10-25
Paulus und die Gemeinde in Korinth
3. Haben die eqiöe? etwas mit den in der Gemeinde vorhandenen sozialen Unterschieden zu tun? Nach T h e i ß e n * 228f. könnte sich die Gruppenbildung auf „die Höherstehenden" bezogen haben, die zur Finanzierung der Apostel beigetragen hatten; die dem Paulus übermittelte kritische Information hierüber wäre dann „von u n t e n " gekommen, wo man den Streit nicht zu akzeptieren bereit war. Aber zumindest Paulus selber betont, er habe von den Korinthern überhaupt kein Geld g e n o m m e n (9,13.15); die N a m e n der „Parteihäupter" verweisen durchgängig nicht auf Angehörige der korinthischen Gemeinde. 4. Läßt sich etwas über die von den jeweiligen „ G r u p p e n " vertretenen Lehrmeinungen sagen? Diese Frage wird besonders intensiv diskutiert, zumal oft die These vertreten wird, die Diskussion zum T h e ma „Weisheit" lasse erkennen, daß die Gruppenbildung etwas mit dem ausgeprägten Interesse an aoAt)|ievoic; / xolg ow^ofxevoig) und zwei Prädikatsnomina (nxogia / öiivafxig) zu; dabei bricht er die strenge Parallelität aber dadurch auf, daß er xolg ocp^onevou; durch r||Jlv und öüvamg durch 0eoö näher charakterisiert:
43
1,10-25
Paulus und die Gemeinde
in
Korinth
o koyoc, 6 xoü axcruQO'ü xotg 6e oqj£,o(j.£voig rplv 8i)va(xis 8eol3 eaxiv.
T0I5 |i£V äjtoXXu|i£VOl5
(xwQia eotiv.
Paulus sagt in V. 18 nicht, daß die einen die Predigt subjektiv als „Dummheit", die anderen sie dagegen als „Kraft Gottes" ansehen; vielmehr ist dies objektiv die Wirkung des Xöyoq xoü arauQO'0 an den Hörenden. cutö/JoiaOciL und atp^eaGai sind Termini des eschatologischen Urteils (vgl. 2 Kor 2,15f.: Sdvatog und ^cor); Phil 1,28: änwkeia und aojxriQLa): „Der "koyog xoü axauQoij hat also eschatologisch-,kritische' Kraft" (Wilckens, Weisheit 23). Die cui;oXX,u|ievoi (Part. Präsens!) sind diejenigen, für die die Kreuzesbotschaft (itoQia ist, ohne daß Paulus damit eine womöglich äußerlich identifizierbare Gruppe bezeichnet hätte (vgl. Weder* 142f.). [uogia begegnet im N T nur 1 Kor 1,18.21.23; 2,14; 3,19 ((iüjqqlvüj bei Paulus und in Q [Lk 14,34f./Mt 5,13], utoqöc; außer bei Paulus auch bei Mt [vgl. vor allem 25,2ff.] und in den Past); gemeint ist ein Urteil, das den Inhalt der Predigt als unlogisch und vernunftwidrig bezeichnet, also dieselbe Reaktion, die in V. 23 axävöaXov und |icoQia genannt werden wird. Die aJtoMoj^iEvoi erweisen sich dadurch ihrerseits faktisch als |icoqol Denn flir die oüj^ö^evoi, also in Wahrheit, ist die Kreuzespredigt öiivotfug Gottes. Entscheidend ist hier das Personalpronomen f||jlv — so kann nur im Akt des Bekennens gesprochen werden. Das Fehlen von t|(xlv bei F G 6 und auch Tert Marc V 5,5 kann bewußte Streichung sein, um die Aussage prinzipieller zu formulieren; es kann aber auch Nachlässigkeit sein (Schmid, Marcion 67). Paulus deutet übrigens nicht an, daß die Korinther möglicherweise nicht zu den mit fmlv Bezeichneten gehören könnten (zu WolfF, K 35; ganz unwahrscheinlich ist die Annahme von Murphy-O'Connor*, „wir" in 1,18—31 seien Paulus und Sosthenes, s. nur V. 30). Der Gegenbegriff zu ¡xooQia müßte eigentlich aova[iLg Geoü ansieht (Rom 1,16; vgl. Gal 3,5). Die Kreuzespredigt verweist „uns" auf Gott, läßt Gottes Macht an „uns" wirksam werden und macht so „uns" zu denen, die gerettet werden (ol acü^ö(j,Evoi als Bezeichnung der „Christen" auch in Apg 2,47). Als Beleg für das in V. 17b.l8 Gesagte zitiert Paulus 19 die Gottesrede Jes 29,14 LXX (lediglich mit a0Exr|Oco statt XQiiijia)). Die Einleitungsformel yeyQcmxaiyaQ begegnet im 1 Kor nur noch an der sachlich eng verwandten Stelle 3,19; vgl. aber R o m 12,19; 14,11; Gal 3,10; 4,22.27 (Koch, Schrift 31). Paulus meint, daß Gottes Ankündigungjefzi in Erfüllung gegangen ist. Dabei ist der ursprüngliche Kontext offenbar nicht im Blick (anders Wilk, Bedeutung 246, der freilich auch annimmt, Paulus greife in V. 22f. den Weheruf aus Jes 29,15a auf; Jes 29,13 begegnet als Zitat innerhalb der Jesusüberlieferung, Mk 7,6f., vgl. Lindemann, FS Ernst 201—203). Das Zitat bestätigt für Paulus, daß eine Verkündigung ev aocfiia Xöyov (V. 17b) nicht in Frage kommen kann, und daß das, was in V. 18 als (xcogia bzw. als Öijva|j.i5 GeoC beschrieben worden war, ein aktives Handeln Gottes ist (der hebr. Text, der nicht in der 1. Pers. Sing, formuliert ist, wäre deshalb für die Beweisführung nicht geeignet gewesen). Obwohl im zitierten Text das „Ich" Gottes redet, ist dieses nicht in besonderer Weise betont (zu Hübner, Theol II, 119), wie schon die Einleitungswendung zeigt (es heißt nicht: „denn Gott hat gesagt"). Die drei rhetorischen Fragen in 20a sind als Nominalsätze formuliert; das abschlie44
Die korinthischen Auseinandersetzungen
und die
Kreuzespredigt
1,20-21
ßende Genitivattribut tot) aiarvog xoüxoi) bezieht sich vermutlich auf die drei zuvor genannten Begriffe (Wolff, K 37); der eigentlich apokalyptische Terminus o alcbv cuxog begegnet in 1 Kor 1—3 fünfmal, sonst bei Paulus nur noch R o m 12,2; 2 Kor 4,4; Gal 1,4 (vom „kommenden A o n " spricht Paulus niemals). Die Fragen beziehen sich einerseits auf die korinthische Situation, sie enthalten darin zugleich überjes 29,14 hinausgehende biblische Bezüge, freilich keine Zitate. Die erste Frage nov 004165; nimmt offenbar Jes 2 9 , l l f . (V. 12 LXX: itoü eioivüvoioo(j)oioou;) auf. Die zweite Frage Jtoi3 Ypan^axeijg; erinnert an Jes 33,18 (itoü eioiv oiyQa|i|j,axixoi;); das den jüdischen Schriftgelehrten bezeichnende Wort Y6 a l x ! x a T e ^5 begegnet im N T sonst nur in den Evangelien und in der Apg. Die dritte Frage hat keinen biblischen Bezug — der au£T]xr)xr|g als „philosophischer Forscher" (M. Lautenschlager, Abschied vom Disputierer. Z u r Bedeutung von cru£r|xr|xr|g in 1 Kor 1,20, Z N W 83 [1992] 276-285) ist offenbar die griechische bzw. hellenistische Entsprechung zum Y0oi|x|iax£t)5; das Subst. begegnet in der gesamten Gräzität offenbar nur hier (aufgenommen in Ign Eph 18,1), aber cru£r|xr|xelv und ai)^r|xr)aig sind nicht selten (Liddell-Scott 1670:,Joint inquiry, discussion"). Z u m ironisch-rhetorischen Stil der Fragen vgl. Bar 3,14.16 (dort freilich mit Kopula). Die in 20b folgende abschließende Frage (vgl. dazu Jes 19,11: oi oo 73,4; 93,3, zum eschatologischen Selbstruhm der Frommen Ps 149,5 (s. R. Bultmann, ThWNT III, 646f.; Heckel* 159-162). Im griech. Sprachgebrauch kann xau/äcrOai positiv oder zumindest neutral gebraucht sein, hat aber im allgemeinen einen negativen Beiklang. Durch Gottes in V. 27f. beschriebenes Erwählungshandeln ist das „Sich-Rühmen vor Gott" für alle ausgeschlossen, auch für „die Schwachen" und „die Dummen" in der Gemeinde. Zugleich aber 30a gilt nun auch, daß von Gott her (ei; avxov) die Adressaten (•U|xel5 meint wieder die ganze Gemeinde) „in Christus Jesus sind". Möglicherweise ist eoxe sogar streng zu fassen: Als sonst Nicht-Seiendes (xct A | T] övxa, V. 28) sind (existieren) die Angeredeten nun doch, freilich EVXQIOXCÖ (ablehnend mit vielen Kümmel zSt.: das eoxe sei nicht betont; aber ist die Nähe der unterschiedlichen Formen von elvai reiner Zufall?); deshalb sollen sie sich ev xuQicp sogar rühmen (V. 31). Von Christus Jesus wird nun 30b gesagt, daß er von Gott her (cutö öeoü) „für uns" zur aoia gemacht worden ist (vgl. V. 24; zu eyevriOTi vgl. dazu zweifache yevö(xevov in Gal 4,4). Damit wird die oo(|)ia nun auf Christus bezogen und umgekehrt Christus auf die oo(|>ia: So erweist sich das Reden von „Weisheit" nun doch als theologisch legitim (ohne daß sich damit nun womöglich eine paulinische „Weisheits-Christologie" verbindet, vgl. von Lips* 349f.). Erstaunlicherweise schließt Paulus an oo16705), müßte man ein bis dahin nicht belegtes Adjektiv jtEiOög annehmen („in überredenden Worten der Weisheit"; vgl. den Vulgatatext non inpersuasibilibus sapientiae verbis; persuasibilis steht lat. für mOavög „plausibel"; vgl. Jti0avoX.oyia, Kol 2,4). Ist deshalb — da koyoiq sowohl in ^S46 als auch in F und G fehlt — ev JIEIÖOI (Dativ 55
2,1-5
Paulus und die Gemeinde in Korinth
von ireiOo'j „Überredungskunst") ao^iag zu lesen? Diese Lesart ist aber so in keiner Handschrift überliefert; man müßte annehmen, daß die längere Lesart zunächst durch Verschreibung (^S46F G: ev jteiGoig crcxjjlag) zustandegekommen wäre und daß dieser Text dann durch das Subst. Xöyoiq, das mit dem als Adj. aufgefaßten JteiGoig ergänzt wurde, erweitert worden wäre. So wird der so rekonstruierte Kurztext von vielen für ursprünglich gehalten (u.a. Fee, K 88; von Lips* 334—336; Weiß, K 49 weist auf „die schöne Korrespondenz" von ev jteiGoi aocjna? mit ev djtoöet^et jtvei)|iaTog hin); aber angesichts des Fehlens einer entsprechenden handschriftlichen Uberlieferung ist wohl doch der Langtext zu bevorzugen (R. Bultmann, T h W N T VI, 9 betont, inhaltlich sei die Differenz zwischen beiden Lesarten „belanglos"). Uberraschend ist in jedem Fall, daß Paulus hier einen Begriff aus dem Wortfeld Jieiöco „überreden, überzeugen" einbringt, das sonst im 1 Kor ganz fehlt (vgl. demgegenüber 2 Kor 5,11; Gal 1,10). Nach Quintilian (Inst Orat II 15,3-22) wird die Rhetorik von vielen als „Kraft des Uberredens" vis persuadendi definiert, doch das eigentliche Ziel des Redners sei nicht das persuadere, sondern das bene dicere (VIII 1,11). Was Paulus sagen will, ist klar: Seine Verkündigung in Korinth entsprach nach Inhalt und Form nicht den der ooia entsprechenden Normen. Vielmehr vollzog sich diese Predigt, wie Paulus in 4b feststellt, im „Beweis des Jiveü^a und der öiJvafXLg" (Belege für die rhetorische Wendung oi> Xoyoiq juvGavoig äXXä „nicht mit überredenden Worten, sondern ..." bietet N W I I / l , 242). Gemeint ist, wie V. 5 sogleich bestätigt, das göttliche Jtveß(xa und Gottes Macht (vgl. 1 Thess 1,5). Zur Predigt als Erweis der öuvafwg Gottes vgl. 1,18; der Begriff jrv£Ö(xa begegnet im 1 Kor hier erstmals, dann aber sehr häufig (vgl. schon 2,10—14). ctit6öeii;ig im N T nur hier, ctJtoöeixvufu aber 1 Kor 4,9 (vgl. 2 Thess 2,4 und zweimal in der Apg). In rhetorischer Terminologie ist djtööeilig nach Quint Or V 16,7f. „eine ins Auge fallende Beweisführung" (evidens probatio), das Verfahren, „mittels sicherer Tatsachen zweifelhaften zur G l a u b w ü r d i g k e i t zu v e r h e l f e n " {per ea quae certa sunt,fidem
dubiis adferens); A r i s t o t E t h
Nie VI 5 p 1140 a 33ff. hatte betont, daß eine &jtööei§i5 dann nicht möglich ist, wenn die Voraussetzungen (cd ägxai) veränderlich sind, weshalb man vom R h e t o r eine äjiööei^ig nicht erwarten dürfe (I 3 p 1094 b 27). Philo Poster C 167 deutet die Gottesrede in Dtn 32,39 (i'öete LÖSTE, ÖTI eyco ei|U) als Beleg dafür, daß das wahrhafte Sein eher durch ivö.Qytia ergriffen wird als daß es Xoyo)\ aitoöei^ei erwiesen würde. Vit Mos I 95 nennt Philo die zehn Plagen von Ex 7 ff. aitoöei^eig... öiä ar||iEicov xai TeQdxwv, nachdem die Kundgabe des Gotteswillens öict xcbv Xoycov nichts gefruchtet hatte (vgl. 2 Kor 12,12, wo Paulus von den „Zeichen des Apostels" spricht, die in Korinth getan worden seien - ot|(xeloi5 xe xai tepaoiv xai öuva^eaiv). Zu itvei3[xa xai 8iJva(iL5 vgl. Gal 3,5; 1 Thess 1,5; 2 Tim 1,7, ähnlich 1 Petr 4,14; Lk 1,17.35; Apg 10,38. Von dem der öiivajxig des geschaffenen Leibes entsprechenden itvefina spricht Test XII Naph 2,2. Möglicherweise ist itveii^atog xai öuväneroc; an unserer Stelle als Hendiadyoin zu fassen, so daß Paulus nicht von zwei „Beweisen" spricht, sondern von dem einen Beweis der „geistigen Macht" bzw. der „Macht des Geistes" (vgl. R o m 1,4; Apg 1,8). Wenn dies als Alternative zu Xöyoc, steht, fragt man sich natürlich, an welchen „Beweis" Paulus konkret denkt. Offenbar nicht an orjueia, wie l,22f. gezeigt hatte (gegen von Dobbeler* 33—35; auch die Bemerkung von Fee, K 99 A 28, Paulus spreche von einer sichtbaren airoöei^Lg, geht wohl am Text vorbei). Wahrscheinlich meint Paulus einfach die Tatsache, daß die Verkündigung Glauben gefunden hat
56
Die Offenbarung der verborgenen Weisheit
Gottes
2,6-9
(vgl. V. 5), ohne daß sich der Verkündiger „überredender Weisheitsworte" bedient hätte (Baumann* 167; Barrett, K 66; Vos* 105). Zu beachten ist die Kommunikationssituation: Paulus braucht an dieser Stelle überhaupt nicht „konkreter" zu werden, weil seine Adressaten ja genau wissen, worauf er sich bezieht. Das Ziel des Gedankengangs ist der abschließende Finalsatz 5. Das Auftreten des Paulus in Korinth erfolgte in der in V. 1—4 beschriebenen Weise, damit der Glaube der Korinther nicht auf der Macht von Menschen, sondern auf der Macht Gottes beruhe, nf) — aXX' nimmt die Opposition aus V. 4 auf. ao4>ia CIVBQÜOTIOV, so im 1 Kor nur hier, entspricht aoia TOI) XÖO|IOD (1,20) bzw. oo(F>IA Xöyov (1,17). Zu öi>va(i,Lg GEOÜ vgl. 1,18.24: In der nicht „menschlich-weltlichen" Kriterien entsprechenden Kreuzespredigt wird Gottes öt)va(i(,g erfahren, und diese schafft als solche den Glauben. Denn mang im chrisdichen Sinne ist per definitionem Erweis der öiiva^ig Gottes und nicht menschliche Leistung — welcher Art auch immer diese sein könnte. Paulus stellt mit der Erinnerung an sein Auftreten in Korinth heraus, daß die Adressaten der Verkündigung herausgenommen wurden aus der Relativität menschlicher ooia hin zur öi)va|uq Gottes, die in Christus Gestalt gewonnen hat (vgl. 1,24). Dabei ist mit dem Hinweis des Paulus auf seine „Schwachheit" nicht gemeint, daß er im psychologischen Sinne „schwach und verzagt" gewesen sei (so Strobel, K 59), als komme es für die Prediger darauf an, Unsicherheit demonstrieren zu müssen. Die ganze Argumentation des Paulus funktioniert ja nur auf der Basis des gegebenen Sachverhalts, daß die Predigt tatsächlich nicht erfolglos war, sondern zum Glauben geführt hat. Daß die Rede vom gekreuzigten Christus Kundgabe des fn)crrr|Qiov TOV BEOTJ ist, wird ja erst und allein im Glauben erfahrene Wirklichkeit. Von „außen" betrachtet entbehrt die Predigt gerade der ditoÖEL^ig des Geistes und der Macht, sondern sie ist im Gegenteil |!ü)QLa (1,18). Erst das Wunder des Glaubens — das ja den Korinthern widerfahren ist! — führt zu der Erkenntnis, daß nicht „überredende (oder auch: überzeugende) Worte der Weisheit" gesprochen worden waren, sondern daß sich wirklich Gottes Öi)va|ai5 selber realisiert und im Leben der Glaubenden Gestalt gewinnt. Dabei wird zugleich deutlich, daß das Kreuz Christi als Gegenstand der Verkündigung nicht zur Disposition steht; es kann nicht als historischer Zufall noch gar als Mißverständnis gedeutet werden.
2,6—16 D i e Offenbarung der verborgenen Weisheit Gottes 6
Weisheit aber verkündigen wir bei den Vollkommenen, Weisheit jedoch nicht dieser Weltzeit, auch nicht der Herrscher dieser Weltzeit, die ja überwunden werden. 7 Vielmehr verkündigen wir Gottes Weisheit im Geheimnis, die verborgene, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Weltzeit zu unserer Herrlichkeit, 8 die keiner der Herrscher dieser Weltzeit erkannt hat; wenn sie sie nämlich erkannt hätten, hätten sie nicht den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt. 9 Vielmehr (verkündigen) wir, wie geschrieben steht, (das), „was kein Auge gesehen hat und was kein Ohr gehört hat, und was in kein Menschenherz Eingang gefunden hat, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben". 57
2,6-16
Paulus und die Gemeinde in Korinth
Uns aber hat es Gott geoffenbart durch den Geist. Der Geist nämlich durchdringt alles, auch die Tiefen Gottes. 11 Denn wer von den Menschen versteht das (Wesen) des Menschen, ausgenommen der Geist des Menschen, der in ihm ist? So hat auch das (Wesen) Gottes niemand erkannt, ausgenommen der Geist Gottes. 12 Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist von Gott her, damit wir verstehen, was uns von Gott geschenkt worden ist. 1 3 Das verkündigen wir auch — nicht in Worten, die von menschlicher Weisheit gelehrt sind, sondern in vom Geist gelehrten (Worten), indem wir mit Geistlichem Geistliches vergleichen (oder: deuten). 14 Ein „psychischer" Mensch aber nimmt das (Wesen) des Geistes Gottes nicht an; es ist fur ihn nämlich Unsinn, und er vermag nicht zu erkennen, daß es auf geistliche Weise beurteilt wird (oder: und er vermag [es] nicht zu erkennen, weil es [allein] auf geistliche Weise beurteilt wird). 15 Der „Pneumatiker" hingegen beurteilt alles, er selbst wird jedoch von niemandem beurteilt. 1 6 Denn „wer hat begriffen die Gedanken des Herrn, daß er ihn beraten würde?" Wir hingegen haben (d.h. erkennen) den Gedanken Christi.
10
Literatur. A . W CARR, T h e R u l e r s o f this Age - I C o r i n t h i a n s ii. 6 - 8 , N T S 2 3 ( 1 9 7 6 / 7 7 ) 2 0 - 3 5 . - H .
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Der Abschnitt, dessen Interpretation außerordentliche Probleme aufwirft (zur Forschungsgeschichte bis 1973 s. M. Winter* 3—55; mit Blick auf die hermeneutische Fragestellung weiterführend Stuhlmacher* 133—141) ist bestimmt durch das Stichwort XaXo13|X8v (V. 6f.l3): Es geht um „unsere" Predigt evtolgxeXeioig, worunter — unabhängig von der Interpretation im einzelnen — jedenfalls die schon gläubig Gewordenen zu verstehen sind, d.h. es geht nicht um die Missionspredigt. In der Exegese wird häufig das Gewicht des Stichworts xe^eioi stark betont und der ganze Abschnitt von daher gedeutet; doch damit ist der Akzent, der durch das nur zu Beginn verwendete Stichwort gesetzt ist, 58
Die Offenbarung
der verborgenen Weisheit
Gottes
2,6-16
überbetont. T h e i ß e n * 343f. bezieht XaAoi3(i£v auf den folgenden Text selber u n d sieht darin die „Verschriftlichung einer mündlichen K o m m u n i k a t i o n s f o r m " (X.aX,£lv „reden"); die den teaeioi verkündete Weisheit habe keinen n e u e n Inhalt, sondern liege auf „einer höheren Bewußtseinsstufe, mit der dieselben Inhalte reflektiert w e r d e n " (349). D e r Text 2,6—16 läßt sich, mit allem Vorbehalt, in drei Teile gliedern: D e r erste Teil umfaßt V. 6—9 u n d besagt, daß die ooiav XaXoi3|iEV xxX..), die in V. 6b durch zwei negative Bestimmungen (ot) — ot)Öe) u n d dann in V. 7a durch eine positive Bestimmung (ah'ka XaX.oü[xev öeolj ao[ioa vorangeht (3,12). In 1 Kor 2 , 6 ist dieser Aspekt weniger deutlich; aber auch hier ist klar, daß die Fähigkeit zur Erkenntnis der oonlv |iuaxr|Qia, ak'kä an' apxns yevEaecog e|ixviäaco xai 8r|aco Eig t ö E(iavE5 xf]v yvioaiv atkijg... Ebenso wie in 1 Kor 2,7 ist nicht der Aspekt der einstigen Verborgenheit im Blick, sondern das Gegenüber von Verborgenheit und Kundgabe (s. dazu D. Georgi, J S H R Z III/4, 422f.); im Grunde ist die Verkündigung immer Kundgabe eines (ruatr|Qiov, das ohne diese Verkündigung verborgen bliebe. Oft wird die These vertreten, im Hintergrund von V. 6 f. stehe der Mythos von der „entschwundenen" Weisheit (vgl. äth Hen 42); aber die Vorstellung der personifizierten ooX'n als ei*1 Mittieres zwischen JtvEiJ|xa einerseits u n d oágiz, bzw. arànci andererseits erscheint, nicht als direkte Opposition zu u v e t t a (s. A. Dihle, T h W N T IX, 657—659; zum Befund in den N a g - H a m m a d i - T e x t e n s. K.-W. Tröger, aaO. 659—661). W o der direkte Gegensatz begegnet wie z.B. in der Naassenerpredigt (Hipp R e f V 7,2-9,22), wird 1 Kor 2,13f. direkt zitiert (V 8,26). Eine bedeutsame Ausnahme ist die Schrift „Hypostase der A r c h o n t e n " ( N H C II/4), die Gen 1 gnostisch interpretiert und dabei gleich zu Beginn feststellt, daß „das Psychische", weil es von unten k o m m t , nicht imstande ist, das von oben k o m m e n d e „Pneumatische" zu erfassen (p 87,17f.). Dieser Aspekt zieht sich durch die ganze Schrift, die — abgesehen von dem möglicherweise sekundären einleitenden Zitat aus Eph 6,12 — keinerlei Bezugnahmen auf Paulus aufweist, so daß es sehr unwahrscheinlich ist, daß der Gegensatz von ijjuxixóg und JtvEDjiaTixóg aus 1 Kor 2,14 gewonnen w u r d e (vgl. M . W i n t e r * 175-180). E n t scheidend ist o h n e h i n nicht eine Antwort auf die Frage nach der direkten Abhängigkeit, sondern die Beobachtung, daß der hier von Paulus festgestellte Gegensatz so sonst nur in der Gnosis begegnet, so daß die Wahrscheinlichkeit der Herleitung aus d e m U m f e l d f r ü her Gnosis am wahrscheinlichsten ist (vgl. Theißen, Aspekte 357—361). Wilckens* 528— 537 postuliert mit vorsichtigen Erwägungen eine bestimmte jüdische Exegese von Gen 2,7; die paulinische Antithese will er dann auf den „eschatologisch-christologischen A n satz des Paulus" zurückführen (534; H e r v o r h e b u n g im Orig.). Aber w o zeigt sich in V. 14f. ein solcher Ansatz? Anders Fee, K 116, der ijiuxi^óg ganz v o m hebr. IPS3 her deuten will; gemeint sei der rein physisch existierende Mensch. Das ist aber nicht überzeugend, da i|)i>xi>cÓ5 in L X X nur einmal u n d im griechischsprechenden J u d e n t u m mit negativer Bedeutung praktisch gar nicht belegt ist. Z w a r findet sich bei Philo Leg All III 246f. b e zogen auf Gen 3,17 die Aussage, daß die ipuxií die unvernünftigen R e g u n g e n im M e n schen hervorbringt (E. Schweizer, T h W N T VIII, 662); aber ijiuxixcx; ist bei Philo durchweg im positiven Sinne gebraucht. Die ungewöhnliche strikte Unterscheidung von i|)i>xi»cÓ5 u n d jtVED^axixòg (avOgomog) kann also durchaus auf eine in Korinth entwickelte Terminologie zurückgehen (ohne daß man a n n e h m e n m u ß , die Korinther hätten damit Paulus abqualifizieren wollen, zu Fee). O d e r sagt Paulus im G r u n d e nur, daß der, der xa xoO JtvEijjiaTog t o ü Geoù nicht akzeptiert, sich dadurch als tyuxixòg avÖQomoi; erweist? Dafür spricht die Fortsetzung 14b, w o Paulus unter W i e d e r a u f n a h m e des Begriffs ^cogia an 1,18.21 anknüpft. tyuxixòs ávGgcüJtog ist (wie zuvor àitoXX/uiiévog) deijenige, für den die Botschaft vom Geist Gottes „ U n sinn" ist. Paulus deutet dabei mit keinem Wort an, daß die Leser des Textes zu den i|ruXixoL ävÖQCojtoi gehören (zu Lietzmann, K 14; K ü m m e l zSt. schwächt mit Blick auf 3,3 ab: Die Korinther wandeln x a x à ävÖQümov, d.h. sie lassen „den empfangenen Gottesgeist nicht wirklich in sich wirksam werden"; ähnlich Conzelmann, K 94). Unklar ist der Anschluß in 14c: O b öxi explikativ zu fassen ist (der Psychiker kann nicht erkennen, daß die Botschaft geistlich beurteilt wird) oder ob kausale B e d e u t u n g vorliegt (der Psychiker kann die Botschaft deshalb nicht erkennen und a n n e h m e n , weil sie allein geistlich beurteilt wird), läßt sich nicht sicher sagen. Das Adjektiv jrveD^cmxtö^ ist im N T nur hier u n d Apk 11,8 (Jerusalem wird ,,geistlich"gedeutet) belegt. Paulus will betonen, daß d e m „Psychiker" der Z u g a n g zur „Geistes"-Botschaft fehlt u n d daß die Ursache hierfür jedenfalls nicht in dieser Botschaft zu suchen ist. avcotQivco „befragen", im N T nur in L k / A p g sowie zehnmal im 1 Kor, meint hier die Fähigkeit, ein eigenes begründetes Urteil aufgrund einer kritischen P r ü f u n g zu fällen (ebenso 14,24, neben 72
Die Offenbarung der verborgenen Weisheit Gottes
2,14—16
eXeyxco). Der tyuxixög dvögüOTog (der nach 1,18-25 als Jude oder als Grieche begegnet) kann dabei in hohem Maße „religiös" und gleichwohl zu solchem Urteil außerstande sein. Daß dvaxQivü) ein Stichwort der Korinther war (vgl. 4,3), ist möglich (zu Weiß, K 57; Reiling* 209); aber V. 14 und vor allem V. 15 machen nicht den Eindruck, als wende sich Paulus gegen einen ihm gegenüber kritischen Sprachgebrauch. Das Stichwort [xcoQia erinnert daran, daß t ä TOTJ irvEiifiaxog 0eoi3 mit dem Kreuz Christi verbunden ist. Dem ipuxLXÖg avÖQCojtog steht in 15a ö Jtv£U|xaxix6g gegenüber (daß es sich um „zwei unterschiedliche Möglichkeiten für ein und denselben Menschen handelt", so Kim, Christus 165, ist wenig wahrscheinlich); hier ist entweder ävÖQtojtog zu ergänzen, oder es hegt substantiviertes Adjektiv vor („der Pneumatiker"; so jedenfalls 3,1; 14,37; Gal 6,1). Für diesen Menschen gilt, daß er „alles" beurteilt. Ob hier mit ^ß46 A C D * tot jrdvxa zu lesen ist, oder ob der Artikel zu streichen ist (dann könnte Jtdvxa Akk. von Jiäg „jeder" sein, vgl. im' o{>Ö£v6g), läßt sich kaum entscheiden; nur F G und Clemens Alex bezeugen ndvxa, aber zahlreiche Handschriften, darunter N1 B D 2 W, bezeugen |I£V jtdvxa, P und etliche Minuskeln lesen fiev xd Jtdvxa; p,ev ist wahrscheinlich sekundär eingefügt als Angleichung an ÖE in V. 15b; das Committee des Greek N T (vgl. NesdeAland27) sieht aufgrund der Qualität der xd ndvxa lesenden Handschriften eine gewisse Präferenz für diese Lesart; der ganze V. 15 fehlt in X*, vermutlich eher wegen des Homoioteleuton dvctxQivExoa als aus theologischen Gründen. Die Aussage von V. 15a ergibt sich im Grunde aus V. 14: Der Feststellung, daß der ijm/ixöq dvÖQüMtog zu einem Urteil über xd xoü Jtveiijiaxog xot) GEOO außerstande ist, entspricht auf der anderen Seite, daß 6 jrveu^axLxög, weil ihm jenes Urteil möglich ist, über alles zu urteilen vermag. Dem entspricht 15b als logische Konsequenz. Merklein, K I, 243 meint, daß V. 15b als Axiom „übergeordnete Kriterien nicht zuzulassen scheint", da der Pneumatiker seine Position als unanfechtbar darstellen könne. Aber das würde nur dann gelten, wenn das TivEijfia des Jtveufiaxixög von der aoia noch nicht mitteilen können; sie hätten sofort antworten können, der Fehler liege nicht bei ihnen, sondern bei Paulus. Das absolut gebrauchte EÖIIVOOSE bzw. ÖÜVAAÖE ist verkürzte Redeweise; der fehlende Infinitiv („vertragen", s. Bauer-Aland, W b s.v. 2) läßt sich leicht aus dem Kontext erschließen. Wichtig sind die temporalen Bestimmungen oijtco bzw. ovbe ETI VCV: Paulus schließt nicht aus, daß die Korinther künftig feste Speise werden vertragen können. Wichtig ist aber auch der Tempuswechsel vom Impf, zum Präs.: Z u m gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Status der Korinther immer noch nicht verändert (aXX' , j a sogar", B D R §448,6). Das wird bestätigt durch 3a: Sie sind immer noch craQXixoi. O b damit gegenüber adgxivoi (V. 1) ein Bedeutungsunterschied vorliegt, läßt sich kaum sagen (D*c F G lesen jetzt craQxivoi; F und G haben den Wechsel beider Begriffe umgedreht, was nach Parsons* 151—155 zeigt, daß diese Lesart, anders als Paulus selber, die Bedeutung beider Worte zu unterscheiden versucht; die Vulgata liest an beiden Stellen carnalis). In 3 b greift Paulus als Begründung für die Aussage von V. 3a (öitou im kausalen Sinn) 78
Die Gemeinde in Korinth: Gottes Acker und Gottes „heiliger Tempel"
3,3-5
den schon zu Beginn des Briefes erwähnten Sachverhalt der in Korinth vorhandenen EQig (1,11: EQiöeg) wieder auf und nennt ergänzend tjjA.05. Dies Wort (im 1 Kor nur hier) kann sensu bono den „Eifer" bezeichnen (2 Kor 7,7 u.ö.), aber auch das eifrige Bemühen, anderen Schaden zuzufügen („Eifersucht" oder im politischen Kontext „Rivalität", s. Mitchell, Paul 97; vgl. JjiXoüv sensu malo in 13,4). EQ15 und t,f}Xoc; stehen Rom 13,13 und in den Lasterkatalogen 2 Kor 12,20; Gal 5,20 beieinander; vgl. auch ¡¡fjXog und EQiOeia in Jak 3,14.16. In den meisten Handschriften, einschließlich ist zusätzlich präzisierend von öixootaoiai die Rede, offenbar eingedrungen aus Gal 5,20. Paulus appelliert an das Urteilsvermögen der Korinther; die Frage oi>xL oaQXixoí éoxe; fordert die Antwort ,Ja". Dem entspricht das parallele xai xaxá avGgojJiov jteQutaxsixe; Das Verb jieqijtaxEiv meint in ethischer Bedeutung den Vollzug der Existenz. Zu JtEQUtaxeiv xaxct (aápxa / Jtv£ü|ia / áyájtT]v) vgl. 2 Kor 10,2; Rom 8,1.4; 14,15. Die Wendung xaxá avÖQCüJtov gebraucht Paulus zweimal, wenn er betont, daß er auf einer menschlichen (Vergleichs-)Ebene redet (Rom 3,5; Gal 3,15; vgl. 1 Kor 9,8). Zeigt die singulare Wendung xaxä avÖQowtov Jtegutaxelv an, daß Paulus vermutet (oder weiß), man meine in Korinth, gerade nicht (mehr) „nach (bloßer) Menschenweise", sondern auf einer „höheren" Ebene zu existieren? Ausgeschlossen ist das nicht (Brandenburger, Fleisch 136), doch fehlen wirkliche Indizien für diese Vermutung. In 4 knüpft Paulus nun direkt an 1,12 an; Kuck* 161 spricht deshalb davon, daß 3,1—4 und 1,10—17 eine Art inclusio zu 1,18—2,16 bilden, wobei 3,4 in ähnlicher Weise wie 1,17 zum neuen Thema überleite. Paulus formuliert jetzt (fast) korrekt öxav ... ^éyr) X15 ... EXEQOg be ... (nur ¡xév ist ungenau zugeordnet). Daß er nur sich selber und Apollos erwähnt, gilt oft als Indiz dafür, daß es nur zwei relevante Gruppen in Korinth gebe (so G. Sellin, „Geheimnis", ZNW 73 [1982] 91); aber Paulus bedient sich wohl nur einer abkürzenden Redeweise (vgl. V. 22, wo Petrus wieder genannt ist). Pichtig ist, daß offenbar allein Paulus und Apollos unmittelbar mit der Geschichte der korinthischen Gemeinde verbunden sind (V. 5—9; vgl. 4,6). Die V. 3b variierend wieder aufnehmende rhetorische Frage oiix avÖQCJJtoi eoxe; signalisiert vermutlich nicht, daß die Korinther (nach der Meinung des Paulus) von sich glaubten, eine Apotheose erfahren zu haben (so erwogen von Barrett, K 82; vgl. Reitzenstein, Mysterienreligionen 341: Der Pneumatiker ist „überhaupt nicht mehr Mensch"); sondern gemeint ist „in prägnanter Ausdrucksweise" nichts anderes als in V. 3 (Kümmel zSt.). K2 f 3K interpretieren richtig, wenn sie oagxixoi statt cxvÖQomoi lesen; P gleicht an V. 3 an. Die These von Sellin, nach Philo Gig 60ff. seien die 0eoü äv0Qü)jtoi (die von den yfjg ävQgoüJtoi einerseits und den ovQavov áv0Qü)jtoi unterschieden werden) keine Menschen mehr, hat m.E. keinen Anhalt am philonischen Text; zur Kritik Philos am Kaiser Caligula gehört u.a. gerade die Feststellung, er habe nicht in den Grenzen der áv0Q(omvr| i)aig bleiben wollen und verlangt, als 0EÓ5 zu gelten (Leg 75). Ebensowenig sagt Philo Virt 217, Abraham sei „von einer das Menschliche übersteigenden Vollkommenheit" gewesen (zu Sellin, Streit 151 f. A 202). Mitchell, Paul 82 verweist zur Formulierung des Paulus auf den antiken Gedanken, daß Phänomene wie oxáoig und c()0óvog in der Natur des Menschen liegen (z.B. Thuc 3.82.2). Auf das Referat der Gemeindesituation folgen in 5 (ebenso wie in l,12f.) Suggestivfragen. Sie zielen darauf, Apollos und Paulus in ihrer Bedeutung zu relativieren. Das einleitende ot>v bezieht sich wohl auf einen unausgesprochenen Zwischengedanken: Wenn V. 4b mit, Ja" beantwortet werden mußte, welche Folgerung ergibt sich daraus hinsicht79
3,1-17
Paulus und die Gemeinde in Korinth
lieh des Urteils über Apollos und Paulus? Das abwertende neutrische xi eaxiv ... (vgl. Ps 8,5 „was ist der Mensch ...") zeigt, daß es nicht um die Frage geht, wer Apollos bzw. Paulus ist (die von Sß46vld 8 2 C D F G W Di bezeugte Lesart xig hat dies mißverstanden); es geht vielmehr um ihre Funktion fiir die Gemeinde. Daß Apollos chiastisch zuerst genannt wird, hat kein besonderes Gewicht; daß er am einflußreichsten gewesen sei, geht aus V. 5 und aus dem ganzen Brief nicht hervor (vgl. V. 6.22; die Mehrzahl der Handschriften hat gleichwohl gegen die u.a. von X A B C bezeugte ursprüngliche Fassung umgestellt, um die „richtige" Abfolge zu gewinnen). Apollos und Paulus sind (lediglich) öixxxovoi, wobei hier vom Kontext her eine gewisse Abwertung mitzuhören ist; ob stillschweigend 9eoi5 zu ergänzen ist (vgl. 2 Kor 6,4), läßt sich nicht sagen. Zu öiaxovog vgl. 2 Kor 3,6; Rom 16,1; außerdem Mk 9,35; 10,43, aber auch R o m 13,4. Im 1 Kor begegnet das Wort nur hier, öiaxovelv fehlt (zu öiaxovta in 12,5; 16,15 s. dort). Diese öwixovoi haben die Korinther zum Glauben gefuhrt (vgl. 2,5); die oft genannten kynischstoischen Parallelen, denen zufolge der Öidxovog „Stellvertreter Gottes" mit dem entsprechenden Selbstbewußtsein ist (vgl. Conzelmann, K 98 A 37), treffen das paulinische Selbstverständnis nicht (vgl. Ollrog, Paulus 73f.). Der Nachsatz V. 5b signalisiert, daß die öidxovoi dem xÜQiog zugeordnet sind (es liegt verkürzte Redeweise vor für exaoxog ¿»5 auxcp o xiiQiog eöcoxev mit Attraktion des Dativ, der betont vorangestellt ist, BDR §475j). Aufgabe und Erfolg des öiaxovog verdanken sich dem jeweiligen (xai explicativum) öiöövcu Christi (vgl. 3,10; 12,7f.; in der Sache auch 1,17). Darum ist klar: eine Berufung auf Apollos oder Paulus als „Leitfigur" kommt nicht in Frage, weil diese nach dem Willen Christi allein zum Dienen berufen sind — zu einem Dienen freilich, das in Korinth konkret zum Glauben gefuhrt hat. Paulus nennt Apollos und sich selber ohne weiteres nebeneinander, d. h. man hat keinen Anlaß zu der Annahme, Paulus sehe sich als einen Rivalen des Apollos (freilich auch nicht diesen als bloßen „Gehilfen", so Lietzmann, K 15). In 6 expliziert Paulus das exdaxcp ¿>5 xxX. mit Hilfe der nicht näher erläuterten, also als allgemein-verständlich vorausgesetzten Metapher vom Ackerbau (dazu von Gemünden*; Hübner, Theol II 129 sieht eine Anspielung aufjes 5,2, aber das ist wenig wahrscheinlich). Der historischen Abfolge entsprechend beginnt Paulus bei seinem eigenen Wirken: Er hat „gepflanzt", also die Gemeinde gegründet. Paulus braucht dies nicht besonders hervorzuheben; er macht einfach auf einen Sachverhalt aufmerksam, der, gerade auch im Blick auf das Wirken des Apollos, in Korinth offensichtlich nicht bezweifelt wird (vgl. 4,15; s. dort). (j>i)xet>eiv im übertragenen Sinn ist verbreitet. Vgl. Jes 61,3: mrP 57DD; LXX: (j>i>XEU|xa xdqiod; eine breite Allegorie wird in SapSal 4,3—5 entfaltet, mit Anwendung in V. 6; vgl. auch den (itagaßo^ri) in Ez 17,1—8; in Qumran u.a. 1 QS VIII 5—8 (Rabbinisches bei Billerbeck I, 720f.). Im N T begegnet das Verb in diesem Sinn aber nur noch Mt 15,13, wobei dort Gott als der Pflanzende vorgestellt ist (vgl. Rom 11,16-21). Apollos hat die Arbeit fortgesetzt. Jtoxi^eiv wird meist etwas idyllisch mit „begießen" übersetzt, obwohl „bewässern" „viel üblicher" ist (Bauer-Aland, Wb s.v. 3) und auch besser zu yeüjQYLOV (V. 9) paßt. Das Verb ist in dieser metaphorischen Bedeutung im N T nur hier belegt; es scheint sich um eine ad-hoc-Konzeption des Paulus zu handeln. Das Bild braucht nicht gepreßt werden; es geht einfach um das Nacheinander und daraus resultierend um das Unterschiedliche des Wirkens beider. Entscheidend (dXkä) ist, daß es Gott war, der für das Wachsen gesorgt hat. aü^dveiv 80
Die Gemeinde in Korinth: Gottes Acker und Gottes „heiliger Tempel"
3,6-8
transitiv n u r hier und 2 Kor 9,10, dort ebenfalls von Gott. Vom „Wachsen" des Wortes Gottes spricht Apg 6,7; 12,24; 19,20. Wichtig ist der Wechsel der Tempora, v o m Aor. Ei>x£i)cra / eitÖTLOEV zum iterativen Impf. T]ii^avEV: Gottes Wirken an der Gemeinde dauert fort. D e r Wechsel von xÜQiog (V. 5) zu Gott entspricht der Aussage in V. 23 (s. dort; Conzelmann, K 99: „Ontologisch sind sie unterschieden, soteiiologisch sind sie eine Einheit."). W ä h r e n d Paulus in V. 6 an die Vergangenheit erinnert hatte (Aor.), fügt er in V. 7—9 eine prinzipielle (Präs.) B e m e r k u n g über das zwischen d e m (^uxeiküv u n d dem Jtoxi^cov bestehende Verhältnis an: Die Schlußfolgerung (coctxe) in 7, daß Gott allein „etwas ist", zieht Paulus aus V. 6c (die Struktur von V. 6 wird wiederholt). Z u öftre ... eotiv xi, oöxe ... vgl. V. 5; dieselbe Konstruktion („weder — n o c h — sondern") begegnet in Gal 5,6; 6,15; 1 Thess 2 , 5 - 7 . In 8a n i m m t Paulus das oüxe — ouxe von V. 7 in dialektischer Weise auf: Beide sind „nichts", u n d doch sind sie „eines", d.h. es besteht zwischen ihnen, trotz ihrer verschiedenen Funktion, kein Unterschied im eigentlichen Sinne. Das betonte ev ist vor allem auch deshalb wichtig, weil damit die Möglichkeit entfällt, sich auf einen von ihnen als Leitfigur zu berufen und so egig bzw. oxia|xa hervorzurufen: M a n kann sie nicht gegeneinander ausspielen. Uberraschend ist nun allerdings die N a c h b e m e r k u n g in 8b, die v o m jeweiligen (zu 16105 vgl. B D R § 286,1b) künftigen „Lohn" spricht. Das Futur zeigt an, daß jetzt die reine Bildebene verlassen wird; es geht u m eschatologischen „ L o h n " und also u m das d e m jeweiligen xöitog entsprechende Handeln Gottes. Z u d e m von Paulus häufig gebrauchten Wort xÖJtoq, speziell bezogen auf die Arbeit der Verkündigung, vgl. 1 Thess 2,9; 3,5; 2 Kor 11,23.27 (außerdem x o m ä v in 1 Kor 15,10; 16,16; Gal 4,11; R o m 16,6.12 u.ö.). Dabei entwickelt Paulus aber keine ausgeprägte Gerichts- u n d Vergeltungsvorstellung; er betont zunächst nur, das „Eins"-Sein des i>xeijcov u n d des Jtoxi^cov schließe keineswegs aus, daß j e d e r seine individuelle M ü h e u n d Leistung aufbringt. Dieser Leistung wird der eschatologische „ L o h n " entsprechen (vgl. 4,5). Vgl. dazu im AT (ohne das Stichwort „Lohn", "Ott? bzw. (110605) Ps 62,13; Spr 24,12; vgl. Spr 11,21 LXX: /Eißi/sigag 8(xßaXcbv aöixajg ovx dxi(xü'jQr|xo5 eaxai, 6 öe ojteiQwv öixaiocri)vr|v X.fmipexai |xia9öv maxov. Ausdrücklich vom eschatologischen „ L o h n " sprechen u.a. SapSal 2,22; 5,15; 4 Esr 7,83. Ferner SapSal 10,17: ajteötüJCEV 001015 |J.io0öv xöjtojv aiixajv. In der rabbinischen Uberlieferung findet sich häufig die Sentenz „ D e r M ü h e entspricht der L o h n " , u.a. in A R N 12,11 u n d Abot 5,23 (dort bezogen auf das Studium der Tora; der Kontext betont allerdings, das Torastudium solle u m seiner selbst willen geschehen [Hinweis von M . Miliard]). I m N T vgl. unten V.14, ferner M t 5,12/Lk 6,23; Apk 22,12. Z u beachten ist, daß Paulus hier allein v o m Lohn, nicht aber von der Strafe spricht (anders V. 14f.) Pesch* 206 meint, nach der Vorstellung des Paulus erhielten die Verkündiger „neben der ocDXT)Qia n o c h eine besondere eschatologische Beglückung", die vermutlich in der jenseitigen Vereinigung mit ihren jeweiligen G e m e i n d e n bestehe; doch das geht weit über das im Text Erkennbare hinaus (vgl. K u c k * 169). Paulus beläßt es beim Blick auf die künftige Vergeltung zunächst bei dieser A n d e u t u n g (vgl. aber V. 13—15). Er ist davon überzeugt, daß Gott die inviduelle Leistung des Menschen bewerten wird. Das bedeutet aber nicht, daß der Mensch aufgrund seines MÖJtog die Gerechtigkeit erlangen wird, d.h. die M ü h e ist kein EQyov vö[xou, das beansprucht, den Täter zu rechtfertigen. D e r Verweis auf den 16105 (¿10805 schärft aber ein, daß der Mensch in unmittelbarer persönlicher
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3,1-17
Paulus und die Gemeinde in Korinth
Verantwortung für sich selber vor Gott steht u n d daß Gott von ihm Rechenschaft fordern wird (vgl. M . Winter, Bedeutung* 178f.). Die Aussage des Paulus in V. 8b wäre völlig mißverstanden, w e n n man sie als speziell gegen Apollos gerichtet und damit als D r o h u n g auffassen würde; V. 8b spricht eine Verheißung, nicht eine D r o h u n g aus (vgl. 15,58). 9 knüpft durch y a g explizierend sowohl an V. 8a wie auch an V. 8b an: Apollos und Paulus sind sowohl gemeinsam (ev eloiv) wie auch als solche, die jeder für sich (exaaxoq) Lohn empfangen, „Gottes Mitarbeiter". Geov ouvEQyoi meint hier offenbar nicht, daß Paulus und Apollos „mit Gott zusammenarbeiten"; vielmehr ist das i m N T nur i m C o r pus Paulinum sowie in 3 J o h 8 begegnende Wort ouveQYÖg Bezeichnung des in G e m e i n schaft mit anderen arbeitenden Missionars (vgl. Ollrog, Paulus 63—72; zur analogen Terminologie im politischen Bereich vgl. Mitchell, Paul 99). Diese Interpretation legt sich schon deshalb nahe, weil es Paulus ja gerade auf die Betonung seiner Gemeinsamkeit mit Apollos ankommt. Das (hier wie im folgenden betont voranstehende) Genitivattribut 0£oü verweist auf das Gegenüber dieses Status (anders Wölfl", K 68: Als Beauftragte sind sie „zugleich am Werk Gottes beteiligt", vgl. 1 Thess 3,2; dort aber liegt tatsächlich ein anderer B e f u n d als hier vor: x a i EJiEHtyan.EV Ti^60eov, xöv äöeX())öv f||iö")v x a i auvBQyöv xoü 0eoü ev xä> etiayveXia) xoü Xqujxoü ...). Wenn die Missionare Gottes „(Land-)Arbeiter" sind, dann k ö n n e n die Angeredeten ohne weiteres „Gottes Ackerfeld" genannt werden, denn sie sind im eigentlichen Sinne des Wortes Gottes Eigentum. Auch diese Erweiterung des Bildes spricht dafür, daß beim Begriff ouvEQYoi die Vorsilbe nicht auf die Verbindung mit Gott zu beziehen ist; Paulus würde sonst den Missionaren Kooperation mit Gott bescheinigen, der Gemeinde dagegen i m G r u n d e Passivität Gott gegenüber zuschreiben. Klar ist, daß mit eoxe nicht die einzelnen angesprochen sind, sondern die Gemeinde als ganze. Y£(i>QYl0V> i n L X X selten und stets in konkreter Bedeutung (vgl. aber Test XII Iss 5,3—6,2, w o zwar vom realen A k ker gesprochen wird, dies aber zugleich symbolisch gemeint ist), begegnet im N T nur hier (vgl. aber die Gottesbezeichnung yeaQyog in J o h 15,1); sehr viel häufiger ist das fast bedeutungsgleiche ayQoq, das bei Paulus aber fehlt. Mit dem übergangslos angefugten Stichwort OeoIj oixoöo|xr| wechselt Paulus unvermittelt die Metaphorik: An die Stelle der — in V. 6 nur angedeuteten — Bilder aus der Landwirtschaft tritt die dem Apostel aus seiner Lebenswelt möglicherweise vertrautere Sprache der Architektur (zur Verbindung beider Bildfelder vgl. Jer 1,10: „Siehe, ich bestelle dich an diesem Tage über die Völker und über die Königreiche, auszuroden und einzureißen, und zu vernichten und zu zerstören, zu bauen und zu pflanzen" [Ubers. L. Zunz], LXX: xaxaoxdurxeiv x a i ajtoM.imv x a i ävoixoöo[iEiv xai xaxacjwxETJEiv, ferner Jer 24,6 und, bezogen auf die Realität, D t n 20,5f., vgl. dazu Bach*; weitere Beispiele für die Verbindung beider Bereiche nennt Fridrichsen* 208f., z.B. Plat Leg 643b; Philo Leg All I 47f.). oixoöo|ir| wird in 14,3.5.12.26 im Sinne des „Aufbauens" der ExxXr|aia gebraucht (vgl. 2 Kor 10,8; 13,10: oixoöojiri vs xaGai^EOig); das Wort kann aber auch, wie hier, das „Bauwerk" bezeichnen, wobei es keine Rolle spielt, inwieweit es schon „fertig" und inwieweit es noch „im B a u " ist (Kitzberger* 302: oixoöo|ir| ist hier das Ergebnis des Bauens, doch zeigt der Kontext, daß dieser Bau noch nicht abgeschlossen ist; vgl. Eph 2,21; 4,12.16). Das Bild wird von Philo verwendet (die unsichtbare ipu/ 1 ! als irdischer olxog des unsichtbaren Gottes) u n d dabei breit allegorisch entfaltet (Cher 98—105). Paulus führt das Bild vom Bau in V. 10—15 relativ breit aus, wobei er ebenso wie zuvor
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Die Gemeinde in Korinth: Gottes Acker und Gottes „heiliger
Tempel"
3,10
in V. 6 zunächst 10a von seiner eigenen gemeindegründenden Predigt spricht (e0T]xa Aor. in s $ 4 6 X* A B C * u.a. anstelle des von der Mehrzahl der Handschriften bezeugten Perfekt, das auf das gelegte Fundament verweist). Der betonte Hinweis auf die ihm gegebene xoiQiS (zur Formulierung vgl. R o m 12,3.6; 15,15; Gal 2,9; in der Sache vgl. 1 Kor 15,10; daß das nur von und wenigen anderen Handschriften bezeugte Fehlen von xoij Geoü ursprünglich sei, so Wolff, K 69 A 251, ist angesichts der Parallelen und des Handschriftenbefundes unwahrscheinlich) knüpft an V. 5b an ((bg o xiJQiog eöcoxev). Genealog (eigentlich: öejxeXiog Xiöog) ist das Fundament eines Hauses (Lk 6,48f.; Apg 16,26), in L X X plur. die „Grundfesten" der Erde bzw. des Himmels (vgl. 2 Sam 22,8.16 u.ö.), im übertragenen Sinne auch eine geistige Grundlage (Rom 15,20; Eph 2,20; 2 Tim 2,19; Hebr 6,1). Paulus beansprucht nicht, selber das Fundament zu sein; wohl aber sagt er, daß er das Fundament gelegt hat, daß sich also die Gemeinde als 8eoü olxoöoji,r| seiner Missionspredigt verdankt. aQXixexxcov ist hapax leg. im NT; auch in L X X ist das Wort nur dreimal belegt (darunter Jes 3,3: aoög aQXiXEXXtov für hebr. D'ttHn D?n „der in [Zauber?-jKünsten Erfahrene"; daß Paulus auf diese Stelle anspielt, ist unwahrscheinlich, Wilk, Bedeutung behandelt die Stelle nicht; anders Hübner, Theol II, 131: Paulus habe vielleicht sagen wollen, daß Israel in ihm einen neuen „weisen Architekten" erhalten habe). Als oox eyvwaav oi JtateQeg amot), öoijaaei ev X ß U A Ö xai agyvQW xai Xiöcp TI|xüp [LXX: ev xQvaia> xal aQyuQwp xal XLOCÜ iro^vTeXel] xai ev emOuiirpaaiv.). Im Grunde geht es nicht um die Wirklichkeitsnähe des Bildes, sondern um dessen Vorstellbarkeit: Mit Hilfe einer sofort verständlichen Metaphorik will Paulus die dauerhafte und die nicht dauerhafte olxoöopif) (Öeoü) voneinander unterscheiden. Gezielte Polemik liegt nicht vor, wohl aber die an die Gemeinde gerichtete Warnung, sie solle darauf achten, was für ein Bau sie zu werden im Begriff ist (V. 10: ßXejteTCü jtc&c;) und wer die gegenwärtig tätigen ejtoixoöonoljvTeg sind. Die Wahrheit darüber wird freilich nicht schon jetzt, sondern 13a erst in der Zukunft sichtbar (aveQÖv) werden. tö EQJOV ist hier natürlich, dem Kontext entsprechend, das Ergebnis des Bauens, also der am Ende der Zeit „offenbar" werdende Zustand der Gemeinde, wobei das Bild wieder nicht allegorisch gepreßt werden darf. Exdaxou zeigt, daß Paulus nicht die Arbeit eines bestimmten einzelnen im Blick hat. Was Paulus in V. 13a nur angedeutet hatte, wird in 13b näher ausgeführt. Auffallend ist in V. 13 die Fülle unterschiedlicher Offenbarungstermini (c|>aveQÖv yiveoOai, ör)XoDv, aitoxaX'ÜJCTEiv; vgl. öoxijid^eiv). „Der Tag" wird etwas „offenbar" machen (ÖT|XÜJOEI entsprechend (jxjveQÖv yevr|aeTai). f| rpega ist der (eschatologische) Gerichtstag (vgl. 1,8); das wesentliche Merkmal dieses „Tages" ist das Feuer. Ausführlich zu Vorstellungen des Endgerichts im Judentum und in griechisch-römischer Tradition Kuck* 38—149 (vgl. besonders auch die Zusammenfassungen 93—95.148f.). Der Satz V. 13b läßt sich syntaktisch verschieden auffassen: Entweder ist TÖ EQJOV als Obj. zu ör]Xd)oei zu ergänzen („der Tag wird das Werk offenbar machen") und der folgende ÖTI-Satz begründet dann diese Aussage („weil er mit Feuer offenbart wird"; so Conzelmann, K 96; nach Fee, K 142 ist djtoxaXt)TtXExai medial aufzufassen). Oder eQyov 85
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Paulus und die Gemeinde in Korinth
ist Subj. zu djtoxaXimxExai, und es liegt wie in 1,11 die Konstruktion ör]X.ü)aei oxi vor: „der Tag wird kundmachen, daß das Werk im Feuer offenbart wird" (so schon Bachmann, K 164; vgl. Hollander, K I, 55). Gegen diese Auslegung wird schon von Weiß, K 81 eingewandt, daß dann der folgende Satz eine Tautologie enthielte; man kann aber xai . . . T Ö JTÜQ CIIJTÖ öoxi(xdaei explikativ auffassen, d.h. hier wird konkretisiert, was die generelle, präsentisch (!) formulierte Aussage (xö egyov) ev Tiugi ajtoxaXimxExai konkret bedeuten wird. Das Verb örjXo'öv hat eigentlich nicht den Charakter eines „Offenbarungsbegriffs"; es erhält ihn aber durch den Zusammenhang. Die Aussage ev J U J Q I ajtoxaXiJjtxexai (vgl. Lk 17,30) ist definitorisch gemeint (das Präs. mit futurischer Bedeutung gibt es in der Regel nur bei EQ/eoGai, vgl. 1 Thess 5,2). Feuer gehört zu den endzeitlichen Gerichtsvorstellungen (F. Lang T h W N T VI, 937— 939): Im ATJo 3,3; Mal3,19;Jes 66,15f. ('IÖou yäg xvQLOg¿>5 J I Ö Q T ^ E I . . . E V y ä g t ö J I U Q I X U Q I O U XQI6R|oetai itäoa R) Y-RJ xai ev XFJ PO|I(j)ai,a ainoti näaa oapl); Ez 38,22 u.ö. In der Apokalyptik beispielsweise äth Hen 18,9—11: Der Gerichtsort ist voll Feuer; ähnlich in der Tiervision 90,23ff.: Die Sünder werden in eine feurige Tiefe geworfen; ferner syr Bar 48,39.43 und sehr oft. In Qumran ist von der „Finsternis ewigen Feuers" die Rede (1 QS II 8; vgl. 1 QH III 29-36). Paulus spricht sonst nicht davon (vgl. aber 2 Thess 1,8; in Rom 12,19f. bleibt es im Rahmen der Anspielung auf Dtn 32,35 und des Zitats aus Spr 25,21 f. L X X bei einer Andeutung). Das Feuer wird prüfen (zu öoxijid'C,£iv in diesem Sinne vgl. 1 Petr 1,7), wie das jeweilige (Bau-)Werk beschaffen ist (vgl. 1 Petr 1,17); ojiolöv soxiv entspricht Jtmq in V. 10. Ob ouxö mit A B C P u. a. zu lesen oder mit s-$46 N D V SR zu streichen ist, läßt sich kaum sagen; jedenfalls ist aiixö Akk.-Obj. und dient nicht der Hervorhebung von X Ö J T Ü Q . Vgl. in der Sache und im Bild Sach 13,9 (LXX: xai ÖWX^CJO xö TQLTOV Ö I Ä jtuQÖg xai JTUQCDOCO 011x01)5, (05 jruQoüxai xö aQyÜQiov, xai öoxi(j,to auxotig, ¿ 5 öoxijid^Exai xö xpuaiov, aiiXÖ5 EJtLxaXeaExai xö övo|id |j,ou ... „Und ich werde den dritten Teil [sc. des Volkes im Lande] durchs Feuer hindurchfuhren und sie läutern, wie das Silber geläutert wird, und ich werde sie prüfen, wie das Gold geprüft wird. Dieser Teil wird meinen Namen anrufen ..."). In der Vorstellung und in der Formulierung kommt dem paulinischen Text sehr nahe Test Abr 13,11—13 Rez A: Der Erzengel Pyrouel hat Gewalt über das Feuer und „prüft die Taten der Menschen durch Feuer" xai öoxi|xd£,Ei xct xcöv CCVÖQÜMKDV EQya öux jtUQÖg „Wenn das Feuer das Werk eines Menschen verbrennt" xai EI xivog xö EQyov xaxaxaiiOEi xö JTOQ, „dann nimmt ihn der Engel des Gerichtes und bringt ihn zum Ort der Sünder, dem allerbittersten Strafort"; wenn das Feuer jedoch dem EQJOV eines Menschen nichts anhaben kann, „dann ist dieser gerechtfertigt", und er empfängt Rettung „im Lose der Gerechten" EV X Ö XXT|QO) xcöv öixaküv (Ubers. E. Janssen, J S H R Z III/2, 236). Unabhängig davon, ob an dieser Stelle eine christliche Bearbeitung des ursprünglichjüdischen Textes vorliegt oder nicht (vgl. Radi, Ankuft 101 f.; Hollander* 99—102), ist die Kompatibilität der paulinischen Aussage bemerkenswert. Paulus geht es hier nicht um das Gericht über den einzelnen Menschen, sondern um die eschatologische Bewertung der Qualität des auf die Gemeinde als oixoöo[xr| bezogenen EQyov, womit natürlich nicht die einzelnen durch die Predigt gewonnenen Christen gemeint sind, sondern die Gemeinde als ganze. Dabei gehört das Feuer zum apokalyptischen Vorstellungshintergrund; es paßt aber auch unmittelbar zum Bild der oixoöo(xr|. Denn ohne daß Paulus es auszusprechen braucht, ist klar, daß der aus „Gold, Silber, edlen Steinen" errichtete Bau im Feuer Bestand haben (V. 14), das aus „Holz, Gras, Stroh" be-
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Die Gemeinde in Korinth: Gottes Acker und Gottes „heiliger Tempel"
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stehende Haus hingegen vom Feuer zerstört werden wird (V. 15). Daß die Metalle schmelzen würden (Lietzmann, K 17), ist schon deshalb nicht im Blick, weil es allein um die Brennbarkeit geht, nicht um die Gestalt des Bauwerks; es besteht kein Anlaß, ein präzise ausgearbeitetes allegorisches Bild zu erwarten (Lang, K 53). Nach Kuck* 181 wendet sich Paulus mit dem Hinweis auf Gottes Endgericht gegen eine in Korinth bestehende Tendenz, schon jetzt urteilen zu wollen über „wisdom and work of their leaders and of one another"; in diese Richtung weist tatsächlich 4,3.5; von V. 10 her (exaoxoc; öe ßXejiETüj) liegt aber die Annahme näher, daß Paulus meint, man könne die unterschiedlichen Materialien schon jetzt erkennen (das von ihm entworfene Bild ist also ein anderes als in Mt 13,24-30). 14 Wenn (EI mit Ind.; vgl. B D R §372,2) das Werk im Feuer Bestand haben wird (jieveiv ist in diesem Zusammenhang ungewöhnlich; vgl. aber Herrn Vis IV 3,4), so wird der, der es gebaut hat, Lohn erhalten. Das entspricht nicht nur der Aussage von V. 8b, sondern paßt auch zum Bild: Das EJtOLXoöoneiv wird erst bezahlt, nachdem das eqy o v die Prüfung bestanden hat. Worin der Lohn besteht, sagt Paulus nicht (s. zu V 8). Paulus selber als deijenige, der das Fundament gelegt hat, ist hier vom Gericht ausgenommen (vgl. aber 2 Kor 5,10); das entspricht aber V 11, wonach es zum gelegten Fundament keine Alternative gibt. In 15 sagt Paulus in einer zu V. 14 parallelen Formulierung, daß deijenige, dessen eQYov verbrennen wird, „Schaden nehmen" wird. Die genaue Bedeutung von £t]|ua>0r|aexai ist unklar, insbesondere angesichts der Fortsetzung crutöc; öe aco0f|aexai. Sagt Paulus dem, der die falschen Materialien verwendet hatte, zunächst „Strafe" (so BauerAland, W b s.v.)an, dann aber doch „Rettung"? Woran wäre dann in der Sache zu denken? Seit Origenes wurde die Aussage als Beleg fiir die Lehre vom „Fegfeuer" gedeutet (vgl. E. Koch, Art. Fegfeuer T R E 11, 70f.), doch deutet Paulus nicht an, daß das ^r)(xioija0ai „Läuterung" bewirkt. Näher liegt es vom verwendeten Bild her, bei ^r||xia>8r|aexai als Gegenaussage zu juaGov Xr||xaj)exai an eine „Einbuße" zu denken (A. Stumpff, T h W N T II, 892; ähnlich Barrett, K 89): Der Betreffende erhält nicht nur keinen Lohn, sondern er erleidet einen Verlust, etwa im Sinne einer zu zahlenden Vertragsstrafe (vgl. Shanor* 469f.; der Einwand von Vielhauer* 77, das Bild sei doch von der Sache her geformt worden, berücksichtigt nicht, daß die Terminologie dabei durchgängig der Alltagssprache entnommen ist). Der Betreffende selber aber wird, als Person, „gerettet" werden — allerdings tbg öict jiuqöc; („als wäre er selbst durch das Feuer gegangen"). Als Parallele wird in der Regel auf Am 4,11; Sach 3,2 verwiesen; Paulus meine, „daß der Betreffende nur mit knapper Not dem Feuer entkommt" (Schräge, K I, 304). Aber die Vorstellung ist dort eine andere: Menschen wurden gerettet „wie ein gerade noch rechtzeitig aus dem Feuer geholtes Holzscheit" (LXX: tbq öaXög e^eojiaoiievoq ex JUJQÖg). Näher liegen Aussagen, wo direkt vom „Gehen biä JTUQÖg" gesprochen ist (im Sinne der Feuerprobe N u m 31,23 und vor allem Sach 13,9 [s.o.]; Jes 43,2 [dazu 4 Makk 18,14]; im Sinne des Feueropfers 2 Chr 28,3; vgl. Ep Arist 87: xä 6i)|iaxa öict xoü jruQÖg; bildhaft „durch Feuer und Wasser" Ps 66(65), 12; von einer Körpermarkierung öict JtUQÖq ist 3 Makk 2,29 die Rede). Gemeint scheint zu sein, daß der Betreffende durch das seine oixoöo(xf| vernichtende Feuer hindurchgehen muß; allerdings wird ihm verheißen, daß er dabei nicht verbrennen, sondern schließlich doch gerettet werden wird. Die Auslegung von V. 10—15, insbesondere auch von V. 14f., muß beachten, daß Paulus, außer in V. 11, das Bild nicht deutet (vgl. dann aber V. 16f.). Es liegt keine Allegorie 87
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Paulus und die Gemeinde in Korinth
im eigentlichen Sinne vor. Es braucht deshalb nicht gefragt zu werden, wie die einzelnen Bilder („Lohn", „Vertragsstrafe", „Gehen durch das Feuer") in der „Sachhälfte" zu deuten sind. Gleichwohl zeigt die Schärfe des Bildes im ganzen, was Paulus in der Sache sagen will: Die Arbeit am „Bau" der Kirche geschieht im Wissen um das bevorstehende Prüfungsgericht (Gottes). Paulus spricht hier also aus, daß der Mensch in seinem Handeln, hier konkret bezogen auf sein Wirken in der Gemeinde, vor Gott in die Rolle dessen kommt, der R e c h e n schaft ablegen muß. Diejenigen, deren Werk „bleibt", werden von Gott anerkannt. Bei denjenigen, deren Werk keinen Bestand haben wird, bedeutet dies jedoch nicht den U n tergang derer, die es „errichtet" haben, wobei nicht gefragt zu werden braucht, ob sie nur „objektiv" oder auch „subjektiv" falsch gehandelt hatten (darüber ausführlich Merklein, K I , 269); Paulus stellt einfach fest, daß sie Gottes rettendes Heil erfahren werden. Sie können sich mit dieser Zusage aber nicht beruhigen, denn ihre Verantwortung Gott gegenüber bleibt unverändert erhalten; ebensowenig können die anderen einen sich auf ihre Leistung beziehenden Anspruch erheben, weil sie Gottes Richterspruch keinesfalls vorwegnehmen können. Paulus vertritt weder eine pessimistische Weltsicht, die in der resignierenden (und am Ende auch bequemen) Auffassung gipfelt, daß der Mensch ohnehin nichts zu leisten vermöchte; noch identifiziert er umgekehrt den M e n schen mit dessen Leistungsfähigkeit. Paulus hält an der traditionellen Vorstellung des „Gerichts nach den Werken" fest, „weil er die Unwiderruflichkeit christlichen Seins nicht durch die mißlingenderiWerke des christlichen Lebens in Frage gestellt oder durch die gelingenden Taten der jiioxig öl' aydurrig eveqyodh,evti [Gal 5,6] überboten wissen will. ... Man wird 1. Kor. 3,13—15 wohl so auslegen dürfen, daß der Christ als Subj ekt seiner Taten Objekt des Gerichts sein wird, wobei das Feuer des Gerichtes ,Lohn' und ,Strafe' des Täters in dem Sinne bewirkt, daß der Christ um seine ,guten Werke' nicht betrogen werden wird, während der Täter des xaxöv EQJOV ohne das,Festkleid' [Mt 22,11] guter Werke dasteht, die sich doch für einen Christen hätten von selbst verstehen sollen" (E. Jüngel, in: F. Viering [Hg.], Zu Karl Barths Lehre von der Taufe, 2 1972, 25—43, hier: 42f., Hervorhebungen im Original). In 16 wechselt Paulus die Perspektive. Jetzt spricht er die Adressaten wieder unmittelbar an. Mit der auf eine bejahende Antwort zielenden Frage oiix oi'öaiE xxX. appelliert er an das Urteilsvermögen der Korinther (vgl. 5,6; 6,2.3.9.15f., vor allem 6,19; ferner R o m 6,16; 11,2 u.ö.; dazu Bultmann, Stil 13 mit Belegen aus den Diatriben Epiktets; „fragend-verlegen", so Strobel, K 83, ist V. 16 nicht formuliert). Angeredet sind wieder nicht die einzelnen, sondern die Gemeinde als ganze: Sie ist vaoc, 0eoü (vgl. V. 9: Geov oixoöo[xf|), wobei sich kaum sagen läßt, ob Paulus an dieses konkrete Bild schon in V. 10— 15 gedacht hatte. Als Tempel (xai explicativum) ist die Gemeinde der Ort, wo Gottes Geist „wohnt" (vgl. R o m 8,9). Die Genitiwerbindung vaoq öeoij könnte trotz fehlender Artikel determiniert sein („der Tempel Gottes"). vocöq bei Paulus nur hier und 6,19, außerdem in dem (vermutlich interpolierten) Abschnitt 2 Kor 6,14—7,1 (6,16); vgl. Eph 2,21; 2 Thess 2,4. Das Wort bezeichnet in den Evangelien den Jerusalemer Tempel (aber selten; meist t ö leqov), in der Apg dagegen (plur.) Tempel, in denen Gott nicht wohnt (7,48; 17,24; vgl. 19,24). In der Apk ist vaög das (himmlische) Heiligtum; im endzeitlichen Jerusalem wird es keinen vaög geben, weil Gott selbst vaög aiitfjg ist (21,22). Indem die Gemeinde den Geist Gottes empfangen hat (vgl. 2,12), ist sie Wohnsitz Gottes geworden. Dabei braucht die Vorstellung von der
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Die Gemeinde
in Korinth:
Gottes Acker und Gottes „heiliger Tempel"
3,16-17
„Einwohnung" Gottes (Sh e kinah) im Jerusalemer Tempel nicht im Hintergrund zu stehen (anders Gärtner* 58: „God's Shekinah no longer rests on the Jerusalem temple, but has removed to the Church."). Es liegt hier aber auch ein ganz anderer Gedanke zugrunde als in den stoischen Parallelen; Epict Diss II 8,10—14 spricht von der Einwohnung Gottes im einzelnen Menschen (im Unterschied zum Tier), während es Paulus in 3,16 (anders 6,19; s. dort) um die Gemeinde als ganze geht. Weiß, K 85 sieht hier einen W i derspruch zu V. 1, und er will deshalb 3,16b als Glosse streichen; tatsächlich besteht j e doch zwischen der Aussage des Paulus, Gottes Jtvei3|xa wohne evujhv und seiner Bemerkung, er könne die Adressaten nicht als Jtv£U|iaTixoi ansprechen, kein Widerspruch, wohl aber eine bewußt intendierte Spannung. Die paulinische Argumentation knüpft offenbar an die in der Antike verbreitete Vorstellung vom dxeiQ0Ji0ir|TÖ5 vaoq an, ohne daß damit eine gezielte Polemik gegen den Jerusalemer Tempel oder gegen heidnische Heiligtümer verbunden sein müßte; auch die Erwartung eines endzeitlichen Tempels (die dann stark umgedeutet wäre) wird kaum im Blick sein. Die Vorstellung, man sei als Gruppe Gottes „Heiligtum", findet sich in Q u m ran; da der Jerusalemer Tempel als entweiht gilt, bilden die Männer der Gemeinschaft „ein heiliges Haus für Aaron, um vereint zu sein als Allerheiligstes" (1 QS IX 6; ähnlich VIII 5). Paulus hat, anders als es in Qumran der Fall ist, das Bild nicht näher ausgeführt; vor allem bildet die christliche Gemeinde für ihn (zumindest hier) nicht die Alternative zum Jerusalemer Tempel, zumal dieser für die Christen in Korinth kaum von Bedeutung gewesen sein dürfte (vgl. den distanzierten Hinweis auf den Opferaltar in 10,18). Auf die (als Frage formulierte) Zusage „Ihr seid der Tempel Gottes" folgt 17 die direkte Drohung mit dem endzeitlichen Gericht. Zu eixig vgl. V. 12.14.15. Die Formulierung ei T15 ... (f>Ö8LQ£i geht nicht auf einen bestimmten Menschen, der die Gemeinde „vernichtet". Paulus richtet seine Warnung vielmehr an Leute, die nicht nur mit falschen Materialien bauen, sondern die die Gemeinde zerstören; ihnen gegenüber wird Gottes Reaktion entsprechend ausfallen. (öv elvai; ähnlich VII 125). Seneca schreibt (Ben VII 2,4f.), für den Weisen gelte, daß er nichts hofft u n d nichts begehrt, sondern zufrieden ist mit dem, was er hat; das aber sei nicht w e nig, d e n n omnia illius sunt; ähnlich VII 3,3. Möglicherweise handelt es sich u m eine von Paulus aufgenommene, durch die U m w a n d l u n g in die 2. Pers. u n d durch die „Ergänzung" in V. 22f. dann allerdings korrigierend interpretierte korinthische Parole (vgl. 6,12; 8,1; s. dort). Denkbar ist aber auch, daß Paulus selber mit dem Jtdvxai)(xcöv die G e genaussage zu eyco nai>X,ou usw. formuliert. Daß Paulus jedenfalls die Position des stoischen Weisen, der in seinem Innersten durch nichts berührt wird, nicht einnimmt, zeigt V. 23 ('¿JAEIG öe XQUJXO'Ö). D e r apokalyptische Aspekt der (vorweggenommenen) Teilhabe der Gläubigen an der künftigen Weltherrschaft Gottes ist freilich auch nicht im Blick (so m . R . Braun*). Paulus gibt in 22 eine rhetorisch sehr geschickte Entfaltung des Jtdvxa {j^ö&veaxiv: Er nennt die in 1,12 erwähnten „Leitfiguren" Paulus, Apollos u n d Kephas (zu Christus s.u.) u n d zeigt, daß eben nicht gilt eyco FlaijXoD usw., sondern umgekehrt FlaCXog ... ij|iüjv. Paulus usw. sind ja Diener (3,5; vgl. 4,1), keineswegs Herrscher. Daß, anders als in V. 4f., Kephas wieder genannt wird, bestätigt, daß er gegenwärtig in Korinth eine gewisse R o l le spielt, auch w e n n er in der konkreten Gemeindegeschichte nicht v o r k o m m t (und vermutlich niemals in Korinth war; s. zu 9,5). Die acht in V. 22 aufgezählten u n d durch eixe jeweils voneinander getrennten Glieder lassen sich am Anfang und dann in der zweiten Hälfte eindeutig zuordnen: Die drei Prediger einerseits u n d die beiden Begriffspaare £COT| / ödvaxog sowie eveaxcöxa / [xeXXovxa gehören jedenfalls zusammen. W o h i n aber gehört xöa|iog? Ist dies gleichsam die den zweiten Teil einleitende Uberschrift (so C o n z e l mann, K 107: „Zweimal drei Glieder, zwei Glieder, W i e d e r h o l u n g der These, U m schlag"; Paulus umschreibe auf diese Weise xöoiiog „durch Existenzbegriffe")? O d e r schließt xoo(xog die R e i h e der menschlichen Personen ab u n d tritt damit quasi an die Stelle des eydt) öe XQIÖXOÜ von 1 , 1 2 ? Von der formalen Struktur her liegt die zweite A n t wort näher; daß xöa|xog in besonderer Weise mit ^cof| und Odvaxog verbunden wäre, läßt sich nicht erkennen (allenfalls k ö n n t e nach xöofxog ein D o p p e l p u n k t gesetzt u n d die bei-
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3,18-23
Paulus und die Gemeinde in Korinth
den folgenden Begriffspaare als Explikation von xöajiog verstanden werden; vgl. Senft, K 63). Paulus sagt offenbar, daß nicht nur jeder der Missionare, sondern die Welt als ganze den Korinthern „gehört", wobei xöajiog stets bei Paulus die Menschenweit bezeichnet. Damit liegt zweifellos ein beachtlicher „Sprung" vor (Bengel zSt.: repentinus saltus)\ aber andererseits ist die Aussage nach den vorangegangenen kritischen Bemerkungen über die oot^ia TOÜ xöa|xou gar nicht so besonders überraschend (vgl. auch 6,2; nach Philo Vit Mos I 157 gehört Mose als dem „Freunde Gottes", d.h. als dem wahrhaft Weisen, die ganze Welt, da „Freunden alles gemeinsam" ist). Für die Interpretation der zweiten Hälfte der Aufzählung in V. 22 ist die Parallele R o m 8,38 heranzuziehen: „Leben und Tod" (Rom 8,38: „weder Tod noch Leben") sind die das Dasein des Menschen bestimmenden und begrenzenden Größen. Dasselbe gilt — im Grunde noch umfassender, weil den Rahmen der Existenz des einzelnen überbietend — für „Gegenwart und Zukunft" (vgl. Gal 1,4: „der gegenwärtige böse Aon"). Mit dem abschließenden, V. 21b wiederholenden Ttdvxa TJ^ÜJV unterstellt Paulus alle diese „Mächte" der Entscheidungsfreiheit der Adressaten (in R o m 8,39 formuliert er dann deutlich zurückhaltender). Diese zu V. 23 überleitende Zusage zeigt an, daß die genannten Größen nicht etwa schon überwunden sind, womöglich im apokalyptischen Vorgriff auf den endzeitlichen Sieg über die Mächte (vgl. 1 Kor 15,24—28) oder im enthusiastischen Uberstieg über das irdische Dasein oder in der stoischen Verachtung der möglicherweise bedrängenden Realität. Vielmehr beschreibt Paulus die dialektische Zuordnung sowohl der konkret geschichtlichen Größen (von Paulus bis zur Welt) wie auch der universalen Mächte zum Verfugungsbereich der christlichen Gemeinde und ihrer Glieder (i>|icöv). Vor diesem Hintergrund formuliert Paulus nun in 2 3 sein Ü^EL? ÖE XQIOTOÜ. An dieser Stelle ist diese Aussage vom Kontext her eindeutig inhaltlich bestimmt, so daß sie nicht womöglich als eine verspätete Bestätigung des in 1,12 kritisierten sycb öe XQICTTO'ü gelesen werden kann, zumal ja die Gemeinde (¿[mg) und nicht ein eye!) angesprochen ist. i)|XEi5 ÖE ist nicht allein adversativ, sondern auch weiterführend gemeint: Das den Adressaten in V. 22 Zugesagte gilt gerade und letztlich nur deshalb, weil sie zu Christus gehören (vgl. V. 11: Christus als Fundament). Sellin (ZNW 73 [1982] 95) sieht hier gezielte Kritik an der „Christus"-Parole, die Ausdruck des Selbstverständnisses des Apollos gewesen sei, der sich als Mittler zwischen Christus und den Seinen gesehen habe (dazu s. zu 1,12); richtig ist Sellins Hinweis, Paulus betone nun, daß die Gemeinde „Christus-unmittelbar" ist. Mit dem betonten Hinweis auf Gott lenkt Paulus zum Ausgangspunkt (V. 6ff.) zurück (vgl. auch die Zuordnung von Christus und Gott in 4,1): Das Gegenüber aller, auch und gerade der christlichen Existenz ist Gott; paulinische Theologie erweist sich wirklich im eigentlichen Sinne als „Reden von Gott" (vgl. 15,28; Klumbies, Rede 241 f.). Die These von Sellin (s.o.), Paulus stehe hier in Auseinandersetzung mit Apollos bzw. dessen Schülern „auf dem Felde der ontologischen Hierarchienlehre alexandrinisch-jüdischer Art" (Philo lehre die Hierarchie Gott — Logos [= ävÖQCüJtog öeolj] — „Sohn des Logos"), geht über das im Text Erkennbare hinaus. Der Abschnitt 3,18—23 enthält eine klare Gedankenführung: Wer gegenwärtig („in diesem Aon") in der christlichen Gemeinde („bei euch") ein Weiser zu sein meint, der muß bedenken, daß er es mit Gott zu tun hat. Gott aber widerspricht aller irdisch-weltlichen ooia. Jede Art einer Bindung an menschliche Leitfiguren ist deshalb ausgeschlos94
Die Warnung vor dem Richten
4,1
sen. Durch das Jidvxa i)(ifi)v nimmt Paulus eine Umdeutung der Rolle derer vor, denen sich die Korinther zuordnen, wobei er die neue Verhältnisbestimmung durch den Verweis auf Christus und auf Gott neu definiert.
4,1—5 D i e W a r n u n g v o r d e m R i c h t e n 1
In dieser Weise soll man uns einschätzen als Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes. 2 Dabei verlangt man nun von den Verwaltern, daß einer als treu erwiesen wird. 3 Mir ist es aber völlig gleichgültig, ob ich von euch oder von einem menschlichen (Gerichts-)Tag beurteilt werde; ich beurteile mich ja nicht einmal selbst. 4 Ich bin mir nämlich keines (Vorwurfs) bewußt; aber damit bin ich nicht gerechtfertigt. Es ist vielmehr der Herr, der mich beurteilt. 5 Darum richtet nichts vor der Zeit, bis der Herr k o m m t , der das Verborgene der Finsternis erhellen und die Pläne der Herzen kundmachen wird. Und dann wird einem jeden das (= sein) Lob zuteil werden von Gott. Literatur. H.-J. ECKSTEIN, Der BegriffSyneidesis bei Paulus. Eine neutestamentlich-exegetische Untersuchung z u m Gewissensbegriff, W U N T
1 1 / 1 0 , 1 9 8 3 ( 1 9 9 - 2 1 3 ) . - KUCK (S. ZU 3 , 1 - 1 7 ) . - E . LOHSE,
Die Berufung auf das Gewissen in der paulinischen Ethik, in: H. Merklein (Hg.), Neues Testament und E t h i k . F S R . S c h n a c k e n b u r g , 1 9 8 9 , 2 0 7 - 2 1 9 . - G . THEISSEN, A s p e k t e ( 6 7 - 7 4 ) .
Die aus dem in 3,18—23 von Paulus Gesagten zu ziehende Konsequenz besteht darin, daß „man", d.h. natürlich insbesondere die korinthischen Christen, „uns", d.h. jedenfalls Paulus und Apollos (vgl. 4,6), möglicherweise aber auch Petrus (3,22), nicht als Leitfiguren ansehen soll, sondern als Diener Christi (V. 1) — nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die damit verbundene Problematik (V. 2) expliziert Paulus zunächst allein am Beispiel seiner eigenen Person (V. 3 f.), bevor er mit einem Rückgriff auf die Gerichtsansagen in 3,8.14 die Argumentation umfassend ausweitet (V. 5). Nach der rhetorischen Analyse, der sich Schräge, K I, 319 anschließt, handelt es sich bei 4,1—5 um eine refutatio, während Merklein, K I, 289 in diesem Abschnitt den Ubergang (transitus) zur refutatio in 4,6—13 sieht. Aber weder in 4,1—5 noch in 4,6—13 liegt die Zurückweisung einer gegnerischen Position vor; vielmehr enthält 4,1—5 ein Stück Selbstverteidigung oder - genauer — die Behauptung, eine solche sei gar nicht nötig. Die Anwendung in 1 folgt unmittelbar auf 3,21—23 (oiktog blickt, ebenso wie in 8,12, zurück, nicht voraus; vgl. Bauer-Aland, Wb s.v. l.b und Merklein, K I, 290; anders Wolff, K 79 A 315: „wenn sich oikcoq auf Voranstehendes bezieht, wird es absolut gebraucht", doch das ist hier der Fall, denn das vergleichende cuxcog — ¿>5 liegt, trotz BauerAland, W b s.v. oincog 2, nicht vor): Aus dem Gesagten ist zu folgern, daß „wir", d.h. die in 3,22 Genannten, als „Diener" und „Verwalter" eingeschätzt werden sollen. ävÖQtüjtog hier im Sinne des abstrakten „man" (Bauer-Aland, W b s.v. 3.a.y); das erwähnte Urteil soll offenbar allgemein gelten. XoYit,£O0ou ist bei Paulus außerordentlich häufig (33 von 41 Belegen im NT). Zu imriQETrjg (bei Paulus nur hier) vgl. K.H. Rengstorf, T h W N T VIII, 530-544. Das Wort bezeichnet im griech.-hell. Sprachgebrauch den mit einer besonderen Würde ausgestatteten Diener (des Staates, des Königs, einer Gottheit), im Unterschied zum wirklich „dienenden" öicocovog oder gar zum bovkog. In LXX ist 95
4,1-5
Paulus und die Gemeinde in Korinth
i>jrr]Q8TTi5 in SapSal häufig, sonst nur einmal belegt (Spr 14,35: „Diener" und „König"). Epiktet bezeichnet den Kyniker, der alle Menschen als seine Kinder ansieht, als •ujttiqetrisxoü Aiög, da Zeus j a der Vater aller ist (xofi xoivoi) JtaxQÖg); als ein solcher imr|QExr|5 hat er dann freilich auch Anteil an der agxii des Zeus (Diss III 22,82.95). Im N T b e zeichnet l)Jir|Q£Tr|5 nur in Lk 1,2 (vgl. Apg 26,16) im „technischen" Sinn den Missionar bzw. Prediger. Zu oixovö|xog vgl. Gal 4,2; Lk 16,1 ff.; eine spezifisch religiöse bzw. kirchliche Konnotation bekommt dieser Begriff erst in nachpaulinischer Zeit (1 Petr 4,10; T i t 1,7; vgl. oixovo|xia in Kol 1,25; Eph 3,2.9; anders 1 Kor 9,17). Zu |iDOxr|Qiov vgl. 2,1.7; 15,51. D e r fiir das N T eher ungewöhnliche, klassisch dagegen normale (H. Krämer, E W N T II, 1098f.) Plur. nuaTneia (1 Kor 13,2; 14,2; vgl. M t 13,11 und Lk 8,10 gegenüber M k 4,11) geht hier wohl einfach darauf zurück, daß ein oixov6|iog üblicherweise eine Vielzahl von Dingen zu verwalten hat. In 2 erläutert Paulus, daß von den oixov6|xoi in erster Linie erwartet wird, daß sie treu, zuverlässig sind (vgl. Lk 12,42 und als Gegenstück Lk 16,1—8). Die Eingangswendung ü)öe Xouiov wirft sprachliche, ^r)xeIxaL textkritische Probleme auf (ausführlich dazu Weiß, K 94f., freilich mit der Lösung, entweder (joöe oder ev xolg olx. zu streichen). Z u CryceTv ... iva (ebenso in 14,12) vgl. B D R § 3 9 2 2 b . Die u.a. von s $ 4 6 S A C D bezeugte Lesart ^t)tsIxe ist wohl Anpassung an V. 3 (iijtr|Q£xai) Christi deren Treue verlangt. Aber warum hätte Paulus das nicht deutlicher gesagt? U n d wie wäre dann der Anschluß in V. 3 (öe) zu verstehen? D e r anschließende Wechsel in den Sing, im iva-Satz in V. 2b (xig) zeigt, daß es konkret natürlich jeweils um den einzelnen geht. Jt 10x05 i m Sinne von „treu" von Menschen bei Paulus nur hier (und vielleicht 4,17), sonst meint 1x10x65 »gläubig" (z.B. Gal 3,9) oder bezieht sich auf Gott (z.B. 1 Kor 1,9). Et)QE0fj zielt auf das Urteil, das über einen Menschen gefällt wird; vgl. Sir 44,20 L X X : Abraham hielt das Gesetz des H ö c h sten und blieb im Bund mit ihm (ouvext|qt)Oev vöjiov injiiaxou x a i eyevexo ev 6ia6r|xr] ^iex' aiixoii), und er wurde in der Versuchung als treu gefunden (xai ev jxELQaofxqj e{)Q88r| juaxög). Mit 3 bekommt die paulinische Argumentation eine scharfe Wendung: Eine mögliche Beurteilung durch Menschen (dvaxQivco im Passiv) ist Paulus völlig gleichgültig, was dem in 2,15 formulierten Grundsatz entspricht. Von ihm, dem oixovo^og ¡j/u0XT]Qicov O e o x j , kann Gott Treue verlangen — ein menschliches Urteil hingegen ist für ihn bedeu-
96
Die Warnung vor dem
Richten
4,3-4
tungslos. Zur Wendung E|xol öe eig eXäyioxöv eoxiv vgl. O. Michel, T h W N T IV, 660; Bauer-Aland, Wb s.v. ei|xi III.2: zusammengeflossen aus e^dxioxöv eativ und eig ekäXIÖTOV yivexcxL (ob eig Ekäyiarov wirklich „mehr" ist als eig ovbev [vgl. Apg 19,27], wie Robertson-Plummer, K 75 meinen, ist fraglich). Zu iva als Ersatz für den Infinitiv mit stark verblaßter finaler Bedeutung vgl. Bauer-Aland, Wb s.v. iva Il.l.b). Daß die Aussage in V. 3a tatsächlich auf ein in Korinth stattfindendes „Verfahren" gegen Paulus hinweist (vgl. 9,3; s. dort), ist wenig wahrscheinlich (Lietzmann, K 18); eher ist anzunehmen, daß Paulus eine nur hypothetische Möglichkeit von vornherein zurückweisen will. Jedenfalls ist dvaxQiveiv „beurteilen" nicht mit xpiveiv „urteilen, richten" (vgl. 5,12) identisch. Kuck* 199 betont m.R., daß Paulus sich möglicherweise nicht nur auf ein kritisches, sondern auch auf ein durchaus positives Beurteilen durch die Korinther bezieht. Der ungewöhnliche Begriff dvÖQamivT] T^iega ist wohl entstanden aus F|(X8Qa TO® XUQIOU (1,8; 5,5) bzw. dem im gleichen Sinn gebrauchten absoluten F|(xeQa (3,13); jedenfalls liegt kein terminus technicus für „Gerichtstag" vor (BDR § 516 wird auf dies forensis verwiesen; aber dies humanus [so die Ubersetzung der Vulgata] scheint in dieser Bedeutung nicht belegt zu sein; Billerbeck III, 336 erwähnt die in rabb. Literatur belegte stets plur. Wendung DTK '^„menschliche Gerichte", doch gibt es offenbar keine Verbindung mit Di"1). Der lediglich „menschliche Tag" wäre quasi der Versuch, den „Tag des Herrn" vorwegzunehmen (s. V. 4b). Paulus kann so argumentieren, weil er nicht einmal (aXka „ja sogar", B D R §448,6) sich selbst beurteilt, ovbe e^iauiöv ist mißverständlich (vgl. Weiß, K 97: Man erwarte eigentlich all' ovbe eym auxög 8|iaux6v dvaxQivoj „nicht einmal ich selbst beurteile mich"); es ist aber klar, was Paulus in der Sache meint. Bemerkenswert ist das Gesagte vor dem Hintergrund von 2,15b: Der jcveunatotög wird von niemandem, nicht einmal von ihm selbst, beurteilt (allerdings besteht dann eine logische Spannung zu 2,15a: dvaxQivei rä Jtävxa). Robertson-Plummer, K 75 verweisen auf MAnt XII 4,1-3: JtoXXäxig e6aiJ[xaoa, Jtcög eauxöv ^iev exaaxog näXXov jtavxcov (J)iXeI, xf)v öe eauxoij JTEQI aiixoü i)jtöXr|ipiv ev eXdxxovi Xoyq) xiOexai f] xrjv xcov äXkwv ... oixcog xovg jteXag [iäXXov aiöoij^ieOa, xi Jtoxe Jtepi R)|xä)V |xäg), Lk 6,28 (e-ü^oyelTe toi)5 xaxaQco^evoug ii^äg) und 1 Petr 3,9 (XoiÖogia vs Eii^oyoCvTEg). Zu öiwxelv vgl. R o m 12,14; 2 Kor 4,9; Mt 5,44. Paulus selber hatte Christen bzw. „die Kirche Gottes" verfolgt (1 Kor 15,9; Gal 1,13; Phil 3,6). In der Verfolgung nicht zu wanken, sondern auszuharren (dieser Gebrauch von ävexofiai im N T sonst nur 2 Thess 1,4), schließt nicht aus, daß man von einem Ort, wo Lebensgefahr droht, heimlich flieht (2 Kor l l , 3 2 f . ) . Zu öuor]|ioi)(i£voi und Xoi8oooi)(i£voi ergibt sich aus der unterschiedlichen Reaktion: eiüXoyeiv meint in des Wortes voller Bedeutung „segnen", jtaQaxaXfilv wohl eher „freundlich reden" (vgl. 1 Thess 2,12); öua4>rpetv bezieht sich auf die zwischenmenschliche Ebene, Xoiöoqeiv meint dagegen eher die religiös begründete Schmähung, auf die durch Segen geantwortet wird. Braun* 191: „Das echte Gegenüber Gottes
109
4,6-13
Paulus und die Gemeinde in Korinth
in den Leiden des Apostels bewährt sich darin, daß gerade dem Leidenden, statt seiner eigenen Bewährung, der Bruder und dessen Förderung in den Gesichtskreis tritt...: die Verba finita beschreiben nicht bewundernswerte Leistungen des leidenden Apostels, sondern zeigen auf, wie gerade im Bedrängtsein die Offenheit fiir den andern aufbricht." Nicht völlig klar ist der Schluß des Abschnitts in 13b. Die beiden nahezu bedeutungsgleichen Begriffe (JTEQI)xd0ag[IA und jiEQii[iT|(ia bezeichnen „Schmutz, Abschaum", aber auch die durch das Sammeln des Schmutzes entstehende Reinigung („Sühnopfer"). Formuliert Paulus eine scharf zugespitzte Aussage der Selbsterniedrigung („Unrat sind wir geworden")? Oder enthält seine Aussage den Gedanken der Sühne? Bringt er womöglich im antithetischen Parallelismus zunächst das eine, dann das andere zum Ausdruck? jteQixdöaQ^ia, im N T nur hier, ist selten; sehr viel häufiger begegnet xdöaQ(xa. Im übertragenen Sinn bezeichnet das Wort meist verwerfliche Menschen, geradezu den „Auswurf der Menschheit" (Jos Bell IV 241: Der Oberpriester Jesus nennt während der Belagerung Jerusalems die Zeloten öiifiaxa xai xaödQuata tfjg ö^HS; ein hochmütiger, aufgeblasener Mensch betrachtet andere als xa8aQ|xaxa, Philo Virt 174, möglicherweise eine Anspielung auf das Verhalten des Kaisers Caligula; ähnlich VitMos I 30; Epict Diss III 22,78 spricht so von der Nachkommenschaft des Phamos). In Spr 21,18 (jt£Qixä0aQ|ia öe öixaiou dvo^og; einziger Beleg in L X X ) steht it£Qixd0aQ(j.a für hebr. "TÖ3 „Sühne" (vgl. jiEQixaöaQi^eiv Lev 19,23; Dtn 30,6; Jes 6,7). Vgl. in der Sache Klgl 3,45: D'ayn a n g a UZTi^ („verabscheuen") 01X01 („Kehricht"; hapax leg.) '(ID „Zu Unrat und Abschaum hast du uns gemacht inmitten der Völker" (Kleinknecht* 232f.). JieQLij)r|(ia, im N T nur hier, ist das „Zusammengewischte"; in L X X nur Tob 5,19, dort im Sinne von „Lösegeld" (vgl. Bauer-Paulsen, H N T 18 zu IgnEph 8,1). Da also beide Worte auch kultische Bedeutung haben können (das, was kultisch „abgewischt" bzw. „zusammengekehrt" wird), wäre hier etwa die Bedeutung „Sündenböcke" o.a. möglich (vgl. Bauer-Aland, Wb s.v.). Da aber beide Worte umgangssprachlich eine verwerfliche Person bezeichnen (Nilsson, Religion I, 103: Ji£Qii|>r|[xa und xdOapfxa sind „die schlimmsten Scheltwörter der griechischen Sprache") liegt diese Auslegung doch wohl näher (vgl. Barn 6,5, wo sich der Autor im Stil übertriebener Selbsterniedrigung als JTEQhjjrpa xf)5 aydirrig i>ncöv bezeichnet, ähnlich 4,9). Dafür spricht auch das abschließende ea»5 OQTI (vgl. V. 11: äxQi xfjg ägxi cogag), das zu einem „Sühnopfer" schlecht passen würde. Die Genitivattribute tot) xöajiou bzw. Jtdvxcov sind wohl im Sinne eines gen. obj. zu verstehen (Weiß, K 115: „in den Augen der Welt" bzw. „... gelten wir allen"); dann paßt die Aussage unmittelbar zu V. 9 (ÖECXTQOV ... xrö xöa^q)). Der Argumentationsgang des Paulus in 4,6-13 zielt darauf, die Spannung zu beschreiben, die zwischen dem Selbstverständnis der Korinther, wie es sich für Paulus darstellt, und der apostolischen Realität (wie sie sich für Paulus darstellt!) besteht: Während die korinthischen Christen um ihrer Leitfiguren willen sich gegenseitig zu übertreffen versuchen und also in einer religiösen Hochstimmung leben (vgl. das von Paulus in V. 8 gezeichnete Bild, das ironisch übertrieben ist, aber jedenfalls einen Anhalt an der gemeindlichen Wirklichkeit haben muß), führen die Apostel eine verachtete Existenz in Niedrigkeit, ja, sie sind geradezu „der letzte Dreck". Sie sind dies freilich nicht aus eigener Entscheidung, weil sie diesen Weg womöglich um eines bestimmten Ideals willen als für sich verbindlich gewählt hätten. Paulus ruft dementsprechend die Adressaten seines Briefes nicht dazu auf, etwa die im Peristasenkatalog V. 11.12a aufgezählten Widrigkei-
110
Zwischenbilanz: „ Werdet meine Nachahmer!"
4,14-21
ten oder die in V. 12b. 13a genannten negativen Erfahrungen bewußt zu suchen. Er beschreibt vielmehr ein Geschick, das Gott so verfugt hat (V. 9). Das Ganze wird zwar eingeleitet mit einem persönlich formulierten 6oxc5, aber die sich hier äußernde „Meinung" ergibt sich aus der realistischen Betrachtung der Existenz der Apostel in der Welt (V. 11—13). An die Korinther ergeht die Forderung, sich angesichts solcher Realität nicht zu überheben und womöglich zu meinen, in einer vorweggenommenen Heilsvollendung liege der eigentliche Sinn christlicher Existenz.
4,14-21 Zwischenbilanz: „Werdet meine Nachahmer!" 14
Nicht u m euch zu beschämen, schreibe ich dies, sondern u m euch als meine geliebten Kinder auf den rechten Weg zu bringen. 15 D e n n wenn ihr auch zahllose ,Schulmeister' hättet in Christus, so doch nicht viele Väter: In Christus Jesus nämlich habe ich durch das Evangelium euch gezeugt. 16 Ich bitte euch also dringlich: Werdet meine Nachahmer! 17 Deshalb habe ich euch Timotheus geschickt. Der ist mein geliebtes und treues Kind i m Herrn. Der wird euch erinnern an meine Wege in Christus Jesus, wie ich überall in jeder Gemeinde lehre. 18 Weil sie meinen, daß ich nicht zu euch käme, haben sich einige aufgeblasen. 19 Ich werde aber bald zu euch k o m m e n , wenn der Herr es will; und ich werde (dann) nicht die Redekunst der Aufgeblasenen, sondern die (= ihre) Macht erkennen. 20 D e n n nicht in Redekunst (verwirklicht sich) die Gottesherrschaft, sondern in Macht. 21 Was wollt ihr? Soll ich mit d e m Stock zu euch k o m m e n , oder mit Liebe und d e m Geist der Sanftmut? Literatur. O. MERK, Nachahmung Christi. Zu ethischen Perspektiven in der paulinischen Theologie, in: H. Merklein (Hg.), Neues Testament und Ethik (FS R . Schnackenburg), 1989, 172-206 (Lit.!). - B. SANDERS, Imitating Paul: 1 C o r 4:16, H T h R 74 (1981) 353-363. - W SCHRÄGE, Das apostolische Amt des Paulus nach 1 Kor 4,14-17, in: A. Vanhoye (Hg.), L'Apotre Paul, 103-119. - N . H . YOUNG, Paidagogos: T h e Social Setting of a Pauline Metaphor, N T 29 (1987) 150-176.
Paulus wechselt erstmals seit V. 9 wieder in die 1. Pers. Sing, („ich" durchgängig in V. 14— 21). Nach der Analyse von Schmithals, Briefe 48 folgt der Abschnitt 4,14-21 auf 3,23 und bildet zusammen mit 1,1—3,23 „Brief F"; dabei leiten V. 14f. den Briefschluß ein (oiix . . . YQCKJXO TORÖXA, von Schmithals freilich als Aor. übersetzt und frei ergänzt: „Ich habe euch diesen Brief nicht geschrieben" [Hervorhebungen von mir]). YQCIoi>g) eher am Anfang eines neuen Themas oder — wenn 2 Kor 9 ein selbständiger Kollektenbrief sein sollte — am Anfang eines Briefes, jedenfalls nicht als Einleitung zu einem Briefschluß. Am ehesten wirkt die Ankündigung des Paulus, er wolle „bald" nach Korinth kommen (V. 18-21), als Teil eines Briefschlusses (vgl. R o m 15,22-29; 2 Kor 13,lf.; Phil 2,24 - sofern Phil 3 zu einem anderen Brief gehört, was zumindest fraglich ist). Der eigentliche Schluß würde dann aber fehlen, weil 4,21 nicht der Briefschluß sein kann (Mitchell, Paul 221). Tatsächlich berührt sich 4,18—21 eng mit 16,5—7. Aber der Hinweis auf einen „baldigen" Besuch in Korinth erklärt sich an dieser Stelle leicht im Zusammenhang der Aussagen in V. 17 f.: Paulus will offenbar den Eindruck vermeiden, er habe Timotheus nach Korinth entsandt, um dadurch einen eigenen Besuch umgehen zu können. Dementsprechend erwähnt er gerade im Zusammenhang des Hinweises auf Timotheus die Möglichkeit seines eigenen Besuches, ohne daß dies als ein Indiz für einen nun folgenden Briefschluß gewertet werden müßte (Paulus weist aufsein Kommen auch in 11,34 und 14,6 hin). Richtig ist, daß 4,14—21 einen gewissen Einschnitt darstellen. Denn das beherrschende Thema von 1,10—4,13 wird in Kap. 6—16 jedenfalls so nicht wieder aufgenommen. Paulus expliziert in V. 14.15, warum er das zuvor Gesagte geschrieben hat: Er sieht sich der Gemeinde gegenüber in der Rolle des „Vaters". Dabei formuliert er eingangs (V. 14) wieder eine Alternative (oi> — akXä) und gibt dafür eine doppelte (zweimal yag in V. 15) Begründung. Als Folgerung (oiiv) bittet er die Adressaten nachdrücklich (V. 16: uraQaxaXöö), sie möchten dem so beschriebenen Vorbild folgen. Deshalb habe er (V. 17) Timotheus nach Korinth geschickt, der dies alles mündlich darlegen solle, wobei es sich dabei aber durchaus nicht um eine speziell auf Korinth bezogene „Lehre" handele (JTCXVTa/oC ev jtäcrr] exxXrjoia). In V. 18—21 kündigt er, mit dem Vorbehalt in V. 19a, seinen eigenen Besuch an, wobei er dies verbindet mit einer „pädagogischen" Drohung in V. 21 (vgl. jtcaöayüjyöc; in V. 15), die zugleich das dann in Kap. 5 verhandelte Problem vorzubereiten scheint (s.u.). Paulus kommentiert in 14 sein gegenwärtiges Schreiben (YQCKJXD) mit der Bemerkung, das Dargelegte (vor allem V. 6—13) solle nicht dazu dienen, die Adressaten zu beschämen (evxQEJtwv part. conj. mit finalem Sinn, vgl. B D R § 418,4; OVK bezieht sich auf YQÖK|)Ü), steht aber betont voran, B D R §433 t ). E V T Q E J I E I V akt. im N T nur hier. Da der Gegensatz V O U Ö E T E I V ist, meint Paulus offenbar, daß seine Darlegungen bei den Adressaten nicht Beschämung oder Demütigung (und beim Autor das Gefühl des Triumphes; Bachmann, K 193) auslösen sollen, sondern daß sie auf Einsicht zielen und also eine Bereitschaft zu einem bestimmten (veränderten) Verhalten auslösen sollen (anders dann in 6,5; 15,34: jtQÖg EVtQ03tf)v iijxiv Xeyoi/XaXG)). Paulus deutet E V T Q E J I E I V offensichtlich als
112
Zwischenbilanz:
„Werdet meine
Nachahmer!"
4,14-15
das Erziehungsmittel, dessen sich die Jiaiöayoüyoi, gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern bedienen (s. zu V. 15). Er selber sieht in den Korinthern seine eigenen geliebten Kinder, denen gegenüber ein EVXQEJIEIV nicht angebracht ist (daß das bisweilen doch der Fall sein müsse, wird in der Exegese gelegentlich eingewandt; es entspricht aber offenbar nicht der Uberzeugung des Apostels). Die Metaphorik erinnert an 3,1 f.; Paulus bezeichnet auch in Gal 4,19 (etwas anders in 2 Kor 6,13) die Adressaten als XEXva ^ou, die Anrede ayajTTixoi findet sich absolut gebraucht in R o m 12,19; 1 Kor 10,14 (vgl. 15,58 und Phil 4,1: döeXoi ^ou dyajtT]xoi) sowie Phil 2,12; 1 Thess 2,8, vgl. 2,11. Das Verb vouGetelv (bei Paulus sonst nur noch R o m 15,14; 1 Thess 5,12.14; vgl. aber Apg 20,31 und Eph 6,4) wird meist mit „mahnen, zurechtweisen" übersetzt, hat aber — hier schon durch den Kontext — den Beiklang des Liebevollen: Paulus kritisiert nicht nur, sondern sieht seine Ausfuhrungen als erzieherische Hinführung auf einen neuen, besseren Weg (s. die Übersetzung). SapSal 11,10 heißt es: xoijxoug X | EV [SC. die Gerechten] yäg cbg itaxr|Q VOUOEXCÖV £Öoxi|iaaag, EXEivoug [sc. die Gottlosen] öe ¿ 5 ditoxo^og ßaaiXeiig xaxaöixd^cov E|rjxaaag (vgl. Hübner, Weisheit, ATDA 4, 1999, 152f.: „wie ein Vater" meint „in väterlicher Milde"). Piaton Leg VIII 845b unterscheidet bei einer bestimmten Tat die Behandlung eines Sklaven von der eines Freien: Der Sklave ist mit Schlägen zu bestrafen, den Freien soll man „ermahnen und belehren" (djtoitejijteiv vouÖExr|aavxa xalöiöaijavxa ...). Statt des parallel zu EVXQEJICÜV stehenden Part, vouöexöv (so s-ßUvld X A C P und etliche Minuskeln) lesen B D F G f S K parallel zu yed(D die 1. Pers. Sing. vouGexco; in diesem Fall würde man aber eher ein erneutes Akk.-Obj. (üiiäg) erwarten; außerdem sind nicht yQdc|>£iv und VOHÖEXEIV aufeinander bezogen, sondern evXQEJTEIV und VOUGEXEIV. Daß sich Paulus zu dieser Selbstinterpretation veranlaßt sieht, zeigt, daß er meint, seine Ausfuhrungen könnten im Sinne des EVXQEJTEIV (mißverstanden werden. Die Verwendung des Verbs VOUGEXEIV verweist auf sein liebevolles Bemühen, die Korinther auf einen anderen Weg zu bringen. Die Begründung dafür gibt Paulus in 15a: Die korinthischen Christen mögen eine Unzahl (ixtiQiog „zahllos"; das Zahlwort „zehntausend" ergibt sich daraus sekundär, Liddell-Scott s.v.) von Jtaiöaywyoi. haben (£dv mit Konj. läßt offen, ob der Fall tatsächlich vorliegt oder nicht, B D R § 3 7 3 n ), deren Aufgabe dann das EVXQEJUEIV wäre; es gilt aber auf jeden Fall (aXka „wenigstens", B D R §448,5), daß sie nicht „viele Väter" haben. Jtaiöaycoyög im N T nur hier und Gal 3,24f. Der jtaiöaycoyög ist kein „Pädagoge" im modernen Sinne, nicht der Lehrer, sondern der Aufseher. Ps-Plutarch klagt in seiner Schrift „Über Kindererziehung", Eltern wählten häufig als Jiaiöaycoyoi für ihre Kinder Sklaven, die zu jeder anderen Arbeit untüchtig seien (mor 4B). Das muß nicht repräsentativ sein, zeigt aber die Problematik (ausführliche Information bietet Young*, der freilich davor warnt, ein einseitig negatives Bild zu zeichnen). Zum übertragenen Gebrauch des Wortes vgl. Epict Diss III 22,17, wo das Bemühen, moralische Werte zu gewinnen und zu „bewachen", als Jtaiöaycoyög bezeichnet wird, jtaiöaycöyoL EV Xpiaxö wären also Erzieher, die die Adressaten wie Kinder auf dem chrisdich angemessenen Weg zeitweilig zu beaufsichtigen hätten. Dabei wäre EV X Q I O X Ö ) kaum betont, sondern würde nur anzeigen, daß nicht von gewöhnlichen Jtaiöaytüyoi die Rede ist. Ob solche jtaiöaya>yoL mit den in 3,10ff. erwähnten EJTOIXOÖO^IO'ÜVXES identisch sind (so Schräge, K I, 356), läßt sich nicht sagen; schon das hyperbolische |ii)Qioi (im Sinne von „zahllos", vgl. JtoXXoi; anders in 14,19: JIEVXE / (XIJQLOI) spricht eher gegen die Annahme, daß Paulus bestimmte Leute im Blick hat. Zum Sprachgebrauch verweist Young* auf Plut mor 589F: Dem Vater des 113
4,14-21
Paulus und die Gemeinde in Korinth
Sokrates wird durch das Orakel gesagt, sein Sohn werde sich selbst ein besserer Führer zum Leben sein als [lugiotv 6iöaoxdX.cov Kai JtaiöaytDyärv. Paulus will durch die (fiktiv hohe) Zahl der möglichen jtaiöaycoyoi einfach zum Ausdruck bringen, daß er selber sich in einer einzigartigen Position befindet — gleichgültig, wieviele Menschen sonst noch die korinthische Gemeinde beeinflußt haben könnten. Dem rhetorisch übertreibenden (xdqlod^ Kaibaywyovc, steht nämlich das sehr reale, in einer Litotes formulierte oi) JtoXXotig jtaxegag gegenüber: Es liegt schon im Begriff jiaxr|ß, daß man nur einen hat (während es zumal in R o m üblich war, nacheinander mehrere jtaiöayooyoi zu haben). Paulus braucht das in 15b gar nicht ausdrücklich zu sagen (er vermeidet es vermutlich ganz bewußt, sich explizit als „Vater" der Gemeinde zu bezeichnen!).Er kann sich vielmehr sogleich auf seine Rolle beziehen, auch ohne einen „Titel" zu gebrauchen: eycb i>Häg eyewqaa (vgl. 3,6: eym E^niteuaa). yewäco „hervorbringen", also „gebären" (Gal 4,24 u.ö.) bzw. „zeugen" (Gal 4,23 u.ö.); in übertragener Bedeutung Phlm 10; Joh 1,13; 1 Joh 2,29 u. ö. ev Xqioxö) 'Irjoov deutet offenbar eine stärkere Betonung an als ev Xqujxcö in V. 15a — es geht um ein „in Christus Jesus" verwirklichtes Geschehen (vgl. Joh 1,13: oiix ai(i,dxcov ... aXk' ex öeoü eyewr|0r|aav). Wichtig ist das zum Bild eigentlich nicht recht passende öicttoü eixxyyeXio'u; es erinnert an rabbinische Aussagen, wonach derjenige, der einen anderen die Tora lehrt, angesehen wird, als hätte er ihn gezeugt (Belege bei Billerbeck III, 340f.; Beispiel Sanh 99b: Res Laqis sagte: Wenn jemand den Sohn seines Genossen die Tora lehrt, so rechnet es ihm die Schrift an, als hätte er ihn erschaffen, denn es heißt [Gen 12,5]: und die Seelen, die sie in Haran gemacht hatten. Vgl. allerdings die Fortsetzung: R.Eliezer sagte: Als hätte er die Worte der Tora selbst erschaffen, denn es heißt [Dtn 29,8]: ihr sollt beobachten die Worte dieses Bundes und sollt sie tun.). Paulus betont durch den Hinweis auf das Evangelium, daß sich die Existenz der angeredeten Gemeinde dem Evangelium als dem Mittel verdankt, durch das allein die „Zeugungskraft" des Paulus wirksam wurde. Die „Vaterschaft" ist also keine mystische, sondern sie ist in der Predigt und durch sie entstanden (anders z.B. die Schilderung der Weihe bei Apuleius Met X I 25,7: „So betete ich zu der hehren Himmelsmacht summo numine, umarmte Mithras, den Priester und nun meinen Vater sacerdotem et meum iam parentem", Ubers. E. Brandt). Das Subst. EijayyeXiov hier erstmals im 1 Kor (vgl. aber ei>ayyEX.i^ea0aL in 1,17); es wird als ein den Adressaten bekannter fester Terminus verstanden (vgl. 15,1; s. dort). Die Aussage bestätigt nochmals die Feststellung (nicht nur den Anspruch), daß Paulus sich der korinthischen Gemeinde gegenüber — und um sie allein geht es, nicht um die einzelnen Christen — in einer einzigartigen Position befindet. In 16 zieht Paulus aus dem in V. 6—13.14f. Gesagten den Schluß (oiv), daß die Adressaten seinem Beispiel folgen, daß sie seine |H(ir)tai werden sollen. jtaQaxaX.fi> ... i)|xäg entspricht 1,10; der Hinweis auf die „Nachahmung" paßt auch inhaltlich zu dem dort Gesagten: Die Korinther sollen ihre mit der Selbstüberschätzung des einzelnen verbundene „Gespaltenheit" aufgeben und sich so verhalten, wie es ihnen von Paulus vorgelebt wird (vgl. Betz, Nachfolge 158). Die Wortgruppe |xi|iTyrr|5 xxX. bezeichnet im allgemeinen das Verhältnis des Schülers zum Lehrer; die Begrifflichkeit ist weit verbreitet. Vgl. Xen Mem I 2,3; 6,3: ol 61800x0X01x01)5 |iaör|xct5 (iLjxrixäg eauxwv anoöeixvüo'uaiv. Der jüdische Märtyrer ruft sterbend |ii|xr|aaa0£ (xe, aöeXcfioi (4 Makk 9,23). Philo Virt 66 nennt Josua oixr|xr|g („Schüler") und |ii|ir|xr|g des Mose. Sen Ep 95,50 beschreibt das Wesen der Götter und fordert den, der die Götter gnädig stimmen will auf: satis illos coluit 114
Zwischenbilanz: „ Werdet meine Nachahmer!"
4,16-17
quisque imitatus est „Genügend hat sie der verehrt, der sie nachahmt", d.h. ihnen nacheifert. Musonius 17 (p 90,4—6 Hense): Der Mensch ist als einziges Lebewesen (1(411)^.(1 Geov, weil er über entsprechende Tugenden verfügt. Der Autor des Eph fordert: „Werdet Nachahmer Gottes" (5,1; s. Hübner, H N T 12 zSt.). Die Aufforderung fii|iT]Tai [iou yivecrÖE wiederholt Paulus in 1 Kor 11,1, dort erweitert und interpretiert durch xa0ti>5 xdytb XpioxoC (in 4,16 durch einige griech. und lat. Textzeugen ergänzt); vgl. auch Phil 3,17 (au(i(ii|ir)TCH jiou yiveaGe). Daß Christen bereits zu seinen „Nachahmern" geworden sind, schreibt Paulus in 1 Thess 1,6; 2,14 (vgl. 2 Thess 3,7.9). Dabei sieht er sich nicht in der Rolle des Mystagogen oder des sittlichen Vorbilds; er meint trotz der Aussagen in V. 11.12a sicher auch nicht, daß die Korinther ihre Seßhaftigkeit aufgeben sollten. Er ist vielmehr der, der die dem Christusgeschehen entsprechende Existenz fuhrt, und (nur!) insofern kann er von der Gemeinde verlangen, ihm „nachzueifern" (vgl. Merk* 200f.). Vom Gesamtduktus der bisherigen Argumentation des Briefes steht dabei weniger das Leiden des Apostels im Vordergrund als vielmehr sein Bemühen um die Wahrung der Einheit der Kirche: Die Korinther sollen ixifirftai dessen werden, der sie öid tofi etjayyeXiou als Gemeinde „gezeugt" hat (vgl. Sanders*). U m dies alles zu unterstreichen hat Paulus 17 den Timotheus nach Korinth geschickt. öuxtoüto (einige wichtige Handschriften, N*A P $$ llvld [7. Jahrh.] 33 u.a., lesen zusätzlich avxo „eben deshalb"; aber die Zeugen für die lectio brevior haben größeres Gewicht) bezieht sich nicht speziell aufV. 16, als solle die Entsendung des Timotheus den dort formulierten Impt. begründen, ejtejiipa ist nicht Aor. des Briefstils, so daß Timotheus als Überbringer des Briefes zu denken wäre; Timotheus ist bereits abgereist (16,10). Paulus erwartet offenbar, daß sein Brief noch vor Timotheus in Korinth eintreffen wird; das ist leicht vorstellbar, wenn Timotheus — ebenso wie es Paulus plant — auf dem Landweg nach Korinth geht, der Brief aber einem Schiffsreisenden mitgegeben wird (vgl. Apg 19,22; sollte der dortige Bericht zuverlässig sein, wäre 1 Kor zu jenem Zeitpunkt verfaßt worden; s. die Einleitung: Abfassungsort und -zeit). Timotheus (vgl. Ollrog, Paulus 20—23 und passim) ist in Korinth bekannt. O b er schon einmal in Korinth gewesen war (vgl. Apg 18,5), läßt sich nicht sicher sagen (s. auch zu 16,1 Of.). Aus 2 Kor 1,19 geht zwar hervor, daß er in Korinth gepredigt hat, aber Paulus nennt keinen Zeitpunkt; wäre er an der Gründung der Gemeinde beteiligt gewesen, wäre wohl schon hier in 1 Kor 4,17 daraufhingewiesen worden. Jedenfalls begleitet Timotheus Paulus bei dessen letztem Aufenthalt in Korinth ( R o m 16,21; vgl. Apg 20,4). „Botschafter'-Dienste für Paulus hat er häufig geleistet (1 Thess 3,2; Phil 2,19f.), allerdings offenbar nicht im Zusammenhang des sich im 2 Kor spiegelnden Konflikts; er ist Mitabsender mehrerer Briefe (1 Thess; Phil; 2 Kor; Phlm; nachgeahmt in Kol und 2 Thess). Später gilt er (fiktiv) als Empfänger von zwei Paulusbriefen (1 und 2 Tim); die Erwähnung seines Namens in Hebr 13,23 sollte diese Schrift offensichtlich als „paulinisch" erweisen. Das von Paulus verwendete Epitheton des Timotheus als |iov xexvov äyajtr|TÖv xai matöv ev xugiq) rückt ihn nicht nur in eine enge Beziehung zu den Korinthern (V. 14: xexva |iou dyajtiixd — dort aber nicht mcrtd!), sondern macht es auch wahrscheinlich, daß er durch Paulus Christ geworden war (vgl. Phlm 10 und auch das in Apg 16,1—3 von Timotheus gezeichnete, möglicherweise historisch zutreffende Bild), motög hier wohl nicht „gläubig", sondern „treu"; ev xuQicp geht auf den ganzen Ausdruck (texvov ... ev xuQiq)), nicht nur auf mcrtöv (die Verbindung dycutT)TÖ5 xai 1110x65 ist in Kol 1,7; 4,7.9 in Bezug auf Epaphras, Tychikus und Onesimus nachgeahmt).
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4,14-21
Paulus und die Gemeinde in Korinth
„Meine Wege in Christus" ist ein ungewöhnlicher Ausdruck; möglicherweise entspricht die Metapher dem, was sonst als JiEQUiaxelv bezeichnet wird. dva|xinvf]axü) bei Paulus nur noch 2 Kor 7,15 (vgl. [ii|ivf)Oxo[xai 1 Kor 11,2); das Verb muß nicht bedeuten, daß die Korinther „die Wege" des Paulus „vergessen" hatten (zumal dann als Fortsetzung zu erwarten wäre: „wie ich sie euch gelehrt hatte"). Gemeint ist auch nicht, daß Timotheus die Korinther lediglich „informieren" soll; vielmehr soll er sie durch die „Erinnerung" an die Wege des Paulus dazu veranlassen, dieselben Wege zu gehen (vgl. V. 16), wobei wohl nicht nur die persönliche Lebensführung, sondern - wie oöoi zeigt — die christliche Existenz als ganze im Blick ist. a i oöoi |iOU ist ungewöhnlich, sowohl der Plur. (vgl. aberPs 25,4; i|> 15,11; Spr 10,17; Hen 104,13: naOeiv ... Jtäaagtag080115xfjg aXr]9eiag) als auch in diesem Zusammenhang das Possessivpronomen |XOD. Gemeint ist, wie die Fortsetzung zeigt, primär die Lehre des Paulus (darunter auch, aber nicht speziell, die Ethik), daneben aber sicher auch das Leben des Apostels (vgl. V. 9—13). [xou sollte nicht zu eng gefaßt und nicht zu stark betont werden (vgl. 2,4 6 Xöyoc, (xou xod xö xr|QUYnä neu; R o m 2,16 [xö £i>aYY£X.iöv ^,011] steht im Verdacht, Glosse zu sein). Zu öiöäoxeiv vgl. M k 12,14 parr: Jesus lehrt die ööög toxi 8eoü; Apg 18,26: Priscilla und Aquila e^EÖevxo xr)v öööv TOC 0eoö; M t 21,32: Johannes derTäufer kam ev ööqj öixaioai>vT]5. öiöäcrxü) hier erstmals im 1 Kor (11,14 in anderem Sinn); vgl. den Hinweis auf die ÖiÖdaxaXoi in 12,28f. und auf die Öiäa/ri in 14,6.26. Paulus bezeichnet sein Wirken sonst niemals als öiöäaxEiv (vgl. aber Kol 1,28; 1 T i m 2,7). Jtavxaxoü bei Paulus nur hier (vgl. Apg 21,28). Der abschließende Hinweis auf das öiöäoxeiv „in jeder Gemeinde" entspricht in der Tendenz 1,2 (s. dort) und in der Formulierung 7,17; 14,33; vgl. 11,16 (an allen Stellen aber Plur.). Weiß, K 120 meint hier wie an den anderen Stellen wieder eine Interpolation des „katholisierenden" Redaktors erkennen zu können; doch sieht man gerade in 4,17 nicht, welches Ziel mit einer solchen Interpolation hier verfolgt worden sein sollte. Im Rahmen der Argumentation des Paulus macht der Hinweis auf „alle Kirchen" dagegen Sinn, weil der Apostel offenbar den Eindruck vermeiden will, eine speziell korinth-kritische Sonderlehre vorzutragen (bzw. durch Timotheus vortragen zu lassen). Der Hinweis auf die Entsendung des Timotheus veranlaßt Paulus 18, auf einen möglichen eigenen Besuch in Korinth zu sprechen zu kommen. In der Meinung (zu ¿>5 vgl. B D R §425,3), Paulus komme nicht, haben sich „einige" „aufgeblasen" (vgl. V. 6). Bei den erwähnten xiveg handelt es sich wohl kaum um eine feste Gruppe oder gar um eine der „Parteien" von 1,12, aber auch nicht einfach um „einige" (= wenige), xiveg ist Sprache der Polemik; Gegner sind in der Regel xiveg (vgl. 8,7; 15,12; 2 Kor 10,2.12; Gal 1,7; 2,12; Phil 1,15). O b im Hintergrund eine geplante und angekündigte, tatsächlich aber nicht stattfindende Reise des Paulus nach Korinth steht, oder aber einfach die Annahme der xiveg, Paulus werde schon nicht kommen, läßt sich nicht sagen (Bachmann, K 196). Paulus scheint jedenfalls die Nachricht erhalten zu haben, daß sein Nicht-Erscheinen bei „einigen" in Korinth in besonderer Weise ein Uberlegenheitsgefühl ausgelöst hat; woher er das weiß (auch von „den Leuten der Chloe"?), sagt er nicht. Wer im einzelnen die XLVE5 sind, braucht Paulus nicht zu sagen, da die Korinther das natürlich wissen. Die Aussage in V. 18 ist für die Argumentation des Paulus im 1 Kor insofern von besonderer Bedeutung, als er hier erstmals innerhalb der Gruppe der Adressaten eine U n terscheidung vornimmt: Anders als bei den oxiajiaxa, durch die alle korinthischen Chri116
Zwischenbilanz: „ Werdet meine
Nachahmer!"
4,18-21
sten bestimmt sind, sagt Paulus jetzt nicht, „die Korinther" seien hochmütig geworden, sondern dies gilt nur fiir „einige" unter ihnen (Fee, K 190). Paulus formuliert seine Aussage dabei in der (unausgesprochenen) Hoflnung, daß die Adressaten sich seinem negativen Urteil über die TivEg (e|xevoL, einerseits und der Mehrheit (?) andererseits schon während der Brieflektüre selber vollziehen. In 20 expliziert Paulus seine Aussage von V. 19 mit der Begründung (ydq), daß Gottes ßaoiAeia nicht ev X,6yü), sondern ev ÖDvdpiEi besteht. Die als Nominalsatz formulierte Aussage wirkt wie eine sprichwortartige Sentenz (vgl. R o m 14,17). Wahrscheinlich besteht eine Verbindung zwischen dem bei Paulus eher seltenen Verweis auf die ßaoiXeia tau 0eoi5 mit der kritischen Aussage in V. 8 (eßaaiXEijoaxe). Zur Vorstellung von der ßaoileia Gottes ev Övvd|iEi vgl. Mk 9,1. Der Gedanke ist apokalyptisch; aber offenbar meint Paulus hier, daß die Maßstäbe der künftigen Gottesherrschaft schon gegenwärtig erkennbar sein müssen (vgl. die Argumentation in 2,4f.). Ahnliches zeigt sich schon bei der Schilderung der Wirksamkeit des EijayyE^iov bei den Thessalonichern (1 Thess 1,5), wo Xöyoc, und 8ijva|xig allerdings keinen Widerspruch bilden, sondern (unter Hinweis auf das Jtv£'ü|ia äyiov) einander ergänzen. In 21 nennt Paulus abschließend die beiden Möglichkeiten, wie sich sein Besuch gestalten könnte. Die Frage ti GeXete; ist natürlich ironisch gemeint (vgl. 2 Kor 12,20). Soll
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4,14—21
Paulus und die Gemeinde in Korinth
sich Paulus nun trotz V. 15b als xaibaytüyöc, verhalten und also ev Qaßöqj nach Korinth kommen, oder soll er EV ayam), eben als „Vater", kommen? Paulus formuliert hier eine Alternative, d.h. der Hinweis, daß der Stock nach 2 Sam 7,14; 88,33 als Züchtigungsmittel auch des Vaters gilt, trägt hier nichts aus. Qotßöog (ev Qaßöcp entspricht hebr. iTfrpSQ z.B. 1 Sam 17,43; ev wie 3 BDR 198,2, aber auch griech. möglich) bei Paulus nur hier. ccyccjiT] hier erstmals im 1 Kor; dann erst wieder 8,1 und breit entfaltet in 13,1-14,1 (vgl. 16,14.24). jtVEÜ^a jtQaiJTTycog auch in Gal 6,1. In Gal 5,23 ist JtpcmTTig Teil der Frucht des jtvEüfxa (äyiov). Zu te s. BDR § 443,1. itveC^a im Sinne der „geistigen Haltung" des Menschen im N T sonst nur noch 1 Petr 3,4; vgl. Bultmann, TheolNT 208f.: „Es ist klar, daß Jtveü(xa hier eine bestimmte Willensrichtung bedeutet, ohne daß man mit Sicherheit sagen könnte, ob an diesen Stellen das Jiv£i3(xa als eine Spezialisierung, eine Partikel gleichsam des göttlichen Geistes, gedacht ist, oder ob ein ganz abgeblaßter Sprachgebrauch vorliegt, der sich unserem ,im Geiste (d.h. in der Tendenz) von ...' nähert." Nach dem von Paulus gerade auch in Kap. 4 Dargelegten ist die scharfe Wendung in V. 21 kaum verständlich. Die bisher geschilderten Verhältnisse und vor allem die Argumentation seit V. 14 rechtfertigen die Metapher vom Stock eigentlich nicht, da man nicht sieht, wofür die Gemeinde „gezüchtigt" werden müßte. Am nächsten liegt deshalb die Erklärung, daß V. 21 schon im Blick auf das Kommende (5,1 ff.) formuliert worden ist (vgl. auch uaioi}v in 4,18f. und in 5,2). Paulus gibt im folgenden Anweisungen mit Blick auf Zustände in der korinthischen Gemeinde, die nach seiner Meinung der sofortigen Korrektur bedürfen, die aber tatsächlich auch sofort bereinigt werden könnten. V. 21 bestätigt nochmals, welches Gewicht Paulus der Aufteilung der Adressaten (V. 18.19) beimißt: Wenn die Korinther in ihrer Mehrheit (?) den Weisungen in Kap. 5 (und wohl auch Kap. 6) Folge leisten, braucht Paulus nicht ev Qctßöco zu kommen. Die Reihenfolge der beiden Möglichkeiten — gdßöog oder aycurr] bzw. Jtveü^ia itQaiJtritog — zeigt, welches Ziel der Apostel für das erstrebenswerte hält. Paulus blickt in 4,14f. auf seine bisherige Argumentation zurück und unterstreicht dabei nochmals seine besondere Rolle gegenüber der Gemeinde. Zugleich leitet er aus seiner Funktion als,Vater' dieser Gemeinde (jtaxf|Q als Selbstaussage wird von ihm aber vermieden) das Recht ab, konkrete Mahnungen und Weisungen auszusprechen (jiaQCtxaXö, V. 16), wobei Timotheus den Auftrag hat, an Wesentliches zu „erinnern" (V. 17). Paulus kündigt darüber hinaus an, daß er sich bei seinem beabsichtigten Besuch in Korinth mit denen auseinandersetzen wird, die er „die Aufgeblasenen" nennt. V. 18—21 sind offensichtlich schon im Blick auf die dann in Kap. 5 erörterte Problematik formuliert. Der erste große, etwa ein Fünftel des ganzen Briefes umfassende Hauptteil des 1 Kor enthält die Reaktion des Paulus auf die die egibeq betreffenden Informationen, die er von „den Leuten der Chloe" erhalten hat. Paulus erwähnt seine Informationsquelle gleich am Anfang des Briefes, weil die Adressaten davon vermutlich nichts wußten. Zugleich aber ist der ganze erste Teil des 1 Kor auch zu lesen vor dem Hintergrund des erst in 4,18—21 explizit ausgesprochenen, den Adressaten aber natürlich von Anfang bewußten Tatbestandes, daß es in Korinth „Aufgeblasene" gab, weil Paulus seit Gründung der Gemeinde diese nicht mehr besucht hatte. Die Korinther, unabhängig davon, ob sie zu den xiveg gehören oder nicht, lesen den Brief von der Perspektive her, daß das Geschriebene zumindest vorläufig dazu dient, die persönliche Anwesenheit des Apostels in Korinth zu ersetzen. 118
Zwischenbilanz: „Werdet meine Nachahmer!"
4,21
Durch das doppelte nagaxakm i)|xäg (1,10 und 4,16) erweist sich der erste Briefteil als „Paraklese" in der weiten Bedeutung dieses Wortes. Paulus fordert dringend dazu auf, daß die Korinther die Bindung an ihre „Leitfiguren" aufgeben und stattdessen |o,i|j,r|xai des Paulus werden, was gerade nicht bedeutet, eytb IlaijXot) zu sagen, sondern im Gegenteil die Bindung der Gemeinde an Christus als das unverrückbare Fundament anzuerkennen und nicht zu versuchen, den jeweils anderen übertreffen zu wollen. Daß dies die Christen gemäße Haltung ist, folgt aus dem Kreuz Jesu (1,17), und was das konkret bedeutet, entwickelt Paulus in der Gedankenführung in 1,18—4,13: In 1,18—2,5 wird unter verschiedenen Aspekten dargestellt, was es bedeutet, daß Gottes Weisheit und die in der Welt anerkannte Weisheit zueinander im Widerspruch stehen. Die Weisheit der Welt ist von Gott zur „Torheit" gemacht, d.h. die Maßstäbe, denen zufolge es auf Sieg und Überwindung des anderen Menschen ankommt, sind von Gott außer Kraft gesetzt worden. Wenn die korinthischen Christen sich an den damit geschaffenen neuen Maßstäben orientieren, gehören sie zu den tatsächlich Weisen, wie sie in 2,6—16 beschrieben werden. Ihre gegenwärtige Lage macht die Verwirklichung dieser Weisheitserfahrung gegenwärtig noch unmöglich (3,1—4). Dabei könnten die Korinther gerade am Beispiel der von ihnen fälschlich gewählten „Leitfiguren" Paulus und Apollos lernen, daß es auf Gemeinsamkeit ankommt, nicht auf Spaltung (3,5—17). An die Stelle der Bindung an Leitfiguren soll das Wissen treten, daß die Christen die ihnen geschenkte Freiheit haben, über „alles" zu verfügen (¡rtávta i)[x.r|öia anwesend. Zwar hatte er eben erst (4,19.21) sein persönliches Erscheinen in Korinth angekündigt, doch die hier zu treffende Entscheidung duldet keinen Aufschub; deshalb sollen die Korinther so handeln, als wäre Paulus persönlich anwesend. JtvEÜna ist Gegenbegriff zu ocöjia, ohne einen „pneumatologischen" Bezug (vgl. das einfache tbg Tzagcov in V. 3b und toü £|ioij jrvETjficiTOg in V. 4). Die Konstruktion bereitet Schwierigkeiten: Entweder ist töv ... xaTEQYaadjxEvov Objekt zu XEXQixa (s.o.) und in dem mit dem gen. abs. cru vocxGevtcüvv^tov beginnenden Satz ist ein öeT (... jtaQaöoxjvcu) zu ergänzen (so Murphy-O'Connor*); oder töv ... xaTEQyaoa^EVOV ist Objekt zu Ttaoaöoüvai, und als Paulus den gen. abs. einschob, zwang ihn dies, in V. 5 das Objekt zu wiederholen (tövtoloCtov; Weiß, K 127.129). Unklar ist auch der Bezug der Wendung ev to> ovo^cm XTX. zu Beginn von V. 4 (s. dort); zieht man sie zu xatEQyaod^Evov (s. die Ubersetzung), dann bedeutet dies, daß der betreffende Mann die von Paulus inkriminierte Beziehung ausdrücklich als Akt der Verwirklichung christlicher Existenz aufgefaßt hat. Bevor Paulus den Inhalt seines Urteils nennt, beschreibt er 4 in einer parenthetischen Wendung das beabsichtigte Verfahren: Die (ganze! ii^wv) Gemeinde soll sich versammeln (mjvdyo) bei Paulus nur hier; in Kap. 11 und 14 verwendet er cruvEQXO|iai) gemeinsam mit dem itveti^a des Paulus, zusammen mit der öijvcxiiig Jesu; daß toC £|ioi) jtveij^laxog zugleich den Geist des Paulus (,spirit') und den Geist Gottes (,Spirit') meine (Fee, K 204f.), ist wenig wahrscheinlich (der Hinweis von Fee, K 204 A 40 auf das possessive Adj. E|j,ög statt des angehängten Gen. ^ou [vgl. B D R §§284.285] trägt nichts aus, da Paulus im 1 Kor durchgängig so formuliert). In der Sache ist offenbar gemeint, daß die Gemeinde das vom Apostel bereits gefällte und brieflich mitgeteilte Urteil übernimmt, d.h. der Brief ersetzt die persönliche Präsenz. 125
5,1-13
Ethisch-moralische
Probleme in Korinth
Nicht eindeutig ist die Beziehung der Wendung ev xcp övö|iaxi xot) xuQiot) 'ITJOOC (vgl. die Ubersichten bei Allo, K 121 und Conzelmann, K 124): Bezieht sie sich auf cruvaxGevxarv •¿(xöv, so wirkt der ganze Ausdruck angesichts des folgenden avv xfj öwdjxei xoü XDQLOD (f||xcöv) 'lr|oo'0 recht überladen; denkbar wäre auch der Bezug auf das, freilich weit entfernt stehende, Verb JtaQaöo'üvcu oder, eher unwahrscheinlich, auf xsxgixa. Nach M u r p h y - O ' C o n n o r * bezieht sich die Wendung auf das unmittelbar voranstehende xaTEQYaad|ievov (entsprechend der üblichen Wortstellung, vgl. 6,11); der Mann habe „im Namen Jesu" so gehandelt; dies ist die einfachste Erklärung (selbst wenn man dabei zur Illustration auf 6,12 [jtdvxa (XOL e^Eaxiv] verweist, muß der Vorgang übrigens durchaus nicht als Akt des sexuellen „Libertinismus" gedeutet werden). Die Textüberlieferung von V. 4 zeigt, daß die Schreiber der Handschriften unsicher waren; sollte das Fehlen von f|(xöv bei X A und W ursprünglich sein (so Nesde 2 5 , nach Nestle-Aland 27 j e denfalls auch möglich), spräche tatsächlich einiges dafür, daß Paulus einen Bezug auf den (nicht unseren) XIJQ105 'Iriao'üc; (X: 'IriooCg XQiaxög) zwar nicht als Zitat aber offenbar als Referat ausspricht und jedenfalls keine eigene Aussage macht (allerdings liest V auch am Ende von V. 4 r||xucrr|0£l5 tujt' cda^ovEiag] und dürfe deshalb beim Gott geweihten O p f e r keine Verwendung finden; von anderen Voraussetzungen her Plutarch M o r 289f. [ N W I I / l , 277]: Sauerteig verdirbt den Teig, Säuerung scheine eine Art Fäulnis zu sein, weshalb der Priester desflamen Dialis Sauerteig nicht berühren dürfe), oder ob es Paulus lediglich auf ein sinnfälliges Beispiel für den Gedanken ankommt, daß kleine Ursachen große W i r kungen haben (Conzelmann, K 126 A 44), läßt sich nicht entscheiden. Das betonte fiixgä könnte immerhin eine Anspielung daraufsein, daß es zwar nur einen Fall derartiger jioQVEia in Korinth gibt, daß dieser aber, wie das Bild zeigt, die ganze Gemeinde gefährdet (D* liest ebenso wie in Gal 5,9 statt des dem Bild entsprechenden neutralen £u|xoi das wertende 80X.01 „verfälscht", vgl. vg corrumpit); es ist Paulus, der darauf aufmerksam macht, d.h. man braucht nicht anzunehmen, daß die Korinther „had minimized the affair" (so Barrett, K 127; Mitchell, Paul 112-116.225-230: Paulus betont auch hier die Einheit der Gemeinde. Das ist richtig; gleichwohl scheint der ganze Fall mit „factionalism" nichts zu tun zu haben.). Paulus bleibt 7 beim Stichwort bringt aber ergänzend ein weiteres Bild ein: W i e bei der Vorbereitung zum Passafest (darüber sind die korinthischen Christen also durchaus informiert) sollen die Adressaten „den alten Sauerteig" beseitigen; sie sollen sich nun aber nicht etwa ungesäuerten Teig beschaffen, sondern sie sollen „frischer Teig" sein (hinter jtaXawx und veov steht offenbar das Schema „ält — n e u " , M k 2,21 f. bzw. „einst — jetzt", vgl. 6,11). Paulus verbindet dies mit der begründenden (xaGcbg) Bemerkung, die Adressaten seien bereits „Ungesäuertes", da ja (zu x a i y a p s. B D R §452,3) „unser Jtdo / a " Christus geopfert worden sei (zahlreiche Handschriften haben iijieq rpörv ergänzt; 128
Ein Fall von Jtogveia
in der korinthischen Gemeinde
5,7-9
zur Metaphorik des Lammes vgl. 1 Petr 1,19 sowie Joh und Apk). Daß Christus als „unser Passa(lamm)" bezeichnet wird, besagt nicht, das Abendmahl (11,23—25) sei als Passamahl zu denken; wohl aber scheint gesagt zu sein, daß die Gemeinde in einer (quasi ständigen) Passa-Situation lebt (s. zu V. 8). Die Schlachtung der Passalämmer war kein Sühnopfer (Jeremias, Abendmahlsworte 216f.); aber da umgekehrt der christliche Glaube dem Tod Jesu sühnenden Charakter zuschreibt, konnte Paulus im Zusammenhang der Metaphorik vom Sauerteig und vom „Ungesäuerten" das Stichwort Jtcxaxa auf Christus übertragen, ohne daß damit weitere Aspekte der Passa-Metaphorik zur bestimmenden Größe der Aussage wurden. Obwohl das Bild in V. 6f. in sich nicht ganz stimmig ist, wird der Sinn klar sichtbar: Das Vorhandensein eines „unreinen" Menschen (V. 1—5) gefährdet den „reinen" Zustand der ganzen Gemeinde; deshalb muß sich die Gemeinde von ihm trennen, um ihren Stand der Reinheit wiederherzustellen bzw. zu bewahren. Daß dabei „alles ausgekehrt werden" soll, „was dem alten und vergehenden Aon verhaftet ist", damit die Gemeinde „inmitten der vergehenden alten Welt schon die neue Welt Gottes" repräsentiert (Schräge, K I, 381), geht über das hier im Text Gesagte hinaus; Paulus erörtert auch in V. 6—8 grundsätzlich dasselbe Thema wie in V. 1—5 und V. 9—13. Dem „Indikativ" in V. 7 entspricht in 8 die adhortativ formulierte Anwendung (zu 6)oxe s. B D R § 391,2): EOßxä^(D[iev (hapax legomenon im NT; auch EOQtr| begegnet bei Paulus nicht, häufig aber in den Evangelien, vor allem bei Joh) zielt auf die Existenz der Christen (zur 1. Pers. PI. vgl. V. 7b) in der so geschaffenen Festfreude (vgl. Schräge, K I, 384); daß in der Gemeinde von Korinth das Passafest gefeiert wurde, ist nach der Aussage von V. 7 sehr unwahrscheinlich. Gelegentlich (so etwa Barrett, K 129f.) wird V. 8 auf das Abfassungsdatum des Briefes zu „Ostern" bezogen (vgl. 16,8: Jtevrexocrtri); aber zum einen ist V. 8 ganz als Metapher formuliert, und zum andern würde eine Anspielung auf ein tatsächlich zu feierndes Fest voraussetzen, daß der Brief zu dem betreffenden Zeitpunkt bei den Adressaten eingetroffen sein müßte. Paulus bleibt bei der Beschreibung des „Feierns" zunächst im Bild ([ifi ev ¡¡i3|xr| jtaXaict, vgl. V. 7); dann aber wechselt er erneut die Sprachebene, indem er in einer Mischung von metaphorischer und eigentlicher Rede die xcxxiag xai Jtovqgiag (vgl. R o m 1,29; G liest hier wie dort jtOQveiag) den a^U|ia elXiXQiveiag (im N T sonst nur noch 2 Kor 1,12; 2,17) xal äXr|0eiag (im 1 Kor nur noch 13,6, sonst aber bei Paulus häufig) gegenüberstellt und so nachdrücklich moralische Kategorien einbringt. Sollte entgegen dem schon gefällten Urteil des Paulus der in V. 1 erwähnte Mann Mitglied der Gemeinde bleiben, wäre solches Feiern selbstverständlich unmöglich. In 9 erwähnt Paulus unvermittelt einen früheren Brief, in dem er vor einem auvavaiiiyvDaOai jiÖQVOig gewarnt habe; daß es schon dabei um den in V. 1—5 dargestellten Fall gegangen sei (von Dobschütz, Gemeinde 39—41 rechnet mit einem längeren Briefwechsel), ist nach der Formulierung in V. 1 (axoiiETai) sehr unwahrscheinlich. Das im N T nur hier (V. 9.11) und 2 Thess 3,14 belegte Dekompositum ot)vava|x(e)iYVD|xi bezeichnet allgemein „sich (mit anderen) vermischen", oft im auch sexuellen Sinn (vgl. H. Greeven, T h W N T VII, 851, der auf Hos 7,8 L X X ; Ez 20,18 L X X ; Phüo Vit Mos I 278 verweist, wo es um die Vermischung Israels mit fremden Völkern geht), im N T generell im Sinne des gesellschaftlichen Umgangs. Mit ev xfj emOToXfj bezeichnet Paulus einen bestimmten, den Adressaten offenbar sofort vor Augen stehenden Brief; dieser Brief ist uns nicht erhalten, da keine Aussage im überlieferten Corpus Paulinum der For129
5,1-13
Ethisch-moralische Probleme in Korinth
mulierung in V. 9 auch nur ungefähr entspricht (keinesfalls kann sich V. 9 auf 5,1—8 als Teil eines solchen „Vorbriefes" beziehen, da keine der dortigen Formulierungen eine Interpretation im Sinne von V. 9ff. nötig machen würde, zu Sellin). Paulus muß seine Aussage in dem erwähnten B r i e f so formuliert haben, daß man folgern konnte, jeder gesellschaftliche Kontakt mit Menschen, die als jtöqvol gelten könnten — also potentiell alle — sei abzubrechen. Offenbar sah sich Paulus durch den konkreten Fall von jtOQveia in der Gemeinde (!) veranlaßt, seine frühere Aussage zu präzisieren (und damit gleichzeitig zu wiederholen!). Denkbar, aber eher unwahrscheinlich ist es, daß die Korinther Paulus gefragt hatten, wie seine Aussage zu interpretieren sei; dann könnte diese Frage in dem erstmals in 7,1 genannten B r i e f der Korinther gestanden haben, doch deutet Paulus nichts dergleichen an. Paulus sagt zunächst 10, was er nicht gemeint bzw. geschrieben hat. E r nennt vier m o ralisch verwerflich handelnde Menschengruppen „dieser Welt" (von einem „Katalog" wie in Gal 5 , 1 9 - 2 1 ; R o m 1 , 2 9 - 3 1 ; 2 Kor 12,20f. wird man noch nicht sprechen dürfen; anders 1 Kor 6,9f.). Dabei nimmt das einleitende Stichwort jtÖQVOi den unmittelbaren Kontext auf, bevor als Erläuterung drei weitere typische „Tätergruppen" folgen; alle vier Begriffe begegnen wieder in V. 11 sowie innerhalb der umfassenderen Aufzählung in 6,9f. (daß Paulus dabei aus dem früheren B r i e f zitiert, ist wenig wahrscheinlich, zu B a r rett, K 131). Paulus warnt die Adressaten nicht vor solcher Praxis, sondern vor dem U m gang mit denen, die so handeln; zugleich verweisen die neben jiöqvoi genannten Begriffe implizit schon auf Probleme, die im weiteren B r i e f erörtert werden (zu jrXeov£XTr|5 und aQKa'S, vgl. 6 , 1 - 8 . 1 0 ; zu EiÖtoXo^dxQTig vgl. 1 0 , 1 4 f f ) . „Habgierige M e n s c h e n " und „ R ä u b e r " gelten allgemein als verwerflich. Z u r Kritik an der idsovs^ia in der griech. bzw. hell. Ethik vgl. G. Delling, T h W N T V I , 2 6 6 - 2 6 9 ; jtXeovexxris in L X X nur Sir 14,9, aber jtXeovexxeiv und jr^eove^ia Hab 2,9; Ez 22,27 u.ö.; Test X I I B e n j 5,1 (vgl. Test X I I Ass 2,5) nennt jiA.eovexxeI neben xXejtxel, aöixel und apitd^Ei; vgl. im N T Eph 5,3.5 (Warnung vor jrÄ.EovE^ia); M k 7,22; Lk 12,15. ctQjtai; ist vielleicht weniger der „ R ä u b e r " (X.r]axr|5) als vielmehr der (nicht unbedingt „kleine") Spitzbube (Bauer-Aland, W b s.v.), vgl. Lk 18,11; in paränetischem Kontext nur noch 1 Kor 5,11; 6,10; ctQjta^a) häufig in Test X I I (s.o.), vgl. OrSib III 4 0 : ein W e heruf über ccuxoig dßjtöt^ovxeg, a v a i ö e a öu|iöv e/ovxeg. Von „Götzendienern" sprechen natürlich nur Juden und Christen mit Blick auf die Verehrer heidnischer Gottheiten; vgl. Fredouille, Art. Götzendienst, R A C 11, 828—895 (830: Götzendienst als „Synonym von „heidnische Religion', „Polytheismus"'; aber auch bei Griechen und R ö m e r n gibt es Kritik an der eigenen religiösen Tradition, die sich jüdische und christliche Autoren zunutze machen, 831—846). ei8(oXo/.dxQT|5 ist außer im N T und Herrn Mand X I 4 nur in OrSib III 38 belegt; £iött)X,oXax(Ha auch in Test X I I Jud 23,1 und vor allem in dem ausfuhrlichen Katalog grBar 8,5. Hätte ich, sagt Paulus, generell (jtdvxoog) Kontakte zu diesen Menschen untersagt, so müßten die Christen die Welt verlassen; ex xoü xöojiov E^EQ/EöOcti kann im Sinne des (von Paulus gerade für unmöglich gehaltenen; zum Impf. (i)(|)£lXex£ s. B D R § 358 2 ) Rückzugs aus der Welt gemeint sein, doch begegnet die W e n dung in 2 Clem 5,1; 8,3 (ähnlich auch Test Abr 1,7) als Euphemismus für „sterben", und diese Bedeutung könnte auch hier einen Sinn geben. Für die Mitglieder der relativ kleinen christlichen £XXÄ.r|aia war es unmöglich, die gesellschaftlichen Beziehungen zu denen, die ihnen als jiöqvoi usw. galten, abzubrechen, wenn sie nicht zugleich ihre eigene bürgerliche Existenz preisgeben wollten.
130
Ein Fall von KOQveia in der korinthischen Gemeinde
5,11-12
In 11 sagt Paulus, was er tatsächlich (vöv nicht zeitlich, sondern logisch, wie in 7,14c) mit dem jiT] auvava[iiYVua0ai gemeint hat. eygaijia bezieht sich wie in V. 9 auf den früheren Brief; läge Aorist des Briefstils vor (so u.a. Lietzmann, K 25), würde Paulus seine Aussage nicht interpretieren, sondern korrigieren; nach Sellin, Streit 52 f. zitiert Paulus in V. 11 „aus dem Gedächtnis" den Lasterkatalog aus dem früheren Brief, der nach Sellin auch 6,1—11 enthielt. Paulus betont: Wenn jemand, der ,Bruder' genannt wird, der also zur Gemeinde gehört, so handelt wie in V. 10 beschrieben, dann soll die Gemeinde den Kontakt zu ihm abbrechen (zur Infinitivkonstruktion beim edv-Satz s. B D R §§ 3 7 3 , 1 b und 3 9 2 , l d ) . Paulus wiederholt in seiner Beschreibung die vier in V. 10 genannten B e griffe (jtÖQVog steht wieder kontextgemäß voran), modifiziert aber die Reihenfolge und ergänzt XoiöoQog sowie [ieGuoog (hier ließe sich eher von einem „Katalog" sprechen). XoiöOQog, im N T nur hier und in 6,10 (vgl. 4,12; in Test X I I B e n j 5,4 ist XoiöoQog O p position zu 00105; v gl- 6,4: X.oiöoQia), meint offenbar einen Menschen, der zur Schmähung anderer neigt, (xeöuoog, im N T nur hier und 6,10 (vgl. aber Test X I I Jud 14,8: Übermäßiger Weingenuß läßt den (iEOuoog Schändliches reden und JtaQavo|xeIv; vgl. auch Kap. 16; im N T begegnen häufiger die Verben [AEÖIJTO und (XEOTJOXCD), bezeichnet nach Liddell-Scott s.v. in früher Literatur allein Frauen (bei denen man übermäßigen Alkoholgenuß also eher kritisierte), später auch Männer (vgl. Spr 23,21 |i£0uoog neben jtogvoxöjtog für hebr. ^ I T „Schlemmer", vgl. V. 20; ferner 4 M a k k 2,7); der Begriff, der natürlich negativ besetzt ist, könnte eine vorwegnehmende Anspielung auf die T h e m a tik in l l , 1 7 f f . (vgl. 11,21) sein, während bei X.0iÖ0Q0g innerhalb des 1 Kor kein direkter Bezugspunkt zu erkennen ist (nach Rosner, Paul 69 entspricht die Aufzählung Aussagen in Dtn 2 2 , 2 1 ; 17,3.7; 19,18f.; 21,20f.; 24,7, doch hegt gewiß keine „Parallele" oder gar „Vorlage" vor). Die Forderung, mit einem solchen Menschen nicht gemeinsam zu essen, bedeutet nicht eine Steigerung über den Ausschluß aus der Gemeinde hinaus (so Lietzmann, K 25), wohl aber die Aufkündigung der Tischgemeinschaft mit dem Betreffenden innerhalb der Gemeinde, auch über das Abendmahl hinaus; hier könnte mit Rosner, Paul 88f. tatsächlich i|> 100,5 im Hintergrund stehen (xöv xaxcxXaA.O'üvxa X,ä0Q(jt xoü jtA.r|aiov atixoü, xoüxov E^EÖIÜJXOV, i)jieQT] auvr|a0iov), aber gemeinsames Essen ist natürlich generell Symbol für Gemeinschaft überhaupt, vgl. Gal 2,11—14. In 1 2 a begründet Paulus die Position von V. 1 Of. zunächst mit einer rhetorischen Frage: M u ß „ i c h " oi e^co (d.h. diejenigen, die, wie die in V. 1 erwähnte Frau, nicht zur eigenen Gruppe gehören, vgl. 1 Thess 4,12; M k 4,11; der Sprachgebrauch ist verbreitet, vgl. B a u er-Aland, W b s.v. e§co 1 .a.ß) gegenwärtig richten? Die unausgesprochene Antwort lautet „ N e i n " — es besteht keine Notwendigkeit, die gesellschaftlichen Kontakte zu j e n e n abzubrechen. Z u x i y ä e |aois. B D R § 127 4 (vgl. Epict Diss II 17,14: x a l x i |xoivöv ...). Die zweite Frage 12b ist dagegen unklar: Die Frage OTJ/I . . . XQIVEXE fordert als Antwort eigentlich „Ja", doch bleibt der Sinn undeutlich, da j a einerseits Paulus in 4,5 vor dem XQIVEIV gerade gewarnt und er andererseits in 5,1 f. kritisiert hatte, daß die Adressaten die Verurteilung des JIÖQV05 noch nicht vollzogen hatten. Offenbar setzt Paulus jetzt voraus, daß der Akt von V. 5 gleichsam schon verwirklicht wurde; jedenfalls ist betont (Conzelmann, K 131 A 83; die Lesart von ^ß46 formuliert einen Impt: toi)5 eaooGev t)|i,ei5 MQEivaxe). Erwägenswert ist die Überlegung von Bachmann, K 2 2 0 (im Anschluß an Lachmann), daß V. 12b und V. 13a zusammengehören („Ist's nicht so, daß die drinnen ihr richtet, die draußen aber Gott richten wird?"). 131
5,1-13
Ethisch-moralische
Probleme in
Korinth
ol E^CO werden deshalb gegenwärtig nicht gerichtet, weil 13a Gott sie richten wird (was w i e d e r u m an 4,5 erinnert; vgl. die dort genannten Parallelstellen); ob das Fut. XQIvel (so in der Regel) oder das Präs. XQLVEI (SO R o b e r t s o n - P l u m m e r , K 108) gelesen wird, macht inhaltlich keinen wesentlichen Unterschied, da der Ton jedenfalls auf d e m Rächten Gottes liegt. Gerade deshalb aber m u ß 13b der JIOVT]QÖ5 aus der G e m e i n d e entfernt werden, weil er bislang zu oi EOCD gehörte, die dem innergemeindlichen Gericht unterstellt sind, und weil die Gemeinde auf ihre Reinheit (V. 6—8) zu achten hat. Paulus schließt den Argumentationsgang mit einer biblisch häufiger belegten W e n dung; dabei wird der in V. 1—5 beschriebene (nie explizit als JtÖQVog bezeichnete) M a n n jetzt o JtovriQog genannt. Die Formulierung stimmt nahezu wörtlich mit D t n 17,7b L X X (ebenso D t n 21,21; 22,21.24; 24,7) überein (... x a t e^ageig t ö v jtovr]QÖv e|i)fxö>v aütüjv). Kontextgemäß gebraucht Paulus statt des Sing, eijagelg (bezogen auf das Volk, entsprechend d e m hebr. r f i y ? ) den Plural (wodurch sich die Funktion von avxtöv geändert hat, B D R §288 2 ). N a c h der Weisung in D t n 17 soll der Gesetzesübertreter getötet und so „das Böse" aus Israel ausgerottet werden. Gegen die Annahme, daß Paulus nicht nur D t n 17,7b (fast) wörtlich ü b e r n i m m t sondern damit zugleich anzeigt, daß die B e stimmungen des D t n insgesamt angewendet werden sollen, spricht schon, daß der Zitatcharakter der Aussage, die ja auf V. 2 zurückweist, nicht kenntlich gemacht ist (anders R o s n e r * 513—515, der eine direkte Bezugnahme auf D t n 22,22 sieht, wobei gerade das Fehlen einer Einleitungsformel am Schluß des Argumentationsgangs besonders signifikant sei). Es ist jedenfalls wenig wahrscheinlich, daß Paulus annimmt, die Adressaten würden sowohl den biblischen Charakter der Formulierung von V. 13b erkennen als auch daraus den Schluß ziehen, daß die dortigen prozeßrechtlichen Bestimmungen a n zuwenden seien (vgl. Lindemann, FS Ernst, 208—210). Innerhalb der korinthischen G e m e i n d e wird eine, möglicherweise religiös b e g r ü n d e te (s. zu V. 4), sexuelle Beziehung toleriert, die Paulus als F o r m schwerster Jtogveia a n sieht. Er hat bereits das Urteil gefällt, daß der beteiligte M a n n „ d e m Satan übergeben" werden solle; die versammelte G e m e i n d e habe dieses Urteil nachzuvollziehen und insofern zu vollstrecken. Paulus bestätigt damit eine schon in einem früheren Brief eingen o m m e n e Position u n d wendet sie auf den ihm jetzt bekanntgewordenen Fall an, woraus sich die in V. 13b ausgesprochene Forderung ergibt. Was konkret unter „Verderben des Fleisches" zu verstehen ist, bleibt unklar; daß die G e m e i n d e unmittelbar das Leben des betreffenden Mannes gefährden soll, ist angesichts der in Korinth geltenden römischen Rechtsordnung unwahrscheinlich. Das von Paulus in V. 1—5.13 andeutend geschilderte Verfahren entspricht im Ergebnis der Anweisung in M t 18,17b; daß das Verfahren, wie es in M t 18,15—17a detailliert beschrieben ist, zur A n w e n d u n g k o m m e n soll, läßt sich nicht erkennen (daß dieses Stadium bereits durchlaufen wäre, so Rosner, Paul 89f., ist durch V. 2 geradezu ausgeschlossen). Paulus trifft seine Entscheidung offensichtlich nicht aufgrund der Tora. Z w a r Hegt der in Lev 18,8 erwähnte Fall vor, aber Paulus erwähnt diesen Tatbestand nicht einmal a n deutungsweise (zu Tomson, Paul 97—103, der zwar reiches Material zu jüdischen Parallelen bietet, aber auf die Tatsache, daß nicht einmal das Zitat in V. 13b markiert ist, nicht eingeht). Das von i h m genannte Kriterium ist vielmehr die Tatsache, daß derartiges nicht einmal evxoig eöveoiv v o r k o m m e (nach M e u r e r * 120 f. argumentiert Paulus ü b e r haupt nur deshalb in so scharfer Form, weil der Fall z u m Konflikt mit der römischen B e hörde fuhrt). 132
Recht und Rechtsverzicht in der christlichen Gemeinde
6,1-10
Zur aktuellen Bedeutung der Argumentation des Paulus in 1 Kor 5 Zweifellos handelt es sich bei der Argumentation des Paulus in 1 Kor 5 um eine zeitbedingte Position (zur Auslegungsgeschichte bzw. zur Geschichte der Diskussion über Kirchenzucht allgemein s. Schräge, K I, 396-402). In Deutschland ist das „Ehehindernis der Geschlechtsgemeinschaft" durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 fiir grundgesetzwidrig erklärt und aufgehoben worden, da es nicht rational begründbar sei. Auch Paulus gibt keine wirkliche Begründung, nicht einmal religiöser Art, sondern verweist lediglich auf die anerkannte Sitte. Dabei kam es ihm offenbar nicht nur auf die Einhaltung der geltenden Rechtsnormen sondern auch darauf an, die christliche Gemeinde mit einer eigenen „Judikative" auszustatten (s. zu 6,1—11). Dabei beschreibt er in V. 3 - 5 sicherlich kein geordnetes Gerichtsverfahren; er macht aber auch nicht den Versuch, einfach eine Anweisung von außen zu geben, sondern er erwartet, daß die sich versammelnde Gemeinde seine Entscheidung nachvollzieht und so der eigentliche Rechtsakt zustandekommt. Dabei kann er zum einen voraussetzen, daß der Tatbestand als solcher nicht in Zweifel steht; und er nimmt zum andern an, daß die Gemeinde sein Verwerfungsurteil spätestens nach der Lektüre des Briefes teilt. Uber die Folgen erfahren wir trotz des vorliegenden 2 Kor nichts, was dafür spricht, daß der Mann die Gemeinde tatsächlich verlassen hat (bei dem in 2 Kor 2,5—11; 7,12 erwähnten Fall handelt es sich um einen völlig anderen Vorgang). Lösen wir den Vorgang von dem konkreten Fall, so ist die paulinische Argumentation in 5,1—13 j e denfalls ein mögliches Modell für wirksame innerkirchliche Entscheidungen, für die freilich „Unfehlbarkeit" keinesfalls beansprucht werden darf (Barrett, K 132f., der außerdem m.R. betont, die Verantwortlichkeit liege „in the hands of the whole body of believers, not of a small group of ministerial authorities"). Die Kirche muß jedenfalls prinzipiell die Möglichkeit haben, Grenzen der innerkirchlichen Toleranz zu ziehen und gegebenenfalls auch Verwerfüngsurteile zu fällen. Das Problem liegt hier darin, daß der in 5,1—13 dargestellte Rechtsakt das Gebiet der Sexualmoral betrifft, also ein Feld, bei dem der Wechsel der anerkannten Werte sich zumal in neuerer Zeit besonders rasch vollzieht und die Unterschiede zwischen den heute und in der Antike geltenden Normen besonders krass sind.
6,1—11 Recht und Rechtsverzicht in der christlichen Gemeinde 1 Jemand
von euch, der, einen Rechtsstreit mit dem anderen hat, bringt es fertig, vor den Ungerechten zu prozessieren und nicht vor den Heiligen?! 2 Oder wißt ihr nicht, daß die Heiligen (sogar) die Welt richten werden? Und wenn durch euch die Welt gerichtet wird, seid ihr ungeeignet fiir die geringfügigsten Rechtshändel? 3 Wißt ihr nicht, daß wir über Engel richten werden — vollends über Alltägliches? 4 Wenn ihr nun alltägliche Rechtshändel habt, dann setzt ihr (ausgerechnet) die, die in der Kirche verachtet sind, (als Richter) ein? 5 Zur Beschämung sage ich euch das. So ist unter euch kein einziger Weiser, der in der Lage wäre zu entscheiden zwischen seinem ,Bruder' (und einem anderen ,Bruder')? 6 Stattdessen prozessiert ein ,Bruder' mit dem (anderen) ,Bruder' — und das vor Ungläubigen?! 7 Nun ist es überhaupt schon eine „Niederlage" für euch, daß ihr Prozesse gegeneinander fuhrt. Weshalb leidet ihr nicht lieber Unrecht? Weshalb laßt ihr euch nicht lieber berauben? 8 Stattdessen begeht ihr Unrecht, und ihr begeht Raub — und das an ,Brüdern'! 9 Oder wißt ihr nicht, daß Ungerechte Gottes Herrschaft nicht erben werden? Irrt euch nicht: Weder sexuell Zügellose noch Götzendiener noch Ehebrecher noch Weichlinge noch Knabenschänder 10 noch Diebe, noch Habgierige, nicht Trunkenbolde, nicht Lästerer, nicht 133
6,1-11
Ethisch-moralische Probleme in Korinth
Spitzbuben werden Gottes Herrschaft erben. 11 U n d das waren einige von euch! Aber ihr habt euch abwaschen lassen, ja, ihr seid geheiligt worden, ja, ihr seid gerechtfertigt worden i m N a m e n des Herrn Jesus Christus und i m Geist unseres Gottes. Literatur: DEMING, Unity (s. zu 5 , 1 - 7 , 4 0 ) . - E. DINKLER, Z u m Problem der Ethik bei Paulus. Rechtsnahme und Rechtsverzicht (1 Kor 6 , 1 - 1 1 ) , in: DERS., Signum Crucis (GAufs.), 1967, 2 0 4 - 2 4 0 . - E. VON DOBSCHÜTZ, Z w e i urchristliche Vorschläge für ein Schlichtungsverfahren (Eine Studie zu 1 Kor. 6 und Matth. 18), ThStKr 91 (1918) 4 1 0 - 4 2 6 . - F. HAHN, Taufe und Rechtfertigung. Ein Beitrag zur paulinischen Theologie in ihrer Vor- und Nachgeschichte, in: Rechtfertigung. FS E. Käsemann, 1976, 9 5 - 1 2 4 . - MERK, Handeln, 9 1 - 9 5 . - MEURER (S. zu 5 , 1 - 1 3 ) , 1 4 1 - 1 5 6 . - A . C . MITCHELL, R i e h and Poor in the Courts of Corinth: Litigousness and Status in 1 Corinthians 6.1—11, N T S 3 9 (1993) 5 6 2 586. - P. RICHARDSON, Judgment in Sexual Matters in 1 Corinthians 6 : 1 - 1 1 , N T 25 (1983) 3 7 - 5 8 . - L. VISCHER, D i e Auslegungsgeschichte v o n I. Kor. 6,1—11. Rechtsverzicht und Schlichtung, B G B E 1, 1955. — B.S. WINTER, Civil Litigation in Secular Corinth and the Church. T h e Forensic Background to 1 Corinthians 6 . 1 - 8 , N T S 37 (1991) 5 5 9 - 5 7 2 .
Der Abschnitt 6,1—11 schließt sich übergangslos, aber doch thematisch sinnvoll (und auch über das Stichwort X Q I V E I V , SO m.R. Kümmel zSt. gegen Lietzmann, K 25) an 5,1—13 an. Nachdem Paulus in Kap. 5 ein Modell von „Gemeindejustiz" entwickelt hatte, wendet er offensichtlich aus gegebenem Anlaß bestimmte Aspekte daraus auch auf den Umgang mit Rechtskonflikten zwischen einzelnen Gemeindegliedern an. Woher er von diesen weiß, sagt er nicht; es ist auch nicht erkennbar, daß das Thema in Korinth selber womöglich kontrovers diskutiert worden war. Aber es kann sich weder um einen lediglich hypothetischen Fall handeln, noch geht es um einen Einzelfall (so Fee, K 228f.240; Deming* 297—299 meint sogar, es gehe um einen den Fall von Kap. 5 betreffenden Prozeß; aber dagegen sprechen V. 4.8), noch speziell um Fragen der Sexualität betreffende Rechtsfälle (so Richardson*, 53—55 dem aber eine plausible Rekonstruktion dessen, was sich abgespielt haben könnte, nicht gelingt). Eine wesentliche Rolle spielt für die Argumentation der in 5,9—13 betonte Aspekt der Unterscheidung zwischen oi E|ÜJ und oi eatü: Die äyioi sollen ihre Rechtskonflikte nicht durch die äötxot (V. 1) bzw. äjiLatoi (V. 6) klären lassen, sondern — sofern es überhaupt nötig ist — durch einen aocfiög innerhalb der Gemeinde. Deutlich erkennbar ist eine Zweiteilung des Abschnitts (mit Meurer* 141; in der R e gel sieht man eine Dreiteilung, nämlich einen Einschnitt zwischen V. 8 und V. 9, aber f] oiix oi'ÖAXE ist kein Gliederungssignal, wie V. 2 zeigt): In V. 1—6 kritisiert Paulus in einer Reihe rhetorischer Fragen die Tatsache, daß Christen sich in rechtlichen Streitfällen an heidnische Richter wenden (Weiß K, 145 macht einen Einschnitt zwischen V. 5a und V. 5b, kaum zu Recht). In V. 7—11 wendet sich Paulus dagegen, daß die Christen in Korinth überhaupt solche Konflikte untereinander haben. Dabei stellt er zunächst zwei im Wortlaut nahezu identische rhetorische Fragen (V. 7b), gerahmt von zwei kritischen Feststellungen bzw. Vorwürfen (V. 7a.8). Der Vorwurf döixeiTE in V. 8 fuhrt dann dazu, mit einer weiteren rhetorischen Frage daran zu erinnern, daß äöixoi die Gottesherrschaft nicht „erben" werden (V. 9a); das Stichwort äöixoi wird dann in V. 9b. 10 durch eine katalogartige Aufzählung näher illustriert. In V. 11 stellt Paulus abschließend fest, „einige" unter den Adressaten hätten zu den so Handelnden gehört, doch seien sie zu einer neuen Existenz gefuhrt worden; die Stichworte R|Y«ia0T|T£ und £Öixauo8r|Te lenken zu den Termini äöixoi und ayioi (V. 1) zurück. Schmithals, Briefe 26 f. meint, der Abschnitt 2 134
Recht und Rechtsverzicht
in der christlichen
Gemeinde
6,1-2
Kor 6,14—7,1 sei ursprünglich auf 6,1—11 gefolgt und beide Stücke hätten einen praktisch vollständigen Brief gebildet (s. dazu die Einleitung: Zum Problem der literarischen Einheitlichkeit; 2 Kor 6,14—7,1 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein unpaulinischer Text). Paulus beginnt in 1 mit einer nachdrücklich formulierten rhetorischen Frage. xoX^ctv „ein Wagnis auf sich nehmen" ist hier vorwurfsvoll gemeint (Bauer-Aland, W b s.v. l.b; G. Fitzer, T h W N T VIII, 182-187); in der Frage ist die Feststellung enthalten (vgl. Bachmann, K 221f.). T15 ijjitüv könnte ein bestimmter einzelner sein (vgl. xiva in 5,1; Hurd, Origin 86; Klauck, K 46), so daß dann V 7f. als Verallgemeinerung anzusehen wäre (so offenbar die Intention der von A P und edichen Minuskeln bezeugten Lesart xig e| i^üjv); wahrscheinlicher ist, daß eine bewußt unbestimmt gehaltene Redeweise vorliegt („es kommt bei euch vor, daß jemand ..."). jtQÖy|j,a £X eiv „einen Prozeß fuhren" (BauerAland, W b s.v. Jtgäyfxa 5). Der entscheidende Vorwurf bezieht sich zunächst nicht auf das Prozessieren als solches, sondern darauf, daß es vor den äöixoi geschieht. Zu xßiveoöai eiri xivog s. Bauer-Aland, W b s.v. xqLvco 4.a.ß, ferner die von Conzelmann, K 131 A 3 genannte Stelle Thuc IV 122,4. oi äöixoi sind hier in einem geradezu „technischen", sonst nicht belegten Sinn „die Nichtchristen" (in MartPol 19,2 ist der äöixoc; ctQXWv zwar Heide, aber gerade als Richter „ungerecht"), wie die Opposition oi äyioi (s. zu 1,2) zeigt; sie sind als solche „Verletzer des göttlichen Rechts" (G. Schrenk, T h W N T I, 151). Dabei will Paulus vermutlich nicht sagen, das römische Rechtswesen sei per se „ungerecht" (so aber Winter* 562-566); vielleicht scheint aber doch die Ironie durch, daß es sich bei den hier erwähnten äöixoi um Rechtskundige handelt (s. den Exkurs nach 6,11). In 2 stellt Paulus, wieder in Form einer rhetorischen Frage, fest, daß die Christen (oi äyioi) das Gericht über den xöo^iog vollziehen werden (zur Formulierung vgl. R o m 3,6, wo aber Gott der Richter ist). Das einleitende f| otix oiöate (f] fehlt bei D 2 L und zahlreichen Minuskeln) steigert die Ironie: „Oder wißt ihr wirklich nicht...?" xoo^og ist wie in 1,20 usw. die Welt der Menschen und ihrer Maßstäbe (Dinkler* 207), jedenfalls nicht die himmlische Welt (vgl. V. 3). O b KPINOY2IN als Futur (xqivoüchv) zu lesen ist (so Nestle-Aland 27 ) oder als Präsens (xoivouoiv, so B 2 und etliche Minuskeln), läßt sich schwer sagen (vgl. KPINEI in 5,12). xqlvo"Ü|^£v in V. 3 ist kein eindeutiges Argument, da dort das Objekt ein anderes ist (zu Schräge, K I, 410); für das Futur spricht vor allem, daß xqiveiv hier im strikten Wortsinne „im Gericht urteilen" gebraucht sein muß, da sonst die Argumentation nicht greift (Calvin zSt.). Die Vorstellung der Beteiligung der äyioi am Endgericht ist apokalyptisch; ältester Beleg scheint Dan 7,22 zu sein (0: xaixö X0i|ia [LXX: tt]v xqioiv] eöcüxev [Gott] ayioig tiijjiatoti, xai 6 xaipög e^öaaev xal xf|v ßaaiAeiav [LXX: t ö ßaaiXeiov] xaxEcr/ov oi äyioi); ferner SapSal 3,8 (die Gerechten xqivotjoive8vt| xalXQcar|(JOU0ivXamv „sie werden Nationen richten und über die Völker herrschen") und vor allem 4,16 (xaxaxQiVEl de dixaiog xajitbv xoiig ^cövtag aaEßeig xal veöxt|5 x£X,£a0£iaa xaxsojg jto^DExeg yfipag äöixoi), „Der Gerechte wird, wenn er ausruht, die Gottlosen, die noch leben, richten und die Jugend, die früh zur Vollendung gekommen ist, das betagte Greisenalter des U n gerechten", Übers. D. Georgi, J S H R Z III/4, 415); vgl. Lk 22,30/Mt 19,28 Q ; Apk 20,4; I Q pHab V 4ff. („In die Hand Seiner Erwählten wird Gott das Gericht über alle Völker geben und durch ihre Züchtigung werden alle Frevler Seines Volkes büßen, nämlich durch jene, die Seine Gebote gehalten haben, als sie in Bedrängnis waren", Ubers. J.
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6,1-11
Ethisch-moralische Probleme in Korinth
Maier); weitere Belege, vor allem aus äthHen, bei Billerbeck III, 363. Paulus entfaltet das Bild auffallenderweise nicht weiter, weil sein Thema nicht das Endgericht ist. Wenn das Gesagte fur das Verhältnis der äyioi zum xôa^oç gilt (xpivexai jetzt zeitlos, nicht im Sinne des gegenwärtigen Gerichts; vcqîveoOcu ev ist Gerichtssprache „gerichtet werden vor dem Forum von", B D R § 219^, dann ist es unverständlich, daß sie zu einem Urteilen über Lappalien außerstande sein sollten (Folgerung a maiore ad minus). àvà|ioç ist im N T hapax legomenon (aber àva^iojç 1 Kor 11,27.29; auch ct^ioç ist bei Paulus selten, sonst im NT aber häufig); gemeint ist weniger „unwürdig" als vielmehr „ungeeignet" oder auch, mit ironischem Unterton, „unzuständig" (vgl. den Gegenbegriff in V. 5, ooôç). XQiTîÎQiov eigentlich „Gerichtshof', hier aber „Rechtssache" (wie Diod S I 72,4; s. F. Büchsei, T h W N T III, 944f.); es geht ja nicht darum, „unterste Gerichte" zu bilden, sondern Paulus fragt ironisch, ob die Adressaten unfähig sind, selber über Rechtsangelegenheiten zu entscheiden (zum gen. pretii s. B D R §182,2), die — verglichen mit dem Richten über den x6a(iOç — als Bagatellen anzusehen sind. In 3 wiederholt Paulus die Frage von V. 2a, nun in der 1. Pers. PI. und mit Bezug auf oi äyyeXoi, womit ô xôo|ioç offensichtlich überboten ist (anders 4,9; s. dort). Zum künftigen Gericht über die (bösen) Engel s. Jud 6; 2 Petr 2,4 (wo freilich nicht die äyioi die Richter sind); wie unbedeutend sind im Vergleich dazu (zu |a.r|xiye s. B D R §427,3) die ßicotixd, über die gegenwärtig in Korinth Prozesse gefuhrt werden (abermals der Schluß a maiore ad minus). Zu ßiomxä „was man zum Leben braucht" s. Epict Diss I 26,1—7, wo sogar vom v6|xoç ßiomxög die Rede ist (der darin besteht, nach der 4>i>aiç zu wandeln). Daß es sich bei diesen „Alltäglichkeiten" offenbar um Eigentumsfragen handelt (vgl. Herrn Vis I 3,1; s. dazu Dibelius, HNT 20 zSt.), geht aus V. 7b hervor (s. dort); Robertson-Plummer, 109 halten eine besondere Beziehung zu jiXeovexxt|ç (5,10f.) für möglich. Das in V. 3 eingeführte Stichwort ßiomxä steht nun in 4 betont voran (ßiomxä ... xqiTT|QLa entsprechend V. 2 XQixf]Qia Ekàxioxa). Zu |xèv oûv s. B D R § 450,4. èàv ex^xe (zum nachgestellten èàv s. B D R §475j) ist iterativ (BDR §373 2 ), d.h. der Fall scheint nicht nur einmal einzutreten. Paulus stellt, ähnlich wie in V. 1, erstaunt-ironisch fragend fest, daß die korinthischen Christen die Richterfunktion solchen Menschen zuerkennen, die èvxfj Exx>.r|aia nichts gelten. Senft, K 48 liest V. 4 nicht als Frage, sondern als „une exclamation indignée", was durchaus möglich ist; dagegen ist es ausgeschlossen, xciOi^exe als Impt. zu lesen, als fordere Paulus, verachtete Gemeindeglieder sollten als Richter eingesetzt werden (so Bachmann, K 229f.; Strobel, K 108; Clarke, Leadership 70), denn dann gibt V. 5 keinen Sinn. Da Paulus sonst vor der Verachtung anderer warnt (Rom 14,3.10; 1 Kor 16,11; vgl. 1 Thess 5,20) oder das Wort auf sich selber (2 Kor 10,10; Gal 4,14) bzw. auf die Christen (1 Kor 1,28) bezieht, ist die Aussage in V. 4 ungewöhnlich (Holländer, K I, 94 verweist auf jüdische Texte, die davon sprechen, daß Gott verwirft bzw. „verachtet", u.a. Ps 53,6; i[> 107,14: È|ot>ÔEV(i)aEi xoùç b/ßgovc, t||acüv). Möglicherweise hegt eine Übernahme korinthischen Sprachgebrauchs (zu beachten ist èv xfj èxxXrjaia, womit allgemein „die Kirche", aber auch speziell die Gemeinde in Korinth gemeint sein kann) vor: Die Korinther blicken auf Nichtchristen herab — und machen sie gegebenenfalls dennoch zu Richtern. xaOÎÇeiv meint „hinsetzen"; im Hintergrund steht, daß die Richter auf dem ßfjfxa sitzen (vgl.Weiß, K 149: „ihr veranlaßt sie, zu Gericht zu sitzen"), d.h. es geht nicht darum, daß diese Richter von den Christen regelrecht „eingesetzt" werden.
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Recht und Rechtsverzicht in der christlichen Gemeinde
6,5-7
Der von Paulus in 5a formulierte Selbstkommentar ist die einzige eindeutig nicht als Frage formulierte Aussage: Jetzt will der Apostel, in bewußtem Kontrast zu seiner Aussage in 4,14 (vgl. auch 6,2f.), die Adressaten ausdrücklich in Verlegenheit bringen und sie so zu einer Verhaltensänderung veranlassen (zur Formulierung vgl. 15,34; B liest angleichend \ak(b statt Xeyco). Die dann wieder rhetorische Frage in 5b nimmt indirekt auf Kap. 1 und 2 Bezug: In einer doch so stark an oo die Differenz betont markiert. In der Aussage ... ov xfj jtoqveia wirkt JtOQVEia beinahe wie diejenige Größe, von der „ich" mich nicht beherrschen lassen soll (V. 12b); zur Parallelisierung von Speise und Sexualität vgl. Epict Diss II 8,12 (der Mensch soll darüber nachdenken, was er ißt und mit wem er sich ehelich verbindet). Bisweilen wird vermutet (so auch Schräge, K II, 21), die Korinther hätten in Analogie zu V. 13a einen Slogan wie xö ocöjia xfj Jtogvsia formuliert; aber das ist sehr unwahrscheinlich, zumal sie ihre eigene Praxis kaum selber als JtOQVEia bezeichnet haben werden (kritisch schon Heinrici, K 199 unter Hinweis auf die Argumentation des Paulus in 5,9f.). Daß Paulus ausdrücklich von einer Beziehung zwischen dem menschlichen Körper und dem XÜQ105 spricht, wirkt zunächst überraschend, ist aber vor dem Hintergrund von V. 9—11 ganz verständlich (vgl. 2 Kor 5,10; R o m 12,1, wo im Zusammenhang des menschlichen Handelns ebenfalls vom aöj|xa die Rede ist). Das Gegenüber von jtOQveia und xi>Qiog erklärt sich damit, daß in beiden Beziehungen ein umfassender Anspruch auf den Menschen erhoben wird. Das Verständnis von acü(ia bei Paulus ist am klarsten von Bultmann, TheolNT 197 erfaßt: acö|xa ist der Mensch, insofern er als ganzer „die Möglichkeit [hat], über sich selbst zu verfügen, oder diese Verfügungskraft zu verlieren und frem-
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Der Leib als Tempel des Heiligen
Geistes
6,13-15
der Macht preisgegeben zu sein", wobei diese Macht eine feindliche, aber auch eine hilfreiche sein kann. Nur in Nuancen anders E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, in: ders., Paulinische Perspektiven, 1969, 9—60, hier: 43: Leiblichkeit ist „das Wesen des Menschen in seiner Notwendigkeit, am Kreatürlichen zu partizipieren, und in seiner Fähigkeit zur Kommunikation im weitesten Sinne, nämlich seiner Bezogenheit auf eine ihm jeweils vorgegebene Welt"; ein wirklicher Widerspruch zu Bultmanns Definition besteht nicht, vgl. Hübner, Theol II, 147 A337. Die neuere Diskussion ist dargestellt bei Kirchhoff* 131—137, die selber meint, das Wort stehe in 1 Kor 6,13 „metonymisch für die angesprochenen Christen und benennt sie nach ihrer Pflicht" (143; Hervorhebung von mir); in 6,12—20 sei oö)|xa deshalb allein der Körper der Getauften (144). Die inhaltlich überraschende Aussage o Joigiog xö acöjiaxi bezieht sich darauf, daß der x 119105 den Menschen beansprucht und besagt zugleich, daß der Mensch eben als ocö^ia seinem Herrn gegenübersteht und die Christusbeziehung keineswegs allein der Ebene des jtvei5(j.a angehört (die bei Tert Marc V 7,4 belegte „marcionitische" Textergänzung et templum deo et deus templo [Harnack, Marcion 85*] geht nach Schmid, Marcion 71 f. nicht auf Marcion, sondern auf Tertullian zurück). Dem entspricht es dann, daß nach 14 Gott an uns (r|[iä5; Paulus sagt in V. 14b nicht xa aü'j(iaxa rijicbv, sondern formuliert ganz parallel zu V. 14a; zur Auferstehung des aö)|j,a s. 15,35—49) in der Auferweckung so handeln wird (e^eyeQei mit A C D 2 und dem ersten Korrektor von s $ 46 ; e^riyEigev in $ß46c2 B und einigen Minuskeln ist wohl mechanische Angleichung an xöv XIJQIOV fjyEiQev und vermutlich keine theologisch reflektierte, „gnostische" Korrektur, vgl. Metzger, Commentary 486f.; Robertson-Plummer, K 125 halten es für möglich, daß die Lesart von B die ursprüngliche ist, wobei dann an die Taufe zu denken wäre), wie er am xiiQioq bereits gehandelt hat (vgl. dazu die Argumentation in Kap. 15: Christi Auferweckung V. 1—11, daraus resultierend unsere Auferweckung V. 12 bis zum Schluß). Der Hinweis auf Gottes öi)vcx|ii5 erinnert in diesem Zusammenhang an 1,18 und zeigt zugleich die apokalyptische Perspektive (s. zu 15,43). Paulus bezieht sich wie in 2 Kor 4,14 und R o m 8,11 (ähnlich 1 Thess 4,14) auf die grundlegende Glaubensaussage (Rom 10,9) und leitet daraus die Auferstehungshoffnung ab; er „zitiert" aber nicht, sondern die Formulierung geht, wie die Analogie zu V. 13b zeigt, auf ihn selber zurück. Eine Interpolation liegt keinesfalls vor, denn ohne V. 14 fehlte der ganzen Argumentation die logische Basis (Sellin, Streit 49f. Anm 49); die These von U. Schnelle, 1 Kor 6:14 — eine nachpaulinische Glosse, N T 25 (1983) 217—219 hat m.R. keine Zustimmung gefunden (vgl. Murphy-O'Connor, Interpolations C B Q 48 [1986] 85-87). Die V. 1 5 einleitende Frage 15a OIJX oi'öaxe v.x"k. ist erstaunt-vorwurfsvoll; wie in V. 2.3.9 bedient sich Paulus der Frageform, um eine Mahnung auszusprechen. Dabei hat der Verweis auf xa aaj(xaxa II^XORV als (XEXT| XQIÖXOC nichts mit der in 1 2 , 2 7 belegten ekklesiologischen Metapher des AD)(xa XQIÖXOC ZU tun (so zunächst richtig Wolff, K 1 2 7 gegen die meisten Ausleger); vielmehr spricht Paulus vom acö|u.a jedes einzelnen Christen (sc. in Korinth; die Lesart r)|icl)v in K* A Ir"™ ist eine „logische" Verbesserung, weil die Aussage tatsächlich natürlich für alle Christen gilt; aber darum geht es Paulus hier nicht). Entsprechend der Aussage von V. 13c betont Paulus die „reale" Bindung dieser oa)(iaxa an Christus: Bezogen auf Christus ist jedes einzelne crcöfia ein neX.05 (anders Wolff, K 127f.: |xeX.r) bezieht sich auf die Glieder des menschlichen Leibes). Der Aussage in V. 15a wäre die Spitze genommen, würde man annehmen, Paulus habe in einer verkürzten und im Grunde mißglückten Formulierung eigentlich von der Zugehörigkeit 147
6,12-20
Ethisch-moralische
Probleme in
Korinth
der Christen zum „Leib Christi" sprechen wollen; ein ekklesiologischer Aspekt ist hier überhaupt nicht vorhanden (s. den Exkurs „Die Gemeinde als Leib" nach 12,27). Daß es um die Christusbeziehung des Menschen als oc5(xa geht, zeigt 15b: Soll „ich" (1. Pers. Sing, wie in V. 12) meinen Leib, und das heißt eben: die Christus gehörenden Glieder zu jtÖQvrjg fxeXr) (das Genitivobj. steht betont voran) machen? Damit würde Christus selber in eine unmittelbare leibliche Beziehung zur jrögvr) gerückt — und das ist natürlich (Paulus geht davon aus, daß die Adressaten seinem Urteil zustimmen) ein Ding der Unmöglichkeit. Die vor allem bei Epiktet häufige „diatribische" Wendung |xf] YEVoixo begegnet in den Korintherbriefen nur hier, häufig dagegen im Gal und im Rom, in den übrigen Briefen gar nicht (im N T sonst nur noch Lk 20,16); sie dient bei Paulus nicht etwa dazu, die Diskussion abzuschneiden, sondern sie eröffnet im Gegenteil einen neuen Argumentationsgang, V. 16 (vgl. A.J. Malherbe, MH TENOITO in the Diatribe and Paul, H T h R 73 [1980] 231-240). Das partizipiale ägac, ist nach Weiß, K 163 (vgl. Conzelmann, K 137 A 2) „Vulgärsprache" (etliche Handschriften haben korrigiert: aQu); Paulus meint aber durchaus, daß „ich" bei solchem Jtoielv in den Bereich dessen eingreife, was Christus gehört, ihm also wirklich etwas „nehme" (Schräge, K II, 26). In V. 15b ist erstmals ausdrücklich von der jtÖQvr| die Rede, also von der Frau, mit der die in V. 13 erwähnte Jtogveia praktiziert wird. Da Jtogveia ja nicht speziell „gewerbsmäßige Unzucht" meint (s. zu 5,1), ist die jcöqvt| dementsprechend nicht die Prostituierte im modernen Sinne (Kirchhoff* 67f.), sondern eine Frau, mit der ein Mann (oder möglicherweise auch mehrere Männer) illegitime Sexualkontakte unterhält. Zum Wortgebrauch s. vor allem Kirchhoff* 16—37; zum außerbiblischen Bereich F.Hauck/S. Schulz, T h W N T VI, 570-583 (jiögvr] wird von jtEQvr||ii „kaufen" abgeleitet, vermutlich, weil es sich oft um gekaufte Sklavinnen handelte). Wenig wahrscheinlich ist, daß die hier erwähnte jtöqvt] mit der Frau von 5,1 identisch ist (so Kempthorne*: die jtoqvt) ist das weibliche Gegenstück zum itögvog). Zwar fällt auf, daß von der Jtögvt] immer nur sing, die Rede ist, aber vor allem V. 16 zeigt, daß Paulus grundsätzlich und nicht von einem Einzelfall redet (der Sing, erklärt sich wohl daraus, daß Paulus auf den „Status" Bezug nimmt, nicht auf das Individuum). Paulus bewertet weder die Jiögvr| als Person in irgendeiner Weise noch weist er etwa auf den womöglich „unmoralischen" Aspekt ihrer „Käuflichkeit" hin (allenfalls ließe sich V. 20a als indirekte kritische Anspielung darauf verstehen); Gegenstand seiner Kritik ist ausschließlich das tatsächliche („somatische") Verhalten des christlichen Mannes gegenüber der betreffenden Frau. Ob Beziehungen zu einer sich prostituierenden Frau von den korinthischen Christen gesellschaftlich toleriert, womöglich sogar propagiert oder im Gegenteil schamhaft versteckt wurden, läßt sich nicht sagen; daß es sich bei der vorausgesetzten Jtogveia um Tempelprostitution gehandelt habe (so Rosner* N T 40), ist dem Text nicht zu entnehmen. Die Argumentation des Paulus zeigt lediglich, daß Beziehungen zur jtoqvt] praktisch vorkamen, offenbar ohne daß die betreffenden Männer darin einen Widerspruch zu ihrer christlichen Existenz gesehen hätten. Die zeitgenössischen Quellen belegen eine große Bandbreite in der unterschiedlichen Bewertung der Prostitution; dabei muß allerdings unterschieden werden zwischen den Beschreibungen faktischen Verhaltens und deren individueller Rechtfertigung einerseits und ethisch begründeter moralischer Kritik andererseits — letztere überwiegt bei weitem (vgl. H. Herter, Art. Dirne, RAC 3, 1149-1213, vor allem 1160-1173 und 1182-1187; zur methodischen Kritik an einzelnen Aspekten der Darstellung Herters vgl. Kirchhoff* 148
Der Leib ah Tempel des Heiligen Geistes
6,15-16
38f.). Wenn Diog L VII 131 von Zenon und Chrysipp überliefert, sie hätten in ihren Schriften über den Staat die Frauengemeinschaft mit freier Partnerwahl befürwortet, dann handelt es sich dabei nicht um eine philosophische Rechtfertigung der JtOQveia, sondern um ein als „ideal" angesehenes Staatsmodell, das beispielsweise dazu führen würde, daß alle Kinder von allen in gleicher Weise gehebt werden und es Eifersucht aufgrund von jiotxeia nicht mehr geben kann. Wenn ein Epigramm (Anth Graec VII 403) über einen verstorbenen Bordellbesitzer sagt, er habe „Dirnen gehalten und so (junge) Männer vor dem Ehebruch bewahrt" (xoiväg ögetyag iiolxeiiEiv oitx eöiöa^e veoug), dann ist das eine Anspielung darauf, daß der Umgang mit der Prostituierten rechtlich nicht als Ehebruch gewertet wurde, im übrigen aber zeigt sich hier deutliche Ironie und keineswegs eine moralische Rechtfertigung („schmutzigen Lohn und Gewinn heimste er ein von der Welt", heißt es unmittelbar zuvor). Vgl. demgegenüber etwa die Position des Musonius: Nichteheliche sexuelle Beziehungen sind unsittlich (alo/Qd), weil sie durch Zuchtlosigkeit (öl' axoA.aaiav) geschehen; „wie sich ja auch niemand, der ein sittlicher Charakter ist ([IETCX ye AÜX^QOOVVTIG), jemals mit einer Dirne einlassen würde (¿Taiga jtX,r)aid^eiv) oder mit einer freigeborenen Frau, außerhalb der Ehe, oder, bei Gott, mit seiner eigenen Magd. Denn das Unsittliche und Unschickliche eines solchen Verkehrs bedeutet eine schwere Schande für die, die solche Verhältnisse suchen (xö yctq Hr) vömnov |j.r)ö' eimgeiteg xräv auvouauBv XOVXCDV ALA/po? TE xai öveiöog jieya xolg öriQWfxevoic; atjxäg)" (Muson XII, p 64,7ff. Hense; Übers. R . Nickel). Die rhetorische Frage 16a f] otix oiöate (fj ist mit X A B C und sehr vielen anderen Handschriften zu lesen, mit ähnlicher Tendenz wie in V. 2.9: „Oder wißt ihr wirklich nicht...?") knüpft an ein nach Meinung des Paulus bei den Korinthern vorauszusetzendes Wissen an: Die sexuelle Verbindung mit der JTÖQVT] führt dazu, daß beide ev oa>|xa sind (Conzelmann, K 141: „Durch den außerehelichen Geschlechtsverkehr entreißt man sich der Zugehörigkeit zum Leib Christi"; davon spricht Paulus hier nicht). Deutlich liegt abgekürzte Redeweise vor; doch spätestens durch V. 16b wird klar, was gemeint ist. xoMuio) im Pass. c. dat. „sich an jemanden hängen", hier wohl konkret im Sinne der geschlechtlichen Vereinigung (vgl. Sir 19,2 LXX: olvog xai yuvaiXEg ajio0XT|ao'uoiv GDVETOTIG, xai ö xoXXcönfivog jtÖQvaig xoX|iriQ6x£Qog eatai, „Wein und Frauen bringen Verständige um den Verstand; und wer sich mit Dirnen einläßt, wird tollkühn"; der hebr. Text von V. 2b lautet „starke Begierde richtet den, den sie beherrscht, zugrunde" [Ubers. G. Sauer, J S H R Z III/5, 551]), aber sicher nicht unmittelbar auf diese Situation beschränkt. Die Formulierung berührt sich mit der in V. 16b dann explizit zitierten Aussage Gen 2,24 LXX (jtgoaxo>Ar|0r]a£xai jtpög xr|v yuvaLxa auxoü; A liest dort xfj yvvaixi, so auch die Zitatfassung in Mt 19,5). Vom anschließenden Zitat her hätte es näher gelegen, daß Paulus statt vom ocöfia von der a ä p ^ gesprochen hätte; aber die Argumentation ist seit V. 13 mit dem Begriff ow^ia verbunden, und dieser macht auch den „ganzheitlichen" Aspekt der Beziehung deutlicher. Mit der Wendung sv oöjia scheint Paulus geradezu zu sagen, daß die Verbindung mit der JIÖQVT) das eigene ocö(ia-Sein des betreffenden Mannes auflöst (vgl. V. 18c). Das Zitat in 16b aus Gen 2,24b LXX, durch oßr|0r|ar| xai aüxcö Xaigeiiaeig xai itgòg a Ò T Ò v xoA.Xr|9r|or| xai xcp ovo^cm aìixoi) òjifj ; 72,28a: è|xol òè xò jiQoaxoAAäaöai xcp 6ecö àyaBóv èoxlv, und vor allem 4 Regn 18,6: (Hiskia) xal ÈxoXXr)8r| xcp xuqÌoj, oìjx àjtéaxr| öjtiaöev aùxoù xai èc[)i)Xa|£v xàg evxókàq aùxou, oaaq èvEXEÌXaxo Mtovofj. Vom Jtvexina spricht Paulus deshalb, weil der Geist die Norm des Seins des Menschen ist, der als „Glied Christi" lebt — und zwar gerade auch insofern dieser Mensch als od»(j,a im Blick ist. Gemeint ist nicht, daß die Beziehung zur jtoqvt] den Leib, die Beziehung zu Christus hingegen das jrv£ij|xa des Menschen betrifft; sondern die (ganzheitliche) Beziehung des Mannes zur jcÓqvt| ist durch das oóòjmx, die (ebenso ganzheitliche) Beziehung desselben Menschen zu Christus ist durch das Jive'Cjia bestimmt: „Wer sich ... mit Christus verbindet, transzendiert sein menschliches Selbst, gewinnt eine neue Identität: er wird mit Christus und durch ihn ev nveC^ia" (Merklein, Leib-Christi-Gedanke 332). Nach Fee, K 260 lehnt Paulus die körperliche Vereinigung mit der jtóqvt] ab, weil sie „is not herseif a member of Christ"; aber das ist, wie der Abschnitt 7,12—16 zeigt, nicht die paulinische Position. Eine Begründung für die Aussage von V. 17 analog zu V. 16b ist unnötig bzw. in V. 15a schon vorwegnehmend gegeben worden. Rosner, Paul 136f. sieht als Basis der paulinischen Argumentation den biblischen Gedanken, daß Gott der Ehemann des Volkes Israel ist (Jes 54,5; Hos 3,1—3); er erklärt allerdings zugleich: „It is not that Paul has Hosea in mind in 1 Corinthians 6:12—20. Rather, the points of contact with Isaiah and Hosea demonstrate that Paul is here standing in a discernible Biblical tradition." Aber welches Gewicht hat diese Tradition für die Argumentation des Paulus, wenn er sich ihrer gar nicht bewußt ist? In 18a setzt Paulus neu ein, indem er erstmals seit 5,13b wieder eine impt. Aussage formuliert. Zu EÌ>yco (derpräs. Impt. zielt auf das fortwährende „Fliehen"; Paulus denkt nicht an einmaligen Akt) im Kontext der Paränese vgl. Test XII R u b 5,5: cjjEÌiyEXE ouv xr)v itoQveiav, xéxva ^oti; Gad 5,2: ... ÖJtcog (f)ei)|r)o0e xò (itoog xai xoXXr|6fjxe xfj ayaitri 150
Der Leib ab Tempel des Heiligen Geistes
6,18
x o v xugiou; Benj 7,1: ^eTjyEXE xf)V xaxiav, sowie die (hypothetische!) Aussage 4 Makk 8,19:... xcd 4)eu^ö|ae6a xryv xevoÖo^iav xai)XT|v (sc. das jüdische Bekenntnis). Paulus verwendet das Verb nur hier und in 10,14, dort ebenfalls impt., jeweils im bildlichen Sinne (vgl. aber den unterschiedlichen Gebrauch von exjhv]", Übers. Becker, J S H R Z I I I / l , 124); zu beachten ist aber, daß Paulus die Aussage, daß Gott selbst dem Menschen einwohnt, hier (wie überhaupt) vermeidet (vgl. Klumbies, Rede 202). Weil Gottes Geist von ihnen Besitz ergriffen hat, gehören die Adressaten nicht mehr sich selbst; ow. ectxe eoutcdv nimmt in anderer Weise die Aussage von V. 12 auf: Wer Gott gehört, wird nicht einmal mehr von sich selber beherrscht, sondern für den allein gilt wirklich das utctvxa |xoi e|eoxiv. In der Sache ist damit dasselbe wie in V. 15 f. ausgesagt (anders Conzelmann, K 143). Die Beziehung des christlichen Mannes zur JtÖQvr) führt dazu, daß das äyiov jxvE'öjia und insofern also Gott selber in eine unmittelbare Beziehung zur jxöqvt) gebracht wird und das ist aus der Sicht des Paulus natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. RobertsonPlummer, K 128 verweisen aufEpict Diss II 8,12f.: Wenn du ißt, wenn du mit einer Frau zusammen bist oder mit anderen Menschen umgehst oder Sport treibst, „weißt du dann nicht, daß du einen Gott ernährst, einen Gott trainierst? Du Unglücksmensch, du trägst einen Gott mit dir herum und weißt es nicht ... D u trägst ihn in dir (ev oavx(b V. 26, GeXco V. 7.32, ö o x ö V. 40), ohne dabei definitive und uneingeschränkt gültige Anweisungen zu geben; lediglich der Abschnitt V. 17—24 ist durch eine große Zahl von impt. Verbformen und zugleich durch das Fehlen des „Ich" des Paulus bestimmt. Auffallend ist schließlich die große Zahl von Konditionalsätzen (E'I bzw. ECCV) , die eine erstaunlich kasuistische Argumentationsweise erkennen lassen. Nach der Analyse von Sellin gehörte der Abschnitt 7,1—9,23 zum „Antwortbrief' B und folgte ursprünglich unmittelbar auf 5,9—13; diese Zuordnung ist aber willkürlich, zumal die Thematik eine völlig andere ist. Schmithals, Briefe 34 meint, der Abschnitt 7,1—8,13 sei ursprünglich auf 11,3—16 gefolgt und habe Brief E gebildet (s. die Einleitung: Zum Problem der literarischen Einheitlichkeit). Die jetzige Stellung des Abschnitts mit der betonten Wiederaufnahme der Stichworte Ttooveia und oä)|ia im R a h men des Themas Sexualität ist aber unmittelbar einleuchtend; es gibt keinen Grund, diesen sinnvollen Textaufbau Paulus abzusprechen und einem Redaktor zuzuweisen.
155
7,1-40
Ethisch-moralische
Probleme in
Korinth
7,1—7 A s k e s e u n d E h e 1
Wovon ihr aber geschrieben habt ,Gut ist es für einen M e n s c h e n , eine Frau nicht z u berühren': 2 U m der sexuellen Zügellosigkeiten willen soll aber j e d e r seine e i g e n e Frau haben, u n d j e d e soll d e n e i g e n e n M a n n haben. 3 D e r Frau g e genüber soll der M a n n seine Pflicht erfüllen, ebenso aber auch die Frau d e m Mann gegenüber. 4 D i e Frau verfugt nicht über ihren e i g e n e n Körper, s o n d e r n der Mann; e b e n s o aber verfügt auch der M a n n nicht über seinen e i g e n e n K ö r per, sondern die Frau. 5 Beraubt euch nicht gegenseitig, es sei denn etwa nach Übereinkunft für eine b e s t i m m t e Zeit, u m e u c h d e m Gebet z u w i d m e n u n d (dann) w i e d e r z u s a m m e n z u s e i n , damit euch nicht der Satan infolge eures B e gehrens in Versuchung führe. 6 Das sage ich aber aus m i t f ü h l e n d e m Verständnis, nicht als Befehl. 7 Ich m ö c h t e allerdings, daß alle M e n s c h e n sind w i e auch ich selbst; aber jeder (Mensch) hat seine e i g e n e Gnadengabe v o n Gott — der eine so, der andere so. C.C. CAKAGOUNIS, „Fornication" and „Concession". Interpreting 1 Cor 7,1-7, in: R . Bieringer (Hg.), Corinthian Correspondence, 543.559. — W.E. PHIPPS, IS Paul's Attitüde toward Sexual Relatins C o n tained in 1 Cor 7.1?, N T S 28 (1982) 1 2 5 - 1 3 1 . - W . SCHRÄGE , Zur Frontstellung der paulinischen Ehebewertung in 1 Kor 7,1-7, Z N W 67 (1976) 214-234. - R . B . WARD, Musonius and Paul on Marriage, N T S 36 (1990) 281-289.
Mit Jteoi ÖE ü)v 8YE) und in V. 4 begründet (obwohl yoiQ o.ä. fehlt; vgl. aber das indikativ. E^oucrid^EI); charakteristisch ist wieder die Betonung der Reziprozität der sexuellen Beziehung zwischen Mann und Frau (zweimal 6|XOLÜJ5). In V. 5 erläutert Paulus auffallend detailliert einen Aspekt zeitweiliger sexueller Abstinenz, wobei er nun zur direkten Anrede übergeht (2. Pers. PI. Impt.); der anschließende Selbstkommentar in V. 6 ( T O Ü T O ÖE Xeyu), wie in 1,12) bezieht sich vermutlich nur auf V. 5, nicht auf die gesamte Argumentation seit V. 2. Erst in V. 7 deutet Paulus die Möglichkeit einer grundsätzlich anderen Position an (OEXÜ) ÖE), aber ein definitives Urteil steht ihm gar nicht zu, da das spezifische xdQia|xa des einzelnen von Gott kommt. Nachdem Paulus bis jetzt mehrfach auf mündliche Informationen aus Korinth hingewiesen hatte (l,10ff.; 5,lff.; vermutlich auch die T h e m e n in Kap.6), erwähnt er in 1 erstmals eine schriftliche Äußerung der Korinther. Will man nicht annehmen, daß der korinthische Brief allein das Thema „Ehe" betraf (so daß Paulus gar nicht zu sagen brauchte, worauf er sich mit I T E Q I . . . OJV bezieht; zur Attraktion des Relativums s. B D R §294,4), ist es von vornherein wahrscheinlich, daß die Formulierung in V. l b eine korinthische Aussage aufnimmt (Fee, K 276: „... if not in actual language at least in senti156
Mann und Frau in der vergehenden Welt: Askese und Ehe
7,1
ment"; zur Diskussion vgl. Phipps*) und nicht schon die Reaktion auf ein noch gar nicht genanntes Problem enthält (vgl. dagegen 8,1: JTEQL 08 xtov siöwXoöiJTtüv; 12,1: JIEQ'I öe Jtveu^axixöv; 16,1: itegi öe xfjg Xoyeiag; 16,12: jteQi öe 'AJTOMÖ); Paulus nennt das Thema, bevor er Stellung nimmt). Der Brief der Korinther braucht durchaus nicht (oder jedenfalls nicht ausschließlich) Anfragen enthalten zu haben; es kann sich um Mitteilungen gehandelt haben, zu denen Paulus von sich aus Stellung nimmt (vgl. Wire, Women Prophets, 80). Es hat offenbar neben der von Paulus in Kap. 5 und 6 kritisierten Praxis in Korinth auch eine Position prinzipieller Askese gegeben. Jedenfalls handelt es sich bei V. l b um ein grundsätzliches Werturteil (xaXöv ... jxr|; vgl. R o m 14,21; Gal 4,18; häufiger in der synoptischen Tradition, Mk 7,27; 9,42.43.45.47 u.ö.), das sich auf die Vermeidung sexueller Handlungen (obrtEaöai in dieser Bedeutung in LXX Gen 20,4.6; Ruth 2,9; Prov 6,29, aber auch Plat Leg VIII 840a; weitere Belege bei Fee, K 275) des Menschen (!) gegenüber der Frau bezieht. Würde es sich um eine These des Paulus handeln (so u.a. Lietzmann, K 29, der hier die eigentliche Position des Paulus findet, die in V. 7a wiederholt werde; ähnlich Baumert, Ehelosigkeit* 37—47: Die Korinther fragten nach der Meinung des Paulus über ständige oder zeitweilige Enthaltsamkeit in der Ehe; Paulus sage in V. lb, daß der Mann sich in diesem Fall „ehrenvoll" verhalte, doch sei das in V. 2—5 geschilderte Verhalten das Normale), so wären die folgenden Aussagen (V. 2 und vor allem V. 3) sinnlos, weil sie die sofortige Aufhebung der Norm von V. lb enthielten (Conzelmann, K 147 sieht in V. 2 ein — für Paulus „konsequentes" — „Zugeständnis"; aber diese Auslegung übersieht, daß V l b kein Verbot enthält, sondern einen Grundwert formuliert, dem gegenüber ein „Zugeständnis" nicht möglich ist; das yuvaixa / ävÖQa exeiv wäre nach der Norm von V. l b ja gerade jtoQveia; nach Caragounis* 545f.559 ist es aus grammatikalischen Gründen ausgeschlossen, daß V. l b Zitat ist; er geht aber auf das Problem des logischen Widerspruchs zwischen V. l b und V. 2ff. nicht ein.). Für die Annahme, daß Paulus in V. l b die Position der Korinther referiert, spricht auch der eigenartige Sprachgebrauch: Das Wort ävOQCojtog wird als Bezeichnung für „Mann" verwendet. Das ist zwar nicht ungewöhnlich (bei Paulus allerdings sicher nur Gal 5,3 und vielleicht auch 1 Kor 7,26, s. dort; vgl. aber vor allem LXX-Belege für ävBQümog statt ctvr|Q als Ubersetzung von tt^'X, z.B. Gen 2,24; 4,1; 20,7 und sehr oft; vgl. Baumert, Ehelosigkeit* 41); es fällt aber auf, daß im folgenden zweifellos von Paulus selber formulierten Text durchgängig das Wort ävr|Q für „Mann" gebraucht ist (17mal in Kap. 7; YUVT| 20mal; der Erklärungsversuch von Baumert, Ehelosigkeit* 42, mit der Verwendung von avSQCüJtog in V. l b gebrauche der Schriftgelehrte Paulus „wie von selbst die vertraute Formel", trägt deshalb nichts aus). Paulus nimmt also in V. l b die ihm brieflich mitgeteilte korinthische Aussage referierend auf, es sei moralisch richtig (xaköv ist nach Conzelmann, K 146 A 10 Stil des Paulus [V. 8.26], aber das ist ein zu enges Urteil; zu xaXöv eaxiv vgl. Bauer-Aland, W b s.v. xaXög 3), daß der Mann („Mensch") keinen sexuellen Umgang mit der Frau hat. Diese moralische Position wurde natürlich nicht von denen vertreten, auf deren Verhalten Paulus in 6,12—20 eingegangen war; eher könnte man noch annehmen, daß hinter der Aussage von V. lb eine innergemeindliche Kritik an jenem Verhalten steht (ohne daß man sofort von einer „libertinistischen" und einer „asketischen" Richtung in der Gemeinde sprechen müßte, zu Conzelmann, K 146). Das wäre vor allem dann denkbar, wenn der korinthische Brief gar nicht eine Anfrage enthielt, die Paulus autoritativ beant157
7,1-40
Ethisch-moralische
Probleme in
Korinth
Worten sollte, sondern wenn in ihm die Existenz unterschiedlicher moralischer Positionen in Korinth erwähnt worden wäre. In diesem Zusammenhang ist die Beobachtung wichtig, daß in V. l b nicht von der Ehe die Rede ist, sondern von sexueller Praxis, und zwar des Mannes, während die Frau als eigenständig urteilende und handelnde Person gar nicht im Blick ist; es wird ein für den Mann gültiges Prinzip formuliert, das Ausnahmen nicht zuläßt. Ob das in V. l b zitierte bzw. referierte Urteil die prinzipielle — ideologisch, philosophisch oder religiös, etwa durch die „Naherwartung" oder durch frühe Formen gnostischer Askese begründete — Position einzelner (oder auch einer größeren Zahl) korinthischer Christen wiedergibt, oder ob es sich womöglich um eine weitere Reaktion auf die in 5,9 erwähnte frühere briefliche Äußerung des Paulus handelt, läßt sich kaum sagen; vgl. die ausführliche Diskussion bei Schräge*, vor allem 217-228, sowie bei Gundry Volf* vor allem 110—116. Deming, Paul* 110-115 sieht in V. lb, gerade auch angesichts der Formulierung xalöv avSpcimo) Ktk., eine „kynische" Position (vgl. die Belege für die Aussage ö u [xövov t ö xaXöv ayaGov SVF III. 1, §3); sicher greifbar ist für uns nicht die Situation in Korinth, wohl aber die Reaktion des Paulus, der der ihm mitgeteilten These keineswegs zunächst zustimmt (zu WolfF, K 134). Paulus reagiert in 2 im Gegenteil kritisch (öe), und zwar mit dem nach 5,1 ff. und 6.12ff. durchaus naheliegenden argumentativen Hinweis auf die möglichen und tatsächlich bestehenden JioQveicu (der ungewöhnliche Plural, sonst im N T nur Mk 7,21/Mt 15,19, könnte also kontextbedingt sein; vgl. B D R § 142). Paulus wendet sich nicht an die Verheirateten, sondern er plädiert für die Ehe als Mittel zur Kanalisierung des sexuellen Begehrens (vgl. Test XII Lev 9,9f.: Isaak mahnte Levi sich zu hüten öjtö TOÜ itveiiixaxog Tfjg TtOQveiag und noch als junger Mann zu heiraten); zwar kommt der Begriff ycifiog nicht vor (s. aber V. 8—11), aber ävÖQa/yuvalxa EXEIV kann heißen „verheiratet sein" (s. V. 12f.), und die jeweiligen Objekte von exaoxog/exäoxr] ... EXETCO, nämlich xf|v eavTOV yvvaixa bzw. xöviöiov ävöoa (das Fehlen von V. 2b in F G und wenigen anderen Handschriften könnte auf das Homoioteleuton zurückgehen, ist aber möglicherweise auch bewußte Korrektur: die Frau ist kein eigenständig handelnder Mensch), beschränken die sexuelle Beziehung aufjedenfalls einen Partner (zu E/eiv s. 5,1), und die so geordnete sexuelle Praxis gilt dann gerade nicht als JioQveia (zur Argumentation, freilich in anderer Terminologie, vgl. 1 Thess 4,3f.). Das impt. EXETCO bezeichnet einen Rat und einen Befehl; der Rat bezieht sich auf das Heiraten, der Befehl auf die Beschränkung auf jeweils einen Partner (EauTOÜ / iöiov; eine sachliche Differenz besteht nicht; anders etwa Bachmann, K 214); Paulus formuliert also, anders als etwa in V. 36, keineswegs eine kasuistisch begründete bloße „Zulassung". Auffallend ist, daß die Ehe nicht von der Schöpfungsordnung her (so aber Lang, K 89: Das Urteil des Paulus basiere auf der alttestamentlichen Tradition, wie Jesus sie ausgelegt habe) oder mit Blick auf die Fortpflanzung begründet wird, sondern allein von der Sexualität her; zwar ist richtig, daß es zu Beginn nicht ¡xövovbia. tag JTOQVEIAG heißt (Schräge, K II, 61), aber Paulus gibt jedenfalls auch keine weitere Begründung. In 3 wird das EXETCO konkretisiert: Mann und Frau sollen jeweils dem Partner gegenüber ihre „Pflicht" erfüllen. 60)801)5,Mitfühlendes Verständnis' bedeutet verständnisvolles Wesen, das sich in der Entscheidung darüber zeigt, wann Güte am Platze ist — und zwar in der richtigen Entscheidung. Richtig aber ist sie dann, wenn sie das Wahre trifft" (Ubers. F. Dirlmeier). ejUTayn im N T nur bei Paulus und in seiner Nachfolge (Rom 16,26; 1 Tim 1,1; Tit 1,3; 2,15; vgl. emxäooco Phlm 8). Die O p position xaxa cruYYvd)(j.r|v oii xax' emxayr|v zielt darauf, daß Paulus bei dem in V. 5 beschriebenen sensiblen Thema gerade keine „Anweisung" geben will. Erst in 7 formuliert Paulus sein persönliches Urteil als erfüllbaren Wunsch (Barrett, K 158). BeXüj hier eher „ich möchte" (vgl. 7,32.36.39; 10,27; 14,5, s. die Übersetzung) als „ich will (unbedingt)" (so 10,20; 11,3). Zahlreiche Handschriften, darunter X2 B D 2 , lesen ein V 6 eher begründendes yäg anstelle des abgrenzenden öe, was für V. 7 ein „(zwar) will ich (eigentlich) ..., aber ..." implizieren würde. ¿>5 xal e^ia'uxöv wird von Paulus nicht näher ausgeführt; gemeint ist offensichtlich: in sexueller Abstinenz leben, denn das war das bis jetzt erörterte Thema. Die spekulative Diskussion darüber, ob Paulus verheiratet gewesen war, also inzwischen Witwer ist, führt zu keinem Ergebnis; 9,5 spricht eher dagegen. Paulus nennt für seine Haltung keine Begründung; eine solche würde Höherwertigkeit implizieren, die Paulus ja gerade vermeiden will, wie V. 7b zeigt (gegen Barrett, K 159: für Paulus Abstinenz „is well, but marriage is no sin"; dieses Werturteil fällt Paulus gerade nicht). exaoxog nicht wie in V. 2 speziell der Mann, sondern nach nävTaq ävÖQcimo'ug ,jeder Mensch". xäQia^ia hier erstmals wieder seit 1,7, dann häufig in Kap. 12. Gemeint ist wohl nicht, daß sowohl Praktizierung der Sexualität wie auch Abstinenz im strengen Sinne xciQiö(iaxa ex 0eoi3 sind; gemeint ist erst recht nicht, daß Paulus nur die Ehelosigkeit für ein xäeuJ|ia hält (vgl. Lietzmann, K 30: Paulus wolle eigentlich sagen „'der eine hat das Charisma der continentia, der andere hat es nicht — dafür aber vielleicht ein anderes'"; doch gegen diese Auslegung spricht schon das exaoxog). Paulus versteht das christliche Leben insgesamt als durch Gottes xÖQLö^a bestimmt, und hier betont er nun, daß das Vorzeichen (Askese oder nicht) dabei keine Rolle spielt (6 jxev — 6 öe; s. B D R §250). Paulus rückt das brieflich an ihn herangetragene Problem in den Kontext der Jtogveia: Die in V. l b erwähnte N o r m ruft die jtOQveiai geradezu hervor. Deshalb bejaht Paulus die Ehe ausdrücklich unter dem Gesichtspunkt der Praktizierung der Sexualität (daß sie „ein notwendiges Übel" sei, sagt er durchaus nicht, zu Lietzmann, K 29); zugleich nimmt er sie faktisch aus dem Bereich des Religiösenhenus: Weder Ehe noch Askese werden religiös begründet. Es fehlt sowohl das traditionelle (jüdische und stoische) Argument für die Ehe, nämlich der Hinweis auf die Nachkommenschaft (vgl. Philo Spec Leg III 9.32—36; Musonius XII p 64,lff.: Jeder Geschlechtsverkehr, der nicht die Zeugung zum Zweck hat, ist sittenwidrig; zur kynischen Kritik an der Ehe sowie der Aufzucht von Kindern vgl. Epict Diss III 22,67-82; nach Philostr VitAp 113 beschloß Apollonius als junger Mann, vollständige Enthaltsamkeit zu üben), wie auch jede eschatologische Perspektive (so aber Kümmel zSt.). Auffallend ist die durchgehaltene Reziprozität der Aussagen — eine Überordnung des Mannes ist nicht im Blick. 161
7,1-40
Ethisch-moralische Probleme in Korinth
7,8—16 E h e u n d E h e s c h e i d u n g 8
Ich sage aber den Unverheirateten und den Witwen: Es ist gut fiir sie, wenn sie bleiben wie ich. 9 Wenn sie aber nicht enthaltsam leben, sollen sie heiraten; besser nämlich ist es zu heiraten als (vor Begierde) zu .brennen'. 10 D e n Verheirateten aber gebiete ich, nicht ich, sondern der Herr, daß sich eine Frau von (ihrem) Mann nicht (durch Scheidung) trennen soll — 11 wenn sie sich aber doch getrennt hat (oder: trennt), soll sie unverheiratet bleiben oder sich mit (ihrem) Mann versöhnen — und daß ein Mann (seine) Frau nicht entlassen soll. 12 D e n übrigen aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und diese ist einverstanden, mit ihm zusammenzuleben, soll er sie nicht entlassen. 13 U n d eine Frau: Wenn sie einen ungläubigen Mann hat und dieser ist einverstanden, mit ihr zusammenzuleben, soll sie (ihren) Mann nicht entlassen. 14 Geheiligt nämlich ist der ungläubige Mann durch (seine) Frau, und geheiligt ist die ungläubige Frau durch den Bruder; sonst wären ja eure Kinder unrein, jetzt aber sind sie heilig. 15 Wenn sich aber der Ungläubige (durch Scheidung) trennt, soll er sich trennen. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht gebunden. Im Frieden aber hat euch Gott berufen: 16 Denn was weißt du, Frau, ob du (deinen) Mann retten wirst? Oder was weißt du, Mann, ob du (deine) Frau retten wirst? Literatur: G. DELLING, Z u r Exegese v o n 1. Kor. 7,14, in: DERS., Studien z u m N e u e n Testament u n d z u m hellenistischen J u d e n t u m , 1970, 2 8 1 - 2 8 7 . -J.JEREMIAS, D i e missionarische Aufgabe in der M i s c h e h e (I C o r 7,16), in: W. Eltester (Hg.), N e u t e s t a m e n t l i c h e Studien für R u d o l f B u l t m a n n , B Z N W 21, 2 1957, 2 5 5 - 2 6 0 . - S. KUBO, I C o r i n t h i a n s VII. 16: Optimistic or Pessimistic?, N T S 24 ( 1 9 7 7 / 7 8 ) 5 3 9 - 5 4 4 . - A . LINDEMANN, D i e F u n k t i o n der H e r r e n w o r t e in der ethischen A r g u m e n t a t i o n des Paulus i m Ersten K o rintherbrief, in: E van Segbroeck u.a. (Hg.), T h e F o u r Gospels 1992. FS Frans N e y r i n c k (Vol. 1), B E T h L 1 0 0 , 1 9 9 2 , 6 7 7 - 6 8 8 . - J . MURPHY-O'CONNOR, Works w i t h o u t Faith in 1. C o r . , VII, 14, R B 84 (1977) 3 4 9 - 4 6 1 . -DERS., T h e Divorced W o m a n in 1 C o r 7 : 1 0 - 1 1 , J B L 100 (1981) 6 0 1 - 6 0 6 . - F. NEYRINCK, Paul and t h e Sayings o f j e s u s , in: A. Vanhoye (Hg.), L'Apotre Paul, E T h L 73, 1986, 2 6 5 - 3 2 1 . DERS., T h e Sayings o f j e s u s in 1 Corinthians, in: R . Bieringer (Hg.), T h e C o r i n t h i a n C o r r e s p o n d e n c e , 1 4 1 - 1 7 6 . - J . C . O'NEILL, 1 C o r i n t h i a n s 7,14 and Infant Baptism, in: A. Vanhoye (Hg.), L'Apotre Paul, B E T h L 73, 1986, 3 5 7 - 3 6 1 . - M . u n d R . ZIMMERMANN, Zitation, Kontradiktion o d e r Applikation? D i e Jesuslogien in 1 K o r 7,10f. u n d 9,14: Traditionsgeschichtliche Verankerung u n d paulinische Interpretation, Z N W 87 (1996) 8 3 - 1 0 0 .
Paulus setzt in 7,8—16 die Erörterung des Themas Ehe unter veränderten Gesichtspunkten fort, wobei er in V. 8 (cbc; y.äyw) formal und sachlich die Aussage von V. 7 (¿5 x a l £ ( j , a t i t ö v ) aufnimmt. Der Abschnitt läßt sich in drei Teile gliedern: In V. 8.9 wendet sich Paulus, eingeleitet mit "keyw c. dat., den nicht verheirateten Gemeindegliedern zu; auf das grundsätzliche Werturteil ( x a A o v ) folgt in V. 9 die Weisung für den möglichen Alternativfall (EI) mit einer komparativisch formulierten Begründung ( X Q E I T T O V yäp). In V. 10.11 folgt, jetzt eingeleitet mit KaQayyek^.(ü, die für die Verheirateten (der Dativ ist vorangestellt) geltende Weisung, die Ehe nicht aufzulösen, wobei Paulus erklärt, es spreche nicht er, sondern der xiiQLOg; dennoch sind in V. IIa zwei Eventualweisungen für den möglichen Alternativfall (ECXV) eingefugt. In V. 12—16 gibt wieder Paulus selber, eingeleitet mit X.Eyü) und vorangestelltem Dativobjekt, eine V. lOf. grundsätzlich entsprechende Weisung für „Mischehen" (V. 12f.), ergänzt durch eine auffällige Begründung (V. 14). 162
Mann und Frau in der vergehenden Welt: Ehe und Ehescheidung
7,8-10
Entsprechend dem cruveuöoxel in V. 12.13 wird in V. 15a die Alternative erwähnt, derzufolge die Scheidung unter einer Bedingung als möglich gilt. In V. 15b gibt Paulus einen zusammenfassenden Hinweis auf Gottes Berufen eveiqtivt], und erläßt (V. 16) eine dementsprechende Schlußbemerkung folgen. Die systematische Fortsetzung der in V. 1—7 begonnenen Erörterung ergibt sich aus der eingangs (V. lb) zitierten korinthischen These; man braucht nicht anzunehmen, daß in dem Brief der Korinther entsprechende Fragen gestellt oder explizite Aussagen gemacht wurden. Die sehr detaillierte Diskussion in V. 12—16 ist allerdings am leichtesten zu erklären, wenn Paulus mit entsprechenden aktuellen Problemen in Korinth rechnet. Paulus wendet sich in 8 zuerst an die äyajioi, ohne sie allerdings direkt anzureden (V. 8b: cruTOi^); gemeint sind diejenigen Männer und Frauen (r| äya|xo.
Mann und Frau in der vergehenden Welt: Bleiben in der Berufung
7,17-24
Paulus formuliert zunächst eine Grundaussage (V. 17a), die in V. 17b.c durch zwei Weisungen (zunächst Impt., dann öiaTCiOöOfiai) näher expliziert wird. Dann folgen deutlich markiert zwei Unterabschnitte, zuerst zum Thema Beschneidung/Unbeschnittenheit (V. 18—20), danach zum Thema Sklave/Freier (V. 21—23); die Schlußzeile V 24 wiederholt, leicht verändert, die Aussagen von V. 17b und V. 20. Inhaltlich wird das zentrale Thema des Abschnitts (xaXelv / xXfjaic;) in V. 17b eingeführt; hier liegt zugleich die Verbindung zum Kontext, V. 15, vor, so daß man mit Calvin, K zSt. erwägen könnte, V. 17 noch zu V. 12ff. zu ziehen (der Einsatz in V. 18 käme dann allerdings sehr unvermittelt). Aus der indikativischen Aussage XEXXT]X£V ö öeöq leitet Paulus eine in der 3. Pers. Impt. formulierte Anweisung ab (oüxooc; JtEQUtaxEixa); dies wiederholt sich in V. 20 EV TOIIJTT] (IEVEXCD und in V. 24 EV xouxcp JIEVETGÖ, hier betont erweitert durch jtaQa 0£(p). Ergänzend gibt Paulus in V. 17c einen erneuten Hinweis auf „alle Kirchen" (vgl. 4,17). Im nachfolgenden ersten Unterabschnitt V. 18—20 spricht Paulus von „Beschneidung" und „Vorhaut", also von Juden und Heiden. Er nennt zunächst in V. 18a.b jeweils den Status der Berufung, verbunden mit einem in der 3. Pers. formulierten verneinten Impt.; in V. 19 folgt faktisch eine Begründung für diese Imperative (auch wenn eine entsprechende Konjunktion fehlt), wodurch das Gewicht der Unterscheidung von JIEQITO[xr| und ctxQoßuaxicx herabgestuft wird. In V. 20 folgt die refrainartige Bemerkung, die ähnlich schon in V. 17b verwendet worden war. Der zweite Unterabschnitt V. 21—24 entspricht dem ersten, allerdings mit dem Unterschied, daß der Sklave in V. 21a.b angeredet und die Aussage in V. 22a erläutert wird, während von der Berufung des Freien nur in einer Zeile (V. 22b) die Rede ist; in V. 23 werden beide gemeinsam angesprochen. V. 24 bildet einerseits parallel zu V. 20 die Schlußzeile des zweiten Unterabschnitts, andererseits aber auch den Schluß des ganzen Abschnitts (vgl. V. 17b), deutlich hervorgehoben durch den Vokativ äöeXcfioi und das betont am Ende stehende JTAQA 0E5 |xr|. Die erste Aussage ist grammatisch korrekt formuliert (iva ... ÜKJIV); die übrigen Aussagen differieren formal leicht (ausgenommen bei x^atovreg und xaiQOVxeg). Inhaltlich ist die erste Aussage (als einzige) kontextgemäß (xai betont diesen Zusammenhang: Paulus spricht „auch" von denen, die in V. 25—28 nicht im Blick gewesen waren), wobei auffällt, daß nun allein aus der Perspektive der Männer formuliert ist. Die Aufforderung, daß sie cbg (xr) E/ovxeg sein (d.h. leben) sollen, kann nach V. 2—5 nicht im Sinne einer „geistlichen E h e " gemeint sein; die Aussage empfiehlt aber, daß die eheliche Bindung nicht das Dasein als ganzes beherrschen soll. Die beiden folgenden Aussagen beschreiben mit Weinen und Freude zwei Grundgegebenheiten menschlicher Existenz (vgl. R o m 12,15; als dialektische Aussage 2 Kor 6,10: cbg Ximoi>nevoi dei öe xuigovxEg). Das in der vierten Aussage gebrauchte Verb ayogcc^eiv begegnet bei Paulus in profaner Bedeutung nur hier (vgl. JICOXECO, 10,25); statt (bg jif) ayoga^ovxEg folgt... xatexovreg, d.h. Paulus betont, daß das Kaufen nicht dazu führen soll, das Erworbene womöglich mit allen Mitteln festzuhalten. Umfassend formuliert ist die fünfte und letzte Aussage; XQf|a8ai (s. B D R § 88) mit dem Akk. xöv xoo(xov ist sprachlich hart (die meisten Handschriften, darunter K2 D 1 V , haben korrigiert: xö> XÖO|XÜ), zusätzlich xotixop, entsprechend V. 31b) und auch inhaldich schwierig (6 xöojiog im Sinne dessen, was „die Welt" zu geben vermag), cbg p/r] xaxaxQCD|i£voi, ähnlich wie zuvor xaxexovreg „in vollem U m fang ausnutzen" (vgl. 9,18); ähnlich Philo Jos 144: x a i exi JtQÖg xoikoig aXXöxQiov xoüxo, [iT| emQDjXEi' iöiov xoüxo, x q ö ^f] jtaQaxQWM'Evog- jteQiowiä^eig, nexaöiöov • • • eüöo^elg x a i xexi[ir]aai, [if) xaxaX.a£ovet)otr xaiteivög ei xalg xiixaig, aXkä xö xoi^r|0r|oö(i80a), ähnlich wie schon in 1 Thess 4,15.17 (f|neig ... oi jrEQiÄEUt6|xevoiei-5xr]v Jtagouaiavtoii xupiou); aber die theologische und ethische Fragen betreffenden Aussagen sind gerade nicht durch die Vorstellung bestimmt, daß das Ende „nahe" ist und deshalb bestimmte Verhaltensweisen geboten oder im Gegenteil unzulässig bzw. unnötig sind. Insofern dürfte die These falsch sein, daß Paulus deshalb vor dem Eingehen einer Ehe warnt, weil ein solcher Schritt im eigentlichen Sinne des Wortes „keine Zukunft" mehr hat. Der exkursartige Charakter von V. 29—31 wird auch dadurch deutlich, daß 32a an den Schluß von V. 28 anknüpft: Paulus will die Adressaten „schonen", und er wünscht ihnen, daß sie „sorglos" sind. d|XEQi|xvoc; im N T nur noch Mt 28,14; vgl. aber die verneinten Aussagen über das fieQi(xväv in Mt 6,25ff.; Phil 4,6. Paulus denkt an das irdische Sorgen (vgl. öX.iiJJtg Tfj oaQxi, V. 28), an die alltägliche Suche nach Anerkennung und Erfolg (vgl. dagegen das „positive" |XEQI|XVCXV in 12,25; Phil 3,20; ähnlich 2 Kor 11,28). Was gemeint ist, expliziert Paulus in 32b mit Blick auf den aya^iog: Dieser richtet sein |xeQi[xväv (das Wort scheint hier, anders als in 32a, sensu bono gebraucht zu sein, was jedenfalls überrascht; vgl. Barrett, K 179) auf das, was mit dem xvgiog zu tun hat (vgl. 2,11: xctxoij OEOTJ), d.h. erfragt danach, wie er dem XIJQIO ßQÖx ov emßdXleiv (ßgöxog, im N T nur hier, ist ein Kriegs- oder Jagdgerät, mit dem das Opfer zu Fall gebracht und so gefangengenommen wird, vgl. Jos Bell VII 250) besagt, daß Paulus die Korinther weder durch zu hohe Normen „zu Fall bringen" noch durch die Forderung einer unbedingten Einhaltung von Normen „fesseln" will; sein Rat zielt vielmehr auf das, was es ermöglicht, „uneingeschränkt" (ajieQiajtdaxcog im N T nur hier, aber sonst nicht ungewöhnlich; vgl. den zu V. 33 zitierten Text Epict Diss III 22,69) „Anstand und Beharrlichkeit" für den xÜQioq zu praktizieren (zu Evo/rmov vgl. 14,40; etiJtdQEÖQOV ist vorpaulinisch nicht belegt und vielleicht Wortschöpfung des Paulus, Hesychius deutet: xaXrög jraQa(xevov). Die Konstruktion des aM.d-Satzes ist verkürzt korrigiert: djreQiajtdcrxoug elvai). V. 35 zeigt deutlich, daß die Ratschläge in V. 32—34 nicht eigentlich „asketisch" gemeint waren (zu Conzelmann, K 167), sondern im Gegenteil für ein weniger beschwerliches Leben werben sollten. Mit 36 nimmt Paulus das Problem von V. 28a wieder auf: Es geht um den Fall, daß der Verzicht auf die Ehe nicht durchzuhalten ist. Die grammatische Konstruktion und dementsprechend der Inhalt bietet Schwierigkeiten: Ist der edv-Satz von dem vorangehenden el-Satz abhängig, oder sind beide Bedingungssätze parallel zu lesen? Nach der ersten Auslegung würde Paulus das aaxr|(iOV6iv von elvai t>jt£Qax[i05 abhängig machen: Wenn ein Mann meint, (sc. durch Verzicht auf die Heirat) an seiner Verlobten (magOevog auxo'D) sittenwidrig zu handeln (zu äoxr|(xov£lv vgl. 13,5 und die Opposition euaximov in V. 35), dann sollen sie, wenn die geschlechtliche Spannung zu stark wird, heiraten (so Kümmel*, der iuteQaxjiog primär auf den Mann beziehen will; Conzelmann, K 168 bezieht •ujiEQaxjiog auf die Braut: Wenn die Verlobungszeit zu lange währt und die Braut also das eigentlich passende Heiratsalter [ax[iii] schon überschritten hat). Dann ist aber die Funktion der Wendung doxrinoveiv vojii^ei unklar, da sowohl xmeQaxuo^ als auch 181
7,1-40
Ethisch-moralische
Probleme in
Korinth
vor allem öeilei yivEOÖcu nicht dem voni^Eiv des Mannes unterliegt. Näherliegend ist deshalb die zweite Auslegung: Wenn (ei c. Ind., d.h. der Fall kann tatsächlich gegeben sein; vgl. V. 9) jemand meint, die Verweigerung der Heirat sei sittenwidrig (entsprechend der in Korinth geltenden Norm), dann soll geheiratet werden. Wenn (edv mit Konj. Präs., d.h. der Fall kann künftig eintreten) das sexuelle Begehren des 115 „überreif' ist (im£Qax[j,05 ist nach Weiß, K 207 modal zu fassen — „von überquellender, nicht mehr zu bändigender Jugendkraft", nicht: „über die Blüte hinaus"; vgl. Barrett, 182: „over-sexed") und dementsprechend (ovxtog) die Entscheidungsfreiheit nicht mehr ohne weiteres besteht (öcfieiXei yivEOÖai kann Euphemismus fiir den Geschlechtsakt sein, kann sich aber auch auf die geltenden gesellschaftlichen Verhältnisse beziehen, vgl. H. Chadwick, ,A11 Things to All Men' (I Cor. ix.22), NTS 1 [1954/55] 267), dann tue der Betreffende, was er will (vgl. B D R § 3363) — er sündigt nicht (vgl. V. 28), und die beiden sollen heiraten (zu beachten ist der Plural ya|j.£iTü)aav, d.h. Paulus denkt nicht allein vom Mann her; die „westliche" Uberlieferung liest überwiegend den Sing. yct|j,£iT(D, parallel zu JtoiEixco). Den entgegengesetzten Fall beschreibt Paulus in 37 mehrfach auf unterschiedliche Weise. £0TT|xev ev xfj xagötg. amov sÖQäiog bezieht sich auf das Herz als „Subjekt des Entschlusses" (Bultmann, TheolNT 221), als Sitz des Wollens (vgl. V. 36: ö 0EÄ.EI JtoiEiTto; vgl. Sir 2,2: eüöuvov tt)v xaQÖiav aov xai xaQTEQT]aov xai |rf| ajteijar|g ev xaiQÖ EiraycoY^S)- Dem entspricht |ir| £-/ojv dvayxr|v, d.h. der betreffende hat die Kraft zur eigenen Entscheidung nicht verloren (zur Formulierung vgl. Hebr 7,27; Jud 3); er hat vielmehr — nun positiv formuliert — die E^ouoia über seinen Willen (zum Wechsel vom part. E/cov zum finiten Verb exei s. B D R §468,3; 0e>.r||xa vom Willen des Menschen bei Paulus nur hier und 16,12, vgl. in der Sache aber 6,12), und er hat beschlossen (zu xaQÖia s.o.), seine jtaQÖEVog (s. zu V. 36) zu „bewahren" (ttjqeiv c. Akk. bei Paulus nur hier; vgl. Joh 17,11 f. 15; häufig in Apg, aber sensu malo „jemanden gefangen halten", 16,23; 24,23 u.ö.; vgl. Mt 27,36.54). In diesem Fall wird er „richtig" handeln (xakmq Jtoir|a£i in deutlicher Differenz zu oi)/ a^agidvei V. 36; vgl. aber V. 38). Warum Paulus diese Entscheidung so ausfuhrlich beschreibt, ist unklar; Hegt eine (indirekte) Aufforderung zur Selbstprüfung vor („wenn sich jemand auch wirklich ganz sicher ist ...")? Die Schlußfolgerung in 38 (eierte) enthält eine gewisse Korrektur des Gesagten: Auch wer die Verlobte heiratet, handelt xakmq\ wer es nicht tut, handelt allerdings besser (zum Komparativ vgl. W. Schräge, Zum Komparativ in der urchristlichen Ethik, EvTh 48 [1988] 330-345). 6 y a ^ c o v (diese Lesart ist u.a. durch S ' A B D sehr gut bezeugt; die Mehrzahl der Handschriften liest ö exyct^i^cov) ist nach dem üblichen Sprachgebrauch (vgl. Mt 24,38) deijenige, der eine ihm anvertraute J t a Q Ö E V o g (einem anderen Mann) verheiratet (so offenbar die Auffassung der Vulgata: qui matrimonio iungit virginem suam); aber da dieser Aspekt in der gesamten bisherigen Argumentation des Paulus gar nicht aufgetaucht war, ja geradezu im Widerspruch zu dem bisher von Paulus Ausgeführten stünde (vgl. V. 36 ya^Eitwoav und die Argumentation in V. 37), liegt es sehr viel näher, ya(xi^0J hier im Sinne von ya^ECD zu fassen (BDR § 10116). Auffallend ist allerdings, daß in V. 38 (wie zuvor schon in V. 36f.) die Entscheidung der Frau offenbar gar keine Rolle spielt; hängt dies mit der aktuellen Situation in Korinth zusammen? In 39 kehrt Paulus anscheinend unvermittelt nochmals zum Thema des Anfangs (V. 8f.l0f.) zurück: Eine Frau ist bis zum Tode ihres Mannes an ihn gebunden (vgl. R o m 7,2; die Mehrzahl der Handschriften hat dementsprechend vö|iq) ergänzt, aber der kür182
Mann und Frau in der vergehenden Welt: Jungfrauen und
Witwen
7,39-40
zere Text ist durch ^S46 S * A B D * u.a. besser bezeugt; das Fehlen eines Hinweises auf den vöjiog spricht gegen die Annahme, Paulus beziehe sich hier unmittelbar auf die Tora, zu Tomson, Paul 120f.l24; Rosner, Paul 171 f.). Warum erörtert Paulus jetzt noch einmal diesen Sachverhalt? Bachmann, K 291 sieht den Anlaß in einer Bemerkung im Brief der Korinther; Weiß, K 210 meint, Paulus habe den Fall vor Augen, daß eine in gemischter Ehe lebende Frau „unter schwerem Druck" lebt, er ihr aber gleichwohl sagen müsse, daß sie „gebunden" ist. Ganz anders Schräge, K II, 204f.: yuvri sei hier im Sinne von JtaQöevoq und 6 ävr)@ auxfjg dementsprechend als deren Verlobter zu verstehen (er verweist auf Mt 1,19; aber meint ö dvf]Q crijTfjg dort wirklich den „Verlobten"? vgl. Mt 1,20.24 JtaQaXa^ßäveiv xriv ytivalxci aou bzw. aiixoi)). Dann paßt die Aussage zwar besser in den unmittelbaren Kontext (obwohl dort eben stets von jtaQÖevog, nicht von yx)vf| die Rede gewesen war), aber es würde ein nach dem bisherigen Argumentationsgang erstaunliches Ungleichgewicht entstehen: Der männliche Verlobte wäre frei, über Heirat oder NichtHeirat zu entscheiden (V. 36—38); die weibliche Verlobte hätte keinerlei Freiheit, sondern wäre an ihren Verlobten bis zu dessen Tod gebunden (V. 39). Vermutlich will Paulus in V. 39 noch einmal zusammenfassend von der Stellung der Frau in der Ehe, nicht im Verlöbnis, sprechen: Nach dem Tod des Mannes (xoL|iäo0ou bei Paulus 9mal, vgl. 11,30; 15,6 u.ö.; 1 Thess 4,13—15; Paulus verwendet sehr viel häufiger [40mal] djtoOvfioxeiv, das hier aber nur von A 0278 und wenigen weiteren Handschriften bezeugt ist) ist die bis dahin bestehende Bindung (zu öeöexcii vgl. V. 27; aber ö ävr)Q ccuxfig ist jetzt doch wohl der Ehemann) gelöst, und sie ist frei, (abermals) zu heiraten, wen sie will (Yan.T|0fjvai pass. c. dat. „sich [von einem Mann] heiraten lassen"; eX.euOepa wie in R o m 7,3). Mit einer Nachbemerkung wird 0eX,ei offenbar eingeschränkt: (xövov ev XDQicp wird meist dahin ausgelegt, daß sie jedenfalls einen Christen heiraten soll (ev xuQicp im Sinne von „christlich", vgl. R o m 16,12f.; Phil 1,14); anders aber Hollander, K1,136: Paulus rede nicht vom neuen Partner, sondern davon, daß die Witwe als eine gläubige Frau (im Sinne von V. 29—31) handeln soll. In 40 nimmt Paulus die Argumentation von V. 7 bzw. V. 8 nochmals auf: Das oüxtog (sc. als Witwe) |ieveiv ist nach der yv(i)[j,T] (vgl. V. 25) des Paulus jedenfalls die angemessenere Entscheidung ((xaxcxQiog „der Gott entsprechende Glückszustand des Menschen"; zum Komparativ vgl. V. 9.38; ^S46 und Clemens Alex lesen jiaxctQia, entweder, um die Aussage zuzuspitzen, oder weil dem Komp. ein Bezugspunkt fehlt). Es fällt auf, daß Paulus die Aussage über seine yvcoiiT) unmittelbar mit dem Hinweis auf das jtvEi)(xa OeoC exEiv in Verbindung bringt; öoxöö öe scheint darauf zu zielen, daß Paulus den (nicht ausgesprochenen, aber vielleicht zu vermutenden) Vorwurf zurückweist, es mangele ihm an einer sich dem Geist verdankenden Autorität (zu itVEC^a öeoü e/elv vgl. die Aussage des Pharao über Joseph Gen 41,38 LXX: Mr) Ei)0r|OO(XEV ävÖQamov xoioüxov, og e/ei JTVE'üjia Oeov ev avxcp). Paulus verfolgt in V. 25—40 die Grundtendenz, vor dem Eingehen einer Ehe zu warnen, weil sich mit der Ehe Belastungen verbinden (V. 28b.32—35). Diejenigen, die dennoch heiraten, begehen damit keine Sünde, aber sie sollen leben unter der Perspektive des (bg [xr| (V. 29—31; nur hier steht ein Hinweis auf die „Verkürzung" der Zeit). Paulus argumentiert in dem ganzen Abschnitt (wie überhaupt in Kap. 7) von einer ausgesprochen realistischen Perspektive her; man kann den Text lesen als Beleg für das seelsorgliche Handeln des Apostels, ohne daß dieser den Anspruch dessen, der alles „besser" weiß, herausstreicht. Ob die Schlußaussage (V. 40) wirklich impliziert, daß man Paulus in Ko183
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Ethisch-moralische
Probleme in Korinth
rinth den Geistbesitz abgesprochen hat, oder ob Paulus lediglich sagen will, er habe — bei aller Zurückhaltung (vgl. nur das Stichwort yvcb^ri) — als geistbegabter M e n s c h gesprochen, läßt sich nicht entscheiden.
Sexualität, Ehe und Ehescheidung bei Paulus und in Korinth Literatur: G . DELLING, A r t . E h e l e b e n , R A C 4 , 6 9 1 - 7 0 7 . - DERS., A r t . E h e s c h e i d u n g , R A C 4, 7 0 7 - 7 1 9 . - DERS., A r t . E h e s c h l i e ß u n g , R A C 4 , 719—731. - W. DEMING, P a u l o n m a r r i a g e a n d c e l i b a c y (s. z u
7,1-40). — J.M. GUNDRY VOLP, Celibate Pneumatics and Social Power: On the Motivations for Sexual Asceticism in Corinth, U S Q R 48 (1994) 105-126. - DIES., Controlling the Bodies. A Theological Profile ofthe Corinthian Sexual Ascetics (1 Cor 7), in: R . Bieringer (Hg.), The Corinthian Correspondence, 519-541. - A. NIEBERGALL, Ehe und Eheschließung in der Bibel und in der Geschichte der alten Kirche (hg. von A.M. Ritter), MThS 18, 1985 (58-77). - A. OEPKE, Art. Ehe I (Institution), R A C 4, 1 9 5 9 , 6 5 0 - 6 6 6 . - H . STRATHMANN, A r t . A s k e s e II (chrisdich), R A C 4 , 7 5 8 - 7 6 3 (bis 3. J a h r h . ) . - O . L .
YARBROUGH, Not like the Gentiles. Marriage Rules in the Letters of Paul, SBLDS 80, 1984.
Wenn es zutrifft, daß Paulus in 7,1b eine in Korinth vertretene Auffassung zitiert, dann muß es in der dortigen Gemeinde eine offene Tendenz zur Propagierung einer faktisch (sexuell) asketischen Lebensführung gegeben haben, möglicherweise unter dem Einfluß kynisch-stoischen Denkens (daß es daneben auch die ganz andere Tendenz gibt, mit der sich Paulus in 6,12—20 auseinandersetzt, bleibt davon unberührt; daß die korinthische Gemeinde nicht „einheitlich" denkt und handelt, ist ja geradezu eines ihrer Kennzeichen). Liest man 7,8-40 vor diesem Hintergrund, dann läßt sich folgendes sagen: In Korinth scheint eine Strömung vorhanden gewesen zu sein, die von dem in V. lb zitierten Grundsatz her das Eingehen einer Ehe ablehnte und darüber hinaus für die Auflösung bestehender Ehen plädierte (V. 8—11). Paulus stimmt beim ersten Punkt grundsätzlich zu (V. 8), macht dann aber eine Einschränkung (V. 9), die vor dem Hintergrund des in 6,12-20 Ausgeführten den Adressaten eigendich als plausibel erscheinen mußte. Beim zweiten Punkt vertritt Paulus eine ablehnende Haltung, wobei er sich auf eine Weisung des xÜQiog beruft (V. 10f.). Die breite Diskussion in V. 12—16 läßt erkennen, daß in Korinth offenbar daraufgedrängt wurde, bestehende „Mischehen" aufzulösen (oi Xoutoi in V. 12 müssen durchaus nicht [nur] die in solchen Ehen lebenden sein), und zwar anscheinend unter Verweis auf auf die vom heidnischen Partner ausgehende „Unreinheit' (s.o. zu V 14); das weist Paulus zurück (vgl. V. 14—16). Ein besonderes Problem sind in Korinth die napOevoi, d.h. konkret: Verlöbnisse, die zur Ehe führen sollen. Angesichts der gegenwärtigen „Bedrängnisse" und angesichts der mit einer Ehe verbundenen alltäglichen Belastungen plädiert Paulus dafür, nicht zu heiraten (V. 26-28.35.37.38b); aber er betont, daß in dieser Hinsicht keinerlei Zwang bestehe (V. 28.36.38a). Ob sich die Position der Korinther tatsächlich ihrem „Enthusiasmus" verdankt (so vor allem Gundry Volf), ist zumindest fraglich. Gundry Volf* 110—115 gibt einen Uberblick über die Beziehung von Askese und göttlicher Inspiration in der antiken griechisch-römischen Religiosität und im Judentum; sie meint, V. 5 enthalte „Pauls concession to ascetics", die eigentlich in völliger Abstinenz hätten leben wollen, und diese Asketen seien „leaders in the Corinthian church" gewesen (aaO. 106f.). Aber textimmanente Indizien für die Annahme, daß die (von einigen!) in Korinth vertretene Tendenz zur Askese unmittelbar auf das Pneumatikertum zurückzuführen ist, fehlen; die am Schluß der Argumentation des Paulus in V. 40b stehende Aussage allein vermag diese These jedenfalls nicht zu begründen (Gundry Volf* 530 meint, Paulus spiele bewußt erst am Ende seine „Trumpfkarte" aus, aber das ist dem Text nicht zu entnehmen), und im übrigen Text von Kap. 7 zeigt die Argumentation des Paulus keinerlei in diese Richtung weisende Tendenz; umgekehrt läßt Kap. 14 nicht erkennen, daß die besonderen GeistErfahrungen in Korinth Auswirkungen auf die Praktizierung der Sexualität gehabt haben. Gundry Volf* 523-528 folgert aus dem Stichwort E^ouoict^Eiv in 7,4, man habe in Korinth die e^ovoia über den eigenen Leib betont und von daher die Taufformel von Gal 3,28 asketisch gedeutet (537: „Instead of male and female, in Christ there are ... ascetics!"). Das ist kein Widerspruch zu der These von Deming, Paul*, die korinthische Position sei durch die kynisch-stoische Philosophie beeinflußt; für diese Deu-
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Exkurs: Sexualität, Ehe und Ehescheidung bei Paulus und in Korinth
7,40
tung spricht der Stil der paulinischen Argumentation in 1 Kor 7, der sich eher gegen ein philosophisch reflektiertes als gegen ein enthusiastisch-pneumatisches Denken zu wenden scheint. Voraussetzung der Ausführungen des Paulus ist das antike Eherecht, demzufolge die Ehe ein privater Rechtsakt ist, bei dem vor allem Vermögensfragen durch Vertrag geregelt werden (vgl. B. Wagner-Hasel, Art. Eheverträge, D N P 3, 901 f.), während im übrigen die traditionellen gesellschafdichen Normen gelten (zum zeitgenössischen Judentum vgl. die breite Darstellung bei Jos Ant IV 244—259). Die E h e scheidung kommt ebenfalls durch Privatvertrag zustande, wobei nach hellenistischem und römischem R e c h t die Initiative sowohl vom Mann als auch von der Frau ausgehen kann (vgl. den Text B G U Nr. 1103; G. Schiemann, Art. Divortium, D N P 3, 719f.), nach jüdischem R e c h t nur vom Mann (zu den genau geregelten Ausnahmen s. die bei Billerbeck I, 318f.; II, 23f. zitierten Texte). Das traditionelle jüdische Verfahren ist im AT in Dtn 2 4 , 1 - 4 beschrieben (gefordert ist der Scheidebrief, der die zweite Ehe der Frau möglich macht; eine zweite Ehe mit dem ersten Mann nach einer zwischenzeidichen anderen Ehe ist ausgeschlossen). Das absolute Scheidungsverbot in der Jesusüberlieferung (Mk 1 0 , 2 - 1 2 ) ist in der Antike ohne Parallele; es dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Jesus selber zurückgehen. Woher Paulus die Weisung Jesu kennt, auf die er sich bezieht, läßt sich nicht sagen. Paulus geht in seiner Argumentation auf Dtn 2 4 , 1 - 4 nicht ein, d.h. er bezieht sich nicht einmal dort auf die Tora, wo einschlägige Bestimmungen existieren. In seiner Gedankenfiihrung in 1 Kor 7 geht es primär um Grundmuster der Entscheidung, nicht um jeden denkbaren Einzelfall. Deshalb ist die Argumentation nicht einheitlich: In der Parenthese in V. I I a ist die Ehe von gleicher Bedeutung wie die Ehelosigkeit, das áyaiiog (iévgiv ist hier nicht „besser" als das xü avöpi xaTodXáaaeiv. Eine zweite Ehe wird von Paulus nicht erlaubt; aber eine Gleichsetzung mit dem Ehebruch wird, anders als in M k 10,11 f., nicht vorgenommen. In der „Mischehe", die nicht selten zu sein scheint, wird die Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft an die Zustimmung des nicht-christlichen Partners gebunden, d.h. das Wort des xvQiog verpflichtet nur den Christen bzw. die Christin. Wichtig ist, daß die „Mischehe" als solche von Paulus nicht grundsätzlich problematisiert wird (anders offenbar beim Eingehen einer zweiten Ehe nach dem Tode des Ehemannes, s.o. zu V. 39).
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Dritter Hauptteil: 8,1-11,1 Die Christen und das Götzenopfer Literatur: J. DELOBEL, Coherence and Relevance of 1 Cor 8-10, in: R . BIERINGER (Hg.), Corinthian Correspondence, 177—190. — G.D. FEE, EiöcoXoOma Once Again: An Interpretation of 1 Corinthians 8-10, Bib 61 (1980) 172-197. - CHR. HEIL, Die Ablehnung der Speisegebote durch Paulus. Zur Frage nach der Stellung des Apostels zum Gesetz, B B B 96, 1994 (177-235). - D. HORRELL, Theological Principle or Christological Praxis? Pauline Ethics in 1 Corinthians 8.1-11.1, J S N T 67 (1997) 83-114. KLAUCK, Herrenmahl (241-275). — D.-A. KOCH, „Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes" (1 Korl0,32). Christliche Identität im (¿axeX.Xo'v in Korinth und bei Privateinladungen, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi. FS G. Klein, 1998, 35-54. - MALY, Mündige Gemeinde, 100-175. - MERK, Handeln, 122-131. - MERKLEIN, Einheitlichkeit (355-365). J. MURPHY-O'CONNOR, Freedom or the Ghetto (I Cor., VIII,1-13; X,23-XI,1), R B 85 (1978) 5 4 3 574. — H. PROBST, Paulus und der Brief. Die Rhetorik des antiken Briefes als Form der paulinischen Korintherkorrespondenz (1 Kor 8-10), W U N T 11/45, 1991. - J.F.M. SMIT, The Rhetorical Disposition of First Corinthians 8:7-9:27, CBQ 59 (1997) 476-491. - H. VON SODEN, Sakrament und Ethik bei Paulus. Zur Frage der literarischen und theologischen Einheitlichkeit von 1. Kor. 8—10, in: K . H . Rengstorf (Hg.), Das Paulusbild in der neueren deutschen Forschung, WdF 24, 1964, 338—379. — TH. SÖDING, Starke und Schwache. Der Götzenopferstreit in Korinth als ethisches Paradigma, in: DERS., Das Wort vom Kreuz. Studien zur paulinischen Theologie, W U N T 93, 1997, 346-369. — G. THEISSEN, Die Starken und Schwachen in Korinth. Soziologische Analyse eines theologischen Streites, in: DERS., Studien zur Soziologie des Urchristentums, W U N T 19, 2 1983,272-289. - TOMSON, Paul (187-220). W.L. WILLIS, Idol Meat in Corinth. The Pauline Argument in 1 Corinthians 8 and 10, SBL.DS 68, 1985.
Der Abschnitt 8,1—11,1 steht oft unter der Uberschrift „Starke und Schwache", obwohl Paulus diese Begrifflichkeit so gar nicht verwendet (anders 4,10). Zwar ist in 8,7—10 vom „schwachen Gewissen" die Rede, und in 9,22 spricht Paulus von „den Schwachen", denen er „ein Schwacher geworden" sei; aber das Stichwort „Starke" kommt überhaupt nicht vor. Nach Mitchell, Paul 126—149.237—258 geht es Paulus auch in diesem Abschnitt um die Bewahrung der Einheit der Gemeinde und u m Kritik an der Gruppenbildung; aber Paulus hat nicht das Verhalten von Gruppen im Blick, sondern das Handeln Einzelner (auch wenn diese in der Mehrzahl auftreten). In der Forschung gibt es eine breite literarkritische Diskussion, da in der Behandlung des Problems der elötüX.öGuta innerhalb des Textes oft sachliche Widersprüche gesehen werden insbesondere zwischen 8,7-13 und 10,1—22. Nach Weiß, K 212f. vertrat Paulus zunächst einen rigorosen Standpunkt und warnte vor JtOQveia (6,12—20) und vor der Teilnahme am Götzenopfermahl (10,1—22), doch auf den Einwand hin, dann müsse man sich ja von allem trennen, habe er durch 8,1—13; 10,23—11,1 eine Modifikation vorgenommen (ähnlich Klauck, Herrenmahl, 283f.: Die Korinther verwiesen angesichts der rigiden paulinischen Position auf den Monotheismus, woraufhin Paulus „sichtlich beeindruckt" differenzierter argumentierte); auch Schmithals, Briefe 23 und Sellin weisen 9,24—10,22 einem frühen, 8,1—13; 10,23—11 einem späteren Brief zu. Aber schon von S o d e n * hat m . R . gefragt, warum der Redaktor die früheren, „rigorosen" Aussagen zwischen zwei Teile des jünge-
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Die Christen und das Götzenopfer
8,1-11,1
ren Briefes e i n g e s c h o b e n h a b e n sollte (Probst* 149—151 sieht in 8,1—13 die b r i e f r h e t o r i sche Struktur des exordium, d e m in 9 , 1 - 1 8 die narratio, in 9,19—10,17 die argumentatio u n d in 10,18—11,1 die peroratio folge; ähnlich, aber m i t anderen A b g r e n z u n g e n , S m i t * : 8 , 7 narratio, 8 , 8 propositio, 8,9—12 argumentatio als reprehensio; in 8,13—9,23 folge die confirmatio). W e n n m a n erkennt, daß das T h e m a jteqLxcöv eIöcüXoGijxcov in 8,7—11,1 argumentativ i m Z u g e einer in 8,1—6 vorbereiteten doppelten Dialektik diskutiert wird, lösen sich die scheinbaren W i d e r s p r ü c h e a u f (s. dazu M e r k l e i n * u n d B e c k e r , Paulus 204—207): Paulus setzt ein bei der in 8 , 1 a offenbar zitierten in K o r i n t h vertretenen T h e s e (oiöa^iev otl) Jidvrcg yvcbaiv exo^ev, der er in 8 , 1 b einen kritischen E i n w a n d (f| yvcboig cj)uaioi, f| öe äydjtri o i x o ö o ^ e l ) zur Seite stellt; d e m entspricht dann die in 8 , 4 ausgesproc h e n e (zitierte?) weitere T h e s e (oiöctjiev öxi) ovöev ei'öcoXov ev xög|xü) und oüöeig Öeog el |ir) eig, der w i e d e r u m als kritischer K o m m e n t a r die Aussagen in 8,5a (euteg eioiv AeyöiiEvoi öeoi eixe ev oiiqoivüj el'xe e m yfjg) und vor allem 8 , 5 b (SXJKEQ eIctIv 0 e o i itoXXoi x a i xi)qlol 7toX,X.oi) b e i g e g e b e n sind. Dies wird in 8,7—13 expliziert am konkreten Fall des „ G ö t z e n o p f e r m a h l s " : Z w a r ist Speise religiös neutral; d o c h g e b o t e n ist die R ü c k s i c h t n a h m e a u f das „schwache G e w i s s e n " des ,Bruders' (wobei auffällt, daß in Kap. 8 H i n w e i s e a u f biblische Aussagen z u m U m g a n g m i t „ G ö t z e n " bzw. fremden G ö t t e r n völlig fehlen). D i e v o n i h m in 8,7—13 dargelegte N o r m praktiziert Paulus selber (9,1—18), i n d e m er u m der G e m e i n d e (und u m des Evangeliums) willen a u f die W a h r n e h m u n g der i h m z u stehenden e|ot)oia verzichtet (dazu fuhrt er nun auch biblische Aussagen an, o h n e i h n e n allerdings eine normative Kraft zuzuweisen). Paulus hat sich sogar a u f i h m eigentlich fremde F o r m e n des Existierens eingelassen (9,19—23); w e n n er in V. 2 2 ausdrücklich v o n sich spricht als „den S c h w a c h e n ein S c h w a c h e r " , so weist dies explizit zurück a u f die L ö sung des in 8,7—13 dargestellten Problems. Solches Handeln ist generell erstrebenswert ( 9 , 2 4 — 2 7 ) ; d e n n andernfalls entspräche man den V ä t e r n „unter der W o l k e " ( 1 0 , 1 — 1 3 ) , deren Schicksal „ u n s " zur W a r n u n g g e reichen soll ( 1 0 , 1 1 ) . Folglich k o m m t die EiöcüXoAaxQia keinesfalls in Frage ( 1 0 , 1 4 ) ; d e n n m a n darf zwar die rhetorische, zu verneinende Frage stellen, o b d e n n der G ö t z e ü b e r haupt „etwas" ist (elbwKov xi soxiv; 1 0 , 1 9 , entsprechend der Aussage in 8 , 4 ) , aber d e n n o c h gilt zugleich auch, daß das Opfer, das man D ä m o n e n darbringt, e b e n nicht G o t t dargebracht wird ( A öiiouaiv, Öai|xovioig x a i oij Q E Ö Quodcrv, 1 0 , 2 0 , analog zu 8 , 5 : eLoiv 9 e o i J10M.0I xxX..). D e m e n t s p r e c h e n d k a n n Paulus in 1 0 , 2 3 abschließend feststellen J t ä v x a e^ecmv, und d e n n o c h zugleich korrigieren: ot> J t ä v x a au|iEQ£i / obtoöo|X£i. Folglich darf alles ev (xaxeXÄO) Gekaufte gegessen und die Einladung, die ein a m o x o g ausspricht, darf a n g e n o m m e n werden; aber diese eXeuOEQia findet ihre G r e n z e an der auvEiör|cag des anderen ( 1 0 , 2 8 , entsprechend 8 , 1 0 ) . D u r c h w e g gilt, daß n i c h t die Materialität — sei es der Speise, Kap. 8 und 10, sei es der persönlichen Existenz, Kap. 9 — zur D e b a t t e steht, sondern die Relationalität, das G e g e n ü b e r zu „den anderen" (9,20—23), z u m „schwachen , B r u d e r ' " (8,11—13; 1 0 , 2 8 ) und überhaupt zur Gesellschaft als ganzer ( 1 0 , 3 2 ) , w o b e i sich die Adressaten durchaus an d e m eigenen, zuvor dargestellten Beispiel des Paulus orientieren sollen ( 1 0 , 3 3 - 1 1 , 1 ) .
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8,1-6
Die Christen und das Götzenopfer
8,1-6 Das Götzenopferfleisch und die christliche Erkenntnis Was aber das Götzenopferfleisch betrifft: Wir wissen, daß wir alle Erkenntnis haben. Die Erkenntnis bläht auf, die Liebe aber baut auf. 2 Wenn jemand meint, etwas erkannt zu haben, so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen m u ß . 3 Wenn aber jemand Gott liebt, (so) ist er von ihm (sc. Gott) erkannt. 4 Was also das Essen des Götzenopferfleisches betrifft: Wir wissen, daß kein Götze ist in der Welt, und ist kein Gott außer einem. 5 Denn auch wenn es sogenannte Götter gibt, sei es im Himmel, sei es auf Erden, wie es ja (tatsächlich) viele Götter gibt und viele Herren — 6 aber fiir uns (ist) Ein Gott, der Vater, aus dem alles ist und wir zu ihm, und Ein Herr Jesus Christus, durch den alles (ist) und wir durch ihn.
1
Literatur: A. DENAUX, Theology and Christology in 1 C o r 8 , 4 - 6 . A Contextual-Redactional Reading, in: R . BIERINGER (Hg.), Corinthian Correspondence, 5 9 3 - 6 0 6 . - CH. H. GIBLIN, Three Monotheistic Texts in Paul, C B Q 37 (1975) 5 2 7 - 5 4 7 . - E. GRÄSSER, „Ein einziger ist G o t t " ( R o m 3,30). Zum christologischen Gottesverständnis bei Paulus, in: „Ich will euer Gott werden". Beispiele biblischen R e dens von Gott, SBS 100, 1981, 1 7 7 - 2 0 5 . - O . HOFIUS, „Einer ist G o t t - E i n e r ist der Herr". Erwägung e n z u S t r u k t u r u n d A u s s a g e des B e k e n n t n i s s e s 1 . K o r 8 , 6 , i n : M . EVANG/H. M E R K L E I N / M . WOLTER
(Hg.), Eschatologie und Schöpfung. FS E. Gräßer, B Z N W 89, 1997, 9 5 - 1 0 8 . - R . A. HORSLEY, T h e Background o f the Confessional Formula in 1 Kor 8,6, Z N W 69 (1978) 1 3 0 - 1 3 5 . - DERS., Gnosis in Corinth: 1 Corinthians 8 . 1 - 6 , N T S 27 (1980/81) 3 2 - 5 1 . - R . KERST, 1 Kor 8,6 - ein vorpaulinisches Taufbekenntnis?, Z N W 66 (1975) 1 3 0 - 1 3 9 . - KLUMBIES, R e d e von Gott. - J . MURPHY-O'CONNOR, I Cor., VIII,6: Cosmology or Soteriology? R B 85 (1978) 2 5 3 - 2 6 7 . - J . F . M . SMIT, 1 C o r 8 , 1 - 6 : A R h e torical Partitio. A Contribution to the Coherence o f 1 Cor 8 , 1 - 1 1 , 1 , in: R . BIERINGER (Hg.), Corinthian Correspondence, 5 7 7 - 5 9 1 . - TH. SÖDING, Gottesliebe bei Paulus, in: DERS., Das Wort vom Kreuz. Studien zur paulinischen Theologie, W U N T 93, 1997, 3 0 3 - 3 2 6 . - Ferner die Lit. zu 8 , 1 - 1 1 , 1 .
Dieser kurze Abschnitt ist einer der theologisch wichtigsten Texte im Corpus Paulinum: Angesichts der aktuellen und konkreten Frage des Umgangs der Christen mit den ELÖCDXÖOUTGI erörtert Paulus das Problem des Monotheismus, d.h. die Frage des Verhältnisses zwischen dem Einen Gott und den vielen Göttern. Der Text weist eine bemerkenswert klare Gliederung auf (vgl. Denaux* 594f.): laa laß
JT£QL ÖE x r ö v EIÖOJÄOOIJTÜJV OIÖAJIEV ÖXI J t ä v x e g y v c ö a i v E X O ^ E V .
lb
R| yvwaig v £(böoAo0iJXü)v OIÖAUEV xai
Ö X I ovöev
EIÖCOXOV EV X Ö A ^ t p ,
Ö T I OIIÖELS 0 E Ö 5 E I JIF) e l g .
x a i yä.Q euteg
Eioiv Xeyö^ievoi 0EOI
5 aß
EITE EV o i i g a v t ü
5av
EIXE
188
EJtl
yfjg
Das Götzenopferfleisch
5ba 5bß 6a 6ba 6bß 6by 6ca 6cß 6cy
und die christliche Erkenntnis
8,1
üxjjieq elalv 0eoL jtoXXoi x a i xtjqlol jtoX.Xoi, aXX' r||a,iv elg 0eög 6 jtaxr|Q, eE, ov xä jrdvxa x a i f|jAetg Eig atixöv, x a i elg xÜQiog 'Ir)ooi)g Xpiaxög, öl' o i xä Jtdvxa x a i r|(j.Els 61' oaixoC.
Im ersten Teil (V. 1—3) verweist Paulus hinsichtlich der eiöüAöGuxa (jieq'i X T X . ) zunächst grundsätzlich auf den Widerstreit zwischen yvöaig u n d aydirr]; i m zweiten Teil (V. 4—6) geht es konkret u m das Essen der £iöcoA.60uxa (tteq'l xfjg ßgcjoetog xxX..). In beiden Teilen folgt der Uberschrift jeweils eine mit oiöauev öxi eingeleitete These (V. laß/V. 4b), die — unabhängig von der Frage, ob es sich u m Zitate aus d e m Brief der Korinther (7,1) h a n delt — prinzipielle Ubereinstimmung zwischen d e m Autor u n d den Lesern anzeigt. Im ersten Teil schließt sich ein zweigliedriger kritischer K o m m e n t a r an, der den Gegensatz von yvräoig (V. lb) u n d or/ourr] (V. lc) einfuhrt, der in V. 3a.b wiederholt wird u n d dann faktisch (aber nicht begrifflich) die weitere Argumentation bestimmt; im zweiten Teil gibt es dazu keine Parallele. Es folgt jeweils ein realer Bedingungssatz (V. 2a: ei / V. 5a: ei'jteq), der jeweils auf unterschiedliche Weise zurückgewiesen wird (V. 2b: ovjtü) xxX./ V. 6a: äXX' f||xiv xxX.), wobei hier wie dort von Gott die R e d e ist (V. 3a/V. 6b). D e r den ersten Teil abschließenden Aussage (V. 3b) entsprechen sachlich die präpositionalen Aussagen in V. 6 b a - y u n d V. 6 c a - y . Paulus setzt in 1 ebenso wie in 7,1 mit jieqi ein; öe ist hier wohl nur fortführend, nicht adversativ. Das T h e m a EiöwXööuxa war offenbar in d e m korinthischen Brief erwähnt worden (ob die Korinther danach gefragt hatten, läßt sich nicht feststellen; der Text darf jedenfalls nicht von der Voraussetzung her gelesen werden, Paulus antworte auf eine i h m gestellte Frage). EiöcoXöOuxa meint das Fleisch von rituell geschlachteten („geopferten") Tieren (eI'öcAov zeigt an, daß es sich u m eine polemische Bezeichnung handelt); das Wort begegnet in jüdischer Literatur (in L X X n u r 4 M a k k 5,2, u n d auch sonst selten, vgl. von der Horst, Sentences 135f. zu der als interpoliert geltenden Aussage Ps-Phocyl 31) und bei Christen, also dort, w o alle Götter - bis auf einen — „ G ö t z e n " sind. Die Warn u n g vor den EiöwXöS'uxa wird im vermudich späten, jedenfalls nachpaulinischen „Aposteldekret" (Apg 15,29f.; 21,25) ausgesprochen; in Apk 2,14.20 wird der Vorwurf erhoben, die Irrlehrer in Pergamon und Thyatira lehrten, Christen sollten EiöoAöG'uxa verzehren und außerdem nogvECoai (die Verbindung beider Themenbereiche auch in der Apg u n d offenbar auch hier im 1 Kor, vgl. Kap. 6; ähnlich später Polemik des Irenäus gegen Valentinianer, Haer I 6,3 und vor allem gegen Nikolaiten, I 26,3 in Anlehnung an Apk 2,6). Paulus setzt nicht voraus, daß man auf d e m Markt nur „Opferfleisch" habe kaufen k ö n n e n (vgl. 10,25.28); woran offenbar schon in V. 1 gedacht ist, zeigt V. 10 (s. schon Bachmann, K 294 A 1), d.h. mit Eiö(üXö0Dxa ist nicht das Fleisch von rituell g e schlachteten Tieren gemeint, sondern der Fleischgenuß, der unmittelbar mit einem O p fer in Z u s a m m e n h a n g steht (von Soden* 343). oi'öa(XEv öxi leitet eine in der 1. Pers. Plural formulierte Aussage über die yvcöaig ein (s. zu 1,5). W i e die kritisch kommentierende Fortsetzung zeigt, handelt es sich u m ein Zitat
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8,1-6
Die Christen und das Götzenopfer
(vgl. Willis* 68—72); durch den kommunikativen Plural schließt sich Paulus mit den Adressaten zusammen (vgl. Lietzmann, K 37). Probst* 111—126 verweist darauf, daß oiöa|xev bei Paulus nie Zitateinleitung für eine Fremdaussage ist; vielmehr formuliere Paulus hier selber die These für die folgende Argumentation. Dann wird aber das Verhältnis von V. laß zu V. l b unklar; der Satz f| yvcöaig 4>ucno! ist kaum als Selbstkorrektur anzusehen. Richtig dürfte sein, daß oi'öa(xev öxi nicht wirklich ein Zitat einleitet; wohl aber zeigt die Wendung an, daß Paulus etwas den Adressaten Bekanntes schreibt (vgl. R o m 2,2; 3,19; 7,14; 8,22). yvtooig braucht nicht „gnostisch" interpretiert zu werden; yvcooig bedeutet, daß man meint, die Weltwirklichkeit „erkannt" zu haben (itävTEg meint diejenigen, die so reden, nicht definitiv „alle", s. zu V. 10); yviöoiv exsiv begegnet in L X X in SapSal 1,7; 2,13; Hos 4,6; 2 Makk 6,30; Esth 4,17u, aber meist mit einem Attribut (vgl. SapSal 1,7: öxi jtvsüjia xuqiou jiejiXtiqcoxev tf|v oixou(ievt]v, x a i xö auve/ov xa Jidvxa yvröoiv e/ei (jjoovfig; vgl. 1 Kor 12,8: Xoyoc, yvobaEtog), während yvröaig hier absolut gebraucht ist. oiöajxEv signalisiert, daß Paulus der folgenden Aussage zustimmt. Der unverbunden folgende Nachsatz (wenige Handschriften haben öe ergänzt) markiert aber eine nachdrückliche kritische Einschränkung. 4>uaioi3v schon in4,6.18f.; 5,2, ferner 13,4. Die yvcöaig hat keine wirkliche Substanz, sie „füllt" nur den, der sie „hat"; die dycim] hingegen richtet sich ihrem Wesen nach auf andere und hat dementsprechend die Eigenschaft, „aufzubauen" (daß hier kein Objekt genannt wird, ist nach 3,10—17 kaum erstaunlich; die Adressaten können wissen, was Paulus mit der Metapher meint; vgl. später 14,4.17 und oixoöo|ir| in 14,3.5.12.26). Zur Antithese von yvöcrig und aydnT] s. 13,2. Paulus betont, daß yvcüOL^ wertlos ist, wenn der Bezug zum Erkannten fehlt; deshalb spricht er als Kritik gegenüber der yvtj&aic; von der aydjtr|, d.h. er verweist auf ein wertvolles, weil Wert schaffendes Gut (zuvor war von dydjrr] nur in 4,21; vgl. 2,9 die R e d e gewesen). Eine positive Beziehung zwischen „Gnosis" und Liebe wird in EvPhil § 110 hergestellt (im Anschluß an das Zitat von 1 Kor 8,1 heißt es dort: „Wer aber freigeworden ist durch die Erkenntnis, ist um der Liebe willen ein Sklave für die, die die Freiheit der Erkenntnis noch nicht aufnehmen konnten. Die Erkenntnis aber macht tauglich (dazu), indem sie frei werden läßt", Ubers. H . - M . Schenke, Das Philippus-Evangelium, T U 143, 65). Daraus folgt in 2 die aus einer Bedingung hergeleitete Explikation: Wer meint etwas erkannt zu haben (ei c. Ind. in der Bedeutung öq, s. B D R § 372, 2), hat noch nicht wirklich erkannt. Das perfekt. EyvwxEvai (sehr viele, späte Handschriften lesen präs. eiSevcxi; Minuskel 326 ändert in Eivai, vgl. Gal 6,3) besagt, daß der betreffende Mensch glaubt, über den — offenbar beliebigen (xi fehlt in ^S46 und beim Ambrosiaster, was Fee, K 367 ebenso wie im Fall der Lesart von $ß46 in V. 3 für ursprünglich hält, s. dort) — Gegenstand des Erkennens verfügen zu können (vgl. yvflxjiv e/eiv). Eben dann ist das Wesen des eigentlichen yvojvciL noch nicht begriffen (oiiriü impliziert die Möglichkeit des Fortschritts, vgl. die Ironie in 4,8). Ist V. 2 von V. 3 her zu lesen, geht es also um das Erkennen Gottes (so Conzelmann, K 175: „etwas Rechtes", konkret: Gott)? Oder spricht Paulus allgemein von allem Erkennen, das meint, sich seines Gegenstandes bemächtigen zu können? Offenbar bezieht sich ÖElyvrövca auf ein e göttliche N o r m (vgl. R o m 8,26; 12,3; 1 Kor 15,25.53, möglicherweise auch 11,19, s. dort). Die in der Antike häufige Vorstellung, der scheinbar wissende Mensch wisse in Wahrheit nichts (vgl. die Belege bei N W 1/2, 308—310), steht hier nicht im Hintergrund, wie V. 3 zeigt. In 3 ist die Alternative formuliert (öe): Paulus ändert sowohl das Verb (ayajtct) als auch das Objekt — nicht mehr „etwas", sondern „Gott"; $ß 46 und Clemens Alex lesen xöv 8eöv
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Das Götzenopferfleisch
und die christliche
Erkenntnis
8,3-5
nicht, u n d dementsprechend fehlt bei ihnen auch v n ' autot) in V. 3b, so daß der Satz als abstraktes Prinzip des Verhältnisses von yivwaxeiv u n d äyanäv erscheint (Fee, K 367 hält diese Lesart fiir die allein kontextgemäße, sie sei entweder ursprünglich oder „the work of an editorial genius"). Gott ist hier nicht Gegenstand menschlichen Erkennens (anders Gal 4,9, vgl. aber die Fortsetzung; dazu Vouga, H N T 10, 104), sondern O b j e k t des Liebensiygl. 2,9 u n d das u.a. in M k 12,30 parr zitierte Liebesgebot aus D t n 6,5 sowie vor allem oben V. lc; s. Söding*). Paulus sagt nicht, wer Gott liebt, habe ihn (richtig) erkannt; vielmehr ist jetzt umgekehrt der Mensch Gegenstand des göttlichen Erkennens (vgl. Gal 4,9; s. auch unten zu 13,12), entsprechend biblischer Tradition (vgl. a|r 138,1 eyvcog (xe; D t n 34,10 LXX); Eyvcüaxai i)Jt' aiixoü verweist nicht auf den „Bereich hellenistischer Mystik" (so Lietzmann, K 37), sondern ist vom biblischen i n 1 her zu verstehen (R. Bultmann, T h W N T I, 709; Conzelmann, K 175 verweist auf N u m 16,5, w o J H ' i m Sinne von „erwählen" gebraucht ist; vgl. die LXX-Fassung: 'EjtEOXEjrxai x a l eyvcü o 0eöc; toi)5 övxag aiixoü x a i xoi>g cr/Loug x a l ngocn-p/cr/ETO JiQÖg ecmxov, x a i otig e^eXe^aro eauxq), n;QOOT|YCiYETO JIQÖ5 eatiTÖv). D e r Gedankengang 8,1—3 endet also b e w u ß t mit einer pass. Aussage, die auf Gott als den Handelnden verweist. N a c h dieser „grundsätzlichen" Einleitung in V. 1—3 spricht Paulus in 4 konkret von der ßgcooig der eiöüAöGwa. Er formuliert auch hier eine Position, von der er annimmt, daß sie von seinen Adressaten geteilt wird (unabhängig davon, ob er eine korinthische Parole zitiert, so Giblin* 530, oder nicht, so Probst* 126—132). ovbev eiöcoXov ev xöa|xq> ist ein „aufgeklärter" Satz, der die reale Existenz der e'ibüAa bestreitet (mit der, hier nicht ausgesprochenen, Konsequenz, daß die EiöiüXöOuxa ungefährlich sind). Horsley* 36f. b e tont den jüdischen Einfluß und meint, der Begriff „Aufklärung" (enlightenment) sei anachronistisch. eiöo)X,ov ist nicht nur das (Götter- oder Gottes-)Bild, sondern auch p o lemische Bezeichnung für die heidnische Gottheit selbst (vgl. 1 C h r 16,26 L X X : öxiJtdvXE5 0106OL xwv eOvcöv EiÖtü^a, x a i 6 öeöq r||xcöv otiQavöv £itoir)OEv; ferner SapSal 14,12: 'Aqxti y&Q JtoQVEiag Eitivota EiöcbXtov, EÜQEaig öe aiixcbv 4>0oqci ^cofig), so vor allem auch in den Test XII sowie JosAs (z.B. 11,7—9; 12,5). Luthers Ubersetzung („das ein Götz nichts in der weit sey") findet sich schon bei Tertullian bzw. Marcion (Marc V 7,9: scimus quod idolum nihil sit; dagegen Vulgata: scimus quia nihil est idolum in mundo), oijöei^ ösög e'i fir) E15 ist die u.a. an Jes 44,6 L X X (3tX.r)v Efiov oux eoxiv Gsog; ähnlich D t n 32,39) erinn e r n d e Aussage des radikalen Monotheismus (X2 äR lesen oiiöfilg öeoq EXEQ05, vgl. Ex 20,3; D t n 5,7: oiix Eoovxai aoi GeoI exeqoi), die wie in R o m 3,30 sehr betont das filg des Gottesglaubens aufnimmt (Dtn 6,4: inx H p ? U'n1?^ H p ? »Ö^; LXX: 'Axoxje, IogariX, xiiQiog 6 ÖEÖg f p a i v xi3qioi>xevaev afiit£>.(T)va xal oijx dj(J>Qav6r| i'E, aiitoO jiogeueoOoj xai djtoaxQar|xco e'ig tt]v oixiav atiTOt), (ir) ajtoGävr) ev xtö TroXe^q) xx'K.). Der Hirt einer (Schaf-) Herde schließlich genießt selbstverständlich die Milch (nicht aber das Fleisch!) der Tiere (zu den sehr differenzierten jüdischen Aussagen über die Hirten und deren Ehrlichkeit vgl. Billerbeck III, 381 f.). Ob die drei Beispiele auch metaphorisch aufzufassen sind, läßt sich kaum sagen (Strobel, K 144 bejaht es, Schräge, K II, 297 lehnt es ab): Das Verbum axQaxeiJEaGca begegnet als Metapher für den Aposteldienst (militia Christi) zwar erst in 2 Tim 2,3—7, deutet sich aber schon in 2 Kor 10,3—6 an; zu 4>uxei>eiv vgl. 1 Kor 3,6—8; die Rede vom Hirten und der Herde ist als auf kirchliches Handeln bezogene Metapher jedenfalls in früher nachpaulinischer Zeit sehr geläufig (Apg 20,28; Eph 4,11; 1 Petr 5,2; Joh 10,16; 21,16). In 8 stellt Paulus, abermals in Form einer doppelten rhetorischen Frage fest, daß die beschriebene Praxis nicht nur der Erfahrung im Alltagsleben entspricht (zu xaxct ävÖQtojtov Xakti vgl. R o m 3,5; Gal 3,15; D F G lesen dementsprechend Keyco), sondern auch der Norm der Tora. Zu jir| und oi> vgl. B D R §427,2 (nach Weiß, K 235f. wäre oi>
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dagegen ausdrücklich als N e g a t i o n und die Frage nicht als eine rhetorische aufzufassen: Paulus frage, ob das Gesetz dies nicht sagt; dann paßt aber das folgende j a g nicht), vö^iog hier z u m erstenmal i m 1 Kor, b e z o g e n a u f den T e x t der biblischen Tora (vgl. dann 1 4 , 2 1 und die Interpolation 1 4 , 3 4 ; anders nur 1 5 , 5 6 ) . Das in 9 a zitierte W o r t wird, w i e die sich anschließende doppelte Frage in V. 9b. 10a zeigt, als G e b o t Gottes verstanden; es steht geschrieben (zu y e y g a n T m vgl. 1 , 1 9 . 3 1 ; 2 , 9 usw.) „ i m Gesetz des M o s e " (nicht: Gottes). D i e W e n d u n g o vö^iog Mcoüaeoog b e g e g n e t im N T sonst nur bei Lukas (Lk 2 , 2 2 ; 2 4 , 4 4 ; A p g 1 3 , 3 8 ; 1 5 , 5 ; 2 8 , 2 3 ) , bei J o h ( 7 , 2 3 ; vgl. 1 , 4 5 ) u n d i m H e b r ( 1 0 , 2 8 ; 9 , 1 9 ) ; sie n i m m t den Aspekt auf, daß die R o l l e des M o s e als des jüdischen „Gesetzgebers" auch nichtjüdischen Zeitgenossen weithin bekannt w a r (D* F G lesen nur Y E Y 6 a j t T a L Y^ö; vgl. dazu Schmid, M a r c i o n 159—161). Andererseits aber k ö n n t e die explizite Verwendung eines b e t o n t als biblisch eingeführten A r g u m e n t s auch mit B l i c k a u f die aus j ü d i s c h e r Tradition s t a m m e n d e n Leser des Briefes erfolgt sein (vgl. L i n d e m a n n , in: F S Ernst, 2 1 3 f . ) . Paulus zitiert D t n 2 5 , 4 ; die meisten H a n d s c h r i f ten, darunter
X
A B 2 C D 1 , lesen entsprechend d e m L X X - T e x t I[ID)OETF; (vgl. 1 T i m
5 , 1 8 ) , w ä h r e n d das seltenere und präzisere XTpoboeig v o n B * D * F G 1 7 3 9 b e z e u g t wird (vgl. K o c h , Schrift 1 4 2 ; Stanley, Paul 1 9 5 f . hält es für m ö g l i c h , daß dies eine sekundäre Verbesserung ist). Paulus fragt in 9 b , ob G o t t sich etwa u m die R i n d e r k ü m m e r e , was auf eine verneinende A n t w o r t zu zielen scheint (s. den nachstehenden E x k u r s ) ; jedenfalls wird in 1 0 a festgestellt, daß G o t t überall „ u m unsertwillen" (Si' r|[lä?) spricht.
Das Zitat in 1 K o r 9,9 und seine Auslegung Literatur: D.I. BREWER, 1 Corinthians 9.9-11: A Literal Interpretation o f ,Do Not Muzzle the Ox', NTS 38 (1992) 554-565. - E. LOHSE, „Kümmert sich Gott etwa um die Ochsen?" Zu 1 Kor 9,9, Z N W 88 (1997) 314f. Die von Paulus zitierte Bestimmung soll ursprünglich dem arbeitenden Tier zugutekommen (vgl. Crüsemann, Tora 308f.); diesen Aspekt scheint Paulus gar nicht im Blick zu haben. Umstritten ist aber, ob Paulus tatsächlich eine allegorische Auslegung vornimmt und er damit den Wortsinn definitiv zurückweist, oder ob es ihm lediglich um die Anwendung des Textes auf „uns" geht. Nach Robertson-Plummer, K 183f. will Paulus nur sagen, daß der Literalsinn weniger wichtig ist als der allegorische; Fee, K 408 meint, Paulus spreche nicht vom ursprünglichen, sondern vom eschatologischen Textsinn. Hays, K 151 macht darauf aufmerksam, daß der Kontext von Dtn 25,4 tatsächlich vom Menschen, nicht von Tieren spricht; Paulus habe sich also durchaus dazu legitimiert sehen können, die biblische Aussage allegorisch auf den Menschen bezogen zu deuten. Nach Brewer steht Paulus in voller Ubereinstimmung mit der nicht-allegorischen rabbinischen Exegese, insofern dort das Gebot als an den Menschen gerichtet gedeutet werde; so entspreche die paulinische Auslegung wohl nicht dem ursprünglichen Textsinn, wohl aber der zeitgenössischen Auslegung; vgl. Josephus Ant IV 233, wo aus Dtn 25,4 gefolgert wird, es sei nicht recht (oii... öixouov), denjenigen, die sich bei der Erzeugung der Früchte mit abmühten, deren Genuß vorzuenthalten (Josephus verweist unmittelbar anschließend aufDtn 23,25f., versehen mit dem Kommentar, die Eigentümer sollten sich freuen, andere am Genuß teilhaben lassen zu können). Lohse sieht Paulus in Ubereinstimmung mit der beispielsweise bei Cic Nat Deor II 154 referierten Position der zeitgenössischen Stoa, derzufolge alles um der Menschen willen (hominum causa) gemacht worden sei. Auffallend ist, daß Philo Virt 145 die Bestimmung von Dtn 25,4 nicht etwa allegorisch, sondern im Wortsinne versteht und so eingehend interpretiert (die häufig als Parallele zu 1 Kor 9,9f. zitierte Aussage Philo Spec Leg I 260, wonach das Gesetz nicht für die „unvernünftigen Tiere" gemacht sei [oii yäg VK&Q aXöywvö vorlog], greift insofern nicht, als sich Philo dort mit der Frage befaßt, warum die Opfer-
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tiere körperlich makellos sein müssen; in diesem Z u s a m m e n h a n g stellt Philo fest, es gehe in Wahrheit nicht u m den Zustand der zu opfernden Tiere, sondern u m den Zustand der opfernden M e n s c h e n ) . Philo und ebenso die rabbinische Auslegung (s. dazu Billerbeck III, 3 8 2 - 3 8 4 ) sehen nicht anders als J o sephus nicht das dreschende R i n d i m Z e n t r u m des Gebots aus D t n 2 5 , 4 , sondern den M e n s c h e n , an den sich dieses G e b o t richtet. Bemerkenswert ist die Auslegung bei Calvin, K zSt.: Paulus folge d e m Schluß a minori ad maius, und gerade deshalb zitiere er in 1 K o r 9 , 9 nicht die eigentlich viel besser passende Aussage D t n 2 4 , 1 4 f . , derzufolge m a n d e m Bedürftigen nicht den L o h n vorenthalten solle, s o n dern gerade das auf die R i n d e r bezogene W o r t : Quod Dominus humanitatem erga boves praecipit, non idfacere boum gratia, sed hominum potius respectu, propter quos etiam boves ipsi creati sunt. Illa igitur erga boves dementia nobis exercitatio esse debet ad excitandam inter nos humanitatem ( „ D a der H e r r Menschlichkeit gegenüber den R i n d e r n befiehlt, geschieht dies nicht u m der R i n d e r willen, sondern vielmehr mit Blick a u f die M e n s c h e n , u m derentwillen auch die R i n d e r geschaffen sind. W i r sollen also durch j e n e Milde g e g e n über den R i n d e r n lernen, untereinander Menschlichkeit zu praktizieren."). M i t der Aussage öl' rj(iä? Jiavru)? Xe^ei in V. 10a w e n d e t Paulus dasselbe hermeneutische Prinzip an w i e etwa in R o m 4 , 2 4 , w o er allerdings ein „sowohl - als a u c h " ausspricht (s. auch unten zu 1 0 , 1 1 ) . W e n n Klauck, K 6 7 feststellt, Paulus habe für den ursprünglichen Textsinn „keine Verwendung m e h r " , dann ist das zwar richtig; aber zugleich ist zu beachten, daß dies i m Z u s a m m e n h a n g von 1 K o r 9 auch gar nicht zu erwarten ist. Paulus will nicht eine Tierschutzbestimmung für obsolet erklären, sondern er braucht einen biblischen Gebotstext, der die zuvor xaxct avOgamov formulierten Aussagen als göttliche N o r m absichert.
In 10b folgt entweder (öxi recitativum) ein zweites Zitat, eingeleitet mit öl' r||xäs eygääyeoai xcöv YevT)|xdTcov aiixfjg „Komm zu ihr wie der, der ackert und der sät, und erwarte ihre guten Früchte; in ihrem Dienst nämlich wirst du dich ein wenig mühen und rasch essen von ihren Früchten."). Oder eyQdr| in V. 10b bezieht sich zurück auf V. 9, und der öxi-Satz enthält die Explikation des dortigen Zitats (so Lietzmann, K 41; Klauck, K 67; Fee, K 409), wobei dann allerdings die Metapher von V. 9 durch zwei weitere Metaphern gedeutet würde (Weiß, K 237 hält das für schwer erträglich; es sei „am besten", wenn V. 9.10a als Glosse ausgeschieden werden dürften). Conzelmann, K 191 und Schräge, K II, 302 sehen einen parallelismus membrorum in V. 9a / 10b und nehmen an, daß Paulus aus einem apokryphen Text zitiert. Aber die Zitateinleitung in V. 9a (ev yäg... vöfiü) yb/ganxai' ov xr^coaeu; xxX.) unterscheidet sich formal erheblich von der Formulierung in V. 10 (61' r||iä$ eYQdcf>r| öxi...); der Hinweis auf R o m 4,23, wo auf eyqokJjti ... öxi tatsächlich ein Zitat folgt, trifft nicht, da es dort um die interpretierende Wiederaufnahme des Zitats in 4,3 geht. Nach Brewer* 558 bezieht sich Paulus auf eine mündlich tradierte Regel, die später in der Mischna kodifiziert worden sei (BM VII 2: „Folgende dürfen nach der Tora essen: Wer bei am Boden Haftendem bei der Abschlußarbeit arbeitet, und wer bei vom Boden Getrenntem vor der Abschlußarbeit arbeitet, aber nur bei Bodenerzeugnissen." In der Gemara wird ausdrücklich auf Dtn 25,4 hingewiesen, b B M 88b); diese Regel bestätige, daß der Mensch einen Anspruch daraufhabe, sich vom Gegenstand seiner Arbeit zu ernähren. In 11.12a zieht Paulus die Konsequenz für die aktuelle Beziehung zwischen sich und den Korinthern: Wer gesät hat, darfauch ernten wollen (ei c. Ind. im realen Sinn, fast
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kausal). Das betonte zweimalige T|NETG kontrastiert dem IL)|IIV bzw. I)|M)v; „säen" ist jetzt Metapher für die Mission, „ernten" aber nicht für den Missionserfolg, sondern für die Bezahlung des „Sämanns" (nach Brewer* 559 formuliert Paulus damit eine neue „ R e gel" — „the only example of new halakha", 564, für die er freilich gerade keinen Gehorsam verlange, da erja „freedom from the Law" predige, 565). Bezieht sich „wir" jetzt auf Paulus allein, oder gibt es auch eine (im übrigen unbekannte) Beziehung des Barnabas zu Korinth? Da „wir", d.h. Paulus (und Barnabas?) für „euch", d.h. die Christen in Korinth, die „geistlichen Güter" gesät haben (zu :rcv£i)|j,axixd s. 2,13 und vor allem 12,1; 14,1), ist es nicht erstaunlich (zu |X£ya in diesem Sinne vgl. 2 Kor 11,15), wenn „wir" nun „von euch" die „fleischlichen Güter", d.h. einen materiellen Ausgleich, ernten wollen (mit den Verben oitei^eiv und ÖEQi^eiv bleibt Paulus im Umfeld der in V. 10 verwendeten Bilder). Zum Gegenüber von xct JtvEi)|aaxixd und xd aagxixd bezogen auf Finanzielles vgl. R o m 15,27; ein negativer Akzent fehlt, wohl aber ist durch die Litotes (xeya; vorausgesetzt, daß xd jrveu(iaxixd wichtiger sind als xd oagxixd. Parallel zu V. 11 stellt Paulus in V 12a, wiederum mit einer suggestiven Frage, fest, daß wenn „andere" teilhaben an der £§ouala über die Korinther (zu f| t)[i,ü)v £§0110101 vgl. Epict Diss III 24,70 [H,ou e^ovaia „Macht über mich"] undjoh 17,2 [£§ovaia itaar|5 oaQXÖg]), „uns" solche Teilhabe in noch höherem Maße zukäme. Wer die öXkoi sind und worauf sich E^ouaia^ (isxexEiv sachlich bezieht, ist (für uns!) unklar: Denkt Paulus schon, wie in 2 Kor 10-13, an fremde Missionare, die von der Gemeinde bereits finanziert werden (so Lüdemann, Paulus II, 124, der in den aA.X.01 judenchristliche Missionare sieht, die zur Zeit der Abfassung des 1 Kor aber nicht mehr in Korinth waren und deren Auftreten zur Bildung der Kephas-Partei geführt habe)? Oder ist beispielsweise Apollos gemeint (so Wolff, K 194)? In 12b, dem ersten Aussagesatz seit V. 3, trifft Paulus die Feststellung, daß „wir" diese Vollmacht nicht Anspruch genommen haben (mit e^ouaia ist jetzt das in V. 4—12a Gesagte inhaltlich zusammengefaßt; zu oux £)(Qaad(X£0a vgl. V. 15a oi> XEXQT][ICU und V. 18b (xf| xaxaxßT|oaaOai). Vielmehr ertragen „wir" alles (crteyeiv wie 1 Thess 3,1.5 die Fähigkeit, unter Belastungen auszuharren; zu Jtdvxa ax£yo|i£V vgl. 13,7: r) ayditT) ... Jtdvxa oreyei), um den Fortgang des Evangeliums nicht zu hemmen (eyxojtr| im N T nur hier, vgl. aber eyxöjtxco R o m 15,22; Gal 5,7). Paulus deutet nicht an, inwiefern eine andere Praxis eine solche „Hemmung" hätte hervorrufen können (Horrell, Ethos 215 f. meint, Paulus weise speziell die Unterstützung durch eine führende Familie zurück, um seine Chancen bei den Schwachen nicht zu gefährden; ähnlich schon Theißen* 287); er scheint sich vielmehr auf die Feststellung zu beschränken, daß er durch sein Verhalten entsprechende Gefährdungen jedenfalls vermieden hat (die in 2 Kor 11,8f. erwähnte abweichende Praxis im Verhältnis zu Gemeinden Makedoniens spielt jetzt keine Rolle, weil es Paulus offenbar nur um seine Beziehung zu Korinth geht). Mit 13 kehrt Paulus nochmals zum Fragestil zurück (zu oiix oiöaxe s. 3,16; 5,6; vgl. 6,2—19). Paulus erinnert an die Praxis des Tempel- und Priesterdienstes (vgl. Num 18,8.28—31). Nach Schräge, K II, 306f. bezieht sich das erste Glied auf das gesamte Tempelpersonal, das zweite auf die Priester; konkret geht es um einen Anteil an der Opfermahlzeit (vgl. Lev 6,9; Dtn 18,3; Paulus beruft sich aber auf keine bestimmte Textstelle). Ob Paulus allgemein an (auch heidnische) Opferpraxis oder allein an den Jerusalemer Tempel denkt, läßt sich anders als in 10,18 nicht sicher entscheiden; gegen eine Bezugnahme auf heidnischen Kult spricht aber die Argumentation in 10,14—11,1 (vgl. Klauck, Herrenmahl 250f.; Nasuti* 251 meint, V. 13b sei nicht nur im physischen Sinne zu ver-
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stehen: „In partaking of such food, one also shares something with the being in whose Service one serves."). jrageÖQEtieiv ist kein „kultischer Terminus" (zu Lietzmann, K 42), kann aber in solchem Zusammenhang begegnen (Belege bei Bauer-Aland, W b s.v.). Die Argumentation zeigt übrigens, daß der Gedanke, es könne auch in der Kirche Priester, Altäre und Opfer geben, noch ganz fern liegt (vgl. Klauck, Herrenmahl 251 f.: „Die Anwendung von Fachtermini des Kults auf den Dienst des Apostels bleibt auf der Ebene des Vergleichs,... setzt jedenfalls nicht aus sich heraus eine priesterlich-kultisch ausgerichtete Gemeindeliturgie frei."). In 14 folgt mit dem Hinweis auf das öicaaaoeiv des xÚQiog ein weiteres, analoges Argument (oüxcog xai wird sich nicht darauf beziehen, daß die Tätigkeit der Priester wie der Evangeliumsverkündiger „von einem Gott autorisiert" ist, wie Wolff, K 195 meint; die Analogie liegt im éoBíeiv bzw. T,fjv EX). In der Sache erinnert das Referat der Anweisung Jesu an das Q-Logion in Lk 10,7/Mt 10,10b (ctíjiog ó egycrrrig xofi jhoOoü [Mt: tf)g TQoeJjfjg] aúxoti; der Kontext und dementsprechend der Sinn ist bei Lk und bei Mt jeweils etwas verschieden); es liegt aber kein Zitat vor, sondern ein von Paulus selbst formulierter Rückgriff auf Tradition, in der es um das Unterhaltsrecht für Missionare geht (vgl. M . / R . Zimmermann* 91.97; anders ist der Befund in 1 Tim 5,18; vgl. dazu Dibelius/Conzelmann, H N T 13 zSt.). 6iaxáooa> meint eine Anordnung, nicht etwa eine Erlaubnis (nach Schräge, K II, 309f. liegt „in der Sache" gleichwohl „eher eine Konzession als eine Forderung vor"; ähnlich Neirynck* 175f.; Wolff, K 199: Die Weisung verleiht ein Recht, das nicht in Anspruch genommen werden muß). naxayyéXXeiv mit Obj. xö eúcr/YÉ^iov ist ungewöhnlich (vgl. aber XQIOTÖV xaxayyÉXktiv Phil l,17f.; Kol 1,28, außerdem 1 Kor 11,26 xöv öctvaxov TO€ XUQÍOU xaxcxYYÉ>.Xex£); Paulus will offenbar die Aussage ex xoH EIXXYYEÁ.ÍO'U í¡f¡v ermöglichen (zu T,f¡v EX vgl. 2 Kor 13,4; Gal 3,11, freilich nicht im materiellen Sinne wie offensichtlich hier; Nasuti* 253 sieht in der Formulierung keine bloße Anspielung, sondern ein definitives Zitat und deutet ¡¡fjv ex im umfassenden Sinn analog zu V. 13b; in der Sache vgl. Gal 6,6). Der Hinweis auf die Anordnung des xÚQiog (vgl. 7,10; der xÚQiog-Titel ist von Paulus wieder ohne weiteres auf den irdischen Jesus bezogen; anders 9,1) bildet den Abschluß der Argumentationsreihe, ohne daß damit die höchste Autorität bezeichnet sein müßte (mit Fee, K 412; anders z.B. Strobel, K 146: „Krönung der Argumentation"); daß Paulus annimmt, die Anordnung des xtJQiog sei in Korinth bekannt (Weiß, K 239; Wolff, K 195), läßt sich nicht erkennen (Fee, K 413). Paulus stellt in 15a knapp fest, daß er (jetzt eyá, nicht mehr F)(X£IG; es gibt keinen Grund zur Annahme, Paulus wolle sich damit von anderen absetzen; aber er spricht nun in V. 15—27 betont von sich, ohne daß man deshalb einen gesonderten Abschnitt anzunehmen hätte, zu Wolff, K 197f.) sich nicht an diese Normen gehalten hat (oiiöevl XOÚXÍDV, d.h. keines der genannten Argumente ist verbindlich; verneintes XQAO|XAI wie in V. 12, jetzt aber durch die Perfektform verschärft). Lietzmanns Ubersetzung („ich aber habe mir nichts davon j e zu Nutzen gemacht") erweckt den Eindruck, als spreche Paulus von nicht ausgenutzten Mißbrauchschancen; tatsächlich erklärt er aber ausdrücklich, der allgemeinen Sitte und der Weisung des xÚQiog nicht gefolgt zu sein. Daß er „zugunsten anderer verzichtet" habe (Wolff, K 198), sagt der Text nicht. M. und R . Zimmermann* 99f. meinen, Paulus wisse, daß die von ihm aufgenommene Tradition die ungehinderte Verkündigung des Evangeliums ermöglichen solle, und er habe „auch keine prinzipiellen Schwierigkeiten, von diesem Grundsatz Gebrauch zu machen", doch in der korinthischen Situation sei gerade der Verzicht die „sachgemäße Applikation" des Herren-
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wortes; aus V. 15a können die Adressaten aber gar nicht erfahren, daß Paulus ausschließch sein Korinth betreffendes Verhalten beschreibt. Erst mit 15b bezieht sich Paulus auf die unmittelbar aktuelle Situation, oijx eygcnjja öe xaCta iva, d.h. die soeben brieflich vorgetragene Argumentation diente nicht dazu, jetzt womöglich die Anwendung der beschriebenen Praxis (oikoog) vorzubereiten (zu yeVT|xoti ev £|ioi vgl. Lk 23,31). Im Gegenteil: Paulus wäre es lieber (xaXov ^läXXov; anders Bachmann, K 318f., der xaA.ov (j,oi zusammenzieht), zu sterben. Mit der Vergleichspartikel T] bricht Paulus ab (Aposiopese, B D R §482), d.h. er spricht die Alternative (möglicherweise: „vom Evangelium leben", vgl. Schräge, K II, 321) nicht direkt aus, sondern er betont stattdessen in einem neuen Hauptsatz, niemand solle sein xai)xr||j,a „entleeren" (die Mehrzahl der Handschriften hat einen Nebensatz in den Text hineinkorrigiert: iva Tic; xevoaari). xair/ri|ia schon in 5,6; vgl. im übrigen 2 Kor 9,3 und vor allem 2 Kor 11,10. Paulus sieht in seinem Verhalten durchaus einen Grund zum „Rühmen", freilich, wie V. 16 zeigt, in ungewöhnlicher Weise. Paulus stellt in 16a fest, das Verkündigen als solches sei für ihn durchaus kein Anlaß für ein xai>xTlM'a (X* D* F G lesen stattdessen X^Q'-Si offenbar als Gegenbegriff zu avdyxr]; aber damit ist die Aussage inhaltlich ganz mißverstanden); denn er predigt nicht „aus freien Stücken" (vgl. V. 17), sondern 16b aus einem (von Gott kommenden) „Zwang" heraus (avctyxr) in diesem Sinne sonst nicht im NT, vgl. in der Sache aber Jer 20,9; Lk 17,10). Im Grunde ist dieser Sachverhalt gemeint, wenn Paulus sich als ÖO'OX.05 bezeichnet (vgl. Kreuzer*; Käsemann* 263 deutet dväyxr| als von Gott verhängtes „Schicksal"; vgl. Baasland* 376—380). Dem entspricht in 16c das oiiai (bei Paulus nur hier; in der Sache vgl. Apg 4,20), das gelten würde, wenn er versuchte, nicht zu predigen (ectv |xf] EtiayyeWacofxai...). Nasuti*257f. verweist auf den gegen die eigene Person gerichteten Weherufinjes 6,5; 15,10 ( ' V i * * ; L X X : cb Tcttaxg eycb injes 6,5, vgl. 014*^01 eyci) in Jer 15,10; oiicil in L X X meist für hebr. 'in; s. dazu E. Jenni, T H A T I, 474—477): Im Gegensatz vor allem zu Jeremia lastet für Paulus das Wehe nicht auf seiner Verkündigung, sondern es würde im Gegenteil gerade auf deren Verschweigen lasten. Calvin, K zSt. sieht in V. 16 generell das Wesen des officium pastorale beschrieben: Wer die vocatio erhalten hat, kann ihr nicht mehr ausweichen. In 17 erläutert Paulus seine Aussage von V. 16 mit einem Bild aus der Arbeitswelt (die beiden parallelen Bedingungssätze sind als indefinite anzusehen: Paulus verweist auf Sachverhalte, ohne über deren Verwirklichung zu entscheiden, B D R §371 j): Wenn er freiwillig (excöv im N T nur noch R o m 8,20, aber in ganz anderem Zusammenhang) „dies tut" (nämlich predigt), dann kommt ihm Lohn zu (zur Argumentation vgl. R o m 4,4); jwaOög ist dabei weder der eschatologische Lohn noch der von der Gemeinde möglicherweise zu zahlende Unterhalt, sondern einfach die übliche Folge freiwillig geleisteter Arbeit. Wenn er aber unfreiwillig (dxcuv im N T nur hier) arbeitet (wie es V. 16 zufolge ja der Fall ist), dann erweist er sich als mit einer oixovofiia betraut (zu jiejtioxsufxai c. Akk. vgl. 1 Thess 2,4; Gal 2,7), d.h. er leistet einen unbezahlten Dienst, über den er selber keine Verfügungsgewalt besitzt (vgl. V. 16: ctvdyxri). Weiß, K 241 hält V. 17 für eine Glosse und sieht V. 18 als gute Fortsetzung von V. 16; dagegen schon m . R . Heinrici, K 282: Dann fehlt das Glied, das den inneren Zusammenhang zwischen xavog sonst nicht als Metapher für die eschatologische Belohnung. Vgl. aber 4 Makk 17,12: f|0Xo6ex£i yäg töte apsir) öi' •ujioia.ovfj^ öoxi(xä^ot)oa. tö vixog a£eiv gegen seine eigene Person warnen will; aber Paulus vergleicht sich sonst nicht mit Mose, vgl. im Gegenteil V. 2). Mit öXeÖQEUTTig (nur hier im N T ) scheint ein Strafengel bezeichnet zu sein (Ex 12,23; J . Schneider, T h W N T V, 170f. verweist auf 1 Chr 2 1 , 1 2 . 1 5 L X X : ... ödvaxov ev Tfj yfj x a i äyyeXoc, XDQLOU e^oXeGQeticov ev Jiäari xXr)Qovo|iia IoQar|X.; vgl. SapSal 18,25; Hebr 11,28, s. Braun, H N T 14 zSt. und die Belege bei Billerbeck III, 4 1 2 416). An welchen Akt des Verderbens Paulus denkt, ist nicht klar; am nächsten kommt der Aufruhr der Korachiten N u m 16,11—35. In I I a nimmt Paulus die Aussage von V. 6 inhaltlich wieder auf (jetzt Impf, ouve-
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Die Christen und das Götzenopfer
ßoav£v, vgl. B D R §327 3 ; xumxiög im N T nur hier und ebenso wie das Adj. überhaupt selten): Das damals den Vätern widerfahrene Geschehen dient (uns) zum warnenden VorBild, und dies wird in I I b auf den davon berichtenden Text übertragen: Er wurde geschrieben JtQÖgvoi)9e0Üxvr|[i(jöv (vgl. V. 6b: eig t ö |i,ri elvair||J.äc;...), d.h. die Vergangenheit hat also unmittelbare Bedeutung für die Gegenwart, ximixüq ist deshalb ebensowenig wie xiiJtog in V. 6 ein hermeneutischer Begriff; vielmehr wird umgekehrt von der paulinischen Verwendung dieser Begriffe im Zusammenhang der Bibelauslegung der Terminus „typologische" Exegese abgeleitet (so dann vor allem im Barn, z.B. 7,10f. u.ö.). Uberraschend ist die Zeitangabe in 11c; der schwierige Ausdruck xci teXt] tcöv ai(bvcov steht wohl für das Ende der mit der Schöpfung beginnenden Zeitepochen; teXt) hat dann die Bedeutung des Sing. (vgl. TestAbr 1,1 xä xeX.t] xrjg t,ojf|5 caixoü, ähnlich Test XII Ass 6,4), aitövsg wie in Gal 1,5; 2 Kor 11,31; Apk 15,3 u.ö. (vgl. G. Delling, T h W N T VIII, 55: „die Zielsetzungen der Zeiten"). Gegen die These, es klinge die Vorstellung von den zwei Äonen an, und Paulus sehe die Gegenwart dort, wo Ende und Anfang als deren jeweilige xeX,r| sich berühren (so Weiß, K 254 unter Hinweis auf die in 4 Esra 6,7—10 enthaltene Vorstellung), spricht, daß xeXog nicht „Anfang" sein kann (vgl. Bauer-Aland, W b s.v. alcbv 2.b). Zu beachten ist, daß das Subj. des Satzes xäteä.t| ist, d.h. Paulus sagt nicht, „wir" seien an das Ende gelangt (Bengel zSt.); insofern liegt deutlich apokalyptische Sprache vor, die xäteXr| xcöv alojvcov geradezu personal versteht (Heinrici, K 301: Die aicöveg, „in unsere Lebenszeit eingetroffen und nun vorhanden", „sind wie räumlich sich fortstreckend gedacht"). Der (ooxE-Satz 12 (BDR §391,2; werte mit 3. Pers. Impt. schon in 3,21) nennt die daraus zu ziehende Lehre: So wie die Ausstattung mit den vor allem in V. lb—4a beschriebenen Gaben nicht bedeutete, daß diese unverlierbar waren, so gilt das auch jetzt. Eben dies zeigt das Beispiel der Väter. Zu 6 öoxtöv eoxdvai vgl. 3,18; 8,2, d. h. Paulus warnt vor falscher Selbsteinschätzung; zu i'axr||ii bezogen auf die christliche Existenz s. 15,1; 2 Kor 1,24 (eoxr|xaxe). Zu ß^eitexco vgl. 3,10; |0,T| jreor) ist nach V. 8 jedenfalls nicht allein als Metapher zu fassen, sondern Paulus kann analog zu V. 10 mit einer realen Gefährdung rechnen (vgl. 11,30; s. Gundry Volf, Paul 120—130). Im Kontext von Kap. 8 her ist klar: Es geht um diejenigen, die — prinzipiell zu Recht — meinen, ohne weiteres eiötüXöOuxct zu sich nehmen zu können; Paulus verbietet das nicht, ruft aber zu besonderer Wachsamkeit auf. Wieder ist dabei keine bestimmte „Gruppe" im Blick, sondern grundsätzlich die Gemeinde als ganze. Unverbunden fugt Paulus in 13 die Bemerkung an, daß die Korinther tatsächlich (noch) nicht in einer Versuchung stehen, es sei denn in einer von Menschen selber gemachten; dvGQomivog bezieht sich wie in 2,4.13; 4,3 auf die Herkunft (vgl. Bengel zSt.: Auf der anderen Seite stehe die tentatio daemoniaca). Die meisten Ausleger, z.B. Lietzmann, K 47; Conzelmann, K 207; Schräge, K II, 410; Wolff, K 224; vgl. J. Jeremias, T h W N T I, 367 deuten anders: Gemeint sei eine für Menschen tragbare Versuchung. Dann aber macht der anschließende stark betonte (öe) Hinweis auf Gottes Treue (vgl. 1,9) wenig Sinn, da das von Gottes Handeln ausgesagte 05 oi)x sdoei... imeQ ö bvvaoQe lediglich den gegenwärtigen Zustand bestätigen würde. Gott aber läßt es nicht zu, daß die Versuchung übergroß werden könnte (zu vneg o bvvaaQe vgl. Conzelmann, K 208: Das Maß des Erträglichen zeigt sich .jeweils in dem Maß, das Gott zumißt"); vielmehr wird Gott dafür sorgen, daß die Fähigkeit, die Versuchung zu bestehen, bis zum eschatologischen Ende (exßacag wie in Hebr 13,7 nicht das Lebensende, sondern generell „Er-
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,Die Väter" als warnendes Beispiel. Herrenmahl und Dämonenmahl
10,13-16
trag", s. Braun, H N T 14 zSt., also im Kontext: „das Eschaton") erhalten bleibt (zu jtoif|ö8i... {iJtevEyxelv haben zahlreiche Handschriften nochmals oi>x edoei... x>(iäq ergänzt) . Die Aussage in 14, mit öiöjteq (vgl. 8,13; B D R §451,5) angeschlossen, ist nach Weiß, K 256 unlogisch, da doch V. 13 „gerade der Zuversichtlichkeit der Freien Recht zu geben scheint"; deshalb müsse V. 14 nach einer Pause geschrieben worden sein. Aber das in V. 14 Gesagte ergibt sich als Folgerung aus V. 1—13 im ganzen. Die Anrede äyaJtriToi (xod, ähnlich nochmals 15,58 (vgl. Phil 2,12; 4,1) hebt die Bedeutung der Aussage hervor, ist aber nicht unbedingt ein Gliederungssignal. (¡¡eiiyeTE Impt. Präs. im durativen Sinne wie in 6,18; äjtö zeigt den räumlichen Aspekt an: Die Adressaten sollen sich von der eiöoj/uOÄaxpia ganz konkret fernhalten; die Begründung dafür ließ sich schon den biblischen ximoi entnehmen (V 7), aber sie wird im folgenden vertieft (vor allem V. 20f.). In 15 spricht Paulus einen Selbstkommentar aus (so schon 1,12; 6,5; 7,6.8.12.35, vgl. 10,29; 15,51); die Bezeichnung der Adressaten als ), unmittelbar anschließend die positive 228
Meine christliche Freiheit und das Gemssen
des anderen
10,23-11,1
Alternative (áXká xö toO etéqou) . Dies wird in V. 25—29a auf zwei konkrete Beispiele zu dem in 8,1 eingeleiteten Gesamtthema angewendet (man kann fragen, ob sich Paulus auf entsprechende Anfragen aus Korinth bezieht; jedenfalls gehen die Aussagen in auffälliger Weise ins Detail). Zunächst wird in V. 25 auf eine bestimmte Situation, das Einkaufen auf dem Fleischmarkt, hingewiesen (Iläv xö ev [xaxéXXft) jigjXoi)(j,8VOv) und dazu dann eine generelle „Anweisung" gegeben (eoÖiexe), verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Nichtzuständigkeit des Gewissens in diesem Fall (|XT]öev ó t v a x Q Í v o v x E g ö i a x f i v c r u v e i öriaiv) und einer anschließenden Begründung (V. 26: y&Q) durch ein (nicht markiertes) Schriftzitat (xo€ xuqlou yäg f| yfj xai tö jtXiÍQoofia aúxfjg). Für den zweiten „Fall" (V. 27—29a), eine von einem der „Ungläubigen" kommende Einladung zum gemeinsamen Essen (ei Tic; xaXeiij|iä5 tüjv amaxcov), gilt, sofern man ihr Folge leisten möchte ( x a i O É X E X E J t O Q E Ú E a O a i ) , in der zu erwartenden Situation ( j t ä v x ö jtaQaxi0é|a,£vov xijhv) dasselbe (in V. 27b werden die in V. 25 ausgesprochene „Anweisung" und ebenso der Hinweis auf das „Gewissen" wörtlich wiederholt: eaöiexe (ir]8év ávaxQÍvovxeg Öiä xrjv cruv£LÖr|aiv). Im folgenden fehlt dann jedoch eine Entsprechung zu V. 26. Im Zusammenhang einer solchen Einladung kann nun aber der Sonderfall eintreten (V. 28a), daß jemand die Speise ausdrücklich als (heiliges) „Tempelopfer(fleisch)" bezeichnet (éáv 8é xig íijilv e'útr)- xovxo íeqóOuxóv éaxiv); dann gilt (V. 28b) die uneingeschränkte negative „Anweisung", nicht zu essen (|J,r| eoGíexe), wobei Paulus dies jetzt verbindet mit dem ausdrücklichen Hinweis auf denjenigen, der diese Information ausspricht (Si' éxeívov xöv (!T]vúoavxa) und vor allem auf die nun vorhandene Zuständigkeit des „Gewissens" (... xai xtjv ai)veí8r)aiv); dazu wird aber (V. 29) von Paulus die Erläuterung hinzugefügt, er spreche nicht vom eigenen Gewissen, sondern von dem „des anderen" ( O Q O v ) . J.F.M. Smit* schlägt vor, 10,23—30 als rhetorische anticipatio bzw. jtQÓXT]i|uc; zu lesen, in der Paulus die aufgrund der in 8,1—10,22 vorgetragenen Argumente zu erwartenden Einsprüche der Korinther aufnehme (vgl. M. Backes, Art. Antizipation, H W R 1, 750-752); der Schlußteil 10,31-11,1 habe dann die Funktion der recapitulado bzw. jtaM.iX.oyia, wo Paulus seine ganze Argumentation zusammenfassend zum Abschluß bringe; ähnlich schon Watson*. 10,23 ist mit dem vorangegangenen Abschnitt nicht unmittelbar verbunden; Weiß, K 263 und Schmithals, Briefe 34 sehen deshalb 10,23—11,1 als Fortsetzung von 7,1—8,13; 9,19—22(23) („BriefE"; ebenso die Zuordnung bei Senft, K 136, für ihn aber „Brief C"), doch auch dabei ist der Anschluß nicht besser. Die Logik der Stellung von 10,23—11,1 ergibt sich aus dem Gesamtrahmen der in 8,1 begonnenen Argumentation: Nachdem Paulus auf unterschiedliche Weise die Freiheit des Verhaltens und die damit verbundenen Gefährdungen aufgezeigt hatte, nennt er abschließend Wege des konkreten Handelns in bestimmten alltäglich möglichen Fällen (Heinrici, K 313: „Ein Paradigma für 229
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Die Christen und das Götzenopfer
praktisches Christentum"), womit er sachlich zu 8,7—13 zurückkehrt (Fee, K 476f. bestreitet einen Zusammenhang mit Kap. 8, weil er 10,23—29a als zu „den Starken" gesprochen ansieht; aber es gibt gar kein Indiz daftir, daß Paulus sich nicht an die Gemeinde als ganze wendet). In 23a wiederholt Paulus zunächst nahezu wörtlich die Aussage von 6,12a ([¿oi fehlt und wird von den meisten Handschriften sekundär nachgetragen); ein sachlicher Unterschied ist nicht erkennbar, und die variierte Wiederholung von 6,12 braucht auch nicht als Indiz für die Notwendigkeit einer literarkritischen Operation gewertet zu werden (zu Klauck, Herrenmahl 272). In 23b wird die Parole Jtdvxa e|eoxiv durch den Hinweis auf das oixo6o(xeIv in eine kritische Perspektive gerückt (vgl. 8,1); durch diesen ekklesiologischen Akzent (vgl. 3,9) unterscheidet sich V. 23b von 6,12b. Bemerkenswert Bengel zSt.: Potestas, qua e^eottv omnia, datura Deo: oufi^egov, utilitas, est mea: ofocoöo^i), aedificatio, est alterius. Die imperativische Weisung in 24 ist eine weisheitliche Sentenz (die nächste Parallele bei Paulus ist, neben V. 33, Phil 2,4; vgl. 1 Kor 13,5: die Liebe ot> ¡¡R|T£LTCI eautfjg). Der Kontext zeigt, daß es nicht um materiellen Besitz o.ä. geht, sondern um religiöse Ansprüche (zu akkä xo TOÜ ETEQOU vgl. V. 29a.33b; exaotog als Entsprechung zu ^iriöeig wird von D 2 SJi sinnvoll, aber sekundär ergänzt): Paulus fordert Rücksichtnahme auf „den anderen", offenbar ohne dabei an bestimmte Gruppen zu denken (insbesondere ist weder hier noch sonst irgendwo von einer Gruppe der „Starken" die Rede); er spricht auch nicht davon, daß Christen in Korinth „sich bei allen Gelegenheiten hemmungslos am Essen von Opferfleisch" beteiligt hätten (so aber Wolff, K 237). Mit 25 wendet sich bei Paulus einem bisher nicht erwähnten, in 8,1 aber eindeutig implizierten Problem zu: Wie ist das auf dem Fleischmarkt zu Kaufende einzuschätzen? Zum HCtxeMiov (oder näxeXAog, s. J. Schneider, T h W N T IV 373f.; das Wort ist trotz der Nähe zu macellum nicht aus dem Lateinischen übernommen, s. dazu Koch*) in der römischen colonia Korinth zur Zeit des Paulus s. H.J. Cadbury, The Macellum of Corinth, J B L 53 [1934] 134-141; Klauck, Herrenmahl 2 7 3 - 2 7 5 und vor allem ausführlich Koch* Z N W 90 (mit Grundrißzeichnungen und Fotografien). Die von Paulus gegebene Antwort ist völlig eindeutig: Jtäv ... eoöiexe. Damit scheint im Gegensatz zur jüdischen Praxis und auch zum Aposteldekret Apg 15,29 jede Form von kultisch begründeter Speisevorschrift beseitigt zu sein (vgl. in der Sache die von Porphyrius De abstinentia I 42 zitierte Position seiner Gegner, die erklären, Essen könne gar nicht verunreinigen ov yag R P Ä G HOXVVEI, Text bei N W II/1, 316). Fee, K 482 stellt m . R . fest: „Itis hard to imagine anythingmore un-Jewish in the apostle than this." Offen ist zunächst aber die Frage, ob das auf dem macellum verkaufte Fleisch nicht nur „unrein" im jüdischen Sinne war, sondern als Fleisch von im Zusammenhang eines religiösen Rituals geschlachteten Tieren von vornherein eine spezifisch religiöse „Qualität" besaß. Aufgrund des Befundes in Pompeji wird oft gesagt, da das macellum üblicherweise Teil eines kultischen Raumes gewesen sei, müsse das dort gekaufte Fleisch in jedem Fall „Opferfleisch" gewesen sein. Koch hat aber gezeigt, daß dies nicht verallgemeinert werden darf, es trifft für die (kleine) Stadt Pompeji zu (s. die Grundrißzeichnung bei Lietzmann, K 52; vgl. K o c h * 201), nicht aber für größere Städte. Die Diskussion darüber, ob es überhaupt möglich war, daß Fleisch von nicht-kultisch geschlachteten Tieren auf dem Markt angeboten wurde oder ob es gar keine Schlachtungen ohne die ausdrückliche Anrufung der Götter gab, verfehlt im Grunde den Text des Paulus: Denn der in 25b folgende Hinweis |ir]öev avaxQivovxeg setzt zum einen vor-
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Meine christliche Freiheit und das Gewissen des anderen
10,25-26
aus, daß es jedenfalls unterschiedliches Fleisch geben konnte, was durch den archäologischen Befund bestätigt wird (Koch* 213f.); zum andern sagt Paulus ja ausdrücklich, das ev [iaxeXXa) Verkaufte brauche nicht „überprüft" zu werden, d.h. es ist in jedem Fall einfach „Fleisch" (die pass. Wendung Jtäv tö ... Jtü)XoiJ|i,£VOV vermeidet offenbar bewußt einen expliziten Hinweis darauf, wer der Verkäufer des Fleischs ist). Damit ist die in 8,4; 10,19 angedeutete Position konkretisiert und bestätigt. Durch die partizipiale Wendung in V. 25b (das Verb dvaMQivtu „überprüfen" bezieht sich auf die Herkunft des Fleisches) wird die vorangegangene Aussage eöölete nachdrücklich unterstrichen: Paulus stellt fest, daß die 0DV£iör|0i5 von dem hier dargestellten Vorgang gar nicht betroffen ist (Fee, K 482; nach Wolff, K 237f. wird die Entscheidung sogar „vom Gewissen bestätigt", und nach Murphy-O'Connor* 569 ist von der cruvEiöriaig nur der „Schwachen" gesprochen, vgl. 8,10.12; beides läßt der Text nicht erkennen). M. Wolter, Art. Gewissen II, TRE 13, 215 (ähnlich Schräge, K II, 466) meint, Paulus denke schon hier wie in V. 28f. an die cri)VEi8r|aig des ETEQog; dann aber würde schon hier der in V. 28 erörterte Fall gelten, womit der in V. 26 gegebene argumentative Hinweis (s.u.) inhaltslos würde. Klauck, Herrenmahl 275 sieht eine Spannung zu 10,20f., wo Paulus doch festgestellt habe, daß das Opfer „objektiv" den Dämonen dargebracht werde; aber Paulus bezieht sich dort eben ausdrücklich auf das Opfern (Gijeiv), nicht auf die Opfer„materie", während er hier nur diese im Blick hat und sie pauschal für profan erklärt. Die Frage, wer von den korinthischen Christen finanziell überhaupt in der Lage war, Fleisch zu kaufen, spielt für die Aussagen des Paulus offenbar gar keine Rolle; seine Argumentation wäre als geradezu zynisch zu bezeichnen, wenn er eigendich voraussetzen müßte, daß das in V. 25 so ausführlich diskutierte Problem nur für einen sehr kleinen Teil der Gemeinde konkrete Geltung hat. Meggitt* hat auf die in der antiken Großstadt gerade von den ärmeren Schichten der Bevölkerung in Anspruch genommenen Garküchen (popinae, ganeae) hingewiesen, in denen Fertiggerichte mit einem oft allerdings sehr geringen Fleischanteil verkauft wurden. Paulus wendet sich mit V. 25 auch durchaus nicht an „die (religiös und/oder sozial) Starken"; er hat vielmehr grundsätzlich alle Glieder der Gemeinde im Auge. Als begründende Erläuterung (ob yä.Q den Zitatcharakter anzeigt, läßt sich nicht sagen; die paulinische Argumentation ist auf die Tatsache, daß es sich um ein Schriftwort handelt, nicht angewiesen, vgl. Lindemann, FS Ernst 216f.) zitiert Paulus in 26 i|> 23,1 wörtlich. Hier scheint der Titel xiiQiog, anders als in V. 21, nicht auf Christus, sondern wie im zitierten Text selber auf Gott bezogen zu sein (vgl. V. 31: Jtdvra eig öö^av 8eo13 jioleite; anders Murphy-O'Connor* 557f., der meint, es spreche für die christologische Deutung, daß in der jüdischen Tradition der Verweis auf Gott die Unterscheidung von reinen und unreinen Speisen gerade einschließen würde). Durch die Aussagen in V. 25f. scheinen die Speisegebote insgesamt aufgehoben zu sein (vgl. Heil* 235), und zwar nicht etwa aus einer womöglich „praktischen" Bequemlichkeit heraus, sondern im Gegenteil mit einer ausdrücklichen theologischen (oder christologischen) Begründung. Paulus nimmt hier also eine ähnliche Position ein wie später in Rom 14,14 (vgl. in der Jesusüberlieferung Mk 7,1—19 mit der kommentierenden Nachbemerkung des Evangelisten V. 19b; dazu Lührmann, HNT 3 zSt.). Diese Konsequenz aus der Verwendung von Ps 24,1 ergibt sich natürlich nur im Zusammenhang des jetzt gegebenen Kontexts; vgl. dagegen die in Schabb 109a erzählte in Laodicea spielende Szene: Während des Deckens eines Tisches mit luxuriösen Speisen wird Ps 231
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24,1 zitiert, und daraus wird gerade die besondere Verehrung des Sabbat in der Diaspora abgeleitet (Lohse* 245—248). Eine ganz andere Auslegung vertritt Tomson, Paul 203— 220: Paulus gebe in V. 25—28 eine halachische Weisung, wie in Zweifelsfällen [!] „idol food" zu definieren sei, und er entspreche damit entsprechenden rabbinischen Positionen; zur Kritik daran vgl. Koch* 44f. Nach den eher allgemein gehaltenen Aussagen zum Einkauf auf dem Fleischmarkt in V. 25(26) schildert Paulus in 27 das folgende Problem nun anhand eines konkreten Beispiels: Wenn (ei) einer der amoxoi (s. zu 7,12ff.) euch (wieder sind natürlich nicht „die Starken" angeredet, sondern generell die Christen in Korinth) einlädt (zu xotXeiv in dieser Bedeutung vgl. Lk 14,8.16 u.ö.), dann kann diese Einladung ohnes weiteres angenommen werden. Als Parallele wird oft POxy I 110 zitiert (EQtoxä ae XaiQrpcov öeijtvfjacu £15 x\ivr]v xov xdqiotj SaQajteiöog ev xrö Saganeico atipiov „Es lädt Dich Chairemon ein, zu speisen am Tisch des Herrn Sarapis im Sarapeion morgen", mit Angabe der Uhrzeit [NW I I / l , 337]); zu beachten ist aber, daß Paulus, anders als in 8,10, hier nicht von der Einladung in den Tempel spricht, sondern allgemein von der Einladung zu einem privaten Mahl (eig öeTjivov, wie D* F G sekundär, aber sachlich richtig ergänzt haben). Die erläuternde Zwischenbemerkung xod 0eXexe itogetieaGai ist nicht etwa ein (womöglich widerwilliges) Zugeständnis (so Weiß, K 264), sondern verweist im Gegenteil auf die Freiheit der eigenen Entscheidung (andernfalls wäre V. 27b ja ein strikter Befehl). Zu tccxv tö JtaQaxi0E|X8VOV i)|i,iv iaGiexe vgl. Lk 10,8 (dort ist der Aspekt, es könnte sich um unreine Speisen handeln, aber offenbar nicht im Blick, wenngleich auffällt, daß der lk Text gerade mit dieser Aussage über die Mt-Parallele hinausgeht, also offenbar eine Korrektur der Q-Vorlage vornimmt). Ausdrücklich wiederholt Paulus seine Aussage von V. 25, daß auch in diesem Fall die cmv£LÖT]ai,g nicht berührt ist; auch die Möglichkeit, daß der Gastgeber im Rahmen des von ihm veranstalteten Mahls eine kultische Handlung vollzieht, spielt offenbar keine Rolle. Die von Paulus geschilderte Szene erinnert bis in die Wortwahl hinein an die in Ex 34,15 ausgesprochene Warnung vor dem Bund mit den Bewohnern des Landes (|xr|jtoxe ... öuoiocr xolg öeolg atixtöv xai xa^eacjaiv oe xai 4>ayH5 xcöv Oupiaxarv auxarv „damit sie nicht... ihren Göttern opfern und dich einladen und du von ihren Opfern ißt"), aber die konkrete Entscheidung fällt ganz anders aus (vgl. Lindemann, Toragebote 106f.). Für Paulus ist klar, daß das gemeinsame Essen als solches die Christen keinesfalls „verunreinigt" oder sie gar in den Machtbereich der heidnischen Götter eingliedern, d.h. die in V. 21 beschriebene Norm ist von dem in V 27 genannten Fall nicht betroffen. In 28 erwähnt Paulus dann aber einen Sonderfall: Sofern (kav öe ... £urcr| Eventualis oder Iterativus; Robertson-Plummer, K 221: „a pure hypothesis, and not so very probable") bei der in V. 27 beschriebenen Gelegenheit jemand (xig) die angebotene Speise ausdrücklich als leQÖÖDTOV (s. G. Schrenk, T h W N T III, 252f.) bezeichnet, darf sie nicht gegessen werden: jir) eoöiexe. Der in V. 27 genannte Fall wird also anders behandelt als der in V. 25 geschilderte Sachverhalt: Für das auf dem öffentlichen Markt verkaufte Fleisch gilt uneingeschränkt das eoOlexe unter Hinweis auf die Herrschaft des >015105; im Falle der Einladung in das Haus eines obt 10x05 gibt es hingegen eine Grenze. Die Diskussion, wer der auf das ieQÖOuxov hinweisende xig bzw. |XT]vuaag (s.u.) ist, geht vermudich am Text vorbei: Paulus formuliert offenbar bewußt so ungenau, weil es darauf, wer den Hinweis gibt und welche religiöse Stellung er hat, gar nicht ankommt (Heinrici, K 316f.); daß er an den Gastgeber selber denkt, wird man allerdings ausschlie232
Meine christliche Freiheit und das Gewissen des anderen
10,28-29
ßen dürfen, da mit xig jedenfalls ein neuer Sprecher eingeführt ist (Fee, K 484). Die Argumentation setzt immerhin voraus, daß der Betreffende selber vom „heiligen" Charakter der Speise überzeugt ist (zahlreiche Handschriften, darunter C D F G W sowie SPi haben in ei6a)X,Ö0DTOV korrigiert und dadurch die Pointe verdorben; IEQÖÖVTOV ist durch 46 S A B sehr gut bezeugt); aber dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob der exetvog Christ ist oder (sehr viel wahrscheinlicher) nicht. Vielmehr geht es um den möglichen Fall, daß ,Jener" durch seine Aussage die Beziehung der Speise zum heidnischen Kult explizit herstellt, wobei seine Motive dabei nicht von Bedeutung sind, |J,T|V'UÜ), bei Paulus nur hier, wird häufig im forensischen Sinn gebraucht („anzeigen", s. Bauer-Aland, W b s.v.), aber dieser Aspekt braucht hier nicht im Blick zu sein. Der ergänzend angefügte Hinweis auf die cruveiÖTiaig ist kein zweites Argument neben öl' exelvov, sondern eine Erläuterung: Jetzt ist die auv£iör|aig betroffen. Dies könnte dafür sprechen, daß Paulus in dem |i.r)vuoag einen Christen sieht (s. V. 29a); aber wenn auveiör]ai5 nicht das schwache Gewissen ist (vgl. 8,10), kann durchaus auch an das religiös motivierte Urteil eines Nichtchristen gedacht sein (so haben jedenfalls F G und einige Lateiner verstanden, die in V. 29 ausdrücklich äitioxoi) auvEiör|aea)g bzw. inßdele lesen); das ist umso eher möglich, als öi)veiör]ALG für Paulus „ein allgemein menschliches Phänomen" ist (Bultmann, TheolNT 218). Tomson, Paul 208—216 versteht r|xe't>ei,v der Frau das Jtvei3|xa im Sinne des Enthusiasmus eine entscheidende Rolle spielt, ist ebensowenig wie in V 4 angedeutet (daß die Frauen erst dann die „Hülle" entfernt hätten, wenn sie mit dem Beten bzw. JTQO(j)T]X£i)£iv begannen, ist dem Text nicht zu entnehmen, zu Wolff, K 249). Die in V. 5a beschriebene Praxis scheint in Korinth nicht selbstverständlich zu sein; Paulus behauptet in 5b, das Verhalten der „unverhüllt" auftretenden Frau sei gleichbedeutend (zu ev ... x a i t ö a i i x ö s. B D R § 1311) als handelte es sich um eine Kahlgeschorene (|t»Qeo0ai medial, B D R § 317j; ijupato im N T nur noch Apg 21,24 im Zusammenhang des Nasiräatsgelübdes). Auch dieser Vergleich spricht dafür, daß es in V 4—6 (vgl. V. 14f.) nicht um eine Kopfbedeckung geht, sondern um die Haartracht: Die Frau trägt langes, üblicherweise aufgestecktes Haar, und wenn sie es sich abschneidet, kann sie sich auch „gleich rasieren" lassen (vgl. Hays, K 185; Gielen* 231: „Ist langes Haar aufgrund seiner verhüllenden Funktion eine Ehre für die Frau, dann kann der ,unverhüllte Kopf in V. 5a, der Schande einträgt... wohl kaum etwas anderes bezeichnen als eine Kurzhaarfrisur", wie sie sonst Männer trugen [Hervorhebung im Orig.]). Auch für die jetzt aufgestellte Behauptung gibt Paulus keine Begründung; möglicherweise handelt es sich um ein primär ästhetisches Urteil, wenn auch mit moralischen Implikationen (vgl. Allo, K 258; Weiß, K 272 denkt an die lesbische Frau, die „aus lasciven Gründen männliche Erscheinung" vortäuscht); jedenfalls wird ein spezifischer rechtlicher oder religiöser Hintergrund nicht erkennbar. Die oft genannten Parallelen tragen nichts aus: Nach Philo SpecLeg III 56.60 muß eine des Ehebruchs beschuldigte Frau entsprechend N u m 5,18 axaxaxaXijitxqj xf) xeaX.fj sich dem Gottesurteil unterstellen; aber dergleichen ist hier gar nicht im Blick. Es geht auch nicht um die Frage, wie Frauen in der breiten Öffentlichkeit auftreten (zum Verhalten jüdischer Frauen, die in der Regel eine Kopfbedekkung trugen, s. Billerbeck III, 427—434); Paulus spricht vom Verhalten beim TIQOOEVXecr9ai und JIQO4>T|X£1)£IV, und das ist vermutlich nicht einfach identisch mit dem Alltagsleben (zu Conzelmann, K 225 A 35; s. auch die Kritik bei Fee, K 508f. A 70). In 6a wiederholt Paulus seine Aussage (ycxg hat hier kaum explikative Funktion), nun in Form eines in eine sarkastische Aufforderung mündenden, an tatsächlich gegebene Verhältnisse anknüpfenden (ei + ov, B D R §428,1) Bedingungssatzes (jetzt xeiQro anstel-
241
11,2-16
Die Versammlungen der Gemeinde
le von ijugdü), vgl. Apg 18,18). Daß er voraussetzt, seine Argumentation werde auf Zustimmung stoßen, zeigt die Gegenaussage in 6b: Wenn das Sich-scheren-lassen für eine Frau tatsächlich (ei realis, B D R § 372,2) alo/gov ist, dann ergibt sich daraus die Folgerung: xaxaxaXTJJtxeaBcü. xeigeoöai „schneiden" und £uQäo0ai „rasieren" sind sicher med., nicht pass. zu verstehen (BDR § 317); Conzelmann, K 221 zitiert eine Aussage des Tiberius zu seiner Steuerpolitik, er wünsche, daß seine Schafe „geschoren" xelgeaOai, aber nicht „rasiert" ajro§i)Qeo9ai werden (Dio C 57,10,5; vgl. das Bild in Jes 3,24). Das hier ausgesprochene Werturteil aia/gov (sc. saxiv; s. B D R §127,2) begegnet so sonst nicht bei Paulus (zu 1 Kor 14,35 s.dort), findet sich aber ähnlich im jiqejiov eoxiv in V. 13 (s. dort). Die Tatsache, daß Paulus so relativ breit argumentiert, spricht für die Annahme, daß er sich mit einer in Korinth vorhandenen abweichenden Praxis auseinandersetzt. Auf die dafür möglicherweise bestehenden Motive geht er nicht ein: Wollen sich korinthische Frauen, indem sie entgegen der Sitte das Haar kurz tragen, den Männern äußerlich angleichen? Und wenn ja: Warum? Als Akt besonderen Selbstbewußtseins, oder im Gegenteil aufgrund eines Minderwertigkeitsgefühls? Entsprach „unverhülltes" Auftreten von Frauen in der gemeindlichen Versammlung dem in Korinth Üblichen, oder war gerade das Gegenteil der Fall? In JosAs 15,1 f. wird der Aseneth geboten, sie solle in ihrer neuen Existenz den bisher getragenen Schleier (xö 0eq«jxqov) von ihrem Kopf entfernen, „denn du (selbst) bist eine keusche Jungfrau heute, und dein Haupt ist wie eines Jünglings-Mannes" T) xeaXr| oot) eaxiv ¿>5 ävbgoq veavloxou (Übers. Chr. Burchard, JSHRZ II/4, 674f.); haben die christlichen Korintherinnen ähnlich gedacht (vgl. Hays, K 184)? Paulus jedenfalls erwartet, daß die ja keineswegs zwingende Logik seiner in V. 5b. 6 vorgetragenen Argumentation von den Korintherinnen akzeptiert werden wird (Fee, K 512 betont m.R., daß Paulus von einer Unterordnung der Frauen nicht spricht). In 7a kehrt Paulus zum Verhalten des Mannes zurück. Wie schon in V. 4 verbietet er dem Mann die Verhüllung des Kopfes (oi>x ö^eiXei wie in Apg 17,29 „darf nicht", s. Bauer-Aland, W b s.v. 6eiX.(i) 2.a.ß; „braucht nicht" wäre möglich, vgl. 2 Kor 12,14, würde aber einen Widerspruch zu V. 4 bedeuten). Die jetzt gegebene Begründung lautet, daß der Mann elx(bv xai öö^a 0eoi3 ist. eixcbv ist hier nicht mythisch-spekulativ zu fassen (zu Conzelmann, K 228f.), sondern knüpft an Gen l,26f. an (LXX: xaLeurcev ö 0eög noir)aa)(i£v äv0Qa)jiov xax' eixöva rmexepav xal xaö' ö|ioia>aiv ... xai, eitoir^oev 6 0eÖ5 xöv äv0QtüJiov, xax' eixöva 0eoü ETtoir|aev auxöv), wobei die Auslegungstradition vorausgesetzt ist, daß Gen 1 trotz V. 27 fin (agoev xai QfjXu eitoiriaev avxoiig) von der Erschaffung des Mannes („Adam"; vgl. Gen 5,1) und erst Gen 2,18ff. von der Erschaffung der Frau berichtet (vgl. Hübner, Theol II, 177f.; in Sir 17,3 bezieht sich die Aussage, Gott habe den Menschen xax' eixöva avxoü geschaffen, offenbar auf Mann und Frau, ejtoir|aev auxovg). Als eixoov der Gottheit kann der Mensch auch in der griech. Philosophie verstanden werden (H.M. Kleinknecht T h W N T II, 386f.), während Philo LegAll I 31—33 zwischen dem nach der elxcöv Gottes geschaffenen himmlischen Menschen (Gen 1) und dem von der Erde genommenen irdischen Menschen (Gen 2) unterscheidet. Der Gedanke, daß allein der Mann dem Bild Gottes entspricht, findet sich auch in rabbinischer Exegese Qervell*; Tomson, Paul 135 nennt die paulinische Textauslegung einen „androcentric midrash", in dem Gen 1,27a strikt getrennt von V. 27c gelesen werde); daß diese Argumentation zu R o m 3,23; 2 Kor 4,4 ( C h r i s t u s als Gottes eixcov) in Spannung steht, ist richtig (Schräge, K II, 511), zeigt aber nur, daß auch ein kritisch reflektie-
242
Männer und Frauen bei Gebet und Verkündigung
11,7-10
render Theologe nicht immer widerspruchsfrei argumentiert, vor allem dann, wenn es um das Bewahren von Tradition geht. Die anschließende Aussage 7b, die Frau sei öö^a avÖQÖg, folgt, wie die beiden Explikationen in V. 8 und V. 9 (yoip) zeigen, aus der Schöpfungserzählung in Gen 2 (s.u.; vgl. Spr 11,16 LXX: yuvf) eiixaQLOTO? eyeigei avÖQi 8ö|av; der hebr. Text spricht von dem der edlen Frau eigenen T133). Daß die Frau nicht als 6 ö | a Gottes bezeichnet wird, entspricht der paränetischen Zielsetzung des Paulus (Gundry-Volf* 156), derzufolge die Frau dem Mann zugeordnet werden soll; daß sie andererseits nicht auch als eixcov des Mannes bezeichnet wird, könnte damit zusammenhängen, daß eixtbv auch „Abbild" im äußerlichen Sinne ist. Die zunächst negative Aussage in 8a könnte implizit dem an die Lebenserfahrung anknüpfenden Gedanken widersprechen wollen, daß „der Mann" tatsächlich ja durchaus EX yajvaixö; geboren wird; aber Paulus bezieht sich, wie 8b zeigt, auf die Schöpfungserzählung: Nach Gen 2,23 ist die Frau EX TOÜ avÖQÖg aiJTfjg „genommen" worden, und aus dieser biblischen Darstellung glaubte Paulus die vorangegangenen Aussagen ableiten zu können. Parallel zu V. 8 formuliert Paulus in 9 eine zweite explizite Begründung, nämlich die aus Gen 2,18—22 herzuleitende These, daß die Frau um des Mannes willen geschaffen worden sei (zu xai ya.Q s. B D R § 452,3; die Formulierung öict xöv ävÖQa [öux c. Akk. ebenso wie Mk 2,27] findet sich in Gen 2,18ff. nicht, wohl aber in V. 18 die Wendung ßor|0Ö5 xax' atixöv; liest statt ävÖQCi, offenbar in Anlehnung an Gen 2,15.18 u.ö., äv0Q(jöJiov). Schräge, K II, 513 findet hier „allein die Angewiesenheit des Mannes und den Beistand der Frau angesprochen", möglicherweise etwas zu modern. Parallel zu V. 7 stellt Paulus in 10 fest, die Frau müsse (6 yäg jtaQsXaßov COTÖ TOO XUQIOU, o x a i
jtapeöcoxa ii|iiv, OTI eaGiovtcov avxwv
Xaßojv doTQv evXoyi]aac, ExXaoev x a i EÖWXEV autoi? x a i elitev Xaßexe, TOÜTQ EFFTIV TO OÜJ|IA (TOX). 23
x a i Xaßtbv
256
6 XUQIO5 'LT)AOÖ5 £V TFJ VUXTL F| JTAQEÖL&ETO
eXaßev fioiov 24
x a i EtixapicrtTiaac; ExXaoEv
x a i ETJIEV TOÜTÖ HOTJ EOTIV TO 0(JJ|IA TÖ •ÖJIEQ I>NÄJV TOÜTO JIOLEITE El? TT|V E(XT|V aVOt(XVT]aiV\
doaaijxujs xai 25
11,26
Exkurs: Das Herrenmahl bei Paulus
JIOTflQlOV eiixaQiaxrioag eöcoxev avxolg,
TO JIOTf|piOV |i£TOt TO Ö e u t v f j o a i
x a i Eitiov e^ aiixoü uavrEC,. 24
Kai
eIixev a i i T o i i ;
Xeyarv
toOtq tö j i O T r | ( ) i o v f) x a t v f ] 6ia8r|XTi eotxv ev tö e^m a i [ x a T i '
xoOxo eotiv To a l ( i a |xou t r i ; &ia9r|xr|C
TO EXXUWÖHEVOV V71EQ JtoXXüjv.
TOÖTO JIOIEITE, o o a x i s £ÜV jri,VT]TE, EI5 TTV | ejitiv a v d ( i v r i a i v 25
ot(ir)v X e y ü j ü ( i t v
öti oijxeti ov
toO YEvr||iaTog T f j g d | i . j t £ X o u
EXEIVT15 Ö T a v
a i i T Ö ixiva) x a i v ö v
ex rnjigag
(ir) itico
Sajg xfjg
ev T f j
26
yäg eäv Eo6iT|T£ töv äqtov toütov tö itoTrißiov juvt|te, töv Ö d v a t o v toC
öadxig
xai
x v p i o u x a T a y y i X X E T E ä x p i ov
eX9t|.
ß a a i X d g toü Oeofi. D e r Vergleich zeigt bei der Brothandlung, abgesehen v o n der unterschiedlichen Darstellung der Szenerie (Mk erzählt explizit v o m M a h l Jesu m i t den J ü n g e r n , woraus sich der Hinweis eöcoxev aiiTOi? u n d die A u f f o r d e r u n g X a ß E T E ergeben), drei wesentliche Unterschiede: a. Jesu Gebet gilt bei M k als Lob (ei)Xoyr|aa5), bei Paulus als D a n k (ei>x a Q l ' aTT i aa S)> b. der Begriff „ m e i n Leib" wird bei Paulus durch das b e tonte TÖ vxeq vintbv näher gedeutet, w o f ü r es bei M k keine Entsprechung gibt; c. n a c h der paulinischen Fassung hat Jesus einen ausdrücklichen Wiederholungsbefehl ausgesprochen (toOto ixo leite xtX.) , e b e n falls o h n e Entsprechung bei M k . Es ist gut vorstellbar, daß B r o t h a n d l u n g u n d B r o t w o r t bei M k u n d bei Paulus auf einen gemeinsamen U r s p r u n g zurückgehen, w o b e i der Wiederholungsbefehl sekundäre (vorpaulinische) liturgische E r w e i t e r u n g sein dürfte. Bei der Kelchhandlung wirkt die detaillierte B e schreibung bei M k (V. 23) wie eine sekundäre Präzisierung, d o c h u m g e k e h r t m a c h t das bei Paulus überlieferte ihaavxmq ... [iExa tö Ö E i n v f j a a i einen k a u m ursprünglichen Eindruck; auf welche Weise der Bericht v o n der Kelchhandlung ursprünglich an den von der B r o t h a n d l u n g angeschlossen wurde, läßt sich angesichts dessen nicht m e h r sagen. D e r Wiederholungsbefehl bei Paulus (V. 25b) ist w i e d e r u m als traditionsgeschichtlich sekundär anzusehen (zur Auslegung vgl. H a g e m e y e r * 104: G e m e i n t ist, j ü d i schem D e n k e n entsprechend, die „Aktualisierung" des zurückliegenden geschichtlichen Ereignisses). A m auffälligsten ist die erhebliche Differnz b e i m Kelchwort: W ä h r e n d die v o n Paulus zitierte Fassung m i t großer Wahrscheinlichkeit a u f j e r 3 1 , 3 1 - 3 4 verweist (V. 25; s.o.), erinnert der m k Text (14,22) an die R e d e v o m „Bundesblut" in E x 24,8: D33V H i n ] 0 1 3 r n a n " D 7 n ? m 5 N s l ... H f S „ M o s e . . . sprach: Siehe, das Blut des B u n d e s (JVia), d e n J H W H geschlossen hat mit e u c h " (LXX: Moruofjg ... EiJtEv'Iöoi)T6aIjiaTfjsöia0r|XT|5,fisöi€6ETOXi>QiO5 JtQÖgrinäg). D i e grammatisch harte W e n d u n g bei M k (tö al[id |iou Tfjc; öia9r|XTig) hängt vermutlich damit zusammen, daß das der biblischen Tradition e n t n o m m e n e Stichwort „Bundesblut" jedenfalls mit der Person bzw. d e m „Blut" Jesu v e r b u n d e n w e r den sollte (ob sich das Bundesmotiv bis aufJesus selbst z u r ü c k f u h r e n läßt, wie Backhaus* meint, ist fraglich) . D e r soteriologische Hinweis tö exxdwÖ|ievov ijueq jtoXXüiv b e r ü h r t sich mit d e m paulinischen tö icteq ijficBv b e i m Brotwort; w ü r d e er bei M k fehlen, hätte der m k Text gar keinen soteriologischen B e zug. Aus d e m m k Text geht nicht hervor, daß die M a h l h a n d l u n g wiederholt w e r d e n soll; auch enthält diese Fassung k a u m eine liturgische Stilisierung, a u s g e n o m m e n die Parallelisierung v o n toOto eotiv tö afij|id [aou u n d xoüxö eotiv tö al\id |xou. Dagegen ist in der v o n Paulus zitierten Fassung gerade der W i e derholungsbefehl (toüto jioieite E15 Tryv E(ir|v dvd|ivr|aiv) in präziser Parallelität formuliert, so daß m a n unmittelbar auf die liturgische F u n k t i o n dieser Herrenmahlsparadosis zurückschließen kann. D e r Vergleich m i t Lk 2 2 , 1 5 - 2 0 (s. nächste Seite) zeigt zunächst eine deutliche Differenz darin, daß bei L k j e s u letztes M a h l b e t o n t als Passa dargestellt ist (V. 15, mit eschatologischem Ausblick V 16) u n d der Bericht deshalb m i t der Kelchhandlung u n d d e m Kelchwort b e g i n n t (V. 17f.). D a n n aber stimmen Brothandlung u n d Brotwort bei Lk praktisch wörtlich m i t d e m von Paulus überlieferten Text überein, mit A u s n a h m e des aus M k 14,22 ü b e r n o m m e n e n eöüjxev a t r t o l ; u n d der sprachlichen Verbesserungen (eotiv tö ac&nd |xou statt noi) eotiv tö ac&na, außerdem das Part. 8i56(ievov). (Zweite) Kelchhandlung u n d Kelchwort bei Lk sind, einschließlich des knappen ( b o a t i T w g u n d der auffallenden Zeitangabe ¡i£xa tö öeli t v f j a a i , w i e d e r nahezu mit d e m paulinischen Text identisch (nur ev tö) aifiaxL |xou statt ev tö) ejiö) a i | i a T i
257
11,17-34
Die Versammlungen der Gemeinde
Lk 22.15-20
1 Kor 11.23-26 2 3 'E-yü) yäg jtagEXaßov äitö xoö xugiou, o x a l itaQEÖcoxa ii[j,w, öxi 6 xuQiog 'Irjooög EV Tfj Vuxx'l fj JtaQEÖiÖETO
xal EUJXEV JTQÖG ai)TOTJ5 EJTL0U(J,L9 E J I E 0 I I | I R I A A xoöxo xö jiäoxa ayEiv (¿E0' i)(xäjv jtßö xoö (iE jiaOelv* 16 'kkytü yäg i>|ilv öxi oii |xf| (¡¡ayu) aiitö Saig öxou ji/.rißojQfi EV xfj ßacriAeia xoö 0 E O Ö . 17 xal ÖEijanEvog jtoxripiov EÜxapicrxriaag EUJXEV XaßsxE xoöxo x a l öiafiEQicaxE sig Eauxoug' 18 Xeyu> yäß vntv [öxi] oii |xr) Jtico äjtö xoö vöv OOTÖ xoö ysvrinaxog xfj? a^neXou Etog oti f| ßaaiAeia xoö 9EOÖ EXOT], 1 9 xal Xaßarv äpxov ETjyapiaxr|aac ExXaoEV x a l EÖÜJXEV aixoig' xoöxo EOXIV xö ATÜFXA [xou xö {iitso vi^WV ÖlÖÖ^EVOV' xoöxo jtoiEiXE sie TT)V E^TIV ävd|xvT)(H.v. 2 0 xal xo jtoxr|oiov (baatixcoc ^Exa xo ÖEutvfjaai,. Xeyuiv xoöxo xo itoxr|oi,ov r| xaivf] öi«Br|XT) EV xo) otifiaxi 15
EÄaßev aqxov 2 4 xal Ei)7aoiqxr|aac ExXaoEv xal. xoöxo |Xoij EOXIV xo ofij^a xo ÖJXEO I I F I A I V xoöxo jioiEixE ELC XT]V £^R|V ävä[rvT]aiv. 2 5 tboaöxcoc xal xö Jioxr|oiov |X£Ta xö ÖEmvfjoai XEytov xoöxo xo jtoxr|oiov r| xaivf| öia0r|XTi EOXIV EV x|xa, auch wenn sich die Struktur der Argumentation, nämlich das Ineinander von Einheit und Vielfalt, durchhält. In Kap. 13 klingt dann das Thema jtVEUfiaxixd wieder an, auch wenn der Begriff nicht verwendet wird (vgl. aber die Rede von den y^öcracn), während in Kap. 14 die in 12,1-3 zunächst nur angedeutete Problematik des ekstatischen Redens breit aufgenommen wird. Die literarische Einheitlichkeit von Kap. 12 wird in der Exegese nicht bestritten; allerdings wird vielfach die Zusammengehörigkeit mit dem unmittelbar vorangehenden Teil von Kap. 11 angezweifelt. Nach Schmithals, Briefe 34f. 261
12,1-31
Die Versammlungen der Gemeinde
folgte 12,l-31a (+ 14,lc-40 + 12,31b-13,13) ursprünglich auf 10,23-11,1 als Teil eines „im weitesten Sinn ethische Probleme" behandelnden Briefes („Brief E"); aber schon in Kap. 12 geht es nicht um Ethik, sondern um die Gemeinde und um die Konkretionen des Jtveöjia, und insofern folgt 12,1 ff. sehr gut auf 11,2—34.
1 2 , 1 - 1 1 Die Geistesgaben und der Geist Was aber die Wirkungen des Geistes (oder: die Geistbegabten) betrifft, ,Brüder', (so) will ich euch nicht in Unkenntnis lassen. 2 Ihr wißt, daß ihr, als ihr Heiden wart — wie ihr da immer wieder zu den stummen Götzen hingezogen fortgerissen wurdet. 3 Deshalb tue ich euch kund, daß niemand, der im Geist Gottes redet, sagt: ,Verflucht (ist/sei) Jesus'. Und niemand kann sagen: ,Herr (ist) Jesus', außer im Heiligen Geist. 4 Unterschiede der Gnadengaben aber gibt es, jedoch (es ist) derselbe Geist. 5 Unterschiede der Dienste gibt es, und (es ist) derselbe Herr. 6 Und Unterschiede der Wirkkräfte gibt es, aber (es ist) derselbe Gott, der alles in allen wirkt. 7 Einem jeden aber wird die Kundmachung des Geistes gegeben zum (allgemeinen) Nutzen: 8 Dem einen wird nämlich durch den Geist gegeben das Wort der Weisheit, einem anderen aber das Wort der Erkenntnis infolge desselben Geistes, 9 einem anderen Glaube in demselben Geist, einem anderen aber Gnadengaben der Heilkräfte infolge des einen Geistes, 10 einem anderen aber Wirkkräfte für (wunderbare) Machttaten, einem anderen aber Prophetie, einem anderen aber Beurteilungen von Geistern, einem anderen Arten der Zungen(rede), einem anderen aber Auslegung der Zungen(rede). 11 All dies aber wirkt ein und derselbe Geist, indem er jedem einzelnen gesondert zuweist, wie er will. 1
Literatur: N. BROX, A N A 0 E M A I H Z O Y 2 (1 K o r 1 2 , 3 ) , B Z N F 12 ( 1 9 6 8 ) 1 0 3 - 1 1 1 . - G. DAUTZENBERG, Prophetie (122—148). DERS., Z u m religionsgeschichtlichen Hintergrund der ÖIAQXIAI? IRVEU^DTORV ( 1 9 7 1 ) , in: DERS., Studien zur paulinischen Theologie, G S T R 13, 1 9 9 9 , 1 9 - 3 0 . - W. GRUDEM, A R e sponse to Gerhard Dautzenberg on 1 C o r . 1 2 . 1 0 , B Z N F 2 2 ( 1 9 7 8 ) 2 5 3 - 2 7 0 . - T. HOLTZ, Das K e n n -
zeichen des Geistes. 1. Kor 12,1-3, in: DERS., Geschichte und Theologie des Urchristentums. Gesammelte Aufsätze, W U N T 57, 1991, 234-245. - B.A. PEARSON, Did the Gnostics Curse Jesus?, JBL 86 ( 1 9 6 7 ) 3 0 1 - 3 0 5 . - W . C . VAN UNNIK, Jesus: Anathema or Kyrios (1 C o r . 1 2 : 3 ) , in: B. Lindars / St.S.
Smalley (Hg.), Christ and Spirit in the New Testament (FS Ch. F.D. Moule), 1973, 113-126. -J.S. Vos, Das Rätsel von I K o r 1 2 : 1 - 3 , N T 3 5 ( 1 9 9 3 ) 2 5 1 - 2 6 9 .
Mit 12,1 nimmt Paulus den in 7,1; 8,1 begonnenen Stil wieder auf; ob JTEQL auf den korinthischen Brief verweist oder nur das in Kap. 12—14 erörterte Thema einleitet, läßt sich nicht sagen (Fee, K 570 betont m.R., von Kap. 14 her zeige sich, daß Paulus offenbar nicht Fragen beantwortet, sondern die Intention verfolgt, Positionen zu korrigieren; ähnlich Hays, K 207). In der Sache bleibt Paulus im Zusammenhang der in 11,2 begonnenen Ausfuhrungen zur Gestalt des Gottesdienstes, wobei er jetzt von den Wirkmächtigkeiten des göttlichen Geistes spricht und dabei zugleich, ähnlich wie in 11,17—34, den Aspekt der Einheit der Gemeinde betont (12,4—11).
262
Die Geistesgaben und der Geist
12,1-2
Die Gedankenfiihrung und dementsprechend die Gliederung des Abschnitts ist klar: In V. 1—3 stellt Paulus eine Grundsatzerklärung voran, indem er nach der Einleitungswendung V. 1 aus der Vergangenheit der Adressaten (V. 2) Folgerungen für die Gegenwart ableitet (V. 3). Aus der zweimaligen Erwähnung des Geistes in V. 3 ergibt sich in V. 4—6 die in drei parallelen Sätzen formulierte Betonung des dialektischen Gegenübers der vielfältigen öiaiQEOEig hinsichtlich bestimmter Gaben einerseits und der Einheit des j e weiligen Gebers andererseits, wobei xö JtveC|xa, o xiiQiog und ö 0eög in einer Klimax nebeneinanderstehen. In V. 7 wird eine gewisse Zwischenbilanz gezogen, die zugleich auch als Uberschrift über das Folgende fungiert (vgl. V. 1 lb). In V. 8.9 folgen vier parallele, formal variierende Aussagen, die bestimmte Gaben auf das JtvEÜna zurückfuhren. Das Dativobjekt wird auf jeweils unterschiedliche Weise genannt (cp — äÄAü) — exeqü) — äXXa); zum Stil der Aufzählung vgl. die bei N W I I / l , 356 zitierte Stelle aus Horn II XIII 730ff.: „Dem einen gab der Gott die Werke des Krieges, dem anderen Tanz, dem anderen Zitherspiel und Gesang; einem anderen legt Verstand in die Brust der weitumblikkende Zeus, und davon haben Nutzen viele Menschen"). Auch die auf den Geist verweisenden präpositionalen Wendungen wechseln (ölck xoti jtve'ün.aTOc; — xaxa xö aüxö itveß^ia - ev xö» avxcö itveij^axi - ev x|xiv wie in Gal 1,11; vgl. 1 Kor 15,1; 2 Kor 8,1): Im Geist Gottes redend verflucht man Jesus nicht (ävü0e|j,a nochmals 16,22, vgl. Gal l,8f.; R o m 9,3, wobei sich von diesen Stellen her die Ergänzung eotü), nicht eaxiv nahelegt; das Wort bezieht sich auf den Gegenstand des Fluches, vgl. J. Behm, T h W N T I, 356f.), und deshalb gilt zugleich, daß man sich nur ev Jivei)|iaxiaYiü) zu Jesus bekennen kann (Bengel zSt. sieht in XaXwv das Antitheton ad muta idola).
Die Wendungen 'Avcx0ena 'IriaoOg und Kiigiog 'Ir|aoiJ5 (die Mehrzahl der Handschriften vermeidet die direkte Rede: Xeyei'AvctOe^iaTriacDv ... efoteTvKüqiov'Itiooüv, D G f 3JI) wirken, als zitiere Paulus tatsächlich verwendete Formeln. Zu xtiQiog'Iriao'üg s. R o m 10,9; Phil 2,11; aber gab es auch eine förmliche, möglicherweise kultische Ver-
264
Die Geistesgaben und der Geist
12,3-5
fluchung Jesu? Dies wird von Schmithals, Gnosis 117-122 (zustimmend Brox*) bejaht unter der Annahme, gnostisierende Christen hätten eine Verfluchung des irdischen Jesus proklamiert (vgl. auch Hübner, T h e o l II, 189). In gnostischen Texten ist eine ausdrückliche Verfluchung des irdischen Jesus offenbar nicht belegt; entsprechende Informationen bei O r i g Cels VI 28 über die O p h i t e n u n d Epiph Haer I 37,2.7 sind erkennbar Polemik, in Iren Haer I 24,4 ist von einem Fluch über Jesus nicht die R e d e (Pearson*; vgl. C o n zelmann, K 249f. A 10). Vor allem aber spricht die Formulierung oijösig ... Xaktiv Xeyei gegen die Annahme, Paulus beziehe sich kritisch auf ein in der korinthischen G e m e i n d e tatsächlich vorkommendes Geschehen. Häufig wird die These vertreten, Paulus selber formuliere das d v d ö e ^ a ad hoc als zugespitzten Kontrast zu d e m das Sein ev jrvei)|xaxi ayicü voraussetzenden Bekenntnis xtjqioc; Trioo'ög (vgl. u.a. Wolff, K 286), doch ist es k a u m vorstellbar, daß Paulus völlig kommentarlos eine derartige Aussage in die A r g u mentation einbringt, w e n n sie auf keinerlei Erfahrungswissen bei den Adressaten z u rückgeht. Eine Situation wie die von Plin E p X 96,5 geschilderte Szene (maledicerent Christo) kann n o c h nicht im Blick sein. N a c h Vos* 259 liegt in V. 3 eine zweigliedrige These vor, in der Paulus zunächst negativ, dann positiv feststellt, „daß der W i r k u n g s b e reich des Geistes mit d e m Herrschaftsbereich des H e r r n zusammenfällt". D a m i t ist aber die besondere Form der Aussage nicht wirklich erklärt; fragen kann man deshalb, o b ein aufgrund von D t n 21,22f. gegen Jesus gerichteter Fluch im H i n t e r g r u n d steht (vgl. Gal 3,13; die Eintragung jesu in die Erzählung von der Verfluchung eines Schülers durch seinen Lehrer in bSanh 107b ist spät, s. J. Maier, Jesus von Nazareth in der talmudischen Uberlieferung, EdF 82, 1978,127ff.). Sollte ein solcher Z u s a m m e n h a n g bestehen, w ü r de Paulus den Jesus auf diese Weise Verfluchenden den Geistbesitz absprechen (vgl. van Unnik*). D e r Geist ist die F o r m der Präsenz Gottes in der Gemeinde (vgl. die Gottesaussage in V. 6 und die ganz analoge R e d e v o m jrv£ö|Aa in V. 11). Paulus meint natürlich nicht, daß die laut ausgesprochenen Worte „ H e r r ist Jesus" unmittelbare („ekstatische") W i r k u n g des Geistes sind (vgl. R o m 8,15); vielmehr geht es darum, daß der Glaube, der sich in d e m Bekenntnis ausspricht, auf das Wirken des Jtvei3|xa zurückgeht (vgl. Holtz* 244f.). A n k n ü p f e n d an das Stichwort Jtve'ü|xa (0eoi3 bzw. äyiov) beschreibt Paulus in 4 die dialektische Beziehung zwischen den unterschiedlichen Zuteilungen (öiaigeaeig in L X X in den C h r o n i k b ü c h e r n häufig für hebr. i l p ^ n ö „Abteilung", im N T nur hier, s. aber das Verb in V. 11) von Gaben und der Einheit des Gebers (ob Paulus von „ Z u t e i l u n g e n " oder von „Unterschieden" spricht, ist deshalb keine wirkliche Alternative). Von den xctpio^axa hatte Paulus schon in 1,7 gesprochen (vgl. 7,7); jetzt wird dies p r o g r a m matisch näher ausgeführt im Sinne der durch das Jtveüjia bewirkten / d p i g (vgl. H . C o n zelmann, T h W N T IX, 394ff.), wobei Paulus voraussetzt, daß die Adressaten wissen, was mit d e m Begriff / a g i o n a t a inhaltlich gemeint ist. Paulus k o m m t es entscheidend auf die Feststellung an, daß die unterschiedlichen xa@io|^axa sich demselben JtveiJiia verdanken (Calvin, K zSt.: symmetria ecclesiae multiplici unitate constat). In 5 verweist Paulus entsprechend auf die öiaxoviai, die alle d e m einen xügiog (vgl. V. 3: xijQLog'Iriooijg) zugeordnet sind, öiaxovia in der R e g e l der konkrete „Dienst" (16,15; vgl. 2 Kor 3,7—4,1; 5,18 u.ö.), auch unmittelbar bezogen auf die Jerusalem-Kollekte (2 Kor 8,4; 9,1.12f.; R o m 15,31), hier aber weit gefaßt für Dienstleistungen, die in der G e meinde u n d für sie erbracht werden (vgl. R o m 12,7; Lietzmann, K 61 sieht avtiX.rnx'ipELg u n d xußEQvriaEic; in V. 28 als Erläuterung von öiaxoviai), sicher n o c h nicht bezogen auf
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12,1-31
Die Versammtungen der Gemeinde
das „Amt" des öicxxovog (1 Tim 3,8.12; vgl. aber Phil 1,1). Möglicherweise soll die Beziehung zwischen der öiaxovia und dem xiiQiog betont werden; aber das Gegenüber von „Herr" und „Diener" begegnet sonst bei Paulus nicht (vgl. allerdings R o m 15,8: C h r i s t u s als öidxovog jtEQixo^fjg).
In 6 spricht Paulus schließlich von den unterschiedlichen eveQyr|naxa (das Wort im N T nur hier und in V. 10, in LXX gar nicht, aber EpArist 156,2 neben xivr|aig), also von den vielfältigen Arbeitsleistungen in der Gemeinde; sie werden auf Gott (vgl. V. 3: ev Jtveünaxi 0eoi3) zurückgeführt, wobei diese Aussage sich von V. 4b.5b durch das ergänzte Part, o evEQycöv und das Obj. xct itdvxa ev jtäaiv unterscheidet (in der handschriftlichen Uberlieferung ist dies vereinzelt korrigiert worden). eveqyeIv vom Wirken Gottes Phil 2,13; Gal 2,8; 3,5; zu xct raxvxa ev Jtäaiv vgl. 15,28, dort freilich als Aussage über das auf die Welt bezogene eschatologische Sein Gottes, hier über Gottes auf die Gemeinde bezogenes gegenwärtiges Tun; insofern dürfte sich xä Jtcxvxa auf die genannten gemeindlichen Gaben und ev näoiv auf die einzelnen Christen (vgl. V 7: exdoxq)) beziehen. Die in V 4—6 auf verschiedene Weise bezeichneten Gaben werden in 7 zusammenfassend f| 4>aveQü)oi5 xofi jtVEti^atog genannt. (jxxveQcocrig (s. R . Bultmann / D.Lührmann, T h W N T IX, 6f.; das ohnehin sehr seltene Wort im N T nur noch 2 Kor 4,2) meint die Manifestation des Geistes (vg manifestatio Spiritus), die jedem (zu exctaxog im 1 Kor vgl. vor allem 3,5.13; 7,17) gegeben ist (öiöoxai zeitloses Präs.; ob bei der Passivform bewußt an Gott als den Handelnden gedacht ist, läßt sich nicht sagen). Zu xöeqov vgl. 6,12; 10,23; jtQÖg c. Akk. „gemäß, im Hinblick a u f (BDR §239,8); es geht um das, was der Gemeinde nützlich ist (vgl. 10,33). V. 7 schließt nicht nur V. 4—6 ab, sondern eröffnet zugleich auch den folgenden Abschnitt V. 8—10. Mit q> |xev / ahkw öe nimmt Paulus in 8 das exdoxtp aus V. 7 auf, und er knüpft zugleich auch mit öiöoxai an das Vorangegangene an. Das Jtveüjia ist jetzt Mittel (Öid) und Maßstab (xaxa) der Gabe, nicht Geber selbst (vgl. den betonten Hinweis auf Gott in V. 7: Gott und das jrv£ii|ia werden unterschieden). Die an erster Stelle genannte Gabe ist der "koyoq ao()>iag, die zweite der Xoyoc, yvcöaeoog. Zu \oyoc, und yvcöaig s. 1,5, zu aoia 1,17—2,13, zu yvcöaig 8,1.7.10f. Möglicherweise klingt das /dQia|ia des öiödoxeiv an, das sonst fehlen würde (vgl. R o m 12,7, wo öiöacrxaXia neben öiaxovia steht); möglich ist aber auch, daß Paulus in V. 8 Gedanken und Aussagen der Korinther aufnimmt, die vom „Wort der Weisheit" und vom „Wort der Erkenntnis" sprechen und beides betont mit dem Jtvsi3|xa in Verbindung bringen (daß zwischen beiden Formen des X.öyog keinerlei Unterschied besteht, ist angesichts der Formulierung unwahrscheinlich, zu Conzelmann, K 255; richtig Weiß, K 300). Sollte die zweite der genannten Annahmen richtig sein, so würde das erklären, warum Paulus in 9a die Jtioxig auf das Wirken des Jtv£i5(xa zurückfuhrt: Auch der Glaube geschieht ev xcp ooiTö) JtVEli|iaTi (vgl. V. 3b). exeqco anstelle des sonst durchgängig verwendeten aWiq) sowie der asyndetische Anschluß (ohne das sonst hier für die Reihung verwendete öe; die meisten Handschriften, darunter 46 X2 A C D 2 W, haben öe ergänzt, doch ist das durch N* B D* F G gut bezeugte Fehlen sicher ursprünglich) zeigen allerdings, daß in V. 9a ein gewisser Kontrast zu V. 8 ausgesprochen werden soll: Das itvevixa hat nicht allein außergewöhnliche Wirkungen, sondern ist auch Urheber des Glaubens. Jtioxig in V. 9a wird in der Auslegung nahezu durchgängig nicht im Sinne des „einfachen" Glaubens verstanden, sondern als eine in besonderer Weise ausgezeichnete Gabe. Nach Schräge, K III, 150f. denkt Paulus an den wunderwirkenden Glauben im Sinne 266
Die Geistesgaben und der Geist
12,9-10
von Mk 9,23; doch auch dort geht es um die „gewöhnliche" motu;, wie 9,24 (vgl. V. 29) zeigt. Wölfl", K 290 meint, Jticmg müsse in einem besonders qualifizierten Sinn gemeint sein als „das totale Vertrauen ... auf die göttliche Hilfe", das, wie in 13,2 ausgeführt werde, „durch Gebet außergewöhnliche Taten vollbringt" (ähnlich schon Lietzmann, K 61); aber dann läge überhaupt kein Unterschied zu V. 10a vor, wo tatsächlich von Wundertaten die Rede ist. Von vornherein ist es sehr unwahrscheinlich, daß Paulus von unterschiedlich gestuften Arten der jtioxig gesprochen haben sollte, ohne dies begrifflich näher auszuführen, mcmg ist deshalb hier wie bei Paulus auch sonst durchgängig der (chrisdiche) Glaube, der jetzt allerdings offenbar ganz bewußt auf das Jtveijjxa zurückgeführt wird (so auch Schmithals, Gnosis 163; vgl. Strobel, K 188, der an eine Glaubenshaltung denkt, „die andere durch ihre Stärke und Festigkeit gewinnt und überzeugt"). Von Dobbeler, Glaube 62ff. versteht nicrcic; hier als freie paulinische Wiedergabe von 4>6ßog öeoC im Zusammenhang einer verkürzenden Aufnahme der Reihe in Jes 11,2f. (xai dvajxaüaexai EJI' aüxöv JTV£Ü|xa tot) GEOC, JTV£I3|XA a o ^ I A ? xai AUVEAEOOG, RTVEO^A ßouX.fjg xai ia/ijog, Jtv£i3|xa yveoaeo)? xai E-uaeßeia?, EJUIWIOEI aiixöv itvEüjia 4>6ßou ÖEOC ...); richtig daran ist jedenfalls, daß kein Anlaß besteht, moxig hier in einem völlig unpaulinischen Sinn zu verstehen (zur Diskussion über das von Paulus verwendete Stilmittel der „Liste" vgl. Horn, Angeld 288f.). In 9b wird die Reihe der außergewöhnlichen Gaben (V. 8a.b) fortgesetzt, i'afxa ist die Kraft zur Heilung (das Wort im N T nur hier und in V. 28.30); der Plur. xapia^iaxa bezieht sich auf die einzelnen Erweise des /dQia|ia — möglicherweise ist deshalb hier betont von dem einen Geist die Rede (EVEVI JtveiJfiaxi; die meisten Handschriften haben an V. 9a angeglichen: EV xqj aiixcp JXV.). Ob in der korinthischen Gemeinde tatsächlich Heilungswunder vorgekommen waren oder ob Paulus hier nur grundsätzlich an deren Möglichkeit denkt, läßt sich nicht sagen. B. Kollmann, Jesus und die Christen als Wundertäter, F R L A N T 170,1996, 342 folgert aus dem von Paulus hier Gesagten, „die Gemeinde von Korinth [biete], indem einzelne ihrer Mitglieder über das Charisma der Krankenheilung und der Dämonenaustreibung verfugen, nicht allein eine Alternative zur Inanspruchnahme profaner Heilkunst, sondern auch eine ernstzunehmende Konkurrenz zum Inkubationsheilungsbetrieb am Asklepieion von Korinth"; aber das geht über die dem Text zu entnehmende Information erheblich hinaus. In 10a folgt eine Aufzählung von drei weiteren Gaben, wobei formal keine präzise Parallelität vorliegt (in der handschriftlichen Uberlieferung sind deshalb in unterschiedlicher Weise Angleichungen vorgenommen worden). EV£Qyr||xaxa öuvdfiEtüv bezeichnet allgemein die Fähigkeit(en) zu religiös begründeten Machterweisen (EVEgyrma wie in V. 6, zum plur. Ötivd|j.8L5 S. V. 28f. und vor allem 2 Kor 12,12, vgl. Gal. 3,5; ^ß46 liest den Sing. öuvd[i£Cog, D F G lesen EVEQYEUXöuvctjiEü)?, vgl. Eph 3,7). Die TTQO(J)R|T£ia, auch in R o m 12,6 ein ^agio^a, war schon in 11,4f. thematisiert worden und wird in 14,22 näher beschrieben werden (vgl. 13,2.8); gemeint ist das vollmächtige Reden (vgl. Apk 1,3), auch im Sinne der Ansage des Kommenden (vgl. Apg 11,28; 21,11); Calvin macht zu 12,28 aber darauf aufmerksam, daß die Prophetie zur aedificatio der Gemeinde beiträgt, was durch die Vorausschau künftiger Dinge kaum geleistet werde. Das Abstraktum JXQO zu 2 etEQCÖ und durch den asyndetischen Anschluß (wieder haben X A C W SR das reihende ÖE nachgetragen), der Hinweis auf das in Korinth besonders wichtige Phänomen der (offenbar unterschiedlichen: Plur.) y£vr| yXcooo&v (s. zu 14,2), dem Paulus als Korrektiv die 8Q|XT|V6LCT yXdiOO&v gegenüberstellt, die die Zungenrede „übersetzende" Interpretation (das Subst. nur hier und 14,26; zur Sache s. zu 14,5; nach Calvin, K zSt. denkt Paulus an eine geistgewirkte Ubersetzung aus fremden Sprachen). In der Aufzählung der Xagia^aTa in R o m 12 fehlt die Glossolalie. In 11 faßt Paulus alles Gesagte zusammen: Jtdvxa ÖE xaüxa (V. 4—10) bewirkt (EVEQYEI, vgl. V. 6) das eine jtvEÜ|ia, das entsprechend seinem souveränen Willen (xaöcbg ßoti/.exai) die Zuteilungen (das part. 6iaiQO'üv nimmt das Subst. öicugeaeig aus V. 4—6 auf) des je Eigenen (löia steht wie klass. für das häufigere xax' löiav als Gegensatz zu xoivfj, B D R § 2862; mit N A B C D 1 V 99? ist es zu lesen, gegen g?46 D* F G, wo es fehlt) für jeden einzelnen (zu Exaoxco s. V. 7) vornimmt. Daß jedes Gemeindeglied jeweils nur ein X(XQiö|xa verliehen bekommen kann, ist nicht gesagt. Die Betonung des jtvEijfxa bzw. der jtv£U|iaTin(i durchzog von Kap. 2 bis Kap. 10 den ganzen Brief. Nachdem Paulus in Kap. 11 insbesondere mit der gottesdienstlichen Versammlung zusammenhängende Probleme erörtert hatte, ohne in diesem Zusammenhang vom iivE'üfj.a zu sprechen, geht er in Kap. 12 gesondert und in hervorgehobener Weise auf die konkreten Geisterfahrungen in der Gemeinde (und dann insbesondere im Gottesdienst, Kap. 14) ein; ihm liegt daran, die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Jtv£ii|xa zu beschreiben und dabei gerade zu betonen, daß den öiaiQEoeic; Xaoia^idxaiv das eine Jtvei3|ia gegenübersteht. Wo in der Gemeinde das Bekenntnis laut wird, steht dahinter das ITVETJ^A äyiov (bzw. jtvsi3(j,a 0EO1J); aber gerade deshalb rechnet Paulus die öiaxQiGEig jrvEUjiäxcov ebenfalls zu den den einzelnen Menschen in der Gemeinde verliehenen Gaben.
12,12—31 Die Gemeinde als Leib Wie nämlich der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes jedoch, obwohl es viele sind, ein Leib sind: So auch Christus. 13 Wir alle nämlich sind durch einen Geist zu einem Leib getauft worden — ob wir nun Juden oder Griechen oder Sklaven oder Freie sind; und alle sind wir mit einem Geist getränkt worden. 14 Es ist nämlich auch der Leib nicht ein Glied, sondern viele (Glieder). 15 Wenn der Fuß sagt: ,Weil ich nicht Hand bin, gehöre ich nicht z u m Leib', so gehört er trotzdem keineswegs nicht z u m Leib. 16 Und wenn das Ohr sagt: ,Weil ich nicht Auge bin, gehöre ich nicht z u m Leib', so gehört es trotzdem keineswegs nicht z u m Leib. 17 Wenn der ganze Leib Auge (wäre), w o (wäre) das Hören? Wenn ganz Hören, w o das Riechen? 18 N u n aber hat Gott die Glieder eingesetzt, jedes einzelne von ihnen i m Leibe, wie er es wollte. 12
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Die Gemeinde als Leib
12,19-31
Wenn aber alles ein Glied wäre, wo (wäre) der Leib? 20 Jetzt aber sind es tatsächlich viele Glieder, jedoch ein Leib. 21 Es kann aber das Auge nicht zur Hand sagen: ,Ich brauche dich nicht'. Oder wiederum der Kopf zu den Füßen: ,Ich brauche euch nicht'. 2 2 Sondern diejenigen Glieder des Leibes, die als die schwächeren erscheinen, sind umso notwendiger, 22 und denjenigen (Gliedern) des Leibes, von denen wir meinen, sie seien weniger wert, denen erweisen wir größere Ehre, und unsere unanständigen (Glieder) haben größere Wohlanständigkeit, 24 unsere anständigen (Glieder) aber brauchen das nicht. Gott hat indessen den Leib so zusammengefügt, daß er dem bedürftigen (Glied) größere Ehre gab, 25 damit es keine Spaltung i m Leibe gebe, sondern die Glieder einträchtig wechselseitig füreinander Sorge tragen. 26 Und falls ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; falls ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. 27 Ihr aber seid Leib Christi und einzeln genommen (dessen) Glieder; 28 und zwar hat Gott die einen in der Kirche eingesetzt: erstens als Apostel, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer, dann Machterweise, dann Gnadengaben der Heilkräfte, Hilfeleistungen, Leitungstätigkeiten, Arten der Zungenreden. 29 (Sind) etwa alle Apostel? (Sind) etwa alle Propheten? (Sind) etwa alle Lehrer? (Vollbringen) etwa alle Wundertaten? 30 Haben etwa alle die Gnadengaben der Heilkräfte? Reden etwa alle in Zungen? Dolmetschen etwa alle? 31 Ihr sucht aber nach den größeren Gnadengaben. Und ich zeige euch den hervorragendsten Weg. 19
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Die Versammlungen der Gemeinde
Das Thema von 12,12—31a ergibt sich unmittelbar aus dem von Paulus zuvor Dargelegten: Unverändert geht es um das Verhältnis von Einheit und Vielfalt, jetzt allerdings unter Verwendung der ganz unvermittelt neu eingeführten Metapher des einen Leibes, der viele Glieder hat. Mitchell, Paul 157-164.267-270 versteht den Abschnitt als Teil der Auseinandersetzung des Paulus mit dem „factionalism"; damit wird sie zwar dem betonten ev, nicht aber dem ebenso betonten nók\á gerecht. Die Gedankenfiihrung ist jedenfalls in V. 12-30 klar (zu V. 31 s.u.): Der erste Argumentationsgang umfaßt V. 12—14 (nicht V. 12.13, wie die Druckanordnung bei Nestle-Aland 27 nahelegt); deutlich ist die inclusio (ocojxa und nókXá. V. 12 und V. 14). Paulus beschreibt zunächst (V. 12) in zwei parallelen Aussagen das Verhältnis von oñjia und [iéJa], und er behauptet dann thetisch: oöxcog xcd ó XQLOTÓ^. In V. 13 konkretisiert er dies mit einem Wechsel in die 1. Pers. Plur.: In Aufnahme von V. 4—11 verweist er in V. 13a auf den Empfang des einen JXVEtj[ia in der Taufe — in Parenthese nennt er die davon betroffenen unterschiedlichen Gruppen (V. 13b) — und dann in V. 13c auf das „Getränktwerden" mit dem itveC^ia, bezogen auf die Geistverleihung entweder in der Taufe oder beim Herrenmahl (s. dort). So bezieht Paulus in V. 13 das Bild vom Leib und den Gliedern auf die Sachebene des durch die Taufe real gewordenen aä>[ia (= Gemeinde), bevor er in V. 14 den Gedanken auf die Eingangsaussage (V. 12) zurücklenkt (Klauck, Herrenmahl 335). Die in V. 15—26 folgenden Aussagen beziehen sich explizit auf den menschlichen Körper und auf einer gleichsam zweiten Deutungsebene auf das durch den Geist konstituierte acöfxa. Dabei ist die Entfaltung des Bildes überaus sorgfältig strukturiert: In V. 15.16 „zitiert" Paulus die (angesichts von V. 12.14 absurden) Selbstaussagen zweier Körperteile, in V. 17.18 ergänzt durch den Hinweis auf die unterschiedlichen Aufgaben der Organe, die Gott entsprechend geschaffen hat. In V. 19.20 kehrt Paulus zum Ausgangspunkt (V. 12.14) zurück und betont das Ineinander von Einheit und Vielfalt. Analog zu V. 15f. stellt er in V. 21 wiederum in Form wördich „zitierter" Rede, fest, wie die Glieder nicht miteinander umgehen können, und er expliziert dies in V. 22—24a an einem konkreten Beispiel. Analog zu V. 18 folgt in V. 24b—26 der abschließende Hinweis, Gott habe den Leib so geschaffen, daß die Glieder aufeinander bezogen und damit in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander existieren. Erst in V. 27 wird das Bild verlassen; es folgt, jetzt formuliert in der 2. Pers. Plur., die V. 12 entsprechende Anwendung: Die Adressaten werden ausdrücklich als os yäg ei xfl Geig 6ioixr|aei); Pflicht des Bürgers aber ist es, nicht den
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Die Versammlungen der Gemeinde
persönlichen Vorteil zu suchen (nr)öev exeiv löig ouh4>£qov), so wie auch die Hand oder der Fuß dem natürlichen Gebrauch folgen, wenn sie nichts anderes im Sinn haben als an das Ganze zu denken (&aJISQ dv, eI f| xeLq f) 6 Jioüg XoyiO|iöv eixov xai jtaßr|xoXoij9ouv xfj ((njaixfi xaxaaxEufj, otiöejtot' äv äXXwg &Q(ir|oav f) wQExOriaav i] EJiavEVEYXovxE^ Em tö öXov). Dieser Typ des Verständnisses der Leib-GliederMetapher kann religiöse Implikationen enthalten, insofern der Leib als eine „göttliche" Größe verstanden werden kann (beispielsweise Seneca Ep Mor X I V 92,30: Totum hoc quo continemur, et unum est et deus: et socii sumus eius et membra „Dieses All, von dem wir umfangen werden, ist das Eine und der Gott: seine Gefährten sind wir und seine Glieder" [Ubers. M. Rosenbach]), doch liegt der Ursprung des Bildes nicht in mythischen Vorstellungen, so daß die Versuche einer religionsgeschichtlichen Herleitung unnötig sind (zu weiteren Belegen für diesen Vorstellungstyp s. Lindemann* 136). c. Vor allem in der Kaiserzeit weit verbreitet ist das Bild vom hierarchisch strukturierten Leib, in dem alle Glieder dem Kopf zugeordnet und damit vor allem ihm untergeordnet sind. So begegnet das Bild in der Beschreibung des römischen Staates mit dem Kaiser als dessen Haupt (z.B. Seneca Clem I 2,1), aber es findet sich auch ohne politische Abzweckung (z.B. Philo Praem Poen 125: „Der ausgezeichnete [anovöaios] - sei es Mann, sei es Volk - soll xe(j>aXr| des Menschengeschlechts sein") und auch ohne Bezug auf R o m (z.B. Josephus Bellum IV 406: Der Aufstand in Jerusalem als dem wichtigsten Glied führte zur Anarchie im ganzen Leib [= Land]; weitere Belege für diesen Typus bei Lindemann* 137f. und vor allem bei E. Faust, Pax Christi et Pax Caesaris. Religionsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und sozialgeschichdiche Studien zum Epheserbrief, NTOA 24, 1993, 283—287). 2. Die Alternative zeigt sich insbesondere in der klassischen politischen Ethik, wo das Bild vom Leib und den Gliedern auch so begegnen kann, daß es die Zugehörigkeit der Glieder zueinander betont zum Ausdruck bringt. Nach Piaton Resp V 462c-d ist diejenige 110X15 a m besten eingerichtet, die dem einzelnen Menschen am nächsten kommt, „so wie, wenn einem unter uns der Finger verwundet ist, die gesamte, dem in der Seele Herrschenden als eins zu Gebote stehende, über den ganzen Leib sich erstreckende Gemeinschaft desselben (näoa f| xoivwvia f| xaxa tö aä>na 31QÖ5 xr|v ijjuxr|v xexoi(ievt] eI? (iiav ai>vxa|iv xt|V xoü äpxovtog ev cnoxfj) mit der Seele es zu fühlen pflegt und insgesamt zugleich mitzuleiden mit einem einzelnen schmerzenden Teil, sie, die ganze, und wir sodann sagen, daß der Mensch Schmerzen hat am Finger (ödvögaiJtogxovöäxxuXoväXYEi)" (Ubers. F. Schleiermacher). Ähnlich heißt es Resp VIII 556e, so wie ein kränklicher Körper durch einen kleinen Anstoß von außen ganz niedergeworfen werde, so könne auch der Staat erkranken und in Aufruhr geraten (Plato sieht hier die Gefährdung des guten Staates entweder durch die Oligarchie oder durch die 6r)|i,oxßaxia, womit nicht die „Demokratie' im modernen Sinne, sondern die ,Herrschaft der Armen' gemeint ist). Bei Aristoteles Pol V heißt es (p 1302b 33—1303a 1), Verfassungsumstürze kämen dadurch zustande, daß das rechte Verhältnis (xö äväXoyov) gestört werde: „Wie nämlich ein Körper aus verschiedenen Teilen besteht und diese im richtigen Verhältnis wachsen müssen, damit die Symmetrie bestehen bleibt, denn andernfalls geht das Wesen zugrunde ... (äoneq yäg oä>ßa ex ueqwv auyxEixai xai öst aü^dveaöai ävaXoyov iva |iEVT)f| cn>n|iETQia •••), so ist auch ein Staat aus Teilen zusammengesetzt, von denen oftmals einer unvermerkt anwächst, so etwa die Masse der Besitzlosen in den Demokratien und Politien (oCxco xai jtoXig cnjyxEixai ex ueqüv, U>V noXXäxig XavÖavei xi avi^avönEvov, olov xwv öjiöqüjv jtXfjOog ev X0Ü5 ör|(xox(5axiaig xai jtoXixsiaig)" (Übers. O. Gigon). Der Vergleich der Aussagen des Paulus über die Gemeinde als „Leib" und die einzelnen als dessen „Glieder" mit den beschriebenen Denkmodellen führt zu dem Ergebnis, daß das paulinische Verständnis beide Möglichkeiten aufnimmt: Paulus versteht die Gemeinde als ein oä>y.a; sie ist aber ein oäi|xa, in dem alle Glieder als aufeinander bezogene prinzipiell gleich sind. Im „Leib" der Kirche resultiert also aus den jeweils unterschiedlichen Funktionen, wie sie Kopf und Füße, Hand und Fuß, Auge und Ohr natürlicherweise ausüben, keine unterschiedliche („hierarchische") Wertigkeit (so ist das Bild auch in 1 Clem 37,5 aufgenommen). Als ein in dieser Weise beschriebener Leib werden die Adressaten dann in 12,27 ausdrücklich Oü>|xaXqiotoO genannt (s. auch den Exkurs bei Wolff, K 301-305), und diese Struktur wird auch durch die Aufzählung der Ämter und Funktionen in 12,28 nicht infragegestellt. Das Bild von der Gemeinde als aö5|xa wird von Paulus nur in R o m 12,4—8 noch einmal aufgenommen. Paulus bezeichnet die Christen als ev acö|ia ev Xqioxcb, wobei er nicht anders als in 1 Kor 12,27 neben den Gedanken der Einheit sogleich den der Vielfalt rückt (xö öe xa9' E15 ocXXt|Xüjv |xeXr|). Im Kol (1,18) und dann vor allem im Eph (1,23 u.ö.) wird das Bild von der Kirche als Leib Christi stärker my-
276
Die Gemeinde als Leib
12,28
thisiert, und es wird dabei das Verhältnis von der Kirche als dem od)(ta und Christus als der XEaX.rj völlig neu bestimmt (s. Hübner, H N T 12 zu den genannten Stellen).
28 schließt unmittelbar an V. 27 an (xal oög ist verkürzt für Kai eate ovxoi oftg ..., s. Lindemann* 146 A 55; daß auf |xév kein 8e folgt, ist nicht ungewöhnlich, nach B D R §447,2.c aber ein „Verstoß gegen den wohlstilisierten Satzbau"): Diejenigen, die èx [iéQoug Glieder des ocöfia (XpioxoC) sind, hat Gott mit unterschiedlichen Funktionen betraut (bösto wie in V. 18; in der Sache vgl. 2 Kor 5,19). Daß Paulus den Begriff èxxX/r|aia ausdrücklich nochmals (nach 11,22) aufnimmt, zeigt, daß die Aussage sehr konkret auf die Gemeinde bezogen verstanden werden soll (anders Eph 4,11 f.). Am Anfang steht eine Aufzählung von drei Personengruppen, die so sonst nirgends begegnet. Vgl. aber Apg 13,1: In Antiochia gibt es JtgoT|TCU und òiòàoxaXoi; durch Entscheidung des Heiligen Geistes werden Barnabas und Saulus zur Mission ausgesandt, in deren Verlauf sie von Lukas ausdrücklich als ànóoxoXoi bezeichnet werden, 14.4.14. Eine ähnliche Zusammenstellung findet sich in Did 11—13: In Anknüpfung an Did 7—10 ist in 11,1 f. zunächst vom òiòóaxcov die Rede, in 11,3—12 dann von den cutootoXoi und jtQOr|Tai (deren Aufgabe nach V. 10f. das Lehren einschließt), und in 13,2 begegnet dann schließlich auch der Titel òiòóoxaXog. An der Spitze der Aufzählung stehen die Apostel (zu cutÓGToXoi im 1 Kor s. 4,9; 9,5, ferner 15,7), deren Kreisjedenfalls offen ist (es dürfte zumindest nicht prinzipiell ausgeschlossen sein, daß ähnlich wie von Antiochia auch von Korinth „Gemeindeapostel" ausgesandt worden sein könnten, vgl. R o m 16,7). An zweiter Stelle nennt Paulus die Propheten. Die JtQO(j)r|Tai (vgl. 14,29.32.37) sind geistbegabt und vollmächtig Redende, also diejenigen, die über die Gabe der JtQOriteia verfügen (V. 10) und denen das JtQOT]TEi)ei.v obliegt (s. zu 1 l,4f.; vgl. R o m 12,6, wo die jtQO(J)r|T£Ìa als erstes xÓQLO|xa genannt ist; christliche Propheten auch in Eph 2,20; 3,5; 4,11; vgl. Apg 15,32; 21,10; Apk 18,20). Von den an dritter Stelle genannten Lehrern ist sonst bei Paulus nicht die Rede (òiòóoxaX,og nur hier und, in anderem Sinn und mit kritischem Unterton, in R o m 2,20; s. aber den Hinweis auf das òiòóaxeiv in 4,17; zu dem in den Pastoralbriefen gezeichneten Bild des Paulus gehört auch seine Bezeichnung als òiòàoxaXoc,, 1 Tim 2,7; 2 Tim 1,11). Daß es sich bei diesen drei Gruppen speziell um die nicht an eine Einzelgemeinde gebundenen Amter handelt (Kümmel, K zSt. im Anschluß an Harnack*), ist wenig wahrscheinlich und mangels früher Belege jedenfalls nicht erweisbar. Auch ist für uns nicht klar erkennbar, welche Aufgaben sich aus der Sicht des Paulus mit diesen „Amtern", insbesondere mit dem des òiSàoxaXog, im einzelnen verbinden (anders Did 11—13; nach Greeven* 325—344 war die Aufgabe der Lehrer die „Bewahrung, Weitergabe und Fruchtbarmachung der Tradition", aaO. 342; zur Entwicklung im 2. Jahrh. s. U. Neymeyr, Die christlichen Lehrer im zweiten Jahrhundert. Ihre Lehrtätigkeit, ihr Selbstverständnis und ihre Geschichte, SVigChr 4, 1989). Hinter den Ordinalzahlen jtQüjtov, Seüteqov, tqìtov steht vermutlich eine gewisse Wertung, ohne daß sich dazu Sicheres sagen ließe (daß die in V. 28a aufgezählte Trias als ein „.ökumenisches' Zugeständnis" an die mit Antiochia verbundene korinthische „Kephas-Partei" anzusehen ist, vermutet Zimmermann* 113). Auf die drei Personengruppen folgen fünf Abstrakta. Die beiden ersten, jeweils mit EJteiTa angeschlossen, waren in abweichender Reihenfolge bereits erwähnt worden (òtivà|xeig V. 10 [èv£QYf|(xaxa òuvóheìdv], xaQiodata iafiótwv V. 9). Die drei folgenden Funktionen sind asyndetisch angeschlossen. Zu civtiXt||J/i|)£L5 (das Subst. im N T nur hier, aber häufiger in LXX, z.B. i|> 21,1.20; 82,9) vgl. die Paulusrede in Milet (Apg 20,35:
277
12,1-31
Die Versammlungen der Gemeinde
ävxiXaußctvEOÖai xcöv aoSevoiivxiov, ixvtihovetjeiv te xärv Xöymv xoij xuQiou 'lr|0oij xxX.); gemeint sind offenbar Hilfeleistungen aller Art, sicher auch, aber nicht ausschließlich, im sozialen Bereich. Bei den dann genannten xvßeQvr|oeig (das Wort im N T nur hier, dreimal in LXX: Spr 1,5; 11,14; 24,6; das Steuern des Schiffes als Vorbildung für die Lenkung des Staates ist breit geschildert bei Plato Resp 488a—489a) geht es nicht um die „Leitung" der Gemeinde, die offenbar noch gar nicht institutionalisiert ist (anders Greeven, Propheten* 345ff.; vgl. Bengel zSt.: die gubernatio ist zuletzt genannt, ideo Spiritus eam inferiore loco recenset); vielmehr spricht Paulus von den Entscheidungsprozessen, an denen offenbar prinzipiell alle Gemeindeglieder beteiligt sind (s.u. zu V. 30; vgl. Greeven, Geistesgaben* 115f.; Campenhausen* 70f.). Daß Paulus vor allem „die Leitung des Gottesdienstes (einschließlich Herrenmahl)" meint (so Wolff, K 308; ähnlich schon Allo, K 333), ist angesichts von 11.17—34 sehr unwahrscheinlich. Der nicht zufällig am Schluß stehende Hinweis auf die YEVT) yXiooowv entspricht V. 10. In 29 wird in vier als Nominalsätzen formulierten Fragen rhetorisch gefragt, ob etwa (|xr|) alle Gemeindeglieder Apostel usw. sind bzw. ÖDvd|j,eic; praktizieren, wobei die negative Antwort natürlich vorausgesetzt ist. In 30 folgen drei weitere, nun grammatisch vollständig formulierte rhetorische Fragen, auf die die Antwort ebenfalls „Nein" lautet. Dabei fehlen jetzt die Begriffe ävnW|[ii|>ei5 und xuߣQvr|OEi5, d.h. es bestätigt sich, daß nach Auffassung des Paulus diese Tätigkeiten tatsächlich von allen Gemeindegliedern ausgeübt werden. Der Frage nach dem y'kdiooaiq haXelv läßt Paulus charakteristischerweise (abweichend von V. 28, aber entsprechend V. 10) die Frage nach dem ÖIEQ^TIVETJELV folgen (s. vor allem 14,5). Die Auslegung von V. 31 bereitet Schwierigkeiten. 31a enthält entweder die ironischkritische Feststellung des Paulus, daß die Adressaten „nach Höherem" streben (^rjX.o'ÖTE als Ind.), oder Paulus formuliert hier die Aufforderung, die Korinther sollten eben dies tun (^TJXOOTE als Impt.). Letzteres ist die überwiegende Auffassung in der Exegese, wobei dann V. 31b als Einleitung zu dem als Exkurs verstandenen Kap. 13 gesehen (z.B. Fee, K 624f.; Hays, K 221) und zwischen ^r^oÜTE in V. 31a und in 14,1 ein direkter Zusammenhang hergestellt wird. Aber vom paulinischen Verständnis von /¿gioixa her ist die erste Deutung die näherliegende, da Paulus kaum mit einer Rangabstufung der Xaeiöfiaxa rechnet (Iber*; übernommen von Wolff, K 308); der als Gegenargument vorgebrachte Verweis auf 14,1 ist nicht überzeugend, da das Obj. dort xot jtV£U|iaxixd ist, nicht xd /apiofiaxa, und außerdem das impt. ij]Ä.0X)X£ in 14,1 die Argumentation von Kap. 13 voraussetzt. In 12,31 wird das paulinische Verhältnis von Indikativ und Imperativ vorausgesetzt, nicht gilt umgekehrt die aydiir] als ein anzustrebendes xdptona (Iber* 52f.; der Einwand, beim Ind. müsse ein betontes iijiEtg stehen, greift nicht, da die Spannung „ihr strebt nach" — „ich zeige euch" schon durch die Stellung der Verben in V. 31 deutlich ausgesprochen wird). Für die Annahme, daß Paulus das ijl^oijv der Korinther kritisch beschreibt und nicht etwa von ihnen fordert, spricht auch 13,4 „die Liebe oi> Wenn diese Auslegung richtig ist, dann schließt 31b unmittelbar an V. 31a an (gegen die Druckanordnung bei Nestle-Aland 27 ) und betont das Gegenüber (£t]A.O'üxe — Ö£ixvu|xi). XCUEXI dient zur Hervorhebung des Folgenden (vgl. Bauer-Aland, W b s.v. xai I. 2. g: „und trotzdem"; die von 46 D* F bezeugte Lesart e i n statt EXI, in Codex F ohne xai, setzt das impt. Verständnis von t,r|Xoijxe voraus: „Strebt aber ... U n d wenn ihr etwas darüber hinaus sucht, dann ...", vgl. B D R § 272 2 ; Smit* 247-253 versteht V. 31 im gan278
Über die Liebe
13,1-6
zen als scharf ironisch, doch liegt es gerade dann um so näher, £r|Xo'ÜTe indikativ. aufzufassen). Das bei Paulus nicht seltene xa0' {>jteeßoX.r|v (vgl. R o m 7,13; 2 Kor 1,8; 4,17; Gal 1,13) bringt generell das überbietende (und nun nicht mehr überbietbare) Element zum Ausdruck; es ist attributiv zu öööv, nicht adverbial zu öebtvu|ii zu ziehen (Wischmeyer* 34; anders van Unnik*: xa0' 'UJtEQßoX,r|v sei bei Paulus stets adverbial gebraucht, darum könne sich die Wendung nicht auf ösixvuiu, sondern müsse sich auf i^r|XoijTe beziehen: die Korinther sollen in höchstem Maße nach den xapionaxa streben, und dazu zeigt Paulus ihnen den Weg). ÖEbcvuju bei Paulus nur hier, vgl. äjToöeixvum in 4,9. 0605 ist hier nicht der zu einem bestimmten Ziel (etwa: zu den xctQLa(xata) fuhrende Weg, sondern wie in 4,17 die Lebens-und Glaubenspraxis (vgl. die beiden ööoi in Did 1—6 / Barn 18-20; zur klass. Vorgeschichte vgl. W. Michaelis, T h W N T V, 43-47; der Begriff begegnet in übertragener Bedeutung sehr oft in LXX für ~I"1T, vgl Ps 1,6). Was in der Sache gemeint ist, zeigt Kap. 13, d.h. die versprochene „hervorragendste" ööög ist gerade nicht Bestätigung der Suche nach den „größeren" xa0LO|xaxa, sondern sie ist in Gestalt der aydurri die Alternative dazu. Insofern stellt 12,31b auch die Uberschrift zu 13,1—13 dar. Die Argumentation in 12,12—31 zum Verständnis der Gemeinde als des vielfältig gegliederten einen Leibes hat ihren angemessenen Platz zwischen 12,1—11 und Kap. 13: Auf der einen Seite schenkt das eine Jtv£{3(xa die verschiedenartigen xagiaiiaxa, auf der anderen Seite ist die dycxjtri der entscheidende Maßstab für das Handeln. Möglich ist dies deshalb, weil die Adressaten in der Vielfalt ihrer vom Geist bestimmten Existenz das eine afi>|ia sind, in welchem sie als Glieder einander zugeordnet sind, ohne Uber- und Unterordnung. Wichtig ist, daß Kap. 12 im ganzen eine Beschreibung des Gegebenen ist, ohne eine im Impt. oder als moralischer Appell formulierte Anweisung (vgl. auch das Fehlen jeder Anrede in V. 4—26). Da Einheit und Vielfalt in der Gemeinde gleichermaßen betont sind, läßt sich nicht einmal erkennen, ob Paulus in Korinth eher Tendenzen zur Beseitigung der Vielfalt oder im Gegenteil Tendenzen zur Aufhebung der Einheit vermutet. Die in Korinth zweifellos vorhandenen, in Kap. 12 aber nicht erwähnten axio|iaxa und aiQEOEig können ja durchaus mit Vereinheitlichungstendenzen einhergegangen sein; jedenfalls fürchtet Paulus offenbar nicht, seine Hinweise auf die Vielfalt der Glieder könnten als eine Bestätigung des Parteienwesens verstanden werden.
1 3 , 1 - 1 3 Ü b e r die Liebe 1
Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen rede, Liebe aber nicht habe, dann bin ich hallendes Erz oder gellende Zymbel. 2 Und wenn ich Prophetengabe habe und weiß alle Geheimnisse und die ganze Erkenntnis, und wenn ich verfüge über allen Glauben, so daß ich Berge versetze, Liebe aber nicht habe, dann bin ich nichts. 3 Und wenn ich in Brocken aufteilte meinen gesamten Besitz, und wenn ich dahingäbe meinen Leib, damit ich verbrannt werde, Liebe aber nicht habe, dann nützt es mir nichts. 4 Die Liebe ist langmütig, gütig ist die Liebe, nicht eifert die Liebe. Sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verletzt nicht die Sitte, sie sucht nicht das Eigene, sie läßt sich nicht reizen, sie rechnet das Böse nicht an. 6 Sie freut 279
13,1-13
Die Versammlungen
der
Gemeinde
sich nicht über das Unrecht, sie freut sich vielmehr m i t der Wahrheit. 7 Alles trägt sie, alles glaubt sie, alles hofft sie, alles duldet sie. 8 D i e Liebe fallt niemals dahin. O b prophetische R e d e n : Sie werden vernichtet werden. O b Zungen(reden): Sie werden aufhören. O b Erkenntnis: Sie wird vernichtet werden. 9 Bruchstückhaft nämlich erkennen wir, und b r u c h stückhaft reden wir p r o p h e t i s c h ; 1 0 wenn aber das Vollkommene k o m m t , dann wird das Bruchstückhafte vernichtet werden. 11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, überlegte wie ein Kind; n a c h d e m ich ein Mann geworden bin, habe ich das vernichtet, was z u m Kindlichen gehörte. 12 Wir sehen nämlich j e t z t m i t Hilfe eines Spiegels, in rätselhafter Weise, dann aber von Angesicht zu Angesicht. J e t z t erkenne ich bruchstückhaft, dann aber werde ich (vollständig) erkennen, wie ich selbst auch (vollständig) erkannt worden bin. 13 Jetzt aber bleibt Glaube, H o f f n u n g , Liebe, diese drei; die größte aber von diesen (ist) die Liebe. Literatur. G. BORNKAMM, Der köstlichere Weg, in: DERS., Das Ende des Gesetzes (GAufs I), B E v T h 16, 1963, 93—112. — B.E. BOWE, The Rhetoric o f L o v e in Corinth. From Paul to Clement o f R o m e , in: J.V. HILLS (Hg.), Common Life in the Early Church (FS G.F. Snyder), 1998, 244-257. - G. DAUTZENBERG, P r o p h e t i e ( 1 4 9 - 2 2 5 ) . -
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Der Textabschnitt, durchaus ein literarisches Kunstwerk, wenn auch weder Lied noch Hymnus (Schräge, K III, 277: „im höchsten Grad gefüllte und geschliffene Prosa"; R o bertson-Plummer, K, 285 sprechen von „a divine Jtço(j)T]TEÎa"), ist sowohl zu Beginn (eàv XTÀ.) als auch am Ende (vi)vi ôè |xévei y.xk) klar abgegrenzt, gleichwohl aber eng mit dem Kontext verbunden (Wischmeyer, Weg* 36f.). 14,1 nimmt formal zwar 12,31 auf, setzt aber Kap. 13 voraus, so daß kein Anlaß besteht, das Kap. als möglicherweise nach280
Über die Liebe
13,1-3
träglich eingefügt anzusehen (richtig Wischmeyer, W e g * 31). Gegen die Annahme, das Kap. sei vorformuliert gewesen und von Paulus (oder womöglich „durch einen sammelnden Redaktor", Weiß, K 311) als fertiges Textstück zur Explikation von 12,31b hier eingefügt worden, sprechen die zahlreichen Querverweise zum übrigen Brief (Schmithals, Briefe 44 schließt 1 2 , 3 1 b + 1 3 , l - 1 3 an 1 4 , l b - 4 0 an und sieht darin die „Klimax" des „Briefes E " , der dann mit 16,1—12 schließe). Am wahrscheinlichsten ist deshalb die einfache Annahme, daß Paulus unter Rückgriff auf bestimmte literarische Formen den vorliegenden Text ad hoc formuliert (Fee, K 626f.); methodisch besteht kein Anlaß, das Kap. „zunächst für sich auszulegen" (zu Conzelmann, K 266). Für die Annahme, daß Paulus im Anschluß an das Thema xotQÍO|iaxa bewußt das Thema ayáitr) aufnimmt, spricht auch die Parallele in R o m 12,6—8.9ff. Die áyájtr] erscheint nicht als höchstes XÓQLOfxa, sondern im Grunde als Alternative zu dem in 12,31a erwähnten i^Tjtayöv der Korinther (vgl. Wischmeyer, Weg* 226; Wolff, K 311). 1 Kor 13 gliedert sich in drei Abschnitte (s. die Auslegung): Am Anfang stehen (V. 1—3) in der 1. Pers. Sing, als Bedingungssätze formulierte Aussagen, die durch das dreimalige áyóurriv öe |xr) ex® deutlich strukturiert sind, ansonsten aber sowohl in der Protasis (éctv x t L ) als auch in der jeweüs negativ formulierten Apodosis (yéyova Kik. / otjOév eíjíi / oí>6év dx^eXovixai) variieren. In V. 4—7 folgt ein sehr präzise formuliertes Enkomion („Lobpreis") auf die in V. 4 betont als Subj. der Aussagen nochmals nom. (f| áyájrr)) in den Text eingeführte Liebe (Sigoutis* u.a.); formuliert ist eine Kette von Aussagen über das Tun bzw. Nicht-Tun der Liebe (nicht: ihre Eigenschaften): Es werden jeweils finite Verbformen verwendet, in V. 4a positiv formuliert, in V. 4b—6a negativ, wobei als Antwort auf V. 6a in V. 6b eine positiv formulierte Gegenaussage folgt; V. 7 schließt positiv mit einem vierfachen Jtávxa). Der Abschnitt V. 8—13, durch abermaliges f) ayáitr) zu Beginn (parallel zu V. 4) vom Vorangehenden deutlich abgesetzt, ist formal uneinheitlich, steht aber insofern unter einem einheitlichen Vorzeichen, als es in allen Aussagen um das Verhältnis von Gegenwart und (eschatologischer) Zukunft geht. Dabei sind am Anfang (V. 8) und am Ende (V. 13) die Aussagen in der 3. Pers. Sing, formuliert, dann in V. 9(10) und V. 12 in der 1. Pers. Plur., während in V. 11 in der 1. Pers. Sing, von der individuellen (aber typischen) Vergangenheit die Rede ist (fj^iriv / ote Yéyova). V. 13 nimmt indirekt aufV. 1—3 Bezug, da die áyájtri ausdrücklich nochmals als der höchste Wert erscheint. Inhaltlich ist die Herausstellung der Liebe als höchster Wert ohnehin die Zentralaussage des ganzen Kap. 13: Der Lobpreis der áyájrr] (Hays, K 221 versteht 1 3 , 1 - 1 3 von 12,31b her als „an epideictic interlude") beschreibt diese als die Bedingung für eine wahre Existenz in der Gegenwart (V. 1—3.4—7) in eschatologischer Perspektive (V. 8—12), mit der alles überbietenden Schluß Wendung in V. 13. Der einleitende Abschnitt 1—3 ist bestimmt durch die in der 1. Pers. Sing, formulierten Bedingungssätze (Eventualis, eáv + Konj.); dabei stehen der sich regelmäßig wiederholenden Zeile áyá]xr|v 5é |xr) e/o) unterschiedlich formulierte Eingangssätze gegenüber: In V. 1 enthält die Protasis nur ein Verb (éctv ... XaXco); in V. 2, mit xai angeschlossen, stehen drei Verben (éctv zytí)... x a i eiöcö ... xai éctv éxct)..., wobei sich an e x « ... Jtiotiv noch ein Konsekutivsatz anschließt, cüote xtX.); in V. 3, mit xäv (xai, éáv) angeschlossen, stehen zwei Verben (fut.: tycofwoco, JtaQaötö, wobei sich an das zweite Verb ein Finalsatz anschließt, iva xxX..) . D i e Apodosis ist in allen drei Fällen sachlich gleich, dabei aber ebenfalls unterschiedlich formuliert (disinuatio): In V. 1 nimmt der Satz yéyova xtX. von der ver-
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13,1-13
Die Versammlungen der Gemeinde
wendeten Metaphorik her unmittelbar auf die Protasis Bezug, insofern xa^xög r|X(öv und xü|xßaX.ov als Formen von y\(hoaai angesehen werden können. In V. 2 hat oiiÖEV ei(xi keine sachliche Beziehung zu den vorangegangenen Aussagen über die JCQOr|Teia usw., während oiiöev cbcf>EÄ.oü|ica (V. 3) vom Bild her zu ajjwnioco bzw. iragctöd) paßt. Wischmeyer, Weg* 208f. bestimmt V. 1—3 als „Wertepriamel", d.h. als Antwort auf die Frage nach dem höchsten Wert (vgl. Mt 23,16—22; Näheres bei Dombrowski* und Schmid*, s.u. den Schluß der Auslegung von Kap. 13). Die in V. la.2a.3a genannten (religiösen) Verhaltensweisen werden dabei durchaus nicht verworfen, wohl aber werden sie in eine unbedingt zu wahrende Beziehung zur cr/cxJtr| gesetzt, ohne die sie dann freilich doch wertlos wären. Heinrici, K 397 verweist darauf, daß im Vergleich mit 12,8—10 die in V. 1—3 hervorgehobenen Charismen in entgegengesetzter Abfolge genannt sind (vgl. schon Calvin zSt.); aber es läßt sich nicht wirklich erkennen, daß eine ausdrücklich kritische Bezugnahme auf 12,8—10 vorliegt, weil dort weitere, in 13,1—3 gar nicht erwähnte Charismen genannt sind. 1 ist als Eventualis (edv + Konj.) formuliert, d.h. Paulus beschreibt einen durchaus möglichen Fall und sagt etwas über die dann als Realität eintretende Folge. Die Verwendung der 1. Pers. Sing, ist Stil weisheitlicher Rede, d.h. es redet nicht das „Ich" des Paulus, sondern ein überindividuelles „Ich" wie in R o m 7 (Wischmeyer, Weg* 90f.; vgl. SapSal 7,8—10 und vor allem Sir 51,13—22, wo sich freilich in V. 23—30 direkt an die Adressaten gerichtete Aufforderungen und Mahnungen anschließen). Daß Paulus in l a mit Kakeiv yXwoomc, einsetzt, ist angesichts der besonderen Wertschätzung der Glossolalie in Korinth nicht erstaunlich (vgl. 12,30 und vor allem Kap. 14). töv avÖQomcov sind die unterschiedlichen menschlichen Sprachen (vgl. Apg 2,4.8), aber wohl nicht nur „Fremdsprachen", sondern auch die verschiedenen Redeweisen, einschließlich pneumatischer „Pseudosprachen" (Wischmeyer, Weg* 40). Betont nachgestellt ist das zweite Genitivattribut tcbv ayyekiov, das möglicherweise auf die Zungenrede im eigentlichen Sinne verweist: Glossolalie heißt, die Sprache der Engel, also die himmlische Sprache zu sprechen (vgl. TestHi 48—52; s. den Exkurs zu 14,2). Von den ciyYEAoi hatte Paulus schon in 4,9 (auch dort neben avOgomoi) gesprochen, ferner in 6,3; 11,10; zu rabbinischen Aussagen über die Sprache der Engel s. Billerbeck III 449f.: Nach einer Aussage von R . Jochanan verstehen die Dienstengel die aramäische Sprache nicht, der Engel Gabriel dagegen versteht alle Sprachen (Sota 33a). äyäjir|V öe (ir) e^oj l b ist eine zweite Protasis, die sich auf die erste bezieht. ayaix,r\ schon in 4,21 und vor allem 8,1 (als Gegenüber zur Yvcöoig); ctYCXJrriv e/eiv (auch in 2 Kor 2,4; Phil 2,2; vgl. Joh 5,42; 13,55; 15,13) meint natürlich nicht den Besitz der Liebe, sondern deren Praktizierung, durch die Verneinung in sehr grundsätzlichem Sinn, ayäjTT] ist keine Stimmung, sondern die konkrete Zuwendung zum anderen Menschen (oder zu Gott; auch umgekehrt die Zuwendung Gottes zum Menschen, z.B. R o m 5,5.8), d.h. in der Sache meint ciY(XJtr| kaum etwas anderes als was in 10,23f. näher ausgeführt worden war. Im Duktus des 1 Kor wird der Begriff cr/ourn in 13,1 durchaus nicht überraschend eingeführt (vgl. 8,1, aber auch 2,9; 8,3), doch im unmittelbaren Kontext steht er doch sehr unvermittelt; Paulus setzt voraus, daß die Adressaten das Folgende sofort einzuordnen wissen. Zum außerchristlichen Vorkommen des Subst. dyaitri s. Wischmeyer, Vorkommen*; zur Herkunft des christlichen Verständnisses von or/outr] aus der Verwendung von aYanäv in der LXX s. Wischmeyer, Weg* 24f.: „Hatte LXX das Substantiv ayouiT] für die Literatur .entdeckt' als bestes Äquivalent für rOHK — allgemeine menschliche Lie282
Über die
Liebe
13,1-2
be —, so macht das griechisch schreibende J u d e n t u m dydjtr] zur theologischen Vokabel, die die Bedeutungsinhalte von Nächstenliebe, Bruderliebe u n d Liebe als allgemeiner Tugend ebenso aufnimmt wie die Gottesliebe." Die Apodosis lc nennt den dann gegebenen Sachverhalt, wobei der Wechsel vom Handeln (XaX(b ... |xr| exco) z u m Zustand (yeyova, Perf.) bemerkenswert ist: D a n n bin „ich" bloßer Klang, lediglich „Geräusch", d.h. o h n e die aydjtr) ist das yXröooaig XaKelv sinnlos, xakxöq eigentlich „Metall", dann aber auch das daraus Hergestellte, z.B. Geld (Mk 12,41), hier durch die Verbindung mit r|x® v (Part, von r|XE(x> „brausen, donnern") meist als metallenes Musikinstrument (Gong?) gedeutet (anders Klein*: G e m e i n t seien die im antiken Theater gebräuchlichen „resonating jars", d.h. ein E c h o hervorrufende metallene Töpfe). x i i ^ ß a l o v , sonst stets im Plur. (in L X X für D^ri^SQ, z.B. 1 C h r 13,8), ist die „ Z y m b e l " , kleine Becken, die aufeinander geschlagen werden (K.L. Schmidt, T h W N T III, 1037f.); Jos Ant VII 305f. gibt eine Beschreibung der durch David eingeführten Musikinstrumente, darunter auch die »cü^ßaXa, die jrX.axea x a l (xeyotXa %äXxea waren (Abb. bei G. Wallis, Art. Musik, B H H II, 1259f.; Lietzmann bei Wendland, H N T l / I I , '1912, 424 mit Tafel VII). akakaC,£iv ist das unartikulierte Schreien (im N T sonst nur noch M k 5,38), hier der von den Zymbeln hervorgerufene Ton (s. ty 150,5: aiveitE GOiTÖv EV xu|ißdX,oi5 etirixoig, CUVEITE a t i t ö v EV xu|j.ßdXoic; dXaX.ayjj,oij). f j zeigt an, daß es letztlich gleichgültig ist, welchem Instrument „ich" verglichen werde. V. 1 antwortet gleichsam auf die Frage, wer „ich" angesichts der yXcöacrai „bin": O h n e Liebe nichts weiter als ein Klangkörper, der ein Geräusch hervorbringt, selber aber nicht zu hören vermag, d.h. es gibt kein d e m R e d e n entsprechendes Tun. Vgl. die bei N W I I / l , 369f. genannten Parallelen, vor allem DiogL VI 64: Diogenes sagte, daß sich diejenigen, welche von der Tugend reden, aber nicht danach handeln, nicht von der Leier xiGdpa unterscheiden, die weder hören n o c h empfinden k ö n n e (nr|T' axoiieiv |xf|x' aiaOaveaGai), u n d Diog L VII 173: Kleanthes habe über die Peripatetiker gesagt, sie seien wie die Lyren, die ihre eigenen schönen Klänge selber nicht hören (ai xaXüjc; ())0Ey§d|a,Evai aiiiojv ovx dxoijouai). Daß sich Paulus unmittelbar auf die heidnischen Kulte bezieht (Schräge, K III, 286 vergleicht 13,1 mit 12,2) und sie gar gezielt herabsetzen will (so Weiß, K 313), ist nicht wirklich erkennbar, zumal die in V. l c erwähnten I n strumente für (heidnisch-)religiöse Kulte jedenfalls nicht typisch sind; näher liegt es, die Aussage schon im Blick auf die in 14,6—12 dargestellten P h ä n o m e n e zu interpretieren (s. dort), d.h. Paulus deutet das o h n e ayditr] erfolgende yXöaaaig kakeiv als ein „ R e d e n " , aus dem sachlich nichts folgt. In 2 besteht die Protasis, anders als in V. 1, aus zwei Eav-Sätzen, die beide n o c h zusätzlich ergänzt werden (xal eiöfi) vxk. u n d &oT£ xxX..). In 2aa spricht Paulus von der P r o p h e tie. Dabei steht der Begriff JtQOtjnytEia in unmittelbarem Z u s a m m e n h a n g mit d e m K o n text (12,10; vgl. 12,28f.); die Verwendung von EXCO zeigt, daß es nicht u m eine zufällige prophetische Eingebung, sondern u m das xdQio|ia der prophetischen R e d e geht. O b mit jrQO(j)r)Teia sowie eiösvai, xd |iuio|M)v], ÖJiwg |xf| XaxQEvacoaiv |xr|6e jiQoaxuvriaoaiv jiavxi 0EÜ> akX' f| täi 0eä> avxiöv; vgl. Jos Bell VII 355), freilich w o h l nicht an freiwillige Selbstverbrennungen v o n Philosophen (bei Luc Peregr M o r t 21—36 breit geschildert); der iva-Satz w ü r d e dann die Art der Preisgabe des Körpers oder deren Folge z u m Ausdruck bringen, entsprechend d e m waxe-Satz in V. 2 (Lietzmann, K 65). I m zweiten Fall w ü r d e der "ivaSatz die m i t der Preisgabe des ad)(xa verbundene Absicht bzw. das angestrebte Ziel beschreiben, die E r langung der (vermutlich eschatologischen) xaiixiioi-g. D i e textkritische Entscheidung ist außerordentlich schwierig, denn es ist sowohl versehendiche Verschreibung möglich (Verwechslung von 0 u n d X) als auch b e w u ß t e inhaltliche Korrektur: A n die Stelle eines ursprünglichen x a u x r | a ' 0 ^ a L (vgl. 1,29.31; 3,21; 4,7) k ö n n t e aus späteren martyrologischen M o t i ven >tau6r|ooj(xai bzw. xai)0r|ao(iai getreten sein; es k ö n n t e aber auch u m g e k e h r t das von Paulus sonst nicht verwendete Verb xateiv durch das theologisch gefüllte u n d vertraute x a u x ä a O a i ersetzt w o r d e n sein. D i e Lesart x a u / r | a a ) n a i wird von den Hauptzeugen des alexandrinischen Textes bezeugt, allerdings auch nur von diesen, w o b e i zu beachten ist, daß B in der weiteren Textfolge eine R e i h e von S o n derlesarten bietet. Zweifellos weiter verbreitet ist die Lesart xau0f|aco/0(iai, u n d zwar bei e i n e m Z e u gen des ägypt. Textes (C), sowie i m „westlichen" (D F G) u n d im byzantinischen Text (L, Koine). N a c h Wischmeyer, W e g * 88, die auf 9,15 verweist, gehört die Lesart xauxr|O0t>nai l n J e n sachlichen K o n t e x t des 1 Kor. A u c h Petzer* hält die Lesart xauxr||ia möglich und dieses bringe dann „Nutzen" (vgl. auch Schräge, K III 290f.). So spricht aus inhaltlichen Gründen eine größere Wahrscheinlichkeit wohl doch dafür, daß Paulus an eine Preisgabe des Körpers im möglichen Flammentod denkt (vgl. die oben zitierte Dan-Stelle) und nicht an ein xcar/väaÖaL
Die zweite Protasis dydjrr]v öe [W] exco in 3b ist ebenso formuliert wie in V. Ib. 2b. Die den ganzen Abschnitt abschließende Apodosis crijöev ü)eX.O'0[i.ai, in 3c verweist jedenfalls auf einen erhofften eschatologischen Nutzen (vgl. M k 8,36); unabhängig von der textkritischen Entscheidung zu V. 3aß will Paulus im ganzen jedenfalls sagen, daß selbst die Bereitschaft, nicht nur den Besitz, sondern sogar den eigenen Körper preiszugeben, ohne Erfolg (sc. bei Gott) bleibt, wenn sie nicht mit der dydjtri verbunden ist. Paulus betont in V. 1—3, daß sowohl der Besitz der Charismen als auch ein Höchstmaß an christlicher Erkenntnis wie auch alle Formen völliger Selbstpreisgabe wert- und nutzlos sind, wenn sie nicht von der Praxis der Liebe begleitet werden. Freilich wird zugleich deutlich, daß man denn weiß, was mit dydjtr] sachlich gemeint ist; deshalb folgt in V. 4—7 die inhaltliche Füllung dieses Begriffs. Der zweite Abschnitt 4—7 setzt betont neu ein mit der dreifachen Wiederholung des Subst. dyajxr] in drei kurzen Sätzen. In V. 4a stehen zunächst in chiastischer Anordnung zwei positive Aussagen über das Handeln der dyajrr|; dann folgt in V. 4b eine mit nachgestelltem Subj. ayd;n;r| formulierte verneinte Aussage (zu Textkritik und Interpunktion s.u.), der sich bis V. 7 zwölf meist nur aus zwei Worten bestehende Sätze anschließen, bei denen das Subj. dydjxr] vorausgesetzt, aber nicht ausdrücklich genannt ist (zunächst, V. 4b—5, sechs negativ formulierte Aussagen, dann als Ubergang V. 6 ein antithetischer Parallelismus ov — öe, dann V. 7 vier jeweils mit dem Obj. Jidvxa eingeleitete Sätze). Im ganzen verwendet Paulus in diesem kurzen Abschnitt also fünfzehn Verben zur Beschreibung der Verhaltensweisen der ayditri, womit offenbar deutlich werden soll, daß die Liebe nicht als Haltung (oder gar als Stimmung) aufzufassen ist, sondern als ein Tun. Wischmeyer, Weg* 210—213 übernimmt die von von R a d * aufgestellte These, es handle sich bei V. 4—7 um die biblische Gattung der „Bekenntnisreihe" (Dtn 26,13f.; 1 Sam 12,3; vgl. 1 QS X 18ff), bei der allerdings anstelle des „Ich" einer „abstrakten ethischen Größe ... in kurzen Aussagesätzen positive und negative Handlungen zugeordnet" werden (213; ein weiterer Vergleichstext ist SapSal 7,22—8,1 [s.u.]). Tatsächlich ist der Abschnitt wie eine reine Beschreibung des Verhaltens der dydjtr] formuliert, aber Paulus verfolgt zugleich einen paränetischen Nebenzweck, zumal gerade hier die Anspielungen auf Aussagen an anderen Stellen des 1 Kor besonders deutlich sind. Mitchell, Paul 169— 171 betont m.R., da Paulus sich sehr konkret gegen „Corinthian factional behavior" wende, liege keine „Bekenntnisreihe" vor, sondern ein eigenes kleines Enkomion auf die Liebe; diese werde beschrieben „as the opposite of contentious and discordant behavior" (278). 4a enthält in chiastischer Wortstellung zwei positiv formulierte Aussagen über die dydjtt] (xeriatETJETai mit nachgestelltem Subj.). |xaxQO0D|i£iv bei Paulus nur hier und in der Paränese 1 Thess 5,14 (vgl. Jak 5,7f.); (xaxQOÖD(xia gehört nach R o m 9,22 zum Handeln Gottes (vgl. SapSal 15,1: öe, 6 Geög r p ö v , xpr|OTOg xod dXr]9r|g, (xaxQÖOt)(x05 xod eXeei öioixövxd Jidvxa), ist aber in 2 Kor 6,6; Gal 5,22 (vgl. Kol 3,12; Eph 4,2, dort neben äveyeoQai ev ayditr)) Teil des menschlichen Verhaltens. Das zweite Verb 286
Über die Liebe
13,4-5
XQr)atet)eo0ai im N T nur hier, dann in einem als H e r r e n w o r t zitierten Logion 1 C l e m 13,2 (vgl. 14,3), sonst n u r PsSal 9,6; vgl. aber das bei Paulus öfter begegnende Subst. XQT]Otött|5 (neben ^axQOÖujxia in 2 Kor 6,6; Gal 5,22; zur xpilOTOxrig Gottes R o m 2,4; 11,22, vgl. die o b e n zitierte Stelle Weish 15,1). Die beiden Einleitungssätze z u m Tun der ayd:rtr| haben Uberschriftcharakter; insofern der dydjtr) zwei Verhaltensweisen eignen, die nach Gal 5,22 zur Frucht des itv£i3(xa gehören, besteht offenbar eine Analogie z w i schen d e m itVEtj^a Gottes u n d der dyditr|. Auf die beiden positiv formulierten Aussagen folgen Negativaussagen, in 4b eröffnet mit einem vollständig formulierten Satz (r| dydjtr| fehlt in B u n d etlichen Minuskeln, ist aber sehr gut bezeugt; in rückt es als Subj. hinter jtEQjtegEiJETCu); fiir die Wortstellung oi) f| dydnT] (gegen Nestle-Aland 2 7 , w o r| aydirri den folgenden Satz einleitet) spricht, daß sonst oi) sprachlich in der Luft hinge u n d sachlich an Gewicht verlöre (mit Kümmel, K zSt.; R o b e r t s o n - P l u m m e r , K 293 halten dies allerdings für „clumsy"). Das Verb kann sensu bono gebraucht sein (vgl. 14,1.39; 2 Kor 11,2) oder neutral (12,31; Gal 4,17), aber auch sensu malo (Apg 7,9; 17,5; Jak 4,2), was vor allem für das Subst. ij)X.og gilt (1 Kor 3,3; Gal 5,20, an beiden Stellen neben EQiq). Gesagt ist, daß die Liebe anderen nicht in böser Absicht nachstellt (Strobel, K 203 verweist auf den Z u s a m m e n h a n g mit politischer Ideologie, wie sie sich bei den Zeloten gezeigt habe; Paulus b e ziehe sich nicht unmittelbar darauf, wohl aber auf die psychologische Voraussetzung einer solchen Haltung). Das zweite Verb JiEQTrEQETJEaOai „prahlen" (entweder Latinismus nach d e m Adv. perperam „unrichtig", B D R § 5 7 oder nach jrEQjtEgog „Prahlhans, Schwätzer", § 108 8 ; Belege bei N W I I / l , 373), im N T nur hier u n d auch sonst selten (s. Bauer-Aland, W b s.v.), ist fast bedeutungsgleich mit dem im 1 Kor häufigen, im N T sonst aber nur n o c h in Kol 2,18 belegten cJhkjio'üv (s.o. zu 4,6; zur Unvereinbarkeit von a y a m ] u n d uaioxjv vgl. 8,1). In 5 folgen unmittelbar vier kurze verneinte Aussagen, zweimal abwechselnd o h n e O b j . (oiix daxf]novel u n d oi) Jiago^ijvexai) und mit A k k . - O b j . (oi) £,t|tel t ä eauTfjg u n d oi) ^.oyi^Exai t ö xaxöv). da/rpovEiv „sich sittenverderbend b e n e h m e n " (wie in 7,36, vgl. 12,23) n i m m t in der Sache möglicherweise auf die in 5 , l f f . u n d 6,12ff. erörterten Probleme Bezug; die dyditri ist dann der Maßstab, von d e m her derartige Praktiken nicht in Frage k o m m e n bzw. von der Gemeinde nicht geduldet werden k ö n n e n (Kümmel, K zSt. hält die nur von 46 bezeugte Lesart oiix £t)axr||X. für „durchaus erwägenswert": die Liebe b e n i m m t sich nicht vornehm; aber das w ü r d e einen ironischen U n t e r t o n voraussetzen, den die W o r t g r u p p e Etioxim- bei Paulus sonst nicht hat, vgl. 7,35; 14,40). D a ß die Adressaten wissen, welche Sitte gilt u n d welche nicht, wird von Paulus vorausgesetzt. Z u o i ijytEitd lauTfjg vgl. 10,24.33, ferner Phil 2,21. Gemeint ist nicht, daß die dydjrr] nicht „das Ihre" sucht (vgl. die Textkorrektur in ^ 4 6 c B: Die Liebe sucht nicht xö |lf| EauTfjg, d.h. sie strebt nicht nach dem, was ihr nicht gehört); vielmehr sucht der in der ayditr] handelnde Mensch nicht „das Seine", sondern das, was der 0ix000(xr| u n d d e m allgemeinen N u t z e n dient. Calvin, K zSt. sieht in der Aussage des Paulus die Bestätigung dafür, daß uns die Liebe nicht a natura angeboren ist. irago^iivEiv ist im N T n u r n o c h Apg 17,16 belegt, in L X X aber oft von der Auflehnung des Menschen gegen G o t t ( N u m 14,11.23; D t n 9,7f.; x|> 9,25.33 [= 10,3.13 hebr. Text]; Jes 63,10; 65,3 u.ö.); die dydjtr| läßt sich nicht zu solcher Auflehnung verführen, oi) ^oyi^exai xö x a x ö v zielt e n t weder auf das „ A n n e h m e n " des Bösen (vgl. 2 Kor 5,19 u.ö.), oder Xoyi^EaOai heißt wie in 2 Kor 10,11; 11,5 u . ö . „denken", was hier freilich etwas banal wäre („die Liebe denkt
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Die Versammlungen der Gemeinde
nichts Böses"). In der Formulierung scheint geradezu eine Anspielung auf Sach 8,17 LXX vorzuliegen (xal 8x010x05 xaxiav toxi jiXr|aiov axixoij [xr| Xoyi^eoGe ev xal? xaQÖiaic; •ujiröv xal öqxov \penöfj |ir| avouierte; vgl. die Fortsetzung: öiöxi xafixa jtdvxa e|xior|aa, Xiyei x 1)9105 JtavxoxgaxcüQ), kaum auf die hinter Lk 23,34 stehende Tradition (so Fee, K 639); zu xö xaxöv und überhaupt in der Sache vgl. R o m 12,17.21. In 6 folgt eine im Parallelismus gestaltete Antithese (Wischmeyer, Weg* 184). Zu (oi>) XaiQEiv em vgl. 16,17; 2 Kor 7,13; Apg 15,31; Apk 11,10; aöixia im 1 Kor nur hier (s. aber ÖixaiocruvT] in 1,30 und vor allem dSixeixs in 6,8); zu dem in LXX häufig belegten Gegenüber von aöixia (für sehr unterschiedliche hebr. Worte) und aÄ.r|0eia (meist für DOS; vgl. u.a. 118,29f.; Mi 7,19f.) s. R o m 1,18; 2,8. xctigeiv nicht im Sinne der emotionalen Freude, sondern im Sinne objektiver Zustimmung. Was gemeint ist, ergibt sich aus der positiven Gegenaussage: Die dyajtr| stimmt der Wahrheit zu (auyxaiQOö schon in 12,26). xfj dX.T]0eia ist direktes Obj. wie in Phil 2,17f.; gemeint ist also nicht: „Sie freut sich mit (sc. anderen) über die Wahrheit", sondern „sie freut sich mit der Wahrheit", ohne daß dXr)8Eia dabei personifiziert gedacht sein müßte; und zwar nicht theoretisch, sondern im praktischen Handeln (vgl. 2 Kor 13,8). Wischmeyer, Weg* 102 A 293 verweist als Parallele aufjoh 7,18: Wer die 8 ö | a Gottes sucht, der ist dXr)0r|5, und aöixia ev oruxo) otjx eoxiv; Paulus hätte auch formuliert haben können, daß sich die dydjrr) der Lüge verweigert und der Gerechtigkeit zustimmt (Fee, K 639 erklärt die vorliegende Formulierung damit, daß das hier vorausgesetzte Verständnis von aydjrri „is especially reflecting the character of God"). In 7 folgen schließlich vier positiv formulierte Aussagen, rhetorisch hervorgehoben durch das anaphorisch vorangestellte Jtdvxa (vgl. Jtdvxa / Jtäaav / Jtäaav / Jtdvxa in V. 2.3a), wobei die fast synonymen Verben crxeyeiv und iutoneveiv die Klammer zu bilden scheinen. Zu Jtdvxa axeyei vgl. 9,12 (jtdvxa axeyojiEv), d.h. Paulus verhält sich selber nach dem Maßstab der dydjrr), während die Korinther alles zu „beherrschen" suchen (Wischmeyer, Weg* 108 unter Hinweis auf 4,8). Zu Jtdvxa jiioxeijei vgl. V. 2; nach Schräge, K III, 302 meint Paulus damit die „vertrauensvolle bona fides gegenüber dem anderen", aber gerade sein Verweis auf 11,18 ([xeqoc; xi moxeija)) zeigt die Problematik dieser Auslegung. Jtdvxa mcrxEijei dürfte durchaus im theologischen Sinne gemeint sein, d.h. Paulus bezeichnet die aydjir| als das eigentliche Subjekt des jiloxetjeiv (vgl. Gal 5,6: jtiorxig 81' dydjrrig Eveßyou[iEvri). Dem entspricht Jtdvxa eXui^ei: Es geht nicht um ein profanes Hoffen (Schräge ebenda: „Für die Liebe gibt es keine hoffnungslosen Fälle"), sondern um die chrisdiche eXjttg, die in der dydjrr] gegründet ist; die Korinther dagegen „haben" schon alles (Wischmeyer, Weg* 108 unter Verweis auf 4,7). etati^eiv hier erstmals im 1 Kor und in dem Brief überhaupt selten (vgl. 15,19 und in profanem Sinn 16,7; zu Jtioxig und eXjtiq s. V. 13). Schließlich Jtdvxa imo^evei (das Verb bei Paulus nur noch R o m 12,12): Die Liebe hält standhaft aus (vgl. t>jto|xovri in R o m 5,3f.; 1 Thess 1,3); die Korinther dagegen wollen die e^ovaia(Wischmeyer, Weg* 109 unter Verweis auf 4,6). Wischmeyer, Weg* 114 folgert aus V. 4—7, daß sich die ayditr] „wie Christus" verhält; die Zusammenstellung der Prädikationen lasse die paränetischen Traditionen „zu Trägern impliziter Christologie" werden, denn die aydnr] sei „in der paulinischen Theologie eine theo-logische und christologische Größe, die zugleich aber die Grundkategorie gläubigen Lebens bildet" (115; dies wird stark betont auch von Wolff, K 311 zu 1 Kor 13 im ganzen). Es sollte gleichwohl nicht übersehen werden, daß in V. 4—7 wie überhaupt in Kap. 13 von Christus nicht ausdrücklich gesprochen ist (vgl. Wischmeyer, Weg* 172 A 288
Über die Liebe
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60). Offenbar kommt es Paulus gerade darauf an, die Praxis der Liebe so zu beschreiben, daß er ohne den ausdrücklichen Verweis auf Christus auskommt; Conzelmann, K 269 folgert aus dem Fehlen der Christologie den starken Einfluß der hell.-jüdischen Schulbildung des Paulus. Der dritte Abschnitt 8—13, durch r| dyditr| als erstes und als letztes Wort deutlich gerahmt, läßt sich in fünf Teile gliedern: V. 8 (Teil I) enthält die Grundthese über das „Nicht-dahin-fallen" der dydjtr| (V. 8a), der die fiiturisch formulierten Gegenaussagen über das Ende von jtQOT]X£Tai, yXüjoaai und yvtöaic; kontrastiert sind (V. 8b). In V 9.10 (Teil II) folgen zwei in der 1. Pers. Plur. formulierte Aussagen über das gegenwärtige yivoboxEiv und JtgoTiXEVEiv, das nur ex nepoug geschehe (V. 9), der sich die V. 8b entsprechende in der 3. Pers. Sing, formulierte Gegenaussage über das Ende des ex iXEQOug Geschehenden anschließt (V. 10). V. 11 (Teil III) enthält eine exkursartige, in der 1. Pers. Sing, formulierte, Aussage über den vergangenen Status als vt|juo5 und den inzwischen erreichten Status als avr|Q. Das bestimmende Verb in diesen drei Teilen ist xaxaQyElv, j e weils betont am Schluß stehend. V. 12 (Teil IV) mit dem zweimaligen Kontrast von öiqti und töte bildet insofern formal eine Art Zusammenfassung, als V. 12a in der 1. Pers. Plur., V. 12b in der 1. Pers. Sing, formuliert ist (nach Wischmeyer, Weg* 213—217 liegt in V. 8 wieder eine Wertepriamel vor, s. zu V. 1—3; vgl. TestHi 33,1—9; diese sei in V. 9—12 „zu einer spekulativ-theologischen Endzeitbelehrung ausgearbeitet", wobei ähnlich wie in SapSal 1,1—15 Bleibendes und Vergehendes einander gegenübergestellt seien, 215f.). V. 13 (Teil V) nimmt einerseits auf V. 8a Bezug und stellt andererseits eine Parallele zu V. 7 dar, insofern Paulus abermals von raoxig und eäjilc; spricht. 8a kann als Folgerung vor allem aus V. 7 gelesen werden, nimmt aber zugleich und vor allem das Folgende vorweg: Die aydjrr] „fällt" niemals (das stark betonende oiiÖEitotE bei Paulus nur hier), d.h. die Liebe, von der Kap. 13 spricht, ist ewig (für Jtfotxei haben die meisten Handschriften das etwas schärfere Kompos. EKKUIXEI, von Allo, K 347 bevorzugt). Hübner, Vetus Testamentum II, 289 vergleicht Hhld 8,7 (LXX: VÖWQ jtoXi) ot> 5uvr|aETca aßeacw xriv dydjir]v, xcti jioxajioL ov auyxX'üao'uaiv ai>xf|v, edv öä> avfie xöv jtdvxa ßiov cmxoü ev tri aydjtr], eijouÖEVcboei e§ouöevcbaouaiv oaixöv); das jetzt, anders als in V. 8b, von Paulus verwendete Präs. zeigt aber an, daß er keine Zukunftsaussage machen will, sondern gewissermaßen zeitlos von der aydjtr) spricht (vgl. |xevei in V. 13). Auf die knappe Eingangsfeststellung folgen in 8b drei entgegengesetzte (öe) im Fut. Pass. formulierte, eschatologische Aussagen über das künftige Ende von drei Charismen, die in V. 1.2 in anderer Reihenfolge bereits genannt worden waren (das dreimalige elte betont eher das Zufällige der Auswahl, nicht deren Vollständigkeit). Als erstes nennt Paulus jetzt die JtQO(}>r|T£Tai (vgl. 12,10; B liest den Sing.); sie werden vernichtet werden (zum fut. xaxaQyeiv in 1 Kor s. 6,13; 15,24.26), wohl nicht in dem Sinne, daß der Inhalt des prophetischen Redens widerlegt, wohl aber daß das Phänomen derartigen Redens eschatologisch (von Gott) beendet werden wird. An zweiter Stelle nennt er das Zungenreden; jtaijaovxai ist nicht einfach stilistische Variante und auch nicht hermeneutischer Schlüssel für die Interpretation von xcrcapyELaOaL (zu Wischmeyer, Weg* 122), sondern offenbar betonter Hinweis darauf, daß die yX.töaoai einfach „aufhören" werden, d.h. im Eschaton wird es offenbar auch die besondere Sprache der Engel (s. V. 1) nicht mehr geben. Als drittes nennt Paulus die (anders als in V. 2 nicht den JtQo4>r)xeica zugeordnete) yvö)ai5, v o n der ebenfalls gesagt wird xaxr|QyT]0r|0exca (ediche Handschriften, darunter A D ' F G lesen analog zum Voranstehenden den Plur. yvröaEig xxX.; S 33 haben yvröoig,
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aber das Verb im Plur.). Die „Erkenntnis" (vgl. V. 2) ist nicht nur kein „Ewigkeitswert", sondern hier könnte sogar gemeint sein, daß der Inhalt der yvcóOLg im Eschaton nicht bestätigt werden wird (zu V. 12b, wo nur scheinbar etwas anderes gesagt wird, s. dort). Da jtgo vpmou steht parallel zu xö ex négoug (V. 9). Der avr|Q ist gegenüber dem VT|Jti05 das Neue; von einer Entwicklung im Sinne eines Reifeprozesses kann man nicht sprechen, denn die Vergangenheit ist abgetan. Ebenso wie in V. 9f. ist die Diskontinuität betont, und gerade darin liegt das intendierte tertium comparationis des verwendeten Bildes: So wie der avr]Q das vr|JUOg-Sein völlig hinter sich gelassen hat, so be290
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steht auch zwischen der „bruchstückhaften" Gegenwart und dem kommenden XEXEIOV völlige Diskontinuität (etwas anders der von Conzelmann, K 276f. zitierte Text Xenoph Cyr VIII 7,6: eycb yäg jiaig TE ÜJV xa EV jiaiai. vo|ii^ö(xeva nakä öoxcö XExaQJitöoGai, EJIEI xe fißr|oa, xa ev veaviaxoig, xfiteiög te avrjQ yevöfievog xa ev avSpdai „als ich Kind war, urteilte ich nach dem, was bei Kindern üblich ist und hielt das für schön; als ich heranwuchs, nach dem, was bei Jünglingen üblich ist, als ich ein erwachsener Mann geworden war, nach dem bei Männern Üblichen"). In 12 wird derselbe Kontrast zwischen dem Gegenwärtigen und dem Kommenden nochmals stark betont (zweimaliges dgxi — TÖTE) . Neu eingeführt ist in 12a die Kategorie des „Sehens": Nach Rom 8,24f. ist uns dies gegenwärtig ganz verwehrt (vgl. 2 Kor 4,18; ßXejteiv im Sinne des apokalyptischen „Schauens" Apk 1,12; 22,8), während Paulus hier sagt, daß wir ,jetzt" indirekt „sehen"; es ist unnötig, dieses ßXejtetv mit dem JIQO4>r]T£t)Eiv in Verbindung zu bringen (so aber Schräge, K III, 310), denn das „Sehen" ist einfach eine Form des „Erkennens" (ßXsjtEiv ist bei Paulus nie im Sinne eines geistgewirkten oder übernatürlichen „Sehens" gebraucht), 8i' EGÖJITQOI) „mit Hilfe eines Spiegels" (D 0243 und etliche Minuskeln lesen (bg 8i' EOÖJIXQO'U, d. h. sie machen aus der Metapher einen Vergleich). Damit ist wohl nicht gemeint, daß wir „ungenau" sehen, etwa deshalb, weil damalige Spiegel nur ein verzerrtes Bild wiedergegeben hätten (das ist nicht der Fall; vgl. Philos Schilderung der Funktion der Spiegel im Heiligtum [Ex 38,8] Migr Abr 98: sie ermöglichen, sich selber ganz genau zu erkennen; s. Burchard, HNT 15/1 Exkurs zu Jak l,23f.). EOOJITQOV im N T noch Jak 1,23, in L X X nur SapSal 7,26: Die Weisheit ist „der fleckenlose Spiegel der göttlichen Wirksamkeit und Ebenbild seiner Güte"' (eoojttQov dxt]A,i8ü)xov xfjg toi) 0eoü Evegysiotg xai eixcbv xfjg dya9öxr]xog aiixofi) und Sir 12,11: Hüte dich vor deinem Feind, „und du wirst ihm gegenüber sein wie einer, der einen Spiegel abpoliert hat, und wirst erkennen, daß er nicht für immer mit Rost überzogen ist" A.a|ai dir' auxoC xai EOT| auxtö cbg ex^ejiaxtbg EOOJXXQOV xai yvcoori ÖXL oijx eig TfiXog xaxicoaev (Übers. V. Ryssel). Wenn Philo Decal 105 aus dem Sabbatgebot die Vollkommenheit der Zahl Sieben folgert, weil sich in ihr Gott am deutlichsten kundtue, tut er das im Vergleich: „Gleichsam wie durch einen Spiegel (cbg ydQ 8ia xaxojrxQou) sieht der Geist durch sie (sc. die Zahl Sieben) Gott in seinem Wirken, in seiner welterschaffenden und welterhaltenden Tätigkeit" (Übers. L. Treitel). Gemeint ist auch nicht, daß wir im Spiegel nur uns selber sehen, sondern vermutlich: Wir sehen nur das Spiegelbild, nicht die Sache selbst; vgl. Philo Spec Leg I 26: Die in Lev 19,4 verbotenen tlbrnXa erscheinen „uns wie die Trugbilder im Spiegel" xaödjieg xa 8ia xwv xaxöJXXQCDV EI'öcoXa (Jxivxä^Exai und „spiegeln Dinge als vorhanden vor, die keine bleibende Existenz haben" (bg av i)(|>EaxT]XÖxa xa |ir] i)jtO[ievovxa (Übers. I. Heinemann). Fee, K 648 sieht in der paulinischen Aussage eine Anspielung auf die Spiegelproduktion, für die Korinth berühmt gewesen sei; zum breiten religions- und geistesgeschichtlichen Zusammenhang s. Urner-Astholz*. Ein Objekt des ßXejreiv wird nicht genannt, d.h. es geht zunächst um den Sehvorgang als solchen, nicht um den Gegenstand des Sehens. Das Sehen 8i' EOÖJXXQOV wird expliziert durch die Näherbestimmung EV amynaxi. amyna eigentlich „Rätselrede", aber das Wort kann auch als Gegenbegriff zu elöog gebraucht werden (Num 12,8 LXX: Gott sagt über seine Beziehung zu Mose axö(xa xaxd axö|xa Ä.aXt|aü) auxcö, ev ELÖEI xai oi) 8t' aiviynäxwv; ob Paulus tatsächlich unmittelbar an diese Stelle denkt, so Robertson-Plummer, K 298, läßt sich kaum sagen; ausführlich zur Sache Dautzenberg* 159—225 mit reichem Material; Barrett, K 307 verweist auf Aesch Ag 291
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1112: die Seherin Kassandra spreche e | aiviy|iv). Das gegenwärtige Sehen ö l ' e o ö j i i qou vermittelt nicht eine zutreffende Sicht der Realität, sondern gibt ein (unlösbares) Rätsel auf; dann aber (töte öe) sehen wir (ßXejtO(i£V ist zu ergänzen) nicht mehr indirekt „mittels des Spiegels", sondern „von Angesicht zu Angesicht". Zu JtQÖatojrov KQÖq jtqög ü o t o v vgl. in LXX Dtn 5,4 ( j i q ö o o o t o v xaxct JtQÖocüJtov eXdXr|0£v xiipiog jtQÖg ii^iäg ev tcü öqei ex jiEöoi) xo€ JTUQÖg) und vor allem Gen 32,31 (xai e x a ^ E O E V Iaxwß xö övo^ia xoü xöjtou exeivou Elöog 8eoi3, eiöov yäg 0eöv itQÖamitov jcgög jtQÖaamov, xai eacoör] |xod t| HnJXrj)-Jetzt wird deutlicher, daß Paulus von der Gottesschau spricht; vgl. in der Sache und auch in der Vorstellung 1 Joh 3,2 (auch wenn Wischmeyer, Weg* 131 A 409 m . R . betont, daß dort nicht dasselbe gesagt ist wie hier). 12b ist parallel zu V. 12a formuliert, jetzt aber wieder in der Kategorie des yivojaxeiv und in der 1. Pers. Sing, (ex |^£QOug wie in V. 9); in der Aussage über das xöxe kommt eine Steigerung ins Spiel: ejuyv(ooo|xai., d.h. „ich" werde vollständig erkennen (bei BauerAland, W b s.v. emyivcboxco l.a. sind Lk 1,4; R o m 1,32; Kol 1,6; 2 Kor 6,9 als weitere Beispiele genannt, vgl. Jos Ant X X 128; nach R . Bultmann, T h W N T I, 703 ist der Wechsel vom Simplex zum Kompositum „rein rhetorisch", aber ernyiviboxeiv markiert doch wohl auch die Differenz zu yivwaxeiv ex (jigoug). Dies ist nun aber nicht ein Akt des eigenen Erkenntnisfortschritts, sondern es entspricht der Tatsache, daß „ich" (schon jetzt) erkannt worden bin (xaQ(i)q wie öfter mit kausalem Nebensinn, s. zu 1,6; 5,7). In der Sache vgl. 8,3, in der Formulierung vor allem auch Gal 4,9. & q x i — xöxe implizieren keine geschichtliche bzw. zeitliche Abfolge, sondern zielen auf ein qualitatives Gegenüber, d.h. es kommt Paulus auf den Kontrast an, nicht auf eine Entwicklung. Das pass. ejteyvü)O0T]v zeigt, daß das „mich" erkennende Gegenüber wirklich Gott ist; die gegenwärtige indirekte Gotteserkenntnis wird durch eine vollständige abgelöst werden, insofern und weil Gott schon gegenwärtig der wahrhaft Erkennende ist (nach Schräge, K III, 315 A 216, ähnlich schon Heinrici, K 406, ist der Aor. ingressiv, d.h. Paulus denke an den Zeitpunkt seiner Berufung; damit wäre das „Ich" dann stark auf die Person des Paulus bezogen, was nach V. 1—3.11 eher unwahrscheinlich ist; Paulus spricht vom „Ich" des von Gott „erkannten" Menschen). Wischmeyer, Weg* 144 betont wieder den christologischen Akzent: Die „Wucht der Polemik" in V. 8—12 sei nur „als Streit um die Christologie" zu verstehen. Die Zuordnung von 13 zum Vorangegangenen ist nicht völlig klar, zumal nicht deutlich ist, ob vuvi und damit 13a im ganzen zeitlich gemeint ist („gegenwärtig aber bleibt ...") und Paulus also abschließend von der Gegenwart spricht, oder aber logisch („nun aber ...") und Paulus also in die Zukunft blickt (|X£vel hätte dann futurischen Sinn; vgl. Sir 40,12: xai maxig e'15 xöv auöva axr|aexai). Nach dem zweimaligen agxi - xöxe und nach dem insgesamt eschatologisch argumentierenden Teil V. 8—12 spricht vieles für eine zeitliche Bedeutung von v d v l , zugleich auch als Ubergang zum Thema von Kap. 14; vgl. Wischmeyer, Weg* 147: „Für die Jetztzeit... bleiben die drei theologischen Tugenden das Bestimmende." Da Paulus jedoch in V. 8—12 bereits jeweils auf das Eschaton vorausgeblickt hatte, wäre es erstaunlich, wenn er in V. 13 ganz zur Gegenwart zurückkehrte (Schräge, K III, 316f.), und deshalb liegt die logische Deutung von vuvi öe wohl doch näher. Die Begriffe jtiorig, eAmg, aydjtr] (zur asyndetischen Aufzählung s. B D R § 460) finden sich bei Paulus ähnlich zusammengestellt schon in 1 Thess 1,3; 5,8 (vgl. Hebr 10,22— 24); Wischmeyer, Weg* 147—153 zeigt, daß von einer womöglich als „Formel" aufzu292
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fassenden Trias nicht gesprochen werden kann; noch weniger handelt es sich um eine korinthische Formel, aus der Paulus ein ursprünglich vorhandenes viertes Glied yvcöaic; gestrichen hätte. Zu maxig s. V. 2. Meli* 200-205 folgert aus der Voranstellung von maxig, daß die Trias an dieser Stelle rechtfertigungstheologisch auszulegen sei. etat ig im 1 Kor nur hier und in 9,10. Daß Paulus sie zusammen mit der aycxjtr| als Einheit begreift, zeigt der Sing, des betont vorangestellten Verbs |XEVEI, daß es dennoch drei Größen sind, zeigt die Nachbemerkung xct x@ia xaüxa (in vorangestellt). Sie gehören insofern zusammen, als die eine nicht ohne die jeweils beiden anderen zu bestehen vermag (vgl. V. 2; zur Sache Bultmann, TheolNT 320£). V. 13a spricht den Gegensatz zu V. 8b aus: jtgo(J)r|xeIai, yXöaaai und yvöaig werden zugrundegehen, maxie;, eXmg und ayccjrr| dagegen „bleibt" (zum eschatologischen Sinn von (leveiv bei Paulus s. 3,14; 2 Kor 3,11). Damit ist die in Korinth vorherrschende Bewertung der )(aQLO(xaxa (12,31a) grundlegend in Zweifel gezogen (vgl. D. Lührmann, Art. Glauben, RAC 11, 72) und die Ankündigung von 12,31b realisiert. Schwierig ist natürlich der Gedanke, daß jriaxig und Etatig auch im Eschaton Geltung haben werden. Bultmann versteht so: etat ig ist Zuversicht auf Gott, und deshalb läßt sich „dem Gottesgedanken zufolge" christliches Sein „auch in der Vollendung nie ohne etatig denken" (ThWNT II, 529); und insofern maxig die Bezogenheit des Menschen auf Gottes Gnade bedeute, werde auch sie „in der eschatologischen Vollendung nicht erledigt sein" (ThWNT VI, 223); anders Wolff, K 325: Paulus rechne nicht mit einem ewigen Bestand von Glaube und Hoffnung (unter Verweis auf 2 Kor 5,6£; Rom 8,24f.), doch bleibt dann der Sinn des jievei undeutlich. 13b bestätigt zum einen die Aussage von V. 8a: Die aydirr] ist deshalb die „größte" von diesen, weil sie „niemals fällt", also ein „Vorschein der eschatologischen Vollendung" (Lang, K 190) ist. Zu nei^cov vgl. 12,31a; Komp. für den Superl. (s. BDR §§60.244). Es liegt wie in V. 1—3 eine Wertepriamel vor (vgl. Wischmeyer, Weg* 217); zur Form vgl. TestHi 27,7: vüv oiv xsxvcx jiou |iaxQO0u|ir)aaxe xcu ii^eig ev Jtavxi at)(ißaivovxi i)(xlv öxi xQeixxcov EOXLV jtavxög r| |iaxQO0u|iia „Meine Kinder, so bleibt nun auch ihr geduldig in allem, was euch trifft; denn besser als alles [andere] ist die Geduld", Übers. B. Schaller, JSHRZ III/3, 348). Zum andern gilt, daß die Liebe als der Maßstab alles Handelns, Glaubens und Hoffens erwiesen worden ist (V. 7); insofern ist das Praktizieren der ayocitT] (vgl. 14,1) die Anwendung des eschatologisch gültigen Handlungsmaßstabs schon in der Gegenwart, und insofern ist nun auch abschließend beschrieben, wie die von Paulus in 12,31b angekündigte „hervorragende" 0605 der Sache nach aussieht. Nach Barrett, K 301 ist die äydnri deshalb nei^tov, weil sie im Unterschied zu TI tax ig und eXmg auch von Gott ausgesagt werden kann (ähnlich schon Bengel zSt.); aber ausdrücklich ist davon im Text jedenfalls nicht die Rede. Der Text 1 Kor 13,1—13 hat eine reiche Auslegungsliteratur hervorgebracht (zur Geschichte Wischmeyer, Weg* 11—26 und vor allem Schräge, K III, 320—373). Die vorstehende Auslegung bestätigt, daß das Kap. unmittelbar kontextbezogen ist und daß es weder abstrakt vorformuliert noch ursprünglich an anderer Stelle eingeordnet worden war (Wischmeyer, Weg*; Wolff, K 311 f.). Gleichwohl gibt es sowohl zum Stil wie auch zur sprachlichen Gestalt eine Reihe von Parallelen, die erkennen lassen, daß Paulus sich bei der Abfassung des Textes an Vorbildern orientiert zu haben scheint. Die auffallendste Parallele ist 3Esra 4,34—41, der Lobpreis der Wahrheit, der dort in den erzählerischen Rahmen des „Pagenwettstreits" vor König Darius eingefügt ist (s. dazu Pohlmann, JSHRZ 1/5, 380—383), auch wenn in 1 Kor 13 im Unterschied zu 3Esra 4 293
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„nirgendwo ein wirkliches Lob ausgesprochen wird" (Wischmeyer, Weg* 205). Die einleitende Wertepriamel 4,34—36 (Erde und Himmel sind groß, aber größer als alles ist die Wahrheit) entspricht 1 Kor 13,1—3; die Verneinung anderer Werte 4,37 (ungerecht sind der Wein, der König, die Frauen, überhaupt alle Menschen) entspricht 1 Kor 13,4—7, der eschatologische Ausblick 4,38—40 (die Wahrheit bleibt und ist mächtig in Ewigkeit, sie macht keinen Unterschied in der Person, ihr kommt die Macht zu und die Gewalt und die Herrlichkeit aller Ewigkeiten) entspricht 1 Kor 13,8—12, die Schlußaussage 4,41 (das ganze Volk rief: ,Groß ist die Wahrheit, und sie ist am mächtigsten') berührt sich eng mit 1 Kor 13,13. Vergleichbar sind auch der Lobpreis des ajtXoijg in Test XII Iss 4,2-6 und der Lobpreis des „guten Mannes" in Test XII Benj 6,1—6, dessen öiaßot)X.iov und dessen öidvoia gepriesen werden. Bemerkenswert ist auch der bei Conzelmann, K 268f. abgedruckte Text MaxTyr 20,2a—c, der den EQcog besingt (vgl. vor allem die Schlußzeile: „Alles wagt er, alles überblickt er, alles beherrscht er" iravia/oi) ödgaei, Jtdvxarv imeQOQä, Jtdvtcov xqatei). Unsicher und nicht wirklich auszuwerten ist die Verbindung mit Porphyr Marc 24 (NW I I / l , 379), da es sich hier jedenfalls um einen sehr späten Text handelt. In deutlicher Anlehnung an 1 Kor 13, vor allem V. 4—7, ist 1 Clem 49f., vor allem 49,5, formuliert, freilich mit spezifischer Aktualisierung (ayditri oi> axaoiä^ei, dyajtT] Jtdvxa Jtoisi ev 6[iovoia; dazu Lindemann, H N T 17, 142-147). Zum Problem der Form von 1 Kor 13 vgl. Wischmeyer, Weg* 191-223; sie unterscheidet zwischen den Formen der einzelnen Textabschnitte (s. die Auslegung) und der Form des Textes im ganzen, den sie als „religiös-ethischen "koyoq" über die aydjrr] bestimmt, den Paulus in seine Großform .Brief integriert habe: „Als ,Rede' über eine .Tugend' ist 1 Kor 13 so ohne formale Parallele im 1. Korintherbrief und im Corpus Paulinum" (222f.; sie vergleicht Hebr 11 als belehrende Rede über die maxi«; und 4 Makk als philosophischen Xöyoq). Paulus spricht in 13,1—13 von der dydjtr) in einem absoluten Sinne, dabei aber sowohl vom Tun des Menschen als auch vom Tun Gottes, auch wenn von Gott, außer in der passiv. Formulierung in V. 12 fin, im ganzen Kap. ebensowenig wie von Christus direkt die Rede ist, was aber nicht bedeutet, 1 Kor 13 enthalte der Sache nach nicht doch eine Christologie (richtig Pedersen* 181). Die dydjrr| ist der kritische Maßstab, dem Paulus in Korinth Geltung zu verschaffen wünscht: Die dydjtr| ist die eigentliche Antwort auf die Frage nach den Ttveu^cmxd und auf das Streben der Korinther nach den /apiaiiaxa xa jieii^ova (dem widerspricht nur scheinbar, daß in Kap. 13 die Anrede in der 2. Pers. Plur. fehlt; die Korinther sind deutlich erkennbar die Angesprochenen). Es bestätigt sich von daher in gewisser Weise die These Bultmanns in seiner Rezension von Barths Auslegung des 1 Kor (GuV I, 38-64), daß 1 Kor 13 und nicht 1 Kor 15 der Höhepunkt des Briefes ist: Paulus handelt in 1 Kor letztlich durchgängig vom Wesen der exxXr|aia (s. die Einleitung: Zum theologischen Thema des 1 Kor), und er fuhrt in Kap. 13 das aus, was er in 8,1 nur angedeutet hatte: Die dydjxr] bewirkt die oixoöo(xr| der Gemeinde (vgl. 16,14; vgl. Bultmann aaO., 64:1 Kor ist geleitet „vom Thema des zeitlichen Lebens der Gläubigen").
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und prophetisches
Reden
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14,1-40 Glossolalisches und prophetisches R e d e n in der Gemeinde Literatur. G. DAUTZENBERG, Prophetie (226-300). - TH.W. GILLESPIE, A Pattern of Prophetic Speech in First Corinthians, JBL 97 (1978) 74-95. - L. HARTMAN, 1 Cor 14:1-25. Argument and Some Problems, in: DERS., Text-Centered N e w Testament Studies. Text-Theoretical Essays on Early Jewish and Early Christian Literature (ed. by D. Hellholm), W U N T 102, 1997, 2 1 1 - 2 3 3 . - H.-J. KLAUCK, Der Gottesdienst in der Gemeinde von Korinth, in: DERS., Gemeinde. Amt. Sakrament. Neutestamentliche Perspektiven, 1 9 8 9 , 4 6 - 5 8 . - U. KÖRTNER, Der Geist der Prophetie, W u D N F 20 (1989) 281-307. - MALY, Gemeinde 176-250. - U.B. MÜLLER, Prophetie und Predigt (23-31). -J.CHR. SALZMANN, Lehren und Ermahnen. Zur Geschichte des christlichen Wortgottesdienstes in den ersten drei Jahrhunderten, W U N T 11/59, 1994 (59-74). - E . SCHWEIZER, The Service ofWorship. An Exposition of I Corinthians 1 4 , i n : DERS., N e o t e s t a m e n t i c a , 1 9 6 3 , 3 3 3 - 3 4 3 . - H . WEDER, D i e G a b e d e r EQ|IR|V£IA(L K o r 1 2 u n d 1 4 ) ,
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In Kap. 14 geht Paulus ungewöhnlich ausführlich auf die Versammlungen der Gemeinde in Korinth ein, wobei er in V. 1 durch öicoxexe tf)v dydjtr|v zwar nicht syntaktisch, wohl aber inhaltlich an 13,13 anschließt. Weiß, K 321 sieht allerdings gerade darin eine schwache redaktionelle Brücke; ursprünglich sei V. l b unmittelbar auf 12,30 gefolgt. Nach Schmithals, Briefe 34 folgte der Abschnitt 14,1c—40 im ursprünglichen „Brief E" auf 12,31a (i^XoüTe öe xä xapianaxa xct |xei^ova, näXXov ös iva JiQOR) läßt erkennen, daß Paulus etwas im Grunde Unmögliches verlangt: Die Ubersetzung seines eigenen Redens wird der Glossolale kaum leisten können (und wollen; nach Plat Tim 71c-72b darf das „enthusiastische" Reden des Sehers [[xaveig] keinesfalls von ihm selber beurteilt bzw. gedeutet werden ,Text bei N W I I / l , 384); man kann deshalb (mit Schräge, K III, 389 A 67) fragen, ob der in V. 5a ausgesprochene Wunsch wirklich ernstgemeint ist (vgl. V. 23). Das klare Ziel ist, daß die exxXr)oia eine oixoöojiT| empfängt; ob EXxXr|öia hier die Gemeinde im Sinne von 1,2 ist oder die konkret versammelte Gemeinde im Sinne von 14,28, läßt sich nicht entscheiden. Mit V. 1—5 ist das Thema genau beschrieben: In der Gemeinde(versammlung) hat das den anderen Menschen ansprechende, die Gemeinde aufbauende prophetisch-vollmächtige Reden den absoluten Vorrang vor der geisterfullten Glossolahe, die zumindest ohne Ubersetzung der Gemeinde nicht zu helfen und sie zu fordern vermag. Daß Paulus die Glossolalie nicht ablehnen kann, ist selbstverständlich, ist sie doch ein x? 28,12: snbtp k n « xS"; h r c n a n nxiY w a n nmaan nxt "iön "itfs „Denn durch (Völker) stammelnder Lippen und in fremder Zunge wird er zu diesem Volk reden, da man zu ihnen gesprochen: Dies ist die Ruhe, gebot Ruhe den Müden, und dies ist die Rast; sie aber mochten nicht hören" (Ubers. L. Zunz). Der LXX-Text lautet: 28,11: öux 4>aij)iia(j,öv xeilecov öiä Y^maari^ exegag, öxi ^aXr|aoi)aiv xcö Xacp xoiitü) 28,12: Xeyovxeg aiiTrä Tovxo xö avotjiau(xa xcö jieivwvxi xai xofixo xö aüvxQifina, xal oiix r|0£X,r)oav axoiisiv. „Durch die Unreinheit der Lippen, durch fremde Zunge, weil sie sprechen werden zu diesem Volk, wobei sie zu ihm sagen: Dies ist die Ruhe für den Dürstenden und dies ist die Bedrängnis, und sie wollten nicht hören". Einen synoptischen Vergleich bietet Koch, Schrift 63f.; Koch macht plausibel, daß die Verwendung der 1. Pers. Sing. (Ich-Rede Gottes) auf Paulus zurückgeht (nach Dautzenberg, R A C 11, 237 zeigt dies, daß das Zitat „in der Auseindandersetzung der Urkirche mit dem Judentum geformt wurde"); Paulus hat auch in V. 21b die Aussage von Jes 28,12 absichtlich geändert (kritisch dazu aber Stanley, Paul 204f.), sich im ganzen aber an eine ihm vorhegende Textfassung gehalten, die eher dem hebr. Text als der L X X entspricht. EXEQoy'koioooq, eigentlich „fremdsprachig", nicht in L X X und sonst nicht in fnihchr. Lit., aber bei Aquila (s. Bauer-Aland, Wb s.v.). in uns. Lit. nur im Rahmen von AT-Zitaten, ausgenommen Herrn Mand XII 4,4; Sim I X 21,1, oft im Gegenüber zur xcxQÖia. elaaxotieiv bei Paulus nur hier. Der ganze Satz gilt als Rede Gottes (s.o.), zum einen durch die 1. Pers. Sing., zum andern durch Xeyei XIJQ105, das für Paulus Teil des Zitats ist und nicht dessen Markierung dient, wie die Einleitung Y£Y6 a j t T a i ° x l zeigt (anders Schräge, K III, 379; vgl. aber Koch, Schrift 65.111 f.). Der zitierte biblische Text ist ursprünglich ein prophetisches Drohwort, das den Kritikern des Propheten (Jes 28,9f.) in Aussicht stellt, „daß Jahwe zu den Spöttern in Jerusalem durch fremde, eine den Juden unverständliche Sprache redende Menschen sprechen werde"; mit 28,12 wird an die Predigt Jesajas erinnert und ausdrücklich deren Ablehnung durch das Volk konstatiert, „um so den Späteren einzuprägen, daß die Katastrophe selbstverschuldete Folge der Ablehnung des durch die Propheten ergangenen Angebotes Jahwes ist" (O. Kaiser, ATD 18, 196). In der von Paulus verwendeten Form sagt das Wort, „dieses Volk" werde gerade auf eine in der Weise der Glossolahe ergehende Gottesbotschaft nicht hören; die Frage, ob es nicht hören will oder nicht hören kann, ist dabei ohne Gewicht (zu Conzelmann, K 294), denn es kommt Paulus allein auf die Feststellung an, daß es tatsächlich nicht hört (= versteht). In Qumran gibt es in 1 Q H X 18f.; XII 16f. (Zählung nachj. Maier) in der Polemik gegen Lügenpropheten Anspielungen aufJes 28,11—13, freilich nicht als Zitate (vgl. den Exkurs bei Maly, Gemeinde 229—236). Die aus dem Zitat gezogene Folgerung (werte) lautet 22a, daß die yXcöoaai als ein ar][iElov nur den äraoxoi dienen (zu elvai £1.5 s. B D R § 145 2 ), nicht aber den jtioxeijovxeg
308
Glossotalisches und prophetisches Reden: Die Wirkung des Redens
14,22-23
(Wilk, Bedeutung 109 versteht das Part, oi mcrtEiJOVTEg als „die, die zum Glauben kommen", aber das entspricht nicht dem paulinischen Sprachgebrauch, vgl. Rom 1,16; 3,22; 4,5 usw.). Das Stichwort ar)|ieIov steht etwas überraschend (zuvor nur 1,22), so daß vermutet worden ist, hier werde eine korinthische Aussage aufgenommen und zurückgewiesen (vgl. Kremer, K 305) oder einem imaginären Gesprächspartner eine rhetorische Frage in den Mund gelegt (Johanson* 193f.); aber das ist nicht wirklich erkennbar. Gemeint ist, daß die „Fremden" (6 Xaog ovxoq) aus dem Reden ev ereQoyXdiaaoic, xxX. bestimmte Schlüsse ziehen; welche das sind, sagt V. 23 (vgl. Koch, Schrift 269; Hartman* 228). at]|xeiov ist also weder ein kritisches „Warn-" noch ein positives „Erkennungszeichen", sondern neutral das Zeichen, das der Deutung bedarf und tatsächlich unterschiedlich gedeutet wird (ganz unwahrscheinlich ist die Vermutung von Wilk, Bedeutung 180f., Paulus denke an das Sprachenwunder von Apg 2,4.9—11 und wolle mit Hilfe des Jes-Zitats sagen, daß nicht einmal das Pfingstwunder „geeignet sei, Israel zum Glauben an das Evangelium zu führen"). Die Gegenaussage in 22b wird von Paulus nicht biblisch belegt, ergibt sich aber aus dem schon in V. 1—5 betont hervorgehobenen Gegenüber von Glossolalie und JtQo4>r|xeia. Daß diese „auch auf die Ungläubigen" wirke (Conzelmann, K 295; ähnlich Schräge, K III, 409), ist ein Mißverständnis: Die eig or|(xeIov gewordene prophetische Rede macht aus den Hörenden ja gerade moteijovreg (vgl. V. 25). In 23 wird konkretisiert, was gemeint ist: Wenn sich die Gemeinde versammelt (r) exxA.r|oia öXr| impliziert nicht, daß buchstäblich alle anwesend sein müssen; zum Zusammenhang von oXr] und Jidvieg s. Gielen*, vor allem 113—117; zu em xö aiixö s. 11,20; eäv mit Aor. auveXGfl zielt auf den möglicherweise eintretenden Fall; Rückschlüsse auf die Größe der Gemeinde und/oder die Größe des Versammlungsraumes sind nicht möglich) und diese Versammlung ist durch Glossolalie bestimmt, so werden anwesende Fremde zu einem negativen Urteil gelangen. Das von ihnen ausgesprochene Urteil HaiveoOe (|^aivo|iai bei Paulus nur hier, vgl. aber Apg 12,15; 26,24f.) verweist nicht auf die in zeitgenössischen Kulten praktizierte [iavia; denn dann könnte es durchaus sein, daß der ämcrtog mit seiner Aussage in V. 23 sogar ein Lob aussprechen würde (vgl. Dautzenberg, Prophetie 245). Es geht Paulus nicht um eine zu vermeidende Verwechselbarkeit mit fremden Kulten, sondern um den zu vermeidenden Eindruck, die korinthischen Christen seien verrückt und eine nähere Beschäftigung mit ihnen lohne sich nicht. Die ämaTOi sind Nichtchristen (s. 6,6; 7,12—15; 10,27); ihre Anwesenheit in der eMxX.r|oia scheint ebenso wie in der Synagoge ohne weiteres denkbar zu sein (im Blick auf heidnische Kulte verweist Barrett, K 325 auf Apul Met XI 15,4; die dort erwähnten irreligiosi sollen den Mysten allerdings in der öffendichen Prozession sehen und „ihren Irrtum erkennen"). Schlußfolgerungen hinsichtlich des Verhältnisses von Wortgottesdienst und Mahlfeier lassen sich aus dem Text nicht ziehen (zur Sache vgl. Salzmann*; Klauck, Herrenmahl 346—351 argumentiert mit guten Gründen für die Reihenfolge Sättigungsmahl — Eucharistie —Wortgottesdienst, wobei er m.R. die oft aufgrund von Did 9,5 vertretene Annahme als fraglich erweist, Nichtchristen hätten am Herrenmahl keinesfalls teilnehmen dürfen). Oft wird angenommen, die löiwiai seien von den ämaTOi nicht unterschieden (u.a. Lietzmann, K 73; Conzelmann, K 295; Schräge, K III, 411): Dann läge allerdings eine wenig wahrscheinliche erhebliche Bedeutungsdifferenz zu V. 16 vor; und gegen eine Gleichsetzung beider spricht auch das fj. Hahn* 60 A 22 sieht in den UHCOTCXI eine den Gottesfiirchtigen der Synagoge vergleichbare Gruppe (dazu
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14,1-40
Die Versammlungen der Gemeinde
aber m.R. Wolff, K 336: solchen müßte das Phänomen bereits bekannt sein). Am nächsten liegt die Annahme, daß Paulus ebenso wie in V. 16 an diejenigen denkt, die mit der Glossolalie nicht vertraut sind, ohne daß sie deshalb als ämoxoi zu bezeichnen wären. Die Form der rhetorischen Frage in V. 23 (OIL>X E Q O Ö J Ö L V ; ) zielt darauf, daß die Adressaten diese Ansicht bestätigen sollen und werden; überdies scheint sich Paulus selber mit dem Urteil (xaiveoOe durchaus zu identifizieren. Parallel zu V. 23 (eocv... jtävxeg) folgt in 24 die Gegenaussage (öe): Durch die verständliche prophetische Rede werden der cbuoxog bzw. (f]) der iöicöxr)g (jetzt sing., weil es um die Reaktion des einzelnen geht; ctmcrtog steht voran, weil jetzt der Aspekt der Bekehrung wichtig wird, derer der iöici)XT]g nicht bedarf, Wolff, K 336) von der Wahrheit der im gottesdienstlichen Geschehen sich vollziehenden Verkündigung überzeugt. eXeyXexai (das Verb bei Paulus nur hier, dann aber in Eph 5,11.13 und fünfmal in den Past; Calvin, K zSt. verweist als Parallele aufjoh 16,8; Müller* 25f. verweist auf Ign Phil 7,1, wo es vom Geist Gottes heißt: xa X Q U J I I Ä EX.EYXei) und avaxQivexai (s. zu 2,14f.; 4,3f.) beziehen sich darauf, daß sich der betreffende Mensch von der Predigt „aller" ( Ü J I Ö jtdvxcov nimmt Jtävxeg jiQotjnixeiicoaiv auf) „überführen" läßt (vgl. Joh 3,20). Er erkennt also die Wahrheit über sich selbst, mit der in V. 25 beschriebenen Folge; von einem „Tribunal", bei dem die Gemeinde dem ämaxog „seine Sünden vor Augen" hält, ist nicht die Rede (zu Kremer, K 306f.). Daß die prophetische Rede „direkt auf den Außenstehenden gerichtet" ist (so Wolff, K 336), sagt Paulus nicht, und es ist auch wenig wahrscheinlich, daß sich das JtQOT|XE'üei.v „aller" unversehens auf die Person des (doch wohl zufällig anwesenden) ämaxog i] iöid)XT]g konzentriert (Theißen, Aspekte 86f.; Dautzenberg, Prophetie 247 A 76 ). Die gottesdienstliche Versammlung dient nicht der Mission, läßt aber die Wahrheit des Evangeliums auch für Außenstehende sichtbar werden. So wird, wie Paulus in 25a abschließend feststellt, das in seiner xapöia Verborgene (zu xäxQimxä vgl. vor allem 4,5, ferner 2 Kor 4,2; Rom 2,16; zum Neutr. Plur. vgl. 1,27 xä |IOJQCT TOXI x6a|iou) offenbar, und zwar ihm selber (so auch Schräge, K III, 413). Zu xaQöia s. 4,5; Gott sieht in das menschliche Herz (Rom 8,27), und umgekehrt ist das Herz der „Sitz" des Glaubens (Rom 10,9f.). Davon überwältigt bekennt er 25b die Gegenwart Gottes in der Gemeinde; vgl. Weiß, K 333: „Das n:goEi.v von Männern und Frauen gegangen, während den Frauen in 14,34f. jegliches Reden ev exx)o|aia untersagt wird. Vieles spricht für die Annahme, daß es sich bei V. 34.35 (eventuell V. 33b— 35) um eine spätere Interpolation handelt (s. den Exkurs nach V. 35). Die rhetorische Frage in V. 36 knüpft an V. 33a (eventuell V. 33b) an: Die korinthischen Christen sollen nicht meinen, sie könnten gegenüber dem in den Gemeinden sonst Üblichen eine Sonderrolle spielen. In V. 37f. und V 39f. folgen zwei abschließende Bemerkungen, mit denen Paulus das Gewicht des von ihm Vorgetragenen unterstreicht: Wer sich in Korinth als Prophet oder gar als Pneumatiker sieht, wird begreifen, daß die paulinischen Anweisungen zum Thema „Prophetie und Glossolalie" eine Weisung des xügiog sind (V. 37; V. 38 sagt dasselbe negativ). In V. 39 kehrt Paulus zum Anfang (V. 1) zurück: Nach dem itQO(j)r|X£ij£iv sollen die Adressaten streben, sie sollen auch das ^.aXelv ytaüoaaig nicht verhindern - aber (V. 40: 8e): Es soll alles y.arä x d | i v geschehen, also entsprechend den Anweisungen, die Paulus zuvor gegeben hatte. Paulus setzt in 26 neu ein (xioiv ecmv; wie in V. 15; die Anrede a8eX.(j)oi wie schon in V. 6.20; insgesamt 21mal im 1 Kor), indem er, durch das wiederholte exei rhetorisch betont, auf fünf Gaben hinweist, die bei den Zusammenkünften der Adressaten erfahrbar werden. auveQxeoöai, wie in V. 23 und zuvor fünfmal in 11,17—34, bezieht sich auf die sich versammelnde Gemeinde; S/EL wohl weniger exakte Beschreibung der Realität als vielmehr Ausdruck des zu Wünschenden. Genannt werden Elemente der gottesdienstli312
Glossolalisches und prophetisches Reden: Die Ordnung der gottesdienstlichen Versammlung
14,26-28
chen Versammlung; leider lassen aber die Angaben eine Rekonstruktion des Gottesdienstablaufs nicht zu, insbesondere auch nicht eine Bestimmung des Verhältnisses zur Mahlfeier (vgl. 11,17—34). Exaaxoq wie in 1,12 nicht buchstäblich , j e d e r " , sondern partitiv (sehr viele Handschriften, darunter X 2 D F G W ergänzen präzisierend i)|xc5v); B e n gel zSt.: Fructuosior tum erat concio (Versammlung), quam hoäie, ubi unus, quocunque est animo, tempus explere sermone debet. Fünf Elemente werden genannt: o|KxX,n,ög (bei Paulus nur hier, vgl. aber Kol 3,16; Eph 5,19) meint im N T (nur Lk/Apg) sonst den biblischen Psalter, hier in Aufnahme von ijxxXXco (V. 15) gottesdienstlich verwendete Psalmen (vgl. Hübner, H N T 12 zu Kol 3,16), nicht christliche Hymnendichtung, wie sie etwa in Apk 4,11; 5,9f. usw. erkennbar wird (anders Wolff, K 338f.). öiöaxii ebenso wie ä:ioxäXui|Hc; schon in V. 6; öiSa/i] (sonst bei Paulus nur noch R o m 6,17; 16,17, vgl. aber öiödoxaXog in 1 Kor 12,28f.) meint nicht ein „Lehramt", sondern eine einzelne (Lehr-)Aussage. Zu äjioxdXui|)L5 als Offenbarung an einen einzelnen s. V. 6 (vgl. 2 Kor 12,1.7; Gal 1,12; 2,2). Zu yXcöooa s. den Exkurs nach V. 2; ungewöhnlich ist allerdings die Verbindung yXcooGav exeiv. Hier wie bei Paulus auch sonst ist yXtbaaa verbunden mit eg|ir|V£ia (vgl. 12,10.30, vor allem 14,5.13). Zu Jidvxa JtQÖg olxoöo|ir|V vgl. 14,3—5.12; nach der Argumentation in V. 4 spricht manches für die Annahme, daß der Hinweis auf die oixoöo^ir| eine kritische Funktion gegenüber dem bis dahin Gesagten hat (vgl. R o m 15,2). Bengel zSt.: Optima norma. Auf diese allgemeine Vorbemerkung folgen in 27 und dann auch in V. 28f. konkrete Verfahrensvorschriften: Wenn (einfaches eixe, s. B D R § 4 5 4 3 ; Bezugspunkt ist V 29 jtQO^fjxai öe) jemand glossolalisch redet, so sollen dies nur zwei oder „höchstens" (zu xö itX,Eiaxov s. Bauer-Aland, W b s.v. itoXiig III. 2.b.ß) drei tun, und zwar einzeln der R e i h e nach (avd jiEQOg im N T nur hier, vgl. B D R § 2 0 4 ; Bauer-Aland, W b s.v. avd 2); einer (Eig offenbar betont nach bvo und XQEig) soll in verständliche Sprache übersetzen (vgl. V. 5.13). Im Grunde läuft schon diese Weisung auf eine Einschränkung hinaus, da der Glossolale selber sich kaum zu kontrollieren vermag; das in V. 27.28 Gesagte richtet sich also an die EXxX.r|aia, die eine Kontrollfunktion wahrnehmen soll, wobei aber vorausgesetzt ist, daß sich die Glossolalen solche Kontrolle gefallen lassen. Auf die Lektionen im synagogalen Gottesdienst verweist Billerbeck III, 465—467; es handelt sich aber um keine wirkliche Parallele, da es um dort um das Lesen und nicht, wie hier vorausgesetzt, um das freie Sprechen geht. 28: Wenn jedoch kein Übersetzer da ist (Öi£Q^T]V£UTT|5 im N T nur hier, nicht in L X X ; EQ^iT]VEiJxris [so B D * F G 365] in Gen 42,23 L X X ) , soll es in der Gemeindeversammlung keine Glossolalie geben; die Aussage zeigt im Zusammenhang mit V 27, daß der Ubersetzer nicht mit dem Glossolalen identisch sein kann, aiydxoo bezieht sich auf xig in V. 27 (oiyöv bei Paulus nur hier und V. 30; vgl. V. 34 und R o m 16,25). In diesem Falle mag der Glossolale für sich (savxa) offenbar nicht im Sinne von „zuhause", da sonst das parallele xai xcö 0efl> nicht dazu passen würde; vgl. V. 4a) und für Gott (vgl. V. 2) sprechen. Die Anweisungen in V. 27 f. legen die Vermutung nahe, daß Paulus die Glossolalie nicht nur einschränken, sondern faktisch unmöglich machen will; denn die von ihm hier aufgestellten Ordnungsprinzipien widersprechen dem, womit im Zusammenhang der spontan durch das Wirken des irv£i)|j,a ausgelösten Glossolalie zu rechnen ist. Paulus unterstellt, daß der Glossolale so weit kontrolliert zu werden vermag, daß sichergestellt ist, er werde ev exxA.r|oia gegebenenfalls schweigen. 313
14,1-40
Die Versammlungen der Gemeinde
29: Für die jrgor|fu). ol äXXoi wohl nicht die anderen jtQöe öiaxgivsixe); allerdings werden dort handhabbare Kriterien genannt, wie der Jtgor|xr|5 vom tyeuöojtgo(j)r|xri5 unterschieden werden kann. Ob die Jtgocfifjxai längere „Predigten" halten (vgl. Apg 20,7) oder nur kurze Offenbarungsworte aussprechen (V. 30), ist nicht zu entscheiden. In 30 holt Paulus gleichsam das avd [lEQog (vgl. V. 27) nach: Sobald ein anderes Gemeindeglied eine prophetische Offenbarung empfängt (zu cutoxaMutxeiv in diesem Sinne vgl. 2,10, vgl. auch R o m 1,17; in der Sache s. V. 6.26; xaÖrpEVG) zeigt, daß der prophetisch Redende steht), soll der erste schweigen (0170x00 wie V. 28; Robertson-Plummer, K 322: Gesagt sei nicht, daß der erste sofort zu schweigen habe, oiyrioäxco). Die oft als Parallele genannten Bestimmungen aus 1 QS VI 10—13 setzen eine hierarchisch strukturierte „Rednerliste" voraus, basieren also auf ganz anderen Voraussetzungen. Abschließend gibt Paulus in 31 die vorläufige Begründung (JOLQ): Es ist den (d.h. allen: JtdvxEg; einige späte Handschriften korrigieren in Exaoxoi, also diejenigen, die prophetisch reden; jtdvxeg meint in V. 31a dieselben wie in V. 31b) korinthischen Christen durchaus möglich, einzeln (xa0' eva bei Paulus sonst nicht, vgl. aber Eph 5,33) prophetisch zu reden, damit sie alle (jidvxEg) gleichermaßen davon profitieren (zu jiavSdvoocnv vgl. öi6axr|, V. 26; zu JtapaxaXcövxai vgl. V. 3; JiaQdx>.T]aig und oixoöojir| sind nahezu bedeutungsgleich). Paulus hebt in 32 in einer Zwischenbemerkung (Robertson-Plummer, K 323: Das durchgängige Fehlen des Art. „makes the saying more like a maxim or proverb") hervor (xai „ja sogar", wie in 2,10), warum die Anweisungen von V. 29—31 möglich sind: Die Propheten gebieten über ihr jeweiliges JtveCjxa, sie sind nicht dessen willenlose Objekte. jtVEij|xaxa plur. wie in V. 12, vgl. 12,10 (D F G W* und wenige andere Handschriften bezeugen den Sing.), bezieht sich auf die den einzelnen Propheten vermittelte Gabe, also die verschiedenen Manifestationen des jtVEij(j,a (vgl. Apk 22,6), die der Prophet zu kontrollieren vermag (zur Formulierung vgl. Lk 10,20, dort bezogen auf xd öai|i6vux). Seine in V. 26b—31 gegebene und durch die Aussage von V. 32 abgesicherte Weisung begründet bzw. expliziert (yoLQ) Paulus in 33a abschließend mit dem Hinweis auf das Wesen Gottes (V. 33a geht natürlich nicht allein auf V. 32, entgegen der Interpunktion bei Nestle-Aland 27 ), dxaxaoxaoia ist (in 2 Kor 6,5 sing., 12,20 plur.) im Rahmen von Peristasenkatalogen belegt, in Lk 21,9 plur. in apokalyptischem Kontext neben jiöXe|xoi (vgl. 1 Clem 3,2); es wird durch das oppositum ELQT|vr) näher charakterisiert: Paulus denkt daran, daß Gott handelt als Schöpfer und Bewahrer (elqt|vti), nicht als ein Gott der Zerstörung und der Spaltung (Schräge, K III, 456: keine „enthusiastische Anarchie"); diesem Wesen Gottes soll die gottesdienstliche Praxis in Korinth entsprechen (vgl. Klinghardt* 358). „Gott des Friedens" ist in der Regel Briefschlußwendung (Rom 15,33; 2 Kor 13,11; Phil 4,9; 1 Thess 5,23; vgl. 2 Thess 3,16; Hebr 13,20.); nach Mitchell, Paul 314
Glossolalisches und prophetisches Reden: Die Ordnung der gottesdienstlichen
Versammlung
14,33-34
172f. wendet sich Paulus hier wieder gegen die Spaltungstendenzen in der Gemeinde: axaraoraoia ist „the perfect negative counterpart" zur oixoöo[ir|. Unklar ist, ob 33b als verkürzte Nachbemerkung zwar nicht speziell an V. 33a (dann läge eine sehr eigenartige Aussage über Gott vor), wohl aber an den ganzen bisherigen Gedankengang von Kap. 14 anzufügen ist. In diesem Fall würde Paulus ähnlich wie in 4,17; 7,17; 11,16 abschließend daraufhinweisen, daß in Korinth dieselben Maßstäbe gelten sollen wie in allen anderen Kirchen auch; allerdings wäre die Formulierung dann stilistisch sehr viel härter als an den vorangegangenen Stellen — am besten wäre ein Verb, etwa 8iaxdoao|j,ai wie in 7,17 oder ötöäoxw wie in 4,17 zu ergänzen. V. 33b könnte deshalb auch die in V. 34.35 folgende Anweisung einleiten (s. die Druckanordnung bei Nestle-Aland27); dann wäre eine Formulierung ähnlich der in 11,16 zu ergänzen (etwa: auvr|6eiav B/EXE), wobei sich allerdings zugleich auch der Sinn des Wortes sxx>.r|aia verschieben würde (V. 33b „Kirche, Gemeinde", V. 34a „Gemeindeversammlung"). Die ungewöhnliche Ausdrucksweise exxXr]OLa xcöv ayicov (im N T und Apost. Vätern nur hier) spricht dafür, V. 33b zum folgenden zu ziehen (weiteres s. im Exkurs: Der Schweigebefehl gegen die Frauen, nach V. 35). In V. 34.35 geht es unvermittelt speziell um das Verhalten der Frauen in den Gemeindeversammlungen (die Handschriften des „westlichen" Textes lesen V. 34.35 erst im Anschluß an V. 40; s. dazu den Exkurs nach V. 35: Das Textproblem in 14,34.35). Das erinnert an Kap. 7 sowie an 11,2—16, wo Paulus ebenfalls ausführlich vom Verhalten der Frauen gesprochen hatte, in beiden Fällen allerdings durchgängig mit Blick auf den Mann als Gegenüber. Jetzt dagegen wird 34a eine allein die Frauen betreffende (nicht: sie anredende) Weisung ausgesprochen: Sie haben in den Gemeindeversammlungen (EV taig EXxXrioiaig plur., im Unterschied zu V. 4f.12.19.23.28) zu schweigen. Die Aussage ist strikt formuliert und auch entsprechend aufzufassen. Zwar erinnert der Impt. oiyäxwoav an V. 28.30; aber von den Propheten war gesagt worden, sie sollten im gegebenen Augenblick schweigen, während hier über die Frauen gesagt wird, sie hätten ständig (nicht nur „während andere reden", wie Kremer, K 312 meint) zu schweigen. Daß das Schweigen für Frauen ein besonderer „Schmuck" sei, gilt der Antike weithin als ausgemacht (s. die bei N W II/l, 385—388 zusammengestellten Texte, von den Vorsokratikern bis Plutarch). Die dafür in 34b gegebene erläuternde Begründung (JÖLQ) ist inhaltlich zunächst eine Wiederholung der ersten Aussage (oi)... X,aX.£iv); dabei meint XaXelv auch hier durchaus nicht ein „Drauflosreden" (so Wolff, K 344), sondern, wie seit V. 2 ständig, das Reden überhaupt. Da jede nähere Charakterisierung fehlt, ist es generell gemeint. Die Wendung oi) EJUXQEJTEXCU auxali; nennt den Urheber der Anweisung nicht (ETUXQEJIEIV bei Paulus sonst nur noch 16,7, bezogen auf den JtUQiog; ähnlich Hebr 6,3; s. aber 1 Tim 2,12: öiöüaxeiv ÖE Y^vaixi, OIJX EJIITQEJIO)). Mit älXä wird keine Alternative eingeleitet, sondern eher eine Steigerung (vgl. B D R § 448,6). Die Anweisung (nicht: Empfehlung, so Wolff, K 345) •ujtoxaoaEO0(ooav nennt kein Obj., wofür es sonst keine Parallele gibt (A ergänzt: xou; dvögctaiv); nach Wolff, K 345 denkt Paulus an ein „Sich-Einfügen in die Ordnung des Gottesdienstes", aber warum sollte dies nur für die Frauen gelten? imoxdooEoOcii in bezug auf das Handeln von Menschen untereinander bei Paulus nur noch 1 Kor 16,16 und R o m 13,1 (vgl. dagegen Kol 3,18; Eph 5,22; Tit 2,5; 1 Petr 3,5). Mit xaOwg angeschlossen folgt eine zweite begründende Erläuterung, die sich wohl nicht nur auf vnoxaooeaQwaav bezieht, sondern 315
14,1-40
Die Versammtungen der
Gemeinde
auf die ganze in V. 3 4 gegebene Anweisung: Auch der vöjiog „sagt" dies (keyeiv in ähnlichem Zusammenhang R o m 3,19; 7,7; 1 Kor 9,8; Aalen* sieht eine große Nähe zu rabb. Sprachgebrauch). A u f die Autorität des vö^og hatte Paulus schon in 9,8 und in 14,21 hingewiesen, in beiden Fällen aber unter ausdrücklicher Zitierung eines Schriftworts (vö^iog also im Sinne von f| yQacj>r|), während hier eine Bezugnahme auf eine bestimmte Aussage der Tora nicht erkennbar ist (möglich wäre allenfalls Gen 3,16: ... xcd Jtpög xöv ävÖQa aou f| djtoaxQOr| aou, x a l aiixög aou xuQietiaei.). Zur Formulierung vgl. das R e ferat der Ehegesetze (ol itepi yä(xct)V VÖJIOL) bei Jos Ap II 199—201: 6 vö|xog gestattet den Geschlechtsverkehr nur xaxct i>cav, und er sagt (4>r|aiv) weiter, daß die Frau eig anavxa dem Mann nachgeordnet ist (xoiyaQoüv iiiraxoDETO), |i,f| jiQÖg vßQiv, a l l ' iv' äQxnxcu „Daher soll sie gehorchen, nicht zur Mißhandlung, sondern damit sie gefuhrt werde"), da Gott dem Manne die Herrschaft (xö xgdxog) gegeben habe. In 3 5 a wird die Weisung von V. 34a noch näher präzisiert: Wenn die Frauen in der Absicht, etwas lernen zu wollen (anstelle des punktuellen Aor. |xa0etv lesen X* A c und etliche Minuskeln das „zeitlose" Präs.), Fragen stellen möchten (eutEQCDxäv bei Paulus sonst nur noch innerhalb des AT-Zitats in R o m 10,20), so ist ihnen auch diese F o r m des R e dens EV EXXÄJIAIG untersagt: Sie sollen zuhause (EV o'ixcp wie in 11,34) ihre Ehemänner fragen (zur Formulierung xoxjg iöioug ctvÖQag vgl. 7,2); unverheiratete oder mit N i c h t christen verheiratete Frauen (s. 7,13) sind offenbar gar nicht im Blick. Die Bestimmung, daß das Lernen nicht ev exxXrioLg geschehen solle, steht in Spannung zu V. 31 (iva Jtötvxeg navOdvaxjiv). Die dazu in 3 5 b gegebene Erläuterung (yöiQ) begründet nicht, sondern unterstreicht nochmals, daß für „die Frau" (jetzt der kollektive Sing, wie in Kap. 7 und 11, vgl. B D R § 139; hier ist klar, daß yuvr| nicht spezifisch die Ehefrau ist) jegliches Xakel\ EV exxXr\aia „schändlich" ist (aiaxQÖv ... yuvouxi wie in 11,6; EOXLV fehlt in S $ 4 6 B 81, offenbar in A n lehnung an 11,6).
Das Textproblem von 14,34.35 Literatur. G. FITZER, Das Weib schweige in der Gemeinde. Uber den unpaulinischen Charakter der mulier-taceat-Verse in 1. Korinther 14, TEH NF 110, 1963 (6-9). - C. NICCUM, The Voice of the Manuscripts on the Silence of Women: The External Evidence for 1 Cor 14.34-5, NTS 43 (1997) 242-255. - PH. B . PAYNE, Fuldensis, Sigla for Variants in Vaticanus, and 1 C o r 1 4 . 3 4 - 5 , N T S 4 1 ( 1 9 9 5 ) 2 4 0 - 2 6 2 . - DERS., M s . 8 8 as E v i d e n c e for a T e x t w i t h o u t 1 C o r 1 4 . 3 4 - 5 , N T S 4 4 ( 1 9 9 8 ) 1 5 2 - 1 5 8 . - WIRE, W o m e n Prophets, 1 4 9 - 1 5 2 .
Während der Wordaut von 1 Kor 14,33 und 14,36 in der Textüberlieferung eindeutig bezeugt ist (in V. 33a fehlt lediglich bei o 0EÖ5 der Art. in s-ß46 F G, in V. 36 bietet Sß46 eine leicht abweichende Wortfolge), finden sich innerhalb von V. 34.35 zahlreiche Varianten. Von besonderer Bedeutung ist aber vor allem die Tatsache, daß die Zeugen des „wesdichen" Textes (die griech.-lat. Codices D E F G, ferner die aldat. Handschrift itr", sowie Ambrosiaster und Sedulius Scotus), darüber hinaus die Vulgata-Handschrift Reginensis und die griech. Minuskel 88* den Text von V 34.35 erst im Anschluß an V 40 überliefern. Nach Fitzer* 7f. ist aufgrund der Überlieferung bei Epiphanius zu „vermuten, daß auch Marcion den Text unserer W . 34,35 vor cap. 15 hatte", was diese Lesart in die erste Hälfte des 2. Jh. führe; aber nach Schmid, Marcion 134 (vgl. 185) ist „die Stellung des Verses [34] im marcionitischen Text... nicht zu entscheiden". Ist es textgeschichtlich wahrscheinlich, daß V. 34.35 von den Schreibern des „westlichen" Textes bzw. in deren Vorlage(n) hinter V. 40 versetzt wurden? Oder standen die beiden
316
Exkurs: Der Schweigebefehl gegen die Frauen
14,35
Verse ursprünglich als Abschluß der gesamten Ausfuhrungen von Kap. 14 am Schluß und wurden dann von den Zeugen der übrigen Textüberlieferung bzw. deren Vorlage(n) nach vorn gezogen, weil die Aussage über das Schweigen der Frauen zwischen V. 33 und V. 36 besser zu passen schien? Oder handelte es sich bei V. 34.35 ursprünglich um eine Randglosse, die von den nachfolgenden Abschreibern an unterschiedlichen Stellen in den Text eingefugt wurde? Diese Fragen sind unabhängig von dem Problem zu erörtern, ob inhaltliche und literarkritische Gründe für die Annahme sprechen, daß die in V. 34.35 gegebene (möglicherweise mit V 33b eingeleitete) Weisung eine nicht-paulinische Interpolation ist (s. den nachfolgenden Exkurs). Payne* (1995) hat zu zeigen versucht, daß die durch Bischof Victor korrigierte Fassung des lat. Codex Fuldensis (546/547 geschrieben) eine Vorlage erkennen lasse, in der V. 34.35 ganz fehlten; auch der Codex Vaticanus (B) lasse erkennen, daß der Schreiber im Zusammenhang mit V. 3 4 . 3 5 ein Textproblem gesehen habe (Photographien aaO. 261 f.). D e m hat Niccum* mit Blick auf den „westlichen" Text nachdrücklich widersprochen: Lediglich wenige, durchweg aus Norditalien stammende Handschriften bezeugten die Stellung von V. 34.35 im Anschluß an V. 40; eine der Ursachen für die sekundäre Umstellung könne die Entstehung von Frauenklöstern im 3./4. Jh. in dieser R e g i o n gewesen sein: man habe V. 33b von den Weisungen in V. 34.35 trennen wollen (Niccum* 255). Payne* (1998) meinte dann aber auch zeigen zu können, daß die nicht-„wesdiche" griech. Minuskel 88 aus dem 12. J h . ebenfalls auf eine Vorlage zurückgeht, in der V. 34.35 fehlten (V. 34f. wurden dann nach V. 40 eingefügt, Photographien aaO. 157f.). Der zweifellos auffällige, aber nicht wirklich erklärbare textgeschichtliche Befund kann in jedem Fall als ein Indiz dafür angesehen werden, daß von einem Teil der Uberlieferung die Aussage in V. 34.35 als im weitesten Sinne „problematisch" empfunden wurde. Folgerungen für den Urtext lassen sich daraus allerdings nicht ableiten, da zum einen V. 34.35 nirgends tatsächlich fehlen und zum andern die jetzige Stellung von V. 34.35 nach den üblichen Regeln der Textkritik als die besser bezeugte anzusehen ist. Die Tatsache, daß sich in denselben Handschriften, die V 34.35 nach V. 40 lesen, eine offensichtlich bewußte Korrektur zu 15,2 findet (s. dort), spricht für die Vermutung, daß sich die Sonderstellung von V. 34.35 einer bewußten Korrektur verdankt.
Der Schweigebefehl gegen die Frauen Literatur.S. AALEN, A Rabbinic Formula in I Cor. 14,34, StEv II ( T U 87), 1964, 5 1 3 - 5 2 5 . - ST. C. BARTON, Pauls Sense o f Place: An Anthropological Approach to Community Formation in Corinth, N T S 32 (1986) 2 2 5 - 2 4 6 . - G.G. BLUM, Das Amt der Frau im Neuen Testament, N T 7 (1964/65) 1 4 2 - 1 6 1 . M . CRÜSEMANN, Unrettbar frauenfeindlich. Der Kampf um das Wort von Frauen in 1 Kor 1 4 , ( 3 3 b ) 3 4 35 im Spiegel antijudaistischer Elemente der Auslegung, in: L. Schottroff / M . - T h . Wacker (Hg.), Von der Wurzel getragen. Christlich-feministische Exegese in Auseinandersetzung mit Antijudaismus, B i blical Interpretation Series 17, 1996, 1 9 9 - 2 2 3 (Lit.!). - G. DAUTZENBEHG (S. Lit. zu 14,1-40). - DERS., Zur Stellung der Frauen in den paulinischen Gemeinden, in: DERS., Studien zur paulinischen Theologie und zur frühchrisdichen Rezeption des Alten Testaments, G S T R 13, 1999, 2 2 3 - 2 5 7 . - G. FITZER, Das Weib schweige in der Gemeinde. Uber den unpaulinischen Charakter der mulier-taceat-Verse in 1. Korinther 14, T E H N F 110, 1963. - M . HASITSCHKA, „Die Frauen in den Gemeinden sollen schweigen". 1 Kor 14,33b—36 — Anweisung des Paulus zur rechten Ordnung im Gottesdienst, S N T U 22 (1997) 4 7 - 5 6 . - H.W. HOLLANDER, T h e Meaning o f the Term „Law" (NOMOZ) in 1 Corinthians, N T 40 (1998) 1 1 7 - 1 3 5 . - H.-J. KLAUCK, Vom Reden und Schweigen der Frauen in der Urkirche, in: DERS., Gemeinde. Amt. Sakrament. Neutestamentliche Perspektiven, 1989, 2 3 2 - 2 4 5 . - M . KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier. Drei neutestamendiche Vorschriften zur Verdrängung der Frauen auf dem Hintergrund einer frauenfeindlichen Exegese des Alten Testaments im antiken Judentum, N T O A 1, 1986 (54-63). - J . M . Ross, Floating Words: Their Significance for Textual Criticism, N T S 38 (1992) 153—156. - E . SCHÜSSLER FIORENZA, Zu ihrem Gedächtnis... Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, 1988 ( 2 8 7 - 2 9 0 ) . - B. WITHERINGTON III, Women in the Earliest Churches, M S S N T S 59, 1988 (90-104). Ferner die zum voranstehenden Exkurs genannte Lit.
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14,1-40
Die Versammlungen der Gemeinde
Die besondere Problematik von 1 Kor 14,34f. (bzw. 14,33b—35, möglicherweise 14,33b-36; s.u.) ist in der Forschung seit langem gesehen worden (vgl. dazu vor allem Crüsemann*). Deutlich ist, daß die Aussagen über das Schweigen der Frauen den Kontext unterbrechen, u n d daß sie in Spannung stehen zu 11,2-16, w o das R e d e n von Frauen - unter Anerkennung einer bestimmten äußeren Sitte — als selbstverständlich vorausgesetzt ist. Auffällig ist die im vorstehenden Exkurs dargestellte textgeschichtliche Besonderheit. Folgende Vorschläge sind zur Klärung des exegetischen Problems gemacht worden: a. Sehr oft wird zumal in der neueren Exegese die These vertreten, daß eine sekundäre Interpolation vorliegt; sie umfaßt entweder V. 34.35 oder V. 33b-36 oder V. 33b—36 oder V. 33b—38. Dies ist die radikalste Lösung; es m u ß dann allerdings erklärt werden, w a r u m u n d wie der Abschnitt in den Text des 1 Kor gelangte. b. 1 Kor 14 gehört zu einem anderen Brief als 1 Kor 11,2—16. Dann m u ß a n g e n o m m e n werden, daß sich die Verhältnisse in Korinth, möglicherweise sogar aufgrund der paulinischen Darlegung in 11,2-16, so entwickelten, daß Paulus abweichend von seinem früheren Brief ein generelles Sprechverbot für Frauen in der Gemeindeversammlung erlassen zu müssen glaubte. Allerdings ist nicht erkennbar, daß Paulus in 1 Kor 14 auf eine frühere, anderslautende Aussage Bezug nimmt. c. Zwischen den Aussagen in 11,2-16 und 14,34f. (33b-36) besteht gar kein Widerspruch, da es in 11,2-16 nicht u m die EXxXr|aia geht, sondern u m das Beten und JtQOr|TE'UEiv im häuslichen Bereich. Tatsächlich ist in Kap. 11 von der ExxX.r|aia erst am Schluß (V. 16) die R e d e ; aber daß das dort erwähnte JtQoaeiixeaOai bzw. jiQOr|TEVEiv in einem ausschließlich „privaten" R a h m e n geschieht, ist nicht erkennbar. d. Paulus spreche in 11,5 von alleinstehenden Frauen, denen das 3iQOr)XEiJEiv erlaubt sei, in 14,34f. dagegen von verheirateten Frauen. Aber daß yuvr| in Kap. 11 ausschließlich die unverheiratete Frau meint, ist nicht zu belegen (im übrigen waren unverheiratete Frauen gesellschaftlich noch stärkeren Einschränkungen unterworfen als verheiratete, vgl. M u r p h y - O ' C o n n o r , C B Q 48 [1986] 91). e. Die Aussagen in 11,2—16 und in 14,34f. ergänzen einander: Paulus gibt zunächst Anweisungen, die lediglich die besondere Haartracht der Frauen betreffen, läßt dann aber seine „eigentliche M e i nung" folgen (Lietzmann, K 75; dazu K ü m m e l zSt.: Paulus wolle das öffentliche Wirken der Frauen „nur möglichst einschränken, o h n e an die Freiheit des Geistes zu rühren"). f. Paulus spreche in 11,2—16 von Amtsträgerinnen, in 14,34f. dagegen von Frauen, die o h n e ein entsprechendes Amt im Gottesdienst reden wollen. Aber von einer solchen Unterscheidung ist in beiden Texten nichts zu erkennen, ebensowenig davon, daß Paulus jetzt lediglich einem Mißbrauch wehren wolle. g. In 14,34.35 werde eine Position der Korinther referiert, auf die Paulus mit V. 36 antworte. Aber V 36 ist eine rhetorische Frage u n d als Antwort auf eine korinthische These wenig geeignet; außerdem paßt das in V. 34.35 Gesagte k a u m zu der für Korinth im allgemeinen vorauszusetzenden Gemeindesituation. h. Nach Tomson, Paul 137-139 folgt Paulus in V. 3 3 - 3 8 der tannaitischen Tradition, derzufolge Frauen weder im Gottesdienst offizielle Funktionen w a h r n e h m e n noch im Lehrhaus Fragen stellen sollten; Paulus berufe sich dafür auf eine uns sonst nicht bekannte Jesustradition (V. 37). i. V. 33b—36 sind eine von Paulus selbst vorgenommene nachträgliche Textergänzung, mit der er eine traditionelle Haltung in der betreffenden Frage rezipiere. k. O f t wird in der neueren Exegese die These vertreten, daß es in 14,33b-36 u m ein willkürliches und störendes Dazwischenfragen oder -reden geht (kakeiv sei anders aufzufassen als in V. 26-29) u n d j e denfalls nicht u m ein geistgewirktes Beten oder jtpo x a i äyvfj oweiöiioei Jtavta ejuteXeiv jtaprivyEXXETE, mxQYOiiaag xaSrixövTcog xoi)5 ävögag eauTdrv: ev te tw xavövi Tfjg vjioTayf]5 i>jtapx ol - | 0ag toi x a t a töv olxov aEjivüig oixouqyeiv EÖiöotoxETE, Jidvu ooxjjgovo'uaag. „ D e n Jungen trugt ihr auf, maßvoll u n d ehrbar zu denken. D e n Frau-
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Exkurs: Der Schweigebefehl gegen die Frauen
14,35
en gabt ihr Weisung, alles zu verrichten mit untadeligem, ehrbarem und reinem Gewissen und dabei ihre Männer zu lieben wie es sich gebührt. Auch lehrtet ihr sie, nach dem Maßstab der Unterordnung das Hauswesen ehrbar zu versehen, in jeder Hinsicht verständig." Später wird gesagt (21,6b.7): TOXI? veoug jtaiÖEuacouev xr]v jiaiöetav xoü (j>6ßou xov 0Eoi,xag yuvalxag r||iC)V eju xö dya0öv öioQ0coa(ö[AE0a. tö a|iayditr|Tov xfjg äyvetag f|0og lvÖEÜ;da0coaav, TÖ dxEpaiov xfjg jtQonjxTytog aiixfljv ßoiiXrina djtoÖEiijaxcoaav, xö EJtiEixEg xfjg 7X01001)5 aüxöv 81a xfjg oiyfjg av£QÖv jtoiT)adxa>aav, xf)v dyajiT)v aiixäjv (tri xaxa jigoaxXiaEig, dXXd jtäoiv xoig (|>oßovnEvoig xöv 0 E Ö V öaiüjg LOT]V jtagEXEXtuaav. „Die Jungen wollen wir erziehen in der Furcht Gottes; unsere Frauen wollen wir zum Guten lenken: Die liebenswerte Sitte der Keuschheit sollen sie aufweisen, die lautere Absicht ihrer Sanftmut sollen sie aufzeigen, die Milde ihrer Zunge sollen sie durch das Schweigen offenbar machen, ihre Liebe sollen sie nicht nach Neigungen, sondern allen, die Gott furchten, in heiligem Wandel gleichmäßig zuwenden." Eine ähnliche Position zeigt sich auch in den Pastoralbriefen, die möglicherweise in Rom, vermutlich später als 1 Clem verfaßt wurden. Dort heißt es (1 Tim 2,10-12), die Frauen sollten sich nicht mit Äußerlichem schmükken, „sondern mit dem, was Frauen geziemt, die sich zur Verehrung Gottes bekennen: mit guten Werken. Die Frau soll lernen, indem sie schweigend (zuhört und) sich unterordnet; zu lehren aber erlaube ich der Frau nicht, auch nicht dem Manne dreinzureden, sondern sie soll stille schweigen" (Ubers. Dibelius-Conzelmann, H N T 13, 38). Zwischen 1 Tim 2,10-12(13) und 1 Kor 14,34.35 besteht nicht nur eine inhaltliche, sondern auch eine deutliche sprachliche Nähe:
I Tim 2.10-13:
1 Kor 14.34-35
aXX' o JIQEJIEI yuvaii;iv kxayyeXkoHEvcug ÖEoaEßetav, 81' Egyojv dyaöcöv. I I Fuvf] EV fioxi'/iy (iav6avExa) EV Ttdar| ijjToxaYfj' 12 öiöäaxEiv ÖE yuvaixl ovx EJUTQEJIXO OIJÖE aiiÖEvxEiv dvöpög, ähk' sivai EV r|auxig. 13 'A8an ydp jipcöxog EJtXdaÖT), eixa"Eua.
34
10
at yuvaixEg EV xaig ExxXr|oiaig
aiyaxioaav ydg EJtixQEJtexai auxalg Xakeiv, aXXct {CTOxaaaEaOtooav,
OXI
xa0a>g xat 6 vönog XiyEi. 3 5 EI ÖE xi naÖEiv OeXOUOIV, EV oixip xovg löioug avÖQag £:t£()(oxdx(uaav aicr/pöv yag EOXIV yuvauä XaXsiv EV exxXriai^.
Die beste Erklärung für die Auslegung des in 1 Kor 14 vorliegenden Textes ist die Annahme, daß in einer sehr frühen Abschrift eine Interpolation vorgenommen wurde, die vermutlich V. 33b-35 umfaßt; das Ziel war es offenbar, eine seit Ende des 1. Jh. vor allem in R o m belegte kirchliche Praxis als „paulinisch" zu erweisen. Für diese Annahme sprechen folgende Argumente: a) Es fehlt jedes Indiz dafür, daß sich die Aussagen des Paulus in 14,l-33a ausschließlich auf die in der Gemeindeversammlung anwesenden Männer beziehen; zugleich ist aus 11,2—16 zu folgern, daß unter den in Kap. 14 erwähnten JtvEUnaxixoi und HQ0fjxai selbstverständlich auch Frauen sind. b) Nach dem Wortlaut der Anweisungen in V. 34.35 haben die Frauen EV xaig EXxXr|aiaig zu schweigen (aiyäv), d.h. sie sollen keinesfalls reden (XaXetv); daß nur ein bestimmtes, womöglich undiszipliniertes Reden untersagt werden soll, läßt der Text nicht erkennen (vgl. 1 Tim 2 , l l f . ) . c) Die Aussagen in V. 34.35 sind durchgängig in der 3. Pers. formuliert: Zum einen werden die Frauen nicht angeredet, sondern die Adressaten werden über die die Frauen betreffenden Weisungen informiert (vgl. 1 Clem [s.o.]); zum andern spricht nicht das „Ich" des Autors, sondern der Text enthält geradezu eine gültige „kirchenrechtliche" Norm (vgl. vor allem oti yäg emxQEjiExai V. 34b; dagegen die Aussage des fiktiven Paulus in 1 Tim 2,12: oüx EJUTQEJICÜ). d) Das ungewöhnliche, ohne Obj. absolut gebrauchte iiJtoxaaaEoOoioav behauptet pauschal eine
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Die Versammlungen der Gemeinde
generell verbindliche Unterordnung der Frau unter den Mann, die sonst bei Paulus an keiner Stelle auch nur angedeutet ist. e) Der pauschale Hinweis auf den vönog scheint sich auf eine durch die Tora als selbstverständlich gültige N o r m zu beziehen (Küchler* 58-63; K. Thraede, Art. Frau, R A C 8, 226; G. Mayer, Die j ü d i sche Frau in der hell.-röm. Antike, 1987, 89f.; vgl. die zu V. 34 zitierte Aussage bei Jos Ap); dies ist ohne jede Parallele bei Paulus (Hollander* 129f. hält die Aussage dennoch für authentisch: vö|X05 meine hier nicht die Tora, sondern die überall gültige Norm). Dagegen wird in 1 Tim 2,13f. zur Begründung der analogen Anweisungen ausdrücklich auf biblische Überlieferung verwiesen. f) Für Paulus ungewöhnlich ist, daß die yÖQ-Sätze in V. 34.35 das zuvor Gesagte weder explizieren noch gar begründen, sondern lediglich bekräftigend wiederholen. Der Widerspruch zwischen 14,34.35 und 11,2-16 läßt sich in keinem Falle auflösen: Da es zur Zeit des Paulus Frauen, die im christlichen Gottesdienst prophetisch redeten, zweifellos gegeben hat, wie gerade durch 11,2—16 deutlich wird, paßt ein uneingeschränktes (!) Schweigegebot nicht in den zeitlichen und sachlichen R a h m e n einer möglichen paulinischen Argumentation; wohl aber entspricht es der gegen Ende des 1. Jh. jedenfalls in R o m erkennbaren Entwicklung (zum sozialgeschichtlichen Kontext vgl. Klauck* 239-242). Überdies zeigt Payne* (1995) 247f., daß sich eine explizite Bezugnahme auf 1 Kor 14,34.35 in der Alten Kirche erst bei Tertullian findet; in Bapt XVII 5 polemisiert Tertullian gegen die Selbsttaufe der Thecla in Act Paul et Thecl mit dem Hinweis darauf, daß Paulus den Frauen das Schweigen geboten u n d ihnen also keinesfalls das R e c h t zu taufen eingeräumt haben könne. Entscheidend ist, daß sich die Anweisungen in V. 34.35 weder gegen ein glossolalisches R e d e n von Frauen noch gegen ein „Dazwischenreden" wenden, sondern gegen das Sprechen von Frauen ev EYMkt\oiq überhaupt. Für die Vermutung, daß die Interpolation in R o m vorgenommen wurde, spricht die Tatsache, daß ein Exemplar des 1 Kor zur Zeit der Abfassung des 1 Clem dort vorlag (1 Clem 45,1) und daß die Aussage inhaltlich der im 1 Clem erkennbaren Position entspricht (s. Lindemann, H N T 17 im Exkurs zu 1,3: Frauen im 1 Clem). Fragen kann man, warum der Interpolator den Abschnitt 11,2—16 nicht gestrichen hat, u m so den nun entstehenden Widerspruch zu vermeiden; die nächsthegende Antwort ist, daß er in 11,2—16 eine immerhin restriktive Tendenz zu sehen vermochte, die er hier nun grundlegend verstärken konnte. Welchen Textabschnitt umfaßt die Interpolation? Der Befund in den Handschriften des „westlichen" Textes könnte für die Annahme sprechen, daß lediglich V. 34.35 nachträglich in den Text des 1 Kor eingefugt wurden. Aber dieser Befund verweist zunächst einmal ja nur darauf, daß die Schreiber j e ner Handschriften bzw. ihre Vorlagen den Text von V. 34.35 möglicherweise nicht an dieser Stelle lasen; für den Umfang der Interpolation selber bzw. umgekehrt des von Paulus ursprünglich verfaßten Textes sagt das wenig aus (insoweit zutreffend die Argumentation bei Ross* 155f.). Fee, K 700 betont, die Stellung von V. 34.35 hier bzw. nach V 40 könne nicht auf eine Entscheidung der Abschreiber zurückgehen, denn es habe sich u m eine Randglosse gehandelt, die in den unterschiedlichen Texttraditionen an unterschiedlichen Stellen in den Text eingefügt wurde, aaO. 705; nach Heinrici, K 430 wäre die Verschiedenheit damit zu erklären, daß Paulus selber die in V 34.35 formulierten Vorschriften „nachträglich an den R a n d geschrieben hat". Deutlich ist jedenfalls, daß die zweifache rhetorische Frage in V. 36 stilistisch von V. 34.35 abweicht, insofern hier wieder die 2. Pers. Plur. verwendet ist (vgl. V. 31). Das spricht für die Vermutung, daß V. 36 nicht mehr Bestandteil der Interpolation ist (vgl. Fee, K 710). Nach Dautzenberg, Prophetie 297f. reicht die Interpolation dagegen sogar bis V. 38, wobei die genannte stilistische Beobachtung aber u n berücksichtigt bleibt. Kein Argument ist allerdings das mask. ixövoug in V. 36, auf das M u r p h y - O ' C o n nor, Interpolations 90 verweist, denn die Adressaten der Aussage sind auch in V. 34f. nicht die Frauen, sondern die Männer. Schwerer zu entscheiden ist die andere Frage, wo der interpolierte Text beginnt: Schließt V. 33b die Argumentation des Paulus von V. 33a ab, oder wird hier die Interpolation eröffnet? Für die erste A n nahme sprechen zunächst die Paralleltexte, in denen der Hinweis auf „die übrigen Kirchen" meist am Ende des Argumentationsgangs steht (4,17; 11,16; vgl. 7,17). Andererseits aber würde die Bemerkung cbg ev Jtäoaig xalg EXxX.T)aiaig xöjv äyiwv als Schlußbemerkung zu V. 33 in ganz ungewöhnlicher Weise nachklappen, wobei dann insbesondere das Fehlen eines Verbs auffällt. Fee, K 701 A 14 meint zwar, dies sei kein Problem, da Chrysostomus ohne weiteres ein öiödoxü) ergänzt habe [vgl. das in vielen Vulgata-
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Glossolalisches und prophetisches Reden: Die Ordnung der gottesdienstlichen Versammlung 1 4 , 3 6 - 3 7 Handschriften hinzugefugte doceo]; doch die Abweichung vom üblichen paulinischen Sprachgebrauch ist damit nicht erklärt. Vor allem aber ist es kaum vorstellbar, daß Paulus gemeint haben sollte, er müsse eine Aussage wie die von V. 33a (6 öeög ... el(>r|vr]g) absichern durch den Hinweis darauf, daß er dies „in allen Kirchen" lehre (vgl. die unrichtige Paraphrase bei Murphy-O'Connor, Interpolations 90: Paulus erinnere daran „that other churches are peaceful"; das sagt V. 33b nicht). So ist es wahrscheinlich, daß der Interpolator den von Paulus im 1 Kor schon mehrfach ausgesprochenen Hinweis auf die anderen Kirchen nachahmte, um damit nun seine eigene Argumentation einzuleiten. Zu diesem Argumentationsstil paßt dann auch der Hinweis am Ende von V. 34: Das Schweigen der Frauen ist nicht nur in allen Kirchen üblich, sondern es wird auch vom v6|iog geboten. Der Einwand, daß dann der Begriff EHxX.T]aia unnötig wiederholt bzw. in V. 3 3 und V. 3 4 in unterschiedlicher Weise gebraucht werde, greift nicht, denn V. 33b spricht von allen Kirchen, V. 34 von den konkreten Gemeindeversammlungen; keiner der beiden Hinweise darf fehlen, wenn die Forderung des Interpolators Gewicht haben und konkret praktiziert werden soll. Auch wenn Paulus für die Aussage in V. 3 3 b - 3 5 nicht verantwortlich zu machen ist, so ist der Text doch zweifellos „kanonisch", nicht anders als 1 T i m 2,9—15. Hier ist also nicht nur eine literarkritische (und historische) Entscheidung zu treffen, sondern auch ein theologisches Urteil zu fällen (vgl. B l u m * 1 6 0 £ , der meint, es gehe um die „theologische Frage, ob in der von Christus erlösten Welt die mit der Schöpfung gegebenen Strukturen anthropologischer Ordnungsbestimmungen hinfällig geworden sind, oder ob ihre endgültige Aufhebung und Verwandlung erst der eschatologischen Vollendung vorbehalten ist"; werde dieser „schöpfungsbedingte Unterschied zwischen den Geschlechtern als irrelevant angesehen", so müsse „ernstlich gefragt werden, ob hier nicht in einem falschen Enthusiasmus etwas von der noch ausstehenden Vollendung vorweggenommen wird, was in dieser Zeit nur auf sakramentalverborgene Weise verwirklicht ist und in dieser Verborgenheit und Vorläufigkeit geglaubt werden darf"). Nun wird als erstes aber deutlich, daß der Verfasser der Interpolation die von ihm aufgestellte N o r m nicht zu begründen vermag; er verweist vielmehr auf das in den Kirchen Übliche, ferner auf das, was „der vön.05 sagt" und schließlich auf das, was aioxQÖv ist. Im Gegensatz zur Argumentation des Paulus in 11,2—16 findet sich nicht einmal ein Ansatz für eine theologische bzw. christologische B e gründung. Selbst wenn also die Aussage von 14,33b—35 auf Paulus selber zurückginge, wäre eine theologische Legitimität zu verneinen: Eine konkrete paränetische Weisung bedarf der einsichtigen B e gründung. Eine solche (freilich keinesfalls zureichende) Begründung könnte möglicherweise schon darin liegen, daß auf die olxoöonr| oder auch nur auf eine zu bewahrende „Ordnung" verwiesen wird; aber selbst ein solcher Versuch einer Begründung fehlt in V. 3 3 b - 3 5 : In der in Kap. 14 von Paulus geschilderten Gemeindesituation in Korinth trägt die Anweisung, daß die Frauen (und zwar nur sie) in der Gemeindeversammlung schweigen sollen, weder positiv für die olxo5onr| noch negativ für die Vermeidung der äxazaaxaaia etwas aus. D e r Text kann aufgrund der fehlenden theologischen Kohärenz keine Verbindlichkeit beanspruchen.
Paulus schließt seine Anweisungen an die Korinther, in welcher Weise sie das prophetische Reden ordnen sollen (V. 31—33a), in 36 mit der rhetorischen Frage ab, ob sie denn meinten, sich eine Sonderrolle anmaßen zu dürfen, wobei die verneinende Antwort natürlich wieder vorausgesetzt ist. Die Korinther wissen natürlich, daß 6 Xöyoq xoi) 0eot) (vgl. R o m 9,6; 2 Kor 2,17; 4,2; vgl. 1 Thess 1,8) seinen Ausgang nicht in Korinth genommen hat und daß er auch nicht allein dorthin gelangt ist; die gottesdienstliche Praxis, wie sie in Korinth augenscheinlich gegeben ist, widerspricht dem in den Gemeinden sonst Üblichen und kann mithin nicht toleriert werden. Insofern hat V. 36 eine ganz ähnliche Funktion wie die vorangegangenen Verweise auf die anderen exxXi]aiai in 4,17; 7,17; 11,16. In 37 appelliert Paulus an das Urteilsvermögen der Adressaten: Wer sich selber als iiqot|tt]5 oder als Jtveujiatixög (zu dieser Differenzierung s. V. 1) einschätzt, wird die „euch" geltende Aussage (zu YQÖt(ü X)(iiv vgl. 4,14) als xdqiou 8VtoX.r| erkennen, ei' xtg öoxet... elvai wie in 3,18 (vgl. 8,2; 10,16; Gal 6,3; Phil 3,6; Jak 1,26), also aus deutlich 321
14,1-40
Die Versammlungen der Gemeinde
kritischer Distanz heraus formuliert. Der Hinweis xupiou eoxiv evro^r) (so der vor allem von N2 B bezeugte Text; bemerkenswert sind sowohl die plur. Wendung xuqiou eioiv evto^ul in D 2 V 9J£ als auch die sachliche Korrektur in A: 0eo"O eotlv svxoXr|) erinnert an 7,10; 9,14, ohne daß klar würde, an welche evro^r] Christi Paulus denkt (fehlt deshalb in D* F G b Ambst evxoXr) bzw. mandata? Lietzmann, K 75 hält diese Lesart ÖTixugiou eotlv für den Urtext, an dem dann doppelt korrigiert worden sei; in der Auslegung setzt er dann aber doch evxoXV| „Gebot des Herrn" voraus). xtiQiog ist nicht Gott, sondern Christus (mit Schräge, K III, 460; anders Wolff, K 347, der darauf verweist, daß Paulus evxo^r] sonst stets auf Gott bezieht; xtiQiog ist aber bei Paulus, außer allenfalls in LXX-Zitaten, immer Christus). Will Paulus behaupten, daß eine derartig detaillierte Anweisung zum Vollzug des Gottesdienstes wie in Kap. 14 beschrieben auf Christus zurückgeht? Oder nimmt Paulus, anders als in 7,10.12, für das von ihm Geschriebene (ygcx^co) die Autorität des xijßiog in Anspruch? Unwahrscheinlich ist jedenfalls, daß er sich hier gezielt gegen eine Bestreitung seiner apostolischen Kompetenz wehrt (so Wolff, K 347), denn von einer solchen Bestreitung ist nichts zu sehen. Abschließend spricht Paulus in 38 geradezu eine Gerichtsdrohung aus: Wer die EVTOÄr] des XIJQ105 nicht als solche erkennt, der wird seinerseits (im Gericht?, ungeachtet des Präs.?) von Gott oder von Christus nicht erkannt. Es liegt hier dieselbe Struktur eines Gerichtsworts wie in 3,17a; vgl. Mk 8,38 und vor allem Lk 12,9 (ayvoeitcu, bezeugt durch N* A*vld 048 0243 u.a., dürfte ursprünglich sein; die eine andere Tendenz verratende Lesart mit dem impt. ayvoeixco ist allerdings gut bezeugt durch X2 A c B D 2 W 1881 SR; D* liest dyvoeixe, F G lesen r|yvoeixai). Paulus hält also, wie V. 38 zeigt, seine in Kap. 14 gegebene Weisung für überaus bedeutsam; das ist freilich auch nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, daß er in 14,25 die gottesdienstliche Versammlung als den Ort der Gottesoffenbarung angegeben hat, wo es im umfassendsten Sinne um die oixo5o(xr| der Gemeinde geht. Daher ist die Aussage in V. 37f. ebensowenig wie V. 36 noch als Teil der nachpaulinischen Interpolation anzusehen (gegen Dautzenberg, Prophetie 297f.). 39 schließt mit werte nicht unmittelbar an V. 37f. an, sondern leitet die auf Kap. 14 im ganzen bezogene Schlußaussage ein. Zu äöeXcfioi als Gliederungssignal s. V 6.20.26; vgl. vor allem auch 11,33, dort wie hier werte äöeX(j)OL (iou (das Fehlen von (iou in 4 6 B 2 D* F G V 37i könnte darauf zurückgehen, daß es nach V. 37f. als zu „freundlich" empfunden wurde). ^tjX.o'Ote tö JtQOr|tEi>Eiv knüpft an V. 1 an und nimmt das dort betonte |iäAA.ov mit auf; davon unterscheidet sich deutlich die auf das XaXzlv yXwaomq bezogene Weisung (if) xdikvexe, die insofern erstaunt, als eine mögliche Behinderung oder gar Verhinderung des glossolalischen Redens bis dahin gar nicht erwähnt worden war (xojatjoj bei Paulus ohnehin nur 1 Thess 2,16; R o m 1,13). Die ungewöhnliche Wortstellung in V. 39b (oft korrigiert: ^ß46 B lesen XahEiv (if| xü)X.ijexe ev yXcüöoaic;, D 2 V TO lesen xö kakelv yXcbaaaig jxr| xcoX.i>£t£, D* F G lesen tö Xa>.elv ev yi.wooaic; |ir] xooMiete, der gedruckte Text tö "kaXelv ¡xf] xüj/ojexe ytabaoaic; wird nur von X A 048 33 bezeugt) scheint noch einmal die deutliche Nachordnung der Glossolalie hervorzuheben zu wollen. Dies wird auch durch die Schlußbemerkung 40 unterstrichen: Zur Wendung Ttdvta ... ei>axr|növü)r||ii, aöeA.0ogd und ajxiv), was sie bereits kennen, und zwar nicht nur in einer allgemeinen Tendenz, sondern sogar in einem bestimmten Wortlaut (V. 2); dieser wird dann im Anschluß an die den Traditionsprozeß beschreibende Formel (V. 3a) in V. 3b—5 unmittelbar zitiert (s. zu V. 1). O b der von Paulus zitierte Text über V. 5 hinaus auch V. 6a und/oder V. 7 einschließt, ist schwer zu entscheiden (s. den Exkurs nach V. 3a); klar ist jedenfalls, daß V. 8 nicht mehr zur Tradition gehört, auch wenn das ax|>0T] xd(j,oi die Reihe der in V. 5—7 vorangegangenen |xiv (vgl. 12,3) scheint auf Neues zu verweisen (vgl. Gal 1,11), hat hier aber offenbar ähnlich wie in 2 Kor 8,1 die Funktion, betont an bereits Bekanntes zu erinnern (die Erwägung von W Radi, Der Sinn von YVIOQ^ü) in 1 Kor 15,1, B Z NF 28 [1984] 243-245 beziehe sich ebenso wie in Gal 1,11 nicht auf xö eiiayveXiov, sondern erst auf die Aussage in V. 11, sprengt die Möglichkeiten der Syntax). Gegenstand des yvcogi^eiv ist das den Korinthern bereits verkündigte evayyeXiov, dessen Inhalt regelrecht „zitiert" werden kann. Das Subst. etiaYYeXiov im 1 Kor bisher nur in 4,15 sowie im Zusammenhang der Diskussion über das Unterhaltsrecht (9,12—23), im übrigen aber häufig bei Paulus; nur hier ist es bezogen auf einen festen Wortlaut. In vier Relativsätzen gibt Paulus eine nähere Charakterisierung des exiaYye^iov. Zur figura etymologica xö tvayyeXiov ö ei)r|YY£kaä[xr|v i)(xiv vgl. Gal 1,11; die sachliche Differenz der beiden Aussagen hinsichtlich des Ursprungs des tvayyiXiov ist nur scheinbar (s. zu V. 3a). eijaYY£^ii,EO0cu als Bezeichnung des Wirkens des Apostels besonders in 1,17 (vgl. 9,16.18), vgl. Gal 1,16.23; 4,13. Zu o xai jtaQetaxßsxe vgl. Gal 1,9; Phil 4,9. Da Paulus betonen will, daß die korinthischen Christen das einst angenommene ei>aYYE^ov durchaus nicht preisgegeben haben (vgl. dagegen Gal 1,9), fugt er als Bekräftigung ev q> xai eaxr|xax£ hinzu (vgl. 2 Kor 1,24; ähnlich R o m 5,2). Die ganze folgende Argumentation liefe ins Leere, wenn V. l b nicht mehr als eine bloße captatio benevolentiae wäre und nicht der von Paulus für Korinth vorausgesetzten Realität entspräche. Mit einem vierten Relativsatz hebt Paulus in 2a hervor, daß das EvayyiXiov nicht nur deklaratorischen, sondern auch soteriologischen Wert hat: Christen werden durch das Evangelium „gerettet" (präs. formuliert, vgl. 1,18.21; 7,16), wobei natürlich vorausgesetzt ist, daß sie dem Evangelium Glauben schenken. In 2b knüpft Paulus an V. 1 an (ei)r|YYe^io(X|xr|vi)|xtv), wobei der mit xivi Xöytü eingeleitete parenthetisch eingeschobene Nebensatz nun auf den bestimmten Wortlaut verweist, in den das einst in Korinth verkündigte euaYYeXiov gefaßt war (xivi Xöyw im Sinne von & Xöyw, entsprechend dem vorangegangenen ö, EV 0ri" xö aoö> Gott offenbarte sich, soweit der Schauende es zu sehen vermag, und „darum heißt es nicht, dass der Weise Gott sah, sondern dass ,Gott' dem Weisen ,erschien'"); Gen 35,9 OI)(J)0T| ÖE o 0EÖg Iaxioß EXI EV A o u ^ A ; Ex 3,2 OK|)0T| ÖE atixqj ayyeXog XUQIOIJ EV ((^oyi JRUQÖg EX toi) ßäxot) (zu a>(j)0r| in L X X s. Bartsch* 184-189). Im N T vgl. Mk 9,4 xai m(3iax6(I,E8a ÖE xai Tj)£uöo|idQTUQE5 xofi OEOÜ, 1 8 dpa xai oi XOI|XT)0EVT£5 EV Xpiaxw OOTWXOVXO. öxi E(IAQXUGR|OANEV xaxa xoü 9EO€ ÖXI JIÖ>5
FJYEIQEV x ö v XQIOXÖV, OV OIJX FJYEI^EV
E131E0 aQCL VEXQO'I oüx Eyeigovxai. 19 EI EV xfj £COFJ xaijxri EV Xgioxö R|Xmx6xEc; EO^EV JIÖVOV, EXEEIVÖXEQOI Jiävxtov ojtoir|0r|aovxai von V. 22b aufgenommen wird: Wenn der Tod vernichtet ist, hört nicht nur das Sterben auf (anders noch Lindemann* [1987] 99), sondern der Tod hat auch über die Verstorbenen keine Macht mehr (dementsprechend in Apk 20,6.12—15; 21,8 der Gedanke eines zweiten Todes, 6 Odvaxog 6 ÖEIJXEQOG, der dort sicherstellt, daß die Vernichtung des Todes nicht das ewige Leben aller bedeutet; vgl. auch 2 Kor 2,15f.). In 27a folgt ein zweiter erläuternder Satz (ydß), nun zweifellos das Zitat von Ps 8,7b LXX (mdvxa iiJtExa^ag tijroxdxcD xröv jtoöröv auxoi}), der in Hebr 2,6-8 ausfuhrlich, in Eph 1,23 teilweise zitiert ist (die Textabweichungen bei Paulus sind kontextbedingt: 3. Pers. wie in V. 25, imö c. Akk. statt iijtoxdxto c. Gen. zur Angleichung an V. 25b). Subj. von IOTEXCIIEV ist Gott (vgl. V. 27b), V. 27a wiederholt also V. 25b. Dabei soll die Wendung Jtdvxag TOI)5 EX&Qovq von V. 25 durch das neutr. Jtdvxa verstärkt und zugleich der Endpunkt des endzeitlichen Geschehen markiert werden; V. 27a erscheint geradezu wie eine durch V. 25b.26 bereits erfüllte Verheißungsaussage. In 27b wird das verkürzt wiederholte Schriftwort (jtdvxa •ujtoxexaxxai; das Perf. begreift das mit dem vorangegangenen Aor. {iJCEia^ev beschriebene Geschehen als nunmehr vollendet) interpretiert. Wenn (öxav wie edv, vgl. Bauer-Aland, W b s.v. öxav 1) das Psalmwort sagt (zu eint] bzw. Xeyei als Schrifteinleitung s. Koch, Schrift 25—28), daß das Jtdvxa üjtotdooeaOai abgeschlossen ist (Perf.), dann setzt es selbstverständlich voraus (öfjXov ohne eoxiv, vgl. Gal 3,11), daß der iutoxd^ag selber ausgenommen ist (exxög „außer", unklass., s. B D R §2167). Wer ist Subj. von £iitr|? Kremer, K 345: Es kann „Gott, der Bibeltext oder auch Christus sein" (vgl. Fee, K 758f.). Nach Heinrici, K 472 spricht Gott zu Christus, nach Senft, K 200 redet Christus; Lambrecht* 510 (ähnlich Wolff, K 389): Jtdvxa imoxExaxxai ist ein endzeitliches Wort Christi, der sagt „Alles ist (mir) unterworfen". Wenn Christus als der Redende vorgestellt wäre, würde das folgende öfjXov öxi xxX.. nicht ein mögliches Mißverständnis korrigieren, sondern das Christuswort selber, was wohl auszuschließen ist. Daß Gott selber im Schriftwort redet, sagt Paulus nie. Also bezieht sich £iixr| auf den Psalm bzw. auf die Schrift, deren Aussage Jtdvxa {iJtExa^sv vor einem Mißverständnis geschützt wird: Der iutoxd^ag bleibt gegenüber xa Jtdvxa selbstverständlich der Überlegene (öfjX.ov xxk.: Paulus nimmt an, die Adressaten in Korinth wissen, daß der Psalm von Gottes Handeln spricht). In 28a wird die Reihe der öxav-Sätze (V. 24b. c) abgeschlossen und zugleich V. 27b interpretiert (öe reihend, nicht adversativ): Sobald ihm alles untergeordnet ist (ÜJtoxaYij Aor. II Pass., d.h. das Ergebnis V. 27 wird punktuell konstatiert), wenn also nur noch Christus und Gott einander gegenüberstehen, dann (xöxe) 28b wird sich auch (xai fehlt in B D* F G 0243 vermutlich, weil der Sohn streng genommen ja der einzige ist, der „sich unterwirft", während alle anderen Mächte Gott „unterworfen werden") der Sohn (o mög absolut bei Paulus nur hier, vgl. aber Lk 10,22 Q und vor allemJoh; der christologische Titel korrespondiert dem ö 0eög xal jtaxr|Q in V. 24) dem iiJtoxdlag (vgl. V. 27) 348
Adam und Christus: Der Sieg Gottes über den Tod
15,28
unterwerfen (vgl. V. 24b). Das Ziel und die Folge (iva) ist 28c, daß Gott „alles in allem" ist (xä Jtdvta EV Jtäoiv ; der Art. xä fehlt in A B D*0243 und etlichen Minuskeln, wird aber mit K D 2 F G W 3K schon wegen V. 27b.28a zu lesen sein). Zur Formel xa Jtdtvxa ev jräaiv vgl. Eph 1,23 und vor allem Kol 3,11, an beiden Stellen auf Christus bezogen, in Kol 3,11 mit Blick auf die geschichtliche Gegenwart der Kirche. Paulus sagt, es werde am Ende nichts geben, was sich der Unterordnung unter Gott entzieht, und damit schließt sich der in V. 24 eingeleitete Gedankengang: Das xct Jiävxa EV jräaiv Gottes ist „das Ende" und der Vollzug der nun von Gott selbst wahrgenommenen Herrschaft (V. 24: öxav jtaQaöiöcp xf)v ßacnXeiav xä> 0eä>, vgl. V. 50: ßaaiXeia 9eoü); zu entsprechenden jüdischen Endzeiterwartungen vgl. Billerbeck III, 472 zu 15,24.28. Man kann in der Aussage von V. 28 eine „subordinatianische" Christologie vermuten (Klumbies* 171: In Korinth gibt es eine übersteigerte Christusfrömmigkeit, geradezu eine „Ideologisierung der Christusbeziehung", gegen die sich Paulus wende); vom Kontext her ist aber wahrscheinlicher, daß Paulus von seiner Soteriologie her denkt: „Christus ist nichts anderes als das Heilswerk Gottes" (Conzelmann, K 333 A 88), und er wird sich Gott unterordnen, sobald das Heilswerk abgeschlossen ist (vgl. Calvin, K zSt.: Deum quidem agnoscimus rectorem, sed infacie hominis Christi: tunc autem restituet Christus quod accepit regnum,
utperfecte
adhaereamus Deo „Wir erkennen [jetzt] Gott als den Regenten, aber im Angesicht des Menschen Christus; dann aber gibt Christus das Reich, das er empfangen hat, zurück, damit wir vollkommen an Gott anhangen"). Der Abschnitt V 20-28 gilt vielfach als Höhepunkt und theologisches Zentrum von Kap. 15 (vgl. Wolff, K 382); aber dann wäre die Funktion der in V. 29—57 folgenden Ausfuhrungen ganz unklar, bei denen es sich jedenfalls nicht um die Explikation des in V. 20—28 Gesagten handelt. Vielmehr sind V. 20-28 von V. 12—19 her zu lesen: Paulus hebt in V. 20—22 hervor, daß ausnahmslos alle Menschen sterblich sind (und es also keine wie auch immer begründete Verneinung des Todes geben kann) und daß durch das Christusgeschehen eine künftige Auferweckung aller Menschen gewiß ist. Dann entfaltet er im Anschluß an die in V. 23 formulierte „Uberschrift" zu den xäYUCtxa des Auferweckungsgeschehens apokalyptische Details des Ablaufs der endzeitlichen Geschehnisse (V. 24— 28), wobei die Gedanken jetzt primär um die von Paulus sonst nicht erörterte Frage der Beziehung zwischen Gott und Christus kreisen: Was bedeutet es für das Reden von Gott, wenn im evayyekiov (V. 3b—5) gesagt wird, daß Gott Christus von den Toten auferweckt hat (V. 15) und wenn wir wissen, daß „in Adam" der Tod und „in Christus" das Lebendig-gemacht-werden (d.h. die Auferstehung) einander gegenüberstehen? Die den Abschnitt abschließende Aussage 6 Geög xct Jtdvxa EV jräaiv gibt die Antwort. Dabei fehlt die Schilderung eines endzeitlichen Gerichts ebenso wie die Beschreibung eines „neuen Äons" bzw. eines neuen Himmels und einer neuen Erde. V. 20—28 ist insofern die unmittelbare Antwort auf die in V. 12b zitierte korinthische Aussage: Wer die äväoxaaig VEXQCÜV verneint, der verneint Gottes Macht über den Tod und also die Gewißheit, daß Gott am Ende „alles in allem" sein wird — er verneint also im Grunde Gottes Gottsein. Im übrigen zeigt V. 28, daß auch bei Paulus die Hoffnung auf die Herrschaft Gottes durch die Erwartung der Parusie Christi nicht abgelöst ist; zum dogmatischen Problem, ob und inwieweit Christus (und womöglich auch die an ihn Glaubenden) an dieser Gottesherrschaft beteiligt sein wird, sagt Paulus nichts (zu WolfF, K 387—390), wie der ivaSatz überhaupt ausschließlich Gott im Blick hat (vgl. Weiß, K 362).
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15,29-34
Die Auferweckung Christi und die Auferstehung der Toten
15,29—34 S t e l l v e r t r e t e n d e T a u f e u n d T i e r k a m p f : Argumenta ad hominem 29
D e n n was werden die tun, die sich taufen lassen für die Toten? Wenn Tote überhaupt nicht auferweckt werden, w o z u lassen sie sich dann für sie taufen? 3 0 Wozu befinden wir uns dann j e d e Stunde in Gefahr? 3 1 Täglich sterbe ich — wahrhaftig, bei m e i n e m Stolz auf euch, ,Brüder', den ich habe in Christus Jesus, unserem Herrn. 32 Wenn ich nach Menschenweise i m Tierkampf gestanden habe in Ephesus, was nützt mir das? Wenn Tote nicht auferweckt werden, „laßt uns essen und trinken, denn m o r g e n sterben wir". 33 Irrt euch nicht: Schlechter U m g a n g verdirbt gute Sitten. 34 Werdet rechtschaffen nüchtern und sündigt nicht! Manche nämlich haben keine Gotteserkenntnis. Euch zur B e s c h ä m u n g sage ich das. Literatur. A.J. MALHERBE, T h e Beasts at Ephesus, JBL 87 (1968) 7 1 - 8 0 . - R . E . DEMARIS, Corinthian
Religion and Baptism for the Dead (1 Corinthians 15:29): Insights from Archeology and Anthropology, JBL 114 (1995) 661-682. - M. RISSI, Die Taufe für die Toten. Ein Beitrag zur paulinischen Tauflehre, AThANT 42, 1862. - TH. SCHMELLER, Paulus und die „Diatribe". Eine vergleichende Stilinterpretation, NTA NF 19, 1987 (332-388). - G. STEMBERGER, Der Leib der Auferstehung. Studien zur Anthropologie und Eschatologie des palästinischen Judentums im neutestamentlichen Zeitalter (ca. 170 v.Chr. - 100 n.Chr.), AnBib 56, 1972.
In V. 29—34 nennt Paulus im Stil rhetorischer Fragen argumenta ad hominem, Beispiele aus der Erfahrung, die dafür sprechen, daß die Erwartung der avacrcaaic; VEXQWV sinnvoll ist. Das erste Beispiel ist die Taufe für die Toten (V. 29), das zweite Beispiel ist die eigene Bereitschaft, Lebensgefahr auf sich zu nehmen (V. 30—32). Paulus schließt dann (V. 33f.) mit imperativisch formulierten Mahnungen, verbunden mit einer kritischen Bemerkung über die bei „einigen" (xiveg) vorhandene dyvioaia Oeoü und dem Selbstkommentar, er sage dies alles jiQÖq evxQOjrr|v i)|xiv (vgl. zur Argumentationsweise in V. 29—34.35—49 Malherbe* und vor allem Schmeller*). Paulus verweist in V. 29 in Form zweier rhetorischer Fragen auf die Praxis der Taufe UJTEQ xfijv VEXgCDV. Die erste Frage 29a (xi jTOir|OODOiv;) drückt Verwunderung aus (zu eitei „denn wenn es anders wäre" vgl. 14,16, Bauer-Aland, W b s.v.). „Was tun sie?" Das fut. jtoir|ooi)öiv ist sentenzenhaft (Conzelmann, K 339), nicht real, wie Wolff, K 396 annimmt, der paraphrasiert: „Welche Wirkung wird ihr Handeln dereinst haben, wenn es keine Totenauferstehung gibt?" (so kann Paulus schon deshalb kaum fragen, weil er ja voraussetzt, daß die Toten auferstehen werden). Die mit der „Vikariatstaufe" (Tert R e surr 48,11: uicarium baptisma) verbundene Vorstellung scheint zu sein, daß eine stellvertretend für ungetauft Verstorbene empfangene Taufe diesen Verstorbenen die Teilhabe am ewigen Heil ermöglicht (vgl. Rissi* und die Ubersicht über die Deutungsvorschläge bei Wolff, K 392—396). Paulus sagt zwar nicht ausdrücklich, daß diese Praxis in Korinth tatsächlich geübt wird, aber vom Zusammenhang her ist es doch wahrscheinlich; Paulus kritisiert diese Praxis nicht, sondern er verweist auf sie geradezu als Argument zugunsten der von ihm vertretenen Position hinsichtlich der dvdaxaoig VEXQCÖV (vgl. Sellin, Streit 283f.; daß Paulus in seiner Argumentation das Taufverständnis von R o m 6,1—4 voraussetzt, läßt der Text aber nicht erkennen). Im Hintergrund könnte durchaus zeitgenössische pagane Religiosität stehen (vgl. DeMaris* 677: „From the Standpoint of the Christian Community, baptism for the dead was an expression of confidence that death posed
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Stellvertretende Taufe und Tierkampf
15,29-31
no threat to the Christian, deceased or living."). Die Vorstellung erinnert auch an die Weihe (XEXEXT|), die nach Plat Resp II 364e/365a von den Anhängern des Musaios und des Orpheus sogar stellvertretend zugunsten bereits Verstorbener vollzogen wurde (Text bei N W I I / l , 393). Von einem ähnlichen Vorgang im Bereich des Judentums wird 2 Makk 12 berichtet: Judas Makkabäus ließ ein Sühnopfer darbringen für den kultischen Frevel, den die in der Schlacht bei Odollam gefallenen Soldaten begangen hatten (V. 43: „Nachdem er von Mann zu Mann eine Kollekte veranstaltet hatte, übersandte er gegen 2000 Silberdrachmen nach Jerusalem zur Darbringung eines Opfers wegen der Sünde. Er tat daran gut und klug, im Gedanken an die Auferstehung" Jtoir|ad|X£vög xe xax' avÖQoXoyiav eig dQYugiou Sga/ixag öia/iAiag OUTEOTEIÄEV eig IeQOOoX.una 7iQoao.yo.yelv jtegl d^agtiag Ouaiav jtdvu xaXüjg xai doxeicog JTQC(TTOJV -UTIEQ avaaxdaecog öiaXoYi£ö)ievog; Übers. Chr. Habicht, J S H R Z 1/3, 266); dieses Opfer wäre überflüssig und töricht gewesen, wenn Judas nicht erwartet hätte, die Gefallenen würden (zum Gericht) auferstehen (V. 44: EI (ir) yäg xovg jtgojtejtxcüxöxag dvaaxfjvai Jtgoaeööxa, JtEQioaöv xai XriQöjöeg vjteQ vexpröv evxeaOai); s. dazu Stemberger* 5—25, vor allem 23 f. In 29b wiederholt Paulus seine Frage, ei öXcog zeigt, daß Paulus die in V. 12b zitierte korinthische Aussage als eine sehr grundsätzliche versteht (jede Form von avdoxaoig vexQtöv wird bestritten). Vermutlich sind die Verfechter der Vikariatstaufe nicht identisch mit denen, die die in V. 12b zitierte These vertreten (vgl. Calvin, K zSt., der freilich annimmt, es gehe nicht um eine stellvertretende Taufe, sondern um die Taufe angesichts des unmittelbar bevorstehenden Todes, so auch Bengel zSt.). Gleichwohl paßt eine solche Praxis durchaus zum korinthischen Enthusiasmus: Das sakramentale Denken ist möglicherweise so ausgeprägt, daß man glaubte, der Taufvollzug könne den schon eingetretenen Tod gleichsam ungeschehen machen. Paulus bedient sich des Arguments, um den xiveg von V. 12b zu zeigen, daß sie faktisch eine Praxis tolerieren, die sie von ihrer Theorie her eigentlich ablehnen müßten. Die beiden rhetorischen Fragen xi Jtoiiiaouaiv bzw. xi xai ßairxi^ovxai tüjteq aiixcov (D 2 33? lesen statt auxröv nochmals xröv vexQtöv; 69 kombiniert avx&v xcöv vexQ(öv„für ihre Toten") bedürfen keiner Antwort, da diese j e dem Einsichtigen ohnehin klar ist (zu xixai „wozu überhaupt?", so auchjoh 8,25; R o m 8,24 v.l., vgl. B D R §442,8c). In 30 stellt Paulus eine entsprechende Frage, die nun „uns" betrifft, xai fmeig xivöuveiionev trotz des Plur. möglicherweise Paulus allein; dagegen aber spricht die 1. Pers. Sing, in V. 31.32a, d.h. Paulus bezieht sich vielleicht auf die Gefährdung, in der das Leben aller Christen (oder der Verkündiger?) immer steht, xivöuvetieiv im N T sonst nur noch bei Lukas (Lk 8,23; Apg 19,27.40), vgl. aber xivöuvog in R o m 8,35 und vor allem im Peristasenkatalog 2 Kor 11,26. Jtäaav ü'jgav „Stunde um Stunde, stündlich" (vgl. Ex 18,22; Lev 16,2). Dann 31 steigert Paulus seine Aussage. x a 6 ' rpegav auch im Peristasenkatalog 2 Kor 11,28 (vgl. Apg2,46f.; Hebr7,27; 10,11). djto9vf|axco hier natürlich metaphorisch (vgl. den Peristasenkatalog 2 Kor 6,9): Die in V. 30 erwähnten Gefahren fuhren in die unmittelbare Nähe des Todes (vgl. 43,23 evexa aoü 0avaxoi»neOa 6Xr|v xr)v rmegav, in R o m 8,36 ausdrücklich zitiert). Die klass. Beteuerungsformel vr| c. Akk. „fürwahr" im N T nur hier, in L X X Gen 42,15 f. (vi) xr)v {lyieiav 4>aga(ü). Erstaunlich ist, daß Paulus sich hier darauf beruft, daß er auf die Korinther stolz ist (zu iinexegav xai>XT)aiv anstelle von x. i(xcöv s. B D R §285 3 ); man könnte das für Ironie halten, wenn nicht die Anrede aöeX(j>oi (das Fehlen in der Mehrzahl der Handschriften, darunter D F G W , dürfte 351
15,29-34
Die Auferweckung Christi und die Auferstehung der Toten
inhaltliche Gründe haben: es überrascht, daß Paulus ausgerechnet hier erstmals nach V. 1 die Adressaten als ,Brüder' anredet; anders Metzger, Commentary 501: diese Anrede sei „in an affectionate asseveration" geradezu zu erwarten) und vor allem der auf Christus verweisende Nachsatz folgten (vgl. R o m 15,17). 32a enthält eine weitere rhetorische Frage. Unklar ist der Sinn von £0T]QiO}i(xxTlaaDas Verb 0r]QiO|iaxeIv „mit Tieren kämpfen", im eigentlichen Sinne IgnEph 1,2; Trall 10, im übertragenen Sinn IgnRöm 5,1. xaxä ävGgcojtov „nach menschlich üblichen Maßstäben", bei Paulus meist zur Bezeichnung eines Redemodus (Xeyu), XaXi5), so schon in 9,8 (vgl. R o m 3,5; Gal 3,15), aber in Gal 1,11 auch zur Bezeichnung des an menschliche Normen Angepaßten. Paulus bezieht sich also auf ein OrjQtojiaxetv, das verbunden gewesen wäre mit der Vorstellung, das irdische Leben müsse unbedingt bewahrt werden, da es eine darüber hinaus reichende Zukunft nicht gebe. Die Frage TI (XOL TÖ ö xöv öeöv ojj.oX.oyelv jtoiTixr]v xoä jtaxEQa xoC Jtavxög, jtbtxovxog 8' tutö |xe0t]5 xai jtcxQoiviag eatixöv exdoxoi) xöv avOQOJJtELOJV jtQaynöiTCüv filvai Ör|fxio'UQYÖv „Denn die Art eines nüchternen und besonnenen Verstandes ist die Anerkennung Gottes als des Schöpfers und Vaters des Alls, die eines durch Rausch und Trunkenheit gefallenen aber die seiner selbst als des Urhebers einer jeden menschlichen Tat", Übers. H. Leisegang). In 34c folgt ein ergänzender Selbstkommentar des Paulus, der 6,5 nahezu wörtlich wiederholt (nur XaXcö anstelle von Xeyw, die Mehrzahl der Handschriften, darunter A F G, hat an 6,5 angeglichen, so wie dort umgekehrt B an 15,34); vgl. andererseits 4,14 (oiix evxqejicov '¿[iäg YQaü)). Die Kritik des Paulus richtet sich nicht allein gegen die xivec; von V. 12b, sondern gegen die Gemeinde als ganze ({ijitv), insofern sie jene Haltung toleriert. Die in V. 29—32a genannten und dann in V 32b—34 knapp kommentierten Beispiele zielen darauf, den Adressaten eine das Eschaton und zugleich auch das Jenseits umfassende Perspektive aufzuzeigen. Dabei droht Paulus nicht mit dem Endgericht; aber er betont die Verantwortlichkeit des Menschen vor Gott. Das entspricht ganz der Argumentation im 1 Kor überhaupt: Paulus kritisiert, daß die Verantwordichkeit des Menschen für seine Handlungen jedenfalls nicht von allen richtig eingeschätzt wird; daß die Gemeinde als ganze dies hinnimmt, gereicht ihr TlQÖq EVTQOJtr|v.
15,35—49 D e r Leib der Auferstehung Aber jemand könnte sagen: Wie werden die Toten auferweckt? Das heißt: Mit was für einem Leib kommen sie? 36 Narr! Was du säest, wird nicht lebendig gemacht, wenn es nicht gestorben ist. 37 Und was du säest — nicht den Leib, der 35
354
Der Leib der Auferstehung
15,35-15
entstehen wird, säest du, sondern ein nacktes Samenkorn, z u m Beispiel v o m Weizen oder von sonst etwas. 38 Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er es gewollt hat, und zwar einem jeden der Samen einen besonderen Leib. 39 Nicht jedes Fleisch ist ein und dasselbe Fleisch; vielmehr ist eines das von Menschen, ein anderes das Fleisch des Viehs, ein anderes das Fleisch der Vögel, ein anderes das der Fische. 40 U n d (es gibt) himmlische Leiber, und (es gibt) irdische Leiber. Aber eines ist der Glanz der himmlischen, ein anderes der der irdischen (Leiber). 41 Eines ist der Glanz der Sonne, und ein anderes der Glanz des Mondes, wieder ein anderes der Glanz der Sterne; es unterscheidet sich n ä m lich ein Stern v o m anderen Stern i m Glanz. 42 So auch die Auferstehung der Toten: Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt wird in Unvergänglichkeit. 43 Gesät wird in Unehre, auferweckt wird in Herrlichkeit. Gesät wird in Schwachheit, auferweckt wird in Macht. 44 Gesät wird ein beseelter Leib, auferweckt wird ein geistlicher Leib. Wenn es einen beseelten Leib gibt, dann gibt es auch einen geistlichen. 45 So steht ja geschrieben: „Es wurde der erste Mensch, Adam, zur lebendigen Seele, der letzte A d a m z u m lebendig machenden Geist." 46 Aber nicht zuerst das Geistliche, sondern das Beseelte, dann erst das Geistliche. 47 Der erste Mensch von der Erde, irdisch, der zweite Mensch aus d e m H i m m e l . 48 Wie der Irdische beschaffen (ist), so beschaffen (sind) auch die Irdischen; und wie der H i m m l i sche beschaffen (ist), so beschaffen (sind) auch die Himmlischen. 49 Und wie wir getragen haben das Bild des Irdischen, (so) werden wir tragen auch das Bild des Himmlischen. Literatur. H. BRAUN, Das „Stirb und Werde" in der Antike und im Neuen Testament, in: DERS., Gesammelte Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, 1962,136-158. - CHR. BURCHARD, 1 Korinther 15,39—41, in: DERS., Studien zur Theologie, Sprache und Umwelt des Neuen Testaments, W U N T 107, 1998, 203-228. - P. VON GEMÜNDEN, Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung, NTOA 18, 1993. - R. MORISSETTE, La condition de ressuscité. 1 C o r i n t h i e n s 15,35—49: s t r u c t u r e littéraire d e la p é r i c o p e , Bib. 5 3 (1972) 2 0 8 - 2 2 8 . - H . RIESENFELD,
Das Bildwort vom Weizenkorn bei Paulus, in: Studien zum Neuen Testament und zur Patristik. FS E r i c h K l o s t e r m a n n , T U 7 7 , 1961, 4 3 - 5 5 . - G. STEMBERGER, Leib (s. zu 1 5 , 2 9 - 3 4 ) . - K. USAMI, „HOW are t h e d e a d raised?" (1 C o r 1 5 , 3 5 - 5 8 ) , Bib. 5 7 (1976) 4 6 8 - 4 9 3 .
Mit V. 35 leitet Paulus eine neue Perspektive seiner Argumentation ein, indem er einen Gesprächspartner (xiç) die Frage nach dem Wie der Auferstehung stellen läßt. V. 36 gibt darauf die Antwort (crû), die zunächst pauschal und dann (V. 37f.) konkret am Beispiel von Samenkorn und Pflanze (dies Wort kommt allerdings nicht vor) auf allgemeine Erfahrungswirklichkeit verweist. In V. 39—41 folgen Beispiele hinsichtlich der Unterschiedlichkeit der Phänomene in weiteren Bereichen (V. 39 0ÔQÎ;, im rein materialen Sinne, V. 40 arô(xa, V. 41 ôôÇa im Sinne des äußerlich wahrnehmbaren Glanzes); daraus resultiert dann die Anwendung V. 42a, wo Paulus zu der in V. 12f.21 verwendeten Begrifflichkeit zurücklenkt und dann, eingeleitet durch oiixcoç xxX., die Frage Jté&ç von V. 35 beantwortet. Von V. 42b an ist der Text sehr präzise gegliedert und rhetorisch ausgestaltet (s.u. zu V. 42): In V. 42b—44 folgen vier paarweise angeordnete Opposita, jeweils den Verben ajreiçexai und eyeLgetai zugeordnet; die letzte Aussage V. 44a leitet mit dem Stichwort aoj|ia bereits über zu dem V. 44b—46 umfassenden Abschnitt, in dem das Gegenüber von ijjuxixöv und jrveujiaxixöv expliziert wird, wobei in V. 45 als Beleg ein 355
15,35-49
Die Auferweckung Christi und die Auferstehung der Toten
Schriftzitat verwendet ist, das in V. 46 gegen eine Fehldeutung abgegrenzt wird. Die von Paulus in das Zitat eingetragenen Angaben o TCQWToq und o eoxaxog werden in V. 47 näher beschrieben, bevor in V. 48.49 die Anwendung folgt: Zu Adam als dem JtQüjxog ävÖQCDJtog und zu Christus als dem eo/axog bzw. öeiiteqoc; ävÖQtojtog gehören die jeweils ihnen zugeordneten Menschen, dann aber (V. 49) übertragen auf das Verhältnis von Gegenwart und Zukunft bei „uns" (zur Struktur s. Marissette*). In V. 50 beginnt dann, deutlich abgegrenzt, ein neuer Abschnitt, in dem Paulus freilich durch die Opposition xö c|)9aQTÖv / dq(dv weist Paulus in 36 die Frage von V. 35 als unsinnig zurück (vgl. Lk 12,20). ä(j)Q(ov und auch das Abstraktum a0OQa ist der Zustand der Vergänglichkeit, das, was der Vernichtung entgegengeht (vgl. R o m 8,21, zugespitzt Gal 6,8; BaQxóg bezogen auf den Menschen R o m 1,23). D e m steht die á
Ei Êoxiv ad)(¿a \Jruxlxöv, ECTTIV xai IIVEU(iaTlXÖV. 45 oiixcoç xai YEYQairtai' iyévexo à JIQWTOÇ ävOgomog 'Aôàfi eiç ipy/qv Çwoav, ô ëaxaxoç 'Aôàfi eiç nvevfia Çqjojioiovv. 46
à'kk' OÙ ItQÛTOV XÔ JCVEUi|aXlXÔV ak'kà xà ipuxixov, êjteixa xo jxveunaxixov. 47 ô JIQÛTOÇ âvÔQamoç èx yfjg xoïxoç, Ô ÔETJXEQOÇ (XV0QCOJIOÇ ÈS; ovQavoO. 48 oloç ô xoïxoç, xoioöxoi xai, oi xoïxoi, xai oloç ô ÉjrouQtivioç, xoioiixoi xai oi èjiouQàvior 49 xai xaôùç è(j)oeéaa(iEv xrjv Elxôva xoû xoïxoO, 4>oeéoo|xev xai xfiv elxôva xoû Èitougaviou.
In 44b trifft Paulus eine geradezu als logischer Schluß formulierte Feststellung: Aus der Tatsache des vorhandenen (EI EOUV) ocö[ia ajiuxixôv leitet er die Folgerung ab, daß es auch (xai) ein (öä)jj,a) Jiveunaxixov gibt (EOTIV, präsentisch). Dieser Schluß ergibt sich allerdings nicht aus der Erfahrung, sondern aus dem in V. 45 zitierten Schriftwort. Ob das Gegenüber von aœjia i|juxix6v und ocojia JtVEW^atixöv eine Identität des acö^a impliziert, das dann durch die Adjektive jeweils unterschiedlich qualifiziert wird, oder ob der in V. 36—38 ausgesprochene Gedanke zugrundeliegt, daß Gott im Vollzug des EYEÎQEtai ein neues aâ>|ia „gibt" (vgl. V. 38), läßt sich erst vom Zusammenhang her sagen (s. den Exkurs nach V. 52). Der in 45 folgende Verweis auf die Schrift hat keinen „Beweischarakter", sondern bestätigt die Richtigkeit des Gesagten (oikcoçxaiYEJtQajtTaL ist als Zitateinleitung ganz ungewöhnlich). Dennoch fuhrt das Schriftwort insoweit doch über die formale Feststellung von V. 44b hinaus, als nun das Gegenüber von t^ux'n ! ipuxixöv und Jtvei3|xa / nvEvuatLxöv näher expliziert wird: i^ux1! i st a n die Schöpfung gebunden, denn der erste Mensch, Adam, wurde zur ipux'n ^ipoa (Gen 2,7 fin ist im wesentlichen korrekt nach LXX zitiert, eingefügt ist JIQWTOÇ und der Name 'Aôà|i, der in LXX erst in 2,16 begegnet; der Akt der i|>uxT|-Werdung Adams durch Gottes JTVOÏ] Çcofjç wird nicht erwähnt). Erstaunlich ist die nicht aus Gen 2 herleitbare zweite Aussage, daß es analog zum JIQCÔTOÇ âvGgcojroç Aôâ(i auch den ëaxaxoç 'Aôâji gibt, der EIÇ jtveCfia Çtpojtoioûv (geworden) ist (in fehlt 'AÔâ|a,, Marcion las XTJQIOÇ statt 'Aôâ^i, vgl. Schmid, Marcion 108, s. auch zu V. 47). 360
Der Leib der Auferstehung
15,45-47
Damit wechselt Paulus von der einfachen Parallelisierung hin zu einem eschatologischen Gegenüber: Der „letzte Adam" ist insofern das Ziel der Geschichte, als er nicht xJjuX'n, sondern irvei3^a ist — ein itveOixa, das den Tod zu überwinden vermag (£(poJtoioüv bezieht sich zurück auf ^(pojtoir)0r|öovxai V. 22b; möglicherweise denkt Paulus hier an Christus bei der Parusie, s. zu V 47; nach Sellin, Streit 80 zeigt Joh 6,63, daß es sich um ein von Paulus unabhängiges Motiv handelt; zu religionsgeschichtlichen Parallelen aaO. 81—88, zu Philo dann insbesondere 92—175; freilich ist der Argumentationsgang des Paulus im Zusammenhang der von ihm verarbeiteten biblischen Tradition in sich verständlich). Vermutlich setzt Paulus nicht voraus, daß die Adressaten auch die zweite Aussage in V. 45 als Schriftzitat ansehen sollen (anders Conzelmann, K 348): Daß „der letzte Adam" im Unterschied zum „ersten Adam" Leben schafft, ergibt sich aus dem Gegenüber von Adam und Christus, wie es schon in V. 21 f. beschrieben worden war. Bemerkenswert ist die Wendung (eyevexo) elg jweüfxa, d.h. die paulinische Argumentation setzt den Gedanken der Präexistenz Christi hier nicht voraus (vgl. Sellin, Streit 79); anders wäre es, wenn man anzunehmen hätte, daß auch die zweite Aussage als Schriftwort gilt (so Koch, Schrift 134-137, der darauf verweist, daß in V. 46-49 die Aussagen von V. 45 im ganzen interpretiert werden) und Paulus also meint, daß 6 jtpcüTO? und 6 eaxaxog gleichzeitig „geworden" sind (vgl. Gen 2,7 L X X xai ejtXaaev o öeög töv &v0qo>jtov /oCv ajiö xfjg yfjg xai eve^varioev elg xö jtQÖawjtov attxoü jivot)v ^cofjg, xal eyevexo 6 ävOgcojtog elg iJruxT|v ^öoav, ferner SapSal 15,11 öxi f|yv6r]aEv töv jtXdaavxa aüxöv xai xöv ¿[ijrvexioavxa auTtü ajjDxf]v evegyoijaav xai e|i(f>uar|aavTa jrvEfi|xa ^(dtixöv „Denn er [sc. der Götzenverehrer] erkannte nicht den, der ihn selbst geformt Und ihm die ihn belebende Seele eingehaucht Und den lebensspendenden Geist eingeblasen hat" (Übers. H Hübner, Die Weisheit Salomons, ATDA 4,1999,182). Durch seine Aussage in 46 beugt Paulus einem möglichen Mißverständnis vor: Nicht xö Jtvev(iaxixöv ist zuerst, sondern xö iJjuxlxov - erst danach (ejreixa ist nach ov jiqcüxov im Grunde unnötig) xö JtveDjiaxixöv. Wieder fehlt eine Kopula, d.h. Paulus formuliert eine Sentenz, keine direkt polemische These, auch wenn man V. 46 durchaus antienthusiastisch lesen kann. Die neutr. Formulierung zeigt, daß Paulus nicht an das Verhältnis Adam — Christus denkt, sondern an das in V. 44b eingeführte „Prinzip" (vgl. Sellin, Streit 179): Die „beseelte", irdische Existenz geht der pneumatischen Existenz unbedingt voraus. Das in V. 46 genannte Prinzip gilt, wie 47 zeigt, dann auch für Christus in seinem Verhältnis zu Adam: Adam ist o JiQÖxog ävÖQomog, Christus ist o öeikeQog ävÖQamog, der eschatologische Gegentyp zum erstgeschaffenen Menschen (auch in den beiden Sätzen in V. 47 bedient sich Paulus des Nominalstils). Daß „der erste Mensch" ex yfjg ist, entspricht wieder Gen 2,7 (LXX: änö xfjg yfjg; das ergänzende xo'ixög bereitet V 48.49 vor; vgl. außerdem Gen 2,7 ejtXaoev o 0eög xöv övöqgotov xoüv [„aus Staub"] ajtö xfjg yfjg; Sir 17,1 xÜQiog exxiaev ex yfjg ävÖQCojiov; 36 [33], 10 ex yfjg exxiaör] Aöaji). Die Bezeichnung o öevxeQog ävGßcojtog (V. 45b: 6 eaxaxog 'Aöän) zeigt an, daß es sich beim Verhältnis Adam — Christus um eine dualistische Entsprechung handelt. Viele Handschriften haben hier geändert: ^ß46 liest äv0Qü)Jtog jiveaj^axixög, Nc A D c und sehr viele andere lesen avOpomog ö xÜQiog, Marcion und 630 lesen 6 xijpiog (dazu Schmid, Marcion 108); offenbar war die Christusbezeichnung ö öeiJXEQog äv0Qa>Jiog aus dogmatischen Gründen schwierig. Dem ex yfjg entspricht jetzt ei; oiiQavoü (zum Fehlen des Art. bei yfj und oiiQavog vgl. 8,5). Daß Paulus damit nun doch den Präexistenzgedanken im Sinne von 361
15,35-49
Die Auferweckung Christi und die Auferstehung der Toten
Joh 3,31 aufnimmt, ist wenig wahrscheinlich, da er diese Vorstellung sonst nicht kennt; ovgavöq ist möglicherweise einfach Gegenbegriff zu yfj (vgl. 8,5) oder Umschreibung für Gott (vgl. Mk 11,30). Die paulinische Argumentation berührt sich mit der philonischen Auslegung der beiden die Erschaffung des Menschen betreffenden Berichte Gen l,26f. und Gen 2,7 in Leg All I 31 f.: Es gebe zwei Arten von Menschen, und zwar den xax' elxöva Beov entstandenen (yeyovcog) ävBQtoitog oiigäviog, der am Vergänglichen und Irdischen keinen Anteil hat (4)8aQxfj5 xai auvö^rog yEcööovg oiiaiag ¿(jitoxog), und den yri'ivög ävÖQCojtog, der aus einem Stoff (i5Xr)) besteht, den die Schrift Staub (xoüv) nennt; der himmlische Mensch ist nicht geschaffen (jteitXaoöai), sondern nach Gottes Bild geprägt (xexujrcjoOai), der irdische Mensch dagegen ist ein jtXäo|xa; dieser wird zur lebendigen i|)i>X'n dadurch, daß ihm Gott die ötivctfug aXriGivfjs ^tofjg einhaucht, und so wird er zugleich voijg. Vgl. auch Op Mund 134: Gen 2,7 zeige, „daß ein sehr großer Unterschied besteht zwischen dem Menschen, der jetzt gebildet wurde, und dem, der früher nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen war; denn der jetzt gebildete Mensch war sinnlich wahrnehmbar, hatte schon eine bestimmte Beschaffenheit, bestand aus Körper und Seele, war Mann oder Weib und von Natur sterblich; dagegen war der nach dem Ebenbilde Gottes geschaffene eine Idee (löea tig) oder ein Gattungsbegriff (yfivog) oder ein Siegel (a0aQTog (^woel)" (Ubers. J. Cohn). Die paulinischen Aussagen über Adam und Christus erinnern an diese Schriftauslegung Philos; aber indem Paulus nachdrücklich betont, daß der himmlische Mensch ö ÖETJXEQog ist, wird die von Philo angenommene Abfolge umgekehrt. Denkbar ist allerdings, daß sich die Christusbezeichnung 6 ÖEiJXEQog ctvOgomog s'f; auf die Parusie bezieht (E. Schweizer, T h W N T IX,466f.; erwogen von R o bertson-Plummer, K 374; vgl. 1 Thess 4,16), von der zuvor freilich nur in V. 23 ganz kurz die Rede gewesen war (vgl. aber V. 45). Eine Entsprechung zu xo'ixöc; fehlt (F G haben 6 ovQ&vioq angefugt, die lat. Uberlieferung liest dementsprechend homo de caelo caelestis). Wenig wahrscheinlich ist, daß im Hintergrund eine reflektierte Mythologie steht, wie sie in der späteren Gnosis literarisch belegt ist (vgl. den Exkurs „Adam und Urmensch" bei Conzelmann, K 349—353); dagegen spricht schon die Nachordnung des Jtveu|iaxixöv gegenüber dem tyuxixöv, die jedenfalls nicht als eine bewußte polemische Uminterpretation einer gegenläufig denkenden Mythologie gedacht sein muß. In 48 folgen zwei weitere parallele Nominalsätze, in denen von der „Qualität" der jeweils einzelnen ävÖQtojtoi (V. 47) auf die „Qualität" der jeweils zu ihnen Gehörenden geschlossen wird: Das Verhältnis des (sc. einen) Irdischen zu den (sc. vielen) Irdischen entspricht dem des Himmlischen (jetzt anders als in V. 47 ö EJtouQäviog) zu den Himmlischen. Zu 0I05 — toiofixoi vgl. Verbürg* 199: „Es wird die qualitative Identität [sc. der beiden Seinsbereiche] behauptet, nicht begründet." Die Aussage klingt geradezu dualistisch, d.h. die beiden Bereiche scheinen klar voneinander getrennt zu sein. In 49 macht Paulus nun aber deutlich, daß in beiden Bereichen von denselben Menschen die Rede ist, deren Vergangenheit/Gegenwart und Zukunft in Bezug auf die von ihnen „getragene" Eixcbv voneinander unterschieden werden; dabei verwendet er jetzt die 1. Pers.Plur., d.h aus der Darlegung „dogmatischer" Lehrinhalte wird nun die Ansage gemeinsamer Hoffnung und gemeinsamen Bekenntnisses, eixcov, schon in 11,7, könnte entweder Gen 5,3 (Adam zeugte Seth xaxct xf|v e'ixova onjxoü) oder Gen 1,27 OVQOVOV
362
Die endgültige Verwandlung
15,50-52
(ejtoirioev o 0EÖ5 xöv ävÖQCojrov, xat' eixöva öeoü ejroir]aev avxöv) aufnehmen. Zu Eixöva 4>oqeiv vgl. Verbürg, Endzeit 214-218. Paulus knüpft der Sache nach an seine eigene Aussage in V. 48 an: Wir haben diefifoctovdes xo'lxoc; „getragen", d.h. wir gehören zu ihm (der Aor. £(f>OQ£aa[i£V entweder aus der Perspektive des dann folgenden Fut. (j>ogeao|xev, oder Ersatz für das konfektive Präs., BDR § 333,1b; gemeint ist jedenfalls nicht, daß „wir" gegenwärtig zwischen Vergangenheit und Zukunft stehen und gar keine eIxcüv „tragen"); dementsprechend werden wir künftig zum ejtoupdviog gehören. Paulus legt also nach den zeitlosen Aussagen in V. 36—48 nun in V 49 die Tempora wieder auseinander: Das „Tragen" der eixcbv tof) EJtouQaviou (sc. avOgcbitou) wird sich erst in der Zukunft verwirklichen. Das indikativ. Fut. axr|Qiov ü|nv Xeyw jtävxEg ov xoi|ir)0r|oö|x£Oa, jtävxeg ÖE aXXayr|oö|j,86a, 52
EV OTTÖHTP,
EV putrj 6(j>0aX|ioü,
EV xfj ecrxdxri adXjiiyyi'
364
bvvaxai
Die endgültige Verwandlung
15,50-51
aaXmaei yäq xai ot vEXQoi eyeQÖriaovxai ät(>9aQTOi xai fineig dXX.ayriaöne8a. A E I yciQ TO (j)6aQtöv TOÜTO Evöuaaaöai a(t>0aQaiav xai To 0vr|TÖv TOÜTO Evöüaaa8ai döavaoiav. 54 ÖTav ÖE To A|I(IEVOG xaTEitoÖr) 6 OavaTog Eig vixog' JTOÜ aou, 9avaTE, TÖ vixog. JTOT) OOD, edvaTE, TO XEVTQOV; TÖ ÖE XEVTQOV TOC 0avaTou R| ä|xaQTia, f| ÖE öi3va(iig Tfjg anapTiag ö vö(iog57 TÜ) ÖEfieqjxdpig tcö öiöövri r||iiv TÖ vixog öia TOÜ XUQIOU f|nwv 'IR|aoü X Q I Ö T O C . 53
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Mit der paränetisch ausgerichteten Aussage in V. 58 (coaxe, äöeX,(j)oi |xou (XYajrr]TOL) setzt Paulus den Schlußpunkt der gesamten Argumentation, wobei die Aufforderung eÖQaioi yiveoGe, d(iexaxivr|TOI der Sache nach an V. 2 (ei xaxexexe) und die Stichworte 6 xörcog i)|i(jjv und xevög unmittelbar an V. 10 anzuknüpfen scheinen. T O Ü T O zu Beginn von 50a weist auf das Folgende (vgl. 7,29). CF>R)(LIL (1. Pers. Sing.) im N T nur im 1 Kor, vgl. 10,15.19. Zur „westlichen" Lesart von V. 50 s.o. Der mit öxi eingeleitete Satz V. 50aß könnte ein Zitat sein, zumal die Begrifflichkeit für Paulus ganz ungewöhnlich ist. o ä g | xai al[ia (vgl. Gal 1,16; Sir 14,18 tbg cfcu^Xov OdXXov ejti Ö E V Ö Q O U öaoeog, xa fiev xaxaßcxXXei, äXka öe i)Ei, cuxcog yevea aaonoc, xai afyiaxog, r| [XEV x£Ä,£uxg, exega öe yEwäxai „Wie grünes Blatt am belaubten Baum, die einen wirft er ab, andere läßt er wachsen, so ist das Geschlecht von Fleisch und Blut: das eine stirbt, das andere aber wird geboren"; Mt 16,17; in Eph 6,12 und Hebr 2,14 al(xa xai actgl) gehören so eng zusammen, daß das Verb övvaxai im Sing, steht (die meisten Handschriften haben in den Plur. korrigiert); gemeint ist die Vergänglichkeit und Sterblichkeit des vorfindlichen Menschen. ßaoiXeiav Oeoö xX.r|Qovo(xeiv wie in 6,9 (in F G direkt angeglichen: ot) xXr|govo(ir)aonaiv, ebenso Marcion und ein Teil der lat. Uberlieferung); 01) ÖTJvaxai verweist auf die strikte Unmöglichkeit (vgl. 2,14; 3,11; 12,3.21): Der Mensch in seiner natürlichen Existenz kann kein Erbteil in Gottes endzeitlicher ßaaileia (vgl. V. 24) haben. Die Aussage wird zitiert in EvPhil § 23 (NHC II/3 p 56,32ff), freilich in eigenwilliger Deutung: „Welches ist das (Fleisch), das nicht erben kann? Das (Fleisch), das wir an uns tragen! Welches aber ist das, das doch erben kann? Es ist das (Fleisch) Jesu — nebst seinem Blut!", worauf Joh 6,53f. folgt (Ubers. H.-M. Schenke, Das PhilippusEvangelium, TU 143, 1997, 25, mit der Auslegung 232—235; vgl. auch Lindemann, Paulus 325f.). Ob gemeint ist, daß die Leiber der Auferstandenen nicht oägi; xai ai[xa sein werden, oder daß vor der avdoxaoig die Verwandlung stattfindet (so Jeremias*), läßt sich kaum sagen; angesichts von V. 51 ist die erste der beiden Auslegungsmöglichkeiten die wahrscheinlichere. Parallel folgt in 50b die an V. 42b anknüpfende entsprechende Aussage über 4>0OQÖI und d8aQaia, jetzt mit Ind. Präs. xXr]QOVO[iei. Daß Paulus das Fut. vermeidet, zeigt, daß es um einen prinzipiellen Gegensatz geht. Damit aber stellt sich (implizit) die Frage, was mit den am Ende der Zeit Lebenden geschehen wird (vgl. 1 Thess 4,17). Die nur implizit gestellte Frage wird in 51 explizit beantwortet, löoi), nur hier im 1 365
15,50-58
Die Auferu/eckung Christi und die Auferstehung der Toten
Kor, verweist entsprechend dem hebr. HSn auf die besondere Aufmerksamkeit, die für das Kommende gefordert wird (vgl. 2 Kor 12,14; Gal 1,20; Joh 4,35: iöoi) Xiym vfiiv). [ivötr|piov schon in 2,1.7 (plur. in 4,1; 13,2; 14,2), sonst bei Paulus nur Rom 11,25 (aber oft in Kol und Eph; vgl. R o m 16,25); (JAJGTTIQIOV Xeyü) (vgl. Apk 17,7: iym EQCÜ OOIXÖ [IIKMIPIOV xfjg Y^va^ög xod tov 6T|QLOU) zeigt, daß es um das Geheimnis im Modus seiner Kundgabe geht („Offenbarung"). Das unmittelbar folgende Offenbarungswort ist vermutlich kein Zitat, sondern eigene Aussage des Apostels, wie auch die Verwendung der 1. Pers. Plur. zeigt (Aune, Prophecy 250f. rechnet dagegen mit einem ursprünglich in der 3. Pers. Plur. formulierten „oracle"; dies könnte tatsächlich in 1 Thess 4,15—17 der Fall sein), jidvrsg ov xoi(ir]0T|aö(ie6a setzt den Gedanken der Naherwartung des Ende der Zeit bzw. des Anbruchs der ßaoiAeia Oeolj voraus (vgl. 1 Thess 4,17; Jtdvteg ov „nicht alle", statt ov jtdvteg, s. B D R § 433 3 , wo Parallelen fiir die unerwartete Wortstellung genannt sind). Durch das „wir" schließt er sich mit den Adressaten zusammen (vgl. Fee, K 800), ohne dabei an eine bestimmte Gruppe zu denken. Paulus rechnet damit, daß es gegenwärtig lebende Menschen gibt, die nicht sterben werden, wobei er über deren Zahl nichts sagt (s. den Exkurs nach V. 52). Alle aber (jtdvteg öe; die Mehrzahl der Handschriften hatte deshalb hinter das erste Jtdvteg ein ¡xev eingefügt) werden „wir" verwandelt werden. dX,Xdooco bei Paulus sonst nur Rom 1,23; Gal 4,20 in ganz anderem Zusammenhang; der besondere Sinn in V. 51 (vgl. V. 52) ergibt sich aus dem Kontext (vgl. V. 49 und überhaupt V. 42—49): Da odp| xai al|xa bzw. t| 0opd am endzeitlichen Heil keinen Anteil haben können, müssen alle Menschen „verwandelt" werden, um das Heil zu erlangen (vgl. syr Bar 49,lff, s.o. zu V. 35). Die Debatte, ob die Jtdvteg („wir") alle Menschen oder nur alle Christen sind, ist unnötig — in V. 51 f. spricht Paulus betont von sich und von den Adressaten, ohne die anderen Menschen (positiv oder negativ) überhaupt im Blick zu haben (so auch Calvin, K zSt.). An der Formulierung in V. 51 ist in der Textgeschichte erheblich korrigiert worden. Von besonderer Bedeutung ist die von X C 0243* u.a. bezeugte Lesart Jtdvteg (N C 2 : (IEV) xoi[iT]0r|o6(i£0a, ov Jtdvteg öe xxA.., mit der der ursprüngliche Textsinn in sein Gegenteil verkehrt wird (ähnlich F G: Jtdvreg ovv xoi,|ir|6r|aö|ie6a, ov Jtdvteg öe xtX.; vgl. Ac: Jtdvteg oi> xoi|iTi0T|a6[ie9a, ov Jtdvteg öe xtX.; Saake* schlägt vor, den K-Text als ursprünglich anzusehen, dabei aber das ov als nachgestellte Verneinung auf xoi(xr|0r]aö(ie0a zu beziehen, vgl. Rom 7,18). Sehr deutlich korrigiert D*: Jtdvteg avaoxr|0Ö|ie9a, ov Jtdvteg öe dXXayT|aö(xe0a (vg: omnes quidetn resurgemus sed non omnes inmutabimur). Sowohl die Naherwartungsaussage wie auch die Ansage, alle würden verwandelt werden, löste also offenbar größte Bedenken aus; umso erstaunlicher ist es, daß der theologisch weithin als anstößig empfundene Text von B D 2 K P W 075 0243 3Ji sowie von den syrischen und den koptischen Ubersetzungen bezeugt ist. In 52a folgen drei Angaben zu den Begleitumständen der Verwandlung: ev dtö[xcü, von dtöjiog „unteilbar" (das Wort oft in der Philosophie, aber kaum von der Zeit), hier „in einem nicht mehr teilbaren Zeitraum" (vgl. Aristot Phys VI 5 p 235,30-33: Wenn ein Prozeß tö [¿etaßeßX/rixög zum Abschluß gekommen ist, muß es sich notwendig um einen nicht mehr teilbaren Zeitpunkt handeln dvdyxr] ätojiov elvai; 236,5-7: