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German Pages 256 Year 2012
Patricia Hertel Der erinnerte Halbmond
Ordnungssysteme Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit Herausgegeben von Jörg Baberowski, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael
Band 40
Patricia Hertel
Der erinnerte Halbmond Islam und Nationalismus auf der Iberischen Halbinsel im 19. und 20. Jahrhundert
Oldenbourg Verlag München 2012
Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde an der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg/Schweiz. Genehmigt von der Philosophischen Fakultät auf Antrag der Herren Professoren Siegfried Weichlein und Martin Baumeister. Freiburg/Schweiz, den 18. März 2011. Prof. Dr. Thomas Austenfeld, Dekan Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und des Hochschulrats der Universität Freiburg/Schweiz.
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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung 1.1 1.2
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Europa und Islam: Begegnung, Erinnerung, Imagination Islam und Nationalismus auf der Iberischen Halbinsel. Grundlagen der Untersuchung und Fragestellung . . . . 1.3 Methode, Untersuchungsschritte und Quellenbasis . . . 1.4 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Religion und Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Iberische Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Islambilder in Spanien und Portugal . . . . . . . . . . .
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2. Der Islam als historischer Gegner: Das Mittelalter in der Geschichtsschreibung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . 2.1 Der Islam in der Suche nach einem ser de España . . . . . 2.1.1 Zwischen Aversion und Faszination: Modesto Lafuente y Zamalloa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Ausgrenzung: Marcelino Menéndez y Pelayo . . . . . . . . 2.1.3 Marginalisierung: Manuel Merry y Colón . . . . . . . . . 2.1.4 Von Religion zu Zivilisation: Rafael Altamira y Crevea . . 2.1.5 Kultureller Einfluss unter Vorbehalt: Ramón Menéndez Pidal, Cláudio Sánchez-Albornoz . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6 Der Islam in den Geschichtsbildern peripherer Nationalismen: Das Beispiel Baskenland . . . . . . . . . . 2.2 Der Islam in der Suche nach den Ursprüngen Portugals . . 2.2.1 Entmythologisierung: Alexandre Herculano de Carvalho e Araujo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Unterweisung: Joaquim Pedro de Oliveira Martins . . . . . 2.2.3 Romantisierung: Joaquim Teófilo Fernandes Braga . . . . 2.2.4 Abneigung und Anerkennung: Kirchliche Autoren . . . . . 2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft: Die Integration des muslimischen Erbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das sichtbare Erbe Spaniens: Die Vorstellung vom „spanischen Islam“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Al-Andalus als nationaler Referenzpunkt: Geschichtsentwürfe der spanischen Arabistik . . . . . . .
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3.1
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Inhaltsverzeichnis
3.1.2 Muslimische Architektur als Nationalmonument: Das Beispiel Alhambra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.2 Das vergessene Erbe Portugals: Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . 93 3.2.1 Al-Andalus als nationale Vorgeschichte: Geschichtsentwürfe der portugiesischen Arabistik . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.2.2 Die Erschließung muslimischer Architektur: Das Beispiel Mértola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Der Islam als koloniales Gegenüber: Die iberischen Diktaturen . .
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4.1 Spanien: Versuch der Expansion (1859–1956) . . . . . . . 4.1.1 Aversion: Das Bild des Islam in den Marokko-Kriegen (1859–1926) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Annäherung: Afrikanisten vor dem Bürgerkrieg (1909–1936) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Propaganda: Furcht vor dem Islam als Waffe im Bürgerkrieg 4.1.4 Aneignung: Der franquistische Bruderschaftsdiskurs (1939–1956) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Portugal: Versuch der Bewahrung (1890–1974) . . . . . . 4.2.1 Zivilisierung: Das Leitbild des christlichen Imperiums (1890–1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Wachsamkeit: Der Islam als Machtbedrohung (1945–1960) 4.2.3 Integration: Der Weg zur „portugiesischen Ökumene“ (1960–1974) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Der Islam als nationale Lektion: Geschichtsvermittlung durch Instruktion und Inszenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1
Der Islam als Hauptdarsteller: Die „Mauren unserer Tage“ in Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulbücher von der Restauration zum Franquismus . . Jubiläumsfeiern in der Restauration (1912–1918) . . . . Der Islam als Nebendarsteller: Heldenkult ohne Gegner in Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulbücher von der Monarchie zum Estado Novo . . . Jubiläumsfeiern im Estado Novo (1939–1947) . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Der Islam als folkloristische Figur: Lokale Feste und Identität . . .
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6.1 Moros y cristianos: Feste im País Valenciano . . . . . . . . . 6.1.1 Invention of tradition: Nationalisierung der Feste im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3
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Inhaltsverzeichnis
6.1.2 Verbot, Verbrüderung, Vorbehalte: Die Feste als Spiegel politischer Ereignisse im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . 6.2 Bugios, turcos und Karl der Große: Feste in Nordportugal 6.2.1 Historische und mythische Konnotationen des mouro . . 6.2.2 Facetten von Alterität in szenischen Darstellungen . . . 6.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen . . . . . . . . . . . Monographien und Artikel Periodika . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . Nachschlagewerke . . . . .
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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort Der Islam ist ein europäisches Thema. In historischer Perspektive ist er insbesondere ein südeuropäisches. Wer historische Konflikte mit dem Islam verstehen will, muss sich Regionen zuwenden, in denen es jahrhundertelang muslimische Bevölkerung gab und wo nach Ende der physischen Präsenz der Islam in Imaginationen und Deutungen, in Sprache und Kultur, in Bauwerken und technischem Wissen fortdauerte: Er muss auf den Balkan, nach Sizilien, Südfrankreich und auf die Iberische Halbinsel blicken. In diesen Regionen der Begegnung und Auseinandersetzung entwickelten sich Vorstellungen eines „Europa“ und eines „Islam“, deren Wirkung teilweise noch heute feststellbar ist. Dieses Buch untersucht die Iberische Halbinsel als historische Kontaktzone mit dem Islam und fragt nach Interpretationen, Vorstellungen und Bildern der islamischen Vergangenheit im 19. und 20. Jahrhundert. Es entstand aus meiner Dissertation an der Universität Freiburg/Schweiz. Während der Arbeit zeigte sich, dass das Wort Kontakt eine doppelte Bedeutung bekam: Die Forschung zu einer Kontaktzone eröffnete mir intensive wissenschaftliche Begegnungen. Meinem Erstbetreuer Siegfried Weichlein (Freiburg/Schweiz) danke ich für die Anregung zu dieser Arbeit. Seine Begeisterung für historische Fragestellungen war stets ansteckend, sein kritisches Hinterfragen unverzichtbar für das Weiterdenken am Thema, sein analytischer Draufblick eine große Hilfe für die anstehenden nächsten Schritte. Mein Zweitbetreuer Martin Baumeister (München) förderte bereits während des Studiums mein Interesse für Kulturgeschichte und inspirierte die Arbeit mit seinem umfassenden Wissen zur südeuropäischen Geschichte. Jörg Baberowski (Berlin), Anselm DoeringManteuffel (Tübingen) und Lutz Raphael (Trier) danke ich für die Aufnahme in die Reihe „Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit“. Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Hochschulrat der Universität Freiburg/Schweiz unterstützten die Publikation jeweils mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss. Jesús Millán (Valencia) und Xosé Manoel Núñez Seixas (Santiago de Compostela) haben das Projekt mit Sachverstand und vielfältigen Ermutigungen begleitet. Ihre Kenntnisse der spanischsprachigen sowie der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft machte sie zu wichtigen Ratgebern. Sérgio Campos Matos (Lissabon), Maria Isabel João (Lissabon) und José Manuel Sobral (Lissabon) hatten ein offenes Ohr und viele Lösungshinweise für die Fragen, die in den verschiedenen Entwicklungsstufen der Arbeit auftraten. Carmen Cardelle de Hartmann (Zürich), Mariano Delgado (Freiburg/ Schweiz), Susana Gómez Martínez (Mértola), Eva Maria von Kemnitz (Lissabon), Ramón López Facal (Santiago de Compostela), Bernabé López Garcia
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Vorwort
(Madrid), Toni Morant i Ariño (Münster), David Parra Monserrat (Valencia), Paulo Raposo (Lissabon), Reinhard Schulze (Bern), Christiane Stallaert (Leuven), Nina Clara Tiesler (Lissabon), AbdoolKarim Vakil (London) und Rafael Valls (Valencia) haben mit hilfreichen Kommentaren aus ihren Fachgebieten und Disziplinen die Arbeit sehr bereichert. Vielfältige Impulse gaben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Forschungskolloquien und Workshops, in denen ich Konzept und Ergebnisse der Arbeit zur Diskussion stellen konnte. Juri Auderset, Philipp Küsgens, Eva Maurer, Daniel Schönmann und Thomas Werneke haben große Teile des Manuskripts intensiv und kritisch gelesen. In Gesprächen mit ihnen nahm die Arbeit immer mehr Gestalt an. David Luginbühl leistete kompetente Hilfe bei der Bildredaktion. Meinen Kolleginnen und Kollegen am Departement Historische Wissenschaften der Universität Freiburg/Schweiz danke ich für ihr Interesse an meiner Arbeit und für viele Hinweise aus mittelalterlicher, frühneuzeitlicher, zeitgeschichtlicher und methodischer Perspektive. Der Austausch und die Zusammenarbeit mit ihnen war mir eine wertvolle Erfahrung. Über die Wissenschaft hinaus danke ich von Herzen allen, die mich in dieser Zeit unterstützt haben.
1. Einleitung „Siehst Du vor dir nicht den Ismaelit, Mit dem du immer Kriege führen wirst? Folgt er nicht Mohammeds Gesetz perfid, Wenn du für Christi Lehre Kriege führst?“1 Luíz Vaz de Camões: „Die Lusiaden“ (1572) „Historia des Don Quixote von la Mancha, geschrieben vom Cide Hamete Benengeli, arabischem Historienschreiber.“2 Miguel de Cervantes Saavedra: „Der sinnreiche Junker Don Quijote de la Mancha“ (1605/1615)
1.1 Europa und Islam: Begegnung, Erinnerung, Imagination Sind „Islam“ und „Europa“ unvereinbare Antipoden? Sind sie zwei Seiten derselben Medaille? Oder ist dieser scheinbare Gegensatz angesichts postmodernen Bemühens um allerlei Dekonstruktionen unangemessen? In historischer Perspektive zeigt sich zumindest deutlich: „Europa“ und „Islam“ waren jahrhundertelang wirkmächtige, aber selten eindeutige Kategorien zur Beschreibung und Deutung von Geschichte und Gegenwart. Die historische Begegnung mit dem Islam3 hat Europa geprägt. Dies gilt für reale Kontakte ebenso wie für ihre zeitgleichen oder nachträglichen Interpretationen. Vom Mittelalter an existierten Vorstellungen einer Gegnerschaft zwischen einem christlichen „Europa“ und einem außereuropäisch konnotierten „Islam“. Doch war dieser Antagonismus nicht einfach eine Voraussetzung historischen Kontakts zwischen Christen und Muslimen. Er ist vielmehr das Ergebnis einer Geschichte von Begegnungen, in der es Konflikt und Kooperation, Annäherung und Abweisung gab. Die mittelalterliche Iberische Halbinsel bot einen Raum solcher Begegnungen, in denen sich unter dem Einfluss des 1
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Luís de Camões: Die Lusiaden. Üb. von Hans-Joachim Schaeffer, Berlin 4. Aufl. 2010, S. 247 (IV. Gesang, 100. Strophe). Soweit nicht anders angegeben, stammen alle Übersetzungen von der Verfasserin. Miguel de Cervantes Saavedra: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Üb. von Ludwig Tieck (Berlin 1799–1801), Leipzig 2004, Bd. I, S. 86. Der Begriff „Islam“ wird in dieser Arbeit als Kollektivsingular verwendet. Er steht stellvertretend für die vielfältigen und teilweise widersprüchlichen Bilder und Vorstellungen, die diese Studie aufzeigen will.
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1. Einleitung
Islam Vorstellungen des Eigenen und des Fremden formten. Dieser Prozess setzte sich fort, als es keine nennenswerte muslimische Präsenz auf iberischem Boden mehr gab. Die heterogenen Vorstellungen eines „Islam“ auf der Iberischen Halbinsel im 19. und 20. Jahrhundert, ihre Wandlungen und ihr Einfluss auf nationale Fremd- und Selbstbilder sind Thema dieser Arbeit. Auf einer europäischen Ebene kennzeichnet das Ringen um Macht und Territorium in weiten Teilen den historischen Kontakt zwischen Christen und Muslimen. Blutige Konflikte wie die Kreuzzüge, die Kämpfe um Territorium auf der Iberischen Halbinsel und dem Balkan oder die Türkenkriege zwangen europäische Herrscher, sich gegen die jeweiligen muslimischen Gegner zusammenzuschließen. Mit einer wachsenden ideologischen Einheit der lateinischen Christen nahmen gleichzeitig entsprechende Vorstellungen über den Islam Gestalt an.4 Mauren auf der Iberischen Halbinsel, Sarazenen im Heiligen Land oder Türken auf dem Balkan erschienen Europäern nur als Facetten eines scheinbar immer gleichen Gegners Islam. Das Zurückdrängen der muslimischen Expansion bei Tours und Poitiers 732, der Fall Konstantinopels 1453, die Seeschlacht von Lepanto 1571 oder der Entsatz von Wien 1683 sind Beispiele für die geographische Breite und zeitliche Dauer, in denen sich Vorstellungen und Bilder5 eines Europa und eines Islam anhand kriegerischer Begegnungen formten. Siege und Niederlagen, Helden und Heldentaten wurden in unzähligen Texten, Bildern und Erzählungen mythisch überhöht. Im 19. Jahrhundert, als der Islam auf dem europäischen Kontinent kaum mehr eine territoriale Bedrohung darstellte, hatte er einen prominenten Platz im europäischen Mythenrepertoire inne.6 Ikonographisch zeigte dies u. a. die Ausstellung „Mythen der Nationen“ im Deutschen Historischen Museum Berlin, bei der von den siebzehn präsentierten Ländern neun in irgendeiner Weise eine Begegnung mit der islamischen Welt verzeichneten. Konflikte mit den jeweiligen islamischen Gegnern wurden nicht nur als politische Kämpfe wahrgenommen, sondern als Schicksalsschlachten mythisiert, bei denen das Seelenheil Europas auf dem Spiel stand.7 Ein als einheitlicher Gegner empfundener „Islam“ galt als Verkörperung von Europas Antagonist schlechthin, weil mit dem politischen und territorialen Gegensatz auch ein religiöser, 4
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Einen diachronen Überblick zur Entstehung der Konzepte eines Europa und eines Islam gibt Maxime Rodinson: Die Faszination des Islam, München 1985, hier S. 21f. Vgl. für das Mittelalter ebenfalls Norman Daniel: Islam and the West. The making of an image, Oxford 1993 [EA 1960]. „Bilder“ bezeichnet hier und im weiteren Verlauf des Textes die Summe der Vorstellungen vom Islam, nicht (nur) ikonographische Darstellungen. Vgl. den Katalog Monika Flacke (Hrsg.): Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama, München/Berlin 2. Aufl. 1998. Einen Überblick zum Mythos der „islamischen Gefahr“ mit Schwerpunkt auf der Frühen Neuzeit gibt Étienne François: Le „mythe du péril islamique“ au miroir de l’histoire, in: Hamit Bozarslan (Hrsg.): Regards et miroirs. Melanges Rémy Leveau, Leipzig 1997, S. 89– 99, S. 92.
1.1 Europa und Islam
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kultureller, und ethnischer Gegensatz verbunden war. Diese Konfliktlinien konnten sich entsprechend überlagern und verstärken. Doch Christen und Muslime trafen sich nicht allein auf dem Schlachtfeld. Europäer begegneten der islamischen Welt auch in der Rezeption wissenschaftlicher Erkenntnisse, in diplomatischen Beziehungen, in teils aus eigener Anschauung, teils aus romantischen Imaginationen resultierenden Orient- und Islambildern von Komponisten, Schriftstellern oder Malern.8 Die erste europäische Übersetzung der Märchen von „Tausendundeiner Nacht“ ins Französische von Antoine Galland in den Jahren 1704–1717, die „Türkenmode“ zur 100-Jahr-Feier des Entsatzes von Wien, der Wolfgang Amadeus Mozart mit der Oper „Die Entführung aus dem Serail“ (Uraufführung 1782) ein musikalisches Denkmal setzte,9 die Ägypten-Begeisterung im Zug von Napoleon Bonapartes Feldzug 1798–1801,10 die Malereien Eugène Delacroix‘ oder die Bücher des britischen Abenteurers Richard Burton, dem es gelang, an der für Nichtmuslime verbotenen Wallfahrt nach Mekka teilzunehmen,11 stilisierten die muslimische Welt zu einem exotischen Gegenbild der als phantasielos, nüchtern oder prüde empfundenen europäischen Gegenwart. Dies sowie politische Prozesse wie der Zerfall des Osmanischen Reichs und die Kolonialisierung islamischer Gebiete nährten die Vorstellung, der Islam sei politisch und kulturell beherrschbar. Aus diesem Geflecht von Stereotypen, Feindbildern, Mythen und pauschalisierenden Zuschreibungen formten sich über Jahrhunderte hinweg Bilder eines Orients und eines Okzidents. Diese wurden trotz ihrer logischen Brüche wie etwa, dass das antike Griechenland dem Okzident, das byzantinische aber dem Orient zugeschlagen wurde,12 in der Geschichtsschreibung wirkmächtig. Zum Orient konnten in der europäischen Wahrnehmung auch Länder des Fernen Ostens wie Japan oder China gehören. Jedoch dominierten Islam und Muslime das Bild des Orients, was an der geographischen Nähe und an der historischen Erinnerung lag. Forschungen, die das Verhältnis von Orient und
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Vgl. den Sammelband mit literarischen, kunsthistorischen und historischen Aspekten von Gereon Sievernich/Hendrik Budde (Hrsg.): Europa und der Orient 800–1900, Gütersloh/München 1989; überblicksartig Petra Kappert: Europa und der Orient, in: Jochen Hippler/Andrea Lueg (Hrsg.): Feindbild Islam, Hamburg 1993, S. 44–76. Zur „Türkenmode“ und zur Stilisierung des „Türken“ nach der Schlacht 1683 vgl. allgemein den Ausstellungskatalog: Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683, Wien 2. Aufl. 1983, zu Mozarts Oper S. 269 und S. 281. Vgl. zur kulturellen Rezeption von Napoleons Feldzug den Ausstellungskatalog JeanMarcel Humbert (Hrsg.): Bonaparte et l’Egypte: feu et lumières, Paris 2008. Richard Francis Burton: Persönlicher Bericht einer Pilgerreise nach Mekka und Medina: 1853. Hrsg. u. aus dem Englischen üb. von Uwe Pfullmann, Lennigen 2005. Zur Dekonstruktion der Konzepte von „Orient“ und „Okzident“ siehe u. a. Marshall G. S. Hodgson: L’islam dans l’histoire mondiale, Paris 1998, hier S. 23.
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1. Einleitung
Okzident untersuchen, Feindbilder13 dekonstruieren und die damit verbundenen Absichten aufschlüsseln, sind inzwischen Legion.14 Innerhalb der Begegnung Europas mit dem islamischen Anderen nehmen Gebiete mit jahrhundertelanger muslimischer Präsenz eine besondere Rolle ein: der Balkan, die Iberische Halbinsel sowie Süditalien und Sizilien. Hier verdichtete sich das Gegen-, Neben- und Miteinander von Muslimen und Christen in Kämpfen um politische und kulturelle Vorherrschaft, in Bündnissen mit und gegen Glaubensgenossen, in Fehden und Liebesbeziehungen und einem entsprechenden Niederschlag in historischen Erzählungen und Mythen. Begrenzt waren diese Kontaktzonen nicht durch fixe borders, sondern durch flexible frontiers.15 Dieses aus der Besiedlungsgeschichte des amerikanischen Westens stammende Konzept wurde auf Kontaktzonen übertragen, innerhalb derer sich ein Feld für Verhaltensweisen zwischen Annahme und Konfrontation öffnete.16 Die Kontaktzone Balkan hat die meiste wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Gründe dafür sind die herausragende Stellung des mittelalterlichen Konstantinopel-Byzanz, die lange Dauer des Osmanischen Reichs, die Balkankriege im 20. Jahrhundert und die muslimische Präsenz in der Region. In Sizilien war diese vergleichsweise kurz, wenn man die Zeitspanne muslimischer Herrschaft über Palermo von 832 bis 1072 ansetzt. Von arabischen Elementen beeinflusste Bauwerke wie die Kathedralen von Palermo, Cefalù und Messina sowie szenische Aufführungen anlässlich von Festen17 zeugen von muslimischen Einflüssen. Nach der 13
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Zur neueren Feindbild-Forschung vgl. den Überblick von Christoph Weller: Feindbilder – zwischen politischen Absichten und wissenschaftlichen Einsichten, in: Neue politische Literatur 54/2009, Nr. 1, S. 87–103. Zum Feindbild Islam in modernen westlichen Gesellschaften vgl. Hippler/Lueg (Hrsg.): Feindbild Islam. Das bekannteste Werk ist immer noch Edward W. Said: Orientalismus, Frankfurt am Main 2009. Aus der Fülle an Literatur zu der von Said entfachten Debatte überblicksartig Stefan F. Hauser: Orientalismus, in: Der neue Pauly, Stuttgart/Weimar 196ff., Bd. 15/1, Sp. 1234–1243; Daniel Martin Varisco: Reading Orientalism. Said and the Unsaid, Seattle/London 2007; Reinhard Schulze: Orientalism. Zum Diskurs zwischen Orient und Okzident, in: Iman Attia (Hrsg.): Orient- und Islambilder. Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischem Rassismus, Münster 2007, S. 45–68; Jürgen Osterhammel: Edward W. Said und die „Orientalismus“-Debatte. Ein Rückblick, in: Asien Afrika Lateinamerika 25/1997, S. 597–607. Zum Konzept und Begriff der frontier allgemein Christoph Marx: Grenzfälle. Zu Geschichte und Potential des Frontierbegriffs, in: Saeculum 54/2003, Nr. 1, S. 123–143; zum 19. Jahrhundert Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 3. Aufl. 2009, S. 465–564. Mario Apostolov: The Christian-Muslim Frontier. A zone of contact, conflict or cooperation, London/New York 2004, S. 1. Vgl. den Vergleich zwischen Spanien und Sizilien von Deborah Puccio-Den: Les Théâtres de „Maures et Chrétiens“. Conflits politiques et dispositifs de réconciliation (Espagne, Sicile, XVIIe–XXIe siècles), Turnhout 2009; Gabriella d’Agostino: Moros y cristianos en la cultura tradicional siciliana, in: Marlène Albert-Llorca/José Antiono González Alcantud (Hrsg.): Moros y cristianos: representaciones del otro en las fiestas del Mediterráneo occidental, Toulouse 2003, S. 163–176.
1.1 Europa und Islam
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Gründung des Vereinigten Königreichs Italiens wurden die mit ehemaliger islamischer Präsenz verbundenen Regionen Sizilien und Süditalien eingefügt in das größere Bild eines rückständigen, mehr afrikanischen als europäischen mezzogiorno, den die Norditaliener als Dauerproblem für Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ansahen und ihn gleichzeitig als pittoreske Gegenwelt zum industrialisierten Norden stilisierten.18 Die Iberische Halbinsel war knapp achthundert Jahre lang eine Kontaktzone zwischen Muslimen und Christen: 711 überquerte der Feldherr Tariq ibn Ziyad, ein zum Islam konvertierter Berber, im Auftrag des arabischen Gouverneurs von Nordafrika Musa ibn Nusayr die schmale Meerenge zwischen Afrika und Europa. Deren späterer Name Gibraltar (arab.: Dschabal atTariq, Berg des Tariq) erinnert noch an dieses einschneidende Ereignis. Da die Westgoten zu schwach für nennenswerten Widerstand waren, konnten Tariqs Truppen in kurzer Zeit den größten Teil der Halbinsel erobern: In seiner weitesten Ausdehnung umfasste das islamische al-Andalus (Land der Wandalen) die komplette Iberische Halbinsel mit Ausnahme von Teilen der Küstenregion im Norden sowie einen Teil des heutigen Südfrankreichs in der Gegend von Narbonne. Die folgenden Jahrhunderte waren geprägt von Kämpfen zwischen muslimischen und christlichen Königreichen, aber auch zwischen Angehörigen der eigenen Religion mit entsprechenden Gebietsgewinnen und Verlusten.19 Die islamische Herrschaft auf der Halbinsel endete mit dem Fall des nasridischen Königreichs Granada 1492. Danach stellten die Herrscher von Kastilien-Aragón und Portugal Juden und Muslime vor die Alternative Taufe oder Emigration: Ferdinand von Aragón20 und Isabella von Kastilien strebten religiöse Homogenität in ihren durch Personalunion vereinigten Gebieten an und wollten sich als führende christliche Könige profilieren. Manuel I. von Portugal wies Juden und Muslime aus seinem Territorium, weil dies eine Bedingung für die Hochzeit mit der Tochter von Ferdinand und Isabella war.21 Die Iberischen Herrscher institutionalisierten die Inquisition und vertrieben ab 1609 die Nachkommen 18
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Zum mezzogiorno-Konzept vgl. Martin Baumeister: Diesseits von Afrika? Konzepte des europäischen Südens, in: Frithjof Benjamin Schenk/Martina Winkler (Hrsg.): Der Süden. Neue Perspektiven auf eine europäische Geschichtsregion, Frankfurt am Main 2007, S. 23–47, S. 34–38. Aus der Fülle von Überblickswerken zu dieser Zeit vgl. zur Politik Ludwig Vones: Geschichte der Iberischen Halbinsel im Mittelalter 711–1480, Sigmaringen 1993; André Clot: Al-Andalus. Das maurische Spanien, Düsseldorf/Zürich 2002; zur Kultur Arnold Hottinger: Die Mauren. Arabische Kultur in Spanien, München 1995; Georg Bossong: Das maurische Spanien. Geschichte und Kultur, München 2007. Herrschernamen, die in einer deutschen Übersetzung gebräuchlich sind, werden in dieser verwendet. Bei Namen, wo sich dies nicht durchgesetzt hat, etwa bei Afonso Henriques, verwende ich die ursprünglichen Namen. Joaquim Chorão Lavajo: Islão e christianismo, entre a tolerância e a guerra santa, in: História religiosa de Portugal, Lissabon 2000ff, Bd. 1: Formação e limites da cristandade, S. 127–133, S. 127f.
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1. Einleitung
der getauften Muslime.22 Dieser Zeitpunkt wurde in der frühneuzeitlichen Gleichsetzung von Religion und Ethnizität als definitives Ende islamischer Präsenz auf der Halbinsel angesehen. Damit endete aber nicht der Kontakt der Iberischen Halbinsel mit dem Islam. Er setzte sich in der Erinnerung fort.23 Diese war im Fortschreiten der Jahrhunderte keine mehr, die auf realer Begegnung beruhte. Vielmehr lieferte die Zeit muslimischer Präsenz für die Ideenwelt der Halbinsel ein Reservoir an Vorstellungen, Imaginationen und Zuschreibungen, mit deren Hilfe Selbstbild(er) und Identität(en) vermittelt werden konnten. Damit war die islamische Vergangenheit ein wichtiger Teil iberischen „kulturellen Gedächtnisses.“24 Als personifiziert und damit besonders einprägsam erschien sie in der Figur des spanischen moro respektive des portugiesischen mouro.25 22
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Allgemein zur Vertreibung der moriscos in Spanien Ron Barkai (Hrsg.): Chrétiens, musulmans et juifs dans l’Espagne médiévale. De la convergence à l’expulsion, Paris 1994; Mikel de Epalza: Los moriscos antes y después de la expulsión, Madrid 1992; Antonio Dominguez Ortíz/Bernard Vincent: Historia de los moriscos. Vida y tragedia de una minoría, Madrid 1978; Mercedes García-Arenal: La diáspora de los andalusíes, Barcelona 2003; Raphaël Carrasco: La monarchie catholique et les Morisques (1520–1620). Études franco-espagnoles, Montpellier 2005; León Poliakov: Geschichte des Antisemitismus. Bd. IV: Die Marranen im Schatten der Inquisition. Mit einem Anhang: Die Morisken und ihre Vertreibung, Worms 1981; Isabel M. R. Mendes Drumond Braga: A questão mourisca em Portugal, in: Nuria Martínez de Castilla/Rodolfo Gil Benumeya Grimau (Hrsg.): De Cervantes y el islam, Madrid 2006, S. 161–178. Für Überblicke über die theoretischen Modelle zu Erinnerung und Gedächtnis von Maurice Halbwachs bis ins unsere Tage siehe Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen: eine Einführung, Stuttgart 2005; Franziska Metzger: Geschichtsschreibung und Geschichtsdenken im 19. und 20. Jahrhundert, Bern/Stuttgart/Wien 2011, S 42-59. Den Zusammenhang insbesondere zwischen Nation und Gedächtnis hat Aleida Assmann am Fallbeispiel der deutschen Bildungsidee herausgearbeitet: Aleida Assmann: Arbeit am nationalen Gedächtnis. Eine Geschichte der deutschen Bildungsidee, Frankfurt am Main 1993. Ich verzichte in dieser Arbeit auf den von Pierre Nora geprägten Begriff des Erinnerungsortes, um den dynamischen Charakter der Erinnerung an den Islam und der entsprechenden Inklusions- und Exklusionsmechanismen zu betonen. Für Spanien existieren inzwischen erste Übertragungen des Konzepts von Nora, z. B. der eher literarisch-ästhetische Zugriff bei Ulrich Winter (Hrsg.): Lugares de memoria de la guerra civil y del franquismo: representaciones literarias y visuales, Madrid 2006 sowie die Tagung „Spanische Erinnerungsorte“, Institut für Europäische Geschichte Mainz, 25. 3. 2010. Für Portugal existiert noch keine explizite Untersuchung von Erinnerungsorten. Mit Jan Assmann ist das „kulturelle Gedächtnis“ zu verstehen als „jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten [. . . ], in deren ,Pflege‘ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewußtsein von Einheit und Eigenart stützt.“ Jan Assmann: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: ders./Tonio Hölscher (Hrsg.): Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988, S. 9–19, S. 15. Da die deutsche Übersetzung „Maure“ nur unzureichend das semantische Bündel der
1.1 Europa und Islam
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Das vom lateinischen maurus (dunkel) abgeleitete Wort war sowohl in wissenschaftlichen als auch in umgangssprachlichen Kontexten verbreitet. Ursprünglich bezeichnete der Begriff die Einwohner der ehemaligen römischen Provinz Mauritania in Nordafrika.26 Nach der Islamisierung der nordafrikanischen Berberstämme durch die Araber wurde moro zu einem Synonym für alle Muslime, das die mittelalterlichen europäischen Chroniken ab den Einfällen der Almoraviden und Almohaden vom 11. bis zum 13. Jahrhundert zu gebrauchen begannen.27 Der Begriff wurde auf Türken, Araber, Syrer, kurz auf alle Angehörigen des Islam übertragen,28 wobei sich für Spanien Begegnung und Erinnerung im Stereotyp des nordafrikanischen moro verdichtete. Moro avancierte zur Sammelbezeichnung für árabes (Araber) und bérberes (Berber) – vielen Autoren dürfte gar nicht bewusst gewesen sein, dass die Muslime, die mit Tariq 711 über die Meerenge setzten, von den Arabern islamisierte Berberstämme waren. Der im mittelalterlichen Europa populäre Begriff sarraceno (Sarazene) und sein Synonym agareno gehen auf mittelalterliche christliche Vorstellungen zurück, nach denen die Araber ihre Herkunft von Abrahams Magd Agar und deren Sohn Ismael respektive von Sara selbst ableiten würden. Beide tauchten in spanischen Texten weniger und wenn, dann nur für den mittelalterlichen Kontext auf.29 Vom Begriff moro abgeleitet ist die Verkleinerungsform morisco als Bezeichnung für diejenigen Muslime, die nach dem Fall des Königreichs Granada zur Taufe gezwungen wurden und unter christlicher Herrschaft lebten.30 Die Popularität des Begriffs moro zeigt sich auch in alten Redewendungen, in denen moro als Synonym für „nichtchristlich“ wie in un niño moro für ein ungetauftes Kind steht, woraus sich in einem praktischen Sinn der Ausdruck vino moro für unverdünnten Wein ableitete. Der Begriff war konnotiert mit Gefahr wie in haber moros en la costa (wörtlich: Mauren an der Küste), ein Bild, das aufgrund der häufigen frühneuzeitlichen Piratenangriffe aus Nord-
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Originalbegriffe wiedergibt, werden mit Ausnahme der Quellenübersetzungen in dieser Arbeit die ursprünglichen Bezeichnungen beibehalten. Aufschluss für die vielfältige Verwendung des Begriffs und seiner Geschichte geben das „Diccionario de la lengua española“ der Real Academia Española sowie die ab Anfang des 20. Jahrhunderts edierte sogenannte „Enciclopedia Espasa“: Enciclopedia universal ilustrada europeo-americana, Madrid 1908ff., Bd. 36, Stichwort „Moro”, S. 1132. Die in beiden Werken verwendeten Bezeichnungen werden vielfach von neueren Nachschlagewerken wie María Moliner (Hrsg.): Diccionario de uso del español, Madrid 2. Aufl. 1998 und Julio Casares (Hrsg.): Diccionario ideológico de la lengua española, Barcelona 1999 ebenfalls unter dem Stichwort „Moro” übernommen. Epalza: Los moriscos antes y después de la expulsión, S. 17. Maria Rosa de Madariaga: Imagen del moro en la memoria colectiva del pueblo español y retorno del moro en la Guerra Civil de 1936, in: Revista internacional de sociología 46/1988, Nr. 4, S. 575–599, S. 580. Vgl. Ekkehart Rotter: Abendland und Sarazenen. Das okzidentale Araberbild und seine Entstehung im Frühmittelalter, Berlin/New York 1986, S. 68–77, hier S. 75. Epalza: Los moriscos antes y después de la expulsión, S. 16.
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1. Einleitung
afrika entstand, mit Chaos wie in estar como moros sin señor (wörtlich: wie Mauren ohne Herr sein) oder mit Kampf wie in haber moros y cristianos (wörtlich: es gibt Mauren und Christen). Aufgrund seiner pejorativen Verwendung in früheren Jahrhunderten ist der Begriff im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr politisch korrekt. Aber er transportiert moderne antiislamische Vorurteile: Ein eifersüchtig über seine Frau wachender Ehemann wird moro genannt; bajarse al moro (wörtlich: zum Mauren heruntersteigen) steht für den Kauf von Haschisch in Nordafrika.31 Der portugiesische Begriff mouro ist nur teilweise ein semantisches Äquivalent zum spanischen moro. In seiner historischen Bedeutung bezeichnete er ähnlich wie moro Nordafrikaner und Angehörige des Islam.32 Auch wenn das Portugiesische ebenfalls Redewendungen wie andar mouro na costa (wörtlich: es läuft ein Maure an der Küste) für „es ist Gefahr im Verzug“ oder trabalhar como um mouro (wörtlich: arbeiten wie ein Maure) für „viel arbeiten“ kennt,33 wurde der Begriff in der portugiesischen Geschichtsschreibung weniger verwendet als in Spanien der Begriff moro. Neben der historischen Konnotation gibt es auch eine mythologische: Der mouro in volkstümlichen Sagen und Legenden ist ein mythisches Wesen, das verzauberte Schätze bewacht. Sein weibliches Pendant, die moura encantada (verzauberte Maurin), betört als eine Art portugiesische Lorelei mit Gesang und blonden Locken sterbliche Männer. Die tempo dos mouros (Zeit der Mauren) steht in diesem Kontext nicht für die Zeit realer muslimischer Präsenz, sondern für eine längst vergangene, vorchristliche Epoche, die in den ländlichen Gegenden Portugals ebenso wie im kulturell verwandten Galicien mit dem historischen Begriff belegt wurde.34 Auch die portugiesischen mouriscos sind nicht gleichzusetzen mit den spanischen: Hier war nicht die in Portugal vergleichsweise kleine Gruppe zwangsgetaufter Muslime unter christlicher Herrschaft nach dem manuelinischen Expulsionsdekret von 1497 gemeint, sondern konvertierte Muslime aus den nordafrikanischen portugiesischen Besitzungen, die als Sklaven nach Portugal kamen, zusätzlich einige aus Kastilien emigrierte moriscos.35 31 32
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Vgl. die Ergänzung zur Enciclopedia Espasa von 2005, Stichwort „Moro“. José Serrão: Dicionário de História de Portugal, Porto 1984ff., Bd. IV, Stichwort „Mouro” S. 352; Dicionario de História Religiosa de Portugal, Lissabon 2000ff., Bd. 3, Stichwort „Mouro”, S. 279. Vgl. die Einträge zu „Mouro” in der Grande Enciclopedia portuguesa e brasileira, Lissabon/Rio de Janeiro 1945ff.; Antonio de Morais Silva: Novo Dicionário compacto da língua portuguesa, Lissabon 7. Aufl. 1992. Alexandre Parafita: A Mitologia dos Mouros. Lendas, mitos, serpentes, tesouros, Canelas 2006, S. 191; zu Galicien Mar Llinares García: Os mouros no imaxinario popular galego, Santiago de Compostela 1990. Vgl. ausführlich Kap. 6.2.1. Zu den unterschiedlichen Konzepten von moriscos und mouriscos vgl. Rogério de Oliveira Ribas: Filhos de Mafoma: Mouriscos, cripto-islamismo e inquisição no Portugal quinhentista. 2 Bde., Dissertation Universidade de Lisboa, Faculdade de Letras, Departamento de História 2004, S. 73f.; Braga: A questão mourisca em Portugal, S. 165.
1.1 Europa und Islam
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Bilder von moros/mouros und moriscos/mouriscos sind in historischen und literarischen Werken der Halbinsel allgegenwärtig. Insbesondere die frühneuzeitlichen Schriftsteller, Zeugen der Debatten über Lebensbedingungen der moriscos in den christlichen iberischen Königreichen, wiesen moros und moriscos einen prominenten Platz in ihren Werken zu.36 Zwei herausragende Beispiele sind „Die Lusiaden“ von Luís Vaz de Camões (1524/25–1580) und „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes Saavedra (1547–1616). Trotz der immensen Unterschiede zwischen dem Epos von der portugiesischen Entdeckung der Weltmeere und der Parodie auf mittelalterliche Ritterromane erzählen beide auf ihre Weise von einer Suche nach Bestimmung und Identität. Die jeweiligen Helden treffen auf Vertreter des Islam: Die Figur Velho do Restelo (der Alte von Restelo) warnt beim Ablegen der Karavellen Vasco da Gamas vor überzogenem Ehrgeiz der Seefahrten, gerade angesichts der islamischen Präsenz und Übermacht in Nordafrika und anderen Erdteilen. Der Großteil des „Don Quijote“ ist eine angebliche Übersetzung des Manuskripts eines „arabischen Historienschreibers“, hinter dessen Namen Cide Hamete Benengeli Cervantes seinen eigenen Namen verbarg. Mit Hinweisen auf die „Lügenhaftigkeit“ der angeblichen Araber führte er sowohl Fiktion als auch Parodie vor, was auch eine Reaktion auf die Zensur seiner Zeit war. Eine der nachdenklichsten Szenen ist die Begegnung des Helden mit dem vertriebenen morisco Ricote, der den Entscheid des Königs zur Vertreibung politisch rechtfertigt, aber sein persönliches Leid und Unglück darüber nicht verbergen kann: „Kurz, wir wurden mit vollem Recht mit der Strafe der Verbannung belegt, wie einige meinen, eine leichte und gelinde Bestrafung, aber für uns die schrecklichste, womit man uns nur züchtigen konnte. Wo wir auch sind, beweinen wir Spanien, denn hier wurden wir geboren, und es ist unser wahres Vaterland; nirgends finden wir die Aufnahme, die unser Unglück verdient; und in der Berberei wie in allen Teilen von Afrika, wo wir glaubten aufgenommen, geachtet und geehrt zu werden, dort kränkt man uns und mißhandelt man uns am meisten.“37
Nationalisten des 19. Jahrhunderts ersetzten die Fragezeichen von Camões und Cervantes mit Ausrufezeichen und deklarierten die Werke zur literarischen Verkörperung der Nation und ihrer Tugenden. Don Quijote erschien als Idealbild eines christlich-kastilischen Ritters, über den der Historiker Claudio Sánchez-Albornoz noch im 20. Jahrhundert schrieb: „Wer würde es wagen, islamische Wurzeln des geistreichen Edelmanns Don Quijote de la Mancha zu finden?“38 . Die portugiesischen Seefahrer verkörperten in entsprechenden
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Vgl. den Überblick bei Maria Soledad Carrasco Urgoiti: El moro de Granada en la literatura, Granada 1989. Cervantes Saavedra: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha, Bd. II, S. 433. Claudio Sanchez-Albornoz: España, un enigma histórico, Barcelona 1973 [EA 1956], Bd. 1, S. 191.
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1. Einleitung
Lesarten missionarische Verbreiter von Zivilisation und Kultur.39 Über die Ambivalenz beider Werke sahen viele Deutungen hinweg.40 Cervantes und Camões wurden damit zu Protagonisten politischer Mythen,41 die im 19. Jahrhundert in ganz Europa eine neue Qualität erreichten. Sie boten sinngebende Erzählungen, die in politischer Kommunikation eingesetzt wurden, um Deutungsangebote für die Gegenwart zu formulieren. Damit antworteten politische Mythen auf den Bedarf, das junge Ordnungsmodell der Nation als einer „gedachten Ordnung“42 mit deren angeblich langer Geschichte zu legitimieren und als handelndes, eigenes Subjekt zu interpretieren.43 Die in Mythen imaginierten Grenzen verbanden sich mit Forderungen nach politischen Grenzen: in territorialer, aber auch in kultureller Hinsicht. So dienten der Schiller- und der Dante-Mythos deutschen und italienischen Einigungsbewegungen als kulturelle Untermauerung ihrer Forderungen eines Einheitsstaates, der in den Werken der Dichter als bereits verwirklicht erschien.44 39
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Zu den entsprechenden Jubiläumsfeiern vgl. Alan Freeland: The People and the Poet: Portuguese National Identity and the Camões Tercentenary, in: Clare Mar-Molinero/Angel Smith (Hrsg.): Nationalism and the nation in the Iberian Peninsula: competing and conflicting identities, Oxford 1996, S. 53–67; Eric Storm: El tercer centenario del Don Quijote en 1905 y el nacionalismo español, in: Hispania 58/1998, Nr. 199, S. 625–654. Dazu vgl. Gerald M. Moser: What Did the Old Man of the Restelo Mean?, in: LusoBrazilian Studies 17/1980, Nr. 2, S. 139–151; André Stoll: Woher kommt Dulcinea, und was schreibt Cide Hamete Benengeli? Cervantes’ Erkundung der semitischen Zwischenwelten Kastiliens, in: Christoph Strosetzki (Hrsg.): Miguel de Cervantes’ Don Quijote. Explizite und implizite Diskurse im Don Quijote, Berlin 2005, S. 99–135; Georges Güntert: Der Diskurs der Minderheiten: Sancho und der Moriske Ricote, in: Strosetzki (Hrsg.): Miguel de Cervantes’ Don Quijote, S. 83–97; Mariano Delgado: Dem „christlichen Beruf “ treu geblieben? Zu den expliziten und impliziten religiösen Diskursen im Quijote, in: Strosetzki (Hrsg.): Miguel de Cervantes’ Don Quijote, S. 59–81. Aus der Fülle von Definitionen politischer Mythen vgl. exemplarisch Frank Becker: Begriff und Bedeutung des politischen Mythos, in: Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, Berlin 2005, S. 129–148; Heidi Hein-Kircher: Überlegungen zu einer Typologisierung von politischen Mythen aus historiographischer Sicht – ein Versuch, in: dies./Hans Hennig Hahn (Hrsg.): Politische Mythen im 19. und 20. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa, Marburg 2006, S. 407–424; Yves Bizeul: Politische Mythen, Ideologien und Utopien. Ein Definitionsversuch, in: Mythos Nr. 2: Politische Mythen, Würzburg 2006, S. 10–29. So die Formulierung von M. Rainer Lepsius: Nation und Nationalismus in Deutschland, in: ders.: Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, S. 232–246, S. 233. Vgl. den europäischen Überblick zu nationalen Mythen des 19. Jahrhunderts bei Siegfried Weichlein: Nationalbewegungen und Nationalismus in Europa, Darmstadt 2006, S. 112– 141. Vgl. Paul Noltenius: Dichterfeiern in Deutschland. Rezeptionsgeschichte als Sozialgeschichte am Beispiel der Schiller- und Freiligrath-Feiern, München 1984; ders.: Die Nation und Schiller, in: Helmut Scheuer (Hrsg.): Dichter und ihre Nation, Frankfurt am Main 1993, S. 151–175; Ute Gerhard: Schiller im 19. Jahrhundert, in: Helmut Koopmann (Hrsg.): Schiller-Handbuch, Stuttgart 1998, S. 759–772; Thies Schulze: Dante Alighieri als nationales Symbol Italiens (1793–1915), Tübingen 2005.
1.1 Europa und Islam
21
Die Tatsache, dass die territoriale Grenze zwischen Spanien und Portugal mit Ausnahme der bis heute umstrittenen Stadt Olivença/Olivenza seit dem Mittelalter unverändert war,45 bedeutete jedoch nicht, dass die ideellen Konturen der iberischen Nationen nicht erst ge- und erfunden werden mussten. Als Katalysatoren nationalen Denkens wirkten Kriege wie gegen Napoleon oder in den Kolonien,46 Feiern zu Ehren national interpretierter Helden47 und entsprechende historische Erzählungen.48 Eine Schlüsselrolle hatte der Kampf gegen den Islam inne, aus dem der kastilische und der portugiesische Nationalismus nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart begründeten. Es spielte keine Rolle, dass es seit der Vertreibung der moriscos 1609 keine nennenswerte legale muslimische Präsenz gab.49 Physische Absenz eines Gegners ist kein Hinderungsgrund für die Herausbildung und Pflege eines Feind- oder Fremdbildes: Auch die mittelalterliche jüdische Präsenz galt als nationaler Fremdkörper, Antisemitismus war im Spanien des 19. Jahrhunderts, wo nahezu keine Juden lebten, weit verbreitet.50 Das muslimische Feindbild war besonders virulent, weil Muslime im Gegensatz zu den Juden territoriale Herrscher gewesen waren und im Mittelalter von ihnen eine reale territoriale Konkurrenz ausging. Der erinnerte Halbmond war konstitutiv für die Entwürfe nationaler Identität auf der Iberischen Halbinsel. Es ging nur vordergründig um den Islam, wenn Historiker des 19. Jahrhunderts die Gegnerschaft mit dem Glaubensfeind beschworen, sich von der Romantik inspirierte Wissenschaftler für muslimisches Kulturerbe begeisterten und Kolonialpolitiker versuchten, mit Geschichte gegenwärtige koloniale Herrschaft zu legitimieren. Die wechselnden und nicht selten widersprüchlichen Erinnerungen an die islamische Vergangenheit spiegelten die Suche nach dem Selbstbild der Nation. 45
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Zu Olivença/Olivenza siehe Xosé Manoel Núñez Seixas: The Iberian Peninsula: Real and Imagined Overlaps, in: Tibor Frank/Frank Hadler (Hrsg.): Disputed Territories and Shared Pasts: Overlapping National Histories in Modern Europe, Basingstoke 2010, S. 329– 348, S. 330–334. José Álvarez Junco: El nacionalismo español como mito movilizador. Cuatro guerras, in: Rafael Cruz (Hrsg.): Cultura y movilización en la España contemporánea, Madrid 1997, S. 35–67. Zu Portugal vgl. die umfassende Darstellung von Maria Isabel João: Memória e Império. Comemorações em Portugal (1880–1960), Lissabon 2002. Zu Spanien vgl. die beiden Fallstudien von Eric Storm: Las conmemoraciones de héroes nacionales en la España de la Restauración. El centenario de El Greco de 1914, in: Historia y Política 12/2004, S. 79– 104, ders.: El tercer centenario del Don Quijote. José Álvarez Junco: Mater dolorosa. La idea de España en el siglo XIX, Madrid 2001. Vgl. für Portugal die Darstellung von Eva Maria von Kemnitz, die die muslimische Präsenz vom offiziell erlassenen Aufenthaltsverbot für Muslime 1521 bis zur ersten liberalen Verfassung 1822 nachzeichnet. Eva Maria von Kemnitz: Envoys, Princesses, Seamen and Captives. The Muslim Presence in Portugal in the 18th and 19th Centuries, in: Lusotopie 14/2007, Nr. 1, S. 150–113. Siehe das Überblickswerk von Gonzalo Álvarez Chillida: El Antisemitismo en España. La imagen del judío (1812–2002), Madrid 2002.
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1. Einleitung
1.2 Islam und Nationalismus auf der Iberischen Halbinsel. Grundlagen der Untersuchung und Fragestellung Am Beispiel der Iberischen Halbinsel als Kontaktzone mit jahrhundertelanger islamischer Präsenz untersucht diese Studie Bedeutung und Funktionen des Islam in den Prozessen kultureller Nationsbildung im 19. und 20. Jahrhundert. Wie wurde an die mittelalterliche muslimische Präsenz erinnert? Welche Bilder, welche Zuschreibungen, welche Wertungen erfuhr der moro, und warum? Beeinflusst war diese Erinnerung vom Erbe mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Geschichtsschreibungen, in denen vor dem Hintergrund der Kreuzzüge und der Konflikte mit dem Osmanischen Reich ein Feindbild Islam entworfen wurde. Weiterhin entstand in der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts der politische Mythos einer angeblichen reconquista (Rückeroberung) muslimischer Gebiete. Dieser Mythos gab vor, der Kampf gegen den Islam sei eine koordinierte Aktion aller christlichen Herrscher gewesen, bei der religiöse und politische Ziele untrennbar verbunden waren.51 Dies erzeugte eine Vorstellung des Islam als des Anderen schlechthin. Die historische muslimische Präsenz zu leugnen war unmöglich. Gleichzeitig schuf sie einen permanenten Erklärungsbedarf, wie diese mit dem Bild katholischer Nationen vereinbar sei. So stellt sich auf einer zweiten Ebene die Frage nach den Mechanismen von Inklusion und Exklusion des Islam und des muslimischen Erbes. Diese Mechanismen waren keine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Es gab sie bereits in der Frühen Neuzeit, wobei die der Exklusion stets die dominanten waren.52 Ab dem 19. Jahrhundert aber stellte sich die Frage vor dem Hintergrund des
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Vgl. dazu auch Kap. 2. Zur Begriffsgeschichte des reconquista-Mythos Martin F. Ríos Saloma: La Reconquista: una invención historiográfica (siglos XVI–XIX), in: Daniel Baloup/ Philippe Josserand (Hrsg.): Regards croisés sur la Guerre Sainte. Guerre, idéologie et religion dans l’espace méditerranéen latin (XIe–XIIIe siécle). Actes du Colloque international tenu à la Casa de Velázques (Madrid) du 11 au 13 avril 2005, Toulouse 2006, S. 413–429; ders.: De la Restauración a la Reconquista: la construcción de un mito nacional. Una revisión historiográfica. Siglos XVI – XIX, in: En la España Medieval 28/2005, S. 379–414. Ein Überblick zum religiösen Gehalt der Auseinandersetzungen im Mittelalter bei Alexander Pierre Bronisch: Reconquista und Heiliger Krieg. Die Deutung des Krieges im christlichen Spanien von den Westgoten bis ins frühe 12. Jahrhundert, Münster 1998, S. 1–14. Vgl. zu Islambildern der Frühen Neuzeit Mariano Delgado: Europa und der Islam in der Frühen Neuzeit. Exklusions- und Inklusionstypen zwischen 1453 und 1798, in: Kerstin Armborst-Weihs/Judith Becker (Hrsg.): Toleranz und Identität. Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein zwischen religiösem Anspruch und historischer Erfahrung, Göttingen 2010, S. 53–77; Ludolf Pelizaeus: Die Konstruktion eines Islambildes in Spanien und Portugal als iberischer Integrationsfaktor, in: Gabriele Haug-Moritz/Ludolf Pelizaeus (Hrsg.): Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit, Münster 2010, S. 177–205.
1.2 Grundlagen der Untersuchung und Fragestellung
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Ordnungsmodells der Nation in einer neuen Dimension: Warum konnte die islamische Vergangenheit zumindest selektiv in das Bild von katholisch geprägten Nationen integriert werden? Welche ideellen Grenzen gegenüber dem Islam konnten aufgehoben werden? Unter welchen Umständen war dies möglich und warum? Dies führt zu einer dritten Ebene der Fragestellung, die das Islambild in spanischen und portugiesischen Nationsentwürfen vergleicht. Beide Staaten teilten eine ähnliche Geschichte. Beide Nationen sahen den mittelalterlichen Kampf gegen den Islam als eine historische Heldentat an. Beide waren als Kolonialmächte jahrhundertelang mit muslimischer Bevölkerung konfrontiert. Verliefen die Prozesse von Exklusion und Inklusion des Islam in der Nationsbildung trotz dieser Ähnlichkeiten in Vergangenheit und Gegenwart qualitativ und quantitativ gleich oder unterschiedlich? Fanden sie zeitgleich oder zeitverschoben statt? Woher resultieren Unterschiede? Für den Vergleich ist eine teilweise künstliche Konstruktion von vergleichbaren Einheiten nötig, wofür der Vergleich in der neueren methodischen Forschung oft gescholten wurde.53 Allerdings macht jede Untersuchung mehrerer Größen die Konstruktion eines Ausgangspunktes oder -prozesses notwendig.54 Die Bezeichnungen „Spanien“ und „Portugal“, verwendet aus Gründen einer notwendigen Vereinfachung, verstehen sich nicht als abgeschlossene Einheiten. Sie sind Ergebnisse einer kulturellen Nationsbildung, nicht ihre Voraussetzung. In dieser Entwicklung ist die Erinnerung an muslimische Präsenz auf dem Territorium der späteren Nationalstaaten das tertium comparationis für vergleichbare55 Prozesse der Konstruktion von Islam- und den dazugehörigen Nationsbildern, ihres historischen Wandels und der Faktoren, die dazu führten. Dazu werden die jeweiligen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen beschrieben sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in diesen Prozessen begründet. Als ein Ergebnis sei hier vorausgeschickt, dass einige dieser Prozesse in Spanien und Portugal zeitversetzt stattfanden: etwa die Wege zur Einrichtung einer universitären Arabistik oder die Annäherung an muslimische Kolonialbevölkerung. Dies ist ein in vergleichender Forschung reichlich bekanntes Dilemma: Jede 53
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So etwa von Michael Werner/Bénédicte Zimmermann: Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: GG 28/2002, S. 607–637. Vgl. zu dieser Problematik Hartmut Kaelble: Die interdisziplinären Debatten über Vergleich und Transfer, in: ders./Jürgen Schriewer (Hrsg.): Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2003, S. 469–493, S. 477. Die Untersuchung von Transferprozessen ist bezüglich des Islambildes auf der Iberischen Halbinsel nicht sinnvoll, da sie in irgendeiner Weise Interaktionen sei es durch realen Kontakt, sei es durch zeitgleiche oder zeitverschobene Lektüre oder Rezeption voraussetzt. Entsprechende Prozesse sind etwa im Iberismus oder in den Diktaturen zu finden, jedoch kaum für Bilder des Islam.
24
1. Einleitung
Auswahl von Vergleichsgegenständen steht vor der Herausforderung, die Balance zu finden zwischen Ähnlichkeiten, die einen Vergleich ermöglichen, und Unterschieden, die ihn fruchtbar machen und ein neues Licht auf die verglichenen Gegenstände werfen.56 Ein Vergleich zwischen spanischen und portugiesischen Islamvorstellungen ist weniger bezüglich des kulturellen Kontexts der Vorstellungen asymmetrisch, wie dies bei Vergleichen geographisch auseinander liegender Zivilisationen der Fall ist, sondern in deren qualitativen und quantitativen Ausprägungen.57 Diese Asymmetrien und Zeitverschobenheiten können jedoch für das Verständnis von dahinter liegenden, grundsätzlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden fruchtbar gemacht werden. Um beim erwähnten Beispiel zu bleiben: So verweisen die Unterschiede in der Einrichtung universitärer Arabistik und der Annäherung an Kolonialbevölkerung auf Unterschiede in Prozessen der Alphabetisierung, wissenschaftlicher Institutionalisierung oder Kolonialisierung. Zu den Gemeinsamkeiten, die Spanien und Portugal in ihrer historischen Entwicklung teilen, gehören linguistische Ähnlichkeiten der Sprachen mit Ausnahme des Baskischen, die Berufung auf römisches und westgotisches (nicht muslimisches!) Erbe, im 19. Jahrhundert die Herausforderung der konstitutionellen Monarchie durch liberale Bewegungen und Antiklerikalismus, der Verlust wichtiger Kolonialgebiete, im 20. Jahrhundert die Abschaffung der Monarchie, kurzlebige Republiken (Portugal 1910–1926, Spanien 1931– 1936) und die Errichtung langlebiger Diktaturen bis 1974 (Portugal) und 1975 (Spanien). Die von der Landkarte suggerierte geographische Einheit der Iberischen Halbinsel trägt ebenfalls dazu bei, von außen das Bild einer einheitlichen Region entstehen zu lassen. Im 19. Jahrhundert lebten aufgrund der Vereinigungen Italiens und Deutschlands und der sichtbaren Marginalisierung der Iberischen Halbinsel Pläne für eine Iberische Union auf, um der Rückständigkeit beider Länder im europäischen Konzert entgegenzuwirken.58 Insbesondere in Portugal wurden die iberische Frage und eine mögliche unitarische, föderale, republikanische oder monarchische Union mit Spanien unter Intellektuellen heftig diskutiert. Diese Diskussion förderte, trotz einer geringen sozialen Breite, die Reflexion der Intellektuellen über Portugal.59 Auch dem politischen Iberismus eher skeptisch gegenüberstehen56
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Zur Frage nach der Auswahl von Vergleichsgegenständen und den damit verbundenen Schwierigkeiten vgl. grundsätzlich Hartmut Kaelble: Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main/New York 1999, zum Problem der Zeitverschobenheit insbesondere S. 14–16. Zu Asymmetrien im kontrastierenden Vergleich vgl. auch Heinz-Gerhard Haupt/Jürgen Kocka: Historischer Vergleich: Methoden, Aufgaben, Probleme. Eine Einleitung, in: dies.: (Hrsg.): Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt am Main/New York 1996, S. 9–45, S. 15 sowie S. 24f. A. H. de Oliveira Marques: Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs, Stuttgart 2001, S. 397. Sérgio Campos Matos: Iberismo e identidade nacional (1851–1910), in: Clio. Revista do
1.2 Grundlagen der Untersuchung und Fragestellung
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de Historiker wie Joaquim Pedro de Oliveira Martins (1845–1894) entwarfen in einer Art „kulturellem Iberismus“60 Bilder einer iberischen Zivilisation, die beide Staaten samt Kolonien zu einer Art Schicksalsgemeinschaft verbinden könnte.61 Doch über einige intellektuelle Kontakte hinaus waren Austausch und Reisen zwischen Portugiesen und Spaniern mit Ausnahme der Grenzregionen schwach ausgeprägt und das Verhältnis mehr von Unwissenheit als von Begegnung gekennzeichnet.62 Letztlich verhinderten die starke Identifizierung mit der Nation im portugiesischen und die starke Identifizierung mit der Region im spanischen Fall, dass die Iberische Halbinsel in der Wahrnehmung ihrer Bewohner zu einer Geschichtsregion werden konnte.63 Noch komplexer wird es innerhalb der jeweiligen Nationalismen: Um das historische und aktuelle Bild einer spanischen Nation wird heute noch wissenschaftlich und politisch gerungen.64 Die historischen Partikularismen, Erben der eigenständigen mittelalterlichen Königreiche, ein Ungleichgewicht in der Industrialisierung zwischen den Regionen und das Scheitern einer umfassenden Nationalisierung förderten die Entstehung peripherer Nationalismen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.65 Hier kam eine Beschwörung des Islam
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Centro de História da Universidade de Lisboa 14/2006, S. 349–400; mit Berücksichtigung iberischer Konzepte des 20. Jahrhunderts ders.: Conceitos de iberismo em Portugal, in: Revista de História das Ideias 28/2007, S. 169–193; ders.: Was Iberism a Nationalism? Conceptions of Iberism in Portugal in the Nineteenth and Twentieth Centuries, in: Portuguese Studies 25/2009, Nr. 2, S. 215–229; José António Rocamora: El nacionalismo ibérico 1792–1936, Valladolid 1994. Matos: Iberismo e identidade nacional, S. 361. Xosé Manoel Núñez Seixas: History of Civilization: Transnational or Post-Imperial? Some Iberian Perspectives (1870–1930), in: Stefan Berger/Chris Lorenz (Hrsg.): Nationalizing the Past: Historians as Nation-Builders, Basingstoke 2010, S. 384–403. Matos: Iberismo e identidade nacional, S. 358. Zum Begriff der Geschichtsregion als einer Region, größer als ein Staat und kleiner als ein Kontinent, mit zahlreichen Ähnlichkeiten in sozialer, ökonomischer, kultureller und politischer Hinsicht vgl. allgemein Stefan Troebst: Introduction: What’s in a Historical Region? A Teutonic Perspective, in: European Review of History 10/2003, Nr. 2, S. 173– 188. Zur Iberischen Halbinsel grundlegend Antonio Sáez-Arance: Constructing Iberia: National Traditions and the Problem(s) of a Peninsular History, in: European Review of History 10/2003, Nr. 2, S. 189–202, hier S. 197f. Von den vielen Arbeiten zum spanischen Nationalismus seien hier stellvertretend genannt: Jean-Louis Guereña (Hrsg.): Les nationalismes dans l’Espagne contemporaine. Idéologies, mouvements, symboles, Paris 2001; Carlos Taibo (Hrsg.): Nacionalismo español. Esencias, memoria e instituciones, Madrid 2007; Javier Moreno Luzón (Hrsg.): Construir España. Nacionalismo español y procesos de nacionalización, Madrid 2007. Speziell zur Zeit seit der Transition Sebastian Balfour/Alejandro Quiroga: The Reinvention of Spain. Nation and Identity since Democracy, Oxford 2007; Xosé Manoel Núñez Seixas: Patriotas y demócratas. El discurso nacionalista español después de Franco, Madrid 2010. Vgl. zum Begriff des peripheren Nationalismus und zu den damit verbundenen Prozessen seiner Herausbildung die Analyse von Xosé Manoel Núñez Seixas: The Region as Essence
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1. Einleitung
als gemeinsamer, äußerer Feind dem zentralistisch-kastilischen Nationalismus entgegen, weil er wie eine Klammer für ein heterogenes Land wirken konnte. Hingegen begründeten baskische oder katalonische Nationalisten gerade mit einem angeblichen Fehlen muslimischer Präsenz ihre Abgrenzung zum kastilischen Staat. Daher konzentriert sich diese Arbeit auf den kastilischen Nationalismus und berücksichtigt die peripheren Nationalismen am Beispiel des Baskenlands in einer Darstellung ihrer Geschichtsbilder sowie in Ausführungen zu den moros-y-cristianos-Festen des País Valenciano. In Portugal hingegen war das Bild einer Nation regional kaum in Frage gestellt: Zwar thematisierten Intellektuelle des 19. und 20. Jahrhunderts einen Gegensatz zwischen Norden und Süden, der durch die atlantischen respektive mediterranen Klimazonen gestützt wurde. Ebenso existiert, teils bis heute, eine populäre Vorstellung von einem „christlichen Norden“ als Keimzelle Portugals und einem „islamischen Süden“, einer mourolândia, in der sich vor allem die Konkurrenz zwischen Porto und Lissabon zeigt.66 Doch fand dieser Regionalismus in Portugal nie einen politisch starken Niederschlag.67 Die territoriale Grenzziehung, die sich im Mittelalter vollzog, war entscheidend an der Herausbildung einer späteren portugiesischen Identität beteiligt.68 Die Ereignisse des Mittelalters lieferten Grundlagen für ein staatliches Gebilde, innerhalb dessen sich anschließend in einem langsamen Prozess nationale Vorstellungen herausbildeten.69 Die Konzentration auf den Zusammenhang von Islambildern und Nationsentwürfen der Iberischen Halbinsel bringt inhaltliche Begrenzungen mit sich. Es wird darauf verzichtet, Islamvorstellungen zu untersuchen, die über das nationale und koloniale Territorium Spaniens und Portugals hinausgehen, also etwa Darstellungen des Osmanischen Reichs oder der Staaten der arabischen Halbinsel. Ebenso blendet die Arbeit islamische Quellen über die muslimische Präsenz auf der Halbinsel aus. Dadurch kann zugegebenermaßen der Eindruck entstehen, dass „das Eigene über das zum Schweigen verurteilte Fremde spricht“ und eurozentrische Sichtweisen zwar analytisch aufgebrochen, aber letztlich untermauert werden.70 Dieses Vorgehen ist jedoch dem
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of the Fatherland: Regionalist Variants of Spanish Nationalism (1840–1936), in: EHQ 31/2001, S. 483–518. José Manuel Sobral: O Norte, o Sul, a raça, a nação – representações da identidade nacional portuguesa (séculos XIX–XX), in: Análise social 39/2004, S. 255–284, S. 280. Vgl. ausführlich ebd., S. 277. Zum Zusammenhang zwischen den Ereignissen des Mittelalters und der Herausbildung einer portugiesischen Identität vgl. José Mattoso: A identidade nacional, Lissabon 1991. Vgl. die Anwendung und Überprüfung wichtiger Theorien zur Nationsbildung, etwa von Gellner, Hobsbawm, Anderson, Hastings und Smith für den portugiesischen Fall von José Manuel Sobral: A formação das nações e o nacionalismo: os paradigmas explicativos e o caso português, in: Análise social 37/2003, S. 1093–1126. Almut Höfert: Alteritätsdiskurse: Analyseparameter historischer Antagonismusnarrative und ihre historiographischen Folgen, in: Haug-Moritz/Pelizaeus (Hrsg.): Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit, S. 21–40, S. 22.
1.3 Methode, Untersuchungsschritte und Quellenbasis
27
Erkenntnisinteresse geschuldet, die Mechanismen bei der Konstruktion nationaler Selbstbilder aufzuschlüsseln, die sich nur scheinbar als Fremdbilder darstellen. Die Untersuchung des semantischen Passepartouts, als das der Islam vielfach in den Quellen erscheint, kann daher Aufschluss über Mechanismen von Nationsbildungsprozessen über einen längeren Zeitraum hinweg geben. Das Islambild ist in diesem Prozess ein konstanter Indikator.
1.3 Methode, Untersuchungsschritte und Quellenbasis Diese Arbeit geht von ideen- und kulturgeschichtlichen Ansätzen der Nationalismusforschung aus, die die Nationsbildung als Verschmelzungsprozesse religiöser, historischer, ethnischer und sprachlicher Konzepte herausgearbeitet haben. Seit dem nahezu simultanen Erscheinen der mittlerweile kanonischen Werke von Benedict Anderson, Ernest Gellner und Eric Hobsbawm 198371 ist die Inszenierung der Nation in historischen Meistererzählungen, politischen Mythen, Jubiläen und Festen, Ausstellungen, Denkmälern, in der bildenden Kunst, der Architektur oder der Musik zu einem beachtlichen Forschungsfeld angewachsen.72 Viele Untersuchungen haben Mechanismen aufgezeigt, mit denen die Nation als zentrales politisches Ordnungsmodell des 19. Jahrhunderts73 in Historiographien herbeigeschrieben, in Mythen erzählt, in Denkmälern erbaut und Teile ihrer angeblichen Vergangenheit in diesem Prozess wiederentdeckt respektive erfunden74 oder vergessen respektive unterdrückt75 wurden. Intentionen der jeweiligen meist bildungselitären Akteure und Förderer des Nationalen dürfen jedoch nicht mit einer entsprechenden Erfahrung und Wahrnehmung breiter 71
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Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation: zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, 2. erw. Aufl. der Neuausgabe 1996, Frankfurt am Main 2005; Ernest Gellner: Nationalismus und Moderne, Berlin 1991; Eric Hobsbawm (Hrsg.): The invention of tradition, Cambridge 14. Aufl. 2006; ders.: Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, Frankfurt am Main 3. Aufl. 2005. Vgl. die neuere Literatur bei Siegfried Weichlein: Nationalismus und Nationalstaat in Deutschland und Europa. Ein Forschungsüberblick, in: Neue politische Literatur 51/2006, Nr. 2/3, S. 265–351. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Nationalismustheorien von Hobsbawm, Gellner und Anderson und ihren Thesen, weshalb nationalistisches Denken und Handeln in Mittelalter und Früher Neuzeit so nicht existent gewesen sei, findet sich bei Caspar Hirschi: Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Göttingen 2005, S. 24–44. Hobsbawm (Hrsg.): The invention of tradition. Ernest Renan: Was ist eine Nation? Vortrag in der Sorbonne am 11. März 1882, in: Michael Jeismann/Henning Ritter (Hrsg.): Grenzfälle. Über neuen und alten Nationalismus, Leipzig 2000, S. 290–311, S. 294–296.
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1. Einleitung
Bevölkerungsschichten gleichgesetzt werden. Bei dem Versuch, letztere zu beschreiben, stoßen Historiker oft an ihre Grenzen. Jedoch ist es möglich, zumindest die Darstellungen zu skizzieren, die auf ein breites Publikum abzielten, wie etwa Schulbücher oder öffentliche Feste unter Beteiligung zahlreicher Zuschauer. Dies lässt zwar nur bedingt Rückschlüsse auf die Rezeption zu, weist aber eine potentiell größere soziale Reichweite auf als Schriften, die nur unter Eliten zirkulierten. Ausgehend von diesen Beobachtungen sucht die Arbeit zum einen die Spannungsfelder zwischen konkurrierenden elitären Nationsentwürfen und den damit verbundenen Kämpfen um nationale Deutungshoheit zu beleuchten. Zum anderen versucht sie zu erfassen, welche dieser Entwürfe ein breiteres Publikum erreichen sollten. Sie fragt anhand ausgewählter Beispiele danach, inwieweit sich Vorstellungen des Islam in bestimmten sozialen Kontexten und lebensweltlichen Praktiken niederschlugen.76 Chronologisch steht nicht nur das 19. Jahrhundert als Formierungsphase der europäischen Nationalismen im Zentrum, sondern auch das 20. Jahrhundert, ein häufig von der Nationalismusforschung wenig beachteter Zeitabschnitt.77 Der Untersuchungsraum wird durch mehrere Quellengattungen und Zugriffe konkretisiert, die signifikante räumliche und chronologische Ausschnitte exemplarisch behandeln: Kapitel 2 analysiert anhand historiographischer Quellen das Bild des Islam als historischer Gegner im Mittelalter. Zeitlich spannt sich der Bogen von den ersten bürgerlich-liberalen Geschichtsschreibungen Mitte des 19. Jahrhunderts, die die Nation zur historischen Protagonistin stilisierten, bis zur Errichtung der Diktaturen in den 1930er-Jahren, die die Produktionsbedingungen insbesondere liberaler Geschichtsbilder veränderten respektive unmöglich machten. Der Zugriff ist ein akteurszentrierter: Anhand ausgewählter Historiker der Iberischen Halbinsel wird danach gefragt, wie und warum die muslimische Präsenz in eine nationale Erzählung integriert oder ausgeschlossen wurde. Das Kapitel konzentriert sich auf Autoren, die über kein oder nur rudimentäres Wissen des Arabischen verfügten, also keine Spezialisten für die muslimische Vergangenheit waren und sich nicht vertieft mit arabischer Sprache und Kultur beschäftigten. Ergänzend hierzu untersucht Kapitel 3 den Islam als Gegenstand der Wissenschaft in zweierlei Hinsicht: zum einen im Spiegel der Institutionalisierung einer universitären Arabistik und den darin hervorgebrachten Geschichts- und Islambildern, zum anderen anhand der Beispiele von Kon76
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Zur Wechselwirkung zwischen Ideen und Diskursen einerseits und zu sozialen Situationen und Praktiken andererseits vgl. Lutz Raphael: Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit, in: ders./Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit. Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte, München 2006, S. 11–27, S. 12f. Weichlein: Nationalismus und Nationalstaat in Deutschland und Europa, S. 351.
1.3 Methode, Untersuchungsschritte und Quellenbasis
29
servatoren, Restauratoren, Archäologen und (Lokal-)historikern, die sich mit muslimischer Architektur beschäftigten. Die Grenze zwischen beiden verläuft in diesen Anfangszeiten der Professionalisierung oft fließend. Zeitlich konzentriert sich das Kapitel auf die Formierungsphasen einer universitären Arabistik und den zeitgleich stattfindenden Debatten um Nationalmonumente: Dies betrifft für Spanien die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Bürgerkrieg 1936 und für Portugal die Zeit von der Republik 1910 bis zum Ende des Estado Novo 1974. Der Zugriff ist ein diskursiver:78 Im Zentrum stehen Diskussionen der Pioniere der institutionellen und nichtinstitutionellen Arabistik. Gegenstand der Analyse sind Nationsentwürfe, die die muslimische Vergangenheit mit der Idee einer christlichen Nation zu vereinen suchten. Kapitel 4 nimmt den Islam als Gegenüber in den Kolonien in den Blick. Zeitlich stehen nach einem Überblick über die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts die iberischen Diktaturen bis zu ihrem jeweiligen Verlust wichtiger muslimischer Kolonien, der Unabhängigkeit Marokkos von Spanien 1956 und dem Zerfall des portugiesischen Kolonialreichs nach der Revolution des 25. April 1974, im Vordergrund. Der Zugriff ist orientiert an den Diskursen über den kolonialen Islam, der von Regierungen, Kolonialpolitikern, Militärangehörigen und kirchlichen Würdenträgern gepflegt wurde. Angesichts eines Feindbilds Islam, das die politischen und staatlichen Diskurse jahrhundertelang dominierte, ist es erklärungsbedürftig, warum beide Diktaturen zu einem bestimmten Zeitpunkt den Islam aufwerteten. Auch wenn viele abwertende Bilder des Islam politische Zäsuren überdauerten, sorgten innenpolitische Ereignisse wie der Spanische Bürgerkrieg und globale Prozesse wie die Entkolonialisierungswelle nach 1945 für Anpassungen im Islambild. Diese Strategien werden in diesem Kapitel begründet. Während Kapitel 2 und 3 sich Islambildern widmen, die in den begrenzten Zirkeln der intellektuellen und politischen Elite kursierten und Kapitel 4 intern vermittelte Ansichten (z. B. in Kolonialdokumenten) mit massenhaft verbreiteten Inhalten (z. B. in Kriegspropaganda) verbindet, steht in Kapitel 5 die Produktion von Islambildern im Vordergrund, die eine größere soziale Reichweite erlangen sollten. Es geht nicht um einen Nachweis, welche sozialen Schichten sich welche Islambilder aneigneten, denn dies ist quellenmäßig 78
Dieser Arbeit liegt ein pragmatisches Verständnis des Diskursbegriffs zugrunde, wie ihn etwa auch William H Sewell Jr. anlegt, der von einem „set of interrelated texts“ spricht: William H. Sewell, Jr.: Work and revolution in France. The language of labor from the old regime to 1848, Cambridge 1980, S. 11. Diskurse werden verstanden als Bündel von Aussagen zu einem bestimmten Thema. Ausgehend vom „Konstruktionscharakter soziokultureller Wirklichkeiten“ (Achim Landwehr) wird nach den Bedingungen gefragt, die diese hervorbringen. Vgl. dazu auch den neuesten Überblick zur Begriffs- und Forschungsgeschichte von Achim Landwehr: Diskurs und Diskursgeschichte. Version 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.2.2010, Online-Publikation http://docupedia.de/ zg/Diskurs_und_Diskursgeschichte?oldid=75508 (17.11.2010).
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1. Einleitung
kaum fassbar. Vielmehr wird die soziale Reichweite dieser Quellen von der Intention ihrer Produzenten her analysiert, nicht von der Rezeption her. Untersucht werden öffentlichkeitswirksame Inszenierungen nationaler Mythen anlässlich historischer Jubiläumsfeiern sowie die Art und Weise, wie die muslimische Vergangenheit in Schulbüchern popularisiert und gewertet wurde. Da Schulbücher auf der Iberischen Halbinsel erst im 20. Jahrhundert einigermaßen aussagekräftige Auflagenzahlen erreichten sowie wichtige Jubiläumsfeiern nach 1900 stattfanden, befasst sich dieses Kapitel vornehmlich mit dem 20. Jahrhundert. Kapitel 6 rundet die Untersuchung mit einer Betrachtung des Islams auf lokaler Ebene ab. Der Zugang ist ein performativer: Die Analyse der Aufführungspraxis von jährlichen, rituellen Inszenierungen eines Kampfes mit dem Islam anhand von Stadt- und Dorffesten zeigt auf, wie Vertreter eines islamischen Anderen imaginiert und in das Bild einer lokalen Identität integriert wurden. Zeitlich stehen das 19. und 20. Jahrhundert im Zentrum, in denen sich am Wandel der Feste die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen spiegeln. Damit sollen die vorher erbrachten Befunde zum Islambild noch einmal auf einer anderen Ebene überprüft werden. Die Quellenbasis umfasst Historiographien und Schulbücher, wissenschaftliche Publikationen zu arabischer Sprache, Kultur und Architektur, Dokumente zur Kolonialpolitik, Propaganda in Wort und Bild aus dem Spanischen Bürgerkrieg, Festschriften, Zeitungsartikel, ikonographische Darstellungen (Historienmalerei, Fotographien) und Beschreibungen von nationalen und lokalen Festen. Angesichts der Länge des Untersuchungszeitraums und der Fülle an Material wurde bewusst ausschließlich mit gedruckten Quellen gearbeitet. Ziel war es, damit sowohl dem geographisch großen Untersuchungsraum als auch der Ergiebigkeit des gedruckt vorliegenden relevanten Materials gerecht zu werden. Eine weitere Eingrenzung betraf die Auswahl der Quellenmedien: Es wurden Text- und Bildquellen herangezogen, die für den ganzen Untersuchungszeitraum vorlagen, jedoch nicht die jüngeren audiovisuellen Quellen. Für diese sei stellvertretend das Genre der Marokkofilme erwähnt, zu denen bereits einige Studien vorliegen.79 Auch die Analyse der Fülle literarischer Verarbeitungen der Figur des moro, der muslimischen Vergangenheit und der islamischen Präsenz in den Kolonien hätte den Rahmen der Arbeit gesprengt. Hier sei jedoch auf entsprechende Untersuchungen der Literaturwissenschaft verwiesen: So liegen einschlägige Analysen zum Genre der comedías moriscas vor, dem sich 79
Vgl. dazu u. a. Eloy Martín Corrales: El cine en el protectorado español de Marruecos (1909–1939), in: Cuadernos del Archivo Municipal de Ceuta 10/1996, S. 227–240; Alberto Elena: Romancero Marroquí: Africanismo y cine bajo el franquismo, in: Secuencias. Revista de Historia del Cine 4/1996, S. 83–118; Susan Martin-Márquez: Disorientations: Spanish colonialism in Africa and the performance of identity, New Haven/London 2008, S. 220–299.
1.3 Methode, Untersuchungsschritte und Quellenbasis
31
im 16. Jahrhundert so bedeutende Autoren wie Lope de Vega widmeten.80 Ebenso wie diese gibt die Motivgeschichte des moro de Granada, der Autoren über Spanien hinaus faszinierte, ein bedeutendes Beispiel für die literarische Maurophilie.81 Diese stand oft im Kontrast zur militärischen oder religiösen Maurophobie, die von aktuellen Konflikten geschürt wurde. Schriftsteller des 19. und 20. Jahrhundert thematisierten in einer Fülle von Texten Juden und Mauren sowie die dazugehörige Vergangenheit.82 Autoren der Romantik zeichneten ein von Furcht und Faszination geprägtes Bild des muslimischen Mittelalters und setzten es als Mittel zur Dramatisierung ein.83 Auch die Kolonisierung Marokkos fand breiten Niederschlag in der Literatur. Grenzen zwischen Fiktion und autobiographischen Erlebnissen verschwammen im „Diario de un testigo de la guerra de África“ (Tagebuch eines Augenzeugen des Afrikakriegs) von Pedro António de Alarcón (1833–1891), der darin seine Erlebnisse als Soldat und Berichterstatter verarbeitete. Auf die Heterogenität dieser Texte, ihrer Autoren und ihrer Aussageabsichten für und gegen die Kolonialisierung ist ebenfalls hingewiesen worden.84 Die spanisch-nordafrikanische Beziehungsgeschichte und einen literarisch gebrochenen Umgang mit der Vergangenheit thematisieren auch im 20. Jahrhundert viele Autoren wie beispielsweise Francisco Ayala (1906–2009), der in seiner Kurzgeschichte „La cabeza del cordero“ (Der Kopf des Lammes) den spanischen Protagonist seinen angeblichen Verwandten in Marokko begegnen lässt. Der wohl prominenteste Vertreter des Maurischen am Ende des 20. Jahrhunderts ist Juan Goytisolo (geb. 1931), der sich als Romanautor85 und als Essayist86 der muslimischen Vergangenheit widmet. In seinem komplexen, vielschichtigen und nicht unumstrittenen Werk, beeinflusst vom Geschichtsbild Américo Castros, verarbeitet und verfremdet er historische Mythen, etwa das Jahr 711 im Roman „La reivindicación del Conde don Julián“ (Die Rückforderung 80 81 82
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Maria Soledad Carrasco Urgoiti: The Moorish Novel, Boston 1976; dies.: El moro retador y el moro amigo, Granada 1996. Carrasco Urgoiti: El moro de Granada en la literatura. Ein Überblick bei Norbert Rehrmann: Das schwierige Erbe von Sefarad. Juden und Mauren in der spanischen Literatur. Von der Romantik bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2002. Zu Portugal mit Schwerpunkt auf Alexandre Herculano und Almeida Garrett Ana Maria Ramalhete: Ficcionalização de Contactos Culturais e Especifidade Nacional: Olhares Românicos sobre Modelos, Cristãos e Mouros, in: Margarida L. Losa/Isménia de Sousa/ Gonçalo Vilas-Boas (Hrsg.): Literatura Comparada: Os Novos Paradigmas, Porto 1996, S. 67–74. Antonio M. Carrasco González: La novela colonial hispanoafricana. Las colonias africanas de España a través de la historia de la novela, Madrid 2000. Zu den Romanen von Goytisolo vgl. u. a. Luce López-Baralt: Islam in Spanish Literature. From the Middle Ages to the Present, Leiden 1992 [EA Madrid 1985], S. 259–299; Friederike Heitsch: Imagologie des Islam in der neueren und neuesten spanischen Literatur, Kassel 1998. Juan Goytisolo: Cara y cruz del moro en nuestra literatura, in: Revista internacional de sociología 46/1988, Nr. 4, S. 601–615.
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1. Einleitung
des Conde don Julián). Auch wenn Islambilder der Literatur dieser Arbeit nicht als Quelle der Analyse dienten, so waren sie eine wichtige Quelle der Inspiration. Sie finden daher ihren Platz in Zitaten, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind.
1.4 Forschungsstand Die Arbeit verknüpft mehrere kulturgeschichtliche und räumliche Forschungsfelder miteinander. In einem europäischen Kontext möchte sie einen Beitrag zum Forschungskomplex Religion und Nation leisten. In einem iberischen Rahmen sucht sie anhand des Islam nach Begründungen für parallele und unterschiedliche Entwicklungen der Iberischen Halbinsel. Innerhalb der Nationsbildungsprozesse in Spanien und Portugal zeigt sie Kontinuitäten und Brüche in historischen Erzählungen sowie Prozesse von Inklusion und Exklusion auf. Diese werden verortet in den Spannungsfeldern des Untersuchungszeitraums: dem zwischen Liberalismus und Konservatismus des 19. und dem zwischen Diktatur und Demokratie des 20. Jahrhunderts. 1.4.1 Religion und Nation Innerhalb der kulturgeschichtlichen Nationalismusforschung hat das Feld Religion und Nation eine Fülle von Publikationen hervorgebracht und damit Gellner, Anderson und Hobsbawm insofern ergänzt, als diese der Religion keine zentrale Rolle zugewiesen hatten.87 Die Säkularisierungsthese, nach der die Nation die Religion als Letztwert ablöst, wurde korrigiert durch die Auffassung, dass die Religion vielmehr ihre Gestalt änderte und für den Nationalismus in Dienst genommen werden konnte.88 In dieser Interpretation ist die Nation nicht eine Alternative zur Religion, sondern ihre Fortsetzung mit anderen Mitteln.89 Das Forschungsfeld Religion und Nation umfasste daher unter anderem die Verflechtungen religiöser und säkularer Deutungen moderner Gesellschaften,90 Mechanismen der religiösen Aufladung der 87
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Vgl. die Überlegungen von Oliver Zimmer: Nation und Religion. Von der Imagination des Nationalen zur Verarbeitung von Nationalisierungsprozessen", in: HZ 283/2006, S. 617– 656, S. 618–620. Friedrich Wilhelm Graf : Die Nation – von Gott „erfunden“?, in: ders., Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, München 2004, S. 102–132. Michael Geyer: Religion und Nation – Eine unbewältigte Geschichte. Eine einführende Betrachtung, in: ders./Hartmut Lehmann (Hrsg.): Religion und Nation. Nation und Religion, Göttingen 2004, S. 11–32, S. 16. Hartmut Lehmann (Hrsg.): Säkularisierung, Dechristianisierung, Rechristianisierung im neuzeitlichen Europa, Göttingen 1997; José Casanova: Public religions in the modern world, Chicago 1994.
1.4 Forschungsstand
33
Nation91 oder die katalysatorische Wirkung von Kriegen innerhalb dieses Prozesses.92 Dort, wo es um Rivalität um ein Territorium ging, konnte die religiöse Dimension des Nationalismus besonders virulent durchschlagen.93 Für die mehrkonfessionellen Gesellschaften Mitteleuropas spitzte sich die Forschung zu Religion und Nation in der Frage nach konfessionellen konkurrierenden Nationsentwürfen zu,94 während interreligiöse Bezüge höchstens in der Frage der jüdischen Partizipation an der Nation zum Tragen kamen.95 Die Frage nach dem Widerstreit unterschiedlicher Religionen, nicht Konfessionen, und damit zur Rolle des Islam als fördernder oder hindernder Faktor im Prozess der modernen Nationsbildung wurde bislang vor allem für die Balkanstaaten gestellt. Die Erforschung von religiösen Konflikten mit dem Islam konkretisierte sich für die Frühe Neuzeit in der Untersuchung der Wahrnehmung des Osmanischen Reichs,96 für das 19. und 20. Jahrhundert in Studien zur Erinnerung an die osmanische Herrschaft. Beispiele aus verschiedenen Ländern haben gezeigt, dass die jungen Balkannationen nach 91
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Heinz-Gerhard Haupt/Dieter Langewiesche (Hrsg.): Nation und Religion in Europa. Mehrkonfessionelle Gesellschaften im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2004; Martin Schulze Wessel (Hrsg.): Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa, Stuttgart 2006; Alois Mosser (Hrsg.): „Gottes auserwählte Völker“. Erwählungsvorstellungen und kollektive Selbstfindung in der Geschichte, Frankfurt am Main 2001; Graf : Die Nation – von Gott „erfunden“; Adrian Hastings: The construction of nationhood, Cambridge 1997. Gerd Krumeich/Hartmut Lehmann (Hrsg.): „Gott mit uns“. Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Göttingen 2000; Gerd Krumeich/Susanne Brandt (Hrsg.): Schlachtenmythen. Ereignis – Erzählung – Erinnerung, Köln 2003; Nikolaus Buschmann/Dieter Langewiesche (Hrsg.): Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt am Main 2003. Dieter Langewiesche: Nation und Religion in Europa, in: ders., Reich, Nation, Föderation. Deutschland und Europa, München 2008, S. 68–92, S. 91. Vgl. für Deutschland z. B. Heinz-Gerhard Haupt/Dieter Langewiesche (Hrsg.): Nation und Religion in der deutschen Geschichte, Frankfurt am Main 2001; Olaf Blaschke (Hrsg.): Konfessionen im Konflikt. Deutschland zwischen 1800 und 1970: ein zweites konfessionelles Zeitalter, Göttingen 2002. Zu Konfessionalisierung und Nation in der Schweiz u. a. Oliver Zimmer: A contested nation: history, memory and nationalism in Switzerland 1761–1891, Cambridge 2003; Franziska Metzger: Religion, Geschichte, Nation: katholische Geschichtsschreibung in der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert – kommunikationstheoretische Perspektiven, Stuttgart 2010, Heidi Bossard-Borner: Village quarrels and national controversies: Switzerland, in: Christoph Clark/Wolfram Kaiser (Hrsg.): Culture wars. Secular-catholic conflict in Nineteenth-Century Europe, Cambridge 2003, S. 255–284. Zu Judentum und Nation Langewiesche: Nation und Religion in Europa, S. 74–84, mit Beispielen zu Deutschland, Schweiz und Ungarn Peter Haber/Erik Petry/Daniel Wildmann: Jüdische Identität und Nation. Fallbeispiele aus Mitteleuropa, Köln/Weimar/Wien 2006. Aus der Fülle von Literatur: Haug-Moritz/Pelizaeus (Hrsg.): Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit; Almut Höfert: Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450–1600, Frankfurt am Main 2003.
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1. Einleitung
der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich alles Islamische als oktroyiert und rückständig empfanden, das den Anschluss an ein westliches Europa verhinderte.97 Diese für die Kontaktzone Balkan vorliegende Forschung zum Zusammenhang von Erinnerung an islamische Herrschaft und Nationsbildung ist für die Iberische Halbinsel noch nicht vergleichbar vorhanden. Das Spannungsfeld zwischen Religion und Nation verlief in den konfessionell homogenen Gesellschaften vor allem zwischen Katholizismus und Antiklerikalismus. Der Gegensatz von Traditionalismus und Progressismus, von Kirchenvertretern und Antiklerikalen, von politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen, die Spanien als Bollwerk des (katholischen) Christentums sahen und solchen, die für Laizismus oder gar Antiklerikalismus kämpften, zeichnete sich seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ab. Etwa ab den „liberalen drei Jahren“ (trienio liberal) von 1820–1823 setzte sich die Vorstellung von „zwei Spanien“ (las dos Españas) als Metapher für diesen Gegensatz durch, die in unterschiedlichen Krisen der spanischen Geschichte politisch diskutiert und literarisch verarbeitet wurde.98 Besondere Berühmtheit erlangte die Metapher dank eines Gedichts von Antonio Machado (1875–1939): „Kleiner Spanier, der Du auf die Welt kommst, behüte Dich Gott. Eines der zwei Spanien wird dir das Herz erfrieren lassen.“99 Spaniens Gretchenfrage, wie es die Nation mit der Religion halten solle, stellte sich jeder wichtige Intellektuelle des 19. und 20. Jahrhunderts.100 Die im 19. Jahrhundert vieldiskutierte religiöse 97
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Vgl. die Überblicke von Maria Todorova: The Ottoman Legacy in the Balkans, in: Leon Carl Brown (Hrsg.): Imperial Legacy. The Ottoman Imprint on the Balkans and the Middle East, New York 1996, S. 45–77; Marco Dogo: The Balkan Nation-States and the Muslim Question, in: Stefano Bianchini/Marco Dogo (Hrsg.): The Balkans. National identities in a historical perspective, Ravenna 1998, S. 61–74; Nathalie Clayer: Der Balkan, Europa und der Islam, in: Enzyklopädie des europäischen Ostens (EEO), 2006, S. 303–328; http://wwwg.uni-klu.ac.at/eeo/Clayer_Balkan (1. 9. 2010); zu Bosnien Xavier Bougarel: L’héritage ottoman dans les recompositions de l’identité bochniaque, in: Sylvie Gangloff (Hrsg.): La perception de l’héritage ottoman dans les Balkans, Paris 2005, S. 63–94, zu Bulgarien Marina Liakova: „Europa“ und „der Islam“ als Mythen in den öffentlichen Diskursen in Bulgarien, in: Hein-Kircher/Hahn (Hrsg.): Politische Mythen im 19. und 20. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa, S. 225–242; zu Kroatien Ivo Žanić: The symbolic identity of Croatia in the Triangle Crossroads-Bulkwark-Bridge, in: Pål Kolstø (Hrsg.): Myths and boundaries in South-Eastern Europe, London 2005, S. 35–76. Vgl. den Überblick bei Martin Baumeister: Atraso de España – Las dos Españas, in: Joachim Born u. a. (Hrsg.): Handbuch Spanisch. Sprache, Literatur, Kultur, Geschichte in Spanien und Hispanoamerika. Für Studium, Lehre, Praxis, Berlin 2011, S. 556– 561, S. 558. Antonio Machado: Obras completas. Edición crítica de Oreste Macrì con la colaboración de Gaetano Chiappino, Madrid 1989, Bd. 1: Poesías completas, S. 582. Vgl. einen Überblick über die wichtigsten Grundpositionen bei Mariano Delgado: Religion und Nation in den „zwei Spanien“. Der Kampf um die nationale Identität 1812– 1980, in: Urs Altermatt/Franziska Metzger (Hrsg.): Religion und Nation. Katholizismen in Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2007, S. 51–68.
1.4 Forschungsstand
35
Frage Portugals nach dem Verhältnis von Katholizismus, Republikanismus und Laizismus gipfelte in der Errichtung einer laizistischen Republik 1911.101 Diese Trennung von Staat und Kirche wurde später im Estado Novo aufrechterhalten. In den Prozessen der Suche nach dem religiösen Gehalt der Nation saß die Erinnerung an den Islam zwischen den Stühlen: Sie konnte antikatholisch, antinational, aber auch antiatheistisch gelesen werden. 1.4.2 Iberische Geschichte Die historische Forschung hat spät Interesse an iberischen Fragestellungen entwickelt, was auch an der mangelnden gegenseitigen Wahrnehmung der iberischen Staaten lag. Daher ist erklärbar, dass eine erste umfangreiche Gesamtdarstellung iberischer Geschichte vom römischen Hispanien bis ins zwanzigste Jahrhundert in den USA, nicht auf der Halbinsel selbst, entstand.102 Politische Faktoren wie die Demokratisierungsprozesse und der gemeinsame Beitritt Spaniens und Portugals in die Europäische Gemeinschaft 1986 sowie wissenschaftlich-kulturelle wie das erstarkende Interesse an vergleichenden binationalen und transnationalen Fragestellungen führten dazu, dass zunehmend auch die Iberische Halbinsel in ihrer Gesamtheit wissenschaftliche Beachtung fand. Das Prädikat „iberisch“ lief und läuft oft Gefahr, eine Zentrierung auf Spanien zu kaschieren, wie es etwa in diversen Bezeichnungen von Lehrstühlen oder Forschungsinstituten in Westeuropa und den USA103 oder im Mischungsverhältnis mancher Sammelbände zum Ausdruck kommt.104 Aufgrund der Komplexität der spanischen peripheren Nationalismen, die bis heute für politische Diskussionen sorgen, haben insbesondere Katalonien und das Baskenland anteilig eine größere Aufmerksamkeit erfahren als das eigenstaatliche Portugal. Ab Mitte der 1990er Jahre entstanden im Zug der vergleichenden Nationalismusforschung mehrere Studien zu politisch-strukturellen Ähnlichkeiten
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Zu Staat, Kirche und Säkularisierung bis zur Errichtung der Republik vgl. António Matos Ferreira: A constitucionalização da religião, in: História religiosa de Portugal, Lissabon 2000ff., Bd. III: Religião e Sécularização, S. 37–59; Ana Isabel Marques Guedes: Algumas considerações sobre a „questão religiosa” em Portugal (meados do séc XIX a início do séc. XX). O anticlericalismo e o espírito republicano, Porto 1990; Vítor Neto: O Estado, a Igreja e a sociedade em Portugal (1831–1911), Lissabon 1998; Steffen Dix: As esferas seculares e religiosas na sociedade portuguesa, in: Análise social 45/2010, Nr. 194, S. 5– 27. Stanley G. Payne: A history of Spain and Portugal. 2 Bde., Madison 1973. Sáez-Arance: Constructing Iberia, S. 192. Vgl. z. B. den Sammelband von Carlos Serrano (Hrsg.): Nations en quête de passé. La péninsule ibérique (XIXe–XXe siécles), Paris 2000, in dem zwölf Aufsätze zu Spanien (unter Berücksichtigung Galiciens, Kataloniens und des Baskenlands) einem zu Portugal gegenüberstehen.
36
1. Einleitung
Spaniens und Portugals insbesondere im 20. Jahrhundert,105 politischer und kultureller Nationsbildung,106 nationaler und iberischer Identität107 sowie zu spanisch-portugiesischen Beziehungen. Während diese Sammelbände zumeist Aufsätze zu einem Land vereinten, die durch die übergeordnete Fragestellung sowie die Einleitungs- respektive Kommentarkapitel den iberischen Zusammenhang herstellten, diskutieren neuere Sammelbände die Iberische Halbinsel als Ganze. Sie nähern sich dem Thema weniger von nationalen Einzelbefunden als von strukturellen Dimensionen wie Liberalismus, Autoritarismus oder dem Übergang zur Demokratie her.108 Weiterhin sind Forschungen zur gegenseitigen Wahrnehmung der beiden Nachbarn109 sowie deren Einbettung in die internationalen Beziehungen entstanden.110 Dazu zeigen neuere kulturgeschichtliche Analysen Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Geschichtsbildern sowie Prozesse nationaler Überlappungen und Verschränkungen in nationalen Narrativen im 19. und 20. Jahrhundert auf111 oder vergleichen die öffentlichen Feste in den iberischen Diktaturen.112 Diese Analysen führen vor Augen, wie gewinnbringend das in westeuropäischer Perspektive historisch oft marginalisierte Portugal als analytischer Vergleichsparameter zu Spanien wirken kann, weil sie Nationalgeschichte(n) in neue Dimensionen rücken. Insgesamt stecken solche Untersuchungen noch in den Anfängen. 1.4.3 Islambilder in Spanien und Portugal Angesichts der im Vergleich zur Nationalgeschichte schwach ausgeprägten Forschung zur Geschichte der Iberischen Halbinsel ist verständlich, dass die bisherigen Untersuchungen zum Islambild stets im nationalstaatlichen Rah105
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Xosé Manoel Núñez Seixas/António Costa Pinto: Portugal and Spain, in: Roger Eatwell (Hrsg.): European political cultures? Conflict or convergence? London/New York 1997, S. 172–192. Mar-Molinero/Smith (Hrsg.): Nationalism and the nation in the Iberian Peninsula. Richard Herr/John H. R. Polt (Hrsg.): Iberian Identity. Essays on the Nature of Identity in Portugal and Spain, Berkeley 1989. Hipólito de la Torre Gómez (Hrsg.): Portugal y España contemporáneos, Madrid 2000. Hipólito de la Torre Gómez/António José Telo (Hrsg.): La mirada del otro. Percepctiones luso-españolas desde la historia, Mérida 2001. Hipólito de la Torre Gómez/António José Telo: Portugal e Espanha nos sistemas internacionais contemporâneos, Lissabon 2000. Sérgio Campos Matos/David Mota Álvarez: Portuguese and Spanish Historiography: Distance and proximity, in: Stefan Berger/Chris Lorenz (Hrsg.): The Contested Nation. Ethnicity, Class, Religion and Gender in National Histories, London 2008, S. 339–365; Núñez Seixas: The Iberian Peninsula: Real and Imagined Overlaps. Hedwig Herold-Schmidt: Die Feste der iberischen Diktaturen: Portugal und Spanien in den 1940er Jahren, in: Michael Maurer (Hrsg.): Festkulturen im Vergleich. Inszenierungen des Religiösen und Politischen, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 291–319.
1.4 Forschungsstand
37
men verblieben sind. Zwischen den beiden Ländern fallen beachtliche Unterschiede auf. Spanien weist diesbezüglich ein immenses Interesse und eine lange Forschungstradition auf. Am Verhältnis von Nation und Islam arbeiteten sich seit dem 19. Jahrhundert Historiker ab. Je nach politischem, religiösem und wissenschaftlichem Hintergrund wurde die Frage, ob die muslimische Vergangenheit Teil einer spanischen Nationalgeschichte sein könne, ablehnend, zustimmend oder vorsichtig abwägend beantwortet. Den Höhepunkt dieser Auseinandersetzung im 20. Jahrhundert trugen nicht, wie man vermuten könnte, Angehörige der beiden Bürgerkriegslager aus, sondern ähnlich ausgebildete, ehemalige Kollegen: Claudio Sánchez-Albornoz (1893–1984) und Américo Castro (1885–1972), die als Republikaner das franquistische Spanien verlassen hatten und im Exil lebten und publizierten,113 lösten mit ihren Arbeiten zu den mittelalterlichen Grundlagen einer spanischen Nation und Identität einen heftigen Historikerstreit aus.114 Der Philologe und Kulturhistoriker Castro vertrat in seinem 1948 erschienenen Buch „España en su Historia. Cristianos, Moros y Judíos“ (Spanien in seiner Geschichte. Christen Mauren und Juden), das 1954 überarbeitet unter dem Titel „La realidad histórica de España“ (deutscher Titel: „Spanien: Vision und Wirklichkeit“) erschien, die These, das Zusammenleben der drei Religionen sei konstitutiv für die spanische Nation: „Ich möchte noch einmal wiederholen, daß das christliche Spanien keine Gegebenheit war, die eine eigene festgelegte Existenz besaß, auf die gelegentlich der ,Einfluß‘ des Islams einwirkte wie eine Mode oder wie eine Folge des Lebens ,jener Zeiten‘. Das christliche Spanien baute sich vielmehr auf, indem es seinem Leben alles einfügte und einverleibte, wozu es durch seine Verflechtung mit der arabischen Welt gezwungen war. [. . . ]Ich scheue weder die Gefahr, mich zu täuschen, noch möchte ich mit meiner Überzeugung zurückhalten, wonach nämlich das Originellste und Universellste des spanischen Genius in einer Disposition des Lebens begründet lag, die in den Jahrhunderten des christlich-islamisch-jüdischen Zusammenlebens geprägt wurde.“115
Gegen diese Theorie zog der Mediävist und Rechtshistoriker Sánchez-Albnornoz mit zahlreichen Artikeln und seiner zweibändigen Monographie „España: un enigma histórico“ (Spanien: ein historisches Rätsel) nach. Er räumte einen Einfluss des Islam in einem kulturell-sprachlichen Bereich ein, behauptete aber, dass sich die „lebensnotwendige Verbindung („contextura vital“) Spaniens nie arabisiert“ habe.116 Zudem sei der Islam schuld an historischer Feu113
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Zum Hintergrund der Wissenschaftler und zur Verortung ihres Streits innerhalb der Konzepte über einen europäischen Süden vgl. Baumeister: Diesseits von Afrika?, S. 23f. u. S. 25–29. Die Debatte zeichnet nach: José Luis Gómez-Martínez: Américo Castro y el origen de los españoles: Historia de una polémica, Madrid 1975, S. 34–59. Américo Castro: Spanien. Vision und Wirklichkeit (Originaltitel: La realidad histórica de España). Übersetzt von Suzanne Heintz, Köln/Berlin 1957, S. 102. Sanchez Albornoz: España, un enigma histórico, Bd. 1, S. 199.
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1. Einleitung
dalisierung, Fragmentierung und dem ökonomischen Rückschritt Spaniens, weil dieses sich für Europa im Kampf gegen den Islam aufgezehrt habe: „Man sehe hier zusammenfassend die Tragödie, die der Islam in Spanien verursacht hat, das Erbe, das Mohammed Spanien hinterlassen hat. [. . . ] ein inexistentes und vielfältiges Spanien, höchstgradig feudalisiert, in verschiedene Königreiche gespalten, [. . . ] mit unterschiedlichen Idealen und getrennter Wirtschaft.“117
Gemeinsam war den konträren Positionen allenfalls eine mehr oder weniger starke Zentriertheit auf Kastilien und dessen Gleichsetzung mit Spanien, die regionalen Sonderentwicklungen wenig Gewicht einräumte.118 Über die wissenschaftlichen Inhalte hinaus ist die verbale Heftigkeit, mit der diese Debatte vor allem seitens Sánchez-Albornoz geführt wurde,119 ein Beleg für die Sensibilität, die die Frage nach einem „spanischen Wesen“ hatte. Nach dem Übergang zur Demokratie spiegelten Untersuchungen spanischer Islamvorstellungen von Historikern und Islamwissenschaftlern die ganze Bandbreite kulturwissenschaftlicher Forschungen wider. Die Entwicklung des für Spanien so bedeutenden Islambildes120 wurde in chronologischen Längsschnitten anhand einzelner Quellengattungen wie ikonographischer Darstellungen,121 Historiographie, Schulbuch122 und Arabischstudien123 117
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Claudio Sanchez-Albornoz: España y el islam, in: ders., De la invasión islamica al estado continental (entre la creación y el ensayo), Sevilla 1974, S. 15–40, hier S. 36. (Erstmals erschienen in der Revista de Occidente 24/1929, Nr. 57). So die Beobachtung von Vones: Geschichte der Iberischen Halbinsel im Mittelalter 711– 1480, S. 21. Z. B. in Wendungen wie „Castro hat wie niemand zuvor unsere Vergangenheit verdunkelt.“ Sanchez-Albornoz: España, un enigma histórico, Bd. 2, S. 68. Eloy Martín Corrales: El „moro”, decano de los enemigos exteriores de España: Una larga enemistad (VIII–XXI), in: Xosé Manoel Núñez Seixas/Francisco Sevillano (Hrsg.): Los enemigos de España: Imagen del otro, conflictos bélicos y disputas nacionales (siglos XVI–XX), Madrid 2010, S. 165–182. Eloy Martín Corrales: La imagen del magrebí en España. Una perspectiva histórica siglos XVI–XX, Barcelona 2002. David Parra Monserrat: A bridge between „East” and „West”? The view of the Muslim past in 19th and 20th century Spain, in: Haug-Moritz/Pelizaeus (Hrsg.): Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit, S. 269–277; Rafael Valls Montés: La imagen del islam en los actuales manuales escolares españoles de historia, in: Luigi Cajani (Hrsg.): Conociendo al otro. El islam y Europa en sus manuales de historia, Madrid 2008, S. 73–122. Zu vergleichenden Bilddarstellungen des Islam in deutschen, französischen und spanischen Schulbüchern seit 1970 erscheint demnächst eine Studie von Michael Wobring. Insbesondere für den spanischen Fall kann der Autor zeigen, wie negative bildliche Darstellungen scheinbar neutral formulierte Texte unterlaufen. Vgl. Michael Wobring: Unterschiedliche Sichtweisen – gemeinsame Bilder? „Islambilder“ in europäischen Schulgeschichtsbüchern, in: Gabriele Metzler/Gabriele/Michael Wildt (Hrsg.): 48. Deutscher Historikertag in Berlin 2010. Berichtsband, Göttingen 2011 [im Druck]. Bernabé López García: Arabismo y Orientalismo en España: Radiografía y Diagnóstico de un gremio escaso y apartadizo, in: Awraq. Anejo al Vol. 11/1990, S. 35–69; ders.: La cruz y la espada, in: ders.: Marruecos y España. Una historia contra toda lógica, Sevilla
1.4 Forschungsstand
39
untersucht. Daneben hat die Rolle des Islam in den Marokkokriegen124 und dem Schlüsselereignis des 20. Jahrhunderts, dem Spanischen Bürgerkrieg,125 besondere Aufmerksamkeit erfahren. Vertieft unter dem Aspekt des Nationalismus und der Nationsbildung wurde der Islam unter anderem anhand der Einrichtung der Arabistik an der Universität Madrid,126 der Archäologie,127 nationaler Mythen wie der Schlacht von Covadonga128 und der Mobilisierung im Spanischen Bürgerkrieg129 untersucht. Darstellungen zu Feindbild- und Stereotypenbildung,130 zur Vorstellung frühneuzeitlicher ethnisch-religiöser Reinheit (casticismo) und ihrer Übertragung in moderne Konzepte131 sowie zum Islam in alltagsweltlichen Festen132 haben aus sozialanthropologischer und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive die Geschichtswissenschaft ergänzt und bereichert. Dem Paradigma der
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2007, S. 139–162; Eduardo Manzano Moreno: La creación de un esencialismo: la historia de al-Andalus en la visión del arabismo español, in: Gonzalo Fernández Parilla/ Manuel C. Feria García (Hrsg.): Orientalismo, exotismo y traducción, Cuenca 2000, S. 23– 37; James Monroe: Islam and the arabs in Spanish Scholarship. Sixteenth century to the present, Leiden 1970. Sebastian Balfour: Deadly embrace: Morocco and the road to the Spanish Civil War, Oxford 2002, bes. S. 184–202; Josep Lluís Mateo Dieste: El „moro” entre los primitivos. El caso del Protectorado español en Marruecos, Barcelona 2003; Martin-Márquez: Disorientations. Eloy Martín Corrales: Entre el „moro” violador y el „moro” seductor: la imagen de los marroquíes en la guerra civil según las fuerzas republicanas, in: Ángeles Ramírez (Hrsg.): Antropología y antropólogos en Marruecos. Homenaje a David M. Hart, Barcelona 2002, S. 221–236; Madariaga: Imagen del moro en la memoria colectiva del pueblo español y retorno del moro en la Guerra Civil de 1936; dies.: Los moros que trajo Franco...La intervención de tropas coloniales en la Guerra Civil, Barcelona 2002; Francisco Sanchez Ruano: Islam y Guerra Civil española: moros con Franco y con la republica, Barcelona 2004; José Antonio González Alcantud (Hrsg.): Marroquíes en la Guerra Civil española. Campos equívocos, Barcelona 2003. Aurora Rivière Gómez: Orientalismo y nacionalismo español. Estudios árabes y hebreos en la universidad de Madrid (1843–1868), Madrid 2000. Margarita Díaz-Andreu: Islamic archaeology and the origin of the Spanish nation, in: dies./Timothy Champion (Hrsg.): Nationalism and archaeology in Europe, London 1996, S. 68–89. Carolyn P. Boyd: The Second Battle of Covadonga. The Politics of Commemoration in Modern Spain, in: History and Memory 1/2002, Nr. 2, S. 37–64; dies.: Covadonga y el regionalismo asturiano, in: Ayer 64/2006, Nr. 4, S. 149–178. Xosé Manoel Núñes Seixas: ¡Fuera el Invasor! Nacionalismos y movilización bélica durante la Guerra Civil española, Madrid 2006, bes. S. 124–45 und S. 261–70. José Antonio González Alcantud: Lo moro. Las lógicas de la derrota y la formación del estereotipo islámico, Barcelona 2002. Christiane Stallaert: Etnogénesis y etnicidad. Una aproximación histórico-antropológica al casticismo, Barcelona 1998. Demetrio E. Brisset Martín: Representaciones rituales hispanicas de conquista, Madrid 1988; ders.: Fiestas hispanas de moros y cristianos. Historia y significados, in: Gazeta de Antropología 17/2001, Online-Publikation http://www.ugr.es/~pwlac/ G17_03DemetrioE_Brisset_Martin.html (13. 4. 2008); Albert-Llorca/González Alcantud (Hrsg.): Moros y cristianos.
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1. Einleitung
„Drei Kulturen“ Judentum, Christentum und Islam und seiner Bedeutung für die spanische Identitätspolitik im 20. Jahrhundert widmet sich derzeit das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Christen, Mauren, Juden – Erinnerungskultur und Identitätspolitik in der iberischen Moderne“ an der LudwigMaximilians-Universität in München.133 Dieser umfassenden Beschäftigung mit spanischen Darstellungen des moro steht eine erst in den Anfängen begriffene Forschung zum Islambild und seiner Wirkung auf den Nationalismus in Portugal gegenüber. Während in Spanien die Auswirkungen der islamischen Präsenz in ihrer Qualität zwar heftig diskutiert, aber insgesamt kaum bestritten wurden, herrscht noch unter heutigen Wissenschaftlern Uneinigkeit über die Relevanz des Islam für die portugiesische Geschichte. So hat der Literaturwissenschaftler Eduardo Lourenço (geb. 1923), einer der bedeutendsten zeitgenössischen Intellektuellen Portugals, auf die Bedeutung des Kampfs gegen den Islam als Auslöser eines militanten Kreuzfahrermythos und der mittelalterlichen Vorstellung eines auserwählten Volks hingewiesen.134 Angesichts neuerer Forschungen begrüßt er, dass „unsere arabische Seite, die so tief ausradiert wurde, an die Oberfläche kommt und uns [. . . ] dazu zwingen wird, unsere kanonische Nationalmythologie zu überdenken, die bewusst oder unbewusst ein Kind dieses Ausradierens und dieses aktiven Vergessens ist.“135 Hingegen fehlt der Islam in einer neueren Studie des Historikers João Medina (geb. 1939) innerhalb der „identitätsbestimmenden Bilder Portugals“ („imagens de marca identitárias portuguesas“). Stattdessen nimmt die Vertreibung der Juden einen breiten Raum ein, die zeitgleiche der Muslime, die im Gegensatz zu den Juden einmal territoriale Herrscher waren, bleibt im Hintergrund.136 Dies deckt sich mit einem Befund aus dem Jahr 1996, als die portugiesische Regierung dem
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Vgl. Anna Menny/Britta Voß (Hrsg.): Die Drei Kulturen und spanische Identitäten. Geschichts- und literaturwissenschaftliche Beiträge zu einem Paradigma der iberischen Moderne, Gütersloh 2011. Eduardo Lourenço: Portugal como destino. Dramaturgia cultural portuguesa, São Paulo 1999, S. 92–94. Eduardo Lourenço: O imaginário Português e o Islão, unveröffentliches Manuskript eines Textes, vorgetragen anlässlich der Abschlussveranstaltung der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Gründung der Islamischen Gemeinschaft Lissabon, Zentralmoschee Lissabon, 21. 11. 1998, zitiert nach AbdoolKarim Vakil: Questões inacabadas: Colonialismo, Islão e Portugalidade, in: Margarida Calafate Ribeiro/Ana Paula Ferreira (Hrsg.): Fantasmas e fantasias imperiais no imaginário português contemporâneo, Porto 2003, S. 255–294, S. 292. João Medina: Portuguesismo(s) acerca da identidade nacional, Lissabon 2006.
1.4 Forschungsstand
41
500. Jahrestag der Judenvertreibung gedachte, aber die Vertreibung der Muslime unerwähnt blieb.137 Dieser portugiesische Nachholbedarf hat historische Gründe. Nach der Beschäftigung von Historikern des 19. Jahrhunderts mit dem islamischen Mittelalter blendete die Geschichtsschreibung des Estado Novo Minderheiten aus und hatte vor allem Interesse an den zu Helden stilisierten christlichen Königen und Entdeckern. Dies änderte sich mit dem Aufdecken bislang blinder Flecken in der historischen Forschung seit den 1990er-Jahren. Insbesondere Untersuchungen zu Islambildern im portugiesischen Kolonialreich und ihre Wirkung auf die Formulierung nationale Narrative138 haben ein neues Forschungsfeld erschlossen.139 Für das kontinentale Portugal sind erste Analysen zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Islam aus anthropologisch-historischer Perspektive140 und zu portugiesischen Arabischstudien141 entstanden. Dazu haben Historiker, Religionswissenschaftler und Politologen die 1968 gegründete erste islamische Gemeinde Portugals (Comunidade Islâmica de Lisboa) und die muslimische Präsenz im Land insbesondere seit 1974 untersucht.142 137
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Dagegen protestierten nicht die islamischen Gemeinschaften, sondern die nicht konfessionelle Academia de Altos Estudos Ibero-Árabes. Vgl. João Lopes Marques: „Mouros forros” esquecidos, in: Público, 10.12.1996, S. 9, sowie zum Hintergrund Nina Clara Tiesler: Muçulmanos na margem: a nova presença islámica em Portugal, in: Sociologia. Problemas e práticas 34/2000, S. 117–144, S. 132. Vgl. die herausragenden Pionierstudien von AbdoolKarimVakil: Questões inacabadas; ders: The Crusader Heritage: Portugal and Islam from colonial to postcolonial identities, in: Robert Shannan Peckham (Hrsg.): Rethinking Heritage: Cultures and Politics in Europe, London 2003, S. 29–44. Mit Schwerpunkt auf Mosambik Lorenzo Macagno: Outros Muçulmanos. Islão e narrativas coloniais, Lissabon 2006; überblicksartig Mário Artur Machaqueiro: Islão transnacional e os fantasmas do colonialismo português, in: Relações Internacionais. Revista do Instituto Portguês de Relações Internacionais da Universidad Nova de Lisboa, Juni 2011, Nr. 30, S. 71–82; am Beispiel eines ausgewählten Akteurs ders.: Estratágias, rivalidades e conflictos de poder identitário: Valy Mamede e a disputa pelo controlo das comunidades muçulmanas, Online-Publikation http://run.unl.pt/bitstream/10362/2727/1/Valy%20Mamede%20 %20 %20disputa%20 pelas%20comunidades%20isl%C3 %A2micas.pdf (26. 6.2011). Maria Cardeira da Silva: O sentido dos árabes no nosso sentido. Dos estudos sobre árabes e sobre muçulmanos em Portugal, in: Análise social 39/2005, Nr. 173, S. 781–806. Eva Maria von Kemnitz: International contacts of the portuguese arabists (XVIIIth and XIXth centuries), in: Barbara Michalak-Pikulska/Andrzej Pikulski (Hrsg.): Authority, Privacy and Public Order in Islam. Proceedings of the 22nd Congress of L’Union Européenne des Arabisants et Islamisants, Leuven/Paris/Dudley 2006, S. 369–386, dies.: Portugal e o Magrebe (séculos XVIII/XIX). Pragmatismo, inovação e conhecimento nas relações diplomáticas, Lissabon 2010, S. 323–510. Vgl. Eva Maria von Kemnitz: Muslims as seen by the Portuguese press 1974–1999, in: Wasif Shadid/Pieter S. van Koningsveld (Hrsg.): Religious Freedom and the Neutrality of the State: The Position of Islam in the European Union, Leuven 2002, S. 7–26; Nina Clara Tiesler: Novidades no terreno: muçulmanos na Europa e o caso português, in: Análise social 39/2005, Nr. 173, S. 827–849; dies.: Muçulmanos na margem; Luis Bernardo:
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1. Einleitung
Diese Divergenz im Forschungsstand Spaniens und Portugals kann nicht allein mit äußeren Faktoren wie dem ungleichen Größenverhältnis beider Länder oder der kürzeren muslimischen Präsenz auf dem heutigen portugiesischen Territorium begründet werden. Sie liefert nicht nur die Ausgangsbedingungen für diese Untersuchung, sondern soll auch durch sie erklärt werden, ist also explanans und explanandum gleichzeitig. Die Untersuchung will und kann keineswegs das Ungleichgewicht aufheben, das in dieser Forschungsdifferenz begründet liegt. Jedoch konzentriert sie im Interesse einer aussagekräftigen Analyse die Fülle an möglichen spanischen Untersuchungsgegenständen auf ausgewählte Beispiele und räumt den weitgehend marginalisierten portugiesischen Beispielen einen vergleichbaren Platz ein.
The accommodation of Islam in Portugal and the Republic of Ireland: A comparative case study. Masterarbeit Universidade Nova de Lisboa, Instituto de Ciências Sociais, online-Publikation http://lisboa.academia.edu/LuisBernardo/Papers/116777/Theaccommodation-of-Islam-in-Portugal-and-the-Republic-of-Ireland--A-comparativecase-study(26. 8. 2010).
2. Der Islam als historischer Gegner: Das Mittelalter in der Geschichtsschreibung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts „Seine Augen waren portugiesisch, das heißt, beständiger Widerschein geheimer Gedanken, bewegt wie die Stürme des Herzens und gelassen wie seine Ruhe. Auf dem Gesicht des Jungen stand der Name seiner Heimat: er war ein Sohn Hispaniens: die Farbe, die Gesten, der Blick, alles sagte, dass in ihm der Geist eines Goten lebte und dass in seinen Adern gleichzeitig das Blut eines Arabers strömte.“1 Alexandre Herculano: „Der Zisterziensermönch oder die Zeit von Johann I.“(1848)
2.1 Der Islam in der Suche nach einem ser de España Die spanischen Historiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwarfen ihre Bilder der Nation vor dem Hintergrund einer politischen und gesellschaftlichen Spaltung des Landes. Konservative2 und Liberale, Kleriker und Antiklerikale, Monarchisten und Republikaner, aber auch jede der Gruppen untereinander rangen um die Gestaltung eines Staates, der schrittweise die ehemaligen südamerikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen musste und sich seiner einstigen Größe beraubt sah. Die Karlistenkriege, die kurzlebige Erste Republik, die Restauration der Bourbonenmonarchie sowie die um die Jahrhundertwende teilweise jährlich wechselnden Regie1 2
Alexandre Herculano: O Monge de Cistér ou a Epocha de João I. Edição dirigida por David Lopes, Lissabon o. Jahr, S. 6. Die politischen Gruppierungen Spaniens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren untereinander höchst heterogen. Dies macht auch ihre Bezeichnung schwierig. „Konservativ“ ist nicht automatisch als Synonym für Angehörige des Partido (Liberal-)Conservador von Cánovas de Castillo zu verstehen, sondern bezeichnet auch Gruppen, die wie Integristen oder Karlisten, dagegen opponierten. Für eine Aufschlüsselung des konservativen Spektrums in Spanien vgl. Maria Victoria López-Cordón Cortezo: La mentalidad conservadora durante la Restauración, in: José Luis Garcia Delgado (Hrsg.): La España de la Restauración: Politica, Economia, Legislación y Cultura, Madrid 1985, S. 71–109, S. 71f.
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2. Der Islam als historischer Gegner
rungen führten diese Zerrissenheit zwischen den Lagern der „Zwei Spanien“ – tatsächlich viel mehr als nur zwei – deutlich vor Augen. Angesichts dieser Umbrüche stellten sich die spanischen Intellektuellen die Frage danach, was ein Spanien ausmache. Sie suchten nach einem ser de España, einem spanischen Wesen. Um ein Leitbild für die Zukunft zu formulieren, blickten sie in die Geschichte. Dieser Blick zurück war geprägt von den Erfahrungen der Gegenwart. So unterschiedlich diese Nationsentwürfe aufgrund der politischen und religiösen Prägung ihrer Autoren ausfielen: Gemeinsam war ihnen die Suche nach einer Einheit, die die Gegenwart vermissen ließ. Hierin war die islamische Herrschaft des Mittelalters ein Stolperstein. Von Ferdinand und Isabella bis zu Philipp III. hatten die frühneuzeitlichen Herrscher versucht, territoriale und politische Einheit durch religiöse Einheit zu festigen und dies mit Zwangstaufen und Vertreibungen religiöser Minderheiten durchgesetzt. Entsprechend lieferten Historiographien dieser Zeit, geschrieben unter dem Eindruck von Reformation und Gegenreformation, Konflikten mit dem Osmanischen Reich und den nordafrikanischen Piratenangriffen auf die spanischen Küsten eine feindliche Sicht auf den Islam. Der Jesuitenpater Juan de Mariana (1536–1624), dessen „Historia de rebus Hispaniae“ vielfach übersetzt, aufgelegt und auch im 19. Jahrhundert noch gelesen wurde, bezeichnete etwa die Sarazenen als „Gesindel“ („canalla“) und den Islam als „bösen Aberglauben“ („malvada superstición“).3 Trotz einiger positiver Stimmen gegenüber dem Islam fungierte dieser bis ins 19. Jahrhundert vor allem als „Negativfolie“ für Spanien.4 Das Erbe dieser dualistischen Sicht sorgte dafür, dass die Historiker des 19. Jahrhunderts die islamische Vergangenheit als etwas Nicht-Spanisches empfanden. Daher stellte das Mittelalter als wichtiger Referenzpunkt für die Vergangenheit die spanischen Historiker vor die Herausforderung, diese Brüche zu glätten und in ein schlüssiges Nationskonzept zu integrieren.5 Sie mussten erklären, wie es zum Sieg des Islam über die christlichen Westgoten kommen konnte und die Auswirkungen von fast 900 Jahren muslimischer Präsenz auf der Halbinsel von Tariqs Einfall 711 bis zur Vertreibung der moriscos 1609 einordnen. Diese Zeit konnte nicht geleugnet oder verdrängt werden, da sie in Gesetzen, Kultur, Sprache und Architektur Spuren hinterlassen hatte. Hinzu kam eine ethnische Dimension: Hatte die Gleichsetzung von Religion und Ethnizität im 16. Jahrhundert Statuten zur limpieza de sangre, zur Blutreinheit, hervorgebracht und galt eine je nördlichere, um so reinere Abstammung als 3 4 5
Zitiert nach der Ausgabe Juan de Mariana: Historia General de España, Madrid 1855 [EA 1592], Bd. 1, S. 194 und S. 200. Delgado: Europa und der Islam in der Frühen Neuzeit, S. 60. Vgl. auch den Überblick bei Eduardo Manzano Moreno: La construcción histórica del pasado nacional, in: Juan Sisinio Pérez Garzón (Hrsg.): La gestión de la memória: la historia de España al servicio del poder, Barcelona 2000, S. 33–62.
2.1 Die Suche nach einem ser de España
45
Beweis für Adel,6 so blickte das 19. Jahrhundert unter dem Einfluss neuer Rassentheorien auf die ethnische Zugehörigkeit. Die oft unausgesprochene, aber präsente Dimension der Beziehungen zwischen Muslimen und Christen und einer entsprechenden Auswirkung auf das genetische Erbe spitzte die Frage nach dem Einfluss der muslimischen Präsenz auf die Frage nach dem ser de España auch in einem konkreten biologischen Sinn zu.7 Ein Schlüsselkonzept bei dieser Suche nach Antworten war die sogenannte reconquista. Dieser seit Ende des 18. Jahrhunderts in der Geschichtsschreibung verwendete Begriff etablierte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem neuen Sinn. Das in der Frühen Neuzeit prominente Konzept der restauración hatte vor allem die Wiederherstellung des westgotischen Reichs und des christlichen Glaubens beschrieben. Im Unterschied dazu trug reconquista stärker die militärische Komponente zur territorialen Eroberung und zur militärischen Abwehr nicht nur eines Glaubensfeindes, sondern eines auch territorial Fremden in sich.8 Letztere Bedeutung hatte den Vorteil, den Kampf gegen den Islam als nationale Leistung und in Abgrenzung zu den anderen europäischen Nationen darzustellen.9 Beide Begriffe wurden zeitweise nebeneinander verwendet.10 Doch setzte sich reconquista schrittweise im 19. Jahrhundert als besonders erfolgreiches Konzept durch.11 Dies beweist die Tatsache, dass reconquista nicht nur den Prozess von Kämpfen zwischen muslimischen und christlichen Herrschern oder die konkrete Eroberung einer Stadt oder Festung bezeichnete, sondern zunehmend auch den Jahrhunderten islamischer Herrschaft auf der Halbinsel den Namen gab.12 Damit avancierte die reconquista zum erfolgreichsten Nationalmythos Spaniens: Der Kampf gegen islamische Herrschaft, bei dem religiöse und politische Ziele scheinbar untrennbar verbunden waren, erschien als entscheidendes Charakteristikum einer ganzen Epoche.13 Für die Historiographen des 19. Jahrhunderts hatte der Mythos der reconquista einen entscheidenden Vorteil: Er blendete die religiöse und politische Heterogenität des Mittelalters, 6 7
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Julio Caro Baroja: Razas, Pueblos y Linajes, Madrid 1957, S. 147. Einen Überblick gibt auch Stallaert: Etnogénesis y etnicidad. Die Frage, ob „wir etwa diese Muslime seien“, die in einem für die Nation als so entscheidend empfundenen Moment präsent waren, motivierte die spanischen Historiker in ihrer Suche nach entsprechenden Antworten. Manzano Moreno: La creación de un esencialismo, S. 52f. Diese Begriffsgeschichte zeichnet nach: Ríos Saloma: La Reconquista: una invención historiográfica, S. 413–429, hier S. 423. Ríos Saloma: De la Restauración a la Reconquista, S. 413f. So etwa bei Modesto Lafuente, dessen Werk zur Durchsetzung des Begriffs beitrug. Vgl. die ausführliche Textanalyse zu Lafuente bei Ríos Saloma: De la Restauración a la Reconquista, S. 403–413. Zu den Etappen Ríos Saloma: La Reconquista: una invención historiográfica, S. 421–427. Ríos Saloma: De la Restauración a la Reconquista, S. 405. Zur Frage nach dem Anteil der Religion in diesem Konzept vgl. Bronisch: Reconquista und Heiliger Krieg, S. 3–7.
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2. Der Islam als historischer Gegner
wie sie etwa in Bündnissen und Kämpfen mit den und gegen die eigenen Glaubensgenossen sichtbar wurde, aus und ersetzte sie durch eine vereinfachende Meistererzählung. Diese wurde in unzähligen Einzelerzählungen wie den Schlachten von Covadonga, Clavijo, Las Navas de Tolosa, der Legende von Santiago Matamoros oder dem „Cid“ Rodrigo Díaz de Vivar mythisiert. So lieferte die reconquista die Zäsuren, an denen die Haltung einzelner Autoren bezüglich des Islam am besten abzulesen ist. Das Jahr 711 mit dem Einfall Tariqs, die Schlacht von Covadonga als Beginn der angeblichen reconquista nur wenige Jahre danach,14 der Fall Granadas als letztes islamisches Herrschaftsgebiet 1492 sowie 1609, als die moriscos, getaufte Nachkommen der muslimischen Bevölkerung, vertrieben wurden,15 waren Schlüsselmomente, die es in eine nationale Erzählung einzuordnen galt. Die Antworten eines jeden Historikers waren insbesondere von der Bedeutung bestimmt, die er der Religion für die Politik zuwies. Im Prinzip gab es so viele Antworten wie Autoren. Kriterien für die folgende Auswahl, die aufgrund der Fülle möglicher Beispiele notgedrungen exemplarisch bleiben muss, waren Einfluss und Bekanntheit der Autoren innerhalb wichtiger politischer Segmente: des liberal-bürgerlichen (Modesto Lafuente) und des konservativneokatholischen (Marcelino Menéndez y Pelayo, Manuel Merry y Colón). Hinzu kommen liberale (Rafael Altamira) und konservative (Ramón Menéndez Pidal) Vertreter des regeneracionismo nach 1898. Auch die historische Haltung von Cláudio Sánchez-Albornoz, der später gegen Castro vehement ins Feld ziehen sollte, konstituierte sich in dieser Zeit. Anhand dieser Autoren lassen sich Grundpositionen im Umgang mit der mittelalterlich-muslimischen Geschichte ausmachen, die teils konkurrierten, teils sich gegenseitig rezipierten. Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen Positionen der Entwurf einer kastilisch-zentralistischen Nationsauffassung. Sie werden ergänzt durch baskische Geschichtsbilder, als Beispiel für die Darstellung des Islam in peripheren Nationsentwürfen. 2.1.1 Zwischen Aversion und Faszination: Modesto Lafuente y Zamalloa Der Historiker, Theologe und Journalist Modesto Lafuente (1806–1866) machte die Nation zur Protagonistin seiner dreißigbändigen Historia general de España. Damit gilt er heute als Begründer der bürgerlich-liberalen Nationalgeschichtsschreibung und die Historia general aufgrund ihrer zahlreichen 14 15
Die Schlacht wurde damals auf 718 datiert, tatsächlich hat sie möglicherweise einige Jahre später stattgefunden. Vgl. Boyd: The Second Battle of Covadonga, S. 59, Anm. 1. Allgemein zur Darstellung der Vertreibung der moriscos in der Geschichtsschreibung Miguel Ángel de Bunes Ibarra: Los moriscos en el pensamiento histórico. Historiografía de un grupo marginado, Madrid 1983.
2.1 Die Suche nach einem ser de España
47
Auflagen als „Bibel der spanischen Mittelklassen“ in der isabellinischen Ära.16 Der in einem katholischen Seminar ausgebildete, jedoch nicht zum Priester geweihte Lafuente war anders als viele Liberale nicht antiklerikal. Er sah die Nation klar als katholisch an, war aber ein Verfechter der Trennung von Staat und Kirche.17 Diese Suche nach einem Gleichgewicht von Religion und Politik, von nationalem Stolz und Toleranz anderer ist auch an seiner Haltung gegenüber dem Islam abzulesen. So war für ihn das Jahr 711 „eine der schrecklichsten Katastrophen, eine der entsetzlichsten Revolutionen, vielleicht die schlimmste, die Spanien erlitten hat.“18 Die Nation, bei Lafuente ein organisches Subjekt, deren Ursprünge er in vorrömischer Zeit bei den Iberern verortete, hatte in dieser Sicht ihre große Bewährungsprobe: „Die Nation ist verschwunden, sie wird wiederauferstehen.“19 Die religiöse Semantik spiegelt die heilsgeschichtliche Qualität, die dieses Ereignis für Lafuente hatte. Damit war der Kampf gegen den Islam für Lafuente ein nationaler Abwehrkampf gegen einen Fremdkörper. Jedoch widmete er sich ausführlich den „Eroberern Spaniens“20 und beschrieb das Leben Mohammeds, die Lehren des Koran und die Taten der muslimischen Herrscher der Halbinsel. Seine Haltung schwankte zwischen Abscheu vor ihren Gräueltaten und Bewunderung ihrer religiösen Toleranz, insbesondere während des Kalifats. Diese Ambivalenz kleidete er in Fragen: „Wie kann man diese Mischung aus Wildheit und Zartheit, aus Großzügigkeit und Grausamkeit unserer Beherrscher erklären? Der Araber, ungestüm und feurig wie sein Streitross, gewaltsam in seinen Leidenschaften und Gefühlsausbrüchen, ist großzügig, galant und dankbar, aber heftig in seinem Hass, blind in seinem Zorn und unerbittlich in seiner Rache.“21 Bei dieser Beschreibung Lafuentes schwingen viele Vorstellungen mit, die die Orientalisten des 19. Jahrhunderts in ihren Beschreibungen, Bildern und Dichtungen transportierten. Die Mischung aus Künsten und Kriegertum, aus Geduld und Gewalt gegenüber Andersgläubigen war für die europäische Romantik ein geläufiger Stereotyp des Islam. Die Frage Lafuentes erforderte im Grunde keine Antwort, denn eine solche hätte einen Großteil des Faszinosums Islam zerstört. Lafuentes Zwiespältigkeit gegenüber dem Islam setzte sich fort in der 16
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18 19 20 21
Zur Verbreitung vgl. Mariano Esteban de Vega: Castilla y España en la Historia general de Modesto Lafuente, in: Antonio Morales Moya/Mariano Esteban de Vega (Hrsg.): ¿Alma de España? Castilla en las interpretaciones del pasado español, Madrid 2005, S. 87–140, S. 87f. Vgl. zu Lafuente die Einführung von Juan Sisinio Pérez Garzón in: Modesto Lafuente y Zamalloa: Historia general de España desde los tiempos más remotos hasta nuestros días. Discurso preliminar. Hrsg. v. Juan-Sisinio Pérez Garzón, Pamplona 2002, S. LIV. Modesto Lafuente y Zamalloa: Historia general de España desde los tiempos más remotos hasta nuestros dias, Madrid 1850ff., Bd. 2, S. 464f. Lafuente y Zamalloa: Historia general de España – Discurso preliminar, S. 36. Lafuente y Zamalloa: Historia general de España, Bd. 3, S. 250. Ebd., S. 257.
48
2. Der Islam als historischer Gegner
Ambivalenz gegenüber den Katholischen Königen. Hier lagen seine Bewunderung für ihre nationale, weil einigende Leistung, und sein Entsetzen über religiöse Intoleranz nebeneinander. Die Begeisterung für Isabella I. von Kastilien, die er zur spanischen Heldin schlechthin stilisierte und versuchte, Parallelen zu ihrer gleichnamigen Nachfolgerin Isabella II. zu ziehen,22 stellte ihn vor die Herausforderung, Zwangstaufen, Vertreibungen und die Einrichtung der Inquisition zu legitimieren: „Ein würdiger Fürst und die gütigste Fürstin, die je auf Kastiliens Thron saß, hinterlassen den Nachkommen die unheilvollste, finsterste, bedrückendste Institution für die Würde und die Gedanken des Menschen, die dem Geist und Gemüt des Christentums widersprüchlichste.“23 Entsprechend skeptisch beurteilte er auch die Vertreibung der moriscos. Zwar habe diese zur Vorstellung einer religiösen Einheit beigetragen, jedoch „glauben wir nicht, dass es ein großer Verdienst sei, [. . . ] zu einer Einheit zu kommen, indem man diejenigen auslöscht, die einen anderen Glauben haben. Ein Verdienst wäre gewesen, die Ungläubigen und Erzürnten mit Lehre, Überzeugung, Klugheit, Sanftheit und Überlegenheit der Zivilisation zu überzeugen.“24 Lafuente vertrat hier eine Gegenposition zu streng katholischen Autoren wie Menéndez y Pelayo, der diese Vertreibung gerade begrüßte.25 Solch unterschiedliche Positionen zu heiklen Punkten der Vergangenheit zeigen die Heterogenität der spanischen Geschichtsbilder auf. Lafuente sah den Islam als Zerstörer nationaler Einheit, wies ihm aber dennoch einen prominenten Platz in seiner Darstellung zu. Er lobte christliche Taten, zeigte aber auch Entrüstung über das Schicksal der Nichtchristen. Die Suche nach einem gegenwärtigen Gleichgewicht spiegelte sich in der nach einem historischen Gleichgewicht. Mit seinem Lavieren zwischen Faszination und Aversion wurde er modellgebend für die Haltung vieler Liberaler gegenüber der islamischen Vergangenheit. 2.1.2 Ausgrenzung: Marcelino Menéndez y Pelayo Der Historiker Marcelino Menéndez y Pelayo (1856–1912) aus Santander, einer der einflussreichsten spanischen Gelehrten des späten 19. Jahrhunderts, sah die muslimische Vergangenheit als anti-spanisch an, weil er das „spanische Wesen“ mit Katholizismus gleichsetzte. Mit dieser Interpretation hatte Menéndez y Pelayo das Potential, zu einer wichtigen Galionsfigur für alle katholischen Gruppierungen zu werden, die ihm in dieser Ansicht folgten. Den jungen Gelehrten bewunderten die integristas, Befürworter eines antiliberalen, traditionellen Katholizismus, deren radikalste Vertreter 1888 22 23 24 25
Esteban de Vega: Castilla y España, S. 121. Lafuente y Zamalloa: Historia general de España –Discurso preliminar, S. 70f. Lafuente y Zamalloa: Historia general de España, Bd. 15, S. 394. Vgl. Kap. 2.1.2.
2.1 Die Suche nach einem ser de España
49
aus den Reihen der monarchistischen Karlisten ausschieden und eine eigene Partei gründeten.26 Aus pragmatischen Überlegungen wechselte Menéndez y Pelayo jedoch zusammen mit dem Gründer der katholischen Partei Unión Católica, Alejandro Pidal y Mon, zum Partido Liberal-Conservador von Antonio Cánovas del Castillo.27 Trotz seines politischen Desinteresses war Menéndez y Pelayo für diese Partei zweimal Senatsabgeordneter. Damit revidierte er seine frühere Distanz gegenüber der Restauration und näherte sich der parlamentarischen Monarchie an. Dies wiederum verübelten ihm die integristas.28 Denn ihnen ging die Verfassung der Restauration nicht weit genug: Zwar war der Katholizismus als Staatsreligion verankert, doch garantierten die Artikel 11 und 13 das Recht zur freien, wenngleich nicht öffentlichen Ausübung anderer religiöser Bekenntnisse sowie Gedanken- und Versammlungsfreiheit. Dies war in den Augen der integristas unvereinbar mit der katholischen Prägung Spaniens.29 Vollzog Menéndez y Pelayo politisch lange Zeit einen Balanceakt zwischen den verschiedenen katholischen Gruppierungen, so war die Position in seinen Schriften eindeutig. Er propagierte das Christentum als Klammer der Nation. Programmatisch schrieb er seine „Historia de los heterodoxes españoles“ als Geschichte von im Lauf der Jahrhunderte erfolgreich abgewehrten „ketzerischen“ Strömungen wie etwa der Arianer, der Albigenser oder der Protestanten. Diese mochten zwar von Geburt her Spanier gewesen sein, da sie sich aber dem römischen Katholizismus verweigerten, der für Menéndez y Pelayo intrinsisch mit Spanien verbunden war, fanden sie darin keinen Platz.30 Diese Haltung war von Menéndez y Pelayos Erfahrungen der Gegenwart beeinflusst. Angesichts des in sozialen, wirtschaftlichen und regionalen Konflikten verstrickten Staat der Restaurationszeit lag für ihn der Schlüssel zu spanischer Größe und Einheit in der Religion: „Ohne einen gleichen Gott, ohne einen gleichen Altar, ohne gleiche Opfer, ohne sich Kinder des gleichen Vaters nennen zu können und durch ein gleiches Sakrament erneuert zu werden [. . . ], welches Volk könnte da stark und groß sein? [..] Diese Einheit gab das Christentum Spanien.“31 Das umfassende Werk von Menéndez y Pelayo macht eine Skizze seiner Haltung gegenüber der muslimischen Präsenz nicht leicht. So lobte er muslimische und vor allem jüdische Denker wie Maimonides und die kulturelle Blüte von al-Andalus, was den konservativsten seiner Anhänger eher missfal-
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Stanley G. Payne: El catolicismo español, Barcelona 1984, S. 150. Antonio Santoveña Setién: Marcelino Menéndez Pelayo: revisión crítico-biográfica de un pensador católico, Santander 1994, S. 195. Zur Enttäuschung der integristas über Menéndez y Pelayo vgl. ebd., S. 192. Ebd., S. 27. Vgl. Álvarez Junco: Mater dolorosa, S. 457. Marcelino Menéndez y Pelayo: Historia de los Heterodoxos Españoles, Madrid 1956 [EA 1880–1882], Bd. 2, S. 1192f.
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2. Der Islam als historischer Gegner
len haben dürfte.32 Dies bedeutete aber nicht, dass in seinem Entwurf eines ser de España andere Religionen, ja nicht einmal andere christliche Konfessionen Platz gehabt hätten. Die Muslime des Jahres 711 waren für ihn „fremde Invasoren, verschieden in Rasse, Sprache und Kult“, denen er positiv Toleranz gegenüber christlicher Religionsausübung bescheinigte.33 Die Vertreibung der moriscos kritisierte er in ihren Methoden, hielt sie aber für eine historische Notwendigkeit: „Hundertmal schlimmer als die erklärten Muslime, deren Religion ein Hindernis jeglicher Zivilisation ist, waren die falschen Christen, die Abweichler und Abtrünnigen, dazu schlechte Untertanten und gottlose Spanier, Feinde im Land, geborene Helfer jeder ausländischen Invasion, eine unassimilierbare Rasse, wie es die traurige Erfahrung von eineinhalb Jahrhunderten lehrte. Heißt dies, jene zu entschuldigen, die die Kapitulationsverträge von Granada brachen, oder die Meuterer von Valencia [. . . ], die auf sakrilegische Weise die Morisken tauften? Keineswegs. Aber [. . . ] nachdem jede Hoffnung auf eine friedliche Konversion [. . . ] verloren war, war die Vertreibung unvermeidlich, und ich wiederhole, dass Philipp II. den Fehler machte, sie nicht rechtzeitig durchzuführen.“34
Gleichzeitig war Menéndez y Pelayo nicht blind für die Tatsache, dass der Schaden der Vertreibungen, ein Verlust von Arbeitskraft und Wissen, Spanien viel Nachteile brachte. Dieser materielle Schaden sei leichter heilbar gewesen als es ein weiter andauernder Konflikt gewesen wäre.35 Als Gelehrter schätzte Menéndez y Pelayo die kulturellen Leistungen von Juden und Mauren im Mittelalter, aber für die spanische Nation konnte dies nicht von Bedeutung sein. Die Vertreibung der als fremd angesehenen moriscos galt ihm, mit Anklang an sozialdarwinistische Denkweisen, als Bestätigung dafür, dass „die unterlegene Rasse immer verliert und schließlich das stärkere und robustere Prinzip der Nationalität gewinnt.“36 In den von Menéndez y Pelayo beeinflussten Lesarten, die den Katholizismus als der Nation intrinsisch ansah und religiöse und politische Einheit gleichsetzten, war der Islam als andere Religion von vornherein von einem ser de España ausgeschlossen. 2.1.3 Marginalisierung: Manuel Merry y Colón Schrieb man die Geschichte Spaniens nicht als Geistes- und Glaubensgeschichte wie Menéndez y Pelayo, sondern als politische Geschichte mit dem Schwerpunkt auf Herrschern und Territorien, so konnten die islamischen Königreiche schwer verleugnet werden. Jedoch gab es Strategien, um die politische und kulturelle Bedeutung dieser Zeit zu marginalisieren, wie es der Sevillaner Historiker Manuel Merry y Colón (1835–1894) tat. Als Mitglied der 32 33 34 35 36
Diesen Punkt betont u. a. Rehrmann: Das schwierige Erbe von Sefarad, S. 276–299. Menéndez y Pelayo: Historia de los Heterodoxos Españoles, Bd. 1, S. 348. Ebd., Bd. 2, S. 279. Ebd., S. 282. Ebd., S. 279.
2.1 Die Suche nach einem ser de España
51
Unión Católica ging es ihm ebenfalls um die Verteidigung eines katholischen Spaniens, ohne dass er deshalb Thesen der Karlisten unterstützte. Er verteidigte seine Sicht eines intrinsisch katholischen Spaniens nicht nur in einer sechsbändigen spanischen Geschichte, sondern auch in einer für das breite Publikum leichter zugänglichen, kompakten Darstellung, die er gemeinsam mit seinem Sohn Antonio Merry y Villalba verfasste. Dieses „Compendio de la Historia de España“(Kompendium der spanischen Geschichte) war in katholischen Schulen und Priesterseminaren der Restaurationszeit weit verbreitet.37 In Merry y Colóns Lesart, die die meisten katholischen Autoren teilten, erschien die Konversion des westgotischen Königs Recaredo im Jahr 589 vom Arianismus zum Katholizismus als Geburtsstunde des christlichen Spaniens. Den Bruch, den die islamische Herrschaft brachte, sah Merry y Colón als göttliche Strafe für Intrigen, Dekadenz, kurz den Sittenverfall des Westgotenreichs an: „Die Vorsehung in ihren höchsten Ratschlüssen bestrafte mit Auflösung und Ruin jenes Volk, das sein Leben auf Ausschweifung und Niedertracht beschränkt hatte.“38 Dies war für katholisch-konservative Autoren die einzig stimmige Erklärung für das Ende christlicher Herrschaft im Mittelalter. Sie bemühten sie, um dem, was sie als Urkastastrophe des Mittelalters ansahen, irgendeinen Sinn abzugewinnen. Die Beschreibung der reconquista macht etwa 40 Prozent des Buches aus,39 innerhalb derer die Beschreibung des „arabischen Spaniens“ (España árabe) gerade zwei Seiten umfasste. Damit drückte Merry y Colón angesichts der ausführlichen Beschreibungen christlicher Heldentaten über das ganze Mittelalter hinweg schon quantitativ Geringschätzung aus. Qualitativ setzte sich diese in düsteren Schilderungen fort: „Die Mauren säten Bestürzung auf der Halbinsel, denn die Schrecken, die sie verbreiteten, waren so groß, dass sich [. . . ] die in Troja, Babylonien und Jerusalem angerichteten Schäden mit ihrem unmenschlichen Vorgehen vergleichen lassen.40 Merry y Colón übernahm hier Wertungen aus der „Crónica Mozárabe“ (Mozarabischen Chronik) von 754. Diese war ein Augenzeugenbericht der ersten Jahrzehnte muslimischer Herrschaft eines namentlich nicht bekannten Klerikers, vielleicht aus Murcia oder Toledo.41 Er war unter dem Eindruck der Zerstörung der bisherigen Gesellschaftsordnung geschrieben worden, welche dementsprechend mit 37
38 39 40 41
Zu Merry y Colón vgl. Carolyn P. Boyd: Historia patria: politics, history, and national identity in Spain, 1875–1975, Princeton 1997, S. 108–111; López-Cordón Cortezo: La mentalidad conservadora durante la Restauración, S. 85–91. Manuel Merry y Colón/Antonio Merry y Villalba: Compendio de la historia de España, Sevilla 1889, S. 42. So die Schätzung von Boyd: Historia patria, S. 109. Merry y Colón/Merry y Villalba: Compendio de la historia de España, S. 42. Zur Diskussion um den Entstehungsort vgl. den Kommentar von José Eduardo López Pereira in der Ausgabe: Continuatio Isidoriana Hispana. Crónica mozárabe de 754. Estudio, edición crítica y traducción José Eduardo López Pereira, León 2009, S. 55–59.
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2. Der Islam als historischer Gegner
biblischen Tragödien verglichen wurden.42 Nur summarisch erwähnte Merry y Colón kulturelle Leistungen der Muslime insbesondere während des Kalifats, sprach diesen aber „Originalität“ ab und machte „Despotismus in der politischen Organisation, Verdorbenheit der Sitten, zu der die Religion führt, die jede Freiheit und Sinnlichkeit begünstigt“ für den Untergang des Kalifats verantwortlich.43 Dieser knappen Erwähnung stellte er breite Schilderungen christlicher Heldentaten gegenüber. Die Schlacht von Covadonga zwischen dem westgotischen Anführer Pelayo und muslimischen Truppen sollte angehenden Priestern auf emotionale Weise die Lektion der Untrennbarkeit von Thron und Altar in Spanien lehren: „An der Spitze der wenigen Soldaten zieht der erste König Asturiens aufs Schlachtfeld. Er packt mit einer Hand das heilige Kreuz, mit der anderen das Schwert. Vor dem Bild der Jungfrau Maria verrichten alle ein glühendes Gebet in der Höhle von Covadonga, und so greifen sie den feindlichen Mauren nahe dem Berg Auseba an, besiegen und demütigen ihn. Dem Himmel gefiel es, jenen tapferen Christen zu Hilfe zu kommen, dann geschah es, dass sich der Berg löste, auf die Muslime herabstürzte und den Großteil von ihnen unter sich begrub. Pelayo rückt mit seiner kleinen Schar vor, nimmt Gijón ein, besiegt Munuza [einen muslimischen Feldherren im Norden Spaniens] in der Nähe von Orates und die Territorien von Asturien sind frei vom muslimischen Joch.“44
Die plastische Beschreibung und die Verwendung des Präsens verdeutlichen nicht nur die beabsichtigte Dramatik und Eindringlichkeit der Schilderung, sondern versetzten den historischen Kampf gegen den Islam gleichzeitig in eine aktuelle Dimension. Die Vorstellung einer glorreichen reconquista im Dienst der religiösen Einheit Spaniens machte deutlich, wie die Erinnerung an mittelalterliche christliche Heldentaten zu einem Kampf für die Rolle der Religion im 19. Jahrhunderts mobilisieren sollte. Bei alledem erschien der islamische Gegner zwar als furchterregend und grausam, insgesamt aber blieb er blass und konturlos. Er gab den düsteren Hintergrund ab, vor dem die christlichen Taten umso heller strahlten. 2.1.4 Von Religion zu Zivilisation: Rafael Altamira y Crevea Die religiöse Differenz zwischen Christen und Muslimen im Mittelalter bestimmte für viele Historiker die Einordnung der muslimischen Vergangenheit als „nichtspanisch“. Einer der bedeutendsten liberalen Historiker, Rafael Altamira (1866–1951), wählte einen anderen Blickwinkel: Der Islam war für ihn primär eine Zivilisation, weniger eine Religion. Altamira, wichtiger Vertreter des spanischen regeneracionismo nach 1898, war überzeugt davon, dass ei42
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Merrys Vorlage war entweder die Edition von Teófilo Escobar 1870 oder die von Henrique Flórez im Bd. 8 der „España Sagrada“. Beide wurden einem „Isidoro Pacense“, Isidor von Beja, zugeschrieben. Continuatio Isidoriana Hispana, S. 170. Merry y Colón/Merry y Villalba: Compendio de la historia de España, S. 43. Ebd., S. 44.
2.1 Die Suche nach einem ser de España
53
ne „Erneuerung“ (regeneración) der spanischen Nation nur mit gezielter Förderung von Bildung und Bewusstsein um Geschichte und zivilisatorischen Leistungen möglich war. Daher waren weder die Kirche noch die Nation Altamiras historische Protagonisten, sondern in erster Linie die sozialen und kulturellen Errungenschaften derjenigen ethnischen Gruppen, die die Halbinsel besiedelt hatten, wie eben auch die Muslime im Mittelalter. In Altamiras Hauptwerk, der „Historia de España y de la civilización española“ steht die Schilderung von muslimischen Gesetzen, von der Differenzierung arabischer Sprachen, des Unterrichtssystems, der Philosophie und Literatur der Muslime im Mittelalter neben denen der entsprechenden christlichen Königreiche. Den muslimischen Einfluss, das so unbequeme Thema für konservative Historiker, thematisierte er explizit auf mehreren Ebenen: „Der Gegensatz politischer Interessen und der konstante Kampf zwischen den christlichen Zentren der Halbinsel und den Invasoren darf nicht zu Fehlschlüssen bezüglich der gewöhnlichen Beziehungen zwischen beiden führen. Außerhalb der Schlachtfelder behandelten sich beide Völker oft herzlich und vertraut. [. . . ] Die Vermischung musste in allen sozialen Klassen zahlreich gewesen sein, was auch der Frauenmangel innerhalb der kriegerischen Eindringlinge nötig machte. [. . . ] In dieser Hinsicht überwogen die einzelnen Übereinkünfte sogar die religiösen Gefühle, die andererseits nicht während der ganzen Zeit eine Schranke waren, die mit unüberwindbarem Hass die einen von den anderen trennte. Dies sieht man auch daran, dass es kaum einen Krieg gibt, in dem auf der einen Seite nur Muslime und auf der anderen nur Christen stehen, sondern vielmehr, dass auf beiden Seiten gemischte Truppen beiderlei Herkunft kämpfen.“45
So offen wie Altamira Ehen zwischen Angehörigen der verschiedenen Religionen thematisierte, schlüsselte er auch den vielfach mythisierten Begriff der reconquista auf. Er differenzierte zwischen einer „unifizierenden Wirkung“ der reconquista, die die Christen untereinander vereinte, und einer „dissoziierenden Wirkung“, die einen Partikularismus innerhalb der christlichen Königreiche bewirkt habe.46 In diesen parallelen Entwicklungen sah Altamira den Grund für die unterschiedlichen Geisteshaltungen Spaniens und für den in seiner Zeit spürbaren territorialen Gegensatz zwischen dem kastilischen Zentralstaat und den peripheren Autonomiebewegungen. Er thematisierte Verbindungen zwischen mittelalterlichen Christen und Muslimen und würdigte letztere in ausführlichen Beschreibungen, teilte aber letztlich die Ansicht, sie seien „nicht spanisch“. In einem seiner späteren Werke sah er die Verbreitung und Bewahrung jüdischen und muslimischen Kulturerbes des Mittelalters, aber auch die „Rettung Europas vor der muslimischen und türkischen Gefahr“ als zivilisatorischen Verdienst Spaniens an,47 was ihn in die Nähe konservativer Darstellungen brachte. 45 46 47
Rafael Altamira: Historia de España y de la civilizacion española, Barcelona 2001 [EA 1900], Bd. 1, S. 159f. Vgl. Rafael Altamira: Histoire d´Espagne, Paris 1931, S. 90. Rafael Altamira: Los elementos de la civilización y del carácter españoles, Buenos Aires 1950, S. 278.
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2. Der Islam als historischer Gegner
So fanden in Altamiras Werk Erzählungen von reconquista und convivencia Platz. Sein weit verbreitetes Werk fand Beifall von vielen Seiten, Menéndez y Pelayo etwa lobte die „Historia de Espana y de la civilización española“ ausdrücklich.48 Dies kann dadurch erklärt werden, dass Altamira Meinungen konservativer Autoren teilte, wenngleich seine Aussagen ein anderes Ziel hatten. Damit ist er ein Beispiel dafür, dass die spanischen historischen Erzählungen sich weniger in ihren Inhalten unterschieden als in der Art und Weise der Argumentation und der Bewertung. 2.1.5 Kultureller Einfluss unter Vorbehalt: Ramón Menéndez Pidal, Cláudio Sánchez-Albornoz Die nach 1898 intensivierten Debatten um das ser de España sorgten für eine Neubewertung der Vergangenheit weit über die Historikerkreise hinaus. Bedeutende Intellektuelle wie Ángel Ganivet (1865–1898) als ein geistiger Vorläufer der Generación del 98 sowie so unterschiedliche Autoren wie Miguel de Unamuno (1864–1936), Ramiro de Maeztu (1875–1936) oder José Ortega y Gasset (1883–1955) thematisierten in ihren Schriften und Diskussionen das ser de España und die Frage einer europeización oder africanización der Nation.49 Die Frage nach der Religion war davon meist nicht zu trennen. Der Historiker Altamira stand für einen säkularen Blick auf das Mittelalter. Doch die Veränderungen im Denken zeigten sich auch in einer neuen Generation traditionell orientierter Historiker und ihrer Bewertung dieser Epoche. Ramón Menéndez Pidal (1869–1968), prominenter Vertreter der Generación del 98 und erster Leiter des 1910 gegründeten Centro de Estudios Históricos, war einst Schüler von Menéndez y Pelayo gewesen. Im Unterschied zu diesem marginalisierte er nicht das muslimische Mittelalter, sondern sah die Epoche insgesamt als wichtigen Referenzpunkt für die nationale Geschichte an. In seinen philologisch-literarischen Studien, besonders zum Heldenepos „Cantar del mio Cid“ (Lied von meinem Cid), suchte er die Essenz des spanischen, insbesondere kastilischen Wesen zu ergründen. Aus seiner Kenntnis der spanischen Arabistik heraus formulierte er auch den Topos Spaniens als Bindeglied zwischen Christentum und Islam. Er betonte, dass „die großen kulturellen Erfolge des Mittelalters den Muslimen zu verdanken seien, vor allem vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, in denen Arabisch die Sprache des Fortschritts ist, nicht Latein.“50 Den kulturellen Austausch zwischen Christen und 48 49
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Boyd: Historia patria, S. 143. Vgl. aus der Fülle von Texten etwa Ángel Ganivet/Miguel de Unamuno: El porvenir de España, Madrid 2005 [EA 1898]; Miguel de Unamuno: Sobre la europeización, in: ders., Obras completas. Hrsg. von Ricardo Senabre. Bd. 8: Ensayos, Madrid 2007, S. 999–1016; José Ortega y Gasset: España invertebrada, Madrid 1922 [EA 1921]; Ramiro de Maeztu: Defensa de la Hispanidad, Madrid 1946 [EA 1943]. Ramón Menéndez Pidal: España, eslabón entre cristiandad e islam, in: ders.: Islam y cris-
2.1 Die Suche nach einem ser de España
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Muslimen exemplifizierte er an seinem ureigensten Forschungsgebiet, dem historischen Cid, und betonte: „Der Cid beschäftigte sich in Valencia mit arabischen Autoren, er wäre ein Barbar gewesen, wenn er sich dort nicht von der Literatur der Besiegten hätte durchdringen lassen.“51 Ging Menéndez Pidal mit solchen Bemerkungen deutlich weiter als viele konservative Autoren des 19. Jahrhunderts, die jeglichen Austausch ablehnten, so machte er gleichzeitig deutlich, dass der Cid trotz allem ein urspanischer, christlicher Held gewesen sei und sich „stärker in seiner Abendländlichkeit“52 gefühlt hätte. Dies deckt sich mit der Grundannahme Menéndez Pidals, dass ein „Spanien“ als eine Art historische Essenz schon lange vor dem Mittelalter bestand und dass die muslimische Zeit dieses Spanien nur kulturell beeinflusst hätte.53 Diese Linie führte Menéndez Pidals Schüler Cláudio Sánchez-Albornoz (1893–1984) weiter. 1929 veröffentlichte er in der Revista de Occidente den Aufsatz „España y el islam“.54 Dieser enthält bereits zentrale Thesen, die Sánchez-Albornoz später als Reaktion auf Americo Castros „España en su historia“ ausführen und in vielen Publikationen, insbesondere seinem „España – un enigma histórico“ (Spanien, ein historisches Rätsel) darlegen sollte.55 Auch für Sánchez-Albornoz war das Mittelalter ein zentraler Referenzpunkt nationaler Vergangenheit, doch seine Thesen waren deutlich schärfer als die von Menéndez Pidal. Als einzige Leistung der islamischen Epoche hob er den Einfluss der „arabisch-spanischen Kultur“ hervor, die „üppigste Früchte hervorbrachten, den hispanischen Geist kultivierten und ihn für eine frühe Aufnahme der Renaissance auf unserem Boden und für die herrliche Blütezeit des Goldenen Zeitalters vorbereiteten.“56 Abgesehen davon sprach Sánchez-Albornoz von einem „fatalen Einfluss der sarazenischen Herrschaft in Spanien auf das wirtschaftliche Leben und die politische Organisation“.57 Besonders beißend wurde die Kritik dadurch, dass Sánchez-Albornoz dem
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tianidad. España entre las dos culturas. Hrsg. von Álvaro Galmés de Fuentes, Malaga 2001, Bd. 1, S. 33–36 (erstmals veröffentlicht in Philologisch-Philosophische Studien, Festschrift für Eduard Wechssler, Jena/Leipzig, S. 111–114). Ebd., S. 34. Ebd., S. 35. Vgl. dazu auch eine ausführliche Version aus dem Jahr 1952: Ramón Menéndez Pidal: España como eslabón entre el cristianismo y el islam, in: ders.: Islam y cristianidad, Bd. 1, S. 37–75 (conferencia inaugural del Instituto Egipcio de Estudios Islámicos en Madrid, el 19 de febrero de 1952, publicada en la Revista del Instituto Egipcio de Estudios Islámicos, Madrid 1953, S. 1–20). Ausführlich dazu Monroe: Islam and the arabs, S. 251–256. Claudio Sánchez-Albornoz: España y el islam, in: ders.: De la invasión islamica al estado continental (entre la creación y el ensayo, Sevilla 1974, S. 15–40 (erstmals erschienen in der Revista de Occidente, Bd. 24/1929, Nr. 57). In einem 1977 erschienenen Vorwort seines „España – un enigma historico” bezeichnet Sánchez-Albornoz den frühen Aufsatz España y el islam als Synthese seiner Gedanken zu diesem Thema: Sánchez-Albornoz: España, un enigma histórico, Bd. 1, S. III. Sánchez-Albornoz, España y el islam, S. 36. Ebd., S. 32.
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2. Der Islam als historischer Gegner
mittelalterlichen Islam die Rolle einer Art historischen Sündenbocks für die aktuelle Rückständigkeit Spaniens zuschob: „Ohne den Islam hätte ein vereintes Spanien, wenngleich feudalisiert, [. . . ] Zusammenhalt und Kraft besessen, an denen es im 16. Jahrhundert mangelte [. . . ]. Ohne den Islam wäre der spanische Reichtum ebenso gewachsen wie der der Nachbarländer des Westens und hätte es mit ihnen aufnehmen können [. . . ] Und ohne den Islam [. . . ], mit einer weniger allmächtigen Monarchie, mit einer Führungsschicht, die vor allem um die nationalen Geschicke besorgt gewesen wäre und mit einem Volk mit normaler religiöser und kriegerischer Empfindung hätte die Nation sich nicht von den militärischen Abenteuern der Habsburger über die Grenzen ihrer notwendigen Interessen mitreißen lassen und hätte sich gegen den Despotismus einer ausländischen Dynastie zu wehren gewusst, deren Außenpolitik Spanien wirtschaftlich ruinierte, deren Innenpolitik das zentrale Problem der hispanischen Einheit ungelöst ließ und die den spanischen Geist für Jahrhunderte auslöschte.“58
Der Angriff Sánchez-Albornoz‘ auf die Habsburger als Ursache für Feudalismus, Absolutismus und innere Zerrissenheit war nicht neu. Diese Vorstellung hatten schon Liberale des 19. Jahrhunderts gepflegt.59 Hier war Sánchez-Albornoz wenig im Einklang mit nationalkatholischen Deutungen.60 Insgesamt zeigte der Republikaner Sánchez-Albornoz eine Nähe zu liberalen Vorstellungen, verband diese aber mit einer feindlichen Haltung gegenüber den Islam, wie sie häufig in katholisch-konservativen Kreisen zu finden war. Menéndez Pidal und Sánchez-Albornoz sind zwei Beispiele dafür, wie im Gegensatz zum 19. Jahrhundert in den 1920er Jahren dezidiert katholische Autoren sich dem islamischen Mittelalter zuwandten und ihm eine wichtige, wenngleich nicht unumstrittene Rolle in der nationalen Vergangenheit zuwiesen. Sie zeigen auch, dass die Erkenntnisse der Arabistik61 sich in der wissenschaftlichen Landschaft etablieren konnten. Im Umfeld der 1920er-Jahre sind auch die Ursprünge der Debatte zwischen Sánchez-Albornoz und Castro anzusiedeln. Deren ähnliche historische Ausbildung in der laizistischen Institución Libre de la Enseñanza, eine gemeinsame republikanische, antifranquistische politische Grundhaltung und die Erfahrung des Exils verhinderten nicht, dass zwischen ihnen die wohl heftigste Debatte über das islamische Mittelalter entbrannte. Möglicherweise wirkte die Tatsache, Spaniens Schicksal aus der Ferne zu verfolgen, gerade als Katalysator. Bereits vor Bürgerkrieg, Franquismus und Exil stand der Diskussionsstoff zur Verfügung, der die Debatte ab 1948 in Gang setzen sollte.
58 59 60 61
Ebd., S. 38f. Alvarez Junco: Mater dolorosa, S. 404, 426, 431. Vgl. auch Boyd: Historia patria, S. 285. Vgl. ausführlich dazu Kap. 3.1.1.
2.1 Die Suche nach einem ser de España
57
2.1.6 Der Islam in den Geschichtsbildern peripherer Nationalismen: Das Beispiel Baskenland Die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstehenden peripheren Nationalbewegungen schufen Geschichtsbilder, die in Konkurrenz zu den kastilischzentralistischen traten. Dies wirkte sich auch auf die Darstellung der moros aus. Insbesondere der radikale baskische Nationalismus von Sabino Arana Goiri (1865–1903), Gründer des Partido Nacional Vasco (PNV), versuchte, die kastilischen Geschichtsbilder mit den eigenen Waffen zu schlagen: Während diese den Abwehrkampf gegen die Mauren als ihre wichtigste Leistung feierten, behauptete Arana, im Baskenland hätte es so gut wie keine muslimische Präsenz gegeben.62 Vorläufer dieses Topos existierten bereits in der Frühen Neuzeit, die sich unter anderem im Privileg der Verleihung des Kollektivadels (hidalguía universal) niederschlug: Basken mussten für den Eintritt in königliche Dienste nicht den Nachweis der „Blutreinheit“ erbringen.63 Arana, wichtigster Theoretiker einer ethnisch basierten baskischen Nation, entwickelte daraus die antikastilische These, dass das Baskenland nicht nur in ethnischer Hinsicht reiner, sondern auch in religiöser Hinsicht katholischer sei als Spanien.64 Er ersetzte den traditionellen Namen des Baskenlandes Euskal Herria als Land derjenigen, die euskera sprachen, durch den Neologismus Euzkadi als Verband aller Menschen baskischer Rasse.65 Die Idee der Rassenreinheit als Grundlage der baskischen Nation verteidigte Arana in seinen Schriften bis zu dem Grad, dass der Name einer Person Aufschluss darüber gäbe, ob dieser euskeriano oder maketo66 sei. Ehen mit Nichtbasken seien unbedingt zu vermeiden, nicht nur, um die Rasse, sondern auch den religiösen Geist rein zu erhalten.67 Für Arana waren die Basken die älteste Rasse der Halbinsel und die Provinz Vizcaya (baskisch: Bizkaia), an der er seine Theorien für das Baskenland exemplifizierte, die Region, die „nicht einmal die kriegerischen Söhne 62
63 64 65 66
67
Auch unter katalonischen und galicischen Nationalisten kursierte die Vorstellung einer zahlenmäßig kleinen oder nicht vorhandenen muslimischen Bevölkerung des Mittelalters als Abgrenzungsmerkmal zu Spanien. Eine systematische Untersuchung der Geschichtsschreibung auf diesen Aspekt hin liegt meines Wissens noch nicht vor. Zu Katalonien und Kontakten mit der islamischen Welt von Mittelalter bis Früher Neuzeit allgemein vgl. den Sammelband Josep Giralt (Hrsg.): El Islám y Cataluña, Barcelona/ Granada 1998. Carlos Collado Seidel: Die Basken. Ein historisches Porträt, München 2010, S. 54–56. Zum ethnischen Aspekt von Aranas Nationalismus siehe Stallaert: Etnogénesis y etnicidad, S. 76; Collado Seidel: Die Basken, S. 196f. Javier Corcuera Atienza: La patria de los vascos. Orígenes, ideología y organización del nacionalismo vasco (1876–1903), Madrid 2001, S. 42. Der aus Bilbao stammende Begriff bezeichnete „denjenigen, der von außen kommt.“ Vgl. Antonio Elorza: Un pueblo escogido. Génesis, definición y desarrollo del nacionalismo vasco, Barcelona 2001, S. 183. Corcuera Atienza: La patria de los vascos, S. 426; Stallaert: Etnogénesis y etnicidad, S. 81.
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2. Der Islam als historischer Gegner
Mohammeds besiegen und unterwerfen konnten.“68 Als die spanischen Zeitungen während des Rif-Kriegs 1893 Stereotype von angeblich verräterischen und blutrünstigen moros beschworen, benutzte Arana die Feindschaft zwischen Spaniern und moros, um das Verhältnis zwischen Spaniern und Basken zu kennzeichnen: „Die maketos. Das sind unsere Mauren. Mit einem Unterschied: die Mauren hassen die Spanier, weil sie zum Teil von ihnen dominiert werden, und die maketos sind diejenigen, die uns versklaven [. . . ] und nicht aufhören werden, bis sie unsere Rasse auslöschen.“ Das populäre Sprichwort „hay moros en la costa“ (Es ist Gefahr im Verzug, wörtlich: „Mauren an der Küste“), träfe nicht aufs Baskenland zu, denn die maketos hätten sich dort schon lang eingenistet.69 Arana wendete das prominenteste spanische Feindbild gegen den kastilischen Zentralstaat, um damit seinen Hass gegen „unsere nationalen Parasiten“70 zum Ausdruck zu bringen. Die Fixierung ihres Gründers auf Ethnizität musste von der PNV in dem Maß aufgehoben werden, in dem sie Anfang des 20. Jahrhunderts auf breiter Basis Stimmen sammeln wollte. Der ethnische Faktor war dann nur noch einer von vielen neben solchen, die anschlussfähiger für breitere Schichten waren, wie etwa Liebe zur baskischen Heimat, Beherrschung der baskischen Sprache oder der Geburtsort.71 Dennoch blieb das angebliche Fehlen des Islam auf baskischem Territorium ein wichtiger Topos in der baskischen Geschichtsschreibung vor dem Bürgerkrieg. Die faktenreiche Darstellung von Estanislao de Labayru (1845–1904) beschrieb den Abwehrkampf der Basken gegen die einfallenden muslimischen Truppen.72 Bernardo Estornés Lasa (1907–1999), der eine Verwandtschaft der Iberer mit den Basken bestritt, schilderte die Kämpfe der Basken gegen den Islam als Kampf um die Existenz des Volkes.73 Im Gegensatz dazu betonte Gregorio de Balparda (1874– 1936), Politiker aus Bilbao und Gegner des baskischen Nationalismus in seiner zentralistischen Geschichtsschreibung, dass das Baskenland während der muslimischen Eroberung keinerlei Ausnahme dargestellt habe. Damit wandte er sich gegen die baskisch-separatistischen Geschichtsentwürfe.74 Die antiislamischen Vorstellungen des baskischen Nationalismus waren damit de facto antikastilische Vorstellungen. Historische muslimische Präsenz wurde unterdrückt und marginalisiert, nicht thematisiert. Doch was für die Geschichte galt, galt nicht in gleichem Maß für die Gegenwart. Die 68 69 70 71 72 73 74
Sabino Arana Goiri: ¿Somos Españoles?, in: ders.: Obras escogidas: antologia política, San Sebastián 1978, S. 152–157, S. 155. Sabino Arana Goiri: Nuestros moros, in: ders.: Obras escogidas, S. 183–184, S. 183. Ebd. Corcuera Atienza: La patria de los vascos, S. 430. Estanislao de Labayru y Goicoechea: Historia General del señorío de Bizcaya, Bilbao 1967 [EA 1895], S. 269–272. Bernardo Estornés Lasa: Historia del pais basko, Zarauz 1933, S. 26 u. S. 73. Gregorio de Balparda: Historica crítica de Vizcaya y de sus fueros, Madrid 1924, Bd. 1, S. 157f.
2.2 Die Suche nach den Ursprüngen Portugals
59
Gruppe Aberri (Heimat) etwa ergriff während des Rifkriegs75 die Partei des marokkanischen Unabhängigkeitskämpfers Abd el-Krim. In ihrer gleichnamigen Zeitschrift versuchte sie, die vom Großteil der kastilischen Presse beförderten Stereotypen der wilden und barbarischen moros durch das eines mutigen und für die Unabhängigkeit seiner Heimat kämpfenden Patrioten zu ersetzen.76 Auch wenn die von Arana geprägten rassistischen Vorstellungen noch existierten, machte dieses Beispiel deutlich, dass es vor allem um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ging. Aberri war mit dem Vorschlag einer Vierer-Allianz, bestehend aus dem Baskenland, Katalonien, Galicien und der Rif-Republik, in der Unterstützung der Marokkaner radikaler als etwa katalanische Nationalisten.77 In Katalonien wiederum wechselte die Haltung nationalistischer Gruppierungen gegenüber den Kriegen in Marokko von der patriotischen Begeisterung bürgerlicher Schichten über den Krieg 1859–1860 und einer entsprechenden antimarokkanischen Stimmung78 bis hin zu Solidaritätsbekundungen mit den Marokkanern in den 1920er Jahren und der Distanzierung vom Krieg als einem rein spanischen Konflikt, der Katalonien nichts angehe.79 Wenn der Islam gegen Spanien kämpfte, dann konnte er auch von den peripheren Nationalisten unterstützt werden.
2.2 Der Islam in der Suche nach den Ursprüngen Portugals In Portugal stellte sich die Frage nach der islamischen Vergangenheit innerhalb der Suche nach politischen, kulturellen und ethnischen Ursprüngen der Nation. Es war erklärungswürdig, warum die kleine Grafschaft Portucalia am Rand der Halbinsel zu einem unabhängigen Königreich aufstieg und diese Unabhängigkeit mit Ausnahme der Iberischen Union (1580–1640) sieben Jahrhunderte behaupten konnte. Unter den portugiesischen Historikern be75 76 77 78
79
Vgl. dazu Kap. 4. Maria Rosa de Madariaga: Le nationalisme basque et le nationalisme catalan face au problème colonial au Maroc, in: Pluriel débat 13/1978, S. 31–54, S. 37. Ebd., S. 47f. Vgl. dazu Albert Garcia Balanà: Patria, plebe y política en la España isabelina: la guerra de África en Cataluña (1859–1860), in: Eloy Martín Corrales (Hrsg.): Marruecos y el colonialismo español (1859–1912). De la Guerra de África a la penetración pacífica, Barcelona 2002, S. 13–77. Eloy Martín Corrales: El catalanismo y el andalucismo ante la aventura colonial en Marruecos, in: Actas del 3er Congreso de Historia Catalano-Andaluza. Cataluña y Andalucía, 1898–1939, Barcelona 2003, S. 155–191, S. 163–165; ders.: El nacionalismo catalán y la expansión colonial española en Marruecos: de la guerra de África a la entrada en vigor del Protectorado (1860–1912), in: ders. (Hrsg.): Marruecos y el colonialismo español, S. 167–215.
60
2. Der Islam als historischer Gegner
stand Einigkeit, dass die nationale Formierung vor allem mit Krieg verbunden gewesen war: sowohl gegen Christen als auch gegen Muslime. Damit war der islamische Gegner in den Gründungserzählungen Portugals an prominenter Stelle präsent. Seine Rolle und Einflüsse bei der Entstehung Portugals mussten von den Historikern eingeordnet werden. In kirchlichen Interpretationen, die die christliche Prägung als essentiell ansahen, erschienen die Kämpfe gegen den Islam als göttlicher Auftrag, mit dem Portugals Unabhängigkeit sakralisiert wurde. Laizistische Autoren, denen religiöse Faktoren und Einflüsse wenig galten, betonten das politische, voluntaristische Element der portugiesischen Nationsbildung, in der der Islam als einer von mehreren politischen Gegnern auftrat. Einen dritten Weg, die Ethnisierung portugiesischer Ursprünge, schlugen diejenigen ein, die sich von kirchlichen Lesarten distanzierten, aber sich mit einer rein politischen Erklärung nicht zufrieden geben wollten. Bei diesen unterschiedlichen Autoren herrschte wenig Einigkeit darüber, was die Schlüsselmomente mittelalterlicher Geschichte seien. Kämpfe mit islamischen Gegnern wie die Schlacht von Ourique (1139) oder die Eroberung Lissabons (1147) wurden unterschiedlich betont und gewichtet. Als relevanter wurde die Auseinandersetzung mit León oder Kastilien wie die Schlacht von Aljubarrota (1385) wahrgenommen: Vom damaligen Gegner konnte eine Linie zum Nachbarland Spanien gezogen werden, das die intellektuelle Elite des 19. Jahrhunderts größtenteils skeptisch betrachtete. Dem Jahr 711 kam in Portugal weniger Gewicht zu, da in einer Lesart, die Portugal mit nationaler Unabhängigkeit gleichsetzte, dieses Ereignis in einer nationalen Vorgeschichte stattfand. In einer eher politisch als christlich orientierten Lesart versagte auch der Mythos der reconquista, galt doch die Ausbreitung des neuen Königreichs nach Süden vielmehr als eine Art conquista, ein Ringen um die Vergrößerung von Territorium. So waren es weniger punktuelle Ereignisse wie Schlachten als vielmehr Prozesse wie der zum Aufbau und zur Stabilisierung der Unabhängigkeit, für die sich diese Historiker interessierten.80 Dies zeigt sich unter anderem darin, dass dem definitiven Fall der letzten muslimischen Stadt Silves an der Algarve (1249) keine besondere Aufmerksamkeit zukam und dieses Ereignis nicht in eine nationale Mythologie einging. In ihren Entwürfen der nationalen Ursprünge suchten die Historiker eher die Art und Weise des Kontakts mit den Muslimen und ihren Einfluss auf Kultur und Sprache zu ergründen. Auch hier sollen repräsentative Beispiele für wichtige historische Argumentationslinien angeführt werden: für politisch-säkulare (Alexandre Herculano, Joaquim de Oliveira Martins), für ethnisierende (Teófilo Braga) sowie für katholische (José de Sousa Amado, Fortunato de Almeida).
80
Insbesondere gilt dies für Alexandre Herculano. Vgl. Sérgio Campos Matos: Historiografia e Memória Nacional no Portugal do Séc. XIX (1846–1898), Lissabon 1998, S. 319f.
2.2 Die Suche nach den Ursprüngen Portugals
61
2.2.1 Entmythologisierung: Alexandre Herculano de Carvalho e Araujo Das historische Werk Alexandre Herculanos (1810–1877), das die wohl wichtigste Zäsur in der portugiesischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts darstellt,81 ist auch eine Wende in der Darstellung der muslimischen Vergangenheit: Herculano räumte dem Islam einen signifikanten Platz in seiner historischen Darstellung ein und befreite das Bild des Kontakts zwischen Muslimen und Christen von mythisierenden älteren Vorstellungen, die sich bis ins 19. Jahrhundert hielten. Beeinflusst von romantisierenden Nationsvorstellungen in Europa sah Herculano die Elemente Rasse, Sprache und Territorium als konstitutiv für eine moderne Nation an,82 die aber für Portugal nicht zuträfen. Herculano bestritt jede ethnische, territoriale und sprachliche Kontinuität von den keltischen Lusitaniern zu einer portugiesischen Nation.83 Damit brach er mit einem der erfolgreichsten Ursprungsmythen Portugals, der seit dem 15. Jahrhundert weit verbreitet war.84 Die Eigenstaatlichkeit Portugals sei vielmehr ein politischer Akt, sein Ausgangspunkt das Jahr 1096/97, als der burgundische Graf Henrique vom leonesischen König Alfons VI. die Grafschaft Portucalia als Lehen erhielt. Für Herculano ebneten die Erhebung von Henriques Sohn Afonso Henriques gegen León und die Eroberung muslimisch beherrschten Territoriums den Weg zur Unabhängigkeit:85 „Die neue Monarchie setzte sich aus zwei Fragmenten zusammen, einem leonesischen und einem sarazenischen: In ersterem hatte sie ihren Ursprung und teilte mit ihm, wenn wir so wollen, Funktionsweise und Gestalt der Gesellschaft. Letzterem drückte sie als Siegerin die eigenen Charakteristika auf, obwohl sie, wie es geschehen musste, von dieser grundlegende Änderungen erfuhr. Diese beiden Tatsachen gehören zur Geschichte der Zivilisation unseres Landes, sie stellen die Quellen dieser Zivilisation dar.“86
Herculano unterstrich den muslimischen Anteil des neuen Staates, was sich aus seiner Haltung zur Religion erklären lässt. Zwar war er ein wichtiger Repräsentant des unter portugiesischen Intelektuellen weit verbreiteten liberalen Antiklerikalismus, kritisierte heftig den Ultramontanismus und die Dogmen 81
82 83 84
85 86
Vgl. die Untersuchungen, die Herculanos Werk als zeitliche und analytische Zäsur setzen: A historiografia portuguesa anterior a Herculano. Actas do coloquio, Lissabon 1977; A historiografia portuguesa de Herculano a 1950. Actas do colóquio, Lissabon 1978. Alexandre Herculano: Historia de Portugal. Desde o começo da monarquia até o fim do reinado de Afonso III, Lissabon 1980, [EA 1846–1851], Bd. 1, S. 42. Ebd., S. 81f. Fernando Catroga: Alexandre Herculano e o Historicismo Romantico, in: ders./Luís Reis Torgal/José Maria Amado Mendes: História da História em Portugal séculos XIX–XX. 2 Bde., o. O. 2. Aufl. 1998, S. 44–98, S. 82; Matos: Historiografia e Memória Nacional, S. 315. Alfons VII. von Léon erkannte 1143, Papst Alexander III. 1179 Portugal als Königreich und Afonso Henriques als König an. Herculano: Historia de Portugal, Bd. 1., S. 83.
62
2. Der Islam als historischer Gegner
von 1854 und 1870.87 Gleichzeitig betonte er die soziale Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft und setzte sich für die Integration christlicher Unterweisungen im Schulunterricht ein.88 Die Geschichtsschreibung sah er als säkulare Wissenschaft an und distanzierte sich von klerikalen historischen Interpretationen. Diese Distanz zeigte sich in der Relativierung mythischer Vorstellungen wie des sogenannten milagre de Ourique (Wunder von Ourique). Die „Crónica de 1419“(Chronik von 1419) hatte die schon in älteren Chroniken erwähnte Schlacht von Afonso Henriques gegen die Mauren mythischreligiös überhöht: Am Vorabend der Schlacht, die angeblich am Tag des Kreuzzugsheiligen Santiago, dem 25. Juli 1139, stattfand, sei dem portugiesischen Anführer Christus erschienen und habe ihm den Sieg vorhergesagt.89 Diese portugiesische Version der Legende um Kaiser Konstantin und der Schlacht an der Milvischen Brücke war unverzichtbarer Bestandteil aller Gründungsmythologien, die die Entstehung Portugals als von der göttlichen Vorsehung gewolltes Ereignis zu stilisieren suchten. Bis ins 19. Jahrhundert galt Ourique als Gründungsmoment der Nation: Religiöse Autoren pflegten den Mythos, um einen politischen Akt heilsgeschichtlich zu untermauern. Andere distanzierten sich vom religiösen Gehalt, sahen aber die Schlacht als Gründungsdatum der portugiesischen Monarchie an, da angeblich Afonso Henriques nach dem Sieg zum ersten König Portugals proklamiert wurde.90 Herculano hingegen reduzierte die Bedeutung Ouriques auf einen fossado, einen der gewöhnlichen, jährlichen Einfälle und Raubzüge in feindliches Territorium und sprach ihm damit politische Bedeutung ab.91 Damit löste er eine der erbittertsten wissenschaftlichen Debatten Portugals im 19. Jahrhundert aus, in der sich seine Befürworter und Gegner über zehn Jahre lang heftige Wort- und Schriftgefechte lieferten.92 Im Zug der Revision von Mythen wie Ourique brach Herculano auch die Vorstellung zweier sich unversöhnlich gegenüberstehender Blöcke der Religionen im Mittelalter auf, ohne dies in eine romantisierende convivênciaVorstellung zu überführen. Vielmehr nannte er politische Gründe wie die 87 88 89
90 91 92
Vítor Neto: O Estado, a Igreja e a sociedade em Portugal (1831–1911), Lissabon 1998, S. 327. Vasco Pulido Valente: Uma Educação Burguesa. Notas sobre a Ideologia do Ensino no Século XIX, Lissabon 1974, S. 18. Vgl. zur mittelalterlichen Entstehung dieser Legende Luís Filipe Lindley Cintra: Sobre a formação e evolução da lenda de Ourique, Lissabon 1957; Monica Blöcker-Walter: Alfons I. von Portugal. Studien zu Geschichte und Sage des Begründers der portugiesischen Unabhängigkeit, Zürich 1966; Luis Carmelo: O milagre de Ourique ou um mito nacional de sobrevivência, Online-Publikation http://www.bocc.ubi.pt/pag/ carmelo-luis-Ourique.pdf (19. 1. 2009). Matos: Historiografia e Memória Nacional, S. 316. Herculano: Historia de Portugal, Bd. 1., S. 436. Ana Isabel Carvalhão Buescu: O Milagre de Ourique e a Historia de Portugal de Alexandre Herculaneo. Uma polémica oitocentista, Lissabon 1987, zur Debatte S. 18–32.
2.2 Die Suche nach den Ursprüngen Portugals
63
zwischen den Religionen wechselnden Söldnerdienste des kastilischen Cid und Bündnisse zwischen Afonso Henriques und muslimischen Herrschern als Beispiele dafür, dass die Religion keine unüberwindbare Schranke gewesen sei. Er wandte sich damit gegen die Darstellungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Chronisten: „Fasziniert vom Spektakel religiösen Eifers hatten die Historiker vergessen, dass es neben diesem auch andere menschliche Leidenschaften gab [. . . ], sie hatten vergessen, dass Machtstreben, Rache, Stolz, Furcht, Feigheit oder jede andere der zahlreichen menschlichen Leidenschaften, die mit religiösem Eifer kontrastieren oder diesen unterwerfen, die soziale Einheit brachen, die von der religiösen Idee hergestellt wurde. Und sie schufen, im Gegensatz dazu, Beziehungen und Bande, die sich auf Interessen und politische Ähnlichkeiten gründeten.“93
Herculano widmete sich der Vergangenheit auch als Verfasser historischer Romane, die dank Sir Walter Scott zu einem literarischen Erfolgsgenre des 19. Jahrhunderts avanciert waren. Während „O monge de Cister“ (Der Zisterziensermönch) das Leben der Muslime unter der Herrschaft König Johanns I. streift, schildet „Eurico o Presbytero“ (Eurich der Priester) die unglückliche Liebe eines westgotischen Priesters zur Schwester des Feldherrn und Helden von Covadonga, Pelayo. Darin erscheinen die Araber als furchterregende, blutrünstige Invasoren. In einer dramatisch konstruierten Schlüsselszene des „Eurico“ lassen sich die jungen Nonnen eines Klosters am Altar von ihrer Äbtissin erstechen, um der Vergewaltigung durch die Feinde zu entkommen und als Märtyrerinnen zu sterben. Die Äbtissin selbst fällt als letzte durch die Krummsäbel der eindringenden Araber. Vereinfachende Sichtweisen, die Herculano als Wissenschaftler aufzubrechen suchte, erlaubte er sich als Romancier: Melodramatische Szenen wie diese dienten zur Erzeugung von Spannung und waren auch der Publikumserwartung geschuldet. Neben dem Spannungsfeld von Fiktion und Wissenschaft bewegte sich Herculanos Werk in dem von Politik und Kultur: Das muslimische Kulturerbe schätzte er als gering ein. Der Verdienst der Mozaraber sei es eher gewesen, hispanisch-römisches Erbe zu bewahren als arabisches zu überliefern.94 Herculanos These von der politischen Nationsbildung Portugals korrespondierte mit der entsprechenden Wahrnehmung des Islam als einer von mehreren politischen Gegnern. Seine Abrechnung mit providentialistischen Mythen prägte viele Autoren in seiner Nachfolge.95 Er lieferte damit eine historische Meistererzählung, die den Islam befreit vom religiösen Gegensatzdenken wahrnahm, und damit grundsätzlich eine vielschichtige Deutung für die Nationalgeschichte erlaubte. 93 94
95
Herculano: Historia de Portugal, Bd. 3, S. 227. António Dias Farinha: A civilização árabe na obra de Herculano, in: Alexandre Herculano à luz do nosso tempo. Hrsg. von der Academia Portuguesa da História, Lissabon 1977, S. 323–340, S. 338. David Lopes, erster universitärer Arabist Portugals, ergänzte später Herculanos Ausführungen zu Islam und Muslimen, vgl. Kap. 3.2.1.
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2. Der Islam als historischer Gegner
2.2.2 Unterweisung: Joaquim Pedro de Oliveira Martins Der Historiker und Politiker Joaquim de Oliveira Martins (1845–1894) hob in seiner Darstellung des Islam vor allem dessen zivilisatorische Bedeutung hervor. Wie Herculano verwarf er ethnische Ursprünge der Nation und betonte ihren politischen Aspekt. Portugal war für ihn keine Nationalität, die für ihn auf ethnischen Prinzipien beruhte, sondern eine Nation, die auf einem willentlichen Zusammenhalt gründe und als moralische Größe fortdauere.96 Diese moralische Größe konnte für Oliveira Martins durch einen wenig moralischen Akt entstehen: Die Nation Portugal verdanke ihre Gründung dem „tapferen, mittelmäßigen, ehrgeizigen, brutalen und heimtückischen Charakter des Afonso Henriques“97 , ihre Fortdauer und Existenz der Zustimmung der späteren Generationen zu diesem Akt. Damit war der in seiner Jugend mit den Sozialisten sympathisierende Republikaner Oliveira Martins weit entfernt von providentialistischen, monarchischen Vorstellungen. Ebenso lehnte er einen geographischen Determinismus für die portugiesische Nation ab, deren territoriale Grenze für ihn auf reiner Konvention beruhte.98 Im Unterschied zu Herculano schien ihm der portugiesische Charakter blass und wenig aussagekräftig. Daher suchte er in seiner „História da civilização ibérica“ (Geschichte der Iberischen Zivilisation) und zahlreichen anderen Schriften Fragen nach der Originalität einer Zivilisation, den Ursachen gesellschaftlicher und politischer Dekadenz oder einem nationalen Geist auf der Ebene der ganzen Halbinsel zu beantworten. Der Einfall der Araber sei für die iberische Zivilisation „das größte historische Glück der Halbinsel.“99 Im Gegensatz zu katholischen Autoren, die das höhere Alter des Christentums als Beweis seiner Überlegenheit gegenüber dem jüngeren Islam anführten, drehte Oliveira Martins dieses Bild um: „Der alte Araber, der schon die Ruhe und das Lächeln des reifen Alters erreicht hatte, nahm den ungezogenen Asturier, in dessen Brust noch alle Leidenschaften brannten, auf den Schoß, liebkoste ihn, besänftigte ihn, führte den Berauschten zu seinen Moscheen, wahren Wäldern aus Stein, ließ ihn vom orientalischen Nektar kosten und zauberhafte Legenden hören; er blendete ihn mit Gold, Farben und Edelsteinen der Tempel, der Paläste, der Gärten, der Kleider; er betörte ihn mit Träumen des Harems und schließlich sagte er ihm lächelnd, wobei er mit den Händen durch den langen weißen Bart strich: „Glaube an deinen Christus, wir nehmen es dir nicht übel.“100
In dieser ungewöhnlichen Metapher war der Islam dem Christentum an Alter und Weisheit überlegen. Er erschien nicht als martialischer Krieger, sondern 96 97 98 99 100
Fernando Catroga: História e Ciências Sociais em Oliveira Martins, in: ders./Torgal/ Mendes: História da História em Portugal, Bd. 1, S. 136–185, S. 163. Joaquim Pedro Oliveira Martins: História de Portugal, Lissabon 1988 [EA 1879], S. 78. Matos: Historiografia e Memória Nacional, S. 334. Joaquim Pedro Oliveira Martins: Os povos peninsulares e a civilização moderna, in: ders.: Política e história, Lissabon 1957, Bd. 1, S. 217–246, S. 221. Ebd., S. 221f.
2.2 Die Suche nach den Ursprüngen Portugals
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als ein gütiger, gleichwohl magischer Großvater, der den Bewohnern der Halbinsel sinnliche Unterweisungen gab. Oliveira Martins machte damit klar, dass ihm zivilisatorische Leistung als relevanter galt als das Entstehungsdatum der Religion. Zu diesen Leistungen zählte er auch religiöse Toleranz. Die Konversionen seien Resultat der Eroberungen, aber nicht des Zwangs der Herrscher gewesen, den Charakter der Intoleranz habe der Islam erst mit der Ausbreitung nach Afrika und Spanien erhalten.101 Religiöser Fanatismus fände sich bei Muslimen ebenso wie bei Christen.102 In seiner Betonung des Islam als Zivilisation hatte Oliveira Martins zahlreiche Berührungspunkte mit Rafael Altamira.103 Aber im Unterschied zu diesem sah er den muslimischen Einfluss nicht von vornherein als fremd für die Nation an. Vielmehr betonte er einen „génio irmão“, einen verwandten Geist zwischen Christentum und Islam. In der Zeit von Oliveira Martins war dies nicht ökumenisches Bekenntnis, sondern Indiz dafür, dass er die Religion nicht als entscheidendes Kriterium für nationale Grenzziehung sah. Dies wiederum resultierte aus seiner grundsätzlich distanzierten Haltung zu Kirche und Religion. Eine solche ging oft, wie schon das Beispiel von Herculano zeigte, mit einer Aufwertung der muslimischen Vergangenheit einher. 2.2.3 Romantisierung: Joaquim Teófilo Fernandes Braga Der Schriftsteller und Politiker Teófilo Braga (1843–1924) wies dem muslimischen Einfluss eine entscheidende Rolle in der Herausbildung portugiesischer Kultur zu. Von der literarischen Romantik inspiriert, sammelte er populäre Erzählungen, Bräuche und Legenden und suchte nach einer entsprechenden ethnischen Basis. Bragas Interesse hatte zwei Aspekte: Als Erforscher einer als national deklarierten Literatur entwarf er Theorien über den kulturellen Einfluss der Mozaraber.104 Als Mitglied des Partido Republicano Português diente ihm diese Theorie zur Unterstreichung seiner politischen Ziele. Braga, nach dem Sturz der Monarchie zum ersten Übergangspräsidenten der Republik ernannt und 1915 für eine kurze weitere Amtszeit gewählt, manifestierte darin republikanische Ideale. In Bragas Geschichtsbild verkörperten die Westgoten Rückständigkeit und Feudalismus, die Araber erschienen als Motor des Fortschritts, insbesondere
101 102 103 104
Joaquim Pedro Oliveira Martins: História da civilização ibérica, Lissabon 1984 [EA 1879], S. 108f. Ebd., S.118. Vgl. die vergleichende Darstellung von Núñez Seixas: History of Civilization. Braga ging von einem weitgefassten Mozaraber-Begriff aus, unter dem er „nicht nur die christliche Bevölkerung [unter muslimischer Herrschaft], sondern auch die aus Afrika gebrachten berberischen und maurischen Kolonien“ verstand. Teófilo Braga: A Pátria Portuguesa: o Território e a Raça, Porto 1894, S. 293.
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2. Der Islam als historischer Gegner
im Rechtssystem. Damit sei ihr Einfall keine Katastrophe, sondern ein Segen für die Halbinsel gewesen: „Ohne die Gegenwart der Araber hätten die westgotischen Fürsten Hispanien in den Feudalismus geführt und das Prinzip der lokalen Versammlung, Quelle aller Freiheiten, wäre verkommen zur Versammlung von Räuber- und Mörderbanden [. . . ]; ohne die Herrschaft der Araber würde das arbeitende Volk keine bürgerliche Würde kennen [. . . ] und für immer in Sklaverei enden.“105
Braga zog so ahistorische Linien, wie sie im Wort „bürgerlich“ („cívico“) aufscheinen, vom 8. Jahrhundert zu seinen Forderungen für die Politik des 19. Jahrhunderts. Dass er die Araber als Vorreiter freiheitlicher Rechte ansah, zeigte sich auch in seiner Schilderung der Assimilierung der Mozaraber. Diese habe nicht aufgrund des Drucks der Sieger stattgefunden, sondern sei Frucht der „Sympathie“ seitens der Bevölkerung sowie der „politischen und religiösen Toleranz“ der neuen Herrscher gewesen.106 Durch die islamische Herrschaft und den Kontakt mit der muslimischen Kultur seien die Mozaraber zu kulturellen Höchstleistungen inspiriert worden, die Braga als konstitutiv für die Nation ansah: „Die mozarabische Rasse ist die Essenz der portugiesischen Nation, sie war dazu bestimmt, die Literatur einzigartig und reich zu machen, wenn die Unterdrückung durch den Katholizismus und der Triumph der absolutistischen Monarchie sie nicht zerstört und dem Erdboden gleich gemacht hätten.“107
Die Kritik am römischen Katholizismus brachte Braga jedoch nicht zu einem Lob des Islam als Religion. Vielmehr betonte er, dass die Mozaraber „eine reine Form des Christentums, nicht beschädigt vom autoritären und weltlichen Trieb des römischen Katholizismus“108 praktiziert hätten. Bei der Vereinbarung der mozarabischen Theorie mit den politischen Anfängen Portugals stand er vor einem argumentativen Problem. Dies löste er dadurch, dass er die politische Rolle von Afonso Henriques minimierte und behauptete, dieser und seine Nachfolger wären dem Drängen der Mozaraber gefolgt, die durch die Unabhängigkeit ihre politischen Institutionen hätten sichern wollen.109 Er stilisierte damit die Mozaraber zum Subjekt und die ersten Könige Portugals zum Objekt einer portugiesischen Nationsbildung, um seine ethnisierende These zu unterstreichen. Bragas Theorie war häufig inkohärent, zudem wechselte er sie im Lauf seiner Beschäftigung mit dem Thema. Auch die Zeitgenossen kritisierten sie. Oliveira Martins warf Braga vor, er habe ein romantisches Ursprungskonzept für
105 106 107 108 109
Ebd., S. 280f. Ebd., S. 285. Teófilo Braga: História da litteratura portugueza, Porto 1870, S. 50. Ebd., S. 64. Braga: A Pátria Portuguesa, S. 290.
2.2 Die Suche nach den Ursprüngen Portugals
67
Portugal erfinden müssen, weil er keines gefunden hatte.110 Als prominentes Beispiel für ethnisch basierte portugiesische Nationsentwürfe zeigt sie gleichzeitig die Schwäche auf, die diese in Portugal zwangsläufig haben mussten. Es war schwierig, die politisch gewachsenen Grenzen ethnisch, kulturell oder auch geographisch rückzubinden, insbesondere da beispielsweise der Norden Portugals mehr kulturelle und geographische Ähnlichkeiten mit Galicien als mit der Algarve aufweist. Bragas Theorie zeigt auch, wie der Einfluss der islamischen Vergangenheit gegen Monarchie und römischen Katholizismus gewendet werden konnte, also gegen diejenigen Elemente, die in den Augen der Traditionalisten als genuin portugiesisch galten. Bei der Suche nach einer neuen politischen und gesellschaftlichen Ausrichtung, für die Braga stand, konnte das Bild des Islam, des Anderen schlechthin, auch zum Katalysator für Erneuerung und Wechsel stilisiert werden. 2.2.4 Abneigung und Anerkennung: Kirchliche Autoren Positive Wertungen der muslimischen Vergangenheit gingen, was die Beispiele von Herculano, Braga und Oliveira Martins zeigen, häufig mit Republikanismus, Laizismus und Distanz gegenüber klerikaler Macht einher. Unter portugiesischen Intellektuellen war diese Schicht breit. Doch gab es auch ein kirchentreues Feld, das die religiöse Prägung Portugals betonte, eine Abneigung gegen die islamische Vergangenheit hegte und dies entsprechend verbreitete. Ein Beispiel für einen solchen Text war die zehnbändige „Historia da Igreja católica em Portugal“ (Geschichte der katholischen Kirche in Portugal) des Paters José de Sousa Amado (1812–1878), die das Christentum als das konstitutiv Portugiesische proklamierte. De Sousa setzte darin ein Portugal vor der staatlichen Unabhängigkeit an. Die christlichen Wurzeln Portugals seien so stark gewesen, dass „weder drei bis fünf Jahrhunderte maurischer Tyrannei noch zuletzt die despotische List der neuen Sarazenen der modernen Lehre fähig waren, es [das katholische Volk] grundsätzlich in seinem Glauben zu erschüttern.“111 Damit zielte de Sousa auf antiklerikale Autoren wie Herculano, den er einen „Zerstörer portugiesischer Geschichte“ nannte.112 Aus dem Einfall der Araber sei die Halbinsel gestärkt hervorgegangen, weil der „reißender Strom“ des Islam die Unmoral der westgotischen Fürsten und Priester mit 110 111
112
Joaquim Pedro Oliveira Martins: A teoria do mosarabismo de Teófilo Braga, Coimbra 1953 (Separata von Biblos, Bd. 28), S. 44. Die Kritik wurde posthum veröffentlicht. José de Sousa Amado: Historia da Egreja Catholica em Portugal, no Brasil e nas possessões portuguezas. Bd. 2: Desde Flavio Recaredo até ao Conde D. Henrique, Lissabon 1871, S. V. Sérgio Campos Matos: A historiografia religiosa contemporânea: uma perspectiva, in: ders.: Consciência histórica e nationalismo, Portugal, séc XIX e XX, Lissabon 2008, S. 85–94, S. 89.
68
2. Der Islam als historischer Gegner
sich gerissen habe, während das „am wenigsten schuldige Volk“ dem katholischen Glauben treu geblieben sei.113 In den Topoi westgotischer Dekadenz und ihrer Beseitigung durch den Islam, in der Betonung des christlichen Charakters der Halbinsel und in der Aktualisierung von Antiklerikalen und Laizisten als „moderne Sarazenen“ waren de Sousas Bilder und Strategien nahezu deckungsgleich mit denen spanischer katholisch-konservativer Autoren. Diese Nähe zeigte sich sprachlich in der vielfachen Verwendung der Bezeichnung mouros, analog zum omnipräsenten moro spanischer Darstellungen, die Herculano und Oliveira Martins hingegen selten verwendeten. Während de Sousas Ausführungen den Geist des Kulturkampfes in der Monarchie verkörperten, entstanden die umfassenden historischen Darstellungen von Fortunato de Almeida (1869–1933) in der laizistischen Ersten Republik, in der die Kirche auf der Suche nach ihrer neuen Rolle war. De Almeidas „História da Igreja em Portugal“ (Geschichte der Kirche in Portugal) und die „História de Portugal“(Geschichte Portugals), aufgrund ihrer faktenreichen und detaillierten Darstellung noch heute wichtige Nachschlagewerke, neigten zu einer apologetischen Sicht auf Kirche und religiöse Orden.114 So betonte Almeida die „unbesiegbare Abneigung der Religionen, wichtigste Ursache von Konflikten und Gewalttaten nach den ersten Jahren der Eroberung“,115 akzentuierte also im Stil kirchlicher Autoren den religiösen Charakter der mittelalterlichen Kämpfe. Andererseits verfiel er nicht in die mythisierende Sicht des 19. Jahrhunderts zurück und erwähnte die Schlacht von Ourique nur knapp ohne jegliche religiös-providentialistische Interpretation im Sinn Herculanos. Doch wie bei de Sousa Amado waren die Bezeichnungen für die mittelalterlichen Muslime aufschlussreich: Als Synonym für das wertneutralere muçulmanos verwendete er häufig in der Darstellung der mittelalterlichen Kämpfe das eher wertende infiéis. Möglicherweise wollte er die Perspektive der mittelalterlichen Christen, aus deren Sicht die Muslime ebenso „Ungläubige“ waren wie die Christen in muslimischer Sicht, sprachlich illustrieren. Durch die Vermischung der Textebenen zwischen Quellen- und Darstellungssprache schlich sich so in seine Darstellung eine abwertende Position ein. In kirchlichen Geschichtsbildern Portugals, die die katholische Prägung betonten, war die religiöse Differenz stets präsent. Doch gibt es Indizien dafür, dass auch kirchliche Autoren Aufwertungen der laizistischen Historiker zumindest fallweise übernahmen. Dies lässt die Lokalgeschichte von Valongo in der Nähe von Porto vermuten. Ihr Verfasser Joaquim Reis, der Priester des Ortes, betonte, dass die Araber „nicht immer Vandalen“ gewesen seien und sich „des Krummsäbels, mit dem bewaffnet sie nach Hispanien kamen, nur noch
113 114 115
Amado: Historia da Egreja Catholica em Portugal, Bd. 2, S. VII. Matos: A historiografia religiosa contemporânea, S. 91. Fortunato de Almeida: História de Portugal, Lissabon 2003 [EA 1922–1928], S. 67.
2.3 Zusammenfassung
69
auf dem Schlachtfeld bedienten.“116 In seiner Darstellung machte er deutlich, dass die religiöse Differenz allein jemand noch nicht zu Freund oder Feind machte. Mit denselben Worten und Bildern, mit denen kirchliche Autoren die Muslime schilderten, malte er Gräueltaten der christlichen benachbarten Reiche aus: „Es ist traurig, aber wahr: Die Araber, die eine Religion praktizierten, die unserer diametral entgegengesetzt ist, plünderten im ersten Anlauf, zerstörten und setzten viele Kirchen und Klöster in Brand, aber ließen auch viele andere gegen einen gewissen Tribut fortbestehen, mit voller Ausübung des christlichen Kultes. Die katholischen Leoneser, Kastilier und Galicier hingegen raubten uns in ihren Invasionen aus, zündeten die Klöster an, töteten die Mönche, vergewaltigten die Nonnen, schleiften die Kirchen und hinterließen verstört und verschreckt alle Siedlungen, durch die sie kamen. Sie ließen ängstliche, tränenüberströmte Gesichter, Blut, Leichen und Ruinen hinter sich.“117
Offensichtlich erschien dem Autor seine eigene Behauptung als so gewagt, dass er sie fast verschämt in einer Fußnote versteckte – vielleicht aus Respekt gegenüber den zahlreichen Bischöfen, denen er das Buch widmete. Daher ist sie nur eine Einzelmeinung ohne Anspruch auf Breitenwirkung. Nichtsdestotrotz lässt sie erahnen, dass religiöse Gegensätze zugunsten politischer Umstände auch in kirchlichen Darstellungen überbrückbar erschienen. Dass dies in der politisch turbulenten Zeit kurz vor dem portugiesischen Königsmord 1908 und angesichts der von der klerikalen Hierarchie geforderten katholischen Geschlossenheit gegen die antiklerikalen Strömungen geschehen konnte, liefert Indizien dafür, dass die katholischen Geschichtsbilder Portugals nicht unantastbar waren. Dies deckt sich gleichzeitig mit der Beobachtung, dass die christlichen Nachbarn der Halbinsel mehr als Bedrohung empfunden wurden als die muslimischen Fremden aus Afrika.
2.3 Zusammenfassung Die Islambilder spanischer und portugiesischer Autoren des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entstanden vor ähnlichen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründen. Außenpolitische Krisen wie der Verlust großer Kolonialgebiete und die wirtschaftliche Rückständigkeit gegenüber den europäischen Nachbarn zerstörten die Selbstbilder von mächtigen Imperien. Die politischen und intellektuellen Eliten suchten nach einer Neuorientierung in den Spannungsfeldern zwischen konservativen und liberalen, klerikalen und antiklerikalen, republikanischen und monarchischen Ideen. In diesem Kontext machten es sich die Historiker zur Aufgabe, mit Hilfe von Geschichte Orientierung für die Gegenwart zu geben. 116 117
Joaquim Reis Alves Lopes: A Villa de Vallongo, Porto 1904, S. 97. Ebd., S. 97, Anm. 2.
70
2. Der Islam als historischer Gegner
Trotz einer jeweiligen Unkenntnis der Geschichte des Nachbarn118 gab es zwischen den Islambildern beider Länder viele Gemeinsamkeiten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts löste die Nation die Monarchie zunehmend als historische Protagonistin ab. In diesem Prozess waren Modesto Lafuente für Spanien und Alexandre Herculano für Portugal Pioniere einer neuen bürgerlichen Geschichtsschreibung. Wie in nahezu allen anderen europäischen Nationsentwürfen galt das Mittelalter als wichtige Formierungsphase. Der Kampf gegen islamische Gegner, die nahezu ausschließlich das Fremde verkörperten, erschien als nationale Heldentat. Diese konnte je nach den Vorstellungen der Autoren, wie eine spanische oder portugiesische Nation der Gegenwart aussehen sollte, den Sieg gegen einen religiösen, politischen oder dynastischen Feind propagieren oder die Fähigkeit zu Toleranz, Assimilation und zivilisatorischem Reichtum verkörpern. Die heterogenen Islambilder verweisen auf die innerhalb Spaniens und Portugals konkurrierenden und widersprechenden Nationsentwürfe. Im Fall Spaniens fällt auf, dass sich Autoren unterschiedlicher Auffassungen auf die gleichen historischen Ereignisse bezogen und sich nur in ihren Wertungen unterschieden. Das Bild einer reconquista setzte sich im 19. Jahrhundert durch. Diese konnte eher als religiöses Unternehmen wie von Merry y Colon oder eher als nationales wie von Altamira interpretiert werden, doch in jedem Fall erschien sie als prägendes Kennzeichen einer Epoche. Gleichzeitig erschwerte der essentialistische Charakter der Frage nach einem ser de España, Erbe der frühneuzeitlichen Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Religion und Politik, fremd empfundene Einflüsse wie den des Islam zu integrieren.119 Hinzu kam, dass der moro als Gegner durch die Kolonialkriege in Marokko ständig präsent war und dadurch die Topoi der Exklusion plausibel erscheinen ließ.120 Die kirchlichen Historiker Portugals betonten ebenfalls eine christliche Prägung der Nation. Die Vorstellung, Portugal habe sich aus dem Kampf gegen den Islam konstituiert, stieß jedoch angesichts der ebenso heftigen Kämpfe gegen die christlichen Königreiche der Halbinsel an seine Grenzen. Kirchendistanzierte Intellektuelle sahen hingegen nicht den providentialistischen, sondern den politischen Aspekt als zentral für eine nationale Formierung an. Gleichzeitig herrschte weniger Einigkeit über die Geschichtsentwürfe: Der Kampf gegen den Islam tauchte selbstverständlich in jeder portugiesischen Geschichte auf, doch war die Haltung eines Autors unter anderem daran ablesbar, ob und wie er die Schlacht von Ourique erwähnte. Der Islam als Gegner erschien als historisiert und stellte keine Bedrohung mehr da, anders als der große Konkurrent auf der Halbinsel selbst. Zwar stellte 118 119 120
Matos/Mota Álvarez: Portuguese and Spanish Historiography, S. 366. Einen Ausweg aus diesem interpretatorischen Dilemma bot die Vorstellung eines „spanischen Islam“, vgl. Kap. 3. Vgl. Kap. 4.
2.3 Zusammenfassung
71
sich ein Teil der portugiesischen Intellektuellen ernsthaft die Frage nach einer iberischen Union mit Spanien,121 dennoch dominierten eher antispanische Ressentiments die Haltung portugiesischer Intellektuellen.122 Dass KastilienLeón im Zweifelsfall als der bedrohlichere der mittelalterlichen Gegner erschien, lag nicht allein an der säkularisierenden Sicht des 19. Jahrhunderts, die religiösen Konflikten eine kleinere Bedeutung zuwies. Vielmehr war die Bewahrung der Unabhängigkeit gegen einen mächtigen Nachbarn eine konstante historische Sorge. Entsprechend wurden die portugiesischen Siege entsprechend mythisiert und durch alle Jahrhunderte glorifiziert: So wurde das zu Beginn des 16. Jahrhunderts vollendete monumentale Kloster Santa Maria da Vitória (Heilige Maria des Sieges), Grabesstätte portugiesischer Könige des 14. und 15. Jahrhunderts, zum Gedenken an den Sieg von Aljubarrota 1385 gegen Kastilien-León errichtet. Die Schlacht von São Mamede 1128, in der Afonso Henriques seine Mutter Teresa von León und den galicischen Grafen Fernando Peres de Trava besiegte, wurde als „erster portugiesischer Nachmittag“ gefeiert.123 Vergleichbares zum Islam existiert nicht in Portugal.124 In der Periodisierung dieser historischen Entwürfe darf das jeweilige Herausbilden positiver Wertungen über die muslimische Epoche nicht als progressiver Prozess gesehen werden. Es gab mit fortschreitender Zeit keine eindeutige Zunahme positiver Bilder: In Spanien bildete sich die konservative „Gegenoffensive“, die ab den 1880er-Jahren als Reaktion auf die Durchsetzung des Liberalismus spürbar war, auch in der Marginalisierung oder Unterdrückung der islamischen Vergangenheit durch konservative Autoren ab, ungeachtet der maurenfreundlichen Tendenzen eines Lafuente Jahrzehnte zuvor.125 Vielmehr war die Formierungsphase nationaler Historiographien im 19. Jahrhundert von einem Neben- und Gegeneinander der Vorstellungen 121 122 123
124
125
Vgl. ausführlich Matos: Iberismo e identidade nacional; ders.: Conceitos de iberismo em Portugal; ders.: Was Iberism a Nationalism?. Matos/Mota Álvarez: Portuguese and Spanish Historiography, S. 366. So der Titel des Gemäldes, das Acácio Lino 1922 für die Assambleia da República, das portugiesische Parlament, in Lissabon anfertigte. Es bildet gleichzeitig das Frontispiz der História „de Barcelos“: Damião Peres (Hrsg.): História de Portugal, Barcelos 1928ff., Bd. 1. Allerdings steht die Gründung eines zweiten wichtigen Klosters, Alcobaça, im Zusammenhang mit der Eroberung Santaréms und Lissabons von den Mauren. Diese Gründung dürfte aber nicht allein religiöse Gründe haben, wie es die Legende des feierlichen Schwurs Afonso Henriques, im Fall eines Siegs ein Kloster zu errichten, behauptet. Vielmehr dürften strategische Gründe für die Sicherung der neu eroberten Gebiete eine Rolle gespielt haben. Vgl. Alberto Gusmão: A real abadia de Alcobaça. Estudio Histórico-Arquelógico, Lissabon 1948, S. 24-26. Dieser beginnende „Nationalkatholizismus“ reichte bis in den Franquismus hinein, während dessen Menéndez y Pelayo als einer der wichtigsten spanischen Denker galt. Zum Begriff vgl. u. a. Alfonso Botti: Cielo y dinero. El nacionalcatolicismo en España 1881–1975, Madrid 2008, S. 23–25.
72
2. Der Islam als historischer Gegner
und Wertungen gekennzeichnet. Die Debatten nach 1898 stellten für die Islambilder insofern eine Zäsur dar, als das muslimische Mittelalter in seiner Bedeutung für die Geschichte insgesamt kaum mehr bestritten wurde. Die dazugehörigen Bewertungen und Interpretationen boten jedoch, wie die Debatte Castro versus Sánchez-Albornoz zeigen sollte, unverändert intellektuellen Zündstoff. In Portugal schlug sich die politische Zäsur der Republik hingegen wenig auf die Inhalte der historischen Islambilder nieder, da das muslimische Mittelalter im Gegensatz zum Zeitalter der Entdeckungsfahrten oder des Absolutismus nicht die Epoche war, an der sich historische Diskussionen entzündeten.126 Die Diktaturen griffen später vielfach auf die hier geschilderten Abwertungs-und Aneignungstrategien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts gegenüber dem Islam zurück. Insbesondere die Kreuzzugsrhetorik kirchlicher Darstellungen lebte in den katholisch geprägten Regimes auf. Gleichzeitig führten taktische Überlegungen zu einem Rückgriff auf positive Bilder.127 Sowohl Franquismus als auch Estado Novo bedienten sich aus dem Arsenal älterer Vorstellungen, wenngleich sie sie entsprechend für ihre Zwecke modifizierten.
126 127
Vgl. die Ausführungen zu den portugiesischen Schulbüchern, Kap. 5.2.1. Einfluss und Reichweite der in den Diktaturen entworfenen Geschichtsbilder sind jeweils Gegenstand der folgenden Kapitel.
3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft: Die Integration des muslimischen Erbes „Jeder bedeutende Mensch, der auf dem Boden des heutigen Portugals geboren wurde, ist unser Landsmann, der uns adelt.“1 António Maria de Oliveira Parreira: „Die Luso-Araber“(1898)
3.1 Das sichtbare Erbe Spaniens: Die Vorstellung vom „spanischen Islam“ 3.1.1 Al-Andalus als nationaler Referenzpunkt: Geschichtsentwürfe der spanischen Arabistik In seiner ebenso einflussreichen wie umstrittenen Studie über die Konstruktion des Orients im 19. und 20. Jahrhundert hat Edward Said den Orientalismus als „westlichen Stil, den Orient zu beherrschen, zu gestalten und zu unterdrücken“ charakterisiert.2 Als Produzenten dieses Diskurses untersuchte er Kolonialpolitiker, von der Romantik beeinflusste Schriftsteller, aber auch Wissenschaftler, die als orientalisch bezeichnete Sprachen, Kulturen und Länder erforschten und, so die Argumentation Saids, ihre Ergebnisse in den Dienst der praktischen und ideologischen Dominanz des Westens stellten. Saids durchaus problematische Thesen3 haben gleichwohl neues Licht auf den Zusammenhang von Wissenschaft, Kolonialismus und Nationalismus im 19. Jahrhundert geworfen. Die ältere spanische Arabistik hatte sich nicht als Orientalismus betrachtet.4 Doch aufgrund der von Said lancierten Debatte hat die Forschung nach dem Erscheinen von „Orientalismus“ spanische Besonderheiten gegenüber 1 2 3
4
António Maria de Oliveira Parreira: Os luso-arabes. Scenas da vida mussulmana no nosso pais, Lissabon 1898, Bd. 2, S. 229. Edward W. Said: Orientalismus, Frankfurt am Main 2009, S. 11. Aus der unüberblickbaren Literatur, die die Orientalismus-Debatte rezipiert und kritisiert, seien Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum genannt: Osterhammel: Edward Said und die „Orientalismus“-Debatte; Schulze: Orientalism; Hauser: Orientalismus. Manuela Marín: Arabistas en España: Un asunto de familia, in: Al-Qantara 13/1992, Nr. 2, S. 379–393, S. 381; dies.: Orientalismo en España: Estudios árabes y acción colonial en Marruecos (1894–1943), in: Hispania 69/2009, Nr. 231, S. 117–146, S. 118.
74
3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
den dort beschriebenen Fällen Frankreich und Großbritannien herausgearbeitet. Zum einen bildeten die wissenschaftlichen Arabisten, die sich in Spanien ab Mitte des 19. Jahrhunderts an öffentlichen Universitäten durchzusetzen versuchten, eine „spärliche und verborgene Zunft“5 , die stets um nationale und internationale Anerkennung in der Wissenschaftslandschaft ringen musste. Sie verstanden sich als Erforscher des Nationalen, weswegen sie sich bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts vornehmlich mit der Vergangenheit von al-Andalus beschäftigen. Zum anderen waren geographische Ziele der spanischen Variante eines Orientalismus weniger der Nahe oder Ferne Osten, sondern das benachbarte Nordafrika. Auch wenn die akademisch arbeitenden Arabisten an der Erforschung dieses „häuslichen Orients“6 einen gewissen Anteil hatten, zum Beispiel an militärischen Gesandtschaften teilnahmen, war dieser Anteil von Wissenschaftlern innerhalb des kolonialen Unternehmens doch deutlich kleiner als der ihrer Fachkollegen anderer europäischer Nationen wie Frankreich oder Italien.7 Dagegen suchten die africanistas – Kolonialpolitiker, Intellektuelle, Militärs, Geschäftsleute – Marokko in militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu kolonisieren.8 Beide Gruppen, die historisch arbeitende und die an aktuellen kolonialen Interessen orientierte, trugen dazu bei, dass der spanische Orientalismus vornehmlich ein „afrikanistischer“ Orientalismus war.9 Er fiel damit begrenzter aus als der der führenden europäischen Nationen. Die spanische Arabistik entstand in Spanien als eine vornehmlich historische Disziplin, der das philologische Interesse untergeordnet war.10 Während Forscher anderer europäischer Länder wie Stanley Lane-Poole (Großbritannien), Reinhard Dozy (Niederlande) oder Carl Brockelmann (Deutschland) die philologische Forschung des Arabischen entscheidend beeinflussten und frühe Standardwerke schufen, sucht man Vergleichbares im Spanien des 19. Jahrhunderts vergeblich. Stattdessen stellten sich die Pioniere der universitären Arabistik die Frage: Wie konnte die unbestreitbare muslimische Präsenz in Spaniens Vergangenheit mit dem Entwurf einer katholischen Nation vereinbart werden? Im Unterschied zur allgemeinen Historiographie, die Sprache, Kultur und Geschichte von al-Andalus aus fachlicher Unkenntnis 5 6 7 8 9
10
López García: Arabismo y Orientalismo en España, S. 35. Vgl. ebd., S. 40–50. Ausführlich dazu Marín: Orientalismo en España, S. 122f. u. 146. Vgl. Kap. 4. Diese These unter anderem bei Victor Morales Lezcano: El norte de África, estrella del orientalismo español, in: Awraq. Anejo al vol. 11/1990, S. 17–34, S. 29–34; ders.: Orientalismo marroquista vs. Africanismo español (1859–1860 en adelante), in: José Antonio González Alcantud (Hrsg.): El orientalismo desde el Sur, Barcelona 2006, S. 217–228; Miguel Ángel de Bunes Ibarra: El orientalismo español de la edad moderna: la fijación de los mitos descriptivos, in: González Alcantud (Hrsg.): El orientalismo desde el Sur, S. 37–53, S. 52. So die These von Manzano Moreno: La creación de un esencialismo, S. 24f.
3.1 Die Vorstellung vom „spanischen Islam“
75
oder aufgrund politischer Einstellung der Autoren ausblendete, suchten die Arabisten diese Antworten in arabischen Quellen. Ihnen stellte sich die Frage der Integration doppelt: Mit einer schlüssigen Integration des muslimischen Erbes in die Nationalgeschichte stand und fiel auch ihre eigene Integration in der Wissenschaftslandschaft.11 Welche Deutungsangebote stellte also die Arabistik für die nationale Vergangenheit bereit, und warum? Spanien blickte im 19. Jahrhundert auf eine jahrhundertelange Tradition in der Erforschung arabischer Sprache und Kultur zurück: Philipp II. hatte eine beträchtliche Anzahl arabischer Manuskripte erworben. Damit beherbergte der Escorial, Herz des katholischen Spaniens im Zeitalter der Glaubenskriege, eine der noch heute bedeutendsten Sammlungen arabischer Werke.12 Nach einer Periode des Desinteresses im 17. Jahrhundert erfuhren die Arabischstudien im 18. Jahrhundert einen Aufschwung. Dieser war motiviert durch Annäherungen an das Osmanische Reich und den Versuch, spanische Einflusszonen in Nordmarokko zu vergrößern. Von diesem Interesse zeugten auch erste Einrichtungen arabischer Sprachzentren in den Reales Estudios de San Isidro, der Universität Valencia und der Bibliothek des Escorial.13 Gleichzeitig begann sich in dieser Zeit die spanische Arabistik von einer von Geistlichen gepflegten Beschäftigung hin zu einer säkularisierten Wissenschaftsdisziplin im Sinn der Aufklärung zu entwickeln.14 Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert beschäftigten sich sowohl Angehörige des Klerus wie auch gebildete Laien mit der arabischen Sprache: Sie übersetzten Texte, leisteten als Bibliothekare wichtige Beiträge in der Sammlung und Erschließung von arabistischem Wissen und verfassten historische Studien.15 Hier ragt insbesondere die „Historia de la dominación árabe“ (Geschichte der arabischen Herrschaft) von José António Conde (1766–1820) heraus, die erste vollständige Darstellung der Geschichte des muslimischen Mittelalters Hispaniens. Conde verwies darauf, dass die bisherigen Geschichtswerke „für die Epoche unserer [sic!] Araber von wenig Nutzen“ seien.16 Bereits auf der ersten Seite machte er auf die unterschiedliche Bewertung aufmerksam, die der Cid in christlichen und muslimischen Quellen erfuhr: „in diesen so menschlich wie mutig, [. . . ], in jenen verschlagen und grausam.“17 Im Bemühen, eine bisherige Erkenntnislücke zu schließen und das Bild spanischer Historiker dieser Zeit zu differenzieren, zeichnete Conde minutiös die Geschichte der muslimischen Herrschaftsgebiete von 711 bis 1492 nach. Mit seiner Bewunderung für arabische Kultur sah er das Mittelalter als eine Art 11 12 13 14 15 16 17
Ebd., S. 27. Ausführlich dazu Monroe: Islam and the arabs, S. 13 u. S. 32. Rivière Gómez: Orientalismo y nacionalismo español, S. 57f. Monroe: Islam and the arabs, S. 23–26. Zu dieser Zeit ausführlich ebd., S. 49–83. José Antonio Conde: Historia de la dominación de los árabes en España, sacado de varios manuscritos y memorias arabigas, Paris 1840 [EA 1820–21], S. VII. Ebd., S. V.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
Goldenes Zeitalter an, womit er auch spätere maurophile Vorstellungen der Romantik nähren sollte. So hatte die Beschäftigung mit arabistischen Themen im frühen 19. Jahrhundert bereits eine gewisse Tradition und vollbrachte, wie Condes Beispiel zeigt, herausragende Leistungen.18 Ihre Institutionalisierung an den großen Universitäten fand jedoch erst im Zug einer grundsätzlichen Umstrukturierung der spanischen Universitätslandschaft statt. 1836 wurde die Universidad Complutense von Alcalá de Henares nach Madrid verlegt. Sie trug nun den Namen Universidad Central und verfügte über wichtige Privilegien, war etwa die einzige, die den Doktortitel verleihen konnte.19 Ein Jahr später regte der Arabist Pascual de Gayangos y Arcre (1808–1807) dort die Einrichtung eines Lehrstuhls an. Dieser wurde 1843 gegründet, mit Gayangos als erstem Inhaber. Drei Jahre später erhielt die Universität Granada, 1887 die Universität Saragossa ebenfalls einen arabistischen Lehrstuhl.20 Institutionell waren dies die Säulen der universitären Arabistik des 19. Jahrhunderts. Jenseits dieser Institutionen existierte eine wissenschaftliche Beschäftigung mit arabischer Sprache und Kultur, wie sie etwa Lokalhistoriker, Archäologen, Restauratoren oder Gymnasiallehrer betrieben. Diese sind, ebenso wie wissenschaftliche Erkenntnisse rezipierende koloniale Akteure, Gegenstand eigener Ausführungen in dieser Arbeit.21 Die so entstehende Schicht universitärer Arabisten setzte sich zum Ziel, mit ihren Arbeiten die Lücke zu schließen, die mangels Interesse, aber auch mangels sprachlicher und fachlicher Kompetenz in der klassischen Geschichtsschreibung klaffte. Die wissenschaftliche Arabistik schien geeignet, das „Eigene“ und das „Fremde“ Spaniens, ab 1850 insbesondere des neuen Ordnungsmodells Nation zu ergründen. In diesem Sinn verstanden die Arabisten ihre Arbeit als Beitrag zur Nationalgeschichte. Der königliche Erlass vom 5. Oktober 1843 begründete die Einrichtung des Madrider Lehrstuhls damit, dass wertvolle arabische Schriften und Kulturzeugnisse „in Vergessenheit ruhen, ohne für die allgemeine spanische Geschichte irgendeinen Nutzen zu erbringen.“22 In dieser Linie argumentierten auch die Arabisten auf der Suche nach Legitimation und Anerkennung. Die Orientalistikstudien seien für Spanien das nosce te ipsum der Nation23 und im 18 19
20 21 22 23
So ist Condes Periodisierung der muslimischen Herrschaft bis heute von Forschern übernommen worden. Monroe: Islam and the arabs, S. 52. Dieses Privileg verankerte die Ley Moyano von 1857 im Art. 129. Vgl. dazu auch Christophe Charle: Grundlagen, in: Walter Rüegg (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. 3: Vom 19. Jahrhundert zum Zweiten Weltkrieg (1800–1945), München 2004, S. 43– 82, S. 46f. Rivière Gómez: Orientalismo y nacionalismo español, S. 61f; Díaz-Andreu: Islamic archaeology, S. 72. Vgl. Kap. 3.1.2, 4.1.2, 5.1.1. Real Orden vom 5. 10. 1843, zit. nach Rivière Gómez: Orientalismo y nacionalismo español, S. 61. Ebd., S. 132.
3.1 Die Vorstellung vom „spanischen Islam“
77
Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nicht einfach eine „wissenschaftliche Neugier“, sondern eine „innerste Herzensangelegenheit.“24 Die Beschäftigung mit al-Andalus bot das klassische Arsenal an Gegenständen für eine von nationalistischen Vorstellungen geprägte Wissenschaft: Dazu gehörten Sprache, Kultur, Ethnizität, zum Teil Religion. Insbesondere betonten die Arabisten den arabischen Einfluss auf das Kastilische und strichen so den zentralistischen Nationsentwurf heraus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es entsprechende Beschäftigungen auch mit dem Katalanischen, Galicischen und Aragonesischen.25 Dass sich die Arabisten arabischer Sprache und Kultur widmeten, bedeutete jedoch nicht, dass sie diese rückhaltlos bejahten. Auch sie formulierten in ihren Arbeiten Bilder von Inklusion und Exklusion. Ein herausragendes Beispiel dafür liefert einer der wichtigsten Vertreter der arabistischen Pioniere, der Andalusier Francisco Javier Simonet y Baca (1829– 1897). Als Simonet 1862 im Alter von 33 Jahren den Arabistik-Lehrstuhl an der Universität Granada übernahm, gab ihm sein Mentor, der Arabist und Schriftsteller Serafín Estébanez Calderón mit: „Wir aus Málaga [. . . ] haben ein besonderes Interesse an arabischen Dingen. Wenn Sie fähig sind, dieses Fach an dieser Universität mit einer soliden Basis zu etablieren und mit dem Ziel, zu erklären, was kastilisch und von guter spanischer Rasse ist, dann gebührt Ihnen viel Dankbarkeit.“26 Diesen Rat schien Simonet verinnerlicht zu haben. In seinen umfassenden Forschungen, aber auch in zahlreichen Publikationen jenseits wissenschaftlicher Kreise27 strich er das islamische Erbe Spaniens heraus. Gleichzeitig machte er deutlich, dass die kulturelle Integration in das, was er als nationale Gemeinschaft verstand, immer Grenzen fand. In seinem Vortrag über die arabische Literatur anlässlich der Verleihung des Doktortitels der Universidad Central machte er klar, dass „der arabische Einfluss nie in den Grund unser Literatur einzudringen vermochte, sondern stets oberflächlich und formal war.“28 Noch härter und deutlicher formulierte Simonet die religiösen Grenzen. Auf der arabischen Titelseite seiner „Descripción del reino de Granada“ (Beschreibung des Königreichs Granada) aus dem Jahr 1860 bezeichnete er sich – in arabischer Sprache – als „Diener des Messias Francisco Javier Simonet aus Málaga.“29 Die Tendenz zur Abstoßung und
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Miguel Asín Palacios/Emilio García Gómez: Nota Preliminar, in: Al-Andalus 1/1933, Nr. 1, S. 1–5, S. 3. Rivière Gómez: Orientalismo y nacionalismo español, S. 71–81. Zit. nach Monroe: Islam and the arabs, S. 86. Eine Bibliographie bei Bernabé López García: Origen, Gestión y Divulgación de la Historia de los Mozárabes de Francisco Javier Simonet (con una bibliografía del Simonet publicista), in: Awraq 22/2001–2005, S. 183–211. Francisco Javier Simonet: Discurso leido ante el claustro de la Universidad Central por D. Francisco Javier Simonet en el solemne acto de recibir la investidura de Doctor en Filosofia y Letras, Granada 1867, S. 55. Monroe: Islam and the arabs, S. 88.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
Abwertung alles Islamischen verschärfte sich im Lauf der Jahre bei Simonet noch.30 Sie zeigte sich auch in seiner „Historia de los mozárabes“ (Geschichte der Mozaraber). Diese unter islamischer Herrschaft lebenden Christen, die Simonet „Spanier“ nannte, hätten „viele Jahrhunderte lang den nationalen Geist und die Kultur des römisch-westgotischen und christlichen alten Spaniens konstant bewahrt.“31 Die Mozaraber erschienen in dieser Deutung als ein Bollwerk gegen arabisch-islamischen Einfluss, als Gralshüter der Kontinuität eines christlichen Spaniens trotz der Zäsur von 711. Minimierten katholischkonservative Historiker den islamischen Einfluss oft aus Unwissenheit, so tat dies Simonet mit der Kompetenz eines anerkannten Wissenschaftlers. Dies nahm, wie eine von seinem Schüler Antonio Almagro Cárderas überlieferte Anekdote zeigt, teilweise skurrile Formen an: Als im Februar 1873 die erste spanische Republik ausgerufen wurde und die Studenten der Universität Granada gegen den Unterricht revoltierten, stieg Simonet mit einigen Unterrichtswilligen auf die Alhambra. Dort ließ er als Übung arabische Inschriften übersetzen, wobei er die Liberalen als „neue Sarazenen“ tadelte.32 Mit seinen zahlreichen Referenzen auf die Religion war Simonet jedoch eine Ausnahme innerhalb der Arabisten. Denn diese blieb meist in den wissenschaftlichen Untersuchungen ausgeklammert.33 Möglicherweise lag dies daran, dass das Thema für eine wissenschaftliche Disziplin, die ohnehin noch um Anerkennung kämpfen musste, zu delikat war. In einer Gesellschaft, in der Religion und Politik so sehr verbunden waren wie im Spanien der Restaurationszeit boten Faktoren wie die Sprache, Literatur oder Musik islamischer Herkunft eine leichtere Möglichkeit zur Integration des nationalen Erbes. Die Arabisten nutzten das Interesse ihrer ausländischen Fachkollegen für die Geschichte von al-Andalus, denn daraus entstand ein Trumpf für eine liberale Nationsauffassung: Die Erforschung eines islamischen Spaniens konnte den kulturellen Reichtum der Nation zu einer Zeit beweisen, als andere Völker angeblich noch in mittelalterlicher Unkenntnis verharrten. Schon vor der großen politischen und ideologischen Krise von 1898 waren sich Spaniens Intellektuelle schmerzlich ihrer Inferiorität gegenüber den mitteleuropäischen Nachbarn bewusst. Daher konnte der von den Arabisten erforschte Einfluss des Islam von einem Fremdkörper zum Beweis für eine überlegene mittelalterliche Hochkultur avancieren, wie es Francisco Fernández y González (1833– 1917) betonte:
30 31 32
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Dies zeigt u. a. López García: Origen, Gestión y Divulgación de la Historia de los Mozárabes, S. 190. Francisco Javier Simonet: Historia de los mozarabes de España, Valladolid 2005 (Reprint der Ausgabe Madrid 1897), S. VII. Die Anekdote ist überliefert bei José Antonio González Alcantud: El cronotopo de todos los vientos, in: ders./Antonio Malpica Cuello (Hrsg.): Pensar la Alhambra, Barcelona/ Granada 2001, S. 7–20, S. 11f. Rivière Gómez: Orientalismo y nacionalismo español, S. 87.
3.1 Die Vorstellung vom „spanischen Islam“
79
„Da die Spanier durch ihr semitisches und afrikanisches Element mit den allerersten Linien der Gattung Mensch vereint sind, können wir unseren Nachbarn gegenüber behaupten, die mit ihren größeren kulturellen Verdiensten prahlen: Völker des Nordens, ihr seid Kinder, die nicht mehr als das Heutige und das Gestrige kennen. Unsere Geschichte ist alt, unsere Literatur immens, vielfältig an Sprachen, [. . . ] unsere Kultur ist voller Glanzlichter, die einmal strahlender leuchteten als eure heutigen.“34
Eine Anerkennung der Arabistik als Wissenschaft konnte sich auf die Dauer nicht der Verneinung muslimischen Einflusses widmen, dies wäre eine Sackgasse gewesen.35 Den Ausweg bot ein geographischer Determinismus in der Nachfolge der noch im 18. Jahrhundert beliebten Klimatheorien.36 Arabisten verschiedener politischer und ideologischer Strömungen argumentierten in ihren Werken mit dem Bild eines „spanischen Islam“, der nicht mit dem in Afrika oder Asien vergleichbar gewesen sei. Vielmehr habe er sich aufgrund des Kontakts mit der einheimischen Bevölkerung und kultureller Übernahmen seitens der muslimischen Bevölkerung ergeben. Frucht dieses einmaligen Kontakts seien die weltberühmten, anerkannten Leistungen von al-Andalus in Architektur, Literatur oder Musik. Je nach Lesart des Wissenschaftlers war diese Assimilation einseitig, sprich es wurden die Muslime hispanisiert, wie es Simonet behauptete37 oder auch gegenseitig, wobei die religiösen Grenzen stets die letzte Grenze darstellten. In jedem Fall lieferte diese Vorstellung allen politischen Parteien die Möglichkeit schlechthin, die unwiderlegbare muslimische Präsenz auf der Halbinsel in eine schlüssige Vorstellung zu bringen und den Arabisten Anerkennung im Dienst einer nationalen Sache zu sichern. Daher wurde der Topos vom „spanischen Islam“ in verschiedenen Ausprägungen eine feste Größe in Geschichtsbildern der Arabisten bis ins 20. Jahrhundert. Äußeres Zeichen dieses „westlichen“ Islam war auch eine Veränderung der Terminologien: Statt von „España musulmana“ (dem muslimischen Spanien) oder „arte hispanomusulmán“ (hispanomuslimischer Kunst) zu sprechen, die im 19. Jahrhundert noch die klassischen Begriffe waren, nutzte die Forschung im 20. Jahrhundert zunehmend den Begriff „al-Andalus“ – so der Name einer 1933 gegründeten Fachzeitschrift.38 Gleichzeitig gelang es der spanischen Arabistik dank der Leistung des Valentianers Julián Ribera y Tarragó (1858– 1934), den thematischen Schwerpunkt vom mittelalterlichen Spanien auf den Mittleren Osten zu weiten, was ihm viel Anerkennung einbrachte. Ribera beschäftigte sich intensiv mit der Kulturgeschichte von al-Andalus und nicht wie viele seiner Vorgänger nur mit der Politikgeschichte oder der Linguistik.39 Als 34 35 36 37 38 39
Zit. nach ebd., S. 81. Manzano Moreno: La creación de un esencialismo, S. 27. Zit. nach Rivière Gómez: Orientalismo y nacionalismo español, S. 81. Dort auch weitere Ausführungen. Ebd., S. 82. Marín: Arabistas en España, S. 386f. Monroe: Islam and the arabs, S. 153f.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
Lehrstuhlinhaber für hispano-arabische Literatur an der Universidad Central formulierte er 1919 einen Geschichtsentwurf, in dem Territorium, nicht Religion, den Maßstab für die Teilhabe an der nationalen Gemeinschaft lieferte. Bewusst ausführlich wird seine Argumentation hier wiedergegeben, weil sie die rhetorischen und historischen Register deutlich macht, die Ribera und in seiner Nachfolge auch andere zogen: „Ich wiederhole (und werde unermüdlich wiederholen, denn dies gebietet die Gerechtigkeit), dass die Muslime der Halbinsel Spanier waren: von spanischer Rasse, von spanischer Sprache, von spanischem Charakter, Geschmack, Neigungen und Geist. Ich denke, dass für jede unparteiische und unvoreingenommene Person Abd-ar-Rahman III. ebenso als Spanier gelten muss wie Trajan, mit dem Unterschied, dass Abd-ar-Rahman König von Spanien in Spanien und Trajan Kaiser von Rom in Rom war; dass Averroës so spanisch ist wie Seneca, mit der Besonderheit, dass Averroës in Córdoba geboren wurde, studierte, lebte und schrieb und Seneca zwar in Córdoba geboren wurde, aber in Italien wirkte, und ebenso spanisch wie Martial ist der Volksdichter Abencuzmán, nur dass dieser im umgangssprachlichen Spanisch und jener im klassischen Latein sprach und schrieb. Daher also haben diese Muslime ebenso viel oder noch mehr das Recht, in unserer Geschichte und Literatur als Spanier benannt zu werden, ebenso wie diese iberoromanischen Persönlichkeiten, die in ihr schon seit unendlicher Zeit erscheinen und die wir liebevoll unsere Landsmänner und Freunde nennen, obwohl sie Heiden waren. Und die Verdienste dieser spanischen Muslime müssen wir als eigene, nationale, spanische Leistung ansehen.“40
So war es möglich, auch antike und mittelalterliche Helden egal welcher Religion für eine spanische Nation zu vereinnahmen. Eine Art ius soli, das das Territorium des modernen Spaniens in Antike und Mittelalter zurückprojizierte, ergänzte das Kriterium der religiösen Zugehörigkeit, ohne es komplett aufzugeben, wie die Bezeichnung „Heiden“ zeigt. Trotz der neuen Deutungsmöglichkeiten, die die Arabisten für eine spanische Nation entwarfen, stießen sie auf Widerstände, insbesondere in der ersten Phase ihres Wirkens Mitte des 19. Jahrhunderts. Viele Historiker reagierten mit Missmut oder Unverständnis auf die Befunde ihrer Kollegen. 1879 warf Vicente de la Fuente, Rektor der Universidad Central, dem „Geschwader neuer Invasoren unserer klassischen Geschichte“ vor: „Man weiß schon, dass die moderne Schule auf Seiten des Mauren steht, oder wie man heute sagt, des Arabers. Denn diesen, der in seiner Heimat [Marokko] und in Algerien ein Faulpelz, Müßiggänger, Lügner, Dieb und Schelm ist, gilt es heute in Spanien als Ritter, Galan, Rechtschaffenen, Troubadour, Mystiker, Dichter, Künstler, Bauer und sogar als Theologen, freilich einer Theologie sui generis, zu schildern.“41 In einer späteren positivistischen Phase suchten die Arabisten sich durch minutiöse Übersetzungs- und Editionsarbeit Anerkennung zu verschaffen und in allgemeinen anerkannten historischen Fachzeitschriften 40 41
Julián Ribera y Tarragó: El arabista español, in: ders.: Disertaciones y opúscolos 1887– 1927, Madrid 1928, Bd. 1, S. 457–488, S. 468. Discursos leídos ante la Real Academia de la Historia en la recepción pública de don Francisco Codera y Zaidín el día 20 de abril de 1879, Madrid 1879, S. 87/88, zit. nach López García: Arabismo y Orientalismo en España, S. 43.
3.1 Die Vorstellung vom „spanischen Islam“
81
Artikel zu platzieren.42 Als 1910 auf Initiative von Wissenschaftlern, die der liberalen Institución Libre de la Enseñanza nahestanden, das Centro de Estudios Históricos gegründet wurde, um Unterricht und Wissenschaft zu reformieren, gehörten dazu auch mehrere arabistische Forschungsgruppen.43 Sechs Jahre später verließen es Ribera und seine Schüler aufgrund persönlicher und ideeller Differenzen wieder, was eine schon fast überwundene Isolation der Arabisten in ihrem weiteren Fachumfeld wieder verstärkte.44 Dies und die Tatsache, dass die Vorstellung eines eindeutig christlichen Spaniens die Geschichtsschreibung immer noch weitgehend dominierte, trugen dazu bei, dass die Akzeptanz des Bildes vom „spanischen Islam“ vor dem Bürgerkrieg durchaus beschränkt blieb.45 Auch die koloniale Expansion in Afrika konnte nur bedingt zu einer Aufwertung der Arabistik beitragen. Sicherlich verhalfen die Kriege von 1859/60 und 1893/9446 ihr zu einem gewissen öffentlichen und politischen Interesse. Einige Arabisten nahmen an der Junta para la Enseñanza en Marruecos (Vereinigung für den Unterricht in Marokko) teil, die die öffentliche Bildung der Einheimischen verbessern sollte. Einer der Konfliktpunkte in diesem Zusammenhang war die Frage, ob das klassische oder das umgangssprachliche Arabisch der Gegenwart unterrichtet werden sollte.47 Mit dem Ausscheiden Riberas und seiner Kollegen vom Centro de Estudios Históricos endete auch dieses Engagement und wurde ein sichtbares Moment der Trennung von historisch zu al-Andalus arbeitenden Arabisten und militärischen und wirtschaftlichen Afrikanisten.48 Diese Trennung war freilich nicht absolut, da den Afrikanisten die von den Arabisten hergestellte Vereinbarkeit von einer spanischen und einer muslimischen Kultur als Legitimation für die Kolonialisierung mehr als gelegen kam. Das Beispiel der Zeitschrift Africa49 zeigt, wie ihre Befunde über die Nähe von Christen und Muslimen in alAndalus popularisiert und die Vergangenheit als wirkmächtiges Erbe für Handeln in der Gegenwart genutzt werden konnte. In den nach dem Spanischen Bürgerkrieg gegründeten Institutionen, die den Anspruch Francos auf Marokko wissenschaftlich untermauern sollten, beteiligten sich Arabisten hauptsächlich mit Themen zu al-Andalus, nicht zu
42 43
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Ebd., S. 44. Zu Geschichte und Zielen des Centro de Estudios Históricos José María López Sánchez: Im Dienste der Wissenschaft: Der Centro de estudios históricos und die Begründung eines liberalen Nationalbewußtseins in Spanien, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 29/2006, Nr. 2, S. 121–136, zur Arabistik S. 127. López García: Arabismo y Orientalismo en España, S. 47f. Zu diesem Schluss kommt Manzano Moreno: La creación de un esencialismo, S. 31. Vgl. Kap. 4.1.1. Marín: Arabistas en España, S. 387, Anm. 31. So die These von López García: Arabismo y Orientalismo en España, S. 55. Vgl. Kap. 4.2.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
Marokko.50 Eine Ausnahme war Miguel Asín Palacios (1871–1944), einer der wichtigsten Arabisten des frühen 20. Jahrhunderts. Im Rückgriff auf die Geschichte des mittelalterlichen Spaniens lieferte der überzeugte Franquist in seinem berühmt gewordenen Aufsatz „Por qué lucharon a nuestro lado los musulmanes marroquíes?“ (Warum kämpften die marokkanischen Muslime auf unserer Seite?) eine in wissenschaftliches Gewand gehüllte Legitimationshilfe für die Teilnahme muslimischer Söldner im Heer des christlichen caudillos. Asín Palacios warf seine doppelte Autorität als Priester und Wissenschaftler in die Waagschale und argumentierte mit der Religion: Der Islam sei ein „wahrhaftiger und echter, wenngleich auch unehelicher Sohn“51 von Judentum und Christentum. Gemeinsame Praktiken wie Fasten und Almosengeben und die muslimische Verehrung der Patriarchen des Alten und der Heiligen des Neuen Testaments seien unübersehbar. Die tatsächlichen Beweggründe der Marokkaner, materielle wie Hunger und Elend und psychologische wie Abenteuerlust, thematisierte er wohlweislich nicht.52 Zusätzlich führte Asín Palacios zu dieser Reihe theologisch-wissenschaftlicher Argumente noch Anekdoten aus den Kriegstagen an, um eine muslimische „enthusiastische und aktive Teilnahme an unserer Sache“53 zu beweisen: Als ein Bild der Muttergottes aus einem Lazarettsaal mit verletzten Marokkanern entfernt werden sollte, um deren religiöse Gefühle nicht zu verletzen, hätten diese mit den Worten „Muttergottes sein gut für alle“ darum gebeten, das Bild hängen zu lassen.54 Auf die in der Propaganda der Republikaner ausgeschlachteten Vorwürfe sexueller Perversion und Unersättlichkeit der Marokkaner55 reagierte er direkt: Die Marokkaner seien so keusch und ehrbewusst, dass sie Bilder leichtbekleideter Damen in spanischen Zeitschriften, die sie zur Zerstreuung im Lazarett bekamen, zerrissen hätten.56 Nicht zuletzt führte er einen Beweis aus dem ureigensten Gebiet der Arabisten, der Linguistik, ins Feld: Die vielverwendete Redewendung ojalá (dt.:hoffentlich) eine Verballhornung des arabischen inschallah, galt ihm als Beweis einer gemeinsamen Frömmigkeit und ihrer Versprachlichung.57 50 51 52
53 54 55 56 57
López García: Arabismo y Orientalismo en España, S. 56. Miguel Asín Palacios: Por qué lucharon a nuestro lado los musulmanes marroquíes?, in: Revista de la Universidad de Madrid 1/1940, S. 143–167, S. 147. Manzano Moreno: La creación de un esencialismo, S. 34. Ausführlich zu den Gründen auch Abdelamjid Benjelloum: Las causas de la participación de marroquíes en la Guerra Civil española, in: José Antonio González Alcantud (Hrsg.): Marroquíes en la Guerra Civil española. Campos equívocos, Barcelona 2003, S. 42–57. Asín Palacios: Por qué lucharon..., S. 144. Ebd., S. 152. Vgl. Kap. 4.1.3. Asín Palacios: Por qué lucharon..., S. 160. Ebd., S. 157. Dies im Gegensatz zum portugiesischen Arabisten David Lopes, der auf die Vergessenheit dieses Zusammenhangs aufmerksam machte und dies halb ernst, halb ironisch als „Sakrileg“ bezeichnete. David Lopes: Portugal contra os mouros, Lissabon o. J., S. 37f.
3.1 Die Vorstellung vom „spanischen Islam“
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Der Zeitraum von Mitte des 19. Jahrhunderts bis in den frühen Franquismus zeigt, in welchem Maß sich der Beitrag der Arabistik zur Konstruktion der christlich geprägten Nation wandelte: Für Simonet war die Religion noch das unantastbare, trennende Element zwischen Christen und Muslimen. Asín Palacios, Schüler des Arabisten Ribera und des katholischen Historikers Menéndez y Pelayo, verkörperte ideologisch und biographisch die Verbindung von Katholizismus und islamischen Erbe, an dem sich die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts abgearbeitet hatte. Die Verbindung von Katholizismus und Islam war gewiss keine symmetrische, sondern eine asymmetrische, paternalistische. Dennoch bot sie einen Ausweg aus einem Legitimationsdilemma, das sich insbesondere der Franquismus zu Nutze machte. 3.1.2 Muslimische Architektur als Nationalmonument: Das Beispiel Alhambra Die Frage nach der Integration der muslimischen Vergangenheit stellte sich für die Arabistik des 19. Jahrhunderts nicht nur anhand von Texten, sondern unter anderem auch anhand muslimischer Architektur. Nationale Ideologie in Spanien stand in Wechselwirkung zur Erforschung historischer Bauwerke.58 Angesichts der in Stein gemeißelten Zeugnisse islamischer Kulturzentren des Mittelalters wie der Alhambra, der Großen Moschee von Córdoba oder der Giralda in Sevilla mit erkennbarer Form des ehemaligen Minaretts stellte sich noch drängender und im wahrsten Sinn des Wortes sichtbarer die Frage nach der Integration muslimischer Bauwerke in ein nationales Kulturerbe. War die Alhambra weniger „spanisch“ als die Kathedrale von Santiago oder die Paläste der Habsburger und der Bourbonen? Wie und mit welchen Begründungen konnten die bekannten muslimischen Bauwerke in das Kulturgut einer Nation integriert werden, deren Intellektuelle zu einem Großteil den muslimischen Einfluss zu minimieren suchten? Argumente für oder gegen bestimmte Monumente oder Baustile waren gekoppelt an finanziellen Wettbewerb. Je überzeugender die Bedeutung eines Bauwerks begründet werden konnte, desto größer waren die Aussichten, Zuschüsse aus den ohnehin nur spärlich fließenden staatlichen Mitteln für die teuren Projekte zu erhalten. Denn im Spanien des 19. Jahrhunderts waren die staatlichen Rahmenbedingungen für die Konservierung und Pflege der historischen Denkmäler schwach und wenig entwickelt. Vor allem zwei Mankos verhinderten bis ins frühe 20. Jahrhundert einen effektiven Schutz 58
Zentral für den Zusammenhang von Nationalismus und Archäologie zum Islam ist DíazAndreu: Islamic archaeology. Zu einem breiteren europäischen Kontext siehe dies.: A World History of Nineteenth-Century Archaeology. Nationalism, Colonialism and the Past, Oxford 2007.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
des architektonischen Erbes: das Fehlen eines ausreichenden Budgets und das Fehlen professionell ausgebildeter Kunsthistoriker.59 Die staatliche Gesetzgebung zum architektonischen Erbe zielte vor allem darauf ab, die Kontrolle über bauliche Veränderungen an alten Monumenten zu sichern und diese vor mutwilligen oder unbeabsichtigten Zerstörungen zu schützen.60 Dennoch unternahm die spanische Politik im 19. Jahrhundert erste Maßnahmen zur Verwaltung und Klassifizierung des kulturellen Erbes: 1844 wurde in Anlehnung an die französischen monuments classés eine Comisión de Monumentos (Denkmalkommission) mit entsprechenden Unterorganisationen gegründet, welche sich auf lokaler Ebene um den Schutz der alten Gebäude kümmern und Museen aufbauen sollten.61 Ziel war es, eine zentrale Stelle für die Katalogisierung der historischen Bauwerke und für die Förderung von Ausgrabungen zu schaffen.62 Die Zentralisierung erstreckte sich auch auf Vorgaben für die Restaurierung historischer Gebäude. So war das Gesetz vom 14. September 1850 ein erster Versuch, die Renovierung historischer staatlicher Gebäude zu steuern. Es schrieb vor, bei Ausbesserungsarbeiten möglichst den ursprünglichen Charakter beizubehalten, so dass alte und neue Teile nicht voneinander zu unterscheiden seien.63 Wie ihre europäischen Nachbarn war sich auch die spanische politische und wissenschaftliche Elite bewusst, dass das architektonische Erbe nach innen und außen nationale Größe und Bedeutung repräsentieren konnte. Die Gesetzgebung, so wenig ausgeprägt sie aus heutiger Sicht scheinen mag, wurde daher von Maßnahmen begleitet, die das kulturelle Erbe einer interessierten (Fach-)Öffentlichkeit präsentieren sollten. Am 8. Oktober 1850 beschloss das Ministerio de Comercio, Instrucción y Obras publicas (Ministerium für Handel, Unterricht und Öffentliche Arbeiten) per Dekret die Finanzierung einer Serie von aufwendigen Publikationen im Folioformat (60 × 75 cm) und zahlreichen Illustrationen und Lithografien über die bedeutendsten Bauwerke Spaniens mit dem Titel „Monumentos arquitectónicos de España“ (Architektonische Monumente Spaniens). Die historischen Monumente sollten ein „Spanien, wie es war“ vor Augen führen, während die Publikationen selbst ein „Spanien, wie es ist“ als Land mit prächtigen und 59 60 61
62
63
Isabel Ordieres Díez: La formación de la conciencia patrimonial: Legislación e instituciones en la historia de la restauración arquitectónica en España, Madrid 1998, S. 14. Alfonso Muñoz Cosme: La conservación del patrimonio arquitectonico español, Madrid 1989, S. 22. Margarita Díaz-Andreu: The past in the present: The search for roots in cultural nationalism. The Spanish case, in: Justo G. Beramendi/Ramón Maiz/Xosé M. Núñez Seixas (Hrsg.): Nationalism in Europe. Past and Present, Santiago de Compostela 1994, Bd. 1, S. 199–218, S. 205. Aurora Rivière Gómez: Arqueólogos y arqueología en el processo de construcción del Estado-Nacional español (1834–1868), in: Gloria Mora/Margarita Díaz-Andreu (Hrsg.): La cristalización del Pasado: Génesis y Desarrollo del marco institucional de la arqueología en España, Málaga 1997, S. 133–139, S. 136. Muñoz Cosme: La conservación del patrimonio arquitectonico español, S. 22.
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monumentalen Bauten in allen Epochen präsentieren sollten.64 Um dies auch dem kunstinteressierten Ausland zu demonstrieren, wurden die Texte auf Spanisch und Französisch nebeneinander abgedruckt. Für das ambitionierte Projekt galt es zunächst einmal, praktische Schwierigkeiten zu überwinden: Die Mitglieder der zuständigen Kommission mussten im Ausland richtiggehend einkaufen, weil es in Spanien keine geeigneten Druckmaschinen, Papierbögen für das große Folioformat und wenig Graveure und Lithographen gab.65 Eines der ersten in dieser Reihe beschriebenen Monumente war die Alhambra. Ein Grund dafür war wohl die schon in den ersten Zeilen betonte „dauerhafte Beliebtheit“ des Bauwerks. Die Tatsache, dass man es „einer Rasse zugehörig hielt, die sich von der unseren in Religion und Bräuchen unterscheidet“, sei dafür kein Hindernis gewesen.66 Tatsächlich klassifizierten die Herausgeber der „Monumentos arquitectónicos“ die Bauwerke nach ihrer religiösen Herkunft in heidnische, christliche und muslimische. Das Mittelalter wurde wegen der religiösen Zweiteilung von den Experten nicht als einheitliche Epoche angesehen.67 Einige der in den „Monumentos arquitectónicos“ beschriebenen Gebäude erhielten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wiederum in Anlehnung an Frankreich, die Klassifizierung monumento nacional (Nationalmonument). Diese wurde in einem Dekret vom 19. Februar 1836 eingeführt, um Bauwerke zu bezeichnen, die ihrer historischen und künstlerischen Bedeutung wegen unter staatlichen Schutz gestellt wurden. Dies sollte unkontrollierte Veränderungen oder gar Plünderungen seitens Archäologen, insbesondere aus dem Ausland, verhindern.68 Da dafür jedoch weder gesetzliche Voraussetzungen noch ein eigenes Budget geschaffen wurden, verbesserte dies nicht automatisch ihren Zustand, dazu waren die Ernennungen zu unregelmäßig und zu punktuell. Das zuständige Ministerio de Fomento (Ministerium für Entwicklung, nach 1900 das Ministerio de Instrucción Pública, Ministerium für öffentlichen Unterricht) vergab zwischen 1844 und 1903 an 75 hauptsächlich religiöse Bauwerke diesen Titel, eine spärliche Anzahl im Vergleich zu den 3 684 französischen dieser Zeit.69 64
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Javier Blas: Monumentos arquitectónicos de España, la representación científica de la Arquitectura, in: Anticuaria y arqueología. Imágenes de la España Antigua 1757–1877, Madrid 1997, S. 51–60, S. 52. Ebd., S. 54. Juan Facundo Riaño: Palacio árabe de la Alhambra, Madrid 1856, S. 1. Díaz-Andreu: Islamic archaeology, S. 74. Diese Besorgnis zeigte sich u. a. in der Petition der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, in der diese genau aus diesem Grund die Ernennung der muslimischen Palaststadt Madinat al-Zahra bei Córdoba forderte: Informe sobre declaración de Monumento nacional de los restos de la ciudad y palacio de Medina-Az-Zahara, situado en el lugar conocido por Córdoba la Vieja, in: Boletin de la Real Academia de Bellas Artes de San Fernando V/1885, Nr. 17, S. 33–34. Margarita Díaz-Andreu/Gloria Mora/Jordi Cortadella (Hrsg.): Diccionario Histórico de
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
Vor 1900 wurden drei wichtige Bauten des muslimischen Erbes zu Nationalmonumenten ernannt: die Alhambra 1870, die Große Moschee von Córdoba 1882 und die Moschee Cristo de la Luz (Christus des Lichts) in Toledo 1900.70 Damit reagierte das Ministerium auf Anträge von Architekten, Restauratoren und kunstinteressierten Wissenschaftlern, die meist Mitglieder der diesbezüglich federführenden Institution Real Academia de Bellas Artes de San Fernando (Königliche Akademie der Schönen Künste San Fernando) waren. So beschrieb José Amador de los Ríos y Serrano (1818–1878), Literaturprofessor an der Universidad Central und Mitherausgeber der „Monumentos arquitectonicos“ die ehemaligen Moscheen in Toledo, Cristo de la Luz und de las Tornerías, als „zwei der ältesten und umfassend erhaltenen mohammedanischen Bauwerke“ Spaniens.71 Sein Sohn Rodrigo Amador de los Ríos y Fernández de Villalta (1849–1917) setzte sich erfolgreich für die Ernennung der Moschee Cristo de la Luz 1899 zum monumento nacional ein, um unsachgemäße Restaurierungen zu verhindern und dem Gebäude „seine ursprüngliche Schlankheit“ wiederzugeben.72 Der kleinen, von der Wichtigkeit der muslimischen Bauwerke überzeugten Gruppe der Arabisten, war es ein Anliegen, diesen zu ihrer nationalen Bedeutung zu verhelfen, was die Grenzen der Religion bislang verhindert hätten. Amador de los Ríos stellte sich metaphorisch in die Tradition der Aufklärung: „Diese systematische Abneigung [. . . ] verhinderte, [. . . ] dass man daran dachte, arabische Kunst zu untersuchen, die so viele Herrlichkeiten auf unserem Boden geschaffen hat; diese systematische Abneigung hat uns den Ruhm entrissen, dem modernen Europa ein vollständiges Bild der Künste dieses Volkes zu geben, wo die Fackel menschlichen Wissens mit all ihrem Schein leuchtete, als die ganze Welt noch in tiefster Unwissenheit ruhte.“73
Um dieses Versäumnis nachzuholen, erschlossen professionelle Arabisten und autodidaktische Altertumsforscher das materielle Erbe islamischer
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71 72
73
la Arqueología en España (siglos XV–XX), Madrid 2009, Stichwort „Monumento Nacional”, S. 444f. Die Dokumente zur Alhambra und zu Toledo sind einsehbar bei der Real Academia de la Historia und digitalisiert zugänglich: http://www.cervantesvirtual.com/FichaObra.html?portal=124&Ref=305672 (Alhambra), http://www.cervantesvirtual.com/servlet/SirveObras/rahis/01305064225029173190802/ p0000001.htm (Cristo de la Luz) (8. 7. 2010). Zur Baugeschichte der Moschee von Córdoba u. a. Francine Giese-Vögeli: Die Grosse Moschee von Córdoba zwischen Christianisierung und Re-Islamisierung, in: Bauforschung online, August 2007, www.bauforschungonline.ch (8. 7. 2010). José Amador de los Ríos y Serrano: Primeros Monumentos del arte mahometano en Toledo. Mezquitas llamadas del Santo Cristo de la Luz y de las Tornería, Madrid 1877, S. 10. Rodrigo Amador de los Ríos y Fernández-Villalta: La Ermita del Santo Cristo de la Luz en Toledo. Estudio arqueológico motivado por los últimos descubrimientos de febrero de 1899, Madrid 1899, S. 41. José Amador de los Ríos y Serrano: Toledo Pintoresca, Madrid 1845 (Fakisimile-Edition Valladolid 2006), S. 216.
3.1 Die Vorstellung vom „spanischen Islam“
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Präsenz, untersuchten, beschrieben und katalogisierten arabische Münzen, Inschriften und eben auch Bauwerke.74 Die Alhambra in Granada hatte eine Schlüsselrolle inne. Sie war Projektionsfläche für den ausländischen Orientalismus, Inkarnation einer Phantasie aus Tausendundeiner Nacht auf europäischem Boden und geprägt von einer ambivalenten Geschichte. An ihr zeigen sich exemplarisch Debatten, wie sie auch anhand anderer Bauwerke geführt wurden. Aufgrund ihrer Bekanntheit im In- und Ausland verdichteten sich diese jedoch in besonderem Maß. Die Alhambra repräsentiert im Unterschied zur Großen Moschee von Córdoba nicht den Höhepunkt islamischer Macht zur Zeit des Kalifats, sondern gilt als architektonischer Schwanengesang muslimischer Präsenz auf der Iberischen Halbinsel: Nach den christlichen Eroberungen der wichtigen Zentren Córdoba (1236), Valencia (1238), Sevilla (1248) und Silves (1249) hielt sich das kleine Königreich Granada zwischen Sierra Nevada und Mittelmeerküste als letztes islamisches Herrschaftsgebiet auf iberischem Boden noch knapp 200 Jahre. Die Herrscher der Dynastie der Nasriden (1237–1492) erbauten und erweiterten stetig die Alhambra, die als einzige Königsresidenz Symbol für ihre Blüte und schließlich ihren Untergang war.75 Am 2. Januar 1492 kapitulierte der letzte nasridische Herrscher Mohammed XII. (in spanischer Verballhornung „Boabdil“ genannt) vor Ferdinand und Isabella, was dem Herrscherpaar den päpstlichen Ehrentitel „Katholische Könige“ einbrachte. Damit wurde die Alhambra zu einer der prachtvollsten Siegestrophäen der Geschichte. Das Königspaar zeigte von Anfang an Interesse an der Erhaltung des Bauwerks, sei es aus Stolz über dieses steinerne Zeugnis ihres Triumphes, sei es aus heimlicher Bewunderung für die Kunstfertigkeit der Besiegten.76 Durch ihre politischen Beschlüsse gaben Ferdinand und Isabella ihm eine neue Bedeutung, in der die Alhambra die Macht des katholischen Königtums und ihren Triumph über Andersgläubige symbolisierte: Das AlhambraEdikt, veröffentlicht im Mai 1492, stellte die sephardischen Juden vor die Wahl, sich taufen zu lassen oder zu emigrieren. 1499 verbrannte Königin Isabellas Beichtvater Kardinal Jiménez de Cisneros in Granada muslimische Manuskripte und taufte massenhaft Muslime gegen deren Willen. Dies waren die ersten von vielen weiteren Maßnahmen und Edikten, die die hergestellte territoriale Einheit religiös durchsetzen sollten, ein Prozess, der in der Ausweisung der moriscos 1609 gipfelte. Hatten Herrscher wie Karl V. noch seine Bewunderung für die Alhambra mit dem Bau eines Renaissancepalasts auf dem Burgberg zum Ausdruck ge-
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Díaz-Andreu: Islamic archaeology, S. 73. Zur Baugeschichte u. a. Hottinger: Die Mauren, S. 321–328. José Oliver Hurtado/Manuel Oliver Hurtado: Granada y sus monumentos árabes, Malaga 1875, S. VIII; Isabel Ordieres Díez: Historia de la restauración monumental en España (1835–1936), Madrid 1995, S. 160.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
bracht,77 so geriet das aus Madrider Perspektive abgelegene Monument im 17. und 18. Jahrhundert in Vergessenheit. Insbesondere das späte 18. Jahrhundert und die Zeit der napoleonischen Kriege waren für die Alhambra eine Zeit des Stillstands und des Fehlens staatlicher Schutzmaßnahmen, in denen sie Zerstörungen und Plünderungen ausgesetzt war.78 In erster Linie ausländische, von den Idealen der Romantik beseelte Reisende entdeckten die Alhambra im 19. Jahrhundert als Ventil für exotische Sehnsüchte. Flamenco, Stierkämpfe und ein Stück Orient auf europäischem Boden machten den pittoresken Reiz Andalusiens aus.79 Hier gab es die Möglichkeit für einem orientalischen Eskapismus, der aber nicht so dramatisch und umständlich war, wie es eine Reise außerhalb Europas gewesen wäre.80 Der US-amerikanische Schriftsteller Washington Irving lebte mehrere Monate in der Alhambra und verfasste dort seine Erzählsammlung „Tales from the Alhambra“ (Geschichten von der Alhambra,1829), die das Bauwerk weit über Spanien hinaus bekannt machte. Gleichzeitig beklagten er und andere Reisende deren schlechten Zustand. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts konnte die Alhambra vom erwachenden architektonischen und archäologischen Interesse profitieren.81 Sie wurde im europäischen Ausland eine Ikone des Orientalismus und inspirierte den Crystal Palace in London (1851), die Wilhelma des Königs Wilhelm von Württemberg (1842–1846) sowie unzählige orientalistische Salons in Häusern von Bürgern und reichen Adeligen.82 Die Geschichte der Förderung und Konservierung der Alhambra ist eine Verknüpfung mehrerer Familiengeschichten: Rafael Contreras y Muñoz (1824–1890), als Sohn des städtischen Architekten José Contreras in und mit der Alhambra aufgewachsen, wirkte über 40 Jahre als offiziell ernannter arquitecto adornista („verschönernder Architekt“). Deshalb war er mehr mit der Ausschmückung der Gebäude im Geschmack des 19. Jahrhunderts als mit dem Erhalt ihrer historischen Strukturen beschäftigt. Isabella II. gab bei ihm einen „arabischen Salon“ nach dem Vorbild der Sala de las Dos Hermanas (Saal der Zwei Schwestern) für das Schloss von Aranjuez in Auftrag, woraufhin er ähnliche Aufträge von spanischen Adeligen bekam und zahlreiche Einladungen ins europäische Ausland erhielt.83 Sein Sohn und 77 78
79 80
81 82 83
Hottinger: Die Mauren, S. 321. José Manuel Rodríguez Domingo: La Alhambra arqueológica (1847–1907): Origen y evolución de un modelo anticuario, in: Mora/Díaz-Andreu (Hrsg.): La cristalización del Pasado, S. 341–350, S. 343. Zur Andalusien-Begeisterung des Auslands und ihrer Wechselwirkung mit Überresten der Schwarzen Legende vgl. Baumeister: Diesseits von Afrika?, S. 38–41. Tonia Raquejo: El palacio encantado. La Alhambra en el arte británico, Madrid 1989, S. 16. Ausführlich zur romantischen Alhambra-Begeisterung Cristina Viñes Millet: La Alhambra que fascinó a los románticos, Granada 2007. Rodríguez Domingo: La Alhambra arqueológica, S. 343. Vgl. Stefan Koppelkamm: Der imaginäre Orient. Exotische Bauten des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts in Europa, Berlin 1987, bes. S. 61–76. Vgl. Nieves Panadero Peropadre: Recuerdos de la Alhambra: Rafael Contreras y el Gabi-
3.1 Die Vorstellung vom „spanischen Islam“
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Abbildung 1: Francisco Javier Parcerisa: „Fuente de los Leones (Löwenbrunnen)“, in ders./ Francisco Pi y Margall, Recuerdos y bellezas de España. Reino de Granada, Madrid 1850. Bücher wie diese sollten den architektonischen Reichtum Spaniens vor Augen führen. Das Interesse ausländischer Reisender sorgte dafür, dass die Alhambra, insbesondere der Löwenhof, zu einer Ikone muslimischer Architektur in Spanien wurde. © Patronato de la Alhambra y Generalife.
Nachfolger Mariano Contreras Granja verschob den Schwerpunkt seiner Arbeit von einer historisierenden Restaurierung hin zur Konservierung.84 Von wissenschaftlicher Seite beantragte der Maler und Archäologe Manuel Gómez-Moreno González (1834–1918) zusammen mit Francisco Javier Simonet im Namen der Comisión de Monumentos Historicos y Artísticos (Kommission für historische und künstlerische Monumente) in Granada erfolgreich die Ernennung der Alhambra zum monumento nacional und widmete ihr zahlreiche Monographien und Reiseführer. Sein Sohn Manuel Gómez-Moreno Martínez (1870–1970) promovierte mit einer Arbeit über mozarabische Architektur und wurde 1913 erster Lehrstuhlinhaber für arabische Archäologie an der Universität Madrid. Der Journalist, Historiker und Schriftsteller Luis Seco de Lucena Escalada (1857–1941), ab 1919 In-
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nete Árabe del Palacio Real de Aranjuez, in: Reales Sitios. Revista del Patrimonio Nacional 31/1994, Nr. 122, S. 33–40. Zur Familie Contreras vgl. u. a. Rodríguez Domingo: La Alhambra arqueológica, S. 344– 347; Luis Seco de Lucena Escalada: La Alhambra – cómo fué y cómo es, Granada 1935, S. 367f.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
haber des neu geschaffenen Postens eines vulgarizador de la Alhambra (eine Art Vorläufer eines heutigen Öffentlichkeitsreferenten), trug mit allgemeinverständlichen Schriften für ein breites Publikum zur Popularisierung der Geschichte der Alhambra bei. Bis in die 1980er-Jahre lieferten seine Texte den Grundstock für touristische Reiseführer und wurden in viele Sprachen übersetzt. Sein Sohn Luis Seco de Lucena Paredes (1901–1974) wurde 1942 Lehrstuhlinhaber für arabische Sprache und Literatur in Granada.85 Von dieser lokal und familiär eng verbundenen Gruppe gingen die Impulse aus, die Alhambra zu einem spanischen Nationaldenkmal zu machen. Trotz ähnlicher Ziele und enger räumlicher Verbindungen fielen die Bewertungen der maurischen Herkunft des Bauwerks unterschiedlich aus. Eine der zentralen Debatten der spanischen Archäologie des 19. Jahrhunderts, ob westgotisch-katholisches oder islamisches Erbe prägender für Spanien waren,86 entzündete sich am Beispiel der Alhambra. Dass diese Debatte teilweise aufgeheizt geführt wurde, lässt sich aus dem scharfen Urteil von Rafael Contreras 1878 erkennen: „Die westgotische Epoche [. . . ] brachte auf unserem Boden nichts hervor, was wir einer nationalen Kunst gleichstellen könnten. Dafür muss man bis ins achte Jahrhundert gehen, als die christliche Gesellschaft verschwindet und unsere Soldaten vor dem Glanz der Krummsäbel fliehen, denn die theokratisch regierte Heimat kann den Invasoren keinen bürgerlichen Wert entgegensetzen. [. . . ] Sind wir immer noch unfähig, dankbar anzuerkennen, was die alte spanische Zivilisation diesen Gästen verdankt, die ihr Blut und ihre orientalischen Bemühungen auf unserem Boden säten? . . . Der Spanier, so wie er ist, dieser Menschenschlag, der sich bis zu einem gewissen Maß von der europäischen Familie und vor allem von den nordischen Rassen unterscheidet, verkörpert heute im Verfall jene Kultur, und weder die grausamen religiösen Verfolgungen, noch die eiserne monarchische Einheit, noch die Auswanderungen konnten die Seele zerstören, die für muslimische Kunst, Literatur und Dichtung entflammte.“87
Contreras‘ aus heutiger Perspektive ahistorisch verwendeten Begriffe wie „bürgerlich“ („civico“) machen deutlich, dass sich hinter der Diskussion um Architektur eine liberale Kritik an religiösen Privilegien verbarg. Gleichzeitig zeugen Bezeichnungen wie die der Muslime als „Gäste“ und das Lob der orientalischen Welt von seiner Beeinflussung durch die ausländische Romantik. Die Gegenthese zu Contreras vertrat Gómez-Moreno, unterstützt von seinem Sohn. In ihrem „Guia de Granada“ (Führer von Granada) von 1892 verbanden sie in essentialistischen Deutungen architektonische und charakterliche Werturteile über die Muslime:
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Zu den Biographien vgl. u. a. Díaz-Andreu/Mora/Cortadella (Hrsg.): Diccionario Histórico de la Arqueología en España, Stichworte „Gómez-Moreno Gónzalez“ und „GómezMoreno Martínez“, S. 304–307 sowie „Seco de Lucena Escalada“ und „Seco de Lucena Paredes“, S. 605f. Díaz-Andreu: Islamic archaeology, S. 76–80. Rafael Contreras: Estudio descriptivo de los monumentos arabes de Granada, Sevilla y Cordoba, Saragossa 1993 [EA 1878], S. 12 u. S. 15.
3.1 Die Vorstellung vom „spanischen Islam“
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„[Die arabische Architektur] verlor an Festigkeit, kennt keine Großartigkeit und ist in wissenschaftlicher Hinsicht arm, aber im Dekorativen übertraf sie alle anderen Baustile des Mittelalters, obwohl sie nicht an die einzigartige Freiheit der Gotik heranreicht. Alles in allem: ein höchst getreues Abbild des Volkes, dem sie diente, es portraitiert ihre raffinierte und sinnliche Kultur, ihre üppige Dichtung und ihre Instabilität.“88
So war das Jahr 711 für Gomez-Moreno eine „schrecklichen Katastrophe der arabischen Invasion“89 während Contreras zwischen Faszination und Aversion gegenüber den Arabern, diesem „fanatischen und edlen Volk“90 schwankte, aber bescheinigte, dass Spanien ihnen „acht Jahrhunderte konstanten Fortschritts“ verdanke.91 Einig waren sich die Autoren trotz ihrer unterschiedlichen Wertungen darin, dass die Alhambra als Leistung der „spanischen Muslime“ wichtiger Teil des spanischen Kulturgutes war und künstlerische „Originalität“ besaß.92 Aufgrund der steigenden Bekanntheit der Alhambra und der Notwendigkeit, sich angesichts der Marginalisierung Spaniens im europäischen Vergleich an vergangene Größe zu erinnern, avancierte die Geschichte des Bauwerks zu einem der wichtigsten nationalen Mythen: Die Übergabe der Stadtschlüssel von Mohammed XII. an das Königspaar wurde beliebtes Sujet einer triumphalistischen Historienmalerei, allen voran durch das monumentale Bild „La rendición de Granada“ (Die Übergabe von Granada), das Francisco Pradilla y Ortiz 1882 für den spanischen Senat anfertigte und das sogar auf Alltagsgegenständen wie Fächern reproduziert wurde (Abb. 2).93 Die Geschichtsschreibung feierte das Ereignis als Abschluss der sogenannten reconquista. Diese Anschlussfähigkeit für konservative Deutungen trug auf ideologischer Ebene zur Bekanntheit des Gebäudes bei, ebenso wie auf praktischer Ebene die Entwicklung eines Bildungstourismus im eigenen Land, verkörpert unter anderem in der 1892 gegründeten Sociedad Española de Excursiones (Spanische Ausflugsgesellschaft). Auch wenn das öffentliche Interesse stets mit chronischem Geldmangel für die aufwendige Erhaltung des großen Gebäudekomplexes kollidierte,94 war die Alhambra im 20. Jahrhundert fester Bestandteil eines spanischen architektonischen Erbes. Die Ambivalenz gegenüber dem ursprünglich muslimischen Gebäude konnte zweifach aufgehoben werden: durch die arabistische Vorstellung eines 88 89 90 91 92 93
94
Manuel Gómez-Moreno González: Guía de Granada, Granada 1892 (Reprint Granada 1994), Bd. 1, S. 6. Ebd., S. 12. Contreras: Estudio descriptivo, S. 15. Ebd., S. 197. Gómez-Moreno González: Guía de Granada, Bd. 1, S. 5. Sören Brinkmann: Spanien. Für Freiheit, Gott und König, in: Flacke (Hrsg.): Mythen der Nationen, S. 476–501, S. 489; zum Kontext des Auftrags Carlos Reyero: Imagen histórica de España (1850–1900), Madrid 1987, S. 253. Vgl. die von Seco de Lucena geschilderte Pressekampagne zu ihrer Erhaltung: Seco de Lucena Escalada: La Alhambra, S. 370–380.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
Abbildung 2: Fächer mit einem Bild nach Vorlage von Francisco Pradilla y Ortiz: „La rendición de Granada“ (Die Übergabe von Granada), nach 1882. Die Übergabe von Granada war Ende des 19. Jahrhunderts ein bevorzugtes Sujet spanischer Historienmalerei. Das Gemälde von Pradilla y Ortiz wurde, wohl wegen seiner geradezu fotographischen Darstellungsweise, besonders berühmt. Die Szenerie diente, wie auf diesem Fächer, vielfach als Vorlage. Palacio Real de Aranjuéz. © Patrimonio Nacional de España.
„spanischen Islam“ und durch die Interpretation als Triumphsymbol der katholischen Könige, wie sie in der Wertung von Seco de Lucena Escalada aufscheint: „Eines der wahrhaftigsten und unbestreitbarsten Verdienste, dessen sich die Spanier rühmen können, ist der Besitz und die Erhaltung der Alhambra; denn indem wir sie besitzen, beweisen wir, dass wir Patriotismus, Mut und Kraft für die Wiedereroberung des nationalen Territoriums besaßen, das uns die muslimischen Invasoren entrissen hatten, und indem wir sie erhalten, zeigt sich klar durch die vielen Opfer und Mühen, die wir dafür auf uns nehmen [. . . ], wie wir unsere Pflicht als Hüter eines Denkmals erfüllen müssen, das aufgrund seiner außergewöhnlichen Eigenschaften die ganze zivilisierte Welt interessiert und auf den Geist der ganzen Menschheit einwirkt.“95
Die Alhambra war also in mehrfacher Hinsicht eine Projektionsfläche. Sie konnte konservativ gelesen werden als Symbol des Triumphs des Christentums über den Islam, liberal als Zeugnis einer kulturellen Blütezeit, in jedem Fall aber als etwas, das Spanien von den europäischen Nachbarn unterschied und daher nationale Größe und Einmaligkeit verkörperte. Es bleibt die hier nicht abschließend zu beantwortende Frage, inwieweit das Bewusstsein für eine nationale Bedeutung der Alhambra allein dem Wunschdenken ihrer Förderer entsprang, die stets nach Finanzierung für die teure Erhaltung such95
Ebd., S. 361f.
3.2 Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit
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ten, oder ein solches tatsächlich verbreitet war. Die um die Jahrhundertwende entstehenden Autonomiebewegungen im Baskenland oder Katalonien waren in Abgrenzung zu einem spanischen Zentralismus bemüht, jede Verbindung mit historischer muslimischer Präsenz zu leugnen.96 In dieser Sicht war das schriftliche und architektonische muslimische Erbe ein Ausschluss-, kein Integrationsfaktor, während umgekehrt der Begründer des historischen andalucismo Blas Infante (1885-1936) das archäologische Erbe Andalusiens als dessen Bindeglied zu den Zivilisationen des Orients betonte.97 Die Arabistik stellte Interpretationen für den Umgang mit dem muslimischen Erbe bereit, aus denen sich nahezu alle politischen und geistigen Strömungen bedienen konnten. So avancierte die Alhambra für konservative Nationalisten von einem steinernen Stolperstein im katholischen Nationsentwurf zu einer Säule christlich-spanischer Größe, während sie in einer liberalen Perspektive als Beleg für kulturelle Leistungen auf spanischem Boden galt.
3.2 Das vergessene Erbe Portugals: Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit 3.2.1 Al-Andalus als nationale Vorgeschichte: Geschichtsentwürfe der portugiesischen Arabistik Die Frage nach der Rolle des Islam für die Formierung der Nation war für das Bild einer portugiesischen Nation ebenfalls relevant. Der Kampf gegen die Mauren galt den Historikern des 19. Jahrhunderts als konstitutiv für die portugiesische Nation. Auch historische Kontakte mit der islamischen Welt hätten eine intensive wissenschaftliche Beschäftigung nahegelegt: Portugal eroberte 1415 Ceuta und errichtete in den folgenden Jahrzehnten Stützpunkte an der Küstenline von Tanger bis Santa Cruz do Cabo de Gué (heute Agadir), noch vor dem Nachbarn und Rivalen Spanien. Doch trotz eines sich über vier Kontinente erstreckenden Kolonialreichs und vielfältigen internationalen Kontakten hinkte Portugal in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit arabischer Sprache und Kultur hinterher. Erst nach der Aufgabe der letzten nordafrikanischen und gleichzeitig letzten arabisch beeinflussten Territorien Azamor und Mazagão (heute El Jadida) im Jahr 1769 begannen verschiedene Klöster und kirchliche Institutionen, sich systematisch dem Studium der arabischen Sprache zu widmen.98 Im Unterschied zu anderen europäischen Staaten wie Polen, 96
Vgl. Kap. 2.1.6. Stallaert: Etnogénesis y etnicidad, S. 91. 98 Zu den nichtinstitutionalisierten Vorläufern der Arabistik und zu Sprachkontakten zwischen Portugal und der arabischsprachigen Welt José Pedro Machado: Os estudos
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
Spanien oder dem Habsburgerreich waren die Pioniere einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Arabistik im späten 18. Jahrhundert größtenteils Kleriker, gebildete Laien waren kaum darunter anzutreffen. 99 Eine Schlüsselfigur für eine systematische, wenngleich noch nicht im heutigen akademischen Sinn institutionalisierte Beschäftigung mit der Arabistik war der Franziskaner Frei Manuel do Cenáculo Vilas Boas (1724–1814), Bischof von Beja und späterer Erzbischof von Évora. Als Berater des Marquês de Pombal in dessen aufklärerisch motivierten Erziehungsreformen förderte Cenáculo den Unterricht der orientalischen Sprachen Hebräisch, Syrisch und Arabisch mit dem Ziel, die kulturellen Einflüsse auf das Alte Testament besser zu verstehen und es besser übersetzen zu können.100 Er machte den Convento de Nossa Senhora de Jesus in Lissabon, dessen Vorsteher er war, zu einem ersten Zentrum der Arabistik. 1772 wurde dort ein Lehrstuhl für arabische Sprache geschaffen, besetzt von Frei António Baptista Abrantes (1737–1812).101 Ein entscheidender Impuls für eine Institutionalisierung der Arabischstudien erreichte Portugal von außen in Gestalt von Yhuanna min Dimashq, einem gebildeten Christen aus Damaskus, der 1749, nach anderen Angaben 1750, an Bord eines französischen Schiffs nach einem Unwetter im Hafen von Lissabon strandete.102 Gefördert von Cenáculo trat der junge Mann, der sich fortan João de Sousa nannte, in den Franziskanerorden ein, wurde Priester und nahm mehrfach an diplomatischen Missionen nach Nordafrika teil. Daneben förderte de Sousa als „self-madeWissenschaftler“103 das Studium seiner arabischen Muttersprache und folgte Abrantes 1794 als Lehrstuhlinhaber nach.104 De Sousas Einfluss und seine Kontakte bereiteten den Boden dafür, dass die Arabistik auch im Portugal des 19. Jahrhundert gepflegt wurde, wenngleich nur in bescheidenem Rahmen. Die Schüler de Sousas publizierten meist auf Portugiesisch, was ihre Rezeption außerhalb portugiesischsprachiger Gebiete erschwerte, zudem fehlte in dieser Phase noch völlig der Rückhalt einer Universität.105 Gleichzeitig orientierte Portugal seine Interessen im 19. Jahrhundert von Nordafrika weg, so dass das Arabische auch in
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arábicos em Portugal, in: ders.: Ensaios arabico-portugueses, Lissabon 1997, S. 109–144, S. 111–125. Kemnitz: Portugal e o Magrebe, S. 498. Machado: Os estudos arábicos em Portugal, S. 126; Adel Sidarus: Os estudos árabes de Portugal (1772–1962), in: ders. (Hrsg.): Islão e Arabismo na Península Ibérica. Actas do XI Congresso da Uniao Europeia de Arabistas e Islamólogos, Évora 1986, S. 37–54, S. 38f. Zu Cenáculo und Abrantes vgl. ausführlich Kemnitz: Portugal e o Magrebe, S. 133–151 und S. 333–342. Vgl. die Quelle bei Machado: Os estudos arábicos em Portugal, S. 128f. Kemnitz: International contacts, S. 374. Zu de Sousas Aktivitäten als Lehrstuhlinhaber vgl. Kemnitz: Portugal e o Magrebe, S. 343–358, zu seinen Werken S. 441–453 und zu seinem Nachlass S. 474–479. Kemnitz: International contacts, S. 383.
3.2 Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit
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politischer Hinsicht an Bedeutung verlor.106 Die formelle Auflösung des ehemaligen Lehrstuhls von de Sousa im Jahr 1869 beendete vorläufig eine institutionell verankerte wissenschaftliche Beschäftigung mit arabischer Sprache und Kultur in Portugal. Darüber hinaus widmeten sich nur wenige Intellektuelle dem Thema. Diese hatten meist einen biographischen Bezug zur arabischen Welt: zum Beispiel der in Tanger geborene José Daniel Colaço (1831–1907), Sproß einer seit mehreren Generationen in Marokko tätigen Diplomatenfamilie, der sich über seine politische Tätigkeit hinaus als Maler und Autor historisch-philologischer Studien mit arabistischen Themen befasste.107 Andere, nicht institutionell gebundene Arabisten wie José Pereira Caldas (1818–1903) und João Leite Neto (1838–1883), beide Gymnasiallehrer in Braga, veröffentlichten Arbeiten über arabische Musik, Numismatik oder arabisch-portugiesische Konversationsführer.108 Diese Beschäftigungen mit arabistischen Themen im späten 19. Jahrhundert entstanden vereinzelt und ohne institutionelle Anbindung. Dass im Portugal dieser Zeit trotz der vielen historischen Bezüge zur arabischen Welt ein solches Desinteresse herrschte und die einzigen Versuche zur Institutionalisierung der Arabistik von Klerikern respektive ihren Schülern unternommen wurden, ist auf die strukturelle und finanzielle Schwäche des Bildungswesens zurückzuführen. Diese Situation änderte sich erst in der Ersten Republik, die die Hochschullandschaft tiefgreifend veränderte. Um die öffentliche Bildung zu verbessern und einen Gegenpol zur bisherigen Vorrangstellung der Universität Coimbra zu schaffen, gründete die provisorische republikanische Regierung 1911 die Universität Lissabon und die Universität Porto, bereits existierende Hochschulen in beiden Städten wurden in die Universitäten integriert und zu Fakultäten erhoben.109 Diese Gründung schuf auch die Voraussetzung für eine universitäre Institutionalisierung der wissenschaftlichen Arabistik: Der Literaturwissenschaftler und Historiker David Lopes (1867–1942) wurde 1914 Inhaber des ersten Lehrstuhls für Arabistik an der Universität Lissabon. Lopes‘ Interesse für die arabisch-islamische Welt war durch die Lektüre Alexandre Herculanos geweckt worden, der sich im 19. Jahrhundert als erster Historiker mit der Rolle des Islam in der Formierung der portugiesischen Nation auseinandergesetzt hatte.110 Da Herculano auf Sekundärliteratur angewiesen gewesen war, wollte Lopes mit Originalquellen arbeiten. Mangels Möglichkeiten im eigenen Land studierte er in Paris Arabisch.111 Den Kontakten zwischen Portugal und der muslimischen Welt widmete er sich,
106 107 108 109 110 111
Sidarus: Os estudos árabes de Portugal, S. 44. Zu Colaço und seinen Werken Kemnitz: Portugal e o Magrebe, S. 313f., S. 508, S. 535f. Ebd., S. 506f. Diário do Governo, 24. 03. 1911 und 22. 4. 1911. Vgl. auch Marques: Geschichte Portugals, S. 547. Zu Herculano vgl. Kap. 2.2.1. Sidarus: Os estudos árabes de Portugal, S. 46.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
wie später seine Schüler, in zwei Dimensionen: den Kontakten der Portugiesen mit Muslimen in der Zeit der Entdeckungen, vornehmlich in Marokko und in Indien, und der muslimischen Präsenz auf der Iberischen Halbinsel.112 Letzterer Aspekt ist vor allem relevant für die Integration muslimischen Erbes in eine nationale Erzählung, weil diese Zeit als Gründungsphase der Nation empfunden wurde. Lopes nutzte seine fachliche Kompetenz und institutionelle Verankerung, indem er Fehler aus dem damals schon kanonischen Werk Herculanos korrigierte, ergänzte und aktualisierte113 sowie dessen siebenbändige „História de Portugal“ (Geschichte Portugals) neu herausgab und kommentierte. Jenseits wissenschaftlicher Kreise leistete er auch einen Beitrag zur Popularisierung der muslimischen Vergangenheit Portugals. In der Reihe „Os livros do Povo“ (Die Bücher des Volks) zum erschwinglichen Preis von 5 Centavos publizierte er das handliche Büchlein „Portugal contra os mouros“ (Portugal gegen die Mauren). Die Verwendung der Bezeichnung mouros im Titel, ein Begriff, den Lopes‘ sonst in seinen wissenschaftlichen Schriften vermied, zeigt, dass er die durch Legenden, Mythen und populären Auffassungen geprägte nichtwissenschaftliche Leserschaft bei diesem bekannten Begriff abholen wollte, um ihn dann wissenschaftlich aufzuschlüsseln. Es ist eine der wenigen portugiesichen Textquellen des 19. und 20. Jahrhunderts,114 wo der Begriff mouro von einem Arabisch beherrschenden Historiker reflektiert wird: „Wir nennen sie ,Mauren’, weil sie aus der Gegend kamen, die Mauretanien hieß und heute teilweise Marokko heißt. Diese Bezeichnung ist nicht sehr exakt: Sie umfasst nicht nur Mauren, sondern auch andere Völker, die unter der gleichen Flagge kämpften: Araber, Syrer, Perser, aber sie hat sich über die Jahrhunderte gehalten, und daher benutzen wir sie. Andere nennen diese Invasoren ,Araber’, aber die Araber waren nur ein Teil, der edelste und führende, in dieser Gruppe. Vor allem außerhalb unserer Halbinsel nennt man sie ,Muslime’, und diese Bezeichnung ist am exaktesten, denn sie bedeutet ,der, der den Lehren des Korans folgt’, was das heilige Buch dieser Menschen ist [. . . ]. Auch unter uns nahm ,Maure’ von Anfang an eine religiöse Bedeutung an. Daher kommt es, dass die Portugiesen, nachdem sie das Kap der Guten Hoffnung umschifft hatten und in Afrika und Asien Angehörige der gleichen Religion trafen, die sie hier im Abendland kennengelernt hatten, diese Mauren nannten, so wie diese auch heute noch in den portugiesischen Besitzungen in Indien und Mosambik genannt werden.“115
Dank Lopes wurde die muslimische Vergangenheit in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung verankert. Er schrieb das Kapitel „O domínio árabe“ (Die arabische Herrschaft) für die „História de Portugal“, die unter dem Namen ihres Erscheinungsortes „História de Barcelos“ bekannt wur112
113 114 115
António Dias Farinha: Os estudos árabes na historiografia posterior a Herculano, in: A historiografia portuguesa de Herculano a 1950. Actas do colóquio, Lissabon 1978, S. 293–304, S. 294. David Lopes: Os Arabes nas obras de Alexandre Herculano, Lissabon 1911. Zur Begriffsgeschichte vgl. Kap. 1. Lopes: Portugal contra os mouros, S. 3f. Nach Angaben von Sidarus: Os estudos árabes de Portugal, S. 48, erschien das Buch 1917.
3.2 Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit
97
de. Diese zwischen 1928 und 1935 erschienene116 bislang umfangreichste Geschichtsdarstellung Portugals entstand im Geist der nationalistisch-patriotischen Geschichtsschreibung der Militärdiktatur und des frühen Estado Novo. Dennoch kann die „História de Barcelos“ nicht einfach als ideologische Geschichtsschreibung bezeichnet werden. Der Herausgeber Damião Peres (1889–1976), Geschichtsprofessor in Porto und später in Coimbra, versammelte für die einzelnen Kapitel Historiker unterschiedlicher wissenschaftlicher und politischer Auffassungen. So arbeitete der demokratisch gesinnte Joaquim de Carvalho am Kapitel über die politische Geschichte des 19. Jahrhunderts mit, einer dem Estado Novo aufgrund der liberalen und republikanischen Ideen verhassten Epoche. Hingegen fehlte ein regimetreuer Historiker wie João Ameal117 unter den Autoren.118 Damit ist die „História de Barcelos“ weniger eine salazaristische Geschichtsschreibung als eine Geschichtsschreibung in der Zeit von Salazars Herrschaft.119 Gleichzeitig sind Einteilung und Gewichtung der einzelnen Epochen aussagekräftig für die Bedeutung, die ihnen jeweils zugewiesen wurde: Die Blütezeit der überseeischen Entdeckungsfahrten von 1411–1557 wird auf knapp 1400 Seiten geschildert, während die Jahrtausende von der vorrömischen Epoche bis zur Schlacht von São Mamede 1128 auf nur rund 500 Seiten Platz fanden.120 Davon nimmt innerhalb dieses ersten Bandes, der „Introdução“ (Einführung), Lopes‘ Kapitel über 500 Jahre muslimische Präsenz vierzig Seiten ein. Alle Ereignisse und Kulturen vor der Unabhängigkeit des späteren portugiesischen Territoriums sind damit eine Art nationale Vorgeschichte, der im Vergleich zu den späteren Jahrhunderten wenig Aufmerksamkeit zukam. So begrenzt Lopes‘ Einfluss auch war, kannte er als erster moderner portugiesischer Historiker die Zeit der muslimischen Präsenz aus eigenem Quellenstudium und integrierte sie in eine nationale Erzählung. In seiner Haltung scheinen ähnliche Ambivalenzen auf wie bei seinen spanischen Kollegen: Er bezeichnete die Muslime als Eindringlinge (intrusos), verurteilte jedoch wie viele Liberale insbesondere die Vertreibung der moriscos als Fehler.121 Jedoch betonte er das Erbe der besiegten Muslime, von denen „ein Teil der Seele in den Orten zurückblieb, die vom Blut ihrer Eltern getränkt waren“ ebenso wie die Tatsache, dass dieses vor allem in arabischen Lehnwörtern, Ortsbezeichnungen und verschiedenen Verwaltungsstrukturen 116 117 118
119 120 121
1954 und 1981 wurde sie um neue Bände zur Geschichte der Republik und des Estado Novo erweitert, heute umfasst sie 10 Bände. Zu Ameal vgl. Kap. 5.2.2. Luís Reis Torgal: A história em tempo de „ditadura”, in: Fernando Catroga/Luís Reis Torgal/José Maria Amado Mendes: História da História em Portugal séculos XIX–XX, o. Ort, 2. Aufl. 1998, Bd. 1, S. 272–310, S. 305. So das Urteil von Torgal in ebd., S. 306. Ebd., S. 304. David Lopes: O domínio árabe, in: Damião Peres (Hrsg.): História de Portugal, Barcelos 1928ff., Bd. 1, S. 389–431, S. 405f.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
zurückgeblieben war.122 Wie Herculano hob er hervor, dass das Zusammenleben nicht allein von religiösen Konflikten geprägt und der Kampf zwischen Christen und Muslimen eher von politischen und wirtschaftlichen als von religiösen Gründen motiviert gewesen sei.123 Er stand damit in der Linie säkularer portugiesischer Geschichtsschreibung, die den politischen Charakter des Mittelalters betonte. Wissen über muslimische Einflüsse, wie es Lopes im reich illustrierten Kapitel anhand von Bauwerken, Münzen und Inschriften vermittelte, erschien in diesem Zusammenhang als historische Bereicherung und weniger als Gefährdung nationaler Einheit. Zwar existierte nun eine universitäre portugiesische Arabistik. Doch blieb sie weiterhin auf einen engen Personen- und Wirkungskreis beschränkt, auch weil die 1914 eingerichteten Arabischstudien optional und nicht fester Bestandteil eines Studiengangs waren.124 In der Nachfolge von David Lopes publizierten dessen Schüler, unter anderem Abreu Figanier, José Domingo Garcia Domingues und José Pedro Machado125 philologische und historische Studien. Insbesondere erforschten und rekonstruierten sie die arabische Vergangenheit einzelner Städte wie Lissabon, Évora oder der ehemals portugiesischen Gebiete in Marokko.126 Garcia Domingues setzte sich unter anderem mit der These auseinander, die „Luso-Araber“ hätten zusammen mit den Mozarabern Traditionen der alten Lusitanier überliefert und seien Vorläufer eines portugiesischen Staates. Er wies auch auf die entsprechenden Diskussionen im 19. Jahrhundert hin.127 Doch diese Beschäftigungen der Arabisten schufen keine völlig neue, nationale Erzählung. Jenseits der kleinen Gruppe universitärer Arabisten widmeten sich im Estado Novo auch Autoren dem Islam, die aufgrund der muslimischen Präsenz in den Kolonien daran interessiert waren. Wie Garcia Domingues anmerkte, sei etwa der Autor des dreibändigen Werks „Árabes e Muçulmanos“ (Araber und Muslime) Eduardo Dias mangels Sprachkenntnissen kein Arabist im eigentlichen Sinne, auch wenn er diesem als Verdienst anrechnete, durch sein umfassendes Werk eine gewisse Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert und erreicht zu haben.128 Zum anderen waren die Interessen der mit dem 122 123 124 125
126
127 128
Lopes: Portugal contra os mouros, S. 37. Lopes: O domínio árabe, S. 422. Sidarus: Os estudos árabes de Portugal, S. 51. Machado übersetzte ab Ende der 1960er-Jahre während der kolonialen Annäherung an den Islam den Koran ins Portugiesische – ein in vieler Hinsicht umstrittenes Projekt. Vgl. dazu Kap. 4.2.3 sowie Machaqueiro: Estratágias, rivalidades e conflictos de poder identitário, S. 48f. Vgl. die Auflistung der arabistischen Werke nach Lopes‘ Tod 1942 bis 1958 bei José Domingo Garcia Domingues: Os estudos arábicos em Portugal depois de David Lopes, in: Revista de Portugal 24/1959, S. 23–35, S. 32–35. José Domingo Garcia Domingues: Presença Árabe no Algarve, in: Sidarus, Islão e Arabismo na Península Ibérica, S. 113–130, S. 131. Zu Herculano und Braga vgl. Kap. 2. Domingues: Os estudos arábicos em Portugal, S. 29f.; vgl. zu Dias Kap. 4.2.2 dieser Arbeit.
3.2 Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit
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kolonialen Islam befassten Wissenschaftler andere: Ihnen ging es weniger um die Integration einer muslimischen Vergangenheit als um die einer muslimischen Gegenwart in eine portugiesische nationale Erzählung.129 So ging die strukturelle Schwäche der Arabistik, wie sie schon vor dem Estado Novo angelegt war, einher mit dem marginalen Platz, den die Diktatur dem Islam bei der Formierung der Vergangenheit einräumte: Er war ein Gegner, den man, einmal besiegt, vergessen konnte, um zu noch größeren Taten aufzubrechen, eine Lesart, wie sie auch in den Jubiläumsfeiern zur Eroberung Lissabons zum Ausdruck kam.130 Insbesondere im frühen Estado Novo der 1940er-Jahre hatten keine Geschichtsentwürfe Platz, die in irgendeiner Weise die monolithische Nationsvorstellung des Estado Novo hätten aufbrechen können. Das Regime hatte kein Interesse an einer Forschung, die möglicherweise sein Geschichtsbild einer christlichen Nation gefährdet hätte.131 Die Beschäftigung mit der islamischen Vergangenheit war nicht verboten, sie wurde aber auch nicht gefördert. Vielleicht gerade deshalb verstärkte sich in der Endphase des Estado Novo respektive in den ersten Jahren der Demokratie ein Interesse von Historikern an der arabischen Vergangenheit, die keine arabistische Ausbildung hatten und die ihrerseits viel zur Erschließung des muslimischen Mittelalters beitrugen. Im Fall des Historikers António Borges Coelho (geb. 1928) setzte ein wissenschaftliches Werk auch ein politisches Zeichen. In einer vierbändigen Quellenedition, deren erster Teil 1972, zwei Jahre vor der Revolution des 25. April erschien, versammelte Borges Coelho christliche und islamische Quellen und Dichtungen des Gharbe do Andaluz, des westlichen al-Andalus, dessen Name noch in der Region Algarve fortlebt. Im Vorwort beklagte er, dass die muslimische Vergangenheit des Territoriums, das später zu Portugal wurde, mangels Willen oder Wissen vergessen und dieser Einfluss zu einem rein oberflächlichen reduziert worden sei: „Während Jahrhunderten – denen der Reconquista und danach denen des Wettbewerbs in Übersee – verschonte der fatale Kreuzzugsgedanke viele Überreste nicht, vor allem nicht die schriftlichen, die die arabische Zivilisation des westlichen Andalusiens betrafen. Und das Schweigen suchte das alte Haus heim. [. . . ] Es ist diese verschwiegene Zivilisation, die wir jetzt aus der Vergessenheit holen und deren unabhängige und authentische Stimme wir jetzt hörbar machen wollen. Wie viel von ihrem Blut fließt noch in unseren Adern? Wie viel ihrer Erotik wurde Teil unserer Mentalität, wir, die wir [. . . ] zu einem beträchtlichen Teil auch Erben ihrer handwerklichen Fähigkeiten und der Arbeitsabläufe sind, mit der wir bis in unsere Tage Felder und Obstgärten bewirtschaften?“132
Fragen, über die sich spanische Arabisten und Historiker schon seit über 129 130 131 132
Vgl. Kap 4.2. Vgl. Kap. 5.2.2. Carlos Fabião: Archeology and nationalism: the Portuguese case, in: Díaz-Andreu/ Champion (Hrsg.): Nationalism and archaeology in Europe, S. 90–107, S. 104. António Borges Coelho: Portugal na Espanha Árabe, Lissabon 1989 [EA 1971], Bd. 1, S. 24f.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
hundert Jahren stritten, formulierte nun ein Portugiese in dieser Deutlichkeit. Borges Coelho, der von 1957 bis 1962 wegen seiner Aktivitäten in der verbotenen kommunistischen Partei in der berüchtigten Festung Peniche inhaftiert war, interessierte sich seit dieser Zeit für das muslimische Mittelalter auf dem Boden des späteren Portugals.133 Dass die Quellenedition im Verlag der Zeitschrift Seara Nova (Neue Saat) erschien, einem prominenten Protestorgan demokratisch orientierter Intellektueller gegen das Regime, setzte in mehrfacher Hinsicht ein Signal: Angesichts der Biographie Borges Coelhos konnte die Metaphorik des Durchbrechen des Schweigens und des Hörbarmachens bislang nicht wahrgenommener Stimmen wissenschaftlich als Widerstand gegen die einseitigen Geschichtsauffassungen des Estado Novo, politisch als Widerstand gegen das System von Repression, Überwachung und Zensur gelesen werden. Nach der Revolution des 25. April 1974 wurde die wissenschaftliche Arabistik vermehrt von benachbarten Disziplinen wie Mediävistik, Archäologie und Anthropologie in ihrer Erschließung der muslimischen Vergangenheit und ihres kulturellen und architektonischen Erbes unterstützt – auch dies ein Zeichen für den Umbruch des Landes. 3.2.2 Die Erschließung muslimischer Architektur: Das Beispiel Mértola Das lang andauernde Desinteresse an der muslimischen Vergangenheit Portugals, das in der Schwäche der Arabistik zum Ausdruck kommt, spiegelte sich auch im Umgang mit der Architektur des muslimischen Mittelalters. Dies ist erklärungsbedürftig. Gewiss gab es auf portugiesischem Boden keine so eindrücklichen Bauten wie die Alhambra. Doch die muslimische Vergangenheit war präsent in zahlreichen castelos dos mouros (maurischen Burgen) oder zu Kirchen umgebauten Moscheen. Wie in Spanien gelangte der orientalistische Neomudéjar-Stil in Mode, was durch Bauten wie den Palácio da Pena in Sintra (nach 1839) oder die Stierkampfarena Campo Pequeno (1892) zum Ausdruck kam.134 Warum aber blieb bis in die jüngste Vergangenheit das architektonische Erbe des Islam ebenso unbeachtet wie die wissenschaftliche Beschäftigung damit? Grundsätzlich waren die Rahmenbedingungen für Restauration und Konservierung der historischen Gebäude noch ungünstiger als in Spanien. Zwar herrschte unter den Intellektuellen des 19. Jahrhunderts ein Bewusstsein für die Erhaltung der alten Bausubstanz und für die Bedeutung, die diese für das Bild der Nation haben konnte. Alexandre Herculano forderte 1839 die 133 134
Santiago Macias: Entrevista a António Borges Coelho, in: ders. (Hrsg.): Historiador em discurso directo: António Borges Coelho, Mértola 2003, S. 15–42, S. 38. Regina Anacleto: A Reinvenção do Mourisco na Arte Portuguesa de Oitocentos, in: Rosa Maria Perez (Hrsg.): Memórias Árabo-Islâmicas em Portugal, Lissabon 1998, S. 129– 142.
3.2 Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit
101
Regierung auf, sich vor allem um „portugiesische“ und weniger phönizische, griechische, römische, westgotische oder arabische Monumente zu kümmern.135 Doch fehlten im 19. Jahrhundert effektive gesetzliche Grundlagen. 1880 erstellte eine Kommission unter der Leitung des Architekten Joaquim Possidónio da Silva im Auftrag des Ministerio das Obras Publicas (Ministerium für Öffentliche Bauten) erstmals eine Liste, die schützenswerte Bauwerke verzeichnete. Zwei Jahre später wurde Possidónio da Silva Präsident der Comissão dos Monumentos Nacionais (Kommission der Nationalmonumente). Doch erst nach einer Serie von weiteren Kommissionen und einer erneuten Liste erklärte im Jahr 1910 das Ministerium eine ganze Reihe von historischen Bauwerken auf einmal zu monumentos nacionais.136 Die Bauwerke waren zum einen nach Epochen in prähistorische, lusitanische, lusitanischrömische, mittelalterliche, Renaissance- und moderne Bauten aufgeteilt, zum anderen nach Art des Monuments (z. B. Kirchen oder Burgen) und nach Distrikten.137 Die Liste umfasste wichtige Bauwerke muslimischer Herkunft wie das Castelo de São Jorge in Lissabon, die Burg von Silves oder die zur Kirche umgebaute ehemalige Moschee der Stadt Mértola, ohne Referenzen auf deren Geschichte oder Herkunft zu geben. Jenseits der staatlichen gab es eine Reihe privater Initiativen, die das architektonische Erbe erforschten und auf die Notwendigkeit ihrer Erhaltung aufmerksam machten. Insbesondere in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fielen zahlreiche Ausgrabungen und Beschreibungen portugiesischer Altertümer.138 Der wichtigste Archäologe dieser Zeit Sebastião Estácio da Veiga (1828–1891) stammte aus Tavira in der Algarve und war gerade am muslimischen Erbe interessiert. Für das 1880 gegründete Museu Arqueológico do Algarve (Archäologisches Museum der Algarve) trug er einige Ausgrabungsstücke der „arabischen Epoche“ zusammen. Nach der Auflösung des Museums nur ein Jahr später gingen sie in den Besitz des Museu Etnografico Português (Portugiesisches Ethnographisches Museum) über und wurden von dessen Gründer José Leite de Vasconcelos, dem ersten bedeutenden Ethnographen erweitert.139 Estacio da Veiga widmete sich unter anderem den Altertümern von Mértola, einer Kleinstadt im Alentejo, die durch den Fluss Guadiana mit dem Mittelmeer verbunden und deshalb 135
136 137 138 139
Jorge Custódio: Salvaguarda do Património – Antecedentes Históricos, in: Dar futuro ao passado. Hrsg. vom Instituto Português do Património Arquitectónico e Arqueológico, Lissabon 1993, S. 33–71, S. 43. Ebd., S. 51–54. Die Liste wurde veröffentlicht im Diário do Governo, 23.06.1910. Carlos Fabião: Para a história da arqueologia em Portugal, in: Penélope 2/1989, S. 10–26, S. 12. Eva Maria von Kemnitz: O panorama das colecções museológicas islâmicas de Portugal, in: Santiago Macias/ Claúdio Torres (Hrsg.): Portugal Islâmico. Os Últimos Sinais do Mediterrâneo, Lissabon 1998, S. 307–319, S. 308f. Dort auch ein Überblick über die mittelalterlichen muslimischen Bestände in den portugiesischen Museen.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
in Antike und Mittelalter ein bedeutendes Handelszentrum gewesen war. Von dieser Vergangenheit zeugten zahlreiche Überreste aus römischer, frühchristlicher und islamischer Besiedlung. In seiner 1880 erschienenen Studie betonte Estacio da Veiga, dass der Eifer der Portugiesen nach dem Sieg über den Islam stets einen Respekt gegenüber deren Kultur beinhaltet hätte: „Um im nationalen Geist die Abneigung gegen die Anhänger Mohammeds zu schüren und die wahre Religion hochzupreisen, mussten die portugiesischen Gründungsväter [. . . ] die Araber, die auf der iberischen Halbinsel herrschten, nicht als Barbaren hinstellen, denn so hätten sie absichtlich gelogen und die historische Wahrheit beschmutzt. Es war genug, ihre falsche Lehre zu bekämpfen, ohne jedoch den hohen Grad an Zivilisation zu verbergen, den diese Menschen erreichten; auch die christlichen Eroberer mussten nicht die typischen Monumente dieser Epoche zerstören, um ihre gesegnete Eroberung zu festigen und dem Banner des Kreuzes mehr Kraft zu geben, wie sie es vielleicht in Mértola getan hatten, als sie die Grabsteine des arabischen Friedhofs für den Bau ihres Turms verwendeten.“140
Äußerungen wie die von Estácio da Veiga, die explizit die muslimische Vergangenheit auf die Nation bezogen, waren jedoch selten. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wurden Archäologie und historische Architektur weder während der Monarchie noch während der Republik zentraler Gegenstand nationalistischer Aufladung. Dies geschah erst mit der Gründung der Direcção-Geral dos Edificios e Monumentos Nacionais (Generaldirektion der Gebäude und Nationalmonumente) im Jahr 1929. Deren Ziel war die „höchste Verehrung von Religion, Nation und Kunst.“141 Burgen waren bevorzugte Bauten, um die in Kriegen gegen den Islam erkämpfte Nation zu symbolisieren.142 Dies zeigte sich in der Jubiläumsfeier der Eroberung Lissabons 1947, bei der das von den Mauren erbaute Castelo de São Jorge als Mittelpunkt der Feierlichkeiten inszeniert wurde143 oder auch einem monumentalen Band mit dem programmatischen Titel „A gloriosa história dos mais belos castelos de Portugal“ (Die glorreiche Geschichte der schönsten Burgen Portugals).144 In letzterem wurde zwar erwähnt, wenn eine Burg von Muslimen erbaut worden war, dies führte aber nicht zu Reflexionen darüber, ob deshalb ein Bauwerk das Etikett „national“ verdiente oder nicht. Die heldenzentrierte Geschichtsauffassung des Estado Novo vereinnahmte Vergangenheit und Gegenwart der Burgen gleichermaßen. Im Gegensatz dazu kam muslimischer Bausubstanz ein deutlich geringeres Interesse zu. Die Bemühungen einerseits wissenschaftlicher Arabisten, andererseits historisch interessierter Lokalpatrioten, das islamische Erbe von Städten wie Silves, der letzten maurischen Bastion auf portugiesischem Territorium,
140 141 142 143 144
Sebastião Philippes Martins Estácio da Veiga: Memórias das antiguidades de Mértola, Lissabon 1983 (Reprint der Ausgabe von 1880), S. 137. Vgl. die These von Fabião: Archeology and nationalism, S. 102. Vakil: The Crusader Heritage, S. 29. Vgl. Kap. 5.2.2. Damião Peres: A gloriosa história dos mais belos castelos de Portugal, Barcelos 1969.
3.2 Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit
103
herauszustreichen,145 blieben stets vereinzelt: Im Gegensatz zu Andalusien war der Süden Portugals, die Regionen mit der längsten historischen muslimischen Präsenz Algarve und Alentejo, bis in die 1970er-Jahre touristisch wenig erschlossen. So verhinderte auch mangelnde Infrastruktur ein breiteres öffentliches Interesse. Einige Maßnahmen des Estado Novo zur Erhaltung ursprünglich islamischer Bausubstanz gab es. Diese schienen vor allem auf Einzelinitiativen zurückzugehen, kaum aber auf ein strukturelles staatliches Interesse an islamischer Architektur. Die Direcção-Geral dos Edificios e Monumentos Nacionais restaurierte Ende der 1940er-Jahre die Kirche von Mértola umfassend. Dies sollte nicht nur der Erhaltung der historischen Kirche dienen, sondern hatte auch das Ziel, ihr ihren „möglichst ursprünglichen Zustand“146 wiederzugeben. Verputze und Bemalungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert verschwanden, dafür wurden Türen aus der almohadischen Periode und der alte Mihrab, die muslimische Gebetsnische, wieder freigelegt (Abb. 3 und 4).147 Es kam auch zu einer architektonischen Neuausrichtung: Der Hochaltar, der vierhundert Jahre lang an der Nordostseite der Kirche gegenüber dem Hauptportal angesiedelt war, wurde nun vor den Mihrab verlegt. Er kehrte damit an den Ort zurück, den er schon einmal nach der Umwandlung der Moschee in eine Kirche innegehabt hatte. So trugen die Arbeiten der Direcção-Geral dos Edificios e Monumentos Nacionais einiges dazu bei, die islamische Bausubstanz wieder sichtbar zu machen. Grundsätzlich fanden während des Estado Novo Ausgrabungen zur muslimischen Epoche statt, etwa im Cerro da Vila (Vilamoura, Distrikt Faro) seit 1971.148 Doch die archäologische und architektonische Beschäftigung mit der islamischen Epoche während des Estado Novo blieb punktuell und vereinzelt. Das islamische Mittelalter stand gegenüber anderen Epochen wie der römischen eher im Schatten. Einen prominenteren Stellenwert erhielt das muslimische Erbe in Portugal erst nach dem 25. April 1974. Als Reaktion auf die eindimensionalen Nationsbilder des Estado Novo setzte in der frühen Demokratie eine Suche nach kultureller und religiöser Vielfalt im architektonischen Erbe ein. Gegen die Steuerung der Geschichte „durch eine farblose politische Faktenlastigkeit, durch einen Aufmarsch von Helden und Kriegern, die zum einen die Enge einer grauen Gegenwart verdeckten, zum anderen die unendlichen afrikani-
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147 148
José Domingo Garcia Domingues: Silves – Guia turístico, Silves 1958; Pedro P. Mascarenhas Júdice: A Sé e o Castelo de Silves, Gaia 1934. Igreja Matriz de Mértola. Boletim da Direcção-Geral dos Edificios e Monumentos Nacionais, 1959, zit. nach Joaquim Manuel Ferreira Boiça/Maria de Fátima Rombouts de Barros: A Igreja Matriz de Mértola, in: Santiago Macias u. a. (Hrsg.): Mesquita Igreja de Mértola, Mértola 2011, S. 33–87, S. 85. Zur Renovierung ausführlich ebd., S. 83–86. Kemnitz: O panorama das colecções museológicas islâmicas, S. 312.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
Abbildung 3: Die ehemalige Moschee Igreja Matriz de Mértola: Außenansicht während der Renovierungsarbeiten, 1948. Im Hintergrund der Fluss Guadiana, der als Verbindung mit dem Mittelmeer der Stadt in Antike und Mittelalter zu Bedeutung als Handelsplatz verhalf. © Instituto da Habitação e da Reabilitação Urbana, Portugal.
schen Kolonialkriege rechtfertigten“149 initiierte der aus dem politischen Exil zurückgekehrte Archäologe und Historiker Cláudio Torres (geb. 1939) ein umfassendes Ausgrabungs- und Museumsprojekt in Mértola. Mértola war keineswegs die einzige Stadt Portugals mit einem islamischen archäologischen Erbe, noch war dieses per se herausragender als das anderer Städte. Doch waren die Voraussetzungen für Grabungen in mehrfacher Hinsicht günstig: Zum einen war die aus Lissabonner Perspektive abgelegene Stadt kaum überbaut worden, was eine archäologische Arbeit erleichterte. Zum 149
Claudio Torres: A arqueologia medieval e a historiografia portuguesa nos últimos anos, in: Actas do IV Congresso Internacional „A cerâmica medieval no mediterrâneo ocidental” organizado pelo Campo Arqueológico de Mértola, na Fundação Calouste Gulbenkian em Lisboa (16–22 Novembro 1987), Mértola 1991, S. 15–17, S. 15.
3.2 Die späte Entdeckung der muslimischen Vergangenheit
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Abbildung 4: Igreja Matriz de Mértola: Der freigelegte Mihrab, die muslimische Gebetsnische, 1953. Vor dem Mihrab der Altar, der nach 400 Jahren wieder an den Platz zurückkehrte, den er nach der Umwandlung der Moschee in eine Kirche innegehabt hatte. © Instituto da Habitação e da Reabilitação Urbana, Portugal.
anderen fand das Projekt das Interesse der lokalen Stadtverwaltung, die nach der politischen Zäsur ein stärkeres Mitspracherecht bei der Genehmigung solcher Projekte hatte.150 1978 begannen Torres und seine Mitarbeiter mit der Arbeit. Mit ihren Ausstellungen, Publikationen151 und Vorträgen entfachten sie ein so großes öffentliches und mediales Interesse, dass Mértola einhundert Jahre nach Estácio da Veiga zu einer Ikone des mittelalterlichen islamischen Portugal avancierte. Mértola zog auch die benachbarte Region Algarve mit: Im Zug ihrer touristischen Erschließung wurde auch dort die islamische Vergangenheit entdeckt und entsprechend herausgehoben.152 Weiterhin 150
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152
Zum Konzept des Projekts und seinen Anfängen vgl. Cláudio Torres: Dignidad regional y desarollo, in: Jornadas andaluzas sobre: La función de la cultura en el desarollo local, Córdoba 1993, S. 15–20, ders.: A arqueologia, o território e o desenvolvimento local, in: Efeitos sociais do património à escala local, Mértola 2001, S. 21–26. Vgl. Cláudio Torres/Santiago Macias: O legado islâmico em Portugal, Lissabon 1998; dies.: (Hrsg.): Portugal Islâmico; Cláudio Torres: O Islão no ocidente ibérico, in: Guilhermina Mota (Hrsg.): Minorias étnicas y religiosas em Portugal. História e actualidade. Actas do Curso de Inverno 2002, Coimbra 2003, S. 91–100; Cláudio Torres/Santiago Macias: Museum von Mértola – islamische Kunst, Mértola 2003. Vgl. z. B. Valdemar Coutinho: Centros históricos de Influência Islâmica, Portimão 2001; Helena Catarino: O Algarve Islâmico: Roteiro por Faro, Loulé, Silves e Tavira, Faro 2002; Maria da Conceição Amaral: Caminhos do Gharb. Estratégia de interpretação do património islâmico no Algarve: o caso de Faro e de Silves, o. Ort 2002.
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
schlug sich die Entdeckung der islamischen Vergangenheit Portugals seit den 1980er-Jahren in Büchern nieder, die dieses Erbe historisch und literarisch auch einem nichtwissenschaftlichen Publikum erschließen.153 Kritisiert wurde der „Mértola-Effekt“ („efeito Mértola“), weil sein medialer Erfolg den Mythos eines mediterranen Multikulturalismus fortzuschreiben vermochte und vermag.154 Ein weiterer Kritikpunkt zielt auf die Gefahr einer damit verbundenen Gleichsetzung von „Arabern“ und „Muslimen“, die den Blick auf die zeitgenössischen portugiesischen Muslime verstellen kann.155 Dies geschah in der Ausstellung „Pelas Ruas e Lugares de Loures“ (Durch Straßen und Plätze von Loures) im städtischen Museum dieser Kleinstadt im Großraum Lissabon 1996. Um den vielfältigen Immigrantengruppen der Stadt Raum zu geben, versammelte der Ausstellungskatalog Texte in den jeweiligen Sprachen. Die islamische Gemeinschaft wurde, sicher in bester Absicht, aber in Unkenntnis der tatsächlichen Situation mit arabischen Texten „repräsentiert“. Tatsächlich sind die Umgangssprachen der in Loures ansässigen Muslime, Afrikaner aus Guinea-Bissau und Inder aus Mosambik, Portugiesisch, Kreolsprachen und Gujerati, aber nicht modernes Arabisch.156 Die noch junge Erforschung der islamischen Vergangenheit Portugals macht auch einen differenzierten Umgang mit der islamischen Gegenwart nötig.
3.3 Zusammenfassung Im europäischen Vergleich pflegten Spanien und Portugal eine besondere Art des Orientalismus. Dies lag daran, dass die Akademisierung des Wissens über die arabische Welt mit der Vorstellung einer Beziehungsgeschichte zu ebendieser Welt einherging, die Jahrhunderte zurückreichte. In Spanien diente die wissenschaftliche Beschäftigung mit arabischer Sprache und Kultur dazu, das Wesen der eigenen Nation zu ergründen. In Portugal ging es, wie das Beispiel von David Lopes zeigt, um eine Übertragung ausländischer Erkenntnisse auf Portugal, um ein bis dahin vernachlässigtes Kapitel der als vornational empfundenen Geschichte zu beleuchten. Die wissenschaftliche Arabistik befand sich im Spannungsfeld zwischen dem potentiell immensen Untersuchungsgegenstand von mehreren Jahrhunderten muslimischer Präsenz einerseits und der personellen und strukturellen Schwäche ihrer Disziplin andererseits. Dass sie auf der Iberischen Halbinsel entweder um 153
154 155 156
Z. B. durch Alberto Alves, der zahlreiche Essays, Übersetzungen und Lyriksammlungen herausgegeben hat, z. B.: Alberto Alves: Portugal. Ecos de um Pasado Árabe, Lissabon 1989; ders: Portugal e o Islão. Escritos do crescente, Lissabon 1989; ders.: O meu coração é árabe, Lissabon 3. Aufl. 1989. Silva: O sentido dos árabes no nosso sentido, S. 796f. Ebd., S. 801. Vakil: The Crusader Heritage, S. 41.
3.3 Zusammenfassung
107
Anerkennung ringen musste oder streckenweise gar nicht existierte, kann nicht allein mit der manifesten Krise der Intellektuellen und der Randlage in der Wissenschaftslandschaft erklärt werden. In beiden Ländern kam eine Geringschätzung der muslimischen Vergangenheit hinzu, deren Spektrum von Aversion über Desinteresse bis hin zu Unwissenheit reichte. Die Institutionalisierung der universitären Arabistikstudien nahm in beiden Ländern einen ähnlichen, jedoch nicht zeitlich parallelen Anfang. Im 18. Jahrhundert förderten vor allem Klöster als traditionelle Horte von Bildung die Beschäftigung mit arabischer Sprache, bereichert durch Erfahrungen von Gesandten und Reisenden, die insbesondere Nordafrika aus eigenem Erleben kannten. Daneben entwickelte sich arabistische Forschung auch innerhalb einer gebildeten Schicht von Laien zu einem Gegenstand wissenschaftlicher Beschäftigung. Die universitäre Verankerung der Arabistik war in beiden Ländern Folge einer Umstrukturierung der Hochschullandschaft. Dass diese in Spanien über siebzig Jahre früher geschah als in Portugal, war allgemeinen strukturellen Faktoren des Bildungssystems geschuldet. Der in nationalistischen Diskursen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwickelte Topos vom spanischen Islam stand bereit, als der Franquismus daraus legitimatorisches Kapital schlagen konnte. In Unterschied dazu rückte die Arbeit der Arabistik mit der Errichtung der Diktatur in Portugal in den Hintergrund. Dort bedeutete die politische Zäsur von 1974 auch eine kulturelle Zäsur im Umgang mit der muslimischen Geschichte. Im hier angelegten Untersuchungszeitraum ist Portugal an der Wende zur Demokratie das auffälligste Beispiel eines Zusammenfalls politischer und kultureller Dimensionen. Jenseits dieser Prozesse von Institutionalisierung leistete die kleine und, wie gerade der spanische Fall zeigt, heterogene Gruppe arabistisch interessierter Forscher, Archäologen und Konservatoren einen Beitrag zur wissenschaftlichen Erschließung von al-Andalus. Fragen von Exklusion und Inklusion verdichteten sich anhand der Architektur. In Spanien waren die architektonischen Zeugnisse muslimischer Präsenz unübersehbar, boten sich ausländischen Reisenden ebenso dar wie der lokalen Bevölkerung. In Bauwerken manifestieren sich Herrschaftsansprüche. So musste die Herkunft der Bauwerke hispanisiert werden, um ihre Fortdauer, Konservierung und Förderung zu legitimieren. Dies wiederum sollte die Nation und ihre Geschichte bestätigen. Der Topos vom „spanischen Islam“ bot eine schlüssige Erklärung, die vereinbar war mit dem Leitbild des Katholizismus, dem Postulat nationaler Einzigartigkeit und dem wissenschaftlichen Bemühen um islamisches Kulturerbe. Er integrierte selektiv die leichter akzeptierbaren kulturellen Leistungen des Islam, zunächst ohne die Grenzen der Religion zu berühren. Jedoch konnten diese Grenzen aufgeweicht werden, wenn es nötig war, was das Beispiel des Franquismus zeigt. Das unübersehbare Erbe Spaniens kontrastierte mit dem vergessenen Erbe Portugals. Als ehemalige Beherrscher und als Erbauer von Burgen oder Moscheen waren die mouros nicht mehr als das schwache Echo einer
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3. Der Islam als Gegenstand der Wissenschaft
weit zurückliegenden Vergangenheit. Weder in Monarchie, Republik oder in der Diktatur war es nötig, das Bild eines portugiesischen Islam zu schaffen. In den ersten beiden Regierungsformen galt muslimisches Erbe nicht als systemgefährdend, in letzterer sorgte eine nationalistische Geschichtslesart dafür, dass portugiesische Helden jegliche minoritäre Facette der Vergangenheit überstrahlten. Jenseits der kleinen Gruppe Arabisten schien eine wissenschaftliche Beschäftigung mit arabischer Sprache und Kultur nicht wichtig. In einem Land mit hoher Analphabetenquote war die Schicht, die dies hätte lernen können, ohnehin höchst schmal. Zudem war Salazar der Meinung, es gäbe vordringlichere Dinge, als dem Volk Lesen und Schreiben beizubringen.157 Wenn dies schon die Landessprache betraf, so rückte das Studium von exotischen Sprachen und Kulturen demgegenüber noch mehr in den Hintergrund. Trotz der mehrfach diagnostizierten Isolation der Arabistik auf der Halbinsel existierten arabistische und allgemeinhistorische Geschichtsbilder nicht hermetisch voneinander getrennt. Auf die Gänze gesehen vermochten institutionelle und nichtinstitutionelle Arabisten die historischen Meistererzählungen der allgemeinen Geschichtsschreibung im Lauf der Zeit zu konturieren und zu ergänzen. Dies gilt vor allem für Spanien: Zur Zeit der konservativen Reaktion auf den Vorzug des Liberalismus in den 1880er- und1890er-Jahren lagen bereits einschlägige historische und philologische Werke vor, aus denen Erkenntnisse über das islamische Mittelalter zu gewinnen waren. Dass konservative Meistererzählungen dies verschwiegen oder marginalisierten, lag also nicht an fehlender Forschung, sondern an fehlendem Interesse, dies in die Erzählung eines katholischen Spaniens zu integrieren. Gleichzeitig aber war es eben die Arabistik, die mit der Vorstellung vom „spanischen Islam“ der klassischen Geschichtsschreibung aus diesem interpretatorischen Dilemma heraushalf. So warf die Arabistik ein interpretatorisches Problem auf, bot aber gleichzeitig auch dessen Lösung an. Insbesondere im Franquismus sollten sich viele historische Darstellungen dies zunutze machen.
157
Rómulo de Carvalho: Historia do ensino de Portugal, Lissabon 2. Aufl. 1996, S. 728.
4. Der Islam als koloniales Gegenüber: Die iberischen Diktaturen „Ich bin Gott. Erkennst du das nicht an meiner neuen Djellaba, an meinem weißen Umhang?“ „Gott ist Spanier.“ „Ich bin zu den Mauren übergelaufen. Gott ist immer auf Seiten derjenigen, die mehr können.“1 Ramón J. Sender: „Iman“ (1930)
4.1 Spanien: Versuch der Expansion (1859–1956) 4.1.1 Aversion: Das Bild des Islam in den Marokko-Kriegen (1859–1926) Als Kompensation für den schrittweisen Verlust des Kolonialreichs richtete Spanien im 19. Jahrhundert seine Aufmerksamkeit auf Nordafrika. In spanischer Wahrnehmung war dies die Heimat der moros, die von der Geschichtsschreibung zum blutrünstigen Krieger des Mittelalters und zum heimtückischen Staatsfeind der Frühen Neuzeit stilisiert worden waren. Wie verhielt sich dieses von Historikern und zum Teil auch Arabisten produzierte historische Bild zu dem in der kolonialen Rhetorik? Der Feldzug von Leopoldo O‘Donnell 1859–1860 gegen das Marokko Sidi Mohammeds IV., den eine triumphalistische spanische Geschichtsschreibung pompös „Guerra de África“ (Afrikakrieg) taufte, markierte den Beginn der modernen spanischen Expansionspolitik in Nordmarokko. Der Kampf endete mit dem Vertrag von Ouad Ras, in dem Spanien ein erweitertes Territorium rund um Ceuta und Melilla sowie die Enklave Ifni zugestanden wurde. Die marokkanische Regierung, der Makhzan, war durch den Krieg bankrott und wurde gleichzeitig mit der Tatsache konfrontiert, dass sie den Europäern keinen nennenswerten Widerstand entgegen setzen konnte.2 Von diesem Moment an wurde Marokko für rund 100 Jahre zum zentralen Gegenstand der militärischen Expansionsbemühungen Spaniens. Der europäische Nachbar Frankreich war Rivale in Marokko. Der Vertrag von Fez 1912, in dem Marokko formell zu einem Protektorat mit einer französischen und einer spanischen Zone wurde, vollzog auf dem Papier, was sich schon Jahrzehnte vorher 1 2
Ramón J. Sender: Imán, Barcelona 2003, S. 200. C. Richard Pennell: Morocco since 1830. A History, London 2001, S. 64–66.
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4. Der Islam als koloniales Gegenüber
abgezeichnet hatte: die europäische Kontrolle über das Land, gegen den Widerstand marokkanischer Nationalisten. Innerhalb dieses Konflikts mit Marokko lieferte das alte Feindbild des moro zusätzliche ideologische Schützenhilfe in den jahrhundertealten Stereotypen religiöser und zivilisatorischer Ausgrenzung. Die Kampagne O’Donnells entfachte eine Welle des Patriotismus. Diese erfasste nicht nur Madrid. Auch das katalanische und baskische Bürgertum identifizierte sich in dieser Zeit noch stark mit dem kastilischen Zentralstaat.3 Zeitungen überboten sich in Beschwörungen der angeblichen „zivilisatorischen Mission“ Spaniens in Marokko,4 die wie in den anderen europäischen Nationen einen moralischen Deckmantel für Expansion lieferte.5 Die Erinnerung an die Zeit großer Eroberungen in Südamerika stimulierte einen historisch überhöhten Patriotismus. In der öffentlichen Argumentation stand Spaniens Geschichte dem aktuellen Unternehmen Pate, wie es die Zeitung La Correspondencia behauptete: „Wenn Isabella I. der unvergängliche Ruhm gebührt, die Mauren aus ihrem Reich vertrieben zu haben, dann möge Isabella II. der Ruhm bleiben, sie zu suchen und in ihren Höhlen in Afrika zu besiegen; der verletzte Nationalstolz, die beschämte Zivilisation, die verhöhnte Religion, alles bringt uns dazu, unsere Waffen auf die andere Seite der Meerenge zu tragen, die noch die Waffen von Gonzalo de Córdoba, Cortés und Pizarro sein könnten.“6
Die Erwähnung von Isabella I., der Eroberer Francisco Pizarro und Hernán Cortés sowie des Feldherrn Gonzálo de Córdoba führte einen Bilderbogen spanischer Helden auf engstem Raum vor. In der Argumentation des Verfassers machte die Vergangenheit die Kolonialisierung der Gegenwart zu einer historischen Pflicht. Die Begeisterung erfasste selbst Menschen, die nicht leicht in den Verdacht eines überzogenen Patriotismus gelangten. Emilio Castelar (1832–1899), der spätere Präsident der Ersten Republik und Lehrstuhlinhaber für spanische Geschichte an der Universidad Central in Madrid, rief ebenfalls zur Eroberung Marokkos auf: „Gott, der uns in den Westen Europas gesetzt hat, [. . . ] der uns von Afrika durch eine Meerenge getrennt hat, der uns so viele ähnliche Züge mit der afrikanischen Rasse verliehen hat, der auf unserem Boden Schätze jener reichen, unerschöpflichen Natur verstreut hat, Gott weist uns mit seinem unsterblichen Finger den Weg nach Afrika. Wenn wir uns dem Schoß dieser im Naturzustand schlafenden Rassen nähern, können wir sie zu menschlicher Würde erheben, ihnen das Wissen ihrer Rechte geben, sie vorbereiten, damit sie voll Glauben im Werk der universellen Zivilisation mitarbeiten, die die Anstrengungen aller Menschen braucht. Unser Schwert muss den Weg zur Zivilisierung in Afrika freimachen.“7
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Dies zeigen u. a. Garcia Balanà: Patria, plebe y política; Collado Seidel: Die Basken, S. 89. Vgl. López García: La cruz y la espada, S. 140. Jürgen Osterhammel: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, München 6. Aufl. 2009, S. 115f. La Correspondencia, 10. 10. 1859, zitiert nach Marie Claude Lécuyer/Carlos Serrano: La Guerre d’Afrique et ses répercussions en Espagne 1859–1904, Paris 1976, S. 40. Emilio Castelar: La política española, in: La Discusión, 20. 10. 1859, zit. nach López García: La cruz y la espada, S. 140f.
4.1 Spanien: Versuch der Expansion (1859–1956)
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Castelar verband Metaphern von göttlicher Legitimation, zivilisatorischer Werte, unter denen er einen christlich motivierten Liberalismus verstand, und die Notwendigkeit, diese auch militärisch durchzusetzen. Gleichzeitig betonte er „gemeinsame Züge“ zwischen Spanien und Nordafrika: Die mittelalterlichen Muslime, deren Einfluss auf eine spanische Nation die aufstrebende Arabistik in diesen Jahren mehr und mehr zu beleuchten begann,8 wurden mit den Marokkanern des 19. Jahrhunderts gleichgesetzt. Damit konnte auf eine angebliche historische Bekanntschaft verwiesen werden. Dies war ein besonderes Merkmal spanischer Kolonialrhetorik und einmalig im europäischen Kontext – in jedem Fall etwas, was der Rivale Frankreich nicht vorweisen konnte. Diese historische Beziehung wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einer stereotyp wiederholten Legitimation der Kolonialisierung. Die politische Schwäche des spanischen Kolonialismus sollte mit einem kulturell starken Argument ausgeglichen werden. Durch das Engagement in Marokko entdeckten nicht nur liberale, sondern auch konservative Kreise das Projekt der Nation für sich. So wie das Werk des Liberalen und überzeugten Katholiken Modesto Lafuente den theoretischen Versuch darstellte, eine Nationsidee auf ein katholisches Fundament zu stellen, boten die Diskussionen über die Kolonien in Marokko eine Möglichkeit, liberale und katholische Nationsentwürfe zu verbinden.9 Wie schon in der historiographischen Bewertung der so genannten reconquista unterschieden sich die rhetorischen Strategien in ihrer Akzentuierung der Werte, nicht in ihren Bildern: Während die katholischen Erzählungen einen Kampf im Namen der Religion in Nachfolge der angeblichen mittelalterlichen reconquista proklamierten, stellten die liberalen Erzählungen Werte wie „Fortschritt“ und „Zivilisation“ in den Vordergrund.10 Das machte der erste Rif-Krieg zwischen Oktober 1893 und April 1894 besonders deutlich. Diese kurze, aber blutige Auseinandersetzung um die Gegend um Melilla zwischen der Rifbevölkerung und den spanischen Truppen unter General Juan García y Margallo, ausgelöst durch den Bau eins spanischen Forts in der Nähe des muslimischen Heiligtums Sidi Wariach, endete auf diplomatischem Weg mit hohen Reparationszahlungen des Makhzan an Spanien.11 Vor allem die ersten Kriegstage mit heftigen Reaktionen gegen die als Verräter beschimpften Marokkaner und ihre Aufbereitung in Presse und Büchern führen wie in einem Prisma die nationalistisch genährten Reaktionen und das entsprechend stilisierte Feindbild der moros vor. Marcelino Menéndez y Pelayo begrüßte den Melilla-Krieg 1893 und lobte den „echten Enthusiasmus“ der Spanier, der „rechtzeitig gekommen sei, um die Energie
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Vgl. Kap. 3. Álvarez Junco: El nacionalismo español como mito movilizador, S. 47. Ebd., S. 48. Pennell: Morocco since 1830, S. 105.
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eines nationalen Geistes zu entfachen.“12 Tatsächlich herrschte unter einigen Intellektuellen die Auffassung, der Krieg lenke glücklicherweise von anderen ungelösten Problemen ab. Der Autor einer Glosse in der populären Zeitschrift Blanco y negro schrieb: „Wenn es den Angriff von Melilla nicht geben würde, müsste man ihn dort oder anderswo erfinden. Wir brauchten einen Sündenbock. Jetzt haben wir die Mauren. Das genügt, um unsere schlechte Laune zu entladen.“13 Die patriotische Welle, die dieser kurze Krieg bewirkte, schwemmte alte Stereotype nach oben. In der traditionalistischen Zeitung El Correo Español wurden die moros des Jahres 1893 mit denen des Mittelalters gleichgesetzt: „Für die Mauren, Barbaren und Gesetzlose geht der Krieg weiter, das internationale Recht ist bedeutungslos, und so oft sie können, greifen sie Spanien an, berauben und plagen die Spanier und halten so alle jahrhundertealten Hassgefühle der Rassen gegen sich wach.“14 Liberale Blätter argumentierten ebenfalls mit der historischen Last der Vorurteile und essentialisierten diese: „Im Allgemeinen ist der Charakter des Rifbewohners schroff, hochmütig, scharfsinnig und argwöhnisch. Vor allem das Misstrauen dominiert breit, zum einen weil sie schon früher unter bestimmten Auflagen der Araber gelitten hatten, zum anderen, weil sie in ihren wenigen Handelsbeziehungen in vergangenen Zeiten getäuscht wurden. Sie sind nüchtern, unwissend, jedoch auch arbeitsam im Bestellen der Felder, und sie beweisen wahrhafte Wildheit und komplette Verrohung, wenn sie in den Krieg ziehen, und umso mehr, wenn es dieser Krieg gegen die christlichen Hunde ist [Hervorhebung im Original].“15
Konservative und liberale Stilisierungen der moros waren austauschbar und zielten in die gleiche Richtung. Die Presse war nur ein Medium der Verbreitung solcher Stereotype. Sie setzten sich fort in Büchern von Soldaten und Kriegsberichterstattern wie dem von Adolfo Llanos y Alcaraz, Offizier im Krieg von 1859–60 und Korrespondent der Real Academia de la Historia 1893 in Melilla. Dort entstand ein etwas differenzierteres Bild der moros. Grund war der dahinter stehende zivilisatorische Gedanke, der angesichts eines völlig verdorbenen und dämonisierten Gegners unglaubwürdig geworden wäre. Zwar betonte Llanos y Alcaraz, dass die „moralischen Qualitäten der moros ziemlich zu wünschen übriglassen“, begründete dies aber lediglich mit dem Einfluss der Lebensweise und den Gebräuchen. Darunter verstecke sich ein guter Kern, der mit einem entsprechenden Einfluss der Spanier formbar sei:
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Brief an Juan Valera vom 2. 11.1893, in: Marcelino Menéndez y Pelayo: Antología General. Recopilación orgánica de su doctrina. Hrsg. von Ángel Herrera Oria, Madrid 1956, S. 223. Im Spanischen ist dies ein Wortspiel, das so im Deutschen nicht wiedergebbar ist: „Necesitábamos una cabeza de turco. Ya tenemos una cabeza de moro. Es lo bastante para descargar nuestro mal humor.“ Luís Royo Villanova: La Guerra del Moro, in: Blanco y negro, 21. 10.1893, S. 2–3, S. 2. Eneas: La Guerra de África, in: El Correo Español, 3. 10. 1893, S. 1. El Liberal, 5. 10. 1893, S. 1.
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„Trotz seines Fanatismus, seines Hasses auf den Christen und trotz der barbarischen Bräuche, die ihn in Verruf bringen, ist der Rifbewohner kein Mensch, den man nicht bessern könnte, ganz im Gegenteil: In seinen Gefühlen und seinem Charakter gibt es einen heilen Kern, einen moralischen Kern, einen Ansatz, der für die Entwicklung des Guten nutzbar ist: Er ist keine verlorene Kreatur und kein Idiot, inmitten seiner Wildheit besitzt er Tugenden, die andere Völker vergessen haben. Er ist weder unzüchtig noch derb, und wenn er will, kann er treu, aufrichtig und großzügig sein. Das Rohmaterial ist gut, man muss es nur in einen zivilisierenden Boden pflanzen.“16
Mit solchen Strategien konnte einer militärischen Unternehmung eine zivilisatorische, humanitäre Note gegeben werden. Diese brachte zum Teil eine Verharmlosung und Banalisierung des Gegners mit sich. Neben dem Bild des brutalen, furchterregenden moro existierten auch Sympathien mit einem harmloseren morito. Diese Verkleinerung hatte den Vorteil, die Siegesgewissheit der Spanier zu stärken und zu betonen, dass die moros beherrschbar seien. In der Zeit zwischen 1893 und 1936 hatten daher Karikaturen, die die moritos in einer Bandbreite von lächerlich bis sympathisch darstellten, Hochkonjunktur.17 Die in Bildern und Witzen enthaltene Verkindlichung und das gebrochene Spanisch der moritos unterstrichen den patriarchalischen Zivilisationsdiskurs. Wie ein Kind sich Späße erlauben darf, über die die Eltern lachen, weil sie in keiner Weise deren Autorität in Frage stellen, konnten auch die moritos in heiteren Anekdoten Witze auf Kosten der Spanier machen. Die Infantilisierung schlug sich bis in die Grammatik nieder: „,Was sagt der kleine Maure? Gefällt es dir nicht, so viele Truppen zu sehen?‘ ,So viel! So viel! Ihr gehen immer zusammen wie Lämmer. Kleiner Maure gehen allein und sein genug.‘“18
Doch diese Darstellungen des morito blieben in politischen Diskursen eher eine Ausnahme. Die über alte historiographische Stereotype transportierten Vorstellungen wurden von Kriegsbefürwortern und Kriegsgegnern gleichermaßen benutzt: Erstere riefen zu Rache an den „blutrünstigen und wilden Rifkabylen“ zur Verteidigung der Ehre Spaniens auf, letztere wollten die Soldaten davon überzeugen, dass ein Einsatz in Marokko gerade wegen der angeblichen Wildheit seiner Bewohner ein Himmelfahrtskommando sei.19 Die immer wieder aufflammenden Rebellionen der Rifkabylen und militärische Rückschläge der Spanier nährten die Vorstellungen blutrünstiger Gegner und die Aussichtslosigkeit des Kampfes. Die Semana Trágica (Tragische Woche) 1909 in Barcelona, in der Proteste der Anarchisten und Sozialisten gegen eine Masseneinberufung blutig niedergeschlagen wurden, brachte den Krieg in Marokko aufs Festland. Ab 1912 wurden in den sogenannten Fuerzas Regulares Indígenas (indigenen Streitkräften) zunehmend 16 17 18 19
Adolfo Llanos Alcaraz: La campaña de Melilla de 1893–1894, Madrid 1894 (Reprint Málaga/Melilla 1994), S. 318f. Martín Corrales: La imagen del magrebí, S. 99–124. Llanos Alcaraz: La campaña de Melilla de 1893–1894, S. 320. Madariaga: Imagen del moro, S. 582.
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Marokkaner für die spanischen Truppen rekrutiert, um die spanischen Truppen zu schonen. Diese moros amigos (befreundete Mauren) verstärkten das Bild des schonungslosen moro, da die Brutalität, mit der sie auch gegen ihre eigenen Landsleute vorgingen, von den spanischen Vorgesetzten gebilligt wurde. Raubzüge und Plünderungen in aufständischen Dörfern dienten zur Kompensation des geringen oder verspätet gezahlten Wehrsolds, Vergewaltigungen und brutale Überfälle blieben oft unbestraft.20 Zudem betonten die in Afrika stationierten Offiziere die Gefährlichkeit der marokkanischen Gegner, um entsprechende Waffen und Geld für den Kampf zu bekommen.21 Die den Stereotypen männlicher moros anhaftende Brutalität setzte sich in Bildern der moras fort, wenngleich Beschreibungen dieser Art seltener waren. Eine eigentümliche Vermischung von Begehren und Ablehnen, wie sie häufig in Projektionen auf Frauen der Gegenseite aufscheint, zeigte sich in der Art und Weise, wie ein Kriegsberichterstatter eine junge Marokkanerin beschrieb: „Unter der Djellaba in Form einer Tunika war es leicht, perfekte Formen zu erraten, mit der Gestalt und Härte heidnischer Jungfrauen. Ich betrachtete ihr unbedecktes, goldbraunes Gesicht, ihre Augen mit einem unergründlichen Ausdruck und einer abgrundtiefen Schwärze und ihre karminroten, dicken und sinnlichen Lippen. [. . . ] Sie blickt auf meine Browning, und ein finsterer Schatten, der über ihr Gesicht huscht, gibt diesem für eine Sekunde einen schrecklichen Ausdruck von Wildheit.“22
Reale und imaginierte Bilder solch „heidnischer Jungfrauen“ waren Frucht einer orientalistischen Phantasie von verfügbaren und verführerischen Frauen, die durch das Exotische, Andere ihren Reiz erhielten. Der Maler Marià Fortuny (1838–1874), Teilnehmer am Feldzug von 1859–1860 und wichtigster Maler marokkanischer Sujets in dieser Zeit, bannte nicht nur eine monumentale Ansicht der Schlacht von Tetuán auf die Leinwand. Seine sinnliche Darstellung einer „Odaliske“ von 1861 verkörpert nicht nur ein exotisches Schönheitsideal. Die nackte Frau kann auch für das von den Spaniern eroberte Marokko stehen, wobei die Drehung ihres Körpers offen läßt, ob die Odaliske sich dem Betrachter (d. h. dem spanischen Kolonisator) oder dem neben ihr sitzenden musizierenden Marokkaner zuwendet (Abb. 5).23 Fortunys Bilder von Schlachten wie der von Tetuán (1863–73), seine Portraits von Marokkanern und seine Darstellung von Straßenszenen machten ihm zum spanischen Äquivalent eines Eugène Delacroix oder eines Jean-Auguste-Dominique Ingres in Frankreich. Die Eroberung Marokkos und seiner Frauen hatte nicht nur eine ikonographische, sondern auch eine körperliche Seite: Für Reisende in Marokko 20 21 22 23
Ebd., S. 589. Balfour: Deadly embrace, S. 197. Fernando de Urquijo: La campaña del Rif en 1909. Juicios de un testigo, Madrid 1910, S. 17f. Vgl. die subtile Interpretation bei Martin-Márquez: Disorientations, S. 130f. u. 136f. Dort auch Analysen zu Fortunys Rolle im spanischen Imaginarium von Marokko.
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Abbildung 5: Marià Fortuny: „La odalisca“ (Die Odaliske), 1861. Da Fremde keinen Zugang zu muslimischen Frauengemächern hatten, beflügelten solch verbotenen Räume die europäische Phantasie und waren ein beliebtes Sujet für orientalistische Maler. Der Harem galt als Symbol von Sinnlichkeit, Leidenschaft und weiblicher Unterwerfung. Museu Nacional d’Art de Catalunya. © Photo SCALA, Florenz.
spielten ab den 1920er-Jahren zunehmend sexuelle Interessen eine Rolle. Der deutsche Verlag Hochherz aus Dresden warb mit „Fotografien schöner fremdländischer, von der Sonne gebräunter Mädchenkörper“ auf Spanisch um Kunden.24 Fotos halbnackter Marokkanerinnen und die dazugehörigen Phantasien zirkulierten unter den in den Kolonien stationierten spanischen Soldaten, deren Erfahrungen mit Marokkanerinnen sich vor allem auf Prostituierte beschränkten. Francisco Franco schilderte in seinem „Diario de una bandera“ (Tagebuch einer Kompanie) von 1922, aufschlussreich gerade im Hinblick auf gender-Darstellungen,25 eine Episode, in der ein Marokkaner den Soldaten eine junge Frau des Dorfes als Geschenk anbot, um das Dorf von einer Razzia zu verschonen.26 Bemerkenswert daran war nicht die Tatsache an sich, sondern dass dem anvisierten bürgerlichen Zielpublikum dieses Buchs solche Themen nicht verschwiegen wurden. Sexualisiert wurden aber auch die männlichen Marokkaner. Auf Karikaturen, die oft auch als Postkarten von den Soldaten nach Hause geschickt wurden, erschienen moros 24 25 26
Zit. nach Martín Corrales: La imagen del magrebí, S. 115. Dort auch Beispiele für Fotos. Vgl. ausführlich Martin-Márquez: Disorientations, S. 186f. Francisco Franco Bahamonde: Diario de una bandera, Sevilla 1939, S. 133. Ich danke Jesus Albert für diesen Hinweis.
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mit übergroßen Geschlechtsteilen und unverhohlener Lüsternheit gegenüber Europäerinnen. Diese Abbildungen standen für eine angebliche sexuelle Unersättlichkeit und damit Bestialität der moros.27 Aversionen gegen die moros wurden auf vielfältige Weise und quer durch politische Lager geschürt. Das persönliche Erleben von Soldaten stand auf einem anderen Blatt. Ein spanischer Veteran betonte nach dem Krieg, dass er nie einen Marokkaner gesehen habe, der nicht auch für einen spanischen Bauern gehalten werden konnte.28 Doch mit Ausnahme nationalistischer Gruppen des Baskenlands29 gab es kaum eine innerspanische Bewegung, die sich ausdrücklich mit den Marokkanern solidarisiert hätte. Lediglich die kommunistische Partei versuchte in den 1920er-Jahren, eine „Union im Kampf mit den Kolonialisierten“ herbeizuführen, die aber aufgrund der Bedeutungslosigkeit der Partei in dieser Zeit und mangelndem Echo in den breiten Bevölkerungsschichten scheiterte.30 Dominierten zu Beginn der Kolonialzeit die Diskurse der „Zivilisierung“, wurden diese in den 1920er-Jahren abgelöst von einer chauvinistischen Entrüstung darüber, dass sich die moros hartnäckig diesen „Bemühungen“ verweigerten. Dies galt vor allem für die Rebellion zwischen 1921 und 1926, angeführt von dem Rifkabylen Mohammed Abd el-Krim (1882–1963). Der charismatische Aufständische und seine Anhänger machten dem spanischen Militär so zu schaffen, dass sie gegen die Zivilbevölkerung Senfgas aus deutscher Lieferung einsetzte. Dies tötete viele der schutzlosen Kabylen und zerstörte ihre Lebensgrundlagen wie Felder und Nahrungsmittel weitgehend,31 Abd el-Krim ergab sich dem französischen Militär und wurde verbannt. Dieser erbittertste Gegner Spaniens in Marokko, ein in Spanien ausgebildeter mehrsprachiger Lehrer und Übersetzer, stellte das genaue Gegenbild zum ständig beschworenen Stereotyp des ungebildeten und barbarischen moro dar. 4.1.2 Annäherung: Afrikanisten vor dem Bürgerkrieg (1909–1936) Parallel zu den geschilderten Diskursen der Aversion und Feindschaft existierten unter den Befürwortern der Kolonisation auch solche der Annäherung gegenüber den moros. Angesichts einer intern zerrissenen Nation galt ein Engagement in Afrika, vor allem in Marokko, als Ausdruck einer nötigen nationalen Erneuerung. Die Gruppe der sogenannten africanistas, die diese 27 28 29 30 31
Abbildungen bei Martín Corrales: La imagen del magrebí, S. 118–120. Balfour: Deadly embrace, S. 201. Vgl. Kap. 2.1.5. Madariaga: Imagen del moro, S. 582. Zum Einsatz und der deutschen Beteiligung ausführlich Rudibert Kunz/Rolf-Dieter Müller: Giftgas gegen Abd el Krim. Deutschland, Spanien und der Gaskrieg in SpanischMarokko 1922–1927, Freiburg i.Br. 1990.
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koloniale Expansion unterstützten, war von ihrer Sozialstruktur und Ideologie heterogen. Sie umfasste unter anderem konservativ-katholische Intellektuelle, die zur Legitimation des Projekts Afrika einen Halbsatz aus dem Testament Königin Isabellas I. „. . . dass sie nicht ablassen mögen von der Eroberung Afrikas und vom Kampf für den Glauben gegen die Ungläubigen“32 überhöhten und daraus eine gottgewollte Pflicht zur kolonialen Expansion ableiteten.33 Diese Vorstellung geriet jedoch im Zug des steigenden Interesses liberalbürgerlicher Schichten zugunsten einer angeblichen penetración pacífica (friedlichen Durchdringung) in den Hintergrund.34 Das Interesse von Unternehmern, Juristen, Politikern und Ärzten an Marokko, das freilich mit der Hoffnung auf eine penetración económica verbunden war, zeigte sich in der Gründung von Vereinigungen wie der Real Sociedad Geográfica, der Liga Africanista Española oder der Centros Comerciales Hispano-Marroquíes. Einen Höhepunkt des zivilen africanismo markierte das Mitin del Teatro Alhambra in Madrid am 30. März 1884, bei dem sich prominente Intellektuelle wie Joaquin Costa, wichtiger Vertreter des spanischen regeneracionismo Ende des 19. Jahrhunderts, für ein Engagement in Afrika einsetzten. Ein kultureller Beitrag zu dieser „Durchdringung“ war die vermehrte Gründung hispano-arabischer Schulen in Marokko im frühen 20. Jahrhundert, initiiert insbesondere von einem spanischen Lehrer in Melilla, Francisco Sempere. In einem Brief an die Militärregierung forderte er die Errichtung von Schulen, in dem muslimische Kinder Unterricht, darunter auch Koranunterweisungen, erhalten sollten. Spanische Kinder wiederum sollten an arabische Sprache und marokkanische Kultur herangeführt werden. Dies würde ihnen als Erwachsene den Weg zu administrativen und wirtschaftlichen Posten in der Region erleichtern.35 1908 absolvierten in Semperes Escuela de la enseñanza para los niños indígenas (Schule der Unterweisung für indigene Kinder) 30 Kinder das erste Schuljahr. Insgesamt dienten solche Schulen der Kolonialverwaltung dazu, marokkanische Eltern von Spaniens Fürsorge für die Entwicklung des Landes sowie vom Respekt gegenüber marokkanischer Kultur und muslimischer Religion zu überzeugen. Die militärischen africanistas wiederum waren diejenigen Offiziere, die in den afrikanischen Territorien ihre militärische Karriere gemacht hatten. 32 33
34 35
Zitiert nach Angel Flores Morales (Hrsg.): Africa a traves del pensamiento español. De Isabel la Católica a Franco, Madrid 1949 (Instituto de Estudios Africanos), S. 28. Zum Testament und seiner Rezeption Bernabé López García: Expansión colonial e ideología religiosa. Un caso típico: El Africanismo y Arabismo de la segunda mitad del siglo XIX español, in: ders. (Hrsg.): Marruecos y España, S. 49–60, S. 51–54. Bernabé López García: España en África: Génesis y significación de la decana de la prensa africanista del siglo XX, in: ders. (Hrsg.): Marruecos y España, S. 61–84, S. 69. Geoffrey Jensen: Toward the „Moral Conquest“ of Morocco: Hispano-Arabic Education in Early Twentieth Century North Africa, in: EHQ 31/2001, Nr. 2, S. 205–229, S. 213. Vgl. auch ders.: The Peculiarities of „Spanish Morocco“: Imperial Ideology and Economic Development, in: Mediterranean Historical Review 20/2005, Nr. 1, S. 81–102, S. 84f.
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Das Militär war unter Alfons XIII. zu einem wichtigen Machtfaktor in Spanien geworden, innerhalb dessen die in Afrika eingesetzten Offiziere eine Sonderrolle einnahmen. Verdienste in den Kolonien konnten den Aufstieg in der Hauptstadt erleichtern, was zu Reibungen zwischen Militärs mit und ohne Erfahrung in Afrika führte.36 Diese Konflikte innerhalb der Armee, die wachsende Kritik vor allem der Unterschichten am Blutzoll für die Kolonien und das seit der Niederlage von Annual 1921 immer heftiger in Frage gestellte koloniale Unternehmen schweißte die in Afrika eingesetzten Offiziere zur Verteidigung ihrer Pfründe zusammen. Aus Angehörigen der in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts dort eingesetzten Offiziersschicht rekrutierten sich die bedeutendsten Putschisten des 17. Juli 1936: José Sanjurjo (1872–1936), Emilio Mola (1887–1937), Gonzalo Queipo de Llano (1875– 1951) und Francisco Franco (1892–1975). Eigene Zeitungen und Zeitschriften wurden zu Plattformen ihrer Ideen, sollten ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen und ein positives Selbstbild des spanischen Engagements in Afrika erzeugen. Unter den oft nur wenig verbreiteten und kurzlebigen Publikationen dieser Art37 ragt Africa. Revista de Tropas Coloniales (Afrika. Zeitschrift der Kolonialtruppen) heraus. 1924 in Ceuta von Franco zusammen mit anderen Militärs gegründet und ab 1925 von ihm herausgegeben, richtete sie sich in den 1920er-Jahren hauptsächlich an die Führungsschichten der Kolonialtruppen. Nach einem Erscheinungsstopp im Bürgerkrieg wurde sie 1942 wieder unter dem Titel Africa-Revista espanola de colonización (AfrikaSpanische Zeitschrift für Kolonialisierung) herausgegeben, diesmal in Madrid und ab 1945 unter der Federführung des neugegründeten Instituto de Estudios Africanos (Institut für afrikanische Studien). Damit zeichnen das Schicksal dieser Zeitschrift und ihre Inhalte die historische Entwicklung der Zeit nach: Die stets paternalistischen Diskurse der Annäherung, der Kolonialisierung und der penetración pacifica, die die Zeitschrift vor dem Bürgerkrieg prägten, waren eher den in Afrika stationierten Offizieren und gegebenenfalls interessierten Zivilisten vorbehalten. Nach dem gewonnenen Bürgerkrieg wurden die Angehörigen dieser Gruppen zur Führungsschicht. Die Diskurse der Annäherung, vormals nur in den militärischen und intellektuellen Kreisen rezipiert, avancierten zu staatlichen Diskursen. Die Zeitschrift betonte die Bedeutung der spanischen Territorien in Afrika. Franco klagte darin mehrfach die Schwäche der spanischen Regierung an, die die Rebellion der einheimischen Bevölkerung begünstigen würde.38 36 37
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Gustau Nerín/Alfred Bosch: El imperio que nunca existió. La aventura colonial discutida en Hendaya, Barcelona 2001, S. 31f. Vgl. die Übersicht bei Victoriano Darias de las Heras: El africanismo español y la labor comunicadora del Instituto de Estudios Africanos, in: Revista Latina de Comunicación Social 46/2002, http://www.ull.es/publicaciones/latina/2002/latina46enero/4601darias.htm (4. 6. 2010). Paul Preston: Franco. A Biography, London 1993, S. 43.
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Daneben proklamierte die Zeitschrift in den 1920er-Jahren auf vielen Ebenen Annäherungen an Marokko und seine islamische Bevölkerung: Militärisch befassten sich die Artikel mit der Integration von Marokkanern in das spanische Heer.39 Dazu gab es künstlerisch hochwertige Fotografien, die im wörtlichen Sinn pittoreske Bilder der moros lieferten: So spielte das Portrait eines marokkanischen Schmieds bei der Arbeit mit dem Klischee von Urtümlichkeit und reizvoller Primitivität, die Großaufnahme des Gesichts einer jungen Frau huldigte einem exotisch-reizvollen Schönheitsideal (Abb. 6). Neben Portraits sollten Darstellungen von Straßenszenen, zum Beispiel beim Tee versammelte Würdenträger, Eindrücke des täglichen Lebens in Marokko wiedergeben. Dies sollte auch ein „typisch maurisches“ Haus in Tetuán, das die Regierung des Protektorats als Museum einrichtete, um Besuchern der Halbinsel marokkanisches Leben vorzuführen. Freilich fehlte darin nach Meinung des Artikelautors etwas Entscheidendes: „ [. . . ] über die kostbaren Teppiche springen keine mit Henna bemalten Füße von Tänzerinnen mit Alabasterarmen, graziler Gestalt und dunklen Augen. Keine Sängerin begeistert die Männer mit ihren Liebesliedern oder Kriegsdichtungen, denen das unvergessene Andalusien zu Grunde liegt. Das kann der Staat niemals erreichen.“40 Bei der Darstellung von Geschlechterrollen traten orientalistische Klischees besonders offensichtlich zutage. Jenseits solcher Klischees hatte der Rückgriff auf die Geschichte des mittelalterlichen al-Andalus vor allem die Funktion, historische Ähnlichkeiten zwischen Spanien und Nordafrika zu belegen. Um der Kolonialisierung eine historische Legitimation zu geben, griffen viele Autoren auf Erkenntnisse der wissenschaftlichen Arabistik zurück, um „deren Theorien allgemeinverständlich darzustellen.“41 Die Referenzgröße Religion hatte kaum mehr trennende Funktion inne: Ein vierteiliger Artikel, der sich dem „muslimischen Einflussfaktor in der spanischen Kultur“ widmete, stellte die massenhafte Konversion der westgotischen Bevölkerung nach 711 in den Vordergrund: Die Ähnlichkeiten der beiden Religionen seien so groß gewesen, dass „ihre dogmatischen Differenzen keine unüberwindbaren Barrieren für Individuen mit rudimentärer religiöser Bildung darstellen konnten.“42 Das Thema der religiös gemischten Ehen, für Historiker und Arabisten des späten 19. Jahrhunderts ein Stolperstein ihrer Theorien, wurde offen thematisiert. Die Vorstellung einer trennenden Religion wurde ersetzt durch die einer gemeinsamen Rasse:
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José Asensio Torrado: Los ejercitos coloniales, in: Africa. Revista de tropas coloniales 1931, Nr. 4/5, S. 83–90, 95–100. Emilio L. López: Tetuán por dentro. Una casa mora es así, in: Africa. Revista de tropas coloniales 1931, Nr. 4, S. 81–82, 82. Ignácio Bauer y Landauer: El factor musulmán en la cultura española, in: Africa. Revista de tropas coloniales 1933, Nr. 12, S. 234–236, S. 234. Ebd.
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4. Der Islam als koloniales Gegenüber
Abbildung 6: Die Zeitschrift Africa. Revista de tropas coloniales verhandelte nicht nur militärische Themen. Professionelle Fotographien vermittelten ein ästhetisches Bild des spanischen Territoriums in Marokko und seiner Bewohner. In deren Bildsprache machten Urtümlichkeit, Schönheit und exotische Faszination den Charakter der moros aus. África. Revista de tropas coloniales 1927 (Foto: Lázaro). © Biblioteca Nacional de España. „[Zum Unterschied] zwischen der großen Masse der hispano-römischen, islamisierten Westgoten und den Nachkommen der Spanier der mütterlichen Linie kann man sagen, dass in wenigen Jahren die ganze muslimische Bevölkerung – zumindest in überwältigender Mehrheit – von spanischem Blut war, und als Konsequenz müssen wir das hispanomuslimische Volk als so spanisch wie das des Restes der Halbinsel, wenn auch unterschiedlich in der Religion, betrachten. Muslime ja, aber von unserer gleichen Rasse.“43 [Hervorhebung im Original]
Nicht allein rassische, ökonomische oder kulturelle Annäherungen wurden in der Zeitschrift postuliert. Auch theologisch seien die Grenzen der Religionen, so argumentierte ein Priester, trotz des „jahrhundertelangen Kampfes“ überbrückbar. Er würdigte ausdrücklich die islamische Religion, nicht nur die Kultur: „Der Islam ist [. . . ] eine spirituelle Energie, eine enorme religiöse Kraft und wir glauben, dass es unsere Pflicht ist, diese Spiritualität auszunutzen und sie in Kontakt mit der christlichen Spiritualität zu bringen: von ihren gut gelenkten Auswirkungen ist nichts zu fürchten, man kann eine gute Verständigung 43
Ebd., S. 234f.
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auf den Feldern des Glaubens und zweifellos mehr Einigkeit und Verbindung erwarten als bisher.“44 In Ansätzen kamen in der Zeitschrift auch Muslime zu Wort, wie der Artikel eines muslimischen Rechtsgelehrten über die Stellung der Frau im Koran zeigt. Diese Würdigungen des Islam als Religion sollten wenige Jahre später im Bürgerkrieg den aufständischen Offizieren Argumentationshilfen zur Legitimation der marokkanischen Truppen liefern. Doch stellte dies den Islam noch nicht auf eine Stufe mit dem Christentum. Denn die koloniale „Durchdringung“ Marokkos beinhaltete auch die Seelen seiner Bewohner. Die Aufforderung des französischen Bischofs Henri Viell „Lasst uns diese Seele lieben und erobern, denn sie lieben die Wahrheit und wir besitzen sie“,45 wurde von den Afrikanisten geteilt. Die geschilderten Erzählungen einer Annäherung, die im Dienst eines Machtausbaus in Marokko und einer Werbung für die kolonialen Unternehmungen standen, kursierten vor 1936 im kleinen Zirkel der in Marokko stationierten Offiziere und anderer kolonialer Befürworter. Sie übernahmen Anteile aus den Arbeiten der Arabisten, überformten und ergänzten sie vor dem Hintergrund ihrer eigenen Interessen. Mit dem Bürgerkrieg und der späteren Durchsetzung des Franquismus erlangten diese Erzählungen und Rechtfertigungen Bekanntheit jenseits des militärisch-afrikanistischen Milieus. 4.1.3 Propaganda: Furcht vor dem Islam als Waffe im Bürgerkrieg Die Akteure des Bürgerkriegs erfanden keine neuen Bilder des Islam und der moros. Doch änderten sich die Bedingungen für Verbreitung und Rezeption dieser Bilder. Innerhalb eines Konflikts mit besonders hohem Gewaltpotential auch jenseits der militärischen Fronten46 stieß das Bild eines jahrhundertelang nur in der Imagination konstruierten moro auf das von realen marokkanischen Söldnern. Der Aufstand, ausgehend von Marokko, stützte sich zu einem Großteil auf die afrikanischen Truppen. Ohne diese sowie die Unterstützung Hitlers und Mussolinis, mit deren Flugzeugen die Truppen aufs Festland transportiert wurden,47 wäre die Rebellion zum Scheitern verurteilt gewesen. Nach einer auf mehreren Quellen basierenden 44 45 46
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Luis Oleaga: Aproximación cristiano-musulmana, in: Africa. Revista de tropas coloniales 1930, Nr. 6, S. 263–264, S. 263. Ebd., S. 264. Zu Gewalt im Spanischen Bürgerkrieg vgl. den Sammelband Martin Baumeister/Stefanie Schüler-Springorum (Hrsg.): „If you tolerate this...“ The Spanish Civil War in the Age of Total War, Frankfurt am Main 2008. Zur europäischen Dimension des Bürgerkriegs vgl. Carlos Collado Seidel: Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts, München 2006, S. 91.
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Schätzung nahmen insgesamt 78.504 Marokkaner an den Kämpfen teil, von denen jeder achte ums Leben kam und fast jeder der Überlebenden verwundet wurde.48 So gab es zum ersten Mal seit 1492 wieder eine zahlenmäßig signifikante muslimische Präsenz in Spanien. Die Marokkaner von 1936 schleppten, ohne es zu wissen, die ideologische Last alter Stereotype und Zuschreibungen mit. Dies hatte zwei Folgen: Zum einen wurde aus der vergangenen Gegnerschaft eine gegenwärtige konstruiert, in der die alten Feindbilder auf die aktuellen Marokkaner übertragen wurden, als seien diese eine nahtlose Fortsetzung von Tariqs Heer 711. Zum anderen standen die Putschisten vor der Schwierigkeit, die Teilnahme von Muslimen in einem als christlich stilisierten Unternehmen zu rechtfertigen und plausibel zu machen. Für die Putschisten waren die moros vor allem eine physische Waffe. Sechs Monate nach Beginn des Bürgerkriegs kämpften bereits rund 50 000 Marokkaner auf Seiten der Aufständischen, d. h. jeder siebte männliche Bewohner des spanischen Teils von Marokko.49 Angeworben wurden sie häufig unter Versprechungen von Lohn und Nahrung, für die sie materielle Not gerade auf dem Land anfällig machte.50 Sie waren aber auch eine psychologische Waffe. Aus den Kolonialkriegen stammende Vorstellungen der moros als primitive, brutale Barbaren, die den Gefangenen Köpfe, Gliedmaßen oder Geschlechtsteile abschnitten und sexuell unersättlich waren, eigneten sich dazu, den Gegner psychologisch zu terrorisieren. Der für seine verbalen Attacken berüchtigte General Queipo de Llano, der zu Beginn des Bürgerkriegs täglich über Radio Sevilla gegen das republikanische Lager hetzte, prahlte am 23. Juli, eine knappe Woche nach Beginn des Aufstandes, mit dieser Brutalität: „Unsere tapferen Legionäre51 und regulares52 haben den roten Feiglingen gezeigt, was es heißt, ein Mann zu sein. Und nebenbei auch den Frauen der Roten, die jetzt endlich wahre Männer kennengelernt haben, nicht kastrierte Milizen. Strampeln und Brüllen wird sie nicht retten.“53 Hinter der unverhüllten Drohung steckte das Eingeständnis solcher Taten ebenso wie die Bereitschaft, diese fortzusetzen.54 Ein sowjetischer Beobachter berichtete, die 48
49 50 51 52 53
54
Zahlen bei José María Garate Cordoba: Las tropas de Africa en la Guerra Civil española, in: Revista de historia militar 70/1991, S. 9–62, S. 58–61, übernommen auch von Balfour: Deadly embrace, S. 312; weitere Statistiken bei Francisco Sanchez Ruano: Islam y Guerra Civil española: moros con Franco y con la republica, Barcelona 2004, S. 249–252. Balfour: Deadly embrace, S. 278. Ausführlich zu den Gründen für die Teilnahme Benjelloum: Las causas. Angehörige des Tercio de Estranjeros, des spanischen Pendants zur französischen Fremdenlegion. Angehörige der Fuerzas Regulares Indígenas, der Marokkaner unter dem Befehl der Putschisten. Zitiert nach: Guillermo Cabanellas: Cuatro Generales. Bd. 2: Lucha por el poder, Barcelona 1977, S. 55. Eine etwas andere Version des Zitats ist abgedruckt bei Martín Corrales: Entre el „moro“ violador y el „moro“ seductor, S. 225. Vgl. die Interpretation von Martín Corrales ebd.
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aufständischen Generäle hätten sich mit zynischen Aussagen wie „Das sind Angelegenheiten der Mauren. Wildes Volk. Wir können nichts dagegen tun. Afrikanische Naturen“, von Verbrechen der Marokkaner distanziert.55 Auch wenn es Koltsov als parteiischem Beobachter darauf ankam, die Putschisten negativ darzustellen, war diese Aussage keinesfalls aus der Luft gegriffen. Die dahinter stehende Heuchelei war offensichtlich. Offensichtlich wurden Brutalitäten der marokkanischen Soldaten – wie auch die von spanischen – zumindest von einigen Offizieren hingenommen und stillschweigend gutgeheißen. Andere Zeitzeugen dagegen berichteten, dass einige Marokkaner wegen Vergewaltigung sofort hingerichtet worden seien.56 Wie weit im Einzelfall Verbrechen geduldet wurden, dürfte vor allem vom jeweiligen Vorgesetzten abhängig gewesen sein. Jedoch waren es weniger die Putschisten, die Angst vor den moros als psychologische Waffe einsetzten, als vielmehr ihre Gegner im republikanischen Lager. Den Putschisten kam es auf die Dauer nicht gelegen, ihre „nationale Sache“ von der Brutalität ihrer Soldaten besudeln zu lassen. Genau in diese Kerbe schlugen die Republikaner. Die Propagierung aufständischer Gräueltaten sollte die Loyalität zur Republik stärken. Mit der entsprechenden Rhetorik gingen dazu passende Visualisierungsstrategien einher. Viele republikanische, sozialistische und kommunistische Karikaturen thematisierten bevorzugt drei stereotypisierte Feindbilder: Franco-Darstellungen, kleinwüchsig und oft mit Hakenkreuz, um die Nähe zum deutschen Nationalsozialismus hervorzuheben, fette, behäbige Kleriker und dümmlich grinsende Marokkaner mit und ohne Turban. Um deren Andersartigkeit zu betonen, wurden letztere oft mit pechschwarzer Haut und überzeichnet wulstigen Lippen dargestellt, was wenig mit dem Aussehen der nordafrikanischen hellhäutigen Berber zu tun hatte. In Karikaturen nahmen katalanische Zeitschriften wie L’ Esquella de la Torratxa gerade im ersten Kriegsjahr 1936 die neue Freundschaft zweier vorher erbitterter Gegner aufs Korn. Ikonographisch lebten diese Karikaturen von der Vereinigung christlicher und maurischer Stereotypen, ideologisch stilisierten sie diese als zwei Seiten derselben Medaille. Deutlich zeigt sich dies etwa in der Darstellung eines Bischofs und ein Marokkaners, die mit blutverschmierten Lippen und Waffen über ein Heer von Leichen laufen: Die Bildunterschrift lautet, in Anspielung auf die im katalanischen Sprachraum bekannten moros-y-cristianos-Feste: „Mauren und Christen. Ihre Wildheit hat sie endlich vereinigt“ (Abb. 7). Eine ähnliche Aussage hatte ein Bild, auf dem sich ein muslimischer Allah mit Turban und Halbmond und ein christlicher Gottvater mit dem Dreieck für die Dreifaltigkeit auf einer Himmelswolke die Hände reichten: „Natürlich haben wir Frieden geschlossen. Wir wollen beide die Sklaverei der 55 56
Michail Koltsov: Diario de la Guerra de España, Paris 1963, S. 96, zit. nach Martín Corrales: Entre el „moro“ violador y el „moro“ seductor, S. 225. Balfour: Deadly embrace, S. 292; Madariaga: Los moros que trajo Franco, S. 316.
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Abbildung 7: Karikatur aus der Zeitschrift L’ Esquella de la Torratxa vom 28. August 1936 mit der Bildunterschrift „Mauren und Christen. Die Wildheit hat sie endlich vereinigt.“ Insbesondere zu Beginn des Bürgerkriegs thematisierten republikanische Karikaturen und Texte die Teilnahme marokkanischer Söldner in den Truppen der Aufständischen.
Völker.“57 Häufiges Sujet waren auch Bischöfe, die die moros segneten, oder moros mit dem Symbol des Kreuzes. Die alte Vorstellung von der zivilisatorischen Unterlegenheit und Wildheit der moros schwang mit, wie zum Beispiel in einer Zeichnung, die zwei grotesk überzeichnete Schwarze mit gefletschten Zähnen vor dem Ortsschild von Burgos zeigte: „Kommst Du auch, um die westliche Zivilisation zu verteidigen? – Nein! Ich bin gekommen, um die katholische Kirche zu verteidigen.“58 Diese Bilder visualisierten Diskurse von Antiklerikalismus, Antifaschismus und Antimilitarismus, die schon vor dem Bürgerkrieg in der Linken Nährboden gefunden hatten, und verbanden sie mit alten antimaurischen Stereotypen. Unabhängig von solchen meist in Zeitungen, Zeitschriften und Flugblättern verbreiteten Karikaturen gab es Versuche der republikanischen Truppen, die marokkanischen Söldner zur Kapitulation zu bewegen. Mit arabischen Handzetteln versuchten republikanische Generäle, gegnerische Marokkaner auf ihre Seite zu ziehen. Daneben rekrutierten linke Netzwerke ausländische islamische Gesinnungsgenossen wie zum Beispiel den in Paris lebenden Algerier Rabah Oussidhoum. Nach seiner Motivation für das Engagement gefragt, 57 58
L’ Esquella de la Torratxa, 3. 9.1936, abgedruckt in Martín Corrales: La imagen del magrebí, S. 154. Diario de Barcelona, 25. 10. 1936, abgedruckt in Martín Corrales: La imagen del magrebí, S. 155.
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antwortete er: „Weil alle Zeitungen von den Mauren sprechen, die mit den Aufständischen kämpfen. Ich bin gekommen um zu beweisen, dass nicht alle Araber Faschisten sind.“59 Der palästinensische Kommunist Nayati Sidki wurde von der Komintern nach Spanien geschickt, um dort für die Marokkaner in den aufständischen Reihen Propaganda zu machen. Eine überlieferte Anekdote zeugt vom geringen Erfolg seiner Bemühungen: Am 25. September 1936 forderte er aus einem Schützengraben an der Front von Córdoba die Marokkaner der gegnerischen Stellung auf Arabisch auf, die Seite zu wechseln. Seine flammende Rede ging jedoch in den Gewehrsalven der Gegner unter.60 Die Zahl der als Freiwillige in den republikanischen Reihen kämpfenden Muslime war mit etwa 1000 Mann ungleich niedriger als auf Seiten der Aufständischen.61 Während Angehörige des linken Lagers die antimuslimische Propaganda intensivierten, standen die Putschisten vor der Herausforderung, just diese Diskurse umzudeuten. Die Aufgabe war keine geringe. Wie erklären, dass der angebliche Erzfeind früherer Jahrhunderte plötzlich auf der eigenen Seite stand und gegen Spanier kämpfte? Dazu bedienten sich die aufständischen Propagandisten aus dem Arsenal afrikanistischer Deutungen vor dem Bürgerkrieg und setzten sie massentauglich um. Sie griffen zurück auf Bezüge zwischen den monotheistischen Religionen Christentum und Islam. Hier tat sich unter anderem Victor Ruíz Albéniz, Kenner Marokkos aus den Kolonialkriegen und überzeugter Franquist, hervor. Er benutzte den Namen „El Tebib Arrumi“ (der christliche Arzt), mit dem ihn die Marokkaner bezeichnet hatten, und versuchte in zahlreichen Artikeln und Radioansprachen sein Urteil mit dieser langjährigen Erfahrung in Marokko glaubhaft zu begründen: „Zu behaupten, dass der Islam gemeinsame Sache macht mit den Horden, die Gott verneinen und verfluchen, dass [die Muslime] den Interessen des jüdischen Goldes dienen könnten oder der anarchistischen Politik, die Hierarchien verneint und die Familien angreift, heißt die arabisch-berberische Seele völlig zu verkennen. Für den Mauren ist der Christ ein Mensch, der im Irrtum lebt, aber der Jude oder der Atheist ist ein unreines Wesen, der die Göttlichkeit verneint, eine unfassbare Blasphemie für den Geist eines Muslim, das heißt, eines Gläubigen. Außerdem kann der Maure nie mit den Feiglingen sein, die ehrlos kämpfen. In ihrem Wesen und ihrem Potential sind sie mutig und ritterlich, und die [atheistische, P.H.] Horde widert sie an. Daher sind sie auf unserer Seite.“62
Der religiöse Faktor, im 19. Jahrhundert noch unüberbrückbarer Gegensatz, stellte in den Diskursen der Putschisten das verbindende Element dar. Dies tat 59 60
61 62
Zitiert nach Sanchez Ruano: Islam y Guerra Civil española, S. 259. Sanchez Ruano: Islam y Guerra Civil española, S. 269. Zu Sidqi und Ossidhoum vgl. auch Abdelatif Ben Salem: La participación de los voluntarios árabes en las brigadas internacionales. Una memoria rescatada, in: José Antonio González Alcantud (Hrsg.): Marroquíes en la Guerra Civil española, S. 111–129. Sanchez Ruano: Islam y Guerra Civil española, S. 256. El Tebib Arrumi: Nuestros amigos los moros, 30. 11.1937, zit. nach Núñes Seixas:¡Fuera el Invasor!, S. 263.
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er, wie das Zitat zeigt, auf selektive Weise: Aufgrund des Antisemitismus Francos fanden die Juden als älteste monotheistische Religion keinen Platz. Die als ungläubig diffamierten rojos ersetzten die zu Freunden gewordenen moros als Feindbild. Eine Zeitschrift aus Navarra machte dies explizit: „Wenn man den Mauren von gestern und heute betrachtet, so ist bewiesen, dass die Mauren von gestern, gegen die die Spanier kämpften, die Roten von heute sind, so wie die Roten von heute die zerstörerischen Mauren von gestern sind.“63 Auf vielen Ebenen wurde diese neue Verbindung rhetorisch dargelegt. Ein katholischer Militärgeistlicher im Dienst der Putschisten lobte den „religiösen Geist“ der marokkanischen Soldaten.64 Queipo de Llano behauptete, die muslimischen Soldaten hätten kriegerische Verwüstungen der Republikaner angeblich mit dem Satz kommentiert: „Menschen, die das tun, wollen Marokko zivilisieren?“65 Franco beschwor in seinen Reden den Bürgerkrieg als neuen Kreuzzug und hob die vielen Toten des Bürgerkriegs in seiner beschönigenden Deutung auf eine abstrakte, notwendige Ebene: „Unser Krieg ist ein Religionskrieg. Wir alle, die kämpfen, Christen oder Muslime, sind Soldaten Gottes und kämpfen nicht gegen andere Menschen, sondern gegen Atheismus und Materialismus, gegen alles, was die menschliche Würde herabsetzt, die wir erhöhen, reinigen und adeln wollen.“66
Die Dimension des Religionskriegs übertrug sich auch auf die Behandlung der Marokkaner. Als die republikanischen Truppen am 20. Januar 1937 ein Schiff bombardierten, mit dem auf Francos Initiative hin marokkanischen Gläubigen eine Wallfahrt nach Mekka ermöglicht werden sollte, bot dies einen Anlass, sich mit den „muslimischen Brüdern“ solidarisch zu zeigen: „Sie verletzen eure vornehmsten Gefühle, treten eure Religion mit Füßen und greifen euch im Innersten eures Herzen an“, schrieb der Offizier Tomás García Figueras in einer Sonderausgabe der Zeitung El Heraldo de Marruecos.67 Die Reise wurde dennoch unternommen. Nach der Rückkehr empfing Franco am 2. April eine Delegation dieser Pilger, passenderweise im Alcázar von Sevilla. In Anwesenheit mehrerer Generäle und des Erzbischofs, Repräsentanten der wichtigsten Säulen der Aufständischen, beschwor er in radikaler Umkehr jahrhundertealter Stereotypen eine Verbundenheit mit dem Islam: „Spanien und der Islam waren immer die Völker [sic!], die sich am besten verstanden haben. [. . . ] Das zerstörerische Werk Russlands richtet sich gegen die Gebräuche, gegen die Moscheen, gegen alles, was spirituellen Wert besitzt, was das Fundament des Islam und des muslimischen Volkes darstellt. Hoheit, kaiserlicher Wesir: Die brüderliche Liebe der 63 64 65 66
67
El Pensamiento Navarro, 1. 3.1937, zit. nach Núñes Seixas: ¡Fuera el Invasor!, S. 266f. José Caballero S.J.: Diario de campaña (de un capellán legionario), Madrid 1976, S. 269. La Unión, 21. 08. 1936, S. 8–9, zit. nach Ian Gibson: Queipo de Llano. Sevilla, verano de 1936. Con las charlas radiofónicas completas, Barcelona 1986, S. 18. L‘Echo de Paris, 16. 11. 1937, zit. nach: Francisco Franco Bahamonde: Franco ha dicho. Recopilación de las más importantes declaraciones del caudillo desde la iniciación del alzamiento nacional hasta el 31 de diciembre de 1946, Madrid 1946, S. 8f. Zit. nach Madariaga: Los moros que trajo Franco, S. 348.
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Spanier bringt dem muslimischen Volk die besten Gefühle des Staatschefs und der spanischen Bevölkerung entgegen. Und wenn die Rosen des Sieges blühen, werden wir ihnen ihre schönsten Blüten überreichen.“68
Doch solche Aussagen Francos und seiner Gefolgsleute blieben Lippenbekenntnisse. Derjenige Marokkaner mit der größten Karriere im Franquismus war Mohammed Ben Mizzian (1897–1975). Aufgrund seiner Ausbildung in der Militärakademie von Toledo und seiner Verdienste in vielen bedeutenden Schlachten des Kriegs stieg er im Bürgerkrieg bis zum Oberst auf. Nach dem Krieg wurde er zum General befördert. Franco ernannte ihn erst zum Kommandanten von Ceuta, später zum capitán general (Generalkommandant) seiner Heimat Galicien, später der Kanarischen Inseln.69 Doch er blieb ein Einzelfall. De facto wurden die Marokkaner vor allem als Stoßtrupps in vorderster Front und als Kanonenfutter eingesetzt, um die eigenen Truppen zu schonen, was die hohen Verluste und Verwundungen in ihren Reihen zeigen.70 Für die Masse der marokkanischen Truppen wie auch ihrer Familien in Afrika konnte von Rosen des Sieges keine Rede sein. 4.1.4 Aneignung: Der franquistische Bruderschaftsdiskurs (1939–1956) Die Bruderschaftsdiskurse des Bürgerkriegs wurden nach dem Sieg der Putschisten im frühen Franquismus institutionalisiert. Mit der anfänglichen Besetzung von Schlüsselstellen durch afrikanistische Militärs hielt auch die entsprechende Rhetorik Einzug in die Madrider Ministerien. Das Portrait, das der britische Botschafter Samuel Hoare von Oberst Juan Beigbeder, 1939 und 1940 Außenminister Francos, zeichnete, macht deutlich, wie merkwürdig dieser Wechsel der politischen Führung anmuten konnte: „,Wir sind alle Mauren’, sagte er [Beigbeder] mir bei einer Gelegenheit, und sicherlich harmonisierte seine braungebrannte und quijoteske Gestalt mehr mit dem Rifgebirge und der Wüste als mit dem kleinen, schlecht belüfteten Raum, in dem er im Außenministerium arbeitete. Die Winde Afrikas durchbrachen hin und wieder die drückende Madrider Hitze, und mitten in einer Diskussion über hohe Politik begann der Oberst einen arabischen Vers aus dem illustrierten Koran zu zitieren, der stets auf seinem Schreibtisch lag.“71
Die regimetreuen Ideologen propagierten Marokko als Ausgangspunkt für eine „nationale Erneuerung.“ Franco betonte immer wieder seine Verbundenheit mit Afrika, das sein Fundament und damit auch das seiner Herrschaft darstellte: „Meine Jahre in Afrika leben in mir mit unbeschreiblicher Kraft. 68 69 70 71
Zit. nach ebd., S. 352. Ebd., S. 276. Balfour: Deadly embrace, S. 312. Samuel Hoare: Misión en España. Testimonio del embajador británico, Buenos Aires 1946, S. 65.
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4. Der Islam als koloniales Gegenüber Abbildung 8: Franco bei der Siegesfeier nach Ende des Bürgerkriegs in Madrid, Mai 1939. Im Vordergrund die guardia mora, die maurische Leibgarde, die in den Jahren nach dem Bürgerkrieg fester Bestandteil der militärischen Entourage Francos war. Titelblatt der Zeitung La Vanguardia Española (Barcelona) vom 21. Mai 1939. © Arxiu Històric de la Ciutat de Barcelona.
Ohne Afrika kann ich mich kaum selbst erklären, noch kann ich mich richtig meinen Waffenkameraden erklären.“72 Demonstrativ umgab sich der christliche caudillo mit einer marokkanischen Leibgarde, was seinem Auftreten in den frühen Jahren, in denen Ansätze zu einem Führerkult nach deutschem und italienischem Vorbild am ehesten sichtbar waren,73 eine exotische Aura verlieh (Abb. 8). Gleichzeitig demonstrierte er auf diese Weise kolonialen Herrschaftsanspruch auf Marokko. Seine Ideologen fanden in der maurischen Leibgarde ein Motiv mehr, um deren historische Wurzeln zu ergründen und eine angebliche Kontinuitätslinie von den Römern über Königin Isabella I. und Kardinal Cisneros zu Franco zu ziehen.74 Ähnlichen Aufgaben widmeten sich auch die im frühen Franquismus ge72 73
74
Zit. nach Preston: Franco, S. 16. Dazu ausführlich Walther L. Bernecker/Sören Brinkmann: Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politk und Gesellschaft 1936–2006, Nettersheim 2006, S. 155–163; Toni Morant i Ariño: „Der Caudillo wird nur durch seinen eigenen Willen begrenzt.“ Der Franco-Mythos in Spanien, 1936–1945, in: Benno Ennker/Heidi HeinKircher (Hrsg.): Der Führer im Europa des 20. Jahrhunderts, Marburg 2010, S. 157–180. Juan Priego López: Escoltas y guardias moras de los jefes de Estado españoles, Madrid 1952 (Instituto de Estudios Africanos), S. 29–34.
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gründeten oder älteren, neu ausgebauten wissenschaftlichen Einrichtungen, allen voran das Instituto de Estudios Africanos (IDEA, Institut für afrikanische Studien).75 Dieses 1945 gegründete Institut war ein Sprachrohr der afrikanistischen Militärs und bot ihnen eine Plattform zur Aufarbeitung ihrer Erfahrungen mit wissenschaftlichem Anstrich.76 Neben Beschreibungen über den Islam und Hinweisen zum Umgang mit islamischen Soldaten oder offiziellen Gästen77 fanden sich in den Publikationen des IDEA imperiale und nationalistische Diskurse, wie sie schon in den 1920er Jahren unter anderem in der Zeitschrift Africa – Revista de tropas coloniales angelegt worden waren und die das IDEA weiterführte. Diskurse einer angeblich gottgewollten Einheit zwischen Christen und muslimischen Marokkanern, zwischen Spanien und Nordafrika, die schon seit den Beginnen der Expansion 1859 hör- und lesbar gewesen waren, drückten sich in einem biologisch-rassischen und geographischen Determinismus aus. Geographische Ähnlichkeiten zwischen Spanien und Marokko unterstrichen in der Argumentation der franquistischen Ideologen auch eine rassische Verbundenheit. Das Postulat einer „Einheit des Blutes und Einheit des Territoriums“ gaben wie in den Anfängen der Expansion 1859 politischen Forderungen den Anschein von Naturgesetzen.78 Die Diskurse der Freundschaft mit Marokko korrespondierten mit einer Aversion gegenüber den anderen europäischen Großmächten. Gegen Großbritannien hegten die Afrikanisten Groll wegen Gibraltar, Frankreich war steter Rivale in Marokko. Vor und noch während des Zweiten Weltkriegs war eine Affinität Francos zu den Regimes von Hitler und Mussolini offensichtlich. Hitler verweigerte jedoch Franco Hilfe gegen Frankreich in Marokko, was wohl ein Grund dafür war, weshalb Spanien nicht auf Seiten der Achsenmächte in den Krieg eintrat.79 Doch aufgrund der Nähe zu den besiegten Diktaturen verweigerten die Siegermächte 1945 in Potsdam Spanien den Beitritt zu den Vereinten Nationen. Daraufhin machte sich Spanien den Bruderschaftsdiskurs außenpolitisch zu Nutze, um mit Hilfe der arabischen Staaten die internationale Isolierung zu durchbrechen. Auch dank dieser Unterstützung erreichte Franco 1955 die Aufnahme in die Vereinten Nationen.80 75 76 77 78 79 80
Eine Auflistung bei Luis Beltrán: African studies in Spain, in: African studies bulletin 11/1968, Nr. 3, S. 316–325, S. 318–324. Nerín/Bosch: El imperio que nunca existió, S. 264f. Z. B. Ángel Doménech Lafuente: Del Islam, Madrid 1950 (Instituto de Estudios Africanos); ders.: Un oficial entre moros, Larache 1948. Tomás Borrás: La España completa, Madrid 1950 (Instituto de Estudios Africanos), S. 11 und S. 12. Nerín/Bosch: El imperio que nunca existió, S. 284f. Ausführlich dazu María Dolores Algora Weber: Las relaciones hispano-árabes durante el régimen Franco: la ruptura del aislamiento internacional (1946–1950), Madrid 1995, hier S. 34–36.
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Dennoch blieb der Bruderschaftsdiskurs in seiner außenpolitischen, kolonialen und kulturellen Dimension begrenzt: Den Beziehungen zu den arabischen Staaten fehlte es nach 1955 an Kontinuität und Vertiefung, so dass Spanien die erhoffte Chance und den Anspruch, Vermittler zwischen Weltkulturen zu sein, auf lange Sicht nicht nutzte.81 Das koloniale Unternehmen war ein „Imperium, das nie existierte“:82 Von den Gebieten im Golf von Guinea, der spanischen Sahara, der winzigen Enklave Ifni und dem Rif verlor Spanien mit der Unabhängigkeit Marokkos 1956 das wichtigste und größte Territorium. In der Wahrnehmung der Bevölkerung hatte es die Vorstellung der Freundschaft mit den moros schwer, sich gegen die feindlichen Stereotype durchzusetzen. In den Schulbüchern des Franquismus fanden sich weiterhin die alten antimuslimischen Geschichtsbilder.83 Begrenzt blieb auch die vielfach beschworene persönliche Freundschaft des caudillos mit den moros: Nachdem Franco 1936 Marokko verlassen hatte, kehrte er mit Ausnahme eines kurzen Besuchs in der spanischen Sahara 1950 nie mehr nach Afrika zurück.84
4.2 Portugal: Versuch der Bewahrung (1890–1974) 4.2.1 Zivilisierung: Das Leitbild des christlichen Imperiums (1890–1945) In der portugiesischen Geschichtsschreibung erschien der mittelalterliche islamische Gegner als einer von vielen anderen. Dies deckte sich mit der bis ins 20. Jahrhundert verbreiteten Wahrnehmung muslimischer Kolonialbevölkerung als einer von mehreren religiösen Gruppen in einem auf vier Kontinente verteilten Imperium. Unter welchen Umständen kam es zu einer speziellen Wahrnehmung des Islam? Wie setzte diese sich mit der mittelalterlichen Vergangenheit in Beziehung? Die Muslime in den Kolonien Portugals im 19. Jahrhundert waren Teil eines religionsübergreifenden Zivilisationsdiskurses. Dies hängt mit der portugiesischen Kolonialpolitik zusammen. Wirtschaftlich waren über Jahrhunderte hinweg Brasilien und der Osten attraktiver als die afrikanischen Gebiete. Daher waren Ende des 19. Jahrhundert von Guinea, Angola und 81 82 83 84
Ebd., S. 308. Unter diese These stellen Gustau Nerín und Alfred Bosch ihre Analyse: Nerín/Bosch: El imperio que nunca existió. Vgl. Kap. 6 dieser Arbeit. Xavier Casals Meseguer: Franco „El Africano“, in: Journal of Spanish Cultural Studies 7/2006, Nr. 3, S. 207–224, S. 219.
4.2 Portugal: Versuch der Bewahrung (1890–1974)
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Mosambik nur die Küstenregionen erschlossen.85 Erst das Wettrennen der europäischen Großmächte in Afrika Ende des 19. Jahrhundert zwang Portugal zu einem verstärkten Bemühen um den Ausbau der afrikanischen Gebiete. Inbegriff der hochfliegenden portugiesischen Expansionsträume war die mapa cor-de-rosa (rosafarbene Landkarte), eine 1887 von Außenminister Henrique Barros Gomes präsentierte Karte mit dem rosa eingefärbten Umriss eines „Portugiesisch-Südafrikas“, das sich quer durch den Kontinent von der angolanischen zur mosambikanischen Küste erstrecken sollte. Dieser Traum wurde durch das britische Ultimatum vom 11. Januar 1890 beendet, das Portugal zum Rückzug aufforderte und andernfalls mit Abzug der diplomatischen Vertreter und militärischen Handlungen drohte. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gingen Erforschung und Besiedlung der afrikanischen Territorien vor allem auf Entscheidungen der Regierungen zurück. Ein entsprechendes Interesse von Privatleuten war begrenzt, auch waren diese Gebiete kein Ziel für Auswanderer.86 Mit der zunehmenden Erschließung des Landesinneren zwischen 1890 und 1910 mussten entsprechende Strategien zur Kolonialisierung der dortigen Bevölkerung entworfen werden. Damit stellte sich auch die Frage der Mission neu, die in Portugal nicht allein in religiöser Hinsicht gedacht und ein Spiegel der politischen Ereignisse war. 1880 hatte eine Kommission zur Reform der Überseemission, die Comissão de Estudo da Reforma da Missão Ultramarina, auf den Mangel an Personal, Ausbildung und Mitteln der portugiesischen Mission hingewiesen: Da es zu wenig portugiesische Missionare gäbe, würden ausländische Missionare, die häufig nicht einmal katholisch seien, in den portugiesischen Territorien arbeiten, was den Interessen Portugals entgegenstünde. Der Vorsitzende dieser Kommission Luciano Cordeiro kritisierte auch eine einseitige, d. h. nur theologische Ausbildung der Missionare, die seiner Meinung nach vielmehr „agentes civilizadores“ („zivilisierende Vertreter“) sein sollten, mit Grundkenntnissen nicht nur in Theologie, sondern in Medizin, Naturwissenschaften und auch Handel und Industrie.87 In der Republik wurden kurzzeitig die religiösen Orden verboten, bis ein Dekret von Kolonialminister João Soares 1919 die Einrichtung von Laien- und kirchlichen Missionen wieder erlaubte, weil sonst das Personalproblem der Mission noch drängender geworden wäre. 1926 wurde das „Estatuto Orgânico das Missões Católicas Portuguesas“ (Organisches Statut der portugiesischen katholischen Missionen) verabschiedet, das versuchte, den Einfluss ausländischer oder nicht katholischer Missionen zurückzudrängen. Im Estado Novo war der Gedanke der Mission ein zentraler Stützpfeiler 85 86 87
Marques: Geschichte Portugals, S. 455. Ebd., S. 456f. Nuno da Silva Gonçalves: A dimensão missionária do catolicismo português, in: História religiosa de Portugal, Lissabon 2000ff., Bd. 3: Religião e Sécularização, S. 353–397, S. 356.
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für die Legitimation des portugiesischen Imperiums, wenngleich Statistiken belegen, dass es aufgrund fehlender Ausstattung nie zu einer breiten Missionierung und Christianisierung kommen konnte.88 Die Kolonien wurden als Bestandteil der portugiesischen Nation betrachtet. Hauptziele der Mission waren einerseits die Integration ins Mutterland, weshalb der Estado Novo einige Maßnahmen der Republik für mehr Autonomie in den Kolonien rückgängig machte, andererseits eine sogenannte „Zivilisierung“ der afrikanischen Bevölkerung.89 Das zentrale Kolonialdokument des frühen Estado Novo, der Acto Colonial vom 8. Juli 1930, verankerte selbstbewusst in Kapitel 2 die „historische Funktion, Gebiete in Übersee zu besitzen und zu kolonialisieren sowie die eingeborene Bevölkerung zu zivilisieren.“90 Die portugiesische Vorstellung von Zivilisation war untrennbar mit der christlichen Religion verbunden, die „Ausbreitung des Glaubens und des Imperiums“ („a dilatação da Fé e do Império“) Leitbild der politischen und kirchlichen Vorstellungen bis in die 1960er Jahre.91 Dennoch zeigte sich die laizistischeTradition der portugiesischen Republik, die 1911 die Glaubensfreiheit in der Verfassung festgeschrieben hatte und die der Estado Novo nicht rückgängig machte, auch im Acto Colonial: Artikel 23 sicherte in den Überseegebieten „Gewissensfreiheit und freie Ausübung der verschiedenen Kulte, mit den für die Rechte und Souveränität Portugals nötigen Einschränkungen“ zu.92 Diese Politik setzte sich im Estatuto dos indígenas (Eingeborenen-Statut) von 1954 für die Kolonialbevölkerung von Angola, Guinea und Mosambik fort. In den Bedingungen, die einem indígena ermöglichten, zu einem cidadão português zu werden, wurde auf religiöse Kategorien verzichtet, wobei diese implizit in der Forderung angelegt waren, genügend Distanz zu den „usos e costumes“ („Sitten und Bräuchen“) der Eingeborenen zu halten.93 Die Einwohner der Kapverden, von Goa und Macau wurden nicht als indígenas angesehen, sondern besaßen von vornherein den Status von Staatsbürgern.94 Islamische Bevölkerung des portugiesischen Kolonialreichs war im Norden und an der Küste von Mosambik sowie in Guinea angesiedelt. Ein Text in der Revista de Portugal 1890 kann als Beginn eines expliziten Diskurses über den Islam gelten.95 Dieser erschien darin als Rivale Portugals in der afrikanischen Expansion. In diesem Jahrzehnt, in dem die Politik der sogenannten ocupação efectiva (effektive Besetzung) der afrikanischen Territorien Portugal zu einer stärkeren Beschäftigung mit den Lebensformen der indígenas zwang, nahm 88 89 90 91 92 93 94 95
Marques: Geschichte Portugals, S. 626. Malyn Newitt: Portugal in Africa. The Last Hundred Years, London 1981, S. 184–187. Art. 2 des Acto Colonial, zit. nach der Ausgabe Lissabon 1933, S. 35. Gonçalves: A dimensão missionária, S. 388. Acto Colonial, Art. 23. Macagno: Outros Muçulmanos, S. 44f. Marques: Geschichte Portugals, S. 610. So die Einordnung von Vakil: Questões inacabadas, S. 258f.
4.2 Portugal: Versuch der Bewahrung (1890–1974)
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die Vorstellung einer Konkurrenz mit dem Islam Gestalt an. So klagte der Kolonialpolitiker und spätere Gouverneur von Mosambik António Enes in einem Bericht an die Regierung 1893, das Christentum würde wie eine exotische Pflanze dahinvegetieren, während sich der Islam wie Unkraut ausbreite.96 Den Grund dafür sah Enes darin, dass der Islam eine „einfache Religion“ („religião fácil“) sei, die der Lebens- und Denkweise der indígenas mehr entspräche: „Eine Religion ohne Dogmen, ohne Geheimnisse, ohne Philosophie, ohne Abstraktionen, ohne Mystizismus, ohne Strenge, eine Religion für beschränkte Intelligenzen und für Naturvölker, die sich noch mehr vereinfacht, um von den Afrikanern akzeptiert zu werden – und daher nehmen sie diese an.“97 In Enes‘ Haltung verbanden sich Stereotype einer religiösen Inferiorität des Islam mit denen einer kulturellen Inferiorität der Kolonialbevölkerung. Meinungen wie die von Enes waren im 19. und frühen 20. Jahrhundert kein Einzelfall, jedoch nur einem beschränkten Kreis vorbehalten. Jahrzehntelang hatte der Islam keine herausragende Stellung in den Bemühungen um eine koloniale Integration der Überseeprovinzen inne. Im Ersten Weltkrieg spielte der Islam in einer gegen den Westen gerichteten Kriegspropaganda durchaus eine Rolle. Diese dürfte der portugiesischen Führung ebenso bekannt gewesen sein wie die blutigen Verwicklungen Spaniens in Marokko, doch erfuhr der Islam kaum Aufmerksamkeit. In der Zwischenkriegszeit und während des Spanischen Bürgerkriegs, in dem die Regierung Salazar Francos Aufständische mit Soldaten, Waffen und Transporten unterstützte, war das Feindbild des Bolschewismus stärker präsent als das einer islamischen Expansion.98 4.2.2 Wachsamkeit: Der Islam als Machtbedrohung (1945–1960) Die Neuordnung der Welt nach 1945 und die damit verbundene Unsicherheit erschütterten auch das im Zweiten Weltkrieg neutral gebliebene Portugal. Der sich verschärfende Ost-West-Gegensatz, die Entkolonialisierungsprozesse und das neue Selbstbewusstsein ehemaliger kolonisierter Gebiete, wie es in der Konferenz von Bandung 1955 sichtbar wurde, waren die Hintergründe für eine eingehendere Beschäftigung Portugals mit dem Islam. Er galt nun als Bedrohung der Kolonien und zielte damit auf den wichtigsten Pfeiler portugiesischen Selbstverständnisses. Berichte in der Kolonialpresse malten das Bild einer rapiden Islamisierung düster aus: „Die Muslime, umtriebige Reisende und fahrende Händler, dringen in die Dörfer ein, verkaufen ihren Plunder oder tauschen Waren. Ihre Gebete verrichten sie ostentativ, was den 96 97 98
António Enes: Moçambique. Relatório apresentado ao Govêrno, o. Ort, 3. Aufl. 1946 [EA 1893], S. 12. Ebd., S. 14. Vakil: Questões inacabadas, S. 259f.
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4. Der Islam als koloniales Gegenüber
Anführern mit ihrer dehnbaren Moral zu gefallen vermag, und überzeugen diese, sich Allah zuzuwenden. [Die Eingeborenen] richten sich in allen Lebenslagen ein, und eines schönen Tags, ohne dass jemand es merkt, haben wir ein ganzes islamisiertes Dorf.“99
Autoren wie António da Silva Rego und Eduardo Dias folgten der von António Enes ein halbes Jahrhundert zuvor entworfenen Lesart. Für da Silva Rego war der muslimische Lebenswandel, insbesondere die Polygamie und die nur Männern erlaubte Scheidung, ein „kontinuierlicher moralischer Gegensatz“.100 Dias sah den Dschihad als „einzig originelles Element des Islam“ an. Damit betonte er nicht nur eine moralische, sondern vor allem eine politische Gefahr, die vom Islam ausging.101 Und dieser Gegner sei Portugal aus der Vergangenheit wohl bekannt, weshalb Dias zu einer verstärkten Wachsamkeit aufrief: „Machen wir uns [. . . ] bewusst, dass immer noch Mauren auf portugiesischem Boden existieren“ [Hervorhebung im Original].102 Diese historischen Linien zurück ins Mittelalter zog auch der Gouverneur von Guinea Manoel Maria Sarmento Rodrigues, als er sagte, Guinea sei ein „offenes Schlachtfeld für unseren Kreuzzug der Nationalisierung: die Sprache zu lehren und die Religion zu verbreiten.“103 Für Kirchenvertreter wie Sebastião de Resende, Bischof der Diözese Beira in Mosambik, war die Zugehörigkeit zum Islam gleichbedeutend mit einem Ausschluss aus der nationalen Gemeinschaft: „Islamisierte Eingeborene sind fast verloren für die Kirche, und hoffentlich nicht auch für Portugal. Wer fremden Bewegungen gehorcht, gehört nicht dazu.“104 In den Jahren zwischen 1950 und 1960 wurden Warnungen vor einer islamischen Bedrohung besonders laut, weil sich in diesem Topos für Portugal die Entkolonialisierungsprozesse in Afrika und die virulente Phase des Ost-WestGegensatzes verdichteten und konkretisierten. Schon 1946 hatte Dias davor gewarnt, dass sich die kommunistische Propaganda mit Hilfe von 25 Millionen Muslimen im Sowjetreich ausbreiten könne.105 Seine Argumentation blieb einflussreich. Zehn Jahre später war für Antonio de Sousa Franklin der Islam als Werkzeug des Bolschewismus eine der größten Schreckensvorstellungen. Er sah ihn als Mittel zum Zweck, die europäischen Staaten in ihrer überseeischen Machtbasis anzugreifen. Außerdem berge der Islam ein Po99 100 101
102 103 104 105
Artikel o. Autor: O perigo do Islão em África, in: Boletim Geral do Ultramar 378/1956, S. 104–106. S. 104. António da Silva Rego: O Oriente e o Ocidente. Ensaios, Lissabon 1939, S. 47 und S. 51. Eduardo Dias: Um Problema: o Islamismo e a sua penetração na África Negra, in: Rumo. Revista da cultura portuguesa 6/1946, S. 232–243, S.228. Vgl. die Interpretation von Vakil: Questões inacabadas, S. 260f. Dias: Um Problema, S. 243. Manoel Maria Sarmento Rodrigues: Os maometanos no futuro da Guiné, in: Boletim Cultural da Guiné Portuguesa 3/1948, Nr. 9, S. 219–132, S. 229. Sebastião Soares de Resende: Falsos e verdadeiros caminhos da vida, Lourenço Marques 1948, S. 51. Dias: Um Problema, S. 239.
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tential zu gefährlicher Rebellion und die aktuellen Ereignisse seien ein Beleg dafür: „Niemand garantiert uns, dass die Fulbe, Mandinka und andere Islamisierte, die sich heute wie gute Freunde benehmen, nicht morgen die Standarte der Revolte schwingen und Waffen gegen uns richten. Das Beispiel dessen, was gerade in Algerien passiert, spricht für sich.“106 Gefürchtet wurde der Islam als Vehikel zur Ausbreitung der Autonomietendenzen: „Jeder mohammedanische Missionar benutzt ein einfaches und weithin akzeptiertes Argument: das Christentum ist eine gute Religion für den Weißen, der Islam für den Schwarzen.“107 Die Kolonialpolitiker und Missionare sahen die Gefahr für die politische Integration der Kolonialbevölkerung höher an als für die religiöse Integration: „Der Fortschritt der Islamisierung in Guinea ist kein religiöses Problem, jedoch kann er zunehmend ein wachsendes Hindernis für eine größere Integration des Eingeborenen in die nationale Gemeinschaft darstellen.“108 Der Islam als „russifiziertes Trojanisches Pferd“,109 eingeschleust ins Kolonialreich, war eine Schreckensvorstellung, bei der sich zwei Feindbilder gegenseitig verstärkten. Die Gegenmaßnahme für diese Bedrohungen Ende der 1950er Jahre hieß Lusitanisierung, die sich auf verschiedenen Ebenen vollzog. Da im Kontext der Entkolonialisierung das portugiesische System zunehmend anachronistisch erschien, wurde der Acto Colonial 1951 abgeschafft, sein Inhalt in die Verfassung integriert und der Begriff „Kolonialreich“ („império colonial“) durch das weniger autoritär klingende „Überseeprovinzen“ („Ultramar“ bzw. „províncias ultramarinas“) ersetzt.110 Kolonialpolitiker, Experten und Missionare machten verschiedene Vorschläge, wie das „aportuguesamento“ vor Ort in den Kolonien aussehen sollte. José Júlio Gonçalves vom Instituto Superior de Estudos Ultramarinos listete 1958 in einer Studie einen Katalog von Vorschlägen für die islamische Präsenz Guineas auf: Die katholische Mission solle verstärkt, eventuelle politische Folgen und Kontakte der Wallfahrten nach Mekka scharf observiert, die Ausbreitung des Arabischen zugunsten der Kreolsprachen und des Portugiesischen eingedämmt werden. In seiner Argumentation war der Islam ein „desnationalisierender“, „antiportugiesischer“ und nicht zuletzt „antieuropäischer“ Faktor.111 Andere Forderungen 106
107 108 109
110 111
António George C. de Sousa Franklin: A Ameaça Islâmica na Guiné Portuguesa, Lissabon 1956, S. 24f. In ähnlicher Lesart Joaquim Correia da Costa: A Ameaça Afro-Asiatica, in: Diario de Lisboa, 2.10.1956, S. 12–13. Albano Mendes Pedro: Islamismo e Catolicismo em Moçambique, in: Volumus. Revista trimestral de formação missionária 11/1959, Nr. 4, S. 170–212, S. 206. Teixera da Mota, Guiné Portuguesa, Bd. 1, Lissabon 1954, S. 256, zit. nach Vakil: Questões inacabadas, S. 272. Lobiano do Rego [Padre Albino da Silva Pereira]: A „Declaração sobre a Liberdade religiosa“ no Tempo e Espaço da Nação Portuguesa, Braga 1966, S. 79, zit. nach Machaqueiro: Estratágias, rivalidades e conflictos de poder identitário, S 15. Marques: Geschichte Portugals, S. 611. José Júlio Gonçalves: O Mundo Árabo-Islâmico e o Ultramar Português, Lissabon 1958 (Estudios de Ciências políticas e sociais 10, 1958), S. 169 u. S. 238.
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4. Der Islam als koloniales Gegenüber
zielten auf eine verbesserte Ausbildung der Missionare. Diese sollten Arabisch lernen und mit einem „genauen Studium des muslimischen Gedankenguts“ auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.112 Die antiislamische Rhetorik und Argumentation waren zwar in ihrer Form und ihrem politischen Kontext, nicht aber in ihrem Gehalt neu. 4.2.3 Integration: Der Weg zur „portugiesischen Ökumene“ (1960–1974) Die 1960er Jahre markierten einen Wechsel in der Haltung gegenüber dem Islam. Dies hatte in erster Linie mit dem zunehmenden Druck auf das Regime zu tun: In Portugal häuften sich zwischen 1959 und 1962 Verschwörungen gegen Salazar, in Afrika erreichte die Welle der Autonomiebewegung Portugal. Deren Ausdruck waren Gründungen wie der Partido africano de independência da Guiné e Cabo Verde 1956 (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und den Kapverden), das Movimento popular de libertação de Angola (Volksbewegung zur Befreiung Angolas) und die Frente de Libertação de Moçambique (Front zur Befreiung Mosambiks) 1962, die zunehmend gewalttätig zu agieren begannen.113 Angesichts dieser Bedrohungen wurde die Beschwörung einer „einzigen Nation“ seitens der Autoritäten noch notwendiger als bisher: „Ein Schwarzer aus Angola, ein Eingeborener aus Mosambik oder Goa wird nie sagen, dass er ,Angolaner‘, ,Mosambikaner’ oder ,Goeser’ sei. Er wird einfach sagen, er sei Portugiese. Portugiese aus Luanda, Portugiese aus Beira, Portugiese aus Indien, wie Portugiese aus Tras-os-Montes, aus dem Minho oder aus der Algarve“, behauptete 1960 ein Leitartikel im Diário de Notícias, der wichtigsten Zeitung des Estado Novo.114 1961 vollzog Lissabon formal die Gleichstellung aller Bewohner der Überseeterritorien, indem es das Estatuto dos indígenas abschaffte und alle Einwohner Angolas, Guineas und Mosambiks zu portugiesischen Staatsbürgern erklärte. Tatsächlich hatte dieser Akt eher symbolische Bedeutung, denn ein Vermerk im Pass verriet weiterhin die Herkunft als indígena.115 Diese in vielerlei Hinsicht nur oberflächliche Aufwertung der Kolonialbevölkerung betraf auch den Umgang mit dem Islam. Politiker und Missionare deuteten die Muslime im Kolonialreich von einem Bedrohungs- zu einem Stabilisierungsfaktor in einem Imperium mit unübersehbaren Verfallserschei112
113 114 115
Frederico José Peirone: A importância do estudo da língua e da cultura árabe para a missionação dos indígenas islamizados de Moçambique, in: Garcia da Orta: Revista da Junta das Missões Geográficas e de Investigações do Ultramar 6/1956, Nr. 3, S. 371–381, S. 380. Dazu u. a. Wolfgang Reinhard: Geschichte der europäischen Expansion. Bd. 4: Dritte Welt Afrika, Stuttgart/Berlin/Köln 1990, S. 158. Augusto de Castro: A Nação inteira!, in: Diario de Noticias, 18.10.1960, S. 1. Macagno: Outros Muçulmanos, S. 52.
4.2 Portugal: Versuch der Bewahrung (1890–1974)
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nungen um. Die genaue Zahl islamischer Kolonialbevölkerung ist schwer zu ermitteln. Die vom Gründer der ersten muslimischen Gemeinschaft in Portugal, Suleiman Valy Mamede, genannten zwei Millionen im gesamten Kolonialgebiet116 sind sicher zu hoch gegriffen. Herculano Lopes de Oliveira nennt die Zahl von 190 000 Muslimen in Guinea, zehnmal so viel wie Katholiken in dieser Gegend und 500 000 Muslime nur für die nordmosambikanische Diözese Nampula.117 In einer ähnlichen Größenordnung bewegt sich Albano Mendes Pedro, der die Zahl 600 000 Muslime für Mosambik nennt.118 In jedem Fall war der Anteil islamischer Bevölkerung groß genug, um besondere Aufmerksamkeit seitens der Kolonialpolitiker zu erfahren. War der Islam in den Jahrzehnten zuvor als politische und religiöse Bedrohung der Nation wahrgenommen worden, galt es nun, ihn genau in diesen Punkten in einen Nationsentwurf zu integrieren.119 Hier zeigte sich einmal mehr die Chance, die die mittelalterliche Vergangenheit bot: So wie die Beschwörung einer historischen Feindschaft in den Jahrzenten zuvor die Bedrohung plastischer illustriert hatte, konnte nun ebenso die Freundschaft legitimiert werden. In der Tradition des ersten Lehrstuhlinhabers für Arabistik David Lopes unterstrich der Wissenschaftler und Kolonialkenner Francisco José Veloso bei einem Kongress 1965: „Das Wiedersehen mit den Arabisierten und Arabern [in den Kolonien] war für die Portugiesen, deren Heimat fünf Jahrhunderte stärkster arabischer Akkulturation erlebt hatte, wie eine Begegnung mit einem Teil von sich selbst.“120 Auch hier erschien der Islam als ein alter Bekannter, wurde eine direkte Linie von den mittelalterlichen Muslimen zur Kolonialbevölkerung der 20. Jahrhunderts gezogen. In der Zeitschrift Panorama des Secretariado do Estado da Informação e Turismo (Staatssekretariat für Information und Tourismus) die aus dem früheren Secretariado de Propaganda Nacional (Sekretariat für Nationale Propaganda), der Propagandabehörde des Estado Novo hervorgegangen war, hieß es 1970: „Der Katholizismus konnte sich mit dem allgemeinen Verhalten der Nation identifizieren, aber stellte nie allein aus sich heraus seine Essenz dar.“121 Gegenüber den klar katholischen Diskursen des frühen Estado Novo bedeutete dies eine Kehrtwendung. So wurde in den späten 1960er-Jahren eine „Nationalisierung des Islam“ 116 117
118 119 120 121
Suleiman Valy Mamede: O Islão no espaço português, Braga 1970, S. 5. Herculano Lopes de Oliveira: Aspectos actuais do problema missionário no Ultramar Português, in: Volumus. Revista trimestral de formação missionária 8/1956, Nr. 3/4, S. 136–148, S. 148. Pedro: Islamismo e Catolicismo em Moçambique, S. 205. Vakil: Questões inacabadas, S. 272. Francisco José Veloso: Portugal, os árabes e os muçulmanos, in: Cultura islâmica e cultura árabe. Estudos em honra de David Lopes, Lissabon 1969, S. 89–95, S. 92. Rogério Seabra Cardoso: Islamitas Portugueses: linhas de força de um passado; realidades de um presente; bases de um futuro, in: Panorama. Revista portuguesa de arte e turismo IV(März/Juni 1970), Nr. 33/34, S. 49–62, S. 49.
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zu einer zentralen Aufgabe der portugiesischen Gouverneure in Afrika.122 Indem Portugal als Förderer und Bewahrer muslimischer Religion und Kultur auftrat, sollte verhindert werden, dass der religiöse den politischen Gegensatz verstärkte. Im Rahmen der sogenannten acção psicologica (Psychologischen Aktion) in Mosambik setzte das Regime gezielt darauf, islamische Würdenträger an Portugal zu binden. Von deren Autorität und Einfluss auf die Bevölkerung erhoffte man sich, den subversiven Einfluss der Autonomiebewegungen zurückdrängen zu können.123 Praktische Auswirkungen hatte dies vor allem auf die Kulturpolitik, die die Verbundenheit Lissabons mit Religion und Bräuchen der Überseegebiete demonstrieren sollte. In Guinea wurden auf Staatskosten in rascher Folge neue Moscheen errichtet.124 Dies war eine gute Gelegenheit, die Muslime von der Toleranz und Wertschätzung der Regierung zu überzeugen. Bei der Einweihung der Moschee von Bissau am 22. April 1966 proklamierte der Gouverneur Arnaldo Schulz vor den versammelten kolonialen und muslimischen Würdenträgern das Leitbild einer multireligiösen, multiethnischen und doch einzigen Nation: „Tatsächlich praktizierten und praktizieren die Portugiesen stets die gesündesten Grundsätze der Religionsfreiheit und Rassengleichheit. Portugal besteht heute aus Menschen verschiedener Rassen und Religionen, die in einem vollkommenen Geist von Verstehen und Toleranz leben: Schwarze, Weiße, Gelbe und Hindus leben ebenso wie Christen, Muslime, Buddhisten und sogar Animisten friedlich miteinander und vereinen ihre Bemühungen um den materiellen, sozialen und politischen Fortschritt der großen portugiesischen Nation.“125
Waren Wallfahrten nach Mekka zuvor noch mit Misstrauen angesehen worden, so förderte jetzt die Regierung diese Reisen für die, wie es ein muslimischer Würdenträger aus Guinea ausdrückte, „Kinder Gottes, Jünger Mohammeds, Portugiesen vor dem Gesetz.“126 Diese Reisen führten über Lissabon, um die Kenntnisse über die Hauptstadt zu verbessern, wie es in der Zeitschrift Panorama hieß (Abb. 9). Sie vermerkte gleichzeitig stolz, dass die Zahl von Portugiesen (sic!), die an Wallfahrten nach Mekka teilnahm, stetig anstieg.127 Der erste portugiesische Politiker, der sich explizit an die Muslime wandte, war der Gouverneur von Mosambik Baltazar Rebello de Souza. Seine Radioansprache in der Nacht des 23. Ramadan (17. Dezember 1968), der „Nacht der Bestimmung“, in der nach muslimischen Glauben die erste Offenbarung an Mohammed erfolgt sein könnte, begann mit der Nationalhymne, gefolgt von der Eröffnungssure des Korans. Rebello de Souza 122 123 124 125 126 127
Vakil: Questões inacabadas, S. 279. Fernando Amaro Monteiro: Moçambique 1964–1974: As comunidades islâmicas, o Poder e a Guerra, in: Africana 5/1989, S. 81–124, S. 84. Cardoso: Islamitas Portugueses, S. 60. Artikel o. Autor: Inauguração da mesquita, in: Boletim Cultural da Guiné Portuguesa 21/1966, Nr. 83, S. 376–381, S. 379f. Ebd., S. 378. Cardoso: Islamitas Portugueses, S. 60.
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Abbildung 9: Muslime aus Guinea vor der Torre de Belém in Lissabon. In den 1960er Jahren förderte die portugiesische Regierung Wallfahrten der muslimischen Kolonialbevölkerung nach Mekka und Besuche in Portugal. Solche Maßnahmen sollten die Verbundenheit mit dem Mutterland stärken und den Autonomiebestrebungen entgegenwirken. Foto aus der Zeitschrift Panorama 1970. © Hemeroteca Municipal de Lisboa.
beschwor die „gemeinsamen Wahrheiten des Glaubens“ und sicherte den Muslimen Freundschaft zu.128 Weitere Signale einer kulturellen Annäherung setzten im Mutterland die Gründung der ersten muslimischen Gemeinde in Lissabon im Jahr 1968, die, wie ihr erster Präsident, Suleiman Valy Mamede aus Mosambik mit Stolz vermerkte, Sunniten und Schiiten vereinte,129 sowie eine Koranübersetzung ins Portugiesische im Auftrag des Kolonialministeriums.130 Valy Malmede warb 1969 für die Gründung einer Moschee in Lissabon mit dem Argument, dass in allen anderen europäischen Hauptstädten Moscheen für die islamische Bevölkerung existierten und Lissabon hier keine Ausnahme machen sollte. Zugespitzt bedeutete dies: Lissabon bräuchte eine Moschee, um mit der multireligiösen europäischen Entwicklung Schritt halten zu können – eine Umkehrung der alten Argumentationen, die den Islam als Gegenpol zu Europa sahen.131 Legitimationshilfen bei dieser Wende in der Kolonialpolitik kamen von zwei Seiten: einer wachsenden Durchsetzung der Theorie des luso-tropicalismo in den 1950er Jahren und der Hinwendung der katholischen Kirche 128 129 130 131
Abgedruckt in: Monteiro: O Islão, o poder e a Guerra, S. 495. Mamede: O Islão no espaço português, S. 10. Suleiman Valy Mamede: No XIV centenário do Alcorão, in: Cultura islâmica e cultura árabe. Estudos em honra de David Lopes, Lissabon 1969, S. 81–88. Machaqueiro: Estrategias, rivalidades e conflictos de poder identitário, S. 7.
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zur Ökumene in den 1960er Jahren. Die Theorie des luso-tropicalismo des brasilianischen Anthropologen Gilberto Freyre (1900–1987) attestierte Portugal eine Sonderstellung im Umgang mit „tropischer“ Kultur. Grundlage dafür sei der mittelalterliche Kontakt Portugals mit den Arabern gewesen.132 Die Portugiesen hätten deren „soziale Biegsamkeit“ („plasticidade social“) übernommen. Diese sei in biologischer Vermischung, Tendenzen zur Polygamie133 oder der Überordnung des Glaubens über die Rasse sichtbar. Das portugiesische Leitbild der Kolonialisierung sei „christuszentriert“, im Gegensatz zu den „ethnozentrierten“ Idealen Großbritanniens oder Deutschlands, bei denen rassisch-biologistische Argumente im Vordergrund gestanden hätten.134 Freyres in vielerlei Hinsicht anfechtbare Thesen sind nicht explizit in den kolonialen Regimediskursen zu verorten,135 aber dennoch wurden Elemente seines Denkens zunehmend übernommen.136 Seine Theorie konnte als symbiotische Verbindung Portugals und Afrikas gelesen werden, die wiederum Resultat einer vorangegangenen „Afrikanisierung“ Portugals durch die nordafrikanischen Muslime sei. Der Zirkelschluss, dass Afrika Portugal und Portugal Afrika war, gab dem Regime angesichts des internationalen Drucks auf das System eine wissenschaftliche Legitimation, auf den imperialen Ansprüchen zu bestehen. Wichtiger noch als die Ideen des luso-tropicalismo war für den offiziell nicht konfessionellen, aber katholisch geprägten Estado Novo137 die Wende in der römischen Kirchenpolitik. Die auf dem II. Vatikanischen Konzil verabschiedete Erklärung „Nostra Aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen vom 28. Oktober 1965 rief angesichts der historischen Feindschaften zwischen Christen und Muslimen dazu auf, „das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.“138 Ein Dokument aus Rom beseitigte jedoch nicht von einem Tag auf den anderen alle jahrhundertealten langgehegten Feindbilder in den Köpfen. Auch hatte das Regime nicht von einem Tag auf den anderen seine Vorbehalte gegenüber dem Islam über Bord geworfen. Alte Ängste blieben bestehen. So beschrieb auch 1966 noch ein Bericht der Geheimpolizei 132 133 134 135 136 137 138
Ausführlich dazu Macagno: Outros Muçulmanos, S. 61–77. Freyre meinte damit die sexuellen Kontakte brasilianischer Großgrundbesitzer zu zahlreichen Sklavinnen. Gilberto Freyre: Um brasileiro em terras portuguêsas, Lissabon 1955, S. 63–65. Macagno: Outros Muçulmanos, S. 77. Valentim Alexandre: A África no imaginário político português (séculos XIX–XX), in: Boletim Geral do Ultramar 15/1995, S. 39–52, S. 49. Vgl. die Ausführungen von Dix: As esferas seculares, S. 16f. Nostra aetate, zit. nach Peter Hünermann (Hrsg.): Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Konstitutionen, Dekrete, Erklärungen, Freiburg/Basel/Wien 2004, S. 355–362.
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PIDE Karl Marx als Nachfolger von Mohammed als Kämpfer gegen Imperialismus und Kapitalismus, was mit den Zielen einer angeblich „afrikanischasiatischen Kooperation“ und ihrem Kampf gegen den Kolonialismus gleichgesetzt wurde.139 Auch katholische Missionare warnten, dass angesichts des Zugehens auf Muslime Portugal seine „christliche Seele“ vergäße und sahen die Finanzierung einer Moschee in Guinea als „bewusste Verweigerung“ der Identität Portugals an.140 Die Aktivitäten Valy Mamedes, seine Reisen in muslimische Gebiete und seine dortigen Kontakte wurden scharf von der PIDE beobachtet.141 So wahrte das Regime intern alle Vorsicht gegenüber dem Islam, setzte aber gleichwohl äußere Zeichen der Anerkennung und Annäherung, wenn diese den kolonialen Interessen entgegenkamen. Damit gewannen auch Diskurse einer Ökumene an Boden. Ein herausragendes Beispiel dafür war Eurico Dias Nogueira (geb. 1923), Bischof der Diözese Vila Cabral (heute Lichinga) in Nordmosambik. 1966, neun Monate nach Konzilsende schrieb er einen „Brüderlichen Brief an die Muslime“, offensichtlich mit der diskreten Billigung Salazars,142 in dem er die verbindenden Elemente zwischen Islam und Christentum hervorhob und die Muslime der Freundschaft Portugals versicherte. Dieser Brief wurde in den Moscheen des Landes verlesen. Dass er offensichtlich die ökumenische Aufbruchsstimmung der Zeit traf, zeigten die Übersetzungen des Textes ins Französische, Arabische und Italienische.143 Die staatliche Zeitschrift Panorama wiederum konnte propagandistisch Dias Nogeira als Vertreter einer angeblich „konsequenten, sehr alten portugiesischen Ökumene“ herausstreichen.144 Der „portugiesische Islam“ war von politischen Debatten um die Rolle der Religion nicht mehr wegzudenken und schuf neue Konstellationen: Valy Mamede beteiligte sich als Präsident der islamischen Gemeinschaft Lissabons an einer Kampagne zur Wiedereinführung des Namen Gottes in die Verfassung, der bei der Verfassungsrevision 1959 gestrichen worden war.145 Auch General António de Spínola (1910–1996), Militärgouverneur von Guinea-Bissau und noch wenige Wochen vor der Nelkenrevolution aufgrund seiner Kritik an der Kolonialpolitik des Amtes enthoben, betonte in einem Interview 1971: „Weil die portugiesische Kultur relevante islamische Züge trägt, können wir 139
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Seitas gentílicas no Concelho de Marromeu vistas por uma brigada desta polícia. Relatório da Polícia Internacional de Defesa do Estado – Delegação de Moçambique, de 14 de Setembro de 1966, Exemplar n.º 559/66-GAB, fl. 50, zit. nach Machaqueiro: Islão transnacional e os fantasmas do colonialismo português, S. 75. Pedro: Islamismo e Catolicismo em Moçambique, S. 206. Ausführlich dazu: Machaqueiro: Estrategias, rivalidades e conflictos de poder identitário. Machaqueiro: Islão transnacional e os fantasmas do colonialismo português, S. 77. Eurico Dias Nogueira: Episódios da Minha Missão em África, Braga 1995, S. 34. Cardoso: Islamitas Portugueses, S. 52. Ausführlich dazu Vakil: Questões inacabadas, S. 289.
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4. Der Islam als koloniales Gegenüber
die islamische Religion nicht als Widerspruch zur Beständigkeit der Nation ansehen, ohne einen Teil unseres Erbes zu verleugnen.“146 Die Annäherung an die muslimische Bevölkerung konnte das Auseinanderfallen der Überseegebiete nicht verhindern, höchstens verzögern. Als wichtigster Machtfaktor des Estado Novo gegenüber den europäischen Nachbarn waren die Überseegebiete auch der Grund für seinen Zusammenbruch. Die Revolution vom 25. April 1974 war nicht das Werk der demokratischzivilen Opposition, sondern ein Aufstand des Militärs gegen die Kolonialkriege.147 Daher kann man die Diskurse des multireligiösen Kolonialreichs und der Freundschaft mit den „portugiesischen Muslimen“ auch als Abgesang auf den Estado Novo lesen.148 Inwiefern diese von der muslimischen Bevölkerung als Annäherung aufgefasst worden war, ist schwierig zu messen, da die staatlichen Publikationen stets pro-portugiesische Stimmen zitierten. Eine Anekdote um Bischof Dias Nogueira gibt ein Indiz dafür, dass es jenseits aller staatlichen Taktiken Zuneigung und Freundschaft gab: Als Dias Nogueira nach acht Jahren in Vila Cabral nach Angola versetzt werden sollte, schrieben die muslimischen Würdenträger seiner Diözese einen flehentlichen Bittbrief an den Papst, den Bischof nicht wegzuschicken. Falls dies aber unbedingt notwendig sei, möge der Papst doch bitte einen anderen Bischof schicken, der so sei wie Dias Nogueira. Dieser wurde freilich trotzdem versetzt. Aber Paul VI. befahl angeblich, diesen Brief sorgfältig in den Archiven zu verwahren: Zum ersten Mal in der Geschichte hätten Muslime den Papst um einen Bischof gebeten.149
4.3 Zusammenfassung Die Kolonialdiskurse in Spanien und Portugal waren in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit denen anderer europäischer Nationen. Die verhandelten Gegensätze von „Zivilisation“ und „Barbarei“, die Schilderung der Kolonialbevölkerung als „primitiv“, die Negierung des Wertes einer eingeborenen 146 147
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Zit. nach ebd., S. 287. Marques: Geschichte Portugals, S. 646; António Reis: Revolution und Demokratisierung, in: Fernando Rosas (Hrsg.): Vom Ständestaat zur Demokratie. Portugal im 20. Jahrhundert, München 1997, S. 89–106, S. 89. Die junge Republik spielte ebenfalls die Karte von „historischen Beziehungen“ mit dem Islam: Der zweite republikanische Präsident General Francisco da Gosta Gomes (1914– 2001) betonte anlässlich des Treffens der Arabischen Liga 1974 in Rabat: „Portugal hat in seiner jahrhundertelangen Geschichte von der arabischen Zivilisation ein wertvolles Erbe von Wissen und Erfahrungen aufgenommen und in der eigenen Kultur assimiliert. Das Blut seiner arabischen Brüder fließt in den Adern und in der Seele des portugiesischen Volkes.“ Zit. nach Kemnitz: Muslims as seen by the Portuguese press 1974–1999, S. 13. Vgl. die Dokumente bei Nogueira: Episódios da Minha Missão em África, S. 38–41.
4.3 Zusammenfassung
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Kultur und die sich selbst zugeschriebene patriarchalische Mission der „Erziehung“ waren konstante Topoi in der kulturellen Begründung der Kolonialpolitik europäischer Gesellschaften. Was die Diskurse der iberischen Staaten von ihren europäischen Nachbarn unterschied, war die Vorstellung, den kolonialen Gegner angeblich aus der eigenen Geschichte zu kennen. Die iberischen Staaten, in der Frühen Neuzeit die ersten erfolgreichen Kolonisatoren Europas, hatten diesen Vorsprung im 19. Jahrhundert eingebüßt und waren sich ihrer Inferiorität insbesondere dem englischen Empire gegenüber bewusst. Hier bot die mittelalterliche Vergangenheit die Möglichkeit für ein kulturelles Argument: Kein britischer, französischer oder deutscher Kolonialpolitiker hätte behaupten können oder wollen, Jahrhunderte zuvor wären bereits Inder, Westafrikaner oder Neuguineer auf dem Boden des Mutterlandes gewesen, und daraus eine historische Mission zur Zivilisierung abgeleitet. Iberische Kolonialpolitiker traten die Flucht nach vorn an und pflegten die Vorstellung, dass das islamische Gegenüber in den Kolonien aus der Geschichte zur Genüge bekannt sei. Die Erinnerung an die Muslime im Mittelalter, wie sie in Geschichtsschreibung, Wissenschaft und alltagsweltlicher Kultur wachgehalten wurde, beeinflusste die Wahrnehmung des Bauern in Marokko oder des Marabouts in Guinea, wie er den spanischen oder portugiesischen Kolonialpolitikern begegnete oder wie sie ihn sich in Madrid und Lissabon vorstellten. In dieser Hinsicht war die islamische Bevölkerung spanischer und portugiesischer Kolonien nicht nur Objekt des allgemeinen Zivilisationsdiskurses, sondern dieser erschien zusätzlich historisch legitimiert. Durch die Gleichsetzung historischer und aktueller moros und mouros und damit der islamisierten Berberstämme des 8. Jahrhunderts mit den nord-, west- oder ostafrikanischen Muslimen des frühen 20. Jahrhunderts wurde dem islamischen Gegenüber auch jegliches Entwicklungspotential abgesprochen, was den negativen Diskursen eine zusätzliche Facette gab. Abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten fallen zwischen Spanien und Portugal Unterschiede in der Gewichtung der muslimischen Bevölkerung für die Nation insgesamt auf. Da vom einstigen spanischen Weltreich 1898 gerade islamische Gebiete übrig blieben, wurde der Antagonismus aus dem Mittelalter in die Kolonien transportiert. Die kolonialen Gegensätze, insbesondere die negativen Konnotationen, wurden so zusätzlich von den historiographischen Diskursen der Feindschaft zwischen Christentum und Islam genährt. Der einstige Rivale im Kampf um Spanien galt nun auch als besonders widerspenstiger Gegner bei den kolonialen Ambitionen. Spanien schien auf Schritt und Tritt seinem alten Feind zu begegnen. Auch in Portugal war das Christentum zentral für die zivilisatorische Mission, und dies in einer Zeit, als die europäischen Nachbarn teilweise bzw. komplett ihre Kolonien verloren hatten.150 Die territoriale und kulturelle 150
Entsprechend schien Portugal ein Bollwerk des Christentums, vgl. die Erklärung der portugiesischen Bischöfe 1961: „In dieser Stunde, in der der Westen das eigene Gewis-
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4. Der Islam als koloniales Gegenüber
Vielfalt der Kolonien blieb Portugal länger erhalten. Eine Konzentration auf den kolonialen Islam fand deshalb zunächst nicht statt. Besondere Aufmerksamkeit richtete sich erst ab den 1940er-Jahren auf den Islam. Diskurse einer islamischen Gefahr in den Kolonien wie sie Frankreich oder Belgien hervorbrachten, entwickelten sich auch in Portugal.151 In diesen ragte der Islam aufgrund seines Potentials der Vernetzung mit anderen, auch außerafrikanischen Glaubensgenossen heraus. Die koloniale Gesetzgebung zeigte jedoch, dass diese Gefahr eher als politische denn als religiöse gesehen wurde. Im Unterschied zu Spanien, wo Kolonialrhetorik vielfach auf Dualismen wie Christentum-Islam aufbaute, ging es in Portugal eher um die Stilisierung einer einzigen Leitkultur, ohne deren Gegner zu betonen. Gleichzeitig kommt in den kolonialen Diskursen der Wechsel von einem negativ zu einem positiv besetzten Islambild deutlicher als in anderen Bereichen zum Vorschein. Das multifunktionale Feindbild Islam, auf das alle möglichen Gefahren für Religion und Staat projiziert werden konnten, wandelte sich zu einem taktischen Werkzeug gegen einen Machtverlust in den Kolonien. Dies trat in den Diktaturen am deutlichsten zutage: Der Franquismus entdeckte die „Brüder von der anderen Seite der Meerenge“ als Verbündete im Kampf gegen republikanischen Atheismus, während die gemeinsamen kulturellen Elemente als politisches Kohäsionsmittel gelten konnten. Der Estado Novo versuchte mit Beginn der Unabhängigkeitsbewegungen, die islamischen Führer und damit die Bevölkerung an sich zu binden, um Treue zu Lissabon zu stärken und den Unabhängigkeitsbewegungen den Boden unter den Füßen zu entziehen. Die Stilisierung einer portugiesischen Ökumene war gleichzeitig der Versuch, ausländischen Kritikern eines anachronistischen Herrschaftssystems entgegenzutreten und sich als Verwirklichung dessen zu präsentieren, was sich kirchenpolitisch erst durchzusetzen begann. Voraussetzung für alle Aneignungsprozesse war freilich, dass der Islam aufhörte, das mächtigste Feindbild zu sein. Diese Rolle gab er an den Kommunismus ab. Das vielschichtige Feindbild Islam wurde inhaltlich abgelöst, seine Funktion aber auf ein anderes übertragen.
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sen scheinbar verloren hat [. . . ], in der Geringschätzung christlicher Werte und dem Aufgeben ihrer Verteidigung, ist sich Portugal seiner evangelisierenden und zivilisierenden Mission bewusst.“ Zit. nach Alexandre: A África no imaginário político português, S. 49f. Die Artikel in den portugiesischen Missionszeitschriften über den Islam in Afrika nennen viele Verweise auf französischsprachige Literatur, die zu diesem Thema ebenfalls ergiebig ist, besonders im Zusammenhang mit dem Maghreb. Ein Beispiel für ein häufig verbreitetes Buch zum Thema: Hubert Deschamps: Les religions de l’Afrique Noire, Paris 1954, S. 93–96, der u. a. die Verbindung von „Heidentum“ und Islam in Afrika beschreibt.
5. Der Islam als nationale Lektion: Geschichtsvermittlung durch Instruktion und Inszenierung „Als sich die Sonne zum Meer hin senkte, den klaren Horizont erreichte, war die Stimme des Muezzins der Hauptmoschee zu hören, der ein letztes Mal von dort oben her rief, wohin er sich geflüchtet hatte. Allahu akbar. Ein Schauer überlief die Mauren bei dieser Anrufung Allahs, aber der Ruf hatte sein vorzeitiges Ende, ein Christensoldat, eifernder im Glauben oder in der Meinung, ihm fehle zur Beendigung des Krieges noch ein Toter, hastete das Minarett hinauf, und mit einem einzigen Schwertschlag enthauptete er den Alten, in dessen Augen mit verlöschendem Leben ein Licht aufblitzte.“ José Saramago: „Geschichte der Belagerung von Lissabon“(1989)1
Die in Geschichtsschreibung, Wissenschaft und Kolonialpolitik entworfenen Islambilder zirkulierten nicht nur innerhalb der Eliten. Der Islam sollte auch eine nationale Lektion für ein größeres Publikum sein, verbreitet mit Hilfe von Instruktionen und Inszenierungen. Das folgende Kapitel sucht die Frage zu beantworten, welche Darstellungen des Islam eine soziale Breite erreichten sollten und warum gerade diese. Als Beispiel für Instruktion gelten die in Schulbüchern vermittelten Darstellungen der islamischen Vergangenheit. Als Beispiel für Inszenierung, die ebenfalls mit Instruktion verbunden war, werden historische Jubiläumsfeiern untersucht. Hier macht die Chronologie einen zeitlich asymmetrischen Vergleich nötig: Zentrale Jubiläumsfeiern der sogenannten reconquista wie das Jubiläum von Las Navas de Tolosa (1912) und Covadonga (1918) fallen in Spanien in die Zeit der Monarchie, während die Gedenktage der Schlacht von Ourique (1940) und der Einnahme Lissabons von den Mauren (1947) Musterbeispiele für die salazaristische Festkultur sind. Zeitlich und in der Regierungsform damit vergleichbar ist die Feier des „Día de la Raza“ (Tag der Rasse), Gedenktag der „Entdeckung“ Amerikas und Fest der Virgen del Pilar in Saragossa.2 Im frühen Franquismus, insbesondere 1939, nahm dieser den Charakter einer Siegesfeier Francos nach dem gewonnenen Bürgerkrieg an.3 Der „Día de la 1 2 3
Zitiert nach der Ausgabe José Saramago: Geschichte der Belagerung von Lissabon. Üb. von Andreas Klotsch, Reinbek bei Hamburg 4. Aufl. 2005, S. 424f. Vgl. Herold-Schmidt: Die Feste der iberischen Diktaturen. Ebd., S. 310–314.
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5. Der Islam als nationale Lektion
Raza“ zelebrierte die Verbindung von Katholizismus und Nation, jedoch stand hier kein islamischer Gegner im Vordergrund. Für die öffentliche Feier eines Sieges der Nation über den Islam ist daher für Spanien und Portugal ein Vergleich nötig, der in Hinblick auf die jeweilige Regierungsform asymmetrisch ist, nichtsdestrotrotz aber Rückschlüsse über die publikumswirksame Inszenierung eines Sieges über den islamischen Gegner zulässt. Schulbücher und Jubiläumsfeiern mögen auf den ersten Blick als sehr unterschiedliche Quellengattungen wahrgenommen werden. Gemeinsam ist ihnen jedoch die didaktische Absicht, bestimmte Geschichtsbilder zu verbreiten. Diese Absicht machte es notwendig, Darstellungen des historischen Islam zu vereinfachen und zu stereotypisieren. Adressaten dieser Darstellungen waren im Fall der Schulbücher Kinder und Jugendliche, im Fall der Jubiläumsfeiern regionale, bürgerliche Eliten. Der Versuch, Verbreitungsmechanismen populärer Islamdarstellungen nachzuzeichnen, hat inhaltliche und methodische Grenzen: Der auf der Iberischen Halbinsel hohe Analphabetismus insbesondere im 19., im Fall Portugals auch im 20. Jahrhundert, schnitt die Masse der Bevölkerung von schriftlichen Zeugnissen ab. Das anvisierte Zielpublikum von Schulbüchern, aber auch von Festreden und -schriften der Jubiläen waren Angehörige der gebildeten Schichten. Es ging eher um eine Durchdringung eigener Kreise als um den Versuch schichtenübergreifender Beeinflussung, mehr um Vertiefung als um flächenmäßige Ausbreitung. Schließlich kann aus den Quellen nur erschlossen werden, mit welchen Botschaften und Intentionen inszeniert und instruiert wurde, nicht, inwieweit diese Bemühungen tatsächlich von Erfolg gekrönt waren. Die Ausführungen konzentrieren sich daher auf die Produktion der Islambilder, ansatzweise auf ihre Distribution und nicht auf die kaum messbare tatsächliche Rezeption.
5.1 Der Islam als Hauptdarsteller: Die „Mauren unserer Tage“ in Spanien 5.1.1 Schulbücher von der Restauration zum Franquismus In der institutionellen Entwicklung des spanischen Geschichtsunterrichts vom 19. Jahrhundert bis heute lassen sich mit Rafael Valls Montés vier Phasen unterscheiden: die Herausbildung eines disziplinären Erziehungskanons im größten Teil des 19. Jahrhunderts (1836–1880), die positivistische Neuformulierung und Umsetzung wichtiger liberaler Erziehungsforderungen in Restaurationszeit und Zweiter Republik (1880–1939), die katholisch-uniforme Phase vom Beginn des Franquismus hin zu einigen Aufweichungen an dessen Ende (1939–1970) und die bis in die Gegenwart reichende Zeit der Suche nach einem neuen Erziehungskanon von der Transición (1970–2006)
5.1 Die „Mauren unserer Tage“ in Spanien
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bis heute.4 Im größten Teil dieser langen Zeit bildete die Ley Moyano5 aus dem Jahr 1857, die einen Ausgleich zwischen kirchlichen und staatlichen Bildungs- und Erziehungsvorstellungen zu schaffen suchte, die wichtigste gesetzliche Grundlage. Die Verantwortung für Personal, Lehrpläne und Lehrbücher lag damit beim Ministerio de Fomento (Ministerium für Entwicklung). Gleichzeitig wurden private Bildungseinrichtungen anerkannt und der Kirche das Recht zugestanden, Inhalte des Unterrichts und der Lehrbücher mit zu überprüfen. Im Sinn der Liberalen entworfen, um mit Bildung die Entwicklung des Landes zu beschleunigen und Anschluss an die westeuropäischen Staaten zu finden, konnten die Ziele des Gesetzes wie obligatorischer Primarschulbesuch in mehreren Jahrzehnten nicht flächendeckend durchgesetzt werden. Dies lag unter anderem am ständigen Wechsel verschiedener Regierungsparteien, an mangelnder Umsetzung auf lokaler Ebene, der Unwilligkeit insbesondere armer Familien, Kinder zur Schule zu schicken, und am Misstrauen der Kirche gegenüber nichtkirchlichen Bildungseinrichtungen.6 Die Ley Moyano blieb als eines der langlebigsten Gesetze offiziell bis zur Verabschiedung der Ley General de Educación 1970 in Kraft. Im Zug der grundsätzlichen politischen Auseinandersetzungen zwischen Liberalismus und Konservatismus wurde die Schulbildung zu einem Objekt der ideologischen Diskussionen. Die Kirche versuchte, über die Gründung von Schulen gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Das private Schulwesen dominierten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verschiedene religiöse Orden.7 Die Progressisten wiederum versuchten, mit Bildung den Grundstein für eine moderne und demokratische Gesellschaft zu legen. Zu einem Symbol für liberale, laizistische Erziehung avancierte die Institución Libre de la Enseñanza (gegründet 1876), die sich die Unabhängigkeit von religiösen, politischen und philosophischen Dogmen auf die Fahne schrieb und deshalb heftigen Attacken der Kirche ausgesetzt war. Wenngleich sie in ihren besten Zeiten nur 200 bis 250 Schüler pro Jahr hatte, formten ihre Absolventen und Dozenten über fünfzig Jahre ein bedeutendes linksliberales, republikanisches und sozialistisches Netzwerk.8 Die jeweilige Ausrichtung der Schule bestimmte auch die Art und Weise, welcher historiographischen Tendenz (katholisch oder laizistisch, konservativ oder progressiv) die dort verwendeten Schulbücher folgten. Deren soziale Reichweite war im Spanien des 19. und frühen 20. Jahrhundert vor allem aus zwei Gründen geringer als in anderen westeuropäischen 4 5 6 7 8
Vgl. ausführlich Rafael Valls Montés: Historiografía escolar española: siglos XIX–XXI, Madrid 2007, S. 55–65. Benannt nach ihrem Autor, dem liberalen Politiker Claudio Moyano (1809–1890). Zur Ley Moyano und der Kritik daran Boyd: Historia patria, S. 4–9. Valls Montés: Historiografía escolar española, S. 106. Boyd: Historia patria, S. 35f.
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5. Der Islam als nationale Lektion
Staaten: Zum einen war die Analphabetenquote in der Restauration beträchtlich: 1887 lag sie bei durchschnittlich 65 Prozent, bis 1930 war sie nur um die Hälfte gesunken.9 Zum anderen gab es für die schmale Schicht, die Lesen und Schreiben lernen konnte, keine massenhafte Verbreitung einzelner Bücher. Die Schulbücher der ersten Verlage, die sich in Madrid und Barcelona ab 1880 auf Schulbücher spezialisierten, dürften eine Auflage zwischen 200 und 500 Exemplaren erreicht haben und nur einige davon in rund zehn Bildungseinrichtungen gleichzeitig eingesetzt worden sein.10 Erkenntnisse über Verbreitung, Marktanteil oder gar Auflagen einzelner Bücher sind bis heute nicht einfach zu ermitteln. Erschließbar sind diese dank bereits für das 19. Jahrhundert vorliegender Statistiken oder aus Bibliothekskatalogen ersichtlichen Auflagenzahlen.11 Diese Kriterien liegen der Auswahl der hier analysierten Geschichtsbücher zugrunde. Geschichte als Unterrichtsfach beschränkte sich im 19. Jahrhundert im Wesentlichen auf die Sekundarstufe, ab 1900 wurde es in alle Niveaus der voruniversitären Unterrichtsstufen eingeführt.12 Einige dieser Sekundarstufenbücher zeichnen sich durch ihre Langlebigkeit aus: Die Darstellungen zur spanischen Geschichte von Alejandro Gomez Ranera wurden 59, die von Manuel Ibo Alfaro 38 Jahre lang aufgelegt.13 Beide Autoren hatten ihre Karriere als Gymnasiallehrer begonnen und sich auf das Schreiben von Schulbüchern spezialisiert.14 Ihre Bücher überdauerten oft die eingangs erwähnten unterscheidbaren Phasen in der Erziehungslandschaft. Politische Umbrüche schlugen sich nicht sofort auf die Lehre nieder, woraus sich ableiten lässt, dass Schulbildung im 19. Jahrhundert noch kein Medium für eine schichtenübergreifende Nationalisierung in war. Hinzu kam, dass die ersten Generationen dieser Schulbücher auf junge Leser wenig anziehend und einprägsam gewirkt haben dürften. Bücher prominenter Schulbuchautoren von Joaquim Rubió y Ors oder Eduardo Orodea y Ibarra15 führten faktenlastige Beschreibungen 9
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Diese war in den südlichen, ländlichen Gebieten wie Murcia, dem Pais Valenciano und Andalusien am höchsten und bei Frauen höher als bei Männern. Die Zahlen bei Mercedes Vilanova Ribas/Xavier Moreno Juliá: Atlas de la evolución del analfabetismo en España de 1887 a 1981, Madrid 1992, S. 166 und 412. Valls Montés: Historiografía escolar española, S. 78. Vgl. die Statistiken zur Verbreitung von Schulbüchern im 19. Jahrhundert bei Ignacio Peiro: La difusión del libro de texto: autores y manuales de historia en los institutos del siglo XIX, in: Didáctica de las Ciencias Experimentales y Sociales 7/1993, S. 39–57 sowie bei Valls Montés: Historiografía escolar española, S. 109f. Valls Montés: Historiografía escolar española, S. 56. Alejandro Gómez Ranera: Compendio de la Historia de España desde su origen hasta el reinado de doña Isabel II y el año 1843, Madrid 3. Aufl. 1844; Manuel Ibo Alfaro: Compendio de la Historia de España, Madrid 1895. Peiro: La difusión del libro de texto, S. 44 u. 46. Orodea y Ibarra war vor allem von 1859–1874 mit 8,2 Prozent, Rubió y Ors vor allem zwischen 1875–1887 mit 5,6 Prozent vertreten. Valls Montés: Historiografía escolar española, S. 109f.
5.1 Die „Mauren unserer Tage“ in Spanien
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von Namen und Jahreszahlen auf, wenige oder keine Abbildungen ließen die Bücher als unattraktive Bleiwüsten erscheinen. Tendenziell neigten liberalrepublikanische Autoren wie Orodea y Ibarra eher dazu, den Arabern gewisse Qualitäten zuzusprechen, die jedoch, wie bereits in Modesto Lafuentes Darstellungen, verquickt waren mit negativen Bewertungen.16 Insgesamt bestätigten die Schulbücher des 19. Jahrhunderts eher einen Status quo und trugen weder aufgrund ihrer Reichweite noch aufgrund ihrer Anschaulichkeit dazu bei, eine starke Identifikation mit der Nation zu schaffen.17 Im Zug der zunehmenden politischen Zersplitterung um die Jahrhundertwende entdeckten katholische und liberal-republikanische Lager zusehends die Schulbildung als ein Mittel zur Durchsetzung ihrer gesellschaftlichen Vorstellungen. Die in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung erkennbaren unterschiedlichen Tendenzen schlugen sich auch in den Schulbüchern nieder. Waren in katholisch beeinflussten Schulen „Spanische Geschichte“ und „Heilige Geschichte“ („historia sagrada“) aufgrund des katholischen Einflusses eng miteinander verbunden, etwa durch die mythischen Erzählungen der Gründung Spaniens durch Noas Enkel Túbal und Tarsis,18 mussten sich die katholischen Narrative zunehmend der Konkurrenz mit solchen stellen, die liberale oder säkulare Bilder entwarfen. Traditionalistisch-katholische Autoren wie Merry y Colón einerseits und liberale wie Rafael Altamira andererseits verfassten nicht nur Geschichtsschreibung für Erwachsene, sondern auch für Schulen und Seminare.19 Während die von katholisch-integristischen Deutungen beeinflussten Schulbücher vor allem in kirchlichen Privatschulen verbreitet wurden und ihre Geschichtsbilder der katholischen Essenz Spaniens verbreiteten, waren liberale Deutungen in den öffentlichen Schulen durchaus einflussreich. Ein prominenter Vertreter dieser Strömung, Rafael Ballester y Castell (1872–1931), der aufgrund der Attraktivität seiner Darstellung ein breites Publikum erreichte, schwankte bei der Beurteilung der Araber zwischen ähnlichen Wertungen wie Lafuente über ein halbes Jahrhundert vor ihm: „Grausam, aber großzügig und gastfreundlich, Poesie und Redekunst zugewandt, Liebhaber der Freiheit, zeigt ihr Charakter eine einzigartige Mischung aus Barbarentum und Adel.“20 Spürbar ist hier der Einfluss der ambivalenten 16
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So wiesen nach Orodea y Ibarra die Araber „die gegensätzlichsten Eigenschaften auf, eine Mischung aus Begeisterung für Plünderung und von ritterlicher Großzügigkeit“. Eduardo Orodea y Ibarra: Curso de lecciones de Historia de España ó estudio crítico-filosófico de todas las épocas más notables de nuestra historia nacional desde los más remotos tiempos hasta el presente siglo..., Ávila 9. Aufl. 1886, S. 145. Boyd: Historia patria, S. 88–91. Zu diesem Verhältnis Pilar Maestro González: La idea de España en la historiografia escolar del siglo XIX, in: Morales Moya/Esteban de Vega (Hrsg.): ¿Alma de España?, S. 141– 194, S. 160. Zu Merry y Colón und Altamira vgl. Kap. 2.1. Rafael Ballester: Curso de Historia de España, Gerona 1917, S. 61.
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5. Der Islam als nationale Lektion
Haltung Lafuentes,21 dessen Werk für die Schulbuchautoren eine wichtige Referenz war, ebenso wie die islamfeindliche Position des Padre Mariana.22 Diese ambivalente Haltung gegenüber den Arabern fand sich auch bei anderen Autoren.23 Ballesters explizites Lob gegenüber dem wirtschaftlich und kulturell blühenden Kalifat, „einem der wohlhabendsten und bevölkerungsreichsten Länder Europas“24 gewann angesichts der europäischen Marginalisierung Spaniens in der Endphase der Restauration an besonderem Gewicht. Gleichzeitig war, wie in der Geschichtsschreibung, die Haltung von politisch liberalen oder in der Erziehung neuen Methoden aufgeschlossenen Autoren nicht automatisch islam- oder maurenfreundlich. Pedro Aguado Bleye (1884–1954), ein einflussreicher Schulbuchautor aus Bilbao, betrachtete die Vertreibung der moriscos 1609 als eine gerechte Strafe, im Gegensatz zu Altamira oder Ballester, die diese als Ergebnis des religiösen Fanatismus der damaligen Zeit ansahen. In dieser Hinsicht ähnelten Aguado Bleyes Deutungen denen katholischer Traditionalisten.25 So hatten vor dem Bürgerkrieg integristisch-katholische und liberal-progressistische Deutungen trotz unterschiedlicher Auffassung der islamischen Vergangenheit einige Gemeinsamkeiten: die zentralistische Ausrichtung auf Kastilien und die kastilische Sprache, die Überzeugung, es existiere eine kollektive spanische Seele (alma) und die katholische Dimension des religiösen Charakters.26 Die Republik war zu kurzlebig, um laizistische Geschichtsbilder in den Schulbüchern zu verankern, so dass die Religion eine der stärksten Konstanten in der spanischen Schulbuchlandschaft bis zum Franquismus war. Sowohl die inhaltliche Heterogenität der Darstellungen als auch die beschränkte Reichweite der einzelnen Schulbücher endeten mit dem Franquismus in den 1940er Jahren. Bestrebt, die vorherigen liberalen Geschichtsentwürfe zu beseitigen, institutionalisierte das Regime eine vorher nie dagewesene staatliche Kontrolle von Personal, Unterrichtsmaterial und den entsprechenden Geschichtsbildern: Nach 1939 wurden Schritt für Schritt missliebige Lehrer ersetzt durch solche, die die franquistischen Ideologi21 22 23
24 25
26
Zu Lafuente vgl. Kap. 2. Maestro González: La idea de España, S. 177. Beispielsweise der katalonische Lehrer und Schulbuchautor Juan Bosch Cusi (1866– 1939), dessen Bücher in vielen Auflagen in der Zeit der Zweiten Republik und bis in den Franquismus hinein aufgelegt wurden: „Der Araber ist träge und melancholisch, aber hat eine beeindruckende und hitzige Vorstellungskraft, bald demütigt ihn das kleinste Ärgernis, bald unternimmt er die schwierigsten Vorhaben mit Entschlossenheit und Mut.“ Juan Bosch Cusi: Historia de España. Grado medio. Libro del alumno, Gerona 1930, S. 39. Ballester: Curso de Historia de España, S. 72. Zu Bleye vgl. David Parra Monserrat: Islam e identidad en la escuela franquista. Imágenes y tópicos a través de los manuales, in: Didáctica de las Ciencias Experimentales y Sociales 21/2007, S. 15–32, S. 22f. Ramón Lopez Facal: La Historia enseñada en España, in: Taibo (Hrsg.): Nacionalismo español, S. 329–350, S. 337f.
5.1 Die „Mauren unserer Tage“ in Spanien
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en vertraten. Dies ging einher mit einer Stärkung der katholischen Kirche als Säule des Systems: Schulbücher mussten nicht nur vom Erziehungsministerium genehmigt werden, sondern auch das nihil obstat der kirchlichen Autoritäten bekommen. Ältere Bücher, die diese Bedingungen nicht erfüllten, verschwanden aus den Schulbibliotheken.27 Geschichtsentwürfe, die eine Identität von Spanien und Katholizismus proklamierten, mussten die franquistischen Schulbuchautoren nicht neu erfinden. Diese standen dank katholischer Autoren des 19. Jahrhunderts bereit. Allerdings kollidierten deren Verurteilungen des historischen islamischen Gegners mit dem Bruderschaftsdiskurs der Franquisten gegenüber den Marokkanern. War dieser vor dem Bürgerkrieg auf die in Afrika stationierten Militärs begrenzt gewesen, wurde er durch den Sieg der Aufständischen in der offiziellen Kolonialpolitik fortgesetzt, um die Ansprüche auf Marokko zu demonstrieren.28 Diese Anpassung gegenüber dem Islam wurde noch während des Bürgerkriegs 1938 in zwei Schulbüchern für Primar- und Sekundarstufe (primer grado und segundo grado) vorgenommen. Autor des segundo grado war einer der wichtigsten franquistischen Ideologen, José María Pemán (1898–1981), der im Aufbau des Buchs ein teleologisches Geschichtskonzept vorführte. Die Vergangenheit steigerte sich wie ein Crescendo gemäß dem franquistischen Motto: „España una“ („einiges Spanien“) von der Frühgeschichte zu den katholischen Königen, „España grande“ („großes Spanien“) vom Fall Granadas bis zum letzten Habsburger Karl II., „España libre“ („freies Spanien“) vom ersten Bourbonen Philipp V. bis Alfons XIII., um im Kapitel „Arriba España“ mit der Beschreibung des franquistischen „alzamiento“ („Erhebung“) zu enden. Damit erschienen alle bedeutenden Ereignisse spanischer Geschichte als Präfiguration des Franquismus. Dies galt auch für das Mittelalter: Die muslimischen Söldnerdienste des Cid, die katholischkonservative Autoren bei dessen Stilisierung zum christlichen Helden gern verschwiegen hatten, führte Pemán breit aus. Er deutete sie nicht nur als Bindeglied zwischen Christen und Muslimen, sondern auch als Vorbild Francos. Hinter der scheinbaren Maurenfreundlichkeit des Buchs schien der Zynismus des hierarchischen, paternalistischen Charakters des angeblichen Bruderschaftsdiskurses umso deutlicher auf: „Der Cid war der erste Anführer der regulares [der marokkanischen Söldner]. Sein Umgang mit den Mauren, seine Kenntnisse ihrer Sprache und sein Respekt vor ihren Bräuchen ähnelt dem eines Franco oder Varela,29 die heute für die Mauren zu regelrechten Heiligen werden, die sie lieben und für die sie sich mit Freude umbringen lassen.“30
27 28 29 30
Valls Montés: Historiografía escolar española, S. 92. Vgl. Kap 4. General José Enrique Varela (1891–1951) war einer der Putschisten im Juli 1936. 1945 wurde er zum Hochkommissar für Marokko ernannt. Instituto de España [José María Pemán]: Manual de Historia de España. Segundo grado, Santander 1939, S. 80.
152
5. Der Islam als nationale Lektion
Das Instituto de España versuchte, die Narrative des Bruderschaftsdiskurses31 auch in die Schulen zu tragen und sie als Einheitslehrbücher einzuführen, was jedoch am Widerstand der katholischen Kirche und der Schulbuchverlage scheiterte. Daher wurden sie später zwar in anderen Verlagen weiter aufgelegt,32 konnten sich aber nicht in der Schulbuchlandschaft des Franquismus behaupten. Da nun Geschichte fester Bestandteil des Primarunterrichts war, kam dieser Stufe eine wichtige Rolle bei der frühen Durchsetzung monolithischer Geschichtsbilder in der Diktatur zu. Zu wahren Klassikern avancierten die Bücher von Agustín Serrano de Haro (1898–1982). Der Inspektor für Grundschulerziehung in Jaén prägte mit seinen zahlreichen Lehrbüchern für Geschichts- und Religionsunterricht in der Primarstufe eine ganze Schülergeneration. Seine Werke „Yo soy español“ (Ich bin Spanier) und „España es así“ (So ist Spanien) erreichten von den 1940er bis in die 1960er Jahre rund 25 Auflagen. In ihnen vereinten sich antimuslimische und antisemitische Motive wie die jüdisch-muslimischen Verschwörung als Voraussetzung für 71133 mit dem Lob der kulturellen Leistungen, zu denen die Muslime „dank unserer Umgebung, unserer Sonne und unseres Bodens“ befähigt wurden.34 Die vereinfachende Darstellung für Kinder versammelte wie in einem Prisma auf engstem Raum nahezu alle Strömungen der Historiographie bis zu diesem Zeitpunkt. Serrano de Haro verflocht Abwertungen der Religion und Aneignungen der Zivilisation aufs engste miteinander. Antiislamische Wertungen gingen mit Bewunderung kultureller Leistungen einher, die Stimmung schwankte teilweise von Satz zu Satz: „Die Mauren mochten weder Unseren Herrn Jesus Christus noch die Muttergottes. Die Mauren glaubten an einen Mann, der Mohammed hieß. Mohammed sagte: ,Tötet eure Feinde, wo immer ihr sie trefft.’ Die Kirchen der Mauren heißen Moscheen. Die beste Moschee, die die Mauren bauten, ist die von Cordoba, die tausend Säulen hat. Die Paläste der Maurenkönige hatten innen Brunnen, Gärten und einige schöne Säle mit vielen bunten Verzierungen. Der schönste Palast, den die Mauren bauten, ist die Alhambra von Granada. Die Mauren hatten viele Frauen. Der Ort, wo die Frauen waren, hieß Harem. Manche Mauren badeten sehr gerne. Und sie spielten Gitarre und sangen Lieder, ähnlich wie die in den Dörfern Andalusiens. Die maurischen Kinder gingen in die Schulen, die in den Moscheen waren, und schrieben mit Rohrfedern auf Holztafeln. Und sie mussten einige sehr sehr sehr lange Bücher auswendig lernen.“35
Der letzte Satz zeigt, dass Serrano de Haro mit für Kinder sehr einsichtigen Beeinflussungsstrategien arbeitete, um sie vom Glück, Christen zu sein, 31
32 33 34 35
Vgl. auch Pemáns Rechtfertigung der „befreundeten Mauren“ mit entsprechendem Rückgriff auf das Mittelalter: José María Pemán: Los moros amigos, in: ders.: Obras completas, Madrid 1947ff., Bd. 5: Doctrina y Oratoria, S. 486–489. Valls Montés: Historiografía escolar española, S. 91. Agustín Serrano de Haro: Yo soy español. El libro de primer grado de Historia, Madrid 1943, S. 36. Agustín Serrano de Haro: España es así, Madrid 1960, S. 82. Serrano de Haro: Yo soy español, S. 40–42.
5.1 Die „Mauren unserer Tage“ in Spanien
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zu überzeugen. Noch deutlicher wurde die erzieherische Absicht in seinen suggestiven Fragen für die Diskussion in der Klasse, in denen der Islam den Kindern als wenig attraktive Religion erscheinen musste: „Welche Familien sind wohl glücklicher, die der Mauren oder die der Christen? Würdest du dich zu Hause wohl fühlen, wenn es da viele Frauen gäbe, die wie deine Mutter herumkommandieren würden?“36 Die Schilderungen der moros bei Serrano de Haro beschränkten sich jedoch auf die Vergangenheit. Aktuelle moros aus Nordafrika oder gar ein Bruderschaftsdiskurs wurden nicht erwähnt. Vielmehr übernahm Serrano de Haro Elemente des Topos des „spanischen Islam“, in dem die gerade in Serrano de Haros Heimat Andalusien unübersehbaren kulturellen Leistungen pauschal „spanischen Muslimen“ zugeschlagen wurden. In den Abbildungen waren christliche Helden nicht nur häufiger vertreten, sondern zum Teil auch charakteristischer gezeichnet: Mohammed und Abd-ar-Rahman III. waren durch wallende, flächig gezeichnete Kleidung charakterisiert, während Darstellungen Santiagos, Pelayos oder den christlichen Königen durch Details in den Rüstungen und Helmen zum Teil etwas dichter und genauer wirkten. Ähnliche Wertungen zeigten sich in anderen Textsorten wie in „El libro de España“ (Das Buch Spaniens), mehr Lese- als Geschichtsbuch, das bis Ende der 1950er Jahre immer wieder aufgelegt wurde.37 Es schilderte wie ein kleiner Roman die Reise zweier Brüder in Begleitung ihres Onkels durch Spanien, womit dem jugendlichen Leser die Schönheit und Geschichte des Landes mit vielen Illustrationen vor Augen geführt werden sollte. Während das franquistische Wappen auf dem Titelbild plakativ die Ausrichtung des Buchs demonstrierte, setzten sich Werturteile subtil bis in harmlos scheinende Dialoge fort: Es ist kein Zufall, dass der ältere, vernünftige Bruder Antonio die Kathedrale von Toledo, Sitz des Primas von Spanien und damit Symbol des spanischen Katholizismus, als schönstes Bauwerk Spaniens bezeichnet, während der jüngere verspielte Gonzalo von der Moschee in Córdoba begeistert ist: „,Ich war völlig fasziniert von diesem Pavillon, der wie eine ganz feine Seidenstickerei aussieht. Es war ein Vergnügen, diese Filigrane, diese Bögen, diese Zeichnungen und Farben zu sehen. [. . . ] Diese Moschee ist eine meiner schönsten Erinnerungen. ‘ ,Das hast du gut gesagt‘, erwiderte Antonio, ,aber Toledo ist tiefgründiger. ‘ ,Toledo‘, fügte Don Gabriel hinzu, ,hat ebenfalls viel Maurisches, auch wenn es nur seine engen, verwinkelten Gassen und die wunderschöne Kapelle Cristo de la Luz sind. Jedoch sind die großen historischen Kunstwerke Toledos christlich.‘ ,Auch wenn ich damit Gonzalo widerspreche‘, bekräftigte Antonio, ,erfüllt mich die Ka36 37
Ebd., S. 42. 2007 druckten die Verlage RBA und Altaya das Libro de España unverändert, d. h. mit franquistischem Wappen auf der Titelseite und ohne einführenden Kommentar erneut nach. Während Altaya zumindest vermerkte, dass es sich um das Reprint der Ausgabe des Verlags Luís Vives von 1958 handelte, konnte bei RBA darauf nur durch die auf der letzten Seite versteckten ISBN-Nummer und den Vermerk „Alle Rechte vorbehalten“ (deposito legal) geschlossen werden. Wahrscheinlich entstanden die Reprints im Rahmen einer Kampagne zur Erinnerung an alte Schulbücher, die an Kiosken verkauft wurden.
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5. Der Islam als nationale Lektion
thedrale von Toledo mehr als diese Moschee in Córdoba. [. . . ] Vor allem hat mich die Großartigkeit der Kirchenschiffe, Türme, Portale, Rosetten und der Reichtum der Gemälde und Skulpturen fasziniert. [. . . ] Und dann diese unzähligen Kapellen mit Gittern, Bildern und Statuen, mit denen wir die ganze Geschichte spanischer Kunst in zwei der größten Jahrhunderte, dem 15. und dem 16. verfolgen können.‘“38
Die Hierarchisierung zeigte sich nicht nur in der Zuordnung von Bauwerken zum Alter der Kinder und in der Betonung der „größten Jahrhunderte“ Spaniens, die der größten kolonialen und katholischen Machtausbreitung. Sie setzte sich in den entsprechenden Attributen fort: Tiefgründigkeit, Ernsthaftigkeit und Größe einerseits, Dekorativität, Sinnlichkeit und Leichtigkeit andererseits hatten bereits die Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts in ihren Debatten über eine nationale Architektur den jeweiligen Religionen zugeschrieben.39 Dass diese Wertungen durch die Hintertür eines Kinderbuchs einhundert Jahre später ein ganz anderes Publikum erreichten, zeugt von der Langlebigkeit dieser Zuschreibungen. Die Schulbuchautoren des Franquismus entwarfen keine neuen Geschichtsbilder, sondern setzten Puzzleteile vorhandener Bilder neu zusammen. Während der Islam in seiner religiösen Dimension klar unter dem Katholizismus rangierte, wurde das muslimische Kulturerbe hispanisiert und zu einem weiteren Ruhmesblatt spanischer Geschichte stilisiert. Die scheinbar maurenfreundlichen, de facto paternalistischen Diskurse, die bis zur Unabhängigkeit Marokkos 1956 in den Kolonialdiskursen zu finden waren, fanden dagegen keinen Eingang in die franquistischen Schulbücher.40 Damit blieb die Wende des kolonialen Islambildes im und nach dem Bürgerkrieg auf Rhetorik in Diplomatie und Militär beschränkt. Die Gründe dafür sind im Verhältnis von Staat, Kirche und Kolonien zu finden. Zum einen gab es zwar viele Ähnlichkeiten zwischen katholischen und falangistischen Geschichtsbildern und Bildungszielen, gleichzeitig waren die katholische Rechte und die Falange Rivalen in der Kontrolle über das Erziehungssystem.41 Eine zu große Betonung falangistischer Interpretationen im Unterricht hätte die Unterstützung des Regimes durch die katholische Kirche gefährden können. Zum anderen war der Bruderschaftsdiskurs ein taktisches Mittel zum Aufbau von Herrschaft, kein vorkonziliärer ökumenischer Toleranzdiskurs. Das Interesse an den marokkanischen Muslimen war an politische Zwecke gebunden, aber bedeutete kein gesellschaftliches Umdenken auf breiter Basis. Nach dem Nebeneinander traditioneller und liberaler Islambilder im frühen 20. Jahrhundert zementierte der Franquismus das Bild einer klar katholischen Nation, verschönert um die kulturelle Leistung einiger Spa-
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El libro de España, Saragossa 1944, S. 300. Vgl. Kap. 3. Vgl. die ausführliche Analyse von Parra Monserrat: Islam e identidad, S. 15–32. Boyd: Historia patria, S. 236f.
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nier muslimischen Glaubens. Ein Wechsel dieser Bilder setzte erst allmählich nach dem Ende des Franquismus ein.42 5.1.2 Jubiläumsfeiern in der Restauration (1912–1918) Jubiläumsfeiern erlangten insbesondere in den letzten Jahren der Restauration, von 1898–1923, große Bedeutung, weil sie in einer durch politische und gesellschaftliche Zerrissenheit geprägten Zeit Angebote zur Identitätsstiftung machen konnten. Die Deutungen El Grecos,43 des Don Quijote,44 der Schlacht von Covadonga45 und von Las Navas de Tolosa46 anlässlich der jeweiligen Jubiläen verdichteten die grundsätzlichen Diskussionen über das ser de España, die in der Geschichtsschreibung geführt wurden. Im Unterschied zu dieser verblieben die Deutungen von Jubiläen nicht zwischen Buchdeckeln oder innerhalb von Gelehrtendiskussionen. Sie bestimmten auch die Art und Weise der Gestaltung der Feste. Diese wurden zum Teil Jahre zuvor geplant, die Feiern selbst erstreckten sich meist über mehrere Tage. Zwei bedeutende Jubiläen mittelalterlicher Schlachten fielen in diese Endphase der Restauration. Im Jahr 1912 wurde das siebenhundertste Jubiläum der Schlacht von Las Navas de Tolosa begangen, in der eine Allianz der Königreiche Kastilien, Aragón, Navarra und Portugal die Almohaden geschlagen und aufgrund der strategischen Bedeutung des Ortes den Weg ins Zentrum der Halbinsel dauerhaft versperrt hatte. 1918 galt als 1300. Jahrestag der mythischen Schlacht von Covadonga,47 in der der asturische Fürst Pelayo die gen Norden vorrückenden muslimischen Truppen besiegt hatte: ein militärisch wohl eher unbedeutendes Ereignis, das mit Hilfe der Jubiläumsfeier zum Beginn einer angeblichen reconquista stilisiert wurde. Zusätzlich zu diesen punktuellen Jubiläen waren die jährlichen ofrendas (Spenden) des Königs an den heiligen Santiago von Bedeutung, eine von Philipp IV. im Jahr 1643 eingeführte Tradition. Die Mythisierung des Apostels Jakobus/Santiago seit dem Mittelalter war ein komplexes Gewebe aus religiösen Überzeugungen, Legenden, nachweisbaren mittelalterlichen Fälschungen und politischen Absichten.48 Ikonographisch koexistierten drei Darstellungsformen Santiagos: der Apostel, der Pilger und der kriegerische 42 43 44 45 46
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Vgl. zu den neuesten Schulbüchern mit historischem Rückblick Valls Montés: La imagen del islam. Storm: Las conmemoraciones de héroes nacionales. Storm: El tercer centenario del Don Quijote. Boyd: The Second Battle of Covadonga; dies.: Covadonga y el regionalismo asturiano. Patricia Hertel: Reconquista reenacted. National myths in the Spanish Restoration (1898– 1918), in: Franziska Metzger (Hrsg.): Trans-national perspectives on nationalism – methodological approaches and case studies, Berlin 2012 (in Vorbereitung). Die Schlacht wurde damals auf 718 datiert, tatsächlich hat sie möglicherweise einige Jahre später stattgefunden. Boyd: The Second Battle of Covadonga, S. 59, Anm. 1. Aus der Fülle der Literatur seien genannt: Ofelia Rey Castelao: Los mitos del apóstol San-
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matamoros (Maurentöter).49 Letzterer war seit der Herrschaft von Ferdinand von Aragón und Isabella von Kastilien wichtigster Mythos des Abwehrkampfs gegen den Islam. Er erreichte die Zeit höchster Ausbreitung also nicht in dem real existierenden Konflikt mit islamischen Herrschern im Hochmittelalter, sondern zu einer Zeit, als die moros keine äußere Gefährdung des Landes mehr darstellten. Der Mythos des matamoros war anschlussfähig für eine inquisitioriale Prägung und wurde in den amerikanischen Kolonien als mataindios (Indianertöter) fortgeschrieben.50 Als Sujet der Malerei war er im 18. und 19. Jahrhundert nur noch marginal von Interesse. Als Symbol religiöser Einheit löste Recaredo, als christlicher Kämpfer Pelayo Santiago Matamoros ab.51 Doch die mythologischen Bilder, die Santiago Matamoros verkörperte, ein katholisches Spanien im Kampf gegen Feinde des Glaubens, hatten keineswegs ausgedient. Vielmehr übersetzten sich Inhalte des Mythos in neue, regional bezogene Bilder. Diese zeigten sich an den Jubiläen von Las Navas de Tolosa und Covadonga. Las Navas de Tolosa wurde in der andalusischen Kleinstadt La Carolina in der Nähe des damaligen Schlachtfeldes sowie in der Provinzhauptstadt Jaén begangen. Von deutlich größerer Reichweite waren jedoch die Feiern in Pamplona, der Hauptstadt Navarras. Hier war die Schlacht nicht nur wie in Jaén ein punktuelles, historisches Jubiläum, sondern eine Art Gründungsfest für Navarra, das den Schlachtenheld König Sancho VII. „el fuerte“ (den Starken) in den Mittelpunkt stellte: Seine legendären Siegestrophäen waren zum Symbol der Region geworden: Angeblich hatte der König die Ketten, die das Zelt des Almohadenherrschers Mohammed al-Nasir umgeben hatten, erbeutet und diese daraufhin in sein Wappen aufgenommen. Dieses Wappen des Königs avancierte im Lauf der Jahrhunderte zum Symbol Navarras. Im Jahr 1910, zwei Jahre vor dem Jubiläum, hatte die Provinzregierung Navarras (diputación foral) einen entsprechenden Entwurf – goldene Ketten auf rotem Grund unter einer Krone –als offizielles Wappen angenommen. Die heutige Forschung hat erwiesen, dass diese Legende auf einer Verwechslung beruhte und die Ketten nicht zur Zeit der Schlacht in das Wappen des Königs aufgenommen worden waren.52 Im Jahr 1912 jedoch lieferte der Mythos von Las Navas de Tolosa
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tiago, Vigo 2006; Klaus Herbers: Der Apostel Jakobus. Vom spanischen zum europäischen Mythos, in: Inge Milfull/Michael Neumann (Hrsg.): Mythen Europas. Schlüsselfiguren der Imagination. Mittelalter, Regensburg 2004, S. 48–66; Francisco Márquez Villanueva: Santiago. Trayectoria de un mito, Barcelona 2004; Raphaela Averkorn: Der JakobusMythos. Die Entwicklung eines Mythos vom Mittelalter bis zur Gegenwart, in: Ulrich Müller/Werner Wunderlich (Hrsg.): Herrscher, Helden, Heilige, St. Gallen 2. Aufl. 2001, S. 252–541. Averkorn: Der Jakobus-Mythos, S. 531. Márquez Villanueva: Santiago, S. 192. Nicolas Ciezar: Santiago Matamoros. Historia y imagen, Málaga 2004, S. 197. María Dolores Rosado Llamas/Manuel Gabriel López Payer: La Batalla de Las Navas de Tolosa, Madrid 2002, S. 160f.
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Anlass zu einem Fest, das den heldenhaften König als Gründungsvater, das neue Wappen als Identität stiftendes Symbol und die historische Größe des ehemaligen Königreichs feierte. Covadonga wiederum symbolisierte ein royales und religiöses Asturien. Ein bescheidenes lokales Heiligtum, das Alfons I. aus Dank für den Sieg Pelayos, der Legende nach errungen durch das Eingreifen der Jungfrau Maria, errichtet haben soll, existierte möglicherweise seit dem 8. Jahrhundert.53 1872 hatte der Bischof von Oviedo Benito Sanz y Forés diesen Ort als Anlass für eine Rückbesinnung auf die christliche Tradition entdeckt und begonnen, aus einem geographisch abgelegenen und außerhalb der Region vergessenen Heiligtum ein Symbol für die „Wiege der reconquista“ zu machen.54 Mit dem Ausbau von Straßen, Infrastrukturen für Pilger und dem Bau einer neuen Basilika setzten seine Nachfolger diesen Prozess fort, der in der Jubiläumsfeier kulminierte. Beide Schlachten waren lang vor dem Jubiläen als zentrale Ereignisse innerhalb des reconquista-Mythos bekannt und eingeführt: durch die Geschichtsschreibung, aber auch als Gegenstand triumphalistischer Historienmalerei: Seit 1879 hing im spanischen Senat das Bild „Batalla de las Navas de Tolosa“ (Schlacht von Las Navas de Tolosa, 1864) von Francisco de Paula van Halen:55 Im Schlachtgetümmel stechen insbesondere die glänzenden Rüstungen und weißen Gewänder der christlichen Ritter ins Auge, während die Mauren, erkennbar an ihren bunten Turbanen und Kleidern, im wahrsten Sinn des Wortes dazwischen untergehen. Noch dualistischer ist die Bildsprache im Gemälde „El triunfo de la Santa Cruz en la batalla de las Navas de Tolosa“ (Der Triumph des Heiligen Kreuzes in der Schlacht von Las Navas de Tolosa, 1892) von Marceliano Santa María (Abb. 10), das bei der Weltausstellung 1893 in Chicago zu sehen war. Es zeigt den kastilischen Ritter Alvar Núñez de Lara beim Durchbrechen der maurischen Reihen.56 Die Mauren, dargestellt als eine dunkle, amorphe Masse halbnackter Schwarzafrikaner, ducken sich unter den Hufen des weißen Pferdes, auf dem der weiß gekleidete Ritter das Banner mit dem Kreuz des Ordens des Heiligen Santiago in die Höhe reckt. Farbmetaphorik und Körpersprache zeichnen einen klaren Dualismus von kultureller sowie religiöser Über- respektive Unterlegenheit. Typische Elemente für die Darstellung Covadongas waren Pelayo mit einem Kreuz, das er den Feinden entgegen reckt, sowie die taumelnden, zwischen den Felsen stürzenden oder
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Vgl. den Überblick bei Francisco Crabiffosse Cuesta: Evocación y memoria del Santuario de Covadonga, in: Covadonga – iconografía de una devoción: exposición conmemorativa del centenario de la dedicación de la Basílica de Covadonga (1901–2001), Oviedo 2001, S. 95–107. Boyd: The Second Battle of Covadonga, S. 45. Reyero: Imagen histórica, S. 122. Ebd., S. 124f.
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Abbildung 10: Marceliano Santa Maria: „El triunfo de la Santa Cruz en la batalla de las Navas de Tolosa“ (Der Triumph des Heiligen Kreuzes in der Schlacht von Las Navas de Tolosa), 1892. Die Schlacht von Las Navas de Tolosa war zusammen mit der Übergabe von Granada oder der Schlacht von Covadonga ein bevorzugtes Sujet der Historienmalerei, um die mythisierten Siege über den Islam darzustellen. In diesem Bild geschah dies im wörtlichen Sinn als SchwarzWeiß-Malerei. Museo Marceliano Santa María, Burgos. © akg-images/Album/Oronoz.
vom Fluss mitgerissenen hilflosen Mauren.57 Ihre physische Schwäche symbolisierte damit auch die Schwäche ihrer Religion. Die Ikonographie anlässlich der Jubiläen selbst demonstrierte unterschiedliche Auffassungen des Islam als religiöser oder eher politischer Gegner, die freilich kaum voneinander zu trennen waren und meist Hand in Hand gingen. In Jaén beauftragte der Senatsabgeordnete José del Prado Palácio, Mitglied des Partido Liberal-Conservador, im Namen der Regierung den Bildhauer Jacinto Higueras mit einem Denkmal zur Erinnerung an die beiden bedeutenden Schlachten der Provinz: Las Navas de Tolosa gegen die Mauren und Bailén gegen die Franzosen 1808. Hier dominierten antike Elemente: Higueras entwarf eine hohe Steinsäule, flankiert von allegorischen Darstellungen der Kämpfer beider Schlachten, überragt von der Siegesgöttin Victoria. Die In57
Zum Beispiel in den Gemälden von Luis de Madrazo: Don Pelayo en Covadonga (1856), abgedruckt in: Reyero: Imagen histórica de España, S. 68; Francisco de Paula van Halen: Alzamiento de Pelayo (1852) abgedruckt in: Covadonga – iconografía de una devoción, S. 181; Antonio Roca: Defensa de Covadonga (1872), abgedruckt ebd., S. 183.
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schrift des Dichters Bernardo López zum Dos de Mayo58 rückte den Aspekt des nationalen Abwehr- und Unabhängigkeitskampfes in den Vordergrund. Eine Mischung zwischen antiken und religiösen Elementen fand sich im heute nicht mehr vorhandenen Monument in La Carolina. Der schlichte Monolith wurde von den legendären muslimischen Eisenketten gekrönt. Eine Bronzeplakette mit dem Zitat, das aus der Legende um die Schlacht an der Milvischen Brücke entnommen war, „In hoc signo vinces“, bezog sich auf die christliche Prägung der Schlacht.59 Für den Wallfahrtsort Covadonga war die religiöse Dimension ungleich bedeutender: Pelayo, das Kreuz und die Jungfrau Maria waren zentrale Bestandteile der Covadonga-Ikonographie. Die muslimischen Gegner wurden stets in ihrer Wehrlosigkeit und Unterlegenheit dargestellt wie auf der Jubiläumsschrift von 1917: Pelayo zertritt einen Mauren zu seinen Füßen, eine Darstellung, die sowohl ikonographisch die Tradition des Santiago Matamoros als auch die der Jungfrau Maria mit der den Teufel symbolisierenden Schlange aufruft (Abb. 11).60 Neben den ikonographischen Darstellungen, die prinzipiell breitere Schichten erreichen konnten, wurden Islamvorstellungen in Reden, Predigten und Vorträgen einem begrenzterem Publikum vermittelt. Ein Anliegen des Klerus war es, vor allem die eigenen Anhänger zu mobilisieren und zum Zusammenhalt zu beschwören. Anlässlich einer semana social (Sozialen Woche61 ) parallel zum Jubiläum von Las Navas verglich der Bischof von Jaca Antolín López Peláez (1866–1918) den historischen Kampf gegen den Islam mit dem aktuellen Kampf gegen den Sozialismus und rief seine Glaubensbrüder zum Kampf gegen die „neuen Mauren“ auf: „Ebenso wie die Anführer des Sozialismus heuerte Mohammed seine Anhänger an, indem er eine Lehre predigte, die der Sinnlichkeit huldigte, die allen Leidenschaften freien Lauf ließ, und die in allen Gequälten und Unzufriedenen Gefühle von Hass und Rachedurst weckte.“62 Ziel dieser Rede war es, den Zusammenhalt 58 59 60
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Rosario Anguita Herrador: Jacinto Higueras: El artista y su obra, Jaén 1995, S. 44. Abbildungen des Denkmals in Rosado Llamas/López Payer: La Batalla de Las Navas de Tolosa, S. 12ff. Nicolás Soria: Titelblatt des Bulletins Covadonga. Boletín de la Junta Diocesana para la Coronación Canónica de la Santísima Virgen en el Duodécimo Centenário, abgebildet in: Covadonga – iconografía de una devoción, S. 443. Diese hielt das spanische Episkopat nach deutschem und französischem Vorbild seit 1906 ab, in denen soziale Ideen der Kirche entwickelt und verbreitet werden sollten. Antolín López Peláez: La batalla de las Navas de Tolosa y la batalla contra el socialismo. Conferencia del Obispo de Jaca en la Semana Social celebrada para conmemorar el centenario de las Navas, Saragossa 1912, S. 11. Für Covadonga finden sich ähnliche Bilder und Vergleiche, wie zum Beispiel in einer Predigt des Bischofs von Oviedo Ramón Martínez Vigil: „Die Mauren von heute schwenken nicht den Krummsäbel [. . . ], aber das Buch, das Flugblatt, die Zeitung, die Karikatur und [benutzen] das Wort, den Spott und den Sarkasmus, um die Herzen zu vergiften [. . . ] und das Volk, das glaubt, betet und arbeitet zu Opfern überzogenen Ehrgeizes und Gier zu machen.“ Ramón Martínez Vigil: El santuario de Covadonga (9 de septiembre de 1884), in: ders.: Pastorales del Rmo. P. Mar-
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5. Der Islam als nationale Lektion Abbildung 11: Nicolás Soria: Titelblatt von: Covadonga. Boletín de la Junta Diocesana para la Coronación Canónica de la Santísima Virgen (Bulletin der Diözese für die kanonische Krönung der heiligsten Muttergottes), 1917. Der siegreiche Feldherr Pelayo zertritt die Leiche eines Mauren. Ikonographisch lehnt sich die Zeichnung an die Darstellung Marias an, die die Schlange als Symbol des Bösen zertritt. Im Hintergrund links die Grotte, der sagenhafte Schauplatz der Schlacht. Rechts die 1901 fertiggestellte neue Basilika, die dem lange Zeit vergessenen Wallfahrtsort zu neuer Berühmtheit verhelfen sollte. In: Covadonga – iconografía de una devoción, Oviedo 2001, S. 443.
im eigenen, kirchlichen Lager zu festigen. Der Gründer der Acción Católica (Katholischen Aktion)63 Alejándro Pidal y Mon und Direktor der Real Academia Española (Königlichen Spanischen Akademie) richtete sich in einem Festvortrag im Theater von Burgos, für ihn als Hauptstadt Altkastiliens und Grabesstätte des Cid „Kern der spanischen Nation und Seele seiner ruhmreichen Geschichte“64 , an die wissenschaftliche und politische Elite. Er stellte den „heiligen Triumph des Kreuzes“ über den Islam als göttlich-historisches Gesetz dar.65 Die in diesen Reden angelegten Motive christlicher Auserwählung Spaniens spiegelten sich auch in anderen Textsorten wie Gebeten, Hymnen und Gedichten zu Ehren der Muttergottes von Covadonga, die die
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tínez Vivil de la Orden de Predicadores, Obispo de Oviedo, conde de Noreña etc., Madrid 1898, S. 45–60. Die Acción Católica versuchte, nationale Ideen und Katholizismus zu verbinden. Pidal y Mon, ein Freund von Menéndez y Pelayo, suchte wie dieser politisch die Nähe des Partido Liberal-Conservador von Cánovas de Castillo, was ihm den Missmut der Integristen eintrug. Vgl. Álvarez Junco: Mater dolorosa, S. 445f.; Santoveña Setién: Marcelino Menéndez Pelayo, S. 188f. Alejandro Pidal y Mon: Discurso sobre la batalla de Las Navas de Tolosa. Leído por D. Alejandro Pidal y Mon en la veladas celebrada en el Teatro de Burgos la Noche del Dia 16 de julio 1912, Madrid 1912, S. 3. Ebd., S. 14f.
5.1 Die „Mauren unserer Tage“ in Spanien
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„Befreiung Kastiliens (sic!) vom Krummsäbel“ und die „Erweckung Spaniens durch Pelayo“66 feierten. Die Geschichte der Schlacht und des Heiligtums wurden seit der Errichtung der neuen Basilika in Covadonga (1877–1901) und einem entsprechenden Ausbau der Infrastruktur für Pilger und Touristen in Reiseführern und allgemeinverständlichen Geschichtsdarstellungen verbreitet. Die Lage der Höhle am Fluss Deva, in dem der Legende nach die muslimischen Truppen ertrunken waren, machte Covadonga zum „roten Meer“ und „neuen Jordan“ Spaniens.67 Insbesondere in diesen letzten, kurzen Texten wurde der islamische Gegner eher stereotyp beschrieben und rückte zugunsten der Glorifizierung Pelayos in den Hintergrund. Den Gestaltungen der eigentlichen Jubiläumstage gingen in Covadonga heftige Debatten voraus, in denen sich die Frage um den Gehalt der Feste und damit um die zu feiernde Identität spiegelte. Der Klerus und katholische Traditionalisten arbeiteten auf eine religiös geprägte Feier hin, die den christlichen Abwehrkampf gegen „alte“ und „neue“ Mauren parallelisierte: Ab 1917 berichtete eine eigens gegründete Zeitschrift über den Stand der Jubiläumsvorbereitungen, in der zu Spenden für eine Krone der Muttergottesstatue in Covadonga aufgerufen wurde.68 Im Gegensatz dazu versuchten Angehörige der liberalen Elite Asturiens, mit dem Fest nationale Freiheit und Einheit zu feiern. Der ehemalige Rektor der Universität von Oviedo Fermín Canella y Secades (1849–1924) warb 1916 im spanischen Senat für eine Feier, die zu einem „Waffenstillstand im täglichen politischen Streit, der alle Spanier in Liebe und Frieden vereint“ und damit zu einem Ausgangspunkt für „nationale Erneuerung“ werden solle.69 Liberale Deutungen verzichteten auf eine eingehende Darstellung des Islam zugunsten der Betonung einer nationalen Einheit. Indem sie den islamischen Gegner außer Acht ließen, schufen sie auch kein neues liberales Islambild – dies im Unterschied zur Geschichtsschreibung, wo ein solches unter dem Aspekt der Zivilisation zumindest andeutungsweise entstand. Trotz der Bemühungen um alternative Deutungen und Gestaltungen seitens der Liberalen scheiterten diese am Widerstand der Traditionalisten. Die Inszenierungen der Jubiläen folgten klassischen Mustern der Einheit von Thron, Altar und Militär: Die Feiern von Las Navas de Tolosa begannen in Roncesvalles, dem Ort der mythischen Rolandsschlacht. Anlässlich des Jubiläums wurden die dort aufbewahrten sterblichen Überreste König Sanchos VII. und seiner Frau in eine neue Grabstätte innerhalb der königlichen Stiftskirche überführt. Am Jahrestag der Schlacht, dem 16. Juli 66 67 68 69
Fernando Fernández Rosete: Pelayo y Covadonga, Arriondas 1909, S. 46 u. S. 69. Acácio Cáceres Prat: Covadonga. Tradiciones, Historias y Leyendas, Madrid 2. Aufl. 1890, S. 49f. Boyd: The Second Battle of Covadonga, S. 54f. Fermin Canella y Secades: De Covadonga. Contribuición al XII centenario, Madrid 1918, S. 226f.
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1912, nahm König Alfons XIII. an einem Te Deum in der Kathedrale teil, an das sich eine Prozession aller Stadtverwaltungen und Kirchengemeinden der Provinz mit ihren Fahnen und Kreuzen anschloss. Die Teilnehmer der Prozession vereinigten sich mit dem Militär zu einer Feldmesse, der Tag endete mit einem feierlichen Zapfenstreich. Elemente, die die Gegenwart der Region und ihren Fortschritt verkörperten wie eine Landwirtschaftsausstellung oder eine einwöchige Flugschau dienten nur zur Abrundung. Die offiziellen Deutungen der Schlacht gingen nicht über die konservativen Topoi „zweier unversöhnlicher Zivilisationen“, und dem „für das Schicksal Europas“ entscheidenden Sieg hinaus.70 Ähnliche Elemente prägten die Feier in Covadonga sechs Jahre später: An der feierlichen Krönung der Muttergottes nahmen das Königspaar, der Erzbischof von Toledo als Primas von Spanien und zahlreiche Vertreter aus Adel, Militär und Kirche teil.71 Damit wurden der Bevölkerung von Asturien und Navarra vor allem die kirchlichen Bilder des islamischen Gegners vermittelt: eines religiösen und politischen Feindes, der dem spanischen Christentum hoffnungslos unterlegen war. Der Sieg konservativer Deutungen der Jubiläen von Las Navas de Tolosa und Covadonga waren keine Einzelfälle, sondern nur öffentlichkeitswirksame Beispiele für die Entmachtung liberaler durch konservative Kräfte Anfang des 20. Jahrhunderts. Deren Erfolg war so groß, dass sie selbst bei denjenigen Jubiläumsfeiern die Deutungshoheit erringen konnten, dessen Protagonisten ursprünglich liberale Helden waren.72 Die Stärke der Traditionalisten in der Zeit nach 1900 resultierte zum einen daraus, dass die in der Restauration wiederhergestellten Privilegien der Kirche nach 1898 unangetastet blieben und der junge König Alfons XIII. der Kirche gewogen war.73 Zum anderen speiste sie sich aus der Schwäche an Alternativen. Eine Identifikation mit der Vorstellung der Nation war wenig attraktiv, da diese doch offensichtlich in so großen Schwierigkeiten steckte. Der jahrelange Krieg in Marokko, der zudem die Vorstellung von brutalen moros befördern konnte, machte die Vorstellungen von „neuen moros“ schlüssig. Konservative Deutungen konnten auf ein klares und aktuelles Feindbild zurückgreifen. Den liberalen Nationalisten mit ihren Bemühungen um die Einheit Spaniens und einer Integration aller Kräfte fehlte ein solches. In einer Zeit politischer Unruhe, in denen rasch wechselnde Regierungen sich mit wachsender Unzufriedenheit im Militär oder den durch die Gewerkschaften initiierten Streiks in den wichtigsten Industriezentren auseinandersetzten mussten, lag ein ideologischer Rückgriff
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Séptimo centenario de la batalla de Las Navas de Tolosa y de la adopción del actual escudo de Navarra, Madrid 1912, S. 5. Dort auch eine ausführliche Beschreibung des Festprogramms. Boyd: The Second Battle of Covadonga, S. 56. Vgl. die ausführliche Analyse dieses Prozesses bei Storm: Las conmemoraciones de héroes nacionales, S. 81. Payne: El catolicismo español, S. 159.
5.2 Heldenkult ohne Gegner in Portugal
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auf scheinbar Altbewährtes näher. In der Radikalisierung dieser Jahre konnten sich weder die gemäßigten Liberalen noch Vertreter eines humanistisch orientierten, toleranten Katholizismus durchsetzen. Für das Islambild bedeutete dies, dass sich in den Inszenierungen der Jubiläumsfeiern die differenzierten Darstellungen, wie sie in der Geschichtsschreibung dieser Zeit zu finden waren, nicht behaupten konnten. Die Beschwörung des Islam als spanischer Erzfeind in traditionalistischen Deutungen einerseits und das tendenzielle Übergehen liberaler Deutungen andererseits trugen dazu bei, dass hauptsächlich traditionelle, antiislamische Stereotype reproduziert und gefestigt wurden.
5.2 Der Islam als Nebendarsteller: Heldenkult ohne Gegner in Portugal 5.2.1 Schulbücher von der Monarchie zum Estado Novo In Portugal gilt die Reform des Juristen, Politikers und Pädagogen Jaime Moniz (1837–1917) im Jahr 1895 als Beginn des modernen Gymnasialunterrichts. Damit wurde der Versuch unternommen, das von den Intellektuellen des Landes heftig kritisierte Schulsystem74 durch gezielte Auswahl und Ausbildung der Lehrer und einer Überarbeitung der Lehrpläne zu verbessern. Im Gegensatz zu früheren Reformen betonte sie geistige und ethnische Erziehungsziele, in deren Rahmen der Geschichtsunterricht zur „Entwicklung von Intelligenz und Gedächtnis“ beitragen sollte.75 Wie in Spanien lag das Niveau des Bildungsstandards im monarchischen Portugal weit unter dem der westeuropäischen Länder dieser Zeit: Um 1900 waren knapp 75 Prozent der Bevölkerung Analphabeten, gerade ein Fünftel aller Kinder im Schulalter besuchte eine Primarschule.76 Während der Anteil in ländlichen Distrikten wie Beja, Portalegre, Castelo Branco und auf Madeira besonders hoch war, lag er in Lissabon und Porto deutlich unter dem nationalen Durchschnitt.77 Die Leser der Schulbücher waren Kinder einer schmalen Schicht städtischer Bildungseliten. 74
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Vgl. zum Beispiel Oliveira Martins: „Die große Schwäche des offiziellen portugiesischen Unterrichts besteht darin, dass die Bücher schlecht und die Lehrer noch schlechter sind, und die Lehrpläne [. . . ] manchmal hervorragend wären, wenn sie nicht pure bürokratische Hypothesen wären.“ Zit. nach Sérgio Campos Matos: História, mitologia, imaginário nacional. A História no Curso dos Liceus (1895–1939), Lissabon 1990, S. 15. Ebd., S. 25f. Diese Zahlen sind entnommen aus: António Nóvoa: Le Temps des Professeurs. Analyse socio-historique de la profession enseignante au Portugal (XVIIIe–XXe siècle), Lissabon 1987, Bd. 2, S. 569 u. 575. Ebd., Bd. 2, S. 571.
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5. Der Islam als nationale Lektion
Inhaltlich führten die auf die Reform von Moniz folgenden, zahlreichen Unterrichtsreformen als Bildungsziel stets die Förderung eines „Nationalgefühls“ an, wobei oft genug offen blieb bzw. definitorisch schwankte, was dieses beinhalten sollte.78 Die in rascher Folge wechselnden politischen Systeme Monarchie, Republik, Militärdiktatur und Estado Novo brachten nicht automatisch Zäsuren in den vermittelten Inhalten mit sich. Dies zeigt vor allem das „Compendio de Historia de Portugal“ (Kompendium der Geschichte Portugals) von Arsénio Augusto Torres de Mascarenhas (1847–?), der wie der Großteil der Schulbuchautoren Anfang des 20. Jahrhunderts Absolvent der Rechtswissenschaften der Universität Coimbra war.79 Er verfasste eines der wohl langlebigsten Bücher in der portugiesischen Schulbuchgeschichte. Es wurde schon während der Monarchie verwendet80 und in einer „im Einklang mit den Prinzipien der erzieherischen Orientierung des Estado Novo überarbeiteten und erweiterten“ Ausgabe noch mindestens bis 1944 mehrfach aufgelegt,81 wobei sich diese Aktualisierungen nicht auf das Mittelalter bezogen. Innerhalb des kleinen Sektors, der überhaupt Zugang zu höherer Schulbildung hatte, war Mascarenhas einer der meistgelesenen Schulbuchautoren dieser Zeit. Mascarenhas trennte zwischen Religion und Kultur der Araber: Erstere hätten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Islam „mit all den der semitischen Rasse inhärenten Fehlern, der von der Religion erlaubten Polygamie, den Gesetzen und Bräuchen sowie dem unbeweglichen Fatalismus des Koran keinen großen moralischen Einfluss auf die Halbinsel nehmen können.“82 Damit griff er die stereotypen katholischen Werturteile gegenüber dem Islam als Religion auf. Jedoch bescheinigte er den Arabern einen höheren kulturellen Zivilisationsgrad, der der iberischen Halbinsel zum Vorteil gereicht habe: „Aber auch wenn die Goten die Muslime in den moralischen Lehren, Töchter einer makelloseren Religion, in den politischen Institutionen und der ritterlichen Ehre übertrafen, so brachten die Araber, deren intellektuelle Bewegung bis Ende des 12. Jahrhunderts überlegen war, ihnen Vorteile in der geistigen Kultur, dem Handwerk, der Ausstattung und auch in ihrem Steuersystem. [. . . ] Ihr Einfluss wirkte demnach auch auf die Christen ein. Unter diesen wurde die sarazenische Sprache nahezu ausschließlich, Wissenschaft und Dichtkunst der Araber ergriffen alle, Kleider, Sitten und Gebräuche wurden sarazenisch. Schließlich bereiteten die häufigen Ehen zwischen Angehörigen beider Rassen den Weg dazu, dass die Vermischung hätte komplett sein können, wenn dieser nicht die Unterschiede im Glauben entgegengestanden hätten.“83 78 79 80 81
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Vgl. zu den Reformen Matos: História, mitologia, imaginário nacional, S. 24–38. Vgl. die Biografien in: ebd., S. 210–224. Arsenio Augusto Torres de Mascarenhas: Compendio de História de Portugal. Aprovado pelo governo para uso dos alumnos da 5.a classe dos lyceus, Lissabon 2. Aufl. 1901. Arsenio Augusto Torres de Mascarenhas: História de Portugal. Remodelada e ampliada de harmonia com os princípios de orientação educativa do Estado Novo por João Afonso de Miranda, Lissabon 4. Aufl 1944. Mascarenhas: Compendio de História de Portugal, S. 33. Ebd.
5.2 Heldenkult ohne Gegner in Portugal
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Spürbar an Mascarenhas Zeilen war der Einfluss des Katholizismus, dem die Schulbücher des 19. Jahrhunderts in ihrer angestrebten Vermittlung von Moral und Religion verbunden blieben.84 Nichtsdestotrotz gab es kritische Stimmen gegenüber den historischen Helden Portugals: António Cândido de Figueiredo (1846–1925), Schulinspektor und Autor zahlreicher Schulbücher, stellte den Kampf des ersten portugiesischen Königs Afonso Henriques gegen die Mauren nicht als Heldentat, sondern als Blutbad dar. Figueiredo, der die ersten priesterlichen Weihen erhalten, dann aber die kirchliche Karriere aufgegeben hatte,85 übte im Widerspruch zu den dominanten katholischen Topoi der Zeit nicht nur deutliche Kritik an Afonso Henriques, sondern auch am Verhalten der Kreuzfahrer: „Afonso Henriques, den die Mauren den Tyrann von Coimbra [Hervorhebung im Original] nannten, und der mehr als einmal Beweise außerordentlicher Tapferkeit und großzügiger Gefühle gab, eroberte Santarém auf verräterische Weise und richtete in der Bevölkerung ein Gemetzel an, das in nichts die Erinnerung an unseren ersten König ehrt. Die Einnahme Lissabons war nicht weniger grausam, aber hier gingen die Gewaltexzesse vor allem von den Fremden aus, die den Portugiesen bei der Eroberung halfen. Diese Fremden waren die so genannten Kreuzfahrer, die auf dem Weg ins Heilige Land waren [. . . ] und auf der Durchreise an den Mauren Hispaniens und in portugiesischen Landen ihren Durst nach Gold und Lastern stillten.“86
Figueiredo ist keine Ausnahme. Insgesamt fiel die Darstellung Afonso Henriques und anderer mittelalterlicher Helden durchwachsen aus. Die Autoren des späten 19. Jahrhunderts legten einen Maßstab sozialen Fortschritts für die Bewertung einer historischen Epoche an, angesichts dessen das Mittelalter eher schlecht abschnitt.87 Dies stand im Gegensatz zur späteren rückhaltlosen Glorifizierung portugiesischer Helden im Estado Novo. Die politische Zäsur der Republik schlug sich auf das Bildungssystem nieder. Mit dem Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche vom 20. April 1911 war der römische Katholizismus nicht mehr offizielle Staatsreligion, die Gewissensfreiheit wurde anerkannt.88 Die Jesuiten, deren Einfluss auf die Bildung die Republikaner für einen der Gründe portugiesischer Dekadenz hielten, wurden nach 1759 und 1834 zum dritten Mal aus Portugal vertrieben, ihre Schulen aufgelöst. Die Neutralität der Schule und die Bekämpfung des massenhaften Analphabetismus waren wichtige Ziele der republikanischen
84
85 86 87 88
Luís Reis Torgal: Ensino da história, in: Fernando Catroga/Luís Reis Torgal/José Maria Amado Mendes: História da História em Portugal séculos XIX–XX, o. Ort. 2. Aufl. 1998, Bd. 2, S. 84–152, S. 88f. António Nóvoa (Hrsg.): Dicionario de Educadores Portugueses, Porto 2003, Stichwort „Figueiredo, António Cândido de“. António Cândido de Figueiredo: Historia de Portugal. Resumida e organisada para uso do povo e das escolas, Lissabon 3. Aufl. 1888, S. 30. Matos: História, mitologia, imaginário nacional, S. 135–137. Zum Dekret vgl. Vítor Neto: O Estado, a Igreja e a sociedade em Portugal (1831–1911), Lissabon 1998, S. 266–273.
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5. Der Islam als nationale Lektion
Reformer, deren tiefgreifende Durchsetzung jedoch von der politischen Instabilität der Republik behindert wurde.89 Doch bezüglich der Inhalte der Schulbücher war der Wechsel von Monarchie zu Republik eher ein sanfter Übergang. Die Werke von Mascarenhas und Figueiredo wurden auch in der Republik aufgelegt, respektive verfassten beide Autoren neue Bücher gemäß den republikanischen Bildungsreformen.90 Auch die Heterogenität der Islambilder setzte sich fort. Anhand dreier republikanischer Bücher für die Primarstufe lässt sich das breite Spektrum der Schilderungen und Wertungen aufzeigen. Bei Sezinado Chagas Franco (?–1944), ausgebildetem Soldat, Lehrer und Journalist, findet sich die Vorstellung des Islam als „Religion von Grausamkeit und Krieg“: „Die Muslime glauben fromm, dass sie das Paradies gewinnen, indem sie den Christen die Köpfe abschneiden. Es genügt, dass sie diese nach ihrem Tod Allah vorzeigen.“91 Das Gegenteil verkündete der der katholisch-nationalistischen Vereinigung Cruzada Nacional D. Nuno Álvarez Pereira92 (Nationaler Kreuzzug Nuno Álvarez Pereira) nahestehende António de Matos Faria Artur (1881–1971): „Denkt nicht, meine Kinder, dass diese Völker wild waren. Im Gegenteil, sie waren sehr kultiviert. Und zwar so sehr, dass ihnen die Einführung vieler Lebensmittelkulturen zu verdanken ist wie Reis, Safran, Orangen, Pfirsiche, Melonen [. . . ], ihnen schreibt man auch die Erfindung oder wenigstens Verbreitung des Zahlensystems zu, und [. . . ] die Bauwerke, die sie errichteten, sind noch heute Gegenstand allgemeiner Bewunderung.“93 Ein in den ersten Monaten der Republik von der provisorischen Regierung genehmigtes Schulbuch wiederum kontrastierte das Verhalten der Muslime mit dem der Christen: „Wenn der arabische Einfall sich mildernd für die Sklaven der Westgoten ausgewirkt hatte, so waren die christliche Rückeroberungen höchst grausam für die, die nicht ihren religiösen Glauben teilten: Juden oder Mauren, die nicht in der Heftigkeit des Angriffs starben, wurden der unerbittlichsten Sklaverei unterworfen; von neuem wurden sie als Dinge [Hervorhebung im Original] (und nicht als Menschen) betrachtet, mit denen man alles tun konnte, was einem beliebte: sie verschenken, verkaufen, verstümmeln oder töten. [. . . ] Die Toleranz
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Nóvoa: Le Temps des Professeurs, Bd. 2, S. 529. Arsenio Augusto Torres de Mascarenhas: Resumo da História de Portugal. Aprovado pelo Govêrno Provisório da República em portaria de 6 de Dezembro de 1910, Lissabon 1910; António Cândido de Figueiredo: História de Portugal sumariada para uso do povo e das escolas, Lissabon 5. Aufl. 1913. Sezinado Chagas Franco/Anibal Magno: Primeiros esboços da História de Portugal. Aprovado pelo governo da republica para as escolas primárias em 1910 e novamente aprovados pela comissão revisora dos livros de ensino em 1913, Lissabon 1914, S. 17f. Vgl. ausführlich Ernesto Castro Leal: Nação e nacionalismos. A Cruzada Nacional D. Nuno Álvares Pereira e as origens do Estado Novo (1918–1938), Lissabon 1999; ders.: Nacionalismos portugueses: cultura e política no século XX, in: Revista da Faculdade de Letras de Lisboa 26/2002, S. 29–39. António de Matos Faria Artur: História de Portugal organizada em lições, Paris/Lissabon o. Jahr [nach 1921], S. 20.
5.2 Heldenkult ohne Gegner in Portugal
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von Alfons VI. [von León und Kastilien] war ein Beispiel, das ansteckte, viele christliche Fürsten nach ihm behandelten mit Menschlichkeit die Juden und Christen, die ihnen das Waffenglück in die Hände spielte.“94
Diese drei Beispiele zeigen die Heterogenität der Islambilder der Republik auf, die die der allgemeinen Geschichtsschreibung fortsetzte. Die positiven Auswirkungen der arabischen Zivilisation auf das mittelalterliche Hispanien waren ebenso präsent wie Abwertungen des Islam als Religion oder Aufwertungen als Garant religiöser Toleranz – insgesamt verkürzte Versionen der prominentesten historiographischen Meistererzählungen. Die Religion hatte darin keine privilegierte Stellung inne. Im autoritären Estado Novo sollte die Schule zu einem wichtigen Werkzeug sozialer Kontrolle und nationaler Instruktion werden. Das Dekret des Bildungsministers Gustavo Cordeiro Ramos vom 7. April 1932 verkündete: „Alles, was in den acht Jahrhunderten portugiesischer Geschichte getan wurde, muss Gegenstand von Rechtfertigung und Glorifizierung sein.“95 Dies beinhaltete eine Vergötterung nationaler Helden und Heldentaten, insbesondere der Entdeckungsfahrten, die Betonung der christlichen Prägung des Landes sowie als Unterstreichung der rigorosen Sparpolitik Salazars das Leitbild einer bodenständigen, ehrlich arbeitenden Bevölkerung und ihrer Traditionen. „Deus, Pátria, Família“ (Gott, Heimat und Familie) waren, wie es das berühmte Plakat „A lição de Salazar“ (Die Lektion Salazars) zeigte, die Säulen der Erziehung.96 Jedoch war die Umstrukturierung eher eine ideologische als eine systemerneuernde. Es ging vor allem darum, die aus der Republik übernommenen Strukturen ideologisch zu kontrollieren, nicht sie zu ersetzen.97 Außerdem verzichtete der Estado Novo darauf, viele laizistische Maßnahmen der Republik rückgängig zu machen: In den nichtstaatlichen Schulen, die anerkannt waren, konnte Religionsunterricht abgehalten werden. Auf den staatlichen Unterricht hatte die Kirche jedoch, sehr zu ihrem Missfallen, keinen Einfluss. Die Proteste des Klerus erreichten zumindest, dass der Verfassungstext von 1935 die Orientierung des staatlichen Unterrichts an Prinzipien des Christentums definierte.98 Der Kampf gegen den Islam galt im Estado Novo als große, aber nicht als größte nationale Anstrengung. Die Darstellung der Zeit von der Gründung Portugals bis zu den Entdeckungsfahrten im Estado Novo unterschied sich kaum von der in der Republik. Vielmehr schieden sich die Geister an den 94 95 96 97 98
José Nunes da Graça, Fortunato Correia Pinto: Resumo de História Pátria para as escolas d´instrução primária, Lissabon 1911, S. 10. Der vollständige Text ist abgedruckt bei João Medina: Historia Contemporanea de Portugal. Das invasões francesas aos nossos dias, o. Ort, 1988ff., Bd. 5, S. 45–47. Ebd. António Costa Pinto: Twentieth Century Portugal: An Introduction, in: ders. (Hrsg.): Contemporary Portugal. Politics, society and culture, New York 2003, S. 1–46, S. 39. Manuel Braga da Cruz: Der Estado Novo und die katholische Kirche, in: Rosas (Hrsg.): Vom Ständestaat zur Demokratie, S. 49–64, S. 52.
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5. Der Islam als nationale Lektion
Gründen für die Krise und die Dekadenz Portugals.99 Gemäß der katholischen Prägung erreichten christliche Topoi wieder mehr an Gewicht als in der laizistischen Republik. Der wohl meistgelesene Schulbuchautor des frühen Estado Novo Tomás de Barros (1892–1948), dessen „Sumário de História de Portugal“ (Zusammenfassung der Geschichte Portugals) bis in die 1950erJahre rund fünfzig Auflagen erreichte, nahm den Mythos des Wunders von Ourique in seine Darstellung auf und zementierte eine vielfach kursierende, legendenhafte Interpretation des portugiesischen Wappens. In dieser wurde der Sieg gegen die Mauren auch ikonographisch zur nationalen Siegestrophäe: „Der Schild, rot und weiß, hat im Zentrum fünf blaue Schilde, die die fünf von Afonso Henriques in Ourique besiegten Maurenkönige darstellen. Die fünf weißen Punkte auf jedem Schild repräsentieren die fünf Wunden Jesu Christi. Die sieben goldenen Schlösser auf dem roten Teil des Schildes symbolisieren die sieben Schlösser Albufeira, Aljezur, Cacela, Castro Marim, Estômbar, Paderne und Sagres, die Alfons III. von den Mauren erbeutete.“100
Das Bild des Kreuzzugs (cruzada), eines der Leitbilder in den Geschichtsdarstellungen des Estado Novo tauchte ebenfalls in den Schulbüchern auf. Das „Compêndio de História de Portugal“ (Kompendium der Geschichte Portugals) des einflussreichen Autors António Gonçalves Matoso (1895–1975) betonte den „jahrhundertelangen Kampf ohne Waffenstillstand“ zwischen Christentum und Islam und bezeichnete die Einnahme von Granada als den Fall des „letzten Bollwerks der Ungläubigen.“101 Gleichzeitig lobte das Buch die „muslimische Zivilisation“, wenngleich diese „keine eigene und originelle“ sei.102 Matoso kannte die Arbeiten des ersten universitären Arabisten Portugals David Lopes103 und zitierte dessen Definition des Begriffs mouro ebenso wie die Anrufung Gottes in den ersten Zeilen des Korans.104 Weiterhin bescheinigte Matoso den Arabern das Verdienst, dass ihr Einfluss in der Architektur zur Entwicklung des manuelinischen Stils geführt habe.105 Berühmte Bauwerke dieses Stils, das Mosteiro dos Jeronimos (Hieronymuskloster) und der Turm in Belém symbolisierten seit Jahrhunderten die Größe Portugals und avancierten zum architektonischen Aushängeschild schlechthin. Die Anerkennung dieses muslimischen Erbes galt Gonçalves Matoso 99 100
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Torgal: Ensino da história, S. 108. Tomás de Barros: Sumário de História de Portugal. Com narrativa dos factos principais de cada reinado, recapitulação em questionário e variado exercícios para a 4a classe do Ensino Primário e admissão aos Liceus, Porto 1940, S. 174. Die namentliche Aufzählung der Schlösser wurde erst in den Auflagen nach 1945 hinzugefügt. Antonio Gonçalves Matoso/Antonino Henriques: Compêndio de História Geral e Pátria. Bd. 1: Antiguidade e Idade Média. Ensino Técnico Profissional, Lissabon 2. Aufl. 1937, S. 184. Ebd., S. 185. Vgl. Kap. 3. Matoso/Henriques: Compêndio de História Geral e Pátria, S. 188. Antonio Gonçalves Matoso: Compêndio de História de Portugal. Aprovado oficialmente como texto único para o 6.o ano dos liceus, Lissabon 3. Aufl. 1940, S. 29.
5.2 Heldenkult ohne Gegner in Portugal
169
nicht als „Element nationaler Auflösung“, das das Dekret von Gustavo Ramos als notwendiges Objekt der Zensur ansah.106 Auch wenn die offizielle Geschichtsdeutung des Estado Novo dazu neigte, die arabisch-islamischen Einflüsse als gering einzuschätzen, konnten sie positiv konnotiert werden. Nicht allein der Sieg über den Islam, sondern auch die – selektive – Annahme von Elementen arabischer Kultur zeichnete in diesen Deutungen die Größe der portugiesischen Nation aus. Zwar proklamierten die Kolonialdiskurse dieser Zeit eine zivilisatorische Mission Portugals gegenüber anderen Völkern. Doch schadete es nicht dem nationalen Selbstbild, auf die historischen zivilisatorischen Einflüsse von als nicht portugiesisch empfundenen Gruppen hinzuweisen. Schulbücher des Estado Novo waren ein wichtiges Mittel zur Erziehung, doch blieb bezogen auf die Gesamtbevölkerung, ihre Reichweite beschränkt. Salazar war nicht daran interessiert, das in der Republik heftig diskutierte Problem des massenhaften Analphabetismus zu bekämpfen. Indoktrination von Eliten war ihm wichtiger als Bildung der Massen.107 Um Nationalgefühl zu erzeugen und entsprechende historische Lektionen in einer Gemeinschaft zu vermitteln, griff er vor allem auf bildliche Symbole in Feiern, Denkmälern, Statuen oder auch Alltagsgegenständen zurück.108 Die wichtigsten und einflussreichsten Geschichtslektionen erteilte Salazar daher weniger in der Schule als in den Jubiläumsfeiern des frühen Estado Novo. 5.2.2 Jubiläumsfeiern im Estado Novo (1939–1947) Zwei Jubiläen mittelalterlicher Schlachten gegen die Mauren fielen in eine für Portugal und Europa politisch hochsensible Phase. Die 800-Jahr-Feiern der Schlacht von Ourique 1939 und der Eroberung Lissabons von den Mauren 1947 waren herausragende Beispiele innerhalb einer Reihe ähnlicher Ausstellungen in diesem Jahrzehnt.109 Sie reagierten auf das Bedürfnis des jungen Estado Novo, sich in eine lange nationale Erfolgsgeschichte einzureihen. Eine Feier historischer Kontinuität bot in einer Zeit, in der der Nachbar Spanien vom Bürgerkrieg verwüstet und die europäischen Großmächte in einen blutigen Weltkrieg verstrickt waren respektive mit dessen Folgen zu kämpfen hatten, für die Ideologen des Estado Novo eine herausragende Gelegenheit zu einer historischen Unterweisung. Diese sollte die Zugehörigkeit zum Regime stärken und dessen ideologische Macht ausbauen. 106 107 108 109
Zitiert nach Medina: Historia Contemporanea de Portugal, Bd. 5, S. 47. Vgl. zur Frage des Analphabetismus im Estado Novo Maria Filomena Mónica: Educação e sociedade no Portugal de Salazar, Porto 1978, S. 109–129. Matos: História, mitologia, imaginário nacional, S. 173. Vgl. die Aufstellung bei David Corkill/José Carlos Pina Almeida: Commemoration and Propaganda in Salazar’s Portugal: The Mundo Português Exposition of 1940, in: JContH 44/2009, Nr. 3, S. 381–399, S. 383.
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5. Der Islam als nationale Lektion
Der Mythos der Schlacht von Ourique, bei der Graf Afonso Henriques einen Sieg gegen die Mauren errang und damit einen entscheidenden Schritt zur Lösung der Grafschaft aus dem Herrschaftsbereich von León tat, galt seit dem 15. Jahrhundert als Gründungsmoment Portugals. Dass Alexandre Herculano und in seiner Folge andere Historiker den religiösen Gehalt des Mythos dekonstruiert und die Bedeutung der Schlacht zu einem Scharmützel reduziert hatten,110 tat der Stilisierung des Ereignisses keinen Abbruch. Angesichts der sich in den 1930er-Jahren radikal ändernden politischen Landschaft Europas und der Welt sah Salazar Ourique als Beweis für das Wunder einer portugiesischen Unabhängigkeit an. Symbolträchtig beschwor er dies in einer Rede am 14. August 1936 in Batalha, dem zur Erinnerung an den Sieg von Aljubarrota gegen die Spanier errichteten Kloster: „Am westlichen Rand der Halbinsel eingezwängt zwischen mächtigen Nachbarn und dem riesigen Ozean sind wir dazu verurteilt, in jedem Moment das Drama unseres Lebens zu leben, aber unter dem wohlwollenden Blick der Vorsehung blicken wir schon auf acht Jahrhunderte von Arbeit, Leiden, Kämpfen und Freiheit zurück, und wenn dies immer die gleiche Gefahr bedeutet, ist es auch immer das gleiche Wunder.“111 Die von Salazar stilisierte heilsgeschichtliche Dimension nationaler Geschichte sollte der Legitimität des Estado Novo zugutekommen. Entsprechend machte Salazar die Vorbereitungen auf das Jubiläum von Ourique zur Chefsache. Zusammen mit der 300-Jahr-Feier der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Portugals von Spanien 1940 war dies Anlass für mehrmonatige Feiern zur Glorifizierung der „doppelten Staatsgründung“ (duplo centenário) Portugals. Für den autoritären Regierungschef hatten die Feierlichkeiten ein ideologisches und ein wirtschaftliches Ziel: dem portugiesischen Volk ein „Stärkungsmittel an Freude und Selbstvertrauen“ zu verabreichen sowie den „Aktivitätsrhythmus des öffentlichen Dienstes zu steigern.“112 Letzteres dürfte für den ehemaligen Wirtschaftsprofessor das gewichtigere Argument dargestellt haben, da er kaum an kulturellen Themen interessiert war. Im Gegensatz zu Hitler, Mussolini und Franco vermied Salazar jeden Kult um seine Person, gleichzeitig wusste er die Wirkung von Großereignissen zu nutzen. Statt Choreographien menschlicher Massen im Stil der deutschen und italienischen Faschisten zu dirigieren, bevorzugte er, die Bevölkerung zu passiven Empfängern zu machen und sie mit musealen Inszenierungen zu überwältigen.113 Entsprechend versammelte das mit der 110 111 112
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Vgl. Kap. 2. António de Oliveira Salazar: Sempre o mesmo milagre, in: ders.: Discursos e notas políticas, Coimbra 1935ff., Bd. 2: 1935–1937, S. 175–179, S. 176. António de Oliveira Salazar: Comemorações centenárias, in: ders.: Discursos e notas políticas, Coimbra 1935ff., Bd. 3: 1938–1943, S. 41–58, S. 42f. Diese offizielle Stellungnahme wurde am 27. 3. 1938 in den portugiesischen Zeitungen veröffentlicht. Corkill/Almeida: Commemoration and Propaganda in Salazar’s Portugal, S. 384. Vgl. allgemein zu Salazars Herrschaft Filipo Ribero de Meneses: Salazar. A political biography, New York 2010.
5.2 Heldenkult ohne Gegner in Portugal
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Gestaltung beauftragte Festkomitee einflussreiche Schriftsteller und Journalisten des Estado Novo wie Júlio Dantas (1876–1962), Augusto de Castro (1833–1970) und António Ferro (1895–1956). Letzterer rief als Leiter des Secretariado de Propaganda Nacional (Sekretariat für Nationale Propaganda, SPN) eigens für die Jahre 1939 und 1940 die Revista dos Centenários (Zeitschrift der Jubiläumsfeiern) ins Leben. Sie informierte monatlich über Vorbereitungen und Programm der Feierlichkeiten und druckte Aufsätze zur portugiesischen Kultur und Geschichte sowie Presseberichte zum Thema aus dem In-und Ausland ab. Herzstück und Hauptattraktion der Feierlichkeiten war neben vielen kleineren Ausstellungen, Konzerten, Vorträgen und einer Flut von Gedenkschriften die „Exposição do Mundo Português“ (Ausstellung der portugiesischen Welt) vom 23. Juni bis 2. Dezember 1940.114 Dieses Musterbeispiel der Geschichtsauffassung des Estado Novo zog eine direkte Linie von 1140 über 1640 zu 1940. Programmatisch wurde die Ausstellung im symbolischen Zentrum des frühneuzeitlichen Imperiums aufgebaut, vor dem Mosteiro dos Jeronimos am Kai von Belém, dem Ort, von dem die Karavellen Vasco da Gamas, Fernão de Magalhães‘ und Pedro Alvares Cabrals zu ihren Entdeckungsfahrten aufgebrochen waren. Der federführende Architekt José Ângelo Cottinelli Telmo und ein Heer von weiteren Architekten, Bildhauern und Malern schufen eine monumentale Inszenierung nationaler Vergangenheit: Auf einer Fläche von 560 000 Quadratmetern wurden in verschiedenen Pavillons, von denen jeder mehrere Säle hatte, Etappen der portugiesischen Geschichte dargestellt, unter anderem „Gründung“ (fundação), „Formierung und Eroberung“ (formação e conquista), „Unabhängigkeit“ (independência), „Entdeckungen“ (descobrimentos), „Brasilien“, „Lissabon“ (de honra e de Lisboa), „Kolonialisierung“ (colonização). Die christliche Prägung Portugals verdeutlichte das „Haus des Heiligen Antonius“, Lissabons Stadtpatron, mit dem „Pavillon des Volkslebens“ wurde gleichzeitig eine Vorstellung „portugiesischen“ Lebens entworfen, die hohe Kultur fand im „Garten der Dichter“ ihren Ausdruck.115 Der am Ufer des Tejo errichtete „Padrão dos Descobrimentos“ (Denkmal der Entdeckungen), eine stilisierte Karavelle mit allen bedeutenden Seefahrern und Regenten der kolonialen Expansion, zunächst nur für die Dauer der Ausstellung aufgestellt, wurde nach deren Ende in
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Vgl. João: Memória e Império; dies.: Public Memory and Power in Portugal (1880–1960), in: Portuguese Studies 18/2002, S. 96–120; Margarida Acciaiuoli: Exposições do Estado Novo 1934–1940, Lissabon 1998; speziell zur Architektur José-Augusto França: Exposição do Mundo Português, in: Colóquio Artes 45/1980, S. 34–47; Rui Afonso Santos: Comemorações/Festas oficiais, in: Fernando Rosas/José Maria Brandão Brito (Hrsg.): Dicionário da História do Estado Novo, Lissabon 1996, S. 162–167. Vgl. den Ausstellungsführer Guia oficial da Exposição do mundo português, Lissabon 1940.
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5. Der Islam als nationale Lektion
Beton dauerhaft installiert.116 In sechs Monaten sahen rund 3 Millionen Besucher die Ausstellung.117 Der historische Gegner Islam hätte innerhalb dieser Geschichtsdarstellung seinen Platz im „Pavillon der Gründung Portugals“ gehabt. Jedoch waren nur Exponate ausgestellt, die die Christen symbolisierten: das Schwert und eine Kopie des Taufsteins von Afonso Henriques, Statuen von ihm und wichtigen anderen Kämpfern dieser Zeit wie Geraldo sem Pavor (ohne Furcht), das Dokument, in dem sich Afonso Henriques erstmals als König bezeichnete sowie die Bulle seiner päpstlichen Anerkennung als Herrscher.118 Gegenstände mit Bezug auf den Islam fehlten. Damit wurde eine Geschichte der Gründung Portugals als Siegesgeschichte erzählt, in der der vorhergehende Kampf offensichtlich keine Rolle spielte.119 Noch mehr fällt das Fehlen des islamischen Gegners in den 800-JahrFeiern zur Einnahme von Lissabon 1947 auf, eine Initiative der Stadt, die von der Regierung unterstützt wurde. Erinnert wurde an die monatelange Belagerung der wichtigen Bucht und Handelsmetropole, die einen Stützpunkt für den Vormarsch der christlichen Truppen in das islamische Gebiet südlich der Tejomündung darstellte. Die Erstürmung der maurischen Festung gelang Afonso Henriques dank der Hilfe fränkischer, flämischer, normannischer und angelsächsischer Kreuzritter auf dem Weg ins Heilige Land.120 Dieses Jubiläum fiel in eine Krisenzeit des Estado Novo, in der sich erstmals eine ernsthafte Opposition gegen das Regime zu formieren begann, Pläne für einen Putsch aufgedeckt wurden und eine wirtschaftliche Versorgungskrise zu internen Spannungen führte.121 Die Feiern waren umso willkommener, um anhand des Heldenkultes um den ersten König und Eroberer Lissabons Afonso Henriques Stärke der Nation und des Regimes zu demonstrieren (Abb. 12). In Afonso Henriques verbanden sich das „Kreuz Christi und das Schwert der Krieger“, schrieb der „salazaristischste aller portugiesischen 116 117 118
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Heute ist er ein touristisches Wahrzeichen Lissabons. Júlia Leitão de Barros: Exposição do Mundo Português, in: Rosas/Brito (Hrsg.): Dicionário da História do Estado Novo, S. 325–327, S. 326. Vgl. die Beschreibungen und Fotos in: Exposição do mundo português, in: Revista dos Centenários 1940, Nr. 7/8, S. 17–35, S. 18f.; Acciaiuoli: Exposições do Estado Novo 1934– 1940, S. 136–143. Auch in einem ebenfalls in der Revista dos Centenários erschienenen Artikel über die Erlangung der politischen Autonomie Portugals wird zwar die Geschichte der Entdeckungen kurz geschildert, aber der islamisch-maurische Gegner als solcher kaum benannt: José de Oliveira Boléo: Como conseguiu Portugal a sua autonomia política? Teil 3, in: Revista dos Centenários 1939, Nr. 12, S. 41–44. Der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago machte das Gedankenspiel eines Buchlektors, was geschehen wäre, wenn die Kreuzritter den Portugiesen nicht zu Hilfe gekommen wären, zum Thema seines Buchs „Historia do Cerco de Lisboa“ (Geschichte der Belagerung von Lissabon). Zu den Hintergründen der Feier Ernesto Castro Leal: Poder, Memória e Glória, in: Revista Portuguesa de História 36/2002–2003, Nr. 2, S. 313–334, S. 316–322.
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Abbildung 12: 800-Jahr-Feier der Eroberung Lissabons von den Mauren: Ehrenformation vor der Statue von Dom Afonso Henriques auf dem Castelo de São Jorge, Lissabon 1947. Die Feierlichkeiten waren geprägt durch einen Heldenkult ohne Gegner: Der Sieg Afonso Henriques wurde glorifiziert, die Mauren blieben daneben meist unerwähnt. © Arquivo Municipal de Lisboa, Foto Claudino Madeira.
Historiker“122 João Ameal (1902–1982), in der Tageszeitung Diario da Manhã.123 Diese Symbole beherrschten die öffentlichen Feiern: Am 13. Mai 1947 wurde das Schwert von Afonso Henriques nach einem Te Deum in der Kathedrale von Porto nach Lissabon eskortiert und feierlich zum Castelo São Jorge, der damals gefallenen Maurenfestung, gebracht. Dort fand vor Mitternacht eine Kampfinszenierung statt, nach der ein riesiges Kreuz über der Burg aufleuchtete und den Beginn der Festmonate einläutete. Die nach Staat und Kirche dritte wichtige Säule des Estado Novo, das Militär, zeigte sich in einer riesigen Parade zum Abschluss der Feierlichkeiten am 25. Oktober, dem Jahrestag des Sieges.124 Symbole und Reden des Fests waren von Sieges- und Kreuzzugsmetaphorik übersättigt, die sich aus der wichtigsten historischen Quelle zur mittelalter122
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Luís Reis Torgal: A história em tempo de „ditadura“, in: Catroga/Torgal/Mendes: História da História em Portugal, Bd. 1, S. 272–310, S. 279. João Ameal ist das Pseudonym für João Francisco de Barbosa Azevedo de Sande Aires de Campos. Seine Geschichte Portugals ist repräsentativ für die regimetreue Geschichtsschreibung des Estado Novo. João Ameal: A Cruz e a Espada, in: Diario da Manhã, 17. 5.1947. Programa oficial das comemorações do VIII. centenário da tomada de Lisboa, Lissabon 1947; Leal: Poder, Memória e Glória, S. 326f.
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5. Der Islam als nationale Lektion
lichen Belagerung, dem Augenzeugenbericht des englischen Kreuzfahrers Osberno,125 speiste. Der Patriarch von Lissabon Manuel Gonçalves Cerejeira, ein enger Freund Salazars aus gemeinsamen Studienzeiten, sprach in seiner Festrede von einem Tag der Freude für „den treuen Katholiken, weil die Eroberung diese Stadt der Kirche Christi gab, den patriotischen Portugiesen, weil sie sie Portugal gab, und den modernen Menschen, weil sie sie der Zivilisierung und dem Fortschritt gab.“126 Júlio Dantas, damals Präsident der Academia das Ciências (Akademie der Wissenschaften) von Lissabon, interpretierte den Sieg als „universales Ereignis“ und als Vorreiter der späteren Eroberungen.127 Spaniens Botschafter Nicolas Franco Bahamonde, der Bruder des Diktators, erbrachte einen „hispanischen Lobpreis in Erinnerung an die „Tage des Ruhms, in denen christliche Hände Lissabon den maurischen Händen entrissen.“128 Die Eroberung Lissabons wurde als eigentlicher Geburtstag der Stadt gefeiert: „Muslimische Burnusse und hebräische Umhänge verschwinden und im Gegenzug wächst das Leben, wird der Unglaube abgeschüttelt und Moscheen gereinigt.“129 Daneben war das Jubiläum Anlass für eine Mobilisierung für die Gegenwart. Der Kampf von 1947 war, wie es der Politiker Luís de Pina in einer Rede im Teatro Nacional (Nationaltheater) formulierte, eine „Schlacht ohne Ende“, die neuen Mauren hingegen „die schlechten Ideen, die schlechten Taten zur Geringschätzung und zum Schaden der Heimat.“130 Der „neue Vormarsch ungläubiger Barbaren aus dem Osten“131 machte die Lektion von 1147 umso eindringlicher. Dennoch zeichnete sich das Jubiläum 1947 wie schon die Feiern von 1939–40 durch ein Fehlen der Mauren aus, über das die in Reden und Texten aufscheinenden Zitate nicht hinwegtäuschen können. Gewiss hatten auch die Arabisten ihren – geringen – Anteil am Fest und schilderten im Rahmen der Beschreibung der Geschichte Lissabons die arabische Besiedlung, Literatur und Künste.132 Doch im Großteil der offiziellen Texte ging die 125
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Osberno: Conquista de Lisboa aos Mouros (1147). Narrada pelo Cruzado Osberno, testemunha presencial. Texto latino e a sua tradução para português pelo Dr. José Augusto de Oliveira, Lissabon 1935. Diese Worte wurden auf der Titelseite des Diario da Manhã vom 16. 5. 1947 abgedruckt, die komplette Rede im Innenteil auf S. 6. Die Rede ist abgedruckt im Artikel o. Autor: Sessão solene nos paços do Concelho, in: Revista municipal de Lisboa 33/1947, Nr. 2, S. 17–23, S. 20. Alle Grußworte abgedruckt in: Programa oficial das comemorações do VIII centenário da tomada de Lisboa, Lissabon 1947, o. Seitenzahlen. Gustavo de Matos Sequeira: Biografia de Lisboa, in: Programa oficial das comemorações do VIII centenário da tomada de Lisboa, Lissabon 1947, o. Seitenzahl. Luís de Pina: Regresso a Deus: batalha sem fim. Do Porto cristão à Lisboa mourisca, in: Boletim Cultural da Câmara Municipal do Porto 10/1947, S. 5–26, S. 6. Die Rede wurde am 26. 10.1947 im Teatro Nacional zum Abschluss der Feierlichkeiten gehalten. Ebd., S. 24. José Domingo Garcia Domingues: Arabes e moiros, in: Gustavo de Matos Sequeira
5.2 Heldenkult ohne Gegner in Portugal
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Erwähnung der Muslime kaum über die pauschalierende Floskel „Eroberung Lissabons von den Mauren“ hinaus. Die Eroberung erschien als ein fait accompli, eine genauere Skizzierung, Diffamierung oder Aktualisierung in den Presseartikeln, Reden oder anderen offiziellen Texten wurde weitestgehend verzichtet. Vielmehr diente die Eroberung, wie João Ameal in seiner vom SPN preisgekrönten Geschichtsdarstellung interpretierte, als Vorstufe für die Entdeckungsfahrten, die im Estado Novo als wichtigste historische Leistung des Landes galten: „Als Portugal die Algarve erobert, ist es vollständig. Vollständig auf der europäischen Landkarte. Vollständig in seiner Bestimmung als abenteuerliches Seefahrerland, herausgefordert durch Visionen von Abenteuer und dem Ruf der Ferne. Vollständig auch im spirituellen Sinn seiner apostolischen Mission. Al-Gharb – das Abendland. Portugal wird in der Geschichte der reinste Ausdruck, das festeste Bollwerk des äußersten europäischen Westens sein.“133
Beim historischen Umzug am 6. Juli 1947, der die Funktion einer „lebendigen Lektion für die Geschichte des Vaterlands“134 erfüllen sollte, gab es als Araber verkleidete Darsteller: verschleierte Frauen, die Tonkrüge auf dem Kopf balancierten, arabische Krieger auf Kamelen oder mit Tamburinen oder Sklaven, die den Baldachin von König Alfons V. trugen (Abb. 13). Sie erfüllten die gleiche Funktion wie die ebenfalls auftretenden indischen Prinzen auf Elefanten, mit Tigerfellen bekleidete Afrikaner oder christliche mittelalterliche Ritter: Als Siegestrophäen der Nationalgeschichte stellten sie historische Länge und geographische Breite des portugiesischen Reiches dar und gaben ein exotisch-dekoratives Element ab.135 Als herausragender Feind traten die Mauren jedoch nicht in Erscheinung. Damit inszenierten die Jubiläumsfeiern des Estado Novo einen portugiesischen Heldenkult, der ohne Gegner auskam. Weder wurde der Islam zum heldenhaften Gegner stilisiert, um die portugiesische Tapferkeit zu unterstreichen, noch auf breiter Basis diffamiert oder aktualisiert. Für dieses Zurückweichen können zwei Erklärungen angeführt werden: Vergessen und Verdrängen. Zum einen erschien der Islam als endgültig besiegter Gegner, so dass sich das Feindbild der mouros wenig für Übertragungen auf aktuelle Gegner der Nation eignete. Gewiss war die Vorstellung vorhanden, dass die Mauren einmal historische Feinde gewesen seien, aber sie hatte zu wenig Gewicht, um auf die Gegenwart einzuwirken.136 Zum anderen war das Nationsbild des frühen Estado Novo auf Homogenisierung und Kontinuitäten angelegt. Das Erbe der-
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(Hrsg.): Lisboa, oito séculos de história, Lissabon 1947, S. 84–119. Zu Garcia Domingues vgl. Kap. 3. João Ameal: História de Portugal, Porto 1940, S. 99. Artikel o. Autor: O cortejo do mundo português. Uma lição viva de História Pátria, in: Revista dos Centenários 1939, Nr. 4, S. 5–10. Fotos sind abgedruckt in der Revista Municipal de Lisboa 32/1947, o. S. María Isabel João spricht von einer „übriggebliebenen Vorstellung“ (noção residual), die aber nicht von einer speziellen Animosität gegenüber Muslimen oder von einem Kon-
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5. Der Islam als nationale Lektion
Abbildung 13: 800-Jahr-Feier der Eroberung Lissabons von den Mauren: Araber mit Tamburin auf der Praça Dom Pedro IV (Rossio) beim historischen Umzug, Lissabon, 6. Juli 1947. Zusammen mit Afrikanern, Indern und anderen Gruppen sollten die Araber die Größe des portugiesischen Weltreichs demonstrieren und dem Umzug ein exotisches Gepräge geben, ohne dass ihnen spezielle Bedeutung zugekommen wäre. © Arquivo Municipal de Lisboa, Foto Judah Benoliel.
jenigen Völker und Kulturen, in denen Portugal noch nicht als historisches Subjekt existierte wie in der Frühgeschichte, der Zeit des Römischen Reichs oder der muslimischen Herrschaft, stieß auf wenig Interesse.137 Entsprechend waren die Ideologen des Estado Novo wenig daran interessiert, das muslimische Erbe zu betonen, wie diese Interpretation anlässlich der Feiern nahelegt:
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flikt mit muslimischen Völkern oder Staaten genährt wurde. João: Memória e Império, S. 675. Vertreten wird diese These in den Untersuchungen zu Nationalismus und Archäologie in Portugal von Fabião: Archeology and nationalism, S. 90.
5.3 Zusammenfassung
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„Nach der Eroberung gab es nur sehr wenige Überbleibsel von Arabern oder Berbern. Wir hatten hier nie ein Problem mit den moriscos wie das, das so lange die kastilische Monarchie betroffen hat. Sich daher vorzustellen, dass Berber und Semiten zu den ethnischen Elementen gehörten, die Portugal geformt und ihm Gestalt gegeben hatten, heißt einen historischen Roman zu konstruieren und ist angesichts der erwiesenen Fakten wenig wahrheitsgetreu.“138
Dies zeigt sich auch im Desinteresse an der Arabistik im Estado Novo.139 Beide Erklärungsansätze sind in gewisser Weise vereinbar: Der islamische Gegner wurde nicht bewusst unterdrückt oder gar verheimlicht, denn dazu erschien er zu unwichtig. Gewiss gab es Reminiszenzen an ihn. Aber es bestand kein Interesse daran, ihn auch nur ex negativo, als prominentes Feindbild in den Vordergrund zu rücken. Vielmehr wurde seine Rolle anlässlich von Feiern marginalisiert, deren historischer Hintergrund aufs engste mit ihm verbunden war.
5.3 Zusammenfassung Die Versuche, historische Lektionen mittels Schulbildung zu erteilen, waren auf der Iberischen Halbinsel im 19. und 20. Jahrhundert begrenzter als in vielen Teilen Westeuropas. Mit Blick auf die vermittelten Vorstellungen innerhalb des Schulbuchsegments lassen sich ähnliche historische Entwicklungen ausmachen wie in der an Erwachsene gerichtete Geschichtsschreibung: In Spanien gab es eine Formierungsphase des Bildungssystems von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Jahrhundertwende, geprägt von unterschiedlichen historischen Islamdarstellungen, die vergleichsweise schwach nationalistisch aufgeladen oder ideologisiert waren. Dies geschah erst in der Phase von der Jahrhundertwende bis zur Zweiten Republik, in der alle politischen Lager sich verstärkt bemühten, ihre Geschichtsbilder auch mittels Schulbildung zu verbreiten. Insbesondere liberale Autoren integrierten zunehmend Informationen über arabische Kultur und Religion in ihre Texte. Eine Homogenisierung der didaktisch vermittelten Islambilder setzte sich erst mit den Kontrollmechanismen des Franquismus durch. Er setzte im Wesentlichen das konservative Narrativ der intrinsischen Katholizität Spaniens durch und verleibte diesem gleichzeitig die kulturellen islamischen Leistungen ein. Eine ähnliche Entwicklung kennzeichnet Portugal, wo sich die Heterogenität der Darstellungen sogar in verschiedenen Regierungsformen von der Monarchie zur Republik fortsetzte. Schulbuchautoren im Estado Novo betonten die
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A. Marques Guedes: Portugal é uma Nação (Teil 3), in: Revista dos Centenários 1940, Nr. 3, S. 6–10, S. 9. Vgl. Kap. 3.2.
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5. Der Islam als nationale Lektion
katholische Prägung des Landes und benannten, wenngleich nicht unbedingt an prominenter Stelle, die Leistungen der muslimischen Epoche. Der Moment, in dem die Zahl der Analphabeten gleich respektive kleiner zu werden begann als die derjenigen, die lesen und schreiben konnten, war in Spanien etwa in den Zwanzigerjahren, in Portugal in den Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts erreicht.140 Insofern lieferten die Jubiläumsfeiern einen bedeutenden Beitrag zur Vermittlung von Geschichtsvorstellungen, weil diese bildlich respektive in einer bildlichen Sprache transportiert wurden. Visuelle Repräsentationen wirkten ebenso wie eine bildhafte Sprache prägnanter und emotional ansprechender. Die rhetorische Beschwörung einer maurischen Gefahr spiegelte sich in ikonographischen Darstellungen, die die Mauren als gefährliche, oft amorphe Gegner zeigten. Attribute wie Krummsäbel, Turbane und Halbmonde unterstrichen sowohl Gefährlichkeit als auch Exotismus dieser Gegner. In rhetorischen und bildlichen Inszenierungen nahm der Islam in Spanien die Rolle des Hauptdarstellers ein: Ständige Aktualisierungen der moros seitens kirchlicher Akteure beschworen eine Gefahr des historischen Gegners. Ein altes Bild wurde übertragen auf neue Feinde wie Sozialisten, Atheisten oder Republikaner. Wie in jedem politischen Mythos ging es um Aufforderung zum Handeln in der Gegenwart. Konkret sollte die Erinnerung an einen historischen Abwehrkampf anstacheln zu einem aktuellen Abwehrkampf, in den sich die Kirche angesichts der Herausforderungen durch Laizismus und Antiklerikalismus verstrickt fühlte. Der Franquismus, in dessen politischen und kolonialen Diskursen sich die Fronten Christentum versus Islam zugunsten von Religion versus Atheismus verschoben, brachte auf breiter Basis keine Wende in den Islambildern und ihren Deutungen. Die Stärke der konservativen, islamfeindlichen Bilder resultierte daher aus zwei Faktoren: daraus, dass Angehörige des liberalen Spektrums dieses Islambild nicht korrigierten oder es sogar in Grundzügen übernahmen und daraus, dass mit dem Franquismus das Nebeneinander von Deutungen beendet und die traditionelle Lesart durchgesetzt wurde. Katholisch-konservative Deutungen des Islam und eine intendierte entsprechende Verbreitung gab es auch in Portugal. Dort aber war der Islam nur ein Nebendarsteller in der politischen Mytheninszenierung. Zum einen kann dies mit der schwächeren Rolle des Katholizismus erklärt werden. Die kleine, gebildete Schicht des Landes, insbesondere die städtischen Mittelschichten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, war zu einem Gutteil republikanisch und oft laizistisch eingestellt. Als Produzent und Vermittler von Wissen hatte sie einen entsprechenden Anteil daran, dass der Islam an Bedeutung und Beachtung hinter den historischen Epochen zurücktrat, die als politisch relevanter erschienen: Die Zeit der Inquisition oder der Aufklärung hingen enger 140
Vilanova Ribas/Moreno Juliá: Atlas de la evolución del analfabetismo, S. 166; Nóvoa: Le Temps des Professeurs, Bd. 2, S. 569.
5.3 Zusammenfassung
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mit republikanischen Idealen wie Gleichheit vor dem Gesetz oder Gewissensfreiheit als mit mittelalterlichen Schlachten gegen einen nicht sonderlich wahrgenommenen Gegner zusammen. Allerdings konnten dessen kulturelle Leistungen unter die Portugal prägenden Einflüsse aufgenommen werden, wie die Beispiele der Schulbücher zeigen. An dieser mangelnden Wahrnehmung änderte sich auch mit dem katholischen Salazar nichts. Wohl war in der Frühphase des Estado Novo die Kirche moralische und ideologische Säule des Staates, doch der auf ein stetes Ausbalancieren aller staatlichen Kräfte bedachte Regierungschef war viel zu vorsichtig, um einer von ihnen ein zu großes Gewicht zu geben. Auch deshalb galten im Estado Novo weiterhin die von der Republik eingeführte Religionsfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat. Ein weiterer Unterschied liegt im historischen Mythos selbst begründet. Es bestand kein gesteigertes Interesse daran, die Heldentaten der Nation am Islam durchzuexerzieren, wenn sich dafür die Entdeckungsfahrten viel besser eigneten. Im Unterschied zu Spanien hatte Portugal zu dieser Zeit noch ein Kolonialreich. Der größte Gebietsverlust, die Unabhängigkeit Brasiliens 1822, war unblutig von Statten gegangen. Da der Sohn des portugiesischen Königs erster Kaiser des jungen Staates wurde, blieb das Land in gewisser Weise in der Familie. Der Estado Novo rühmte sich Brasiliens als der „Nation, die wir schufen.“ So boten sich Portugal andere Möglichkeiten zur Inszenierung nationaler Größe. Die berühmte Karte des Secretariado de Propaganda Nacional „Portugal não é um pais pequeno“ (Portugal ist kein kleines Land), in der das Flächenverhältnis portugiesischer Kolonialgebiete mit der Landkarte Europas vorgeführt wurde, war eines von vielen Beispielen. Die Mechanismen von Instruktion und Inszenierung der Islambilder festigten damit jeweils die Tendenz, die schon anhand der Arabistik oder der kolonialen Diskurse deutlich wurde. Die Lektion, die mit dem Islam verbunden war, kann auf die vereinfachten Formeln „Spanien ist katholisch“ einerseits und „Portugal ist groß“ andererseits gebracht werden. Erstere erlangte durch den islamischen Gegner ihre Glaubwürdigkeit. Bei letzterer gab es zahlreiche Alternativen, etwa den Kampf gegen Spanien, die Entdeckungsfahrten oder die Verbreitung von Zivilisation und Kultur, mit denen diese Größe hergestellt werden konnte.
6. Der Islam als folkloristische Figur: Lokale Feste und Identität „Was ist der Maure anderes als ein muslimischer Spanier? Nehmen wir etwas Religion und etwas Sprache weg, und die Verwandtschaft und das vertraute Aussehen fallen ins Auge. Und wie viel Spanier sehen wir, die Mauren in christlicher Verkleidung sind? [. . . ] Nichts leichter, als dass ein Maure hierherkommt, die Sprache in kurzer Zeit lernt, und sich für einen waschechten Spanier ausgibt.“1 Benito Pérez Galdós: „Aita Tettauen“ (1905)
Ein inszenierter Kampf gegen moros oder turcos als Teil ritueller Feste ist in vielen Regionen des Mittelmeerraums verbreitet, beispielsweise in Südfrankreich, Korsika oder Sizilien.2 Das Land mit der größten Dichte und Bekanntheit dieser Feste ist jedoch Spanien. Die moros-y-cristianos-Feste, eine „Bricolage“3 aus verschiedenen Traditionen wie Patronatsfesten, Soldatenspielen, populären Theaterstücken und dazugehörigen Elementen wie Umzügen, Prozessionen, Schaukämpfen oder Tänzen repräsentieren einen Kampf zwischen zwei Gegnern um ein Gut, das die Identität des Dorfs oder der Stadt verkörpert: eine Burg, ein Territorium oder ein Heiligenbild. Aus ähnlichen Elementen setzen sich in Portugal autos populares4 oder mouriscas5 zusammen, dramatische Aufführungen mit Musik, Tanz und unterschiedlich hohen Textanteilen. Konstituierendes Element dieser Tänze bzw. Stücke ist 1 2
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Benito Pérez Galdós: Aita Tettauen (Episodios Nacionales Bd. 3), Madrid 1976 [EA 1905], S. 1062. Vgl. die empirische Darstellung bei Brisset Martín: Representaciones rituales hispanicas de conquista. Einen Vergleich zwischen Sizilien und Spanien macht Puccio-Den: Les Théâtres de Maures et Chrétiens. Zu Sizilien d’Agostino: Moros y cristianos en la cultura tradicional siciliana. Zum Konzept der Feste grundsätzlich Marlène Albert-Llorca/José Antonio González Alcantud: Metáforas y laberintos de la alteridad, in: dies. (Hrsg.): Moros y cristianos, S. 9–21, S. 10. Paulo Raposo definiert das auto popular als eine „hybride poetische und theatralische Repräsentation, entstanden aus der populären Verbreitung alter mittelalterlicher Romanzen oder kriegerischer Heldenlieder, deren ursprüngliche gelehrte Tradition sich mit populären Versionen vermischt, während sich die ursprüngliche Version im Lauf der Zeit verliert.“ Paulo Raposo: O Auto da Floripes: „Cultura popular“, etnógrafos, intelectuais e artistas, in: Etnografia 2/1998, Nr. 2, S. 189–219, S. 189, Anm. 2. Barbara Alge beschreibt die mourisca als „dramatischen, meist rituellen, oft prozessionalen Tanz von exotischem Charakter und zum Teil mit kriegerischen Elementen.“ Barbara Alge: Die Performance des Mouro in Nordportugal. Eine Studien von Tanzdramen in religiösen Kontexten, Berlin 2010, S. 205.
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6. Der Islam als folkloristische Figur
ein ritueller Kampf gegen turcos, mouros, pagãos oder infiéis – in der Festpraxis austauschbare Begriffe, deren gemeinsame Funktion es ist, das „Andere“ auszudrücken. Anhand der Beispiele von Neves in Portugal (Distrikt Viana do Castelo) und Alcoy in Spanien (Provinz Alicante) sollen zwei Arten untersucht werden, wie in der Festwelt das Bild eines mit dem Islam assoziierten Gegners imaginiert wird.6 Es stellt sich die Frage, wie mit Hilfe dieses Gegners eine lokale Identität stabilisiert werden konnte. Weiterhin geht es um die Gründe, warum diese lokale Identität an eine nationale Identität Anschluss finden konnte, dies aber nicht zwangsläufig musste. Die Feste sind nicht als tatsächliche Repräsentationen historischer Ereignisse zu lesen, auch wenn einige dies vorgeben. Vielmehr sind sie folkloristische7 Imaginationen des Anderen. Daher sollen ihre historischen Anachronismen in ihrer Eigenart wahrgenommen und gedeutet werden. Denn die Analyse dieser Feste gibt ansatzweise Aufschluss über das Bild eines mit dem Islam verbundenen Anderen jenseits bürgerlicher, gebildeter Schichten. Der Arbeiter aus der Textilfabrik in Alcoy oder der Bauer in Neves lasen weder Alexandre Herculano oder Modesto Lafuente. Aber sie sahen einmal im Jahr verkleidete Menschen in farbigen Pluderhosen und Turbanen, hörten Schießereien beim symbolischen Kampf und erlebten eine harmonisierende Auflösung dieser Gegensätze. Solche Darstellungen erreichten in diesen Regionen ein schichtenübergreifendes Publikum, anders als die akademische Literatur aus Madrid oder Lissabon.
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Vgl. Patricia Hertel: Moros y cristianos: Inszenierungen des „Wir“ und des „Anderen“ als erfundene Tradition im Spanien des 19. Jahrhunderts, in: David Luginbühl u. a. (Hrsg.): Religiöse Grenzziehungen im öffentlichen Raum. Mechanismen und Strategien von Inklusion und Exklusion im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 2011, S. 213-229 Der – zu Recht umstrittene – Begriff der Folklore wird in Anlehnung an Jan Harold Brunvand sowie einer entsprechenden Kritik von Hermann Bausinger verwendet, um folgende Aspekte des in diesem Kapitel geschilderten Islambilds zu betonen: Weitergabe (und entsprechende Abwandlungen) über mehrere Generationen, Formelhaftigkeit sowohl innerhalb der Darstellung als auch in Darstellungen mehrerer Orte untereinander, verschiedene Versionen innerhalb dieses Typs und eine Anonymität respektive ein Zurücktreten des Autors. Für die hier untersuchten Feste lassen sich diese Kriterien je nach Untersuchungszeitpunkt unterschiedlich gewichten. So findet in Alcoy im 19. Jahrhundert eine derartige Überformung statt, dass von einer mündlich weitergegebenen Tradition nicht mehr die Rede sein kann, während die Kriterien der Formelhaftigkeit und ihrer Variation anhand der Orte, die diesem Vorbild folgen, gegeben sind. In Neves ist das Kriterium der mündlichen Weitergabe bis ins 20. Jahrhundert vorhanden, auch Varianten innerhalb eines bestimmten Modells lassen sich bei den Abwandlungen in verschiedenen Orten und Erdteilen beobachten. Vor allem soll in diesem Kapitel der Begriff der Folklore dazu dienen, um Ausgangs- und Produktionsbedingungen des hier geschilderten Islambild von denen der vorhergehenden Kapitel abzugrenzen. Zum Begriff und seiner Diskussion vgl. Hermann Bausinger: Folkore, Folkloristik, in: Enzyklopädie des Märchens: Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Hrsg. von Kurt Ranke, Berlin/New York 1975ff., Bd. 4, Sp. 1397–1403.
6.1 Moros y cristianos: Feste im País Valenciano
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Bis zu einem gewissen Zeitpunkt wurden die Feste nur mündlich überliefert. Dies macht es für den Historiker schwierig, aussagekräftige Quellen vor dem 19. Jahrhundert zu finden. Daher kann die Aufführungspraxis oft nur an Beispielen oder in ihren Grundzügen erforscht werden. In Spanien ist es das Verdienst von Lokalstudien zu einzelnen Festen,8 Archive und Zeitungen ausgewertet zu haben.9 Wissenschaftliche Untersuchungen haben vor allem Anthropologen und Kommunikationswissenschaftler vorgelegt,10 die in unterschiedlichem Maß die historische Dimension berücksichtigen. In Portugal ist die Quellenlage noch schwieriger, da erst mit dem 20. Jahrhundert die mündlichen Traditionen schriftlich erfasst wurden. Auch hier liegen anthropologische und musikwissenschaftliche Untersuchungen vor.11 Dieser Forschungsstand bietet die Chance, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in spanischen und portugiesischen Darstellungen eines islamischen Anderen im Dialog mit anderen kulturwissenschaftlichen Disziplinen zu überprüfen.
6.1 Moros y cristianos: Feste im País Valenciano 6.1.1 Invention of tradition: Nationalisierung der Feste im 19. Jahrhundert Zentren der moros y cristianos-Feste in Spanien, das País Valenciano und Andalusien,12 sind Regionen mit besonders dichter und langer historischer mus8
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Für Alcoy Julio Berenguer Barceló: Historia de los Moros y Cristianos de Alcoy, Alcoy 1974; José Luis Mansanet Ribes: La Fiesta de Moros y Cristianos de Alcoy y su Historia, Alcoy 1991; Rafael Coloma: Libro de la fiesta de moros y cristianos de Alcoy, Alcoy 1962; Adrián Espí Valdés: De las embajadas y los embajadores de los moros y cristianos de Alcoy, Alcoy 1989; ders.: El Arte en las Fiestas de Moros y Cristianos de Alcoy, Alcoy 1976. Übergreifend der Sammelband: Tercer Congreso Nacional de fiestas de moros y cristianos, Murcia 2002. Diese liefern viele historische Fakten, wenngleich die häufig damit verbundene Absicht berücksichtigt werden muss, eine lange Tradition und die Bedeutung der eigenen Feste zu untermauern. Vgl. beispielhaft den ethnologischen Sammelband mit vielen Einzelstudien von AlbertLlorca/González Alcantud (Hrsg.): Moros y cristianos. Eine übergreifende Untersuchung aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive bietet Brisset Martín: Representaciones rituales hispanicas de conquista. Raposo: O Auto da Floripes; Alge: Die Performance des Mouro in Nordportugal. Innerhalb Spaniens gibt es zwischen den heutigen Festen des País Valenciano und Andalusien einige Unterschiede in der Gestaltung. Die Ausstattung im País Valenciano ist sehr viel luxuriöser, woraus die Vorliebe für die exotischen moros-Rollen resultiert. In den andalusischen Festen treten die moros in den Kämpfen chaotischer auf, was sie bei jungen Leuten attraktiv macht. Gleichzeitig haben die moros kleinere Sprechanteile und das soziale Prestige, das mit der Rolle einhergeht, ist nicht so ausgeprägt wie im País Valenciano. Zu den Unterschieden zwischen Alcoy im País Valenciano und Válor in den
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6. Der Islam als folkloristische Figur
limischer Präsenz. Jedoch finden sich Repräsentationen des moro in lokalen Festen auch in anderen Regionen wie in der galicischen Provinz Ourense, vor allem anlässlich des Festes des heiligen Santiago.13 Vielfach geben die Feste vor, historische Erinnerungen an eine Eroberung der Stadt durch die Mauren darzustellen. Ein historisches Ereignis gerann zur Legende. Diese wiederum wurde zu einer Möglichkeit, lokale Identität zu stärken. Damit entwarf jede Stadt, jedes Dorf eine eigene, lokale Version des reconquista-Mythos. Die Form der Feste, wie sie sich im 19. Jahrhundert durchsetzte, war das Ergebnis einer verschlungenen Mischung älterer Traditionen: An den mittelalterlichen europäischen Höfen waren Schaukämpfe zwischen Muslimen und Christen oft Bestandteil von Festen. Für die Iberische Halbinsel ist ein „Tanz von Mauren und Christen mit heftigem Kampf “ im Jahr 1150 in Lérida anlässlich der Hochzeit des Grafen Ramón Berenguer IV. von Barcelona mit Petronilla von Aragón belegt. Dies war offensichtlich eine symbolische Siegesfeier, da der Graf die Stadt ein Jahr zuvor von den Mauren erobert hatte.14 Ähnliche Festelemente sind im 13. und 14. Jahrhundert in den bedeutenden Städten an bzw. nahe der Mittelmeerküste wie Valencia, Barcelona oder Saragossa nachgewiesen.15 Hinzu kam im späten 16. Jahrhundert ein militärisches Element: Philipp II. reformierte das Militär und verlangte vom Adel, auf lokaler Ebene Soldatenkompanien auszubilden.16 Im País Valenciano, dessen Küsten in dieser Zeit Ziel von nordafrikanischen Piratenangriffen waren, dienten sogenannte soldadescas, choreographierte Kampfsimulationen, als Training.17 Die Soldaten begleiteten auch bei den Patronatsfesten, den Höhepunkten frühneuzeitlichen Dorflebens, die Prozessionen mit den Heiligenbildern.18 Die Gestaltung des Festes in der Stadt Alcoy nördlich von Alicante nahm eine Modellrolle für viele weitere Orte im País Valenciano ein. Dort scheint sich die Inszenie-
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Alpujarras vgl. Sina Lucia Kottmann: Moros y Cristianos in Südspanien. Fiesta zwischen Spiel und Ernst, Magisterarbeit Univ. Tübingen 2004. Vgl. die Übersicht von Xaquín Rodríguez Campos: As festas patronais e a identidade en Galícia, in: Galicia. Antropoloxía. Bd. 27: Relixión. Crenzas. Festas, A Coruña 1997, S. 354–375 sowie die Einzeldarstellung von Xesus Taboada Chivite: Moros y cristianos en tierras de Laza (Orense), in: ders.: Ritos y creencias gallegas, A Coruña 1980, S. 59–77 [Erstmals veröffentlicht in der Revista de dialectología y tradiciones populares Bd.11/1955, Nr. 3]. Max Harris: Muhammed and the Virgin. Folk Dramatizations of Battles Between Moors and Christians in Modern Spain, in: The Drama Review 38/1994, Nr. 1, S. 45–61, S. 46; Brisset Martín: Fiestas hispanas de moros y cristianos. Eine Auflistung bei Brisset Martín: Representaciones rituales hispanicas de conquista, S. 403–407. Brisset Martín: Fiestas hispanas de moros y cristianos, o. S. Vgl. die Einführung von Juan A. Grima Cervantes in: Ramon de Cala y Lopez/Miguel Flores González-Grano de Oro: La fiesta de Moros y Cristianos en la Villa de Carboneras precedida de una noticia histórica, Cuevas 1918 (Reprint 1993), S. XXIIIf. Harris: Muhammed and the Virgin, S. 46.
6.1 Moros y cristianos: Feste im País Valenciano
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rung eines regelmäßigen Kampfes zwischen Mauren und Christen zwischen 1609 und 1688 etabliert zu haben, also nach der Vertreibung der dortigen moriscos zur regelmäßigen Praxis geworden zu sein.19 Dass die Feste im 17. und 18. Jahrhundert zum festen Bestandteil des Stadtlebens wurden, zeigen die überlieferten Unterbrechungen in der Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs (1706–1741) und wegen einer Heuschreckenplage (1756 und 1757).20 Trotz dieser historischen Vorläufer religiöser, militärischer und dramatischer Elemente bildeten sich die Grundzüge der heutigen moros-y-cristianosFeste erst Ende des 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts heraus. Vieles spricht dafür, dass sie als eine invention of tradition im Sinn Eric Hobsbawms zu lesen sind: teils als Wieder-Entdeckung, teils als Neuschöpfung respektive neue Kombination älterer oder angeblich älterer Elemente. Die Eroberung Alcoys durch die Muslime 1276 und die Rückeroberung durch Aragón im selben Jahr bildeten einen Anlass für ein Ereignis, das der Stadt einen dreitägigen Ausnahmezustand bescherte, welcher einen historischen oder legendenhaften Hintergrund durchaus zu überstrahlen vermochte. Der Erfolg dieses neuen Festes erklärt sich durch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des 19. Jahrhunderts. Alcoy, das die Wasserkraft zweier Flüsse für die Industrie nutzen konnte, entwickelte sich zu einem Zentrum der Textil- und Papierindustrie. Dies brachte der Stadt nicht nur demographischen Aufschwung, sondern auch eine neue Schicht lokaler Bourgeoisie. Deren Selbstbewusstsein wurde so groß, dass Alcoy fallweise Alicantes Rang als Provinzhauptstadt in Frage stellte.21 Mit der Förderung der Feste und einer entsprechenden luxuriösen Ausstattung der Kostüme feierte das Bürgertum sich selbst.22 Entsprechend war die Gründung neuer filadas (valentianisch: filás, Festvereinigungen) seit Ende des 18., vor allem aber im 19. Jahrhundert nötig, um der steigenden Zahl von Teilnehmern gerecht zu werden.23 Als Industriestadt war Alcoy auch Basis einer breiten Arbeiterbewegung. Diese machte international durch die „Revolución del Petróleo“ (valentianisch: „Revolució del Petroli“) im Juli 1873 auf sich aufmerksam, in der aufständische Arbeiter den Bürgermeister töteten und einige Tage die Stadt kontrollierten, bevor der Aufstand niedergeschlagen wurde – ein Ereignis, dem auch Karl
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So vermutet es für Alcoy Mansanet Ribes: La Fiesta de Moros y Cristianos de Alcoy, S. 24. Für das Jahr 1688 ist ein Kampf anlässlich des Patronatsfestes des Heiligen Georg am 23. April belegt. Ebd., S. 83. Jesús Millán: El País Valencià en l’inici de l’Estat centralista del vuit-cents. Una aproximació, in: L’Estat-nació i el conflicte regional. Joan Mañé i Flaquer, un cas paradigmàtic, Barcelona 2004, S. 63–90, S. 78. José Fernando Domene Verdú: Síntesis histórica de las Fiestas de Moros y Cristianos, in: Tercer Congreso Nacional de fiestas de moros y cristianos, S. 353–376, S. 365. Mansanet Ribes: La Fiesta de Moros y Cristianos de Alcoy, S. 43.
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6. Der Islam als folkloristische Figur Abbildung 14: Der capitán moro (maurische Hauptmann) der filà „Marrakesh“, 1924. Die Hauptmänner gehörten – und gehören noch immer – zu den wichtigen Figuren des Festes mit den prächtigsten Kostümen. Den finanziellen Aufwand für diese Rollen konnten nur die zahlungskräftigen Bürger betreiben. © Asociación de San Jorge de Alcoy (Museu Alcoià de la Festa).
Marx einen Aufsatz widmete.24 Dass die in der Festwelt ausgetragenen und symbolisch gelösten Konflikte mit realen Klassenkonflikten innerhalb einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft in Zusammenhang standen,25 ist vorstellbar, jedoch quellenmäßig schwer nachzuweisen. Organisatorisch lag das Fest in den Händen der Elite, zuständig war ein Festausschuss in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. Ikonographisches Symbol eines neuen lokalen Selbstbewusstseins wurde die Veränderung im Erscheinungsbild des Stadtheiligen Georg. Er mutierte vom Drachentöter, als der er in der christlichen Tradition stets dargestellt wurde, zum Maurentöter, mit unübersehbaren ikonographischen Anleihen an Santiago Matamoros: San Jordi trug einen Pfeil in der Hand, bereit, damit die moros zu seinen Füßen zu durchbohren.26 Damit wurde das nationale Symbol Santiago auf lokale Ebene 24 25 26
Karl Marx: Die Bakunisten an der Arbeit. Denkschrift über den Aufstand in Spanien im Sommer 1873, in: ders./Friedrich Engels: Werke, Berlin 1972ff., Bd. 18, S. 476–493. Diese Lesart legen an: José Fernando Domene Verdú/Antonio Sempere Bernal: Las fiestas de Moros y Cristianos de Villena, Alcoy 1989, S. 206 und 209. Eine entsprechende Figur wurde erstmals 1810 bei dem valentianischen Künstler José Pérez Broquer in Auftrag gegeben. Mansanet Ribes: La Fiesta de Moros y Cristianos de Alcoy, S. 191. Dies fiel in eine Zeit, als Santiago Matamoros kaum mehr darsgestellt wurde, vgl. Ciezar: Santiago Matamoros, S. 191–210.
6.1 Moros y cristianos: Feste im País Valenciano
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übersetzt, sicher auch, um mit Anleihen an große Mythen die eigene Fest- und Stadtgemeinschaft aufzuwerten. Die Beschreibung von José Antonio Llobet y Vall-Llosera, Mitglied der Academia de Buenas Letras é Historia in Barcelona aus dem Jahr 1853 legt nahe, dass zu dieser Zeit der Ablauf des Festes eine standardisierte Form erreicht hatte:27 Das Fest begann am 22. April mit der entrada, dem Einzug der christlichen, danach der maurischen Truppen durch die Stadt. Angeführt wurden die Truppen von ihrem jährlich wechselnden capitán (Hauptmann). Der Tag des heiligen Georg, der 23. April, begann mit der diana, dem militärischen Weckruf bei Tagesanbruch. Mit einer von Mauren und Christen begleiteten Prozession des Heiligenbildes durch die Stadt war es der Tag mit der sichtbarsten religiösen Prägung. Der dritte Tag, der dia del alardo (Tag des Truppenaufmarsches), war der Auseinandersetzung zwischen moros und cristianos gewidmet: Ein embajador (Gesandter) des maurischen Herrschers erschien vor der christlichen Burg und forderte die Christen zur Übergabe des Schlosses auf. Diese weigerten sich, worauf der Kampf unter Verwendung von reichlich Schießpulver begann und die Mauren die Burg einnahmen. Dies symbolisierte das Hissen einer Fahne mit dem Halbmond. Am Nachmittag wiederholte sich die Szenerie umgekehrt, den Christen gelang die Rückeroberung der Burg und die Mauren ergaben sich. In dieser Grundform wird das Fest heute noch gefeiert. Llobet y Vall-Llosera machte sich die Mühe, alle historischen Anachronismen in Kostümen, Texten und Verwendung von Arkebusen und Schießpulver nachzuweisen. Er sparte nicht mit Kritik an „tausend lächerlichen Szenen, die man sich sparen könnte“, begeisterte sich aber für das „ursprüngliche und nationale Prinzip, das darin überragte.“28 In dieser Ambivalenz zwischen feierlichen und komischen Elementen lag wohl der Reiz für die Zuschauer. Laut Llobet y Vall-Llosera war dies nicht nur die einheimische Bevölkerung, sondern auch „viele Fremde, die ein so großartiges Spektakel anzieht.“29 So wurden die wichtigsten Elemente des Festes von Alcoy wie die entradas der Teilnehmer im Lauf der Jahre immer länger, die Prozession und der Kampf um die Burg – eine aus Pappe oder eine tatsächlich im Ort vorhandene – von vielen anderen Städten des País Valenciano übernommen. Sie fanden ihren Nährboden in den jeweiligen Stadtlegenden um die muslimische Präsenz und die lokalen Heiligen. Für die lokalen Wirtschafts- und Wissenseliten wie Bürgermeister, Unternehmer oder Lehrer, boten die Feste ein Potential, ihre
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José Antonio Llobet y Vall-Llosera: Apuntes históricos acerca de las fiestas que celebra cada año la ciudad de Alcoy a su Patrón San Jorge con referencias a la historia antigua de la misma ciudad en los tiempos de la reconquista sobre los árabes, Alcoy 1853 (Reprint Alcoy 1998), S. 5–8. Ebd., S. 8. Ebd., S. 3.
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Version von lokaler Geschichte und Identität zu verbreiten. Dies geschah auch im Rückgriff auf das neue Ordnungsmodell Nation. Der geeignetste Ort für eine Lektion in lokaler und nationaler Geschichte waren die embajadas, die Streitgespräche zwischen Mauren und Christen, die den jeweiligen Kämpfen um die Burg vorangingen. Eventuell vorhandene ältere Vorgänger aus dem 18. Jahrhundert, die frühneuzeitliche Komödien zum Vorbild hatten, wurden vor allem ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch neue Texte ergänzt oder ersetzt.30 Die Verwendung des Kastilischen in diesen Texten stützt die Lesart der elitären Überformung der Feste: Während die valentianische Variante des Katalanischen die Umgangssprache der Region bei nicht offiziellen Anlässen war, galt das Kastilische als Sprache für die Öffentlichkeit und wurde insbesondere in der Presse, im Unterricht oder im Gottesdienst verwendet.31 Zugehörigkeit zum País Valenciano und kastilische Sprache schlossen sich nicht aus, die Sprache in dieser Region galt nicht als ein identitätsbestimmender Faktor.32 Kastilische embajadas betonen so den elitären, vor allem aber auch den öffentlichen Charakter der Feste.33 Formelhafte Elemente in diesen embajadas waren gegenseitige Beschimpfungen, Bekräftigungen des Glaubens an Gott und Allah und seitens der Christen eine Beschwörung der Nationalhelden. In diesen Texten adaptierten Lokaldichter politische Mythen wie Numancia oder formten lokale Varianten des reconquista-Mythos, wie es die embajada von Castalla, einem Ort südlich von Alcoy zeigt: „Wenn es wahr ist, dass in Guadalete34 die lebendige Flamme des iberischen Enthusiasmus verlöschte, dann wird Castalla als neues Numancia35 wieder seine Asche entzünden. [. . . ] 30
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Vgl. das Vorwort zur Edition der embajadas in José Fernando Domene Verdú/Maria Mercedes Molina Berenguer (Hrsg.): Textos de las embajadas de la fiesta de moros y cristianos, Alicante 2003, S. 8–9. Zur komplexen Diglossie im País Valenciano vgl. speziell zur Sprache im Gottesdienst Vicent Pitarch: La llengua de l’administració eclesiàstica (País Valencià, segles XVII– XVIII)", in: L’espill 6–7/1980, S. 41–76; zum 19. Jahrhundert Brauli Montoya Abat: Alacant: La llengua interrompuda, Valencia 1996; zu Sprache und Nation Ferran Archilés/Manuel Martínez: La construccción de la Nación española durante el siglo XIX: logros y límites de la asimliación en el caso valenciano, in: Ayer 35/1999, S. 171–190, S. 175–179; Millán: El País Valencià en l’inici de l’Estat centralista del vuit-cents. Ebd., S. 86. Bis heute werden die meisten embajadas in Kastilisch, nicht in Valentianisch aufgeführt. Nach dem Sprachzentralismus des Franquismus und im Zug der Belebung regionaler Sprachen in der Demokratie gab es in Alcoy 1985 die Überlegung, die Texte komplett auf Valentianisch zu rezitieren, was jedoch scheiterte. Espí Valdés: De las embajadas y los embajadores de los moros y cristianos, S. 16f. Gemeint ist die Niederlage der Goten gegen Tariq in der Schlacht am Fluss Guadalete 711. Numantia war ein keltisches oppidum, das in den Kriegen gegen die Römer erbitterten Widerstand leistete und 133 von Scipio Aemilianus erobert wurde. Numantia wurde als Symbol „spanischen“ Widerstands gegen fremde Völker mythisiert. Vgl. Brinkmann: Spanien, S. 478–481.
6.1 Moros y cristianos: Feste im País Valenciano
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Wenn es Goten gab, [. . . ] die hundert Schlachten vermieden, so werden wir nicht einem so verachtenswerten Beispiel folgen.“36
Die embajada von Castalla ruft damit kastilische Mythen auf. Dies ist keinesfalls selbstverständlich. Tatsächlich wurden in den embajadas des 19. Jahrhunderts sowohl aragonesische Helden wie König Jakob I., (katalanisch Jaume I. „el Conqueridor“,37 kastilisch Jaime I. „el conquistador“, 1208–1276) und kastilische wie der Cid38 angerufen. Offensichtlich waren beide austauschbar oder schlossen sich zumindest nicht aus: Llobet y VallLlosera in Alcoy merkte an, dass der Schlachtruf der aragonesischen Christen nicht „viva España“ wie in der embajada, sondern „viva Aragón“ hätte lauten müssen.39 Die moros beschworen in den embajadas Mohammed, die Könige von Granada oder namenlose Kalifen. Ihre Darstellung war geprägt durch orientalistische Klischees des 19. Jahrhunderts, was etwa an ihrer Beschimpfung der Christen „Als Teppich diene uns ihre Kriegsfahne, als Harem ihre Burg“40 auffällt. In vielen Städten endete der Kampf mit der Reue der moros wegen ihrer Gräueltaten, die sich den „Enkeln Pelayos“41 beugten und vor dem Kreuz oder der Jungfrau Maria verneigten. Daraufhin hob die großzügige Vergebung der Christen und die Aufnahme der moros in deren Gemeinschaft die Gegensätze erfolgreich auf und läutete die gemeinsame Feier ein. Was in den embajadas mit nationalistischen, religiösen, didaktischen oder einfach nur effektheischenden Absichten formuliert wurde, trat in der Aufführungspraxis und ihren komischen oder spektakulären Elementen in der Wahrnehmung der Zuschauer sicher zurück. Möglicherweise gingen gerade die letzten Zeilen der embajadas im Rauch und Krach der Gewehrsalven unter, die abzufeuern für die Darsteller den besonderen Reiz dieses Festteils ausmachte und ihnen wichtiger war als die deklamierten Texte. Diese trugen dennoch ihren Teil zur Ritualisierung des Festes bei. Sie nährten die Vorstellung von scheinbar alten Traditionen und Bräuchen. Durch die Feste wurde eine lokale Identität entworfen, die, wie die embajadas zeigen, anschlussfähig war für eine nationale Interpretation. Intentional konnten damit die Feste 36 37
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Embajada de Castalla (1879), in: Domene Verdú/Molina Berenguer (Hrsg.): Textos de las embajadas, S. 141–145, S. 142. Z. B. in Juan Baptista Pastor y Aycart: Embajada de Beneixama (uraufgeführt 1872, ediert 1878), in: Domene Verdú/Molina Berenguer (Hrsg.): Textos de las embajadas, S. 93–102, S. 93; Infantes y Olivares: Embajada de Castalla, S. 143. Z. B. in José Vivente Senabre Villaplana: Embajada de Muro de l’Alcoi (1852), in: Domene Verdú/Molina Berenguer (Hrsg.): Textos de las embajadas, S. 263–268, S. 266; Juan Baptista Pastor y Aycart: Embajada de Fontanars dels Alforins, in: Domene Verdú/ Molina Berenguer (Hrsg.): Textos de las embajadas, S. 191–194, S. 192 (dort Erwähnung von König Jaume und dem Cid) u. S. 194. Llobet y Vall-Llosera: Apuntes históricos, S. 8. Pastor y Aycart: Embajada de Fontanars dels Alforins, S. 192. Pastor y Aycart: Embajada de Beneixama, S. 96.
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als spielerischer Stellvertreterkrieg um die Nation erscheinen, wenngleich dies in der Praxis nicht zwangsläufig so empfunden werden musste. Denn bei alledem erhielten die Feste ihren Reiz aus dem Spiel mit orientalistischen Elementen, etwa in der Möglichkeit, sich in einen exotischen moro mit aufwendigem Kostüm zu verwandeln (Abb. 14). Von dieser Faszination zeugten auch die Festplakate des frühen 20. Jahrhunderts, die vielfach die moros prominenter in den Vordergrund rückten als die cristianos: Wilde moros und sanfte moras im Art-Déco-Stil (Abb. 15) verstärkten das Bild einer karnevalesken Zeit, die gleichzeitig eng mit klassischen Bildern und Erzählungen von Nationalgeschichte verbunden war. 6.1.2 Verbot, Verbrüderung, Vorbehalte: Die Feste als Spiegel politischer Ereignisse im 20. Jahrhundert In der Festpraxis, wie sie sich im 19. Jahrhundert entwickelte, verbanden sich religiöse Elemente wie Prozession und Gottesdienst mit säkularen Elementen wie entrada und Kampf. Letztere gelangten aufgrund der steigenden Anzahl Teilnehmer und der zunehmend luxuriöseren Ausstattung in den Mittelpunkt des Interesses. Dennoch waren die Feste in den Augen der laizistischen Politiker der Zweiten Republik immer noch religiös genug, um Kritik zu erregen. Dies zeigt das Beispiel Alcoy: Am Fest von 1931, nur wenige Tage nach der Ausrufung der Republik, nahmen die Mitglieder des Stadtrats nicht an den religiösen Elementen der Feier teil, zu Beginn des Festes wurde die Marseillaise gespielt.42 Im darauffolgenden Jahr verbot der Stadtrat ganz die religiösen Elemente, worauf sich die Associació San Jordi (Vereinigung des Heiligen Georg), die seit den 1880er-Jahren die Organisation des Festes innehatte, unter Protest aus den Vorbereitungen zurückzog. Auf dem Plakat wurde das Fest schlicht als „Fiestas y ferias populares, abril 1932“ angekündigt, statt moros oder cristianos zeigte es lediglich die Farben der Republik (Abb. 15).43 Im November 1936 wurde Valencia anstelle des von den Bürgerkriegsparteien umkämpften Madrid provisorischer Sitz der Regierung. In Alcoy und dem Großteil, wenn nicht allen Orten mit dieser Tradition, fanden in den folgenden Jahren die Feste nicht oder unregelmäßig statt. Auf die Geringschätzung der Feste in der Republik folgte das Interesse in den ersten Jahren des Franquismus. Die spielerische Begegnung zwischen moros und cristianos konnte als Beweis für jahrhundertelange Beziehungen umgedeutet und in die Bruderschaftsdiskurse des Regimes eingefügt werden. Eine Schlüsselfigur für die franquistische Interpretation der moros-y-cristianos-Feste war der in Marokko stationierte Offizier Tomás García Figueras (1892–1981), der zahlreiche Schriften zu den spanischen Gebieten in Afrika 42 43
Berenguer Barceló: Historia de los Moros y Cristianos de Alcoy, S. 614–617. Dazu auch ebd., S. 639.
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verfasste. Schon vor dem Bürgerkrieg hatte er in der Zeitschrift África die Wiederaufnahme des seit 1890 ausgesetzten moros y cristianos-Festes in Benamahoma (Provinz Cádiz) beschrieben und die Einflüsse der Feldzüge auf die Darstellung betont: So hätten sich die Darsteller der moros eigens einen Bart wachsen lassen, um ihn nach marokkanischer Art stutzen zu können. Beim Kampf seien einige arabische Worte zu hören gewesen.44 Unmittelbar nach dem Bürgerkrieg veröffentlichte er mehrere Beschreibungen von morosy-cristianos-Festen im Namen des neugegründeten Instituto General Franco para la Investigación Hispano-Árabe (Institut General Franco für hispanoarabische Forschung). García Figueras interpretierte sie in franquistischer Lesart als Beleg für alte, freundschaftliche Beziehungen zwischen Spanien und Nordafrika: „Die Nationale Bewegung, die die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf das wunderbare Phänomen des marokkanischen Beitrags zum spanischen Auftrag lenkt, [. . . ] wirft jeden Tag neues Licht auf das Thema der Reconquista und zerstreut völlig viele Schatten und Vorurteile, die zwischen dem einen und dem anderen Kontinent herrschten. Die realen Kämpfe zwischen Mauren und Christen in der Reconquista und in beiden Ländern bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten vornehmlich politischen Sinn und Bedeutung; nachdem diese Umstände verschwunden sind, gibt es nichts, was sich dem herzlichen und fruchtbaren Miteinander beider Völker entgegenstellt.“45
In dieser Auslegung symbolisierten die Feste die Verbrüderung zwischen Christentum und Islam, die der franquistische Diskurs propagierte. Die Ereignisse des Bürgerkriegs sorgten für Textänderungen. In Laroles in den Alpujarras bei Granada stand der christliche historische Held Guzmán El Bueno in einer Linie mit General Moscardó, dem Verteidiger des Alcázar von Toledo und Protagonist eines der wichtigsten franquistischen Bürgerkriegsmythen.46 Franco erschien in der embajada von Benadalid (Provinz Málaga) als großzügig vergebender Held, der „nicht gern Könige und Monarchen geschlagen sieht, so perfide und tyrannisch sie auch seien, er will sie nur seinen Waffen gehorchen sehen.“47 Dies war eine Eigenschaft, die Francos Gegner im Bürgerkrieg diesem mit Sicherheit nicht attestiert hätten. Die Feste waren damit eines von vielen Mitteln, eine angeblich historische Freundschaft zu illustrieren und aufzuführen.
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Tomás García Figueras: Folklore marroqui. La fiesta de „moros y cristianos“ en Benamahoma (Cadiz), in: Africa. Revista de tropas coloniales 1935, Nr. 6, S. 110–112. Tomás García Figueras: Notas sobre las fiestas de moros y cristianos en Benadalid (Málaga), Larache 1939, S. 4f. Eine ähnliche Interpretation auch in ders.: Notas sobre las fiestas de „moros y cristianos“ en España. Bd. 2: Las fiestas de San Jorge, en Alcoy, Tetuán 1940 (Instituto General Franco para la investigación Hispano-Árabe), S. 2 der Einleitung. Roland Emerich Baumann: „Moors, Demons and Arabs“: The Changing Significance of „Moros y Cristianos“ Performances in the Alpujarra, Spain, in: Human mosaic 25/1991, S. 66–73, S. 7. García Figueras: Notas sobre las fiestas de moros y cristianos en Benadalid, S. 66.
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6. Der Islam als folkloristische Figur
Das Ende des 20. Jahrhunderts brachte neue Herausforderungen für die Feste: Zum einen erreichten sie in den 1960er-Jahren aufgrund der Entwicklung des Tourismus neue Bekanntheit. Zum anderen veränderte die ab den 1980er-Jahren einsetzende und bis heute andauernde nordafrikanische, insbesondere marokkanische Immigration das Bewusstsein für das, was alljährlich aufgeführt wurde: Das País Valenciano ist eine der Regionen mit
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Abbildung 15: Festplakate von Alcoy. Ihr Wandel spiegelt die veränderte Wahrnehmung des Festes wider: Das Plakat von 1907 spielt mit orientalistischen Klischees und betont einen exotischen Charakter des Festes. Die republikanische Plakatvariante von 1932 verzichtet auf Bilder und Nennung von Religionszugehörigkeiten. Bei der Darstellung von 1940, dem ersten Fest seit der Unterbrechung während der Bürgerkriegsjahre, sticht ein martialischer moro ins Auge, möglicherweise eine Reaktion auf den Krieg mit Beteiligung marokkanischer Söldner. In Plakaten ab den 1960er-Jahren war verstärkt die Tendenz erkennbar, beide Kontrahenten paritätisch darzustellen. © Asociación de San Jorge de Alcoy (Museu Alcoià de la Festa).
hoher marokkanischer Präsenz. Nach einer Zählung von 2001 waren dort 18 655 Marokkaner registriert, was 0,4 Prozent der Bevölkerung ausmachte.48 Eine Tendenz zu einer entsprechenden Harmonisierung machte sich unter anderem in Plakaten bemerkbar, die eine Gleichwertigkeit beider Parteien darstellten: Dies zeigte sich in Alcoy verstärkt seit den 1960er Jahren, wo die Symbolen von Halbmond und Kreuz paritätisch oder ineinander verschlungen dargestellt wurden (Abb. 15).49 Dies ergänzte sich mit der vom Tourismus zunehmend aufgegriffenen und vermarkteten Vorstellung einer mittelalterlichen convivencia der drei Kulturen und Religionen, wie sie in Andalusien oder Toledo zum Ausdruck kam. 48
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Zahlen in Daniela Flesler/Adrián Pérez Melgosa: Battles of Identity, or Playing „Guest“ and „Host“: the Festivals of Moors and Christians in the Context of Moroccan Immigration in Spain", in: Journal of Spanish Cultural Studies 4/2003, Nr. 2, S. 151–168, S. 161. Vgl. grundsätzlich ebd., S. 161–163. Andere Darstellungen Alcoys zeigen Kreuz und Halbmond als Federn eines Hahns (1962), als Pfeile auf einer Zielscheibe (1965), als Blütenblätter (1967), als Blätter eines Baums (1975) oder als Spielkarte (1980).
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6. Der Islam als folkloristische Figur
Nach den Terroranschlägen von 2001 und 2004 häuften sich Vorbehalte gegenüber den Festen. Zunehmend stellte sich die Frage, ob in diesem Kontext das Ritual eines Kampfs zwischen Christentum und Islam noch angemessen oder politisch korrekt sei. Der Vorsitzende der Federación Española de Entidades Religiosas Islámicas (Spanische Föderation religiöser islamischer Körperschaften) Félix Herrero forderte 2006 ein Verbot der Feste, weil sie einem demokratischen Spanien nicht angemessen seien.50 In vielen Orten wurde die Gestaltung angepasst. So wurde die riesige La Mahoma genannte Puppe, die in mehreren Städten durch die Straßen getragen wurde, zwar noch zerstört, aber ihr Kopf nicht mehr zur Explosion gebracht und ihr Name durch das neutralere la efigie (das Bild) ersetzt.51 Wie die Mauren zu Füßen des Santiago Matamoros in der Kathedrale von Santiago wurden auch diejenigen zu Füßen des Heiligen Georg in Alcoy mit Blumen bedeckt.52 Als die Darsteller der Feste von Alcoy 2007 zu einer Parade anlässlich des Día de la Hispanidad (Tag der spanischen Welt) nach New York eingeladen wurden, reisten nur die Christen, die Mauren blieben zu Hause.53 Trotz der geschilderten Wechsel war und ist die Funktion des moro vom 19. bis zum 21. Jahrhundert die gleiche: Er ist verbunden mit dem Unterbrechen des Alltags als zentralem Merkmal jedes Festes. Da das Fest mit einem symbolischen Einzug der Mauren beginnt und mit ihrer Niederlage endet, kann dies als Beleg dafür gelesen werden, dass während der Fest-Zeit die moros regieren.54 Sie sind Verkörperung des Ausnahmezustands, der die sonst gültige Ordnung bestätigt: „Von Gott erflehe ich Verzeihung: Als guter Bürger von Alcoy bin ich das ganze Jahr Christ, aber in den Festen bin ich Maure,“ heißt es in einem Gedicht aus dem Jahr 1924.55 Im País Valentiano gibt der moro als der spanische Andere schlechthin auch der Festzeit als „anderer Zeit“ sein Gesicht.
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Vgl. den Artikel Las entidades islámicas, contra las fiestas de Moros y Cristianos in: El Mundo, 5. Oktober 2006. Dies als Stand von 2008, vgl. Maria J. C. Krom: Festivals of Moors and Christians: Performance, commodity and identity in folk celebrations in Southern Spain, in: Journal of Mediterranean Studies 18/2008, Nr. 1, S. 119–138, S. 125f. u. S. 136, Anm. 4. Flesler/Pérez Melgosa: Battles of Identity, S. 164f. Sina Lucia Kottmann: Moros en la Costa! – Mauren an christlichen Ufern. Abwehr und Inkorporation des Fremden im Süden Spaniens, in: Peripherie 29/2009, Nr. 114/15, S. 282–303, S. 297. So eine Beobachtung von Harris: Muhammed and the Virgin, S. 47. Zitiert nach Berenguer Barceló: Historia de los Moros y Cristianos de Alcoy, S. 577f.
6.2 Bugios, turcos und Karl der Große: Feste in Nordportugal
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6.2 Bugios, turcos und Karl der Große: Feste in Nordportugal 6.2.1 Historische und mythische Konnotationen des mouro Der Begriff mouro bezeichnet in Portugal nicht nur die islamischen Berber und Araber Nordafrikas. Im Nordwesten der Iberischen Halbinsel, insbesondere in Galicien und im nördlichen Portugal, sind damit mythische, fabelhafte Wesen gemeint, um die sich viele Legenden ranken. Sie gelten als Erbauer von Dolmen, Menhiren und alten Burgen,56 sind verantwortlich für merkwürdige Gesteinsformationen und mystische Quellen, bewachen verborgene Schätze, und die wunderschönen mouras encantadas mit langen blonden Haaren gelten als Verführerinnen schlechthin. Zentrales Merkmal der mouros ist die Opposition zur einheimischen Landbevölkerung. Im Volksglauben stehen sie für alles „Andersartige“, was sich in ihrem gegensätzlichen Verhalten zeigt: Manche Legenden betonen, dass sie keine Christen seien, tagsüber schlafen und nachts umherwandern.57 In einer volkstümlichen Redewendung ist etwas, das aus der tempo dos mouros (Zeit der Mauren) stammt, aus einer alten, nicht datierbaren Vergangenheit.58 Jedoch sind diese Fabelwesen über den gemeinsamen Begriff mit den historischen mouros verbunden. Der portugiesische Archäologe, Ethnologe und Schriftsteller Francisco Martins Sarmento (1833–1899) stellte 1891 in einem Aufsatz die Frage, wie es möglich sein könne, dass Burgen und Bauwerke mouros zugeschrieben wurden, obwohl diese vor der Zeit der arabischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel erbaut worden waren oder an Orten standen, wohin die Araber nie oder nur kurz vorgedrungen waren. Er ging von der These aus, dass das Attribut „heidnisch“, das während der Christianisierung als Kampfbegriff gegen alten vorchristlichen Volksglauben benutzt wurde, mit Beginn der arabischen Herrschaft von dem Attribut „maurisch“ überformt wurde: „Heidnisch war, wie man weiß, die bevorzugte Bezeichnung der Christen für die Anhänger derjenigen Religion, die sie entthronten. Nun wurde dieser Name nicht nur in der Zeit des arabischen Einfalls gebraucht, sondern wurde gemeinsam mit dem der Mauren auf die 56
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Diese mythische Konnotation hat sich bis nach Südfrankreich hinein erhalten, wie das Beispiel des sogenannten Dolmen de la Balma del Moro in Laroque-des-Albères (Département Pyrénées-Orientales) zeigt. Llinares García: Os mouros, S. 16. Vgl. dazu auch einen der ersten bedeutenden Ethnologen Portugals, José Leite de Vasconcelos: „Wie man weiß, dient das Wort mouro in unserem Volk nicht nur dazu, zu Ruinen verfallene Häuser zu bezeichnen, sondern auch [. . . ] solche, die einen seltsamen Anblick bieten. Die Mauren waren auf der Halbinsel die letzten, mächtigsten Herrscher, und daher diejenigen, die am meisten Eindrücke hinterließen, daher der Grund für die reichliche Verwendung dieses Begriffs.“ José Leite de Vasconcelos: Portugal Pre-Historico, Lissabon 1885, S. 21.
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Araber übertragen [. . . ]. Die Bezeichnungen Maure und Heide wurden zu Synonymen, und wie es nahezu immer im Konflikt zwischen zwei Synonymen geschieht, überwog der Begriff, der eine objektive Realität hatte: der abstrakte Begriff des Heiden verschwindet, der ethnische des Mauren bleibt und ersetzt diesen in allen Anwendungen, jedoch mit den gröbsten Anachronismen.“59
Ob dies historisch so verlief, wie Martíns Sarmento vermutete, ist schwer nachzuprüfen. In der Praxis konnten Ethnologen diese Theorie zumindest bestätigen. Der Brite Rodney Gallop kam in den 1930er-Jahren in seinen Untersuchungen zu den portugiesischen mouriscas (engl: morris dance, das deutsche Wort Moriskentänze trifft den Begriff nur partiell) zu einem ähnlichen Schluss. Diese Bedeutungsverschiebung sei kein ausschließlich portugiesisches Phänomen, auch im Baskenland würden märchenhafte Gestalten mit diesem Ausdruck belegt.60 Heute gehen Forscher von einem ähnlichen Konzept der Bedeutungsverschiebung aus, in welcher der Begriff der historischen mouros zum Synonym für vorchristliche Gruppen wurde.61 Erklärungsbedürftig ist die Divergenz zwischen den zahlreichen Legenden und der historisch schwachen Präsenz islamischer bzw. mozarabischer Bevölkerung dieser Gegend. Für die Region Tras-os-Montes existiert die These, dass aufgrund der geographischen Nähe zu Santiago de Compostela über den Jakobsweg der Begriff mouros bekannt und als Synonym für „die Anderen“ geläufig war. Gleichzeitig blieb die tatsächliche muslimische Präsenz so schwach, dass die mündlichen Legenden und Phantasien unbekümmerter blühen konnten als im Süden der Halbinsel, wo die Mauren jahrhundertelang präsent und dominant waren.62 6.2.2 Facetten von Alterität in szenischen Darstellungen Das Vermischen der Bedeutungsebenen zwischen mythischen und historisch mit einer bestimmten Zeit konnotierten mouros zeigt sich auch in den autos populares oder den mouriscas. Einige davon finden nonverbal, nur mit Tanz und Musik statt. Andere autos vermischen szenische und tänzerische Elemente. Zum Teil folgen diese Aufführungen ähnlichen Mustern, wie etwa der Stoff des Auto da Floripes. Dessen Handlung ist inspiriert von dem Legendenkreis um Karl den Großen und seine Ritter, zentralen Sujets der mittelalterlichen chansons de geste, die in vielen anderen literarischen Gattungen bis in die Frühe Neuzeit weiterverarbeitet wurden.63 Geographisch fanden 59 60 61 62 63
Francisco Martins Sarmento: O que podem ser os mouros da tradição popular, in: O Pantheon 1/1881, S. 105–106 und 121–124, S. 106. Rodney Gallop: The Origins of the Morris Dance, o. Ort 1935, S. 128. Parafita: A Mitologia dos Mouros, S. 191. Ebd., S. 35. Raposo: O Auto da Floripes, S. 194f. Vgl. zum karolingischem Sagenkreis in der portugiesischen Kultur auch kleinere, in der Endphase des Estado Novo entstandenen Artikel:
6.2 Bugios, turcos und Karl der Große: Feste in Nordportugal
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oder finden mouriscas und autos im ganzen Land und auf den Inseln statt, mit einer Häufung im Norden. Die mit den mouros verbundenen Konnotationen sind vielfältig und nicht zwangsläufig auf eine historische Begegnung rückgebunden. Dies beweist der Erfolg, mit denen die autos in andere Erdteile exportiert und an die dortigen Verhältnisse angepasst wurden: In Brasilien erschienen die mouros als „ungläubige [weil protestantische] Holländer“, eine Anspielung auf den Kolonialkonflikt Mitte des 17. Jahrhunderts.64 Die Figur Karl der Große reiste im Spiel nach Amerika und Afrika, wohin der historische Kaiser nie einen Fuß gesetzt hatte.65 Das Alter des hier als Beispiel analysierten Auto da Floripes in Neves ist unklar. Belegt sind Aufführungen aus den Jahren 1860 und 1875, jedoch fielen die Beschreibungen des Festes knapp und wenig aussagekräftig für das Bild der turcos aus.66 Mit der Ersten Republik und der damit verbundenen Suche nach nationalen Identitätssymbolen erstarkte das Interesse an lokalen und regionalen Traditionen. Ländliche Bräuche galten als Beweis für Vielfalt und Authentizität portugiesischer Volkskultur, ihre Bekanntmachung sollte über die Verbundenheit zur Region die Verbundenheit zur portugiesischen Nation stärken.67 Oft waren es anderweitig ausgebildete Angehörige der kleinen lokalen Bildungselite, die erste Beschreibungen solcher Feste und Bräuche lieferten, wie Claudio Basto (1886–1945), Arzt von Beruf und Ethnologe aus Begeisterung. In seiner Beschreibung einer Aufführung des Auto da Floripes im Jahr 1910 zeichnete er das Bild eines schlichten und hermetischen Kontextes: Die Bewohner seien misstrauisch gegenüber Fremden, vertrügen keinen Spaß über ihr Stück und auch die Deklamation der Schauspieler mache den Text schwer verständlich.68 Basto konnte angeblich nur mit Hilfe einer alten Frau einige Notizen zum Text machen. Auffallend an Bastos Beschreibung ist, dass die Christen zumindest bei dieser Aufführung von älteren, die turcos von jüngeren Darstellern gespielt wurden, die weibliche Hauptrolle Floripes von einem jungen Mann, eine Sitte, die bis weit ins 20. Jahrhundert reichte. Grundsätzlich seien die Figuren immer von den gleichen Darstellern gespielt worden, die die Rollen an ihre Nachkommen „vererbt“ hätten, zum Bedauern
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António Machado Guerreiro: Floripes e os Pares de França no Teatro Popular, in: Vértice 32/1972, S. 612–629; Azinhal Abelho: Teatro popular no Minho: Ciclo Carolíngio, in: Mensario das casas do Povo 19/1970, Nr. 2, S. 9–11. Luiz Antônio Barreto: Cristãos e mouros na cultura brasileira, in: Braulio do Nascimento (Hrsg.): Euro-América: Uma realidade comum?, Rio de Janeiro 1996, S. 153–172, S. 170. Dazu auch Luís da Câmara Cascudo: Mouros, Franceses e Judeus. Três Presenças no Brasil, São Paulo 3. Aufl. 2001, S. 16–39. Jerusa Pires Ferreira: Um rei a resmas: Carlos Magno e a América, in: Nascimento (Hrsg.): Euro-América, S. 133–151. Vgl. die Auszüge der Quellen in Raposo: O Auto da Floripes, S. 196f. João Leal: Etnografias Portuguesas (1870–1970): Cultura Popular e Identidade Nacional, Lissabon 2000, S. 57f. Claudio Basto: Falas e tradições de Viana do Castelo – Auto da Floripes, in: Revista Lusitana 15/1912, Nr. 1–4, S. 71–102, S. 71f.
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der älteren Dorfbewohner, die den Niedergang des Stücks beklagten.69 Dahinter verbarg sich möglicherweise ein Skeptizismus Bastos, der auf der Suche nach einer ursprünglichen Volkskultur möglicherweise Abgeschlossenheit, Alter und archaisch anmutende Aufführungspraktiken in den Vordergrund rücken wollte.70 Im Estado Novo, der die ethnographischen Linien der Republik auf der Suche nach populären Zeugnissen eines portuguesismo fortsetzte,71 wurde der Text des Stücks erstmals komplett aufgeschrieben. Der Apotheker Leandro Quintas Neves (1895–1972) ließ die Schauspieler den Text, den diese auswendig konnten, wieder und wieder rezitieren. Dieser Text gelangte in den Besitz der Regionalbehörde des Secretariado de Propaganda Nacional (Sekretariat für Nationale Propaganda) in Porto und wurde 1963 gedruckt. Gemäß dieser Textausgabe72 ist der Kern der Handlung ein Zweikampf zwischen Olivares, einem Ritter Karls des Großen, und Ferrabrás, König von Alexandria und Sohn des „Türkenkönigs“ Balaão, die sich stellvertretend für ihre Herrscher duellieren. Beide werden vom gegnerischen Lager gefangen genommen. Während Ferrabrás die Taufe erbittet, befreit seine Schwester Floripes Olivares, da sie hofft, er könne sie zum christlichen Ritter Guy von Burgund führen, in den sie verliebt ist. Nach einem weiteren Kampf der beiden Könige, bei dem die Türken sich schließlich ergeben, versöhnen sich die Parteien mit einer Lobeshymne an die Muttergottes von Neves, an deren Festtag, dem 5. August, das Stück aufgeführt wird. Handlung und Text sind geprägt von vielen Anachronismen. Ferrabrás rühmt sich für die Christen verachtenswerten Schreckenstaten, die keineswegs nur historischen Muslimen, sondern generell anderen Religionen zugeordnet werden können: „Ich bin derjenige, der Rom zerstörte, die Apostel tötete und die Reliquien raubte [. . . ]. Ich besitze Jerusalem und das Grab, in dem euer Gott bestattet wurde.“73 Sein Vater, der Türkenkönig, betont: „Unsere Götter Mohammeds waren immer barmherzig.“74 Hier wird Mohammed für einen Gott gehalten und Stereotypen des Islam mit solchen eines vorchristlichen Polytheismus verbunden. Damit spiegelt sich die in der portugiesischen Sagenwelt übliche Vermischung von „heidnisch“ und „islamisch“ auf der Textebene. Der turco Ferrabrás ist nicht nur negativ dargestellt. Er bietet dem verletzten Olivares mehrfach an, ihn mit heilendem Öl zu salben, demselben, „mit dem dein Gott einbalsamiert wurde, als man
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Ebd., S. 93. Vgl. dazu Raposo: O Auto da Floripes, S. 201. Leal: Etnografias Portuguesas, S. 58. Auto da Floripes. Recolhida da tradição e anotado por Leandro Quintas Neves, Porto 1963. Ebd., S. 18. Ebd., S. 15.
6.2 Bugios, turcos und Karl der Große: Feste in Nordportugal
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ihn vom Kreuz nahm und ins Grab legte“,75 eine Reminiszenz an die Bibel. Auch Olivares bescheinigt ihm „Ritterlichkeit und Adel.“76 Der Ethnologe Gallop betonte in seiner Beschreibung der Aufführung von 1932 die (farben)prächtigere Kleidung der turcos und die klare Zuteilung der Bühne: auf einer Seite eine weiße Fahne mit rotem Kreuz, auf der anderen eine rote Fahne mit weißem Halbmond.77 Im Jahr 1931 trug Floripes ein geblümtes Kleid mit Perlenkette und Hut, wie es die portugiesischen Frauen dieser Zeit für festlichere Anlässe benutzen. 1948 war daraus ein knöchellanges Kleid aus glänzendem Stoff mit Umhang und einer Phantasiekrone geworden (Abb. 17), Karl der Große trug einen bestickten langen Mantel und eine goldene Krone.78 Im Lauf der Jahre wurden, wegen finanzieller Unterstützung von Gönnern, die Kostüme exotischer und prächtiger. Optisch erschienen ab Mitte des 20. Jahrhunderts die turcos mit wallenden Umgängen, Turbanen und Halbmond, waren also mit orientalistischen Attributen ausgestattet (Abb. 18). Hinzu kamen Anspielungen auf die Gegenwart: In einem ähnlichen auto in Portela Susã bei Neves trugen 1999 die christlichen Soldaten alte Uniformen der portugiesischen Armee.79 Die Vermischung von turcos, mouros und pagãos in Neves ist kein Einzelfall, wie das Beispiel der Turquia in Crasto (Distrikt Viana do Castelo) zeigt. Auch dieses Theaterstück geht auf die karolingischen Heldenlieder zurück, die im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert in Mode waren. Die einzelnen Überlieferungs- und Überarbeitungsstufen sind auch hier kaum nachzuvollziehen. Turquia (Türkei) erscheint als Heimat der „Ungläubigen“, der Sultan bezeichnet sich als „Herr von Alexandria“ und sein Abgesandter als „Botschafter Afrikas“.80 Diese geographischen Inkongruenzen sind erklärbar mit unklaren Vorstellungen und Berichten, die in die nordportugiesische Provinz drangen, doch sie wurden zu keiner Zeit korrigiert und didaktisch überformt. Am Text ist auffällig, dass die cristãos Portugiesisch sprechen, die turcos ein verbalhorntes Kastilisch, das für die Zuschauer noch einigermaßen zu verstehen war. Dies diente zur Unterstreichung der Andersartigkeit, aber auch dem komischen Effekt, dem Lächerlichmachen des Gegners.81 Diese Anachronismen belegen, dass in den mündlichen Überlieferungen dieser Stücke die Bezeichnungen mouro oder turco ohne realen Gehalt 75 76 77 78 79 80 81
Ebd., S. 19. Ebd., S. 22. Rodney Gallop: Portugal – a book of folk-ways, Cambridge 1936, S. 177. Vgl. die Fotos in Alberto A. Abreu: O Auto da Floripes e o imaginário minhoto, Viana do Castelo 2001, S. 40–55, zur Ausstattung S. 47. Ebd., S. 29, Abb. S. 31. Vgl. das Textmanuskript bei Claudio Basto: A Batalha entre turcos e cristãos na Ribeira (Ponte-do-Lima), in: Revista Lusa 15–16/1917, S. 119–124. Dies ist eine Technik, die schon der berühmte frühneuzeitliche Dramatiker Gil Vicente (um 1465–1536) benutzte. Vgl. António P. de M. dos Reis: Origem da „Turquia“ de Crasto, in: Almanaque de Ponte de Lima, Ponte de Lima 1980, S. 143–148, S. 146f.
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6. Der Islam als folkloristische Figur
Abbildung 16: Kampf zwischen cristãos und turcos, 1930–31. Mit Hüten und Umhängen versuchten die Darsteller, ihrer ländlichen Kleidung eine altertümliche Note zu geben. Einige dieser Kleidungsstücke waren schon sehr alt, weil sie über Jahrzehnte verwendet wurden, denn Mittel für neue Kleidung waren rar. Foto: Alexandre Gigante, abgedruckt in Alberto A. Abreu: O Auto da Floripes e o imaginário minhoto, Viana do Castelo 2001, S. 63.
auf alles angewandt werden konnten, was das „Andere“ oder „den Feind“ ausdrücken sollte. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das „Eigene“ über Christentum und Religion definiert wurde, diese Konnotation aber ebenfalls vage ausfiel. Die Figur des Anderen verschwimmt noch mehr in nonverbalen Darstellungen, etwa der am Johannistag (24. Juni) aufgeführten bugiada in Sobrado (Distrikt Porto), die tänzerisch den Kampf um ein Heiligenbild zwischen den christlichen bugios und den mourisqueiros erzählt.82 Die Tänze der mourisqueiros folgen einer genauen Choreographie, die vorher gründlich einstudiert werden muss. Ihre Darsteller sind unverheiratete, junge Männer, die einem Auswahlverfahren unterliegen, was die Teilnahme als mourisqueiro zu einer Art Initiationsritual macht. Dem steht das anarchische, wilde Treiben der bugios, die auch als „Affen“ bezeichnet werden,83 gegenüber. Daran darf sich jeder beteiligen, der möchte.84 Die mourisqueiros sind als Andere, jedoch nicht als Ungläubige konstruiert. Ihre militärisch anmutende 82 83 84
Historisch belegt sind diese Tänze durch einen Augenzeugenbericht von 1882, vgl. José Leite de Vasconcelos: Etnografia Portuguesa, Lissabon 1994ff. [EA 19311ff.], Bd. 8, S. 409. Alge: Die Performance des Mouro in Nordportugal, S. 147. Manuel Pinto: A Bugiada: festa, luta e comunicação. Comunicação apresentada ao IV Encontro Lusófono de Ciências da Comunicação em São Vicente, Brasil, 19 a 22 de Abril de 2000, Online-Publikation, http://www.bocc.ubi.pt/pag/_texto.php?html2=pinto-manuel-bugiada.html, (20. 1. 2008), o. Seite.
6.2 Bugios, turcos und Karl der Große: Feste in Nordportugal
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Abbildung 17: Die turcos Balaão, Ferrabrás, Floripes und Brutamontes im Jahr 1948. Turbane und bestickte Gewänder ließen die Darsteller um einiges fremdartiger aussehen als noch 1930. Foto: Leandro Quintas Neves, abgedruckt in Alberto A. Abreu: O Auto da Floripes e o imaginário minhoto, Viana do Castelo 2001, S. 41.
Kleidung unterstützt die genaue Choreographie ihrer Tänze, ihre Kleidung macht keine Anleihen an muslimischen Turbane oder Säbel. Sie tragen auch keine Gesichtsmasken wie die bugios. Besiegt werden sie vor allem durch die magische Schlange und nicht durch die Intervention eines Heiligen. Die Bedeutungsvielfalt der mouros und turcos in portugiesischen Festen gibt diesen damit einen wenig konkreten, mehr legendenhaften als historischen und interpretationsoffenen Charakter. Reminiszenzen an die islamische Präsenz auf der Iberischen Halbinsel boten offensichtlich Hintergrund für eine Legende, auch aus dramaturgischen Gründen. Doch insgesamt teilen die Feste mit der historischen Präsenz auf der Halbinsel höchstens eine vage Konnotation. Weder im 19. Jahrhundert noch im Estado Novo wurde versucht, die Feindbilder zu konkretisieren oder in eine bestimmte Richtung zu ideologisieren. Die Feste vermittelten keine Deutung für die Gegenwart, die über die lokale Identitätsbildung hinausging. Die Gegner wurden, soweit dies aus der Quellenlage erschließbar ist, weder aktualisiert noch nationalisiert. Bezugsgröße blieb in erster Linie das Dorf. Eine didaktische Elitensteuerung ist kaum feststellbar. Über den Kontext des mouro hinaus kann dies sich mit einem Desinteresse bzw. der fehlenden Notwendigkeit einer Nationalisierung begründen lassen. Typisch national ist hingegen der Prozess einer Rekonstruktion von „folkloristischen“ Traditionen und das Interesse einer gebildeten Oberschicht an dörflichen Legenden und Bräuchen. Diese konnten, wie auch in der euro-
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6. Der Islam als folkloristische Figur Abbildung 18: Ferrabrás, Mitte des 20. Jahrhunderts. Spenden von Gönnern des Festes ermöglichten ab 1962 aufwendigere und kostbarere Kostüme als in den früheren Jahrzehnten. Diese trugen ihren Teil zur zunehmenden Exotisierung der turcos bei. Foto: Leandro Quintas Neves, abgedruckt in: Alberto A. Abreu: O Auto da Floripes e o imaginário minhoto, Viana do Castelo 2001, S. 82.
päischen Romantik, als Beweis für die Existenz einer „Volksseele“ und eines entsprechenden Alters der Nation angeführt werden.
6.3 Zusammenfassung Feste antworten auf das Grundbedürfnis nach Abwechslung vom Alltag. Wie eine mit Essen und Trinken, Musik und Tanz, Spiel und Zerstreuung gefüllte freie Zeit inhaltlich konnotiert ist, wechselt im Jahreskreis und zwischen Ländern, Religionen und Kulturen. Ihre Inhalte sind austauschbar, ihre Funktion nicht. Doch kein Festanlass ist zufällig. Solange ein Ritual andauert, vermag es auf ein Bedürfnis zu antworten. Seine Veränderungen zeugen von einem Wandel dieser Bedürfnisse, aber auch vom Potential einer Anpassungsfähigkeit. Gleichzeitig wirken die Feste in den Alltag hinein. Sie bieten Distanz zu diesem, aber gleichzeitig die Möglichkeit, ihn zustimmend oder kritisch zu reflektieren. Für diese universellen Rituale bietet in den geschilderten iberischen Beispielen der Kampf mit folkloristischen Imaginationen des Islam den speziellen, für die Ebene des Dorfs oder Stadt adaptierten narrativen Rahmen. Moros und mouros sind Vehikel, durch die normale Zeit zu Aus-Zeit, Alltag
6.3 Zusammenfassung
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zu Fest mutiert, in der Gegensätze zwischen dem Eigenen und dem Fremden verhandelt werden. Die Versöhnung mit dem Gegner am Ende zelebriert die Aufhebung der Gegensätze. Der darin enthaltene Bezug auf die Stadt oder den lokalen Heiligen interpretiert diese Rituale zur Stabilisierung einer lokalen Identität. In Spanien sind die moros-y-cristianos-Feste angesiedelt in Gebieten, in denen historisch viele moriscos lebten: dem País Valenciano und Andalusien. Aus verschiedenen älteren Traditionen formten im 19. Jahrhundert wirtschaftliche und intellektuelle Eliten im Stil einer invention of tradition einen neuen Typ Fest. Dieser wurde didaktisch überformt und dadurch nationalisiert: Er beschwor historische Mythen, die als historische Fakten erschienen, und stilisierte in vielen Fällen den lokalen Kampf zu einem Stellvertreterkampf für Spanien. Die didaktische Überformung war jedoch nicht so politisch aufgeladen wie in den Jubiläumsfeiern: Im Unterschied zu diesen, wo die patriotische Abwehr eines furchterregenden Gegners im Vordergrund stand, bezogen die moros-y-cristianos-Feste gerade ihren Reiz aus der Andersartigkeit des moro. Seine exotische Konnotation war in der Auszeit auf Zeit gerade erwünscht und gab dem Fest den Charakter des Außergewöhnlichen, Nicht-Alltäglichen. Die Feste wurden touristisch bekannt und erhielten entsprechende Aufmerksamkeit: Politische Ereignisse beeinflussten ihre Gestaltung und Interpretation und spiegelten Fragen nach dem gesellschaftlichen Umgang mit dem Anderen wider. In Portugal sind die Feste vor allem in Gebieten mit einer nicht vorhandenen oder schwachen historischen Präsenz des Islam angesiedelt.85 Auch hier standen verschiedene Traditionen Pate. Eine didaktische Überformung fand nicht einmal dann statt, als die Ethnologen des 20. Jahrhunderts mit der Erschließung und Beschreibung der Feste begannen. Vielmehr galten die Feste als Beweis für ein urtümliches portugiesisches Brauchtum. Die jeweilige Figur, die den Anderen repräsentierte, war wenig konkret und entsprechend 85
Tatsächlich gibt es in der Algarve, der Gegend mit der längsten muslimischen Präsenz im späteren Portugal, offensichtlich viel weniger mit den mouros verbundene Feste. Für das 20. Jahrhundert ist in Santa Catarina da Fonte do Bispo (Distrikt Faro) ein combate de mouros (Maurenkampf) anlässlich des Festes der Schutzpatronin Nossa Senhora das Dores am 3. Wochenende im August belegt, der mit dem Sieg der Christen und dem Verbrennen einer symbolischen Festung endet. Möglicherweise ist diese Aufführung verbunden mit der Erinnerung an die Schlacht zwischen maurischen Truppen und Paio Peres Correa, Großmeister vom Orden des Heiligen Santiago, der im 13. Jahrhundert zahlreiche Städte der Algarve von den Mauren eroberte. Vgl. José Fernandes Mascarenhas: Elementos históricos sobre a freguesia de Santa Catarina da Fonte do Bispo e a batalha do „Desbarato“ entre mouros e cristãos, Tavira 1972, S. 22f. Ein historischer Vorläufer war möglicherweise das für König Dom Sebastião 1575 in Tavira inszenierte Tanz-KampfSpektakel mit Teilnehmern, die „á mourisca“ gekleidet waren: Damião Augusto de Brito Vasconcelos: Notícias Históricas de Tavira 1242–1840, Tavira 1999 [EA 1937], S. 68. Das Fest in Santa Catarina wird heute alle zwei Jahre aufgeführt. Ich danke dem Museu Municipal de Tavira für diese Informationen.
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6. Der Islam als folkloristische Figur
interpretationsoffen. Ihre Bezeichnungen waren austauschbar und die mit ihr verbundenen Konnotationen wechselnd. Das Publikum der Feste war ein lokales, ebenso wie die Aussage im lokalen Rahmen verblieb und sich nicht auf die Vorstellung einer portugiesische Nation ausdehnte. Der Gegensatz zwischen einer spanischen Omnipräsenz und einem portugiesischen Rückgang der mit einem islamischen Anderen verbundenen Feste zeigt sich in Zahlen. Von den insgesamt rund 300 Festen dieser Art weltweit86 findet heute der überwiegende Teil in Spanien statt. Dort wurde 1976 ein Dachverband, die Unión Nacional de Entidades Festeras de Moros y Cristianos (Nationale Union der Körperschaften von moros-y-cristianos-Festen) ins Leben gerufen, der die Zahl der 25 Gründungsmitglieder längst überschritten hat. Hinzu kommen viele Städte und Dörfer, die die Feste begehen, ohne Mitglied zu sein. Die Zahl der Orte, die nach dem Modell Alcoys oder anderer Städte solche Feste feiert, ist steigend. Sie sind Anziehungspunkte für Touristen, auch aus dem Ausland.87 Ihre Darsteller, insbesondere die jeweiligen capitáns, investieren zum Teil vierstellige Euro-Beträge in die Ausstattung.88 Das öffentliche Interesse ist aufgrund der aktuellen politischen Situation größer denn je. In Portugal sind die mouriscas eine verschwindende Tradition.89 So verzeichnet eine neue Untersuchung neunzehn nicht mehr aufgeführte, sechs unregelmäßig und acht regelmäßig aufgeführte mouriscas.90 Folkloristische Bilder des Islam stehen mit solchen der von Eliten geschriebenen Historiographie in Wechselwirkung. Sie existieren nicht voneinander getrennt, sondern verbinden sich. Die Wege zu dieser Verbindung sind oft im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbar. Die Omnipräsenz des spanischen moro in der Historiographie spiegelt sich in einer reichen Festtradition, während sich die die Interpretationsoffenheit des portugiesischen mouro in der Geschichtsschreibung in den Festen fortsetzt.
86 87
88 89 90
Zahl bei Brisset Martín: Fiestas hispanas de moros y cristianos, o. S. Das Fest von Alcoy wurde 1980 vom spanischen Tourismusministerium zu einer „Fiesta de Interés Turístico Internacional“ (Fest von internationalem touristischen Interesse) erklärt. Die jeweilige Finanzierung ist unterschiedlich. Ein Beispiel für die Kosten der normalen Teilnehmer, nicht der capitáns, gibt Krom: Festivals of Moors and Christians, S. 132. Eine Ausnahme ist die bugiada in Sobrado, die mit einer Webseite und einem Blog auf sich aufmerksam macht: http://bugiosemourisqueiros.blogspot.com/ (26. 11. 2010). Eine Aufstellung bei Alge: Die Performance des Mouro in Nordportugal, S. 219–222.
7. Schlussbetrachtung „Bald werden wir nachforschen, Was unsere Geschichte in den fernen Ländern neben eurer Geschichte war, Und am Ende werden wir uns fragen: War al-Andalus Hier oder dort? Auf der Erde . . . oder im Gedicht?“1 Mahmud Darwish: „Elf Sterne über dem letzten andalusischen Schauplatz“ (1992)
Die Bezeichnung „Islam“ auf der Iberischen Halbinsel war ein semantisches Passepartout. „Islam“ war ebenso ein Projektionsraum für heterogene Vorstellungen wie in anderen Kontexten „Europa“ oder „Abendland“.2 Dieser Projektionsraum war bestimmt durch das Interesse verschiedener Akteure in sich wandelnden politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten. Die folgenden Ausführungen legen ein Periodisierungsmodell des Untersuchungszeitraums dar und systematisieren die Befunde des spanischportugiesischen Vergleichs. Im Licht dieser Ergebnisse werfen sie nochmals die Frage nach der Iberischen Halbinsel als Geschichtsregion auf und formulieren einige perspektivische Überlegungen zur historischen Kontaktzone Balkan. Auf der Iberischen Halbinsel koexistierten im 19. und 20. Jahrhundert unterschiedliche Bilder des Islam und der muslimischen Präsenz im Mittelalter. Das Spektrum dieser Bilder, Zuschreibungen und Wertungen reichte von Abwehr und Marginalisierung bis zu Aneignung und Überhöhung. Diese Prozesse verliefen jedoch nicht linear von einem Pol zum anderen. Der erinnerte Halbmond, seine Wertungen und Konnotationen unterlagen Kontinuitäten und Brüchen. Diese waren beeinflusst von verflochtenen kulturellen und politischen Prozessen. Bei der Periodisierung solcher Prozesse finden sich „Häufigkeitsverdichtungen von Veränderungen“3 , die sich aus übereinander gelegten Zeitrastern ergeben. In einem solchen Verständnis lassen sich für die Konjukturen des Islambilds auf der Iberischen Halbinsel drei Phasen unterscheiden: 1. eine Phase der Formierung historischer Narrative von der 1
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Mahmud Darwish: Wir haben ein Land aus Worten. Ausgewählte Gedichte 1986–2002. Üb. und hrsg. von Stefan Weidner, Zürich 2002, S. 49. Entgegen der Übersetzung „Andalusien“ von Weidner verwende ich in diesem Zitat das im arabischen Original stehende „al-Andalus“, um den Unterschied zwischen dem modernen Andalusien und dem historischen al-Andalus zu akzentuieren. Dies haben mehrere Studien gezeigt, vgl. z. B. die Ergebnisse zu westdeutschen Europavorstellungen von Vanessa Conze: Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920–1970), München 2005. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 115.
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7. Schlussbetrachtung
Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts; 2. eine Phase der Extensivierung der Islambilder in Spanien sowie ihrer Marginalisierung in Portugal von der Jahrhundertwende bis zu den 1930er-Jahren; 3. eine Phase der teilweisen Revision maurophober Islamvorstellungen vom Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der Diktaturen. Die erste Phase setzte mit den bürgerlich-liberalen Geschichtsschreibungen ein. Autoren wie Modesto Lafuente und Alexandre Herculano stellten eine spanische respektive portugiesische Nation und nicht etwa die Monarchie in den Vordergrund ihrer Geschichtswerke. In diesen Darstellungen mussten sie der muslimischen Vergangenheit im Mittelalter einen bestimmten Platz zuweisen. Zum Teil griffen die Autoren auf ältere Vorstellungen zurück, verorteten diese jedoch in einem neuen historiographischen Kontext. Ihre politischen Rahmenbedingungen waren die Kämpfe zwischen Liberalismus und Konservatismus und deren Versuche, bestimmte Lesarten der nationalen Vergangenheit zu propagieren und durchzusetzen. Das Ringen um eine gegenwärtige Gestaltung der Gesellschaft spiegelte sich in der Konkurrenz von verschiedenen Geschichtsbildern, die entsprechend unterschiedliche Islambilder hervorbrachten: affirmative, ablehnende oder ambivalente. Insbesondere in Spanien verliehen mehrere Faktoren diesen Debatten Dynamik: Zum einen stellten die Arabisten neue Interpretationsmodelle für die islamische Vergangenheit bereit. Zum anderen übertrugen Afrikanisten und andere koloniale Akteure mit ihren Publikationen historische islamfeindliche Stereotype und orientalistische Phantasien in die Gegenwart. Während der zweiten Phase in den Jahrzehnten rascher politischer Systemwechsel, in denen die Monarchien abgeschafft, Republiken ausgerufen und gestürzt sowie Diktaturen aufgebaut wurden, verfestigten sich die zuvor angelegten Tendenzen in den Islambildern: Inhaltlich konsolidierten sich bestimmte Deutungen, formal verstärkten sich die Tendenzen in der Intensität des Redens über den Islam. Aufgrund der grundsätzlichen Unterschiede im Islambild Spaniens und Portugals war dies die Phase, in der die Entwicklung in beiden Ländern am stärksten auseinanderdriftete. Sie fand jeweils unter umgekehrten Vorzeichen statt. In der Endphase der spanischen Restauration intensivierten alle politischen Lager ihre Debatten um ein ser de España, was die ideologische Bandbreite der Islambilder noch weiter ausdehnte: Während liberale Autoren die islamische Vergangenheit säkularisierten und sie vor allem unter ihrem zivilisatorischen Aspekt behandelten, betonten katholisch-konservative Kreise die heilsgeschichtliche Bedeutung eines Kampfes gegen „neue Mauren“. Insbesondere im Spanischen Bürgerkrieg prallten konkurrierende Deutungen aufeinander, da die Propaganda beider Lager die Präsenz von Marokkanern unterschiedlich darstellte. War der Islam in den Kolonialkriegen noch zum äußeren Gegner Spaniens stilisiert worden, so setzten ihn nun beide Bürgerkriegsparteien als Waffe gegen den als „unspanisch“ empfundenen Kontrahenten ein.
7. Schlussbetrachtung
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In Portugal hingegen verstärkte sich die Tendenz zur Marginalisierung der islamischen Vergangenheit. Der institutionelle Aufbau einer universitären Arabistik in der Republik zeugte weniger vom spezifischen Interesse an dieser Facette nationaler Vergangenheit. Vielmehr war er Teil der allgemeinen Bemühungen um den Anschluss Portugals an mitteleuropäische Bildungsstandards und eine Differenzierung akademischer Disziplinen. Der Estado Novo propagierte die Einheit des kontinentaleuropäischen Portugals und dessen atlantischer Expansion. Die Formierung Portugals im plurikulturellen Mittelmeerraum erschien als ein potentieller Störfaktor bei der Darstellung nationaler Einheit. Daher wurde sie eher ausgeblendet. In den Bemühungen der Diktaturen um ideologische Vereinheitlichung konnten sich während der dritten Phase Geschichtsbilder konsolidieren, die den jeweiligen Regimes gefällig waren. Intellektuelle Auseinandersetzungen um die entsprechende Rolle des Islambildes, wie sie die vorherigen Phasen kennzeichneten, waren innerhalb der Diktaturen so nicht mehr möglich. Die heftigste historiographische Debatte dieser Zeit trugen Américo Castro und Claudio Sánchez-Albornoz bezeichnenderweise im Exil aus. Aufgrund der konservativen Prägung beider Regimes verfestigten sich in dieser Phase die traditionellen Geschichtsbilder. Damit rückte die katholische Prägung der Nation in den Vordergrund. Dennoch vollzogen sich in dieser auf den ersten Blick statisch anmutenden Phase Revisionen im Islambild und den entsprechenden Vorstellungen nationaler Vergangenheit: Es häuften sich positive Wertungen des Islam als Religion, nicht nur als Kultur. Die dahinterstehende politische Motivation, der Erhalt von Macht in zusehends anachronistisch anmutenden Kolonialreichen, verband sich mit historisch-kulturellen Legitimationen: Franquistische Ideologen deuteten die Straße von Gibraltar als verbindendes Element und das Mittelalter weniger als eine Zeit religiöser Auseinandersetzung, sondern historischen Kontakts. Diese Vorstellung erwies sich selbst nach der Unabhängigkeit Marokkos noch als nützlich, um mit dem Umweg über die arabische Welt Anschluss an die internationale westliche Gemeinschaft zu finden. Kolonialpolitiker des Estado Novo, die jahrzehntelang den kolonialen Muslimen keine spezielle Aufmerksamkeit geschenkt hatten, griffen in den 1960er-Jahren das Vokabular der kirchlichen Aufbruchsstimmung auf und entwarfen die Vorstellung einer „portugiesischen Ökumene“. In beiden Regimes fanden diese Veränderungen vor allem in der politischen Rhetorik statt. Sie beseitigten jedoch nicht völlig maurophobe Nationsvorstellungen, die parallel dazu beispielsweise in Schulbüchern weiter gepflegt wurden. Diese Mechanismen gehorchten Wandlungsprozessen in der politischen Kultur und den damit einhergehenden Thematisierungen des Islam. Politische Systemveränderungen lieferten nur die Rahmenbedingungen dafür, dass bestimmte Vorstellungen und Bilder zu bestimmten Zeiten in den Vordergrund treten konnten. Diskurse über den Islam aus den Zeiten der Monarchien konnten bis in die Diktaturen überdauern: So waren die mau-
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7. Schlussbetrachtung
renfreundlichen Diskurse der Franquisten nicht neu, sondern griffen auf Narrative der Arabisten und Afrikanisten zurück. Hatten diese im 19. und frühen 20. Jahrhundert ein Nischendasein geführt, bekamen sie erst eine politische Bühne, als sie in aktualisierter Form im Franquismus politisch passfähig wurden. Hingegen waren die Republiken zu kurzlebig, um eigene, neue Vorstellungen islamischer Vergangenheit zu entwerfen. Politisch Strukturelles und politisch Imaginäres fielen nicht passgenau ineinander, sondern überlagerten sich. Damit waren politische Ereignisse und Systemwechsel in der Entwicklung des Islambildes weniger Taktgeber, vielmehr Katalysatoren. Sie privilegierten oder marginalisierten bestimmte Vorstellungen, erzeugten oder verringerten Dynamiken. Doch die Gleichzeitigkeit verschiedener und konkurrierender kultureller Vorstellungen innerhalb des semantischen Projektionsraums „Islam“ hoben sie nicht grundsätzlich auf. Hier liegt der methodische Wert verschiedener kulturgeschichtlicher Perspektiven auf einen Gegenstand, wie ihn diese Studie versucht hat: Solche Perspektiven schaffen ein Bewusstsein für Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit innerhalb eines Zeit- und Untersuchungsraums. Sie ergründen Teil- und Schnittmengen verschiedener Vorstellungen und schärfen ein Bewusstsein für parallele, aber nicht gleiche oder gleichzeitige Prozesse. Die kulturelle Nationalismusforschung fragt nach den historischen Bedingungen, die Veränderungen in Konstruktionen des Fremden und des Eigenen in Gang setzten. Anhand verschiedener Sichtachsen auf einen Gegenstand und den dazugehörigen Wandlungen sind die eingangs erwähnten „Häufigkeitsverdichtungen von Veränderung“ leichter ergründbar. Gleichzeitig bringt dieser Ansatz eine gewisse Vorstrukturierung der Ergebnisse mit sich: Nationale Ideen besonders im 19. Jahrhundert formulierten explizit oder implizit Zugehörigkeiten und Nicht-Zugehörigkeiten. Anhand von politisch aufgeladenen Gegenständen wie Kriegspropaganda oder didaktischen wie Schulbüchern scheinen negative Konntotationen eines Anderen besonders deutlich auf. Anhand solcher Quellen könnte die Geschichte der Halbinsel mit dem Islam vor allem als eine Geschichte der Feindschaft erscheinen. Demgegenüber würde ein Zugriff, der nach ästhetischen Mustern und literarischen Motiven fragt, deutlich mehr Ergebnisse von Maurophilie liefern. Diese ist in künstlerischen Verarbeitungen greifbarer als in politischen Kontexten, wenngleich Kunst ebenfalls, auf subtilere Weise, in Wechselwirkung mit politischen Ereignissen steht. Zwischen den Extremen einer allgegenwärtig erscheinenden Maurophobie und einer harmonisierenden Maurophilie nach einem adäquaten Verhältnis zu fragen, gelingt am besten in Bezug auf Kontext und Bedingungen solcher Vorstellungen. Wiederum einen anderen Blick auf den Gegenstand Islam und Nation ermöglichen soziologisch, anthropologisch oder politologisch ausgerichtete Forschungen über die heutige muslimische Bevölkerung auf der Halbinsel. Sie widmen sich dem Aufbau muslimischer Gemeinden, Integrationsprozessen und Identitätsentwürfen von Muslimen in Spanien und Portugal. Doch dieser
7. Schlussbetrachtung
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physischen Präsenz geht die Präsenz in der Imagination voraus. So kann die Analyse des historischen Imaginariums über den vor 1975 weitestgehend physisch abwesenden Islam dazu beitragen, Herkunft und Mechanismen von kollektiven Vorstellungen deutlich machen, mit denen die muslimische Bevölkerung zum Teil noch heute konfrontiert ist. Der zwei Gesellschaften vergleichende Zugriff auf den Gegenstand wiederum erfasst möglicherweise nicht alle Nuancen innerhalb des einzelnen Vergleichsfalls. Dafür erscheint im Licht einer Vergleichsgröße der einzelne Gegenstand in einer neuen, größeren Perspektive. Die qualitativ und quantitativ unterschiedlichen Prozesse zur Abweisung und Integration von Islambildern auf der Iberischen Halbinsel sind nicht allein aus der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts verständlich. Sie haben ihre Wurzeln in der vergleichbaren, aber nicht gleichen Entwicklung seit dem Mittelalter. Das Ergebnis dieser Untersuchung kann dazu beitragen, einige dieser Faktoren besser zu verstehen. Die Gründe für die Omnipräsenz des moro in Spanien und für die weniger prominente Rolle des mouro in Portugal legen grundsätzliche Unterschiede in der historischen Entwicklung der iberischen Nachbarn offen. Erstens kann man Unterschiede in der Art und Weise der Nationsbildung feststellen: Das heterogene Spanien mit seinen vielen Sprachen, eigenständigen Traditionen und starken Regionalismen konnte einen gemeinsamen Anderen zum nationalen Zusammenhalt gebrauchen. Die Betonung des Islam insbesondere als religiöser Gegner stand in der Nachfolge der frühneuzeitlichen Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Religion, Ethnie und Herrschaft, wie sie sich in der Zwangstaufe bzw. Vertreibung religiöser Minderheiten manifestiert hatte. Für Spanien war die Kirche spätestens seit der Vereinigung von Kastilien und Aragón zu einer Klammer geworden, um die ehemaligen selbstständigen Königreiche zusammenzuhalten.4 Auch die Eigenstaatlichkeit Portugals als „historischer Zufall“ („azar historico“)5 störte insbesondere spanische Konservative wie Menéndez y Pelayo, wenn sie die Vorstellung eines unverbrüchlichen Zusammenhalts der christlichen Königreiche der Halbinsel pflegten.6 In der gesellschaftlichen Zerrissen4
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Dieser Prozess setzte sich bis in die Kolonien fort, wo die hispanoamerikanischen Gebiete von dichteren Verwaltungs- und Missionsstrukturen durchzogen wurden als Brasilien. Dort war nicht nur die Mission weltlicher geprägt, sondern konnten auch lokale Großgrundbesitzer zu einer viel größeren Macht heranwachsen – Faktoren, die daran Anteil hatten, dass Brasilien sich 1822 ohne Krieg und mit dem Sohn des ehemaligen Königs an der Spitze vom Mutterland lossagte. Sanchez-Albornoz: España, un enigma histórico, Bd. 2, S. 518. Vgl. Marcelino Menéndez y Pelayos Reaktion auf eine Aussage von Teófilo Braga: „Wenn Portugal eine sterilisierte und finstere Nation ist, liegt die Schuld nicht beim klerikalen Lager, sondern daran, dass die Portugiesen es unternommen haben, eine gesonderte Nation und eine gesonderte Gruppe zu bilden, ohne dafür weder Mittel noch eine wahrhaft organische und mächtige Einheit zu haben. [. . . ] Man vergleiche den Zustand Portugals mit dem Kataloniens, und sage ehrlich, ob für Leben und Blüte eines kleinen Landes die Au-
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7. Schlussbetrachtung
heit des 19. Jahrhunderts war der politische Mythos der reconquista dazu geeignet, diese Verbindung von Religion und Herrschaft zu untermauern. Aufgrund der kolonialen Konzentration auf Nordafrika verlängerte sich die historische Gegnerschaft in eine aktuelle hinein: Der moro stellte das plausibelste Feindbild dar, weil alte Stereotypen auf einen aktuellen Widerpart übertragen werden konnten. In Portugal war ein islamischer Anderer für die portugiesische nationale Imagination weniger bedeutsam, weil die Nation intern kaum umstritten war, die Kirche und ihre Erzählungen weniger Einfluss hatten und die Kolonien ethnisch und religiös so heterogen zusammengesetzt waren, dass eine Konzentration auf den Islam eine Einschränkung bedeutet hätte. Zweitens fand eine unterschiedliche Selektion nationaler Mythen statt: Im Mythenrepertoire aller europäischen Nationen nehmen Überhöhungen kriegerischer Konflikte einen prominenten Platz ein. In vielen Fällen verstärken unterschiedliche Religionen der Gegner ihren politischen Gegensatz, was sich in einer entsprechenden Mythisierung der Auseinandersetzung niederschlägt. Dies gilt für Mythen aus dem Umfeld der Kreuzzüge oder im Zusammenhang mit dem Osmanischen Reich. Angesichts der für das frühneuzeitliche Spanien charakteristischen Ligatur aus Katholizismus, Staatlichkeit und Ethnizität war es naheliegend, den Kampf gegen den Islam zum zentralen Mythos zu stilisieren. Erklärungsansätze, dass religiöse Differenz eine mythische Stilisierung fördert, treffen in vielen Fällen zu. Doch das Beispiel Portugal zeigt, dass historische Konflikte mit dem Islam allein keine Voraussetzung dafür waren, diesen im Zeitalter der Nationsbildung zum bevorzugten Anderen zu stilisieren. Auch in Portugal waren nationale Mythen zentral für Mechanismen der Ein- und Ausschließung. Doch zeigten sich diese vor allem an anderen Beispielen: in der Öffnung hin zum Atlantik und in der Abgrenzung gegenüber Spanien. Diese Gegenüber prägten die Herausbildung nationaler Vorstellungen mehr als es der Islam tat, weil sie für die Gegenwart wirkmächtiger und offensichtlicher waren: Das kleine Portugal hatte sich nicht nur im Mittelalter gegen den mächtigen Nachbarn behaupten, sondern sich nach einem sechzigjährigen Interregnum in der Frühen Neuzeit (1580–1640) wieder aus dessen Machtbereich lösen können. Aufgrund des bis zu den 1960er-Jahren recht stabilen Kolonialreichs lieferten die Entdeckungsfahrten Stoff für eine größere, weil geographisch ausgedehntere Mythisierung nationaler Siegesgeschichte, als es der mittelalterliche Sieg über den Islam tat. Die unterschiedliche Dauer muslimischer Herrschaft im Mittelalter, die im Territorium des späteren Portugal rund 300 Jahre kürzer war als im späteren Spanien, ist nur bedingt ein Argument für die unterschiedliche Mythisierung: tonomie mehr wert ist als die ehrliche und treue Verbindung mit Völkern der gleichen Rasse und ähnlicher Traditionen, obwohl diese eine andere Geschichte und eine andere Sprache haben [alle Hervorhebungen im Original].“ Menéndez y Pelayo: Historia de los Heterodoxos Españoles, Bd. 1, S. 861f.
7. Schlussbetrachtung
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Reale und mythisierte Präsenz sind nicht zwangsläufig aneinander gekoppelt. Oft haben nicht historisch belegbare Ereignisse besonders eingängige nationale Mythen hervorgebracht. Dass das Ende muslimischer Herrschaft 1249 in Portugal kaum mythisiert wurde, 1492 hingegen ein Schlüsselmoment der spanischen Mythenlandschaft ist, liegt auch an der zeitlichen Nähe mit anderen mythisierten Ereignissen: der sogenannten „Entdeckung“ Amerikas und der „Gramática de la lengua castellana“ (Grammatik der kastilischen Sprache) von Antonio de Nebrija, der ersten gedruckten Grammatik einer romanischen Sprache. Anhand dieses funktional vergleichbaren Ereignisses und seiner unterschiedlichen Mythisierung zeigt sich einmal mehr, welchen Selektionsmechanismen nationale Mythen unterworfen sind. Drittens unterschieden sich Spanier und Portugiesen in ihrem Verständnis des Zusammenhangs von Religion und Nation: Nationsbildungsprozesse sind unter anderem eine Mischung aus politischen und kulturellen Elementen, die oft nicht voneinander zu trennen sind. Jedoch brachte die Betonung des religiösen Moments insbesondere in spanischen Nationsentwürfen eine heftige Abwehrhaltung gegenüber der Religion Islam mit sich. Hingegen begünstigte die Vorstellung eines vornehmlich säkularen Ursprungs der portugiesischen Nation, wie sie die republikanischen und antiklerikalen Intellektuellen des 19. Jahrhunderts stark machten, die Darstellung von Muslimen als politischen und erst in zweiter Linie religiösen Konkurrenten. Mit diesen konnte man kämpfen oder Frieden schließen, ohne daraus zwangsläufig eine heilsgeschichtliche Dimension abzuleiten. Ein Indiz aus der Verfassungsgeschichte illustriert die größere politisch-gesellschaftliche Verankerung von Laizismus einerseits und Katholizismus andererseits: Die Trennung von Staat und Kirche wurde in Portugal in der Verfassung von 1911 verankert und im Estado Novo nicht aufgehoben. In Spanien fand diese, nach dem Intermezzo der Zweiten Republik und einem noch im Franquismus 1967 erlassenen Gesetz über die Religionsfreiheit, 1978 Eingang in eine Verfassung.7 Was trägt damit der Gegenstand der Islamvorstellungen zur Frage nach der Existenz einer iberischen „Geschichtsregion“ bei? Er bestätigt zunächst einen Befund, den auch andere Untersuchungen zur Iberischen Halbinsel erbracht haben: Ähnlichkeiten in politischen und strukturellen Entwicklungen, aber auch kulturelle Faktoren wie die mittelalterliche Vergangenheit und ihre entsprechenden neuzeitlichen Deutungen legen die Existenz einer Geschichtsregion nahe. Gleichzeitig zeigen sich frappierende Unterschiede in den jeweiligen Inhalten und Konfliktlagen dieser Prozesse.8 Auch hier gab es Schnittmengen in den Vorstellungswelten, existierten ähnliche Erzählungen von reconquista und convivencia, von Auserwähltheit und Kämpfen für das Seelenheil Europas. Doch waren diese längst nicht deckungsgleich. Die islamische Präsenz des Mittelalters und ihre kulturelle Verarbeitung wirkten 7 8
Vgl. ausführlich Delgado: Religion und Nation in den „zwei Spanien“, S. 63–68. Vgl. die ähnlichen Ergebnisse von Sáez-Arance: Constructing Iberia.
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7. Schlussbetrachtung
nicht verbindend zwischen den beiden Nachbarn, weil insgesamt die Bemühungen um Gemeinsamkeiten wenig ausgeprägt waren. Die Vorstellung, den gemeinsamen Kampf gegen den mittelalterlichen Islam als Folie für eine spanisch-portugiesische gemeinsame Anstrengung zu nutzen, stand bereit, doch wurde meist auf sie verzichtet. Die unterschiedlichen Erinnerungsräume korrespondieren mit der Heterogenität der Iberischen Halbinsel. Innerhalb Spaniens und Portugals ist das Islambild im 19. und 20. Jahrhundert ein aussagekräftiger Seismograph für das nationale Selbstbild. Hinter dem scheinbar stabilen Wir, das die Quellen bei der Beschreibung der Nation zeichneten, stand eine dauernde und von Unsicherheit geprägte Suche nach Identität(en), die sich verändernden Realitäten anpasste. Prozesse von politischen, religiösen, ethnischen oder kulturellen Grenzziehungen gegenüber dem Islam und ihre Aufweichung waren signifikanter Ausdruck dieses Wandels. Darüber hinaus zeigen die Islamvorstellungen grundsätzlich die Flüchtigkeit und Wandelbarkeit von Identitätskonstruktionen auf. Diese Mechanismen lassen sich auch anhand anderer historischer Kontaktzonen mit der islamischen Welt nachvollziehen. Hier seien nur einige Perspektiven und Beispiele genannt: In den Wiener Jubiläumsfeiern anlässlich des Sieges über die Türken verdichteten sich ähnliche Stereotypen der Grenzziehungen und ihr historischer Wandel. Der 100. Jahrestag der Schlacht unter dem aufklärerischen Joseph II. lieferte vor allem einen Anlass, die Tapferkeit der Wiener zu loben, während der Gegner weniger dämonisiert wurde.9 Dagegen zelebrierte die Zweihundert-Jahr-Feier vor dem Hintergrund des geschwächten Osmanischen Reichs den Sieg als Triumph über den Islam und als Verdienst eines christlichen Europas. Anlässlich dessen behauptete der Historiker Joseph Alexander von Helfert (1820–1910) apodiktisch: „Der Türke allein ist auf der Balkan-Halbinsel bis auf den heutigen Tag Asiate geblieben, wie seinerzeit der Maure, trotz seines Jahrhunderte langen Weilens und Hausens auf der pyrenäischen [sic] Halbinsel, Afrikaner geblieben ist; [. . . ] in den Kreis der europäischen Völkerfamilie sind weder der Maure von damals, noch der Türke von heute je eingetreten.“10 In Kroatien förderte der Mythos um 9
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Peter Rauscher: Die Erinnerung an den Erbfeind. Die „Zweite Türkenbelagerung“ Wiens 1683 im öffentlichen Bewusstsein Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert, in: Haug-Moritz/Pelizaeus (Hrsg.): Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit, S. 278–305, S. 286f. Joseph Alexander Helfert: Die weltgeschichtliche Bedutung des Wiener Sieges von 1683, Wien 1883, S. 26f, zit. nach Karl Vocelka: Die zweite Wiener Türkenbelagerung von 1683 und ihr Reflex in der Wissenschaft, den Schulbüchern und Jubiläumsveranstaltungen, in: Studia Austro-Polonica 3/1983, S. 359–379, S. 365. Zu den insgesamt ambivalenten Vorstellungen gegenüber dem Osmanischen Reich in der Habsburgermonarchie dieser Zeit ausführlich Maureen Healy: In aller „Freundschaft“? Österreichische „Türkenbilder“ zwischen Gegnerschaft und „Freundschaft“ vor und während des Ersten Weltkrieges, in: Laurence Cole/Christa Hämmerle/Martin Scheuz (Hrsg.): Glanz – Gewalt – Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie (1800–1918), Essen 2011, S. 269– 291.
7. Schlussbetrachtung
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den christlichen Anführers Nikola Šubić Zrinski, der bei der Belagerung der Festung Siget 1566 gegen die Osmanen fiel, die Herausbildung eines Mythos vom „Bollwerk der Christenheit.“ Diese Zuschreibungen waren so flexibel, dass Kroatien als Teil des Habsburgerreiches sogar zeitgleich als Bollwerk und Brücke erscheinen konnte.11 Das vielleicht berühmteste Beispiel dafür, wie ein Mythos um ein historisches Ereignis zeitgenössische Politik prägen konnte, ist die (erste) Schlacht auf dem Amselfeld 1389 zwischen dem serbischen Fürsten Lazar Hrebeljanović und dem osmanischen Sultan Murad I.: Der Ausgang der Schlacht ist ungeklärt, spätere Schlachten auf dem Amselfeld waren politisch bedeutsamer. Doch wurde gerade diese Schlacht jahrhundertelang mythisch und religiös überhöht. Der Mythos bot bis ins 19. und 20. Jahrhundert hinein ideologischen Hintergrund für blutige Konflikte zwischen orthodoxen Serben und muslimischen Albanern.12 Dies betrifft selbst die jüngste Vergangenheit: In einem pompös inszenierten Auftritt zum Jahrestag der Schlacht 1989 hielt Slobodan Milošević einen Monat nach seinem Amtsantritt als Präsident von Serbien-Montenegro eine Rede, in der er den Mythos als zentral für Serbiens Gegenwart interpretierte und aktualisierte: „Heute, sechs Jahrhunderte später, [. . . ] stehen wir wieder in Schlachten und vor Schlachten. Sie werden nicht mit Waffen ausgetragen, obwohl auch das nicht auszuschließen ist.“13 Der letzte Halbsatz erscheint im historischen Rückblick als düstere Prophezeihung der folgenden Balkankriege. Sowohl auf dem Balkan wie auf der Iberischen Halbinsel gehörten Metaphern wie die des „Bollwerks“ gegen den islamischen Gegner, des „Kampfes für das Heil Europas“ und in weniger militärisch aufgeladenen Kontexten der „Brücke“ zu anderen Kulturen zum Standardrepertoire nationaler Selbstbeschreibungen. In ihrer universalen Metaphorik gaben Erzählungen von Bollwerk und Brücke Antwort auf eine spezifische Lage. In einer konkreten, als verwirrend empfundenen Situation schufen sie allgemeingültige Aussagen zu Vergangenheit und Gegenwart. Ideen und Zuschreibungen des Islam gaben Orientierung für nationales Denken und Handeln.14 Sie wurden nach Bedarf eingesetzt, um den Kontakt mit dem Islam entweder als eine Siegesgeschichte zu erzählen oder ihn zu einer heroischen Niederlage zu stilisieren, die eine nationale Gemeinschaft als Schicksalsgemeinschaft festigen konnte.15 Sie 11 12
13
14
15
Žanić: The symbolic identity, S. 49. Holm Sundhaussen: Kriegserinnerung als Gesamtkunstwerk und Tatmotiv: Sechshundertzehn Jahre Kosovo-Krieg (1389–1999), in: Dietrich Beyrau (Hrsg.): Der Krieg in religiösen und nationalen Deutungen der Neuzeit, Tübingen 2001, S. 11–40. Zit. nach Caroline Fetscher: Der postmoderne Despot, in: Thomas Großbölting/Rüdiger Schmidt (Hrsg.): Der Tod des Diktators. Ereignis und Erinnerung im 20. Jahrhundert, Göttingen 2011, S. 251–276, S. 254, zum Auftritt insgesamt S. 252–256. Zur Idee der Nation als Handlungsorientierung vgl. Dieter Langewiesche: Die Idee Nation als Handlungsorientierung, in: Raphael/Tenorth (Hrsg.): Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft, S. 359–368, S. 359f. Zu Niederlagen-Mythen und dem historischen Umgang damit vgl. allgemein Wolfgang
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dienten auch dazu, kulturelle Nähe und Ferne zu einem entsprechend konstruierten „Europa“ zu vermessen: Suchte eine Nation die Nähe zu Europa wie zum Beispiel Bulgarien nach der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich 1878,16 so negierte sie islamische Bezüge. Stand die Absicht dahinter, sich vom finanziell wohlhabenden Nord- und Mitteleuropa als kulturell reicher abzugrenzen, wie es einige spanische Romantiker des 19. Jahrhunderts taten, so galten islamische und jüdische Einflüsse als Beweis dieses Reichtums. Die ähnlichen Metaphern zur Beschreibung des islamischen Gegners täuschen jedoch nicht über die unterschiedlichen Konfliktlagen in den historischen Kontaktzonen Iberische Halbinsel und Balkan im 19. und 20. Jahrhundert hinweg. Die bedeutende muslimische Präsenz auf dem Balkan sorgte dafür, dass reale Konflikte ethnisch, religiös und mythologisch aufgeladen werden konnten. Die Balkankriege von 1912/1913 und der Zerfall Jugoslawiens bewirkten, dass sich auf der mental map Europas Vorurteile gegenüber dem Balkan festschrieben. Er wurde mit Rückständigkeit, Chaos und verwirrenden ethnisch-religiösen Konstellationen konnotiert, wie Maria Todorova in Auseinandersetzung mit den Orientalismus-Thesen von Edward Said gezeigt hat.17 Darüber hinaus erschien mit dem Ende Jugoslawiens, erstmals seit dem Ende des Osmanischen Reichs, der Islam auf europäischem Boden wieder als bedeutender politischer Faktor.18 Die Balkankriege der jüngsten Vergangenheit trugen einen erheblichen Anteil dazu bei, dass die historischen Konflikte Südosteuropas zwischen Christentum und Islam den Stellenwert eines „heißen Gedächtnisses“19 innehaben, also im europäischen Bewusstsein noch besonders präsent sind. Dem steht zumindest außerhalb Spaniens ein eher „kaltes Gedächtnis“ der christlich-muslimischen Geschichte auf der Iberischen Halbinsel gegenüber: Dort wurde das Feindbild Islam in die Gegenwart hereingeholt und aktualisiert, ohne dass Muslime tatsächlich präsent gewesen wären. Mit Bezug auf orientalistische und balkanistische Stereotypen erschienen aktuelle Konflikte als scheinbare Verlängerungen historischer Konflikte. Doch geschah
16 17
18 19
Schivelbusch: Die Kultur der Niederlage, Berlin 2001; Siegfried Weichlein: Die Verlierer der Geschichte. Zu einem Theorem Carl Schmitts, in: Christian Giordano/Jean-Luc Patry/François Rüegg (Hrsg.): Trugschlüsse und Umdeutungen. Multidisziplinäre Betrachtungen unbehaglicher Praktiken, Berlin 2009, S. 147–165. Vgl. Liakova: „Europa“ und „der Islam“. Maria Todorova: Die Erfindung des Balkans. Europas bequemes Vorurteil, Darmstadt 1999, die Auseinandersetzung mit Said bes. S. 17–41. Vgl. dazu auch Frithjof Benjamin Schenk: Mental maps. Die Konstruktion von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung, in: GG 28/2002, S. 493–514, S. 508. So u. a. die These von Sabine Riedel: Die Politisierung islamischer Geschichte und Kultur am Beispiel Südosteuropas, in: Südost-Europa 46/1997, Nr. 1–2, S. 539–561. Dies in Anlehung an die Terminologie, die Charles S. Maier für einen Vergleich der Erinnerung an Faschismus und Kommunismus vorgeschlagen hat. Vgl. Charles S. Maier: Heißes und kaltes Gedächtnis. Zur politischen Halbwertzeit des faschistischen und kommunistischen Gedächtnisses, in: Transit 22/2002, S. 153–165.
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dies, weil der Islam eine nützliche Chiffre war, um einen aktuellen Gegner als grundlegend „anders“ darzustellen und diese Andersartigkeit historisch herzuleiten. Reaktionen auf aktuelle Ereignisse, nicht historische Automatismen, machten den Islam zu einem bevorzugten Anderen in nationalen Mythen Europas. Wie einige Beispiele aus dem Spanien der letzten Jahre zeigen, sind mythisierende, dualistische Konzepte von reconquista und convivencia wieder verstärkt benutzt worden. Unter dem Eindruck der Einwanderungswelle aus dem Magreb, der spanischen außenpolitischen Positionierung in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts und dem islamistischen Anschlag des 11. März 2004 flammten überwunden geglaubte Polemiken wie zwischen Américo Castro und Claudio Sánchez-Albornoz wieder auf.20 Insbesondere in Andalusien und Toledo zeichnet die Tourismusbranche ein positives Bild des mittelalterlichen al-Andalus und propagiert seine kulturellen Reichtümer, womit sich entsprechende finanzielle Interessen verbinden.21 Das mittelalterliche Zusammenleben von Judentum, Christentum und Islam regt zu einer Suche nach Wegen für ein heutiges Miteinander von Religionen und Kulturen an. Fallweise gerät außer Acht, dass die mittelalterliche Vorstellung von Toleranz meist nicht Anerkennung und Rechtsgleichheit, sondern oft nur das Fehlen von Vertreibung oder Zwangsbekehrung bedeutete.22 Der Arabist Serafín Fanjul dekonstruiert, in Abgrenzung gegen Castro, den Mythos eines harmonisierten al-Andalus.23 Dazu lebt der wissenschaftlich überholte Begriff einer reconquista seit den Attentaten des 11. September 2001 und des 11. März 2004 in einer aufgeheizten öffentlichen Stimmung auf. Er findet sich in Aussagen islamistischer Terroristen, die sich die „Rückeroberung von al-Andalus“ zum Ziel setzen und eine angebliche historische Motivation anführen, die mit ihren Zielen nicht das Geringste zu tun hat. Der ehemalige Ministerpräsident José María Aznar ging seinerseits darauf ein und behauptete ein halbes Jahr nach den Anschlägen in Madrid: „The problem Spain has with al-Qaeda and Islamic terrorism did not begin with the Iraq Crisis. In fact, it has nothing to do with government decisions. You must go back no less than 1300 years, to the early 20 21
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23
So die Bilanz von Ignacio Álvarez-Ossorio Alvariño: El islam y la identidad española: De Al-Andalus al 11 M, in: Taibo (Hrsg.): Nacionalismo español, S. 267–290, S. 267. Beispielsweise die Stiftung El Legado Andalusí (Das andalusische Erbe), gegründet 1993, fördert touristische Routen vor, entwickelt Ausstellungen und Kulturprogramme. Ihre Arbeit ist jedoch umstritten. Vgl. González Alcantud: Lo moro, S. 193f. sowie MartinMárquez: Disorientations, S. 305f. Mariano Delgado: Der Mythos „Toledo“. Zur Konvivenz der drei monotheistischen Religionen und Kulturen im mittelalterlichen Spanien, in: Sabine Hering (Hrsg.): Toleranz – Weisheit, Liebe oder Kompromiss? Multikulturelle Diskurse und Orte, Opladen 2004, S. 69–91, S. 83. Serafín Fanjul: Al-Andalus contra España. La forja del mito, Madrid 2000; ders.: La quimera de Al-Andalus, Madrid 2005.
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7. Schlussbetrachtung
8th century, when a Spain recently invaded by the Moors refused to become just another piece in the Islamic world and began a long battle to recover its identity.“24 Ähnliches geschieht in populistischen Bestsellern, die ahistorische Kontinuitätslinien einer spanischen Feindschaft von „Mohammed bis Bin Laden“ ziehen.25 In Portugal beachteten Medien und Wissenschaft die seit Mitte des 20. Jahrhunderts eingewanderten Muslime, deren Großteil aus den ehemaligen Kolonien Mosambik und Guinea-Bissau stammte, lange Zeit weniger als in anderen europäischen Ländern.26 Seit dem 11. September ist die Aufmerksamkeit gegenüber Muslimen27 auch in Portugal größer geworden. Islamische Gemeinden sind seitdem verstärkt mit antiislamischer Rhetorik konfrontiert, doch Aktualisierungen des Bildes einer angeblichen reconquista spielen eine ungleich geringere Rolle als in Spanien. Zum islamischen Festival von Mértola, das seit 1991 alle zwei Jahre ein buntes, multikulturelles Mittelalter inszeniert, reisen überwiegend muslimische Folkloregruppen aus Spanien und Marokko an, weniger aus Portugal selbst. Durch Migration und Globalisierungsprozesse sind Regionen zu Kontaktzonen mit dem Islam geworden, in denen er historisch nicht oder nur marginal präsent war. Auffallend oft greifen stereotype Darstellungen des islamischen Anderen in diesen Ländern auf das Repertoire der historischen Kontaktzonen zurück. Die Gefahr besteht, sich willkürlich aus einem historischen Arsenal an Deutungsangeboten zu bedienen. Islamfeindliche Diskurse argumentieren mit teils sehr alten Thesen und zielen darauf ab, „,Islam‘ als Einheit erscheinen zu lassen, für die islamistischer Terror typisch ist.“28 In ihrer unreflektierten Übertragung auf die Gegenwart liegt die Brisanz historischer Vorstellungen. Die Bedingungen für das Zusammenleben heute sind andere als die in den historischen Kontaktzonen. Es geht nicht mehr, wie auf der Iberischen Halbinsel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, um Deutungen der Vergangenheit ohne muslimische Präsenz, sondern um die Art und Weise eines modernen Zusammenlebens. Doch auch in aktuellen Reden, politischen Beschlüssen, in den Medien und in Gesprächen auf der Straße schwingt die alte und unter veränderten Umständen neu gestellte Frage mit, wo die kulturelle, politische und religiöse Grenze zu einem islamischen Gegenüber verläuft und wie dadurch das „Eigene“ neu vermessen wird. Sie schlägt sich nieder in Debatten um Zuwanderungsbeschränkungen, 24 25 26 27
28
Zit. nach Hishaam D. Aidi: The Interference of al-Andalus. Spain, Islam and the West, in: Social Text 24/2006, Nr. 2, S. 67–88, S. 83. César Vidal: España frente al islam: de Mahoma a Ben Laden, Madrid 2004. Ausführlich Tiesler: Muçulmanos na margem, dies.: Novidades no terreno. Dies gilt gerade für junge Muslime, vgl. Nina Clara Tiesler/David Cairns: Representing Islam and Lisbon Youth. Portuguese Muslims of Indian-Mozambican origin, in: Lusotopie 14/2007, Nr. 1, S. 223–238. Wolfgang Benz: Zur Genese und Tradition des Feindbildes Islam, in: ZfG 58/2010, Nr. 7/8, S. 585–590, S. 586.
7. Schlussbetrachtung
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Integrationsmaßnahmen, Kopftuchverbote, die Höhe von Minaretten, nichtchristlichen Religionsunterricht oder Kruzifixe an Schulen. Über Islam und Muslime existieren heute ebenso dynamische Bilder und unterschiedliche Projektionen wie in der Vergangenheit. Hier bietet das Beispiel der historischen Kontaktzonen ein Angebot, Mechanismen von Abgrenzungen und Annäherungen besser zu verstehen. Der Blick in die Vergangenheit schafft Distanz zu den Konflikten der Gegenwart und erlaubt es, diese in einem größeren Zusammenhang sehen zu können. Die historische Begegnung mit dem Islam hat Europa vielfach geprägt. Davon ging diese Untersuchung aus. Sie wollte zeigen, wie sich Begegnung in Erinnerung und historischer Deutung fortsetzte und wie Konturen des Eigenen durch Imaginationen des Anderen Gestalt annahmen. Der palästinensische Schriftsteller Mahmud Darwish (1941–2008) hat diese Mechanismen in einem Zyklus über al-Andalus literarisch gebündelt. Das Gedicht „Am letzten Abend auf dieser Erde“ charakterisiert Imaginationen als wirkmächtige Realität: „Auf der Erde – oder im Gedicht?“ Dazu scheint die Wendung „bald werden wir nachforschen, was unsere Geschichte [. . . ] neben eurer Geschichte war“ sanft daran zu erinnern, dass die Anlage historischer Forschung die Frage nach dem Verhältnis und der Wahrnehmung von „unserer“ und „eurer“ Vergangenheit mitbestimmt. Das Erbe dieser historischen Begegnung und die daraus entstandenen Bilder eines Europa und eines Islam sind Teil einer täglichen Realität, die es in der Geschichte zu verstehen und in der Gegenwart zu gestalten gilt.
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Francisco Javier Parcerisa: „Fuente de los Leones“ (Löwenbrunnen), in ders./ Francisco Pi y Margall: Recuerdos y bellezas de España. Reino de Granada, Madrid 1850. © Patronato de la Alhambra y Generalife / Archivo / Colección de dibujos/D-00108. Abb. 2: Fächer mit einem Bild nach Vorlage von Francisco Pradilla y Ortiz: „La rendición de Granada“ (Die Übergabe von Granada), nach 1882, Papier und Elfenbein, 38 × 73 cm, Museo de la vida, Palacio Real de Aranjuéz. © Patrimonio Nacional de España. Abb. 3: Igreja Matriz de Mértola/Igreja de Nossa Senhora da Assunção: Aussenansicht 1948, SIPA FOTO 0170377. © Instituto da Habitação e da Reabilitação Urbana, Ministério da Agricultura, do Mar, do Ambiente e do Ordenamento do Território, Portugal. Abb. 4: Igreja Matriz de Mértola/Igreja de Nossa Senhora da Assunção: Mihrab während der Renovierungsarbeiten 1953, SIPA FOTO 0170511. © Instituto da Habitação e da Reabilitação Urbana, Ministério da Agricultura, do Mar, do Ambiente e do Ordenamento do Território, Portugal. Abb. 5: Marià Fortuny: „La odalisca“ (Die Odalisque), 1861, Öl auf Karton, 56,9 × 81 cm, Museu Nacional d’Art de Catalunya. © Photo SCALA, Florenz. Abb. 6: Vulcano marroquí (Marokkanischer Schmied), in: África. Revista de tropas coloniales, September 1927, S. 219 (Foto: Lázaro). Belleza marroquí (Marokkanische Schönheit), in: África. Revista de tropas coloniales, Juni 1927, S. 135 (Foto: Lázaro). © Biblioteca Nacional de España. Abb. 7: „Moros i cristians. El salvatgisme ha acabat per unir-los“ (Mauren und Christen. Die Wildheit hat sie endlich vereint), in: L’Esquella de la Torratxa, 28. August 1936, abgedruckt in: Eloy Martín Corrales: La imagen del magrebí en España. Una perspectiva histórica siglos XVI–XX, Barcelona 2002, S. 155. Scan mit freundlicher Genehmigung von Eloy Martín Corrales. Abb. 8: La Vanguardia Española, Titelseite vom 21. Mai 1939. © Arxiu Històric de la Ciutat de Barcelona. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von La Vanguardia Ediciones, Barcelona. Abb. 9: Muslime aus Guinea vor der Torre de Belém, Lissabon, abgedruckt in: Rogério Seabra Cardoso: Islamitas Portugueses: linhas de força de um passado; realidades de um presente; bases de um futuro, in: Panorama. Revista portuguesa de arte e turismo 4/1970 (März–Juni), Nr. 33–34, S. 49–62, S. 59. © Hemeroteca Municipal de Lisboa. Abb. 10: Marceliano Santa Maria: „El triunfo de la Santa Cruz en la Batalla de Las Navas de Tolosa“ (Der Triumph des Heiligen Kreuz in der Schlacht von Las Navas de Tolosa), 1892, Öl auf Leinwand, 450 × 600 cm, Museo Marceliano Santa María, Burgos. © akg-images/ Album/Oronoz. Abb. 11: Nicolás Soria: Titelblatt der Zeitschrift Covadonga. Boletín de la Junta Diocesana para la Coronación Canónica de la Santísima Virgen (Covadonga, Bulletin der Diözese für die kanonische Krönung der heiligsten Muttergottes), 1917, abgedruckt in: Covadonga – iconografía de una devoción: exposición conmemorativa del centenario de la dedicación de la Basílica de Covadonga (1901–2001), Oviedo 2001, S. 443. Abb. 12: 800-Jahr-Feier der Eroberung Lissabons von den Mauren: Soldaten vor der Statue von Dom Afonso Henriques auf dem Castelo de São Jorge, Lissabon 1947 © Arquivo Municipal de Lisboa, Foto: Claudino Madeira, PT/AMLSB/FDM/001388.
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 13: 800-Jahr-Feier der Eroberung Lissabons von den Mauren: Historischer Umzug, Araber mit Tamburin auf der Praça Dom Pedro IV (Rossio), Lissabon, 6. Juli 1947 © Arquivo Municipal de Lisboa, Foto: Judah Benoliel, PT/AMLSB/JBN/003723. Abb. 14: Capitán moro (Maurischer Hauptmann) der filà „Marrakesh“, 1924. © Asociación de San Jorge de Alcoy (Museu Alcoià de la Festa). Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Museu Alcoià de la Festa und der Stadt Alcoy. Abb. 15: Camilo Llacer: Plakat des moros-y-cristianos-Festes Alcoy, 1907. Plakat des morosy-cristianos-Festes Alcoy, 1932 (Künstler anonym). Chapí: Plakat des moros-y-cristianosFestes, 1940. Antonio Perez Jordá: Plakat des moros-y-cristianos-Festes, 1963. © Asociación de San Jorge de Alcoy (Museu Alcoià de la Festa). Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Museu Alcoià de la Festa und der Stadt Alcoy. Abb. 16: Auto da Floripes: Kampf zwischen Christen und Türken, 1930/31, abgedruckt in: Alberto A. Abreu: O Auto da Floripes e o imaginário minhoto, Viana do Castelo 2001, S. 63 (Foto: Alexandre Gigante). Scan mit freundlicher Genehmigung von Alberto A. Abreu. Abb. 17: Auto da Floripes: Balaão, Ferrabrás, Floripes und Brutamontes, 1948, abgedruckt in: Alberto A. Abreu: O Auto da Floripes e o imaginário minhoto, Viana do Castelo 2001, S. 41 (Foto: Leandro Quintas Neves). Scan mit freundlicher Genehmigung von Alberto A. Abreu. Abb. 18: Auto da Floripes: Ferrabrás, Mitte 20. Jahrhundert, abgedruckt in: Alberto A. Abreu: O Auto da Floripes e o imaginário minhoto, Viana do Castelo 2001, S. 82 (Foto: Leandro Quintas Neves). Scan mit freundlicher Genehmigung von Alberto A. Abreu.
Quellen- und Literaturverzeichnis Im Literaturverzeichnis und im Autorenregister sind die spanischen Autoren unter dem ersten Nachnamen, die portugiesischen unter dem letzten Nachnamen aufgeführt. Texte nicht namentlich bekannter Autoren finden sich unter „o. Autor“.
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Cid 46, 54f., 63, 75, 151, 160, 189 Coelho, A. Borges 99f. Colaço, J. D. 95 Conde, J. A. 75 Contreras Granja, M. 89 Contreras y Muñoz, R. 88, 90f. Costa, J. 117 Dantas, J. 171, 174 Darwish, M. 205, 217 Delacroix, E. 13, 114 Dias, E. 98, 134 Díaz de Vivar, R. siehe Cid Domingues, J. D. Garcia 98 Dozy, R. 74 Enes, A. 133f. Estébanez Calderón, S. Estornés Lasa, B. 58
77
Fanjul, S. 215 Ferdinand II. (Aragón) 15, 44, 87, 156 Fernández y González, F. 78 Ferro, A. 171 Figanier, A. 98 Figueiredo, A. C. 165f. Fortuny, M. 114 Franco Bahamonde, F. 81, 115, 118, 123, 126–130, 133, 145, 151, 170, 191 Franco Bahamonde, N. 174 Franklin, A. de Sousa 134 Freyre, G. 140 Fuente, V. de la 80 Galland, A. 13 Gallop, R. 196, 199 Ganivet, A. 54 García Figueras, T. 126, 190 García y Margallo, J. 111 Gayangos y Acre, P. 76 Gellner, E. 27, 32 Gomes, H. de Barros 131 Gomez Ranera, A. 148 Gómez-Moreno González, M.
89–91
252
Register
Gómez-Moreno Martínez, M. 89 Gonçalves, J. J. 135 Goytisolo, J. 31 Halen, F. de Paula van 157 Helfert, J. A. 212 Henrique (Graf v. Burgund) 61 Herculano, A. 43, 60–64, 67, 70, 95f., 98, 100, 170, 182, 206 Higueras, J. 158 Hitler, A. 121, 129, 170 Hobsbawm, E. 27, 32, 185 Ibo Alfaro, M. 148 Infante, B. 93 Ingres, J.-A.-D. 114 Irving, W. 87 Isabella I. (Kastilien) 15, 44, 48, 87, 110, 117, 128, 156 Isabella II. (Spanien) 48, 88, 110 Jakob I. (Aragón) 189 Jiménez de Cisneros, F. 87, 128 Johann I. (Portugal) 63 Joseph II. (Österreich) 212 Karl der Große 196–199 Karl II. (Spanien) 151 Karl V. (Spanien) 87 Labayru, E. 58 Lafuente, M. 46–48, 70f., 111, 149, 182, 206 Lane-Poole, S. 74 Llanos y Alcaraz, A. 112 Llobet y Vall-Llosera, J. A. 187, 189 Lope de Vega, F. 31 Lopes, D. 95–98, 106, 137, 168 López Peláez, A. 159 Lourenço, E. 40 Machado, A. 34 Machado, J. P. 98 Maeztu, R. 54 Mamede, S. Valy 137, 139, 141 Manuel I. (Portugal) 15 Mariana, J. 44, 150 Martins, J. P. de Oliveira 25, 60, 64–67 Marx, K. 141, 186 Mascarenhas, A. A. Torres de 164–166 Matoso, A. G. 168 Medina, J. 40
Menéndez Pidal, R. 46, 54–56 Menéndez y Pelayo, M. 46, 48–50, 54, 83, 111, 209 Merry y Colón, M. 46, 50–52, 70, 149 Milošević, S. 213 Mohammed 11, 38, 47, 58, 102, 138, 141, 152f., 159, 189, 198, 216 Mohammed XII. („Boabdil“) 87, 91 Mola, E. 118 Moniz, J. 163f. Moscardó Ituarte, J. 191 Mozart, W.A. 13 Musa ibn Nusayr 15 Mussolini, B. 121, 129, 170 Nebrija, A. 211 Neto, J. Leite 95 Neves, L. Quintas 198 Nogueira, E. Dias 141f. O´Donnell, L. 109f. Orodea y Ibarra, E. 148 Ortega y Gasset, J. 54 Parreira, A. M. de Oliveira 73 Paul VI. (Papst) 142 Pelayo 52, 63, 153, 155–161, 189 Pemán, J. M. 151 Peres, D. 97 Pérez Galdós, B. 181 Philipp II. (Spanien) 50, 75, 184 Philipp III. (Spanien) 44 Philipp IV. (Spanien) 155 Philipp V. (Spanien) 151 Pidal y Mon, A. 49, 160 Pradilla y Ortiz, F. 91 Queipo de Llano, G.
118, 122, 126
Ramos, G. Cordeiro 167f. Recaredo 51, 156 Rego, A. da Silva 134 Reis, J. 68f. Resende, S. 134 Ribera y Tarragó, J. 79, 81, 83 Rodrigues, M. M. Sarmento 134 Rubió y Ors, J. 148 Ruíz Albéniz, V. 125 Said, E. 73f., 214 Salazar, A. de Oliveira 97, 108, 133, 136, 141, 167, 169f., 174, 179
Sachregister Sánchez-Albornoz, C. 19, 37f., 46, 55f., 72, 207, 215 Sancho VII. (Navarra) 156, 161 Sanjurjo, J. 118 Santa María, M. 157 Sanz y Forés, B. 157 Saramago, J. 145 Sarmento, F. Martins 195f. Scott, W. 63 Seco de Lucena Escalada, L. 89, 92 Seco de Lucena Paredes, L. 90 Sender, J. 109 Serrano de Haro, A. 152f. Sidi Mohammed IV. (Marokko) 109 Silva, J. Possidónio da 101 Simonet, F. J. 77–79 Soares, J. 131
253
Sousa, J. 94f. Souza, B. Rebello de 138 Spínola, A. 141 Tariq ibn Ziyad 15, 17, 44, 46, 122 Telmo, J. A. Cottinelli 171 Todorova, M. 214 Torres, C. 104 Unamuno, M.
54
Vasconcelos, J. Leite 101 Veiga, S. Estácio da 101f., 105 Veloso, F. J. 137 Vilas Boas, M. do Cenáculo 94 Zrinski, N.
213
Sachregister Acto Colonial 132, 135 Algarve, Eroberung der 60, 175, 211 Alhambra 83, 85–93, 152 Al-Andalus 15, 49, 74f., 77–79, 107, 119, 205, 215, 217 Amselfeld (Mythos) 213 Antiklerikalismus 24, 34, 47, 61, 68f., 123f., 178, 211 Arabistik 24, 28, 39, 41, 56, 73–83, 86, 93–100, 102, 106–109, 119, 121, 137, 206–208 Archäologie 29, 39, 76, 85, 100f., 107 Architektur 27, 29, 83–93, 100–107, 153f. Balkan 12, 14, 33f., 205, 213–215 Basken, Baskenland 24, 26, 35, 46, 57–59, 93, 110, 116, 196 Brasilien 130, 179 Bürgerkrieg, Spanischer 29f., 37, 39, 56, 81, 118, 121–127, 133, 145, 150f., 169, 190, 206 Convivencia (Mythos) siehe Drei Kulturen Córdoba, Moschee von 83, 86f., 152–154 Covadonga (Mythos) 39, 46, 52, 145, 155–162
Cruzada (Mythos) 173
40, 99, 126, 134, 168,
Don Quijote (Roman) 11, 19f., 155 Dos Españas siehe Zwei Spanien Drei Kulturen 37, 40, 53, 193, 211, 215 Estado Novo 29, 35, 41, 72, 97–100, 102f., 131, 136f., 140, 142, 144, 164f., 167–177, 179, 198, 201, 207, 211 Estatudo dos indígenas 132, 136 Exposição do Mundo Português 171f. Frankreich 15, 74, 85, 109, 121, 129, 143f., 181 Franquismus 56, 72, 83, 107f., 121, 125, 127–130, 146, 150–155, 177f., 207f., 211 Frauenbilder 114f., 119, 122, 152, 190 Gibraltar 15, 17, 110, 129, 144, 207 Granada, Eroberung von 15, 17, 46, 87, 91, 211 Guinea(-Bissau) 106, 130, 132, 134–136, 138, 141, 143, 216 Historienmalerei
30, 91, 156–158
254
Register
Iberische Halbinsel, Eroberung der (ab 711) 17, 31, 44, 47, 50, 58, 60, 64, 66f., 69, 91, 122, 152, 166, 216 Institución Libre de la Enseñanza 56, 81, 147 Instituto de Estudios Africanos (IDEA) 118, 129 Italien 15, 24, 74 Juden 15, 21, 31, 33, 40, 49, 125f., 152, 214 Katalonien 26, 35, 59, 77, 93, 110, 123, 188 Konstantinopel 12 Koran 47, 117, 121, 127, 138f., 164 Kreuzzüge 12, 22, 172, 210 Laizismus 34f., 47, 60, 67f., 132, 147, 165, 167, 178f., 190, 211 Las Navas de Tolosa (Mythos) 46, 145, 155–162 Lepanto 12 Lissabon, Eroberung von 60, 99, 102, 145, 165, 169, 172–177 Lusiaden (Epos) 11, 19f. Marokko 30f., 70, 74f., 93, 95f., 109–130, 133, 143, 151, 162, 190–192, 216 – Krieg (1859/60) 31, 39, 59, 81, 109– 111, 114 – Kriege 111, siehe auch Marokko/Krieg (1859/60), Rif-Krieg (1893/94), RifKrieg (1909), Rif-Krieg (1911–1926) – Unabhängigkeit (1956) 29, 130, 154, 207 Mekka 13, 126, 135, 138 Mértola 101, 103–106, 216 Mission 131f., 135f., 141, siehe auch Zivilisierungsmission Morisco (Begriff) 17 Moro (Begriff) 16–18 Moros-y-cristianos-Feste 26, 123, 181, 183–194, 203f. Mosambik 96, 106, 131f., 134, 136, 138f., 141, 216 Moura encantada 18, 195 Mourisco (Begriff) 18
Mouro (Begriff) 18, 96, 195–197 Mozaraber 63, 65f., 78, 98, 196 Orient 13, 73f., 88, 93, siehe auch Orientalismus Orientalismus 13, 47, 73f., 87f., 106, 114, 119, 189, 199, 206, 214 Osmanisches Reich 13f., 22, 26, 33, 44, 75, 210, 212, 214 Ourique (Mythos) 60, 62, 68, 70, 145, 168–170 Reconquista (Mythos) 22, 45f., 51–54, 60, 70, 91, 99, 111, 145, 155, 157, 184, 188, 191, 210f., 215f. Republikanismus 35 Revolution, Portugal (1974) 29, 99f., 103, 107, 142 Rif-Krieg (1893/94) 58, 81, 111–113 Rif-Krieg (1909) 113 Rif-Krieg (1911–1926) 59, 113, 116, 118 Romantik 21, 47, 61, 65, 73, 76, 88, 90, 214 Sahara 130 Santiago Matamoros (Mythos) 46, 153, 156, 159, 186, 194 Secretariado de Propaganda Nacional (SPN) 137, 171, 179, 198 Sizilien 14f., 181 Tours und Poitiers 12 Türken, s. a. Osmanisches Reich 12f., 17, 198–202, 212 Vertreibung – der Juden 15, 40 – der moriscos 16, 21, 44, 46, 48, 50, 97, 177 – der moros 15, 18, 41 Westgoten 15, 24, 63, 65, 67, 90, 119, 164, 166, 189 Wien, Entsatz von 12f., 212 Zivilisierungsmission 110–113, 116f., 124, 126, 130–132, 142f., 179 Zwei Spanien 34, 44