Der erste Brief des Petrus / Handbuch zum Neuen Testament 15/II: Mitarbeit:Lietzmann, Hans; Bornkamm, Günther; Lindemann, Andreas 9783161593420, 9783161595653, 3161593421

Gerald Wagner und François Vouga bieten eine philologische, literaturwissenschaftliche, historisch-kritische und theolog

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German Pages 166 [175] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
1. Das Anliegen des Briefes
2. Der Aufbau des Briefes
3. Die Entstehungssituation des Briefes und seine Christologie
4. Der Erste Petrusbrief als Brief des Petrus
B. Forschungsliteratur
1. Bibliographien und Literaturberichte
2. Kommentare zum Ersten Petrusbrief
3. Forschungsarbeiten zum Ersten Petrusbrief
4. Quellen und Hilfsmittel
C. Kommentar
1,1–2 Präskript
1,3–12 These. Der Status der Gegenwart als Gedicht
1,13–2,10 Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)
1,13–25 Leben aus Offenbarung mit gegenseitiger Unterstützung (Ia)
1,13–16 Lebe, was Du bist
1,17–21 Christus, die Zeitenwende
1,22–25 Freundschaft innerhalb der Geschwisterschaft und bleibende Distanz
2,1–10 Wie der Stein Christus die Christen zu Steinen macht (Ib)
2,11–4,11 Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)
2,11–3,12 Unterordnung als Möglichkeit zum guten Handeln (IIa)
2,11–12 Überzeugungsarbeit im Konflikt
2,13–17 Taktische Unterordnung und Veränderungsgelegenheit
2,18–20 Unterordnung der Haussklaven und Konfliktdifferenzierung
2,21–25 Christus, Vorbild und Wende
3,1–6 Unterordnung der Ehefrauen und die Macht des milden Geistes
3,7 Die Form der Unterordnung für übergeordnete Männer
3,8–12 Zusammenfassung. Einfühlung für die Geschwister und Gewaltfreiheit für alle
3,13–4,11 Das gute Handeln in Konflikten (IIb)
3,13–16 Leiden bringt die Identität nicht durcheinander
3,17–22 Das Vorbild Christus ist bis über die Grenze gegangen
4,1–6 Bestätigung der vernünftigen Entscheidung, zugewandt zu leben
4,7–11 Aufforderung an die Geschwister, sich in der dichten Zeit gegenseitig zu unterstützen
4,12–5,7 Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)
4,12–19 Das Gericht geht vom Haus Gottes aus (IIIa)
5,1–7 Zusammenfassung. Ältere, Jüngere und das Miteinander der Geschwister (IIIb)
5,8–11 Briefschluss. Wiederholung des Appells zur Nüchternheit, Zusage und Doxologie
5,12–14 Postskript
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 9783161593420, 9783161595653, 3161593421

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Handbuch zum Neuen Testament Begründet von Hans Lietzmann Fortgeführt von Günther Bornkamm Herausgegeben von Andreas Lindemann

15.II

Gerald Wagner / François Vouga

Der erste Brief des Petrus

Mohr Siebeck

François Vouga: Geboren 1948; 1975–82 Pfarrer in Genf; 1982–86 Professor für Neues Testament in Montpellier; 1984–85 Gastprofessor an der Theologischen Fakultät in Neuchâtel; 1986–2014 Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Bethel und dann Wuppertal/Bethel; Gastprofessuren an den theologischen Fakultäten in Neuchâtel, Rom, Québec und Montpellier. Seit 2014 emeritiert. Gerald Wagner: Geboren 1977; Theologiestudium in Bethel, Berlin, Rom und Heidelberg; Pfarrer in Lons-le-Saunier; 2009 Promotion; Fernstudium Erwachsenenbildung; seit 2013 Gemeindepfarrer in Bielefeld-Milse.

ISBN 978-3-16-159342-0 Leinen ISBN 978-3-16-159565-3 Broschur eISBN 978-3-16-159520-2 DOI 10.1628/978-3-16-159520-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2020

Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Ver arbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von SatzWeise in Bad Wünnenberg aus der Bembo Antiqua gesetzt, von GuldeDruck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Der vorliegende Kommentar ist eine Teamarbeit: François Vouga hatte die Grundannahmen der Auslegung bereits in verschiedenen Aufsätzen entworfen, Gerald Wagner konnte sie in seiner Dissertation „Dissidenten der Hoffnung“ weiterentwickeln. François Vouga hat dann einen Teil der in diesem Kommentar vorliegenden Textanalysen geschrieben; der größere Teil und die Redaktion stammen aus der Feder von Gerald Wagner. Wir haben alles bei unzähligen Tassen Kaffee miteinander besprochen – gemeinsam verantworten wir das Ganze. Zwischenzeitlich war unser Team erweitert: Dietrich Heine half uns bei den Übersetzungen. Diplom-Bibliothekar Andreas Nicke von der Bibliothek der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel unterstützte uns bei der Beschaffung von Literatur. Und die Freundinnen und Freunde der regelmäßig veranstalteten Neutestamentlichen Tagung Bethel waren für uns wichtige Gesprächspartner. Allen gilt unser Dank. Freundlicherweise waren Verlag und Herausgeber bereit, eine Teamarbeit in die Reihe „Handbuch zum Neuen Testament“ aufzunehmen. Durch Hinweise, Korrekturen und Fürsorge in den letzten Arbeitsschritten hat Prof. Dr. Andreas Lindemann Teil an der Gemeinschaftsleistung. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Verlag Mohr Siebeck gilt unser Dank für die sorgfältige Herstellung und Drucklegung des Buches. Bielefeld-Milse, im Februar 2020 François Vouga und Gerald Wagner

V

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 5 8

1. 2. 3. 4.

Das Anliegen des Briefes . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Aufbau des Briefes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entstehungssituation des Briefes und seine Christologie Der Erste Petrusbrief als Brief des Petrus . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,1–2 Präskript . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,3–12 These. Der Status der Gegenwart als Gedicht . . . . . . . . . 1,13–2,10 Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I) . . . . . . . . . . 1,13–25 Leben aus Offenbarung mit gegenseitiger Unterstützung (Ia) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,13–16 Lebe, was Du bist . . . . . . . . . . . . 1,17–21 Christus, die Zeitenwende . . . . . . . 1,22–25 Freundschaft innerhalb der Geschwisterschaft und bleibende Distanz . . . . . . 2,1–10 Wie der Stein Christus die Christen zu Steinen macht (Ib) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2,11–4,11 Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II) . . . . . 2,11–3,12 Unterordnung als Möglichkeit zum guten Handeln (IIa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2,11–12 Überzeugungsarbeit im Konflikt . . . . 2,13–17 Taktische Unterordnung und Veränderungsgelegenheit . . . . . . . .

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B. Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 2. 3. 4.

Bibliographien und Literaturberichte . . . Kommentare zum Ersten Petrusbrief . . . Forschungsarbeiten zum Ersten Petrusbrief Quellen und Hilfsmittel . . . . . . . . .

C. Kommentar

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VII

Inhaltsverzeichnis

2,18–20

Unterordnung der Haussklaven und Konfliktdifferenzierung . . . . . . . . . . 2,21–25 Christus, Vorbild und Wende . . . . . . . 3,1–6 Unterordnung der Ehefrauen und die Macht des milden Geistes . . . . . . . . 3,7 Die Form der Unterordnung für übergeordnete Männer . . . . . . . . . . . . 3,8–12 Zusammenfassung. Einfühlung für die Geschwister und Gewaltfreiheit für alle . . 3,13–4,11 Das gute Handeln in Konflikten (IIb) . . . . . . . . 3,13–16 Leiden bringt die Identität nicht durcheinander . . . . . . . . . . . . . . . . . 3,17–22 Das Vorbild Christus ist bis über die Grenze gegangen . . . . . . . . . . . . . 4,1–6 Bestätigung der vernünftigen Entscheidung, zugewandt zu leben . . . . 4,7–11 Aufforderung an die Geschwister, sich in der dichten Zeit gegenseitig zu unterstützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4,12–5,7 Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese) . 4,12–19 Das Gericht geht vom Haus Gottes aus (IIIa) . . . . . 5,1–7 Zusammenfassung. Ältere, Jüngere und das Miteinander der Geschwister (IIIb) . . . . . . . . . . . 5,8–11 Briefschluss. Wiederholung des Appells zur Nüchternheit, Zusage und Doxologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5,12–14 Postskript . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VIII

90 93 101 106 108 111 112 118 129

138 141 142 156 162 165

Einleitung 1. Das Anliegen des Briefes Der erste Petrusbrief (1 Petr) stellt sich als ein strategischer und pastoraltheologischer Rundbrief vor, den Silvanus im Auftrag des Petrus an die Berufenen, d. h. an die christlichen Häuser, die sich in Pontus, Galatien, Kappadokien, Asien und Bithynien befinden, in Rom geschrieben hat. Sein erstes Anliegen besteht in der Verstärkung des Vertrauens und der Überzeugungskraft von Männern und Frauen, die im Glauben eine Orientierung, eine Hoffnung und einen Lebenssinn gefunden haben. Dadurch haben sie ein neues Selbstwertbewusstsein gewonnen, und sie leben in der gegenseitigen Anerkennung und in der Solidarität der bisher unbekannten geschwisterlichen Gemeinden. Aber deswegen haben sie auch alte Loyalitäten ihres früheren sozialen Lebens in der hellenistisch-römischen Gesellschaft aufgegeben – was Unverständnis, Ärger und Unsicherheit bei ihnen, in ihrem Umfeld und in ihren Häusern auslöst. In dieser existentiellen Situation entwickelt 1 Petr eine Strategie, die drei Dimensionen hat: Sie ist seelsorgerlich, d. h. findet für die Nöte Worte und Verstehen. Sie ist ökonomisch, d. h. gestaltet im eigentlichen Sinne gemeinsames Leben in den vorfindlichen Häusern. Und die Strategie ist politisch, d. h. sie gibt der Lebenszeit des Einzelnen im öffentlichen Raum einen Sinn. 1. Eine erste Dimension der Argumentation des Briefes besteht in der Seelsorge: Eine Anamnese erinnert die Adressaten an die neue Identität, die sie im Haus Gottes bekommen haben, und an die Orientierung, die ihrem bisher leeren Lebenswandel durch den Ruf, den 1 Petr ihre Berufung nennt, gegeben worden ist. Die Schwierigkeiten, Unverständnisse, Benachteiligungen, Demütigungen und Ausgrenzungen, die Mitglieder der christlichen Gemeinden treffen, weil sie am sozialen und religiösen Leben ihres hellenistisch-römischen Umfeldes nicht mehr teilnehmen, und die unter dem Begriff der Leiden zusammengefasst werden, dürfen und sollen sie als unmittelbare Konsequenz der Hoffnung verstehen. 2. Eine zweite Dimension der Argumentation findet eine Begründung und ein Vorbild in den Leiden und in der Verherrlichung Jesu Christi. Ähnlich wie die Paulusbriefe konzentriert 1 Petr seine Aufmerksamkeit auf die absolute Singularität des für die Erkenntnis Gottes und der Wahrheit der menschlichen Existenz sinngebenden Ereignisses des Todes Jesu und der Offenbarung seiner Auferstehung. Die Paulusbriefe fassen die befreiende Kraft der Verkündigung der Auferstehung des Gekreuzigten mit dem Begriff des Kreuzes zusammen. 1 Petr bevorzugt den Begriff der Leiden, der eine ausdrückliche Parallelität zwischen dem Weg Jesu und der Situation der Leserinnen und Leser eröffnet: Die christologische Grundaussage, nach welcher Christus auch für uns 1

Einleitung

gelitten hat und Gott ihn auferweckt hat, begründet sowohl die Hoffnung der Adressaten, die die Diaspora der von Gott auserwählten Fremden in der nichtchristlichen Gesellschaft bilden. Und sie begründet auch ihre Verantwortung, sich im öffentlichen Raum als Dissidenten, i. e. als wirkkräftige Zeugen ihrer Hoffnung, zu verhalten. 3. Eine dritte Dimension der Argumentation gestaltet das gemeinsame Leben in den Häusern: Sowohl in den Häusern, in denen die Adressaten ihren Alltag verbringen, als auch in den Häusern, in denen sich die christlichen Gemeinden versammeln. Christus, der gelitten hat und verherrlicht wurde, ist Grund und Paradigma einer reflektierten Strategie der Gewaltlosigkeit, die zum letzten Ziel hat, im alltäglichen Leben die Mitmenschen für die Hoffnung zu gewinnen. Die Adressaten sollen sich nämlich so verhalten, dass sie sich selbst und ihrer Hoffnung treu bleiben und dass sie vermeiden, sich defensiv durch ungerechte oder böswillige Verhaltensweisen ihrer Umgebung dazu verleiten zu lassen, Schlechtes mit Schlechtem zu erwidern. Konkret geht es zum einen darum, den Ärger und die Ängste, die das neu gewonnene Selbstbewusstsein und die Freimütigkeit der christlichen Sklaven, Frauen aber auch Männer in nicht-christlichen Häusern auslösen können, durch eine vorbildlich respektvolle Umgangsweise zu entwaffnen. Und darum, ihren nicht-christlichen Herren, Ehemännern oder Ehefrauen die Möglichkeit zu eröffnen, den Grund ihrer Hoffnung zu verstehen und sich durch ihre Haltung und durch ihr Verhalten überzeugen zu lassen, sich auch zu bekehren. Zum anderen setzt diese Existenz der Adressaten als christliche Dissidenten in einem heidnischen Milieu eine Solidarität voraus, mit der sie sich untereinander in den Häusern ihrer Versammlungen stärken sollen.

2. Der Aufbau des Briefes Die Struktur der Argumentaton ist deutlich: Im Präskript (1,1–2) wird der Rahmen der Kommunikation definiert. Als Absender steht „Petrus“. Warum der Brief Petrus – und nicht Paulus oder eine andere prägende Gestalt des frühen Christentums – als seinen Autor wählt, bleibt zunächst unklar. Er interessiert sich nämlich weder in dieser ersten Selbstvorstellung noch im weiteren Verlauf seiner Argumentation für das Besondere der Person Petrus, für seine Vergangenheit mit Jesus in Galiläa oder für seine besondere Rolle in der Geschichte der nachösterlichen Mission. Entscheidend scheint nur zu sein, dass er als Gesandter Jesu Christi schreibt. Dem Verfasser ist es auffällig wichtiger, die Sondersituation der Adressaten aufzuwerten: Sie bilden eine Diaspora in einer Gesellschaft, die ihre Welt war, die für sie aber zur Vergangenheit gehört und der sie fremd geworden sind. Aber diese Fremdheit, die sie als soziale Außenseiter kennzeichnet, wird durch den Brief als die Konsequenz einer Berufung interpretiert, die durch eine programmatische Zusammenfassung ihres Überzeugungssystems begründet wird: – Sie sind in eine Geschichte der Hoffnung hineingenommen worden, die von Gott dem Vater bereits vor Grundlegung der Welt bestimmt wurde. – Sie sind dazu durch den Geist ausgesondert worden.

2

Der Aufbau des Briefes

– In den Leiden und der Verherrlichung Jesu Christi haben sie den Grund und das Vorbild ihrer Dissidenz in einer Gesellschaft und in einer religiösen Umwelt gefunden, in der sie kein Zuhause mehr haben. Nach dem Modell der Paulusbriefe beginnt der Brief mit einer Danksagung (1,3–11). Aber anders als in den Briefen des Paulus hat diese Danksagung nicht die Funktion, den Kommunikationszusammenhang zwischen dem Apostel und seinen Gemeinden herzustellen, indem die persönlichen Verbindungen einer gemeinsamen Geschichte vom gemeinsamen Glauben her definiert werden. Die Danksagung, die in 1 Petr überhaupt keine Hinweise auf eine zwischenmenschliche Beziehung zwischen dem angegebenen Verfasser und seinen Adressaten enthält, stellt sich vielmehr als eine aufwertende Wiederholung des Glaubensbekenntnisses dar. Unter dem Aspekt der Zukunft werden die Adressaten daran erinnert, dass die Offenbarung der Auferstehung Jesu ihnen eine lebendige Hoffnung gegeben hat, die mit der Gewissheit eines endzeitlichen Heils verbunden ist (1,3–5). Von dieser Gewissheit her dürfen sie die momentanen Prüfungen, die ihren gegenwärtigen Alltag beeinträchtigen, als Bestätigung und Verstärkung ihres Glaubens betrachten (1,6–9). Und die Propheten, die der Vergangenheit einen Sinn geben, bestätigen den hohen Wert der Gnade, die den Adressaten zugekommen ist, indem sie selbst danach gesucht und geforscht haben. So sollen sie als Zeugen der frohen Botschaft der Leiden und der Herrlichkeit Christi gelesen werden (1,10–12). Das Briefcorpus beginnt mit einem biographischen Rückblick auf die vergangene Unwissenheit der Adressaten und auf die Wiedergeburt. Diese wurde ermöglicht durch die Offenbarung der Auferstehung Jesu, die sie von der nichtigen Lebensweise ihrer vor-christlichen Zeit befreite. Der Sinn dieser Erinnerung besteht in der Aufforderung, ihre neue Identität wahrzunehmen: Sie sind das Haus Gottes und sollen sich wie lebendige Steine als dieses Haus Gottes in der Welt aufbauen lassen (1,13–2,10). Diese Sonderstellung und die Verantwortung, die damit verbunden ist, werden mit religiösen Begriffen bezeichnet, die in einem übertragenen, sozialen und politischen Sinn verwendet werden: Die Erwählten sind heilig, sie sollen heilig sein, wie der Gott, der sie erwählt hat, heilig ist. Und ihre Dissidenz wird als universales Priestertum aller Menschen qualifiziert, die in der geoffenbarten Hoffnung leben. Den Grund dieser ersten Etappe der Argumentation bildet ein erster christologischer Hymnus, der ähnlich Reinheitskategorien im übertragenen, ethischen Sinne verwendet: Fehllos und makellos meinen eigentlich kompromisslos. Die Offenbarung der Auferstehung Christi hat ihrer Hoffnung deswegen Grund gegeben, weil er sein Leben dafür gegeben hat (1,18–21): 18 wissend, dass ihr nicht durch vergängliche [Dinge], Silber oder Gold, erlöst worden seid aus eurer nichtigen, von den Vätern überkommenen Lebensführung, 19 sondern durch wertvolles Blut, wie [das] eines untadeligen und makellosen Lammes, [nämlich das Blut] Christi, 20 [der] zwar vorausersehen ist vor der Grundsteinlegung der Welt, aber offenbar wurde am Ende der Zeiten um euretwillen,

3

Einleitung

21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn aufgeweckt hat von den Toten und ihm Herrlichkeit gegeben hat, damit euer Glaube auch Hoffnung auf Gott ist.

Der zentrale Teil des Briefes (2,11–4,11) beginnt mit einer thematischen Darstellung des strategischen Programms: Die Haltung und der Lebensstil der Adressaten, die sich in ihrem Umfeld nicht defensiv verhalten, sondern ihrer Hoffnung offensiv und kreativ treu bleiben, sollen die Nicht-Christen veranlassen, den Gott, der sich in der Auferstehung Jesu geoffenbart hat, als Gott anzuerkennen und zu preisen (2,11–12). Strategische (2,13–3,12) und pastoraltheologische Durchführungen (3,13–4,11a) werden christologisch begründet (2,21–25; 3,18–22) und durch eine entsprechende Doxologie (4,11b) abgeschlossen: Das Ziel der Strategie besteht darin, dass Gott durch Jesus Christus, und die Wahrnehmung des von ihm gegebenen Vorbildes durch die in der hellenistisch-römischen Gesellschaft zerstreuten Christen anerkannt wird als Grund der Hoffnung, der Lebensorientierung und des Sinns der menschlichen Existenz. Die strategischen Durchführungen bestehen aus Empfehlungen, die sich zunächst und abschliessend an alle Mitglieder der christlichen Gemeinschaften richten, sich aber dazwischen an besondere Gruppen wenden: Christliche Sklaven in nicht-christlichen Häusern, christliche Ehefrauen in nicht-christlichen Häusern und Ehemänner (2,13– 3,12). Der Hauptsatz wird in 2,13a formuliert, und er wird in einer Reihe einleitender Partizipialsätze wiederaufgenommen (2,18; 3,1.7.8–9). Er unterscheidet taktische Anweisungen zur Unterordnung von einer klaren theologischen Begründung. Wenn die Adressaten den Willen Gottes tun wollen und ihrer Hoffnung und sich selbst treu bleiben, dann sollen sie sich den in den nicht-christlichen Häusern sozial geltenden Ordnungen unterordnen. Der tiefere Sinn dieser taktischen Unterordnung besteht in einer offensiven Strategie der Gewaltlosigkeit, die mehrere Ziele verbindet. Zum einen geht es darum, ihre Freiheit zu bewahren und sich selbst zu schützen: Eine einfach defensive Reaktion auf die Ungerechtigkeit der Herrschenden und Hausherren würde einen Verrat der eigenen Werte und des Selbstwertgefühls bedeuten, und ein reaktives Verhalten eine mögliche Eskalation der Gewalt auslösen, die Christen, christliche Sklaven und christliche Frauen zu den ersten Verlierern in ihrem nicht-christlichen alltäglichen Lebensraum machen würde. Zum anderen findet diese Strategie ihre Bedeutung darin, den wahren Grund ihrer Dissidenz von persönlichen Interessen klar unterscheidbar zu machen, das Gewissen ihrer Mitmenschen anzusprechen und sie von ihrer Hoffnung zu überzeugen. Die pastoraltheologischen Durchführungen verarbeiten die Situation der Adressaten, indem sie die notwendige Verbindung zwischen ihren Konflikten und ihrer Hoffnung reflektieren (3,13–4,11). Das sind im Wesentlichen drei Empfehlungen: Sie sollen sich nicht durch ungerechtes Leiden entmutigen lassen, denn, so lange sie sich vorbildlich untergeordnet haben, ergibt sich diese Ungerechtigkeit nicht aus ihren eigenen Verhaltensweisen, sondern aus ihrer Hoffnung. Deswegen sollen sie auch jederzeit bereit sein, allen Menschen, die sie um eine Auskunft bitten über die Hoffnung, die sie motiviert, eine Antwort zu geben. Und sie sollen sich auch nicht durch die Nostalgie der alten Zeit oder wegen des Entsetzens ihrer ehemaligen Freunde zurückgewinnen lassen. 4

Die Entstehungssituation des Briefes und seine Christologie

Die Zusammenfassung (4,12–19) nimmt die Form einer peroratio an. Die bisher behandelten Themen werden knapp und nachdrücklich wiederaufgenommen. Die Dissidenten sollen sich durch den Widerstand, den sie erfahren, nicht entmutigen lassen. Sie sollen sich umgekehrt darüber und darauf freuen, dass diejenigen, die jetzt Gemeinschaft an den Leiden Christi haben, auch Gemeinschaft an seiner Herrlichkeit haben werden, wenn sie offenbar werden wird (4,12–13). Dann sollen sie sich nicht schämen, wenn sie für Verbrecher gehalten werden, denn sie selbst wissen, dass sie die Konflikte nur deswegen erfahren, weil sie die neuen Werte, die für sie jetzt gelten, nicht verraten haben, und dass sie ihrer Hoffnung treu geblieben sind (4,14–16). Abschliessend wird der ganze Prozess auf seinen Zielpunkt gebracht: In diesem gewaltlosen Versuch, die Menschen für die Hoffnung zu gewinnen, und in den Reaktionen, die dieses Engagement auslöst, vollziehen die Dissidenten das Gericht (4,17–19). Die Schlussparänese (5,1–9) erinnert ältere, erfahrungsreichere, und jüngere Mitglieder in der Gemeinde an ihre wechselseitige Verantwortung, und dem apostolischen Segen (5,10–11) folgen eine kurze persönliche Erklärung des Petrus, der „durch den treuen Bruder Silvanus“ geschrieben hat (5,12), und indirekte Grüße von der römischen Gemeinde und von einem Markus, den der Verfasser als seinen Sohn vorstellt (5,13–14).

3. Die Entstehungssituation des Briefes und seine Christologie Die klassischen Einleitungsfragen sind nur mit Vermutungen zu beantworten. Für sehr wahrscheinlich kann zunächst gehalten werden, dass Petrus nicht der Verfasser ist. Aufgrund der Angabe seiner Mitverfasserschaft in 1Thess 1,1 und der durchaus plausiblen Interpretation des διά in 5,12 als Hinweis auf den Schreiber des Briefes, aber auch aufgrund einer sprachlichen Verwandtschaft der Argumentation, hatte Selwyn die Hypothese formuliert, Silvanus als den Verfasser zu betrachten und den „ersten Petrusbrief“ als „zweiten Silvanusbrief“ zu lesen. Wenn der Brief allerdings als Pseudepigraph zu verstehen ist, dann darf als wahrscheinlich gelten, dass er erst nach dem Tod des Petrus abgefasst wurde, aber auch, dass dann die Adressatenliste ebenfalls fiktionalen Charakter hat. Aber gerade wenn die Angabe von Verfasser und Adressaten zur Fiktion gehören, haben sie programmatische Bedeutung. Die Bezeichnung der angesprochenen Leserinnen und Leser als „erwählte Fremde in einer Diaspora“ kündigt schon das Thema des gesamten Briefes an. Seine Entstehungssituation ist dadurch bestimmt, dass Christinnen und Christen, die als winzige Minderheit in einer nicht-christlichen Umgebung zerstreut sind, Beratung und Unterstützung für eine Lösung der Spannungen und der Konflikte bekommen sollen, die in ihrem Alltag wegen ihrer Hoffnung entstehen. Wie die Zusammenstellung der Landschaften oder Provinzen Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien zustande gekommen ist, bleibt unentscheidbar. Sind Bereiche aufgelistet, durch welche Petrus gereist wäre? Der einzige Beleg, den 5

Einleitung

man dafür finden kann (Euseb, HE III 4,2), ist wahrscheinlich von 1 Petr 1,1 abhängig. Der Brief enthält auch keine Spur einer persönlichen Bekanntschaft zwischen den Adressaten und dem Apostel. Dem Brief ist dagegen eindeutig zu entnehmen, dass sie aus Gemeinden von sogenannten Heidenchristen bestehen, die keine Vergangenheit in der Synagoge, sondern ehemalige Freunde in der hellenistisch-römischen Gesellschaft, in ihren Sozietäten und in ihren religiösen Mahlfeiern hatten (4,3–4). Die Argumentation enthält zwar zwei gekennzeichnete Zitate aus dem AT (1,16; 2,6), und sie kann Anspielungen enthalten (z. B. 1,24; 2,3; 2,6–10; 2,22–25; 3,5; 3,10–12; 3,20). Aber die AT-Texte werden nicht als Autoritäten, sondern als ästhetisch passende Formulierungen, meistens in einem übertragenen Sinne, oder als Illustrationen eingeführt. Jede Auseinandersetzung mit dem Judentum und mit der jüdischen Tradition fehlt. Das aktuelle Thema besteht nicht in der Definition der Wahrheit des Christentums, sondern in der Verarbeitung der Missverständnisse, der Frustrationen, der Ängste und der Konflikte, die in den zwischenmenschlichen Beziehungen mit ihrer bisherigen Umgebung seit ihrer Bekehrung entstanden sind. Die aktuelle Herausforderung besteht daher darin, eine Haltung und eine bestimmte Verhaltensweise zu definieren, die einer Minderheit helfen können, ihrem neu gewonnenen Selbstbewusstsein in einer fremd und ihr gegenüber oft feindlich gewordenen Gesellschaft treu zu bleiben. Als Grund und Vorbild einer angemessenen Strategie entwickelt der Brief eine originelle Christologie, die den Begriff der Leiden umdefiniert. Das traditionelle frühchristliche Bekenntnis, nach welchem Christus für uns gestorben ist, nimmt er in der modifizierten Form auf, dass auch Christus „für euch“ (2,21), für die Sünden (3,18) und als Gerechter für Ungerechte (3,18) gelitten hat. Die eindeutige Bedeutung und die Relevanz dieser Grundaussage für die Adressaten wird in zwei Hymnen präzisiert. Sie zeigen, dass der Leidensbegriff eine positive Haltung und eine aktive Verhaltensweise bezeichnet. Christus war kein Opfer, und sein Tod wird nicht als Opfertod interpretiert, sondern umgekehrt: Leiden erscheint im Brief als direkter, offensiver Gegensatz zum Opfer-Sein. Die Leiden Christi benennen die bewusste und vom Subjekt gewollte Entscheidung, aus Treue zu sich selbst, zu einer Aufgabe, die als höchster Lebenswert angesehen wird, und zu einer sinnstiftenden Wahrheit, bereit zu sein, die Nachteile dafür zu übernehmen und, wenn es notwendig wird, sein Leben freiwillig hinzugeben. Dies wird im Hymnus klar, der die strategischen Empfehlungen zur Gewaltlosigkeit (2,13–3,12) in seinem Zentrum begründet (2,21–25): 21a Denn dazu seid ihr berufen, 21b weil auch Christus gelitten hat zu euren Gunsten, euch ein Vorbild hinterlassen habend, damit ihr seinen Spuren folgt, 22 der keine Sünde getan hat und in dessen Mund auch kein Betrug gefunden wurde, 23 der verschmäht nicht widerschmähte, der leidend nicht drohte, sondern [sich] dem gerecht Richtenden übergab, 24a der, der unsere Sünden selbst hinauf getragen hat in seinem Leib auf das Holz, damit [wir] – den Sünden gestorben –

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Die Entstehungssituation des Briefes und seine Christologie

der Gerechtigkeit leben, 24b durch dessen Strieme ihr geheilt worden seid, 25 denn ihr wart wie verirrte Schafe, aber ihr seid jetzt umgewendet worden zum Hirten und Aufseher eurer Seelen.

Das Gelitten-Haben Christi wird explizit als Vorbild dargestellt, das den Adressaten gegeben wird, damit sie ihm folgen. Was dieses Leiden meint, wird in Anlehnung an Jes 52,13–53,12 definiert. Hermeneutisch können wir sehen, dass der Hymnus der anonymen Figur des sogenannten leidenden Gottesknechtes eine plausible Identität liefert, und wir können sogar vermuten, dass diese neu gewonnene Identität zur Konstruktion und zur literarisch an sich nicht evidenten Abgrenzung der vier Gottesknechtlieder innerhalb des Jesajabuches führen konnte (vgl. Vouga, Textproduktion durch Zitation). Auffällig ist auf jeden Fall, dass das Leiden nicht mit erfahrenen Ungerechtigkeiten an sich verbunden ist, sondern, wie es die aktive Form der Hauptsätze unterstreicht, mit der bewussten und aktiven Entscheidung, diese Ungerechtigkeit auf sich zu nehmen, damit Verfasser und Adressaten von und für die Gerechtigkeit leben – nicht mehr also als irrende Schafe leben, sondern einen Hirten und Hüter ihrer Seelen finden, der ihnen Hoffnung gibt. So werden die Leiden Christi den Adressaten als das Vorbild für die ihnen empfohlene Entscheidung gegeben, die Konsequenzen der gewaltlosen Strategie der Dissidenz auf sich zu nehmen. Einen weiteren Horizont eröffnet der dritte christologische Hymnus des Briefes (3,18–22), der die pastoraltheologischen Empfehlungen (3,13–4,11) begründet. Der aktive und strategische Charakter des Leidens bekommt eine neue Perspektive und eine präzise Bedeutung: Die Strategie der Gewaltlosigkeit, die die Bereitschaft zum Leiden impliziert, hat nämlich nicht in sich selbst ihr Ziel, sondern ihr Sinn besteht präzise darin, genau diejenigen zu überzeugen, mit denen Konfliktlösungen erst mit paradoxer Kommunikation zu finden sind. Dies setzt dann voraus, dass die nicht-defensiven, sondern offensiven Haltungen und Verhaltensweisen der Dissidenten sich per definitionem in ein Leiden für die Sünde und für Ungerechte verwandeln können. Eine Kaskade von Relativsätzen veranschaulicht die qualitativ und quantitativ universale Dimension der Aufgabe, die Christus als Grund und Vorbild für die Dissidenz der christlichen Geschwisterschaften erfüllt hat: 18a.b weil auch Christus einmal für die Sünden gelitten hat – als Gerechter zugunsten der Ungerechten –, damit er euch zu Gott hinführt, 18c [der wurde] zwar getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist, 19 durch den er sogar – indem er zu den Geistern im Gefängnis gegangen ist – [denen] gepredigt hat, 20 die einst ungehorsam waren, als die Langmut Gottes gewartet hat in den Tagen Noahs, [während] gebaut wurde eine Arche, in die wenige, das heißt acht Seelen,

7

Einleitung

durchs Wasser gerettet worden sind, 21 welches auch – als Gegenbild –, nämlich als die Taufe, euch jetzt rettet, nicht [ein] Ablegen des Fleischesschmutzes, [sondern eine] Bitte an Gott um ein gutes Gewissen durch die Auferstehung Jesu Christi, 22 der zur Rechten Gottes ist, aufgefahren in den Himmel, ihm sind Engel und Mächte und Kräfte unterworfen worden.

Die Paulusbriefe, u. a. 1 Kor und Röm 12,1–15,13, setzten sich mit der Frage der gegenseitigen Anerkennung innerhalb der Gemeinden auseinander. Eine oder zwei Generationen später stehen die Gemeinden aber offenbar vor einem neuen Problem, nämlich Konflikten um ihre Akzeptanz in der hellenistisch-römischen Gesellschaft. Pseudepigraphische Apostelbriefe schlagen unterschiedliche Lösungen dazu vor. Die Pastoralbriefe versuchen, diese Konflikte defensiv zu überwinden: Die Christen sollen sich dem Ethos ihrer nicht-christlichen Umwelt anpassen und sich als vorbildliche Bürger verhalten. Die Originalität des 1 Petr besteht umgekehrt darin, die Adressaten auf ihre durch das Bewusstsein ihrer Erwählung begründete Selbstachtung aufmerksam zu machen und eine Strategie zu entwickeln, die gerade darauf zielt, die Menschen ihrer Umgebung zu überzeugen, das Haus Gottes in der Welt mit-aufzubauen.

4. Der Erste Petrusbrief als Brief des Petrus Den Beweggrund des Verfassers, seinen strategischen und seelsorgerlichen Empfehlungen die Form eines pseudepigraphischen Briefes des Petrus zu geben, erklärt der Brief selbst. Erstens: Petrus wird bereits im Briefpräskript als Apostel vorgestellt (1,1), so dass der Brief mit der Autorität eines Apostelbriefes, der Gattung der apostolischen Autorität nach dem Tode der Apostel, gelesen werden kann und soll. Zweitens: Für Adressaten, die Christus geliebt haben, ohne ihn gesehen zu haben (1,8), erscheint die Vermittlung des Petrus, der nach den frühchristlichen Traditionen sowohl zum Kreis der Jünger gehörte als auch zu den ersten Zeugen, die den Herrn gesehen haben (1Kor 15,5), von hoher Relevanz. Drittens: Wenn sich eine apostolische Gestalt des frühen Christentums als Zeuge der Leiden Christi, zentrales Thema des Briefes, bezeichnen kann, dann ist niemand dazu besser geeignet als Petrus – unabhängig davon, welche Version seines Todes man zu jener Zeit begann zu erzählen.

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Forschungsarbeiten zum Ersten Petrusbrief

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Quellen und Hilfsmittel

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C. Kommentar 1,1–2 Präskript 1

Petrus, Apostel Jesu Christi, den auserwählten Fremden der Diaspora von Pontus, Galatien, Kappadokien, Asien und Bithynien 2 nach dem Vorherwissen Gottes des Vaters, durch die Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung des Blutes Jesu Christi: Gnade und Frieden werde euch reichlich zuteil! Form und Inhalt sind eng verbunden: Sowohl Absender und Adressaten als auch Aussagen bzw. Empfehlungen des Briefes werden vom Gesichtspunkt des Vorhersehens und der Erwählung Gottes her definiert – es wird der eine Kommunikationszusammenhang pragmatisch hergestellt. Formal betrachtet verweist das Präskript auf den paulinischen Apostelbrief (ebenfalls Bezeichnung des Absenders als Apostel 2 Kor 1,1; Gal 1,1; Eph 1,1; Kol 1,1; 1 und 2 Tim 1,1; vgl. Röm 1,1; 1 Kor 1,1; Tit 1,1; dann χάρις ὑμῖν καὶ εἰρήνη als Segensformel: Röm 1,7; 1 Kor 1,2; Gal 1,3; Phil 1,2; 1 Thess 1,1; Phlm 1). Und es verweist auf die Briefformalien des hellenistischen Judentums: Nämlich die Ersetzung der griechischen Grußform „Freude“ (χαίρειν) durch eine Segensformel mit „Friede“ (εἰρήνη), die die Formel der aramäischen Briefe wiedergibt (vgl. Cowley, Aramaic Papyri), und ihre Verbindung mit der Verbform „reichlich werden“ (πληθυνθείη, ebenso Dan 4,1 Theod; Dan 6,26 Theod; vgl. 1 Clem; PolPhil; MartPol; dazu: Berger, K., Apostelbrief und apostolische Rede, ZNW 65 [1974] 190–206; Taatz, I., Frühjüdische Briefe. Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Judentums, NTOA 16, 1991; Vouga, F., Der Brief als Form der apostolischen Autorität, in: K. Berger, F. Vouga, M. Wolter, D. Zeller, Studien und Texte zur Formgeschichte, TANZ 7, 1992, 7–58; zur Nachwirkung des jüdischen Formulars auf 1 und 2 Petr, Jud sowie 1 Clem vgl. Peterson, E., Das Praeskriptum des 1. Clemensbriefes, in: Ders., Frühkirche, Judentum und Gnosis. Studien und Untersuchungen, Darmstadt 1982, 129–136). Von der Aussage her betrachtet: Der Absender wird durch einen besonderen apostolischen Auftrag qualifiziert, und die Adressaten sind mit zwei Begriffen bezeichnet, die eine zentrale Rolle im Briefcorpus spielen (ἐκλεκτοί, vgl. 2,4.6.9 und παρεπίδημοι, vgl. 2,11) und ihren theologischen Sonderstatus hervorheben. Ihre gemeinsame Befindlichkeit ist durch die Vorherbestimmung Gottes, durch ihre Heiligung und ihre Reinigung, also durch ihre Erwählung als heiliges Volk (2,9; vgl. 1,15 f; 2,5) und als Haus Gottes (2,4–10; 4,17) gegeben. Die pragmatische Funktion des Briefes besteht in 25

1,1–2

Präskript

der Bestätigung und in der Verstärkung der dadurch verliehenen Identität, darüber hinaus in dem Appell, die Identität in der persönlichen und in der sozialen Wirklichkeit zu aktualisieren. 1 Die Selbstvorstellung des Briefes als Schreiben des Petrus durch Silvanus (vgl. 5,2) wird hier nicht als Autoritätsargument verwendet (anders aber 2 Petr 1,12–21). Denn die Argumentation des Briefes basiert vollständig auf der Sache selbst: Auf dem in Gott begründeten und im Christus geoffenbarten neuen Existenzverständnis (vgl. 1,3–12; 2,4–10 bzw. 1,17–21; 2,21–25; 3,18–22). Und darauf ist die Funktion des Petrus als Absender bezogen: Für die Adressaten, die Christus lieben, ohne ihn gesehen zu haben (1,8), ist er Zeuge seiner Leiden (5,1) und seiner irdischen Offenbarung (1,11; 4,13), die ihrer eigenen Geschichte Sinn gibt. Vorausgesetzt sind dabei seine Vergangenheit als Jünger und die Anerkennung seiner Aposteltätigkeit (vgl. 1 Kor 1,12; 3,22; 9,5; Gal 1,18 f; 2,1–21), aber hier nicht sein Martyrium und sein Tod (vgl. Joh 21,15–23; 1 Clem 5,1–4; IgnRöm 4,3), die sich weder mit der Realität noch mit der Fiktionalität einer petrinischen Verfasserschaft vereinbaren lassen. Die andere Schrift, die sich im 1. Jahrhundert auf die petrinische Autorität – allerdings indirekt – beruft, ist Mt (vgl. Mt 16,17–19): Die petrinische Mission bildet offenbar die Grundlage und den Maßstab der Verbreitung des Christentums und der Öffnung der Kirche für die Heiden (zur Figur des Petrus und ihrer literarischen Rezeption vgl. Ap.Jas., NHC I,2 1,12; Ep. Pet. Phil., NHC VIII,2; 2 Petr 1,1; 3,1; Gaius und Dionysos von Korinth, in: Euseb, HE II,25,5–8; Irenäus, Adv. haer. III,3,1; Tertullian, De preascr. haer. 36; Scorpiace 15; De Bapt. 4; Hieronymos, De viris illustr. 1; vgl. noch Clemens von Alexandrien, in Euseb, HE VI,14,6, u. Adumbr. zu 1 Petr 5,13; die Apostellegenden der Acta Petri und der Kerygmata Petrou, die Fragmente des Kerygma Petrou, in: Clemens von Alexandrien, Strom. VI,5,39–43; 6,48; 15,128; dazu: Lietzmann, H., Petrus und Paulus in Rom, 1928; Cullmann, O., Petrus. Jünger – Apostel – Märtyrer. Das historische und das theologische Petrusproblem, 1985; Perkins, Ph., Peter, Apostle for the Whole Church, 1994; Grappe, Ch., D’un temple à l’autre. Pierre et l’Eglise primitive de Jérusalem, EHPR 71, 1992; Böttrich, Ch., Petrus Fischer, Fels und Funktionär, Biblische Gestalten 2, 2001; Lapham, F., Peter: The Myth, the Man and the Writings. A Study of Early Petrine Text and Tradition, 2003; Becker, J., Simon Petrus im Urchristentum, Biblischtheologische Studien 105, 2011). Die Adressaten werden als auserwählte Fremde (ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι) bezeichnet, was impliziert, dass sie erstens von ihrer Umwelt ausgesondert worden sind (vgl. ἐκλεκτοί 2,4.6.9: sie sind das heilige Volk, was sie von den ἔθνη unterscheidet, 2,12; 4,3); dass sie zweitens Begünstigte der Wirkung mehrerer bereits erfolgter und sich verwirklichender Leistungen sind (die Erwählung, die Heiligung und die Motivation des Wollens, so V. 2); und dass sie drittens eine neue Identität erhalten haben und dadurch in ein neues Wertsystem eingetreten sind (ἐκλεκτοί in 1,1 adjektivisch, anders z. B. Schlosser, 50: Zwei Substantive in Apposition). Das neue Wertesystem macht sie fremd (Schlosser, 51: „l’élection elle-même aboutit à la condition précaire qu’est la diaspora.“). „Fremder“ ist zwar ein sozial-politischer Begriff (zu παρεπίδημος vgl. ausführlich Elliott, Home 21–58), aber er wird als erwählungstheologische Metapher verwendet (so Calloud/Genuyt; Feldmeier, Christen als Fremde). Die negative Erfahrung der Nicht-Identität wird als Kennzeichen der christlichen Identität umgedeutet, 26

Präskript

1,2

was durch die zweite Metapher der Diaspora als Definition der christlichen Existenz verstärkt wird: Das Heidenchristentum befindet sich zerstreut in der heidnischen Umwelt, so 1,14.21; 2,4–10; 3,6; 4,2–4 (zu διασπορά im übertragenen Sinn Philo, praem 115 [psychologisch], Jak 1,1 [das Christentum]; im eigentlichen Sinne: Dtn 28,25; 30,4; Neh 1,9; Jdt 5,19; Ps 138(139) Titel; 146(147),2; Jes 49,6; Jer 13,14; 15,7; 41(34),17; Dan 12,2; 2 Makk 1,27; TestAss 7,2; PsSal 8,28; 9,2; Joh 7,35). Zu den vier Provinzen vgl. die Einleitung. Pontus-Bithynien und Asien bilden zwei senatoriale, Galatien und Kappadozien zwei imperiale Provinzen. Galatien und Asien (nach Apg 16,7: aber nicht Bithynien) gehören zum Bereich der paulinischen Mission, Kappadokien, Pontus und Asien sind andererseits in Apg 2,9 vertreten. Die Verbreitung des Christentums in Pontus und in Bithynien in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts belegt Plinius, ep. X,96. Die geographische Verortung der Adressaten könnte sowohl eine Mission der paulinischen Kirchen (so A. von Harnack, Die Mission und die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, 19244, 732–747; vgl. Windisch, 51) als auch eine Mission des Petrus (so die Interpretation von Euseb, HE III,4,2) voraussetzen. 2 Die drei präpositionalen Ergänzungen (κατὰ πρόγνωσιν θεοῦ πατρὸς ἐν ἁγιασμῷ πνεύματος εἰς ὑπακοὴν καὶ ῥαντισμὸν αἵματος Ἰησοῦ Χριστοῦ, vgl. triadische oder trinitarische Formeln 1 Kor 12,4–6; 2 Kor 13,13; Röm 15,16–17; Eph 4,4–6; Mt 28,19; 1 Clem 46,6; 58,2; IgnEph 9,1; IgnMagn 13,2;Od. Sal. 23,20; vgl. dazu Windisch, H., Der zweite Korintherbrief, KEK 6, 19249, 429–431; Martin, F., Pauline Trinitarian Formules and Church Unity, CBQ 30 [1968] 199–219) beziehen sich der Form des Präskripts des Apostelbriefes nach auf die „Berufenen“, können aber grammatikalisch auf die apostolische Qualifizierung des Absenders (so Selwyn, 119) und auf die Segensformel (so Beare, 75 f.) erweitert werden. Drei Momente werden durch die Präpositionen (κατά, ἐν, εἰς) und durch den differenzierten Verweis auf die drei Bezugspersonen hervorgehoben: Gott der Vater bestimmt die Richtung. Die Erwählung des Absenders und der Adressaten erfolgt aus Gottes Vorsehung. πρόγνωσις meint seit dem hippokratischen Korpus die medizinische Prognose, in der LXX und bei Josephus das prophetische Voraussehen (so Jdt 11,19; Ant 8,234.418; 15,373, vgl. Justin, Dial 39,2) und das vorherbestimmende Wissen Gottes (so Jdt 9,6; vgl. Apg 2,23; Justin, Dial 92,5; 134,4; vgl. Bultmann, ThWNT I, 715 f.). Wie „vorsehen“ (προγινώσκειν 1 Petr 1,20; vgl. Röm 8,29; 11,2; anders Sap 6,13; 8,8; 18,6; Apg 26,5; 2 Petr 3,17) gehört hier das Substantiv zum semantischen Feld der Erwählung. Die Möglichkeit ihrer Aussonderung wird durch den Geist gegeben (zu ἐν ἁγιασμῷ πνεύματος vgl. 1 Kor 6,11): ἐν ist instrumental (anders Selwyn, 119: lokal) und die Formulierung ist von der Heiligkeitsmetaphorik des Briefes her zu verstehen (ἁγιάζειν 1 Petr 3,15; ἅγιοι auf die Adressaten bezogen 1,15 f dreimal; 2,5.9; 3,5; sonst 1,12). Der Ausdruck setzt keinen Verweis auf die Taufe voraus (Goppelt, 86, beruft sich dabei auf 1 Kor 1,20), und die Ähnlichkeit mit 2 Thess 2,13 impliziert auch nicht, dass die Wendung Klischee geworden ist (Kelly, 43): Die Argumentation in 1,13–21 und 2,4–10 erfüllt vielmehr die pragmatische Funktion, diese Metapher zu beleben. Der Gehorsam und die Teilnahme an der Dissidenz Jesu Christi in der Welt definieren ihr Ziel. Hier wie in den drei christologischen Texten des Briefes, die die offensive 27

1,3–12

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

Strategie der Gewaltlosigkeit der Christen in ihrer Umwelt definieren und begründen (1,18–21; 2,21–25; 3,18–22), setzt 1 Petr die Register der Heiligkeits- und der Opfermetaphorik ein, um die Befindlichkeit der Erwählten und ihre Aufgabe in der Gesellschaft zu interpretieren (ὑπακοή steht entweder absolut [so 1,14] oder ist mit Ἰησοῦ Χριστοῦ zu ergänzen [so 1 Petr 1,22: im Gehorsam der Wahrheit, vgl. 2 Kor 10,5, und Windisch, 52: gen. obj.]). Die Kombination und die Reihenfolge Gehorsam–Besprengung (ὑπακοὴν καὶ ῥαντισμὸν αἵματος) erklärt sich erstens durch den Hintergrund von Ex 24 (zu ὑπακοή vgl. Ex 24,3–4a; zu ῥαντισμός vgl. Ex 24,3b–8, wobei die eschatologische Vorstellung eines neuen Bundes durch die christologische Auslegung vorausgesetzt wird, so Hebr 9,11–14.15–22; Jer 31,31–34); zweitens durch den Wortgebrauch in 1 Petr (vgl. 1,2.14.22; wie in den Paulusbriefen Röm 1,5; 5,19; 6,16; 15,18; 16,19.26; 2 Kor 7,15; 10,5 f; Phlm 21), auf das Hören des Evangeliums und nicht auf die Ethik verweisend; drittens durch die Christologie des Briefes, die sowohl das vorbildliche als auch das erlösende Moment des Jesusereignisses betont (vgl. die programmatische Konstruktion ὅτι καί 2,21; 3,18): Die Erwählten haben Teil sowohl an den Konflikten (παθήματα; vgl. ὑπακοή Hebr 5,8) als auch an dem Heil. Die Aussage ist: Der Sonderstatus der Christen hat seinen Grund und seine Konformität in Gott, seine Realität durch den Geist und sein Ziel in einer Erneuerung des Wollens, die in Christus vorgeführt und geoffenbart wurde.

1,3–12: These. Der Status der Gegenwart als Gedicht 3

Gelobt [ist] der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der – entsprechend seinem großen Erbarmen – uns wiedergeboren hat, zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten 4 zum unvergänglichen, unverfärblichen und unverwelklichen Erbe, das in den Himmeln aufbewahrt wird für euch, 5 die ihr in der Macht Gottes behütet seid wegen des Glaubens zum Heil, das soweit ist, aufgedeckt zu werden in der letzten Zeit, 6a in der ihr [dann] jubelt, 6b–7 [die ihr] jetzt ein wenig, wenn es sein muss, in verschiedensten Prüfungen trauert, damit die Echtheit eures Glaubens als viel kostbarer als verderbliches, aber durch Feuer geprüftes Gold herausgefunden wird zu Lob und Ruhm und Wert in der Offenbarung Jesu Christi, 8 den ihr nichtsehend liebt, den ihr aber jetzt nichtschauend, glaubend bejubelt mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, 9 [wenn ihr] euer Glaubensziel empfangt: das Heil der Seelen, 10 nach diesem Heil haben Propheten gesucht und geforscht, die die euch zukommende Gnade voraussagten, 11 forschend, welche und was für eine Zeit der Geist Christi in ihnen offenbarte, der vorhergezeigt hat auf die Leiden Christi und auf die Herrlichkeiten danach, 12 [die Propheten] denen offenbart wurde, dass sie nicht sich selbst, sondern euch mit den Dingen dienen, die euch jetzt verkündigt sind durch die, die euch die frohe Botschaft durch den

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These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

1,3

vom Himmel gesandten Heiligen Geist verkündigt haben, worauf die Engel einen Blick zu werfen begehren. „Warum ein Christ ein Christ ist“, das ist der Inhalt des erstes Satzes des Briefes. Er hebt V. 3 poetisch mit „Gelobt ist Gott“ an und schließt prägnant erst V. 12 mit Dingen, die so wichtig sind, dass sogar die Engel darauf einen Blick werfen möchten. Eulogie, das ist die Form, der äußerlich diese theologische Erörterung folgt (εὐλογητός; wie Eph 1,3–12; 2Thess 1,3–12 eine Ausweitung der Danksagung des paulinischen Apostelbriefes; vgl. 1Kor 1,4–9; 2Kor 1,3–7; Phil 1,3–11; Phlm 4–7; Variationen in Röm 1,8), wobei hier als Spezifikum gilt: Es geht nicht um eine in ein Gedicht gefasste allgemeine Kosmologie oder ein gemeinsam vorzutragendes Bekenntnis, sondern um präzise theologische Rechenschaft über den Status der Gegenwart. Ausgangspunkt der Argumentation ist das Heilshandeln Gottes, im ersten Abschnitt V. 3–4 skizziert und Anlass, mit einem Danksatz zu beginnen. Durch den sprachlichen Wechsel vom „wir“ im ersten Teil zum „ihr“ am Ende von V. 4 wird angezeigt, dass V. 5–9 zweitens dargelegt wird, was für die Leserinnen und Leser „jetzt“ (vgl. ἄρτι V. 6.8) ist: Sie sind behütet, trauernd und liebend. Der Abschnitt schließt 1,10–12, indem er die Erkenntnisbedingung dieser Gegenwartsdeutung reflektiert: Die Einsicht durch Lektüre der prophetischen Schriften. Die ganze Sequenz bildet eine syntaktische Einheit. 3 Wer macht den Anfang? Gott macht den Anfang. Ausgangspunkt ist die Sachlage, dass Gott gelobt wird. Handelndes Subjekt ist nicht ein kollektives „wir“, das seinen Dank vorbringt, sondern es steht eine umfassende Wahrheit, die im Folgenden individuell durchdekliniert wird. Deshalb ergibt der Beginn als Eulogie Sinn, weil Gott den einen entscheidenden Punkt der vorfindlichen Bedingung geschaffen hat. Gott ist gleich zu Anfang dadurch charakterisiert, dass er „Vater Jesu Christi“ ist: Er hat diesen in der Auferstehung zum Christus gemacht (1,20 f.; 3,18 f.; vgl. 2,4 zum lebendigen Stein, λίθον ζῶντα). Damit hat sich Gott identifiziert mit dem gewaltlosen Jesus, ihm hat Jesus sein eigenes Leben übergeben (vgl. 2,23 f.). Diese Verbindung steht hier im Vordergrund; als Vater der Angeredeten erscheint Gott zwar in 1,2 und in 1,17 (anders πατροπαραδότου 1,18), aber das wird dort nicht über den Sohn vermittelt, sondern über den Akt der Erwählung verwirklicht. Der Zusatz „Herr“ (κύριος) am Anfang dieser ersten Briefargumentation betont: Das Christusereignis hat umfassenden Anspruch und ist weder historisch noch lokal eingegrenzt (vgl. z. B. 2,13 ff. den Konflikt mit den Hausvorständen [δεσπόται], die keine Herren sind [κύριοι] und mehr zu sein nicht beanspruchen können). Argumentativ wird das 2,1–10 ausgeführt werden: Gott erweist sich als Herr, weil man sich zu ihm nicht „nichtverhalten“ kann. In 1,2 ist der Akt an dem, der auf so spezifische Weise gelebt hat, zentral, und deshalb steht hier ‚Jesus Christus‘ ; wenn sein irdisches Verhalten vorausgesetzt werden kann, scheint dem Brief die Kurzform ‚Christus‘ zu genügen (vgl. 1,11.19; 2,21; 3,15.16.18; 4,1.13.14; 5,1.10.14). Als Gott ihn zum Christus machte, hat er die Lesenden „neugemacht“ (ἀναγεννήσας Partizip Aor.). Zum Neumachen bzw. -zeugen, an Stelle der femininen Gebärmetapher, vgl. ἀναγεννᾶν im Zusammenhang mit Samen (1,23; vgl. aber neugeborene [ἀρτιγεννᾶν] Säuglinge 2,2). Der Begriff tritt hier vermutlich erstmals geschrieben in 29

1,3–12

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

den christlichen Denkhorizont ein (Jos. Bell. 4,484 spricht von Glutasche, die sich wieder aufs Neue ausbreitet). Hier ist präzise der „Ausdruck, dass es sich bei dem Umschlag der Existenz vor dem Glauben zu der neuen Glaubensexistenz nicht um einen Akt menschlich aktiver Selbstbestimmung handelt“ (Alkier, Antagonismen, 14 f.). Mit dieser Neumachung werden zentrale Themen des 1 Petr aufgeworfen: Wie steht es „neugemacht“ mit den überkommenen Beziehungsmustern, z. B. zu den Vätern (vgl. 1,18)? Macht das „Neusein“ autonom im Gehenüber zum vorfindlichen Ort (vgl. 2,11–3,12)? Dass das Neuschaffen durch das Erbarmen (ἔλεος) Gottes geschehen ist, darf nicht so verstanden werden, als wäre es den Angesprochenen z. B. durch Konflikte vorher schlecht ergangen; vielmehr war ihr Leben aus der jetzigen Perspektive rückblickend schlicht spirituell ‚leer‘ (vgl. 1,18), und dessen hat sich Gott erbarmt (vgl. 2,10, wo mit ἐλεεῖν die erste Argumentation gerahmt wird; zum Zusammenhang von Vaterschaft 1,2.3 und Erbarmen vgl. Schelkle, 27). Die Christen wurden „neugemacht“ zur Hoffnung (ἐλπίς). Dem mit paulinischem Schrifttum Vertrauten wird also zunächst nicht das dort zentrale Glauben zuerst genannt (zu Glaube s. 1,21). Mit der Auferstehung (ἀνάστασις) Jesu Christi hat Gott einmal gehandelt, deshalb ist sie lebendig (vgl. u. a. de Wette, 6). Die Deutung der Auferstehung variiert sprachlich (vgl. 1,21 ἐγείρειν; 2,4 λίθον ζώντα lebendiger Stein; 3,18 ζωοποιεῖν; 3,21 ἀνάστασις), aber inhaltlich ist klar: Auferstehung ist keine Reaktion, sondern Auferstehung ist der von Gott gemachte Anfang; mit ihr endete die alte Zeit und damit deren Kontinuitäten. Und schließlich: Auferstehung gehört – deshalb im Aorist formuliert – zur Vergangenheit der Hoffenden; Hoffnung bewirkt nicht Erwartung oder Zukunft, sondern sie hat Spuren in der Gegenwart gesetzt. Auferstehung wird keine Kompensation sein, sondern Auferstehung war Gottes erste Intervention – und so auch seine erste Provokation, wie später zu verstehen sein wird. Untersucht man die beiden Wortfelder πίστις, πιστεύω, πιστός, ἀπιστεύω und ἐλπίς, ἐλπίζω in diesem Brief, so fällt auf: Glauben bezeichnet im Petrusbrief die jeweils aktuell vertrauende Haltung (vgl. 2,7), die mit dem Übergang in die Offenbarung für alle ihr Ende finden wird (vgl. 1,9). Hoffnung/ἐλπίς meint im Petrusbrief nicht ‚Erwartung von etwas Zukünftigen‘, sondern Hoffnung bezieht sich auf den Grund ‚in der Vergangenheit‘ – nicht etwa auf ein zeitliches ‚Voraus‘ –, so dass Vouga „la raison d’espérer“ übersetzt (Vouga, Christologie, 312; Sleeper, Responsability, 280: „‚hope‘ itself which gives meaning to the present life“). Man spricht deutsch eher von ‚Leben mit Sinn‘ : Selbst wenn sie in Gottes umfassender endgültiger Offenbarung angekommen sind, werden die Menschen wohl noch Hoffnung/ἐλπίς haben – aber sie haben keinen Grund mehr, Glauben/πίστις aufbringen zu müssen. Diese Hoffnung ist lebendig/ζώντος, das heisst wirksam (vgl. lebendige Steine 2,4.5) – erst später dann eindeutig mit Bezug zu dem in der Auferstehung lebendig gemachten Christus.

4 Diese Neuschaffung führt zur lebendigen Hoffnung und zum „Erbe“ (κληρονομία, vgl. κλῆρος 5,3). Sprachlich fein durch die A-Alliteration näher erklärt: ἄφθαρτον, ἀμίαντον, ἀμάραντον (unvergänglich [ähnlich οὐκ ἐκ σπορᾶς φθαρτῆς ἀλλὰ ἀφθάρτου, 1,23], unverfärblich [anders ἀμνοῦ ἀμώμου καὶ ἀσπίλου, 1,19], unverwelklich [ähnlich τὸν ἀμαράντινον τῆς δόξης στέφανον, 5,4]). Inhaltlich erschließt sich: ‚Sich zur Auferstehung zählen‘ unterliegt nicht den vergänglichen Bedingungen der Zeit – etwa des zeitlichen Abstands, in dem sich die jeweiligen Generationen von 30

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

1,5–6a

Christen zum Osterereignis wiederfinden. Und diese Form des Erbes wird auch weder durch individuell gelebte Zeit als Dissident der Hoffnung weniger, noch ist das Erbe durch irgendwelche Konflikte in Gefahr (vgl. die These 3,13): Hoffnung „rostet“ nicht. Im Übergang zu 5–9 geht diese Gegenwartsbeschreibung in der Wendung ‚für euch, die …‘ (εἰς ὑμᾶς τοὺς … ; vgl. 1,20 f δι’ ὑμᾶς τοὺς …) ungebremst weiter; dazu hatte das Ende von V. 4 auf die 2. Pers. Plural umgeschwenkt (zum Stil vgl. Schlosser, 64). Der Gewinn des zuvor Gesagten für die Gegenwart wird in V. 5–9 so durchdekliniert: Die Angesprochenen sind „beschützt“ (V. 5–6a), sie sind „trauernd“ (V. 6b–7) und sie „lieben“ (V. 8). Das „jetzt“ (ἄρτι) in V. 6b und – im eingeschobenen Rückgriff auf die Gegenwart – die Aussage in V. 8b sind Anlass, hier einmal argumentativ den Gegenpol zum Jetzt zu skizzieren: Zukunftsansagen. In V. 6a jubeln (ἀγαλλιᾶν); in V. 7 Lob und Ruhm (δόξα) und Verehrung; in V. 8 nochmals jubeln (ἀγαλλιᾶν), mit rühmender (δοξάζειν) Freude, woraus sich in V. 5–9 eine profunde „description du status“ bildet (Calloud, Ce que parle, 177; bei Dalton, Faith, 270 legt 1,6–9 die „condition of the pilgrim community“ dar). In der ersten Ausführung in 5–6a, steht am Anfang ein substantiviertes Partizip im Präsens (τοὺς ἐν δυνάμει θεοῦ φρουρουμένους) als Ergänzung zum „ihr“ (ὑμεῖς V. 4). Die Hoffenden sind Beschützte (φρουρεῖν, ohne literarische Beziehung zur kritischen Verwendung Gal 3,23; zur positiven Verwendung wie hier vgl. Phil 4,7; zu φρουρά „befestigtes Fort“ vgl. Elliott, 337. Goppelt, 97 stellt hier zu Recht eine Verbindung zu den starken indikativischen Aussagen in 5,10 her). Diese Aussage ist keine den christlichen Stand zusätzlich unterstützende Tröstung, sondern sie beruht darauf, dass die berufenen Menschen seit der Auferstehung nicht mehr durch irgendjemanden auslöschbar sind – das ist hier ihr existentiales Behütetsein: Sie sind beschützt in der Kraft Gottes. „In“ (ἐν) gibt hier das Instrument des Schutzes an: Hier wirkt der gleiche Gott, der die Neugeburt durch (διά) die Auferstehung gewirkt hat. „In der Kraft“ gehört aber auch zur räumlichen Vorstellung, denn Gottes Macht gibt den sicheren Raum vor, den die „Himmel“ (ἐν οὐρανοῖς V. 4) bedeuten. Im Briefganzen wird man verstehen, dass Schutz zum Thema der massiv erlebten Konflikte gehört (vgl. z. B. 3,13–16; 4,12–19; zum Bezug auf die 3,13–4,19 verhandelten Konflikte vgl. explizit Elliott, 337). Diese Bewahrung ist gebunden an die besonderen Bedingungen der gegenwärtigen Epoche, d. h. das ist für die Glaubenden (vgl. πίστις; zu Glaube s. bei 1,21) der „Wandel während der Zeit des Aufenthalts in der Fremde“ wie in 2,17 (vgl. Elliott, 338 mit Schutz des „Life in interim“; unpassend die Behauptung von Delling, Bezug, 96, „Verlust des künftigen Heils“ sei irgendwie die Bedrohung). Den Hoffenden wird – hier ist der Zeitsprung unverkennbar – zukünftig Heil (σωτηρία) zugesagt, das gemäß 1,9 und 2,2 als ‚umfassend gelingendes Leben‘ zu verstehen sein wird (vgl. Sleeper, Responsibility, 279: „fulness of that life with Christ which they now experiences in a partial and fragmentary way.“). Dieses Heil ist „bereit (ἕτοιμος) aufgedeckt zu werden“ (vgl. 4,5 Gott ist vorbereitet [ἑτοίμως] zu richten; 3,15 die Hoffenden sind bereit [ἕτοιμοι] zur Antwort auf die Frage nach ihrer Hoffnung). Das kommende Aufgedeckt-werden (ἀποκαλύπτειν im Aor. Pass.) konturiert also scharf die gegenwärtige Epoche: Das in der zukünftigen Epoche erwartete, umfassend gelingende Leben ist noch wie unter einer Decke (vgl. ἐπικάλυμμα 2,16) verborgen. 31

1,3–12

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

Wer nach dem Zeitpunkt des Aufdeckens fragt, findet in der petrinischen Begriffsverwendung als solcher kaum eine Antwort (vgl. z. B. ἀποκαλύπτειν in 1,12 zeitlich eindeutig anders; vgl. die Abweichung gleicherweise zwischen ἀποκαλύψει in 1,13 und in 4,13). Aber der Kontext V. 5b determiniert klar: Es wird eine Bedingung in das Leben kommen, die kein Beschütztwerden mehr notwendig machen wird. Denn die Konflikte, in denen ein Beschütztsein angezeigt ist, entstehen nicht wegen irgendeiner bösen Welt, sondern sie entstehen daraus, dass gegenwärtig die Hoffenden auf der einen Seite und die ‚leere‘ Welt (vgl. 1,18) auf der anderen Seite ‚ungleichzeitig‘ miteinander koexistieren! Wird diese Ungleichzeitigkeit durch die Aufdeckung für alle beendet sein; dann kommt der Schutz zu seinem Ende – konsequent zu Ende gedacht. Das ist das kommende „Aufgedeckt-werden“ (ἀποκαλυφθῆναι) gemäß V. 5. Das Ende dieser Ungleichzeitigkeit geschieht „in der letzten Zeit“ (ἐν καιρῷ ἐσχάτῳ). καιρός bildet als Begriff für sich in 1 Petr ebenfalls kein bestimmtes Ereignis ab (vgl. 4,17; auch 5,6 beschreibt keinen spezifischen Zeitabschnitt, sondern wird erst durch 5,10 definiert). Das Adjektiv ἔσχατος ist in 1 Petr für sich genommen ebenfalls nicht determiniert (vgl. 1,20; zur unzweifelhaft unterschiedlichen Semantik von 1,5 und 1,20 vgl. Goppelt, 98, Anm. 29). Der Kontext wiederum legt hier aber fest: Die ‚letzte Zeit‘ 1,5 bezeichnet die kommende Epoche, in der die Ungleichzeitigkeit und damit Zeit des Schutzes aufgehoben sein wird: „The salvation in the sense of the actual possession of the inheritance, with its fulness of life and its open vision of God, is still future.“ (Selwyn, 125; vgl. den Verweis auf 5,6 bei Elliott, 338). Der Anfang des Relativsatzes in V. 6a gehört unbedingt noch zur Argumentation des ersten Gedankenganges, der Neueinsatz wird erst bei ‚Jetzt ein wenig …‘ (ὀλίγον ἄρτι, V. 6b) liegen. Der Relativsatz V. 6a hat das Objekt in 1,5b (καιρῷ), denn syntaktisch beziehen sich alle Relativsätze in 1,3–12 auf ein konkretes Objekt im vorherigen Satz (so Huther, 58; Windisch/Preisker, 53; Giesen, Hoffnung, 112, Dupont-Roc, jeu des prépositions, 207 und Martin, Indicative, 309 mit Bezug auf den Relativanschluss in 3,19; Selwyn, 126 ist gegen einen Bezug auf ‚die letzte Zeit‘, weil dann ein grammatisches Futur in V. 6a zu erwarten sei, obwohl Selwyn dann später in V. 8 dem Präsens von „Jubeln“ ohne Probleme futurische Bedeutung zuzuschreiben bereit ist [vgl. aaO., 260]). Das Verb „jubeln“ (ἀγαλλιᾶν; vgl. 1,8; 4,13) definiert in 1 Petr die Ausgelassenheit unter der kommenden Bedingung von Gottes umfassender Offenbarung, kann also nicht schon auf die Seite des Jetzt (ἄρτι) V. 6b gezogen werden (Millauer, Leiden, 184 spricht vom Terminus für Zukünftiges). Grammatisch steht in V. 6a ein Präsens, das Zukünftiges genau beschreibt (Millauer, Leiden, 184: „futurisches Präsens“; vgl. Goppelt, 99; Schweizer, 26; für diese Lösung vgl. Wohlenberg, 14 mit Verweis auf Joh 16,22 und Martin, Present Indicative, 310 f. Martin, aaO., 309 trägt als weitere Beispiele im Präsens Mk 9,31; Röm 2,16 und 1Kor 15,32 vor; Übersicht der Deutungen bei Dubis, 9 f.; wegen des Zusageduktus liegt hier unbezweifelt der Indikativ vor). Es geht also in V. 6a nicht – wie z. B. Achtemeier, 99 f meint – um das Jubeln inmitten von Leiden (zu beachten ist gegen Achtemeier die strukturelle Parallelität der Konstruktion im dritten Durchgang in 1,8; richtig Goppelt, 99: V. 8 ist „Parallelaussage“ zu V. 5–6a). Man kann V. 6a zusammenfassend so verstehen: „Ihr seid Erwartende, die dann jubeln werden“ (vgl. Calloud, Ce que parle, 177: „Ils sont sujets reconnus et pourtant maintenus à distance de l’object qui définit leur être sémiotique“). 32

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

1,6b–7

Zu Beginn von 6b–7 bildet die Wendung ‚jetzt ein wenig‘ (ὀλίγον ἄρτι) spürbar einen „thematischen Einschnitt“ (Brox, 63) und man erkennt im Folgenden die zweigliedrige Struktur aus V. 5–6a wieder: Zuerst deutet V. 6b die Gegenwart (V. 6b die Trauer, V. 5 war es das Beschütztsein), dann wird gemäß V. 7 die Echtheit des Glaubens herausgefunden werden (wie in V. 6a das Jubeln in Aussicht stand). Mit trauern (λυπεῖν im Aorist) sind hier die Unannehmlichkeiten bezeichnet, die die Hoffenden in der Ausführung des christlichen Lebens erfahren (vgl. 2,19 die λύπαι der zu Unrecht Leidenden). Diese Trauer hat derzeit keine Funktion für das Individuum selbst. Da projiziere man Nichts hinzu – nichts für das Individuum Klärendes, nichts Stabilisierendes, nicht Gott näher Bringendes (richtig Alkier, Antagonismen, 19: „Leiden ist […] Folge und nicht Ziel des neuen Lebens“). Leiden hat auch keinen pädagogischen Zweck für den Leidenden. Richtig ist aber, dass man Leiden als eine notwendige Funktion auf dem Weg der Offenbarung für die anderen (!) gestalten kann (vgl. als Thema 3,13–4,19), aber das wird hier noch nicht expliziert. Nur in diesem speziellen Sinne sind die Konflikte unvermeidbar, deshalb das markante: „wenn es sein muss“ (εἰ δέον [ἐστίν]). In V. 6b ist das Partizip im Nominativ zu lesen (λυπηθέντες, so die Lesart in NA27, mit Papyrus 72, dem verbesserten Text des Codex Sinaiticus sowie der Codices Alexandrinus, Vaticanus, Ephraemi Syri rescriptus und Athous Laurensis), nicht im Akkusativ (λυπηθέντας, so der Haupttext der ECM IV, 108); der Akkusativ ist Angleichung an ein mitgedachtes ὑμᾶς, also lectio facilior. Trauer gehört zu den Bedingungen des Jetzt (ἄρτι), das hier – und in der später darauf zurückgreifenden Wendung in V. 8a – ein Schlüsselwort des Verstehens bildet. Es umfasst die Ungleichzeitigkeit der Zeiten, die Schutzbedürftigkeit und die Versöhnung mit den Unbilden der Gegenwart. Diese Gegenwart hat in markanter Weise einen spezifischen Anfang und ein Ende: Der Anfang ist nicht ein individuelles „heute“ oder ein persönlicher „Glaubensanfang“, sondern er ist das mit der Auferstehung gebildete Jetzt (νύν; vgl. 1,12; 2,10; 2,25; 3,21). Daher die der Tendenz nach richtige These von Lamau, Chrétiens, 122: ἄρτι bezeichnet die Gegenwart als νύν unter der Bedingung der Probe – und hat ein Ende (deshalb: ὀλίγον zeitlich, so z. B. Dolenson, 29; anders z. B. Vorholt, Ende, 97: „wenig“; vgl. zum Übergang 1,9). In der Gegenwart sind es Prüfungen (πειρασμοί; vgl. 4,12), hier eine spezifische Interpretation der im Brief später reflektierten Konflikte. Der Fokus fällt damit auf „Bewährung und Manifestation“, aber kaum auf „Läuterung und Reinigung“, und auch nicht auf einen negativen Ausgang (so aber Goppelt, 101: die Prüfung sei die „erste Sinndeutung“ der Konflikte, das Herausfinden bezeichne die „eschatologische Beurteilung“; für Feldmeier, 56 gehört πειρασμοί zur „ersten, weisheitlichen Deutung des Leidens“). Die kommende Offenbarung steht bevor, „die Echtheit eures Glaubens in der Offenbarung Jesu Christi“ wird herausgefunden (εὑρεθῇ). Dieses kommende Herausfinden ist aber nicht das „Gericht“, denn das Gericht der Prüfung läuft schon längst in der Gegenwart, mit all den gegenwärtigen Konflikten (jede Begriffsverwechslung ist zu vermeiden!). Jenes „herausgefunden werden“ (εὑρίσκειν im Aor. Pass.) wird vielmehr die letztgültige öffentliche Anerkennung sein. Der Verwandlungspunkt wird die Offenbarung (ἀποκάλυψις) Jesu Christi sein. Damit ist hier der gleiche Zeitpunkt bezeichnet wie in 1,5 (ἀποκαλύπτειν in der letzten Zeit; vgl. 4,13; anders ἀποκάλυψις aber 1,13, δηλοῦν in 1,11, φανεροῦν in 1,20). Der Echtheit des 33

1,3–12

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

Glaubens (mit auffällig nach vorne gezogenem „euer“, τὸ δοκίμιον ὑμῶν τῆς πίστεως) wird im kommenden Aufdeckungsakt Gottes das verliehen, was ihm in der gegenwärtigen Epoche strukturbedingt mangelt: Er bekommt ‚öffentliche Sichtbarkeit und Anerkennung‘ ; so ist die Reihung „Lob (ἔπαινος) und Ruhm (δόξα) und Wert (τιμή)“ zu verstehen (als menschliche Kategorien vgl. Selwyn, 130). In der gegenwärtigen Epoche wird das Lob von den öffentlich Verantwortlichen ausgesprochen (vgl. 2,14) – das gilt es als Prüfung anzunehmen und kreativ umzuwenden; aber in Gottes Zukunft lobt Gott selbst (vgl. Knopf, 51, der von der „breitesten Öffentlichkeit“ spricht und folgert: „das Wort muß wie so oft, auch im NT, einfach Ruhm bedeuten“). δόξα bezeichnet in 1 Petr die ‚Vorweisbarkeit‘ Gottes (vgl. 1,9; 4,13). „Wert“ (τιμή) meint in 1,7 nicht die intime Interrelation Gott-Hoffender, denn für die Hoffenden sind die Werteverhältnisse im Angesicht Christi schon gegenwärtig klar und wertvoll (2,7; vgl. τιμίῳ 1,19); vielmehr geht es um die dann herrschende Öffentlichkeit dieses Wertes. Das Objekt dieses Wahrheitsprozesses ist die ‚Echtheit des Glaubens‘, was in einer längeren syntaktischen Konstruktion formuliert ist. Die Steigerung ‚kostbarer als verderbliches Gold‘ (πολυτιμότερον χρυσίου τοῦ ἀπολλυμένου) sprengt augenfällig die Vergleichslogik; der Glaube der Hoffenden gehört zum ewigen Gott, vor dem die Edelmetalle rosten (vgl. φθαρτοῖς 1,18), vor dem alle Herrlichkeit vergänglich ist wie Gras (1,24), Gold sich auflöst (ἀπόλλυμι 1,7) und nur sein Blut Wert hat (τιμίῳ 1,19; vgl. πολυτιμότερον 1,7). Die gegenwärtigen Konflikte belasten die Hoffenden wie ein Feuer, aber sie zerstören sie in ihren Grundfesten nicht. Der Christ ist also nicht Gegenstand eines seinen Glauben verändernden Reinigungsprozesses, sondern er ist eingebunden in einen laufenden Prozess der Offenbarung, dessen Ziel klar ist: Die Welt wird verändert. Die Analyse der Begriffe für „Offenbaren“ in 1 Petr (vgl. ἀποκάλυψις, ἀποκαλύπτειν, φαίνουν, φανεροῦν, δοκιμάζειν, δηλοῦν) zeigt, dass die Gegenwart so interpretiert wird, dass Hoffende in einer Spannung von zwei „Zeiten“ leben; vorausgesetzt ist also, dass die Leserinnen und Leser zwei „Zeiten“ als existentielle Lebensweisen nebeneinander und nicht nur linear hintereinander denken können. Selbstverständlich bezeichnen bestimmte Begriffe in anderen Kontexten im 1 Petr andere Zusammenhänge; so ist ἀποκάλυψις in 1,13 anders verstanden als in 1,7. Dann ergibt sich: Erstens gehören die Leserinnen und Leser zu Jesus Christus, was ihnen bei der Lektüre der Prophetentexte offenbar ist (ἀποκαλύπτω 1,2; vgl. aber mit anderer Bedeutung z. B. 1,5). Er hat sie durch die Offenbarung in der Auferstehung zu Glauben und Hoffnung gebracht (φανεροῦν 1,20; vgl. aber mit anderer Bedeutung z. B. 5,4). Und dadurch, dass sie sich an dem in ihm sichtbar gemachten Gotteswillen ausrichten, leben sie in der ‚Offenbarung Jesu Christi‘ (ἀποκάλυψις 1,13). Es ist naheliegend, dass diese Feststellungen (1,9–12; 1,13; 1,20–21) am Anfang stehen. Aufgrund der spezifisch petrinischen Verwendung von Glauben (πίστις 1,9; vgl. 1,21) soll diese existentielle Position bis auf Weiteres ‚Zeit des Glaubens‘ genannt werden. Zweitens nehmen die Nicht-Hoffenden, die Heiden, an einer anderen Zeit teil: Wie für die Christen in ihrer vorchristlichen Vergangenheit, so gilt für die Heiden ‚die Zeit des Willens der Völker‘ (4,3 ὁ παρεληλυθὼς χρόνος τὸ βούλημα τῶν ἐθνῶν) und sie existieren damit in einer beliebigen Vielzahl von ‚Zeiten‘ (χρόνοι 1,20). Rhetorisch fällt auf, dass diese Zeit zur mitgenannten Voraussetzung gehört und nicht in einem eigenen Abschnitt gesondert behandelt wird – weil sich 1 Petr nur an die ‚Angehörigen‘ der Zeit des Glaubens richtet. Diese Zeit soll ‚Zeit der Völker‘ (vgl. 1,12; 4,3) heißen.

34

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

1,6b–7

Hinsichtlich des Phänomens der Ungleichzeitigkeit (A ungleich B) ist festzuhalten, dass das Hoffen (1,3) das zeit-trennende Moment ist – es besteht also eine vertikale Eschatologie zwischen Hoffnung und Leersein! Reiser spricht in einem maßgeblichen Beitrag zur Eschatologie des 1 Petr von der Situation der Hoffenden, „die durch das paradoxe Miteinander von altem und neuem Äon geprägt ist“ (Reiser, Eschatologie, 178). Wer die dreifache Durchführung in 1,5–9 gelesen hat, erkennt aber auch klar die zweite Trennlinie im linearen Fortschritt, sprachlich präzise wohl eher zu beschreiben als ein kommender Übergang zur ‚Epoche der Gleichzeitigkeit‘, oder als horizontale Eschatologie zwischen Bewahrtsein und Heilwerden: Die Ungleichzeitigkeit bedeutet, dass Gott die Christen wegen des Glaubens bewahrt, und die Gleichzeitigkeit bedeutet, dass das Leben ‚glücklich an das Ziel‘ kommt, das also das Heil/σωτηρία als umfassend gelingendes Leben da ist (1,5–6a). Die Ungleichzeitigkeit bedeutet, dass das Jetzt aus Prüfungen besteht; die Gleichzeitigkeit wird die Anerkennung der Christen vor allen bringen (1,6b–7). Der nicht-sehende Glaube gehört zum Jetzt der Ungleichzeitigkeit, und in der Epoche der Gleichzeitigkeit kommt der Glaube an sein Ende (1,8–9). Es ist sehr motivierend, dass der Brief das Bewusstsein dieses Übergangs der Epochen gleich am Anfang in der Eulogie 1,3–12 in den Mittelpunkt stellt. Wegen der vertikalen und der horizontalen Bewegungen hat Lamau korrekt eine „double signification“ der Offenbarung ausgemacht, Reiser sieht in 1 Petr überzeugend eine „Kombination“ von zwei Modellen (vgl. Lamau, Chrétiens, 119: „En 1P l’eschaton a donc une double signification. Dans la manifestation du Christ, s’est accompli le dessein de Dieu et c’est ouverte une durée des temps qualitativement différente, la dernière. Mais la fin est pourtant encore à venir“.) Kritisch ist dazu nur anzumerken, dass Lamau an dieser Stelle (ebd.) auch das Gericht zu Letzterem und nicht zum Ersten rechnet. Reiser, Eschatologie, 167 f. (vgl. a. a. O., 179 ff.) versteht den Epochenwechsel als Teil der „geschichtlichen Eschatologie“ in Abgrenzung zum Element der „Jenseitseschatologie“ (vgl. besonders a. a. O., 180, Graphik 4; vgl. die Druckkorrektur der Nummerierung durch den Verlag). Strukturell greift Reiser (a. a. O., 165) dazu auf die Anregungen von Nikolaus Walter zurück; er entwickelt sie anhand der Frage nach dem Verständnisses des Todes, die aber in 1 Petr kaum nachzuweisen ist (vgl. auch die Überlegung von Calloud/Genuyt, Épître, 101, die „deux types de témporalité“ ausmachen). Insgesamt wird die „temporal axis“, die sich mit der „spatial axis“ petrinischer Eschatologie schneide, zwar von Kelly, 16 benannt, sie erweist sich aber als weniger tragfähig. Diese Unterscheidung führt auch Webb, Strategy, 77 f. an, allerdings mit einem zu eng begrenzten Verständnis der räumlichen Achse, so dass diese nur sehr wenig zum Tragen kommt (vgl. aber a. a. O., 98.109). Das große hermeneutische und theologische Gewicht der Sprache und der Vorstellungen vom Gericht in 1 Petr kommt nun dadurch zustande, dass die Hoffenden in der Gegenwart das Gericht für die Heiden sind (4,17–18). Der Konflikt mit den Heiden ist also nicht zufällig auch in 1,6 und in 4,12 mit dem Gerichtsgedanken verbunden. Und der Gerichtstag ‚des Hinschauens‘ (2,12b) ist der individuelle Wechsel von der einen in die andere Zeit, wofür die Hoffenden ihren unterstützenden Beitrag zu leisten haben. Das Gericht vollzieht sich also am Übergang der Zeiten und nicht an dem der Epochen! Oder andersherum: Das Gericht ist die aktuelle vertikale Unterscheidung – mitsamt aller Konflikte und aller Potentiale, andere Menschen zu gewinnen. Es ist also die besondere Leistung des 1 Petr, das strategische „gute Handeln“ der Hoffenden in diese Zeitanalyse eingezeichnet zu haben. Er wehrt damit allen christlichen Versuchen, die entstehenden Konflikte zu missbilligen (ξενίζω 4,12). Christus als Erster und die ihm Nachfolgenden sind eschatologische Gestalten an der ‚Grenze der Zeiten‘ (vgl. ‚Anteil an den Leiden Christi‘, 4,13a). In diese Dynamik der Heilsgeschichte gehören auch die beiden allgemeinen Aussagen vor dem ersten Hauptteil (vgl. 1,11) und nach allen strategischen Überlegungen (vgl. 5,1). Bei den Propheten gemäß 1,11 ist klargestellt, dass der christliche Weg einerseits – zu ergänzen wäre: im Nachvollzug der Offenbarung Jesus Christus – ein konfliktreicher Weg ist. Es gehören zu den

35

1,3–12

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

Konflikten aber „Herrlichkeiten“ (δόξαι), denn mit ihrem Weg unterstützen die Hoffenden zugleich die Wandlung hin zur Epoche der Gleichzeitigkeit und der damit verbundenen Anerkennung Christi. Und genauso wird vom Grundanliegen des ‚Autors‘ gesprochen: Er bezeugt mit seinem Brief den leidvollen Weg Christi, und er verbürgt mit eigener theologischer Einsicht die Herrlichkeit, die im Begriff ist zu kommen (vgl. μέλλειν 5,1b). Die Offenbarungsvorstellung des 1 Petr leistet also das Sich-Selbst-Verorten des Hoffenden in der von Gott strukturierten Zeit: Der Hoffende hat das Guthandeln (ἀγαθοποιΐα 4,19; vgl. ἀγαθοποιεῖν 2,15.20; 3,17) an der Grenze der Zeiten zu realisieren und sich in den als Gericht verständlich gemachten Konflikten zu verantworten.

In 8–9 wird nach dem Beschütztwerden und Trauern ein drittes Konstituens der Gegenwart erörtert: Die Christen lieben ihn (d. h. Christus) nichtsehend (ὃν οὐκ ἰδόντες ἀγαπᾶτε). ‚Jetzt‘ (ἄρτι, vgl. den Rückgriff auf die Gegenwart mit ἄρτι in V. 8b) ist nicht die Zeit, um im persönlichen Kontakt (in diesem Sinne hier εἰδέναι) zum erhöhten Christus zu stehen – was gleichbedeutend mit dem Sehen (ὁρᾶν) in V. 8b ist. Klar zu sehen gibt es aber derzeit die jeweils ähnlichen Konflikte der Mitschwestern und -brüder (vgl. εἰδέναι 5,9); das hier erörterte Problem des Nicht-sehens ist aber nicht eine Form innerer Orientierungslosigkeit, sondern die „mangelnde Vorweisbarkeit dessen, wovon der christliche Glaube predigt, war ein Anstoß gerade in Verfolgungssituationen“ (Brox, 66, trotz Spekulationen über die Unsicherheiten zuvor; zum nachapostolischen Problem, dass die Hoffenden nicht mehr leibhaftig Christus kennengelernt haben vgl. Hiebert, Thanksgiving, 9). Mit diesem Text argumentierend wird klar: Die Lektüre prophetischer Schriften hat keine Desorientierung zurück gelassen (vgl. 1,10–12). Das Thema des Nicht-sehens ist also speziell die fehlende Öffentlichkeit und damit die Frage, wie sich die Hoffenden inzwischen zur Öffentlichkeit stellen. Der Christ hat also keinen für sein Gegenüber einfach verbindlichen Referenzrahmen, auf den er nur für alle sichtbar mit seinem Finger tippen müsste. Erst 4,14 wird die danach Fragenden mit einer Antwort zufrieden stellen: Am Handeln der Hoffenden wird Gott der Welt sichtbar gemacht. Der Begriff des Liebens (ἀγαπᾶν) scheint eigentlich der Beziehung zu den Schwestern und Brüdern vorbehalten zu sein (2,17; vgl. 1,22), ebenso ἀγάπη (4,8; 5,14; vgl. Joh 20,29b und 1 Kor 13,12 in völlig anderer Diskussion); insoweit ist Jesus eines der Geschwister. Aber Geschwister bedeutet: Vorbildliches Leben vorgelebt bekommen. Das ist es, was die Leserinnen und Leser von Jesus lernen und was sie in diesem Falle ohne eine Form persönliche Begegnung, d. h. in der gegenwärtigen Epoche in ihrem Glauben leben (μὴ ὁρῶντες πιστεύοντες). Auf der einen Seite steht diese Bedingung der Gegenwart, die mit den Mitteln des ‚nicht sehend Glauben‘ bewältigt wird (V. 8a), auf der anderen Seite steht die Epoche, die das Ende des Glaubens bedeutet (V. 9). Gerade der nochmalige Rückgriff innerhalb von V. 8b ermöglicht durch die nahe Wortstellung die scharfe Trennung zwischen jener Epoche, in welcher die Hoffenden zum Glauben (πιστεύειν) gehören, und der anderen Epoche des Jubelns (ἀγαλλιᾶσθε; zur Futurbedeutung des Präsens vgl. Selwyn, Eschatology, 396; ferner Selwyn, 260). Dieser Jubel wird voll Freude sein – so schön, dass er unaussprechlich (ἀνεκλάλητος) und gerühmt (δεδοξασμένη, Perfekt) sein

36

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

1,10

wird. Die petrinische Begrifflichkeit spricht gegen eine Abhängigkeit von 1 Pol 1,3 gemäß Gielen, Polykarpbrief, 421 f. Heil ist umfassend gelingendes Leben (σωτηρία schon 1,5, vgl. 1,10; 2,2). Die Leserinnen und Leser können deshalb bereits folgern, dass dies alles nur vorstellbar ist ohne die Konflikte der gegenwärtigen Epoche, also erst unter der Bedingung der allen geoffenbarten Wirklichkeit (vgl. V. 8b). Dass dann der Glaube (s. bei 1,21) im spezifisch petrinischen Sinne nicht mehr gelebt wird, dass aber reine Hoffnung herrschen wird, scheint durch die deutsche Semantik von „Hoffnung“ etwas versperrt. Inhaltlich entscheidend ist, dass Glauben unter den Bedingungen des Nicht-sehens – und des den Heiden Nicht-zeigen-könnens – an sein Ende (τέλος) kommen wird. Und trotz der deutlich werdenden Mitverantwortung der Hoffenden am laufenden Wahrheitsprozess vollzieht Gott selbst die Epochenwende, oder andersherum: Umfassend gelingendes Leben bleibt Geschenk (κομιζόμενοι Partizip Präsens; vgl. κομίζειν 5,4 [Partizip Futur ausschließlich 3,13 κακώσων]; zu σωτηρία vgl. z. B. Schlosser, 71 f.)! Der dritte Teil 10–12 der Eulogie schließt sprachlich flüssig an V. 9 an, folgt aber nicht mehr dem Rhythmus von 5–6a/6b–7/8–9 (vgl. in NA27/28 den Punkt nach V. 9). Diesmal sind nämlich die Propheten (προφῆται) grammatisches Subjekt, dann ebenfalls in einer dreifachen Durchführung spezifiziert: Sie haben gesucht und geforscht (ἐξεζήτησαν καὶ ἐξηραύνησαν, V. 10), sie forschten (ἐραυνῶντες, V. 11), und ihnen wurde offenbar (οἷς ἀπεκαλύφθη, V. 12). Die in V. 5–9 für die Leserinnen und Leser ohne weitere Vorüberlegungen postulierte Ungleichzeitigkeit zwischen den Hoffenden und den Nicht-Hoffenden ist nämlich gemäß V. 10–12 kein Fatum, sondern sie hat eine spezifische Ursache: Was alles verändert hat, ist die Verkündigung, die die Hoffenden verwandelt hat (zum Aspekt der Verkündigung in V. 10–12 vgl. Coutts, Ephesians, 119). So erfolgt in V. 10–12 die Rechenschaft über die Hermeneutik für die im Briefverlauf reichlich gesetzten alttestamentlichen Bezüge (so Frankemölle, 35: „Leseanleitung“): Die Schriften offenbaren die Wahrheit Gottes, und sie sind durch die Verkündigung der Frohbotschaft von der Auferstehung Jesu Christi ‚in Gang‘ gesetzt. Klar ist, wer die Propheten sind: Nicht irgendwelche näher zu beschreibenden Persönlichkeiten und ihre Einzelschicksale (gleich ob der christlichen oder der vorchristlichen Kultur), sondern es sind ganz präzise die Texte, die im Folgenden begegnen, z. B. eingeleitet mit „deshalb“ (διότι, 1,16.24; 2,6) oder „geschrieben“ (γραφή 2,6; γράφειν 1,16; dazu viele weitere, aber kaum sicher eingrenzbar; Selwyn, 134 denkt aber an christliche Propheten). Gemäß 10 ist die Ausgangslage von deren „Prophetie“ grundsätzlich das Forschen nach dem gelingendem Leben, nach Heil (σωτηρία); das Ergebnis ihres Suchens (ἐκζητεῖν) und Forschens (ἐξεραυνᾶν) ist in den Schriften nachzulesen. Herzer hat herausgearbeitet, dass im Folgenden nicht die Logik der Erfüllung herrscht – die Termini des πλήρ-Stammes fehlen in 1 Petr – sondern dass die Propheten die wirksame „Grundlage“ sind. Die Christusbotschaft ist „Ausgangspunkt für das konsequente Verstehen der christlichen Existenz auf der Grundlage dessen, was Gott seit jeher durch sein im Geist vermitteltes Wort bewirkt“ (Herzer, Prophetie, 22; gegen Goppelt, 107 f.; Metzner, Rezeption, 198 f.). Klar ist auch, dass die Lesenden nicht an einem irgendwie offenen Suchprozess dieser Propheten beteiligt werden, sondern sie kennen die Ergebnisse bzw. können sie verbindlich erschließen: Die Lesenden haben dank dieser Lektüre 37

1,3–12

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

Einsicht in die Absicht Gottes (so ist hier χάρις zu verstehen, vgl. 1,13; 2,19.20; 3,7; 5,12; Semantik der LXX: 5,5; individuell: 4,10; geprägt: 1,2; 5,10). Das vorher gebrauchte Verb ἐξεραυνᾶν in der Kurzform ἐραυνῶντες wieder aufnehmend wird in 11 gesagt, dass die Propheten über etwas forschen (εἰς zu ἐραυνᾶν und δηλοῦν [z. B. Achtemeier, 109 und Dubis, 18 f]; vgl. in 1,10 die Verwendung von περί); das ermöglicht eine differenzierte Formulierung: Die Propheten erforschen – und sie haben also für alle, die ihre Schriften lesen, verbindlich herausgefunden – die Zeit (καιρός), also wie es um die Gegenwart der Hoffenden bestellt ist (τίνα und ποίον adjektivisch zu καιρόν, vgl. Herzer, Prophetie, 19, Anm. 24). Prophetenerkenntnis kommt dadurch zustande und hat seine Gültigkeit darin, dass in den Propheten der Geist (πνεῦμα) Christi ist. πνεῦμα meint hier die von Gott geschenkte Erkenntnis (zur Ähnlichkeit z. B. mit 2 Sam 23,2 vgl. Selwyn, 135). So wird der Bezug auf den Geist Christi (πνεῦμα Χριστοῦ) klar: Wer Auskunft über den Lebensplan Gottes (vgl. χάρις) geben kann, der ‚kennt‘ auch Christus, der diesen Lebensplan realisiert hat (vgl. 2,21–25; die Aussage ist vollständig erklärbar ohne Präexistenzannahmen, so aber z. B. Forbes, 31). Das wird daran verifiziert werden, dass die aufgeführten Prophetenzitate (z. B. Jes 28,16 in 2,6b und Jes 53,9 in 2,22) auf den Wandel und das Ergehen Jesu zutreffen. Insoweit die Hoffenden in der Gegenwart über die Schriftlektüre in ihre eigene Identität und in ihr Ergehen Einsicht gewinnen, findet bei ihnen „Offenbaren“ statt (δηλοῦν im Imperf. durativ)! Damit ist eindeutig ein anderes ‚Offenbartsein‘ in die Diskussion eingeführt als noch in 1,5b und 1,7, wo vom kommenden Wechsel der Epochen gesprochen worden war, dort mit den Begriffen ἀποκαλύπτειν / ἀποκάλυψις. Das Objekt des Offenbarens zeigt die Wendung „welche und eine wie beschaffene Zeit“ (εἰς τίνα ἢ ποῖον καιρόν). Die substantielle Aussage über die – verstehbar gemachte – Situation der Gegenwart leistet die partizipiale Ausführung zu ‚Geist Christi‘ (πνεῦμα Χριστοῦ): Der Geist „weist voraus auf die Leiden, die sich auf Christus beziehen“ (προμαρτυρόμενον τὰ εἰς Χριστὸν παθήματα) und auf die „damit einhergehenden Herrlichkeiten“ (καὶ τὰς μετὰ ταῦτα δόξας). Der Unterschied, dass der Geist jenes aufweist (δηλοῦν im Indikativ) und dieses vorhersagt (προμαρτυρεῖσθαι, Partizip Präsens) ist so zu verstehen, dass Letzeres das Erstere erklärt. Die Gegenwart ist dadurch gekennzeichnet, dass das Leben als Wiedergeborene (1,3) in die Konflikte (vgl. παθήματα) führt, die exemplarisch an Jesus zu sehen sind, und dass sein Weg auch von den Hoffenden beschritten wird (vgl. λυπέω 1,6). Es geht also um „the sufferings of the Christward road“ (Selwyn, 136; vgl. Calvin, CR 83, Sp. 218; vgl. die etwas andere Konstruktion in 5,1). Deshalb ist in 1,11 auffälligerweise ‚Leiden zu εἰς Christus‘ formuliert und nicht genitivisch. Der zweite Teil der Formulierung (‚und damit einhergehende Herrlichkeiten‘, δόξαι) nimmt eine These vorweg, die erst in 5,1 ihre Ausformulierung finden wird: Die Epoche der Ungleichzeitigkeit geht ihrem Ende zu, und die Hoffenden sind mit der Welt längst im Begriff (vgl. μέλλειν) verwandelt zu werden. Es geht also in V. 11 um die die Hoffenden erwartenden Herrlichkeiten, und deshalb ist hier der bei ‚Herrlichkeit‘ seltene Plural gesetzt (2 Petr 2,10; Jud 8; vgl. Herzer, Prophetie, 19; Dubis, Woes, 115; anders z. B. Achtemeier, 111, Anm. 72). Die „Herrlichkeiten“ gehören trotz aller Ähnlichkeiten nicht in dem Sinne „zu den“ (μετὰ ταῦτα) Leiden, dass sie eine psychologische Folge oder eine ‚Erfah38

These. Der Status der Gegenwart als Gedicht

1,12

rung‘ innerhalb derselben wären, sondern sie sind eine einzig in der Auferstehung Christi gegebene Zukunft. Zum Abschluss des Gedankengangs werden in 12 die Propheten, die vorher Subjekt waren, sprachlich elegant selber Objekt der Offenbarung Gottes (οἷς ἀπεκαλύφθη, Dativ der beteiligten Personen; ἀπεκαλύφθη ist wohl als passivum divinum zu verstehen, logisches Subjekt könnte auch der Geist Christi sein, aber inhaltlich wäre das kein Unterschied). Das Verb „offenbaren“ (ἀποκαλύπτειν) meint in V. 12 nicht einen bestimmten Punkt der Heilsgeschichte, sondern es bezeichnet die Tatsache, dass die Einsicht der Propheten dauerhaft und umfassend Gültigkeit hat. Ihre Erkenntnis ist also von Gott gegebene Einsicht, und es ist klar, dass sie „weder als Gegensatz zu dem Forschen, noch als ein Resultat desselben, sondern als ein dasselbe begleitendes – es anregendes – Moment zu fassen ist“ (Huther, 71). Darüber hinaus wird die Einsicht der Propheten in der laufenden Verkündigung den Hoffenden zugänglich. Diese Vermittlung von Vergewisserung ist mit dem Objektsatz gemeint: Die Propheten „dienen“ (διακονεῖν im Imperf.) nicht sich selbst, sondern euch mit „diesen (sc. ihnen offenbarten) Dingen“ (οὐχ ἑαυτοῖς ὑμῖν δὲ διηκόνουν αὐτά; ähnlich äth Hen 1,2; vgl. 3,19 ff.). διακονεῖν wird dann in 4,10.11 verwendet für die gegenseitige Hilfe innerhalb der Geschwisterschaft – offensichtlich ist die geschwisterliche Hilfe analog der Hilfe zu jener Einsicht, die Propheten leisten. Der zweite Teil der Konstruktion (V. 12b) setzt die Hoffenden in einen Vergleich zu den Propheten, der Auskunft über den eschatologischen ‚Stand‘ der Gegenwart gibt: „Es wird den Gemeinden erklärt, an welcher ‚Stelle‘ des Geschichts-‚ablaufs‘ sie stehen“ (Brox, 70; vgl. überzeugend Calloud, Ce que parle, 191: Hier wird deshalb kein Verkündiger explizit genannt, weil für die Beschreibung des ‚Standes‘ die Tatsache des Verkündigtseins zentral ist, nicht der Verkündiger). Im weiteren Relativsatz wird klargestellt, dass die den Propheten offenbarten Einsichten, den Christen verkündigt (νῦν ἀνηγγέλη ὑμῖν) sind. Dabei war die ganze Zeit mitgedacht, dass mit dieser Verbindung die Einsichten der Propheten (1,10.11.12) für den ‚heilsgeschichtlichen Stand‘ der Hoffenden unmittelbar relevant sind. Mit der Verkündigung der prophetischen Einsicht gehören die Christen zum Stand derer, denen auch „geoffenbart“ (δηλοῦν, ἀποκαλύπτειν) ist. Sie gehören nach V. 12b ganz konkret dazu, seit sie sich der Botschaft derjenigen angeschlossen haben, die der Geschwisterschaft der Hoffenden die Hoffnung verkündigt haben (διὰ τῶν εὐαγγελισαμένων ὑμᾶς; vgl. 1,25; 4,6; εὐαγγέλιον 4,17). Die Passivkonstruktion mit der Mittelangabe „durch“ (διά) betont die göttliche Initiative (vgl. Achtemeier, 111). Die Formulierung in V. 12 lässt aber nicht erkennen, ob Petrus oder eine andere Person zu den ersten Verkündigenden gerechnet wurde oder nicht. Das εὐαγγελίζεσθαι geschah mit der Kraft des heiligen Geistes (‚durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist‘, ἐν πνεύματι ἁγίῳ ἀποσταλέντι ἀπ’ οὐρανοῦ), und genau das ist erinnerungswürdig. Durch einen offenbar mit mythologischem Denken spielenden Zusatz wird darauf hingewiesen, dass der damit gegebene Zugang zur Verkündigung von allergrößter Bedeutung ist: „(Sogar) die Engel begehren da hinein zu schauen (εἰς ἃ ἐπιθυμοῦσιν ἄγγελοι παρακύψαι).“ Die Vertreter der überkommenen metaphysischen Welt begehren also noch etwas, das die Hoffenden schon haben! Richtig Brox, 71: „Mit Hilfe solcher Vorstellungen wird den Lesern die Einzigartigkeit ihrer geschichtlichen Situation, nach Jesus Christus, also 39

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

nach ergangener Heilsoffenbarung leben zu können, veranschaulicht.“ Lamau, Chrétiens, 111 f stellt zu Recht fest, dass damit die Apokalyptik auf den Kopf gestellt wird (ἐπιθυμεῖν ist hier, anders als in 1,14, positiv; vgl. Calloud, Ce que parle, 198; vgl. zur Umkehr der Metaphysik Gal 1,8; 1 Kor 13,1; Hebr 2,16). Die damit erfüllte Bedingung, dass die Hoffenden zu diesem Leben mit Gott durch den Wandel und die Auferstehung Jesu Christi Zugang haben, ist „das“ Kennzeichen der Zeit. Deshalb setzt 1 Petr in 1,12 zum ersten Mal ein „Jetzt“ (νῦν), das dann in 2,10.25; 3,21 den Umstand bezeichnen wird, dass die Hoffenden „jetzt“ von ihrer Wiedergeburt wissen. Deshalb also gehören die Hoffenden in der ‚Zeit des Aufenthaltes in der Fremde‘ (1,17) zum Schutzbereich Gottes (1,5)! Das Ziel war nach der Lektüre von 1,5–9 klar vor Augen, nach der Lektüre von 1,10–12 ist es jetzt auch der Anfang: Anfangen heißt Lesen, was die prophetischen Schriften über gelingendes Leben schreiben – es ist mit der Auferstehung Jesu Christi ins Recht gesetzt. Von dieser Ausgangslage kommt man nicht zu irgendeiner globalen Heilsgeschichte – aber offenbar zu wirksamen Geschichten der Hoffnung im Alltag.

1,13–2,10: Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I) Der erste Hauptteil 1,13–2,10 reflektiert in zwei Gedankengängen die Folge des 1,3– 12 hochkomprimiert dargestellten ‚Heilsstandes‘. Die Anbindung an 1,3–12 wird in 1,13 (διό) und in 2,1 (οῦν) ausdrücklich markiert. Dieser Hauptteil endet poetisch in 2,10 vor der Neuanrede in 2,11. Beide Gedankengänge setzen mit einer Referenz auf den Status des Verkündigtseins auffordernd ein (1,13–16 bzw. 2,1–3; vgl. Elliott, 384), sie schließen eine Begründung durch das Ereignis Jesu Christi ein (1,17–21 bzw. 2,4– 6), und sie bedenken abschließend die Folgen für die christliche Gegenseitigkeit und die Folgen für den Umgang mit den Menschen ihrer Umwelt (1,22–25 bzw. 2,7–10).

1,13–25 Leben aus Offenbarung mit gegenseitiger Unterstützung (Ia) Der erste Gedankengang (1,13–25) lässt diese drei Schritte erkennen: Die Forderung, die Offenbarung zu realisieren (1,13–16), dann die Begründung mit der Offenbarung in Christus (1,17–21), schließlich als Folge die Bitte um gegenseitige Unterstützung der Christen, um in dieser verkündigten Wahrheit zu bleiben (1,22–25). Am Ende des ersten Gedankenganges wird das „Wort“ (ῥῆμα) aus dem LXX-Zitat (1,25a) mit der in Christus deutlich gewordenen Mitteilung Gottes identifiziert (1,25b τὸ εὐαγγελισθὲν εἰς ὑμᾶς), wodurch dieser Durchgang prägnant zu einem eigenen Abschluss kommt.

40

Lebe, was Du bist

1,13

1,13–16: Lebe, was Du bist 13

Deshalb die Lenden eures Verstandes gegürtet habend, nüchtern, setzt gänzlich eure Hoffnung auf die euch in der Offenbarung Jesu Christi vorgetragene Gnade, 14 wie Kinder des Gehorsams: Nehmt nicht an die Gestalt der Begierden aus eurer vorherigen Unwissenheit, 15 sondern werdet auch ihr selbst heilig gemäß eurem heiligen Berufer in der ganzen Lebensführung, 16 denn es steht geschrieben: „Seid heilig, weil ich heilig bin.“ Sprachlich beginnt der erste Gedankenschritt in V. 13 mit einem Rückgriff auf die in der These angeklungene Situation des Offenbartseins, er endet in V. 16 mit dem eine erste Begründung liefernden biblischen Zitat; dann geben V. 17–21 dazu eine „letzte und eigentliche Begründung“ durch die Erklärung der Situation der Offenbarung durch Jesus Christus (Lohse, Paränese, 86). Innerhalb von 1,13–16 spricht V. 13 die Grundforderung aus, gefolgt von einer dazu gehörenden Erklärung (ὡς V. 14–15) und ihrer Begründung (διότι V. 16). Diese Grundforderung bildet zugleich den wohlüberlegten Anfang des ganzen ersten Hauptteils des Briefes (1,13–2,10): Sie erörtert folgerichtig, wie man sich zur geschehenen Offenbarung der Auferstehung zu verhalten hat (so διό in 1,13; in 1,13–25 ist also 1,3– 12 weitergedacht). Dies geschieht mit zwei Partizipien (von ἀναζώννυσθαι und von νήφω), die beide zu dem leitenden Imperativ ‚Hofft!‘ (ἐλπίσατε) gehören (zu den Partizipien insgesamt s. u.). 13 In dem ersten auffordernden Partizip ἀναζωσάμενοι (Aorist wegen der Bildlogik; zugehörig zum Imperativ ἐλπίσατε) bezeichnet „Gesinnung“ (διάνοια) die menschliche Instanz, an der sich die Beziehung zu Gott festmacht, „das durch Denken und Willen bestimmte Personzentrum“ (Feldmeier, 67; vgl. Mk 12,30par; Eph 4,18; Hebr 8,10). Die Aufforderung „Hofft!“ wird dadurch hier so näher bestimmt, dass die Hoffenden sich in dieser die Gottesbeziehung fest machenden Instanz bereit machen, so wie man sich zum Wandern oder Arbeiten durch das Hochbinden der Kleidung vorbereitet (vgl. Lk 12,35.37; 17,8; Eph 6,14; Off 1,13; 15,6; vgl. Achtemeier, 118). Ein Bezug auf Exodusmotive ist zum Verständnis kaum notwendig, wegen der hier geringen expliziten LXX-Bezüge sogar eher unwahrscheinlich (so aber Bosetti, 54 f; kritisch mit Verweis auf Lk 12,35 und Eph 6,14 auch Wolff, Christ, 337; für eine allgemeine Bedeutung auch ausführlich Müller, Hüften, 148 f; die Aussage ist in der Kurzform διὸ ἀναζωσάμενοι τὰς ὀσφύας ὑμῶν in 1 Pol 2,1 aufgenommen, kaum andersherum, gegen Gielen, Polykarpbrief, 423 f.). Ähnlich, mit anderem Verb, heißt es in 1 Petr 5,5 τὴν ταπεινοφροσύνην ἐγκομβώσασθε („Bescheidenheit umbinden“). Die Entscheidung, den Weg des Christseins zu gehen, beginnt also nicht mit einem Blick auf die soziale Umwelt und auch nicht durch eine vorgängige Beziehung zur Geschwisterschaft, sondern sie beginnt in der Gesinnung als individuelles Personzentrum – was dann fortgeschrieben werden wird (vgl. 2,13–3,7). Diese Beziehung soll „klar, nüchtern“ sein (νήφοντες, zweites aufforderndes Partizip zum Imperativ ἐλπίσατε). Es geht nicht um intellektuelle Zurechenbarkeit oder Wachheit, sondern es wird eine Beziehung gefordert, die von keinem anderen Faktor mitbestimmt wird: Weder soll der Teufel diese Beziehung stören (vgl. 5,8 νήψατε), 41

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

noch sollen die Christen sich in Begierden in falscher Weise binden (vgl. 2,11 ἀπέχεσθαι τῶν σαρκικῶν ἐπιθυμιῶν) oder fälschlicherweise Menschen anstatt Gott gegenüber Ehrfurcht entwickeln (vgl. 3,14). Rhetorisch geschickt sind also just dem allerersten Imperativ im Briefverlauf (ἐλπίσατε) zwei Partizipien (ἀναζωσάμενοι und νήφοντες) zugeordnet, hier eindeutig mit aufforderndem Charakter. Damit haben Leserinnen und Leser von dieser Schaltstelle des Briefes an den Schlüssel in der Hand, um bestimmte partizipiale Wendungen in dem kommenden Briefverlauf ebenfalls jeweils Imperativen zuzuordnen und diese daher auffordernd zu verstehen (im Folgenden: „auffordernde Partizipien“); vgl. exemplarisch Forbes, 37 zu ἀναζωσάμενοι: „dependent on the impv. […] and therefore takes on derived impv. force“, nicht konsequent z. B. Achtemeier, 118: „a description of the kind of people who can benefit from such an imperative“). Entsprechende Aussagen jeweils in syntaktischer Nähe: „Werdet heilig“ in 1,15 (γενήθητε) im Anschluss an zuvor „werdet nicht ähnlich“ in 1,14 (μὴ συσχηματιζόμενοι); „verlangt“ in 2,2 (ἐπιποθήσατε) nach „enthaltet euch“ in 2,1 (ἀποθέμενοι) zuvor. „Ich ermahne, zu enthalten“ in 2,11 (kein Imperativ, sondern παρακαλῶ + Inf.) mit dem folgenden „haltet den Wandel schön“ in 2,12 (ἔχοντες καλήν). „Heiligt“ in 3,15 (ἁγιάσατε) mit „bereit“ in 3,15 (ἕτοιμοι; Adj.) und „gutes Gewissen habend“ in 3,16 (συνείδησιν ἔχοντες ἀγαθήν). „Seid vernünftig“ in 4,7 (σωφρονήσατε) mit „Liebe habend“ in 4,8 (ἀγάπην ἐκτενῆ ἔχοντες) und „freundschaftlich“ in 4,9 (φιλόξενοι; Adjektiv) sowie „dienend“ in 4,10 (διακονοῦντες). „Hütet“ (ποιμάνατε) in 5,2, verbunden mit einer ganzen Reihe von Mahnungen in 5,2–3 (μὴ ἀναγκαστῶς; ἑκουσίως; αἰσχροκερδῶς; προθύμως, γινόμενοι). „Ordnet euch unter“ 5,5 (ὑποτάγητε) mit „bindet um“ (ἐγκομβώσασθε), „macht euch niedrig“ 5,6 (ταπεινώθητε) mit „die Sorge auf ihn werfend“ 5,7 (ἐπιρίψαντες) und schließlich auch in syntaktischer Nähe: „widersteht“ (5,9 ἀντίστητε) mit „fest“ und „wissend“ (στερεοί und εἰδότες). Das gleiche Prinzip, allerdings über größere syntaktische Entfernung, zeigt die Verbindung von 2,13a („ordnet euch unter“, ὑποτάγητε) mit 2,18 „ordnet euch unter“ (ὑποτασσόμενοι) und 3,1 (ὑποτασσόμενοι), sowie „zusammen wohnend“ in 3,7b (συνοικοῦντες) und mit den folgenden Adjektiven und Partizipien in 3,8– 9a. Die Forschungsdiskussion um Partizipien ohne eine mögliche Anbindung, also als selbständige Imperative („imperativische Partizipien“; vgl. dazu Daube, Participle; Übersicht bei Achtemeier, 117 und Forbes, 6 f.) scheint wegen dieser lückenlosen Zuordnenbarkeit aller Partizipien für 1 Petr daher insgesamt wenig relevant.

Der Imperativ „Hofft!“ präsentiert diesen Schlüsselbegriff nach 1,3 zum zweiten Mal (ἐλπίζειν; zu Hoffnung/ἐλπίς s. bei 1,3) an prominenter Stelle (der Aorist dient hier der Verstärkung des Imperativs wie z. B. auch in 2,13). Markant ist, dass dieses Schlüsselwort beim echten ersten Imperativ im Briefverlauf begegnet. Das verstärkende Adverb τελείως gehört entsprechend der Wortstellung zu dem Imperativ und nicht zu dem Partizip (vgl. Achtemeier, 118 f.; gegen Michaels, 55). Da die Begründung dieser hier mit „auf“ (ἐπί) konstruierten Hoffnung in der Vergangenheit verortet ist, liegt die Deutung nahe, Hoffen nicht als ein „erwarten aus der Zukunft“ zu verstehen, sondern wiederum als ‚seinen Sinn legen in‘ (vgl. Vouga, théologie, 184). Zu dieser Deutung zwingt hier nun tatsächlich die Angabe des Grundes der Hoffnung: Die Christen sollen die Gnade als ‚Grund‘ (vgl. ἐπί) ihrer Hoffnung wählen (mit ἐπί c. acc. in 1 Petr keine vergleichbare Bewegung der Hoffenden; vgl. aber 5,7: „Werft eure Sorge auf ihn“ πᾶσαν τὴν μέριμναν ὑμῶν ἐπιρίψαντες ἐπ’ αὐτόν). Zur der dann in 1,13 zugrundeliegenden Vorstellung ‚Hoffnung geht auf die Tat Gottes zurück‘ vgl. auch 2,6: Die Hoffenden „glauben auf“ (πιστεύειν ἐπί c. dat.) den Stein Christus (gemäß Jes 28,16 42

Lebe, was Du bist

1,14a

LXX). Ähnlich die Formulierung in 1,21, dass die Hoffenden „wegen (διά c. gen.) Christi Auferstehung“ glauben. Entscheidend für die Deutung von 1,13 als ‚seinen Sinn legen in‘ ist der hier verwendete Begriff „Gnade“ (χάρις); wie 2,19–20 zeigen wird, bezeichnet er Gottes gegenwärtige Absicht für den Wandel der Christen. Von dieser Einsicht in Gottes Handeln und Absicht war bereits vorher (vgl. χάρις in 1,10) gesagt worden, dass sie den Hoffenden durch die prophetischen Schriften längst zugänglich ist. Und gemäß 1,12 sind diese Heilszusammenhänge den Hoffenden von den Verkündigenden (διὰ τῶν εὐαγγελισαμένων) jetzt mitgeteilt (ἀνηγγέλη) worden. Die Gegenwart ist ja gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Christen jetzt um die Gnade wissen (vgl. εἰδέναι 1,18)! Genau um diesen Aspekt der Gegenwart geht es in 1,13, weshalb die Gnade sprachlich genau als „vorgetragen“ (τὴν φερομένην ὑμῖν χάριν, Partizip Präsens) bezeichnet wird. Die dazu gehörige Angabe „in der Offenbarung“ (ἐν ἀποκαλύψει; vgl. 1,7) ist als eine zeitliche Bestimmung zu lesen. Aber welche Zeit? Schon Kühl hatte herausgearbeitet, dass nur jene Auslegungen im Recht sind, die unter 1,13 „zunächst die im Evangelium ihnen zu Theil werdende Offenbarung verstehen“ (Huther/Kühl, 103), was bereits Calvin als Interpretation für möglich erklärt: „evangelii doctrina Christum nobis revelat“ (Calvin, CR 83, Sp. 221; diese präsentische Deutung auch bei Erasmus, so Jobes, 110; gegen z. B. Goppelt, 115 der auf die Parusie verweist; so auch de Wette, 12 und Schelkle, 45). Den Leserinnen und Lesern ist klar, dass die Verkündigung – das „Vortragen“ gemäß 1,10–12 – „jetzt“ stattfindet. Hinreichend gesichert ist diese Auslegung von V. 13 durch den Kontext, denn in V. 14 wird eine gerade vollzogene (Wissens-)Veränderung als Bruchlinie der Zeiten vorausgesetzt („Eure vorherigen Begierden in Unwissenheit“, ταῖς πρότερον ἐν τῇ ἀγνοίᾳ ὑμῶν ἐπιθυμίαις). Jesus Christus ist das geschehene Offenbarungsereignis und zugleich Gehalt dieser Offenbarung (ἐν ἀποκαλύψει Ἰησοῦ Χριστοῦ) – es ist aber zu beachten, dass in V. 13 von „Öffentlichkeit“ (δόξα) konsequenterweise nicht die Rede ist. Die in V. 13 angesprochene Offenbarung des Lebens und der Auferstehung Christi, die den Hoffenden zuteil wurde, ist trotzdem ungemein wirksam, und der leitende Imperativ ist damit klar: „Lebt, dass Ihr zu Hoffenden gemacht worden seid!“ Dieser Deutung zu folgen, bedeutet natürlich, dass „Offenbarung“ in 1,13 einen anderen Zusammenhang bezeichnet als die gleiche Begrifflichkeit in 1,7 – Kühl hatte also Recht, als er eine größere Nähe von 1,13 zu 1,20 als zu 1,7 konstatierte (vgl. Huther/Kühl, 103 und a. a. O., 116; undenkbar aber z. B. für Michaels, 56; vgl. aber ebenso die unterschiedliche Verwendung von ἀποκαλύπτειν in 1,5 und in 1,12; vgl. auch φανεροῦν in 1,20 und anders in 5,4.7). Die anschließend in V. 14–15 ausgeführte Haltung erscheint so als eine in der Logik der Dankbarkeit ausgeführte Antwort auf die von Gott vorgenommene Sinnstiftung in der Offenbarung (V. 13). 14a Die Kinder entsprechen dieser Offenbarung im Gehorsam. Elliott, 357 zeigt zu Recht, dass die Vergleichspartikel ὡς hier vor allem die Aufmerksamkeit auf die Schlüsselformulierung V. 14a lenkt: Ihre Qualität ist der Gehorsam. Hier liegt die Eröffnung der in 1 Petr überdurchschnittlich vielen mit ὡς gekennzeichneten Bildreden vor; Genitivkonstruktionen mit „Sohn“ oder „Kind“ finden sich auch in einigen LXXFormulierungen (vgl. Achtemeier, 119, Anm. 34.35). Der Begriff „Gehorsam“ (ὑπακοή) bezeichnet in 1 Petr allgemein die Haltung gegenüber Gottes Willen (vgl. 1,2.22), er ist petrinisch der Wendung „in Ehrerbietung“ (φόβος sc. gegen Gott) sehr 43

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

ähnlich (1,17; 2,18; 3,2; vgl. 3,15 f ). Diese Deutung wird dadurch unterstrichen, dass es in 1,14–15 einen besonderen Bezug zwischen Gottes Rufen (V. 15) und dem Hören (ἀκούειν) als Wortteil des Gehorsams gibt (ὑπακούειν V. 14a; vgl. diese Überlegung bei Elliott, 357; Feldmeier, 68). Nicht belegbar ist die Überlegung, dass es beim Kindsein um die Übernahme der Qualität der Eltern geht (so Selwyn, 141; kaum wahrscheinlich auch der Verdacht von Bieberstein, Rand, 138, mit dem Bild komme ein „hierarchisches Gefälle“ zu den Angesprochenen zum Ausdruck, vgl. vielmehr 5,1 ff. und die andere Verwendung von ὑπακούω in 3,6). Dieser Gehorsam wird 14b–15 in zwei Formen vorgestellt. Das ist präzise weiterführend: In einer ‚unmöglichen‘ Möglichkeit („Begierde“) als weiter zum Imperativ gehöriges aufforderndes Partizip (s. oben) und als gewünschte Form („Heilige“) mit dem Imperativ. Dieses rhetorische Verfahren mit der „unmöglichen Möglichkeit“ wiederholt sich später in 2,16 (vgl. 2,19 f.). Erstens ist es gemäß 14b im Gehorsam unmöglich, nach dem Geschehenen auf die Weise der alten Zeit zu leben. In dem als aufforderndes Partizip verwendeten Verb συσχηματίζεσθαι ist der Begriff „Form“ (vgl. σχῆμα) enthalten, also ‚sich-derForm-anpassen‘ (μὴ συσχηματιζόμενοι, Präsens), weshalb hier mit „Haltung“ zu übersetzen wäre (Feldmeier, 70 übersetzt „Gestalt des Lebens“ und erinnert an die „Erneuerung des Sinnes“ Röm 12,2; präziser Huther, 79: Das Verb „ist hier nicht bloss auf das äussere Verhalten zu beziehen, sondern auf die ganze äussere und innere Gestaltung des Lebens“; vgl. den zweiten Beleg für συσχηματίζεσθαι in Röm 12,2). Die folgenden zu diesem Partizip gehörenden Angaben bestätigen, dass es in V. 14b nicht um die ‚äußere Form‘, sondern um die innere Verfasstheit des Menschen geht (vgl. σχῆμα in 1 Kor 7,31, wo „nicht die äußere Gestalt, sondern im eigentlichen Sinne das Wesen“ [Lindemann, HNT 9/1, 179] bezeichnet ist). Die in V. 14b abgelehnte Lebensweise ist also nicht durch moralische Verfehlungen gekennzeichnet, sondern durch die fehlende Bindung an die Offenbarung und damit eine falsche Bindung an die Heiden! Das wäre nämlich erstens ein falsches Verhältnis zu den Menschen, ein von Begierden (ἐπιθυμίαι) bestimmtes, das der gehorsamen Bindung an den Urgrund Gott widerspräche. Es geht also darum, woher diese Lebensweise stammt: „La conduite sainte découle de la nouvelle relation à Dieu.“ (Lamau, Chrétiens, 310; der Charakter der ‚unsteten‘ Form [vgl. Selwyn, 141] ist speziell in 1,14 nicht im Blick; wohl eher Alkier, Antagonismen, 15: Jeder „Objektbezug, der auf das begehrende Subjekt in einer Weise einwirkt, die seine geschöpfliche Bindung zu Gott und dessen Geschöpfen überschattet oder sogar ersetzt.“). Diese Bindungslogik zeigt schon ein Blick auf die weitere Verwendung von ἐπιθυμία: Die der Welt eigentlich fremd Gewordenen binden sich sinnfremd an das Fleisch (2,11), und statt an dem Willen Gottes orientieren sie sich doch wieder an menschliche Begierden (4,2). Diese falsche Haltung würde zweitens bedeuten, Gottes Offenbarung an die Hoffenden rückgängig zu machen, d. h. sich „in frühere Unkenntnis“ (… πρότερον ἐν τῇ ἀγνοίᾳ ὑμῶν) zurückzuversetzen, obwohl ihnen doch gerade Jesus Christus eröffnet worden ist (vgl. V. 13; zur eindeutigen Verbindung zum gegebenen Wissen Elliott, 359). Der Begriff „Unkenntnis“ ist selbstverständlich eine rein theologische Deutung aus dem Stand der Berufenen heraus – gleich mit welchem Vorwissen oder welcher religiösen Herkunft; dass es sich daher vorher nur um sogenannte Heidenchristen handelte (vgl. Brox, 76), kann daraus hier 44

Lebe, was Du bist

1,15

kaum sicher geschlossen werden; auch ein Rückgriff z. B. auf Röm 1,28–32 ist nicht sinnvoll (so aber z. B. Gunkel, 540 f explizit). Insgesamt ist also mit dem Zeitenwechsel für die Hoffenden ein Wechsel der Haltung verbunden, der dauerhaft an Gott bindet und der mit „former allegiances and alliances“ (Elliott, 359) bricht. Das ist hier der dialektische Sprung zwischen den beiden Verbteilen (μὴ συ-σχηματιζόμενοι)! Das Wahrnehmen der richtigen Herkunft und damit der Vergangenheit (V. 14a: τέκνα ὑπακοῆς, Kinder Gottes) bewahrt vor falschen Bindungen an die Vergangenheit (V. 14b: vorherige Unwissenheit). Zweitens fährt 15 mit dem Imperativ „ihr sollt Heilige werden“ (αὐτοὶ ἅγιοι … γενήθητε) genau auf dieser Ebene fort, nicht etwa auf einer moralischen Ebene im Sinne von Verhaltensweisen. Der Lebensgehalt „heilig“ (ἅγιος) meint Handeln „in Zugehörigkeit zu Gott“: Gott hat die Hoffenden zur heiligen Priesterschaft aufgebaut (2,5) und zum heiligen Volk berufen (2,9). Auch das aus Jes 8,13 in 3,15 übernommene Verb ἁγιάζειν („den Herrn – Christus – heiligen“ ist in diesem Sinne zu verstehen: Die Hoffenden legen ihre Zugehörigkeit zu Christus dar. In 1,15 wird allerdings der responsorische Charakter der Haltung, der mit dem Begriff ‚Gehorsam‘ (ὑπακοή 1,14a) vorgestellt wurde, explizit in den Mittelpunkt gestellt: Gott selber ist als Rufender heilig (καλεῖν; die Frage, ob ἅγιος oder das Partizip καλέσας ein Substantiv ist, trägt kaum etwas zur Deutung bei). Diese Haltung drückt sich aus ‚in allem Wandel‘ (ἐν πάσῃ ἀναστροφῇ). Die Deutung von Achtemeier, 121, dass das Verhalten den neuen Status wiedergeben muss, definiert die Logik dieser Aussage richtig. Wenn von „Wandel/n“ bzw. von „Lebensführung“ die Rede ist (ἀναστροφή/ἀναστρέφειν: 1,15.18; 2,12; 3,1.2.16 / 1,17), dann kommt damit die Qualität von Lebensführung in den Blick: Die Qualität von Handlungen ist „schön“ (καλός, 2,12), „rein“ (ἁγνός, 3,2) und „gut“ (ἀγαθός, 3,16). Das Qualitätsmerkmal lässt sich anhand dieses Begriffs auf einer grundsätzlicheren Ebene verhandeln als in den Überlegungen zu „Guthandeln“ (ἀγαθοποιΐα, s. bei 4,19). Dafür spricht, dass ἀναστροφή/ἀναστρέφειν nicht im Zusammenhang mit Konflikten, also angefochtenem Handeln diskutiert wird, sondern dort eher mit dem Begriff „Guthandeln“. Das innere Qualitätsmerkmal von „Lebenswandel“ lautet: „heilig“ (1,15), „in Ehrfurcht“ (1,17; 3,2), „in Christus“ (3,16); und – abgrenzend gegenüber der christlichen Haltung – „leer“ (1,18). Es steht zu vermuten, dass die Semantik von ἀναστροφή/ἀναστρέφειν stark auf die Kontinuität der Qualität (vgl. „Umherwandeln“ oder „Verweilen“) abhebt. Dann wäre auch erklärbar, dass ab 2,12 alle Belege im Zusammenhang des Eindrucks auf die Umgebung stehen: „In den Völkern“ (2,12), „die Männer gewinnend“ (3,1), „euren Wandel sehend“ (3,2) und das sich offenbar mittelfristig verändernde Beschimpfen des Wandels (3,16). Schließlich ist „Wandeln“ offenbar als körperlich aufrecht und sichtbar gedacht! Auf anderer Ebene ist es aber durchaus einlösbar im „Unterordnen“, als taktisch überlegtes Spiel mit scheinbarer Unsichtbarkeit.

Was in 1,15 also spezifisch mit dem Begriff „Lebensführung“ abgewehrt wird, ist ein Verständnis von Heiligsein, dass die Christinnen und Christen ihren vorfindlichen Handlungsorten und ihrer Verantwortung dafür entheben würde. Da es immer noch um eine sprachliche Ergänzung zu ‚Hoffnung‘ gemäß 1,13 geht, trifft auf das Verständnis des ‚Heiligen‘ (ἅγιος) in 1,15 der Satz Neugebauers zu: „Hoffnung wird nicht zu Heimweh“ (Neugebauer, Deutung, 75; vgl. Frankemölle, 37: „Heiligkeit realisiert sich nicht in der Wüste […], sondern ist nonkonformistische Heiligung des Alltags“; spätestens damit scheitert Holloway, Coping, 156 ff., der annimmt, 1,13–2,10 sei unter der 45

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

weltabgewandten Bewältigungsstrategie „disidentification“ zu verhandeln). Die Leserinnen und Leser werden aber schnell auch über die eschatologische Dimension des Handelns aufgeklärt werden, denn schon in 1,17 wird deutlich gemacht, dass das Handeln zu verantworten ist in einer Epoche, durch die ein Riss geht. Dieser Riss aber gehört längst zur biographischen Vergangenheit der Hoffenden (vgl. 1,18). 16 Der die Argumentation zunächst abschließende Satz „Seid heilig, weil ich heilig bin“ (ἔσεσθε Indikativ Futur als Imperativ) ist durch διότι γέγραπται als Teil insgesamt derjenigen Schrift (vgl. διότι in 1,16.24; 2,6) gekennzeichnet, die den Hoffenden gemäß 1,10–12 ihren Sinngrund erschließt. Die genaue Herkunft ist wenig relevant (in Frage kommen Lev 11,44.45; 19,2 [ohne Kopula]; 20,7; vgl. 20,26; zwischen Lev. 11 und 19 unentschieden auch Ådna, Zitate, 238 ff.). Das einleitend voranstehende ὅτι ist textkritisch wenig belegt und erscheint sprachlich glättend (vgl. in ECM IV, 116 die große Anzahl der Zeugen, bei denen die Lesart nicht entschieden werden konnte). Die Varianten γένεσθε und γίνεσθε sind gegenüber ἔσεσθε ebenfalls etwas schlechter belegt und wohl sekundär; starke Belege gibt es für die Variante ἐγὼ ἅγιός εἰμι gegenüber ἐγὼ ἅγιος. Ob durch Bezüge zu Lev 17–26 und den dortigen Forderungen zur Abgrenzung von der Umwelt bereits in 1,17 Konflikte mit der Umwelt insinuiert sind (vgl. Achtemeier, 122), kann durch den nahen Kontext (1,13) nicht bestätigt werden. Das Zitieren macht aber sichtbar: Der Sinngrund kommt nicht durch eigene Wahl zustande (V. 13), und die Haltung des Gehorsams entsteht nicht dadurch, dass das Kind sich womöglich als Kind erklärt (V. 14), sondern die mit der Kindschaft verbundenen Aufgaben, sogar ihre Konflikte, entstehen dadurch, dass der Heilige beschlossen hat, ‚heilig zu machen‘ (insoweit bei Achtemeier, 122 zu wenig: „thus confirms what is said“).

1,17–21: Christus, die Zeitenwende 17

Und da ihr den Vater anruft, den ohne Ansehen der Person gemäß dem Werk eines jeden Richtenden, [so] führt das Leben während der Zeit eures Fremdaufenthaltes in Ehrfurcht, 18 wissend, dass ihr nicht durch vergängliche [Dinge], Silber oder Gold, erlöst worden seid aus eurer nichtigen, von den Vätern überkommenen Lebensführung, 19 sondern durch wertvolles Blut, wie [das] eines untadeligen und makellosen Lammes, [nämlich das Blut] Christi, 20 [der] zwar vorausersehen ist vor der Grundsteinlegung der Welt, aber offenbar wurde am Ende der Zeiten um euretwillen, 21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn aufgeweckt hat von den Toten und ihm Herrlichkeit gegeben hat, damit euer Glaube auch Hoffnung auf Gott ist. Der gegenüber „Hofft!“ (V. 13) in V. 17 neue Imperativ „Wandelt!“ bzw. „Führt das Leben“ (ἀναστράφητε) ergibt, dass das Gefüge ab V. 17 vom Vorherigen getrennt zu denken ist (das καί stellt keine feste Verbindung zum Vorherigen her). Wie z. B. am Übergang 3,12.13 wird hier aber mit einem Begriff weiter gearbeitet: Das Anrufen Gottes (ἐπικαλεῖν V. 17a) ist eine Reaktion auf Gottes Berufen (καλεῖν V. 15). Syntaktisch gehören V. 17 bis V. 21 zusammen, denn das Partizip in V. 18 (εἰδότες) ist

46

Christus, die Zeitenwende

1,17a

nicht vom vorherigen Imperativ V. 17 (ἀναστράφητε) abzutrennen (diese Zuordnung auch bei Feldmeier, 72; Van Unnik, Redemption, 6 f; Prasad, Foundations, 204–206; Richard, 56. Goppelt, 121 ist gegen diesen Bezug, bestimmt dann aber doch, dass in 1,18–21 das Grundverhalten V. 17 „ergänzend aus ihrem Ursprung abgeleitet“ sei). V. 17 stellt das zu Beweisende thetisch vor, und damit gehört diese Aussage auch inhaltlich zur dann folgenden Christologie: Die Hoffenden sollen ihre Lebensführung (ἀναστρέφειν) entsprechend der ‚Zeit ihres Fremdaufenthaltes‘ gestalten (… ἐν φόβῳ τὸν τῆς παροικίας ὑμῶν χρόνον, V. 17), und das liegt daran, dass Christus sie aus dem falschen Wandel (V. 18) herausgeführt hat, indem er das neue Leben prägte und für sie die ‚letzten Zeiten‘ zu Ende gebracht hat (… φανερωθέντος δὲ ἐπ’ ἐσχάτου τῶν χρόνων δι’ ὑμᾶς, V. 20). Zu Theorien über möglicherweise zugrundeliegende Vorversionen von 1,17–21 vgl. ausführlich Prasad, Foundations, 217–229. Bultmann, Bekenntnis, 293 f. sieht nur in 1,20 ein altes Bekenntnisstück, das auch in 3,18 zu finden ist. Boismard, Hymnes, 67–99 sieht einen zusammenhängenden Hymnus, der aus 1,20; 3,18.22; 4,6 besteht. Deichgräber, Gotteshymnus, 169 bemerkt einen Stilwechsel in 1,20, äußert sich aber zur festen Existenz eines älteren Stücks eher skeptisch. Wengst, Formeln, 161–165 akzeptiert nur 1,20; 3,18b und Teile von 3,22. Methodisch schließen wir uns dem für diese Forschungen um 1 Petr geltenden Verdacht von Schlosser, Testament, 84 an: „Toutefois, en raison de l’imprécision des caractéristiques mentionnées, on s’engage sur un sol mouvant dès que l’on cherche à préciser la teneur meme du fragment, son extension exacte et son genre littéraire.“ Allerdings sind diesen Arbeiten doch sehr präzise Textbeobachtungen zu verdanken (vgl. z. B. den Wechsel der Personen in V. 24).

17a hebt an mit einem Bedingungssatz bezüglich der Bedingung des Handelns der Adressaten (zu εἰς im Sinne ‚unter dem Umstand, dass‘ vgl. 1,17; 2,3; 3,17; 4,17 f.; anders z. B. 2,19 f.; 3,1.14; 4,14.16); mit „da“ übersetzt Goppelt, 119: Da die Hoffenden Gott anrufen. ἐπικαλεῖν bezeichnet in ntl. Briefliteratur die Beziehungsaufnahme zu Gott: Glaubende rufen Gott um der Verkündigung willen an (Röm 10,12 f.), und Gott wird als Zeuge angerufen (2 Kor 1,23). Der Sinn scheint nicht auf eine bestimmte Sprachhandlung, zum Beispiel Gebet oder Lob, festgelegt zu sein; als einzelner Akt direkt an Gott gewandt sind Gebete (3,7.12; 4,7), gegenüber anderen die Apologie (3,15; 4,11, vgl. 4,3 und im weiteren Sinne 2,9). Im Kontext ist hier wohl präzise die Beziehung der gelebten Abhängigkeit der Hoffenden von Gott gemeint, d. h. die alles Handeln begleitende Haltung der Ehrfurcht (ἐν φόβῳ; vgl. 2,18; 3,2.16; zu Ehrfucht/ φόβος s. bei 2,18). Das Anrufen (ἐπικαλεῖν; vgl. 1,15 καλεῖν) der Hoffenden ist die Reaktion auf das Rufen Gottes. Man wird dieses Begründungsmuster später in 3,9 reflektiert finden: Das Nichtreagieren der Christen im Konflikt ist ihre Reaktion auf die Segenstat Gottes (vgl. das Antwortschema schon bei Burger, 161). Diese Logik ist bereits durch die innere Struktur in 1,15.16 vorbereitet. Gott wird als Vater angerufen (πατήρ steht hier ohne Artikel, möglicherweise, weil Gott im weiteren Relativsatz hinreichend bestimmt ist, so Bigg, 116 f.). Die Bildlogik der interfamiliären responsorischen Dankbarkeit war in 1,14 im Bild der Kinder eingeführt worden. Der Vater ist nach 1 Petr derjenige, der an seinen Kindern gehandelt hat, denn nach 1,3 ist Gott der Vater Jesu Christi. Gott ist der, der die Hoffenden – das Vaterbild sofort wieder sprengend – neugeboren hat (ἀναγεννᾶν 1,2). Selwyn, 143 47

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

spricht vom Vorgang des „response“. Wer das in 1,16 zitierte Wort vom Heiligen (ἅγιος) auf Lev 19,2 bezogen hat, wird den Aufruf zur Elternverehrung mitdenken: Jeder fürchte seinen Vater / πατήρ und seine Mutter (Lev 19,3 LXX mit φοβεῖν; zum Zusammenhang Selwyn, 142 f und Richard, 63). Textimmanent reicht aber die Responsorik gemäß 1,3 und 1,14 vollständig zum Verstehen des Ganzen aus: Mit Gott als Vater gelten die ‚väterlich überlieferten (vgl. V. 18 πατρο-παραδότου) Lebensentwürfe‘ nicht mehr! Konkret bereitet 1,17 damit spätere Aussagen vor: Gott als Herr (κύριος 2,13) lässt die Vorgesetzten nur noch als Vorgesetzte (δεσπόται 2,18) und nicht mehr als „Herren“ (κύριοι) erscheinen! Das Urteilen des Vaters ist die Durchsetzung seines Anspruchs, der in der Berufungstat Gottes gründet. Argumentativ braucht man dazu keine zusätzliche Ableitung aus dem patriarchalen System der damaligen Gesellschaft (so aber Elliott, 365: „Paternal authority includes the right and responsibility of judging and disciplining the behavior of family members“; vgl. Achtemeier, 124 zur Theorie eines Konstrasts zwischen Vater- und Richterbild; der Versuch von Thurén, Strategy, 138 f, eine mehrdeutige Formulierung nachzuweisen, die für Besorgte eine andere Botschaft enthält als für Gottferne, kann exegetisch durch die Erkenntnisse zu κρίνω und κρίμα nicht verifiziert werden). Christus hat sich dem Richter übergeben (παραδίδωμι 2,23), und die Hoffenden übergeben (ἀποδίδωμι) dem Richtenden das Wort (4,5). Gemäß 1,17 richtet sich Gottes Urteilen ‚nicht nach dem Ansehen‘ (ἀπροσωπολήμπτως Adverb; Hapaxlegomenon, vgl. aber Eph 6,9 προσωπολημψία und προσωπολήμπτης Apg 10,34, vgl. Achtemeier, 125, Anm. 22). Wenn es nach der Person ginge, wären die Begründungsebenen vom „Wandel“ gemäß 1,15 überflüssig gemacht! Die ‚Decke des Bösen‘ (2,16) ist so ein ‚Ansehen‘, das vor Gott keine Beachtung erfährt; insoweit kommt die Bedeutung von πρόσωπον als „Maske“ und „Fassade“ zum Tragen (vgl. dazu Spicq, 64). Diese Aussage bezeichnet also keine besondere Härte des Richters, sondern Gott hält sich einfach an seine Forderungen über das Leben: So wie eine Lebensführung gemäß Gottes Forderung verlangt wird (vgl. κατά auch 1,15; 3,7; 4,19; 5,2), so richtet Gott in V. 17 ‚gemäß dem ihm gemäßen Tun‘ (κατά; zum Zusammenhang κατά in 4,6 vgl. dort). In 17b führt 1 Petr mit dem Verb „wandeln“ bzw. „Leben führen“ (ἀναστρέφειν im Aorist) die bereits 1,15 vorgestellte Leitvorstellung an, die wohl am besten die äußere Entsprechung und die innere Begründung zusammen reflektieren lässt. Deshalb steht „Wandelt!“ im Imperativ, umgeben von zwei erklärenden Beifügungen. Von V. 18 (‚erlöst aus dem leeren Wandel‘) ist herzuleiten, dass es der Auferstandene ist, der den gottgemäßen Wandel als Alternative zum alten Wandel (ἀναστροφή) geprägt hat. Erstens bezeichnet dabei das Substantiv φόβος in 1 Petr die Haltung der Ehrfurcht gegenüber Gott; zweitens steht der zeitliche, freie Akkusativ der Dauer (τῆς παροικίας ὑμῶν χρόνον, ‚während der Zeit eures Fremdaufenthalts)‘ in dem Satzgefüge zwischen ‚in Furcht‘ (ἐν φόβῳ) und ‚wandelt‘ (ἀναστράφητε) und charakterisiert so die Zeit – genaugenommen den Anspruch, den diese Position in der Zeit für die Hoffenden bedeutet. Das Wort ‚Zeit‘ (χρόνος), nicht selten in 1 Petr, erörtert die Bedingungen der Gegenwart (vgl. 1,20, und auch 4,2.3). Die Zeit zerfällt aber in zwei Teile: Es gibt die Zeit, wie die Glaubenden sie deuten (und das ist faktisch eine ‚andere Zeit‘) und die Deutung der Völker und ihrer ‚eigenen‘ Zeit. Deren Zeit aber ist – solange sich 48

Christus, die Zeitenwende

1,18a

nicht die kommende Epoche der ‚Gleichzeitigkeit‘ eingestellt hat – für die Christen: Fremde! Das ist die durch den Text vorgegebene Verbindung zum petrinischen Bildfeld des ‚Fremden‘ (παροικία, πάροικος, παρεπίδημος, vgl. ξένος, ξενίζω; zu Haus/ οἶκος s. bei 2,5, mitsamt οἰκέτης, οἰκονόμος). So ist 1,17 eigentlich vollständig erst aus der Lektüre vom „Haus“ (οἶκος, 2,4 ff.) her zu verstehen: Weil Gott in der Berufung die Christen als „Haus“ geschaffen hat, sie also mit einer ‚extern gegebenen Identität‘ versehen hat, befinden sie sich in der Fremde (παρ-οικία)! Was hier theologisch formuliert wird, ‚beschreibt‘ also nicht eine vorzufindende soziale Situation und ‚deutet‘ sie auch nicht nur, sondern es führt die spezifische Situation herbei (zur Situationsdeutung vgl. Feldmeier, Seelenheil, 305). Die in 18a partizipial erweiterte Anbindung (‚ihr wisst, dass‘, εἰδότες ὅτι) ist auffällig im Vergleich mit ähnlichen Auftakten zu christologischen Passagen (2,21 und 3,18; zu ntl. Belegen vgl. Achtemeier, 126, Anm. 42; vgl. den anderen Zusammenhang in 5,9). Aber die Leserinnen und Leser erinnern sich noch gut, dass den Christen verkündigt ist (vgl. 1,12.13.25), und so ist ihr Wissen geradezu das Kennzeichen ihrer Gegenwart (vgl. ἄγνοια in 1,14): „Christian reverence rests upon the knowledge of redemption“ (Selwyn, 144; vgl. Elliott, 369). Daher verweist das Partizip εἰδότες mit ὅτι auf die erfolgte Verkündigung als Kenntnis von Gottes Taten (Achtemeier, 123 meint, es gehe um die Erinnerung an ältere Traditionen, aber diese Überlegung unterschätzt den theologischen Gedankengang). Verhandelt wird nicht weniger als die geschehene Veränderung an den Christen als Akt des Befreiens, bezeichnet mit dem Verb „erlösen“ (λυτροῦσθαι), wobei dieses Wort selbst nicht klar macht, um welche Art der Veränderung es sich handelt (zu λυτροῦσθαι Lk 24,21; Tit 2,14; vgl. λύτρον, λύτρωσις und λυτρωτής Mt 20,28; Lk 1,68; 2,38; Apg 7,35; Hebr 9,12; mit anderer Argumentation λύτρον Mk 10,45; vgl. ἀντίλυτρον und λύειν; sinnverwandt ἀγοράζειν). Der Aorist ἐλυτρώθητε ist zeitlich zu verstehen, denn das Christusereignis liegt in der Vergangenheit der Hoffenden (vgl. 2,21 ff.). Durch den engen Zusammenhang mit Blut (αἷμα, V. 19) als Mittel liegt zweifellos das Bild eines Opferkults vor, ohne dass aber die Logik des Opferns lange aufrecht erhalten wird. Opferlogik vermutet aber Prasad, Foundations, 286: Man komme nicht umhin, hier „the technical religious sense of the Old Testament“ zu hören, wenn auch in der veränderten Bildrede, dass Gott das Subjekt ist. Hilfreich ist der Hinweis von Selwyn, 145, dass dieses kultische Bild auch im rein hellenistischen Raum unmittelbar verständlich war. Radikaler – mit dem Ergebnis, dass die Logik nicht kultisch geleitet ist – Vouga, Christologie, 312: „L’isotopie constuite par la Première de Pierre n’est toutefois ni économique que ni sacrificielle.“ Die tatsächlich ebenfalls so bezeichnete Exodusbefreiung ist wegen des Zusammenhangs mit αἷμα kaum das leitende Motiv (vgl. zu Deutungsmustern Van Unnik, Redemption, 12 f.24 f.). Die von Van Unnik referierte Beobachtung, dass das Wort auch den Freikauf von Sklaven bezeichnen kann, ist hier nicht relevant, weil auch V. 19 ausdrücklich in Kultsprache fortfährt (ebenso Achtemeier, 127), schön weitergedacht aber bei Bigg, 118: Es ist irrelevant, wem bezahlt wurde, „a question on which, in later times, there was much unfortunate speculation“. Die von Leaney, Peter, 245 angenommene Orientierung an der Passah-Haggada ist wegen der eigenen inneren Logik von V. 18–21 unwahrscheinlich. Es ist rhetorisch ganz naheliegend, dass die kultische Wortwahl den 49

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

Schwerpunkt auf das Mittel – das λύτρον – legt, also genau auf die Frage, der sich auch V. 18b.19 widmen. Das Opferbild bricht sich unmittelbar bei dem handelnden logischen Subjekt: Gott ist der Befreiende hinter dem Passiv (ἐλυτρώθητε). Man wird aber (wie in 3,18) trotz der traditionellen Sprache nicht davon absehen können, dass das Erlösen (1,18a) und das Leiden als Gerechter für Ungerechte (3,18a) zu einer stark in der Logik des „Vorbildes“ und nicht des „kultischen Tötens“ denkenden Christologie gehören – also auch hier bricht sich das Bild von selbst, denn die durch die Sprache hindurch sichtbar werdende Haltung ist diejenige, die einzunehmen die Hoffenden an Christus gelernt haben: Gott erlöst dadurch, dass er den Hoffenden den vorbildlich aktiv-passiven Christus hingestellt hat (und ihn – das ist erst in 1,20–21 die Begründung zweiter Ebene – hat auferstehen lassen). Die Angabe des abgelehnten Erlösungs-Mittels treibt die Argumente zügig in diese Richtung voran, offenbar trotz weiterhin Vorbild-Christologie mit Vorgriff auf V. 20: Christi Lebenswandel umfasst durch Gottes Erwählung und Auferweckung die Zeit. Von dort her erklärt sich die Wertung in V. 18b, dass angesichts von Christi Wert und seines Lebenswandels die überkommenen Werte – Silber und Gold – vergänglich (φθαρτός) sind, was in üblichen Kategorien gerade nicht der Fall ist, wie erfahrene Leserinnen und Leser wissen. Vgl. die Nutzung des Wortfeldes: Das Erbe für die Hoffenden ist „unvergänglich“ (ἄφθαρτος 1,4); sie sind „wiedergeboren“ nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen (φθαρτός, ἄφθαρτος 2,23), und die Frauen orientieren sich in der Unvergänglichkeit des Geistes (ἄφθαρτος 3,4). Dass dabei Jes 52,3 (dort aber ἀργύριον und λυτρόομαι) als direkte Vorlage diente, kann bezweifelt werden, denn die Begründungslogik in 1 Petr ist eigener Art. Für die Argumentation ist vielmehr entscheidend, dass der Text sich nicht auf Unterschiede der Qualität einlässt: Ob Gold z. B. teuer oder billig ist, steht 1,18 nicht zur Debatte (dass also V. 20 „noch weiter die Kostbarkeit des Blutes Christi zum Ausdruck“ [Knopf, 75] bringen würde, ist nur die halbe Theologie). Es wurde gerade nicht formuliert ‚Gold ist nicht wertvoll genug‘ (vgl. aber 1,7 ‚viel wertvoller als Gold‘ πολυτιμότερος), vielmehr ist angesichts der Zeitumfassendheit Christi Gold vergänglich – und das, obwohl es zu den lange haltenden Materialien zu zählen ist. Diese Rückwirkung von V. 20 auf V. 18b arbeitet schön Sieffert, Heilsbedeutung, 396 heraus (der religionsgeschichtliche Vergleich zur „Überwindung der Vergänglichkeit“ bei Feldmeier, Seelenheil, 303 f. bringt für die spezifische Argumentation in V. 18–20 keinen Ertrag). Es geht also grundlegend um die Instanz, die sich mit Gottes Offenbarung verändert hat: Die Unvergänglichkeit als Kriterium, das ‚quer‘ – und etwa nicht ablehnend (was eine neue negative Bindungsenergie wäre) – zu allen vermeintlichen ‚Qualitätsstandards‘ der Welt steht, ist mit der Auferstehung Jesu Christi wirksam. Die Beschreibung, woraus die Hoffenden erlöst sind, steht 18b beim Hauptverb (ἐλυτρώθητε) und zwischen den beiden Mittelangaben (οὐ φθαρτοῖς, ἀργυρίῳ ἢ χρυσίῳ bzw. ἐκ τῆς ματαίας ὑμῶν ἀναστροφῆς, mit ἀπό Tit 2,14; vgl. aber ἐκλέγομαι und ἐκ in 2,9). Die Erlösung wirkt sich unmittelbar auf die von der Haltung geprägte Handlung (vgl. ἀναστροφή) aus; so Elliott, 370: „The term implies not merely behavior but also the values, norms, and commitments that constitute an entire ‚way of life‘.“ Der vorherige Wandel war „leer“ (μάταιος) – weil ohne Bezug auf Gott. 50

Christus, die Zeitenwende

1,18a

Dieser Gedanke wird in 2,9 aufgenommen werden: Die Hoffenden sind aus dem Nichts, aus der Dunkelheit (σκότος) berufen. Ähnlich 2,25, wo von den Schafen ‚ohne Orientierung‘ (πλανᾶν) die Rede ist, nicht etwa von ‚falscher Orientierung‘. Das zugrunde liegende Urteil lässt sich nicht moralisch-soziologisch nachvollziehen, sondern ausschließlich durch die geänderte Instanz derer, die z. B. anstatt der ‚Leere‘ eine Beziehung zu Gott unterhalten. Die zweite Näherbestimmung: Das Leben gemäß Gott fällt aus den Lebensarten heraus, wie sie die Väter überliefern (vgl. πατροπαραδότος; zur Begriffsverwendung in hell. Literatur vgl. Van Unnik, Critique, 132–140; dort vornehmlich positiv wie Dio Cassius, Röm.Gesch., 52.36, vgl. Donelson, 47). Dass der Begriff hier, wie in den späten Paulusakten, schon „Christian missionary terminology“ ist (Van Unnik, Critique, 137), muss bezweifelt werden. Ganz konkret sind solche Konflikte soziologisch innerhalb einer Ehe (vgl. 3,1–6) und sicherlich auch zwischen Eltern und Kindern erlebt worden. Theologisch liegt dieses neue Verhältnis zur väterlichen, und das heisst ja auch: zur vorgegebenen Tradition präzise darin, dass die Hoffenden Gott als ihren Vater anrufen (πατήρ 1,17; zur Verbindung von den Vätern 1,18 zum Vater 1,17 vgl. insbesondere Lamau, Chrétiens, 115). Im Vorgriff auf 2,11–3,22 muss man festhalten, dass dies kein Aufruf zur offenen Rebellion gegen die Väter wird, denn auch weil Gott ihr Aufseher (2,25) ist, gilt z. B., dass sie sich ihren Vorgesetzten unterordnen (2,18; zum Thema vgl. 4,1–6). 19 Das Medium, durch das dieser ‚Wandel‘ erfolgt, ist das Auftreten Jesu Christi. Den Dativen des Mittels (V. 18) wird jetzt ein weiterer Dativ entgegengesetzt (τιμίῳ αἵματι): Die Hoffenden sind durch das Blut (αἷμα sc. Jesu) erlöst. Ebenso wie bei „erlösen“ in V. 18 ist damit zunächst ein kultischer Vorgang als Bildspender gewählt und im Folgenden sachgerecht verfremdet: In V. 19 steht ‚Blut‘ – wie die konkreten Ausführungen in 2,21–23 zeigen – für die totale Passivität Jesu in Konflikten gegenüber Gewaltanwendung. Christi Blut ist also hier auf keiner anderen Ebene einzuordnen als das Leiden eines die Strategie der Gewaltlosigkeit verfolgenden, geschlagenen Sklaven (vgl. 2,20; hoch verdichtet auch 1,2 ῥαντισμός; diese Eigenheit des Textes wird deutlich, wenn man ihn gemäß Norelli, Réception, 319 mit der Blutvorstellung in 1 Clem 7,2–4 vergleicht; vgl. auch die entprechende Deutung des ἅπαξ in 3,18). Die Wendung ‚er hat eure Sünden aufs Holz getragen‘ (τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν αὐτὸς ἀνήνεγκεν ἐν τῷ σώματι αὐτοῦ ἐπὶ τὸ ξύλον, 2,24) gehört zu einer anderen Begründungslogik. Eine Assoziation z. B. von Jes 53,7 her ist unwahrscheinlich; und ob das von Goppelt, 123 vorgestellte „Opfer“ des „Passalamms“ als Bildspender assoziiert wird, muss offen bleiben. Für seinen auf diese Art besonderen Lebensentwurf ist Christus als Zeuge gestorben (deshalb passend Schlier, Adhortatio, 60: „Sich selbst gab er dahin bis aufs letzte, bis aufs Blut“; in diesem Sinne machen Calloud/Genuyt, 108 hier eine normative Bedeutungsebene aus). Die Aussage über das scheinbar passive Verhalten ist zu differenzieren: Gott tritt in Christus als der ganz Passive auf und nimmt dadurch einen aktiven Part ein – das ist die Aktion, durch die die Hoffenden „erlöst“ werden. Dieses Mittel – nämlich das konkrete vorbildliche Leben Jesu – gilt vor Gott als wertgeschätzt (τίμιος). Das ist damit nicht kontradiktorisch zu den Werten der Welt – in V. 18 war nichts über Wert oder Unwert der Edelmetalle gesagt worden –, sondern es ist insoweit konträr dazu, als vor Gott allein dieses Mittel als wirksam gilt (vgl. ἔντιμος 2,4.6). Die Formulierung in V. 19 – das Mittel ist wie ein Lamm, nämlich Christus, 51

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

„untadelig und makellos“ – wird trotz der kultischen Begriffe durch die Vergleichspartikel unmittelbar der Kultlogik enthoben. Der Genitiv Χριστοῦ gehört entweder zu ‚Blut‘ (αἵματι) und ist dann durch ὡς … gesperrt (so z. B. Achtemeier, 129), oder er ist Apposition zu ‚Lamm‘ (ἀμνοῦ κτλ.). Letzteres hätte mehr Argumentationskraft und ist daher näherliegend: ‚Wie das Lamm, …, das ist Christus‘). Hier verzichtet der Text – weil das Erleben des Menschen Jesus präsent ist (vgl. 2,21) – auf den Zusatz Ἰησοῦ und setzt als Genitiv sichtbar „des Christus“. Theologisch ist damit klar: Beim Auferstandenen können diese Dinge über sein wertvolles Leben sinnvoll gesagt werden, da er durch Gott sichtbar wertgeschätzt worden ist! Das Lamm (ἀμνός) ist ntl. nur selten so bezeichnet, man folgt aber klar dem – bereits gänzlich verwandelten – Bild vom Opferblut: ‚Lamm‘ steht hier für die selbstgewählte Passivität den Tätern gegenüber (vgl. ἀμνός Joh 1,29.36 und Apg 8,32; vgl. aber z. B. Joh 1,19 ἀρνίον). Spekulationen darüber, welche atl. oder andere kultische Praxis gemeint sein könnte, tragen kaum etwas zur Deutung bei: „Mir scheint, dass über den bloßen Hinweis hinaus keine konkretere oder speziellere Korrespondenz zu atl.- jüdischen Kultbegriffen oder -praktiken ausfindig gemacht werden kann.“ (Brox, 82; vgl. Achtemeier, 128 f.; obwohl auch gemäß Schreiner, 85 f kein Opfertext referentiell auszumachen ist, denkt er a. a. O., 87 doch unbedingt an Opferlogik). Als a-Alliteration folgen zwei Kriterien, die diese Interpretation sichern: Im Verständnis des 1 Petr hat Christus ‚ohne Makel (ἄμωμος)‘ und ‚ohne Fleck (ἄσπιλος)‘ gelebt, und deshalb wird das Lamm so bezeichnet. Die Herkunft von ‚makellos‘ aus Lev 22,17–25 scheint möglich (vgl. Selwyn, 146). Anstatt τέλειος aus der Vorlage wurde aber wohl ἄσπιλος ergänzt, das sonst in LXX weitgehend fehlt (vgl. aber die Symmachus-Version von Hiob 15,15), möglicherweise, weil sonst die Bindung an 1 Petr 1,13 (vgl. τελείως) zu groß wäre. Die Ergänzungen haben auch nach Van Unnik, Redemption, 28 „an ethical significance and express a quality of Christ“. Diese kultischen Begriffe sind also als vorbildlich an Gott orientiertes Leben zu übersetzen: „Ohne Makel und Fleck“ heißt: ohne reaktiv-gewaltsam auf die erfahrene Gewalt zu reagieren (vgl. ausgeführt 2,21–23)! 20a Christi besondere Stellung zur Zeit wird nicht schon innerhalb V. 18b–19 geklärt, sondern erst in der folgenden partizipialen Genitivnäherbestimmung (im Perf.): „Gott hat Christus vorgesehen“ (προεγνωσμένου); dieser Gedanke wurde bereits ähnlich in 1,2 zum Ausdruck gebracht: Gott hat gemäß seiner Vorfestlegung (πρόγνωσις) die Hoffenden erwählt. In 1,20 bezieht sich das Vorherwissen auf die Grundlegung (καταβολή) des Kosmos. κόσμος hat kaum eine spezifische Bedeutung in 1 Petr (vgl. 1,20; 3,3; 5,9; Elliott, 376 sieht richtig, dass ihm eine dialektische oder negative Konnotation fehlt). Theologisch geht es in V. 20 nicht um ein Interesse an einer irgendwie gearteten Protologie, sondern es wird poetisch präzisiert: Gott bindet seine Wahl nicht an das Geschehen der Welt – indem er sich an seine eigene Wahl vor der Welt hält. In diesem Sinne Lamau, Chrétiens, 114: „Ce qui était tenu en réserve dans les desseins divins se réalise en Lui [sc. Christus] et par Lui quelles que soient les vicissitudes de l’histoire“; überzeugend auch der abgrenzende Vergleich mit Eph 1,4 (ebd.). Elliott, 371 schlägt vor: Das Alte wurde mit 1,18 verworfen, und Christus wird hier nun als noch älter erklärt; aber Elliott verkennt, wie 1 Petr in 1,18 und auch z. B. in 2,20 aus dieser Kategorie der Steigerung gerade ausgestiegen ist. Mit dem Wort „vor52

Christus, die Zeitenwende

1,20b

hersehen“ (προγινώσκειν) ist das ‚Wissen‘ Gottes um seine Absicht mit der Welt bezeichnet. Die Verwendung in 1 Petr von καλεῖν und ἐκλεκτός (ἐκλέγομαι fehlt) trägt wenig zum Verständnis von 1,20 bei; nur in 2,4.6 betrifft sie Christus, dort zusammen mit ἔντιμος für Wertschätzung. Zu πρόγνωσις vgl. Apg 2,23. Das Offenbaren Gottes 20b ist in der Formulierung μὲν–δέ kein Gegenpart zum Vorherwissen Gottes, sondern die Offenlegung dessen. Auf der ersten Ebene ist die Formulierung ‚geoffenbart worden am Ende der Zeiten‘ (φανερωθέντος δὲ ἐπ’ ἐσχάτου τῶν χρόνων) paradox: Das Ende gehört zur Vergangenheit der Christen! Auf theologischer Ebene liegt das daran, dass mit Christi geschehener Auferstehung die Hoffenden in einer besonderen Zeit leben: Die „Zeit der Völker“ gehört definitiv zu ihrer Vergangenheit – obwohl sie von ihr aktuell umgeben sind! Was hier als Zeitenwechsel bzw. Beginn der Ungleichzeitigkeit mit der Umgebung beschrieben wird, macht Reiser, Eschatologie in 1,20 als „präsentische Eschatologie“ aus. Hier ist also das, was mit dem petrinischen „jetzt“ (νῦν; vgl. 1,12; 2,10.25; 3,21) bezeichnet wird, zu Grunde gelegt. Wer 1,20 übersetzt „Jetzt geht es auf das Ende der Welt (der Zeiten) zu“, dem entgeht diese Radikalität des Lebens in zwei Zeiten, die seit der Auferstehung Christi im Gange ist (so aber Brox, 83; vgl. Achtemeier, 132; etwas passender Prasad, Foundations, 311: „Here the ἔσχατον τῶν χρόνων is still the time of the παροικία of Christians.“) Der Begriff ‚Ende‘ (ἔσχατος) hat in 1 Petr keine feste Semantik, denn in 1,5 hatte er noch ein gänzlich anderes Moment bezeichnet: Gottes umfassenden Einbruch in die Welt, der auch der Zeit des Glaubens ein Ende machen wird (d. h. ‚in letzter Zeit‘). Auch der Begriff ‚Offenbaren‘ (φανεροῦν) ist in 1 Petr an keine spezifische Vorstellung gebunden (vgl. 5,4). Diesen Unterschied zwischen z. B. 4,13 und 5,4 auf der einen Seite und 1,13 sowie 1,20 auf der anderen Seite erkennt Goppelt, 125, Anm. 67 klar: „Der 1 Petr. sieht deutlich die zeitliche Spanne zwischen dem erfolgten (1,20) und dem zukünftigen (5,4; vgl. 1,5.7) φανεροῦσθαι in der Endzeit“ (Elliott, 377 irrt, wenn er eine Ähnlichkeit von 1,20 zu 4,7 sieht; es ist nämlich zu beachten, dass 4,7 und 1,9 mit einem 1,20 fern stehenden Begriff von τέλος arbeitet). Die „Zeiten“ (χρόνοι) werden in V. 20 im Plural beschrieben, was sich konsequent in die vorgeschlagene Deutung fügt: Erst unter der Bedingung der Offenbarung Jesu Christi hat die Zeit eine Ordnung, gemäß der sie als Singular bezeichnet werden könnte (vgl. das vorherige Umherirren/πλανᾶν 2,25). Oder anders gesagt: Mit dieser Offenbarung ist die Perspektive gewonnen, aus der die Lebensführung Christi (vgl. 1,18b–19) als Vorbild zu erschließen ist! Man sieht in V. 20, dass die Christologie an dieser Stelle keineswegs bei der für 1,18–19 trotz aller Kultsprache nachgewiesenen Logik des „Vorbildes“ stehen geblieben ist, sondern hier nun in der Auferstehung das verändernde Moment – das Tranformativum – benannt wird. Die Terminierung dieses Endes der Zeiten, die für die Glaubenden der Anfang ihrer Zeit ist, wird in V. 20 für sich genommen noch nicht vollständig bezeichnet, obwohl sie aus 1,3 eigentlich erschließbar ist: Die Zeitenwende ist durch die Auferstehung Jesu Christi erfolgt. Da es sich also um einen individuellen Wechsel der Zeit und damit um ein Geschehen ‚für‘ die Hoffenden handelt, wird abschließend ‚wegen euch/euretwegen‘ (διά c.acc.) formuliert. Die Zeitereignisse sind also nicht in ein lineares Schema eingeordnet, sondern sie sind intentional zur Veränderung der Hoffenden da, wie Selwyn schon 1949 formulierte: „St. Peter thus focuses the whole divine counsel of 53

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

redemption upon his readers, and sets them […] in the foreground of the drama of history.“ (Selwyn, 146; das genügt aber wohl kaum zum Nachweis einer Kritik am römischen Zeitsystem [„Politics of Time“], die Horrell/Wan, Christology, 271 ff. auszumachen bemüht sind). 21 Durch die Akkusativapposition „die Ihr … glaubt“ (τοὺς δι’ αὐτοῦ πιστούς) erscheint das Folgende formal als Erklärung zu V. 20. Inhaltlich bekommt die Zeitenwende damit die entscheidende Definition, die zuvor noch nicht so klar ausformuliert war: In der Gegenwart leben die Hoffenden als Fremde – das war ab V. 17 zu begründen –, weil Gott Jesus auferweckt und verherrlicht hat. Damit ist das Ereignis belegbar benannt, um dessentwillen Edelmetall als vergänglich (V. 18b) und das Blut – poetisch für den paradigmatischen Lebensweg Jesu – als wertgeschätzt (vgl. V. 19) betrachtet wird. Offenbarung versetzt in die Haltung der Hoffnung. Nach dem „wegen“ (διά) in V. 20 wird διά in V. 21 fast unmittelbar wiederholt – hier allerdings mit Genitiv – mit klarer Richtungsänderung: Gott hat sich in Christus offenbart ‚mit Richtung auf euch‘ und ihr glaubt ‚wegen der euch in Christus erschlossenen Wahrheit‘ hin auf Gott (τοὺς δι’ αὐτοῦ πιστοὺς εἰς θεόν). Dieses Geschehen ist in ‚ihr glaubt wegen ihm (πιστεύειν sc. Christus)‘ zusammengefasst (die Konstruktion 1,21 mit substantiviertem Adjektiv betont das Ende der Apposition: Die ihr glaubt ‚auf/εἰς‘ Gott. Die Präposition εἰς findet sich in 1 Petr beim Verb (εἰς ὃν … πιστεύοντες 1,8) und beim Substantiv (διὰ πίστεως εἰς σωτηρίαν 1,5; 1,21). Anders im LXX-Zitat in 2,6: ‚auf/ἐπί den Grund glauben‘. 1 Petr benennt seine klare inhaltliche Vorstellung davon, wie die Haltung gegenüber Gott einzunehmen ist; vgl. z. B. 2,23c: Er übergab (sich) dem gerecht Richtenden (παρεδίδου δὲ τῷ κρίνοντι δικαίως); dafür bedarf es dort nicht eines Begriffs des Wortstamms von ‚Glauben‘ (πίστις, πιστεύειν, πιστός, ἀπιστεύειν). Wo die Haltung der Hoffenden wie in 1,21 so bezeichnet wird, kommt die Auferstehung als Urpunkt des Hoffens besonders in den Blick, am deutlichsten in 2,6: Der Stein ist gesetzt worden, und wer ihm vertraut, wird nicht zuschanden (ὁ πιστεύων ἐπ’ αὐτῷ οὐ μὴ καταισχυνθῆ; vgl. ebenfalls deutlich 1,21). In Abgrenzung zum Begriff der Hoffnung (zu ἐλπίς s. bei 1,3) „sehen“ die anderen den Glauben nicht, nehmen daran nicht Anstoß und werden damit auch nicht gewonnen; es fällt auf, dass der Begriff Glaube programmatisch zwischen 2,7 und 5,9 fehlt (anders πιστός 4,19). Denn mit diesem Begriff lässt sich vermutlich die Tatsache, wie eine Haltung sich in Handlungen umsetzt, weniger dynamisch verhandeln, als mit ‚Hoffen‘ – das könnte auch an einer starken Vorprägung des Wortfeldes ‚Glaube‘ liegen. Klar machen lässt sich an dem Begriff aber präzise, dass man sich Hoffnung nicht selber setzt, sondern dass sie in der Auferstehung geschehen ist. Klar ist damit: Wenn eines Tages dieser Anfangsgrund allen offenbar sein wird, dann wird man über Glauben in diesem spezifischen Sinne kaum noch reden müssen (vgl. 1,8 „nichtsehend glauben“ und 1,9 „Ende des Glaubens“), wohl aber und ungebrochen noch von der Haltung der Hoffnung! Erklärbar ist damit auch, dass sich in 1 Petr kein Beleg mit direktem Bezug auf Christus findet, weshalb es beim Glauben insgesamt eher um eine aktiv-vertrauende Beziehung zu Gott zu gehen scheint (vgl. Selwyn, 146). Christus steht bei dieser Gottesbeziehung nicht als Paradoxie im Mittelpunkt der Beziehung – z. B. im paulinischen Sinne –, sondern an ihm lässt sich exemplarisch die Absicht Gottes ablesen, und er ist für die Christen der Anfang des Glaubens (vgl. Selwyn, 147 den Glauben etwas missweisend als theistisch bezeichnend).

54

Christus, die Zeitenwende

1,21

Gott wird dadurch näher expliziert, dass er derjenige ist ‚der ihn (sc. Christus) auferstehen gemacht hat‘ (τὸν ἐγείραντα αὐτὸν ἐκ νεκρῶν). Es handelt sich um eine partizipiale Ergänzung zu ‚Gott‘ : Christus dient Gott hier als ‚Ausweis‘, so überzeugend Feldmeier, 79: Gott hat sich in der Auferstehung geradezu „definiert“ (vgl. auch Cothenet, Portée, 253). Dazu passend der Begriff ‚auferwecken‘ (ἐγείρω), ein aktives Verb, das mehr den Täter Gott in die Mitte stellt (anders als z. B. ἀνάστασις 1,3; 3,21). Während Gottes Handeln beim ‚Offenbaren‘ (V. 20) noch abstrakt war, geht es in V. 21 deutlich erkennbar um diesen einen geschichtlichen Eingriff Gottes (deshalb im Aorist). Dabei ist Christus hier nicht aus stilistischen Gründen nur mit dem Pronomen αὐτόν – und nicht mit seinem Namen – benannt, sondern dadurch wird theologisch hervorgehoben, dass hier derjenige nicht-reaktive Christus aus V. 18b–19 verhandelt wird, der dort mit seinem Namen und seiner Geschichte aufgerufen war. Bemerkenswert ist, dass der Tod Jesu bis jetzt nicht explizit erwähnt worden war – denn bei ‚Blut‘ (V. 19) ging es vor allem um passives Erleiden, nicht um sein Sterben – und dass dann doch in V. 21 Christus ausdrücklich „von den Toten“ (ἐκ νεκρῶν) aufersteht. Tatsächlich wurde der Tod Jesu bisher im Briefverlauf nicht als Anteil an der Transformationsleistung verhandelt, sondern er ist nur das vorausgesetzte ‚Äußerste‘ des Weges eines ‚Christen‘ (vgl. 3,18). Hier in V. 21 ist die Logik eine andere: Gott gründet für Christus dessen – ihm im Tod von Menschen abgesprochenes – Subjektsein! Das ist der hier relevant werdende Aspekt der Auferstehung und der Ursprung aller Transformation der jetzt Hoffenden (vgl. Schweizer, Christologie, 378 mit Bezug auf die Forschungen von Calloud/Genuyt). In 1 Petr steht der Tod als die totale äußere Vernichtung, als Zuspitzung des Leidbeifügens und also auch als Verlust alles Ansehens und Wirkens. Deshalb ist gegenüber dem gestorbenen Christus auch die Nennung der ‚Herrlichkeit‘ so wichtig. Das Geben der Herrlichkeit gemäß 1,21 (δόξαν αὐτῷ δόντα) ist neben dem Erwecken (ἐγείρειν) von den Toten also kein zweiter Akt Gottes, sondern es bezeichnet einen Aspekt der Auferstehung (beides im Aorist; δόξα bedeutet in 1 Petr jeweils die offengelegte Seite der Absicht Gottes, vgl. 4,13; 5,1.10). Den, den die Menschen in die Ecke drängten, hat Gott sichtbar in die Mitte gestellt (vgl. den Stabreim δόξαν … δόντα). Das Verb δοξάζειν (1,8; 2,12; 4,11; 4,16) bezieht sich demgegenüber auf die Aktivität der Menschen; dabei ist allerdings ein Unterschied zu machen zwischen der Gegenwart – in der die Herrlichkeit Christus gegeben ist und um die die Christen wissen (δόξα 1,21) – und der kommenden Epoche, in der die δόξα vor aller Augen offenbar sein wird (vgl. ἀποκάλυψις z. B. 4,13). Der Satzabschluss ist mit ὥστε + Inf. konstruiert, damit ist 1,21 eine tatsächliche Folge der Auferstehung angegeben (vgl. 4,19). Das ist konsequent, weil die Hoffenden erst am Christusereignis den Glauben an Gott fassen können und gefasst haben: Die Auferstehung ist die Offenbarung, die Hoffnung wirkt. Dabei sind in V. 21 Glaube und Hoffnung nicht durch καί in die gleiche Beziehung gestellt (Verwendung als Prädikat auch bei Selwyn, 147; Prasad, Foundations, 318; Achtemeier, 133; vgl. „qualification of trust as hope“ bei Elliott, 379). Die Determinierung von ‚Glaube‘ (πιστοὺς εἰς θεόν und τὴν πίστιν ὑμῶν), die bei Hoffnung fehlt (ἐλπίδα εἶναι …), unterstreicht, dass hier Glaube qualifiziert wird. Hoffnung bezieht sich augenfällig deutlich auf den Grund ‚in der Vergangenheit‘ – nicht etwa auf ein zeitliches ‚Voraus‘ –, so dass Vouga 55

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

ἐλπίς mit „la raison d’espérer“ übersetzt (Vouga, Christologie, 312). Vgl. auch Sleeper, Responsability, 280: Es ist „‚hope‘ itself which gives meaning to the present life“, man sollte im Deutschen eher von ‚Sinnrichtung‘ sprechen. Klar ist also, dass die Näherbestimmungen von angeeignetem und daher geschenktem Glauben (vgl. ὑμῶν) und Sinnrichtung der Hoffnung auf Gott (vgl. εἰς θεόν) in der Zuordnung nicht austauschbar sind. Dabei ist der Schluss mit ‚auf Gott‘ rhetorisch fein; es bilden sich dadurch ein engerer und ein weiterer Bogen – einmal zu 1,13 (ἐλπίζω) als dem Anfang dieses ersten Gedankenganges (1,13–2,25) und dann zu 1,3 als dem Anfang der Argumentation im Briefverlauf (insgesamt zu ἐλπίς s. bei 1,3). Jesus Christus ist Beispiel für den Bruch, den die Hoffenden mit ihrer Umwelt vollzogen haben, z. B. den Bruch mit dem „väterlichen Anspruch“ (vgl. 1,17.18). Gott hat Christus in der Auferstehung geoffenbart, das heisst: Er hat Christus zu der Zeit Gottes gerechnet, und er hat damit die Christen gegenüber der Zeit der Heiden zu Fremden werden lassen. Zu diesem Zweck hat sich Gott an seine eigene Wahl gehalten, indem er unabhängig von der Welt – also: vor aller Zeit – seinen Weg mit Christus ging. Damit ist auch über die, die um Gottes Wirken wissen (vgl.1,18a), längst der Beschluss gefasst, dass sie zu den Hoffenden gehören.

1,22–25: Freundschaft innerhalb der Geschwisterschaft und bleibende Distanz 22

Die ihr eure Seelen rein gemacht habt im Gehorsam der Wahrheit zur ungeheuchelten Freundschaft, liebt euch untereinander beharrlich aus reinem Herzen, 23 [die ihr] wiedergeboren seid nicht aus vergänglichen Samen, sondern [aus] unvergänglichen [Samen] durch das lebendige und bleibende Wort Gottes, 24 deshalb weil alles Fleisch wie Gras [ist] und all seine Herrlichkeit wie die Blume des Grases. Das Gras verdorrte und die Blume ist ausgefallen. 25a Die Lehre des Herrn aber bleibt in Ewigkeit. 25b Dieses ist das Wort, das euch als frohe Botschaft verkündigt worden ist. Aus der Erinnerung an das Ereignis der Offenbarung (1,17–21), die den Adressaten die neue Identität als Hoffende gegeben hat (1,13–16; vgl. 1,13: ἐλπίσατε), folgt die an sie gerichtete Aufforderung, einander zu lieben. Der kurze und programmatische Imperativ V. 22b (ἀγαπήσατε) wird durch zwei rahmende Partizipialsätze begründet, die sich auf die Neuorientierung der Adressaten beziehen; in V. 22a.23 sind weder „gereinigt“ (ἡγνικότες) noch „wiedergeboren“ (ἀναγεγεννημένοι) auffordernde Partizipien, sondern sie bezeichnen einfach den vorausgesetzten Status, und sie benennen (anders als z. B. in 1,13) tatsächlich die Bedingungen (markant formuliert im Perfekt; vgl. zur Partizipverwendung Dubis, 37). Der erste Partizipialsatz verweist auf die Entscheidung, auf die vergangene Lebensweise der Adressaten zugunsten einer neuen Freundschaft zu verzichten (V. 22a), der zweite verweist auf die neue Existenz der Erwählten, die als Wiedergeburt interpretiert wird (V. 23 mitsamt V. 24–25a). Diese Wiedergeburt darf aber nicht als eine Wiederholung oder als eine weitere Variation vergangener Lebensabschnitte unterbewertet werden: Das nicht explizit gekennzeichnete, aber fast wort56

Freundschaft innerhalb der Geschwisterschaft und bleibende Distanz

1,22

wörtliche Zitat von Jes 40,6b–8 LXX erklärt die ewige Distanz, die den bleibenden Charakter dieser neu gesäten Pflanze des Wortes Gottes von der menschlichen Vergänglichkeit der alten Existenz unterscheidet (V. 24–25a). Diese Einladung zur gegenseitigen Liebe in der Gemeinschaft des Hauses Gottes gibt der Befreiung von der Sinnlosigkeit und der Erwählung zur Hoffnung einen stabilisierenden Ort. Sie führt ein Thema ein, das in weiteren Empfehlungen des Briefes zum solidarischen Gemeindeleben der „Dissidenten“ (zu Dissidenz s. bei 2,16) durchgeführt werden wird (3,8–12; 4,7–11; 5,1–11). Die gegenseitige Liebe ist weder als allgemeines philanthropisches Prinzip noch als Warnung vor der Aufsplitterung der theologischen Einheit einer bisher gemeinsamen Offenbarungstradition zu verstehen (wie in der johanneischen Schule), sondern sie lenkt die Aufmerksamkeit auf eine konkrete Notwendigkeit des Alltags: Die Zugehörigkeit zum Haus Gottes und die Bekehrung zur Gemeinschaft der Hoffnung führt zu Konflikten, zu Unverständnis und zu Missverständnissen in den Familien und in den Häusern (2,18–3,7), mit den Verwandten, in den bisherigen Bekanntenkreisen und im gesellschaftlichen Leben (2,11–17; 4,1–6). Die Erwählten werden deshalb durch den Brief aufgefordert, zusammenzustehen, Freundschaft zu üben, Liebe zu praktizieren, sich gegenseitig zu ermutigen, zu stärken (3,8–12), zu unterstützen (4,7–11) und die Erfahrungen untereinander zu teilen (5,1–11), um ihren eigenen Überzeugungen treu zu bleiben und über ihre Hoffnung Rechenschaft abzulegen zu können (3,15b). Der Schlusskommentar V. 25 soll als Rückbezug auf die gesamte, bisherige Darstellung der Situation der Erwählten gelesen werden: Das Wort, das den Adressaten verkündigt worden ist, beschränkt sich weder allein auf den Kontrast zwischen der Vergänglichkeit des Menschen und der Ewigkeit Gottes (V. 24–25a) noch auf das Liebesgebot (V. 22–25a), sondern es schliesst sowohl die historische als auch die biographische Einbettung der Adressaten in eine Geschichte Gottes ein, die vor Grundsteinlegung der Welt beginnt und zur Offenbarung der letzten Zeiten führt, also insgesamt 1,3–24. 22 Die Reinheitsmetaphorik, die offenbar zur Betonung der kompromisslosen Haltung der Strategie der Gewaltlosigkeit Christi eingeführt wurde (1,2 und 1,19; vgl. 2,21–25; durchgeführt in 3,8–9), wird als Interpretament für die Wende in der Lebensgeschichte der Adressaten angewandt: Sie haben ihre Seele gereinigt. Der Begriff der ‚Reinigung‘ (ἁγνίζειν als Partizip im Perfekt), der den neu gewonnenen Zustand ihres intimen Lebens bedingt (ψυχή, vgl. 1,9; 2,11.25; 3,20; 4,19), bringt eine doppelte Bedeutung in die Argumentation ein: Die erste Bedeutung, im übertragenen, moralischen Sinn, ist sowohl in der klassischen als auch in der alttestamentlichen Sprache geläufig (vgl. z. B. Jes 1,16) und kennzeichnet „Reinigung“ als Veränderung von Verhaltensweisen. Die zweite Bedeutung kommt aus dem religiösen Sprachgebrauch der LXX, wo der Begriff im kultischen Kontext der Aussonderung des heiligen Gottesvolkes verwendet wird (vgl. Dtn 19,19; Num 19,12), und er bereitet die darauf folgende Antithese zwischen der Vergänglichkeit der damaligen Existenz und die neue Bestimmung durch das lebensspendende Wort des ganz anderen Gottes vor (V. 23–24). Die Aufforderung, sich nicht durch die Lebensmuster ihrer Vergangenheit prägen zu lassen (1,14), wird durch diese religiöse Trennungsvorstellung wieder aufgenommen in der Erinnerung, dass sie durch die ihnen neu gegebene Identität davon befreit worden 57

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

sind. Die Ergänzung „im Gehorsam der Wahrheit“ (ἐν τῇ ὑπακοῇ τῆς ἀληθείας) ist eher lokal als instrumental zu verstehen – „in der Situation des Gehorsams“ (vgl. 2 Chr 31,18). ‚Gehorsam‘ nimmt Bezug auf 1,2 (εἰς ὑπακοὴν κτλ.; dort christologisch) und auf die Anamnese in 1,14 (ὡς τέκνα ὑπακοῆς). „Gehorsam der Wahrheit“ könnte sinnvoll als genitivus objectivus wie auch als genitivus subjectivus gelesen werden: Entweder meint ‚Wahrheit‘ (ἀλήθεια im 1 Petr nur hier) das Wort (λόγος, V. 23; ähnliche Konstruktion in 2 Kor 10,5), und dann liegt der gen. object. vor. Oder „Gehorsam der Wahrheit“ steht parallel zum paulinischen „Gehorsam des Vertrauens“ (Röm 1,5; 16,26, vgl. als gen. subj. Röm 5,19; 15,18; 2 Kor 7,15; Phm 21) und qualifiziert das neue Selbstverständnis der Adressaten. Entscheidend ist hier das Ziel oder die Folge dieses Gehorsams: Er führt zur ungeheuchelten Freundschaft (εἰς φιλαδελφίαν ἀνυπόκριτον; vgl. zum Zusammenhang außerhalb der Freunde 2,1 ὑποκρίσεις; Heuchelei wohl als spezifische Gefahr innerhalb von Nähegemeinschaften). Im ausdrücklichen Unterschied zur ntl. oft universal gedachten Liebe (ἀγάπη, ἀγαπᾶν) bezeichnet die Freundschaft in 1 Petr die solidarische Gemeinschaft innerhalb der Familie Gottes (vgl. Röm 12,10; 2 Petr 1,7, vgl. 1 Thess 4,9; Hebr 13,1; markant innerhalb der Tugenden unter Hoffenden: φιλάδελφος 1 Petr 3,8; Achtemeier, 137, Anm. 24 hält ἀδελφότης 2,17 für synonym, so wohl auch 5,9, vgl. ἀδελφός 5,12). Dem entspricht der Imperativ (ἀγαπήσατε, Aorist) als Aufforderung zum ausdrücklich benannten „gegenseitig Lieben“ (ἀλλήλους; vgl. unmissverständlich auch 4,9; 5,5.14); das ist vom universalen Liebesgebot zu unterscheiden (vgl. Mt 5,48; 19,19; 22,39 // Mk 12,31.33 // Lk 10,27; Röm 13,9; Gal 5,14; Jak 2,8), erinnert aber an die johanneische Offenbarungstradition (Joh 13,34–35; 15,12.17); in 1Thess 4,9 wird es als Prinzip des Gemeindelebens auf den Punkt gebracht: „Das einander Lieben“ (τὸ ἀγαπᾶν ἀλλήλους, vgl. 1Thes 3,12). Es soll „beharrlich“ geschehen (ἐκτενῶς), weil Gemeinschaften Konstanz brauchen – darum geht es vielmehr als um Innigkeit (so auch Achtemeier, 137). Die Wendung „aus reinem Herzen“ (ἐκ καθαρᾶς καρδίας) kann sich sowohl auf die Freundschaft (εἰς φιλαδελφίαν) als auch auf das Lieben (ἀλλήλους ἀγαπήσατε) beziehen – ein Deutungsunterschied besteht nicht (zu καρδία vgl. 3,4.15). 23 Die Metaphorik der Neuzeugung (ἀναγεννᾶν als Part. im Perf. [ἀναγεγεννημένοι] wie zuvor ἁγνίζειν [ἡγνικότες]; vgl. Joh 1,13 ἐκ θεοῦ ἐγεννήθησαν), die die Metaphorik aus 1,3 wieder aufnimmt (ἀναγεννᾶν im Aorist; vgl. Joh 3,3.5; vgl. das Bildfeld in 1 Petr 1,14: als Kinder [τέκνα] des Gehorsams, aufgenommen in 2,2 [ἀρτιγέννητα βρέφη]), wiederholt die neue Situationsbeschreibung der Adressaten (Perfekt, als Ergebnis der Lebenswende), diesmal aber – anders als bei der aktiven Reinigungsmetaphorik in V. 22 – in einer passivischen Perspektive: Ein neues Sein ist ihnen gegeben worden durch einen neuen Ursprung (ἐκ σπορᾶς), der nicht mehr vergänglich (φθαρτός), i. e. menschlich ist, sondern Ewigkeitscharakter hat, weil er durch ein Wort des lebendigen Gottes gesät worden ist. Anders als die teilweise parallele Aussage in 1,3 liegt also der Akzent nicht auf der neuen Bestimmtheit, die sich aus der Veränderung ergibt (εἰς ἐλπίδα ζῶσαν 1,3), sondern der Akzent liegt hier auf ihrer transzendenten Herkunft und folglich auf ihrem bleibenden Grund. „Bleibend“ (μένοντος) ist wohl aus dem Zitat Jes 40,8 LXX vorgezogen; es kann sich sinnvoll auf ‚Wort‘ (διὰ λόγου) oder auf ‚Gott‘ (ζῶντος θεοῦ) beziehen und wird durch die Wort58

Freundschaft innerhalb der Geschwisterschaft und bleibende Distanz

1,25b

stellung hervorgehoben (… καὶ μένοντος), um so parallel zu ‚unvergänglich‘ (ἄφθαρτος) eine zweite Antithese zu ‚vergänglich‘ (φθαρτός) zu bilden, und es wird präzise durch Jes 40,6b–8 begründet (διότι). 24–25a Der Sinn des argumentativen Rückgriffs auf den prophetischen Text Jes 40,6b–8 (διότι stammt nicht aus der Vorlage) besteht in der bildlichen Wiederholung der Antithese ‚vergänglich/bleibend‘ durch die Pflanzenmetaphorik, und die wesentliche Aussage lautet: „Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit“ (τὸ ῥῆμα κυρίου μένει εἰς τὸν αἰῶνα; durch das Weglassen des δέ aus der Vorlage ist es eher eine selbständige Aussage). Die Hermeneutik aus 1,10–12 – die prophetischen Schriften belegen die Wahrheit – wird hier nach der ersten expliziten Anwendung in 1,16 (διότι γέγραπται) das zweite Mal durchgeführt. 1 Petr setzt zusätzlich zu der LXX-Vorlage das von ihm sehr geschätzte „wie“ (vgl. 21mal ὡς in 1 Petr gegen z. B. 19 Belege im langen Römerbrief ). Mit der Rückbindung von ‚Herrlichkeit‘ an ‚Fleisch‘ (ἀνθρώπου ist ersetzt durch αὐτῆς; aber ähnlich in MT) verhindert 1 Petr ein – hier nicht gewolltes – anthropologisches Thema. Und wessen Gott das ist (LXX: τὸ δὲ ῥῆμα τοῦ θεοῦ ἡμῶν) steht in 1 Petr nicht zur Diskussion. Dass gegen LXX hier ‚Wort des Herrn‘ (κυρίου) steht, ist ganz konsequent: Man hört die Botschaft von Christus, dem Herrn (so das Verständnis von κύριος in LXX-Zitaten im petrinischen Kontext, jetzt zumindest in 1,3; 2,3.13; 3,15) mit, durch dessen Auferstehung ‚Gott, der Herr‘ die Trennung zwischen ‚vergänglich‘ und ‚ewig‘ gesetzt hat. 25b Das rhetorisch und von der Pragmatik der Kommunikation her gesehen gelungene Schlusswort fasst den gesamten Abschnitt 1 Petr 1,3–25a zusammen, indem es die Identität des Wortes des Herrn, das ewig bleibt (ῥῆμα V. 25a, in V. 25b wieder aufgenommen), mit dem bleibenden Wort des ewigen Gottes, das die Adressaten neugesät hat (λόγος; V. 23), hervorhebt. Das grammatische Subjekt (τοῦτο) meint das „Wort“ in V. 25a (ῥῆμα) und zugleich das Prädikat (τὸ ῥῆμα τὸ εὐαγγελισθὲν εἰς ὑμᾶς). Der Begriff „Verkündigen“ (εὐαγγελίζεσθαι) könnte aus Jes 40,9 LXX (zweimal ὁ εὐαγγελιζόμενος) aufgenommen sein, im petrinischen Kontext ist es der alles verändernde (vgl. 1,12) und unbegrenzte (vgl. 4,6) Augenblick der Mitteilung der Hoffnungsnachricht (abgrenzend εὐαγγέλιον 4,17). Das auffällige „für Euch“ hat volles rhetorisches Achtergewicht wie z. B. in 1,20.

2,1–10: Wie der Stein Christus die Christen zu Steinen macht (Ib) 1

Deshalb ablegend alle Schlechtigkeit und alle Verfälschung und alle Verstellungen und die Neidereien und alle Verleumdungen: 2 Verlangt wie neugeborenen Säuglinge die worthafte, unverfälschte Milch, damit ihr durch sie wachst zum Heil – 3 wenn ihr gekostet habt, dass der Herr köstlich ist, 4 zu dem ihr hinkommt, dem lebendigen Stein, der von den Menschen zwar verworfen worden ist, bei Gott jedoch als wertvoll erwählt, 5 auch ihr selbst wurdet wie lebendige Steine erbaut als geistliches Haus zu einer heiligen Priesterschaft, um aufsteigen zu lassen geistliche Opfer, die Gott wohl gefallen durch Jesus Christus,

59

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

6

denn es steht in der Schrift: „Siehe, ich setze in Zion einen als wertvoll erwählten Eckstein, und wer darauf glaubt, der soll nicht zuschanden werden“. 7 Deshalb [gibt es] für euch, die Glaubenden, den Wert. Aber für die Nichtglaubenden [ist] der Stein, den die Bauleute entwertet haben – dieser ist zum Kopfstein geworden – 8a auch Stein des Anstoßes und Fels des Ärgernisses. 8b Sie stoßen sich, dem Wort unfügsam, wozu sie auch hingestellt worden sind. 9 Ihr aber [seid] ausgewähltes Geschlecht, königliches Priestertum, heiliges Volk, Gemeinschaft zum Eigentum, damit ihr die Wundertaten dessen verkündigt, der euch aus Dunkelheit berufen hat zu seinem wunderbaren Licht. 10 Die [ihr] einst [wart] Nicht–Volk, jetzt aber Volk Gottes [seid], [die ihr] ohne Erbarmen [wart], jetzt aber Erbarmen gefunden habt. 2,1–10 schließt den ersten Hauptteil des Briefes (1,13–2,10) ab und bringt die Ausgangssituation der Berufenen (vgl. 1,15) auf den Punkt: Der ‚Stein‘ ist wertvoll (ἔντιμος 2,4.6; mit Rückgriff auf 1,17–21, vgl. 1,19 τίμιος) und lebendig (ζῶντες 2,4.5; mit Rückgriff auf 1,3, vgl. 1,23). Das im Briefverlauf anschließend erörterte Fremdsein (vgl. 2,11 ff.) folgt konsequent aus der in 2,1–10 dargelegten Berufung. Das Symbol des ‚Hauses‘ (οἶκος) wird durch die Rede vom auserwählten Stein (2,4; vgl. 2,6.8 und 1,17 παροικία) eingeführt und später dann weiter gedacht (vgl. πάροικοι 2,11; οἰκέτης 2,18; συνοικεῖν 3,7; οἰκονόμος 4,10; οἶκος 4,17). Mit „deshalb“ (οὖν, vgl. 4,1 und διό 1,13) beginnt in 2,1 ein neues Satzgefüge: V. 1–3 gehören zum Imperativ „verlangt“ (ἐπιποθήσατε 2,2), weitergeführt durch die relative Anbindung in V. 4 (πρὸς ὅν vgl. z. B. Cranfield, 59 ff.). Der Abschnitt endet mit poetischer Zusammenfassung (2,10), bevor dann mit der Anrede in 2,11 (ἀγαπητοί) Überlegungen zum Handeln folgen. Es ergibt sich ein Aufbau ähnlich dem in 1,13–1,25: Im ersten Schritt V. 1–3 ergeht die Forderung, bei dem eingeschlagenen Leben zu bleiben und zum Heil zu wachsen (vgl. 1,13–16). Im zweiten Schritt V. 4–6 wird dies doppelt begründet (vgl. 1,17–21): Die Christen haben wegen der Erwählung ihre Identität als Haus Gottes (V. 4–5), wobei die entscheidende Tat die Erwählung Christi und damit auch der Christen ist (V. 6; Chevallier, Structure, 130 hält wegen des διότι insgesamt 2,6–10 für die „exhortation“; tatsächlich liegt in V. 6 ein Wechsel vor, allerdings auf die nächste Begründungsebene). Im dritten Schritt V. 7–10 werden die Folgerungen gezogen mit Blick darauf, welche Situation sich für die Berufenen ergibt (vgl. entfernt ähnlich 1,22–25). 1 Das Satzgefüge V. 1–3 beginnt mit einem aufforderndem Partizip: ‚Legt ab‘ (ἀποθέμενοι, anders z. B. Elliott, 358.395: freies imperativisches Partizip; Schlosser, 116: Sachstandsbeschreibung; zur Ablehnung sog. Tauftheologie vgl. Achtemeier, 144; Elliott, 395 f. ). Das Verb ἀποτιθέναι („ablegen“; vgl. ἀπόθεσις) bedeutet ‚einen Gegenstand ablegen‘ (vgl. Apg 7,58) und behält diese Bedeutung im NT auch in übertragener Verwendung (Eph 4,22; vgl. Reihungen mit Akkusativobjekten z. B. Kol 3,8, insbesondere Reihung mit πεπληρωμένους Röm 1,28–31, wo alle Begriffe aus 1 Petr vorkommen. Mit eigenem Gewicht aber in 1 Petr: „Verstellung“, ὑπόκρισις). In V. 1 liegen fünf Objekte vor, die in der Verstärkung (πᾶς κτλ.; nicht bei φθόνους) und im Numerus variieren. Sie bezeichnen Unerwünschtes und werfen die 60

Wie der Stein Christus die Christen zu Steinen macht

2,2

Frage nach Identität dadurch auf, dass sie insgesamt die ‚Echtheit‘ zum Kriterium der Verhaltens erheben. Gemeint sind deshalb nicht „recht triviale, aber eben verbreitete menschliche Fehler“ (Brox, 90); es ist auch wenig wahrscheinlich, dass hier Verhaltensweisen bezeichnet werden, die nur gegenüber Glaubensgeschwistern gelten sollen (so Achtemeier, 144; vgl. Donelson, 56: „all vices that damage the community“). Zuerst das ‚Ablegen von allem Schlechten‘ (κακία), später als festes Begriffsfeld (vgl. 3,9–12; vgl. auch κακοποιεῖν / κακοποιός); dann Ablegen von ‚Falsch‘ (δόλος; als Begriff für ‚falsche Rede‘ aus der LXX in 2,22 [vgl. Jes 53,9] und in 3,10 [vgl. LXX-Ps 33,13]; möglicherweise für das Zitat aus LXX-Ps 33 in 2,3 den Psalm schon hier in 2,1 vor Augen), im NT am ehesten als Gegenteil von ‚mit sich selbst identisch‘ (vgl. Joh 1,47: Nathanael ist wahrhaft [ἀληθῶς] ein Israelit, in dem kein Falsch [δόλος] ist; vgl. 1Thess 2,3: Nicht ‚betrügerisch‘, πλάνης oder ‚unrein‘, ἀκαθαρσία oder ‚mit List‘, δόλος). Für diese Interpretation spricht die verbundene Wendung in V. 2 (ἄδολον γάλα). Zu ‚Verstellung‘ (ὑπόκρισις) fehlen weitere Belege in 1 Petr (vgl. aber ἀνυπόκριτος 1,22), aber auch hier geht es um das Kriterium der Echtheit wie auch sonst im NT (Barnabas ist ‚in Verstellung‘ [ὑπόκρισις], weil er heidnisch lebt und jüdische Regelungen predigt, Gal 2,13; in diesem Sinne Giesen, Gemeinde, 343: „Der Heuchler täuscht ein Handeln vor, das mit seiner inneren Gesinnung nicht übereinstimmt“, vgl. Elliott, 397: „persons lacking integrity“). Bei ‚Neid‘ (φθόνος) geht es um eine falsche Orientierung am Anderen anstatt am Selbst. Neid wird später abgelehnt als ungute Bindung an die Welt, von der die Hoffenden gerade freigestellt sind (vgl. z. B. 2,16). ‚Falsche Nachrede‘ (καταλαλία, vgl. καταλαλέω 2,12; 3,16) gehört zur erlittenen Realität der Hoffenden; würden die Hoffenden ihrerseits übel nachreden, würden sie von ihrem spezifischen Leben zu dem Lebensmuster ihrer Bedränger überwechseln. 2 Die Christen soll identisch mit ihrem Ursprung bleiben, als Verlangen der Kinder formuliert (vgl. 1,14: als Kinder [τέκνα] des Gehorsams). Das Subjekt des Satzgefüges steht in der 2. Pers.Pl., deshalb ‚Kleinkind‘ im Plural (βρέφη, mit der Vorstellung des Stillens vgl. Goppelt, 135, Anm. 45). Es steht die Bedürftigkeit nach etwas Bestimmten – der Milch – und nicht ausschließlich das Neusein der Subjekte im Mittelpunkt (vgl. Lk 1,41.44; zur daraus entspringenden These einer Tauftheologie vgl. kritisch Achtemeier, 145). Das ergänzende Adjektiv ‚neugeboren‘ (ἀρτιγέννητα) stellt zwei Verbindungen her: Der erste Begriffsanteil verweist auf den unter Christen kollektiv geteilten Charakter der Gegenwart (vgl. ἄρτι 1,6.8), die dauernde Gegenwart der Neugeborenen (vgl. Vahrenhorst, 99)! Als Zweites entsteht ein Bezug zur Geburtsmetapher: Liebt einander, die ihr wiedergeboren seid (vgl. ἀναγεννᾶν 1,23; vgl. 1,3; so z. B. Francis, Babes, 113). Man wird diese Geburtsvorstellung auch schon für das Verständnis des ‚Volkseins‘ (vgl. 2,9–10) und des ‚Fremdseins‘ (2,11; vgl. 2,1) vormerken: Weil durch Geburt entweder als zum Volk oder als zu den Fremdgewordenen gehörend definiert, ist das Fremdsein des anstößigen Steins in der Gesellschaft unter den ‚Völkern‘ vorgebildet (vgl. die Definition von ‚Fremdsein‘ bei Wolff, Christ, 335)! Folgerichtig wird in V. 2 nicht die Lebensform anhand ihrer Form thematisiert, sondern anhand ihres Ursprungs: Die Hoffenden sollen nach Milch verlangen. Der Imperativ von ἐπιποθεῖν bezeichnet kein allgemeines religiöses Sehnen, sondern das menschliche Verlangen nach einem Gut oder nach einer Tat (vgl. Röm 1,11; Phil 1,8; 2,26). Auf der Sachebene ist klar: Das, was dieses Begehren ausgelöst hat und was zugleich ihr Gegen61

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

stand ist, ist die Verkündigung Gottes (vgl. 1,22 ff.). In der bildlichen Rede wird ‚Milch‘ verlangt; Brox, 92 sieht zutreffend, dass die Milch in dieser speziellen Argumentation nicht Nahrung für Anfänger, sondern dauerhafte Nahrung für alle Christen ist (anders 1Kor 3,1 f. das Reden des Paulus als ‚Milch‘ [γάλα]; vgl. Hebr 5,12 f.). Mit den Adjektiven in V. 2 sprengt 1 Petr die Bildebene allerdings bereits wieder, denn Milch kann nicht ‚worthaft‘ (λογικός) sein. Diese Bestimmung orientiert die Hoffenden an der an sie ergangenen Verkündigung (vgl. Verkündigung als λόγος 1,23; vgl. 1,25; auch Achtemeier, 146 f. und Elliott, 400 f. für eine Deutung mit Beziehung auf die Verkündigung; vgl. die Übersetzung von McCartney, λογικός, 130 und dessen Verweis auf die Wortverwendung bei Plutarch: „Having to do with (God’s) word“; aber i. S. von πνευματικός z.B bei Schelkle, 56; ein Zusammenhang mit λογικός in Röm 12,1 besteht wohl nicht). Keinesfalls darf also die Bedeutung von λογικόν nur im Sinne von ‚übertragen‘ eingeengt werden. Die zweite Bestimmung ‚unfalsch‘ (ἄδολον) ist Hapaxlegomenon und etwas umständlich; aber diese Ausdrucksweise stellt eine schöne Verbindung her von der Lebensweise ‚ohne falsche Selbstbezüge (δόλος)‘ in V. 1 zum Leben ‚ohne falsche Quelle (ἄδολος)‘ in V. 2. Der Finalsatz führt die Kindermetaphorik weiter, mit der angegeben wird, worauf die Verkündigung zielt: ‚Konsequent wachsen‘ (αὐξάνειν im Aor.). Wirksame Kraft ist die Milch (ἐν c.dat.), auf der Sachebene also: Das sich Mitteilen der Botschaft Gottes. Ziel ist das umfassend gelingende Leben, in dem Gott ganz erlebt wird, und das es nur in der kommenden Epoche geben kann; in 1 Petr wird es nur im ersten Kapitel als ‚Heil‘ verhandelt (σωτηρία; vgl. z. B. 1,9; vgl. Achtemeier, 147). Es ist durchaus denkbar, dass in der Gemeinschaft der Verkündigung im Umgang mit dem Wort und dem Leben Unterschiede zwischen den Hoffenden entstanden sind, z. B. zwischen Erfahrenen und weniger Erfahrenen (vgl. 5,1–5) – aber in der Grundtatsache, dass die Hoffenden alle ohne Ausnahme in einer Wachstumszeit sind, gibt es keine Unterschiede! Dies wird 3 explizit gemacht. Die Verbindungspartikel εἰς, die 1 Petr aus Mangel in der Vorlage LXX-Ps 33,9 setzt, hat begründenden Charakter: Wie in 1,17 und in 4,17 wird damit nicht eine tatsächliche Alternative diskutiert, sondern es wird die Bedingung der Gegenwart beschrieben (so Achtemeier, 148; Selwyn, 157 „seing that“; anders aber in 2,20). Das Verlangen entsteht daraus, dass sie bereits ‚gekostet haben‘. Dafür verwendet 1 Petr ein leicht gekürztes Zitat aus LXX-Ps 33,9a (γεύσασθε καὶ ἴδετε ὅτι χρηστὸς ὁ κύριος, „schmeckt und seht“). εἰδέναι ist im Bild etwas fremd und wird samt καί in V. 3 möglicherweise deshalb nicht übernommen (ausführlich das Zitat in 3,10–12). Der auffordernde Charakter aus LXX-Ps 33 ist in 1 Petr getilgt und in einen indikativisch-begründenden Satz verwandelt (statt Ps 33,9 LXX γεύσασθε jetzt in 1 Petr 2,3 ἐγεύσασθε). Die Übertragung von ‚Speise‘ und ‚Wort‘ ist dabei ein geprägter Gedanke (vgl. z. B. Hebr 6,4 ff.). Theologisch ist wichtig festzuhalten, was genau als ‚süß‘ erlebt wird (χρηστός; zum Wortspiel χρηστός / Χριστός vgl. Achtemeier, 148): Süß ist nicht der von 1 Petr vorgeschlagene Lebenswandel – denn der fungiert z. B. nach 2,6 als Anstoß und ist durchaus von bitteren Konflikten geprägt. ‚Gut‘ (χρηστός), also gelingend, ist die Beziehung zu Gott, dem κύριος, zu dem dieser Beziehungsaufnahme immer schon zuvorkommenden Schöpfer. 4 ist eine relativ angeschlossene Partizipialergänzung zu κύριος (der Punkt am Ende von V. 3 in NA27/28 ist also irreführend). Die partizipiale Wendung προσερχόμενοι 62

Wie der Stein Christus die Christen zu Steinen macht

2,4

hat keinen auffordernden Charakter, denn das in V. 5 folgende Hauptverb des Gefüges (οίκοδομεῖσθε) ist indikativisch. Inhaltlich wird ab V. 4 f. präzise ein Gedanke aufgebaut, dazu wird auf dann erst V. 6 f ausdrücklich gesetzte Zitate partiell vorgegriffen und so sukzessive eine bindende Interpretation für den Text in V. 6 f vorgegeben („un commentaire anticipé des citations qui suivent“, Schlosser, Israel, 376); das ist als Verfahren durch die Hermeneutik 1,10–12 gedeckt (vgl Schlosser, 120). Dem V. 4–6 und V. 7 inhärenten rhetorischen Verfahren des ‚langsamen Gedankenaufbaus‘ hat die Interpretation zu folgen. Die Subjekte der Vollverben in V. 2a (ἐπιποθήσατε) und V. 5 (οἰκοδομεῖσθε) geben das Subjekt der Bewegungsbeschreibung in V. 4a (πρὸς ὃν προσερχόμενοι, „zu dem ihr hinkommt“) vor. Mit ‚Hinkommen‘ wechselt das Bild vom „Säugling“ hin zum Bild der „besonderen Stätte“ (vgl. das ‚Hinzutreten zum Tempel‘ Hebr 10,1.22; 12,22). Dass das Verb προσέρχεσθαι an dieser Stelle bereits das ganze Bild eines Dienstes am Kultort eröffnet, ist aufgrund der zunächst folgenden Wendungen unwahrscheinlich (zurückhaltend auch Elliott, 409). Es könnte sein, dass 1 Petr durch den vorher zitierten LXX-Psalm 33 zu dieser Wendung angeregt wurde (vgl. LXX-Ps 33,6 προσέρχομαι πρός; so Selwyn, 157). In der Bildlogik nähern sich die Leserinnen und Leser nur schrittweise der Vorstellung vom Tempel, denn es ist zu beachten, dass Christus hier zunächst einfach in Apposition zum Relativpronomen im Akkusativ als ‚lebendiger Stein‘ bezeichnet ist (πρὸς ὃν προσερχόμενοι λίθον ζῶντα). Der Begriff ‚Stein‘ (λίθος) entstammt ohne Zweifel dem später in V. 6 herangezogenen Zitatgefüge (Selwyn, 158 „worked stone“; zu λίθος im NTund in Qumran vgl. Elliott, 409; Jeremias, J., λίθος κτλ., ThWNT 4, Stuttgart 1942, 272–283, 277). Der Vorgriff auf 2,6 ist dominierend gegenüber der von Danker, Pericope, 94 aufgezeigten Ähnlichkeit zur Qumranliteratur. ‚Stein‘ bildet im Zitatgefüge das gemeinsame Wort, anhand dessen LXX-Ps 117,22 und LXX Jes 28,16 zusammengebracht worden sind; aber auch der Wortanteil -γωνια in ἀκρογωνία (V. 6) verbindet Jes 28,16 LXX und LXX-Ps 117,22 (… εἰς κεφαλὴν γωνίας). Dass Hörerinnen und Hörer hier den Verzicht auf den Begriff πέτρος (vgl. aber πέτρα σκανδάλου V. 8) und damit einen Diskurs über die Sonderstellung des Petrus mithören würden (so Vinson, 91 f.), bleibt unbeweisbar. Es geht in 2,4 präzise darum, dass Gott Christus erwählt hat – es geht nicht bereits um dessen Position im Gefüge des Gebäudes, weshalb auffälligerweise das Stichwort ‚Eckstein‘(ἀκρογωνιαῖος) hier noch nicht mitzitiert wird (vgl. auch Schlosser, Testament, 78 f.)! Vielmehr steht ‚Stein‘ zunächst für einen Gegenstand, zu dem sich die Menschen unterschiedlich verhalten, zentral ist deshalb die Bestimmung als ‚lebendiger‘ (ζῶν) Stein, womit das Bild des Steins von Anfang an – bevor auch nur der Gedanke des ‚Hauses‘ daraus geschaffen wäre – schon gesprengt ist (vgl. „non–literal sense“ Selwyn, 158; vgl. ‚geistliches Haus‘ V. 5). Auffällig ist die Verwendung von ζῆν im Oxymoron als adjektivisches Partizip, in 1,3 und 1,23 mit der Auferstehung Jesu Christi verbunden (vgl. 3,18 ζωοποιεῖν): Wegen der Auferstehung ist Christus der Auserwählte und Geehrte, und dieses Ergehen wirkt in der Gegenwart (vgl. Zusammenhang mit Auferstehung bei Blinzler, Ierateuma, 53; Schelkle, 57 und Vahrenhorst 102; etwas anders Bénétreau, 119: „la faculté qu’elle a de se communiquer, de se reproduire“; kaum: „lebendig als von Jahr zu Jahr zunehmend“, so Grudem, 60 f ). ‚Lebendig‘ ist in V. 4 als Ausführung des Auf63

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

erstehungsgedankens im Sinne von ‚wirksam‘ zu lesen, denn zu einem bloßen Objekt ‚Stein‘ müssten sich die Menschen nicht unmittelbar verhalten: Nur weil er auf diese Weise lebendiger Stein war – so wird später verständlich sein –, wurde er abgelehnt (zu Recht Standaert, surprise, 394 f., das starke Oxymoron werde hier vom ebenfalls starken Oxymoron 2,24 begründet: durch seine Wunden geheilt). Dieser Umstand kehrt dann als zentrales Element der Konfliktgestaltung der Hoffenden innerhalb der Reflexion über Konfliktursachen wieder. Christus wird unter zwei Perspektiven betrachtet: In menschlicher Perspektive wird er zwar für ‚untüchtig‘ erklärt (ἀποδεδοκιμασμένον Partizip Perfekt), vor Gott ist er aber ‚wertvoll und wirksam‘ (ἐκλεκτὸν ἔντιμον, Partizip ὄντα wohl implizit, vgl. Dubis, 46). Die erste Perspektive wird als ‚von Menschen‘ (ὑπὸ ἀνθρώπων) beschrieben; ‚Mensch‘ bezeichnet dabei keine bestimmte Personengruppe (vgl. Goppelt, 141. Hiršs, Volk, 110 unterstreicht zu Recht, dass das Judentum nicht im Blick ist; mit sprachlicher Differenz zu 4,6 ohne ὑπό), das Wort ‚Mensch‘ ist im 1 Petr neutral (vgl. 3,3 f. gegen 4,2). Die hier beschriebene Tätigkeit, die Menschen aus menschlicher Perspektive heraus tun, besteht im ‚für untüchtig erklären‘ (ἀποδοκιμάζειν). Dieses Verb ist ebenfalls aus dem Zitat in 2,7 nach vorn gezogen und meint hier nicht einfach ‚verwerfen‘, sondern ‚als untüchtig oder wertlos‘ bewerten – denn in 1,7 ging es gerade um den Wert des Glaubens (δοκίμιον; vgl. Spicq, 83). Inhaltlich steht damit den Leserinnen und Lesern die eine konkrete Geschichte vor Augen: Der Versuch, ihn ‚wertlos zu machen‘, ist die Ausgrenzung und dann die Passion Jesu von Nazareth, die in seiner Tötung ihre Zuspitzung fand (deshalb Aorist). In der zweiten Perspektive ist er ‚auserwählt‘ (ἐκλεκτός), wiederum aus dem in 2,6 folgenden LXX-Zitat – und wie dort ergänzt um ‚wertvoll‘ (ἔντιμος). Gott ist so, wie zuvor die Menschen, Handelnder, aber er ist auch Instanz, und das wird mit παρά c. dat. angegeben. Beide Worte ergeben das Gegenteil von ‚untüchtig‘ : Es ist ‚wertvoll‘ (Spicq, 83 stellt einander gegenüber „comme ne valant rien“ und „comme parfaitement valable“)! Jesus Christus zum ‚Auserwählten‘ (ἐκλεκτός) zu machen, ist Gottes Art, ihm ‚Wert‘ zu verleihen: Es geht um die Realisierung von Gottes Initiative, nicht um irgendein ‚trotzdem‘ gegenüber menschlicher Ablehnung (vgl. Lamau, Chrétiens, 310 zu Erwählung: „c’est Dieu lui-même qui a eu l’initiative“; anders Achtemeier, 154 „nevertheless“). Festzuhalten bleibt, dass in V. 4 das Ergehen der Hoffenden noch nicht mit dem Ergehen Christi parallel verhandelt wurde. Erst 5 nämlich nimmt das erste Subjekt aus dem Relativsatz V. 4 wieder auf und verlagert die Argumentation genau hier nachhaltig auf eine andere Ebene: Die, die da zum lebendigen Stein (vgl. Christus V. 4) hinkommen, sind selbst lebendige Steine! Die Logik ist aber nicht eine Folge (‚wenn ihr hinkommt, dann werdet ihr‘), sondern von Gott gesetzte Identität (‚ihr, die ihr hingeht, seid zugleich gemacht worden zu‘). Das konsekutive καί zu Beginn von V. 5, das in 2,21 und in 3,18 markant am Anfang christologischer Erörterungen stehen wird, stellt auch hier die Verbindung her: Wie Christus, so auch (καί) die Hoffenden! Trotz des hier nun wirklich gegebenen Kontexts des ‚Hauses‘ hat „lebendig“ (ζῶντες) den gleichen Hintergrund wie die Auferstehungsreferenz in V. 4: Die Steine sind erkennbar gemacht durch die Tat Gottes an Jesus Christus (V. 5), und das ist die Art, in der sich Christen später (V. 7 ff.) als ‚wirksam‘ 64

Wie der Stein Christus die Christen zu Steinen macht

2,5

beschreiben lernen. Die Aussage in V. 4 ist ohne Vergleichspartikel und in V. 5 mit Vergleichspartikel ὡς konstruiert, und so wird unterstrichen: Weil Christus zum ‚Stein‘ gemacht worden ist, seid auch ihr ‚Steine‘ (vgl. Selwyn, 15: „Their position as stones – is derivate from His.“; vgl. Goppelt, 143). In V. 5 aber wird das Bild so erweitert, dass die Steine nicht nur Gegenstand der Wahl, sondern hier auch Teil eines Gebäudes sind. Es wird nicht ‚mit‘ dem Stein etwas gemacht, sondern es wird – passend zum Plural der Berufenen – ‚aus‘ den Steinen etwas gemacht: Sie werden von Gott aufgebaut (οἰκοδομεῖν stammt aus dem Zitat von LXX-Ps 117,22 in 2,7, inhaltlich dort aber insofern anders, als die Baumeister [οἰκοδομοῦντες, substantiviertes Partizip] Gott ablehnen). οἰκοδομεῖσθε hier Präsens Indikativ (mit Elliott, 412; Achtemeier, 155; Frankemölle, 41.44; zur Übersicht: Forbes, 62); den Hoffenden wird eine Identität und Heimat bei Gott gegeben. Das ist im Briefverlauf hier allerdings (noch) nicht als Gemeinschaftsbildung vorgestellt; erst gegen Briefende bekommt ‚Haus‘ auch die Kontur von sichtbarer Gemeinschaft (vgl. 4,10). Das Haus Gottes ist in V. 5a wohl am besten als existentielle Zugehörigkeit verstanden (so die antike Logik der sozialen Identität im Rahmen der damals identitätsgebenden Sozialgemeinschaft Familie: „Dans la cité antique, l’identité de l’individu lui venait de son enraciment dans une famille“ Lamau, Chrétiens, 103; vgl. Vouga, théologie, 64). Zugleich ist mit dem Begriff ‚Haus‘ die bildlogische Voraussetzung für den schnell folgenden nächsten gedanklichen Schritt gegeben, für den Wechsel zum Bild vom Tempel und seiner Mannschaft. Der Status der Hoffenden wird in V. 5a als Nominativapposition verdeutlicht: Gott hat sie als „geistliches“ Haus erbaut (πνευματικός ist eher Apposition zu ‚lebendige Steine‘, nicht Objekt zu ‚Auferbauen‘). Im 1 Petr lässt sich insgesamt keine einheitliche Pneumatologie aufzeigen, die in 2,4 f. auf eine Beteiligung des heiligen Geistes als eigenes Subjekt an der Identitätsbildung schließen ließe (vgl. aber 1,12: heiliger Geist; zum Fehlen einer Pneumatologie vgl. Martin, Peter, 117; anders Achtemeier, 155 f.: die Anwesenheit von Gottes Geist gehöre fest zur Tempelvorstellung). Da, wo 1 Petr vom ‚Geist‘ spricht, ist durchgängig ‚Präsenz Gottes‘ einzusetzen (vgl. 1,11; 4,14); so auch Schröger, Lasst euch auferbauen, 141: „dieses Haus steht im Kraftfeld des pneuma“. Die Ergänzung ‚geistlich‘ zu ‚Haus‘ meint in V. 5 also, dass die Hoffenden eine Identität durch die Präsenz Gottes haben, die sie unabhängig von den Häusern haben, in denen sie sich sozial vorfinden. Die in 2,1–10 (insbes. 2,4–8) langsam aufgebaute Metapher „Haus aus Steinen“ (vgl. Themeneinführung mit παροικία 1,17) für die geschenkte Existenz der Hoffenden führt der Brief später weiter: Die Fremdheit (2,11) ist offensichtlich extra nicht nur Leben als „Fremde“ (παρεπίδημοι, vgl. bei 2,11), sondern auch als „Hausfremde“ (πάροικοι). Als solche, das bleibt nach 2,11–3,12 unbezweifelbar, können sich aber auch die Haussklaven (vgl. οἰκέται 2,18) nicht aus den vorfindlichen Häusern entfernen. Auch nicht von den übergeordneten Herren, bei den denen man noch an die „Bauherren“ (vgl. οἰκοδομοῦντες 2,7) denken mag. Und auch die nach klassischer Ordnung übergeordneten Männer dürfen das – wörtlich genommene – „zusammenhausen (συνοικεῖν)“ nicht einfach hinwerfen. Um das einzeln und gemeinsam durchstehen zu können, bedarf es einer Geschwisterschaft, in der Gaben wie von einem ‚guten Haushälter‘ (4,10: οἰκονόμος) verwaltet werden sollen. Wenn die Hoffenden das alles – die geschenkte Existenz, das taktische Vorortbleiben in den Häusern und die geschwisterliche Unterstützung – leben, dann werden sie aktiv als Gericht wirken. Nicht umsonst greift 1 Petr dazu in der Spitzenformulierung 4,17

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noch einmal auf den Identitätsbegriff „Haus“ zurück. Wer genau hinhört, wird die ganz am Ende stehende Verheißung eines „Fundiert-gemacht-werdens“ (Anteil von θεμέλιον am Verb θεμελιοῦν 5,10) als „Zuschnüren“ der breit aufgestellten Metapher genießen.

Das in V. 5b auf Tätigkeiten abstellende Bild des Tempels wird in der εἰς-Konstruktion bildlogisch zwar vorausgesetzt, nicht aber selber ausgedeutet (zur Forschungsdiskussion um ‚geistliches Haus‘ als Tempel vgl. Müller, Umgürtet, 158, Anm. 94). Es wird nur ausgeführt, die Hoffenden seien die vor Gott ‚heilige Priesterschaft (ἱεράτευμα ἅγιον)‘. Wie 2,4 auf das Zitat in 2,6 vorgegriffen hatte, so werden hier „heilig“ und „Priesterschaft“ aus dem Zitat in 2,9 nach vorn gezogen. Für die Vorstellung von gemeinsamer Identität ist wichtig, dass ein Kollektivsingular zitiert wird (ἱεράτευμα, z. B. nicht ἱερεῖς; vgl. dazu Müller, Auserwählte, 39). Später wird in 2,9 ergänzend von der „königlichen Priesterschaft“ (βασίλειον ἱεράτευμα) die Rede sein, was aber in den Kontext von 2,5 wohl um der Stringenz der Aussage willen nicht mit übernommen wurde; aus der Formulierung ‚heiliges Volk‘ (ἔθνος ἅγιον, 2,9) lag mit ἅγιος ein bedeutungsvollerer Begriff nahe, der im 1 Petr eine klare Semantik aufweist (vgl. ἅγιος 1,15; 3,15; ἁγιάζω vgl. 1,2: in der Haltung zu Gott gehörig; ähnlich Blinzler, Ierateuma, 55 mit Aspekt des Ausgesondertseins). Mit ihrer Zugehörigkeit ist den Hoffenden direkt eine ‚Dynamik‘ zum – im weitesten Sinne – Tätigwerden mitgegeben (vgl. Prigent, Pierre, 58: Was hier verhandelt wird, ist nicht jedermanns individuelle Stellung vor Gott; Achtemeier, 156: „the point of this verse is not the priestly status of each individual Christian“, womit sich Achtemeier gegen die Verwendung der Stelle zur reformatorischen Begründung der Priesterschaft aller Gläubigen wendet; zur ausführlichen Darstellung dieser überkommenen Auslegungstradition vgl. Elliott, 449–455 und Best, 1 Peter II, 4–10). Das „Herauftragen“ (ἀναφέρειν im Aorist) bezeichnet das Bewegen von Gegenständen und die besondere Tätigkeit der Opferdarbringung im Tempel; die in 2,5 vorgegebene Vorstellung der Hoffenden als Priesterschaft determiniert das Wort hier für das Bild vom Kult. Wie in Hebr 7,27 sind Objekt hier die Opfer. Aber so wie in V. 4 (lebendiger Stein) und in V. 5 (geistliches Haus) bereits längst transformierte Bilder vorlagen, so sind ‚die Opfer‘ hier als ‚geistlich‘ (… πνευματικὰς θυσίας) qualifiziert – gemeint ist also wie oben: ‚unter der Präsenz Gottes‘. „Geistliche Opfer“ meint nicht Gedankenoperationen oder ausschließlich Gebete, sondern Taten und Vollzüge (in diesem Sinne bleibt 1 Petr im Bild des Kults), die dazu dienen, Gottes Handeln an den Menschen zum Ausdruck zu bringen – nicht Handeln an Gott oder für ihn. Das wird in V. 9b als „Verkündigung der Großtaten Gottes“ bezeichnet werden (für diese Verbindung V. 5b zu V. 9 überzeugend Goldstein, Volk, 285): Was ‚hochgetragen‘ wird, sind präzise „the suffering incidental to the Christian life and the duties of meekness and ἀγαθοποιΐα“ (Selwyn, 161; vgl. Goldstein, Gemeinde, 32; Richard, 87; mit weiter kultischer Deutung allerdings Colecchia, Rilievi, 190 ff.; in einer umfassenderen Liste bei Goppelt, 146 auch „das Gewinnen der Menschen durch die Mission“ als Opfer. Eine Beziehung zu Röm 12,1 ist unwahrscheinlich, vgl. Lindemann, Paulus, 255). Die Taten nimmt Gott gern entgegen (vgl. εὐπρόσδεκτος), es ist im Bild vom Kult ein Opfer, das den Forderungen Gottes entspricht; in der Theologie des 1 Petr ist das klar zu verorten. Vgl. 2,15: Das ist der Wille Gottes, dass ihr guthandelnd … ; jener 66

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2,6

Teil des Kults, nach dem das Geopferte aus weltlichen Zusammenhängen herausgenommen ist, widerspricht offenbar petrinischer Theologie. In der Logik des Kults würde die abschließende Ergänzung (διά c. gen.) bedeuten, dass die Annahme um Jesu Christi willen geschieht, weil er die Gottheit umgestimmt oder geändert habe. Im 1 Petr funktioniert die Wendung zwar in kultischer Sprache, aber ohne kultische Logik: Die Hoffenden hoffen, glauben, bitten, verherrlichen um Christi willen (διά, vgl. 1,3.21; 3,21; c.gen. 4,11), also wegen des sie verändernden Ereignisses Jesus Christus, und ihr Handeln kann deshalb als vor Gott wünschenswert vorausgesetzt werden. 6 erscheint dem V. 4 auf den ersten Blick ähnlich (vgl. λίθον ἐκλεκτὸν ἔντιμον). Inhaltlich setzt die in V. 6.7 behandelte Erwählung aber die Ausweitung in V. 5 (Christus und auch die Christen) voraus und steht argumentativ an einer anderen Stelle – wie es geschieht, dass Christus und die Christen zum lebendigen Stein wurden. Am Anfang steht die implizite Zitateinleitung (διότι; vgl. 1,16.24), hier explizit als ‚in der Schrift (γραφή) erfasst‘, weil auf die noch nahe Hermeneutik von 1,10–12 zurückgegriffen werden kann. Das Leben als ‚Stein‘ liegt in Gottes Absicht und ist für die Hoffenden lebbar gemacht worden. Um das auszusagen, zitiert 1 Petr mit einigen Abweichungen Jes 28,16 LXX (zu den Varianten innerhalb der LXX-Handschriften instruktiv Koch, Quotations, 224 f. [Text Ziegler, Isaias, 218]). Im Hintergrund vorstellbar ist eine Form einer „kleinen Testimoniensammlung“, da die Stelle auch in Röm 9,33 verwendet wird (dazu Goppelt, 148); aber es ist unverkennbar, dass ἀκρογωνιαῖον ἐκλεκτὸν ἔντιμον über die Tradition zurückgreifend aus LXX stammt. Die Veränderungen gegenüber dem Jesajatext wurden absichtlich vorgenommen: Weil Gott selber hier als ‚Autor‘ dieses Lebensentwurfs vorgestellt werden soll, würde das noch in V. 4.5 verwendete passivum divinum nicht genügen; 1 Petr greift auf die 1. Pers.Sing. in der Vorlage zurück (τίθημι) und nimmt das ‚siehe‘ (ἰδού) aus Jes 28,16 LXX mit (das dort folgende ἐγώ ist doppelnd zum Verb in 1. Pers.Sing. und wird daher ausgelassen). Das Verb der LXXVorlage „hinwerfen“ (ἐμβάλλειν im Fut.) liegt nicht ganz auf der Linie des absichtsvollen Planens und auch nicht der Baumetaphorik; deshalb steht jetzt bildgerecht „hinstellen“ (τιθέναι im Präsens; möglicherweise bereits in der Vorlage wegen τιθέναι in Röm 9,33, wo ebenfalls θεμέλια und πολυτελή [vgl. geänderte Reihenfolge] ausgelassen sind; dazu Koch, Quotations, 229: „closer to the Hebrew text than the LXX“). Gott hat einen Stein (λίθος) gesetzt – das ist das treibende Argument des Zusammenhangs 2,1–10. Damit ist Gott erstens definiert als Urheber alles folgenden Umgehens mit Christus und den Christen, denn – soviel wissen Leserinnen und Leser inzwischen – er hat auch Christus zum lebendigen Stein gemacht (λίθος V. 4) und damit die menschlichen Reaktionen ausgelöst. Zweitens begründet Gott die Identität aller Hoffenden: Sie sind lebendige Steine. Damit der ‚Stein‘ – also hier in V. 6 Christus und die Christen – im Mittelpunkt steht, hat 1 Petr die Worte des LXX-Texts umgestellt und die Worte ‚Stein‘ und ‚für die Ecke geschaffen‘ sprachlich zueinander gezogen (λίθον ἀκρογωνιαῖον). In der Bildlogik ist es im jetzigen Zusammenhang erheblich (Koch, Quotations, 229: erst durch die Umstellung ist es der „focal point“), dass es sich um den Eckstein handelt, denn dieser bestimmt die Ausmaße, gehört zu den sichtbaren Teilen des Baus und ist so hervortretend, dass man darüber ‚stolpern kann‘ (Selwyn, 163 übersetzt „designed for the corner“; gegen die Position als „Kopfstein“ auch Achte67

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meier, 160 und ausführlich Elliott, 429 f. Siegert, Christus, 143 übersetzt „Schlussstein der Ecke“). Die Ortsangabe ‚in Zion‘ ist aus der Vorlage mit übernommen worden und zeigt den Akt der geschichtlich wirklich gewordenen, aus den Schriften bekannten Erwählungstat Gottes an seinem Volk. Die LXX formuliert ‚zum Grund Zions‘ (εἰς Ζιών), was in der Hausbaumetaphorik durchaus nahe liegen würde; aber möglicherweise um die Bildlogik nicht überzustrapazieren, hat 1 Petr oder die Vorlage (vgl. ebenso Röm 9,33) knapper formuiert: ἐν Ζιών. Die beiden Begriffe ‚auserwählt‘ und ‚wertvoll‘ kommen erst durch die petrinische Umgestaltung der LXX-Vorlage dicht zusammen (ἐκλεκτὸν ἔντιμον) und erscheinen sprachlich so jetzt als zentraler Akt Gottes: Sie sind wertvoll, nicht weil sie irgendeine Identität verliehen bekommen haben, sondern weil ihnen der spezielle, freie Akt Gottes – daher geschenkhaft – zugekommen ist. Es ist bemerkenswert, dass 1 Petr nicht (wie in Röm 9,33 der Fall), bereits an dieser Stelle die Erörterung der Ablehnung gemäß Jes 8,14 in die Argumentation aus Jes 28,16 einfügt, sondern dass in V. 6 vom Abwerten noch nicht die Rede ist. Erst in V. 7–8a.8b–10 wird dann erörtert werden, dass dies zwei unterschiedliche Auswirkungen hat; theologisch ist die Ablehnung Christi und der Christen durch die Menschen für 1 Petr also eine notwendige Folge des „Stein Setzens“ – auch hier hat die Auslegung den schrittweisen Gedankenaufbau zu beachten. Der zweite Teil des Zitats (‚und wer darauf glaubt, der soll nicht zuschanden werden‘) macht klar: Auf einen Lebensentwurf, wie ihn Christus vorgelebt hat und wie ihn die Hoffenden leben, kann man aufbauen. Dem Zitat aus Jes 28,16 unverändert folgend, ergibt sich hier: Ein Verhalten zu dem Stein besteht darin, dass die Hoffenden zu ihm das Verhältnis des Glaubens – πιστεύειν – einnehmen. Dadurch, dass ebenso wie in der Vorlage vom „glauben aufbauend auf“ (ὁ πιστεύων ἐπ’ αὐτῷ) gesprochen wird, bleibt die Rede poetisch innerhalb des Bildes vom Stein (zu ἐπί in Jes 28,16 LXX vgl. Schlosser, Testament, 77; zum Glauben/πίστις s. bei 1,21). Die Zusage Gottes besteht darin, dass die auf Gott Vertrauenden nicht existentiell erschüttert werden (καταισχύνειν im Aor.; Konj. wegen οὐ μή), so ist hier im Bild eines der zentralen Themen des Briefes eingeführt (vgl. „bewahrt“ φρουρουμένους in 1,5; vgl. insbes. 3,13 ff.: Niemand kann euch existentiell schaden). Zuschanden werden im Sinne von 2,6 könnten nur die Heiden – und sie werden es, nahegelegt durch eine starke Wortbeziehung, wegen des guten Wandels der Hoffenden tatsächlich werden (vgl. dasselbe Verb καταισχύνειν in 3,16)! Der Abschnitt 7–10 ist mit οὖν abgesetzt und zieht die „ausdrückliche Folgerung“ (Knopf, 93 über V. 7a; vgl. Huther, 107): Gott hat sich zum Eckstein verhalten (V. 6), nun müssen sich die Menschen zu dem Lebensentwurf Christi und der Seinen verhalten (V. 7–10). Dies geschieht in zwei Durchführungen in V. 7–8a und in V. 8b–10. Der Wechsel zwischen der ersten und der zweiten Folgereflexion ist nach V. 8a und nicht nach V. 8b zu lesen; erstens nimmt der Gedanke nach V. 8a ein erkennbares Ende, und zweitens hält das δέ in V. 9 gerade zwei Untereinheiten zusammen (nämlich V. 8b mit V. 9–10) genauso wie das δέ V. 7a und V. 7b–8a zusammenhält (V. 9 kann nicht einfach V. 6–8 und V. 9–10 miteinander vermitteln; Schlosser, Testament, 75 tritt zwar zunächst für eine Trennung nach V. 8 ein, bemerkt jedoch den Bruch innerhalb von V. 8 und erklärt 68

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2,7b

V. 8b zu einer Glosse; signifikant die Übersetzung Goppelt, 139, die mit V. 9 etwas Neues beginnen lässt und das verbindende δέ unterschlägt). Im Anschluss an V. 8a nimmt sich 1 Petr vielmehr in V. 8b–10 beide Gruppen noch einmal vor; dabei stehen diesmal die Unglaubenden – die, die stolpern – voran (V. 8b), und es folgen, durch δέ entgegengesetzt, längere Ausführungen zu den von Gott Berufenen (V. 9–10). So ergibt sich: Erste Folge (οὖν) von Gottes Berufung gemäß V. 6 sind in V. 7a die Glaubenden, dann in V. 7b–8a (mit δέ) die Unglaubenden. Zweite Folge von Gottes Berufung gemäß V. 6: In V. 8b die Ungehorsamen, dann in V. 9–10 (mit δέ) „ihr“. Die erste Folgereflexion von 7a an erörtert die beiden Personengruppen (Glaubende und Unglaubende) getrennt: In Hinsicht auf ihre Reaktion auf den mit dem ‚Stein‘ zugrundegelegten Lebensentwurf des Christus und der Christen. Es beginnt mit den Vertrauenden in einer kurzen, fast redundanten Zusammenfassung (Selwyn, 164 nimmt dies wahr und zeigt dann, dass der Versteil notwendig ist, um die Kette der Beschreibung der Hoffenden von V. 5 über V. 7a bis zu V. 9 f verständlich zu halten): Weil der Berufene vor Gott wertvoll ist (ἔντιμος V. 6a; vgl. V. 4a), ist er für die Vertrauenden (τοῖς πιστεύουσιν) der leitende Wert (τιμή, Brox, 101; vgl. Giesen, Gemeindeverständnis, 356, der die Wortverbindung von ἔντιμος und τιμή stark macht). Der dem Stein verliehene Wert „is imparted to and shared by the faithfull“ (Selwyn, 164). ‚Der Wert‘ (ἡ τιμή) ist dabei das Subjekt des Satzes, nicht Prädikat. Nimmt man die Struktur des Anfangs vom folgenden V. 7b zur Grundlage, so würde in V. 7a der Dativ τοῖς πιστεύουσιν („für Glaubende“) vor dem grammatischen Subjekt stehen; mit der vorliegenden Nachstellung aber erreicht 1 Petr eine sprachlich scharfe Gegenüberstellung der beiden Perspektiven in der Mitte von V. 7. Die zweite Perspektive ist von 7b an die der Nichtvertrauenden (ἀπιστοῦσιν vom Verb ἀπιστεύειν), jetzt etwas ausführlicher erörtert. Mit dem Subjekt ‚Stein‘ ließe sich innerhalb von V. 7b – obwohl in einem Relativsatz („den die Bauleute entwertet haben“, ὃν ἀπεδοκίμασαν οἱ οἰκοδομοῦντες) näher beschrieben – kein vollständiger Satz bilden. Den in V. 7b verwendeten LXX-Ps 117,22 hat 1 Petr möglicherweise anhand des Schlüsselwortes ‚Stein‘ ausgewählt, falls er nicht schon traditionell mit Jes 28,16 (vgl. Mt 21,42) assoziiert wurde. Und der Akkusativ von ‚Stein‘ wurde in der Vorlage in 2,7b ausdrücklich als Nominativ gestellt (in der LXX-Vorlage – gesperrt durch ein wiederholendes Demonstrativpronomen οὗτος – mit dem Verb ‚zum Kopfstein gemacht‘, ἐγενήθη εἰς κεφαλὴν γωνίας). 1 Petr zitiert nun diese Vorlage LXXPs 117 und ergänzt dazu in V. 8a aus einer anderen Vorlage (Jes 8,14) zwei andere Nominative, so dass in der jetzt vorliegenden Syntax genau diese zu den einzigen Prädikatsnomina der Konstruktion werden. Dadurch ergibt sich ein weit gespannter Nominalsatz (vgl. präzise Prigent, Pierre, 54, dass V. 8a sich wie das scheinbar weiterlaufende Zitat aus LXX-Ps 117 darstelle; anders konstruiert Achtemeier, 161, der den Einschub als Prädikat annimmt, aber dann Mühe hat, das οὗτος zu erklären; ähnlich de Wette, 22: „und zugleich zum Steine des Anstosses“): (V. 7bα: LXX-Ps 117) Subjekt: Für Nichtvertrauende (ist) der Stein, (V. 7bβ: LXX-Ps 117) Relativergänzung: den die Bauleute entwertet haben (V. 7bγ: LXX-Ps 117) Einschub: – dieser ist zum Kopfstein gemacht geworden – (V. 8a: Jes 8,14) Prädikatsnomen: auch (καί) Stein des Anstoßes und Fels des Ärgernisses. 69

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Die so sprachlich elegant verhandelte Frage lautet: Was ist der Stein für die Unglaubenden? Zunächst wird in dem Relativsatz die Tatsache beschrieben, dass die Bauleute ihn verworfen, d. h. als unnütz gewertet und ausgegrenzt haben. Dieses Verhalten ist in der Aufführung der beiden Perspektiven aus V. 4 (ἀποδοκιμάζειν, hier im Aor., dort im Perf.) bereits benannt worden. Für die bildnahe Deutung der Wirklichkeit greift 1 Petr nun auf das Bedeutungsfeld des Hauses (vgl. V. 5) zurück: Allen Leserinnen und Lesern ist präsent, dass es neben dem geistlichen οἶκος der Hoffenden auch diejenigen Häuser gibt, die sich die Menschen als Baumeister gestalten und bewohnen, und in denen sich z. B. einige der Hoffenden als Sklaven verdingen (2,18). In dem Lebensentwurf solcher ‚Baumeister‘ taugt Gottes Bauplan – wie er sich in Christus und in den Hoffenden zeigt – aber nicht nur nichts, sondern er wird, weil ihnen existentiell bedrohlich, von ihnen aktiv zurückgedrängt. Es ist nur konsequent, dass hier ein angestoßenes Israel überhaupt nicht zu den mitreflektierten Gruppen gehört. Alles, was exegetisch dazu beizutragen ist, schon 1901 bei Bigg, 90: „Israel has not been rejected.“ Beschämend und exegetisch falsch beobachtend Windisch bzw. Windisch/Preisker in HNT von 1911 bis 1951: „Die Ungehorsamen 8 sind natürlich die Juden“ (Windisch/ Preisker, 61). Zurückgedrängt werden Christus in das Leiden – und in seinen Tod – und die Hoffenden in soziale Ausgrenzung und Verfolgung im weitesten Sinn, was 2,7b mit „verwerfen“ (ἀποδοκιμάζειν) einprägsam auf den Begriff gebracht ist; dass das Konfliktthema hier im Briefverlauf erst einmal noch fehle (so Hotze, Priesterschaft, 124), ist also falsch. Richtig Frankemölle, 43 mit Anwendung auf 2,13 ff.: „Das Verhältnis zu Jesus Christus als dem ‚lebendigen Stein‘ [entscheidet] nicht nur über das eigene Lebendigsein, vielmehr ist damit ipso facto auch die Situation der Christen ‚in der Fremde‘ gegeben.“ Auch wenn es die Ausgrenzung der zu Gott Gehörenden gab und gibt, setzt sie nun Gottes Botschaft gerade in Gang – und keineswegs außer Betrieb: So der Einschub V. 7bγ ‚dieser ist zum Kopfstein gemacht worden‘ mit dem auffällig stehenden οὗτος am Anfang. Den Stein – dafür steht οὗτος – hat nämlich Gott zum Eckstein gemacht (κεφαλὴ γωνίας; dem Wort fehlt der Begriffsanteil ‚Stein‘, der aus poetischen Gründen schon in LXX-Ps 117 nicht mit ausgeschrieben ist). Es wird hier nicht die gleiche Heilstat redundant noch einmal beschrieben, die in V. 6a mit ‚auserwählter Eckstein (λίθος ἀκρογωνιαῖος)‘ bezeichnet ist, vielmehr liegt die Betonung in V. 7b–8a auf der Tatsache, dass der Lebensentwurf eines Berufenen gerade dadurch, dass er in Konflikt gerät, die beschriebene Zentralstellung im Heil Einzelner und für den Prozess des Gerichtes insgesamt (vgl. insbes. 4,17–19) einnimmt. οὗτος heißt für die Hoffenden: Genau darin, dass die sie umgebenden Heiden sich an diesem Lebensmodell reiben, erweisen sie die grundlegende Bedeutung, die der ‚Stein‘ – d. h. Christus und die Hoffenden – hat! 8a Aus dieser Spannung heraus, dass die Ungläubigen den Stein verwerfen, Gott ihn aber gerade – auch und gerade ihnen gegenüber – in Funktion bringt, erklären sich die Prädikatsnomina in V. 8a, die das syntaktische Gefüge zu einem überzeugenden Abschluss bringen. Das καί in V. 8a hat keine reihende Funktion (es kann kaum den Akkusativ von V. 7 Ende mit den beiden Nominativen in V. 8a reihen), sondern es hat einräumenden Wert (vgl. das einräumende καί in V. 5): Auch die Heiden werden durch die durch Christus und die Christen repräsentierte Botschaft – wenn auch auf 70

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2,8b

dem mühsamen Weg der anfänglichen Ablehnung – in Bewegung gesetzt. Denn der Stein wird für sie wirksame Anomalie, wie Selwyn überzeugend zur Stelle ausführt: „It is not true to say that Christ is everything or nothing […]; for to those who refuse belief He is a constant anomaly, meeting them in unexpected places and challenging their indifference.“ (Selwyn, 164). Dieses Lebensmodell ist deshalb als ‚Stein des Anstoßes‘ (λίθος προσκόμματος) bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein relativ freies Zitat aus Jes 8,14 LXX (zu den Varianten innerhalb der LXX-Handschriften instruktiv Koch, Quotations, 233 ff. [Text Ziegler, Isaias, 152]). Die ergänzende Wendung in Jes 8,14 LXX (οὐχ ὡς λίθου προσκόμματι συναντήσεσθε αὐτῷ οὐδὲ ὡς πέτρας πτώματι). „Fels des Fallens (πέτρα πτώματι)“ ist schon in Röm 9,33 in „Fels des Ärgernisses“ (πέτραν σκανδάλου) geändert (möglicherweise war dies dem Paulus schon durch die Lesart Aquilas vorgegeben). Vielleicht im Wissen darum ändert auch 1 Petr (Lindemann, Paulus, 255; zur geprägten Tradition vgl. auch Schlosser, Testament, 79 f ). Die Bilder haben also sprachlich geschickt von der Thematik der statischen Identität (als ‚Stein‘ und als ‚Haus‘) zur Thematik der in Auseinandersetzung stehenden Offenbarungsfunktion (als Stein, der durch den Konflikt in seine Funktion kommt) weitergeleitet. Beginnend mit 8b geht die zweite Erörterung (V. 8b–10) ein weiteres Mal auf V. 6 ein; wiederum wird die Folge für jene (das Angestoßensein) und für diese (das aktive Verkündigen) zum Thema (allerdings in der Reihenfolge geändert; zum paralellen Einsatz von V. 7a und V. 8b vgl. Knopf, 94): Der erste Teil (V. 8b) ist mit οἵ eingeleitet, das hier einen Relativsatz anzeigt (das spricht nicht gegen einen Wechsel an dieser Stelle, denn auch V. 4–5 hebt als Relativsatz an). Die Beschreibung, wie es in der Folge der Berufungstat Gottes den Unglaubenden ergeht, gestaltet 1 Petr, indem er aus dem Jesajazitat in V. 8a (vgl. πρόσκομμα), das Verb ‚anstoßen‘ (προσκόπτειν) herauszieht. In Röm 14,13 bezeichnet προσκόπτειν und in 2 Kor 6,3 προσκοπή eher moralische Fehler oder Vergehen; in 1 Petr liegt eine solche spezielle Semantik kaum vor, das ‚Sich-Stoßen der Ungehorsamen‘ hat vielmehr das Potential, eine Wende der Identitätsbegründung zu sein. Hier wird die Verkündigung so wieder explizit zum Thema: Denn gemäß 1 Petr scheitern die Heiden langfristig an ihrer Ablehnung der Verkündigung (vgl. V. 6 Christus als Eckstein) und zeigen sich als vom Wort abweichend (λόγος V. 8b; an keiner Stelle in 1 Petr wird eine besondere Logoslehre entwickelt, sondern das Wortspiel 3,1 zeigt, dass hier ‚die Gesamtheit christlicher Mitteilungen‘ gemeint ist). Die Unglaubenden sind nach V. 8b dieser Mitteilung gegenüber verschlossen, also unfügsam (ἀπειθεῖν; in der Übersetzung soll deutlich werden, dass es nicht einfach die Verneinung von „Gehorsam“ [1,2.14.22] darstellt). Eine weitere Einschränkung der unter diesem Kriterium als Gesamtheit erschlossenen „heathen world generally“ (Selwyn, 165) ist ausgeschlossen, denn der Begriff ist in 1 Petr fester Terminus für das Verhältnis der Unglaubenden (vgl. ἀπειθεῖν 3,1.20; 4,17b). Der Begriff Unfügsamkeit ist hier angemessener als ‚Unglaube‘ (vgl. V. 7b), weil er die Tatsache der bereits und unhintergehbar alle ansprechenden Botschaft reflektiert – was auch immer die Menschen aus dem Angesprochensein machen. 1 Petr sieht in der Ablehnung nun nicht einen hinzunehmenden Kollateralschaden, der einfach „passiert“, sondern auch hier liegt Gottes absichtsvolle Tat vor – er hat die Unglaubenden dazu (εἰς ὅ) bestimmt. Es geht in V. 8b–10 um die jeweilige Folge für 71

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

beide Gruppen, und deshalb ist ein einräumendes καί nach der Präposition gesetzt. Das Verb in V. 8b dazu – ‚hinstellen‘ (τιθέναι im Aorist) – ist auch dem in V. 6 zitierten Text entnommen (präziser: dem Zitat, wie es 1 Petr durch die Einwechslung von τιθέναι statt ἐμβάλλειν vorliegt). Um die Parallelität zum folgenden Passiv ‚erwähltes Geschlecht‘ (γένος ἐκλεκτόν, V. 9a) herzustellen, ist das Verb auch in V. 8b als passivum divinum formuliert (ἐτέθησαν). Theologisch wird konsequent gedacht, dass das Stolpern selbst zu Gottes Heilsplan gehört und dass damit auch alles Geschehen – wie die Konflikte mit den Hoffenden, die zum wichtigen Thema werden – dem vorausliegt: „What is set foreordained is the result of disobedience“ (Fagbemi, Identity, 373; vgl. Elliott, 434; umfassender aber z. B. Donelson, 65 f.). In der Gesamtanlage des 1 Petr wird klar werden, dass dieses Stolpern zum langen Weg eines Gewinnens für Gott gehört. Und in diesem Prozess sind die Heiden, wenn sie den ‚Stein‘ ablehnen (vgl. V. 7b und V. 8a), weiterhin unweigerlich eingebunden! Das Hingestelltsein zum ‚Sichstoßen‘ gemäß V. 8b ist selber Teil einer Geschichte des Gewonnen-werdens – so rechnet Elliott, 434 mit dem „transformative impact“ der gut handelnden Christen (vgl. auch Selwyn, 165: It „is not stated here that this rejection is final and irretrievable.“; Brox, 102 übersieht, dass es um das Stolpern und nicht um das Hinstellen geht: Seine Deutung, das Unheil der Anderen sei ein „Element der Stabilisierung des Glaubens“ [ebd.] ist abzulehnen). 9 Das Ergehen der zweiten Personengruppe, der Hoffenden, wird in V. 9–10 wie am Übergang von V. 7a zu V. 7b hier in V. 9 mit δέ entgegengestellt (insoweit ist der Punkt nach V. 8b in N-A27/28 irreführend). Inhaltlich präzise werden die unterschiedlichen Auswirkungen der Erwählung Gottes noch einmal einander gegenübergestellt: Gott macht Stolpern (V. 8b) – Gott macht zum Volk Gottes (V. 9–10). Das Kriterium der Christen, das Glauben, war in V. 6 benannt worden (ὁ πιστεύων ἐπ’ αὐτῷ). Es folgt in V. 9a eine vierfache Zuordnung, die in dieser Kombination ohne Vorlage ist: ‚(1) Ausgewähltes Geschlecht, (2) königliches Priestertum, (3) heiliges Volk, (4) Gemeinschaft zum Eigentum‘. Verbindende καί fehlen, die Näherbestimmung als Adjektiv oder präpositionale Ergänzung ist jeweils nachgestellt (anders: voranstehendes βασίλειος). Wie bei ‚Haus‘ in V. 5 und dann in 2,10 fehlen die Artikel, rhetorisch macht das die Textgestalt zügig, dem Charakter des Abschnittsendes sehr angemessen (zur Übersicht der Verwendungen aus Jes 43; Ex19/23 und Hos vgl. Hotze, Priesterschaft 123 f; Bosetti, proclamazione, 387). (1) Die Hoffenden als ‚erwähltes Geschlecht‘ (γένος ἐκλεκτόν) zu bezeichnen, bringt zwei zentrale Vorstellungen zusammen: In 2,4b war Christus als ‚erwählt‘ vorgestellt worden, was in dem Zitat in V. 6 (ἐκλεκτός) dann auch auf die Hoffenden appliziert worden war. Der atl. Vorstellung, die so durch Gott geschaffene Identität als ‚Geschlecht‘ zu bezeichnen, bedient sich 1 Petr durchaus differenziert (γένος, ἔθνος und λαός). Zur Wortgruppe von γένος gehört auch ‚wiedergebären‘ (ἀναγεννᾶν), das in 1,3.23 den Akt der Erwählung als Neuanfang beschreibt. (2) Die beiden Reden von der ‚Priesterschaft‘ (ἱεράτευμα) und vom ‚Volk‘ (λαός) sind aus LXX-Texten zum Bundesschluss zitiert (Ex 19,6 und Ex 23,22 zitieren einander und beidesmal steht ‚Volk zum Eigentum‘, λαός περιούσιος, voran; die Begriffe ἱεράτευμα und λαός sind in LXX durch καί verbunden, das hier wegen der Reihung aber ausgelassen ist). Dass die Hoffenden als ‚königliche Priesterschaft‘ (βασίλειον 72

Wie der Stein Christus die Christen zu Steinen macht

2,9

ἱεράτευμα) bezeichnet werden, ist deshalb bedeutsam, weil in V. 9b im Weiteren mit ἐξαγγέλειν eine Aufgabe beschrieben wird, die – zwar nicht ganz dem Bild gemäß – im Sinne einer Funktion zu einer solchen Gruppe gehört (gemeint ist eine Funktion, nicht eine besondere Stellung vor Gott, vgl. dazu V. 5). Was genau das Attribut „königlich“ im atl. Kontext bedeutet, ist kaum zu erschließen, denn auch in der Exodus-Vorlage liegt schon Bildrede vor (ntl. nur noch Lk 7,25 für königliche Orte verwendet, man könnte ‚besonders wichtig‘ oder ‚einflussreich‘ erschließen). Wegen der Verwendung in LXX ist das Wort βασίλειον hier als Substantiv in Apposition zu verstehen, deutsch aber als Adjektiv wiederzugeben (die meisten LXX-Belege haben es als Substantiv; Selwyn, 166 nennt dies als Argument für die Deutung als Substantiv. Keinesfalls ist aber mit Elliott, 437 ein völlig selbstständiger Begriff anzunehmen; Achtemeier, 165 und Bosetti, proclamazione, 388 plädieren für die adjektivische Einordnung, mit dem gleichen Ergebnis wie die Deutung als Substantiv. Zur inhaltlichen Unerheblichkeit dieser Entscheidung vgl. Goppelt, 152, Anm. 65. Die Auflösung „body of Kings“ bei Best, 1 Peter II,4–10, 284 verliert die Tat Gottes aus dem Blick. Zum gesamten sprachlichen Problem vgl. Seland, Priesthood, 104 ff.). Im petrinischen Zusammenhang ergibt sich im mittelbaren Kontext eine eigene Dynamik dieser Wortwahl: So wie die Hoffenden als ‚Haus‘ (οἶκος) der Welt ‚Hausfremde‘ (πάροικοι, vgl. παροικία) werden, so drängt sich aufmerksamen Leserinnen und Lesern die Frage auf, wie sich das von Gott verliehene Priestertum mit königlicher Würde (vgl. βασίλειος 2,9) zu dem Anspruch des von den Hoffenden in ihren Städten erlebten Königs dann wohl verhalten wird (βασιλεύς, vgl. 2,13.17)! (3) Gemäß der LXX-Vorlage werden die Hoffenden des Weiteren als ‚heiliges Volk‘ (ἔθνος ἅγιον) bezeichnet. Das besondere Kennzeichen der Berufenen, dass sie nämlich ‚heilig‘ sind, war schon in 2,5 zum Begriff ‚Priesterschaft‘ hinzugesetzt worden. Der Begriff „Volk“ (ἔθνος) steht – noch mehr wohl als „Geschlecht“ (γένος) – für die eigene Identität, in die Gott die Hoffenden versetzt (vgl. ἔθνη in LXX als Terminus für die Ungläubigen), auch hier das Thema 2,11 ff. eröffnend: Wenn die Folge der Berufung ist, dass die Hoffenden vor Gott als ‚Volk‘ bestimmt sind, wie gestaltet sich dann ihr Leben unter den ‚Völkern‘ (vgl. 2,12; 4,3 f )? (4) Die vierte Wendung des ‚Volkes zum Eigentum‘ (λαὸς εἰς περιποίησιν) ist an das Umfeld des Ex-Zitats lose angelehnt (vgl. Ex 19,5 λαὸς περιούσιος; vgl. Ex 23,22). Dies liegt näher als die Wendung im Aorist (Jes 43,21: λαόν μου ὃν περιεποιησάμην). Die Deutung bei Halas, Sens, 257, es sei nicht eine Bewegung zum ‚Eigentum‘, sondern zum „salut“ zu denken, macht kaum mehr Sinn als ‚Eigentum‘ ; der verwendete Begriff wird aber in innertestamentarischen Zitierungen schon in περιποιεῖν / περιποίησις umgeschrieben (vgl. Jes 43,21). Klar ist, dass in der Berufung die Hoffenden in den Besitz Gottes übergegangen sind, dem sie z. B. auch daher einzig die Ehrfurcht entgegenbringen (vgl. φόβος 2,18; 3,2). Theologisch eindeutig spricht V. 9 vom ‚Volk, das in Gottes Besitz gehört‘. Der argumentative Wert hier besteht darin, dass Eigentum etwas Dauerhaftes ist. Das eher einmalige Moment von ‚auserwählt‘ wird durch diese Wortwahl als eine Qualität beschrieben, die Gott den Hoffenden bleibend zuschreibt. Rhetorisch ist der Wechsel von ἔθνος zu λαός auch deshalb sinnvoll, um elegant V. 10a vorzubereiten, der in seiner Begrifflichkeit wiederum von einem Hosea-Zitat abhängig ist und den Begriff λαός thematisiert. 73

1,13–2,10

Zum heiligen Wandel gerufen (Hauptteil I)

Der zu dieser vierten Wendung gehörende Satz lautet: „damit ihr verkündigt die Wunder (dessen), der euch aus Dunkelheit berufen hat zu seinem wunderbaren Licht“. Zum möglichen Amalgam von Begriffen aus Jes 43, vgl. Elliott, 439 ff.; die Formulierung mit ὅπως + Konj. begegnet nur hier, möglicherweise mit Anregung aus dem Kontext des Zitierten; vgl. ὅπως Ex 3,20. Die, die ‚Steine‘ sind, haben eine Aufgabe: Sie stoßen unausweichlich an. Diese Aufgabe wird im Anschluss an die Reihung der Erwählungszusagen nun als Finalsatz explizit gemacht. Damit wird das ‚Anstoß geben‘ der Stein-Symbolik hier nun aus dem Bildbereich herausgeholt und in die Wirklichkeit der Leserinnen und Leser übersetzt! Hier geht es nicht um Gottesrede inmitten der Geschwisterschaft, sondern um ein in 2,11–4,19 beschriebenes diffiziles Zeugnisgeben im Alltag unter den ‚Völkern‘. Als Unterscheidung zu εὐαγγελίζειν steht in 2,9 das an Jes 43,21 orientierte Verb ‚herausmelden‘ (ἐξαγγέλλειν; vgl. auch die Wendung LXX-Ps 9,15 [zur Herkunft vgl. Bosetti, proclamzione, 389]). Um der Klarheit willen wird das Subjekt vom Versanfang im Plural aufgenommen und nicht etwa sprachlich der Singular von Volk weitergeführt. Der Aorist des Verbs verleiht Nachdruck (vgl. z. B. Aorist in 2,2; der zweite ntl. Beleg des Verbs findet sich im sog. sekundären kurzen Markusschluss und ist von Traditionen abhängig). Wenn man das Augenmerk auf die Vorsilbe legt, fällt die doppelte Richtung auf: Die Hoffenden, die von den Völkern weg „herausgerufen“ (ἐκ-λέγομαι) sind, haben die Aufgabe, aus ihrem neuen Stand heraus „human-wards-directed“ kommunikativ zu werden (so eine der von Seland, Priesthood, 116 zur Diskussion gestellte Deutungen; Argumente dafür auch bei Boyley, 1 Peter, 82 f, insbesondere Verweis auf Ps 9,14 f.; mit Balch, Wives, 132–135 schließt sich Seland, Priesthood, 117 f. allerdings schließlich der Deutung an, es gehe hier um ein Rufen zu Gott; diese Deutung wird weniger von der Logik des Abschnitts 2,1–10 geleitet als offenbar von bestimmten Philo-Referenzen). Als Objekt fügt 1 Petr ein weiteres im NT seltenes Wort ein: Sie sollen die ‚guten Taten‘ (ἀρεταί) melden. Die Formulierung τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε ist durch den dem Verb nachgestellten Genitiv τοῦ ἐκ σκότους ὑμᾶς καλέσαντος klar auf Gott gemünzt: Die Hoffenden sollen Anteil geben an ihrem Wissen um Gottes Handeln mit der Welt, nämlich seine Geschichtstaten. Dazu Selwyn, 167: Gerade der Plural 2,9 bezeichne „not only the intrinsic glory of God’s character but also the ‚noble acts‘ (cf. Ps. cl.2) by which He had revealed it throughout history“. Die Formulierung in V. 9 hat also keinen anderen – pädagogischen, ethischen o. ä. – Gehalt, als von der erfolgten und selbst gelebten eigenen Erwählung zu berichten! Das berufene Haus Gottes „est le témoin des hauts faits de Dieu et provoque, par sa destinée même, la conversion de paiens bien intentionnés“ (Cothenet, Portée, 257). Um zu unterstreichen, dass die Hoffenden nicht als eine akzidentielle Aufgabe ‚herausmelden‘, sondern als direkte Reaktion auf Gott, wiederholt 1 Petr diese Tatsache als genitivus subjectivus zu ‚Tugend‘ : Es ist ‚die Tugend des Berufenden‘. Dass das existentiell oder moralisch Abgelehnte als Dunkelheit bezeichnet wird, ist ntl. häufig belegt (σκότος; vgl. zur Zusammenstellung der Licht-SchattenMetaphorik z. B. Mt 4,16; 6,23; Lk 11,35; Apg 26,18; Röm 2,19; 2 Kor 4,6; 6,14; Eph 5,8; zur Symbolik in der Pessach-Liturgie, vgl. Elliott, 440). Die Lichtmetaphorik wird hier unter einer klaren bildlogischen Absicht eingefügt: Das Gegenteil von Licht ist gerade Nichts; das Dunkel ist die überzeugendste Weise, eine nichtexistierende Größe anzugeben. In diesem Sinne war schon in 1,15 das alte Leben nicht als falsch, sondern 74

Wie der Stein Christus die Christen zu Steinen macht

2,10

als leer, d. h. nichtig (μάταιος), bezeichnet worden, und so wird es im folgenden Vers dargelegt (V. 10a ‚Nicht-Volk‘). Wegen der Stilistik ist es am poetischen Ende noch einmal explizit als Gottes Licht bezeichnet. Insoweit hat die Berufung also schöpferische Funktion. Das zusätzliche Adjektiv, dieses Licht sei wunderbar (θαυμαστός) hat hohen poetischen Wert – ohne argumentativ notwendig zu sein (möglicherweise aus LXX-Ps 117,22 f, wo im weiteren Textverlauf die Rede vom Eckstein ist, der vor den Augen der Leserinnen und Leser als θαυμαστός erscheint, vgl. LXX-Ps 117,23b). 10 Der Abschnitt und damit der erste Hauptteil des Briefes endet dann mit einem doppelten Nominalsatz von großer sprachlicher Schönheit: ‚Die [ihr] einst [wart] Nicht-Volk, nun aber Volk Gottes, ohne Erbarmen [gewesen wart], jetzt aber Erbarmen gefunden habt.‘ Da es 1 Petr auf das Zustandekommen einer Identität vor Gott ankommt, bedenkt er hier am Ende dieses ersten langen Gedankenganges das Schema ‚Vorher–nachher‘. Zugleich wird in V. 10 damit die Gruppenunterscheidung aus V. 7– 8a und V. 8b–9 in ein Zeitschema übersetzt: Die Grenze verläuft präzise zwischen der Zeit des Glaubens und der Zeit der Völker – beide in der gegenwärtigen Epoche nebeneinander existent. Das petrinische Schlüsselwort dazu ist die auch in 2,9 vorliegende Zeitangabe ‚jetzt‘ (νῦν). Die poetische Ausformulierung dessen in V. 10b geht auf Hos 1,6 zurück, wo der Prophet vom vorangegangenen ‚Nicht-Erbarmten (οὐκἠλεημένη im Perf.)‘ und kurz danach (Hos 1,9) vom ‚Nicht-Volk‘ (οὐ-λαός) berichtet (um sprachlich an die vorangegangene Aussage anzuknüpfen, Gott habe zum Volk erwählt, stellt 1 Petr die Reihenfolge um). Gott ist schöpferisch, indem er Identität und Heimat schafft. Dieses Berufen geschieht als freie Tat Gottes, explizit gemacht in dem Begriff ‚Erbarmen zeigen‘ (ἐλεεῖν als Partizip im Aorist). Damit hat 1 Petr eine Klammer um die Eulogie und den ersten Hauptteil des Briefes gesetzt, denn ganz am Anfang der Eulogie war in 1,3 gesagt worden, dass das neuschaffende Handeln Gottes (vgl. ἀναγεννᾶν) gemäß seinem großen Erbarmen (vgl. ἔλεος) geschehe – der erste Bogen hat sich geschlossen.

2,11–4,11: Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II) Der zweite Hauptteil legt fest, wie die Berufenen ihr Selbstverständnis als Fremde leben, und auf welche Weise dies die Umgebenden ‚überzeugt‘ (vgl. 2,12b; 2,15; 3,1b–2; 3,16b). Es geht hier nicht darum, die christliche Identität zu erschließen oder gar zu sichern, sondern es geht darum, mit ihr offensiv zu ‚haushalten‘ ! Der Briefteil beginnt mit einer eigenen Anrede ‚Geliebte‘ (2,11), er endet programmatisch und doxologisch (4,11b). Er stellt die Strategie – strukturell ähnlich wie die zwei Durchführungen 1,3–25 und 2,1–10 – in zwei Durchgängen (2,11–3,12; 3,13–4,11) vor.

75

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

2,11–3,12: Unterordnung als Möglichkeit zum ‚gut Handeln‘ (IIa) Am Anfang steht die Programmformulierung (2,11–12), woraufhin dann in der Ordnung von exemplarischen Beziehungskonstellationen ausgeführt wird, wie der Christ und die Christin ihre Identität offensiv leben (2,13–3,9). Dabei beziehen sich einige der letzten Aufforderungen aus 3,8–9 auf die christliche Binnengemeinschaft, wodurch dieses Thema auch hier (vgl. 1,22–25) am Ende angeführt wird. An zentraler Stelle wird innerhalb von 2,13–3,9 durch 2,21–25 deutlich gemacht, dass die Christen auf diese Weise dem Identitätsverständnis Christi entsprechen und ihre Überlegungen am Lebenswandel Christi orientieren (vgl. 2,21). Dieser Durchgang schließt poetisch mit dem Psalmzitat in 3,10–12. Nach den grundsätzlichen Worten in V. 11–12 fällt die Gesamtfunktion von V. 13a für das ganze Gefüge 2,13a–3,12 ins Auge: 2,13a eröffnet eine lange, auch syntaktisch nachweisbare Einheit bis einschließlich der Partizipien in 3,9; wegen der angefügten Zitate bildet die Imperativkonstruktion 2,13a also die interpretative Leitstelle sogar bis einschließlich 3,12. Die Partizipien von ‚Unterordnen‘ in 2,18 und 3,1 (vgl. 3,7.9) funktionieren weder als selbstständige Aufforderungen, noch geht es um einen spezifischen Hebraismus. Dabei wird dann klar, dass z. B. ‚zusammenwohnen‘ (3,7) der für Ehemänner spezifische „Sonderfall“ (Schrage, W., Zur Ethik der neutestamentlichen Haustafeln, NTS 21 [1975] 1–22, 12; vgl. zur Anwendung von 2,13a auf 3,7 auch Evang, Geschöpf, 57; so auch durchgeführt bei Vinson, 154) der Unterordnung ist (συνοικεῖν; vgl. ὁμοίως 3,1.7): Wie die Staatsbürger durch Aufstand ‚von unten‘ den taktisch gewonnenen Freiraum verspielen würden, so die Ehemänner ‚von oben‘ durch Aufkündigung der Hausgemeinschaft (dieser Bezug der Partizipien schon bei Huther, 127; zur Forschungsdiskussion um die Partizipien Daube, Participle, 467 ff. mit der Annahme imperativ. Partizipien, so auch wieder Grudem, 133.150; vgl. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 468,2b [S. 397, Anm. 4.5]; Prasad, Foundations, 130–146; Martin, Metaphor, 90–92; Barrett, Participle, 166 mit Hinweis auf Polyk 4–6). Insgesamt korrekt Gielen, Tradition, 482 f: „Als finite Imperativform, auf die die Partizipien 2,18 und 3,1 bezogen sein könnten, bietet sich ὑποτάγητε πάσῃ ἀνθρωπίνη κτίσει an. Obwohl zugegebener Maßen ein ungewöhnlich weiter Zwischenraum zwischen dem finiten Imperativ und den darauf bezogenen Partizipien besteht, ist andererseits auf die sprachlichen Mittel zu achten, die diesen Zwischenraum zu überbrücken helfen: 1. die semantische Brücke durch Wiederaufnahme desselben Verbs […] 2. der Tempuswechsel vom ingressiven Aorist zum Präsens, sowie 3. die Wahl des semantisch offenen Objekts πάσῃ ἀνθρωπίνῃ κτίσει in 2,13a, das auch δεσπόται und andere aufnehmen kann.“ Hinzuzufügen bleibt lediglich, dass auch 3,7 und 3,8–12 zu dieser Logik gehören. Dadurch ergeben sich in 2,13–17; 2,18–20; 3,1–6; 3,7; 3,8–12 fünf spezifisch geordnete Beispiele, die zwar mit Kol 3,18–4,1 und Eph 5,22–6,9 erkennbare terminologische Ähnlichkeiten und möglicherweise auch als sog. ‚Haustafeln‘ gemeinsame Quellen haben, die aber in 1 Petr argumentativ völlig anders aufgestellt erscheinen (richtig die Einsicht Woyke, J., Die neutestamentlichen Haustafeln. Ein kritischer und konstruktiver Forschungsüberblick [SBS 184], Stuttgart 2000, 39, dass die „Funktion“ dieser Texte zwischen den ntl. Briefen erheblich variiert: vgl. zur Übersicht auch Sel76

Überzeugungsarbeit im Konflikt

2,11

wyn, 419–439). Die für 1 Petr spezifischen Unterschiede, z. B. die fehlende Reziprozität, führen Gielen, Tradition, 318 dazu, überzeugend für 1 Petr auf den Terminus ‚Haustafel‘ ganz zu verzichten. Zu beachten ist für 1 Petr erstens die Nacheinanderordnung gemäß der in den Beziehungen gelebten sozialen ‚Höhenabstände‘ : Der Abstand zwischen den Bewohnern im Staat und dem König ist gewaltig, der zwischen Hausherr und Knecht ist sehr groß, bis zum Sonderfall der ‚Unterordnung für Ehemänner‘, die im historischen Gesellschaftsgefüge über den Ehefrauen standen. So kommt zum Ausdruck, dass die vorgestellte Strategie des „guten Handelns“ keineswegs an eine bestimmte soziale Konstellation – etwa die der Benachteiligten – gebunden ist. Zu beachten ist zweitens die, wie Gielen überzeugend für 1 Petr herausgearbeitet hat, „fehlende Reziprozität der Mahnungen“ (Gielen, Tradition, 369, vgl. Kamlah, ὑποτάσσεσθαι, 237: „der Rahmen einer in sich geschlossenen Lebensgemeinschaft ist hier gesprengt“; unpassend daher die Stellungnahme Prostmeier, Handlungsmodelle, 162 [vgl. aaO. 178.471 ff.], der von der „Reziprozität der Mahnungen und Komplementarität der Rollen-, Funktions- und Kompetenzverteilung“ ausgeht und aaO., 472 betont, im 1 Petr würden „die Wünsche und Rechte der Rollenträger“ miteinander „abgeglichen“ – dies ist wohl nur mit Blick auf Kol 3,18 und Eph 5,22–6,9 zu verstehen). Zum wirkungsvollen Verzicht auf das ‚Ganze‘ bei 1Petr insgesamt Brox, 17 f. So ergibt sich: – Aufforderung an ‚Staatsbürger‘ (2,13b–17), aber keine Aufforderung an Führungspersonen – Aufforderung an Haussklaven (2,18–20), aber keine Aufforderung an Herren – Aufforderung an Frauen von ‚ungehorsamen Ehemännern‘ (3,1–6), aber keine Aufforderung an diese Ehemänner – Aufforderung an Ehemänner mit ‚Verständnis‘ (3,7), aber keine Aufforderung an Frauen der ‚verstehenden‘ Männer – Aufforderung an alle Hoffenden zur Geschwisterliebe und Strategie der Gewaltlosigkeit (3,8–12).

2,11–12: Überzeugungsarbeit im Konflikt 11

Geliebte, ich ermahne [euch], wie Hausfremde und Fremdlinge euch fernzuhalten von den fleischlichen Begierden, die gegen die Seele zu Felde ziehen, 12a eure Lebensführung in den Völkern schön haltend, 12b damit sie, wodurch sie euch wie Schlechttuer verleumden, – aus den schönen Werken erschauend – Gott am Tag des Hinschauens verherrlichen. Nach einer ersten Diskussion in 1,13–17 (vgl. ἀναστροφή) wird das „gut Handeln“ zum zweiten Mal erst wieder in 2,11–12 im Rahmen der Programmformulierung der Handlungsethik festgelegt – hier mit Blick auf die Überzeugungskraft des Handelns, denn es geht zweifach um die Sichtbarkeit des Handelns nach außen. Die eröffnende Anrede 11 markiert den Beginn einer ausführlichen Diskussion, Begründung und detaillierten Ausführung zu richtigem Verhalten (vgl. den rhetori77

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

schen Schluss in 4,11b und die Neuanrede ἀγαπητοί 4,12). Die Anrede ‚Geliebte‘ (ἀγαπητοί; vgl. die typisch petrinische Verwendung von ἀγαπάω 1,22; 2,17 und ἀγάπη 4,8) erinnert hier nicht an eine besondere Zuwendung durch Gott (das wäre die Anrede als Berufene; gleichgesetzt aber z. B. bei Michaels, 115), sondern sie ist Ausdruck der Solidarität aus der Mitte der Geschwisterschaft! Wie ein solches Ermahnen unter Geschwistern geht, wird weniger durch den im Brief unspezifischen Begriff (vgl. nur παρακαλῶ 5,1.12; παράκλησις fehlt) definiert, wohl aber durch die Gestalt des folgenden Textes – mit einem hohen Aufwand von Begründungen (vgl. z. B. ὅτι 2,15; ὅτι καί 2,21) und mit viel Einfühlung in die Nöte der Handelnden. Die Tatsache, dass die Berufenen und Ermahnten als ‚Ecksteine‘ und ‚Stolpersteine‘ nicht mehr unauffällig ihr Dasein fristen können, überrascht nach der Lektüre von 2,1–10 keinen aufmerksamen Leser mehr (vgl. Bosetti, 89: 2,9 bewirkt 2,11). Neu ist, dass sie als ‚Hausfremde‘ (πάροικοι; zu Haus/οἶκος s. bei 2,5) und ‚Fremdlinge‘ bezeichnet werden (παρεπίδημοι; textkritisch unwahrscheinlich, aber theologisch auffällig anders παρεπιδήμους τοῦ κόσμου τούτου in Minuskel 206, 378, 429 u. ö. [ECM IV, 134]; sie sind aber nicht der „Welt“ statisch fremd gegenüber, sondern es geht um einen später mitreflektierten dynamischen Prozeß der Entfremdung, so 4,4 ξενίζειν). Das verwendete Wortfeld ‚Hausfremder‘ (πάροικος) bezeichnet im NT die Stadtfremden von Jerusalem, den Stand Abrahams, den Aufenthalt des Mose in Midian und mehrfach das Exil (vgl. Wortfeld παροικέω, παροικία, πάροικος z. B. Lk 24,18; Apg 7,6.29; 13,17; Eph 2,19; Hebr 11,9). Weder ist dabei aber eine exklusive Festlegung auf das Thema Exil nachzuweisen, noch scheint hier einfach die Ausgangslage von sozial Desintegrierten reflektiert zu sein (vgl. zu Exilsaussagen Elliott, 366–369, festgelegt auf die soziale Bedeutung aaO., 368). Der nähere Deuterahmen ist also nicht textextern auszumachen, sondern die Spitzenformulierung in 2,11 ist zu verstehen als textinterner Rückgriff auf die Vorstellung vom Haus (s. bei 2,5): Weil Gott in der Berufung die Christen als Haus geschaffen hat, sie also mit einer extern gegebenen Identität versehen hat, sind sie in der Fremde (παροικία)! Was hier theologisch formuliert wird, beschreibt also nicht irgendeine vorzufindende besondere soziale Situation und deutet diese auch nicht nur aus oder um, sondern es führt die spezifische Situation erst herbei (zum Diktum der Situationsdeutung vgl. Feldmeier, Seelenheil, 305). Für diese Auslegung spricht erstens, dass sich die zentralen Belege des Wortfeldes (vgl. παρεπίδημος 1,1; παροικία 1,17; παροοίκους καὶ παρεπιδήμους 2,11) für die Leserinnen und Leser im Briefverlauf ‚vor‘ und nicht ‚in‘ den Überlegungen zum Umgang mit der sozialen Wirklichkeit finden, dass also die Berufung Gottes das vorgängige Handeln ist. Zweitens wird in der Konfliktbestimmung 4,1–6 deutlich, dass erst das Ausleben der von Gott gegebenen Existenz – frei formuliert – als sein ‚Haus‘ zum ‚Befremden‘ in den Häusern und damit zum ‚Fremdwerden‘ führt (vgl. bei πάροικος die eigene Bedeutung von ‚Fremder in nächster Nähe‘, der auch der Nachbar sein kann; dazu z. B. Wolff, Christ, 388 und seinen Verweis auf den Begriff μέτοικος). Deshalb ist in der die Situation der Christen zusammenfassenden Formulierung bei Obermann, Land, 284 („Zuhause und doch nicht heimisch“) die Reihenfolge vertauscht.

Die erste Ausformulierung der Forderung, nämlich sich der Begierden zu enthalten (παρακαλῶ … ἀπέχεσθαι τῶν σαρκικῶν ἐπιθυμιῶν), klingt gegenüber der Spezifik von 2,12–4,11 recht allgemein. Klar ist: Es gibt eine neue Existenz als ‚Haus‘ und damit als ‚Hausfremde‘, aber auch eine spürbare Bindungsenergie hin zur alten Existenz (vgl. ἐπιθυμία und die Form des Vorherigen ausführlich in 1,13–16), die durch das Erleben der Konfikte zunächst eher zunehmen mag; dass dies als ein quasi militärischer 78

Überzeugungsarbeit im Konflikt

2,12b

innerer und äußerer Konflikt mit „zu Felde ziehen“ (στρατεύομαι) bezeichnet wird, ist konsequent. Der Infinitiv ἀπέχεσθαι wird in 12a durch eine partizipiale Aufforderung erweitert (vgl. Elliott, 465, Anm. 79; insoweit trennt der Hochpunkt in N-A27/28 Verbundenes). Die Deutung des Partizips bei Achtemeier, 177 als allgemeine Erklärung zum Imperativ bedeutet im Ergebnis das Gleiche. Das Verb steht zwischen den Akkusativen, die zusammen gehören (vgl. 2,16; 3,16): Der Wandel soll ‚schön‘ gehalten werden (τὴν ἀναστροφὴν ὑμῶν ἐν τοῖς ἔθνεσιν ἔχοντες καλήν). Die nominale Konstruktion (ἀναστροφήν mit ἔχειν im Partizip Präsens [zu Lebensführung/ἀναστροφή s. bei 1,15] statt mit dem Verb ἀναστρέφειν vgl. 1,17) hat den Vorteil, dass auf diese Weise syntaktisch ausführliche Ergänzungen anzubringen sind. In der Stellung auffällig nach vorn gezogen ist der in 1,15 eingeführte Begriff ‚Lebensführung‘ bzw. ‚Wandel‘ (ἀναστροφή). Die Identität aus Gott kann also nicht als zurückgezogene Bekenntnis- oder Gemeinschaftsbildung vollzogen werden; im vorliegenden Kontext liegt der Blick vielmehr auf sichtbarer Qualität: Das Handeln vollzieht sich im Angesicht der Völker (ἔθνος/ἔθνη bezeichnet in der LXX die Ungläubigen, in diesem Sinne hier mit zu verändernden Überzeugungen [vgl. ἔθνη 4,3], auch als ‚Ungehorsame‘ bezeichnet [vgl. ἀπειθεῖν 3,1; 4,17]). Mit Hilfe dieses Begriffs weist 1 Petr unübersehbar auf die besondere Identität der Hoffenden hin, die nach 2,9–10 gerade von Gott zu ‚dem Volk, Stamm und Geschlecht‘ gemacht worden sind (ἔθνος, λαός, γένος; vgl. diesen Bezug auf 2,9 ausdrücklich bei Brandt, Wandel, 11). Erkennbar also die theologische Interpretation durch Begriffswahl: Die Hoffenden haben es nicht mit einer ihnen schon irgendwie vorliegenden ‚Welt der Völker‘ zu tun, sondern die Hoffenden eröffnen mit ihrem Handeln eine Situation, in der erst ihr Volksein das Gegenüber als Völker erscheinen lässt. Weil es um die sichtbare Seite der Identität geht, liegt hier dann nicht die z. B. mögliche Qualifizierung ‚gut‘ vor (vgl. z. B. ἀγαθός 3,16), sondern in V. 12 begegnet zweimal das seltene „schön“ (καλός; anders 4,10). Haltungen an sich kann man nicht sehen, insoweit können sie ‚gut‘, aber nicht ‚schön‘ sein, aber Handlungen werden als solche gesehen: „the adjective used here, because it implies that the conduct in question not only is good, but also appears so“ (Selwyn, 170, vgl. Richard, 105 f; Selwyn überlegt, ob das in einer Gesellschaft, die besonderes Augenmerk auf das Äußere der Handlung legt, besonders wichtig sei; ähnlich Achtemeier, 177 gegen Balchs These der Inkulturation). Der Begrifflichkeit des Schönen liegt also die Annahme zu Grunde, dass auch Heiden solches Handeln anerkennen und es – durchaus nicht konfliktfrei – als „aesthetically attractive“ (Elliott, 466) empfinden können. Klar ist aber, dass dieses Handeln nicht aufgrund irgendeiner um des Schönseins willen zusätzlich beigelegten äußeren Form anziehend ist, sondern dass es seine Anziehungskraft ausbildet, weil die Hoffenden ihre von Gott gegebene Freiheit leben (so klar Brandt, Wandel, 12). Insgesamt bestimmt die Formulierung in 2,12a – anders als noch in 1,13– 16 – nun den Ort des „gut Handelns“, nämlich angesichts der Heiden, und sie legt fest, dass das „gut Handeln“ damit Teil einer umfassenden Überzeugungsarbeit zu sein hat. Deshalb gilt gemäß dem Finalsatz 12b: Das Handeln der Christen hat sein Ziel darin, dass die Völker Gott verherrlichen (δοξάζειν im Aorist, vgl. 1,8; 4,11.16). Dem Prädikat und seiner Verbindung zu ‚Herrlichkeit‘ als umfassende Präsenz Gottes (vgl. δόξα) ist zu entnehmen, dass die Heiden durch die Überzeugungsarbeit der 79

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

Christen dahin gebracht werden, Gott in seinem Anspruch anzuerkennen; die Überzeugungsarbeit dient also keineswegs der Verbesserung der eigenen Lage der Hoffenden, sondern sie hat die Anerkennung Gottes durch die Heiden zum Ziel (so Elliott, 470). Innerhalb der laufenden Epoche ist „Verherrlichen“ also der je individuell gelingende „Gesinnungswechsel“ (Huther/Kühl, 148) zur Einsicht in Gottes Geschenk der Identität (vgl. in diesem Sinne 2,15 das Ende des Unwissens; 3,1 das Gewinnen der Ehemänner und 3,16b das Zuschandenwerden). Zur näheren Angabe ist aus Jes 10,3 der Hinweis dazu gestellt: ‚Am Tag des Hinsehens‘ (ἐν ἡμέρᾳ ἐπισκοπῆς; dieser Textkontext des Propheten war möglicherweise vor Augen, weil schon in 2,8 aus Jes 8 zitiert wurde; vgl. ähnlich Lk 19,44). Im Kontext von Jesaja geht es, ebenso wie hier, um den umfassenden Anspruch Gottes über die Welt: Zu niemandem können die Ungerechten fliehen, und nirgendwo können sie ihren Reichtum verstecken (vgl. Jes 10,3). Diese Bedeutung begegnet später auch in 2,25 in der Rede von Gott als „Aufseher“ (ἐπίσκοπος). Unübersehbar hier eine Vorstellung von „Gericht“, in diesem Brief aber als das sich ereignende Phänomen an der Grenze der individuell unterschiedlich gelebten Zeiten (vgl. die Bedeutung von κρίνω als dauerhafter Anspruch Gottes 1,17; 2,23; 4,5.6; vgl. κρίμα 4,17). Deshalb stellt die Deutung des ‚Tages des Hinschauens‘ als Gericht keine Konkurrenz zum Verständnis des Verherrlichens als individuelle Bekehrung dar: Die individuelle Bekehrung ist das Gericht (vgl. die Deutung als individuelle Bekehrung bei Spicq, 99; Giesen, Lebenszeugnis, 129; Lippert, P., Leben als Zeugnis. Die werbende Kraft christlicher Lebensführung nach dem Kirchenverständnis neutestamentlicher Briefe [SBB 4], Stuttgart 1968, 72 und auch schon Burger, 166). Die Alternative (Gielen, Tradition, 391) zwischen ‚Gericht‘ und ‚Gnadentag‘ ist daher falsch gestellt (vgl. aber Selwyn, 171, der diese Wendung im Rahmen seiner Vorstellung der „realized eschatology“ versteht; der von Schückler, Wandel, 293 betonte Unterschied zwischen dem Erkennen der guten Werke in der Gegenwart und dem „Verstehen der guten Werke als auf Gott hinweisende Zeichen“ in der kommenden Parusie erklärt wenig). Verhandelt wird also nicht ein gegenüber den Erfolgen des Gewinnens der Mitbürger irgendwie abzuhebender weiterer Schritt, sondern wir beobachten die detailgenaue Reflexion der alltäglichen Erfolge. Darauf weist die Beziehung des Sehens in der Partizipialergänzung hin: Die Heiden schauen auf das Handeln der Hoffenden (ἐποπτεύοντες, vgl. 3,2; terminus technicus des Eindrucks durch das Miterleben, so Neugebauer, Deutung, 84 der von der „Wahrnehmbarkeit und Wirksamkeit“ des christlichen Handelns spricht; ἐπόπται auch in 2 Petr 1,16 allerdings mit gänzlich anderer Eschatologie). Mit Vorgriff auf spätere Argumentationen: Es ist soziologisch klar, dass die Christen, weil sie gerade nicht den für sie vorfindlichen Ort – z. B. das Haus – verlassen, in ihrem Handeln wirksam wahrgenommen werden (vgl. 4,1–6). Theologisch verstehen das die „Dissidenten“ (vgl. dazu den Exkurs bei 2,17) nicht als gegebene Tatsache, sondern als Aufgabe von Gott, der den Geist seiner Herrlichkeit in der gegenwärtigen Epoche auf ihnen ruhen lässt (vgl. Auslegung 4,14b). Die Wirkung dessen ist nicht, dass sich die Beziehung zu den Hoffenden langfristig ändert – so als ob es hier um die Veränderung der Beziehung zweier Gruppen ginge –, sondern die Wirkung ist, dass die Hoffnungslosen wegen ihres Sehens Gott als den alle Anschauenden (vgl. ἐπισκοπή 2,12; ἐπίσκοπος 2,25) erfahren; mit dem angesehenen Objekt der 80

Überzeugungsarbeit im Konflikt

2,12b

schönen Werke (vorausgesetzt, dass ἐκ zu ἐποπτεύω gehört und nicht zu δοξάζω; vgl. so Goppelt, 160, Anm. 18); weil es an dieser Stelle um die sichtbare Seite der Identität geht, ist von ‚schönen‘ ἔργα die Rede (so z. B. Schelkle, 71; vgl. 2,15 ‚Guthandeln‘, in 3,2 ‚heiliger Wandel‘ und 3,16b ‚gutes Gewissen‘). Vor dem Finalsatz war in V. 12a ‚der schöne Wandel‘ als Mittel angegeben, im Finalsatz V. 12b schauen die Heiden auf die ‚schönen Werke‘. Es gibt ganz klar eine Differenzierung des Prozesses: „Gut Handeln“ muss am Anfang des Konflikts stehen (vgl. V. 12a) und sich im Konflikt als beharrlich (vgl. V. 12b) – weil nur von der Haltung der Berufenen geleitet – erweisen. Nur in der Beharrlichkeit ist es möglich – auch im Sinne von Mt 5,16 – für die Geschenktheit der Identität durchsichtig zu sein: „the point is […] to call the attention of unbelievers to the divine origin of the Christian activity“ (Achtemeier, 177, Anm. 71; er formuliert zu dieser Stelle: „the author adopts a tactic“ [aaO., 177], womit bei Unterscheidung von Strategie und Taktik eher eine Strategie gegeben wäre). Erst vor dem Hintergrund dieser Differenzierung ist der Relativsatz am Anfang der Finalkonstruktion zu verstehen, der einen weiteren Zwischenschritt im Vorgang des Gewinnens herauszuarbeiten scheint: Das „gut Handeln“ ist das, ‚mit was sie euch wie Schlechttuer verleumden‘ (vgl. καταλαλεῖν in 3,16b, dort mit Überlegungen zum Gewinnen der Anderen; zur Überzeugungsstrategie insgesamt s. bei 3,16b). Das überzeugende Mittel ist zugleich das Mittel, das den Widerstand hervorbringt – wie Brox formuliert: „Einerseits stößt das christliche Verhalten als solches auf Widerspruch und ‚Verleumdung‘, andererseits wirkt es positiv und attraktiv.“ (Brox, 113 f.; in diesem Sinne Spicq, 99: „double effect“). Dazu hat Prostmeier mit seinen handlungstheoretischen Überlegungen überzeugend herausgestellt, dass diese Art des ‚Sich–Stoßens‘ im Prozess der Mission ein erster Schritt in die Einsicht der Identität der Hoffenden ist, denn die Verleumdungen beziehen sich „in V. 12 nicht auf bestimmte Verhaltensweisen oder eine Sequenz von Handlungen, sondern primär auf die sich in diesem Tun dokumentierende aussergesellschaftliche Sinnwirklichkeit“ (Prostmeier, Handlungsmodelle, 390; zu seinen handlungstheoretischen Überlegungen in Anschluss an Luckmann vgl. aaO., 365–384). Der sich also an der Identität entzündende Konflikt ist als Umweg festzuhalten, der das „gut Handeln“ zu einem das Gegenüber verwandelnden Handeln macht! Die darin zum Ausdruck kommende Logik war aber längst im Briefverlauf eingeführt worden: Die Hoffenden werden zum verändernden Stein des Anstoßes, weil sie verworfen werden (vgl. 2,1–10; Verbindung von V. 12b zu 2,1–10 auch ausdrücklich bei Brox, 115).

2,13–17: Taktische Unterordnung und Veränderungsgelegenheit 13a

Ordnet euch jedem menschlichen Geschöpf wegen des Herrn unter, 13b sei es dem König als Übergeordnetem 14 sei es den Statthaltern als von ihm Geschickten zur Bestrafung der Übeltäter aber [auch zum] Lob der Guthandelnden, 15 weil so der Wille Gottes ist: Bringt guthandelnd das Unverstehen der törichten Menschen zum Verstummen; 16 Wie Freie: Auch nicht als ob ihr eine Decke des Schlechten als Freiheit hättet, sondern als Knechte Gottes. 17 Schätzt alle, liebt die Bruderschaft, fürchtet den Gott, schätzt den König. 81

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

Über den markanten Satzanfang in 13a, der von modernen, mit gutem Recht freiheitsund autonomiebewussten Leserinnen und Lesern möglicherweise zunächst als anstößig empfunden wird (ὑποτάγητε πάσῃ ἀνθρωπίνῃ κτίσει), lässt sich ein klares Bild gewinnen: Der Imperativ ‚Ordnet euch unter‘ (ὑποτάγητε Aorist, zur medialen Verbform vgl. Dubis, 64 f.) verhandelt nicht mehr und nicht weniger als die taktische Festlegung, wo der Ort ist, an dem Christen mit ihrer Werthaltung erkennbar werden möchten. Verhandelt wird also die Entscheidung des Hoffenden, z. B. die Wundertaten (vgl. ἀρετή in 2,9) und die eigene Hoffnung (vgl. ἐλπίς in 3,15), aber auch die existentielle Leere (vgl. 1,18; 2,25) in den in 2,13–3,12 vorausgesetzten zwischenmenschlichen Begegnungen zum Gehalt dieser Begegnungen zu machen, also die Aufstellung (vgl. den Wortanteil τάξις in ὑποτάσσω), in der die Hoffenden jeweils ihrem Gegenüber begegnen. Feldmeier, Christen, 163 spricht von der „Strategie eines bewußten Annehmens und positiven Gestaltens der Ohnmacht“; dies meint in der hier verwendeten Terminologie ‚Taktik‘ und muss im Gehalt weiter differenziert werden (insbesondere was Feldmeiers Annahmen zu angeblicher Ohnmacht betrifft). Die taktische Festlegung hat also berechnende Funktion: Durch Unterordnung einen Freiraum zum Wirksamwerden der Strategie des „gut Handelns“ zu schaffen (vgl. Neugebauer, Deutung, 84; vgl. Vouga/Stiewe, Evangelium, 157, der Christ gewinne „in der Unterordnung den Raum, Gutes zu tun“; die Unterordnung sei „zunächst nicht Schranke, sondern Chance, Gutes zu tun“ [ebd.]; Goldstein, Paränesen, 96 zu 2,13: „Die politische Unterordnung wird zum Instrument“; Achtemeier, 211: Unterordnung ist „a matter of expediency“; umfassend Brandt, Christ, 339: „Das Interesse des 1 Petr. ist also nicht darauf ausgerichtet, bestehende Ordnungen zu sanktionieren – über ihren Ursprung wird […] garnicht reflektiert –, sondern zur täglichen Bewährung des christlichen Glaubens in diesen Ordnungen aufzurufen, und zwar zu einer Bewährung, die missionarischen Charakter hat.“). Sprachlich ist das klar dadurch gekennzeichnet, dass gemäß V. 13a die Christen das ‚Unterordnen‘ (ὑποτάσσειν) anwenden, dass sie aber gerade nicht den aus reziproker Dankbarkeit entstammenden existentialen Gehorsam anbieten (hier wird weder ὑπακούω noch ὑπακοή gebraucht, vgl. 1,2.14.22; 3,6)! Und schon gar nicht bringen sie dem jeweiligen Gegenüber Ehrerbietung im Sinne von Macht über das eigene Sein entgegen (nicht φόβος und kein φοβεῖσθαι; vgl. 1,17; 2,17; 3,6.14.16; so auch 2,18 und 3,2)! Weiterhin fordert die Charakterisierung des Gegenübers als „jede menschliche Schöpfung“ (πάσῃ ἀνθρωπίνῃ κτίσει) von den Hoffenden, dass sie das jeweilige Gegenüber als ‚Geschöpf Mensch‘ wahrnehmen. Das wird in zwei Richtungen wirksam: Erstens sind die Menschen in V. 13b.14 Geschaffene (κτίσις) und selbst keine Schöpfer – das ist nur Gott (vgl. an augenfälliger Stelle κτίστης 4,19; aber für Begriff ohne Gottesbezug z. B. Grudem, 126). Dieser Schöpfungsbegriff ist also eine radikale und weitreichende „Relativierung“ (Philipps, Kirche, 33), bzw. „Entmythologisierung“ (Goldstein, Paränesen, 103; ähnlich Elliott, 489: „With this expression, imperial power is subtly but decisivly demystified, desacralized and relativized.“; Schlosser, 155: „le refus […] de voir en l’empereur autre chose qu’un homme“). Wer also behauptet, in 1 Petr werde schöpfungstheologisch die Ordnung stabilisiert, verkennt völllig den Satz, der in jede Hierarchie bis heute wie eine Nadelspitze sticht: „Die Oberen gehören auf die Seite der Menschen“ (Neugebauer, Deutung, 85; vgl. die „kritische Funktion“ bei 82

Taktische Unterordnung und Veränderungsgelegenheit

2,13b–14

Evang, Geschöpf, 61; die Übersetzung „jedermann“ bei Delling, Existenz, 110 greift zu kurz; zur Differenzierung des Anspruches röm. Kaiserideologie vgl. aber Williams, Divinity, 136–140). Das ist daher die Bedeutungsebene der Wendung, die Unterordnung geschehe ‚wegen des Herrn‘ (διὰ τὸν κύριον): Es soll der falsche Eindruck vermieden werden, der den politischen Instanzen eigene Machtanspruch sei die Begründung für die Unterordnung. Aber weil diejenigen, die den Hoffenden begegnen, Geschöpfe Gottes sind, werden sie nicht nur relativiert, sondern sie haben zweitens auch einen Anspruch, allerdings einen anderen als den, auf ihre Macht drängen zu dürfen. Sie haben Anspruch darauf ‚heimzufinden‘, d. h. aus dem Nichts und der Orientierungslosigkeit (vgl. 1,18; 2,25) herauszufinden. Ganz konkret bedeutet also ihr Geschöpfsein, dass sie – wenn auch durch Konflikte hindurch – ansprechbar sind für die Botschaft der gegebenen Identität. Damit begründet sich der Entschluss der Christinnen und Christen, den Weg der Unterordnung zu gehen: Wenn der Hoffende den vorfindlichen sozialen Ort verlassen würde, nähme er seinem Gegenüber dessen Anspruch als Geschöpf verändert zu werden! Es ist das Verdienst Evangs, in diesem Sinne herausgearbeitet zu haben: „Indem man sich jedem menschlichen Geschöpf um des Herrn willen unterstellt […], vollzieht man das durch kein Nein zu verdrängendes Ja Gottes gegenüber allen Menschen nach.“ (Evang, Geschöpf, 67; der zutreffenden Bemerkung bei Reicke, Spirits, 134 zufolge lebt das radikale πάσῃ 2,13a von der christologischen Argumentation in 3,18–22: Christus hat sich verkündigend jedem, sogar den Extremfällen der Schöpfung zugewandt – so wie die Hoffenden unter Nutzung der Taktik der Unterordnung sich selbst den üblen Königen und perversen Sklavenbesitzern als Geschöpf Mensch zuwenden). Schließlich ist klar, dass – trotz des Wortanteils τάξις – die Hoffenden in ihrem Gegenüber nicht Ordnungen oder soziale Institutionen sehen, sondern dass sie, so wie sie selber individuell als ‚Steine‘ berufen wurden (2,5.6), einzelne Subjekte sind, die als solche zu gewinnen sind (so auch Légasse, Soumission, 380 und Margot, 46). Auf diese Weise realisiert sich, dass sie Geschöpfe sind, wie Schrage gegen alle Auslegungen betont, die von „Ordnungen“ sprechen: „κτίσις heißt nirgendwo sonst ‚Ordnung‘, weder in der Profangräzität noch in der LXX. Da das Wort außerdem in V. 13 f. und 17 durch personale Begriffe aufgenommen wird und auch in V. 18a; 3,1 und 5,5 jeweils eine personale Fassung der Unterordnung im Blick ist (vgl. auch das πάσῃ), liegt die schon in der syrischen und einem Teil der lateinischen Versionen vorliegende Übersetzung Geschöpf durchaus näher“ (Schrage, W., Die Christen und der Staat nach dem Neuen Testament, Güterloh 1971, 66 Anm. 145). Dass es um einzelne Individuen geht, ist bereits in den ersten Konkretionen 13b–14 umgesetzt, wo mit „König“ und „Statthaltern“ nicht Institutionen, sondern Personen genannt werden (so auch Teichert, crux interpretum, 304; vgl. Richard, 111). Das liegt daran, dass Ordnungen nicht für ein Existenzverständnis im petrinischen Sinne gewonnen werden können (diese Erkenntnis steuert insbesondere Gielen, Tradition, 544 bei). Die öffentlichen Funktionsträger sind durch Nennung des Königs (βασιλεύς; vgl. ohne Artikel Mt 10,18) und des Statthalters (ἡγεμών) rhetorisch also partes pro toto genannt (vgl. Zusammenstellung auch Mt 10,18; Mk 13,9; Lk 21,12; Apg 26,30). Durch die typisch petrinischen Wie-Zusätze (ὡς) wird das gesamte Personengefüge aufgerufen: Von der Spitze (vgl. ὑπερέχω) bis in alle Ausformungen des Gesandtseins 83

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

gilt ihnen die Taktik der Unterordnung durch die Hoffenden (beide ὡς auf gleicher Ebene und daher nicht: das erste einen Anspruch über Hoffende [‚den Hoffenden übergeordnet‘] und das zweite dann innerhalb der Institution [‚König sendet Statthalter‘]. Machtkritik schon bloß wegen ὡς [so Donelson, 72] nicht nachweisbar). So ist vom petrinischen Kontext her klar, aber kaum von Röm 13,1 her erschließbar: Man soll sich den übergeordneten (ὑπερέχειν) Mächten unterordnen (ὑποτάσσειν). Diese rhetorische Figur wäre gestört, wenn man fälschlicherweise ‚durch ihn gesandt‘ (δι’ αὐτοῦ πεμπομένοις) als ‚durch Gott gesandt‘ verstehen würde (vgl. aber noch Calvin, CR 83, Sp. 244 f. und wieder Grudem, 127), obwohl ‚Gott‘ das syntaktisch ferner liegende Subjekt ist. Wozu alle untergeordneten Personen des staatlichen Gefüge berechtigt sind, fügt sich in die vorliegende Deutung des Unterordnens: Sie bestrafen (ἐκδίκησις nur 2,14; ἐκδικεῖν fehlt) schlechtes Handeln, und sie loben (ἔπαινον, vgl. 1,7 in anderem theologischen Zusammenhang die Reihung ἔπαινον, δόξα, τιμή) – sie machen also mit ihrem ‚System‘ öffentlich – das Guthandeln der Hoffenden. Wer sich darum bemühen würde, ein dazu konkurrierendes System des öffentlichen Lobes aufzubauen, verließe die Taktik der Unterordnung – und man verlöre einen starken Partner im System der „dissidenten Logik“ (der nichts davon merkt, Partner zu sein; zu Dissidenz s. bei 2,16). Die Hoffenden nutzen die Funktionsträger also subversiv für ihre Zwecke, indem sie ihnen die Aufgabe der ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ überlassen. Das an dem taktisch zu haltenden, vorgegebenen Ort zu leistende „gut Handeln“ wird in 15a durch das Missionsziel final begründet. Die Funktion des ὅτι-Satzes V. 15 ist die Begründung des vorher Gesagten, und auch das οὕτως bezieht sich auf das vorher Benannte (vgl. 3,5). Die Begründung nimmt nur auf „guthandelnd“ (ἀγαθοποιόν) am Ende von V. 14 Bezug, weil im 1 Petr durchgängig direkt (vgl. θέλημα 3,17; 4,19) oder zumindest indirekt (4,2) auf das „gut Handeln“ bezogen wird. Gottes Wille ist die Zuwendung zu den Heiden durch „gut Handeln“, der Infinitivsatz ‚Unverstehen zum Schweigen bringen‘ (φιμοῦν τὴν τῶν ἀφρόνων ἀνθρώπων ἀγνωσίαν) ist Apposition zu ‚Wille‘ (τὸ θέλημα τοῦ θεοῦ). In 15b ist der aus V. 12b bekannte Gedankengang von der Aktivität der Christen her ausgeführt (dort ist der Schwerpunkt die Sichtbarkeit; zur Überzeugungsstrategie insgesamt s. bei 3,16b). Erstens handeln die Christen gut (ἀγαθοποιεῖν, dem Bezug auf 2,14 geschuldet; Partizip Akk als implizites Subjekt zu φιμοῦν; zum „gut Handeln“ / ἀγαθοποιΐα s. bei 4,19). Damit ist das bezeichnet, was in V. 12a als schöner Wandel vor dem Finalsatz steht. Der Umweg über den Konflikt – wie dort – ist in V. 15 aber nicht noch einmal mit reflektiert. Und die Veränderung der Menschen ist wie in V. 12b nicht eine Veränderung von deren äußerem Lebenswandel – diesbezüglich ließe sich relativ weitgehend Kongruenz herstellen –, sondern die zu gewinnenden Menschen verlassen gemäß V. 15 ihre existentiale Unkenntnis (ἀγνωσία). Diese Aussage hat zuerst sicherlich auch die engere Bedeutung, dass in dem Verhalten des „gut Handelns“ die Verdächtigungen über die Hoffenden aufhören, diese wären im schlechten Sinne ordnungsfeindlich; aber sie hat vor allem auch den weiteren Sinn, dass die Menschen Gottes Bestimmung über der Welt erkennen. Dieses Wissen zeichnet im 1 Petr den Stand der Hoffenden aus, Unwissen macht ihre Vergangenheit aus (ἄγνοια 1,14), die Christologie vermittelt sich als Wissen um die Erwählung (οἶδα 1,18), die Einsicht 84

Taktische Unterordnung und Veränderungsgelegenheit

2,15b

macht Christus ähnlich (ἔννοια 4,1) und die Haltung zu Gott ist ein Mitwissen (συνείδησις; vgl. 2,19; 3.16.19) um Gottes Willen für die Welt (das Argument des Bezuges von ἀγνωσία 2,15 zur ἄγνοια 1,14 auch stark auch bei Giesen, Lebenszeugnis, 141; die Theorie von Balch, Wives, 86–88, 2,15 spreche von der Konfliktfreiheit durch Anpassung an die Umgebung, ist schon allein durch die Bedeutung des zur-EinsichtKommens in 2,15 nicht haltbar). Es handelt sich um den individuellen missionarischen Moment, der in V. 12 als ‚Gott verherrlichen‘ (δοξάσωσιν τὸν θεόν) bezeichnet worden ist: „Wird die ἀνγωσία zum Verstummen gebracht, ist die Zeit des heidnischen Lebens zu Ende“ (Gielen, Tradition, 414, Anm. 404). Die weitere Ergänzung in V. 15b, das Unverständnis sei das der unverständigen Menschen, ist semantisch retardierend – wie Eph 5,17 zeigt. Die Ergänzung ist aber rhetorisch notwendig, weil so unzweifelhaft abgesichert wird, dass es hier um einen Erkenntniswechsel der Heiden geht, nicht um einen Erkenntniswechsel innerhalb der Hoffenden. Brillant herausgearbeitet ist die Wiederherstellung der Handlungsinitiative der Hoffenden: Sie geht durch den Begriff „Guthandeln“ am Ende von V. 14 von den Menschen der Institutionen (Bestrafung und Lob) zu den Hoffenden über. Deshalb sind sie es, die gemäß V. 15 eine so starke Veränderung bewirken können, dass sie ‚verstummt‘ machen (vgl. für das zunächst scheinbar machtlose Handeln der Hoffenden φιμοῦν [Inf. epexegeticum]; das Verb φιμοῦν zeugt im Gruppenkonflikt Jesu [Mt 22,34: gegen die Sadduzäer] und gegen Lebensbedrohungen [Mk 1,25par: gegen böser Geist; 4,39: gegen den Seesturm] von großer Macht). Im Hintergrund scheint eine Schlüsselerfahrung christlichen Engagements in konflikthafter Umgebung zu stehen: Die berufenen Christen haben mit den Mitteln ihres christlichen, dissidenten Lebens große Macht – ohne im Sinne der Welt mächtig zu sein (vgl. 5,6). Die Erklärung in 16 exemplifiziert das „gut Handeln“, wie es sich unter der taktischen Entscheidung der Unterordnung darstellt (die Partizipien gehören zu V. 15 und nicht, wie Giesen, Lebenszeugnis, 141 f meint, im Vorgriff zu den Imperativen 2,17, weil ὡς in 1 Petr nachgestellt sein kann, vgl. 3,7; 4,10.11.15; 5,2 f.; große syntaktische Nähe zum Partizip V. 15 und die Begriffsverknüpfung zum Begriff „Guthandeln“ V. 14b [also auch nicht aufforderndes Partz. zu 1,13a]; die Deutung, dass V. 16 die Unterordnung und nicht das „Guthandeln“ expliziert [vgl. Feldmeier, 108], würdigt unzureichend den langen Gedankengang in V. 15). Der Vergleich der Christen mit Freien (ἐλεύθεροι) in V. 16a hat zwei verbundene Bedeutungen: Erstens sind die Christen existential als Berufene frei, indem sie in den Häusern ohnehin ‚Hausfremde‘ (πάροικοι; vgl. 2,11) geworden sind und ohne Ehrerbietung gegenüber ihren Bedrängern leben (vgl. 3,1.6.15 f; „The idea that men are free and servants of God is the head and front of offence in the eyes of totalitarian political philosophy“ Selwyn, 174). Zweitens ist aber gerade in dieser Freiheit die Entscheidung getroffen worden, sich unterzuordnen (vgl. 2,13a) und damit sich einen – in der aufreibenden ständigen Opposition unmöglichen – taktischen Freiraum zu verschaffen, in dem sie sich durch „gut Handeln“ den Heiden attraktiv erweisen können. Die Stellungnahme ‚wie Freie‘ (ὡς ἐλεύθεροι) am Versanfang ist also Voraussetzung sowohl für die Freiheit als auch für die Knechtschaft gegenüber Gott (Achtemeier, 186: „the antithetical contrast is not between ‚free people‘ and ‚slaves of God,‘ but between those who regard freedom as a cover for evil and those who as such slaves“). Durch 85

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

μή–ἀλλά verbunden, gehören die beiden letzten ὡς also auf einer Ebene zusammen. Es war wohl erfahrbar geworden, dass ein Hoffender sein „gut Handeln“ aus verschiedenen Motivationen zu gestalten suchte, zum Beispiel auf eigene Lebensqualität bedacht und die Taten seines „gut Handelns“ zur Leidvermeidung einsetzend; dann würde gelten: „obsequious conformity to all cultural or political demands as a way to avoid persecution.“ (Achtemeier, 186). Oder ihm gerät z. B. das Ziel zur Veränderung der Völker (V. 15b) selbst zum einzigen leitenden Motivationsgrund. Das sind beides in V. 16b klar verworfene unmögliche Möglichkeiten, denn in der Wahl solcher leitenden Ziele würde sich der Christ die Freiheit gemäß V. 16a selber abschaffen (syntaktische Zuordnung: einen ‚Deckmantel des Bösen‘ [erstes Objekt] als ‚Freiheit‘ [zweites Objekt] haben). ‚Den Deckmantel als Freiheit habend‘ (ἐπικάλυμμα ἔχοντες τῆς κακίας) führt also den falschen Versuch aus, die Freiheit selber zu einem verhandelbaren Teil der Entscheidungen zu degradieren, wie man als Christ leben will. Von dieser Deutung aus ist die Opposition klar: ‚sondern als Knechte Gottes‘ (ἀλλ’ ὡς θεοῦ δοῦλοι). Der Knecht (δοῦλος) nämlich orientiert sich an dem Willen seines Herrn (vgl. θέλημα V. 15a) – in der Logik von 1 Petr also an dem, der Freiheit schenkt. Das Diktum von Lindemann, Paulus, 256 ist also so zu ergänzen, dass hier „paulinische Substanz“ zur Begründung ‚petrinischer Strategie‘ wird. Dieses Verhältnis zu Gott als Knecht wird im Folgenden wichtig für das Verständnis des Haussklaven (vgl. οἰκέτης 2,18), denn sprachlich wird unterschieden: Es geht um die Perspektive auf die Knechte (δοῦλοι) Gottes und um den Blick auf sie als Haussklaven (οἰκέται) unter den Hausherren. Dabei spiegelt die Unterscheidung „Knecht“ und „Haussklave“ die Unterscheidung von „Gehorsam“ gegen den frei machenden Gott (vgl. ὑπακοή 1,14) auf der einen Seite und taktisch gewählter „Unterordnung“ (vgl. ὑποτάσσω 2,13) auf der anderen Seite. Das hier offenbar werdende, dem 1. Petrusbrief eigentümliche Verhältnis von Unterordnung, „Gut Handeln“ und Veränderungskraft soll im Folgenden in Analogie zur politischen Dissidenz gedacht, und die Hoffenden sollen zur Klärung an manchen Stellen als „Dissidenten der Hoffnung“ bezeichnet werden. In der Forschung finden sich implizit in die Richtung der Dissidenz weisende Überlegungen, so Horrells Rede von „polite resistance“ (Horrell, 1 Peter, 94) oder die Annahme einer ‚unterhöhlenden‘ Strategie (Philipps, Kirche, 61). Es ist ein Verdienst Karl Philipps, die Logik des 1 Petr strukturell mit der Poetikvorstellung Marcuses verglichen zu haben. Philipps beschränkt sich aber auf nur drei Erwähnungen (Philipps, Kirche, 61.65.67). In dem von Philipps ausgewiesenen Text in Marcuses ‚Der eindimensionale Mensch‘ heißt es: „Indem sie [sc. die dichterische Sprache] ein Medium schafft und sich in ihm bewegt, worin das Abwesende dargestellt wird, ist die dichterische Sprache eine Erkenntnis – die das Positive unterhöhlt. […] Die ‚abwesenden Dinge‘ nennen, heißt den Bann der seienden Dinge brechen“ (Marcuse, H., Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Übersetzt von Alfred Schmidt [Herbert Marcuse Schriften 7], Frankfurt a. M. 1989, 87 [vgl. dazu Philipps, Kirche, 61, Anm. 226]). Der Ausgangspunkt bei der berufenen Identität ist allerdings nur grob mit der Darstellung des Abwesenden bei Marcuse zu vergleichen, und die Wahrnehmung der ‚Leere‘ (vgl. 1,18) ist auch nicht das Gleiche wie die ‚totale Gesellschaft‘ bei Marcuse. Ähnlich Nissen, Sufferings, 282, Yoder zitierend, der vermutet, dass die entsprechenden theologischen Strategien „relativize and undercut this order“ (vgl. die deutsche Ausgabe Yoder, J. H., Die Politik Jesu – Der Weg des Kreuzes. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Wolfgang Krauss, Maxdorf 1981, 161).

86

Taktische Unterordnung und Veränderungsgelegenheit

2,15b

Das von Yoder angeführte Beispiel der sich radikal unterordnenden Juden (vgl. aaO., 82) kann aber nur indirekt auf die dissidente Logik des 1 Petr übertragen werden. Nissen, Sufferings, 282, Anm. 31 weist auch hin auf Schottroff, L., Gewaltverzicht und Feindesliebe in der urchristlichen Jesustradition, in: Strecker, G. (Hg.), Jesus Christus in Historie und Theologie. FS H. Conzelmann, Tübingen 1975, 197–221. Ähnlich: Die Theologie des 1 Petr sei ‚subversiv‘ (vgl. BaumanMartin, Women, 274, Anm. 78; vgl. aaO., 276). Sie bestimmt die Dialektik folgendermaßen: „The exhortations confine the Petrine women to their home, yet paradoxically push them outside of the house.“ (aaO., 237 f.). Ähnlich der feministisch-theologische Beitrag von Downd: Die Strategie sei „subversive of the very foundations of the social order“ (Downd, Peter, 370). Dahinter bleibt der feministische Beitrag von Bieberstein zurück, weil diese zwar meint, es seien „zwei Strategien zu beobachten, die sich überlagern“ (Bieberstein, Rand, 145), nämlich Veränderung und Unterordnung, sie sieht aber keinerlei Vermittlung zwischen den beiden und empfindet diese Unvermitteltheit als „tragischerweise“ gegeben (ebd.). Vgl. auch Horrell, Conformity, 143, der in Rückgriff auf die postkoloniale Theorie Bhabha’s von der „sly civilty“ der Christen des 1 Petr spricht. Außer der widerständigen Selbstbezeichnung als Christen (vgl. aaO., 140) weist Horrell diese Strategie in 1 Petr aber kaum nach. Volf spricht nicht von Dissidenz, aber formuliert den ihr recht ähnlichen Gedanken, der wegen der sicheren Identität möglich werdenden ‚weichen Differenz‘ : „Die Furcht um sich selbst und die eigene Identität erzeugt Härte. […] Die Entscheidung für eine weiche Differenz setzt dagegen eine souveräne Furchtlosigkeit, zu der der 1 Petr seine LeserInnen mehrmals ermahnt (3,14; s. 3,6). Furchtlose Menschen können die weiche Differenz pflegen; sie brauchen sich nicht gegen andere behaupten. Ihre Sendung besteht in der Einladung“ (Volf, Identität, 366 f; vgl. den ein Jahr zuvor veröffentlichten sehr ähnlichen Beitrag Volf, Difference; mit positiven Bezug auf Volf, Difference jetzt wieder Horell, 1 Peter, 92 f.). Vier Forschungsansätze ziehen explizit dissidente Strategien zur Erklärung des 1 Petr heran: Es ist das Verdienst von Lamau (1.) bereits 1988 ausdrücklich festgehalten zu haben, dass Unterordnung und Widerstand durch Gutes Handeln nicht wie in einer Sekte im Troeltschschen Sinne miteinander vermittelt sind, sondern dass sich vielmehr der Vergleich nahelegt mit „des groupes ou des individus dissidents“ (Lamau, Chrétiens, 322; vgl. nur als Andeutung „dissident attitudes“ bei Williams, Divinity, 145 mit Bezug auf J. C. Scott, Weapons of the Weak). Lamau schreibt dazu: „C’est celle des ‚minorités actives‘, c’est-á-dire des groupes ou des individus dissidents aptes à exercer une influence sociale. Cette catégorie été établie par Serge Moscovici sur la base de nombreuses expériences. Trois conditions rendent possible une telle influence. Il faut que ces groupes choisissent clairement la position qui leur est propre, qu’ils n’évitent pas le conflit créé avec la majorité et, enfin, qu’ils se conduisent d’une manière consistante, manifestant ainsi le caractère irrèvocable de leur choix.“ Mit Verweis auf Moscovicis Werk ‚Psychologie der aktiven Minderheiten‘ formuliert Lamau dann weiter: „Un grand fossé sépare le phènomène de déviance de celui de minorité. Il faut passer de ‚l’état d’objet à l’état de sujet social‘. Cela nous parait être une clé de lecture de 1 P.“ (Lamau, Chrétiens, 322. Lamau verweist auf die französische Ausgabe Moscovici, S., Psychologie des minorités actives, Paris 1979, 266. Ohne direkt von Dissidenten zu sprechen ähnelt dem sehr der Vergleich bei Miller, Protestation, 524 ff. mit einem „groupement volontaire utopique“ gemäß der Kategorie von J. Séguy in 1 Petr eine „protestation implicite“ [aaO., 527] auszumachen sei. In dem Aufsatz Millers fehlen aber Nachweise am Text). Die klare Sprache Lamaus hat zu der in diesem Kommentar verwendeten Analogie zu „Dissidenten“ wesentlich beigetragen! Zu kritisieren ist daran erstens nur, dass sich Lamau auf ein Werk über dissidente Bewegungen, und nicht auf ein solches von diesen bezieht und zweitens, dass der Gedanke der Dissidenz leider nicht konsequent ihre ganze Arbeit durchzieht. Erhellend ist auch die etwas später dargelegte Überlegung von Prostmeier (2.), der zum in 1 Petr zu Tage tretenden Konfliktverständnis bedenkt, ob es als „Dissidenten-Ethos“ zu gelten habe (Prostmeier, Handlungsmodelle, 431 im Rahmen seiner Zurückweisung dieser These). Pro-

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stmeier geht aber fest davon aus, dass exegetisch eine ‚Reziprozität‘ der Mahnungen und daher ein gegenseitiges Angewiesensein (vgl. aaO., 162.178.471 ff.) für 1 Petr leitend sei; das muss exegetisch zurückgewiesen werden (vgl. Exegese zu 2,13 ff.). Weiterführend sind die handlungstheoretischen Erwägungen Prostmeiers, dass es in jedem Handeln eine „symbolische Sinnwelt“ (aaO., 474; vgl. aaO., 435 f.) gibt, die in alltäglichem Handeln erkennbar ist, d. h. als eine Art ‚paradoxe Intervention‘ im Sinne Paul Watzlawick’s wirken könne (vgl. Prostmeier, Handlungsmodelle, 406 f.430–432). Prostmeier kommt bemerkenswerter Weise zu dieser Ansicht, ohne die Arbeit von Lamau zur Kenntnis genommen zu haben und ohne zu registrieren, dass Bovon schon 1977 in aller Kürze den Vergleich mit Watzlawick vorgeschlagen hatte (der auf 1977 datierte Text Bovon, Foi, 107, Anm. 31 weist in aller Kürze schon auf die Ähnlichkeit der Unterordnung in 1 Petr und der paradoxen Strategie Watzlawick’s hin, ohne Bezeichnung als Dissidenz). Erstmals bei Vouga (3.) zum Vergleich herangezogen: Dissidenz, wie sie sich in Vaclav Havels Briefen an Olga findet. „Le problème que Pierre veut résoudre est celui de l’ambivalence du status des dissidents, que Vaclav Havel a mis en évidence dans ses Lettres à Olga. Du point de vue des valeurs établies et des instances de pouvoir, les dissidents ne sont que des délinquants de droit commun. Face à ce malentendu, les dissidents ne peuvent attirer l’attention sur les raisons de leur temoignage religieux, moral ou politique qu’en démontrant par leur comportement exemplaire le caractère injustifié des reproches qui leur sont faits. La poursuite conséquente de cette strategié présuppose une résistance intérieure contre les sentiments d’injustice personelle, les frustations et la résignation […] qui affaiblissent la vie spirituelle et l’espérance active des individus“. (Vouga, christologie, 317; vgl. ähnlich Vouga, théologie, 193.) Havels Texte zum Verstehen mehrerer Themen des 1 Petr sind herangezogen dann bei Wagner, Dissidenten (4.), zum Beispiel: „Es geht dabei [sc. dem Gewaltverzicht] nicht um irgendeinen Konservatismus oder um die sogenannte gemäßigte Politik – die ‚Dissidentenbewegungen‘ sind dem Gedanken des gewalttätigen politischen Umsturzes nicht deshalb nicht zugeneigt, weil ihnen so eine Lösung zu radikal wäre, sondern im Gegenteil deshalb, weil sie ihnen zu wenig radikal ist.“ (Havel, V., Versuch, in der Wahrheit zu leben. Aus dem Tschechischen von Gabriel Laub, Rororo Aktuell Essay, Hamburg 102000, 63; vgl. insgesamt die dt. Übersetzungen: Ders., Anatomie einer Zurückhaltung, in: Ders., Am Anfang war das Wort. Texte von 1969 bis 1990. Aus dem Tschechischen von Joachim Bruss, Rororo Aktuell Essay, Hamburg 1990, 116–159; Ders., Briefe an Olga. Betrachtungen aus dem Gefängnis. Aus dem Tschechischen von Joachim Bruss. Für die deutsche Ausgabe bearbeitet von Jiri Grusa, Rororo Aktuell Essay, Hamburg 1990; Ders., Fernverhör. Ein Gespräch mit Karl Hvizdala. Aus dem Tschechischen von Joachim Bruss, Hamburg 1987; Ders., Politik und Gewissen, in: Ders., Am Anfang war das Wort. Texte von 1969 bis 1990. Aus dem Tschechischen von Joachim Bruss, Rororo Aktuell Essay, Hamburg 1990, 81–113 [der Text ist ebenfalls publiziert unter dem Titel: Über Macht und Manipulation]). Auszüge der Inauguraldissertation liegen diesem Kommentar zu Grunde.

Was in 17 auf den ersten Blick als freundliche Zugewandtheit an alle erscheinen mag, gibt tatsächlich Einblick in reflektierte Beziehungsklärungen – dessen Schlagkraft auch darin liegt, wem was vorenthalten wird (zur sprachlichen Qualität und der Figur Homoioteleuton vgl. Standaert, surprise, 392). Die Struktur ist nicht chiastisch (trotz der Doppelnennung von ‚ehren‘ im ersten und im vierten Glied), sondern sowohl das „Alle“ nur im ersten Glied als auch der Aorist nur dort lassen ‚ehren‘ als Überschrift mit dreifacher differenzierter Ausführung erscheinen (τιμᾶν nur in 2,17; vgl. τιμή in diesem Sinne 3,7: die Ehemänner erweisen Ehre [ἀπονέμοντες τιμήν]; τιμή als Anerkennung im weiteren Sinne 1,7; 2,7). Es handelt sich also nicht um eine Wiederholung von 2,13a (dort aber auch πᾶς und Aorist), sondern hier ist ohne den terminus 88

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2,15b

technicus der Unterordnung und ohne schöpfungstheologische Aufladung schlicht gemeint: ‚Freundlichkeit walten lassen‘ (vgl. Vahrenhorst, 119: „Haltung der Wertschätzung“). Das mag die Missionserfahrungen gemäß 2,12b und 2,15 (vgl. 3,1–2 und 3,16) reflektieren: Die Entscheidung darüber, wer sich für Veränderungen schlussendlich zugänglich zeigt, kann der Berufene nicht durch unterschiedlich verteilte Freundlichkeit vorwegnehmen: „Als von Gott Anerkannte sind sie sogar so frei, alle Menschen aufgrund ihrer Geschöpflichkeit anzuerkennen (2,17; vgl. 2,13)“ (Popp, Kunst, 479). Aber nicht „wie mit allen“ sind die Beziehungen, wenn die Dissidenten zusammenkommen, um sich der Zusage des Berufenseins zu vergewissern und z. B. die Konflikte gemeinsam verstehen zu machen: Wo das geschieht, erleben die Dissidenten ‚Geschwisterschaft‘ (die „gender exclusiveness“ der neuen Sprachen möglicherweise im Griechischen noch nicht so gegeben, so Donelson, 71; ἀδελφότης auch 5,9; vgl. Silvanus als ἀδελφός 5,12; als Thema 1,22–25; 4,7–11; 5,1–12). Auffällig steht hier ‚Geschwisterschaft‘ und nicht „Kirche“ (ἐκκλησία), entweder in Stoßrichtung gegen „Eigenbrötelei“ (Schröger, Auferbauen, 7), oder um das Israel-Thema nicht zu eröffnen (vgl. Brox, Sara, 486), oder weil keine Einzelgemeinde im Blick war; wahrscheinlich aber mit dem diesem Begriff eigenen Fokus auf Verbundenheit untereinander. Innerhalb der Geschwisterschaft herrscht eine gegenseitig aufbauende, reziproke Haltung des Liebens (ἀγαπάω vgl. in diesem Sinne 1,22 [auf Christus 1,8; anders das LXX-Zitat in 3,10]; vgl. ἀγάπη in diesem Sinne 4,8; 5,14 und wohl auch ἀγαπητός 2,11; 4,12). Auffällig: In dieser Form der ‚Kirche‘ sind die neue Hierarchien schaffenden Haltungen der Ehrfurcht (φοβέομαι) und der Ehrerbietung (τιμάω) zwischen Menschen nicht vorgesehen! Deutlich hierarchisch dagegen die Ehrfurcht gegenüber Gott (φοβεύομαι); vgl. in diesem Sinne φόβος 1,17; 3,2.16 sogar 2,18; anders φοβέομαι 3,6 (als Verneinung) und φοβέομαι und φόβος 3,14 (aus LXX-Zitat; zu Ehrfucht/φόβος s. bei 2,18): Er hat ‚zu Hausfremden gemacht‘ (vgl. 1,17), und ihm hat exemplarisch ‚Christus sich übergeben‘ (vgl. 2,23). Keinem Hausherrn oder Statthalter kommt diese Qualität einer dankbaren Beziehung zu – so gern die es vielleicht auch hätten (in diesem Sinne kritisch auch bei Vahrenhorst, 119, Anm. 287, insbesondere falls in Abgrenzung zu Spr 24,21; noch deutlicher konsequent Steetskamp, Unterordnungen, 38: Wer so den Kaiser dekonstruiert, wird auch in 5,13 Rom „Babylon“ nennen; möglicherweise ist dieses kritische Potential in These 5 der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen bewahrt). Markant deshalb geändert gegenüber 2,13–14 die Verhältnisbestimmung zum König: Ging es dort um die aktive, taktische Entscheidung zur Unterordnung unter alle Teile der Hierarchie (ὑποτάσσεσθαι im Aorist; vom König bis zum Statthalter), so wird er in V. 17 als Spitzenposition genannt „nur“ für eine nicht exkludierende Haltung: Nicht einmal der König fällt aus der Wertschätzung (τιμᾶν im Präs.) der Hoffenden heraus – aber das ist den Mächtigen naturgemäß zu wenig. Die Doppelnennung des Verbs als Überschrift im Aorist (πάντας τιμήσατε) und als Bestätigung ad limina (τὸν βασιλέα τιμᾶτε) ist daher plausibel.

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Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

2,18–20: Unterordnung der Haussklaven und Konfliktdifferenzierung [2,13a Ordnet euch jedem menschlichen Geschöpf wegen des Herrn unter], 18 die Sklaven, sich in ganzer Ehrfurcht den Gebietern unterordnend, nicht nur den guten und milden, sondern auch den verdrehten, 19 denn das ist Gnade, wenn jemand wegen des Bewusstseins um Gott Leiden erduldet als ungerecht Leidender. 20 Denn wiegestalt ist der Ruhm, wenn [ihr] fehlend und mißhandelt standhalten werdet? Aber wenn [ihr] guthandelnd und leidend standhalten werdet: Das ist Gnade vor Gott. Die Struktur des Abschnitts 18–25 ist anhand des Partizips in V. 18 (ὑποτασσόμενοι) und der Subjunktionen klar: Die Forderung V. 18 lebt von dem ausführlich begründeten Imperativ 2,13a (ὑποτάγητε … οἱ οἰκέται ὑποτασσόμενοι), konsequent übersetzt: „you household slaves (must be subordinate) by being subordinate to […]“ (Vinston, 120). Dabei folgt in V. 19–20 die erste eigenständige Begründung (so die Einteilung auch Osborne, Guide Lines, 382: Aufforderung V. 18, erste Begründung V. 19– 20, zweite, theologische Begründung V. 21–25; Gielen, Tradition, 349 nennt V. 19–20 „erste Motivationseinheit“; Elliott, 512 erachtet 2,21–25 als „further motivation“; anders Eisele, Ordnung, 129: 2,18 führt τιμᾶν 2,17 aus, ebenso Achtemeier, 189/194). Diese erste Begründung setzt zweimal an: Zuerst (V. 19 γάρ) wird das Verhalten im – unter den Bedingungen der Unterordnung sich ergebenden – Konflikt definiert und mit der Absicht Gottes begründet. Dann legen die beiden Aussagen in V. 20 (γάρ) gemeinsam dieses Verhalten als strategisch sinnvoll dar (V. 20 als Anwendung der Aussage von V. 19, auch bei Burger, 168); in V. 21–25 folgt die Begründung mit Christus (V. 21 γάρ). Das wird im Folgenden aus Gründen der Darstellung einzeln erörtert. Die taktische Festlegung wird ab 18 das zweite Mal durchgeführt, mit einer an V. 13a erinnernden Begründung: Weil es nicht um Vorteilgewinnen, sondern um die Ehrfurcht vor Gott geht (ἐν παντὶ φόβῳ; der Bezug auf Gott und nicht auf die Herren ist wegen τὸν θεὸν φοβεῖσθε in V. 17 hier unzweifelhaft), sind die Hausherren nicht in ihrem ‚Posten‘ (vgl. τάξις und ὑπο-τάσσειν) als Hausherren zur Disposition zu stellen (zu ὑποτασσόμενοι als aufforderndes Partizip vgl. die Analyse von 2,13a). φόβος hier als ‚in-Beziehung-mit-Gott-Handeln‘ (in Ehrfurcht, φόβῳ [sc. gegen Gott] den Despoten gehorchen) und 3,14 (in Ehrfurcht, φὀβῳ wandeln). Signifikant sind auch die Beschreibungen, wem dieses reziproke Handeln nicht gewährt wird: Die Ehemänner erfahren von ihren Frauen Unterordnung, aber keine Ehrfurcht (φοβεῖν 3,6)! Bei Angriffen sollen die Hoffenden gegenüber ihren Angreifern keinen anerkennenden φόβος entwickeln, sie sollen also dem Gegenüber jeweils keine Macht zuerkennen (3,16). Irreführend ist der Furchtbegriff bei Goppelt, 120, der ihn wohl im Sinne von ‚Angst‘ als Gegenüber zum ‚Vertrauen auf Gnade‘ gebraucht, wofür es in 1 Petr allerdings kaum Anhalt gibt. Beare, 76 bestimmt φόβος eher zutreffend als eine Haltung („attitude“) im Sinne von „awe“. Vgl. überzeugend Selwyn, 143: „reverently“. Cothenet, Realisme, 568 spricht sich zu Recht dafür aus, alle Belege von φόβος in 1 Petr mit Bezug auf Gott zu verstehen – bzw. wem man dieses Gottesrecht nicht gewährt.

Wegweisend wird das ‚Personal‘ des Hauses – möglicherweise Frauen und Männer – mit dem selteneren Begriff „Haussklave“ (οἰκέτης; vgl. Lk 16,13; Apg 10,7; Röm 90

Unterordnung der Haussklaven und Konfliktdifferenzierung

2,19

14,4) angesprochen, denn textimmanent wird verdeutlicht: Erstens vermeidet man durch den Verzicht auf den offenbar theologischeren Begriff „Knecht“ (vgl. ὡς θεοῦ δοῦλοι 2,16; vgl. auch Vahrenhorst, 121) alle theologisch unnötig aufladende Parallelität zwischen dem Gebundensein an die Hausherren und dem Gebundensein an Gott. Zweitens wird mit dem Begriff „Haussklave“ (οἰκέτης) wirkungsvoll die Spannung aufgebaut zwischen der Freiheit, als Berufene ein eigenes ‚Haus‘ zu sein (vgl. λίθος und οἶκος 2,1–10; vgl. οἶκος 4,17) und den vorfindlichen Ort des Hauses als Haussklaven trotzdem nicht zu verlassen – so wie die Ehemänner die Hausgemeinschaft nicht aufzukündigen haben (vgl. συνοικοῦντες 3,7). Die Hausherren (δεσπόται; sie werden nicht κύριοι genannt wegen der Nichtableitung von Gott, dem κύριος gemäß 2,13a [vgl. aber anders im Erzählmodus 3,6]) sind in Ableitung vom Imperativ in V. 13a radikal als Geschöpfe zu verstehen, die gewonnen werden sollen, das ist die hinreichende Erklärung dafür, dass die Frage, ob der Hausherr gut oder schlecht ist, hier keine handlungsleitende Relevanz hat (vgl. das einräumende καί; zur missbräuchlichen Verwendung von 2,18 in der Sklavendebatte des 19. Jh.s gerade ohne diese Differenzierungen vgl. beschämend z. B. die Beispiele bei Smith, Strangers, 163 ff.). Zugleich wird damit eine der sozialen Wirklichkeiten aufgerufen, in denen das Leben als Berufene konflikthaft erlebt wird: Das Leben als Haussklave unter perversen Hausherren (σκολιός; sachlich Lk 3,5; vgl. verdrehtes Geschlecht Apg 2,40; Phil 2,15; Williams, Persecution, 301 ff. zu Recht: hier auch physische Gewalt im Blick) macht die ganze Reflexion in V. 21–15 notwendig und tröstlich. Die erste Begründung 19 bedenkt daher nur eine Konstellation weiter: Nämlich, dass ein Haussklave Beschwernisse auf sich nimmt. Dies, nicht gelingendes Leben, ist deshalb hier reflektiert, da offenbar in diesem Fall die Versuchung groß ist, das „gute Handeln“ aufzuheben und damit die Veränderungsabsicht der Christen in Gefahr zu bringen. Wer sich recht verhält, der gehört zum Lebensplan, in V. 19a bezeichnet mit dem Begriff ‚Gnade‘. χάρις ist gemäß V. 20 der gottgefällige Lebensplan: „χάρις is used in a quite naive and untechnical sense here for a gracious act pleasing to God“ (Selwyn, 176; vgl in diesem Sinn 1,2.10.13; 3,7; 4,10; 5,5.10.12). Diese Begründung wird in dem Bedingungssatz dadurch ausgeweitet, dass das mitgedachte Subjekt nicht nur ein Haussklave ist, sondern jeder, der in eine analoge Situation gerät (vgl. auch die offene Formulierung ἄνθρωπος 3,4). Es liegt in Gottes Absicht, dass der untergeordnete Sklave die entstehenden Beschwernisse auf sich nimmt (ὑποφέρειν λύπας nimmt die Bewegungsrichtung des Verbs ὑποτάσσειν auf; es ist das Gegenteil des Sich Freuens, vgl. 1,5 f. ἀγαλλιᾶσθαι vs. λυπεῖν). Im Blick ist also nicht alles menschliche Ertragen von Lasten oder die anthropologische Erfahrung von Begrenztsein überhaupt, vielmehr sind in V. 19b – und offensichtlich im ganzen Brief – nur solche konflikthaften Handlungen reflektiert, die aus dem Bewusstsein geschehen, auf diese Weise dem mühsamen Erkenntnisprozess Gottes für andere zu dienen (so das „Ertragen“ wegen der συνείδησις Gottes; vgl. ἄγνοια [1,14] und οἶδα [1,18a]; deshalb Schweizer überzeugend „Mitwisser des Handelns Gottes“ [Schweizer, 56; vgl. passend Brox, 133 „in der Bindung an Gott“]. Zur noetischen Funktion vgl. z. B. Brooks, Clue, 293; Achtemeier, 196 übersetzt „‚awareness‘ or ‚consciousness‘ of God.“ In diesem Sinne auch das „Mitwissen“ [σύνοιδα] der Sapphira Apg 5,2; damit besteht dann kaum ein Unterschied zwischen ‚Gewissen vor Gott‘ in 3,19b und συνείδησις ἀγαθή in 3,16.21). 91

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

Das Spezifikum dieser Argumentation ist so als Partizipialergänzung an das Ende von V. 19 gestellt, dass V. 20 dann als vertiefende Begründung dazu ansetzt: Die Konfliktsituation kann nur dann als angemessen gestaltet gelten, wenn – in einem erst in V. 20 vollständig zu klärendem Sinne – von Leiden (πάσχειν als terminus technicus; zu Leiden/πάσχειν s. bei 4,1) gesprochen werden kann: Nicht durch eigene Fehlhandlungen Anteil am Entstehen und am Verlauf des Konflikts zu haben (grammatisch gibt die Partizipialergänzung die Umstände und nicht die Begründung an; ebenso Achtemeier, 196). Dabei handelt es sich nicht um eine zusätzliche Bedingung, denn für die Christen gilt das Gleiche was für Christus ausgeführt werden wird: Seine Existenzübergabe an Gott (2,23) hat dazu geführt, dass er nicht aggressiv auf die Aggressoren reagierte (vgl. V. 22), und deshalb ist demjenigen, der im Mitwissen Gottes handelt (V. 19a), das gerechte Nichtreagieren (V. 19b) auch keine zusätzlich auferlegte Bedingung mehr. Die zweite Begründung 20 setzt nicht erneut wie V. 19a an, sondern begründet das strategische Vorgehen des Leidenden, wie es am Ende von V. 19 auf den Punkt gebracht ist. Sie geht daher nicht nochmals von „Gnade“ aus, sondern setzt an mit den Folgen (V. 20aα mit einer Fragekonstruktion: ποῖον γὰρ κλέος κτλ.) des ungerechten bzw. gerechten Konfliktverhaltens. Es werden also zwei Weisen des Umgangs mit dieser Konstellation erörtert (mit zwei εἰ-Konstruktionen in V. 20aβ.20bα); der Hinweis auf die Gnade (V. 20bβ) gehört zum Gewicht der zweiten Möglichkeit. Die Last zu ertragen wäre unter der Bedingung von „Schlechttun“ (ἁμαρτάνειν V. 20aβ) oder von „gut Handeln“ (ἀγαθοποιεῖν V. 20bα) vorstellbar – aber nur Letzteres entspricht Gott (zum „gut Handeln“ / ἀγαθοποιΐα s. bei 4,19). Im ersten Falle geht die Begründung von einer rhetorischen Frage aus, deren implizite Antwort klar ist: Dieser Ruhm wäre schlecht beschaffen (vgl. die rhetorische Frage in 3,13). Im zweiten Fall wird die Antwort ausformuliert: Solcher Ruhm wäre Gnade vor Gott. In beiden Teilen wird nicht das Verb aus V. 19 (ὑποφέρειν) weiterverwendet, sondern 1 Petr spricht von zwei Weisen des Standhaltens (ὑπομένειν) – wodurch der Anlaut zwar erhalten bleibt, aber der Begriff ist abstrakter, und damit sind mehr Situationen als nur die spezifische Situation aus 2,18 integriert. Die beiden Fälle in V. 20 differenzieren durch ihre Partizpialbestimmungen zwei Bedeutungen von Standhalten. Die Vollverben sind als Futur des Ablaufs formuliert; es wird schlicht vorausgesetzt, dass es zum Ertragen kommt, und die Frage ist nur, wie damit umzugehen ist. In V. 20aβ wird zuerst die ‚unmögliche Möglichkeit‘ bedacht, dass der Haussklave das nichtreaktive Schema des Christseins aufgibt. Insgesamt riskiert der, der vom „gut Handeln“ abweicht, das Ansehen der gesamten anderen Hoffenden, denn „Ruhm“ (κλέος) bezieht sich an dieser Stelle nicht (wie später zusätzlich χάρις) auf Gott, sondern dieses Rühmen geschieht in aller Öffentlichkeit vor den Augen der Heiden und bezeichnet die Glaubwürdigkeit, die in dieser Situation auf ’s Spiel gesetzt wird! Er ist „‚le renom‘, ce qui plait aux hommes.“ (Bénétreau, 157). Sündigend leiden kann schlicht „keine Werbung für das Christentum sein“ (Brox, 134; vgl. die Belege von κλέος in LXX Hiob 28,22 ‚der Ruhm der Weisheit kam uns zu Ohren‘ und 30,8 ‚Ruhm wurde herausgepeitscht aus dem Land‘ ; das Verb κλέομαι fehlt auch dort). Ganz anders Elliott, 522, der möglicherweise mehr von Lk 6,32–35 als von 1 Petr 2,19–20 geleitet ist; korrekt Van Unnik, Rücksicht, 230 im Vergleich mit 2 Clem 92

Unterordnung der Haussklaven und Konfliktdifferenzierung

2,20

13,1–4 mit der Beobachtung, dass in 1 Petr gerade keine Logik des Zurückfallens des Rufs auf Gott vorliegt. „Ruhm“ hier nicht „abwertend“ (so Millauer, Leiden, 94; vgl. Schrage, 94), es besteht also keine Verbindung zum paulinischen Begriff καυχάομαι oder καύχημα. Diese reaktive Handlungsoption wird sich durch das Vorbild Christi gerade als die ausgeschlossene Lebensmöglichkeit erweisen, denn Christus hat dieses Handeln ohne Aggression gemäß V. 22 selbst gelebt. Und wegen dieses Bezuges wird auch klar, dass „Sündigen“ und „gut Handeln“ in V. 20 nicht dem Konflikt voraus liegen – von dem im Falle Christi nicht die Rede sein wird – verhandelt wird hier vielmehr das Verhalten ‚inmitten‘ des Konflikts. Es geht um eine Situation zu der bereits die Eskalationsstufe des Geschlagenwerden gehört (κολαφίζειν). Dem wird dann in V. 20b die richtige Möglichkeit des ungerechten Leidens entgegengestellt: Es geht darum, den Konflikt selber zu steuern, so dass das eigene Handeln tatsächlich von Gott (vgl. ‚in Furcht‘ [ἐν παντὶ φόβῳ], ‚wegen des Mitwissens‘ [διὰ συνείδησιν θεοῦ] V. 18.19) und nicht von der Situation her bestimmt ist. Das meint die Ergänzung, dass guthandelnd (ἀγαθοποιοῦτες) ertragen werden soll. Es ist die (Wieder-)Erlangung der Handlungsinitiative: „Leiden versetzt den Christen weder in die Regungslosigkeit noch ins bloße Reagieren, sondern gegenüber dem Unrecht und unter dem Leiden behält das Gute die Aktivität und die Initiative“ (Neugebauer, Deutung, 80; vgl. Smiths, Strangers, 73: die Aufwertung der Sklaven als „independent decision makers“). Bei einem Vergleich mit dem Versteil zuvor fällt auf, dass das Verb Leiden (πάσχειν) zum inhaltlich qualifizierten Begriff wird: In Ausführung des Guthandelns ist das Ergehen „Leiden“, in reaktiven Konflikten wäre es hingegen nur „Geschlagenwerden“ (so überzeugend Gielen, Haustafelethik, 349, dass Übergriffe „erst dann die Qualität des Leidens gewinnen, wenn sie aufgrund der (Gewissens-) Bindung an Gott ertragen werden müssen“). Nur mit „gut Handeln“ ist es möglich, dauerhaft den Anderen aufzuweisen, dass die Christen ihr Handeln von Gott haben. Die Hoffenden orientieren sich dabei nach V. 20b am Lebensplan Gottes: Das ist Gnade vor Gott (χάρις; vgl. 2,9) – so diese Apodosis in V. 20bβ (vgl. Forbes, 89), und nicht allgemeine Zusammenfassung von V. 20 oder gar von V. 19–20.

2,21–25: Christus, Vorbild und Wende 21a

Denn dazu seid ihr berufen, 21b weil auch Christus gelitten hat zu euren Gunsten, euch ein Vorbild hinterlassen habend, damit ihr seinen Spuren folgt, 22 der keine Sünde getan hat und in dessen Mund auch kein Betrug gefunden wurde, 23 der verschmäht nicht widerschmähte, der leidend nicht drohte, sondern [sich] dem gerecht Richtenden übergab, 24a der, der unsere Sünden selbst hinauf getragen hat in seinem Leib auf das Holz,

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Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

damit [wir] – den Sünden gestorben – der Gerechtigkeit leben, 24b durch dessen Strieme ihr geheilt worden seid, 25 denn ihr wart wie verirrte Schafe, aber ihr seid jetzt umgewendet worden zum Hirten und Aufseher eurer Seelen. Die Briefargumentation lässt Beispiele für christliches Verhalten im Alltag (2,13–17.18– 20; 3,1–6; 3,7; 3,8–12) erkennen, in deren Mitte 21–25 exemplarisch die Sklaven und wegen der Zentralposition damit die gesamte Argumentation eine christologische Anleitung und Vergewisserung erhalten (diese echte Begründungsleistung ist gut in dem von Norelli, Réception, 345 vorgeschlagenen Vergleich mit IgnPol 8,2 deutlich, wo das zu Christus ausgesagte – gerade anders als in 1 Petr – mit ‚das glauben wir‘ als reines Bekenntnis steht; vgl. Gielen, Polykarpbrief, 426 ff.). Es bleibt aber durch 2,21a eine besondere Beziehung zur Anwendung der Strategie auf die Situation der Sklaven erhalten. Die Christologie besteht aus einem konsequent durchkomponierten Text. Die Rekonstruktionen möglicher zugrundeliegender, zusammenhängender Stücke seien kurz skizziert (vgl. zum Problem Achtemeier, 192 f.): Bultmann, Bekenntnis, 295–297 geht von einem Lied aus, das sich in V. 21a.22.24 und vielleicht auch V. 23 erhalten hat. Deichgräber, Gotteshymnus, 140 f rechnet mit einem überkommenen Stück V. 22–24 ohne den Finalsatz V. 24. Boismard, Hymnes, 112–119 sieht einen zusammenhängenden Hymnus bis V. 25a aber ohne V. 21. Wengst, Formeln, 84–85 (vgl. ähnlich Gielen, Tradition, 494) trennt V. 21 als das eine Element (Sterbensformel) mit der Auslegung dazu von V. 22+24ab (‚katechetisches Lehrstück‘) ab. Insgesamt gilt aber auch hier: „The use of an early Christian hymn is unnecessary to understand VV. 21–25.“ (Osborne, Guide Lines, 408, mit der These, 1Petr habe die Passage unter Zuhilfenahme von Jes 53 ganz selbst komponiert).

Als Gliederung ergibt sich: Voran steht erstens V. 21a als selbstständiger Hinweis auf die Aneignung. Mit V. 21b.22.23.24a.24b sind fünf Sätze formuliert, die auf den ersten Blick auf gleicher Ebene zu liegen scheinen. Die Finalsätze jeweils am Ende von V. 21b und von V. 24a, der Wechsel auf die 1. Pers.Pl. ab V. 24 und der zu zeigende inhaltliche Ebenenwechsel ab V. 24a geben aber einen ersten Anlass zu der Deutung, dass in V. 21b und in V. 24a jeweils unterschiedliche Begründungen unterschiedlicher Ebenen vorliegen und in V. 22.23 und V. 24b (vgl. V. 25) jeweils eigene Erklärungen erhalten; das ist in V. 24 präzise der Wechsel von Christus als „example“ zum „redeemer“ (so Best, 121 zum Personenwechsel ab V. 24). Von der Aussage 1,20 zum Ende der Zeiten und von 2,10 zum Beginn des Jetzt her ist klar: V. 25 ist eine zweite, weitere, diesmal abschließend theologisch durchformulierte Erklärung zum ermöglichten neuen Leben in Gerechtigkeit gemäß V. 24a. 21a Im Kontext und im Text von 2,21–25 finden sich vier „denn“: Die ersten beiden gekennzeichneten Aussagen (γάρ V. 19.20) sind strategische Erklärungen, während γάρ in V. 21a die Aussagen in V. 21–25 als existentielle Begründung zum Gesamten einleitet. Ähnlich wie in 1,18a (vgl. εἰδότες ὅτι) wird in der einleitenden Konstruktion in 2,21a nicht unmittelbar das zuvor dargelegte „gut Handeln“ begründet (so aber ὅτι in 3,18a), sondern der Hinweis auf die zurückliegende Berufung (καλεῖν im 94

Christus, Vorbild und Wende

2,21b

Aorist) wirkt dazwischen geschoben; so wird unterstrichen, dass die Hoffenden den im Folgenden reflektierten konflikthaften Weg nicht aus freier Wahl, sondern wegen ihrer von Gott geschenkten Identität einschlagen: Weil Gott sie berufend zum ‚Stein‘ und ‚Haus‘ gemacht hat, hatte man beispielhaft und existential die Existenz als ‚Steine des Anstoßes‘ (vgl. 2,4.6.9) verhandelt – das meint: „dazu“ berufen. Die Differenzierung, ob man zum ‚Volksein‘ oder zum ‚Im-Konflikt-sein‘ berufen ist, erscheint den Leserinnen und Lesern nach 2,10 bereits als künstlich. Die Begründungsfunktion ist 21b klar durch die kausale Konjunktion, zugleich mit hohem Augenmerk auf diesen Versteil, mit V. 22 und V. 23 dazu ausführend. Christus ist in V. 21b–23 zunächst Beispiel, nur deshalb erklärbar in V. 21b ein einräumendes „auch“ (so ὅτι καί 3,18a; vgl. καί 2,5), das Christus und Christen im Konflikt (πάσχειν im Aor.) auf die gleiche Ebene stellt. Lohse, Paränese, 88: Mit dieser Formulierung rücken „die Sklaven und Christus zu einer Leidensgemeinschaft“ zusammen. Christus ist ohne den Namen ‚Jesus‘ eingeführt, weil im Folgenden unzweifelhaft ist, dass über Jesus gesprochen wird. Notwendig – und mit Χριστός offenbar verbunden – ist hier vielmehr die Betonung, dass dieses Geschehen ganz Gottes Weisung entsprach und dass Christus mit der Auferstehung als Gottes Ausweis dessen dient (vgl. die Argumentation 1,17–21). Es besteht Forschungskonsens, dass in V. 21b nicht ‚auch Christus ist gestorben‘ (καὶ Χριστὸς ἀπέθανεν) zu lesen ist, sondern ‚auch Christus hat gelitten‘ (καὶ Χριστὸς ἔπαθεν). Für die Lesart ἔπαθεν spricht sowohl, dass vor dem Hintergrund ntl. Wendungen (vgl. Röm 5,8; 1 Kor 15,3; 2 Kor 5,14) ἔπαθεν die schwierigere Lesart ist, als auch die bessere Bezeugung durch Papyrus 72, die Majuskeln Alexandrinus und Vaticanus und weitere Zeugen. Ob ἔπαθεν nur in aktiver Auseinandersetzung mit der traditionellen Wendung ἀπέθανεν denkbar ist, wie z. B. Goldstein, Kirche, 42 darlegt, kann bezweifelt werden. Deshalb bleibt auch die Annahme von Lamau, Exhortation, 124, der Autor habe eine sogenannte ‚Todesformel‘ gekannt und ausdrücklich in ἔπαθεν umgeformt, Spekulation.

Klar ist: Christus hat den Konflikt in noch zu bestimmender Weise gestaltet – die Leserinnen und Leser haben die Differenzierung aus V. 20b noch vor Augen, das ist der bestimmende Kontext. Dass dies „für (ὑπέρ) die Hoffenden“ geschehen ist, könnte als Formulierung für sich genommen kultisch verstanden werden. Aber bereits das einräumende „auch“ am Versanfang steht erstens als Konterindikation dazu (so auch Achtemeier, 199), und zweitens wird das Leiden im Folgenden als Vorbild innerhalb von V. 21b ohne Kultlogik ausgedeutet, mit nominativer Partizipaussage und Finalsatz. Mit dem Begriff ὑπέρ in V. 21 verhält es sich offenbar wie mit „Blut“ (αἷμα) im ersten christologischen Abschnitt in 1,19: Kultische Sprache und Vorstellung werden so in eine Vorbildchristologie einbezogen, dass ὑπέρ unkultisch am besten gleich mit „zu Gunsten von“ zu übersetzen ist (so überzeugend Breytenbach, Christus, 441; schon Kühl hatte im Blick, dass hier Christus etwas tut, was Christen genauso tun können, denn „ὑπὲρ ὑμῶν muss nothwendig in die Vergleichung mit aufgenommen werden“ Huther/Kühl, 148; vgl. Knopf, 114; Osborne, Guide Lines, 391; vgl. das historische Beispiel bei Schwanke, Freie, 11). Das „Vorbild“ (ὑπογραμμός), das Christus gemäß der partizipialen Zusatzbestimmung hinterlassen hat (ὑπολιμπάνων ὑπογραμμόν), ist in der bildlichen Vorstellung 95

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

ein ‚Buchstabe‘, den Schüler unter Papier legen, um ihn zum Lernen durchzureiben bzw. um ihn auf ihr eigenes Papier durchzupausen (Selwyn, 179 [vgl. Norelli, Réception, 334] zu den Belegstellen für das Unterlegen unter Papier in den Stromateis des Klemens Alexandrinus 5.8.49,48 [vgl. Liddell/Scott, 1877]; vgl. aber ὑπολείπομαι aus Jes 10,22 in Röm 11,3; ὑπολιμπάνειν und ὑπογραμμός fehlen fast ganz in LXX; vgl. aber 2 Makk 2,28 ὑπογραμμός). Ausgesprochen zugewandt ist das dativische „für euch“ (ὑμῖν) vorgezogen, dort direkt beim präpositionalen „für euch“ (ὑπὲρ ὑμῶν) stehend. Die Leserinnen und Leser sind zum „Vorbild“ Christus zunächst Objekt („für euch“), dann aber bereits im Finalsatz grammatisches Subjekt: Christus hat gelitten, damit „ihr seinen Spuren folgt“ (ἵνα ἐπακολουθήσητε τοῖς ἴχνεσιν αὐτοῦ). Das Verb „nachfolgen“ (ἐπακολουθεῖν) wird im übertragenen Sinn im NT verwendet, aber als ‚Nachfolge Christi‘ findet es sich nur im längeren Markusschluss (Mk 16,20; vgl. 1 Tim 5,10). Das Bild der „Spuren“ hält die Hoffenden und Christus auf der gleichen Ebene und trägt eine für die Vorbildchristologie bedeutsame Nuance ein: Es geht mehr um ein Nachfolgen hinsichtlich der Taten und um eine umfassende Art des Lebens als um eine persönliche Beziehung, auf die die Bildvorstellung der „Spuren“ ja wenig angewiesen ist (vgl. dazu Osborne, Guide Lines, 392 f; klar ist, dass im SpurenBild noch nicht vom ‚Verändern‘ sinnvoll die Rede sein kann; so allerdings vorwegnehmend Elliott, 528; vgl. Goldstein, Kirche, 42; zwischen Rettung V. 21b.24 und Vorbild V. 21c.22–3 springend Weihs, Teilhabe, 68 ff.; zu ἴχνη vgl. Röm 4,12; 2 Kor 12,18; aus den Evangelien ἀκολουθέω und μαθητής fehlen in 1 Petr). 22 Die Relativsätze V. 22.23 konkretisieren „Vorbild“ und sind Erklärung zu V. 21b, zunächst Jesaja aufgreifend (zum Problem der Benennung von „Gottesknechtliedern“ vgl. Vouga, Textproduktion durch Zitation). Gemäß Jes 53,9 LXX hat der Knecht die Gesetzlosigkeit (ἀνομία) nicht getan. Um Christus als direktes Vorbild für die Christen darzulegen, formuliert V. 22 um: Christi Leben ohne Sünde (ἁμαρτία) ist Beispiel für den Verzicht auf das Sündigen unter den Hoffenden (so ἁμαρτάνειν V. 20a). Wie in der Vorlage der LXX steht der Aorist von „machen“ (ἐποίησεν) für das historisch Zurückliegende – hier für das Leben Jesu (das Verb ποιεῖν stammt aus der Vorlage, der relat. Anschluss wurde von 1 Petr hergestellt; ohne Engführung, wann Jesu so gehandelt habe, denn 1 Petr arbeitet mit einer „theological reduction of Christ’s passion“ Osborne, Guide Lines, 393). Das Wissen um die Passion Christi vorausgesetzt, geht es bei der Sündlosigkeit Christi in 2,22 nicht nur um irgendein „gut Handeln“ vor dem Konflikt, auch nicht um Konfliktvermeidung, sondern es geht um Jesu spezifisches Verhalten in dem Konflikt. Dieses Verhalten wird in der Vorlage (z. B. Jes 53,10–12) in kultischen Termini verhandelt, und es war z. B. in 1 Petr 1,19 auch mit der Wendung „fleckloses Lamm“ sprachlich kultisch formuliert (vgl. später 2,24) – es entbehrt jedoch hier durch Einholung von 2,20 wieder der kultischen Begründungslogik. Der in der Vorlage vorausgesetzte Tod bleibt hier zunächst ausgeblendet. Die Tatsache, dass nichts „Schlechtes“ (δόλος) in Christi Mund war, liest sich hier im Kontext als Anweisung zum „gut Handeln“, z. B. im Gegenüber zum perversen Despoten, wo es sicherlich auch um verbale Auseinandersetzungen ging (vgl. das Thema der Verbalität im Zitat 3,10–12; die Erwägung bei Neugebauer, Deutung, 70, hier werde die Verleugnung Petri reflektiert, hat keinen Anhalt in der Komposition des Abschnitts). 96

Christus, Vorbild und Wende

2,23

Das Besondere liegt nach 23 nicht darin, dass Christus diese Situation z. B. der Sklaven beendet hätte, sondern es wird unterstrichen, auf welche Weise sein friedvolles Handeln bei ihm auch in der Konfliktsituation noch Geltung hatte. Christi Erleben ist zunächst wie das der Christen in V. 19–20 als Partizip Präsens formuliert: Auf Gewalt hat er nicht reagiert, d. h. Schmähungen hat er nicht seinerseits geschmäht (λοιδοροῦμενος οὐκ ἀντελευδόρει, Impf.). Diese Formulierung geht wohl nicht weiter auf Jes 53,9 zurück (kritisch gegen solche Bezüge Lamau, Exhortation, 126; vgl. aber z. B. Jes 53,7 ‚als ihm Schlechtes getan wurde‘ [κακοποιεῖν]; das Schlüsselwort Leiden fehlt in der LXX-Fassung von Jes 52–53), vielmehr – wenn auch ohne direkten sprachlichen Bezug zu Berichten bei den Synoptikern – ist sie eine allgemeine Referenz auf Passionsberichte (Bezüge zu Einzelszenen in den Evangelien stellen Selwyn, 179 und Achtemeier, 200, Anm. 158.159 vor, ohne dass sich eine bestimmte Szene festmachen ließe; vgl. zum Inhalt aber die Rede Jesu Mt 5,38–42. 1 Kor 4,12 weist eine etwas andere Rhythmik auf ). Es ist unzweifelhaft, dass Christus hier weiter als Vorbild vor Augen gestellt wird, denn die Wendung kehrt 3,9 programmatisch wieder; alle Leserinnen und Leser werden sich dort erinnern, dass man auf Schmähungen (λοιδορία) nicht mit Schmähungen reagieren soll. Auch der Leidensbegriff der zweiten Ausführung stammt offenbar nicht aus Jes 53, sondern der Text lebt von der Szenerie 2,18–20: Christus drohte nicht (ἀπειλεῖν nur noch Apg 4,17 und als Substantiv Apg 4,29; 9,1; Eph 6,9). Die Zeitform Imperfekt zeigt (wie bei ἀντιλοιδορεῖν) an, dass es sich um die ‚Summe‘ des Lebens Christi handelt (vgl. dazu Achtemeier, 201). Weiter wird in der Logik des Vorbilds argumentiert: Das Gegenteil zum falschen Tun ist nicht ein anderes Tun, sondern das Gegenteil ist eine andere Art, wie Jesus sich zu Gott gestellt hat, das heißt seine vorbildliche Art, sich selbst existentiell zu verstehen: Sich dem gerecht Richtenden zu übergeben meint 2,23c „d’intérioriser une exigence éthique, celle de faire vivre – dans la trame de sa propre existence – les grandes attitudes qui furent celles du Christ“ (Lamau, Exhortation, 125). Bei dieser Deutung von V. 23c wird vorausgesetzt, dass das Objekt zu „übergeben“ (παραδιδόναι, wieder im Imperf.) offen gelassen worden ist, um die umfassende Vorstellung auszulösen, nämlich sich selbst in Beziehung zu Gott zu verstehen (vgl. so Calloud/Genuyt, 150: „il faut que le sujet se pose dans sa référence à Dieu.“; vgl. Bigg, 146 „himself“; vorsichtiger Osborne, Guide Lines, 396 „himself“ und auch „his cause“). Die Möglichkeit, dass hier seine Gegner eingeschlossen sind, ist im Kontext ohne Anhalt (so aber Michaels, 147; dagegen Achtemeier, 201), ebenso der Gedanke, das Gericht zum Objekt zu machen (vgl. aber Goppelt, 208). Diese Selbstausrichtung – die Christus vorbildlich gelebt hat – hat ihre Anwendung im Konzept in der Ehrerbietung gegenüber Gott, die in V. 18 von den Sklaven gegenüber Gott erwartet wird (zu φόβος vgl. 3,2.16; 2,23c und 2,18; dieser Konnex auch gesehen von Elliott, 532). Zur Vorbildlogik im Sinne von 2,23c eindeutig an pointierter Stelle am Ende des zweiten Hauptteils des Briefes (4,19): Diese Selbstausrichtung wird von allen Hoffenden erwartet, indem sie ‚ihre Leben (τὰς ψυχὰς αὐτῶν) ganz dem Schöpfer übergeben‘ (4,19 mit παρατιθέναι). Diese Verbindung von 2,23c und 4,19 hebt z. B. Osborne, Guide Lines, 394.398 hervor, ebenso Forbes, 91 (vgl. die Übertragung dieser Selbstreferenz auf die Wirklichkeit der Sklaven bei Osborne, Guide Lines, 40). „Ausliefern“ (παραδιδόναι), in den synoptischen 97

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

Evangelien das typische Wort für das Ausliefern Jesu an die Verfolger, ist entfernt in 2,23c als Wortspiel denkbar: Statt dass die Verfolger ihn ausliefern, ist hier zu berichten, dass er seine Sache an Gott ausliefert (παρεδίδου). Gott ist im Gegenüber zum sich selbst positionierenden Subjekt als „Richtender“ (τῷ κρίνοντι) vorgestellt. Dass Gott hier ausdrücklich als gerecht (δικαίως) Richtender vorgestellt wird, unterstreicht, dass Gott es ist, der für die Hoffenden Quelle und Kriterium des „Gutseins“ ist. Die Aussagen in V. 22–23b bis hierher könnte man sich möglicherweise auch durch andere philosophische Hintergründe motiviert vorstellen; dass dies aber nur sinnvoll gelebt wird als Auswirkung der in Christus exemplarisch vorgelebten Gottesbeziehung, ist der spezifische Beitrag von 2,23c. Die Leserinnen und Leser bemerken, dass ab 24a diese Begründungslogik des Analogisierens von Christus und Christen – sei es ihre Art zu Handeln, sei es ihre Art der Selbstbegründung – verlassen ist. Damit bricht schon der Relativsatz V. 24a: Christus hat unsere Sünden weggenommen (τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν αὐτὸς ἀνήνεγκεν). Auch wenn V. 24a rein syntaktisch das gleiche Verhältnis wie V. 22.23 zu V. 21b einnehmen könnte, so wird inhaltlich klar, dass hier eine vom Vorherigen unterschiedene Begründung einsetzt, zu der auch der Wechsel auf die augenfällige 1. Pers. Plural (τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν) passt; so klar schon Sieffert, Heilsbedeutung, 397: Es hängen „die Verpflichtung zur Nachfolge, welche das Todesleiden Christi als Vorbild giebt, und die daraus hervorgehende Heilswirkung aufs engste zusammen. Allerdings tritt V. 21–23 der erste, V. 24 der zweite Gesichtspunkt hervor“; später Gielen, Tradition, 501: „Auf der Ebene von 1 Petr bildet die Aussage 2,24 den Ermöglichungsgrund dafür, dass Jesu Leiden für die Adressaten zum verpflichtenden Leitbild wird“ (ebenso Vahrenhorst, 128; Donalson, 85: „shift from model to redemption“). Brox, 138 bemerkt die strukturelle Änderung, ohne die theologische Bedeutung auszuführen; er schreibt sie der Tatsache zu, dass 1 Petr in V. 21–23 in eine Vorlage eingegriffen habe, aber V. 24 bei deren Argumentationsweise geblieben sei. Huther/Kühl, 164 bestimmen V. 22.23 zwar zutreffend, bemerken aber den Wechsel in V. 24 kaum und urteilten dazu weiterhin: „Drittes Moment des Vorbildlichen im Leiden Christi“. Um zu unterstreichen, dass mit V. 24 ein neuer Ansatz der Christologie beginnt, wird der Begriff „Sünde“ aufgegriffen und durch seine Verwendung in Jes 53 in einen neuen Zusammenhang gebracht (V. 22 ἁμαρτία; vgl. V. 20b ἁμαρτάνειν). Das Verb „hochtragen“ (ἀναφέρειν, Aorist ἀνήνεγκεν) ist Jes 53,12 LXX entnommen (αὐτὸς ἁμαρτίας πολλῶν ἀνήνεγκεν); das dort beschriebene Erleben (ἀναφέρειν) meint in Jes 53,12 LXX „in den Tod gehen und zu den Ungerechten gezählt werden“. In V. 24 steht nicht mehr das Imperf. wie in V. 23, sondern konsequent der Aorist; dies konnten die Leserinnen und Leser unmittelbar mit dem Erleben Christi in Verbindung bringen (ohne Beziehung zum ἀναφέρειν der Hoffenden 2,5; so auch Goppelt, 210, Anm. 71). Faktisch argumentiert bereits die Vorlage Jes 53,12, dass der Knecht die Sünden „hochgetragen“ hat – dort ohne Zielangabe – ebenso wie 1 Petr 2,24 ohne kultischen Rahmen; Selwyn, 180 zeigt, dass hier im Ganzen keine Opfervorstellung in Anschlag gebracht werden kann, weil man Sünden nicht auf den Altar legen würde (kritisch gegen kultischen Deuterahmen auch Sieffert, Heilsbedeutung, 402; vgl. Breytenbach, Christus, 448). Präzise wird hier Christus als die handelnde Person betont, durch die Wendung „er hat selbst (αὐτός) hochgetragen“. Auch das Tragen „in seinem 98

Christus, Vorbild und Wende

2,24a

Körper“ (ἐν τῷ σώματι αὐτοῦ) ist kein Zitat, sondern historische Referenz, denn Christus wurde körperlich gequält und ist am Leibe zu Tode gekommen – soviel Evangelienerzählung war offenbar bekannt. Sein Tod ist als Sündentragen ‚an das Holz‘ (ἐπὶ τὸ ξύλον) bezeichnet, weil „Holz“ für die totale Ausgrenzung am Kreuz steht (es ist nicht nur eine Metapher um des schönen bildlichen Stils oder urchristlicher Tradition willen, sondern ξύλον ist vorstellbar in Verbindung mit Dtn 21,22–23; so ausdrücklich Gal 3,13 [vgl. Apg 5,30; 10,39; 13,29]. Den aktiven Bezug auf Dtn 21,22–23 unterstreichen Selwyn, 180; Elliott, 533; Wolff, Nachfolge, 436; Jobes, 197; anders Goppelt, 209, der ‚Holz‘ nur im „technischen Sinn“ empfindet). Falls rechtsgeschichtlich das Kreuzigen dort tatsächlich die Strafe für Sklaven war, gäbe es hier eine zusätzliche Verbindung (vgl. Elliott, 524). Der Argumentationsgang speziell in V. 24 sieht deshalb folgendermaßen aus: Dadurch, dass nicht etwa nur ein singulärer Mensch an das Kreuz gebracht wurde, sondern dass er die Sünden dorthin brachte, gelten die Sünden – und nicht nur seine singuläre Existenz – als verachtet und ausgegrenzt; deshalb liegt der Schwerpunkt in V. 24 auf den neu geschaffenen Lebensmöglichkeiten: Das „falsch Handeln“, nicht die Hoffnung, ist ins Abseits geraten! Nochmals: Man kommt nicht umhin, hier den Wechsel zur Transformationschristologie zu konzedieren, so Giesen, Hoffnung, 95 zu V. 24: „Christus ist nicht nur ein Beispiel: er ermöglicht auch christliches Leben“. So wird es im Finalsatz in 1. Pers. Plural ausgeführt (ἵνα … ζήσωμεν; vgl. ἵνα bereits in der Vorbildchristologie in V. 21b). Christi Ausgrenzung am Holz hat die Sünden ausgegrenzt und das Leben ermöglicht. Was das für die Hoffenden bedeutet, gibt „Getrenntwerden“ mit Dativ an (ταῖς ἁμαρτίαις ἀπογενόμενοι): Die Beziehung zu den Sünden ist für sie kein Lebensgrund mehr (begrifflich ähnlich Röm 6,1– 12, aber anders argumentierend). ἀπογίγνεσθαι im Partizip meint auf der Bildebene das Sterben. Inhaltlich wäre aber im Kontext hier völlig unklar, wie die Hoffenden den Tod Jesu nachvollziehen; die Heilsbedeutung hängt hier also gerade nicht am Mitsterben, denn das Hauptverb des Satzes ist „leben“ (ζήσωμεν), ἀπογενόμενοι ist das untergeordnete erklärende Partizip! In 3,18 zeigt 1 Petr, dass er zwei präzise den Tod bestimmende Verben zur Hand hätte, nämlich ἀποθνῄσκειν und θανατοῦν. Es geht also in V. 24 um das ‚final getrennt‘ werden von den Sünden! Mit „Sünden“ (wie zuvor in V. 24 ἁμαρτίαι; vgl. V. 20 ἁμαρτάνειν) ist schlicht gesagt: „Falsches Handeln in falscher Orientierung“. Im Vorgriff auf V. 25 ist den Christen also mit dem Christusereignis die Orientierungslosigkeit (vgl. πλανᾶν V. 25) keine Orientierung mehr (vgl. ἀπογίνεσθαι V. 24). Ihre Lebensmöglichkeit besteht nun in „der Gerechtigkeit“ (τῇ δικαιοσύνῃ ζήσωμεν). Entscheidend für das Verständnis der damit vorgelegten Begründungsleistung ist, dass der Wandel in Gerechtigkeit mit „leben“ qualifiziert wird; ζῆν im Aorist (ζήσωμεν). Ebenso wie ἰᾶσθαι (ἰάθητε; in der Sache vgl. 1,3; 2,4.5; 4,6; vgl. 4,5) bezeichnet ζῆν nicht den Vollzug von Lebenszeit, sondern wie bei dem Verb ζωοποιεῖν 3,18 die durch die Auferstehung wirksame Existenz. Durch dieses Hauptverb des Finalsatzes ist also klar: Die Neuausrichtung an der Gerechtigkeit Gottes ist nicht allein als Folge des ‚ans-Holz-Gehens‘ Christi verstehbar, sondern sie ist erst mit der Auferstehung als zentralem Offenbarungsereignis (1,3.20; 3,18; vgl. 2,6) wirksam, da das Ereignis der totalen Ausgrenzung und der Auferstehung Christi die Hof-

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2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

fenden erst zu einem qualifizierten Leben – also „life, which is life indeed“ (Selwyn, 181) – hin transformiert. Der auf den ersten Blick hermetisch wirkende Versteil 24b war in seiner Vorlage Jes 53,4 f. LXX durch medizinische Begrifflichkeiten (ἐτραυματίσθη, τῷ μώλωπι αὐτοῦ ἡμεῖς ἰάθημεν, Jes 53,5) eingebunden und dort verständlich. In 1 Petr 2,24b ist αὐτοῦ aus Jes 53 sprachlich elegant in οὗ umgewandelt, das „wir“ (ἡμεῖς ἰάθημεν) ist gestrichen, stattdessen ist die 2. Pers. Plural (ἰάθητε) eingeführt. Aber was ist in diesem neuen Zusammenhang die „Verwundung“ (τῷ μώλωπι) Christi? Und wie wurde „geheilt“? Eine poetische Durchformulierung des bisher Gesagten ist erkennbar: „Wunde“ bezeichnet in umfassender Weise das Erleiden Christi am Leib (vgl. σῶμα V. 24a); aber dass ein so Verletzter jemand anderen zum Leben bringt, ihn heilt, ist in der vorliegenden Bildlogik gänzlich paradox (ἰᾶσθαι im Aor.; Selwyn, 181 verweist mit Theodoret in Verbindung mit Mk 2,16 f auf diese Paradoxie). Die Logik entstammt nicht dem Bild, sondern dem Christusgeschehen: Weil der Verwundete am Kreuz den Hoffenden das Leben in ganzer Qualität gebracht hat (V. 24a), darum kann gerade er als Heilender bezeichnet werden (V. 24b). Deshalb wird Christus konsequent im abschließenden Satz 25 als Wende in der Zeit bestimmt (ἐπιστράφητε νῦν, vgl. 2,10; vgl. 3,21), auch ohne dass Christus explizit genannt wird. Die Leserinnen und Leser wissen: Für das in V. 25 angegebene Heilsereignis ist Christus die „concrétisation du projet du salut“ (Lamau, Chrétiens, 314). Es gibt eine klare Verbindung zum Vorherigen, weil V. 25 mit dem Bezug auf Jes 53,6 LXX (πάντες ὡς πρόβατα ἐπλανήθημεν ἄνθρωπος τῇ ὁδῷ αὐτοῦ ἐπλανήθη) die Verwendung von Jes 53,5 in V. 24 weiterführt. Der Übergang vom „Heilen“ zu dem Bild vom „Hirten“ stammt aus Jes 53,5 f., ist aber dort nicht minder hart. Theologisch bringt der von Achtemeier, 204 angeführte Gedankengang in Jes 6,10 – der Zusammenhang von Wenden und Heilen (… ἐπιστρέψωσιν καὶ ἰάσομαι αὐτούς) – Ähnliches zum Ausdruck. Das Verb ἐπιστρέφειν ist aus Jes 53,5 f. genommen, aber in anderer Wortfolge; deshalb besteht kaum ein Anhalt dafür, dass dieser Bezug – beim sonstigem direkten LXX-Bezug – gerade hier durch ein Traditionsstück vermittelt worden sein sollte (vgl. dazu Achtemeier, 204). Man gewinnt den Eindruck, als vermeide 1 Petr in V. 21–24 bewusst die Darstellung Christi als Lamm, die er in 1,19 verwendet hatte und die auch in seiner Vorlage Jes 53,7 LXX (πρόβατον) bereit gelegen hätte; dann wäre πρόβατον allerdings gänzlich anders in V. 25 zu verwenden, es hat humorvolle Züge. Das „denn“ (γάρ V. 25) weist den Vers als zweite Erklärung des in V. 24a anhebenden Gedankens aus und hebt ihn gerade nicht noch einmal von dem Ganzen (V. 18–24) ab; Osborne, Guide Lines, 401 sieht V. 25 so als „explanation“ zu V. 24b an (vgl. von Soden, 149; Elliott, 537). Klar ist, dass die Christen vor ihrem Christsein, dass heißt ohne die Transformation durch die Auferstehung Christi, ohne Gottesbezug waren. Im Bildprogramm von V. 25 heißt das: Sie sind als Schafe umhergeirrt (vgl. Jes 53,6; in V. 25 aber πλανᾶν im Partizip, πλανώμενοι; ein lockerer Zusammenhang mit Ez 34 ist möglich). Hermeneutisch ist damit die erst aus dem Stand der Berufenen zu entdeckende Form der Beziehungslosigkeit gemeint, die 1,18 als „leer“ und 2,9 als „Dunkelheit“ bezeichnet wurde. In der Konsequenz dieses Gedankens ist Gott der „Hirte“ (ποιμήν) und „Aufseher eures Lebens“ (ἐπίσκοπος τῶν ψυχῶν ὑμῶν), nicht etwa Christus; denn gemäß 4,19 100

Christus, Vorbild und Wende

2,24b

hat Gott als Schöpfer des Lebens Anspruch darauf (für Gott als Subjekt Brox, 139 und Osborne, Guide Lines, 403 f; für Christus aber z. B. Elliott, 538 mit dem schwachen Argument der sonstigen Verwendung im NT, vgl. Joh 10; Hebr 13,20). Die Formulierung ist weder Jesaja entnommen noch wurde sie in Verbindung zu den späteren Aussagen in 5,2 oder 5,4 gebildet, sondern sie ist eine für dieses Abschnittsende formulierte dialektische Grundlage des Lebens der Christen. Wie es aus 2,18–20 bekannt ist: Die Sklaven sollen gegenüber ihren Hausherrn (δεσπόται) gut handeln, obwohl diesen Hausherren – und sogar den Königen und Statthaltern 2,13–14 – gerade jeder theologische Selbstanspruch abgesprochen wird. Das wird hier durch V. 25 damit erklärt, dass allein Gott im existentialen Sinne ‚Hausherr‘ (ποιμήν und ἐπίσκοπος) ihrer Leben (ψυχή im Plural) ist; nur dieser Hirte hat einen Anspruch auf Ehrfurcht (vgl. z. B. φόβος 2,18 in Verbindung mit 2,17), der den ‚Hausherren der Häuser‘ nicht zukommt – die bekommen „nur“ Unterordnung und Freundlichkeit geboten. Der zweite Begriff „Aufseher“ (ἐπίσκοπος) stellt zu diesem Zweck eine Interpretation des ersten Begriffs „Hirte“ (ποιμήν) dar: Es geht um Gottes Anspruch als Richter, den er im Gericht – ‚am Tag des Daraufsehens‘ (ἐν ἡμέρᾳ ἐπισκοπῆς 2,12) realisiert. ψυχή meint im umfassenden Sinn das ‚Leben‘ (vgl. 1,9.22; 3,20; 4,19). Einerseits scheint es so, als ob V. 24 als zweiter Teil der Christologie unter der theozentrischen Aussage in V. 25 zu subsumieren wäre, andererseits gibt 1 Petr keinen anderen Schlüssel zum Verstehen des „Umwendens“ (ἐπιστρέφειν, Aorist wie in V. 24a und in V. 24b) als das Leben schaffende Ereignis Christi.

3,1–6: Unterordnung der Ehefrauen und die Macht des milden Geistes [2,13a Ordnet euch jedem menschlichen Geschöpf wegen des Herrn unter], 1a gleicherweise die Frauen, sich den eigenen Männern unterordnend, 1b damit, auch wenn einige dem Wort unfügsam sind, [sie] durch die Lebensführung der Frauen ohne Wort gewonnen werden 2 – eure heilige, ehrfürchtige Lebensführung betrachtet habend, 3 für sie [zähle] nicht die äußerliche Welt des Haargeflechts und des Goldanlegens oder des Anziehens der Gewänder, 4 sondern der herzensverborgene Mensch durch die Unvergänglichkeit des milden und ruhigen Geistes, der vor Gott sehr kostbar ist. 5 Denn so schmückten sich auch die heiligen Frauen einst, die auf Gott hofften, [indem sie sich] ihren eigenen Männern unterordneten, 6 wie Sarah Abraham gehorchte, ihn Herr rufend. Deren Kinder seid ihr geworden, indem ihr guthandelt und keiner Einschüchterung Ehrfurcht entgegen bringt. Die dritte Konkretion, die nun nach der christologischen Begründung in 1–6 wieder einsetzt, schließt in doppelter Weise an die beiden ersten an: Zum einen kann sich „gleicherweise“ (ὁμοίως) nur auf die prinzipielle Empfehlung beziehen, man habe sich jedem menschlichen Geschöpf um des Herrn willen unterzuordnen (2,13a). Zum andern hängt der Partizipialsatz ὑποτασσόμεναι τοῖς ἰδίοις ἀνδράσιν („sich ihren Männern unterordnend“, 3,1a), der parallel zu … ὑποτασσόμενοι ἐν παντὶ φόβῳ 101

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

τοῖς δεσπόταις („die Sklaven sich in aller Furcht den Herren unterordnend“, 2,18) gebaut ist, von dem Hauptsatz „Ordnet euch … unter“ (2,13a) grammatikalisch ab. Die Argumentation folgt mit Variationen der logischen Struktur, die bereits in den ersten Abschnitten erkennbar war: Die Anweisung an die christlichen Frauen, sich ihren heidnischen Ehemännern unterzuordnen (3,1a), wird noch einmal ausdrücklich mit der strategischen Zielsetzung begründet (3,1b–2 „damit …“; vgl. ὅτι οὕτως 2,15 und zuvor ἵνα 2,12b). „Die Heiden sollen Gott preisen“, lautete das Programm, und wenn einige Ehemänner dem Wort noch nicht gehorchen, dann – so führt die Argumentation weiter aus – sollen sie durch die Lebensführung ihrer Frauen dafür gewonnen werden. In einem zweiten Gedankengang (3,3–6) werden die Anweisungen präzisiert: Die gute Lebensführung der christlichen Ehefrauen besteht darin, dass sie sich innerlich mit einem freundlichen und stillen Geist schmücken. Die Begründung entspricht der Zielsetzung: So haben es auch die heiligen Frauen gehalten, mit dem Ergebnis, dass die angeredeten Ehefrauen deren Töchter sind (3,5–6). Damit bestätigt das Zeugnis der Schrift den Erfolg der in dem Brief empfohlenen Strategie. Nur so, wie es hier dargelegt wird, gewinnen die Frauen ihre für Überzeugungsreden unzugänglichen Männer dafür, die geschenkte Identität anzuerkennen. 1a Das auffordernde Partizip „unterordnend“ (ὑποτασσόμενοι) gestaltet den Imperativ „Ordnet euch unter“ (ὑποτάγητε 2,13a) weiter aus. Die Frauen werden im Hinblick auf ihr Gattin-Sein angeredet, die Rolle der Frau im Allgemeinen oder in irgendeiner Institution steht hier überhaupt nicht zur Debatte (vgl. Elliott, 553). Die externe Textkritik spräche mehr für das Fehlen des Artikels αἱ vor ‚Frauen‘ (so die Lesart im Sinaiticus, Alexandrinus und Vaticanus). Die interne Kritik hat zu beachten, dass die Hauptzeugen bei ‚Sklaven‘ und ‚Männer‘ den Artikel lesen, so dass eine glättende Ergänzung in 3,1 näherliegend ist. Ihre sozial vorfindliche Situation (vgl. Wortanteil „Posten“ / τάξις in ὑποτάσσομαι) sollen die Frauen aus taktischen Gründen nicht zur Verhandlung stellen; es ist also festzuhalten, „dass die Unterordnung nicht um ihrer selbst gefordert wird, sondern dass den Frauen (wie zuvor den Sklaven) dadurch eine aktive Rolle bei der Mission zugemutet“ wird (Feldmeier, 120). Die Determinierung des ‚Gegenübers‘ als die „eigenen Männer“ (ἰδίοις ἄνδρασιν) ist in 3,1 notwendig, weil so klar ist, dass es um die Beziehungen der unmittelbaren Begegnungen im Haus geht – es steht nicht der allgemeine Wert der Frauen als Geschlecht zur Verhandlung. In 1b schließt sich unmittelbar als Finalsatz die Begründung an, die zusammengefasst lautet: Die Unterordnung ist sinnvoll, weil es so möglich wird, die Kunst des „gut Handeln“ zu zeigen und die Ehemänner zu gewinnen. Zunächst steht am Anfang des Finalsatzes ein Konditionalgefüge, das die Bedingung skizziert, unter der die hoffenden Frauen leben: Einige oder viele der Ehemänner erweisen sich – so eine freie Übertragung – als für die Kommunikation über die Botschaft von Gottes Absicht mit den Menschen zunächst nicht zugänglich. Das einräumende „auch“ (καί) legt nahe, dass die Taktik ‚auch‘ für diesen Fall – dem existential und alltäglich Schwierigsten – gilt. Das heißt aber nicht, dass nicht auch zugängliche Ehemänner so zu gewinnen wären. Zur Näherbestimmung dieser Ehemänner ist einerseits zu bedenken: Die partizipiale Ergänzung „dem Wort unfügsam“ (ἀπειθοῦσιν τῷ λόγῳ) ist ähnlich aus 2,8 102

Unterordnung der Ehefrauen und die Macht des milden Geistes

3,1b

bekannt, wo „die Vertrauenden“ und den „dem Wort Unfügsamen“ (τῷ λόγῳ ἀπειθοῦντες) gegenübergestellt werden. Auch in 4,16.17 stehen die Hoffenden denen gegenüber, die dem Evangelium Gottes „unfügsam“ sind (ἀπειθοῦντες); eindeutig geht es um den Umgang mit Gottes Mitteilung und nicht um eine allgemeine (gar: männliche) Kommunikations(un-)fähigkeit. Andererseits gilt: ‚Unfügsam‘ ist aus dem Verb „überzeugen“ (πείθεσθαι) abgeleitet und hebt daher den kommunikativen Zusammenhang hervor; die Belege von „Wort“ (λόγος) im 1 Petr zeigen, dass der Brief mit diesem Begriff die Gesamtheit christlicher Mitteilungen bezeichnet (vgl. 4,17). Daher liegt in 3,1 nicht eine die Kommunikation gänzlich vernachlässigende Wendung vor, die einfach auf „wenn Männer ungläubig sind“ zu reduzieren wäre; nur so bleibt der folgende Hinweis zur Überzeugungsarbeit „ohne Wort“ (ἄνευ λόγου V. 1b) verständlich. Der Ansatzpunkt bei der einzelnen Person als Subjekt ihrer Handlungen ist bekannt: Die einzigen Personen, von denen etwas gefordert wird – dass sie nämlich mit der Unterordnung einen Freiraum schaffen und darin „gut handeln“ –, sind nach 3,1–6 Ehefrauen, die als Christinnen aber gerade nicht ihren Ehemännern, sondern nur Gott in Gehorsam (vgl. ὑπακοή 1,14) und Ehrerbietung (vgl. φόβος 3,2) verpflichtet sind. Brandt, Wandel, 24 bedenkt diese Dialektik weiter: Da nur Gott die Ehrfurcht gehört, sind die Frauen auch nicht ausschließlich am Gefallen durch ihre Männer orientiert, und den Ehemännern ist dadurch die entsprechende Macht entzogen. Schließlich gelingt es den Frauen – das ist offenbar eine Erfahrung dieser Gruppe der Christinnen in entsprechender Lage –, die Ehemänner von ihrer Unfügsamkeit (3,1b) abzubringen. Aber das ist nicht so zu verstehen, dass die Männer den Frauen fügsam werden sollen; es geht vielmehr darum, dass sie ihr Unverständnis hinsichtlich ihrer eigenen Existenz aufgeben (vgl. 2,15 ἀγνωσία) und Gott die Ehre geben (vgl. 2,12 δοξάζειν τὸν θεόν) – kurz: dass sie also gewonnen werden (κερδαίνω, im Futur; zur Überzeugungsstrategie insgesamt s. bei 3,16b; Dettinger, Leben, 263 ff. beschreibt nach einem ausführlichen Vergleich mit philosophischen Texten dieses weder auf Frau, noch auf Haus bezogene Ziel als Besonderheit; Popp, Konvivenz, 303 sieht dadurch sogar alle Hierarchien „als vorläufig und auf diesen vergänglichen Kosmos beschränkt“ deklariert). Das Verb κερδαίνω ist hier verwendet, weil die Männer davon überzeugt werden sollen, aus freien Stücken Gottes Durchdringung der Welt zu verstehen und anzunehmen. In 1 Kor 9,19–22 geht es darum, dass „die kirchliche Arbeit möglichst erfolgreich sein soll“ (Lindemann HNT 9/1, 211), deshalb liegt hier tatsächlich „Missionsterminologie“ vor (Feldmeier, 119, Anm. 407). Das Mittel dieses „process of attraction“ (Elliott, 558) ist auf doppelte Weise angegeben: Erstens durch die Ergänzung vor dem Hauptverb („durch den Wandel der Frauen ohne Wort“, διὰ τῆς τῶν γυναικῶν ἀναστροφῆς ἄνευ λόγου) und zweitens durch die Partizipialergänzung nach dem Hauptverb (V. 2: „indem sie auf euren in Ehrfurcht reinen Wandel schauen“, ἐποπτεύσαντες τὴν ἐν φόβῳ ἁγνὴν ἀναστροφὴν ὑμῶν). Hier ist der erste angegebene Grund die sichtbare Lebensführung der Frauen (ἀναστροφή, vgl. 3,16b und 2,12b; in 2,15 ἀγαθοποιεῖν; zu Lebensführung/ἀναστροφή s. bei 1,15). Das Entscheidende dieses Begriffes ist, wie die Analyse 1,14–15 gezeigt hat, dass damit die Schnittstelle von ‚Haltung‘ und dem für alle sichtbaren ‚Handeln‘ bezeichnet wird: Die Männer verstehen anhand des Wandels auf mittlere Sicht etwas von der inneren Überzeugung der Ehe103

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

frauen, was insbesondere durch den undeterminierten Zusatz ἄνευ λόγου zum Ausdruck kommt. ‚Ohne Wort‘ heißt in 3,1 also nicht ‚absolut schweigend‘, denn in der folgenden Beispielgeschichte spricht Sarah durchaus mit Abraham (gegen eine Bedeutung als ‚Schweigen‘ auch Achtemeier, 210; die Deutung als ‚Schweigen‘ bei Elliott, 559 scheint durch ähnliche Texte der zeitgenössischen Philosophie geleitet). Es heißt auch nicht, dass nicht bei Nachfrage Auskunft über die Motivation gegeben würde – das wird in 3,15 sogar ausdrücklich mitreflektiert. Die Lebensführung ist, wie Prostmeier durch eine überzeugende Ebenenunterscheidung herausgearbeitet hat, „Erkennungszeichen für die dem Handeln zugrundeliegende Lebensorientierung“ (Prostmeier, Handlungsmodelle, 435; vgl. als zweites Kriterium bei Prostmeier, dass Handeln „sozial verstehbar“ ist, ebd.). Tatsächlich wird implizit zumindest vorausgesetzt, dass „den Männern bewußt wird, dass ihre Frauen als Christen so sind, wie sie sind“ (Brox, 143). 2 Die Partizipialergänzung in V. 2 analysiert einen Teil der Strategie genauer: Mit dem gleichen Begriff wie in 2,12b wird jetzt mitbedacht, dass dies ein Ereignis des „Miterlebens“, d. h. des Schauens (ἐποπτεύειν) ist, theologisch eingeordnet in den Zusammenhang der petrinischen Vorstellung des Standes des Offenbartseins (vgl. „nichtsehend lieben“ 1,8; vgl. die Analyse 4,14.17). Gesehen wird „eure in Ehrfurcht reine Lebensführung“. Die Anrede „euer/eure“ unterstreicht, dass die Ethik der Hoffenden individuell verantwortet wird: Weder agiert ‚die Kirche‘ (ἐκκλησία fehlt programmatisch in 1 Petr!), noch handelt ein Kollektiv von Frauen, sondern die einzelnen Ehefrauen verantworten unabhängig und selbst diese Art, ihre Männer „gewinnen“ zu wollen. Der Wandel soll vorbildlich und gut sein (ἁγνός) und, so ist zu ergänzen, er wird durchsichtig für die Lebenshaltung, von der die Ehefrauen getragen sind; damit wird er für Gott durchsichtig, der sie heilig und damit auch rein berufen hat. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass der Wandel durch „in Ehrfurcht“ expliziert ist (ἐν φόβῳ; vgl. dazu Achtemeier, 210). Diese Bedeutung von φόβος ist mit den Wendungen „nicht dem Schrecken [πτόησις] Ehre gebieten“ (3,6) und „ihrer Furcht [φόβος] keine Ehre gebieten“ (3,14) zu begründen (zu Ehrfucht/φόβος s. bei 2,18). In 3,2 geht es überhaupt nicht um Keuschheit, wie auch Lippert, P., Leben als Zeugnis. Die werbende Kraft christlicher Lebensführung nach dem Kirchenverständnis neutestamentlicher Briefe, SBB 4, Stuttgart 1968, 76 überzeugend zeigt (aber unzweifelhaft anders Eph 5,33). Der lange Relativsatz 3–4 untermauert diese Individualität und Verantwortung durch die Einzelne (Relativpronomen 2. Pers. Plural), und er wagt, den Imperativ „sei“ (ἔστω) im Sinne von „habe Bedeutung“ in den Relativsatz zu ziehen (ὧν ἔστω, vgl. ebenso 5,9 ᾧ ἀντίστητε und 5,12 εἰς ἣν στῆτε). Klar ist die schon in 1,14–15 und 2,10 (vgl. 2,16) angewandte Gegenüberstellung der unmöglichen und der angemessenen Ausführung der Haltung, konsequent bereits allgemein in den Nomina einander gegenüber gestellt: ‚Welt‘ wäre im petrinischen Sinne ein zum Scheitern verurteilter Versuch, „über das Ganze“ zuzugreifen (V. 3 κόσμος) gegen die Mittel der Hoffnung individueller Menschen (V. 4 ἄνθρωπος). Im Speziellen ist ‚die Welt‘ (κόσμος) die Versuchung, Wertschätzung existentiell durch Vergleich und Gewinn aus diesen Begegnungen zu ziehen – was bereits nach den Andeutungen der scharfen Konflikte innerhalb der Haussklavenfrage 2,18–20 kaum vorstellbar erscheint – das ist präzise 104

Unterordnung der Ehefrauen und die Macht des milden Geistes

3,5–6

das Problem, die ‚äußere Welt‘ sein zu wollen (V. 3 ὁ ἔξωθεν … κόσμος). Und dagegen steht das Agieren mit einem „dem Herzen verborgenen Menschen“ (V. 4 ὁ κρυπτὸς τῆς καρδίας ἄνθρωπος), also – ohne dass ‚Herz‘ in 1 Petr ein klares Konzept hat (vgl. 1,22; 3,15) – ‚in gutem Kontakt mit dem inneren Wesen‘. Verhandelt ist hier wiederum nicht eine Form der Stille (vgl. 3,15), offensichtlich auch keine selbstgewählte Unbedeutsamkeit, denn schließlich wird immer noch ein Finalgefüge über das radikale Verändern der Ehemänner expliziert! Der Strategie völlig angemessen ist V. 3, der – in der Absicht zumindest auch spürbare – Versuch, anhand der Genitive das Verhandeln von Lebensentscheidungen möglichst konkret in die Lebenswelt zu reflektieren: Das „Flechten der Haare“ (ἐμπλοκὴ τριχῶν), „das Anlegen von Goldschmuck“ (περίθεσις χρυσίων), „das Anziehen der Gewänder“ (ἔνδυσις ἱματίων). Ob dieses Ziel überhaupt mit diesen Formulierungen erreicht wurde, darf bezweifelt werden (wahrscheinlich zu Recht Frankemölle, 53: „etwas banal“). War nicht doch der gelungene poetische Stil der Reihung wichtiger? Sprachlich stärker dem Briefganzen entsprechend skizziert V. 4 (nicht parallel zu V. 3 im Genitiv, sondern mit ἐν) den Stil des Handelns überzeugender Ehefrauen: Sie agieren „milden“ (πραΰς, die Verbindung zu πραΰτης 3,16 ist unübersehbar) und „ruhigen“ (ἡσύχιος) Geistes (τοῦ πραέως καὶ ἡσυχίου πνεύματος); dem Geist (πνεῦμα) kommt in 1 Petr und insbesondere hier kaum eine größere theologische Bedeutung zu. Dass dies Mittel der Unvergänglichkeit (ἄφθαρτος substantiviert, die erneute Verwendung von κόσμος würde den Gewichtungen der Begriffe zuwiderlaufen) sind, lebt wohl weniger von einer weit zurückgreifenden christologischen Tiefenbegründung (vgl. jedoch φθάρτος 2,18) als vielmehr von der mitgedachten Dauer und Dauerhaftigkeit des in 3,1–6 diskutierten Überzeugungsprozesses im absoluten sozialen Nahbereich. Gerade deshalb aber ist es „vor Gott so wertvoll“ (πολυτελής); eine gegenüber dem Gold des Schmucks verschobene – aber nicht in der Abgrenzung davon abhängige – tiefgreifende Werteverschiebung ist unübersehbar. Der selbständige Satz 5–6 ist keineswegs ein historischer Exkurs und auch nicht eine durch den Begriff ‚Unterordnen‘ (ὑποτασσόμεναι) in 3,1 und 3,5 angezeigte Klammer, sondern dieser Satz antwortet auf die brennende Frage: Hat der mühsame, konfliktreiche und offenbar langwierige Überzeugungsprozess durch ‚milden Geist‘ überhaupt je Erfolg gehabt? Die Antwort lautet – man darf als moderner Ausleger gestehen, dass die Überzeugungskraft leicht abständig bleibt: Die Tatsache, dass es jetzt hoffende Frauen gibt (nämlich Töchter der Sarah, V. 6), ist der schlagende Beweis dafür, dass die auch von Sarah angewandte Strategie vollumfänglich Erfolg hat. Der Vergleichspunkt, die bedeutsamen Frauen aus früheren Zeiten (vgl. αἱ ἅγιαι γυναῖκες) mit den jetzt Angesprochenen, ist präzise durch zwei Partizipialkonstruktionen vor und nach dem Hauptverb gesichert („hoffend … sich unterordnend“, αἱ ἐλπίζουσαι … ὑποτασσόμεναι). Das Hauptverb in der Mitte (ἐκόσμουν ἑαυτάς) bietet ein Sprachspiel: Dass sich die Frauen „auch“ (einräumendes καί) „schmückten“ (κοσμεῖν im Imperf.), ist in maximalem Abstand zur Welt des Schmucks (vgl. περίθεσις χρυσίων V. 3) gedacht. Denn ihr ‚Schmuck‘ ist – soviel wissen die auf Schlüsselbegriffe achtenden Leserinnen und Leser –, dass sie ihr Leben auf die geschenkte Identität gründen, petrinisch: Sie hoffen „zu Gott“ (ἐλπίζειν mit εἰς; zu Hoffnung / ἐλπίς s. bei 1,3). Die Frauen haben die zu belegende Taktik angewandt und sich den eigenen Ehemännern unterge105

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

ordnet (ὑποτάσσειν, sonst fast nur noch in der großen Konstruktion 2,13a; 2,18; 3,1a; im Sprachspiel dazu ganz anders 3,22). Auch hier ist zu beachten: Zur Verhandlung steht nicht das allgemeine Verhältnis von Frauen und Männern, sondern es geht um die schon von Sarah ergriffene Möglichkeit, die der vorfindliche Nahraum mit dem eigenen Ehemann (vgl. ἴδιος 3,1a) bietet. Dem mit biblischen Geschichten Vertrauten ist das eigentlich vorstellbar („preuve d’un peu de bonne volonté“ Schlosser, Israel, 379); aber tatsächlich ist es biblisch nicht voll zu belegen, dass gerade Sarah so eine Frau war, die Hoffnung und Unterordnung zusammenhalten konnte (vgl. aber Sarah als Mutter in Jes 51,2). Deshalb ist just dieses Beispiel „nicht ohne Humor“ (Steetskamp, Unterordnungen, 39) gewählt, weil man durchaus „den Eindruck bekommen [kann], dass Sara als Vorbild des Gehorsams nicht allenthalben taugt“ (aaO., 40). Möglicherweise um der Erzählbarkeit willen wird hier nicht der petrinische terminus technicus „Unterordnen“ (ὑποτάσσομαι), sondern „Gehorchen“ (ὑπακούειν im Aorist; ὑπακοή 1,2.14.22, jedoch gerade ganz anders für das Gottesverhältnis) und ihn ‚Herr nennen‘. Auch letzteres ist wohl dem Erzählstil geschuldet, die grundsätzliche existentielle Unterscheidung zwischen den Gebietern (vgl. δεσπότης 2,18) und Gott dem einen Herrn (vgl. κύριος 1,25; 2,3.13; 3,12; vgl. Christus 1,3; 3,15) wird aber nicht aufgehoben. Das Ganze ist auch ohne die Identifizierung einer Anspielung auf Gen 18,12 vollständig verstehbar. Entscheidend ist hier der Gedanke, Sarah sei damit langfristig so überzeugend gewesen, dass die Ehefrauen heute noch von ihrem Beispiel leben können, ja, ihre Töchter (so wohl τέκνα in diesem Zusammenhang) geworden sind (ἐγενήθητε, Aorist). Bei den Sarah wie ihre modernen Töchter näher bestimmenden Partizipien (ἀγαθοποιοῦσαι und μὴ φοβούμεναι) liegt wieder petrinische Terminologie vor: Ihr als Töchter folgt guthandelnd dem gleichnamigen Konzept (ἀγαθοποιεῖν; zu „gut Handeln“ / ἀγαθοποιΐα s. bei 4,19), und ihr wendet das Prinzip der responsorischen Ehrfurcht nur gegenüber dem Berufer an, also gegenüber Gott. Das wird hier sprachlich prägnant den konflikthaften Weg reflektierend, 3,1–6 abschließend, in der Negation ausgesagt und am besten verstanden als: „Deshalb gewährt ihr der Angst keine Ehrfurcht“ μὴ φοβούμεναι μηδεμίαν πτόησιν (vgl. 3,14); die Herkunft dieser Wendung aus Spr 3,25 οὐ φοβηθήσῃ πτόησιν ist möglich. Zu φόβος bzw. φοβεῖν 1,17; 2,17.18; 3,2.16; zu Ehrfurcht/φόβος s. bei 2,18). 3,7: Die Form der Unterordnung für übergeordnete Männer [2,13a Ordnet euch jedem menschlichen Geschöpf wegen des Herrn unter] 7 die Männer gleicherweise, einsichtig zusammenwohnend wie mit einem schwächeren Gefäß, mit dem weiblichen, ihnen die Ehre erweisend wie auch als Miterben der Gnade des Lebens – damit eure Gebete nicht gestört werden. 7 Die vierte Konkretion des Imperativs von 2,13a (ὑποτάγητε πάσῃ ἀνθρωπίνῃ κτίσει) betrifft nach der Anrede der Ehefrauen in 1–6 nun die Ehemänner; sprachlich nicht schön, aber konsequent Vinson, 154: „Likewise husbands (should be subordinate to everyone) by living together.“ Vorsicht aber mit dem Begriff der Symmetrie: Angesprochen sind nicht die Ehemänner der Frauen, von denen in 3,1–6 gesprochen 106

Die Form der Unterordnung für übergeordnete Männer

3,7

wurde („Unfügsame des Wortes“), sondern angesprochen sind die Ehemänner, die symmetrisch der Aufgabe jener Ehefrauen entsprechend die Überzeugungsarbeit im direkten sozialen Nahfeld zu leisten haben. Die Kontinuität zum Imperativ in 2,13a ist grammatikalisch durch „gleicherweise“ (vgl. ὁμοίως 3,1a) und durch die auffordernde Partizipialkonstruktion (συνοικοῦντες) gesichert. Quantitativ fällt auf, dass die Empfehlungen länger und die Begründungen kürzer werden. Qualitativ sind mehrere Dinge zu beobachten: Die Ehemänner sollen sich ihren Frauen nicht „unterordnen“, sondern ihnen „Ehre erweisen“, wie man den König ehren soll (ἀπονέμειν τιμήν; vgl. τιμᾶν 2,17). Und die Frauen werden nicht nur funktional wie die Könige, die Statthalter, die Sklavenhalter und die Ehemänner ‚für etwas‘ betrachtet, sondern sie sollen mit Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit wahrgenommen werden (mitsamt Einsicht in Schwäche). Zu beachten ist auch, dass der Begriff der ‚Miterben‘ Gleichberechtigung voraussetzt (vgl. συγκληρονόμος; mit der teilenden Logik von συνοικεῖν). Unübersehbar ist schließlich dass die Zielsetzung („damit …“, vgl. εἰς τό 3,7d) den bisherigen Rahmen von Zielen (2,12b ἵνα; 2,15; 3,1b ἵνα; vgl. 3,16b ἵνα) verlässt: Der Respekt, in dem sich die Unterordnung und die Umgestaltung des Verhältnisses zwischen Mann und Frau im christlichen Haus äußern, wird nicht mehr paradox in der missionarischen Perspektive gesehen, die Heiden zu überzeugen, sondern er gilt als notwendige Bedingung für eine Gemeinschaft des christlichen Lebens. ‚Sitz im Leben‘ der Unterordnung der Männer unter ihre Ehefrauen ist das Zusammenleben (vgl. Sir 25,8) und die gemeinsame Führung des Hauses. Ist „gemäß der Erkenntnis“ (κατὰ γνῶσιν) absichtlich offen formuliert? Bauer, WB 327, übersetzt: „Der christlichen Erkenntnis entsprechend“, was auf eine Seelsorge, wie sie Paulus in 1 Kor 7,1–40 entfaltet, verweisen könnte. Andere lesen: Mit praktischem Verständnis, Rücksicht und Takt (Calvin, CR 83, Sp. 256; Selwyn, 186). Der Kontext macht zweierlei klar: Zum einen soll diese Erkenntnis wahrnehmen, dass die Frauen weniger körperliche Kraft als die Männer haben können (Selwyn, 186 verweist auf Platon, Res publica V, 455D; 457A; Leges 781A). Ebenso wie in 2 Kor 4,7; 1 Thess 4,4 meint „Gefäß“ (σκεῦος) im übertragenen Sinn den menschlichen Körper; die Vorstellung des Körpers als Vase, die die Seele beinhaltet, scheint in der Antike verbreitet zu sein (vgl. Lukrez, De rerum natura III, 441–442; 557–573; 793; Cicero, Tusculanae disputationes I,22). Zum andern soll aber die äußere Erscheinung nicht täuschen; zu dieser Erkenntnis gehört das Wissen, dass die Frauen Miterben der Gnade des Lebens sind (συνκληρονόμαι χάριτος ζωῆς): Vor Gott, d. h. in der Familie Gottes gilt die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, was die Achtung der Männer für ihre Frauen begründet (ἀπονέμειν τιμήν). Erst auf diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass damit auch die Möglichkeit für das Scheitern des Gebets diskutiert werden muss (unabhängig von der Frage ob sich ὑμῶν auf Mann und Frau oder nur auf die Männer bezieht): Die Nicht-Veränderung hin zu einer liebevollen Aufmerksamkeit und Gleichberechtigung von Mann und Frau im Hausverhältnis wäre das Symptom des Gefangengeblieben-Seins in den alten Lebensweisen der Hoffnungslosigkeit und des Unverständnisses der Gnade Gottes. Wer sich in einem solchen Haus an Gott wendet, scheitert sogar mit dem Beten.

107

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

3,8–12: Zusammenfassung. Einfühlung für die Geschwister und Gewaltfreiheit für alle [2,13a Ordnet euch jedem menschlichen Geschöpf wegen des Herrn unter], 8a schließlich aber alle gleichgesinnt [seiend], mitfühlend, bruderliebend, 8b barmherzig, bescheiden, 9 nicht vergeltend Schlechtes mit Schlechtem oder Beschimpfung mit Beschimpfung, sondern im Gegenteil: segnend, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr Segen erbt. 10 Denn der, der das Leben lieben und gute Tage sehen will, der soll die Zunge zurück halten vom Schlechtem, und die Lippen davor, Trug zu reden; 11 [der soll] sich aber abwenden vom Schlechtem und das Gute tun, Frieden suchen und ihm nachjagen, 12 weil die Augen des Herrn auf die Gerechten [sind] und seine Ohren zu ihrem Gebet, doch das Angesicht des Herrn gegen die, die Schlechtes tun. Der Schluss 8–12, der die Sequenz mit universalen Empfehlungen zusammenfasst, ist symmetrisch zu den Empfehlungen, die ihn programmatisch ankündigten (2,11–12a), formuliert. Syntaktisch bezieht er sich ein fünftes (2,13–17; 2,18–25; 3,1–6; 3,7) und letztes Mal (τὸ δὲ τέλος) auf den Hauptsatz und die prinzipielle Aufforderung in 2,13a zurück. Formal lässt er in einer grammatikalisch ähnlich lockeren Weise wie Röm 12,4–21 Adjektive (V. 8) und Partizipialsätze (V. 9) einander abwechseln. Als universale Erweiterung von 2,11–3,7 erfolgen Empfehlungen (keine Imperative, sondern Aufforderungen zu begründeten Verhaltensweisen, vgl. Hare, Sprache der Moral), die sich diesmal an alle Mitglieder der Gemeinde richten (vgl. πάντες). Aber eine Binnendifferenzierung ist doch gegeben: Die Empfehlungen beziehen sich in V. 8a in drei Gliedern zunächst auf Haltungen innerhalb der Geschwisterschaft, gehen dann mit „Barmherzigsein“ (εὔσπλαγχνοι) in die Haltung einer allgemeinen nichtreaktiven Ethik über, die das Handeln in allen Häusern und in den gesamten Bereichen des alltäglichen Lebens bestimmen sollen (3,8b–9a). Daran schließt sich in V. 9b eine Begründung an (ὅτι κτλ.), die auf die logische Kontinuität zwischen den Empfehlungen der offensiven Gewaltlosigkeit und dem Selbstverständnis der Adressaten verweist. Ausgangspunkt alles segensspendenden Handelns ist nämlich die den Erwählten geschenkte Identität selbst: Sie sind berufen worden, um Segen zu erben! Diese Begründung wird ihrerseits durch ein Zitat begründet oder erläutert (ὁ γὰρ θέλων κτλ., V. 10–12 gemäß LXX-Ps 33,13–17), das – wie oft in dem Brief – als solches nicht gekennzeichnet wird und das insbesondere das Prinzip der Nichtreaktivität wiederholt. Mit „schließlich“ (τὸ δὲ τέλος) springt die Argumentation 8 vom Verhalten von Einzelpersonen in bestimmten Situationen zu dem den Hoffenden gemeinsamen Handeln. Explizit werden alle (πάντες) angesprochen. Syntaktisch wird durch eine Kette von Adjektiven die Reihe von auffordernden Partizipien (2,18; 3,1.7) zunächst implizit weitergeschrieben, um dann in V. 9 eindeutig wieder aufgenommen zu werden (μὴ ἀποδιδόντες εὐλογοῦντες). Strategisch aufgebaut ist in V. 8a–9a eine Liste mit sechs Empfehlungen, die aus rein inhaltlichen Gründen zwischen der dritten (‚bruderliebend‘) und der vierten (‚barmherzig‘) nach zuerst binnenkirchlichen und dann (auch) für alle Häuser geltenden Forderungen differenziert werden kann (so Beare, 133 f, vgl. 108

Zusammenfassung. Einfühlung für die Geschwister und Gewaltfreiheit für alle

3,8

Wohlenberg, 95; Huther/Kühl, 187; Burger, 170; Knopf, 133; Bénétreau, 194, mit Hinweis auf die jeweilige Wortsemantik. Anders Achtemeier 225 [ebenso Piper, Hope, 223], der erst mit dem Segen für Andere V. 9 die Öffnung beginnen lässt. Der Vergleich mit 1 Thess 5,13b–15; Röm 12,10–17; Kol 3,12–15; Eph 4,1– 3.31 [vgl. dazu z. B. Achtemeier, 221; Piper, Hope, 218–223] ist deshalb kaum weiterführend, weil klar die petrinische Durchgestaltung der möglichen Traditionsstücke erkennbar ist). Die im ersten Adjektiv ‚einträchtig‘ (ὁμόφρων) implizit enthaltene Einladung meint gerade keine Gleichstellung in der Haltung mit den Heiden (vgl. τὴν τῶν ἀφρόνων ἀνθρώπων ἀγνωσίαν 2,15), sondern einen internen Abgleich der genuin christlichen Haltungen (vgl. 1,16.22–25; 2,18.19; 3,1) innerhalb der Gemeinschaft der Hoffenden (ähnlich wohl Röm 12,1–3: μὴ ὑπερφρονεῖν … σωφρονεῖν; anders Balch, Wives, 88, vgl. Balch, Hellenization/Acculturation, 94 ff.: hier sei der Versuch der Anpassung der Christen an die heidnische Umgebung zu konzedieren; inhaltlich deutlich unterschieden zu ταπεινοφροσύνη 5,5 und ταπεινόφρων wenige Worte später). Auch die zweite Einladung zum Mitfühlen oder Mitleiden (συμπαθεῖς) bestimmt das Verhältnis der Hoffenden untereinander: Die Notwendigkeit der Solidarität der Christen und ihrer Bereitschaft, am Leiden der Mitschwestern und Mitbrüder Anteil zu nehmen, folgt logisch aus ihrer Berufung als Dissidenten, als Gerechte ungerecht zu leiden (2,19–20; vgl. 5,9). Die dritte Einladung, freundschaftlich miteinander umzugehen (φιλάδελφοι) nimmt das in 1,22–25 formulierte und in 2,17 wiederholte Programm wieder auf (vgl εἰς φιλαδελφίαν ἀνυπόκριτον ἀλλήλους ἀγαπήσατε 1,22; τὴν ἀδελφότητα ἀγαπᾶτε 2,17). Liebe ist in 1 Petr die Beziehungsform ad internum, wie auch Delling, Christliche Existenz, 110 zeigt. Es geht also bisher drei mal um „mutual affection within the Christian community“ (Achtemeier, 222; vgl. die funktionale Bestimmung der kirchlichen Gemeinschaft bei Lamau, Chrétiens, 105: „une aide puissante“; Selwyn, 189 beobachtet die „inner cohesion“ als Ermöglichung des besonderen Wandels der Christen. Zur Verwendung des Begriffes in der griech. Philosophie vgl. Elliott, 604). Hier endet die Parallelität mit den Geschwisterschaftstexten 1,22–25; 4,7–11 und 5,1–11 (Erweiterung der Perspektive aber z. B. bei Vahrenhorst, 143 erst nach V. 8). Mit der vierten Einladung erweitert sich progressiv die Perspektive: „Wohlerbarmen“ (εὔσπλαγχνος) kommt im NT nur hier und in Eph 4,32 (εἰς ἀλλήλους εὔσπλαγχνοι) vor, aber man findet den Begriff in einem medizinischen Sinne bei Hippokrates (Prorrh = Praesagia II,9), und dann in einem übertragenen Sinn als Substantiv unter dem Namen des Euripides (Rhesus 192: „mutig“) und in der hell.jüdischen Literatur. Die Wurzel σπλαγχ- spielt eine große Rolle in den Erzählungen der Evangelien und entspricht wahrscheinlich einem verbreiteten Sprachgebrauch im frühen Christentum: ‚Barmherzig‘. Barmherzigkeit aber fragt gerade nicht nach dem Stand des Gegenübers – man ist also mit diesem Begriff aus dem Raum der Geschwisterschaft hinausgetreten. Die fünfte Einladung, sich bescheiden zu verhalten (ταπεινόφρων, ntl. Hapaxlegomenon), wird in den letzten Gemeindeempfehlungen 1 Petr 5,1–11 wiederaufgenommen und mit einem Verweis auf Prov 3,34 LXX theologisch begründet (ταπεινός und ταπεινοφροσύνη 5,5; ταπεινοῦν 5,6). Inhaltlich entspricht die Haltung des Niedrig109

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

Seins dem strategischen Verhalten der Unterordnung (1 Petr 2,13–3,7, vgl. 1 Clem 2,1) – also ausnahmslos allen gegenüber. Die Perspektive bleibt also weit. 9 Der Formwechsel der Empfehlungen von den Adjektiven zu den im gesamten Abschnitt 2,18–3,12 üblichen Partizipialsätzen bedeutet keinen gedanklichen Bruch: Das nichtreaktive Handeln (μὴ ἀποδιδόντες) und paradoxe Interventionen (τοὐναντίον δὲ εὐλογοῦντες) bedeuten keine neue Qualität des Umgangs mit der heidnisch empfundenen Welt, sondern sie sind als logischer Ausdruck der in 2,21–25 christologisch begründeten Haltung zu verstehen. Selwyn, 190: εὐλογοῦντες meint „intercession for enemies, beneficence towards them, and speaking well of them“. Neu sind weder die Disziplin des Verzichts auf symmetrische Reaktionen als Unterbrechung des Kreises der Gewalt (vgl. Girard, Das Heilige und die Gewalt; präzise Popp, Kunst, 493: 1 Petr animiere „zum Risiko der asymmetrischen Anerkennung selbst der Gegner“), noch die Taktik der offensiven Gewaltlosigkeit als Pragmatik der verändernden Kommunikation (Haley, The Power Tactics of Jesus Christ; vgl. Röm 12,14–21, mit den gleichen Begriffen εὐλογεῖν, ἀποδιδόναι, κακὸν ἀντὶ κακοῦ und der gleichen universalen Perspektive; 1 Thess 5,15 und die inhaltlich verwandten paradoxen Imperative Mt 5,38–42/Lk 6,27–35, die nach Metzner, Rezeption, 75 ff. als Vorlage gedient haben), aber neu ist die Art der Begründung: „Weil Ihr dazu berufen worden seid“ (ὅτι εἰς τοῦτο ἐκλήθητε) erinnert die Adressaten an das Gründungsereignis (καλεῖν im Aorist) ihrer neuen Hoffnung als Erwählte: Sie sind berufen worden, „Segen zu erben“ (ἵνα εὐλογίαν κληρονομήσητε; vgl. dazu Goppelt, 228, Anm. 15; Davids, 127). Indem sich die Hoffenden nichtreaktiv im Umgang mit ihrem jeweiligen Gegenüber verhalten, reagieren sie aktiv also auf die Segenstat Gottes (dies als grundsätzliche Überlegung bei Zerbe, Non-retaliation, 286). Elliott, 608 weist auf die spätere – eklatant um das Gründungsereignis gekürzte – Formulierung im Diognetbrief 5,15 hin: Die Christen „werden geschmäht (λοιδορεῖν) und sie segnen (εὐλογεῖν); sie werden beleidigt und sie erweisen (anderen) Ehre“. Im Rahmen des 1 Petr verweist die Wortwahl „nicht Beschimpfung mit Beschimpfung beantworten“ (μὴ … λοιδορίαν ἀντὶ λοιδορίας) unübersehbar auf das begründende Vorbild Christus 2,21–25: Der Beschimpfte, der nicht zurück beschimpfte (ὅς λοιδοροῦμενος οὐκ ἀντελοιδόρει 2,23; zur Forschungsdiskussion dieser Verbindung vgl. Best, Gospel Tradition, 111 f., mit der Annahme, dass es hier um im Urchristentum weitertradierte Erzählungen geht; die enge christologische Anbindung in der Qualität von 2,23 fehlt in der Weiterverwertung 1 Pol 2,2). 10–12 Mit „denn“ (γάρ) wird ein fast wortwörtliches Zitat von LXX-Ps 33,13–17 als Erläuterung und Begründung der Kausalverbindung und der Verheißung V. 9 eingeführt, ohne dass das Zitat explizit kenntlich gemacht wird (vgl. aber 1,16 διότι γέγραπται). Die Hauptveränderung durch die Redaktion besteht in einer doppelten stilistischen Anpassung an den unmittelbaren Kontext des Briefes: Die einleitende Frageform wird durch einen Partizipialsatz ersetzt (ὁ θέλων), und die anschließende 2. Person der Imperative wird entsprechend in eine 3. Person korrigiert (παυσάτω). Die Konstruktion der Bedeutung dieses den Gedankengang abschließenden poetischen Textes für die Leserinnen und Leser lässt sich nach der Lektüre von 2,11–3,9 wie folgt skizzieren: Obwohl die spezifische Heilsmotivation (vgl. zuletzt: „Segen erben“) im Text V. 10–12 kaum Platz zum Einschreiben findet, ist in V. 10 die Entscheidung von 110

Zusammenfassung. Einfühlung für die Geschwister und Gewaltfreiheit für alle

3,10–12

Konflikten an Zunge und Lippe (aus LXX-Ps 33,14) klar zuzuordnen – immerhin war für die Ehefrauen 3,1–6 sogar eine Taktik ohne Worte reflektiert worden, und die unterbrochenen Konflikte gemäß 3,9 („nicht Schmähungen mit Schmähungen“ beantworten) beginnen immer verbal. Fast passgenau für 1 Petr folgt dann „Gutes Tun“ (ποιεῖν ἀγαθόν 3,11 aus LXX-Ps 33,15; vgl. ἀγαθοποιέω 2,15.20 und 3,6; dieses Psalmmotiv als Herkunftspunkt der Guthandeln-Argumentation bei Charles, volonté, 448 ff.); und obwohl „Frieden suchen“ (3,11 aus LXX-Ps 33,15) kaum petrinische Terminologie ist, versteht man das, was petrinisch „Milde“ genannt wird (3,4; vgl. später 3,16), also die erfolgreiche Überzeugungsarbeit der Frauen, als durch das Zitat noch einmal schön aufgewertet. Schließlich bekommt die Vorstellung des Psalms ihre spezifische Anwendung, nämlich dass die Augen Gottes auf den Gerechten sind (aus Ps 33,16 LXX: ὀφθαλμοὶ κυρίου ἐπὶ δικαίους). Und das steht passgenau am Schluss der Argumentation 2,11–3,9, die von der Tatsache einer hohen Aufmerksamkeit aller Menschen auf das Handeln der Hoffenden (vgl. 3,2 „den Wandel sehen“) lebt und die das im Bild von Gottes „Tag des Hinschauens“ reflektiert hatte (vgl. ἐν ἡμέρᾳ ἐπισκοπῆς 2,12).

3,13–4,11: Das gute Handeln in Konflikten (IIb) Der zweite Gedankengang führt Probleme aus der zuvor vorgestellten Strategie in systematischer Ordnung vor und leistet daher konsequenterweise keine weiteren Definitionen des „gut Handelns“ mehr. Das Leiden aber war bisher nur insoweit verhandelt worden, als es schlechtes Handeln und damit eine Gefahr der Glaubwürdigkeit provoziert (vgl. 2,19–20). Der zweite Gedankengang zeigt aber, dass die tiefere Dimension darin liegt, dass ‚negative Rückmeldungen‘ an die Dissidenten der Hoffnung – das „Leiden“ – schwere Rückfragen an die Identität und das Verständnis der eigenen Zugehörigkeit aufwerfen. Das wird in 3,13–4,11 in sechs Abschnitten erörtert, bei denen jeweils thetische Formulierungen vorangestellt sind, die als Überschriften angesehen werden können. – These: Niemand kann die Existenzgrundlage durch Konflikte schädigen (3,13–14a) – Erste Problembehandlung: Leiden bringt die Identität durcheinander (3,13–16; Überschrift: ‚Wer kann Euch Schlechtes tun, wenn ihr Sucher des Guten geworden seid?‘) – Existentielle Begründung: Christus begründet das gerechte Leben und wendet sich den Heiden vorbildlich zu (3,17–22; ohne Überschrift) – Zweite Problembehandlung: Leiden als Gefühl, nicht dazuzugehören (4,1–6; Überschrift: ‚Christus hat auf fleischliche Weise gelitten‘) – Gemeinschaftliche Hilfen: In der gegenwärtigen Zeit braucht es geschwisterliche Unterstützung (4,7–11a; Überschrift: ‚Das Ende von allem ist nahegekommen, seid also weise‘) – Doxologischer Abschluss: Alle Bemühungen dienen Gott (4,11b: Auf dass in allem Gott verherrlicht wird durch Jesus Christus, der die Herrlichkeit ist und die Kraft bis zur Zeit der Zeiten. Amen.‘)

111

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

3,13–16: Leiden bringt die Identität nicht durcheinander 13

Und wen [gibt es] der euch Schlechtes tun wird, wenn ihr Sucher des Guten geworden seid, 14a wenn ihr indessen auch leiden solltet wegen der Gerechtigkeit, [seid ihr] glücklich. 14b Deren Furcht fürchtet aber nicht, und lasst euch nicht verwirren, 15a aber heiligt in euren Herzen den Herrn, Christus; 15b jederzeit bereit [seiend] zur Auskunft gegenüber jedem, der von euch Auskunft fordert über die Hoffnung in euch, 16a indessen mit Milde und Ehrfurcht ein gutes Gewissen habend, 16b damit die, die eure gute Lebensführung in Christus misshandeln, [durch das] zuschanden werden, womit ihr verleumdet werdet.

Vier Abschnitte gliedern 13–16: Erstens wird in V. 13–14a wie eine These in den Raum gestellt, dass niemand, der die Christen ablehnt, die „gut handelnden“ Christen in ihrer Identität anzugreifen vermag (13–14a mit καί an das Vorherige angeschlossen und in der Mitte mit ἀλλά zusammengehalten; offenbar doppelt indikativisch mit zu ergänzendem ἐστίν bzw. ἐστέ). Die positive Seite dieser These ist die Verheißung, dass Gott diejenigen, die diese Konflikte im rechten Sinn durchleben, glücklich macht. Zweitens ergibt sich daraus die Forderung in V. 14b–15a, den Verfolgern keine Ehrerbietung und keine Macht über die eigene Identität einzuräumen, vielmehr sollen – so wiederum die positive Seite – die Christen Christus die Ehre erweisen (V. 14b–15a in der Mitte mit δέ zusammengehalten; dreifach imperativisch). Drittens realisieren sie dies gemäß V. 15b–16a, indem sie dann, wenn sie gefragt werden, Auskunft über ihre Sinnquelle geben, indem sie also das Wissen um die in der Berufung geschenkte Identität weitergeben. Dies gelingt aber nur über ein weiteres Mittel: Auskunft über den Sinn gibt es nicht, ohne dass die Christen in ihrer Identität sicher und an Gott gebunden agieren (V. 15b–16a wiederum wie V. 13–14a in der Mitte mit ἀλλά zusammengehalten; doppelte partizipiale Ergänzung zu V. 14b und V. 15a). Abschließend wird mit 3,16b (ἵνα κτλ.; Finalsatz) der eingeschlagene Weg über das „gut Handeln“ vom Ziel her begründet, denn er führt – mitten durch den Konflikt – dazu, dass die Heiden von ihrem existentiellen Fehlurteil über die Christen und deren Gott Abstand nehmen. Die am Anfang stehende These 13–14a (vgl. Goppelt, 232, der V. 13–14a passend als „Losung“ bezeichnet) führt Vorheriges begrenzt weiter: Aus dem Abschluss V. 10– 12 nimmt sie – deshalb mit καί angebunden – die bleibend zu ertragene Existenz derer, die „schlecht handeln“ (3,12 ποιεῖν κακά) auf und stellt klar, dass dies nicht der Weg der Christen ist (vgl. 3,13 κακοῦν). 13 Der erste Teil der These zielt auf die Intention: ‚Niemand kann eure Identität zerstören.‘ So ist die rhetorische Frage zu verstehen: ‚Wer ist für euch „Schlechttuer“?‘ (κακοποιεῖν im seltenen Part. Futur; zur Möglichkeit des Einflusses von Jes 50,9 vgl. Elliott, 619). Die Frageform von V. 13 erinnert an 2,20 (vgl. 4,17b.18). So wie dort auf die Frage ποῖον κλέος zu antworten war: ‚Gar kein Ruhm‘, so ist auch hier zu antworten: ‚Es gibt keinen Aggressor, der bis in diese Tiefenschicht schaden könnte!‘ Unangemessen wäre es, wenn man erwarten würde, dass das Suchen des Guten unmittelbar Wirksamkeit entfaltet und V. 13 folglich zu lesen wäre: ‚Niemand behandelt 112

Leiden bringt die Identität nicht durcheinander

3,14b

euch mehr schlecht, wenn ihr gut handelt‘. Denn noch in 3,9 wird gerade mit der Dauerhaftigkeit des Schlechten gerechnet, und auch 3,14a verheißt gerade nicht unmittelbare Überzeugungsfähigkeit (programmatisch auf Dauer auch V. 13 τοῦ ἀγαθοῦ ζηλωταί γίγνομαι und nicht z. B. ἀγαθοποιέω). V. 13 ist also dann zutreffend, wenn man die Beziehungsrichtung auf Gott in den Blick nimmt: Niemand kann eure Identität zerstören, wenn ihr „gut handelt“, weil Gott dann euer Fundament ist (vgl. z. B. die Formulierung Achtemeier, 229, dass nichts von Gott trennen kann; vgl. Green, 116; Vahrenhorst, 146; Schelkle, 100 zu Recht mit Verweis auf Röm 8,31. Dass Konflikte aber durchaus die Kraft haben, die Identitäten anzufechten, unterstreicht deutlich Zerbe, Non-retaliation, 274). Der zweite Teil der These 14a führt die V. 13 zugrundeliegende Verheißung aus: Gott hält an seiner Wahl fest, zu denen zu halten, die ihr Leben um seinetwillen führen. Selig (μακάριος) ist kein psychisches Wohlbefinden, sondern ein Stand, der aus der Verheißung Gottes kommt (vgl. 4,13 f ): Es geht um ‚Glück von Gott‘ (Selwyn, 192 referiert die Differenz von εὐλογία, εὐδαιμονία und μακάριος und versteht letzteres als religiöse Freude. Ob – wie Elliott, 623 annimmt – eine Anregung von LXX-Ps 33,9 eingeflossen ist, bleibt unerheblich). Die tiefere Begründung für die Verheißung dieser anspruchsvollen These sucht man in 4,14a vergeblich; sie wird aber mit der folgenden Christologie (3,17–21) erschließbar: Wegen der Tatsache, dass bei Christus sich diese Gottesbeziehung als so stark erweisen hat, dass selbst das Getötetwerden überwunden wurde (3,18), kann die Seligpreisung der unanfechtbaren Beziehung in V. 14a für die Christen hier überhaupt als lebbar deklariert werden. Das gilt auch und gerade angesichts der – grammatikalisch in V. 14a fein wiedergegebenen – ständig möglichen und tatsächlich sich ereignenden Konflikte (πάσχειν im Opt. Präs.; vgl. das einräumende καί und den Optativus potentialis bei Blass-Debrunner-Rehkopf § 385,2). Selwyn, 191 (vgl. Achtemeier, 230 f ) beschreibt die entsprechende Lage der Hoffenden: „It is consistent with a risk which has become an actuality in certain cases, but not more“ (zu Leiden/πάσχειν s. bei 4,1). Die Wendung „wegen der Gerechtigkeit“ (διὰ δικαιοσύνην) fasst wie „wegen des Herrn“ in 2,13 die gesamte in 2,11–3,12 verhandelte Lebensalternative zusammen: Leiden bezeichnet in der These V. 13–14a also einen Konfliktfall unter den z. B. ausführlich in 2,19–20 reflektierten Kriterien: „because they do what as Christians they must, not because they do evil“ (Achtemeier, 231). Die sich an die These anschließende Forderung 14b–15a besteht aus einem verneinenden Teil (V. 14b) und einem positiv formulierten (V. 15a; zum starken inneren Zusammenhalt von V. 14b–15b vgl. z. B. Elliott, 624; Goppelt, 235). Sie gründet auf Imperativen und zitiert modifiziert Jes 8,12–13 LXX. Beide Teile der Forderung zielen genau auf die vom Konflikt gemäß V. 13–14a betroffene Ebene: Verhandelt wird die Ebene der mit dem Konflikt in Konflikt kommenden Identität. Dadurch wird der aktive Anteil der Hoffenden (wieder) entdeckt: Die Identität ist nicht betroffenes oder irgendwie zu rettendes ‚Opfer‘ des Konflikts, sondern die Identität ist der Ausgangspunkt für die Gestaltung des Konflikts! Im ersten Teil der Forderung 14b wird die Gefahr angesprochen, dass die Ehrfurcht vor Gott im Konflikt hinfällig wird; gemeint ist – auch ohne Gott ausdrücklich zu nennen – die Haltung, die auf Gott zurückgeht und auf seine Erwählungstat antwortet

113

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

(für φόβος in dem Zitat im Sinne der durch 1 Petr geprägten Semantik auch Achtemeier, 232; zu Ehrfucht/φόβος s. bei 2,18). Als Imperativ bringt 1 Petr pointiert gegen die vermutete Abirrung vor, dass den Feinden und deren Ansprüchen (bei aller taktisch angeratenen Unterordnung) keine Macht zugesprochen werden soll. Ihre Furcht (φόβος) soll nicht gefürchtet werden (φοβεῖν im Aor. mit Konjunktiv des Verbots); das zeigte in 3,6 das Beispiel der Frauen in der Nachfolge Sarahs: Die Frauen fürchten (φοβεῖν) die Angst (πτόησις) der Männer nicht (Genitiv hier: ‚Angst vor jemandem‘, nicht ‚Angst, die jemand hat‘ ; die LXX-Vorlage ist durch den Wechsel von „seine Furcht“ [τὸν δὲ φόβον αὐτοῦ] zu „deren Furcht“ [τὸν δὲ φόβον αὐτῶν] der petrinischen Argumentation schön angepasst). Die in V. 14b zitierte Vorlage aus Jes 8,12 ist bedeutsam, weil Jes 8,14 bereits in 2,6 herangezogen worden war, um umzusetzen, dass Christus und die Hoffenden von Gott für eine Funktion in der Welt ausgewählt sind: Sie sind Stein des Anstoßes. Die gleiche Zitatvorlage in 4,14a verweist aufmerksame Leserinnen und Leser auf diese Identitätsdefinition. Die verhandelte Bedrohlichkeit des Konflikts bekommt nun aus der Vorlage einen prägnanten und zugleich seelsorgerlich einfühlenden Begriff: Die Identität steht nach V. 14a in Gefahr, „durcheinander gebracht“ zu werden (ταράσσειν im Aorist, wieder Konj. des Verbots) – so wie im direkten Sinne des Wortes auch das Meer aufgewühlt ist (vgl. zu Wasser Joh 5,7 und Joh 5,4 in einem Großteil der Handschriften; vgl. auch die bei Green, 225 hierzu referierte soziologische Einsicht, dass soziale Ausgrenzung identitätsbedrohender sei als physische Verfolgung). Es verhält sich also so, dass die vom ‚Durcheinander‘ bedrohte Identität nicht in erweiterter Konfrontation mit den Unglaubenden, sondern nur in intensiverer Rückbindung an Gott – dem Grund alles existentialen Nichtfürchtens – „aus dem Sturm“ herauszubringen ist. Der zweite Teil der Forderung 15a lenkt den Blick konsequent weg von der Bindung an die am Konflikt beteiligten Menschen und hin zur Orientierung an Christus. „Aber“ (δέ) beschreibt deshalb einen Wechsel der Blickrichtung. Der Brief bleibt weitgehend bei der zitierten Vorlage Jes 8,12–13. In Jes 8,13 LXX heißt es: „Heiligt den Herrn“ (κύριον αὐτὸν ἁγιάσατε, ἁγιάζειν Aorist Imper.). In 1 Petr 3,5 a wird erstens ergänzt: „In euren Herzen“ (ἐν ταῖς καρδίαις ὑμῶν, vgl. dazu 1,22; 3,4. Selwyn, 193 erfasst die Bedeutung von Herz in V. 15 „in the seat of the instinctive and affective life, where fear would reside, if it were present“). Die Hoffenden kommen vom heiligen Gott her, der sie zum heiligen Volk erwählt hat (1,15.16; 2,9.15; vgl. 3,2 ἁγνός); „heiligen“ (ἁγιάζω) und „Heiligung“ (vgl. 1,2 ἁγιασμός) bedeutet, diese Haltung zu repräsentieren. Der Terminus „Herr“ (κύριος aus der Jes-Vorlage bedeutet im spezifischen Kontext in 3,15: Zuschreibung von besonderer Macht, denn nach 2,13a sind die politischen Herrscher menschliche Geschöpfe, und den einzigen theologischen Anspruch hat Gott der Herr (διὰ τὸν κύριον; vgl. auch die Differenzierung zwischen den Hausvorständen [δεσπόται 2,18] und dem einen Hirten [ποιμήν 2,25]). Entscheidend für das Verständnis von V. 15a ist der zweite Eingriff in die Vorlage Jes 8,13 LXX, jetzt nämlich den Herrn Christus (Χριστός) zu nennen: Statt den Menschen Macht zu geben, sollen die Hoffenden ihren Lebenswandel und ihre Ausrichtung so wie Christus gestalten (κύριον δὲ τὸν Χριστὸν ἁγιάσατε). An diese Forderung ist eine Erklärung 15b–16a angefügt, die wiederum aus zwei ähnlichen Teilen besteht (vgl. Vinson, 167 f; auch Elliott, 626 sieht diese Doppeleinheit 114

Leiden bringt die Identität nicht durcheinander

3,16a

V. 15b–16a klar, geht allerdings von einer Unabhängigkeit vom zuvor Gesagten aus): Zuerst eine Konstruktion mit einem pluralischen Adjektiv (V. 15b ἕτοιμοι κτλ.) und dann ein mit ἀλλά verbundenes pluralisches Partizip (V. 16a συνείδησιν ἔχοντες ἀγαθήν). Der erste Teil der Erklärung 15b erläutert, dass es an einem bestimmten Punkt im Konflikt zu Rückfragen an die Hoffnung der Christen kommt. Christen sind dazu befähigt, den Heiden Auskunft zu geben – sie sind dazu bereit (ἕτοιμοι; aufforderndes Adjektiv in Ausführung des Imperativs „heiligt“ [vgl. Adjektiv in 3,8]; vgl. 1,5: das Heil ist bereit; vgl. ἑτοίμως 4,5). Das geschieht im öffentlichen Raum, denn die Auskunft (ἀπολογία) hat im NT Öffentlichkeitscharakter, ohne dass es um ‚Apologie‘ im späteren Sinne ginge (anders Lamau, Chrétiens, 64 mit juristisch-eschatologischer Deutung). Für Substantiv und Verb fehlen weitere Belege im 1 Petr; das Verb ist kaum aggressiv zu verstehen (vgl. Eph 3,13). Auch hier geht es nicht um die konkrete Situation vor einem staatlichen Gericht, denn dann wäre die Antwort ‚an alle‘ unpassend (vgl. πᾶς; so auch Elliott, 627 und Vahrenhorst, Leiden, 63; vgl. zutreffend Goppelt, 236, der von „laufenden Auseinandersetzungen mit Andersdenkenden im Alltag“ spricht; anders Williams, Persecutions, 309 ff.). Dabei befragen die Heiden die Hoffenden nach deren Sinnquelle, nach deren Hoffnung. Gemeint ist die Hoffnung ‚in euch‘, d. h. im Wesen des Herzens jedes Dissidenten, nicht ‚innerhalb‘ des Zusammenhalts der Dissidentenschaft (vgl. Goppelt, 237; der Ansatz von Balch, Wives, 90 f [vgl. aaO., 81], die von ihm vermutete Angleichung an aristotelische Ordnungsvorstellung schlage sich in der hier bezeichneten ‚Apologie‘ nieder, unterschätzt die spezifische Bedeutung der in V. 15b explizit als Objekt angeführten ἐλπίς; zu Hoffnung / ἐλπίς s. bei 1,3). Wie zur Klarstellung wird 16a angefügt (ἀλλὰ μετὰ πραΰτητος καὶ φόβου), als ob 1 Petr ein entsprechendes Missverständnis fürchten würde, demzufolge mit der Aussage in V. 15b isoliert für sich genommen eine andere – nur aus dahergeredeten Antworten bestehende – Überzeugungsarbeit unter Umgehung des mühevollen Einsatzes mit dem Lebenswandel zu begründen wäre (zum Wandel/ἀναστροφή s. bei 1,15). Nur wer auch diesem zweiten Teil der Erklärung Rechnung trägt, kann die Hoffnungsauskunft verantworten (vgl. ἀλλά). Die Hinwendung zu den Heiden soll in der Haltung der „Milde und Furcht“ (V. 16a) geschehen. Der Begriff „Milde“ ist einerseits geeignet, das nichtreaktive Handeln zusammenzufassen (πραΰτης; vgl. nichtreaktiv das verwandte πραῢς Mt 5,5; 11,29; 21,5). Und überdies meint „Milde“ in V. 16 ‚Ruhe und Sicherheit in der eigenen Haltung‘ und bildet damit den prägnanten Gegenpart zum ‚Durcheinandergebrachtsein‘ (vgl. V. 14b ταράσσω). Volf, Identität, 366 weist zu Recht darauf hin, dass in V. 16a die Milde ein Ausdruck von Stärke ist, nämlich die „offene Lebenshaltung der Starken, die ihre eigene Differenz nicht durch Aggressivität untermauern müssen“ (ohne diese Einsicht Burger, 171: „ohne leidenschaftliche Erregtheit“; Wohlenberg, 102: „mit Sanftmut, nicht in leidenschaftlicher Erregtheit“; auch Goppelt, 237 spricht von „Haltung“; vgl. den Zusammenhang vom ‚milden [πραΰς] und ruhigen Geist‘ der Frauen 3,4). Die Milde stellt sich dann ein, wenn Ehrfurcht, d. h. die dankbare Bindung an Gott hinzutritt (z. B. Schelkle, 101: φόβος in V. 16 als „Bewußtsein der Verantwortung vor ihm [sc. Gott]“). V. 16a erinnert daran, dass das speziell in V. 13–16 reflektierte Grundproblem des Konflikts die Falschausrichtung der Ehrfurcht (φόβος V. 14b; zu Ehrfucht/φόβος s. bei 2,18) ist und nicht, wie 115

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

noch 2,19–20, die Gefährdung von Glaubwürdigkeit! Und die Hinwendung realisiert sich darin, dass die Hoffenden ‚gutes Gewissen haben‘ (συνείδησις mit ἔχειν als aufforderndes Partizip weiter zu den Imperativen in V. 14b.15a). Im gelingenden Konflikt geht es um eine Umkehr der Handlungsrichtung: Vom Opfer des Konflikts wandelt der Christ sich – trotz aller mitreflektierten Identitätsgefährdungen – zum Gestalter, der im Konflikt die Möglichkeit zur Auskunft erschließt. Der Missionsatz 16b mit seiner finalen Konstruktion stellt zu V. 13–16a eine Begründung auf strategischer Ebene dar – ohne die Begründungsleistung von V. 17–19 (V. 17 γάρ; V. 18 ὅτι κτλ.) vorweg zu nehmen; die final vorgestellte Mission (ἵνα 2,12a; 3,1b.16b [vgl. anders 2,15]), scheint vielmehr den christologischen Finalkonstruktionen nachgeschaltet zu sein (vgl. ἵνα 2,21.24; 3,18; vgl. ὥστε 1,21). Das wird erzählend auch in 3,19–22 explizit gemacht werden: Christus ist mit der Verkündigung bis an die Grenzen der Welt gegangen – woraus folgt, dass auch die Hoffenden diesen Weg für die Ungehorsamen gehen können. Das Ziel dieser ‚gelebten Berufung‘ ist nun keine Veränderung unter den Heiden auf der Ebene der Befindlichkeit, indem die Ungläubigen sich etwa schämen würden (αἰσχύνομαι; vgl. diese inhaltliche Verkürzung textkritisch aber durch Bodmer-Papyrus 72). Vielmehr wird das gesamte Selbstverständnis der Heiden – was sie für ihre Identität halten – mit den Mitteln der christlichen Dissidenz angegangen: Sie werden „zu Schanden gemacht“ (καταισχύνω im Aorist; ebenfalls mit existentialer Bedeutungsebene, aber als Bewahrte auch 2,6: οὐ μὴ καταισχυνθῇ). Es kommt in diesem Begriff das paradox „aggressive“ Potential zum Vorschein, das Schottroff allgemein zur Feindesliebe herausgearbeitet hat, die Feindesliebeforderung enthalte „einen durchaus aggressiven (nicht im zerstörerischen Sinne) Gedanken: die Feinde sollen ihre Feindschaft aufgeben, sie sollen also verändert werden. Die Feindesliebeforderung ist Appell zu einer missionarischen Haltung gegenüber ihren Verfolgern“ (Schottroff, L., Gewaltverzicht und Feindesliebe in der urchristlichen Jesustradition, in: Strecker, G., (Hg.) Jesus Christus in Historie und Theologie. FS H. Conzelmann, Tübingen 1975, 197–221, 215; zum dortigen allgemeinen Hinweis auf 1 Petr vgl. aaO., 215, Anm. 84). Was in dieser Interkommunikation von Hoffenden und Heiden zur Verhandlung steht, sind nicht deren moralische Fehler, sondern es geht darum aufzuweisen, dass das Leben der Heiden unter Sinngesichtspunkten existenzlos ist (vgl. 3,10) und ihr Wandel leer (vgl. 1,18). Das ist der wertvolle Beitrag des Begriffs „Zuschandenmachen“ im Zusammenhang der ähnlichen Bezeichnungen dieses Moments im Prozess des Missionsgeschehens: „Verherrlichen“ (2,12b), „zum Schweigen bringen“ (2,15), „gewonnen werden“ (3,1). Dies geschieht konfliktreich: Bereits in 2,12 ausführlich in der Aktivform reflektiert, wird in 3,16b dieser Zusammenhang als Passivum kürzer in einen Relativsatz gefasst – man weiß inzwischen, was gemeint ist: „darin werdet ihr verleugnet“ (καταλαλεῖν im Präsens). Wieder ist der Angriff auf die Christen wohl vor allem verbaler Natur und gehört eher zu den Alltäglichkeiten als zu den Extrema des Lebens. Der Relativsatz in V. 16b bezieht sich auf das zuvor genannte „gut Handeln“ (vgl. ebenso 2,12). Christen „selbst sehen den Anlaß für die Attacken jedenfalls in dem Verhalten, das sie gerade aufgrund ihres Christseins an den Tag legen“ (Brox, 161; obwohl dieser Satz die Verbindung herstellt, deutet Brox den Relativsatz temporal, Elliott, 630 hingegen versteht ihn adverbial, ohne einen Bezug zu vorher Gesagtem auszuführen). Die Umgangsweise 116

3,16b

Leiden bringt die Identität nicht durcheinander

mit diesem Konflikt nutzt die Dialektik des Konflikts: Neu gegenüber den ähnlichen Konstruktionen in 2,12b.15 und 3,1b–2 ist, dass die Heiden gerade in der Begegnung mit der Lebensführung der Christen und deren Selbstverständnis in ihrer Identität erschüttert, d. h. „zu Schanden gemacht“ werden. Auf der anderen Seite wendet sich die Ablehnung der Heiden gegen diesen Wandel der Hoffenden, und sie beschimpfen und misshandeln diesen Wandel (ἐπηρεάζοντες als partizipiale Ergänzung; vgl. die Jesustradition Lk 6,28). Insgesamt geschieht gemäß V. 16b christliche Überzeugungsarbeit nicht in einer theoretisch einfach gelingenden Situation des „gut Handelns“. Das erinnert an die Strategie der Bergpredigt: „Liebt eure Feinde, und tut Gutes“ (ἀγαθοποιεῖν Lk 6,35). Viermal wird die Missionsabsicht in unterschiedlichen grammatischen Konstruktionen dargelegt (2,12.15; 3,1.16), wobei eine gemeinsame Voraussetzung – die taktisch gewählte ‚Existenz vor Ort‘ (vgl. ὑποτάσσειν 2,13 ff.) – und klar erkennbare Schritte im Prozess des Missionsvorgangs auszumachen sind (Elliott, 468 macht deutlich die Sequenz ‚Verfolgung–Zuschauen–Verherrlichen‘ für 2,12 aus; anders Volf, Identität, 367, der nicht mit einem Nacheinander rechnet, sondern mit einer Gleichzeitigkeit verschiedener Subjekte in einer „Pluralität der Welten“). 2,12 Das Mittel

2,15

Schöner Wandel Gut Handeln

3,1–2

3,16

Wandel ohne Wort Gutes Mitwissen in Milde und Ehrfurcht

Die Öffentlichkeit Die Heiden schauen hin

(vgl. 2,14)

Die Heiden schauen hin

(Keine Angabe)

Der Konflikt

Sie verleumden

(Keine Angabe)

(Keine Angabe)

Sie verleumden das gute Mitwissen und misshandeln den Wandel

Die Beharrlichkeit

Schöne Werke

(Keine Angabe)

Wandeln in Ehrfurcht vor Gott

Die Hoffenden verfolgen ihren Wandel in Christus

Die existentielle Einsicht

Sie verherrlichen In ihrem Unwissen Sie werden für Gott am Tag des zum Schweigen Gott gewonnen Hinsehens gebracht

Sie werden zu Schanden, d. h. existentiell angegangen

Mission geht also als Überzeugungsarbeit von einer Begegnung mit dem guten Lebenswandel der Hoffenden (1.) aus. Damit verlassen sich die Dissidenten auf die Wirkmächtigkeit ihres Handlungskonzepts, das sich dadurch, dass es ihrer Haltung entspricht, durch tatsächlich vollzogene Handlungen und durch Nichtreaktivität auszeichnet. Der zweite Schritt ist die Feststellung, dass gerade dieses Mittel für sich Öffentlichkeit herstellt (2.), also mit dem Daraufschauen (vgl. ἐποπτεύω 2,12; 3,2) der Heiden rechnet. Diese Öffentlichkeit wird aber nicht wie in einem Zusatzprogramm ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ hergestellt, sondern sie ist nur dann wertvoll, wenn sie ‚sich‘ herstellt; das geschieht, indem die durch das „gut Handeln“ durchsichtig werdende Geschenktheit der Identität ihre Anziehungskraft – für Verwandlung wie für Ablehnung – entfaltet. Die Anziehungskraft ist in der Tiefe Ausdruck der eschatologischen Situation, in der Gott den Geist der Herrlichkeit, dass heißt die fragmentarische ‚Vorweisbarkeit‘ Gottes, auf die Hoffenden gelegt hat (vgl. 4,14). Der dritte Schritt besteht in der Erfahrung, dass genau dieses „gut Handeln“ auch Ableh-

117

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

nung (3.) auslöst. Die Ablehnung richtet sich gerade gegen das existentiell provozierende Handeln, nicht gegen die Handelnden. Das geschieht deshalb, weil darin die Identität zur Verhandlung steht, so wie Christus wegen seiner Berufung zum Anstoß wird. Im vierten Schritt geht es darum, dass in dem Konflikt die Grundlage des Handelns sichtbar werden muss: Entscheidend ist dazu nicht, dass die Heiden das Handeln irgendwie einfach gut finden, sondern dass ihnen „aufgeht: Die Christen haben im Gehorsam gegen den lebendigen Gott gehandelt“ (Brandt, Wandel, 14). Das geschieht aber nur, wenn die Identität zu einer Beharrlichkeit führt (4.), die auch im entscheidenden Augenblick – am ‚heißen‘ Punkt des Konflikts – bestehen bleibt. So entfaltet sich die „Katalysatorfunktion“ der dissidenten Missionsstrategie („Katalysatorfunktion“ von Gielen, Tradition, 358 allgemeiner für gutes Handeln eingeführt: die Annahme Fagbemi, Identity, 375, gutes Handeln sei deshalb eher passiv, unterschätzt den aktiven Input des Prozesses)! Dazu gehört an einem gewissen Punkt auch gemäß 3,15 die explizite Auskunft über den tragenden Sinn des dissidenten Lebens. Die Nichtreaktivität in diesem Schritt ist Ausdruck dessen, dass die Haltung nicht in Auseinandersetzung mit den Heiden, sondern als Antwort auf Gottes Berufung zu Stande kommt. Nur dann gelingt der fünfte Schritt, die existentielle Sinnvermittlung (5.). Die verwandelten Subjekte nehmen so Teil an Gottes Willen für die Welt: Nicht ihr ‚Falschtun‘, sondern ihr ‚Unverstehen‘ (2,15) wird zum Schweigen gebracht. Und die Völker sollen eines Tages ‚Gott verherrlichen‘ (2,12). Inhalt der Mission sind also – wie in 2,1–10 abstrakt formuliert war – nicht neue Verhaltenskodizes, sondern es wird gesagt, dass die Identität von Gott in der Berufung geschenkt worden ist. Es steht zu vermuten, dass dieser letzte Schritt nicht ein theoretisch hergeleitetes Ziel des Autors war, sondern dass eine konkrete Erfahrung des Erfolges der dissidenten Strategie im Hintergrund steht, wie sie Volf in seiner Studie zum Petrusbrief aus heutiger Sicht formuliert: „Es ist nicht abwegig, dass der Ruf, den Weg der Nachfolge des leidenden Christus zu gehen, sich langfristig wirksamer erwiesen hat, als der direkte Angriff auf die unterdrückenden politischen, wirtschaftlichen und patriarchalen Strukturen je hätte sein können.“ (Volf, Identität, 365, Anm. 39)

3,17–22: Das Vorbild Christus ist bis über die Grenze gegangen 17

Denn es ist besser als gut Handelnde – wenn es der Wille Gottes will – zu leiden als als schlecht Handelnde, 18ab weil auch Christus einmal für die Sünden gelitten hat – als Gerechter zugunsten der Ungerechten –, damit er euch zu Gott hinführt, 18c [der wurde] zwar getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist, 19 durch den er sogar – indem er zu den Geistern im Gefängnis gegangen ist – [denen] gepredigt hat, 20 die einst unfügsam waren, als die Langmut Gottes gewartet hat in den Tagen Noahs, [während] eine Arche gebaut wurde, in die wenige, das heißt acht Seelen, durchs Wasser gerettet worden sind, 21 welches auch – als Gegenbild –, nämlich als die Taufe, euch jetzt rettet, nicht [ein] Ablegen des Fleischesschmutzes, [sondern eine] Bitte an Gott um ein gutes Gewissen durch die Auferstehung Jesu Christi, 22 der zur Rechten Gottes ist, aufgefahren in den Himmel, ihm sind Engel und Mächte und Kräfte unterworfen worden.

118

Das Vorbild Christus ist bis über die Grenze gegangen

3,17

Die Argumentation 17–22 leistet für 3,13–16 die existentielle Begründung: 3,17 fasst wie schon 1,17 vor 1,18–21 das zu Beweisende zusammen und ist daher mit zur christologischen Argumentation zu rechnen (so Knopf, 141; von Soden, 152). Die Syntax verbietet, nach V. 17 einen Einschnitt anzunehmen, denn der folgende ὅτι-Satz V. 18 begründet den Hauptsatz V. 17 (der Punkt in N-A27/28 am Ende von V. 17 ist daher wenig begründet). Von der Terminologie her könnte man auch 4,1–2 noch zur christologischen Begründung hinzunehmen (vgl. Selwyn, 195.208); allerdings hat der neue Hinweis auf die Besonderheit der Gegenwartszeit in 4,1 abgrenzenden Charakter (vgl. 2,1; 4,7; 5,1.6; anders 2,7). Der Komparativ in V. 17 „Es ist besser …“ (κρεῖττον, zu ergänzen: ἐστίν) ist das zu Beweisende, für das dann in V. 18a.b (ὅτι καὶ … ἵνα …) eine erste Begründung genannt wird. Durch den dazu gehörenden Finalsatz ergibt sich eine an 2,21b (ὅτι καὶ … ἵνα …) erinnernde Begründungseinheit in einer Logik, in der Christus als Vorbild vor Augen steht. Davon hebt sich partizipial ergänzt V. 18c („getötet … lebendig gemacht“, θανατωθεὶς … ζῳοποιηθείς) als eine anders geartete Begründung ab, indem die Auferstehung Christi als einmalige Tat Gottes gegen die Macht der Mächte angeführt wird. In dieser Gliederung erschließen sich dann klar die drei Relativsätze V. 19–20.21.22 (zusätzlich eingeschoben εἰς ἣν κτλ. V. 20b; es ist insgesamt eine „Kaskade von fantasievollen Relativsätzen“, Vouga, Christus, 218) als präzise Erklärungen zur Relevanz der Auferstehung gegen die Macht der Mächte: Die aus der Auferstehung erwachsende unbegrenzte Zuwendung Christi (V. 19–20), die entsprechende Haltung der getauften Christen (V. 21), und die Relativierung der Mächte (V. 22). Der Abschnitt 3,17–21 zeigt eine zusammenhängende Logik, die vorliegende Form – so weit besteht Forschungskonsens – ist für diesen Abschnitt durchkomponiert. Wie zu 1,17–21 und zu 2,21–25 bestehen allerdings Theorien zu den 3,17–22 vorausliegenden Textstücken (vgl. zur Diskussion insgesamt Giesen, Hoffnung, 96–98; Manke, Leiden, 147–152): Bultmann, Bekenntnis, 285 f. sieht in 3,18–22 ein glossiertes Bekenntnis (bestehend aus Teilen von V. 18.19.22), dem 1,20 vorgeschaltet gedacht werden müsse, gegen V. 20 f. in der Vorlage spreche der Prosastil (aaO., 288). Boismard, Hymn, 67–99 schließt 3,19–21 aus, aber 4,6 mit ein; er kommt zu einem siebengliedrigen Hymnus in Auseinandersetzung mit 1 Tim 3,16 und Röm 8,34. Dalton, Proclamation, 97 ff. teilt klar zwischen V. 18.22 (er rechnet mit dem Einfluss eines Hymnus) und V. 19–21 (Katechese mit jüdischen Traditionselementen). Wengst, Formeln macht ein „Weglied in sechs Stationen“ aus, unter Hinzuziehung einer Sterbeformel (mit Finalsatz V. 18 und V. 18c) und weiteren glossierten Vorlagen, und dazu gehöre auch noch 1,20 (etwas anders Deichgräber, Gotteshymnus, 173).

Mit „denn“ (γάρ) wird nicht 17 für sich allein als Begründung zu 3,13–16 eingeführt, sondern genau genommen wird der gesamte folgende Abschnitt 3,17–22 zum starken Argument für 3,13–16 (vgl. εἰς τοῦτο 2,21) erhoben. Dazu ist V. 17 zusammenfassend komponiert und enthält „von sich aus keine qualifiziert theologische bzw. eschatologische Aussage“ (Brox, 163). Deshalb kann auch vorausgesetzt werden, was ‚Leiden‘ (πάσχειν; zu Leiden s. bei 4,1) meint, und es ist klar, dass es um das Gestalten der Konflikte im spezifisch vorgestellten Vollzug des christlichen Lebens geht. Der Einschub „wenn es der Wille Gottes will“ (εἰ θέλοι τὸ θέλημα τοῦ θεοῦ, Optativ) gehört zum Infinitiv „leiden“ (πάσχειν) – genau genommen also zum Leiden in der spezifischen Version, wie Leserinnen und Leser diesen Konflikt auslösen und mitleben 119

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

(zu dem Versuch, Bezüge zur stoischen Philosophie herzustellen, vgl. Charles, Volonté, 263 ff.). Nochmals: Das anthropologische Problem des Erfahrens von Unheil steht mit diesem Terminus keineswegs zur Verhandlung; und der Optativ weist darauf hin, dass es immer noch Fälle geben kann, in denen es nicht zu einem Konflikt kommt, so wie 2,18 mitzubedenken scheint, dass auch ‚gute und unverdrehte‘ Sklavenbesitzer existieren (vgl. Achtemeier, 238). Der Optativ findet sich im 1 Petr sonst nur noch 1,2; 3,14; es besteht kein Anlass, eine totale Abweichung der hier vorausgesetzten Situation von der z. B. in 4,12 ff. erwähnten anzunehmen. Das Leiden wird in V. 17 in zwei Richtungen bedacht – „guthandeln“ (ἀγαθοποιοῦντας) oder „schlechthandeln“ (κακοποιοῦντας). Das zweite ist eine für die Christen „unmögliche Möglichkeit“ geworden. Und das „Gut Handeln“ erscheint im Folgenden als die Art und Weise, wie man sich aktiv – also nicht reaktiv – im Konflikt ausrichtet und sich dem Anderen zuzuwendet. Für das „gut Handeln“ stehen im vorangegangenen Text eine Vielzahl von Formulierungen bereit, in V. 17 findet sich aber die bisher prägnanteste Wendung, als ein Kompositum: ἀγαθοποιεῖν (zu ἀγαθοποιΐα „Gut Handeln“ s. bei 4,19). Dies ergibt – der Aufgabe von 3,17 gemäß – einen thesenartigen Satz. Der Abschnitt 18–22 wird mit „weil …“ (ὅτι) zur Begründung für die in V. 17 benannte Tatsache, dass sich die Christen auch im Konflikt „guthandelnd“ ihrem Gegenüber, den Heiden, zuwenden – und das sogar über die Grenzen des Ertragbaren hinaus. Syntaktisch endet das Satzgefüge erst nach V. 22, d. h. alle Ausführungen begründen die so geartete Zuwendung im Konflikt – und das auf verschiedenen Ebenen (V. 18ab; anders V. 18c–22). Die Ebenen sind deshalb zu unterscheiden, weil die erste Aussage „Christus hat auch als Gerechter gelitten“ (V. 18a.b) für sich genommen für Leserinnen und Leser von 2,21b–23 inhaltlich fast redundant erscheint – erst die Verbindung mit der Relativierung der Mächte (3,19–22) führt dann ganz Neues an. Das am Anfang von 18a–18b stehende, einräumende und eine vergleichende Ebene von Christen und Christus schaffende „auch“ (καί) ist aus 2,21 hinlänglich bekannt, und es ist ebenso wie dort nur bezogen auf den ersten Teil (V. 18a.b) verständlich, wie schon Kühl überzeugend eingegrenzt hat: „Die Gleichartigkeit des Leidens wird beschrieben in den Worten bis τῷ θεῷ“ (Huther/Kühl, 197). Der Vergleich bezieht sich auf den umfassenden Lebensentwurf der Christen, die Zuwendung an die Verfolger mit einschließend. Daher ist klar, was es in dem spezifischen, vorliegenden Kontext heisst, er habe „einmal“ (ἅπαξ) gelitten: Es geht hier um das historisch geschehene und damit den Hoffenden vor Augen stehende Leben Jesu Christi (am nächsten steht der einfache Wortbeleg, Judasbrief V. 5, dass der Herr einmal [ἅπαξ] das Volk aus Ägypten gerettet hat; anders Jud 3; vgl. numerisch 2 Kor 11,15; Phil 4,16; 1 Thess 2,18; vgl. zur Auslegung Reicke, Spirits, 215: „‚once upon a time‘, neutrally, like ποτέ“; vgl. Vouga/ Stiewe, Evangelium, 177. Bieder, Grund, 14 übersetzt „einst“ und fügt dann doch [aaO., 15] das „ein für allemal“ als zweite Bedeutungsnuance hinzu). Der Aspekt des ‚ein für allemal‘ ist ntl. durchaus bekannt (vgl. insbesondere Hebr 9,26 ff.; 10,2), ergibt aber in V. 18a.b keinen Sinn. Denkbar ist ein Wortspiel, in dem das Wort zwar dem Vorstellungsraum des Kults entnommen erscheint – dort würde „ein für alle Mal“ passen – hier aber ins Historische gewendet wäre (vgl. möglicherweise so auch mit ὑπέρ in 2,21). „Christus hat gelitten“ (ἔπαθεν Aorist) steht auch am Anfang der christologischen Argumentation in 2,21; es ist der petrinische Schlüsselbegriff: Die für Christen als Vor120

Das Vorbild Christus ist bis über die Grenze gegangen

18a–18b

bild geltende Konfliktgestaltung Jesu Christi. Die Lesart ἀπέθανεν (z. B. bezeugt von Papyrus 72, ‫*א‬, Alexandrinus, 0285) ist wie in 2,21 nicht ursprünglich, denn das Leiden, nicht das Sterben Christi gehört in den logischen Zusammenhang (vgl. 3,17); die Korrektur von ἔπαθεν hin zu ἀπέθανεν ist leicht zu erklären (vgl. z. B. Metzger, Commentary, 623; alle 20 belegten Lesarten bei ECM IV, 164). Die kurzen Lesarten der lectior difficilior mit ἔπαθεν allerdings nur im Codex Vaticanus (03) sowie vielen Minuskeln (u. a. 69.218.1718.2374 und Byzantinische Zeugen); eine weitere inhaltlich relevante Abweichung ist nur die Lesart περὶ ἁμαρτιῶν ὑπὲρ ἡμῶν ἔπαθεν (020 und viele Minuskeln), allerdings von 2,21 her (ὑπέρ) erklärbar. Im Kontext von 2,21 mit „für euch“ (ὑπὲρ ὑμῶν) und dem „Vorbild“ (ὑπογραμμός) war diese Konfliktgestaltung als vorbildlich thematisiert worden. In 3,18 gibt es eher eine Logik des ‚Vorbilds zum Wirksamwerden an den anderen‘, deshalb περί und ein Plural wie in 2,24b, weil es um das Wirksamwerden an vielen geht. Unter Zuhilfenahme von kultischer Sprache – aber ohne sich die Logik des Kults anzueignen – ist hier also gemeint: Durch seinen Lebenswandel vermochte Christus sündigen Lebenswandel zu verwandeln. Die Leserinnen und Leser, die noch 3,16b im Ohr haben, verstehen, dass hier komprimiert das ausgedrückt wird, was Christus an den jetzt Hoffenden vollzogen hat und was bereits durch diese erste Formulierung in die Vorbildlogik übernommen wird: Die Hoffenden sind selber, Christus ähnlich, für ihre heidnischen Gegenüber verantwortlich (prägnant, aber übertrieben Reicke, Spirits, 216: „we must presume that even the believers can be thought to die as an sin-offering“; moderater Vouga, Christologie, 321: „comme non-dit implicite, que la condition des élus de Dieu se caracterise par le don qu’ils sont prets à faire de leur vie.“) Mit dem appositionellen Zusatz, Christus habe als „Gerechter“ für (ὑπέρ) „Ungerechte“ (zu ergänzen: gelitten), wird in der Vorstellungswelt des Kults auch die Frage nach der Qualität des Opfers angesprochen, was in 1,19 explizit gemacht worden war. In 3,18 wird dieser Christus als Gerechter (δίκαιος) bezeichnet, und das verwandelt ebenfalls die kultische Vorstellung unmittelbar in den existential-moralischen Zusammenhang (sinngleich 1,18: Christus hat aus dem ‚leeren Wandel‘ erlöst). Mit ‚Gerechter für Ungerechte‘ verbleibt 3,18a also bei der – mühelos auf Christen übertragbaren – das Gegenüber verändernden Zuwendung: „Christians also by their patient suffering in innocence shall make such an impression on the pagans just as Christ once did on themselves, that these pagans will be won for God“ (Reicke, Spirits, 217; vgl. Davids, 135). Christus führt die Hoffenden zu Gott; genau genommen führt nicht sein Leiden gemäß dem ersten Teil von V. 18a dazu, sondern sein ganzer Lebenswandel als Gerechter. Das ist, nun christologisch fundiert, schlicht und einfach die Neuformulierung des Überzeugungsansatzes 3,16b, wonach der von Christen praktizierte „gute Wandel in Christus“ zur Folge hat, dass die Umwelt existentiell angestoßen wird. Wer eine echte Vertiefung dieser Begründungslogik sucht, wird also erst nach V. 18b fündig werden: In V. 18a.b ist Christus das Paradigma des Lebens. Aber mit relevanter logischer Verschiebung des Bildes: Gemäß 2,21 geht Christus einen Weg, und die Hoffenden sollen ihm auf diesem Weg folgen (ἐπακολουθεῖν); gemäß 3,18b hat Christus sie als Ungerechte zu Gott geführt (προσάγειν im Aor.), und er macht ihnen damit vor, wie sie die anderen Ungehorsamen zu Gott bringen. προσάγῃ unterliegt nach der moralischen Umwertung kultischer Bilder in V. 18a auch im Finalsatz V. 18b keiner kultischen Lo121

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

gik mehr (vgl. unkultisch Mt 18,24 [ein Schuldner wird gebracht]; Apg 12,6 [Petrus soll hereingebracht werden]; Apg 16,20 [Paulus und seine Anhänger werden herbeigeführt; anders Apg 27,27], so auch Selwyn, 196). Elliott, 643 weist allerdings auf die Verbindungen zum Bundesformular Ex 19,3–6 hin und führt zusätzlich als kultische Stellen Ex 29,10 LXX und Lev 1,2 LXX an; Van Unnik, Redemption, 55 schreibt dem Verb eine Bedeutung für die Umwandlung von Proselyten zu, was sich in den Gedankengang einfügen würde, jedoch Umstände voraussetzt, die so nicht für 1 Petr nachgewiesen werden können. In V. 19 wird zwar πορεύομαι weitgehend mit Verkündigen identifiziert (vgl. V. 21), so aber hier nicht direkt. Andere Texte, z. B. Röm 1,3 und 1Tim 3,16, geben Anlass zu der Vermutung, dass hier tradiertes Material verarbeitet wurde (vgl. Goldstein, Kirche, 46; zur Diskussion um traditionelles Material vgl. Achtemeier, 248, Anm. 110.111). Ob hier der Niederschlag einer urchristlichen „ZweiSphären-Anthropologie“ (Goldstein, Kirche, 49) nachweisbar ist, bleibt zweifelhaft. Zu Χριστός gehören in 18c zwei Partizipialangaben, in deren Folge ähnlich wie in 2,22–25 mehrere Relativsätze zum Nominativ Christus gebildet sind: „Zwar getötet gemäß dem Fleisch (θανατωθεὶς μὲν σαρκί), aber lebendig gemacht gemäß dem Geist (ζῳοποιηθεὶς δὲ πνεύματι).“ Diese beiden mit μὲν – δέ zusammengebundenen Perspektiven werden in 4,6 aufgenommen werden (mit den Dativen σαρκί und πνεύματι); dort aber wird das Sterben der Christen unabhängig von Jesu Sterben erörtert: Gott richtet, was sogar für die Toten nicht bedeutet, aus dem Leben (κριθῶσι κατὰ ἀνθρώπους σαρκί) auszuscheren, sondern nach dem Geist zu leben. In V. 18c wechselt die Begründungsebene: Nur wegen seiner Auferstehung kann die in V. 18a.b beschriebene Hinwendung Christi als Vorbild vorgestellt werden. Den Unterschied zwischen der Argumentationsweise in V. 18a.b und in V. 18c unterstreicht auch Elliott, 644 (problematisch, dass Reicke, Spirits, 218 seine richtige Beobachtung zu V. 18a.b auch auf V. 18c ausweitet und hier weiterhin eine Form der übertragbaren Märtyrerlogik auszumachen versucht). Dass dabei Christus umgebracht wurde, dass er getötet worden ist (θανατοῦν im Aor. Passiv), wird in 1 Petr nur hier explizit gesagt (vgl. aber Mt 26,59.27,1; Mk 14,55; bei der Rede von Auferstehung [1,3; 1,21; 3,21] und in einigen kultischen Sprachwendungen [1,2; 1,19] ist es vorausgesetzt). Im 1 Petr kommt dem Tod Jesu für sich keine transformative Bedeutung zu (auch nicht in 2,24). Dann ist ganz klar, dass das Subjekt des Tötens nicht Gott ist, sondern es ist einzufügen: ‚Von Menschenhand zu Tode gekommen‘, als Zuspitzung von Christi nichtreaktiven Lebensentscheidungen (Giesen, Hoffnung, 167 nimmt an, es sei hier wie 2,4.7 kein historisches Denken vorausgesetzt, sondern tötend seien die ‚Bauleute‘ aller Zeiten; diese Deutung verkennt die historische Fixierung des ἅπαξ in 3,18a). Zum Zu-Tode-Kommen als Zuspitzung des Leidens passt V. 18c („im Fleisch“), also der Bezug auf die normale Existenzform des irdischen Lebens. Auch in 4,1.2.6 gibt es keine negative Konnotation von σάρξ, sondern gemeint ist der vorfindliche Ort des Handelns; in 3,21 wird vor einer Fehlinterpretation geradezu gewarnt werden: Die Taufe soll nicht als Ablegen des Schmutzes des Fleisches (σάρξ) missverstanden werden (σάρξ ist in 1 Petr gänzlich ohne die Semantik der paulinischen Schriften). Christus ist gestorben, was den Vollzug des irdischen Lebens betrifft, d. h. „auf dem Gebiet des Fleisches“; so überzeugend Selwyn, 197: „In the natural and physical order (σαρκί), He was the victim of a judicial murder“. 122

Das Vorbild Christus ist bis über die Grenze gegangen

3,19

Im Unterschied zum Zu-Tode-Kommen durch Menschen ist die Auferweckung Jesu durch Gott entscheidender Eckpfeiler der Geschichte aller Hoffenden (vgl. 1,3.20 f.; 2,4; 3,21), wie schon Huther/Kühl, 202 zu 3,18c formuliert haben: „Wir sehen hier, wie 1,3. 2,4, dass der Apostel, wo es sich um die gänzliche Neugestaltung unseres Lebens handelt, auf die Auferstehung verweist.“ Dazu trägt in V. 18c auch zusätzlich die Erwähnung von „Geist“ (πνεῦμα) bei, in 1 Petr mit „une certaine connotation active“ (Schlosser, Études, 236). Das Verb „lebendig machen“ (ζωοποιεῖν im Partizip Aor., so wie θανατοῦν) scheint deshalb hier für Auferstehung gewählt, weil so Gottes Position dargelegt wird: Gott hat in der Auferstehung gültig erwiesen, dass kein Böses die Gottesbeziehung außer Kraft setzt, sondern dass Gott selbst daraus eine wirksame Zuwendung an die Welt zu machen vermag (vgl. die zu begründende These 3,13). Die von Gott auf diese Weise gewollte und realisierte Wirksamkeit Jesu nach dessen Tod geschieht auf dem Gebiet des Geistes (πνεῦμα; vgl. Hanson, Salvation, 104: „the realm of Spirit“; und Schlosser, Testament, 236: „la sphére de l’Ésprit“; ohne ausgebildete Semantik von πνεῦμα in 1 Petr). Es geht also nicht, wie noch in V. 18a.b, um das Paradigma Christi, sondern es geht mit der Auferstehung ab V. 18c um die absolute Transformation der globalen Machtverhältnisse: Selbst die, die zu Tode bringen, vermögen seit Ostern nicht mehr zu definieren, was Leben ist. Es folgt in 19–20 die erste von drei Erklärungen durch Relativkonstruktionen zur Bedeutung dieses Transformationsgeschehens (V. 19–20.21.22; vgl. aber eingeschoben εἰς ἣν κτλ., V. 20b). Klar wird dadurch, was der in der Auferstehung erfolgte Machterweis für die Verhältnisse der Welt bedeutet und welche Möglichkeiten damit den Hoffenden in ihrer Zuwendung zur Welt erst erschlossen sind. „Geist“ wird in dem ersten langen Relativsatz V. 19–20 mit „in dem (scil.) Geist“ (ἐν c. dat., ἐν ὧ) als wirksamer Faktor weiterbedacht – nicht nach der Art, dass eine besondere Existenzweise Christi ausgemalt würde, sondern schlicht als die darin zum Ausdruck kommende gleiche Macht Gottes. Zu der Idee, nicht ἐν ὧ, sondern ῾Ενώχ (‚Henoch‘) zu lesen, vgl. die Darstellung bei Selwyn, 197 f. und seine Widerlegung. Goppelt, 247 merkt zu Recht an, dass der freie Dativ V. 18c anders eingesetzt war als ἐν c.dat. in V. 19; das ist aber kein Argument gegen die Deutung in V. 19 als Macht Gottes, wie die Verschiebungen in 1,20.21 und auch innerhalb von 4,6 zeigen. Das Relativpronomen ὧ gilt also für πορευθεὶς und für ἐκήρυξεν (so Burger, 172). In 1 Petr geben drei der vier vergleichbaren Relativanschlüsse nicht den Umstand, sondern nur die Folge von etwas Vorhergegangenem an (2,12; 3,16; 4,4), ohne jedoch wie 3,19 syntaktisch auf ein explizit vorangegangenes Wort bezogen zu sein. Das darf aber nicht dazu verleiten, den Anschluss speziell in 3,19 nicht weiterhin auf πνεύματι zu beziehen, so wie auch 1,6 ganz klar auf die unmittelbar vorher genannte Aussage ἐν καιρῷ ἐσχάτῳ bezogen ist. Vgl. unabweisbar Dalton, Proclamation, 138: „The fact that πνεύματι immediately precedes makes it inevitable that the reader should take ἐν ᾧ as the equivalent of ἐν πνεύματι“ (vgl. von Soden, 154; Hanson, Salvation, 101). Anders Elliott, 652: Es handele sich um eine „circumstantial conjunction (‚in this connection,‘ ‚in the course of which‘)“. Zum gesamten Problem ausführlich Reicke, Spirits, 103–115.

19 bietet eine passgenaue erste Exemplifizierung des Auferstehungsereignisses, das von der Macht Gottes gegen das eigentlich machtlose Töten der Menschen zeugt (vgl. 3,18c). Deren Ablehnung ist durch die Macht der Auferstehung nicht mehr mächtig und bringt Christus nicht von der Zuwendung ab – diese Funktion von V. 19–20 wird 123

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durch das einräumende „sogar“ V. 19 unterstrichen (καί; vgl. z. B. 1 Kor 2,10: Der Geist erforscht alle Dinge, sogar [καί] die Tiefen Gottes. Selwyn, 198 übersetzt in diesem Sinne „even“). „Sogar“ weist das Folgende als einen „Extremfall“ (Klumbies, Verkündigung, 219) von der äußersten Grenze auf, der pars pro toto alle feindlichen Begegnungen einschließt, die dem Wirken Gottes entgegenstehen. Dazu wird durch eine Partizipialkonstruktion ergänzt, Christus habe das getan, indem er zu den Geistern ging (πορεύεσθαι). Falsch ist die daran festgemachte Annahme eines zeitlichen Verlaufs, der mit der Auferstehung beginnt, dem dann der Gang Christi zu den Geistern folgt (πορευθείς, V. 19), und der in Christi Gang zur Rechten Gottes (πορευθείς, V. 22) seinen Abschluss findet; das ist eine vermutlich erst bei Irenäus beginnende Auslegungstradition, die in V. 19 und V. 20 die Geschichte von Christi Abstieg in die Hölle hineingelesen hat (vgl. die Darstellung z. B. bei Elliott, 707–709). Eine solche zeitliche Aufgliederung ist hier bedeutungslos, weil im Abschnitt V. 19–22 die zeitlichen Ebenen gerade aufgehoben werden. Elliott, 651 sieht sich für die zeitliche Differenzierung dazu gezwungen, „a pause or comma“ zwischen dem Partizip und dem Hauptverb anzunehmen; aber dafür bietet der Text keinen Anhalt. Die Partizipialergänzung drückt vielmehr – V. 18c weiterdenkend – die Aktivität Christi aus, der als passiv in den Tod Gedrängter wegen der Tat Gottes neue Handlungshoheit zugewiesen bekommt. Und die ‚Geister im Gefängnis‘ sind sowohl Ziel der Bewegung als auch Gegenüber der Predigt. Das Bild des „Hingehens“ wird so bereits in demselben Vers versachlicht, in der Aussage, dass Christus den Geistern „verkündigt“ (κηρύσσειν im Aorist). Auf diese Weise wird der mythologisch anhebende Vers unmittelbar auf den Argumentationsstil zurückgebracht, dass sich mit der Auferstehung des am Holz gestorbenen Christus eine grundsätzliche Veränderung vollzogen hat, die die aktuellen Missionsaktivitäten der Hoffenden trägt (vgl. ἀναγγέλλω 1,12; εὐαγγελίζω 1,25; ἐξαγγέλλω 2,9; εὐαγγελίζω 4,6; das Thema der missionarischen Zugewandtheit entgeht Pierce, Spirits, 223 trotz wegweisender Gesamtsichtung der vorausliegenden Traditionen). In diesem Sinne Goppelt, 250 zur Stelle: Der Brief setzt „der Ächtung der Christen durch die Gesellschaft das missionarische Zeugnis entgegen, das auch ihr ganzes Verhalten in der Gesellschaft bestimmt […] – inmitten eines ‚ungehorsamen‘ Geschlechts, dem dennoch Gottes Heil gilt!“ Trotz dieser eine hohe Durchgestaltung des Textes verratenden Versachlichung ist die Verarbeitung einer mythologischen Textvorlage anzunehmen. Da im Anschluss 3,20 auf die Geschichte Noahs aus Gen 6,5 ff. anspielt, gibt es gute Gründe für die Annahme, dass hier auf die Geschichte der Gottessöhne in Gen 6,1–4 und deren Ausgestaltung im äthiopischen Henochbuch Bezug genommen wird; vgl. das auf Gen 6,1– 6 bezogene äthiopische Henochbuch, insbes. 1 Hen 13,1 (JSHRZ V/6 [Hg. Uhlig], 534). Die Logik der petrinischen Argumentation ist aber so stringent, dass es für das Verständnis unerheblich ist, wer genau in einer möglichen Vorlage mit den „Geistern im Gefängnis“ bezeichnet war. Zur These der gefallenen Göttersöhne vgl. Selwyn, 198 f.; Dalton, Proclamation, 163–176. Zur Deutungsübersicht insgesamt Giesen, Hoffnung, 109. Goppelt, 248 ff. versucht, die Logik ausschließlich aus den ‚unbußfertigen‘ Zeitgenossen Noahs zu konstruieren, ohne überzeugend genug Begriffe wie ‚Geist‘ oder ‚Gefängnis‘ herleiten zu können. Für das äthiopische Henochbuch als Vorlage spricht die Rede vom ‚Gefängnis‘ und die Tatsache, dass eine solche Weiterführung

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3,20

eines Textes als Methode im 1 Petr nachzuweisen ist (vgl. 1,24–25); vgl. dazu Klumbies, Verkündigung, 216, Anm. 42. Auch Elliott, 658 zeigt klar, dass das Gefängnis zum Traditionsgut von Gen 6 gemäß 1Hen gehört (vgl. z. B. 1 Hen 10,13 [JSHRZ V/6 [Hg. Uhlig], 529); es gibt möglicherweise auch noch breitere Traditionslinien, erschlossen bei Pierce, Spirits, 102–175). Wenig wahrscheinlich ist allerdings, dass die ‚Himmelsbewohner‘ im doxologischen Schluss 3,22 zu dem Beispiel der Söhne von Gott angeregt haben. Vielleicht besteht eine Verbindung mit Apk 18,2; 20,7. Es geht um das im Briefverlauf beschriebene „Gewinnen“ der Heiden (3,1; vgl. 2,12b.15; 3,16b), nicht um irgendjemandes Verdammung (vgl. Reicke, Spirits, 132 f mit Verweis auf 3,1 f ). Brox, 175 (vgl. Lamau, Chrétiens, 147) stellt richtig fest, dass die Verdammungspredigt Christi ntl. so wenig Vorlage hat, dass eine nicht weiter explizierte Umdeutung des Evangeliumsgedankens in 1 Petr kaum vorstellbar ist. Dalton, Proclamation, 150–157 (vgl. Elliott, 660 f. ) kommt über die Belege im äthiop. Henoch allerdings zu der Deutung, die ein solches Verdammungsurteil impliziert (vgl. 1 Hen 10,1–6; 13,1–10 [JSHRZ V/6, 526 f.534–536]). Dalton ist geleitet von folgendem Argument: Es hätte nicht behauptet werden können, Christus habe sich sogar den Grenzgestalten positiv zugewandt, denn das wäre demotivierend für die Glaubenden gewesen (Dalton, Proclamation, 108 f; vgl. aaO., 159, Anm. 119). Achtemeier, 262 kommt nach Sichtung der Belege für den κήρυγ-Stamm im NTebenfalls zu dem Urteil, dass es um Verdammung geht, obwohl er selber feststellt, dass solches für das Verb κηρύσσειν im NT nicht nachweisbar ist. Klumbies, Verkündigung, 223 bestreitet nicht die Verbindungen zu äthiop. Henoch, hält es aber für denkbar, dass die Vorlage 1 Petr 3,19–20 entgegen deren Selbstverständnis verwendet wird. Schelkle, 107 sieht sogar eine ausdrückliche Überbietung der Henoch-Passage: Hennoch hatte Unheil anzusagen, „Christus aber vermochte auch ihnen die Botschaft des Heils zu bringen.“ Insgesamt bekommt die kurze Ansage des Heils in 1 Hen 10,7–8 in der Diskussion offenbar wenig Gewicht. Dort wird dem Henoch gesagt: „Und heile die Erde, die die Engel verdorben haben, und kündige die Heilung der Erde an, daß sie die Erde heilen, so daß nicht alle Menschenkinder umkommen durch das Geheimnis all dessen, was die Wächter (kundgemacht) und ihre Söhne gelehrt haben. Und die ganze Erde ist verdorben worden durch die Lehre der Werke Azāz’ēls, und ihm schreibe alle Sünden zu“ (Uhlig, JSHRZ V/6, 527 f.).

20 Für die Logik der Argumentation in 1 Petr musste der Autor letztendlich bei seinen Leserinnen und Lesern keine Kenntnisse der Vorlage voraussetzen, um verständlich zu machen, dass er in V. 20 von der Feindlichkeit „by far the most evil known to the author“ spricht (Brooks, Clue, 303; vgl. Bony, 144: „les cas les plus désepérés“). Völlig verständlich ist es deshalb, dass die Geister am Anfang von V. 20 mit einer partizipialen Ergänzung als unfügsam (ἀπειθεῖν) näher qualifiziert werden, denn dies bezeichnet in 1 Petr die Ungläubigen, mit denen die Hoffenden sich konfliktreich auseinandersetzen (vgl. 2,8; 3,1; 4,17). Christus hat ihnen also durch diesen ‚Extremfall‘ jenen Weg geradezu eröffnet; bei Reicke, Spirits, 131 ist dieser Vergleich klar gesehen: „In the same way the Christians […] should courageously tell the most hardened […], what is the hope of the believers“. In dieser Deutung wird dann auch der – begrenzte – Bezug auf 4,6 erkennbar: Sowohl das Erreichen der Geister als auch das der Toten (4,6 νεκροῖς εὐηγγελίσθη) steht für die Unbegrenztheit Gottes. Theologisch verhandelt wird also die zuwendende Rettung, die Gott selber eingeräumt und Noah und den Seinen exemplarisch hat zukommen lassen (die Argumentation in 2 Petr 2,4–5 ist völlig anders, ohne Auswirkung auf die Interpretation von 1 Petr 3,19–20). Die Zuwendung ist zuerst die Verkündigung an die Geister in der Extreme (V. 19) und dann zweitens die Rettung aus dem Wasser (V. 20). μακροθυμία 125

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meint in der Erzähllogik von 3,20 nicht den sich ereignenden θυμός Gottes, sondern gerade einen Aufschub der Vernichtung (so ἀπεκδέχεσθαι im Impf.). Für Noah hat Gott seinen Großzorn aufgeschoben; in diesem Sinne Achtemeier, 263: „an act of mercy toward those who still oppose him.“ Durch die Auferstehung Christi (V. 18c) ist also eine ganze Epoche eröffnet, in der Gott seine Zerstörung aufschiebt und damit einen bedeutsamen Freiraum schafft; dieser ist theologisch gesehen die ‚Zeit des Aufenthaltes in der Fremde‘ (1,17) für die gegenwärtigen Christen. Der explizite Verweis auf die ‚Tage Noahs‘ klärt, dass das Herausretten (διασῴζειν) offenbar Entsprechung zu ‚Gnade finden‘ (Gen 6,8) und ‚gerecht gefunden werden‘ (Gen 7,1) ist. Zur Erzählebene gehört die Aussage im freien Genitiv, dass sie durch den ‚Bau der Arche‘ gerettet worden seien (κατασκευαζομένης κιβωτοῦ); hier entspricht der Terminus tatsächlich der LXX-Vorlage, denn der „Kasten“ (κιβωτός) ist ein explizites Element der atl. Erzählung (vgl. Gen 6,14 ff.; aber spätere Gestaltung ist erkennbar, denn κατασκευάζειν kommt nur in weisheitlichen Texten vor; vgl. κατασκευάζειν und die Noahvorstellung in Hebr 11,7 ohne direkte Ähnlichkeiten mit 1 Petr). Der Relativsatz V. 20b mit εἰς zielt nur darauf ab, mit welchem Heilsziel Gott in dieser Situation gehandelt hat: Gott zieht rettend aus dem Wasser. Der Unterschied, dass in V. 19 Christus verkündigt und in V. 20 Gott rettet, ist nur erzählerischer Natur. Das Verb „herausretten“ (διασῴζειν. im Aor.) meint in der Gefahr ‚durchkommen‘ ; so wie Paulus auf dem Meer überlebt (διασῴζειν, Apg 27,43 ff.), so überleben hier acht Menschen (ψυχαί; zu Belegen in außerbiblischer Literatur Elliott, 665, Anm. 313; vgl. Giesen, Hoffnung, 131, Anm. 222). Plausibel die Erklärung bei Achtemeier, 265, die Zahl ‚acht‘ sei über eine einfache Zählung der geretteten Familienmitglieder gemäß der Erzählung Gen 7,13 zustande gekommen (vgl. die symbolische Deutung bei Reicke, Spirits, 140 f ). Trotz der späteren Parallele in der Aussage „die Taufe rettet“ (σῴζειν V. 21) liegt hier keine Allegorese vor. Und 1 Petr hebt auch nicht auf eine ‚Theologie der Wenigen‘ ab, die dem missionarischen Anliegen ja auch gänzlich widerspräche (Selwyn, 202 macht eine Parallele zu Minoritätenlage der petrinischen Gemeinde aus, auf die genau genommen der Brief aber nicht argumentativ setzt). Zur Formulierung, die Rettung sei „durch das Wasser“ (δι’ ὕδατος) geschehen, ist zu bemerken, dass in der Erzähllogik V. 20 das Wasser nicht das Instrument der Rettung ist, sondern der Ort, aus dem gerettet wird (hier also noch nicht jene Begründung, wie sie am Anfang von V. 21 weitergeführt wird). Das Wasser in V. 20 ‚ist‘ keineswegs schon die Taufe (V. 21), sondern in V. 20 wird präzise der Ort der Flut reflektiert, während in V. 21 das Gegenbild des Wassers – nicht das Wasser selbst – leitendes Subjekt ist (und das Wasser nicht einfach Instrument der Rettung). Wegen seines missionarischen Ansatzes zeigt 1 Petr an der biblisch erzählten Vernichtung der Vielen überhaupt kein Interesse, später wird überdies ausschließlich das Moment der Rettung weitergeführt (in 4,18 offenbar nochmals bedacht). Im vorliegenden Kontext steht V. 19–20 also für die Tatsache, dass Gottes Rettung bis an die Grenzen der Welt gebracht worden ist (V. 19) und dass in diesem Sinne Gott durch die ‚Epoche des Langmuts‘ faktisch Rettung – wenn auch noch nicht von allen vollzogen – ermöglicht hat (V. 20). 21 Diese Rettung ist für die Hoffenden mit dem ‚Anfang der Hoffnung‘ gegeben; so ist „Taufe“ (βάπτισμα) in V. 21 ganz allgemein zu verstehen.

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3,21

ὃ und ἀντίτυπον und βάπτισμα sind dreimal ausgeführtes, sich jeweils nacheinander erklärendes Subjekt (vgl. Nominativ mit Appositionen z. B. 3,18). Andere bei Achtemeier, 266 aufgeführte sprachliche Lösungen bleiben in der Einfachheit und syntaktischen Klarheit hinter dieser Lösung zurück; kaum überzeugend auch der Versuch Reicke, Spirits, 145.149–172, βάπτισμα zur aus dem vorherigen Satz nachgezogenen Apposition zu erklären; dagegen: Dalton, Proclamation, 213 f. Selwyn, 203 stößt sich an der Reihe von Nominativ-Appositionen und schlägt ἀντίτυπον als Akkusativ-Apposition zu ὅς vor, vgl. ebenso Ostmeyer, Taufe, 145 ff. Elliott, 668–670 zieht die schlechter belegte Lesart des Relativpronomens im Dativ vor und nimmt ἀντίτυπον als Adjektiv. Zwar bezieht sich das Relativpronomen – hier als Neutrum Nominativ verstanden – am Versanfang auf „Wasser“ V. 20, wird dann aber so umbestimmt, dass es um das Gegenbild geht, weshalb dann das zentrale Subjekt von V. 21 ‚die Taufe‘ ist; das Relativpronomen ist auf ‚Wasser‘ bezogen, nicht auf die allgemeine Satzaussage V. 20 (auch Achtemeier, 267; vgl. Brox, 176). Das „auch“ (καί) funktioniert syntaktisch wie in 1,15: ‚Gemäß dem Berufer sollt auch (καί) ihr … werden‘.

Die erste Apposition zum durch das Relativpronomen aufgerufenen ‚Wasser‘ ist das „Gegenbild“ (ἀντίτυπος), am ehesten mit „Ähnlichkeit“ zu übersetzen (τύπος als menschliches Vorbild in 5,3; eine Anwendung auf Zwischenmenschliches vgl. Phil 3,17; 1 Thess 1,7; 2 Thess 3,9; 1 Tim 4,12; Tit 2,7; ‚Erzählung‘ oder ‚Weisung‘ setzen Apg 7,44; 1 Kor 10,6; Hebr 8,5 voraus [vgl. Röm 5,14; 6,17]; zu weiteren Belegen vgl. Elliott, 670 f. ). Die Ähnlichkeit besteht im rettenden Handeln Gottes. Der in beiden Bildlogiken Rettende ist Gott, deshalb wird hier explizit die Taufe erwähnt. Obwohl das vorstellbar wäre, rettet in V. 21 nicht das Wasser ‚der‘ Taufe, sondern durch die weitere Apposition ist „Taufe“ neues Subjekt (σῴζει βάπτισμα), die – deutsch formuliert – „ähnlich“ ist, nämlich ebenfalls Wasser. Man wird also einen Bruch zwischen dem Wasser der Flut (V. 20: als Ort durch lokales διά) und der Taufe (V. 21: als Subjekt) anerkennen müssen; der ist aber verständlich, denn 1 Petr entwickelt an keiner anderen Stelle ein Interesse an den Mitteln der Taufe. Die Unterscheidung zwischen dem Bild damals (ὅτε; V. 20) und der Bedingung für „jetzt“ (νῦν; V. 21) ist wegen der in der Gegenwart geltenden Bedingung der Offenbarung wichtig, denn diese Zeitangabe ist in 1 Petr den expliziten Bestimmungen der Gegenwart vorbehalten (vgl. νῦν in 1,12; 2,10.25). Das Element für diese Gegenwart ist nämlich die Taufe; damit kommt eine im Brief nicht näher spezifizierte Handlung in der petrinischen Gemeinde in den Blick, hier als ‚verbindlich mit dem Hoffen anfangen‘ zu verstehen, was dann speziell in der Taufe seine öffentliche Erklärung und Zeichen der Rettung (σῴζειν im Präs.) gefunden haben mag (nach Van Unnik, Critique, 129 gilt „that it is not so much the ceremony of baptism as such which is central, but mainly the transition from one state to the other in which baptism is the outward mark of the divining line“). Zu „Taufe“ setzt 1 Petr zwei gegeneinander gestellte Nominativappositionen (οὐ … ἀλλά): Die Taufe ist nicht „Ablegen des Fleischesschmutzes“, sondern „Bitte vor Gott um ein gutes Gewissen wegen der Auferstehung Jesu Christi“. Hier sind nicht gegeneinander gestellt ‚Äußeres‘ (vgl. Ablegen, ἀπόθεσις) gegen ‚Inneres‘ (vgl. Bitten, ἐπερώτημα), vielmehr geht 3,21 aktiv gegen das Missverständnis vor, die Taufe – und dadurch verhandelt: der Beginn des christlichen Lebens im Alltag – ermögliche den Verzicht auf die irdische Existenz mit ihren als notwendig erfassten Konflikten (so: Ablegen des Fleischesschmutzes). Vielmehr verweist 1 Petr – hier gibt es tatsächlich 127

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einen Ebenen-Sprung des Arguments – die Getauften auf ihre an Gott gebundene Verantwortung (so: Bitte an Gott um gutes Gewissen). Die erste Wendung, dass die Taufe kein Ablegen des Schmutzes des Fleisches ist, überrascht nicht, denn Fleisch ist in 1 Petr die normale Existenzform des irdischen Lebens ohne eigene moralische Bewertung (σάρξ; vgl. 3,18; 4,1; der Abstand zur paulinischen Semantik ist unbezweifelt). V. 21 sagt also, dass diejenigen, die ‚angefangen haben zu hoffen‘, ihr Interesse an der Welt nicht ablegen dürfen (strategisch ausformuliert zuletzt in 3,16b). Für diese Deutung spricht auch, dass sich „Ablegen“ (ἀπόθεσις) nicht mit Abwaschen oder anderen an die Taufe angelehnten Bedeutungen erklären lässt (ἀπόθεσις in 2 Petr 1,14 meint einen anderen Tatbestand oder betreibt eine Umdeutung von 1 Petr 3,21); sprachlich ähnlich ist in 2,1 die Rede vom „Ablegen“ (ἀποτίθεμαι), dort allerdings mit moralischer und damit positiver Konnotation. Klar ist die Verbindung zur Überzeugungsarbeit: Der „gute Wandel“ und das „gut Handeln“ sind auf die mit ‚Fleisch‘ (σάρξ) bezeichneten normalen Lebensvollzüge als Ort angewiesen! Gemäß der zweiten Wendung ist entscheidend, dass die neue Hoffnung – die in der Taufe benennbar geworden ist – als guter Lebenswandel gelebt wird. 1 Petr formuliert in 3,21 „gutes Gewissen“ (συνειδήσεως ἀγαθῆς ἐπερώτημα), mit dominantem Rückverweis auf 3,16, wonach die Hoffenden im Handeln „gutes Gewissen“ (συνείδησιν ἔχοντες ἀγαθήν) haben sollen, damit sie ihre Verfolger verändern. Taufe und Lebenswandel sind beide Ausdruck der „Loyalität“ (vgl. Giesen, Hoffnung, 139) Gott gegenüber, bzw. beide zeigen an, dass Gott konsultiert wird, um das Geschenkhafte dieses Wandels zu unterstreichen – ohne dass der Begriff ἐπερώτημα auf die Bedeutung ‚Gebet‘ festzulegen wäre (der einzige weitere bibl. Nachweis des Substantivs ἐπερώτημα ist Sirach 33,3 in der Lesart des Vaticanus und möglicherweise in Theodotions Version von Dan 4,14; vgl. Vouga, Christologie, 313 der neben dem aktiven auch einen passiven Aspekt – im Sinne des Gebundenseins – bedenkt). Eng auf Gott bezogen ἐπερωτάω z. B. Röm 10,20. Es ist weitgehend klar, dass syntaktisch εἰς θεόν zu ἐπερώτημα gehört (so z. B. Achtemeier, 270, Anm. 350). Die ‚Hoffnung‘, d. h. die erfolgte Transformation in ‚Bittende‘, entspringt ganz konsequent der Auferstehung Jesu Christi (hier und 1,2 ἀνάστασις; 1,21 ἐγεἰρω; 3,18 ζῳοποιέω; vgl. 2,4 ζάω). In 22 wurde zwar sicher weiteres traditionelles Material aufgenommen, der Vers ist in der vorliegenden Endgestalt aber so angelegt, dass er argumentativ ganz auf der Linie von 3,13–22 liegt: Das engagierte Handeln der Christen lebt von der Gewissheit, dass kein Schlechttuer (vgl. 3,13) mehr existentiell etwas auszurichten vermag (vgl. 3,14b; 3,6). Der doxologische Schluss 3,22 ist deshalb nicht nur poetischer Natur; hier wird vielmehr zu 3,18c–20 erklärt, dass Christus diese Stärke verliehen ist, mit der er sogar die Mächte des Himmels beherrscht: Diese Mächte sind im Leben der Christen lebensnah identifizierbar als die sie Verfolgenden, z. B. die ‚perversen Sklavenbesitzer‘ (2,18). Wie 3,19 ganz allgemein von den feindlichsten Wesen an der Grenze spricht, so steht 3,22 für die höchsten denkbaren Autoritäten, die selbst – das ist der ‚Coup der Auferstehung‘ – vor Christus keine Autoritäten mehr sind! Um das zu formulieren, setzt mit V. 22 ein neuer Relativsatz ein. Dass der mit dem Relativpronomen aufgerufene Christus an der Rechten Gottes ist (ἐν δεξιᾷ τοῦ θεοῦ, zu ergänzen: „ist“, nicht: „sitzt“), bezieht sich – direkt oder indirekt – auf LXX-Psalm 109,1. Es wird in der 128

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3,22

Ergänzung gesagt, dass Christus in den Himmel gegangen ist (πορευθείς Partizip im Aor.). Im Zusammenhang 3,22 ist das erzählerisch wichtig, weil Christus dort die Mächte beherrscht. Es geht aber nicht – so wie auch nicht in 3,19 – um einen weiteren Akt Gottes zusätzlich zur Auferstehung, sondern es geht um eine inhaltliche Erklärung der Bedeutung dessen, dass die Auferstehung Christus an die Grenzen der Welt (vgl. πορεύεσθαι in V. 19) geführt hat und dass die Macht Gottes gemäß 3,22 der Hintergrund dieser mächtigen Zuwendung Christi ist. Dass die Mächte sich Christus unterordnen (ὑποτάσσειν), hat trotz des gemeinsamen Begriffs keine Verbindung zum strategischen Sich unterordnen der Hoffenden (vgl. ὑποτάσσειν 2,13.18; 3,1.5; vgl. 5,5). Der Begriff ὑποτάσσω scheint eine etwas unglückliche Übernahme aus einer nur in Umrissen auszumachenden Vorlage zu sein. Die Reihenfolge der Untergeordneten – Engel (ἄγγελοι) und Mächte (ἐξουσίαι) und Kräfte (δυνάμεις) – bezeichnet die Gesamtheit der starken Kräfte, die hier offensichtlich klimaktisch geordnet werden (Achtemeier, 274 „as exemplary of all such powers“). ἐξουσία im 1 Petr nur hier, die Engel kommen noch in 1,12 vor, ferner δύναμις in 1,5 ohne besondere Verbindung. Die Theorie bei Elliott, 688, dass die Engel in V. 22 speziell die Geister von V. 19 meinen, beruht mehr auf einer Assoziation mit einer Aussage des Henochbuches als mit der inneren Logik des Abschnitts. Das zu begründende Gut der Christologie war seit 3,17 die Zuwendung der Christen durch „gut Handeln“ auch im Konflikt. Seelsorgerlich mag das nicht immer einfach zu ertragen gewesen sein, manches „Durcheinandergebrachtwerden“ ist erfahrbar geworden. Und mancher Konflikt mit Staatsautoritäten (vgl. 2,13–17) oder perversen Despoten (vgl. 2,18.20) wurde wohl von den Hoffenden als ‚Kampf mit Mächten‘ erlebt. Es entspricht petrinischer Theologie, dass diese Mächte durch die Transformation in der Auferstehung Jesu existential entmachtet sind und dass die Hoffenden daher wieder rational mit ihnen umgehen können – indem sie sich ihnen sogar zuwenden (vgl. V. 16b), ohne sich in Ehrfurcht an sie zu binden: Wie „sollte das Heidentum wirkliche Macht haben können […] wo Christus über den Engeln und Mächten und Gewalten thront?“ (Bieder, Grund, 17; vgl. Margot, 63). In diesem Sinne beobachtet Achtemeier, 274 (ebenso Vahrenhorst, 165) zutreffend, dass eigentlich erst mit der Entmachtung der Mächte 3,22 in der Tiefe erklärbar wird, dass nach 3,13 niemand den Christen mehr existentiell zu schaden fähig ist.

4,1–6: Bestätigung der vernünftigen Entscheidung, zugewandt zu leben 1

Deshalb, nachdem Christus nach dem Fleisch gelitten hat, bewaffnet auch ihr euch mit derselben Einsicht, nämlich dass, wer nach dem Fleisch leidet, der Sünde aufgehört hat, 2 so dass [er] die im Fleisch übrige Zeit nicht mehr in menschlichen Begierden, sondern im Willen Gottes verbringt. 3 Denn die vergangene Zeit [ist] genug, dass ihr den Ratschluss der Völker ausgeführt habt, [dabei] schreitend in Zügellosigkeiten, Begierden, Weinsucht, Essgelagen, Trinkgelagen und unerlaubten Götzendiensten, 4 worüber sie befremdet sind, dass ihr nicht mitrennt in demselben Strom der Heillosigkeit, [und sie] lästern, 129

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

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die dem Rechenschaft ablegen werden, der bereit ist zu richten die Lebendigen und die Toten, 6 denn dazu ist auch den Toten die frohe Botschaft verkündigt worden, damit sie zwar gemäß Menschenart nach dem Fleisch gerichtet werden, aber gemäß Gott nach dem Geist leben. Die Gliederung 1–6 ist klar: Die Folgerung (οὖν) aus der Christologie ist erstens gemäß V. 1–2, dass die Hoffenden verstehen, dass sie begründet am vorfindlichen Ort gebraucht werden. Denn praktisch nur dort, so das gekennzeichnete Argument (γάρ 4,3), werden die Formen ihrer Nichtteilnahme gemäß V. 3–4 überhaupt wahrgenommen, durchaus auch im konflikthaften Sinne (vgl. ξενίζειν und βλασφημεῖν). Denn, jetzt theologisch weiter argumentierend, auch Gottes Zuwendung macht nicht an irgendeiner Grenze Halt, noch nicht einmal vor den Toten (V. 5–6); γάρ steht mit εἰς τοῦτο zwar erst in V. 6, aber die Argumentation beginnt schon in V. 5 (zur Entscheidung, V. 5–6 trotz des spät stehenden γάρ als Einheit anzusehen, vgl. z. B. Goppelt, 277 f.). Die Forderung 1, sich mit einer bestimmten Einsicht zu bewaffnen, wiederholt zuerst eine eigentlich längst bekannte Voraussetzung: Das Leiden Christi gehört zur Vergangenheit der Hoffenden (πάσχειν als freier Genitiv im Aorist [παθόντος]; vgl. ἔπαθεν z. B. in 3,18). Nicht neu für die Leserinnen und Leser ist auch, dass Christus ‚im Bereich des Fleisches‘ gelitten hat (vgl. zum Dativ σαρκί auch 3,18c und 4,6), im Sinne der konflikthaften Lebensform, in die er sich als ‚Gerechter für die Ungerechten‘ hineinbegeben hat und die ihn als Zuspitzung bis zum Tod (θανατωθείς) im Bereich des Fleisches (3,18c) führte; aus dieser Verantwortung ist Christus selbst angesichts seiner bevorstehenden Tötung niemals ausgestiegen (vgl. 3,18c–3,22; vgl. 4,6). Wenn man ein Pendant im paulinischen Denken sucht, müsste man wohl κλῆσις in 1 Kor 7,20 zum Vergleich heranziehen – die Berufung, in der es sinnvoll ist, sein Christsein zu realisieren (vgl. μερίζειν in 1 Kor 7,17). Der Imperativ des Satzes „Bewaffnet euch mit der Einsicht“ (τὴν αὐτὴν ἔννοιαν ὁπλίσασθε, Aorist) ist mit einem konsekutiven „auch“ (καὶ ὑμεῖς) von diesem Vorbildgedanken abgeleitet (vgl. καί in umgekehrter Richtung 2,21; 3,18). Thema in V. 1 ist nicht noch einmal die Nachfolge Christi, sondern die Klärung der inneren Zugehörigkeit während des Konflikts; daher ist V. 1 nicht formuliert: ‚Deshalb sollt auch ihr im Fleisch leiden‘, sondern es geht um das ‚Sich bewaffnen‘ mit der später dann inhaltlich gefüllten „Einsicht“, ‚wie man zu wem gehört‘ ; diese Einsicht ist anhand des Lebens und Ergehens Christi zu gewinnen (der einzige weitere ntl. Beleg für ἔννοια Hebr 4,12 klärt kaum etwas). Vgl. Millauer, Leiden, 130 f: Es geht um Einsicht, nicht um Einstellung. In V. 1b wird der Gehalt der Einsicht gegeben (ὅτι-recitativum): Die Einsicht besteht „nämlich darin, dass …“; für diese Lösung statt eines ὅτι-causativum schon Sieffert, Heilsbedeutung, 422. Achtemeier, 278, Anm. 33 gibt Beispiele für eine solche Verbindung im Griechischen (sprachlich vgl. 1,18 εἰδότες ὅτι; 1,12 ἀπεκαλύφθη ὅτι sc. den Propheten). Der Leidende (πάσχειν im Partizip Aorist) gemäß V. 1b ist zugleich jeder Christ, der Christi Lebenswandel folgt (so Krafft, Christologie, 124; vgl. Schlosser, 234 f.: Wenn man in V. 1b Christus als einziges Subjekt annähme, wäre V. 4b völlig redundant; vgl. aber Strobel, Leiden, 420 und Michaels, 227 f.; zum Singular ὁ παθών vgl. das rhetorische Muster in 2,19; 4,15). Mit dem Begriff „Fleisch“ erfolgt in V. 1 die klar verständliche, aber durchaus dialektische Einsicht, dass derjenige, 130

Bestätigung der vernünftigen Entscheidung, zugewandt zu leben

4,1

der zu seiner vorfindlichen, konfliktvollen Aufgabe an den Heiden (vgl. σαρκί) steht, gerade dadurch beweist, dass er nicht zum heidnischen Leben gehört, sondern allein Gottes Eigentum ist. Letzteres ist in der Spitzenformulierung V. 1b gemeint „mit den Sünden aufgehört haben“ (πέπαυται ἁμαρτίας, παύειν im Perfekt): Die Hoffenden sind bekannter Maßen im Nachvollzug der Lebenseinstellung Christi an die Aufgabenfelder und an die Konflikte ihres dissidenten Lebens gebunden, und sie erweisen gerade damit, dass sie den biographischen Bruch, das existential radikale Aufhören (παύειν) mit dem ‚Zuvor‘, und damit die Trennung von den sündigen Heiden, vollständig realisiert haben (so Achtemeier, 279 f.; allerdings als Prozess verstanden bei Huther/Kühl, 229: „Die Entwicklung ist in der That so gedacht: 1) durch den Bruch mit der Sünde ist das Leiden veranlasst (vgl. V. 4), 2) durch das so veranlasste und trotzdem willig übernommene Leiden, erfolgt der definitive, endgültige Bruch mit der Sünde“). πέπαυται ist medial und nicht passiv zu verstehen. Ausgeschlossen scheint eine Beziehung zur Tauftheologie Röm 6,7 (zum Unterschied vgl. Lohse, Paränese, 82); eine argumentative Aufnahme der Traditionslinie ‚Sühnkraft des Leidens‘ (Strobel, Leiden, 419) ist nicht vorstellbar; auch die Vermutung von Millauer, Leiden, 133 muss deshalb zurückgewiesen werden: „im Leiden wird die fleischliche Existenz, das irdische Menschsein abgebaut“. Es handelt sich überhaupt nicht um eine „asketisch und selbsterzieherisch gemeinte Aufforderung“ (Röhser, Sünde, 403; zur Forschungsdiskussion insgesamt vgl. Davids, Epistle, 148 f ). Die Hoffenden, die sich auf das „gut Handeln“ im Sinne Christi einlassen, werden von den Heiden in Konflikte verwickelt, in denen man sich gegen das Handeln der Christen, gegen sie selber und damit auch gegen deren Gott richtet. Es geht vor allem um verbal ausgetragene Konflikte, offenbar im Nahfeld (vgl. die Verben καταλαλέω 2,12/3,16; λοιδορία 3,9; ἐπηρεάζω 3,16, βλασφημέω 4,4; ὀνειδίζω 4,14; vgl. die Liste bei Elliott, 100). Williams, Persecution, 303 ff. verweist zu Recht aber auch auf offiziell ausgetragene Konflikte (2,12 und 4,15). Nur diese Konflikte, die durch die recht vollzogene christliche Existenz ausgelöst werden, interessieren den Autor, und nur sie sind als „Leiden“ (vgl. πάσχω) zu bezeichnen, wie 2,20 zeigt. Das Kriterium liegt nicht in der Frage nach „violations of the social order“, und vertieft werden nur diejenigen Konflikte „because of one’s identity as a Christian“ (Zerbe, Non-retaliation, 274, Anm. 23). Die gesamte anthropologische Grundfrage, wie mit dem sich ereignenden Bösen im Leben umzugehen sei, bleibt im 1 Petr ausgeklammert (so korrekt auch Jobes, 192); vgl. das passende Urteil von Goppelt, Theologie, 504, es bestehe Ähnlichkeit nicht zu Hiob, sondern zu Daniel. Der Anschluss an die Überlegungen zu ‚Offenbaren‘ im 1 Petr besteht darin, dass erst die Zugehörigkeit zur Zeit der Glaubens und damit die Bedingung der Ungleichzeitigkeit solche Konflikte im spezifischen Sinne überhaupt auslösen – und die Chance ausmachen. Deshalb hat Van Unnik zum Verständnis der Konflikte der Dissidenten der Hoffnung zu Recht auch auf Joh 15,19b hingewiesen: ‚Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.‘ (van Unnik, Teaching, 101; vgl. das Diktum Millauer, Leiden, 59: „Die Leidenstheologie des 1 Petr ist also eingebettet in die Erwählungstheologie.“ Grundsätzlich Estrada, Gioia, 411: „I credenti non soffrono malgrado il fatto di essere cristiani ma per il fatto di essere e di chiamarsi cristiani“). Dem Autor des 1 Petr scheint es ein Anliegen zu sein, nicht nur die Strategie argumentativ darzulegen, sondern auch die damit verbundenen Konflikte in Worte zu fassen, weil sie für die Hoffenden auf durchaus verschiedenen Ebenen „zum Problem“ werden. Klar zu beobachten ist, dass auf die Probleme mit den Konflikten ebenfalls argumentativ differenziert eingegangen wird, thesenartig darzustellen als:

131

2,11–4,11

Problemebene

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2,19–20

3,13–16

4,1–6

4,12–19

Ebene der Handlung

Existentielle Ebene

Soziale Ebene

Ebene der Zeit

Art des Argument des Fleisches, Argument des Argument der Argumentes Ruhms, also des Ehrfurcht, also der also der Zugehörigkeit zum vorfindlichen Ort Ansehens Rückbindung an Gott

Argument des Gerichts, also der Mitverantwortung im Veränderungsprozess

Nachvollziehbar ist, dass die erste Verhandlung des Themas schon am Anfang der Darstellung der Strategie (vgl. 2,11–3,12) auf die am nächsten liegende Frage eingeht: Wäre es nicht sinnvoll, unter besonders hohem Konfliktdruck von den Handlungsmaximen des „gut Handelns“ abzuweichen? Dass der Konflikt diese Art der Anfechtung hervorbringt, ist einsichtig, aber ein Nachgeben würde dem Ansehen (vgl. Ruhm/κλέος) der Dissidenten nachhaltig schaden, weshalb nicht dieser Druck, sondern nur das Gottgefällige (χάρις) handlungsleitend sein soll (2,19–20). Damit ist aber noch nicht die Ebene angesprochen, dass die Dissidenten durch Konflikte in ihrer innersten Überzeugung angefochten werden. Das verhandelt 1 Petr erst im Anschluss an den ersten Durchgang zur Strategie; Leiden wurde in 3,13–16 vorgestellt als eine Differenzierungsleistung: Es gibt keinen Grund, den wie auch immer gearteten Angreifern Ehrfurcht/φόβος zukommen zu lassen, weil diese einzig Gott dem Berufer gehört. Wenn der bedrohte Dissident vielmehr weder in Handlungen noch im Selbstverständnis unsicher wird, dann ergibt sich im Konflikt die Chance, sogar den Angreifern etwas von dem eigenen Lebensgrund zu vermitteln. Aber auch wer das eingesehen hat, mag sich noch fragen, ob man den Konflikten – wenn diese ‚Leiden‘ im spezifischen Sinne sind – nicht aus dem Weg gehen könnte: Könnte man nicht wenigstens an den wichtigsten öffentlichen Festen teilnehmen (vgl. 4,1–6)? Leiden bedeutet aber auch auf dieser sozialen Ebene eine Differenzierung: Wer zu der Zeit des Glaubens gehört, der gehört nicht mehr ‚zu‘ den Menschen, die ihn früher umgaben. Nicht aufzukündigen ist der vorfindliche Ort, ‚an‘ dem die Dissidenten verbleiben und für ihre Identität einstehen. So wie Christus diese Verantwortung am Fleisch (σάρξ) ausgefüllt hat, so wissen auch die Dissidenten, dass sie den Konflikt ‚im Fleisch‘ zu bestehen haben und dass sie sich genau dort ‚fleischlich‘ vor Gott verantworten. Es ist schließlich ganz klar, dass 1 Petr sich die Grundanfrage, ob nicht alle Konflikte sinn- und für die Zukunft erfolglos wären, aufhebt und sie erst in 4,12–19 stellt und beantwortet: Wer so denkt und das konfliktreiche Leben missbilligt (ξενίζω), der verkennt den Charakter der Epoche. Die Dissidenten leben nämlich in Vorwegnahme der Freude, weil sie für die Heiden das Gericht sind und weil sie so von Gott daran beteiligt sind, die Zeit der Gleichzeitigkeit herbeizuführen. Die dann offensichtliche Herrlichkeit Gottes ist in dieser Gegenwart der Ungleichzeitigkeit „an“ den Hoffenden zu erkennen (vgl. die Interpretation von 4,14b): Diese Präsenz Gottes löst ihren Konflikt aus – und sie ist die Chance, die anderen zu gewinnen.

Wer in diesem Sinne „der Sünde aufgehört“ hat, setzt gemäß 2 erfolgreich die innere Differenzierung für die ‚übrige Zeit‘ um. V. 2 gibt nämlich das Ziel an, das von denen erreicht wird, die sich mit der Einsicht der Dissidenten wappnen. Das Ziel (εἰς τό mit Inf. Aor.; vgl. 3,7 mit Inf. Präsens, εἰς τὸ μὴ ἐγκόπτεσθαι) ist, dass die Christen sich nicht in der Form der Begierden an die Welt der Heiden binden, sondern zum Willen Gottes gehören. Erstens gehört nämlich, wer im Sinne Christi ‚leidet‘, nicht mehr (μηκέτι) in speziell der Weise ‚zur‘ Welt, dass er sich durch Bindungen an sie definieren würde (ἐπιθυμίαι); es geht um diese spezifischen Bindungen und nicht um mora132

Bestätigung der vernünftigen Entscheidung, zugewandt zu leben

4,4

lisch konformes Verhalten (so aber Achtemeier, 280); es muss aber konstatiert werden, dass ἐπιθυμίαι in 4,2 etwas Anderes bezeichnet als später in der traditionell geprägten Liste 4,3 (vgl. zum Unterschied von V. 2 und V. 3 Elliott, 719). Zweitens gehören sie aber ‚in‘ die Welt, nur die im Fleisch Leidenden entsprechen Gottes Willen (vgl. 3,17; 4,19; etwas anders 2,15). Im vorliegenden Kontext wird das Nomen „Wille/Beschluss Gottes“ (θέλημα, V. 2) als Gegensatz zu dem „Ratschluss der Völker“ vorbereitet (vgl. βούλημα V. 3). Beide Bestimmungen sind zum Infinitiv „leben“ (βιῶσαι) konstruiert; dieser ist syntaktisch umschlossen von einer doppelten Charakterisierung der Zeitumstände, für die die bisherige Logik der Forderung V. 1 eigentlich überhaupt nur gilt. Es ist sozusagen der eschatologische Rahmen: Erstens wird an die Tatsache erinnert, dass die Christen im Konflikt der bestehenden Epoche bestimmte Aufgaben haben, z. B. im alltäglich begegnenden ‚Schnittpunkt der Zeiten‘ am vorfindlichen Ort für die Heiden Anstoß zu sein; deshalb betont V. 2, dass die Zeit am vorfindlichen Ort stattfindet (ἐν σαρκὶ βιῶσαι; die Übersetzung von Selwyn, 210 „on earth“ ist zu schwach). Zweitens erscheint aber auch die Zeit unter der Bedingung dieser Ungleichzeitigkeit begrenzt, weshalb die Gegenwart durchaus als Restzeit verstanden wird (vgl. ἐπίλοιπος, Hapaxlegomenon; gemäß Schlosser 236 „avec une note d’ironie“; zur Verwendung in griechischer Philosophie vgl. Achtemeier, 281, Anm. 63). 3 gehört zu einem neuen Argument (γάρ), eröffnet also V. 3–4. Ausgangspunkt ist in V. 3, dass die Hoffenden realisieren, einen Zeitenwechsel hinter sich zu haben: Wer einsieht, dass er den Weg des fleischlichen Leidens für andere geht (V. 1), der hat schon umgesetzt, dass er nicht mehr zu der alten, der vergangenen Zeit (ὁ παρεληλυθὼς χρόνος) gehört. Seit Christus den Zeiten ein Ende gemacht hat (vgl. χρόνοι 1,20), können sich die Christen darauf berufen, dass das Maß der Zeit überschritten ist (ἀρκετός mit dem Inf. [im Perf.] von κατεργάζεσθαι). Sie haben mehr als genug auf unangemessene Weise ‚dazugehört‘. Zu dieser alten Zeit hatte das Tun gemäß dem Willen (βούλημα als Opposition zu θέλημα θεοῦ 4,2) der Völker gehört. Die abgrenzende Semantik von ‚Völker‘ ist hier offenbar aus dem Zusammenhang von 2,12 mit 2,9 (vgl. ἔθνος) weitergeschrieben worden: Die „Völker“ werden erst angesichts der Berufung des heiligen Volkes kenntlich. Mit dieser Zeitangabe ist das erste theologische Leitkriterium benannt, unter dem in V. 3b wie in einer Rückschau berichtet wird, an welchen öffentlichen Tätigkeiten die Hoffenden wegen ihres Selbstverständnisses nicht mehr teilnehmen: Nicht an Schwelgereien (ἀσέλγειαι), Begierden (ἐπιθυμίαι), Weinsucht (οἰνοφλυγίαι, der Plural ist unübersetzbar), Essgelagen (κώμοι), Trinkgelagen (πότοι) und auch nicht an bestimmten Religionsausübungen (εἰδωλολατρίαι). Es geht dabei nicht um vorherige Illegalität oder allgemein anerkannte Unsittlichkeit, sondern „the point is that the readers formerly participated in activities incommensurable with the ethical standard which they are now called to share“ (Achtemeier, 183). Dass die Hoffenden zwar ‚in‘ die Welt gehören, aber nicht ‚zu‘ ihr, ist also ‚jetzt‘ am Ausbleiben bei diesen kollektiven Ereignissen für alle sichtbar. Nach dieser Reihung der zurückgewiesenen Sozialkontakte hebt 1 Petr die Begründung mit 4 auf eine neue Ebene: Durch die Zugehörigkeit zu der Zeit des Glaubens grenzen nicht nur die Hoffenden sich ab, sondern sie werden deshalb auch zurückgewiesen – ihnen wird vermittelt, dass sie nicht mehr dazugehören. Wenn die Hoffen133

2,11–4,11

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den z. B. von Festen mit Wein und Staatskult wegbleiben, dann grenzen die Heiden die Hoffenden von sich aus aus der Gemeinschaft aus (vgl. ξενίζειν): „It was precisely this aloofness from normal cultural practices that made Christians the object of contempt and persecutions.“ (Achtemeier, 183). Bei der Verwendung von ξενίζειν später in 4,12 geht es nicht um die Ausgrenzung durch die Heiden, sondern, bereits den nächsten Schritt darstellend, um das falsche Reagieren der Dissidenten darauf. Der relative Anschluss in V. 4a (ἐν ᾧ) hat, anders als in 1,6 und 3,19, kein mögliches direktes Bezugswort im vorherigen Vers, sondern bezieht sich auf die gesamte Art des in V. 1–3 aufgezeigten Selbstverständnisses der Hoffenden (diese Lösung in Abgrenzung zur Interpretation bei 3,19a bei Giesen, Leiden, 195). Es ist daher nicht notwendig, dem Relativsatz zusätzlich einen prospektiven Bezug zuzuschreiben (so aber Achtemeier, 283). Dass die Heiden entsprechend genau darauf befremdet reagieren, ist im Rahmen der Strategie des „gut Handelns“ durchaus dialektisch zu bewerten: Einerseits bedeutet dies eine Anfechtung für die Hoffenden, denn in ihrer Aufgabenstellung gemäß dem Verständnis als ‚Fleisch‘ gehören sie nämlich gerade ‚in‘ die Gesellschaft und z. B. zu der entsprechenden Hausgemeinschaft (vgl. 2,18–3,7) – es schmerzt, sozial ausgegrenzt zu werden, auch und gerade, obwohl man sich dafür entschieden hatte, sich nicht „davonstehlen“ zu wollen (Brox, 195)! Andererseits decken die Heiden selbst gerade im Konflikt durch das Ausgrenzen die Tatsache auf, dass die Hoffenden in ihrer Identität tatsächlich ‚nicht zur‘ Welt gehören. Denn sie sind in diesem Sinne Fremdlinge (παρεπίδημοι 1,1; 2,11) und Hausfremde (πάροικοι 2,11; vgl. παροικία 1,17), so dass zur Ausgrenzung tatsächlich auch gilt: „In some respect, the neighbors were right“ (Downd, Peter, 370); vgl. Volf, Identität, 367: „Die negativen Reaktionen beruhen auf keinem Mißverständnis, sondern liegen in der inneren Logik der Wertekonstellationen!“). Wenn die Hoffenden den Konflikt der Zugehörigkeiten verantwortlich an diesen Punkt führen, dann erkennen die Heiden richtig, dass die festzustellende Unterschiedenheit durch irgendwelche Verhaltenskorrekturen nicht aufhebbar ist, weil die Hoffenden mit dem Lebenswandel der Heiden tatsächlich nicht mehr „zusammenlaufen“ (συντρέχω als Partizip im freien Genitiv V. 4 μὴ συντρεχόντων ὑμῶν); möglicherweise ist hier symbolisch auf das Zusammenlaufen bei offiziellen Anlässen angespielt (vgl. Selwyn, 212 f.; hier zugespitzt als τῆς ἀσωτίας ἀνάχυσιν). Es geht in V. 4 nicht um abweichende Moralkodizes oder um eine bloße Erinnerung an die Liste in V. 2, sondern es geht darum, dass die Heiden ohne Bezug auf Gottes Rettungsabsicht (vgl. σῴζω 3,21; 4,18 gegen ἀσωτία) leben und das Ziel des umfassend gelingenden Lebens ausschlagen: Aufgedeckt wird „ein Verhalten, das die Sinnleere durch Ausschweifungen kompensiert, eine Lebensweise, die […] heillos ist“ (Goppelt, 274; vgl. Braun, Leiden, 44). Das ist das im bisherigen Briefverlauf neue Argument: Die differenzierte Zugehörigkeit der Dissidenten der Hoffnung setzt bei den Heiden selbst eine Erkenntnis in Gang, die sie die Fremdartigkeit der Hoffenden erkennen lässt – und den Heiden damit einen Einblick in deren Identität eröffnen kann. Das Partizip am Ende von V. 4 βλασφημοῦντες (Nominativ), roh übersetzt „Lästernde“, kommentiert nicht für sich allein das Subjekt des Relativsatzes, sondern leitet schon V. 5 und damit eine weitere Dimension des Konflikts ein. Es handelt sich also nicht um einen Kommentar zu der vorangegangenen Aussage „[sc. die Heiden] sind 134

Bestätigung der vernünftigen Entscheidung, zugewandt zu leben

4,6

befremdet“ (V. 4a), sondern das hier eröffnete Thema, demzufolge der Konflikt mit den Hoffenden ein Konflikt mit Gottes Anspruch ist, wird direkt anschließend in V. 5 näher ausgestaltet. Objekt des Lästerns sind in V. 4 die Hoffenden, und das betrifft dann Gott: Einserseits war Gott als direktes Subjekt zuletzt in 4,1 – nur indirekt – genannt worden; es sind nämlich die Hoffenden, die man so lästert (βλασφημοῦν 4,4), wie man sie auch verleumdet (καταλαλοῦν 2,12; 3,16). Andererseits bedeutet das auch einen Konflikt mit Gott, dessen Anspruch auf die Welt die Heiden zur Disposition stellen, wenn sie die Hoffenden ausgrenzen: „Die Nachstellungen der Menschen sind aber nur etwas Vordergründiges. Es besteht auch eine hintergründige Feindschaft gegen das Christliche in der Welt“ (Schlier, Adhortatio, 75; vgl. Achtemeier, 284). Das nächste Argument ab 5, das 1 Petr für die Einsicht für das Leben in ‚Leiden nach Fleischesart‘ (V. 1) anbringt, liegt auf einer anderen Ebene: Während es in V. 3–4 darum geht, dass der Unterschied durch die Dissidenten markiert wird, wird jetzt der Anspruch Gottes erörtert. In V. 4 war die Perspektive noch: Die Heiden versuchen, die Dissidenten der Hoffnung und damit Gottes Anspruch hinauszudrängen und sie als etwas für sie Fremdes zu behandeln. Gott sichert deshalb gemäß V. 5–6 aber nicht irgendeine Sondersituation der Hoffenden als Ausgegrenzte, vielmehr – und das ist die entscheidende Wende im Umgang mit den Konflikten – erhebt Gott gemäß V. 5–6 gerade Anspruch auf die ganze Welt: Alle werden ausnahmslos Rechenschaft vor ihm ablegen, sie werden ihm das „Wort übergeben“ (ἀποδώσουσιν λόγον, ἀποδιδόναι im Futur, Relativsatz zu βλασφημοῦντες). Giesen, Leiden, 213 unterstreicht zu Recht, dass es sich hier um die Situationsdeutung durch die Hoffenden handelt: Nur sie haben Einsicht in diesen tieferen Zusammenhang des Konflikts. Weil Gerichtssprache verwendet ist, handelt es sich im Sinne der petrinischen Gerichtsvorstellung um eine Charakterisierung der Gegenwart (vgl. κρίνειν 1,17; 2,23; κρίμα 4,17) und nicht um eine auf die Zukunft verschobene Vertröstung, Beschützung oder Wiedergutmachung. Den damit zum Ausdruck gebrachten dauerhaften Anspruch – und nicht einen besonderen Zeitpunkt etwa an der Wende der Epochen – drückt die Formulierung in V. 5 aus, dass Gott bereit steht zu richten (ἑτοίμως; vgl. ἕτοιμος zu „Heil“ 1,5 und zu „Auskunft“ 3,15). Auch bei der unmittelbar folgenden Wiederverwendung des Verbs „richten“ (κρίνειν V. 6) geht es um diesen aktuellen Anspruch Gottes. Und wohl auch um diesen Punkt der umfassenden Macht zu betonen, wird in V. 5b explizit gesagt, dass Gottes Anspruch „Lebende und Tote“ umfasst (zur Wendung vgl. Metzner, Rezeption, 248, Anm. 158). Es geht also nicht um das Sonderproblem von verstorbenen Hoffenden (so aber 1 Thess 4,13 ff.), sondern die Toten stehen symbolisch für alle Menschen ‚hinter der Grenze‘ und damit für Gottes Macht, die auch dort keine Grenze hat: „Here it expresses the universality of God’s judgement, from which none are exempt, including the nonbelievers of vv 3–4“ (Elliott, 730). Diese Logik ist den Leserinnen und Lesern bestens bekannt aus 3,19, wo die ‚ungehorsamen Geister im Gefängnis‘ erzählerisch prägnant für die äußerste Grenze stehen, zu der Gott in Christus sogar geht. 6 Der Relativsatz V. 5 hatte nach V. 3–4 also bereits das zweite Argument eröffnet, auch wenn das Argument erst in V. 6 mit „denn“ angeführt wird: Gottes Anspruch reicht nach V. 6a so weit wie in V. 5 beschrieben, denn (γάρ) die Nachricht vom Leben in Gottes Identität ist ohne Ausnahme allen Menschen zugänglich gemacht. Das wird 135

2,11–4,11

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in V. 6a so formuliert, dass „sogar“ (einräumendes καί) den Toten verkündigt worden ist (εὐηγγελίσθη). V. 6 ist daher „a statement about the universal announcement of the gospel“ (Horrell, Dead, 78). Zu beachten ist: Erstens ist mit „sogar den Toten“ in V. 6a ein Umstand beschrieben, der natürlich erst recht für die Lebenden zutreffend ist. Das καί in diesem Sinne macht auch Spicq, 146 stark; vgl. Brox, 196: Es „geht um alle Menschen als Lebende und Tote“ (zu den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten vgl. Dalton, Proclamation, 51–60; gegen einen Textbezug auf 1 Thess 4 zu Recht Horrell, Dead, 76). Zweitens war zuletzt in V. 5 noch von den Toten die Rede, d. h. V. 6a lässt sich so derselben Vorstellung zuordnen (vgl. Brox, 196; Horrell, Dead, 81). Drittens war die Zuwendung Christi gerade vorher in 3,19 so formuliert worden, dass Christus „auch“ (vgl. καί) den Geistern verkündigt hat (3,19 κηρύσσειν, in 4,6 aber εὐαγγελίζειν; der Begriffswechsel könnte damit erklärt werden, dass in 3,19 an den Verkündigungsvorgang, aber in 4,6 auch an die Ablehnung der Botschaft gedacht wird). Abschließend ergibt V. 6a damit eine klare Aussage, die sinnvoll die Folgerung in V. 6b vorbereitet: Weil alle ohne Ausnahme mit Gottes Nachricht konfrontiert sind, richtet sich sein Anspruch als Richter auch ohne Ausnahme auf die Menschen (vgl. dazu ausführlich Spicq, 146). Die umfassende Verkündigung ist in V. 6a erwähnt, weil in der theologischen Konstruktion des Briefes die entscheidende Grenze nicht zwischen Wissen und ‚Noch-nicht-erfahren-haben‘ verläuft, sondern zwischen Ablehnung und Dazugehören (vgl. z. B. 2,1–10; 3,1). Auch der Begriff „Unwissen“ (ἀγνωσία 3,15) bedeutet Ablehnung und nicht Uninformiertheit. In Zugehörigkeiten formuliert: Auch wenn ihre Zugehörigkeit die Hoffenden in die Ausgrenzung führt, bedeutet das nicht, dass die Botschaft Gottes damit eine Eingrenzung ihres Wirkungsbereiches erfahren würde, sogar die Toten sind nämlich in diesen Wirkungsbereich eingeschlossen! Das überrascht die Leserinnen und Leser nun aber nicht, sondern es ist aus 2,1–10 bekannt: An Christus und den Christen müssen sich alle ohne Ausnahme entscheiden, zum Glauben oder zum Angestoßenwerden (vgl. die Verbindung mit 2,1– 10 bei Giesen, Leiden, 210). Nichtinvolviertsein ist keine Option mehr! Der Finalsatz V. 6b gibt an, was die Folge der Botschaft an alle ist: Gott erhebt als Richter Anspruch auf das ganze Leben und verheißt allen das Leben (die Unterscheidung bei Achtemeier, 287 zwischen Final- und Konsekutivsatz ist künstlich; vgl. z. B. Schweizer, 1 Petrus 4,6, 153 für die kausale Deutung, die aber nicht würdigt, dass das Verkündigtsein der kausale Grund der Argumentation ist). Innerhalb des Finalsatzes V. 6b ist sowohl der Teilsatz über den Anspruch („damit sie gemäß Menschenart nach dem Fleisch gerichtet werden“), als auch der über die Verheißung („damit … sie gemäß Gott nach dem Geist leben“) notwendig, und keineswegs erscheint der erste nur als eingeklammerter Einschub (vgl. μέν–δέ 1,20; 2,4; 3,18; anders Selwyn, 215 der Ersteres für Parenthese hält). In beiden Teilen wird eine 3. Pers. Plural vorausgesetzt, die alle Menschen meint, denn das einräumende καί V. 6a hatte gezeigt, dass die Toten dort als pars pro toto für die Menschen stehen. Schließlich ist zu beachten, dass in beiden Teilen Begriffspaare vorliegen: Urteilen/Leben, gemäß Menschen/gemäß Gott; Fleisch/Geist (κρίνειν/ζῆν, κατὰ ἀνθρώπους/κατὰ θεόν, σάρξ/πνεῦμα). Der erste Teil ist passiv formuliert: Über die Menschen wird geurteilt (κρίνειν im Aorist; das Verb meint im 1 Petr durchgängig den Anspruch Gottes, 1,17; 2,23; 4,5). Es ging noch in V. 5 um Gottes Anspruch, der sogar an den Toten keine Grenze findet 136

Bestätigung der vernünftigen Entscheidung, zugewandt zu leben

4,6

(V. 5 κρίνειν; vgl. die Gegenwart als Zeit des Gerichts Gottes, 4,17–18 κρίμα). Für die Deutung von V. 6b ist klar, dass auch hier Gott logisches Subjekt des Richtens ist und nicht etwa Verfolger (diese Deutung aber Frings, Zu 1 Petr 3,19, 85; Reicke, Spirits 206. Bei κρίνειν V. 5 ist auch eindeutig Gott Subjekt; dieses Argument auch bei Reicke, Spirits, 205 f.). Die Ergänzungen „gemäß Menschen“ (κατὰ ἀνθρώπους) und „nach Fleischesart“ (σαρκί) lassen sich schlüssig – innerhalb petrinischer Theologie – dem Richten durch Gott zuordnen. Entsprechend der ersten Ergänzung im ersten Teil sind alle Menschen ‚gemäß Menschen‘ geurteilt (κατὰ κτλ.). Das ist konsequent, denn zur Grundlage des „gut Handelns“ gehört es bei 1 Petr ausdrücklich, dass Gott „gemäß jemandes Werk urteilt“ (κρίνοντα κατὰ τὸ ἑκάστου ἔργον 1,17). Es besteht im petrinischen Begriffssystem also kein Grund, die Aussage V. 6b, dass Gott „gemäß Menschen“ urteilt, für theologisch unvorstellbar zu halten, anders als im paulinischen Begriffssystem (vgl. Elliott, 736: Gott kann nicht nach menschlichem Maß urteilen; Goppelt, 277 kommt zu seiner Deutung „nicht nach Gottes Art“ durch ausführlichen Verweis auf paulinische Schriften, ohne aber 1 Petr 1,17 zu berücksichtigen). Der Begriff ἄνθρωπος ist im 1 Petr neutral gebraucht (vgl. 3,4, auch 2,15; in 4,2 nur in Verbindung mit „Begierde“ negativ). Zutreffend deshalb schon die Übertragung Huther, 199: „nach der Menschen Weise, wie es ihnen eignet“. Die Leserinnen und Leser haben verstanden: Die konsequente Forderung z. B. an die Haussklaven, ihren Herren gegenüber auch bei tätlichen Übergriffen „gut handelnd“ aufzutreten, geschieht in der Einsicht, dass Gott gemäß dem dort zu bewährenden menschlichen Handeln urteilt. Die zweite Ergänzung im ersten Teil, ‚in der Lebensdimension des Fleisches‘ (σαρκί), umschließt die ganze Argumentation in 4,1–6: Christus ist der Welt zugewandt (vgl. insbes. 3,19–20) und hat in diesem Sinne im Fleisch gelitten (vgl. 4,1a σαρκί). Deshalb halten sich die Dissidenten an die Einsicht, sich am vorfindlichen Ort, dem ‚Fleisch‘ (V. 1b σαρκί), zu engagieren. Es ist also nur konsequent, dass Gott sein Urteilen auf diesen Ort richtet, das ‚Fleisch‘ (V. 6b σαρκί). Deshalb übersetzt Spicq hier passend „le standing humain“ (Spicq, 147). Der zweite Teil des Finalsatzes ist aktiv formuliert: Alle Menschen (sogar die Toten) leben gemäß Gott geistlich (κατὰ θεὸν πνεύματι). Dieser Satz ist eine Verheißung, die die Hoffenden für sich eingelöst haben. Christus hat gemäß 2,24 ermöglicht, dass die Hoffenden ihre Identität erhalten und ihren Wandel gestalten, d. h. leben (ζῶσι, Präsens). Gott hat Christus ‚zum Leben gebracht‘ (ζῳοποιηθείς 3,18; vgl. insgesamt 1,3.23; 2,4.5.24; 3,7.10; 4,5.6). Die Hoffenden werden zu Subjekten ihrer Lebensführung ‚gemacht‘. Die erste Ergänzung „gemäß Gott“ erinnert an 1,15: Die Hoffenden sollen „gemäß dem Berufer heilig“ sein. Hier wird deutlich, dass in 4,6b die Wendung „gemäß Menschen“ (κατὰ ἀνθρώπους) das Objekt meinte, soweit es im Gericht zur Verhandlung steht, während die gleiche Präposition „gemäß Gott“ (κατὰ θεόν) dann aber das Leben Gottes bezeichnet: „as God lives“ (Selwyn, 216, der bei etwas anderer Deutung zum Begriffspaar ‚Menschen–Gott‘ auch feststellt: „the parallelism is not exact“). Die Lebensart ist die geistliche, so die zweite Ergänzung. Die Überlegungen zu Geist

137

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

(πνεῦμα) sind im 1 Petr kaum ausgearbeitet, nur 3,18 zeigt gewisse Paralellen (Christus ist fleischlich gestorben und im Geist lebendig gemacht).

4,7–11: Aufforderung an die Geschwister, sich in der dichten Zeit gegenseitig zu unterstützen 7

Aber das Ende von allem ist nahe gekommen: Seid deshalb vernünftig und seid nüchtern zu Gebeten, 8 vor allem die anhaltende Liebe füreinander habend, weil die Liebe eine Menge von Sünden deckt, [und] 9 gastfrei zueinander ohne Murren, [und] 10 so wie jeder eine Gnadengabe bekommen hat, so dient damit einander wie gute Haushalter der vielfältigen Gnade Gottes: 11 Wenn jemand redet, als Worte Gottes. Wenn jemand dient, aus der Kraft, die Gott gewährt. Auf dass in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus, dem sind die Herrlichkeit und die Kraft in den Ewigkeiten der Ewigkeiten. Amen. Eine Einladung zur Bruderliebe in der Form der praktischen Solidarität der christlichen Dissidenten untereinander schliesst jede Sequenz des Briefes ab (1,22–25 in 1,3–25; 3,8–12 [insbes. V. 8a] in 2,11–3,12; 4,7–11 in 3,13–4,11 und ausführlich 5,1–11 in 4,12–5,11). Das in 1,22 angekündigte Programm der Bruderliebe (φιλαδελφία) nimmt wie in 3,8–12 konkrete Züge an. Der Kontext und die Rahmenproblematik haben sich aber leicht geändert: Die Notwendigkeit der gegenseitigen Fürsorge der Hoffenden innerhalb der Geschwistergemeinde wird nicht weiter durch die offensive Strategie der Gewaltlosigkeit, die sich aus der Erwählung ergibt, begründet (so 3,8–12 als letzte Aktualisierung der taktischen Unterordnung in 2,13a), sondern sie ist hier Konsequenz der vernünftigen Wahrnehmung der neuen Zeit, die sich durch die in Christus geoffenbarte Sinngebung und ihre existentiellen und sozialen Folgen „verdichtet“ hat (vgl. 4,7). Die Situation der Dissidenten, die sich von lang geübten, bisher tragenden Loyalitäten getrennt haben und in ihrem hellenistisch-römischen gesellschaftlichen Umfeld nicht mehr verstanden werden (4,1–6), setzt eine aktive gegenseitige Unterstützung der christlichen Häuser und im ‚Haus Gottes‘ voraus. Die Argumentation folgt einer klaren Logik: Am Anfang stehen zwei Imperative „Seid vernünftig und nüchtern“ (σωφρονήσατε οὖν καὶ νήψατε), d. h. lebt zeitgemäß und aufmerksam (σωφρονεῖν und νήφειν V. 7). Sie werden durch drei Partizipial- bzw. Nominalsätze konkretisiert (Forbes, 147: „a derived impv. force“): Liebe haben (V. 8a ἀγάπην ἐκτενῆ ἔχοντες, aufforderndes Partizip), gastfreundlich sein (V. 9 φιλόξενοι, aufforderndes Adjektiv) und als Ökonomen der Gnadengaben Gottes einander dienen (V. 10 διακονοῦντες κτλ., aufforderndes Partizip). Die erste Aktualisierung wird begründet (V. 8b ὅτι), die dritte erläutert (V. 11a εἴ τις … εἴ τις) exemplarisch, wie die Wahrnehmung der Gnadengaben Gottes die Ethik der Kommunikation und den Dienst prägen. Begründet werden beide Imperative und die dazugehörenden Erläuterungen in V. 11b durch die Erinnerung an das Ziel (ἵνα elliptisch: „auf dass“): Die Verherrlichung Gottes. Gemeint ist die gegenwärtige Offenbarung und die Weitergabe der Hoffnung, die auf der durch die abschließende Doxologie

138

Aufforderung an die Geschwister, sich in der dichten Zeit gegenseitig zu unterstützen

4,8

pragmatisch verkündigten ewigen, transzendenten Herrlichkeit und Kraft Gottes gründet (V. 11c, Relativsatz). 7 Der griechische Begriff τέλος verbindet die beiden Dimensionen des Endes und des Zieles (so auch mit verschiedenen Akzenten 1,9; 3,8; 4,17); dabei kann „von allem“ (πάντων) sowohl als Maskulinum als auch als Neutrum gelesen werden, so dass sich lesen lässt: ‚von allem ist das Ende nahe‘ ; oder: ‚das Ziel von allem ist nahe geworden‘ ; oder: ‚von allen ist das Ende nahe geworden‘ (vgl. in diesem Sinne 4,17); oder: ‚von allen ist das Ziel nahe geworden‘. Es besteht keine Notwendigkeit, sich für eine Deutung zu entscheiden (ἐγγίζειν im Perfekt; das Verb nur hier im 1 Petr). In der Zeitvorstellung des Briefes bestehen Ende und Ziel in der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes und der Hoffenden. Die ‚Erfüllung der Zeit‘ (τὸ τέλος ἤγγικεν) ist nicht chronologisch zu lesen, sondern sie qualifiziert die Gegenwart (anders Bigg, 172; Selwyn, 216: Das Gericht kommt unmittelbar): Die Zeit hat sich verdichtet (vgl. Vorholt, Ende, 104: „dicht“) und ist durch die Verheißung und die verantwortliche Aufgabe im Gerichtsprozess (vgl. 4,17–19) intensiv gefüllt. Die unmittelbare Konsequenz: Die Adressaten sollen sich zeitgemäß verstehen und verhalten (σωφρονεῖν „weise, vernünftig sein“, nur hier im 1 Petr, aber vgl. z. B. Röm 12,3. Kelly, 138 liest: selbstbeherrscht und mit einem ruhigen Kopf ). Die Aufforderung, abgeklärt zum Gebet zu sein (νήψατε εἰς προσευχάς), variiert parallele Formulierungen: In vollkommener Hoffnung aufgrund der geoffenbarten Gnade nüchtern sein (1,13). Oder: Nüchtern und wach bleiben, um sich nicht verführen zu lassen (5,8). ‚Nüchtern sein‘ wird jeweils metaphorisch gebraucht und meint: Klares Denken, das – die offenbar gewordene Transzendenz wahrnehmend – im Leben sinnvoll orientiert. 8 Der so verstandenen Zeit entspricht als erste Dimension die reale Solidarität in der Geschwistergemeinde. Die Aufforderung zur anhaltenden Liebe wiederholt 1,22 (ἀλλήλους ἀγαπήσατε ἐκτενῶς), jetzt als aufforderndes Partizip (ἀγάπην ἐκτενῆ ἔχοντες) zu den Imperativen in V. 7. Der Begriff „eifrig“ (ἐκτενής; vgl. ἐκτενῶς) im Sinne von „angespannt“ oder „beharrlich“ ist ein klassischer Begriff, der sich im NT nur hier in Bezug auf die Liebe und als Adverb in Lk 22,44 und Apg 12,5 in Bezug auf das Gebet findet. Die praktisch orientierte Argumentation verstärkt hier das gegenseitige Liebesgebot und die kurze Einladung zur Liebe der Geschwisterlichkeit (ἀδελφότητα ἀγαπᾶτε 2,17) durch eine Formulierung, die sowohl eine Grundhaltung bezeichnet (vgl. 1 Kor 13,1–3) als auch die gemeinsame Zugehörigkeit und das Füreinanderdasein beinhalten kann (Joh 13,35; 15,13). Die gemeinsame Zugehörigkeit wird hier durch „für euch selbst; füreinander“ (εἰς ἑαυτούς) ausdrücklich hervorgehoben. Das „Lieben“ (ἀγάπην ἔχειν) verleiht die Fähigkeit, die Schwierigkeiten des gemeinsamen Lebens zu ertragen (in diesem Sinne φιλάδεφος 3,8; φιλαδελφία 1,22). Die begründende Formulierung „Liebe deckt eine Menge von Sünden zu“ (ἀγάπη καλύπτει πλῆθος ἁμαρτιῶν; καλύπτειν im Präs.; einige Varianten mit Fut. καλύψει) lehnt sich wie Jak 5,20; 1 Clem 49,5 lose an Spr 10,12 an – oder wohl eher an eine umgangssprachliche Version davon (vgl. die andere Terminologie in Spr 10,12 LXX: πάντας δὲ τοὺς μὴ φιλονεικοῦντας καλύπτει φιλία). Der Kontext bestimmt jeweils die Bedeutung der sprichwörtlichen Wendung: Jak 5,19–20 verweist auf die befreiende und heilsbringende Wirkung der brüderlichen Zurechtweisung, während 1 Petr 4,8–11 sich mit dem Alltag der in der umliegenden Gesellschaft fremd gewor139

2,11–4,11

Anweisungen für das Leben als Fremde (Hauptteil II)

denen Dissidenten des Hauses Gottes und der unter ihnen notwendigen Solidarität befasst. Unentscheidbar ist, ob die Liebe die Anderen liebenswürdig macht und Spannungen in der Gemeinde entschärft (so Achtemeier, 296; vgl. Veränderungsintervention bei Forbes, 147: „it minimizes wrongs by refusing to take offense“), oder ob sie den Blick auf den Anderen im eigenen Bewusstsein verändert und damit den Liebenden verändert (noch anders Selwyn, 217 f: gemeint sei „verdeckt vor Gott“ im Sinne von Thukydides II,42,3: Gute Taten gleichen andere Stunden aus). 9 Als zweite Dimension einer vernünftigen und aufmerksamen Haltung und eines zeitgemässen Verhaltens verweist die Argumentation auf die Notwendigkeit der gegenseitigen Bereitschaft zur Gastfreundschaft (φιλόξενοι εἰς ἀλλήλους, Adj. ähnlich zu ἔχοντες und διακονοῦντες; gemäß Dubis, 142 parallel zum Adj. in 3,8). Anders als in Röm 12,13 und Hebr 13,2 geht es offenbar nicht um eine allgemeine Erinnerung an die christliche Kultur in offenen Häusern (Aufnahme der Missionare, Empfang der Hausgemeinde), sondern um die offensive Antwort auf eine aktuelle Not, worauf die Wendung „ohne Murren“ hinzudeuten scheint (ἄνευ γογγυσμοῦ): Haben ungelöste Konflikte in den nicht-christlichen Häusern einzelne Mitglieder der Gemeinden in eine prekäre Situation gebracht? Sind andere Hoffende kurzfristig zu schützen? Gastfreundlich wird aus purem Fremdsein (παρεπίδημος; πάροικος) miteinander zumindest eine lebbare Diaspora (διασπορά)! 10–11a Als dritte Dimension werden die Adressaten je nach persönlichen Begabungen jedes Einzelnen eingeladen, einander als schöne Haushalter der Gnade Gottes zu dienen (διακονεῖν als aufforderndes Part. noch immer zugehörig zu 4,7). Die Begriffe χάρισμα, οἰκονόμος und χάρις sind paulinisch, eine Verwandtschaft mit Röm 12,6– 7 und 1 Kor 12,4–11 ist unverkennbar. Vorausgesetzt und ausdrücklich erwähnt sind sowohl die bunte Vielfalt der Gnadengaben, die die Einheit der Geschwistergemeinde prägt (jede und jeder hat ein χάρισμα bekommen; vgl. 1 Kor 12,6–7), als auch die gemeinsame Berufung der Hoffenden zum Dienen (διακονεῖν im Partizip; vgl. übertragen 1,12). Auffällig wirkt der Nachsatz – „als schöne Haushalter“ (ὡς καλοὶ οἰκονόμοι κτλ.). In einem Brief, in dem die Hausmetaphorik eine zentrale gedankliche Rolle spielt (οἶκος πνευματικός 2,5 [vgl. οἰκοδομεῖν 2,5.7]; οἶκος τοῦ θεοῦ 4,17; οἰκέτης 2,18; vgl. πάροικος 2,11; zu Haus/οἶκος s. bei 2,5) erweitert diese Wortwahl den bekannten Gedanken um eine weitere Dimension. Denn die Funktion eines Haushalters besteht in der Gestaltung der Hauspolitik: Verteilung der Rollen, der Ressourcen und der Aufgaben im Haus. Der Dienst, den die Adressaten als individuelle, auserwählte Dissidenten (1,1–2) ausüben sollen, beschränkt sich also nicht auf die aktive Wahrnehmung ihrer eigenen Gnadengaben, sondern schließt die gemeinsame Verantwortung ein, den bunten Gnaden Gottes insgesamt einen Platz zu geben (ποικίλος nur hier positiv im NT, sonst immer in Bezug auf Versuchungen, Jak 1,2; 1 Petr 1,6; Mächte oder Krankheiten, Mt 4,34; Mk 1,34; Lk 4,40; 2Tim 3,6; Tit 3,3; Hebr 2,4; 13,9). Und sie sollen dabei nicht nur wie (oder als) „gute“, sondern wie (oder als) „schöne“ Ökonomen dienen (καλός lässt sich genauso wenig wie χάρις auf die Dimensionen des Funktionalen reduzieren; vgl. die Überzeugungskraft des „schönen Wandels“ und „schöner Werke“ in 2,12). Die beiden Konditionalsätze in V. 11a (εἴ τις – εἴ τις) verdeutlichen das Dienen mit den Gaben durch zwei Beispiele: „wie mit Worten Gottes“ (ὡς λόγια θεοῦ) und: 140

Aufforderung an die Geschwister, sich in der dichten Zeit gegenseitig zu unterstützen

4,11b–c

„wie aus der Kraft, die Gott gewährt“ (ὡς ἐξ ἰσχύος ἧς χορηγεῖ ὁ θεός). „Reden“ und „dienen“ (λαλεῖν; διακονεῖν) sind hier wohl kaum Zusammenfassung fester Gemeindedienste (so aber Selwyn, 219: Wortverkündigung und Gemeindediakonie); λαλεῖν ist kein technischer Begriff der Predigt, und διακονεῖν präzisiert hier einfach das εἰς ἑαυτοὺς διακονοῦντες (V. 10). Also wird in V. 11a viel allgemeiner gesagt: Die Zugehörigkeit zur Geschwistergemeinde der Hoffenden setzt eine Ethik der Kommunikation voraus, die die Gesprächspartner grundsätzlich als Mit-Erwählte Gottes respektiert (vgl. 2,1–2 und die Gemeinderegel in Mt 17,24–18,35). Und die Diakonie ist keine Dienstleistung, sondern sie wird durch die Kraft, die Gott gibt, als Gnade ermöglicht und bewirkt. Die Kraft „gewähren“ (χορηγεῖν; vgl. noch 2 Kor 9,10; ἰσχύς nur hier im 1 Petr) bedeutet ‚den Chor führen‘ oder ‚die Kosten für einen Chor aufbringen‘, daher im übertragenen Sinn: ‚Beschaffen‘ oder ‚gewähren‘. 11b–c Der in die Rhetorik eines Abschlusses passende Finalsatz (ἵνα κτλ.) soll wahrscheinlich nicht nur unmittelbar auf den vorherigen Satz bezogen werden, sondern er leitet als unabhängiger Hauptsatz eine Empfehlung ein, mit der die Imperative und Aufforderungen von 4,7–11a insgesamt zusammengefasst werden: „Auf dass … !“ (Liddell-Scott, 830: „in commands, introducting a principal sentence“; vgl. auch Joh 9,3 in Papyrus 66). Sowohl das Verb δοξάζειν (1,8; 2,12; 4,16) als auch das Substantiv δόξα (1,7.11.21; 4,13.14; 5,1.4.10, vgl. 1,24) verweisen auf die Offenbarung Gottes, auf die den Dissidenten durch Christus gegebene Orientierung, die vorläufige Funktion, „erkennbar zu sein“ (vgl. 4,14b), und auf die endgültige Erscheinung von allem am Ende der Zeit. Zur Bedeutung von „wegen Jesus Christus“ (διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ) und zur Christologie des Briefes als Begründung und Vorbild der offensiven Gewaltlosigkeit der Adressaten vgl. 1,17–21; 2,21–25; 3,18–22. Die Doxologie ᾧ ἐστιν ἡ δόξα κτλ. kann sich entweder auf Christus beziehen (wegen der nahen Wortstellung zu διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ, aber gegen die entstehende logische Konkurrenz mit διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ; so Selwyn, 219 f.; vgl. Hebr 13,21), oder, wohl wahrscheinlicher, sie bezieht sich auf Gott (wie in 5,10, als unmittelbare Durchführung des ἵνα-Satzes, so Achtemeier, 299; vgl. den gleichen Wortlaut in Apk 1,6). Mit „Amen“ schließt der zweite Hauptteil 2,11–4,11. Dem entspricht die Neuanrede in 4,12.

4,12–5,7: Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese) In der Synthese 4,12–5,7 werden – wiederum in zwei Durchführungen – Grundeinsichten der beiden vorherigen Briefteile zusammengefügt. Die Konflikte werden zunächst dreimal zum Thema gemacht, zur Beantwortung der damit aufgeworfenen Fragen werden die Identitätsaussagen des ersten Teils wieder aufgenommen. Die Aussage zum „gut Handeln“ (4,19) kann dabei als ‚Summe‘ des Ganzen angesehen werden. Die letzte Paränese (5,1–7) bringt Forderungen zur Gestaltung des binnenchristlichen Miteinanders vor, die in V. 1b.4.10–11 durch Verheißungen (bzw. durch eine Vergewisse141

4,12–5,7

Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)

rung) begründet werden. Die Position der Erwähnung der Geschwisterschaft am Ende des Briefteils entspricht der bekannten Struktur, der Stellung von 1,22–25 in 1,13–25 und von 4,7–11 in 2,11–4,11 (vgl. 3,8a in 2,11–3,12).

4,12–19: Das Gericht geht vom Haus Gottes aus (IIIa) 12

Geliebte, lasst euch nicht befremden – durch das Feuer unter euch, das euch geschieht zur Prüfung –, als ob euch etwas Fremdes wiederführe, 13a sondern – so wie ihr Anteil habt an den Leiden des Christus – freut euch, 13b damit ihr euch auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit jubelnd freut. 14 Wenn ihr geschmäht werdet im Namen Christi, [seid] ihr selig, weil der Geist der Herrlichkeit und Gottes auf euch ruht. 15 Denn niemand von euch leide wie ein Mörder oder ein Dieb oder ein Übeltäter oder wie ein Infremdesachenmischer, 16 aber wenn [einer] wie ein Christ [leidet], schäme er sich nicht, sondern verherrliche Gott in diesem Namen. 17 Weil es Zeit ist, das Gericht vom Hause Gottes aus zu beginnen. Wenn aber zuerst von uns aus, was [ist] das Ende für die der Frohbotschaft Gottes Unfügsamen? 18 Und wenn der Gerechte knapp gerettet wird, wie wird der Gottlose und Sünder erscheinen? 19 So sollen auch die, die nach dem Willen Gottes leiden, dem zuverlässigen Schöpfer ihre Seelen anvertrauen im Guthandeln. Die Aussagen in 12–19 tragen den Charakter einer Zusammenfassung, gekennzeichnet durch die heraushebende Neuanrede am Anfang (V. 12, ἀγαπητοί), den zugepitzten Terminus ganz am Schluss in V. 19 (ἀγαθοποιΐα) und darin den Abschluss der Rede vom ‚Haus‘ (V. 17, οἶκος τοῦ θεοῦ). Die Zusammenfassung geschieht in drei hintereinandergestellten Argumentationen, denen ein Schluss folgt: Erstens V. 12–13a (mitsamt dem Finalsatz V. 13b) die beiden Imperative, sich nicht befremdet zu geben, sondern mit Christus sicher zu sein (μὴ ξενίζεστθε … χαίρετε). Zweitens V. 14 die Zusage der Präsenz Gottes – wenn der Konflikt im Namen Christi geschieht (ἐν ὀνόματι Χριστοῦ); faktisch bringt diese Bedingung ebenfalls einen hohen Aufforderungscharakter in V. 14 ein. Drittens – durch „denn“ (γάρ) getrennt – in V. 15–18 zwei begründete Imperative, nicht falsch zu leiden und sich nicht des Auftrags schämen (μὴ πασχέτω … μὴ αἰσχυνέσθω). Die Schlussfolgerung (ὥστε V. 19) bezieht sich faktisch auf V. 12–18 insgesamt, sie ist daher ein eigenständiges viertes Element. Es fällt aber auf, dass jede Argumentation für sich begründet wird: Mit der Teilhabe an Gottes Offenbarung (ἵνα V. 13b), mit der Präsenz Gottes auf den Hoffenden (ὅτι V. 14b) und – ausführlich – mit der aktiven Rolle der Hoffenden, die den Konflikt sinnvoll gestalten als ‚Haus Gottes‘ im Gerichtsprozess (ὅτι-Konstruktion in V. 17–18). Der erste Schritt 12–13a leistet zugleich die Eröffnung der Synthese von V. 12–19 und redet deshalb die Hoffenden erneut als „Geliebte“ an (vgl. 2,11); das ist rhetorisch erklärbar, eine Änderung der Situation der Leserinnen und Leser ist nicht anzunehmen,

142

Das Gericht geht vom Haus Gottes aus

4,12–13a

wohl auch kaum die neue Rechtslage unter Plinius d. J. (so aber neuerdings wieder Horn, Staatsbürger, 383 f .). Der Autor setzt an dieser Stelle im Briefverlauf die Klärungen zum „gut Handeln“ und zum Verhalten in Konflikten voraus und bringt eine doppelte Forderung an: „Werdet nicht befremdet …, sondern freut euch!“ Die erste Forderung V. 12 (μὴ ξενίζεσθε, „werdet nicht befremdet“) reflektiert die Gefahr, dass die Christen sich von ihrer Aufgabe entfernen, wenn sie erfahren, dass der unmittelbar spürbare ‚Erfolg‘ ihres Handelns zunächst vor allem als die in 3,13–4,11 ausführlich geschilderten Konflikte erfahrbar wird. Sie sollen aber wegen dieser Erfahrungen keinesfalls von ihrer Aufgabe unter den Heiden abrücken (ξενίζειν im Präsens), wie die Heiden ihrerseits (gemäß 4,4) gerade unverständig von den Christen abgerückt sind (vgl. die Übersetzung von Elliott, 771: „dissociating“)! Dass hier gerade vor jenem heidnischen Reaktionsmuster gewarnt werden soll, betont Achtemeier, 305. Auch wenn durch die Metapher anerkannt wird, dass die aufbrechenden Konflikte heftig wie Feuer (πύρωσις) sind – das anzuerkennen ist die seelsorgerliche Funktion des Begriffes hier in V. 12 –, sind sie nicht sinnlos oder erscheinen nach der Reflexion in 3,11–4,11 zumindest nicht weiter als „absurde“ (Margot, 11). Das unterstreicht der freie Genitiv „(nicht) als ob euch etwas Fremdes zustößt“ (ὡς ξένου; ohne Beziehung zu der z. B. in 1,1 und in 2,11 angesprochenen ‚Fremdheit‘ des Hauses Gottes; der von Holloway, Nihil inopinati, 434–438 aufgedeckte rhetorische Topos ‚nihil inopinati accidisse‘ hat – anders als Holloway [aaO., 444] behauptet – nur äußerliche Ähnlichkeit mit 1 Petr 4,13 f. Die Logik erschließt sich auch ohne die von Dubis, Woes, 64 herangezogene Tradition der ‚messianischen Wehen‘). Die Konflikte gehören, so viel wissen die Leserinnen und Leser seit dem Briefanfang, zur notwendigen Bedingung der Gegenwart, indem sie für die Christen eine Prüfung (1,6 ἐν ποικίλοις πειρασμοῖς) darstellen. Hier auch im Zusammenhang mit Prüfung (4,12 πρὸς πειρασμόν) bildet „Feuer“ die gerichtliche Reflexion der Gegenwart, als zweite Funktion, die zur „theologischen Situationsdeutung“ (Brox, 213) gehört. Es fällt auf, dass diese Deutung der Gegenwart als Prüfung im Weiteren nicht fortgeführt wird, sondern dass in V. 13a eine neue Argumentationslinie einsetzt. Goppelt, 297 empfindet die Gerichtsvorstellung hier dementsprechend „nur im Vorübergehen“ formuliert (vgl. Windisch/Preisker, 77: „nur flüchtig berührt“). Nach dem langen Diskurs zum Thema ‚Strategie der Dissidenz‘ (2,11–4,11) scheint hier vielmehr diejenige Frage zur Klärung gebracht, die konsequenterweise in der Synthese zu behandeln ist: Wenn der Erfolg des dissidenten Unternehmens vor allem in Konflikten besteht, ist dann das ganze Unternehmen erfolglos und daher falsch? Die zweite Forderung in V. 13a (χαίρετε) verändert zur Beantwortung dieser Frage die Perspektive: Die Christen sollen sich nicht in Abgrenzung zu diesen Konflikten oder gar durch Annäherung an die Konfliktpartner zu verstehen suchen, sondern sie sollen ihr Leben von der Identität Gottes her bestimmt sein lassen: Sie sollen sich freuen (χαίρειν als Imperativ Präs. wie zuvor ξενίζειν, aber anders im Finalsatz ἵνα … χαρῆτε, futur. Aorist; möglicherweise ähnlich Mt 5,11 f., vgl. Lk 6,23, so Metzner, Rezeption, 34 ff.). ‚Freude‘ ist die radikale Perspektivumkehr der Hoffenden! Dabei ist ‚Freuen‘ nicht eine positive Gemütsregung, sondern meint die Unabhängigkeit und den Lebensmut, die im Angesicht Gottes herrschen (vgl. χαρά 1,8; insoweit gerade keine Strategie sogenannter „Selbststigmatisierung“ [so Gabriel, Ausstieg, 56 in Rück143

4,12–5,7

Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)

griff auf W. Lipp]). Und es geht daher auch in V. 13a nicht um den Nachweis oder das Abpressen irgendeiner freudigen Erfahrung, die der Konflikt oder die Konfliktbewältigung hervorbringen würde, sondern es geht um die Forderung nach einer bestimmten Einstellung, nämlich dem Lebensmut (so χαίρειν). Nur deshalb übrigens bleibt dieser Lebensmut in der konfliktlosen, kommenden Epoche der Präsenz Gottes erhalten, ja ist sogar dort noch gesteigert (vgl. ‚jubelnder Lebensmut‘ V. 13b χαρῆτε ἀγαλλιώμενοι). Das erinnert insgesamt an die Perspektivumkehr in 1,18: Orientierungspunkt des dissidenten Sklaven ist nicht die Qualität des Hausherrn, sondern die Ehrfurcht Gott gegenüber. Allerdings ist die Voraussetzung von Lebensmut im Konflikt, dass die Konflikte aus einem Selbstverständnis und aus einer Art von Leben hervorgehen, wie es Christus gelebt hat. Das haben die Leserinnen und Leser eindrücklich aus den paradigmatischen Teilen der christologischen Abschnitte im Ohr (vgl. 1,18–19; 2,21–24b; 3,18a), und daran wird hoch verdichtet in 4,13a mit „Anteil haben (κοινωνεῖν im Präsens mit καθό) an Christi Leiden“ erinnert. Anteil an seinen Leiden hat, wer „seinen Spuren folgt“ (vgl. 2,21; diese Verbindung macht z. B. Lamau, Exhortation, 125 stark; vgl. auch Selwyn, 221, der eine mystische Interpretation zurückweist. Zu Vergleich und Abgrenzung gegenüber paulinischer Theologie vgl. Millauer, Leiden, 88 f. Die Formulierung in 5,1, wonach der vermeintliche Autor ein κοινωνός der zu offenbarenden Herrlichkeit ist, meint dort einen anderen Zusammenhang; zu Leiden/πάσχειν s. bei 4,1). So wie es den Dissidenten der Hoffnung gelingt, an der Haltung Christi Teil zu haben, so sollen sie im Konflikt ‚Lebensmut‘ fassen. Der folgende Finalsatz 13b nennt ein motivierendes Ziel: Lebensmut ist in der Haltung Christi begründet, die im kommenden Offenbartsein Christi zur umfassenden Realität werden wird. Damit wird mit V. 13b ein in 1 Petr klares Zeitschema deutlich: Erstens ist die Gegenwart von Konflikten im Sinne Christi gekennzeichnet (vgl. 4,13a); insoweit ist die Gegenwart dauerndes Gerichtsereignis, und im Wissen um diesen Stand der Zeit fassen die Hoffenden Lebensmut im Konflikt (4,13a; χαίρειν im Präsens). Zweitens wird aber in Zukunft Gott seine verherrlichte Sichtbarkeit zeigen (δοξάζειν): Das, was jetzt innere Orientierung ist, wird dann zur äußeren Klarheit werden. Der Übergang in diese zukünftige Epoche der Gleichzeitigkeit verändert für die Hoffenden den Grund des christlichen Lebens eigentlich nicht: Hier wie da ist ‚Freuen‘ (χαίρειν V. 13a und V. 13b; V. 13b Aor. mit futur. Funktion). So erklärt sich hinlänglich das einräumende „auch“ (καί) am Anfang des kleinen Finalsatzes V. 13b. Diese erwartete Epoche bedeutet aber zugleich auch totale Diskontinuität, den Bruch mit der Gegenwart, weil Gott an Christus seine Sichtbarkeit in der Offenbarung zeigen wird (ἀποκάλυψις also wie in 1,7 und ganz anders als in 1,13). In diesem Sinne spricht Vouga, christologie, 314 für 4,13b von ‚Parusie‘. Die Einheit der Heilsgeschichte, in deren Mitte die Hoffenden stehen, wird also durch den Begriff des Offenbarens geleistet: Offenbarung bietet den Hoffenden jetzt Orientierung (1,13.20; vgl. 1,11–12), und sie wird allen alles klar machen (1,8; 4,13; vgl. 5,1.4); die gegenwärtige Epoche ist von der Absicht, d. h. von der Gnade (1,13) und dem Glauben (vgl. 1,8–9) geleitet, aber die Zukunft wird von der offenliegenden Herrlichkeit (δόξα; vgl. 1,8; 4,13) geprägt sein. Deshalb heißt es in dem begründenden Finalsatz V. 13b: Die Christen werden sich an der Offenbarung seiner Herrlichkeit 144

Das Gericht geht vom Haus Gottes aus

4,14b

freuen (in ἐν τῇ ἀποκαλύψει τῆς δόξης αὐτοῦ bezieht sich αὐτοῦ wegen der Nennung Jesu Christi in V. 13a auf Christus). Zum Lebensmut kommt dann der Jubel hinzu, der – terminologisch gut geklärt – gemäß 1,6a spezifischer Ausdruck der erwarteten Epoche ist (ἀγαλλιᾶν als Partizip im gleichzeitigen Präsens). Nach dem Durchgang V. 12–13 folgt mit 14 der zweite Argumentationsgang, wieder zweigliedrig. Darin ist das erste Element („ ,… ihr seid selig“ μακάριοι, V. 14a) eine ausdrückliche Verheißung, allerdings bedingt („wenn ihr beschimpft werdet im Namen Christi“ εἰ ὀνειδίζεσθε ἐν ὀνόματι Χριστοῦ). Das zweite Element V. 14b hat begründende Funktion für V. 14a, ebenso wie zuvor V. 13b für V. 12 und später V. 17–18 für V. 15–16: Die Dissidenten der Hoffnung sind selig, weil (ὅτι) Gott seinen Geist auf sie gelegt hat. Die mit εἰ angegebene Bedingung innerhalb von 14a besteht darin, dass die Hoffenden „geschmäht werden“. Das Verb ὀνειδίζειν (im Präsens) setzt wohl schon für sich einen Vergleich mit Jesus Christus in Gang (wie V. 13a zuvor „Teilhabe an den Leiden Christi“), denn es bezeichnet ntl. sowohl die Aggression gegen Jesus als auch die gegen seine Anhänger (Verb und Substantiv zu Jesus vgl. Mt 27,44; Mk 15,32; Röm 15,3; Hebr 11,26 und zu den Jüngern bzw. zu den Glaubenden vgl. Mt 5,11; Lk 6,22; 1 Tim 4,10; Heb 10,33; vgl. zur Verbindung mit Christus insbes. Hebr 13,13). „Schmähen“ ist sprachlich so weit gefasst, dass jede Form gerade auch nichtorganisierter Anfeindung gegen die Hoffenden darin inbegriffen scheint. Dass die Schmähungen gegen die Dissidenten der Hoffnung „wegen des Namens Christi“ (ἐν ὀνόματι Χριστοῦ) geschehen, meint nicht irgendeinen Sonderkonflikt in der Öffentlichkeit, z. B. Lästerreden ‚über‘ den Namen. Vielmehr leistet die Formulierung „wegen des Namens Christi“ intern eine eigene, tiefergehende Deutung aller Konflikte (vgl. Analyse von ὡς Χριστιανός bei 4,16): Die Heiden reagieren, das ist der Beitrag dieser Formulierung, genau genommen nicht nur einfach auf abweichendes Verhalten (vgl. 4,3), sondern die Hoffnungslosen setzen sich – wenn auch unbewusst – mit dem Identitätskern der Hoffenden auseinander (vgl. Goppelt, 305: „weil sie im Sinne Christi leben“; Goppelt fügt aber als zweite Bedeutung auch an: „weil sie nominell dieser übel beleumdeten Religion angehören“ [ebd.]; mit anderem Ansatz: „pour le monde extérieur, le nom suffit à provoquer l’outrage, mais pour le croyant, l’attachement au Christ (et à tout ce que ce nom représente!) en est la cause profonde“, Bénétreau, 251). Die Kollision im Konflikt ist also in der Tiefe immer eine Kollision mit der Identität als Christ, nicht mit seinem Label (vgl. Mt 5,11 mit ὀνειδίζειν). Der Christ, der genau dies im Konflikt ermöglicht, ist „selig“ genannt (μακάριος; vgl. auch 3,14a). Für sich allein genommen wäre diese Zusage eine gut gemeinte individuelle Tröstung; aber der ὅτι-Satz 14b zeigt, dass es um grundsätzlich tröstende Einsicht in den laufenden Prozess der Konflikte geht. Die LXX-Vorlage dazu in Jes 11,1–2 lautet: Es wird ein Reis und Zweig entstehen „und es wird auf ihm ruhen der Geist Gottes, der Geist der Weisheit und des Verstandes“ (καὶ ἀναπαύσεται ἐπ’ αὐτὸν πνεῦμα τοῦ θεοῦ κτλ.). Um diese Vorlage den Hoffenden zuzusprechen, tauscht 1 Petr das personale Objekt aus (πνεῦμα ἐφ’ ὑμᾶς statt ἐπ’ αὐτόν) und wechselt vom Futur (ἀναπαύσεται) ins Präsens (ἀναπαύεται). Die entscheidende Veränderung der Vorlage ist eine Umstellung der Wortfolge, die es 1 Petr ermöglicht, prominent „Herrlichkeit“ (δόξα; in Jes 11 erst in V. 3b in anderem Sinne) als weiteres Attribut zu „Geist“ hin145

4,12–5,7

Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)

zuzufügen (τὸ τῆς δόξης καὶ τὸ τοῦ θεοῦ πνεῦμα), das in der Vorlage überhaupt nicht in der Reihung erscheint. Nur so aber entsteht die Formulierung V. 14b: „weil der Geist der Herrlichkeit und der [Geist] Gottes auf euch ruht“. Hätte 1 Petr nur „Geist Gottes“ entsprechend Jes 11 zitiert, dann wäre V. 14b wohl weiterhin (nur) als schöne seelsorgerlich-stärkende Zusage zu lesen. Die spezifische Bedeutung von „Herrlichkeit“ als die erwartete Vorweisbarkeit Gottes verleiht dem Zitat aber jetzt eine weiter reichende Bedeutung: Die Hoffenden im Konflikt leisten zugleich auch einen aktiven Beitrag zur Offenbarung Gottes, denn die Herrlichkeit Gottes ist in der Gegenwart für die Heiden an den Hoffenden abzulesen. Die an ihnen erkennbare Sichtbarkeit Gottes ist also der Konfliktstoff, weil – wie noch Huther klar sehen konnte – „eben das die Schmähung der Ungläubigen hervorrief, dass das Leben der Christen von dem auf ihnen ruhenden Geiste bestimmt war“ (Huther, 208; vgl. den missionarischen, aber auch beschützenden Eindruck des Geistes bei Bénétreau, 253; vgl. die Formulierung Achtemeier, 309 in Verbindung mit dem LXX-Gebrauch: „the visible brightness of glory“; Goppelt, 307, der vom Geist als „Beistand“ für die Hoffenden spricht, entgeht dieser Aspekt). Die ‚Herrlichkeit‘, die in der Gegenwart gerade nicht so zu haben ist, dass sie eine äußere Orientierung abgeben würde (vgl. 1,8–9: „nicht sehen“), wird partiell am Konflikthandeln der Dissidenten sichtbar und macht diese zum aktiven Teil von Gottes Offenbarung. Die Präsenz Gottes ist nicht nur die Lösung, sondern schafft gewissermaßen auch das „Problem“. Das Verb aus der Vorlage „ruhen auf‘‘ (ἀναπαύειν im Präs.) ermöglicht eine weitere schöne theologische Unterscheidung: Gott hat an den Hoffenden seine Herrlichkeit sichtbar gemacht – aber kein Dissident kann in den Irrtum verfallen, die Herrlichkeit nun als Besitz zu verstehen. Die Argumentation in 15–18 wird durch „denn“ (γάρ) eingeleitet, und sie ist klar gegliedert durch drei Imperative: Nicht unangemessen im Konflikt sein – dann ausgemalt mit Vergleichen (ὡς V. 15). Und (δέ) sich nicht schämen – dann mit dem Vergleich mit Christus vorangestellt (ὡς V. 16a). Und auch (δέ) Gott verherrlichen (V. 16b; alle Imperative im Präsens). Es folgt eine lange Begründung (vgl. ὅτι für V. 17–18). 15 Der Verlust des „Gut Handelns“ im Konflikt (V. 15 πάσχειν) – z. B. das Abrücken vom neuen Leben als Ausdruck des gefürchteten Befremdetwerdens (4,12) – kann den Hoffenden zum Mörder (φονεύς), Dieb (κλέπτης), „Schlechtmacher“ (κακοποιός) und „Infremdesachenmischer“ (ἀλλοτριεπίσκοπος) machen; die These von Erbe, ἀλλοτριεπίσκοπος, 41, es gehe bei Letzterem um die Veruntreuung von Gütern, fügt sich deutlich weniger in den petrinischen Kontext ein als die wahrscheinliche Zurückweisung des „Einmischens“ (s. u.). Die Auflistung beginnt mit dem ärgsten gesellschaftlichen Vergehen, dem Mord, und schließt am Ende mit „Schlechthandeln“ und „Infremdesachenmischen“, also mit eher alltäglichen Ordnungsbrüchen, die die Konflikte auf falsche Weise verstärken (Wohlenberg, 138: Figur „gradatio ad minus“). Der vorletzte Begriff „Schlechtmachen“ (κακοποιός) gibt innerhalb der Argumentation in 1 Petr das Programm zu erkennen, da er das Abweichen von der Strategie des „gut Handelns“ grundsätzlich bezeichnet (zu „gut Handeln“/ἀγαθοποιΐα s. bei 4,19; den Bezug dieses Begriffs auf die gesamte Strategie aus 2,11–3,12 unterstreicht auch Brown, Busybody, 549). Diese Programmhaftigkeit des vorletzten Begriffs gibt Anlass zu der Vermutung, 146

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4,16

dass auch der letzte Begriff, der „Infremdesachenmischer“ (ἀλλοτριεπίσκοπος), im vorliegenden Kontext nicht nur einen allgemein abzulehnenden Tatbestand angibt. Der Begriff ist vielmehr fähig, die Taktik der Unterordnung zu reformulieren, wie Schmidt überzeugend herausgearbeitet hat: Die soziale Aufstellung (τάξις) zur Verhandlung zu stellen, wäre nämlich ein solches falsches Agieren, ein „Einmischen“ auf der falschen Ebene (vgl. die an der Verwendung bei Epiktet gewonnene Einsicht von Schmidt, Mahnung, 278: „Auf die Christen im heidnischen Hauswesen übertragen würde der Begriff ἀλλοτριεπίσκοπος gleichsam das Gegenteil der Unterordnung oder Einordnung bezeichnen“; zur weiteren Erörterung des Belegs Epikt Diss II 22.97 [allerdings ohne das Wort ἀλλοτριεπίσκοπος] vgl. nun Guttenberger, Passio, 22; ohne ausdrücklichen Bezug zur Unterordnung de Wette, 54: „der als unkluger Eiferer heidnische Sitten und Gebräuche tadelt“, mit Bezug aber schon Bigg, 178: „repeating in another form the advise given above, ii 13“). Die zweite Forderung in 16a ist, ähnlich wie in V. 15, aus einem Imperativ mit Vergleich komponiert („schämt euch nicht, wenn …“ εἰ δὲ ὡς Χριστιανός, μὴ αἰσχυνέσθω): Während das Leiden ‚wie ein Dieb‘ usw. falsch ist, entspricht es aber einem Christen, sich im Leiden nicht zu schämen, d. h. nicht davon abzurücken (so die Deutung hier), sich direkt auf die Identität als Christ zu beziehen (ntl. Χριστιανός nur noch Apg 11,26; 26,28, vgl. Did 12,4; aber ähnliche Wortbildung ‚Herodianer‘ [῾Ηρῳδιανοί] Mk 3,6; 12,13). Die vorliegende Argumentation lebt eindeutig nicht von der – wie auch immer gearteten – Aufnahme eines Schimpfnamens (vgl. so aber Horrell, Label Χριστιανός, 369 f.376 ff. im Zuge eines Stigmatisierungsprozess in Auseinandersetzung mit J. C. Turner; gegen eine bloße Übernahme auch z. B. Guttenberger, Teilhabe, 108 ff. in Auseinandersetzung mit E. Goffman; Guttenberger, Passio, 60 erkennt die „wirklich andere, strukturell neue Identität“ jenseits des Stigmatisierungsprozesses an; für spätere Belege des Terminus vgl. Horrell, Label Χριστιανός, 361, Anm. 2; bei Horn, Staatsbürger, 379 aber sogar angeblich hier „Bezeichnung der römischen Provinzverwaltung“). Vielmehr sind hier im Kontext die drei Bezüge zum Namen ‚Christus‘ als zusammenhängend zu interpretieren: „im Namen Christi“ (ἐν ὀνόματι Χριστου, V. 14a), „als Christ“ (ὡς Χριστιανός, V. 16a), und „in diesem Namen“ (ἐν τῷ ὀνόματι τούτῳ, V. 16b). Deshalb wirkt „im Namen Christi“ in V. 16a als interner Qualitätsbegriff ihrer Identität, wie zuvor V. 14a; das ist klar erkannt von Brox, 221: „‚Als Christ‘ leiden heißt, auf die tadellose, dem Glauben entsprechende Lebensweise hin in die bekannten […] vom 1 Petr dauernd angesprochenen Schikanen und Konflikte verwickelt zu werden“ (vgl. schon Calvin, CR 83, Sp. 281: „non tam nomen quam causam“). Falsch ist damit jene innere Voraussetzung aller Vergleichbarkeit mit der Plinus-Trajan-Korrespondenz: „Das Christsein ist in derselben [!] Weise objektiver Grund für mögliches Leiden wie die in V. 5 aufgezählten Delikte“ (Reichert, Wahrnehmungen, 293, Anm. 64; vgl. Michaels, 268: 4,16a „appear to reflect the viewpoint of Jewish und pagan outsiders“). Wegen dieses engen Bezuges von 4,14.16a.16b ist in 1 Petr 4,16a kaum isoliert an eine historische Verfolgung der Christen als Gruppe unter diesem Namen gedacht, wie es gemäß einer Passage in der Plinius-TrajanKorrespondenz scheinen könnte, wo Plinius, in den Jahren 111–114 n. Chr. außerordentlicher Statthalter der Provinz Pontus und Bithynien, die Frage aufwirft: „Wird schon der Name an sich bestraft [nomen ipsum … puniantur], auch ohne Verbrechen, oder werden die mit dem Namen

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verbundenen Verbrechen bestraft [an flagilitia cohaerentia nomini … puniantur]?“ (Plinius, Epistulae, Liber X Epist. 96 [Text und Übers. Philips/Giebel, 805 f.]; zum Beleg vgl. insbes. Elliott, 792–794). Die Diskussion, ob die dort thematisierte spezielle Lage der Christinnen und Christen durch Plinius erst vorgeschlagen und dann geschaffen wurde (so z. B. Reichert, Wahrnehmungen, 287), oder ob er die Lage vorgefunden hatte (so z. B. Molthagen, cognitionibus, 115), bleibt daher hier ohne Relevanz.

Gerade durch den mit dem Namen aufgegriffenen Identitätsbezug verlagert sich die Ebene gegenüber V. 15 also merklich, und es fügt sich so der erste Imperativ V. 16, dass nämlich die Hoffenden zu ihrer Identität stehen, die im Konflikt gerade angegriffen wird (vgl. V. 14a), d. h. sie sollen sich nicht schämen (μὴ αἰσχυνέσθω, vgl. καταισχύνειν 2,6; anders in 3,16). Inhaltlich überrascht es 16b nicht, dass mit dem dritten Imperativ dazu aufgefordert wird, dass die Dissidenten der Hoffnung gerade im Konflikt Gott die Ehre geben sollen (δοξάζειν). Alles dissidente Engagement dient nicht dem eigenen Schutz oder Ruhm: das wird in V. 16b dadurch näher bestimmt, dass die Dissidenten Gott verherrlichen sollen „in diesem Namen“ (ἐν τῷ ὀνόματι τούτῳ). Textkritisch ist zugunsten dieser Lesart in der 27. Auflage des Nestle-Aland zu entscheiden, gegen die von ECM IV, 184 vorgeschlagene Lesart ἐν τῷ μέρει τούτῳ, obwohl der Wechsel von μέρος zu ὄνομα wegen der vorangegangenen Erwähnung in V. 14 zu erklären wäre. Für ἐν τῷ ὀνόματι τούτῳ als ursprüngliche Lesart spricht aber die breite und ältere Bezeugung (vgl. ebenso Achtemeier, 303), und überdies hätte mit dem Wechsel von ὄνομα zu μέρος eine spätere korrigierende Hand das Problem „Wessen Name?“ geklärt (vgl. ebenso Schlosser, 256). Und der Wechsel von ὄνομα zu μέρος könnte aus der Erinnerung an 2 Kor 9,3 (ἐν τῷ μέρει τούτῳ) ebenfalls leicht erklärt werden! Das ἐν ist nicht direkt instrumental zu verstehen („indem ihr den Namen aussprecht“), sondern instrumental im weitesten Sinne von „Name“ zu verstehen, und es ist gemeint: „Indem ihr in der Identität als Christen lebt“. Es geht also präzise um die „Realisation des Christseins“ – nicht mehr und nicht weniger (so Brox, 222; vgl. Elliott, 796; vgl. zu direkten und kausativen Deutungen das Referat bei Elliott, 796 f.). In 17–18 erfolgt die Begründung von V. 15–16 (vgl. ὅτι V. 14b; für den Bezug auf V. 15–16 vgl. Achtemeier, 315; anders Goppelt, 311). Die Begründung will verstehen machen, dass die Hoffenden, weil sie in ihrem Wandel zu Christus gehören, im recht gestalteten Konflikt selber Offenbarung für ihr Gegenüber sind und damit Teil des sich im Übergang der Zeiten vollziehenden Gerichts. Ihre Verantwortung gemäß V. 15–16 ist also insgesamt darin begründet, dass ihnen spezielle Verantwortung im Rahmen der Offenbarungsgeschichte Gottes zukommt. Die Begründung beginnt 17a damit, dass 1 Petr die Situation der Gegenwart verständlich macht, indem er sie als ‚Zeit des Anfangens des Gerichts‘ deklariert. Der verwendete Begriff ‚Zeit‘ (καιρός) macht in 1 Petr allgemein eine Angabe über die Qualität und Aufgabe eines Moments (vgl. 1,11.17), ohne begrifflich auf einen Tatbestand festgelegt zu sein (vgl. 1,5; für die starke Kontextbestimmtheit der Semantik von καιρός in 1 Petr vgl. auch Achtemeier, 315 und Vouga, Jugement, 341). Auf die spezifische Anfrage an 4,17 ‚Wann ist die Zeit (καιρός)?‘ muss geantwortet werden: Für die Hoffenden in der Gegenwart ist ‚die Zeit‘ immer gegeben – seit der Verkündigung der Auferstehung Christi und bis zur Offenbarung seiner Herrlichkeit. Mit diesem „im148

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mer“ ist man dann allerdings weit weg von Vorstellungen totaler Zerstörung, wie sie z. B. in Ez 8,1–11.25 zu lesen sind (begründet gegen eine Beziehung zu Ez 8 auch Elliott, 798–800; vgl. Reiser, Eschatologie, 175). Auch der Zerstörungsbericht Jer 25,29 ist kaum mit 1 Petr 4,17 vergleichbar, wie auch Vouga, Jugement, 337 zeigt (zu weiteren möglichen atl. Parallelen vgl. Millauer, Leiden, 107–110). Der Begriff „Anfangen“ kommt in 1 Petr nur hier vor (ἄρχειν als Gen. mit Artikel τοῦ ἄρξασθαι zu καιρός, ἀρχή fehlt im 1 Petr). Er bezeichnet hier unzweifelhaft den mit der Offenbarung von Jesu Leben (vgl. 1,13.20) begonnenen Vollzug der christlichen Identität sowie deren Aufgabe, und er stellt damit diejenige Qualität der Zeit vor, in der es entscheidend auf die Lebensführung (ἀναστρέφω/ἀναστροφή) der Hoffenden ankommt: „Anfangen“ meint nicht einen Teilvollzug, weil das ‚eigentliche‘ Gericht noch etwas davon Unterschiedenes wäre, sondern das Gericht ist immer ‚Anfangen‘. Von „Gericht“ (κρίμα) wird in 1 Petr nur in 4,17 gesprochen. Das dazugehörige Verb „richten“ bezeichnet im 1 Petr die gegenwärtige Beziehung zu Gott mit seinem Anspruch auf die Hoffenden (vgl. κρίνειν 1,17; 4,5–6), wie sie sein Sohn exemplarisch gelebt hat (vgl. 2,23c; das Argument bei Goppelt, 311, der Begriff für sich genommen bezeichne in der Tradition das ‚Endgericht‘, ist angesichts der im 1 Petr bekannten Freiheit im Umgang mit der Tradition kaum hinreichend; vgl. zur vorgelegten Deutung aber Reiser, Eschatologie, 174 f.). Da es auch in 4,17–18 um eben diese gegenwärtige Beziehung geht, sind konsequenterweise auch keine Angaben zu einem zukünftig stattfindenden Gericht zu finden: Wer richtet? Wo? Wann wird gerichtet? Das Gericht hat im 1 Petr nämlich nur mittelbar etwas mit dem Ende und Übergang der Epochen zu tun (inhaltlich vgl. 1,6: Die Gegenwart selber als Prüfung, ferner 4,12: Das Feuer zur Prüfung als spezifische Deutung der Gegenwart). Dass dieses Gericht „vom Haus Gottes“ (ἀπὸ τοῦ οἴκου τοῦ θεοῦ) beginnt, könnte nun sprachlich so verstanden werden, dass es darum geht, dass sich Gottes Gericht den Hoffenden zeitlich zuerst zuwendet. Das ist auch insoweit richtig, als die Hoffenden – wie ihr Vorbild Christus (vgl. 2,23) – von sich aus die Beziehung zum Richtenden pflegen. Nur insoweit sind sie tatsächlich die ‚ersten‘ vom Gericht Betroffenen (nur für diesen Teil der Deutung könnte man auf Ez 9,6 LXX hinweisen: Gottes Herrlichkeit [δόξα θεοῦ] verlangt das Töten derjenigen Einwohner Jerusalems, die kein Zeichen tragen; es heißt dann: „Und sie fingen an bei den Ältesten, die in dem Haus waren“, καὶ ἤρξαντο ἀπὸ τῶν ἀνδρῶν τῶν πρεσβυτέρων οἳ ἦσαν ἔσω ἐν τῷ οἴκῳ). Einen weiteren Hinweis zur Deutung gibt die im 1 Petr seltene Verwendung der Präposition ἀπό: Der heilige Geist geht „vom“ Himmel „aus“ (vgl. ἀπό 1,12; diese Präposition nur noch in poetischen Formulierungen von LXX-Zitaten 1 Petr 3,10.11; Huther, 221 [vgl. Vouga, Jugement, 343, Anm. 2] weist u. a. auf Apg 1,22 hin, wo ἄρχειν mit ἀπό steht und die Bewegung meint: „Von der Taufe des Johannes bis hin zum Kreuzestod“). Das Verständnis der Präposition ἀπό „ausgehend von“ – und zwar zu den Heiden – legt sich für 4,17 deshalb nahe, weil das begründete Gut 4,15–16 gerade das angemessene Verhalten vor (!) den Heiden ist. Man kommt also nicht umhin zu sehen, dass in V. 17 das Gericht nicht nur das Haus Gottes zu seinem besonderen passiven Objekt hat, sondern dass das Haus selber auch aktives Subjekt im Offenbarungsgeschehen ist – es geht „von ihm aus“. Als Skizze hat bereits Bénétreau diese 149

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Besonderheit der Zeit Jesu Christi bedacht: „En lui l’ère du jugement a commencé, jugement dont l’Eglise attend l’éclatante manifestation non dans la passivité, mais sur ses ‚traces‘, […]. En Christ le premier, une souffrance totalement injuste est devenue ‚jugement‘“ (Bénétreau, 257); in dieser Deutung hat die oftmals bei ἀπό vermutete Logik „je eher desto besser“ (vgl. exemplarisch Achtemeier, 315) überhaupt keinen Platz. Für die Deutung des tatsächlich von den Hoffenden ausgehenden Gerichts spricht auch, dass sich so die Verwendung des Terminus „Haus Gottes“ präzise in V. 17 einfügt, was zuletzt in 2,1–10 geschehen war: Im expliziten Rückbezug auf 2,1–10 – hier besonders 2,5 – sind die Hoffenden als von Gott selbst mit Identität versehen bezeichnet. Sie sind also nicht aus eigenem Entschluss oder eigener Wahl Ausgangspunkt des Gerichtes Gottes mit der Welt, sondern Gott hat sie dazu gemacht: Weil er sie zum Haus Gottes gemacht hat, sind sie zum Stein des Anstoßes für die Heiden geworden (zu Haus/οἶκος s. bei 2,5). Die Leserinnen und Leser haben verstanden: Obwohl das Gericht von Menschen („Haus Gottes“) ausgeht, soll man es doch nicht für menschengemacht halten! Ganz analog ist also zu 4,17a in Fortschreibung von 2,5 so zu formulieren: Wenn die Hoffenden die Identität Christi leben (vgl. 4,15–16), dann werden sie den Heiden zum Gericht – bzw. ihnen zum ‚Stein des Anstoßes‘ (Selwyn, 226 kennt die Deutung mit expliziten Bezug auf 2,5 aus einem älteren Werk E. C. Selwyn’s – und verwirft sie; auch Dubis, Woes, 145 referiert diese Deutung aus: R. C. H. Lenski, The Interpretation of the Epistle of St. Peter; St. John and St. Jude, 1938). Diese Bewegung vom Haus aus wird 17b und 18 durch zwei in der äußeren Konstruktionsweise ähnliche Sätze nachvollzogen: Jeweils auf einen Bedingungssatz (εἰ), eher die allgemeinen Umstände wiederholend (vgl. die Satzfunktion in 1,17), folgt eine rhetorische Frage, die die Folge bedenkt. Der parallele Aufbau wird auch daran belegbar, dass im Zitat von Spr 11,31 in V. 18 das μέν aus der Vorlage gestrichen wird, das eine einfache Logik a forteriori innerhalb der Sätze gerade unterstützt hätte (vgl. so aber z. B. Elliott, 802, der an das sinngleiche rabbinische Argument qal wahomer erinnert; möglicherweise sind dessen logische Überlegungen für Lk 23,31 tatsächlich zutreffend). Und: Läge der Schwerpunkt auf einer Verheißung oder auf einer Drohung, dann wäre die 2. Pers. Plural aus der Vorlage Spr 11,31 LXX als die rhetorisch passendere Anredeform sicher beibehalten worden; die 3. Pers. weist jetzt vielmehr darauf hin, dass (weiterhin) eine sachliche Erklärung des Offenbarungsgeschehens vorgenommen wird. Trotz der ähnlichen Konstruktion in V. 17b.18 darf also keineswegs präjudiziert werden, V. 18 wiederhole einfach nur den Gehalt von V. 17b. Die erste rhetorische Frage 17b zieht (erklärendes δέ) die allgemeine Konsequenz aus der Feststellung V. 17a. Im εἰ-Satz in V. 17b sind Teile aus V. 17a zu ergänzen: „Da zuerst von uns (sc. als Haus) das Gericht anfängt“. Die zeitliche Näherbestimmung „zuerst“ (πρῶτον) gehört zu der dargelegten Logik der Gegenwart als einer Zeit des Anfangens (ἄρχειν) und eröffnet nicht eine ‚zuerst-dann‘-Logik innerhalb von V. 17b (im zweiten Satzteil V. 17b ist kein ‚dann‘. z. B. εἴτα, vorhanden). Der Frageteil in V. 17b gibt die Folge zu bedenken, nämlich was das Ziel für die Ungläubigen ist (τέλος ist im 1 Petr kein fester eschatologischer Terminus; den Bedeutungsunterschied z. B. zu 4,7 macht Elliott, 801 stark; vgl. 1,9; 3,8). Inhaltlich ist in V. 17 also mit ‚Ziel‘ allgemein ‚der Ausgang des Geschehens‘ gemeint. Es muss markiert 150

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4,18

werden, dass die Ungläubigen hier nicht, wie z. B. in 2,12, als „Völker“ (ἔθνη), sondern partizipial ausführlicher als „der Frohbotschaft Unfügsame“ (… τῶν ἀπειθούντων τῷ τοῦ θεοῦ εὐαγγελίῳ) bezeichnet werden. Mit ἀπειθεῖν als spezifischem Begriff des 1 Petr wird eine starke Verbindung zu der Konflikt- und Missionssituation der Christen im Gegenüber zu den Heiden hergestellt: Gerade für die dem Wort Ungehorsamen bekommt der ‚Stein‘, den auch die Hoffenden bilden, Bedeutung als ‚Stein des Anstoßes‘ (vgl. ἀπειθεῖν in 2,8). Und gemäß 3,1 sind die Frauen um die Gewinnung der „dem Wort ungehorsamen“ Männer bemüht (ἀπειθεῖν). Zu beachten ist auch die christologische Aussage in 3,17–22: Die Christen bemühen sich um die Heiden, weil Jesus Christus, um den Ungehorsamen (ἀπειθεῖν in 3,19) zu verkündigen, sogar zu den Geistern gegangen ist. Die erste rhetorische Frage ist also klar zu beantworten: Der Erfolg (vgl. τέλος) an den Unglaubenden wird das sein, was durch das Gericht, d. h. durch die Begegnung mit den Hoffenden und in ihrer Verantwortung, an Verwandlung ausgelöst wird. Der Sinn ist – wie Vouga formuliert hat –, „que les fidèles tiennent bon dans les épreuves qu’ils rencontrent, parce que la confrontation pacifique avec la société païenne est le lieu dans lequel Dieu engage une procédure de vérité avec le monde païen“ (Vouga, Jugement, 344). Die gerichtliche Vorstellung ist in V. 17b also so verwendet, dass nicht die Logik des Lohns oder der Drohung herrscht, sondern die Logik des ‚Verantwortlich Machens‘ (vgl. z. B. die ganz andere Deutung, es gehe in 4,17b um eine Ermutigung der Christen „durch den Blick auf das schlimmere Schicksal der anderen“, so Brox, 223)! Die zweite rhetorische Frage 18 ist mit „auch“ (καί) angeschlossen und könnte wegen der gleichen Komposition mit einem εἰ-Satz einfach als inhaltliche Doppelung von V. 17b verstanden werden. Allerdings geht es sowohl im εἰ-Satz als auch in der rhetorischen Frage um einen etwas anderen Sachverhalt als in V. 17b, wie die veränderten Begrifflichkeiten klar anzeigen. Dazu wird Spr 11,31 LXX (εἰ ὁ μὲν δίκαιος μόλις σῴζεται, ὁ ἀσεβὴς καὶ ἁμαρτωλὸς ποῦ φανεῖται;) fast wörtlich zitiert, nur das μέν wird gestrichen (zu Weiterem s. unten). Die Zitierung führt nun eindeutig dazu, dass die Hoffenden in der Einzahl als „der Gerechte“ (ὁ δίκαιος) angesprochen sind, und damit ein anderer Sachzusammenhang eröffnet wird als noch zuvor mit „Euch“ als ‚Haus Gottes‘. Gerecht ist derjenige Hoffende, der „gut handelnd“ vor die Augen der Unglaubenden tritt (vgl. 3,12.14), wie es auch Christus getan hat (vgl. 3,18). Diese veränderte Begrifflichkeit ist deshalb von Bedeutung, weil der Christ eben als Gerechter im rechten Sinne Konflikte auslöst, die als Leiden erlebt werden. Aus dieser Begriffsverschiebung heraus erklärt sich sinnvoll, auf welche Weise der Gerechte mühsam (μόλις V. 18) gerettet wird, so die sachliche und nahe liegende Deutung (die Tatsache, dass der masoretische Text eine andere Formulierung bietet [‫ָבּאָ ֶרץ‬, „auf Erden“], bleibt für die Deutung von V. 18, wo LXX zitiert ist, unerheblich): Der durchaus erwartete Übergang vom ‚Hoffen‘ zum ‚Schauen‘ für die Hoffenden wird in V. 18 also nicht erörtert, und er wird schon gar nicht um irgendeines Bedrohungsszenarios willen in Zweifel gezogen. Die wirkmächtige Rezeption von 1 Petr 4,18 in der siebten Strophe des Dies Irae (vgl. Reiser, Eschatologie, 169, Anm. 19) mag aber diese Interpretation ungemein gefördert haben (die Einordnung in den Traditionsstrom der sog. ‚messianischen Wehen‘ bei Dubis, Woes, 169 f. klärt die Binnenlogik in V. 17–18 nicht näher). Das Leben und 151

4,12–5,7

Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)

die gegenwärtige eschatologische Verantwortung des Dissidenten der Hoffnung ist – realistisch gesehen – mühsam (μόλις). An der Wendung, dass die Hoffenden gerettet werden (ὁ δίκαιος … σῴζεται), fällt zunächst das Präsens des passivum divinum auf, das aus der Vorlage übernommen zu sein scheint (vgl. 3,21 σῴζειν bei Taufe). Diese Rettung ist für die Christen ‚im Gange‘, und sie ist definitiv mit der kommenden Herrlichkeit Christi abgeschlossen (vgl. σωτηρία für „umfassend gelingendes Leben“ 1,5; 2,2). Die Rettung ist für den Dissidenten der Hoffnung dadurch gekennzeichnet, dass er den konflikthaften Weg geht und ‚jetzt ein wenig, wenn es sein muss, in einigen Prüfungen trauert‘ (vgl. 1,6b). Noch deutlicher wird der Unterschied von V. 18 zu V. 17b zuvor bei der Bestimmung des Gegenübers: Die Wendung „der Gottlose und Sünder“ (ὁ ἀσεβὴς καὶ ἁμαρτωλός) ist in V. 18 ebenfalls aus der LXX-Vorlage übernommen. Der erste Begriff „Gottloser“ (ἀσεβής) fehlt sonst im 1 Petr (vgl. den Hinweis bei Elliott, 803, dass ἀσεβής bereits innerhalb des Sprüchebuches gleichbedeutend mit ‚Schlechthandeln‘ ist, z. B. Spr 11,18). Der zweite Begriff „Sünder“ (ἁμαρτωλός) ist für das Verständnis im petrinischen Kontext entscheidend: ‚Sündigen‘ (ἁμαρτάνω, ἁμαρτία, ἁμαρτωλός) ist im 1 Petr nicht einfach der Terminus für den Wandel irgendwelcher (noch) nicht überzeugten Heiden, sondern er reflektiert vor allem das falsche Handeln eines Hoffenden, der den Konflikt ausschalten will oder der mit Gewalt auf falsche Weise in diesen Konflikt eingreift! Genau in dieser Differenzierung spricht 2,20 von den Christen, die nicht sündigend (ἁμαρτάνοντες) Leiden ertragen. Und deshalb findet sich der Begriff ‚Sünde‘ im 1 Petr da, wo Christus für die Dissidenten der Hoffnung konkretes Beispiel ihres Auftretens ist (vgl. ἁμαρτία 2,22; 3,18; 4,1). In V. 18 wird also – ganz anders als noch in V. 17b – der schwierige Weg des Dissidenten der Hoffnung denjenigen Christen gegenübergestellt, die aus dieser Aufgabe aus irgendwelchen Gründen – man könnte an Resignation, Orientierungsverlust oder Egoismus denken – ausgestiegen sind! Das funktioniert hier eher analytisch als drohend: Wer sich von den Konflikten befremden lässt (4,12a), der wird vom gerechten Dissidenten zum Sündigenden (4,18). Die rhetorische Frage zu φανεῖται in V. 18 lautet dann: ‚Auf welche Weise wird er erscheinen?‘ Im petrinischen Kontext liegt der Gehalt dieser rhetorischen Frage auf der Hand: Die Christen, die jetzt ihren eigenen Vorteil gesucht haben (z. B. als Dieb gelitten, vgl. 4,15), statt den Weg des Dissidenten zu gehen, werden schlecht da stehen angesichts der Rettung derer, die den schwierigen Weg gegangen sind (z. B. sich im Konflikt nicht zu schämen vgl. 4,16). Es ist diesem Gedanken sehr dienlich, dass 1 Petr das grammatische Futur aus Spr 11,31 übernommen hat (φανεῖται). Erst von dieser Auslegung von V. 17b und V. 18 aus kann das Verhältnis der beiden rhetorischen Fragen zueinander bestimmt werden. Es erschließt sich eine feine abschließende Argumentation (vgl. das Schema bei Vouga, Jugement, 348 und Vouga/ Stiewe, Evangelium, 185 f.): V. 17b (I.) beschreibt das Verhältnis von Christen (a) zu den zu missionierenden Heiden (b) so, dass die Christen als Teil des gegenwärtigen aktiven Gerichts in besondere Verantwortung genommen werden. V. 18 (II.) vollzieht dann zu V. 17b insgesamt den logisch nächsten Schritt: Wegen dieser Verantwortung für die Heiden gehören nur diejenigen Christen zu den Geretteten, die den schwierigen Weg des Dissidenten der Hoffnung wählen (c); diejenigen Christen, die sich doch 152

Das Gericht geht vom Haus Gottes aus

4,19

für andere Kriterien – oder für irgendwelche oberflächlichen Ausrichtungen (vgl. z. B. 2,16) – entscheiden (d), werden vor Gott keinen Bestand haben. Die Aussage 19 stellt sich mit „so dass“ (ὥστε) als Konsequenz der Argumentation 4,12–18 dar (zum Bezug auf den gesamten Abschnitt 4,12–18 z. B. Elliott, 804; vgl. Goppelt, 315; vgl ὥστε 1,21). Weil es hier um das ‚Ganze‘ geht, gilt die Aussage für alle Hoffenden: Für die, die im Konflikt sind, und auch für die, die es aktuell nicht sind (vgl. einräumendes καί; ähnlich καί 2,18 mit und ohne Konflikt). Für die, die gemäß Gottes Willen leiden (πάσχειν; zu Leiden s. bei 4,1), ist es besonders schwierig – aber auch notwendig –, in der Haltung derer zu verbleiben, die ihren Lebensgehalt aus Gottes Hand nehmen. Genau ihnen soll daher ‚auch‘ die Aussage 4,19 gelten. Vorausgesetzt ist, dass der mögliche Konflikt ‚gemäß Gottes Willen‘ zu Stande gekommen und gestaltet worden ist (θέλημα im 1 Petr als fester Terminus [vgl. 2,15; 3,17; 4,2] für Gottes umfassenden Anspruch, der gut Handeln, Beziehung zu Gott und Wirkung umfasst). Die Formulierung mit „entsprechend“ (zu κατά vgl. 3,7; 5,2) meint: Das Leiden in dem von 1 Petr festgelegten technischen Sinne – es geht nur um denjenigen Konflikt, von dem gilt: er „will inevitably result from following God’s ways“ (Achtemeier, 318). Was z. B. in 1,14–15 als Entsprechung zum heiligen Gott, in 2,1–10 als Zugehörigkeit zu Gott oder in 2,16 als die Freiheit der Knechte Gottes beschrieben wurde, wird in V. 19 imperativisch abschließend formuliert: Die Hoffenden sollen „dem Schöpfer ihr Leben übergeben“ (παρατιθέσθωσαν im Präsens). Um genau eine solche Zugehörigkeit des Lebens klarzustellen, sind in Lk 23,46 wohl gemäß LXX-Ps 30,6 die Worte Jesu verzeichnet: „Ich gebe meinen Geist in deine Hände“ (mit παρατίθημι; Selwyn, 226 stellt die mögliche Verbindung von 1 Petr 4,19 zu Lk 23,46 als offene Frage in den Raum; vgl. Apg 14,23 die Übergabe der Ältesten an Gott, ebenso wie in 1 Petr 4,19 im Dativ). Genau diese Verbindung zu Jesu Selbstverständnis ergibt sich nachweisbar – unabhängig davon, ob dieser Ausspruch dem 1 Petr bekannt war oder nicht – bereits innerhalb von 1 Petr durch den παρα-Anlaut in 2,23c: ‚Christus hat (zu ergänzen: sich) dem gerechten Richter übergeben‘ (hier παραδίδωμι wie in 4,19 mit Dativ; diese Verbindung zu 2,23 erwähnt z. B. Feldmeier, 153). Da das Leben derart parallel zu Christus geschehen soll, ist es auch verständlich, dass die Hoffenden nicht nur die Art ihrer Handlungen, sondern ihr gesamtes Leben auf Gott hin ausrichten (vgl. ψυχή 1,9; 1,22; 2,11) und Gott als Aufseher unterstehen (2,25; etwas anders 3,20). Passend also: „ψυχή here, as elsewhere refers to the Christians’ entire lives, not some inward or spiritual aspect of them“ (Achtemeier, 318; anders neuerdings wieder Feldmeier, Seelenheil, 294: „das anthropologische Korrelat von Gottes Weltzugewandheit“ mit dem Verdacht auf „deutlich hellenisierende Anthropologie“ aaO., 295). Es geht dabei also nicht um den Fall eines Zu–Tode-Kommens im Verlauf eines Konflikts, denn 1 Petr redet in 4,19 von der Verantwortung im Leben, nicht vom ‚am Leben Sein‘ (vgl. aber z. B. βιόω 4,2). Dass Gott das Gegenüber der Dissidenten der Hoffnung bildet, ist inzwischen völlig klar. Dass dieser als ‚zuverlässiger Schöpfer (κτίστης)‘ vorgestellt wird, ist aber eine im Brief neue Formulierung (κτίστης als Begriff ist im NT Hapaxlegomenon). Die Ähnlichkeit mit 2,13 ‚menschliche Schöpfung (κτίσις)‘ ist aber zu beachten: In 2,13 sollen die Heiden von den Hoffenden als anzuerkennende und individuell zu überzeugende Geschöpfe wahrgenommen werden, und nach 4,19 sollen die Hoffenden sich als die 153

4,12–5,7

Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)

Berufenen erinnern. Das 4,19 zugrundeliegende Thema, dass Gott der Umgestalter des dissidenten Lebens ist, wurde zuvor anders ausformuliert, z. B. 1,1 (ἐκλεκτοί berufen), 1,3 (ἀναγεννήσας wiedergeboren), 1,20 (πνοεγνωσμένου πρὸ καταβολῆς κόσμου vorausersehen vor der Grundlegung der Welt) oder 2,9 (τοῦ ἐκ σκότους ὑμᾶς καλέσαντος berufen aus der Dunkelheit). Zu Recht nimmt aber Goppelt, 317 an, der Schöpfergedanke 4,19 nehme die Neugeburtsmetapher 1,3 auf. Und mit Blick auf 2,5 fühlt man sich daran erinnert, dass „schaffen“ (κτίζειν) im Griechischen auch die Bauund Gründungstätigkeit bezeichnet. Insgesamt ist im 1 Petr kaum zwischen ‚Schöpfung‘ und ‚schöpferischer Berufung‘ zu unterscheiden. Auch in 4,19 wird keine Unterscheidung von Schöpfung und Berufung behauptet, sondern diese Terminologie verdankt sich hier wohl dem seelsorgerlichen Interesse, in V. 19 auf die Zuverlässigkeit und Dauerhaftigkeit Gottes zu sprechen zu kommen. Deshalb die Formulierung: der Schöpfer erweist sich als „zuverlässig“ (πιστός ist in 1 Petr ohne feste Semantik; so sind die Hoffenden 1,21 auf Gott Vertrauende, Silvanus ist ein zuverlässiger Bruder 5,12). Die Begriffe πίστις (1,5.7.9.21; 5,9) und πιστεύω (1,8; 2,6.7) sind im ersten Briefteil konzentriert, sie bezeichnen die Haltung zu Gott unter den spezifischen Bedingungen der Epoche der Ungleichzeitigkeit (vgl. 1,9). Eine mehrfach im 1 Petr zu findende Logik ist, dass Handlungen gefordert werden, die zu einer mit ἐν angegebenen christlichen Haltung gehören (vgl. z. B. Ehrfurcht φόβος 1,17; 2,18; 3,2); auf der besonderen rhetorischen Endposition 4,19 kehrt 1 Petr um: Die Haltung wird mit dem Imperativ eingefordert, die abschließend mit ἐν als das „Guthandeln“ (ἀγαθοποιΐα) näher bestimmt wird. Letzteres ist als Substantiv Hapaxlegomenon (vgl. aber εὐποιΐα Hebr 13,16) und stellt innerhalb des 1 Petr – rhetorisch glänzend positioniert als letztes Wort der ganzen Argumentation 2,11–4,19 – eine Zusammenfassung dieses Bedeutungsfeldes dar. 4,19 schließt damit ein umfassendes Wortfeld: Der erste Pol umfasst Handlungen mit Derivaten von ‚gut‘ (ἀγαθός, ἀγαθοποιέω, ἀγαθοποιΐα und ἀγαθοποιός); dazu gehört – soweit es die Außenwirkung meint – auch das Adjektiv καλός. Der Pol ‚gut‘ wird auch durch die Wortfamilie ‚Gerechtigkeit‘ (δίκαιος, δικαιοσύνη, δικαίως) vertreten; ein großer Unterschied von ‚gutem‘ und ‚gerechtem‘ Handeln ist kaum nachweisbar. Nicht direkt die Pole des Handelns, sondern die dem Guten zugrundeliegende Zugehörigkeit zu Gott bezeichnet die Wortfamilie ‚heilig‘ (ἅγιος, ἁγιασμός, ἁγιάζω; vgl. ἁγνός). Zum anderen Pol der Handlungen gehören die Derivate von ‚schlecht‘ (κακία, κακοποιέω, κακοποιός, κακός und κακόω); das Wort ἀδικος ist – vergleichbar mit der Wortfamilie ‚Gerechtigkeit‘ beim ersten Pol – ebenfalls hinzuzurechnen. Der Pol ‚schlecht‘ wird auch mit der Wortfamilie ‚Sünde‘ wiedergegeben (ἁμαρτάνω, ἁμαρτία, ἁμαρτωλός). Die Differenzierung im 1 Petr verläuft dabei insgesamt nicht anhand der Linie von säkularer zu religiöser Sprache, sondern mit der Wortfamilie ‚Sünde‘ wird vor allem dort formuliert, wo es um das Scheitern des christlichen Anspruchs auf gutes Handeln – z. B. selbst noch im Konflikt – geht. Daraus ergibt sich insgesamt: Erstens handeln die Dissidenten gemäß 1 Petr dann gut, wenn sie handelnd mit sich selbst kohärent (I.) sind. In einer – vorläufigen – Formulierung gilt daher: Wer sie sind, macht aus, wie sie sind. Und das drückt sich in Haltungen aus. Bei deren Ausformulierung wird die vollzogene Transformation der Hoffenden jeweils vorausgesetzt: Sie sind zu Kindern, Fremden, Freien, Gesegneten und Geschöpfen gemacht worden. Eindeutig ist also das „gut Handeln“ nicht durch einen Abgleich mit den moralisch leitenden Kriterien der Umgebung definiert, was Balch noch

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Das Gericht geht vom Haus Gottes aus

4,19

als Anliegen des 1 Petr vermutete (nach Charles, volonté, 291 sind auch keine Verbindungen zum hellenistisch-öffentlichen Lob der εὐεργεσία nachweisbar; kritisch dazu auch nach ausführlicher Sichtung Williams, Good Works, 68–104). Dagegen spricht nämlich erstens eindeutig die jeweilige Angabe der Haltung; zweitens ist an die Tatsache zu erinnern, dass die Heiden als existentiell ‚leer‘ (μάταιος 1,18) und orientierungslos (πλανώμενος 2,25) angesehen werden, also zur moralischen ‚Koorientierung‘ gänzlich ungeeignet sind. Und schließlich ist drittens ein Gedanke zu entfalten, der sich im Hintergrund abzeichnete: 1 Petr verzichtet – wegen der individuellen Berufung zu ‚Steinen‘ theologisch konsequent – mehr oder minder auf eine Erfassung des ‚Ganzen‘ als einem geschlossenen Konzept oder ‚der einen römischen Gesellschaft‘, was sich auch an der Nichtreziprozität der Mahnungen 2,13–3,7 erkennen lässt. Das ist deshalb für 1 Petr so konsequent denkbar, weil das „gut Handeln“ gar nicht auf die Auffindbarkeit eines solchen geschlossenen Gegenübers als Koorientierung angewiesen ist! Dabei sind allerdings zwei Präzisierungen anzubringen: Erstens gehört zu diesem Verständnis des „gut Handelns“ die Einsicht, dass es einer taktischen Festlegung bedarf, um den vorfindlichen sozialen Ort als Bewährungsort des guten Handelns auszumachen – was aber nicht mit dem guten Handeln selbst verwechselt werden darf! Und zweitens rechnet 1 Petr durchaus damit, dass das Handeln der Hoffenden als ‚gut‘ – d. h. als aus der überzeugenden Haltung hervorgegangen – erkennbar ist, weshalb z. B. subversiv auf die Öffentlichkeitsfunktion der staatlichen Einrichtungen (vgl. 1,14) gesetzt wird. Als zweites Kriterium für „gut Handeln“ muss – obwohl es auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint – festgehalten werden, dass „gut Handeln“ eben Handeln ist (II.). Es scheint nämlich z. B. Tendenzen gegeben zu haben, das „gut Handeln“ sozusagen durch eine ‚Öffentlichkeitsarbeit über gutes Handeln‘ zu ersetzen (vgl. 1,16). Und auch im Konflikt mit den Ehemännern wird nur dem tatsächlichen Handeln, nicht einem isolierten Diskurs über seinen Inhalt oder über die Identität des Anderen, zugetraut, die ‚Blockade‘ des Gegenübers zu lösen und ihn zu gewinnen. Das Handeln ist aber durchaus als transparent gedacht für die dahinter stehende Haltung. Das ist die von Prostmeier herausgearbeitete ‚Darstellungsfunktion‘ des guten Handelns, „das von seiner Anlage her den im Christus-Muster sich zeigenden Gottesgehorsam darstellen konnte“ (Prostmeier, Handlungsmodelle, 415; vgl. aaO., 413; vgl. die Rede bei Bony, 104 vom Leben, das „révélatrice“ sei). Dazu sind aber zwei Anmerkungen zu machen: Erstens wird implizit vorausgesetzt, dass bekannt ist oder bekannt wird, dass die Dissidenten der Hoffnung als Christen so handeln, wie sie handeln. Das aber kann wiederum am taktisch angewiesenen unmittelbaren sozialen Ort – z. B. in der Ehe – vorausgesetzt werden. Zweitens heißt diese Handlungszentrierung nicht, dass es in der ‚Geschichte‘ eines Konflikts nicht auch zur direkten Auskunft über die bereits umfassend im Handeln ‚dargestellte‘ Haltung kommen sollte (vgl. 3,15). Drittens ist das „gut Handeln“ nicht-reaktiv (III.): Der Guthandelnde „unterliegt nicht dem Diktat der Kontradiktion und gerät nicht in die Selbstblockade der Gegenrolle“ (Neugebauer, Deutung, 84; zur Zentralität dieses Elements vgl. auch Bauman-Martin, Women, 273). Sowohl aus der Erfahrung mit der Strategie – reaktives Handeln würde immer ‚käuflich‘ bleiben –, als auch aufgrund des Selbstverständnisses als Berufene wird die Reaktivität nicht nur implizit ausgeschlossen, sondern sie wird in 2,19 f. und in 3,9 – im Rückbezug auf die Vorbildchristologie in 2,22 – explizit zurückgewiesen. Auch zur Nichtreaktivität des guten Handelns sind aber einige Klärungen angebracht. Erstens bedeutet Nicht-Reaktivität nicht einfach nach allen Seiten ‚abgeschottet‘ zu sein, denn eine ‚Reaktion‘ ist absolut dominierend: Alles „gut Handeln“ ist nämlich als Reaktion (vgl. 3,9b) bzw. als reziproke Dankbarkeit (vgl. 1,14–15) auf Gottes Handeln zu verstehen! Zweitens ist die Nicht-Reaktivität überhaupt nicht mit irgendeiner Irrelevanz des jeweiligen Gegenübers begründet, sondern sie ist im Rahmen der Strategie geradezu Verpflichtung zur Zuwendung zum jeweiligen Gegenüber, nämlich fest zu bleiben „in dem Wissen, dass man auch dem, der das Leiden bereitet, zu seinem Heil das Christuszeugnis durch die Tat schuldig ist“ (Brandt, Wandel, 20). Drittens schließlich ist es das Verdienst von Lamau, herausgestellt zu haben,

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4,12–5,7

Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)

dass diese Nicht-Reaktivität nicht mit Passivität, sondern in der Tiefe mit Aktivität verbunden ist. Es ist nämlich eine aktive Leistung, sich nicht auf das ‚jeu de renvois‘ einzulassen (vgl. Lamau, Exhortation, 122; vgl. auch Miller, Protestation, 534: „la non-résistance proposée par Pierre est une non-résistance active“). Der so verstandene ‚Nicht-Widerstand‘ hat deshalb etwas absolut Widerständiges: „Cette non-violence est aussi une résistance, un refus de se laisser entrainer sur le terrain de l’agresseur“ (Lamau, Chrétiens, 249; zum verändernden Potential vgl. auch Williams, Good Works, 224–244, allerdings ohne die Missionssätze z. B. 2,15 weiter zu reflektieren).

5,1–7 Zusammenfassung. Ältere, Jüngere und das Miteinander der Geschwister (IIIb) 1

Ältere unter euch nun ermahne ich, der Mitältere und Zeuge der Leiden Christi, auch Mitglied der Gemeinschaft mit der Herrlichkeit, die geoffenbart werden wird: 2 Weidet die Herde Gottes, die mitten unter euch ist, nicht gezwungen, sondern freiwillig, nach Gott, weder aus Gewinnsucht – sondern in Hingebung –, 3 noch die Geschwister beherrschend – sondern als Vorbilder der Herde. 4 Und wenn der Oberhirte offenbar geworden ist, werdet ihr den unverwelklichen Kranz der Herrlichkeit davontragen. 5a Gleicherweise, ihr Jüngeren, ordnet euch den Älteren unter! 5b Ihr alle, zieht euch gegenseitig mit Demut an, weil Gott den Hochmütigen widersteht, den Demütigen aber gibt er Gnade. 6 Demütigt euch also unter der gewaltigen Hand Gottes, damit er euch in der rechten Zeit erhöhe, 7 alle eure Sorge auf ihn werfend, weil er für euch sorgt. Die zweite formale Bitte des Briefes (παρακαλεῖν; ebenso 2,11; vgl. 5,12) leitet als peroratio den Abschnitt 5,1–7: Eine pragmatische kurze Zusammenfassung der Empfehlungen. Sie erweisen sich für das innere Gemeindeleben als Unterstützung der offensiven Strategie der Gewaltlosigkeit der Erwählten in der heidnischen Umwelt als notwendig. Die Position dieser Fragestellung am Briefende (wie die Diskurse 1,22– 25; 3,8–12 [insbes. V. 8a] und 4,7–11 jeweils am Ende von 1,3–25; 2,11–3,12 und 3,13–4,11) ist signifikant: Zuerst geht es um die Hoffnung, dann um das Agieren und die Konflikte der Hoffenden, und erst deshalb begründet sich dann Geschwisterschaft, nicht andersherum! Verwiesen wird hier zunächst auf die besondere Verantwortung der Älteren (5,1–4), die die Hausgemeinschaft, in der sie sich befinden, als die Herde Gottes, die ihnen anvertraut ist, verstehen sollen, genauso wie der Verfasser des Briefes es gegenüber seinen Adressaten in seinem Schreiben als „Mit-Älterer“ tut. Entsprechend wird 5,5a den Jüngeren empfohlen, auf die Erfahrungen der Älteren zu achten – bevor in 5,5b und 5,6–7 zwei starke Imperative alle Mitglieder der Hausgemeinschaften zusammen einladen, aufgrund der Transzendenz Gottes, der sie erwählt hat und erhöhen wird, und seiner Vorsehung, die sich um sie kümmert, gegenseitige Verhältnisse der Bescheidenheit, der Anerkennung und des Respektes zu pflegen. 1 Die im Briefcorpus definierte Strategie können die Hoffenden dauerhaft realisieren, wenn sie auf die in den lokalen Hausgemeinschaften vorhandenen Ressourcen

156

Zusammenfassung. Ältere, Jüngere und das Miteinander der Geschwister

5,2a

zurückgreifen. Die angeredeten Älteren (πρεσβύτεροι) sind hier keine Amtsträger, die Funktionen in den Gemeinden ausüben, sondern es sind die entweder nach dem Lebensalter oder nach der Zugehörigkeit zu den „Erwählten“ älteren Gemeindeglieder, die über den Schatz einer längeren Erfahrung verfügen und sich als für die Orientierung und eine weise Gestaltung des Gemeindelebens verantwortlich verstehen sollen (vgl. Elliott, Elders, 685: „seniors in their longevity as believers“). Die Bitte des Briefes setzt keine Amts- oder anerkannte Autoritätsform als bestehende Tatsache voraus (anders als Apg 11,30; 15,2.4.6.22 f.; 16,4; 20,17; 21,18; 1Tim 5,1 f.17.19; Tit 1,5), sondern spricht diejenigen an, die sich unter den Adressaten (ἐν ὑμῖν) als die Erfahreneren befinden. Dem entspricht, dass sich der Absender Petrus als „Mit-Älterer“ (συμπρεσβύτερος; der Artikel bezieht sich auf συμπρεσβύτερος und auf μάρτυς) und hier keinesfalls als Apostel (wie 1,1) vorstellt. Ihn qualifiziert an dieser Stelle nicht seine apostolische Autorität (so tatsächlich in der Verbindung der apostolischen und der lokalen Ämter in Apg 15: οἱ ἀπόστολοι καὶ οἱ πρεσβύτεροι; aber wohl Impulse aus Mk 10,34–44 in 1 Petr 5,1 denkbar, so Söding, Grüße, 25), sondern diese Autorität wird mit den Erfahrungen begründet, die mit dem Namen des Petrus verbunden sind. Der Begriff συμπρεσβύτερος scheint eine Wortschöpfung des Briefes zu sein (wohl unabhängig von 1 Petr auch gebildet in den Oxyrhynchus Papyri [P.Oxy 45.3264], vgl. Doering, Apostle, 653). Sie hat die klare Funktion, eine besondere Solidarität der Älteren unter den Mitgliedern der Hausgemeinschaften mit der Figur des Petrus als Autor der Empfehlungen pragmatisch herzustellen und anzubieten (nach Selwyn, 228 geht es um Sympathie und Identifizierung). Die Autorität des Petrus kann von den gleichgestellten Adressaten deswegen anerkannt werden, weil er Zeuge (μάρτυς) des doppelten Ereignisses der Leiden Christi und der Herrlichkeit des Auferstandenen gewesen ist. Damit wird eine doppelte Brücke gebaut: Das Zeugnis des ‚Mit-Älteren‘ Petrus aktualisiert erstens die sinngebende Gemeinschaft der Passionsgeschichte Jesu Christi mit den gegenwärtigen Leiden der Adressaten des Briefes (vgl. 2,21–25; 3,18– 22: ὅτι καὶ Χριστὸς κτλ.). Das „Älterer-Sein“ ermöglicht zweitens eine zeitliche Ausdehnung und eine Gleichzeitigkeit der Leidenserfahrungen: Petrus, der sich als der Autor des Briefes vorstellt und unter dessen Autorität die Leidenssituation der bekennenden Christen verarbeitet werden, war nämlich an der Leidengeschichte Jesu als Zeuge direkt oder indirekt beteiligt. Diese Gleichzeitigkeit bestimmt dann das Verständnis der gegenwärtigen Leiden, denn die vergangene Teilnahme des Mit-Älteren Petrus an den Ostererscheinungen belegt jetzt für die Adressaten die Zusammengehörigkeit der Leiden und der Herrlichkeit, die geoffenbart werden wird: In Christus, der sich dem Petrus hat sehen lassen (vgl. 1Kor 15,5), ist sie bereits sichtbar geworden. Diese geteilte Erfahrung ist der Beleg dafür, das das Offenbaren (ἀποκαλύπτειν) im Begriff steht zu kommen (μέλλειν nur hier in 1 Petr). „Teilhaber“ (κοινωνός) löst hier „Zeuge“ ab. Wird auf die Tradition der Tischgemeinschaften und der Dialoge des Auferstandenen angespielt? 2a Die Verantwortung, die die Älteren übernehmen sollen, besteht in der pastoralen Leitung, die dem Leben der Hausgemeinschaft als der Herde Gottes, die ihnen anvertraut ist, Sinn und Orientierung gibt. Das Bildfeld, mit dessen Hilfe der Brief ihre Aufgabe definiert, variiert lediglich die Hirtenmetaphorik (vgl. ähnliche begriffliche 157

4,12–5,7

Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)

Cluster in Joh 21,15–16; Apg 20,28), mit der zuvor an zentraler Stelle die Bedeutung ihrer Entdeckung des Evangeliums beschrieben worden war (1 Petr 2,25): Die Adressaten waren wie irrende Schafe, die sich zu dem Hirten (ποιμήν) und Hüter (ἐπίσκοπος) ihrer Seelen hingewandt haben. Sie sind jetzt die Herde Gottes (ποίμνιον τοῦ θεοῦ) geworden, und ihre älteren Mitglieder sollen sie weiden (ποιμαίνειν, leitender Imper. im Aor.), indem sie die Hausgemeinschaft, die sich bei ihnen (ἐν ὑμῖν) trifft, aufmerksam hüten. Das zum Imperativ gehörende auffordernde Part. „aufpassend“ (ἐπισκοπεῖν im NT nur hier und Hebr 12,15, aber breit verwendet in der politischen, medizinischen oder strategischen Sprache bei Platon, Xenophon, Aristoteles) ist textkritisch nicht zu tilgen, weil es als zusätzliches Part. die schwierigere Lesart ist. ἐπισκοπεῖν meint ‚hinsehen, beobachten, inspizieren, besichtigen‘ (vgl. Elliott, Elders, 686: „to exercise oversight“), im NT bezeichnet das Substantiv Gemeindeverantwortungsträger (ἐπίσκοπος; Apg 20,28; Phil 1,1; 1 Tim 3,2; Tit 1,7) oder Christus selbst (1 Petr 2,25). Der aufpassende Hirte, zu dem die Erwählten berufen worden sind, der ihnen Anerkennung und Identität gegeben hat, ist Christus (1 Petr 2,5; 5,4) – und die Älteren unter ihnen haben auf ihre Gemeinden achtzugeben, sie zu sammeln, zu leiten, zu betreuen und zu schützen (vgl. Schrage, 114). Dieser Partizipialsatz (ἐπισκοποῦντες κτλ.) führt 2b–3 drei Antithesen ein (μὴ / ἀλλά; μηδὲ / ἀλλά; μηδὲ / ἀλλά), die den geistigen Rahmen der Ausübung ihrer pastoralen Aufgabe in den Gemeinden definieren. Die erste Antithese basiert auf dem Gegensatz von zwei Adverbien und besteht in der Alternative von zwei subjektiven Haltungen der Älteren zu ihrer Verantwortung: Sie sollen die Verantwortung nicht gezwungen (μὴ ἀναγκαστῶς), als unvermeidliche Notwendigkeit bzw. als bloße Pflicht wahrnehmen (ἀναγκαστῶς nur hier im NT; vgl. aber ἐξ ἀνάγκης 2 Kor 9,7), sondern kooperativ in der Freiheit der Kinder Gottes (ἑκουσίως κατὰ θεόν, vgl. μὴ ὡς κατὰ ἀνάγκην τὸ ἀγαθόν σου ᾖ ἀλλὰ κατὰ ἑκούσιον Phlm 14). Die zweite Antithese besteht im Gegensatz von zwei weiteren Adverbien (weiter grammatikalisch von ἐπισκοποῦντες abhängig), die zwei konträre existentielle Umgangsweisen mit Verantwortung beschreiben: Sie sollen auf das Gemeindeleben nicht gewinnsüchtig achten, sondern es mit Begeisterung tun (Selwyn, 230). In der Auslegungstradition wird „nicht gewinnsüchtig“ (μηδὲ αἰσχροκερδῶς) als Warnung vor Geldgier gedeutet (so tatsächlich αἰσχροκερδής 1 Tim 3,8; Tit 1,7); vorausgesetzt wird dabei, dass die Älteren das Gemeindegeld verwalten oder aber dass sie als feste Amtsinhaber im Sinne von 1 Tim 5,17–19 Anspruch auf Unterhalt hätten und ihre Stelle aus finanziellen Interesse antreten könnten. Die Wortkomposition αἰσχρός (beschämend, entwürdigend) plus κέρδος (Gewinn im weiten Sinne, versus Verlust) kann aber auch die Älteren auf die Versuchung ganz anderer Formen der schamlosen Suche nach Vorteilen aufmerksam machen: Ehre, Privilegien, bessere Plätze. „Begeistert“ (προθύμως; vgl. πρόθυμος Mk 14,38 // Mt 26,41 und Röm 1,15) lädt im Gegensatz dazu ein zu einem Eifer, der seine Freude nicht aus dem Ertrag für sich selbst, sondern vom Wohlergehen und Aufblühen der Geschwisterschaft bekommt. Die dritte Antithese in V. 3 führt zwei neue Partizipialsätze ein, die zwei konträre Verhaltensweisen gegenüber den anderen Mitgliedern der Gemeinde beschreiben. Die 158

Zusammenfassung. Ältere, Jüngere und das Miteinander der Geschwister

5,4

Wahrnehmung der pastoralen Verantwortung soll nicht als Machtübernahme missbraucht werden, sondern die Autorität der Älteren kommt daher, dass sie einen geschwisterlichen Umgang pflegen, der als Vorbild für alle anderen übernommen werden kann (zu κατακυριεύειν vgl. Mk 10,42, wobei κατα- das Verb κυριεύειν, ‚herrschen‘, verstärkt). Elliott, Elders, 690 hält hier die Integration des Jesuslogions Mk 10,42–45 für vorstellbar; Achtemeier, 327–328 fragt sich, wie ὡς hier zu lesen ist, und ob die Konjunktion im Sinne von ‚als‘ (die Hausgemeinschaft pastoral leiten, indem sie in ihr herrschen) oder im Sinne von ‚wie‘ (als ob sie die Herrscher wären) meint. Die wesentliche Aussage ist parallel zum ironischen, sokratisch-kritischen „die als Herrscher gelten“ (οἱ δοκοῦντες) in Mk 10,42: Der Herr ist immer noch ein Anderer! Die Bezeichnung der Einzelgemeinden als Lose (κλήροι, Plur.) impliziert, dass sie den jeweiligen Älteren anvertraut wurden und dass jede Gemeinde als ein Teil der gesamten Herde Gottes betrachtet werden soll. Die Älteren sollen für sie „Vorbilder“ werden (τύποι; zum Begriff vgl. 3,21). Im eigentlichen Sinne bezeichnet τύπος einen Archetyp, ein Modell oder ein Muster, das sich zu zahlreichen, exakten Wiederholungen eignet, im übertragenen Sinne ein Vorbild, das universal nachgeahmt werden könnte. Dass sie Vorbilder der Herde geworden sind (γινόμενοι Part. im Präs.), setzt nicht unbedingt einen bestehenden Zustand voraus, sondern vielmehr eine – in diesem Fall paradoxe – Zielsetzung: Als ausgezeichnete Aufgabe wird den Älteren und Erfahreneren in den Gemeinden aufgegeben, dass sie sich gerade so verhalten, wie sich alle Mitglieder des Hauses Gottes verhalten sollen und können. Eine nicht nachahmbare Leitung wäre nur die halbe Miete! 4 Diese Beauftragung der Älteren führt zu einer Verheißung (καί ist konsekutiv). Der genitivus absolutus „ist einmal der Oberhirte offenbar geworden“ (φανερωθέντος τοῦ ἀρχιποίμενος) kündigt wie die zeitlogisch äquivalente Formulierung in 4,13 (ἐν τῇ ἀποκαλύψει τῆς δόξης αὐτοῦ), aber anders als das gleiche Verb 1,20 (φανερωθέντος erinnert in 1,20 an die Menschwerdung; vgl. den unterschiedlichen Gebrauch von ἀποκάλυψις in 1,7 und 1,13) Zukünftiges an: Was den Berufenen bereits durch Christi Leiden und Verherrlichung geoffenbart wurde, wird dann für alle öffentlich evident sein. Der wunderschöne Titel des „Oberhirten“ (ἀρχιποίμην) ist sehr wahrscheinlich eine Wortschöpfung des Briefes. Sie ergibt sich hier daraus, dass dieser Begriff die pastorale Funktion Jesu Christi von der pastoralen Funktion der Älteren in den Gemeinden einerseits unterscheidet (vgl. bleibender Abstand des Worte Gottes 1,24– 25a) und andererseits die pastorale Funktion der Älteren gleichzeitig aufwertet, indem er sie durch die gemeinsame Bezeichnung als Hirten miteinander verbindet (vgl. ποιμήν 2,25; zu κομίζειν ‚empfangen‘ vgl. 1,9; κομιεῖσθε als Futur). Der „Siegeskranz“ (ἀμαράντινος στέφανος) steht hier als Variation eines bekannten Bildes für die unvergängliche bzw. endzeitliche Herrlichkeit (1 Kor 9,25; 2 Tim 4,8; Jak 1,12; Apk 2,10). Er symbolisiert nicht die Perspektive eines Sieges der verantwortungsbewussten Älteren über andere, sondern die Verheißung der öffentlichen Sichtbarkeit und der unvergänglichen Anerkennung ihrer Teilnahme an der Herrlichkeit Christi. Anders als ἀμάραντος in 1,4 (von μαραίνω abgeleitet) meint ἀμαράντινος im eigentlichen Sinne einen Kranz von nicht verwelkenden Amaranthen-Pflanzen (Liddell-Scott, 77; Bigg, 189; Selwyn, 233), und τῆς δόξης verweist auf die Verherrlichung und auf die endzeitliche Erscheinung des Auferstandenen (vgl. 1,11; 4,13; 5,1). 159

4,12–5,7

Aufgaben, Erfolge und Unterstützung (Hauptteil III: Synthese)

5a Die Konstruktion V. 1a bis V. 5a „Ältere unter euch … gleicherweise Jüngere“ (πρεσβύτεροι ἐν ὑμῖν … ὁμοίως νεώτεροι) nimmt die asymmetrische Struktur von 1 Petr 3,1–7 wieder auf: Eine kurze Empfehlung an die Jüngeren 5,5a folgt längeren Empfehlungen an die Älteren 5,1–4, wie eine kurze Empfehlung an die Männer in 3,7 längeren Empfehlungen an die Frauen in 3,1–6 folgte. Und sie wiederholt als Imperativ die Anweisung zur Unterordnung: „Ordnet euch unter“ (ὑποτάγητε; vgl. Imperativ 2,13a; Partizip 2,18; 3,1.5). Zu der klaren Unterscheidung zwischen Unterordnung und Gehorsam vgl. 2,17.18. Die Empfehlungen sind jedoch nur teilweise komplementär: Ähnlich der taktischen Unterordnung zur Konfliktdiffenzierung (2,13–3,12) geht es hier um die Unterordnung unter die Verantwortung der Älteren im gemeinsamen Leben der Hausgemeinde – auf die Hinweise und Ratschläge der Älteren ist zu hören. Aber nicht, um diese zu gewinnen (hier lässt sich die Paralellität also nicht weiter denken), wohl aber ebenfalls um des Freiraums willen, damit die jüngeren und weniger erfahrenen Mitglieder (vgl. Elliott, Elders, 690 f.: „who are young in the faith“) ihre neue Kreativität und innovative taktische Wege entwickeln und erfolgreich in das Ganze einbringen können (Schrage, 115). 5b Der Teilung der Leserschaft zwischen Älteren und Jüngeren folgen, wie in 3,8– 9 nach der Teilung zwischen Frauen und Männern, Ermahnungen, die sich an alle richten (πάντες; so auch 3,8a); ein Neueinsatz nach V. 4 (so z. B. Forbes, 173) ist deshalb wenig wahrscheinlich. Anders als in 3,8a verfolgen sie aber nicht das Ziel, die Solidarität zwischen den Erwählten zu verstärken, sondern ein Verhältnis der Reziprozität zwischen allen Geschwistern herzustellen, mit dem Imperativ: „Bindet euch einander die Bescheidenheit um“ (das seltene Verb ἐγκομβοῦσθαι ist vom Substantiv κόμβος abgeleitet, das den ‚Knoten‘ oder ‚etwas, das mit einem Knoten gebunden ist‘, meint [Bigg, 190; vgl. das Umbinden 1,13]). ἀλλήλοις kann zwar als dativus commodi oder relativus relationis gelesen werden: ‚Bindet euch füreinander‘ oder ‚in eurem Umgang miteinander mit einer Haltung der Bescheidenheit‘. Aber es könnte auch auf das Suffix ἐν- direkt bezogen werden, so dass die Reziprozität im Bild selbst offenbar wäre: ‚Bindet euch gegenseitig mit gegenseitigem Respekt‘. Zu ταπεινοφροσύνη vgl. 3,8. Die theologische Begründung (ὅτι, wie 2,21; 3,18, die sich auf die Leiden Christi als Grund und Vorbild berufen) besteht wie in 4,8b im Autoritätsargument eines Schriftzitates. Prov 3,34 LXX wird in der gleichen Form (mit θεός statt κύριος) in Jak 4,6 und 1 Klem 30,2 zitiert (vgl. dazu Burchard, Jakobusbrief, HNT 15/1, 175). Der Sinn und das Ziel dieses Zitates in der spezifischen Argumentation des 1 Petr erschliesst sich aus dem paränetischen (V. 6a) und dann erwählungs- und vorsehungstheologischen Gebrauch (V. 6b und 7), den sie davon macht (οὖν, V. 6). Das Verb „bescheiden-sein“ (ταπεινοῦν als Imper.) kommt im ganzen Brief nur an dieser Stelle vor, die es aus dem vorherigen Zitat übernimmt: „Den Bescheidenen gibt Gott Gnade“ (ταπεινοῖς δίδωσιν χάριν). Der Begriff der Gnade bezeichnet manchmal einzelne Gnadengaben Gottes (vgl. 2,19 f.; 4,10), kann aber auch programmatisch Absicht meinen, die ihnen durch die Offenbarung in Christus eröffnet wurde und ihrer Existenz Sinn, Orientierung, Identität und Anerkennung gegeben hat (vgl. 1,13; 3,7; 5,10). Wer dieser Reziprozität widerspricht, stellt sich in Widerspruch zu Gott (ἀντιτάσσειν im Präs.). 160

Zusammenfassung. Ältere, Jüngere und das Miteinander der Geschwister

5,7

Die Leserinnen und Leser können den Imperativ 6a daher einordnen: Wer seine Hoffnung auf Gott gesetzt hat, sollte sich vor der Bescheidenheit, die die gegenseitige Anerkennung in der Hausgemeinde oder die Konflikte mit der alten vertrauten Welt implizieren, nicht fürchten. Das Passivum (ταπεινώθητε οὖν ὑπὸ τὴν κραταιὰν χεῖρα τοῦ θεοῦ) kann grammatikalisch sinnvoll sowohl reflexiv („stellt euch deshalb bescheiden unter die mächtige Hand Gottes“) als auch passivisch verstanden werden: „Lasst euch deshalb mit Bescheidenheit anziehen, im Vertrauen auf die mächtige Hand Gottes“ (oder, allerdings den Gedankengang zwischen V. 5 und V. 6 unterbrechend und daher wenig wahrscheinlich: „Nehmt die Demütigungen an, die die Erwählung bringt“, so aber Selwyn, 235; Achtemeier, 338). Als Ausgangspunkt für die vorliegende Interpretation sind drei Beobachtungen entscheidend: Aktive Subjekte bleiben die Adressaten (ὑπό ist mit Akkusativ, nicht Gen. des Täters konstruiert), so dass die Hand Gottes nicht die Ursache der Erniedrigung ist, sondern sie ist die transzendente Macht, die die Zukunft bestimmt (V. 7). Und sie sorgt sich in der – wegen der neuen Zugehörigkeit entstandenen – konfliktreichen Gegenwart jetzt um sie (V. 8). In Kurzfassung und mit einem neuen Akzent wird die theologische Argumentation, die in 2,13–16 durchgeführt wurde, wiederholt: Wegen ihres Verhältnisses zur Transzendenz Gottes sollen sich die Adressaten in ihrem äusserlichen Verhalten den menschlichen Autoritäten taktisch (vgl. 2,13–3,12) oder vertrauensvoll (V. 5a) unterordnen und sich in ihrer geistigen Haltung sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Gemeindelebens mit Bescheidenheit anziehen lassen (ταπεινώθητε statt ὑποτάγητε). Die erste Begründung 6b hält die Kontinuität zwischen der Haltung und der Konsequenz, die zu den Grundmotiven der Erwählungstheologie des Briefes gehört. Sie variiert die Sequenz „jetzige Leiden – Herrlichkeit am Tag der Offenbarung“, indem die Metapher der Erhöhung (ὑψοῦν im Aor., nur hier im Brief ) als Gegensatz zur Bewegung der aktiven Bescheidenheit die Verherrlichung ersetzt (ἵνα kann final oder konsekutiv gelesen werden, je nachdem, ob man den Akzent auf die subjektive Entscheidung der Adressaten oder auf die objektive Dimension der Gnade Gottes setzt; zu ἐν καιρῷ vgl. ἐν καιρῷ ἐσχάτῳ 1,5 als Verweis auf die endzeitliche Erscheinung Christi (vgl. 1 Petr 4,13). Die zweite Begründung 7 besteht in einer zweiten Kontinuität, die menschliches Vertrauen mit der Gewissheit der Fürsorge Gottes verbindet. Als Partizipialsatz (ἐπιρίψαντες bezieht sich grammatikalisch auf ταπεινώθητε) ist sie der ersten nicht nur hinzugefügt, sondern verstärkt sie: Die Adressaten können sich auf die Hand Gottes verlassen, denn sie können daran erinnert werden, dass sich Gott um sie kümmert, und dass sie ihre Sorgen auf ihn schieben können (ἐπιρίπτειν; im NT nur hier im übertragenen Sinn, sonst nur noch ‚etwas auflegen‘ auf den Rücken eines Esels, Lk 19,35. Die Formulierung lehnt sich an LXX-Ps 54,23 und Sap 12,13 an und entspricht inhaltlich dem weisheitlichen Gedankengang der Jesus-Tradition in Mt 6,25.34 // Lk 12,22–31).

161

5,8–11

Briefschluss

5,8–11: Briefschluss. Wiederholung des Appells zur Nüchternheit, Zusage und Doxologie 8

Seid nüchtern, wacht! Euer Widersacher, der Teufel wandelt wie ein brüllender Löwe umher, um zu suchen, jemanden zu verschlingen. 9 Dem widersteht, fest im Glauben, wissend, dass die gleiche Art der Leiden eurer Geschwisterschaft in der Welt auferlegt wird. 10 Der Gott aller Gnade, der euch zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus berufen hat, nachdem ihr kurz gelitten habt, er wird euch wiederzurechtmachen, festmachen, starkmachen, fundiertmachen. 11 Ihm die Herrlichkeit in den Ewigkeiten der Ewigkeiten. Amen. Das Briefcorpus schließt mit dem Appell ab, mit dem es angefangen hatte: Die Adressaten, die am Anfang positiv dazu ermutigt worden waren, der Hoffnung, die sie von der Sinnlosigkeit ihrer früheren Lebensführung befreit hatte, nüchtern und rational treu zu bleiben (1,13), sollen jetzt nüchtern, selbstkritisch und aufmerksam bleiben. Sie sollen sich nicht durch die Sehnsucht der alten Freunde und der verlorenen Konformität ihr vergangenes Leben zurückholen oder durch die Spannungen, die im alltäglichen Leben entstehen, entmutigen lassen. Als Trost werden sie daran erinnert, dass alle Christen in der Welt mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind – wegen der Fremdartigkeit des neuen Identitätsbewusstseins, die für sie die gegenseitige und bedingungslose Anerkennung der Hausgemeinden bedeutet. Und zum Abschluss des Briefcorpus wird noch einmal in einem Satz die geistige Geschichte der Adressaten, wie sie sich der Verfasser vorstellt, als Zuspruch formuliert: Sie sind von Gott zur ewigen Herrlichkeit berufen worden, und diejenigen, die gelitten haben, werden von ihm selbst wiederaufgebaut werden. 8 Zum dritten Mal werden die Adressaten zur Nüchternheit aufgefordert (νήφειν im Imper.; vgl. 1,13; 4,7). Wie in 1 Thess 5,6 wird die Aufforderung zur Nüchternheit mit der Aufforderung zur Wachsamkeit verbunden. Das Wachsamsein (γρηγορεῖν weiter im Imper. Aor.) findet sich als Aufforderung in der Passionsgeschichte (Mk 14,34.37 f. // Mt 26,38.40 f.) und im apokalyptischen Kontext (Mt 24,42 f.; 25,13; Mk 13,34–37; Lk 12,37.39; 1 Kor 16,13; 1 Thess 5,6 [γρηγορῶμεν καὶ νήφωμεν] und 5,10; Apk 3,2 f.; 16,15), aber nur hier in einer reinen Briefargumentation. Der Sinn dieser Ergänzung ergibt sich aus der Sache der Strategie: Die Adressaten sollen aufmerksam und kritisch auf sich aufpassen. Das Bild des brüllenden Löwen (LXX-Ps 21,14; vgl. 2 Tim 4,17; mit eindrücklicher Onomatopoesie: ὠρυόμενος), der herumwandert und sucht, wen er verschlingen könnte, veranschaulicht die Gefahr durch einen expressiven Vergleich: Eine Bedrohung ist spürbar, die die Hausgemeinden in Panik versetzen kann und dann dazu führt, dass einige verschlungen werden, d. h. unter dem Druck der Situation die Hoffnung aufgeben; mit Puig I Tarrech, rapporti, 402 kommt die Gefahr also gerade nicht von außen! Diese konkrete Gefahr wird durch zwei mythische Figuren personifiziert und da-

162

Briefschluss

5,9

durch theologisch interpretiert und qualifiziert. Der Widersacher (ἀντίδικος) bezeichnet eigentlich den Gegner in einem Prozess (Prov 18,17 LXX und alle anderen Belege im NT: Mt 5,25; Lk 12,58; 18,3), aber er taucht in der LXX als der Widersacher überhaupt auf (Jes 41,11; Jer 27,34; 28,36; Est 8,11). Der Gegner der Erwählten (ὑμῶν) wird hier als „Verleumder“ definiert (διάβολος; als Appos. zu ἀντίδικος). Damit werden die persönlichen und moralischen, äußeren und inneren Gegner der Gemeinden, aber auch die Konflikte an sich, die sozialen Spannungen und die vielfältigen Leidenserfahrungen, die wiederum Frustrationen, Entmutigungen und Zweifel aufkommen lassen, als Gegner Gottes erklärt. Anders als „Widersacher“ und „Verleumdung“ (διαβολή) ist διάβολος selten in der profanen Sprache (Liddell-Scott, 390), aber um so häufiger in der LXX und im NT, wo er als Verleumder und Verführer der Gegenspieler Gottes geworden ist (zur kulturellen Prägekraft durch die Lesung in der Komplet vgl. Charles, adversaire, 406). Der Aufforderung im Relativsatz 9, dem Teufel zu widerstehen (ἀνθιστάναι; wieder Imper. Aor.; vgl. auch Imper. im Relativsatz 3,3), findet sich parallel Eph 6,11–13 und Jak 4,7 (vgl. Burchard, HNT 15/I, 175). „Fest im Glauben“ (στερεοὶ τῇ πίστει), kann entweder auf die Eigenschaft der Adressaten verweisen (‚widersteht ihm, ihr die Erwählten, die fest vertrauen‘) oder instrumental gemeint sein (‚widersteht ihm, indem ihr fest im Vertrauen bleibt‘ ; auch aufforderndes Adjektiv wie 3,8 möglich [Michaels, 300], aber im kleinen Relativsatz unwahrscheinlich: ‚widersteht, fest glaubend!‘ Zu allen Varianten vgl. Forbes, 177). Glaube (πίστις, vgl. πιστεύω) spielte eine Rolle am Anfang des Briefes (1 Petr 1,5.7.9.21) und meinte dort als fides qua creditur die Neuorientierung der Existenz, der geistigen Haltung und des Verhaltens auf die in Christus geoffenbarte Hoffnung unter der Bedingung dieser Epoche. In ihrem Widerstand werden die Geschwister dadurch gestärkt, dass sie an die objektive Solidarität, die sie mit der ganzen Christenheit verbindet, mit Anerkennung und Dankbarkeit denken. Das Wissen (vgl. εἰδότες 1,18a) verweist nicht auf eine Selbstverständlichkeit, sondern hat wie oft in den Paulusbriefen die Funktion, eine Glaubensaussage zu vergegenwärtigen und zu verkündigen. Was den Adressaten bewusst werden soll, ist die Ähnlichkeit ihrer Leidenserfahrungen: Die Situation der einzelnen Hausgemeinden ist jeweils singulär, aber die Art der Schwierigkeiten, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, ist vergleichbar. Deshalb steht in V. 9 nicht einfach „die gleichen Leiden“ (τὰ αὐτὰ παθήματα), sondern die grammatikalisch kompliziertere Konstruktion „die gleiche Art der Leiden“ (τὰ αὐτὰ τῶν παθημάτων, vgl. Achtemeier, 342 f.). „Auferlegt“ (ἐπιτελεῖν als Inf.) kann sowohl als Medium als auch als Passivum gelesen werden: ‚Die gleiche Art von Leiden legt sich eurer Bruderschaft auf in der Welt‘ oder ‚die gleiche Art der Leiden wird eurer Bruderschaft auferlegt überall‘ (im Zusammenhang der strategischen Argumentation des Briefes kann ἐν τῷ κόσμῳ keineswegs so etwas meinen wie ‚in der widergöttlichen Welt‘, sondern es ist ganz einfach universal gemeint ‚in der ganzen Welt‘ ; vgl. 1 Tim 3,16: ἐπιστεύθη ἐν κόσμῳ; wohl daher im Sinne von ἐν τῇ οἰκουμένῃ Apg 17,6; 19,27; vgl. Selwyn, 239; Bigg, 193). Den Leserinnen und Lesern, denen die Reflexionen zum dauernden provozierenden Potential des ‚erwählten Steins‘ (2,1–10) noch vor Augen stehen und die das Widerstandspotential des „leeren“ Lebens (1,18) oder die Klarheit, mit denen die „Herren“ nicht mehr „Herr“ sein dürfen (2,17) erinnern, ist völlig klar: Konflikte 163

5,8–11

Briefschluss

sind daher für sie an jedem Ort – und zu jeder Zeit – zu erwarten. Auf den Punkt gebracht ist so hier die Gemeinschaft in ihrer Funktion als „Geschwisterschaft“ (ἀδελφότης; vgl. prägnant 2,17 in Abgrenzung der Beziehungsweisen; der Dativ mitsamt ὑμῶν logisch klar, aber sprachlich schwer zuzuordnen, vgl. Bigg, 194: „a stumblingblock“). 10 Die abschliessende Verheißung wiederholt ein letztes Mal die zentrale Botschaft des Briefes. Der Gott, der die Gemeinschaft zwischen Verfasser und Adressaten begründet, wird durch die Logik seiner Handlungsweise qualifiziert, die durch Gnade gekennzeichnet ist (χάρις zweimal im Briefformular [1,2; 5,12] und achtmal im Briefcorpus [1,10.13; 2,19 f.; 3,7; 4,10; 5,5.10], um Gott als Urheber der bedingungslosen Erlösung, die ihre Lebensgeschichte grundlegend prägt, zu erweisen). Die befreiende Veränderungskraft der Gnade Gottes hat sich bereits darin erwiesen, dass er die Adressaten berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit (καλεῖν; vgl. 1,15; 2,9.21; 3,6.9). Die dadurch neue Situation – einschließlich des Bruchs mit den alten Lebensweisen und entsprechender Konflikte – gehörte von Anfang an zu den Hauptaussagen des Briefes. Das ist der vom extra nos einer transzendenten Instanz gegebene identitätsstiftende und beauftragende Charakter des Ereignisses ihrer Bekehrung. Wenn allerdings ihr neues Leben nicht zugleich durch Kollateralschwierigkeiten unvermeidlich begleitet wäre, hätten sie auch die ganze Argumentation des Briefes nicht gebraucht! Sie werden abschließend partizipial im Sammelbegriff des Leidens zusammengefasst (πάσχειν), und den Christen, die sich im Spannungsfeld der Konflikte befinden, soll die Unverhältnismäßigkeit deutlich werden zwischen der geringen Bedeutung dieser Kollateralschwierigkeiten (ὀλίγον; vgl. 1,6) und der ewigen Herrlichkeit, zu der sie berufen sind (zu εἰς τὴν αἰώνιον αὐτοῦ δόξαν vgl. 5,4). Das Briefcorpus endet mit einer breiten, romantischen Coda: Der Gott, der sich im Ereignis ihrer Berufung geoffenbart hat, wird sich in ihrer Zukunft und in der Erfüllung der ihnen bevorstehenden Aufgaben weiterhin als der Hauptakteur der Geschichte zeigen, sie ausrüsten und an ihrer Seite stehen. Die argumentative Funktion der beeindruckenden Kette der vier aneinandergereihten Verben besteht wahrscheinlich – wie die letzten Akkorde der 5. Symphonie von Beethoven (vgl. Jobes, 316: „rhetorical crescendo“) – mehr in der sich verstärkenden Funktion der Ansammlung als in der Differenzierung der jeweiligen Bedeutungen. Der gemeinsame Nenner besteht in der gegenwärtigen Relevanz der Zusage: Der Gott, der die Adressaten zu seiner Herrlichkeit berufen hat, wird sie hier und jetzt mit der Gesundheit, der Kraft und der Denkfähigkeit ausrüsten, die für ihre weiterhin bevorstehenden Existenz als Dissidenten in der Welt notwendig sind (alle vier Verben im Fut.). „Wiederzurechtmachen“ meint in allen möglichen Bereichen ‚in Ordnung bringen‘ bzw. ‚in den Stand bringen‘ (καταρτίζειν; Mk 1,19; 1 Kor 1,10; Gal 6,1; 1 Thess 3,10 usw.). Anders als in Jak 5,8 ist „fest machen“ (στηρίζειν, im Sinne von „beständig machen“) kein Imperativ, sondern ein Indikativ dessen, was die Adressaten zugesagt bekommen. „Stark machen“ (σθενοῦν, im Sinne von „Kraft geben“), ist selten belegt und kommt nur hier im NT vor. Im eigentlichen und übertragenen Sinne meint „erbauen“ (θεμελιοῦν) ‚mit einem Fundament versehen‘ (Mt 7,25; Lk 6,48; Eph 3,17; Kol 1,23; Hebr 1,10). Die Tatsache, dass Gott schon längst für die Hoffenden einen solchen Fundamentbau gegründet hat, mag manchen Leserinnen und Lesern noch im Ohr gewesen sein (vgl. 2,1–10, aller164

Briefschluss

5,13

dings ohne θεμέλιος, sondern mit οἶκος und τιθέναι λίθον). Was die vier Verben von Gott versprechen, hat faktisch der Brief mit seiner Strategie für seine LeserInnen längst begonnen zu leisten – und er hat ihnen in außerordentlich hoher Qualität Worte für diese Strategie geliefert (zur Bedeutung der sprachlichen Qualität insgesamt und der Figur Homoioteleuton 5,10 vgl. Standaert, surprise, 393). 11 Die Doxologie beschliesst 4,12–5,10 und beschränkt sich auf das hier passgenau gewählte Thema der Kraft Gottes (κράτος; in dieser Weise ganz auf κράτος konzentriert ohne z. B. δόξα oder τιμή ntl. nur hier; ein Verb des Bekenntnisses fehlt; vgl. die mit Christologie und δόξα ausführlichere Formulierung 4,11b, die 2,11–4,11 abschloss). Einen abschließenden Wunsch für die Adressaten anzunehmen (Konjunktiv), wäre ein Widerspruch zu dem, was in 5,8–10 mit Nachdruck ausformuliert ist – die LeserInnen wissen es ist längst: Die Kraft Gottes ist Realität (Indikativ; so auch Dubis, 172 f.).

5,12–14: Postskript 12

Durch Silvanus, unseren zuverlässigen Bruder, habe ich euch, wie ich denke, kurz geschrieben, ermahnend und bezeugend, dass dies die wahrhafte Gnade ist, in der ihr steht. 13 Es küssen euch die Miterwählte in Babylon und Markus, mein Sohn. 14 Küsst einander mit dem Kuss der Liebe! Friede euch allen, die in Christus! Der Abschluss fällt durch Nennung der Briefabsicht und -form (V. 12), den Gruß (V. 13–14a) und den Segen (V. 14b) dreiteilig aus. 12 Geklärt wird abschließend die Rollenverteilung der pseudepigraphischen Verfasserschaft: Silvanus (vgl. 2 Kor 1,19; 1 Thess 1,1; 2 Thess 1,1; mögliche Identität mit Silas Apg 15 u. ö. hier unerheblich) hat den Brief geschrieben (διά kann in den antiken Briefen sowohl auf den Briefträger als auch auf den Sekretär hinweisen, bezieht sich aber hier auf ἔγραψα). In der Antike konnte übrigens die Rolle eines Sekretärs genauso unterschiedlich sein wie heute: Schreiben, was ihm diktiert wurde, oder selbst den Text verfassen (zur Diskussion Achtemeier, 349 f.; zu πιστός im Sinne von ‚zuverlässig‘ vgl. 1 Tim 3,1). Die Kürze gilt in der antiken Poetik und in der antiken Epistolographie als eine literarische Qualität. Die Rolle des Petrus besteht (gemäß der Formulierung παρακαλῶν καὶ ἐπιμαρτυρῶν) darin, dass er dem, was Silvanus geschrieben hat, die angemessene Autorität verleiht. Seine doppelte Funktion liegt darin, als Zeuge der Leiden Christi (5,1) die Wahrheit der Gnade, d. h. der durch die Offenbarung in Jesus Christus und durch ihre Erwählung ihnen gegebenen Hoffnung, die sie zu Dissidenten gemacht hat, zu sichern, und sie aufgrund dieser Sicherung zu ermahnen und zu bitten, dieser Gnade treu zu bleiben. 13 Indirekte Grüße sind in den antiken Briefen und in den Apostelbriefen üblich. Die ‚Miterwählte‘ (συνεκλεκτή) ist in der Sprache des Briefes die Geschwistergemeinschaft in Babylon, wobei Babylon wie in der Apk Rom meint (Apk 14,8; 16,19; 165

5,12–14

Postskript

17,5; 18,2.20.21). Damit gibt die Pseudepigraphie einen realen oder fiktionalen Abfassungsort des Briefes an. Der Name Markus erscheint mehrfach in der paulinischen, deutero-, und tritopaulinischen Literatur und in Apg (Apg 12.12.25; 15,37.39; Kol 4,10, 2 Tim 4,11; Phlm 24). Die Identität des hier gegrüßten Markus ist unbekannt. Er wird als Schüler des Petrus vorgestellt. 14 Die indirekten Grüße an die Adressaten nehmen die auffällige Form eines Auftrags an, sich gegenseitig zu grüßen. Die begriffliche Verstärkung von ἐν φιλήματι durch ἀγάπης wiederholt die Aufforderung zur Solidarität unter Dissidenten (s. mit einer ähnlichen doppelten Begrifflichkeit 1,22–24; 3,8–12). Der pseudepigraphische Petrusbrief als Apostelbrief ersetzt gattungsgemäß den Gruß durch eine Segensformel. In der Formulierung fehlt die paulustypische Ergänzung von εἰρήνη durch χάρις, so dass sie sich der Form der hellenistischen synagogalen Briefe nähert (s. 2 Makk 1,1–9; 2 Makk 1,10–2,18). Die erwählten Fremden in der Diaspora werden jetzt universal als solche bezeichnet, die in Christus nun das haben, was zu einem der Leitgedanken des ganzen 1 Petr geworden ist: Heimat.

166