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German Pages 171 [173] Year 2009
Fritz Arens Der Dom zu Mainz
Fritz Arens
Der Dom zu Mainz Neu bearbeitet und ergänzt von Günther Binding
Umschlaggestaltung: Peter Lohse, Büttelborn Umschlagabbildung: Mainzer Dom, Ostbau. © Fotobildarchiv Michael Jeiter
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieses Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 4., gegenüber der 3. unveränderte Auflage 2009 ©1998 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Layout & Prepress: schreiberVIS, Seeheim Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-23234-5
Inhalt ..........................................
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Hinweise für den Besucher Vorwort
Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
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Die Baugeschichte des Domes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der erste Bauabschnitt in romanischer Zeit um 1000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der zweite Bauabschnitt in romanischer Zeit um 1100 – 1137 . . . . . . . . . . Der Ostbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bauplastik des Ostbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Krypta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Verwendungszweck des Ostchores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Langhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die St.-Gothard-Kapelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der dritte Bauabschnitt in romanischer Zeit nach 1200 . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einwölbung des Langhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Westchor und das Westquerhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ursprüngliche Einrichtung des Westchores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Äußere von Westchor und Westquerhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die spätromanischen und frühgotischen Portale des Domes . . . . . . . . . . . Das Marktportal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Türflügel des Marktportals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Leichhofportal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Portale im Inneren des Querhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zeittafel zur Baugeschichte des Domes Lage und Verwendung des Domes
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Inhalt
Die Anbauten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Memorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sakristei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die gotischen Seitenkapellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Nassauer Unterkapelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Sicherungsarbeiten im 19. und 20. Jahrhundert
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Die Ausstattung des Domes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Denkmäler der Erzbischöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Grabplatten der Domherren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wandepitaph für die Domherren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Werkstoff der Grabmäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Denkmäler des Domes (nach Gruppen geordnet) . . . . . . . . . . . . . Die Tumbengrabmäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wanddenkmäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Werke des Bildhauers Hans Backoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Renaissancedenkmäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die drei Denkmäler an der Westwand der Memorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Denkmäler im Dom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Niederländische Manierismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Denkmäler und Altäre von 1600 bis 1680 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Epitaphaltäre des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Denkmäler bis zur Mitte des 18.Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Chorgestühl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Denkmäler der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . Die Denkmäler des 19.Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Kreuzgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Nikolauskapelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewählte Denkmäler im Kreuzgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Denkmäler im Südflügel des Kreuzgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Kapitelsäle (jetziges Dommuseum)
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Das Dommuseum VI
Inhalt
Literaturverzeichnis
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Abbildungsnachweis
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Masze
Grundriss des Doms
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Hinweise für den Besucher
Der Dom ist für Besichtigungszwecke im Sommer (1.3. – 31.10.) von 9.00 bis 18.30 Uhr durchgehend geöffnet, Samstag von 9.00 bis 16.00 Uhr, sonn- und feiertags von 13.00 bis 14.45 und von 15.45 bis 18.30 Uhr, im August und September durchgehend von 13.00 bis 18.30 Uhr; im Winter (1.11. – 28.2./29.2.) von 9.00 bis 17.00 Uhr, Samstag von 9.00 bis 16.00 Uhr, sonn- und feiertags von 13.00 bis 14.45 und von 15.45 bis 17.00 Uhr. Die Öffnungszeiten des Dommuseums sind bei dem Dommuseum unter 0 61 31 / 25 33 44 zu erfahren. Fotografieren nur mit besonderer Erlaubnis.
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Vorwort Dieses kleine Dombuch faßt die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zur Baugeschichte und zur Entstehung der Ausstattung und Denkmäler zusammen. Auf eine eingehende Diskussion mancher gegensätzlicher Meinungen kann es sich nicht einlassen, weil dazu der Raum fehlen würde und weil die meisten Leser ein übersichtliches, knappgehaltenes Taschenbuch erwarten. Es kann auch wegen der notwendigen Kürze nicht jede Einzelheit an Bau und Ausstattung besprochen werden, auch nicht welche Kleinigkeiten ergänzt oder erneuert sind. Grundlage ist nach wie vor der 1919 erschienene vorzügliche Kunstdenkmälerband von Rudolf Kautzsch und Ernst Neeb, wo man auch zu Detailfragen Auskunft findet. Leider haben die Sicherungsarbeiten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg weder eine steingerechte Bauaufnahme noch ausreichend gründliche Forschungen zur Baugeschichte zustande gebracht. Von seiten der baugeschichtlichen Forschung ist es sehr zu bedauern, daß bei den verschiedenen Gelegenheiten die Einrüstungen nicht zu genauer Bauaufnahme und Bauuntersuchung genutzt worden sind. Die umfassende Restaurierung der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts hat bereits viele Spuren verwischt, besonders aber die eingreifenden statischen Sicherungen an den Fundamenten und am aufgehenden Mauerwerk vor 1914 und in den 20er Jahren. Bei den Einrüstungen wurden keine Aufmaße vorgenommen, so daß bis heute die idealisierten Pläne von 1870 immer wieder umgezeichnet werden. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden weder bei der Wiederherstellung noch bei der gründlichen Außenrenovierung baugeschichtliche Untersuchungen vorgenommen. Der außen torkretierte und verputzte Obergaden des Mittelschiffes ist für immer verloren, 1972/73 wurden sogar alle hölzernen Gerüstriegel aus den Osttürmen entfernt und nicht dendrochronologisch bestimmt; die charakteristischen Löcher wurden unverständlicherweise geschlossen. So ist der Bau heute nur noch durch formenanalytische Beobachtungen zu beurteilen. Die Beschreibung der Architektur und der Ausstattung wurde möglichst chronologisch angelegt, um dem Leser die allmähliche Entstehung XI
Vorwort
des Bauwerkes und den Stil- und Auffassungswandel vorzuführen. Damit ist ein Rundgang nach Art eines Führers nicht immer möglich. Der Grundriß des Domes am Schluß des Buches kann jedoch das Finden der einzelnen Denkmäler und Altäre erleichtern. Seit der Abfassung des Textes durch Fritz Arens 1982 sind neue Forschungsergebnisse zur Datierung und Einordnung des Ostbaus mit seiner reichen Bauornamentik durch Matthias Untermann und Holger Mertens und zur Bauabfolge des Langhauses durch Dethard von Winterfeld vorgelegt worden, dazu kommen neue Überlegungen, die sich aus der Umdatierung von Speyer II und Worms ergeben (siehe die entsprechenden Bände aus dieser Reihe). Daraus folgte die Notwendigkeit einer Überarbeitung des baugeschichtlichen Teils durch Günther Binding in Zusammenarbeit mit Julia Benthien.
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Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick Bonifatius, der große Missionar und Organisator der deutschen Kirche, wählte Mainz zu seinem Sitz. Hier war zur Römerzeit ein strategischer Mittelpunkt mit dem Sitz einer weltlichen Verwaltung. Durch Bonifatius und seine Nachfolger entstand nun in Mainz das kirchliche Zentrum Deutschlands. Dem nach Bonifatius eingerichteten Erzbistum wurden etwa 14 Suffraganbistümer unterstellt, die in ihrer Ausdehnung einen großen Teil des heutigen Deutschlands, von der Schweiz bis an die Nordsee, umfassen. Zur Würde des Erzbischofs gesellte sich (seit 965) auch das Amt des Reichskanzlers. In ottonischer und salischer Zeit stammten mehrere Erzbischöfe aus königlichem Geschlecht. So ist es nicht verwunderlich, daß etwa um das Jahr 1000 auch der Landbesitz immer mehr wuchs: Zum Hirtenstab kam das Schwert des Landesherrn. So wurde Mainz zur Hauptund Residenzstadt eines zwar kleinen, aber keineswegs unbedeutenden Staates. Die Karolingerzeit sah wahrscheinlich in Mainz schon eine rege Bau- und Kunsttätigkeit. An der Albanskirche wurde unter Förderung Karls des Großen gebaut, der hier seine Gemahlin Fastrada beisetzen ließ, deren Grabstein in den Dom gelangte (s. S. 81 Nr. 1). Im Kloster entstanden Goldschmiedearbeiten und Buchmalereien. Aber auch von anderen Kirchen wissen wir, daß sie gegründet, beschenkt und errichtet wurden. Der alte Dom, Vorgänger des hier behandelten Domes, entstand um 900 unter Erzbischof Hatto (der zuvor als Abt des Klosters Reichenau die in ihren Bauformen ähnliche Kirche von Oberzell gebaut hatte). Er wurde später in ein eigenes Stift umgewandelt, das den hl. Johannes Baptist als Patron erwählte. Von ihm stehen noch beträchtliche Teile (vgl. auch unten S. 13). Aus der folgenden Periode ist nicht mehr viel erhalten. Der große Erzbischof Willigis (975 – 1011) fühlte entsprechend seinem Machtzuwachs als Reichsverweser und Landesherr das Bedürfnis, mit großen Bauten zu repräsentieren. Er begann den Dombau. Wahrscheinlich gehört auch die erst 1069 geweihte Liebfrauenkirche am Ostende des Atriums zur Planung von Willigis (S. 13). 1
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Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
Die großen Absichten, die Willigis mit seiner neuen Kathedrale verfolgte, die sich aus der Nachahmung von St. Peter in Rom erschließen lassen, sind im Folgenden im Abschnitt über Lage und Verwendung des Domes (S. 13 – 18) ausführlich geschildert. Außer den Bronzetürflügeln (S. 52ff.) ist von Ausstattungsstücken aus dieser Zeit nichts mehr erhalten geblieben. Aber aus der schriftlichen Überlieferung wissen wir, daß Willigis aus dem Tribut der Lombardei, den er dreißig Jahre lang erhielt, einen überlebensgroßen Kruzifixus aus 600 Pfund Gold anfertigen ließ, der an hohen Festen und bei Besuchen von Königen und Fürsten auf einem hohen Balken im Dom aufgestellt wurde. Im 12. Jahrhundert wurde das Kreuz allmählich zur Bezahlung von Pallien, Kriegszügen u.ä. verwandt. Der Dom brannte am Vortag seiner Weihe ab. Erzbischof Bardo stellte ihn mit einiger Veränderung wieder her und weihte ihn 1036. Auch die nächste Bauperiode des Domes im 1. Drittel des 12. Jahrhunderts ist in dem Abschnitt über die Baugeschichte ausführlich geschildert (S. 21–41). Sie ist ausgezeichnet durch die Förderung des Dombaues durch Kaiser Heinrich IV., was sowohl durch eine Nachricht als auch durch verwandte Formen wie am Speyerer Dom, den Heinrich IV. ebenfalls wiederherstellen ließ, bezeugt wird. Unter Erzbischof Adalbert I. von Saarbrücken (1109 – 37) entstanden Ostchor und Mittelschiff. Adalbert errichtete auch die bischöfliche Pfalzkapelle St. Gothard am Nordflügel des Westquerhauses, in der er begraben wurde. Nach den Verwüstungen im 12. Jahrhundert wurde vielleicht noch kurz vor 1200 mit dem Westchor und der Einwölbung des Langhauses angefangen. Kardinal und Erzbischof Konrad von Wittelsbach, der zweimal den Mainzer Bischofsstuhl besetzte (1162 – 1165 und 1183 – 1200) und dazwischen das Erzbistum Salzburg leitete, wird als derjenige bezeichnet, der die Wiederherstellung begann. Unter ihm wurde auch der riesenhafte spätromanische Salzburger Dom mit fünf Schiffen und einem Querhaus, das fünf Apsiden an der Ostseite sowie an den nördlichen und südlichen Giebelseiten, aber auch einen Vierungsturm besaß, erbaut. Der 1956/58 und 1966/67 ausgegrabene Grundriß weist aber keine Ähnlichkeit mit dem Westteil des Mainzer Domes auf. Die Gewölbe des Langhauses mit den Seitenschiff-Außenwänden und der Westchor wurden unter den Erzbischöfen Siegfried II. (1200 – 1230) und Siegfried III. von Eppstein (1230 – 1249) errichtet. Wahrscheinlich trugen die Krönungen Philipps von Schwaben und Friedrichs II. in Mainz dazu bei, den Westchor besonders großartig zu planen. Gegen Ende von
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Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
dessen Bauzeit (Weihe 1239) war der Ausstattung des Domes und der mittelrheinischen Bildhauerkunst ein besonderer Höhepunkt beschieden: Der Naumburger Meister errichtete den Westlettner und die seitlichen Chorschranken zwischen den Querhausflügeln und der Vierung und schuf die Lettnerplastiken, deren Reste – die Deesis, die Seligen und Verdammten, der Kopf mit der Binde sowie die Kapitelle – zum Bedeutendsten der Zeit gehören; neben und nach ihm arbeiteten noch mehrere Bildhauerwerkstätten von ähnlich hohem Rang, wovon auch die Reste des Ostlettners zeugen (im Dommuseum, s. S. 150). Tatsächlich setzte mit der Früh- und Hochgotik die eigentliche Blütezeit der Mainzer Kunst ein. Privilegien des Erzbischofs, die Gründung des Rheinischen Städtebundes durch eine Mainzer Amtsperson, der wachsende Reichtum der Patrizier schufen die Voraussetzungen für die Fülle der Kirchen- und Profanbauten der Folgezeit. Gleichzeitig mit dem Westchor wurden wahrscheinlich auch die Stiftsgebäude neu errichtet. Zeugen dafür sind der ehemalige Kapitelsaal, Memorie genannt, und der Keller unter dem Saal am Südflügel des Kreuzgangs, dem jetzigen Dommuseum, sowie einige Fenster des Ostflügels. Auch die kleine Sakristei sei noch erwähnt, die der jüngste Bauteil der Westgruppe ist. An Umfang kommen diese Bauunternehmungen denen des Westchores nahe. Die gotische Formenwelt hielt mit riesigen Fenstern und schlanken Proportionen frühzeitig Einzug am Mainzer Dom. 1279 wurde mit der ersten Kapelle der Nordseite begonnen, bis 1291 waren die Seitenschiffwände von Osten bis zum Nordportal durchbrochen und bis 1319 folgte die Südseite. Sicher hatten die Glasmaler noch eine Zeitlang zu tun, um die ausgedehnten Maßwerkflächen mit ihren bunten Teppichen, Figuren und Szenen zu füllen. In der unmittelbaren Nachbarschaft entstand ab 1285 die 1311 geweihte Liebfrauenkirche als gotische Halle, die seit jeher eng mit dem Dom verbunden war. Die Seitenkapellen des Domes und die Liebfrauenkirche waren nicht die einzigen Bauunternehmungen dieser Jahrzehnte um 1300, denn etwa 20 Mainzer Kirchen, außer den drei großen des 18. Jahrhunderts, sind damals entstanden. Mit ihren wuchtigen Türmen und massigen Schiffen beherrschten sie das Stadtbild. Von erhaltenen Bauten entstand damals St. Stephan (um 1300 bis ca. 1350) als große Stiftskirche. Auch die reiche Bürgerschaft, besonders wohl das Patriziat, ruhte nicht, bis alle Pfarrkirchen neu errichtet waren, also St. Emmeran, St. Quintin und St. Christoph. Von den Klosterkirchen wären Armklara und Reichklara und die der Kar3
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Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
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meliten, der Dominikaner, der Franziskaner, der Augustiner, die Deutschordenskommende, die Kartause, die Weißfrauen, St. Agnes und Kloster Dalheim zu erwähnen. Die Anzahl der erhaltenen und untergegangenen Kirchen aus dieser Blütezeit ist so bedeutend, daß man meinen könnte, es sei vorher und nachher in Mainz nichts von Belang gebaut worden. In den folgenden Jahrhunderten ist die Bautätigkeit am Dom nicht mehr sehr umfangreich. Der schöne Tambour des Ostturms entstand um 1361, er war dem Vierungsturm von St. Katharinen in Oppenheim ähnlich. Viele Stadtansichten vom 17. bis zum 19. Jahrhundert zeugen von ihm; er wurde 1870 abgebrochen. 1482 wurde auch der Westturm aufgestockt. Als nächste große Bauunternehmung ist die Errichtung des Kreuzgangs, der Nikolauskapelle und von zwei Treppen im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts zu erwähnen, vielleicht gehörten noch andere Räume des Domstifts dazu, die nicht mehr erhalten sind. Anschließend wurde von Erzbischof Johann von Nassau das Martinschörlein gestiftet, ein Baldachinaltar im Ostteil des Mittelschiffs von bedeutendem Umfang mit Krypta, dem die Grabdenkmäler der beiden Nassauer Erzbischöfe zugeordnet sind (S. 88, 90 Nr. 7, 9).
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Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
Obwohl in diesem Abschnitt hauptsächlich die Leistungen der Baukunst am Mainzer Dom benannt werden, sollen die ausgezeichneten Werke der Bildhauer nicht vergessen werden, die sich vornehmlich an den Grabmälern der Mainzer Erzbischöfe (S. 88–90 Nr. 7 – 16) und am Memorienportal (S. 90 Nr. 10) äußern. Das ausgehende 15. Jahrhundert brachte wieder einige Bautätigkeit am Dom. Der hohe spätgotische Tambour des Westturms, zwischen 1480 und 1490, mit dem riesigen Holzhelm, der 1767 durch Blitzschlag abbrannte, stellte das Gleichgewicht zwischen Ost- und Westchor wieder her. Bisher besaß der weniger bedeutende Ostchor den mächtigen Mittelturm, in dem auch die Glocken hingen. Nun erhielt auch der Chor des Domkapitels die gebührende Auszeichnung. Eine Marienkapelle entstand zwischen dem Marktportal und dem Nordquerhaus und füllte damit die letzte Lücke, die noch an den Seitenschiffen bestand. Der Memorie wurde das reizvolle Ägidienchörchen und dem Kapitelsaal die Kapitelstube angefügt. Die frühgotische Sakristei wurde um 1500 erweitert. Nach der Eroberung von Mainz durch den Gegenerzbischof Adolph von Nassau, 1462, und dem Verlust der Stadtfreiheit wurde nicht mehr allzuviel gebaut, was wohl auch teilweise daher rühren mag, daß die etwa zwanzig gotischen Kirchen des 14. Jahrhunderts völlig ausreichten. Ein neuer, reizvoller Kreuzgang an der St.Stephans-Kirche, 1499, und der gewaltige (untergegangene) Chor von St. Alban, 1491 – 94, sind Zeugnisse dieser Zeit vor 1500 neben den genannten Anbauten des Domes. Diese Neubauten wurden hauptsächlich in der Regierungszeit des Erzbischofs Berthold von Henneberg (1484 – 1504) errichtet, der einer der bedeutendsten Kirchenfürsten auf dem Stuhl des hl. Bonifatius und in seiner Zeit war. Unter ihm begann auch der ausgezeichnete Bildhauer Hans Backoffen seine Tätigkeit, der nach dem Grabmal des Erzbischofs Berthold noch die beiden seiner Nachfolger meißelte. Nunmehr herrscht wieder die Skulptur, die Architektur tritt zurück bis zum Bau der St.-Gangolphs-Kirche (1575 – 81), von deren Künstlern und von in
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Südansicht des Domes: 1 Rekonstruktion des Zustandes um 1250 (nach Kunstdenkmäler Hessen).
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den Dom geretteten Resten im Kapitel über die Ausstattung immer wieder die Rede sein wird. Die Glaubensspaltung hatte die schönen Künste in Deutschland bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts zurückgedrängt. Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz (1514 – 1545) und Magdeburg, Administrator zu Halberstadt, ist zwar als großer Mäzen bekannt, der alle führenden deutschen Künstler wie Dürer, Cranach, Grünewald und andere mit Aufträgen bedachte, aber seine Vorliebe galt der Stiftskirche in Halle, wo er begraben sein wollte. Dort sammelte er auch den riesigen Reliquienschatz mit kostbaren Behältern an, den er wegen der Reformation dann nach Mainz bringen ließ, womit der Domschatz zum reichsten vielleicht sogar des Abendlandes wurde. Leider ist durch die Säkularisation fast alles vernichtet worden. Wahrscheinlich stammte der Hochaltarbaldachin im Dom mit seinen Bronze- oder Messingsäulen aus seiner Regierungszeit und aus der Vischerschen Gießhütte in Nürnberg, die auch das Grabmal des Kardinals aus Bronze für Halle angefertigt hatte, das sich seit dem 16. Jahrhundert in der Stiftskirche zu Aschaffenburg befindet. Kardinal Albrecht wurde dann doch im Westchor des Mainzer Domes bestattet. Außer seinem Denkmal und seiner Grabplatte (S. 106–108 Nr. 25, 26) erinnert an ihn nur die Erweiterung der Sakristei und in der Nachbarschaft des Domes der schöne Marktbrunnen von 1526. In den folgenden 150 Jahren sind dem Dom nur die manieristischen und barocken Seitenaltäre und Denkmäler hinzugefügt worden, die allerdings das Raumbild sehr wesentlich mitbestimmen (S. 110 – 120 Nr. 34 – 50). Der Bauwille und das Interesse der Erzbischöfe und Kurfürsten erstreckte sich damals auf andere Objekte: Daniel Brendel von Homburg (1555 – 1582) errichtete neben der Kanzlei die prächtige Schloßkapelle St. Gangolph, für deren Bau und Ausstattung er niederländische Künstler berief, die auch an Denkmälern des Domes (S. 110 ff. Nr. 34 – 39) tätig wurden. Johann Schweikard von Kronberg (1604 – 1626) sah im Neubau des Aschaffenburger Schlosses sein Lebenswerk. Georg Friedrich von Greiffenklau (1626 – 1629) begann in den wenigen Jahren seiner Regierungszeit mit dem Mainzer kurfürstlichen Schloß, das dann lange Zeit als Rohbau ohne Dach unvollendet blieb. Der Dreißigjährige Krieg lähmte jede Kunsttätigkeit. Durch die schwedische Besetzung, Verelendung und Epidemien wurden die Bevölkerung und mit ihr die Künstler und Kunsthandwerker so dezimiert, daß man nachher in der Friedenszeit auf auswärtige Künstler (S.120 Nr. 49) oder auf 6
Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
neueingebürgerte Kräfte angewiesen war. Eine erste bescheidene Unternehmung stellte die Neuordnung des Westchores auf Grund der Forderungen des Konzils von Trient dar. Erhalten haben sich davon die beiden Chorschranken des Meisters Clemens Hinkh von 1687 (S.46) zwischen der Vierung und den Querhausarmen, während die wahrscheinlich großartige Hochaltar-Anlage spurlos, auch ohne bildliche Überlieferung, verschwunden ist. Immerhin hatten die bekannten Mainzer Architekten Obrist Maximilian von Welsch und Anselm Franz Ritter zu Groenestein zusammen mit dem baukundigen Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn 1726 einen Riß für Chor und Hochaltar gemacht. Bei der großen Begeisterung und Anteilnahme des Kurfürsten Lothar Franz (1695 – 1729) am Bauwesen verwundert es, daß in seiner Regierungszeit außer großen Marmoraltären im Ostchor nicht viel am Dom gebaut oder an der inneren Ausstattung ergänzt wurde. Seine Interessen galten offenbar hauptsächlich dem Schloßbau, wovon in Pommersfelden und Gaibach noch eindrucksvolle Zeugnisse erhalten sind. In Mainz erbaute er das Gartenschloß Favorite, das in den Französischen Revolutionskriegen 1792/93 unterging. Erst unter dem Kurfürsten Friedrich Karl von Ostein (1743 – 1763) setzte eine ausgesprochene Kunstblüte ein, die sich unter seinem Nachfolger Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim (1763 – 1774) noch fortsetzte. Damals entstanden allein vier große Kirchen in der Stadt: die untergegangene Jesuitenkirche 1742 – 46, St. Peter 1752 – 56, die St.-Ignaz-Pfarrkirche 1763 – 74 und die Augustinerkirche 1768 – 71. Demgemäß sind auch die Zutaten des mittleren 18. Jahrhunderts zum Inneren und Äußeren des Domes so zahlreich, daß sie deutlich im Gesamtbild mitsprechen. Das umfangreichste Stück ist das Chorgestühl von 1767, das geradezu architektonische Bedeutung hat, zumal es noch die älteren Schönborndenkmäler in sein Gesamtbild einbezieht (S. 125 f. Nr. 58, 59). Gleichzeitig gestaltete eine Reihe von großen Marmorgrabmälern den südlichen Querhausarm sozusagen in ein barockes Mausoleum um. Der Dombrand von 1767 löste eine neue Bautätigkeit aus. Der Westturm wurde 1771 – 74 mit jener unnachahmlichen Bekrönung nach dem Entwurf von Ignaz Michael Neumann versehen, die das Domkapitel mit seinem Wunsch nach Dächern und Turmspitzen, die dem Feuer widerstehen sollten, veranlaßt hatte. Durch die geschickte Anpassung an das spätgotische Glockengeschoß ist ein besonders frühes Denkmal der Neugotik entstanden. Die Steindächer auf der gesamten Westgruppe und auf den Leichhofhäusern sind das Werk des gleichen Architekten. Die Häuser am Markt entstanden 7
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Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
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ebenfalls in diesen Jahren, aber nach den Plänen anderer Meister. Die ganze Domumbauung ist ein vielbewundertes Musterbeispiel dafür, wie große Kirchen in alter Zeit von Wohn- und Ladenbauten umgeben waren. Zufällig ist diese Umbauung in Mainz, wo so vieles seit der Säkularisation bis heute zerstört wurde, erhalten geblieben. Das größte Erzbistum des Abendlandes ging nach tausendjährigem Bestehen in den Französischen Revolutionskriegen ab 1792 und den nachfolgenden Ereignissen unter. Das äußere Zeichen war die grauenvolle Belagerung von Mainz 1793, der eine Fülle prächtiger Bauten und Kunstwerke zum Opfer fiel. Vollendet wurde der Vandalismus durch die Säkularisation bis 1802 mit Versteigerung und Abbruch von erhaltenen Ruinen. Im Verlauf dieser Belagerung brannten der Dom und sein Kreuzgang 1793 ab. Ebenso erging es der östlich vom Dom gelegenen Liebfrauenkirche, der St.Sebastians-Kapelle auf dem Höfchen sowie der nahegelegenen Jesuitenkirche, dem Dominikanerkloster und dem Franziskanerkloster. Von Profanbauten wurde von den Zeitgenossen (Goethe) besonders der Untergang der neuen, prächtigen Dompropstei beklagt. In der Folgezeit verschwanden noch viele Bauten, so durch Straßenverbreiterungen und Neuanlagen die Sebastianskapelle, das St.-Agnes-Kloster am Schillerplatz, vielleicht auch das Weißfrauenkloster sowie die Franziskanerkirche an der Stadthausstraße. Der Dom erhielt 1793 ein Notdach und wurde noch bis 1797 benutzt, war aber auch gleichzeitig Magazin. Durch die Profanierung und durch die Säkularisation ging über die Hälfte des Inventars verloren. 1801/02 betrieb der Präfekt des Departements Donnersberg sogar den Abbruch des Domes. Mit der Einsetzung eines bürgerlichen Bischofs durch die napoleonische Regierung konnte der Dom gerettet werden, zusammen mit den Domen von Speyer und Worms. 1804 wurde der Gottesdienst wieder begonnen. 1809 wurden neue Glocken aus dem Metall preußischer Kanonen, die Napoleon in der Schlacht bei Jena und Auerstedt erobert und dem Bischof geschenkt hatte, gegossen. Aber noch ein Schicksalsschlag stand bevor. Bei dem Rückzug der französischen Armee aus Rußland im Winter 1813 diente der Dom als Lazarett für die typhuskranken Soldaten, und viele Ausstattungsstücke aus Holz wurden in 30 Lagerfeuern verbrannt. Damals wurden auch aus Holzmangel in der Stadt während der Belagerung 1813/14 die Dachwerke von St. Gangolph und St. Mauritius verheizt, was den späteren Abbruch dieser Kirchen zur Folge hatte. 1814 begann wieder der Gottesdienst, 1822 – 25 wurde das Notdach allmählich durch ein neues Dachwerk ersetzt, das bis zum 8
Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
Südansicht des Domes und des Domkreuzgangs nach den Verwüstungen von 1793 2 und den folgenden Reparaturen. Federzeichnung von Ignaz Opfermann, um 1820.
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Bau- und Kunstgeschichte des Mainzer Domes im Überblick
Fliegerangriff 1942 bestand. 1828 erhielt der mittlere Ostturm eine neue Bedachung in Form einer schmiedeeisernen Kuppel nach dem Entwurf des Darmstädter Hofbaudirektors Georg Moller. In diesen Jahren reparierte man auch die Denkmäler und Altäre im Inneren, die durch die Verwendung des Domes als Magazin und Stall sehr gelitten hatten. 1841 – 45 wurde der Kreuzgang wiederhergestellt, 1845 der Westturm ausgebessert, wobei viele Ornamente der Dekoration von Ignaz Michael Neumann beseitigt wurden. 1857 zerstörte eine Pulverexplosion die Fenster, die noch aus dem Mittelalter und der Neuzeit übriggeblieben waren. Eine neue Ausmalung durch Philipp Veit und seine Schüler 1859 – 64, von der nur noch die Darstellungen aus dem Leben Jesu über den Mittelschiffarkaden die Sicherungsarbeiten von 1925 – 28 überstanden haben, gab dem Dom ein farbiges Kleid und vollendete gewissermaßen die Wiederherstellung des Inneren nach den furchtbaren Jahren um 1800. Über die baulichen Rettungsmaßnahmen an der Ostgruppe und an den Fundamenten des Domes wird in dem Abschnitt über die Sicherungsarbeiten im 19. und 20. Jahrhundert (S. 69 ff.) berichtet, so daß dieses Kapitel abgeschlossen werden kann, das sich schon oben für die Zeit nach 1793 hauptsächlich mit Zerstörung und Wiederherstellung befaßte. Außer der Ausmalung um 1860 und den neuen Ostturm-Abschlüssen gab es keine wesentlichen künstlerischen Bereicherungen mehr.
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Zeittafel zur Baugeschichte des Domes Der erste Bauabschnitt um 1000 975 – 1011 Regierungszeit des Erzbischofs Willigis. Erster nachweisbarer Dombau. 1009 Brand des Domes kurz vor oder nach der Weihe. 1009 – 1036 Wiederherstellung des Domes unter Erzbischof Bardo. Erhalten: Hauptsächlich die beiden Osttürme, das Langhausfundament und die nördliche Giebelwand des Westquerhauses. 1036 Feierliche Weihe durch Erzbischof Bardo. 1081 Zweiter Dombrand. Der zweite Bauabschnitt 1. Drittel des 12. Jahrhunderts vor 1106 Baubeginn des Ostchores unter Förderung Kaiser Heinrichs IV. 1125 – 1130 Ostbau in zwei Abschnitten 1130 – 1137 Mittelschiff und Gothardkapelle, Dom- und Stadtbrand. Der dritte Bauabschnitt um und nach 1200 1183 Nach schwerer Beschädigung beginnt Erzbischof Konrad I. die Wiederherstellung des Domes, Bau der Seitenschiffaußenwände, aller Langhausgewölbe, Neubau des Westquerhauses und des Westchores sowie der Memorie. 1239 Feierliche Domweihe durch Erzbischof Siegfried III. Spätere Baumaßnahmen 1279 – 1319 Anbau der gotischen Seitenkapellen. 1480 – 1490 Gotisches Geschoß des Westturmes, Errichtung der Marien(jetzt Sakraments-)kapelle zwischen Marktportal und Westquerhaus vor 1498. 1767 Fünfter Dombrand durch Blitzschlag. 1769 – 1774 Westturm und Steindächer der Westgruppe. 11
Zeittafel zur Baugeschichte des Domes
1793 Sechster Dombrand durch Beschießung der Stadt. 1797 – 1803 Der Dom ist eine Ruine, ein großer Teil seiner Ausstattung verschleudert, er soll abgebrochen werden. 1803 – 1804 Neuherrichtung des Domes. 1867 – 1879 Umbau der Osttürme. Einbau der Ostkrypta. 1909 – 1916 Unterfangung der Ostteile des Domes und der Osthälfte des Mittelschiffs. 1925 – 1928 Rettung des gefährdeten Domes durch weitere Unterfangung und Sicherung des Westturms. 1942 Siebter Dombrand durch Fliegerangriff. Aufbringung eines Notdaches. 1955 – 1960 Wiederherstellung des Äußeren und Inneren, neue Domdächer.
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Lage und Verwendung des Domes Der Mainzer Dom steht inmitten der Nord-Süd-Ausdehnung der römischen und mittelalterlichen Stadt, etwas nach Osten zum Rhein verschoben. Er bildete die Krone des Stadtbildes und war durch acht Jahrhunderte die geistige und politische Mitte des größten Erzbistum des Abendlandes und des Kurstaates. Außerdem gab es noch Nebenkirchen, eine sogenannte Kirchenfamilie, rings um den Dom. Westlich stand der alte Dom aus der Zeit vor 1000 (jetzt evangelische St.-Johannis-Kirche). In ihr wurde, nachdem die neue Kathedrale 1036 in Benutzung genommen wurde, ein neues Kollegiatstift von Erzbischof Bardo begründet, das mindestens vom frühen 12. Jh. ab den Titel Johann Baptist erhielt. Der neue Dom übernahm das MartinusPatrozinium von dem seitherigen Bischofsdom. Ein Paradiesgang stellte die Verbindung zwischen dem Westquerhaus des neuen Domes und der Johanniskirche her. Erzbischof Willigis (975 – 1011), der Gründer des neuen Mainzer Domes, plante auf der Ostseite in der Achse eine Liebfrauenkirche (Weihe 1069), die mit seiner Kathedrale durch ein Atrium verbunden war. Diese Anlage ist dem Vorbild von St. Peter in Rom nachgebildet, wo die dortige Kapelle S. Maria in turri am Ostende des Atriums eine bedeutsame Rolle im Zeremoniell der Kaiserkrönung spielte. Willigis wollte mit dieser Gruppe von Bauten nicht nur seinen Anspruch als erster Kirchenfürst nach dem Papst ausdrücken, er wollte vermutlich auch eine für Königskrönungen und Besuche geeignete Anlage schaffen. In Fulda gab es schon zwei Jahrhunderte vor dem Mainzer Dom eine Königskapelle St. Johannes Baptist an der Ostseite des Atriums nach dem gleichen römischen Vorbild, in Trier steht südlich des Domes eine Liebfrauenkirche, in Köln gab es östlich des Domes eine Kirche St. Maria ad Gradus, die ebenfalls in der Mitte des 11. Jahrhunderts entstand. Noch im 15. Jahrhundert spielte die Mainzer Liebfrauenkirche eine bedeutsame Rolle in dem Zeremoniell als Empfangsort der Könige, wie aus den gründlich vorbereiteten Besuchen von Kaiser Friedrich III. 1473 und Friedrich III. mit König Maximilian 13
Lage und Verwendung des Domes
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Lageplan des Domes und der umgebenden Kirchen im 18. Jahrhundert (A = Der Dom. – B = Liebfrauenkirche. – C = St. Johannis. – D = Sebastianskapelle. – E = Johanniterkapelle Hl. Grab).
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1486 (die aber dann doch nicht kamen) bekannt ist. Liebfrauen in Mainz, die zwischen 1285 und 1311 als schönste gotische Hallenkirche des Mittelrheins erbaut wurde, ist leider der Belagerung von 1793 und der Säkularisation zum Opfer gefallen. Ihre Fundamente liegen unter dem Pflaster des Liebfrauenplatzes vor der Ostapsis des Domes. Die Domumbauung am Markt, Höfchen, Schöfferstraße und Leichhof, wie sie heute noch erhalten ist, gehört zu den größten städtebaulichen Kostbarkeiten, die wir in Deutschland aufzuweisen haben. Erfreulicherweise kam es in Mainz nicht zu den im 19. Jahrhundert gelegentlich geplanten Freilegungen des Domes. Nicht nur die Plätze um den Dom hätten dadurch völlig ihre Form verloren, sondern der Dom selbst hätte wie ein großes Modell auf einem Tisch ausgesehen, ohne jeden optischen Maßstab, den er an den umgebenden niederen, kleinteiligen Häusern gewinnt. Nur an einer Stelle ist er freigelegt worden, nämlich auf der Ostseite am Liebfrauenplatz, wo zu Beginn des 19. Jahrhunderts die nahe vor der Ostapsis stehende Liebfrauenkirche beseitigt wurde. Der Zweite Weltkrieg hat zwar dadurch, daß einzelne Häuser abbrannten, die Domumbauung sehr gefährdet, glücklicherweise blieben aber wichtige Bauten erhalten. Die Domumbauung von Osten her bietet zunächst im Hause Markt 20 – 26 ein in seinen Maßen absichtlich sehr kleingehaltenes Gebäude, das trotzdem mit der Betonung der Mitte und der Eckrisalite wie ein Schlößchen aussieht. Es ist 1771/72 von dem Domschreiner und Rüstmeister Kilian Bender wohl unter dem Einfluß des Mainzer Architekten Johann Anton Valentin Thoman entworfen und gebaut worden. Es ist erstaunlich, aber kein Einzelfall, daß dieses Meisterwerk mit dem ganzen Formenapparat aus Mittel-und Eckrisaliten, Balkon, rustizierten Pilastern, Giebel und Mansarddach von einem Schreinermeister erdacht wurde. Anschließend nach Westen bis zur Gothardkapelle wurden die 1770 erbauten zweigeschossigen Häuser durch Bomben und Feuer zerstört. Das Haus Nr. 18 ist ein Neubau von 1950 nach dem Muster des eben betrachteten. Die beiden Flanken des Gäßchens vor dem Marktportal wurden nur im Erdgeschoß (das auf der Westseite noch erhalten war) wiederaufgebaut. Man erreichte hiermit, daß einerseits die Zwerggalerie der St.-Gothard-Kapelle sichtbar blieb, andererseits wurde doch der Zugang zum Marktportal architektonisch gerahmt. Gerade diese riesenhafte Nische vor dem Portal verlangt eine solche Rahmung, wobei es sich fragt, ob der jetzige Wiederaufbau nicht doch zu niedrig ist.
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Lage und Verwendung des Domes
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Der Dom und die umgebenden Kirchen um 1239: Rekonstruktion (links Liebfrauen, rechts St.Johannis, die Bischofspfalz an die St.-Gothard-Kapelle anschließend).
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Die Ladenbauten in der Schöfferstraße von 1833, von dem bekannten Darmstädter Hofbaudirektor Georg Moller entworfen, die historisierenden Charakter mit ihren neuromanischen Arkaden haben, sind sehr niedriggehalten und nehmen damit ganz betont Rücksicht auf die prachtvolle Westgruppe des Domes. Dies führte sogar zu einer Unbequemlichkeit der dortigen Hausbewohner. Die Halbkreisbogen über den Schaufenstern waren nämlich Zimmerfenster, die bis zum Fußboden dieses ersten Obergeschosses herabreichen.
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Lage und Verwendung des Domes
Der Dom und die umgebenden Kirchen um 1500: Rekonstruktion. 5
Die vollendetsten Domhäuser sind aber diejenigen am Leichhof. Nach dem Brande von 1767 und der Beseitigung des romanischen Paradiesganges baute hier Ignaz Michael Neumann 1778/79 im Auftrage des Domkapitels feuersichere Wohnhäuser. Sogar die Dächer sind aus Steinen gewölbt, daher ihre eigenartige Form und die steinernen Dachgauben wie oben auf den Westchordächern. Auch hier die vornehme Zurückhaltung und Bescheidenheit in dem architektonischen Aufwand. Die Kleinheit der Fenster und die niedrigen Stockwerkshöhen helfen mit, die Größe des Domes zu steigern. Hier ist wirklich gezeigt, wie man eine Kathedrale zu 17
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umbauen hat. Tatsächlich ist der Leichhof nicht zuletzt wegen dieser Domumbauung der Platz mit dem schönsten Domblick. Das große Haus Leichhof 20 – 24 entstand nach dem Zweiten Weltkrieg als Ersatz für völlig zerstörte Häuser des frühen 19. Jahrhunderts. Der Mainzer Erzbischof benötigte eine geräumige Kathedrale als Primas Germaniae, Reichskanzler, zeitweiliger Reichsverweser, Landesherr und Kurfürst, ferner um seine Bedeutung zu zeigen, aber auch für die großen Festlichkeiten, Synoden, Besuche von hohen Geistlichen, Fürsten und Königen, für Weihen und Krönungen. Die späteren Feste beweisen, wie notwendig ein solcher Bau gewesen ist. Über die Schar der vornehmen Gäste bei der Domweihe 1036 wird weiter unten berichtet. 1043 wurde die Gemahlin Heinrichs III., Agnes von Poitou, hier von Erzbischof Bardo gesalbt und mit den königlichen Abzeichen geschmückt. 1049 waren Papst Leo IX., Kaiser Heinrich III., zwei Kardinäle, sieben Erzbischöfe, 32 Bischöfe und zwei Äbte im Dom zu einer Synode versammelt. 1052 waren wiederum der gleiche Papst und Kaiser zu einer Synode anwesend. 1077 wurde hier der Gegenkönig Heinrichs IV., Herzog Rudolf von Schwaben, zum deutschen König gekrönt. Heinrich IV. weilte sehr häufig in Mainz, auch zu kirchlichen Festen, ebenso Heinrich V., dessen Braut, Mathilde von England, 1110 im Dom gekrönt wurde und mit der er sich hier 1114 vermählte. 1198 wurde Philipp von Schwaben hier gekrönt und von diesem wiederum der Böhmenherzog Ottokar zum König erhoben und gekrönt. 1212 fand die Krönung Friedrichs II. zum deutschen König in Mainz statt. Von der feierlichen Domweihe 1239 wurde schon berichtet, wahrscheinlich wurde auch Heinrich Raspe 1246 in Mainz gekrönt. Die Kathedrale diente dem Erzbischof und dem Domkapitel, auch die Dompfarrei durfte sie benutzen. Ferner wurden Ergänzungsbauten benötigt, nämlich das Stiftskloster für die Kanoniker, die im 11. bis 12. Jahrhundert noch zusammenwohnten, wozu der Kreuzgang, Kapitelsaal, Refektorium, Küche, Kalefaktorium, Dormitorium, Bibliothek, Archiv, Keller und Domschule gehörten. Der Palast des Erzbischofs und seine Palastkapelle liegen meist auf der anderen Seite, in Mainz im Nordwesten des Domes.
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Die Baugeschichte des Domes Von der Kathedrale des Mainzer Bischofs im ersten Jahrtausend wissen wir nichts Bestimmtes. Gewiß deutet die um 600 erwähnte Taufkirche St. Johann darauf hin, daß sich in der Nähe, allgemeinem Brauch entsprechend, die Bischofskirche befunden haben müßte. Die jetzige, westlich des Domes gelegene evangelische Johanniskirche dürfte nach Fundamentbefunden und Geschichtsquellen an der Stelle des frühchristlichen Domes stehen. Der hl. Martin, der bekanntlich der Patron des Domes ist, ist jedenfalls nach den Quellen im 8. Jahrhundert der Patron der vermögendsten Kirche.
Der erste Bauabschnitt in romanischer Zeit um 1000 Erzbischof Willigis begann bald nach dem Antritt seines Amtes, 975, den Bau eines neuen Domes östlich des alten Domes, der jetzigen Johanniskirche. Die von seinen Vorgängern und von ihm inzwischen errungene führende Stellung im Reich und in der deutschen Kirche wird allein schon einen größeren und reicheren Bau gefordert haben. Der Neubau brannte allerdings am Tag der Weihe, 29. oder 30. Aug. 1009, oder unmittelbar davor ab. (Alte Quellen siehe bei Kautsch 1927, S. 16 – 26.) Die Nachfolger auf dem Erzbischofsstuhl scheinen alsbald mit der Wiederherstellung begonnen zu haben. Erzbischof Aribo (1021 – 1031) bestellte bereits bei dem Domscholaster Ekkehard (IV.) Verse für die künftige Ausmalung und wurde im Westchor vor dem Hochaltar beigesetzt. Erst dem dritten Nachfolger, Bardo (1031 – 1051), war es beschieden, den Dom mit einem Dach zu versehen, auszustatten und am 10. Nov. 1036 in Gegenwart von Kaiser Konrad II., der Kaiserin Gisela sowie König Heinrich III., dessen Gemahlin und von 17 Bischöfen zu weihen. Man darf wohl annehmen, daß die drei Nachfolger des Willigis im wesentlichen den von ihm gebauten Dom wiedererrichteten. Gelegentlich einer großen Synode wurde im Okt. 1049 ein Marienaltar geweiht. Unter Erzbischof Bardo wurden auch Kreuzgang und Stiftsgebäude errichtet. 19
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Das Aussehen dieses zwischen 975 und 1036 errichteten Kirchenbaues kennen wir wenigstens im Grundriß, der interessant und bedeutungsvoll ist. An ein sehr breites dreischiffiges Langhaus schloß sich im Westen ein 200 Fuß langes Querhaus an. Im allgemeinen errichtet man die Querhäuser im Osten anschließend an eine Apsis. Außerdem ist es um 1000 schon üblich, das Querhaus nicht länger als drei Quadrate zu machen, während das Mainzer etwa vier Quadrate lang ist. Also gleich zwei Besonderheiten. Vom Ost- und Westabschluß dieses Domes wissen wir ebensowenig wie vom Aufbau des Langhauses. Eine Streitfrage ist, ob eine Ostapsis vorhanden war. Ein Fundament aus der Zeit vor der jetzt bestehenden Apsis wurde nicht gefunden. Also wurde von einigen Forschern (Kunze, Esser) eine östliche Eingangsfassade, sogar mit Mittelturm, rekonstruiert, die wie ein Westwerk aussieht. Dagegen läßt sich einwenden, daß es 1. seit Fulda keine Kirche mit Westquerhaus gibt, die nicht auch eine Ostapsis besitzt, daß 2. bereits 1071 eine Ostapsis des Mainzer Domes bezeugt ist, daß 3. bei der Fundamentierung der neuen Apsis um 1100 das frühere Fundament wahrscheinlich herausgerissen wurde, um eine Pfahlgründung vornehmen zu können, die aufgrund von Erfahrungen, die man am Willigis-Bardo-Dom gemacht hatte, ab 1100 hier und dann an der Verstärkung der Langhausfundamente eingeführt wurde. Von diesem Willigis-Bardo-Dom steht oberirdisch nur wenig Mauerwerk aufrecht. Die nördliche Querhausgiebelwand ist dadurch stehengeblieben, daß die St.-Gothard-Kapelle (s. S. 38) an sie angebaut wurde. Dort sind auch Reste eines mächtigen Portals zu finden. Die beiden östlichen runden Treppentürme, die ebenfalls Schule gemacht haben (in Worms), sind zwar im Fundament durch Fugen von den anliegenden quadratischen Baukörpern getrennt, binden dann aber doch in das aufgehende Mauerwerk tief ein. Daraus kann geschlossen werden, daß sie noch unter Willigis durch eine nachträgliche Änderung des ursprünglichen Bauplans angefügt wurden, um einen bequemen Zugang zu den Dächern beim Bau und bei Katastrophen zu haben. Die unteren vier Geschosse sind noch alt, in strenger Weise mit Pilastern und Gesimsen geschmückt und nur durch kleine Trichterfenster beleuchtet. Im Inneren findet sich eine Treppe mit flachen Stufen. Die Spindel ist abwechselnd aus roten und weißen Quadern gemauert. Ferner sind aus der Zeit des Willigis noch die beiden Bronzetürflügel des Marktportals erhalten (s. S. 52 ff.). Als vergleichbarer Bau ist die Klosterkirche des hl. Bonifatius zu Fulda mit ihrem ausladenden Westquerschiff zu nennen, die zwischen 791 und
Der zweite Bauabschnitt in romanischer Zeit um 1100 – 1137
819 errichtet wurde. Aber auch die Grabeskirche des Apostels der Deutschen hatte ihr Vorbild, nämlich in der des Apostelfürsten in Rom, im konstantinischen St. Peter. Der Primas Germaniae ahmte als Haupt der deutschen Kirche den römischen Petersdom nach. Rom wird im ganzen Mittelalter als Haupt der Welt und als vorbildlich angesehen. Entsprechend baute gleichzeitig der Kölner Erzbischof Pilgrim (1021 – 1036) die als seine Grabeskirche vorgesehene Apostel-Kirche in Köln, eine dreischiffige Pfeilerbasilika mit rechteckigem Ostchor, weitausladendem, durchgehendem Querschiff und Vierstützenkrypta unter dem quadratischen Westchor. Der um 900 erbaute alte Mainzer Dom, die spätere Johanniskirche, hatte ebenfalls ein Westquerhaus. Von hier aus könnte auch der Grundriß des neuen Willigisdomes angeregt worden sein. Nachdem der Mainzer Dom um 1000 dieses römische Bauschema aufgegriffen hatte, wurde es von einigen anderen Bischöfen nachgeahmt, nämlich in Bamberg, Augsburg und Regensburg. Die Michaelskirche zu Hildesheim, die der Willigisschüler Bernward (1010 – 1022) erbaute, ist ebenfalls doppelchörig, besitzt aber zwei kurze Querschiffe mit ausgeschiedener Vierung: ähnlich wie in Mainz sind Treppentürme außen angefügt. Der jüngere Wormser Dom, der allerdings sein Querhaus im Osten hat, wiederum doppelchörig, weist durch ähnliche Treppentürmchen auf das Mainzer Vorbild hin. Der Willigisdom mußte deswegen gründlich betrachtet werden, weil seine Fundamente und seine Maße die späteren Dombauten bestimmen. Zwar sind der Ost- und Westabschluß bis heute nicht absolut sicher faßbar, aber das Langhaus und Querhaus sind in ihren Fundamenten festzustellen. Die einzige nachweisbare Veränderung der Jahrzehnte nach 1200 besteht in der Verkürzung des Querschiffs.
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Der zweite Bauabschnitt in romanischer Zeit um 1100 – 1137 Der Ostbau Weihnachten 1079 wurde ein Teil des Domdaches durch einen Sturm herabgeschleudert, in der Pfingstwoche 1081 wurden ein großer Teil der Stadt, der Dom und drei Klöster Opfer eines Brandes. Dieser scheint der Anlaß zu einer durchgreifenden Erneuerung des Domes geworden zu sein. Der alte Dom wurde aber zunächst – zumindest teilweise – wieder21
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Die Ostseite des Domes.
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Die Zwerggalerie des Ostchors um 1130. 7
hergestellt, denn 1097 wurden Schenkungen im Dom vollzogen und 1103 feierte Heinrich IV. Weihnachten im Dom. Zu gleicher Zeit hatte Heinrich IV. die neue Ostapsis, das Querhaus und die Mittelschiffgewölbe des Speyerer Domes zu bauen begonnen. Ein neues architektonisches Motiv taucht dort auf, nämlich der obere Abschluß der Apsis oder anderer Gebäudeteile durch eine Zwerggalerie (um 1120). Auch die Gliederung der Apsis durch sieben Blendbogen mit drei Fenstern über einem hohen Sockel, in dem die Kryptafenster sitzen, ist zu
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hoher künstlerischer Vollendung entwickelt. Neuartig ist ferner in Speyer die Bauplastik, die sich an antike Vorbilder anlehnt. Der gleiche Heinrich IV., der oft und gerne in Mainz weilte, förderte auch den Mainzer Dombau. Dies erfahren wir von seinem Biographen, der kurz nach dem Tode Heinrichs 1106 schreibt: „Ach Mainz, eine wie große Zierde (decus) hast du verloren, die du einen solchen Kunstfertigen (artifex) verlorst, der deinen Dom aus den Trümmern hätte wiederherstellen lassen. Hätte er so lange gelebt, bis er an den Bau deines Domes, den er begonnen hatte, die letzte Hand hätte anlegen können, wahrhaftig, du könntest wetteifern mit jenem berühmten Dom zu Speyer, der zwar schon gegründet war, den er aber durch einen ans Wunderbare grenzenden Bau und durch Steinmetzarbeiten vollendet hat, so daß dies Werk mehr als alle Werke der alten Könige lobwürdig und bewundernswert ist“ (MGH SS 12, 270; Übersetzung I. Schmale-Ott, Darmstadt 1968, S. 409f.). Der Mainzer Ostchor ist auf Grund seiner Ähnlichkeit mit Speyer der Bauteil, den Heinrich IV. fördern ließ. Die Hauptapsis hat die gleiche Gliederung wie die zu Speyer. Die Einfügung eines einfachen Gurtgesimses unter den Säulchen der Zwerggalerie zeigt, daß die Mainzer Apsis nach der Speyerer entstanden ist. Die Apsisfenster waren ursprünglich kleiner, sie wurden zu Beginn des 13. Jahrhunderts erweitert. Die Zwerggalerie mit ihren radial zur Apsis stehenden Tonnen auf von Säulen getragenen Steinbalken ist die zweite nach Speyer, wo dieses neue, wichtige Architekturmotiv vorkommt (nächstfolgendes Beispiel an der Gothardkapelle s.u.). Über der Apsis erhebt sich ein Giebel mit fünf ansteigenden Nischen, die als architektonisches Motiv zu verstehen sind. In der Giebelspitze ist die Segenshand Gottes (dextera domini) in einem Kreuz dargestellt. Ähnlich war wohl auch der Ostgiebel des Speyerer Domes gebildet, und so wurde er 1966 wiederhergestellt. Die nördliche Giebelseite des Querbaues besitzt nach dem Markt zu ebenfalls Nischen wie der Ostgiebel über der Apsis. Das daruntersitzende Fenster, das in die obere Kapelle neben dem Ostchor führt, hat eine für seine Zeit erstaunlich reiche Rahmung durch Wülste und Kehlen, die den Profilen um die Tympana der Ostportale ähnelt. Der südliche Giebel, den man vom Kreuzgang her sieht, ist im Vergleich mit der Nordseite fast ohne Schmuck. Schon in dieser Zeit wurde ein Unterschied zwischen der nördlichen Hauptschauseite über dem weltlichen Mittelpunkt der Stadt, dem Marktplatz, und der bescheideneren Seite über dem Kreuzgang gemacht.
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Der zweite Bauabschnitt in romanischer Zeit um 1100 – 1137
Der heutige Mittelturm entstand nach dem Entwurf von P. J. H. Cuypers von 1870 – 75 und bildet in freier, in den Proportionen überhöhter Form den ursprünglichen nach. Der alte Turm war vor dem Abbruch 1870 noch gut zu erkennen: Er besaß ein niedrigeres Fenstergeschoß, von Lisenen und Bogenfries gerahmt, und darüber eine kleinteiligere Zwerggalerie. (Nachdem diese vermauert war, wurde darauf 1361 ein hohes gotisches Geschoß mit schlanken Maßwerkfenstern und Wimpergen aufgesetzt, dem Vierungsturm von St. Katharinen in Oppenheim sehr ähnlich. Zuletzt bekrönte ihn seit 1828 die bekannte eiförmige Eisenkuppel, die der hessische Hofbaudirektor Georg Moller entworfen hatte.) Beiderseits der Ostapsis schließen sich schlichte Mauern aus Bruchstein an, die durch Portale, darüber je zwei Schlitzfenster und darüber ein langes rundbogiges Fenster, verraten, daß hier drei Geschosse übereinanderliegen. In Speyer ist der Chor länger, dort folgen die beiden quadratischen Osttürme und dann das Ostquerhaus. Dieser Mainzer Baukörper, aus dem die Ostapsis vorspringt, soll offenbar das Querhaus vertreten, das den Unterbau des Mittelturms bildet. Die Portale haben auf jeder Seite je zwei Säulen vor und in den Rücksprüngen. Auf den Kapitellen und Kämpfern lagern leere Tympana, die von reich gestuften Archivolten umgeben sind, die in einer vor die Wand vorspringenden rechteckigen Umrahmung liegen, die oben durch ein Gesims abgeschlossen wird, einer sogenannten Ädikula. Diese Säulenportale gehören zu den ältesten Deutschlands und stehen den Umrahmungen der Altarnischen im Speyerer Querhaus nahe. Das Südportal der Mainzer Ostseite besitzt in der Kapitellzone reichen Schmuck, über den unten berichtet wird. Das Nordportal hat glatte Kapitelle; die beiden frühgotischen Konsolen wurden später zur Stützung des Tympanons eingesetzt. An der Klosterkirche zu Ilbenstadt in der Wetterau (nach 1123), die mit ähnlicher Bauplastik geschmückt ist, stellt das Nordportal des Langhauses (um 1130) eine Weiterentwicklung des Mainzer Nordostportals dar. Die beiden runden Treppentürme, die zur Bauzeit des Ostchores schon etwa hundert Jahre alt waren, begrenzen an der Nord- und Südseite die Fassade. Dabei muß man bedenken, daß die Liebfrauenkirche ziemlich dicht vor dem Dom stand, so daß man die monumentale Dom-Ostseite nicht aus der Entfernung sehen konnte, wie das heute möglich ist. Die Liebfrauenkirche des 11. Jahrhunderts wird nicht allzu hoch gewesen sein, so daß der Dom noch mächtig darüber hinausragte. Sie war mit dem Dom durch ein Atrium verbunden, dessen Fundamente ausgegraben sind. Zur
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Zeit der Errichtung der Apsis und der Seitenportale muß aber das Atrium verschwunden gewesen sein, da keine Spuren davon an der Ostseite des Domes zu finden sind. Die gotische Mariengradenkirche mit ihrem mächtigen Turm verdeckte den Dom vom Rhein her, wie die Ansichten von Merian und anderen zeigen, und verschmolz mit ihm zu einer Gruppe. Im Inneren befinden sich hinter den Portalen unten Durchgangshallen in die Seitenschiffe, darüber quadratische Nebenräume, die vielleicht Schatzkammern oder Abstellräume waren, und im 3. Geschoß Kapellenräume, die langrechteckig sind und mit ihrer westlichen Hälfte über dem östlichen Seitenschiffjoch liegen. Diese Kapellen öffnen sich zum mittleren Kuppelraum mit zwei großen Öffnungen (in denen jetzt die Orgelprospekte zu sehen sind). Diese oberen Geschosse sind von den Treppentürmen aus zugänglich. In Mainz schließt auch der Mittelturm unmittelbar an die Apsis an, ohne das Speyerer (tonnengewölbte) Zwischenjoch. Gerade diese Lösung, daß der Blick von dem Apsisgewölbe aufwärts in die 1870–1875 erneuerte Kuppel gleitet (die früher niedriger war), daß die seitlichen Wände geschlossen und nur von wenigen, sparsam verteilten Öffnungen durchbrochen sind, ergibt im Innenraum eine ungewöhnlich geschlossene, großartige Wirkung von eindrucksvoller Kraft. Zudem ist diese Lösung in der Kunstgeschichte durchaus originell. Sie wurde im Westbau von Ste.-Gertrude in Nivelles (Belgien, um 1170) nachgebildet, aber vielleicht hatte dieses auch einen älteren Vorgänger. Vergleichbare hochgelegene Kapellenräume, die neben dem Chor meist in Türmen liegen und die mit ihm durch Öffnungen in Verbindung stehen, gibt es beispielsweise am Münster zu Essen (um 950/60), am Dom zu Verdun (990 – 1024), am Dom zu Eichstätt (Maria und Michael, 1072 geweiht), an der Benediktinerkirche zu Murbach (um 1140) und am Dom zu Trier (um 1160 – 96). Die Durchgangsräume hinter den beiden Portalen beiderseits des Ostchores sind durch ihre Architektur und im Südraum durch ihre reiche Bauplastik beachtenswert: Doppelarkaden auf einer Sockelbank schmücken die Wände, das niedere Gewölbe bildet einen wirkungsvollen Eingang zu dem ersten Seitenschiffjoch, das noch einmal durch das Doppelfenster zum mittleren Chor ausgezeichnet wird. Auffallend sind an dieser Stelle auch die hervorragend schöne Technik der Quaderbearbeitung mit Randschlag und Spiegel sowie die messerscharfen Fugen. Der rote Sandstein scheint besonders geeignet, so präzise behauen zu werden. Auch sonst gibt es am Dom in Mittelschiff, Gothard-
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Der zweite Bauabschnitt in romanischer Zeit um 1100 – 1137
Die südliche Eingangshalle neben dem Ostchor (unten Eingangshalle mit Portal 8 und östlichem Seitenschiffjoch, darüber ein quadratischer gewölbter Raum, der vielleicht Sakristei oder Schatzkammer war, und im 3.Geschoß eine zweijochige Kapelle mit zwei Fenstern zum mittleren Chorraum und Ausgang zur Zwerggalerie).
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Die Baugeschichte des Domes
kapelle und Westchor qualitätvolle Steinmetzarbeit in teilweise derselben Technik, aber der Glanzpunkt ist wegen seines guten Erhaltungszustandes an dieser Stelle zu finden.
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Die Bauplastik des Ostbaus Das südliche Portal am Liebfrauenplatz zeigt Akanthuskapitelle, wie sie nach antiken Vorbildern zu allen Zeiten nachgebildet wurden. Die Löwen im Kampf gegen den Widder, der Mann, der einen Löwen mit dem Schwert angeht, am gleichen Portal, die Form des ganzen Portales selbst mit seinen Säulen und der oberen Ädikula-Einrahmung, das alles ist ungewöhnlich und hat Parallelen in Oberitalien und Speyer. In der Vorhalle des südlichen Seitenschiffes gibt es die gleichen Akanthuskapitelle, aber auch einen Kentaur, der mit Pfeil und Bogen einen Hirsch verfolgt, ferner kämpfende Greifen, Adler mit Fischen und Hasen in den Krallen und am Kryptaeingang einen Hasen und früchtepflückende und flügelputzende Vögel in dreisträhnigen Ranken. Auch hier ist es klar, daß diese Motive wie das Akanthuskapitell, die Greifen, der Kentaur aus der antiken Kunst stammen. Hier wie unten in den östlichen Ecken der südlichen sowie in der ganzen nördlichen Durchgangshalle fällt auf, daß eine Reihe undekorierter Kapitelle (in Bosse) vorhanden sind. Das Nordportal der Ostseite (am Liebfrauenplatz) hat glatte, würfelförmige Kapitelle. Außen an der Apsis besitzt nur ein einziges Fenster eine ornamentierte Umrahmung, die beiden anderen Fenster und die Blendbogen haben nur ihre glatten Abstufungen und Profile. In der Zwerggalerie finden sich glatte Kapitelle zwischen reich geschmückten und halbfertigen, eines ist sogar falsch versetzt. Im Inneren der Ostapsis und im Chorquadrat ist nur ganz wenig Bauplastik vorhanden. Die reiche und sehr qualitätvolle Bauplastik an den Ostteilen des Mainzer Domes war sehr häufig Thema ausführlicher Erörterungen; über Form- und Stilvergleich wurde versucht, die undatierten Bauteile zeitlich festzulegen und zu klären, was beim Tode Heinrichs IV. 1106 stand und nicht mehr weitergebaut wurde. Zur Bauplastik äußerte sich schon G. Moller 1821, der 1828 dem Ostturm eine Metallkuppel aufgesetzt hat, und 1835 J. Wetter, der als erster Abhängigkeiten der Bauteile und ihrer Plastik von der Lombardei, besonders von Como, vermutete und damit die weitere Forschung bestimmt hat. F. Kugler 1842, F. von Quast 1853 und J. Wetter 1858 datierten die Ostteile nach der Gothardkapelle in die Zeit 1137 bis um 1150. Aber schon 1859 entschied sich F. Kugler für eine
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Das südliche Ostportal am Liebfrauenplatz. 9
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Südliches Ostportal: Kämpfer mit zwei Löwen, Widder und Greif.
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Südliches Ostportal: Kämpfer mit Mensch und Löwe.
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Südliche Vorhalle: Kentaur, der einen Hirsch verfolgt. 12
Datierung in das Ende des 11. Jahrhunderts und brachte somit die Ostteile mit der Klage über den Tod Heinrichs IV. zusammen. In der weiteren Forschung schwankten die Datierungen zwischen um 1100 und späteres 12. Jahrhundert. Um die Jahrhundertwende wurde mehrfach die Abhängigkeit von Speyer betont, bis R. Kautzsch in mehreren Aufsätzen seit 1911 und im Kunstdenkmälerinventar 1919 zwei Bauzeiten vermutete und durch eingehende Formenvergleiche oberitalienische Herkunft um 1100 und Beziehungen zu deutschen Arbeiten bis 1137 annahm. Schließlich vermutete F. Arens 1982 (in der ersten Auflage vorliegender Monographie), daß die Bauplastik der Vorhalle, des Südostportals und der Zwerggalerie von Comasken aus Oberitalien geschaffen wurde, die zuvor in Speyer an der Apsisgalerie gearbeitet hatten. Die Mainzer Zwerggalerie sei nach dem Tode Heinrichs IV. eilig fertiggestellt worden; er begründet das mit der Stellung unfertiger verzierter Kapitelle zwischen glatten deutschen Kapitellen, die durch den Weggang lombardischer Steinmetzen notwendig wurden. M. Untermann hat in seiner Kölner Dissertation 1984 erstmals wieder für eine spätere Datierung plädiert: untere Teile 1120 – 30. H. Mertens hat sich dann 1993 in seiner Kölner Dissertation ausführlich der Einordnung und Datierung der Bauornamentik zugewandt und kommt zu einer Datierung 1125/30 und einer Händescheidung. Die Plastik des Südostportals, der Südostvorhalle und der Kämpfer der Krypta teilt H. Mertens 31
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nach stilistischen Kriterien in zwei Gruppen: vom Akanthusmeister stammen der Kapitellfries des nördlichen Portalgewändes, das korinthische Kapitell des südlichen Gewändes und das Kompositkapitell der Vorhalle; von der Hand des Meisters der Tiergruppen stammen die Löwen-WidderGruppe und der Greif des südlichen Portalgewändes, das südliche Figurenkapitell der Vorhalle, die Kämpfer des Kryptazuganges und wohl auch das Kapitell der Apsisinnengliederung, vielleicht auch der nördliche Kapitellfries der Vorhalle mit dem hirschjagenden Kentaur und dem Adler. Die Plastik der oberen Bauteile konzentriert sich auf zwei Hauptbereiche: erstens die Kapitelle der Halbsäulenvorlagen der Apsisaußenwand und die reliefierten Blendbogen, das Nordfenster der Apsis, zweitens die Kapitelle der Zwerggalerie. Auch hier verteilt H. Mertens die Arbeiten auf zwei Meister: vom Adlermeister stammen die beiden Adlerkapitelle der Zwerggalerie und der Adler der östlichen Rundbogenöffnung des nördlichen Oratoriums zum Chor; der Rankenmeister hat die Kapitelle seitlich des Nordfensters der Apsis, den Rankenfries der inneren, letzere umlaufenden Blende, fünf Kapitelle der Zwerggalerie, den Drachen der östlichen Öffnung vom nördlichen Oratorium zum Chor und den dort befindlichen Greif gearbeitet. Die allgemein immer wieder beobachteten Zusammenhänge zwischen den Speyerer und Mainzer Formen hat H. Mertens durch genaueren formalen und stilistischen Vergleich auf eine neuere Grundlage gestellt. Ihm ist es gelungen, die Händescheidung vorzunehmen und die Meister an anderen Bauten weiterzuverfolgen. Zunächst konnte er überzeugend aufzeigen, daß der Mainzer Akanthusmeister zuvor die Kapitelle der Afrakapelle in Speyer gemeißelt hat. Umfangreiche analytische Vergleiche führten H. Mertens zu folgendem Ergebnis: „Am Beginn steht das Speyerer Querschiff, dessen Vollendung in den frühen zwanziger Jahren erfolgte. Der Zeitpunkt des Baubeginns am Querschiff ist zunächst nicht genauer zu bestimmen. Offen bleibt damit auch die Frage, ob dieser doch noch vor dem Tod Heinrichs IV. liegt. Erst nach der Fertigstellung der Bandrippengewölbe erfolgte der Aufsatz der Zwerggalerien von Quer- und Mittelschiff sowie die Errichtung der Afrakapelle und der Altarhausgalerien. Die letztgenannten Arbeiten zogen sich bis in die Mitte der zwanziger Jahre. Der Akanthusmeister verließ Speyer noch vor Abschluß dieser Bauphase, um nach Mainz zu wandern. In Mainz begann man um die Mitte der zwanziger Jahre mit der Errichtung des Ostbaues, die vielleicht schon Anfang des 12. Jahrhunderts 32
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vorbereitet war. Ob die unvollendete Krypta ein Teil dieser Maßnahmen war, auf die die Vita Heinrichts IV. hinweist, bleibt zu klären. Der Akanthusmeister arbeitete hier neben dem Tiergruppenmeister. Zumindest der Akanthusmeister hat die Mainzer Baustelle nach der Fertigstellung der Vorhalle und des Portales verlassen und um 1130 die Kanzel von S. Giulio im Ortasee geschaffen. Die zeitliche Distanz zu seiner Tätigkeit in Oberitalien ist nur schwer abzuschätzen. Für den Tiergruppenmeister ist eine Abwanderung zur in den späten zwanziger Jahren wieder aufgenommenen Baumaßnahme am Disibodenberg wahrscheinlich. Mit der Grundsteinlegung von 1108 war dort sicher nicht mehr als die Anlage der Fundamente verbunden. Der spätestens Ende der dreißiger Jahre vollendete Ostbau lehnt sich in der bauplastischen Ausstattung an Mainz, in der architektonischen Gliederung hingegen an den Wormser Dom an. Dessen Neubau war vielleicht noch vor Mainz nach 1120 begonnen worden und setzte im Gegensatz zur eher konservativen Ostgruppe in Mainz konsequent die am Speyerer Querschiff bereits vorgegebenen reichen Gliederungsformen zur Verschleifung des Wandreliefs ein. Nicht nur am Disibodenberg war noch bis in die dreißiger Jahre die Plastik der unteren Mainzer Bauteile prägend bzw. wurde mit geringerer Qualität kopiert. Das gleiche gilt für die Klosterkirche in Ilbenstadt, wo die von uns bearbeitete Bauplastik bisher in die dreißiger Jahre angesetzt wurde. Eine genauere Festlegung ist schwierig, da Ilbenstadt eine exakte Kopie von Mainz darstellt, die nur im bildhauerischen Bereich deutlich niedrigeres Niveau aufzeigt. Neben der Bauplastik folgt auch die Vorhallenarchitektur dem Mainzer Vorbild. Die Proportionen des attischen Profiles entsprechen darüber hinaus denjenigen des Mainzer Südostportales: Der untere Wulst nimmt fast die halbe Höhe der Basen ein, während oberer Wulst und Kehle in dem genauen Verhältnis von 1 : 2 stehen. Ohne die Zuwanderung Mainzer Kräfte sind diese Übereinstimmungen kaum denkbar. Deshalb ist für diese Bauphase ein Beginn noch vor 1130 anzunehmen: In diesem Jahr war die Zwerggalerie der Mainzer Apsis bereits vollendet, deren Basen eine deutlich veränderte Ausformung mit einem flacheren oberen Wulst zeigen. Aufgrund der engen Verwandtschaft der Flonheimer Stücke können auch diese in der Zeit um oder nach 1130 entstanden sein. Auf der Mainzer Baustelle dürfte man schon nach drei oder vier Jahren zur Vollendung des Fenstergeschosses der Apsis gekommen sein. In dieser Zeit war der Rankenmeister der einzige Bildhauer auf der Baustelle. Dementsprechend ist der plastische Aufwand sehr begrenzt geblieben. 33
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Noch vor 1130, während der Arbeiten an der Zwerggalerie, muß der Meister die Baustelle verlassen haben, um sich nach Lund zu begeben. Dort dürfte um oder vor 1131 mit dem Mauerwerk oberhalb der Krypta begonnen worden sein. Die Lunder Architektur erweist sich damit als außergewöhnlich fortschrittlich. Auch in Lund war der Mainzer Meister zunächst der einzige qualifizierte Bildhauer, wie die primitiven Stücke neben den seinen am Apsisuntergeschoß und die primitiven Schöpfungen der Gruppe 1 beweisen. Die Zuwanderung weiterer Kräfte vom Oberrhein dürfte allerdings nicht lange auf sich warten lassen haben. Ein Bildhauer kam mit Sicherheit aus Speyer nach Lund, wo er die in den frühen zwanziger Jahren oder vielleicht erst um 1125 entstandenen Kapitelle der oberen nördlichen Altarhausgalerie zumindest gesehen, wenn nicht gar selbst Hand an sie gelegt hatte. Die stark an den Akanthusmeister gemahnenden Kapitelle der Seitenschiffe lassen das Zuwandern anderer am Oberrhein geschulter Meister vermuten. Auf der Grundlage ihrer Werke entwickelte sich eine eigene Tradition am Bau“ (H. Mertens 1995, S. 265f.). Aus der Beobachtung der Bildhauerwanderungen und Formabhängigkeiten ergibt sich ein Datierungsgeflecht, das für den Ostbau von Mainz eine Entstehungszeit um 1125 bis um 1130 in zwei Bauabschnitten ergibt. Grundmauern und Kryptaanlage könnten noch zu der mit dem Tode Heinrichs IV. 1106 abgebrochenen Baumaßnahme gehören; damit wäre dann auch die Aufgabe der unfertigen Krypta beim Fortsetzen um 1125 erklärbar. Ein Grab von 1122 in der Schuttmasse, die den Raum der Krypta füllte, deutet offenbar darauf hin, daß sie damals schon nicht mehr vorhanden war.
Die Krypta in der heutigen Form wurde 1872 – 76 eingebaut. Man fand damals die Wandgliederung 2 – 2,50 m hoch, die Sockelplatten der freistehenden Säulen sowie Stufen der von den beiden seither vermauerten Eingängen in den Seitenschiffen hinabführenden Treppen. Die drei Fenster im Sockelgeschoß der Apsis und die beiden, die in die Seitenschiffe hinaufführten, waren auch immer Zeugnisse einer Krypta gewesen. Aus den Resten der Wandgliederung ließ sie sich ohne weiteres rekonstruieren: ein dreischiffiger Raum mit gedrungenen Säulen und Halbsäulen vor rechteckigen Rücklagen an der Wand in einer Länge von fünf Jochen; sie gleicht in allen erhaltenen Details so sehr der Speyerer Krypta, daß die verlorenen (oder vielleicht nie ausgeführten) Kapitelle und die Gewölbe 1872 – 76 danach rekonstruiert werden konnten. 34
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Der Verwendungszweck des Ostchores ist nicht eindeutig überliefert. Auf keinen Fall war er „Königschor“, wie das auch anderwärts irrtümlich von Gegenchören behauptet wird (Worms). Der König hatte seinen Platz im Westchor bei dem Erzbischof und dem Domkapitel. Der Hauptaltar des Ostchores war entsprechend dem Doppelpatrozinium des Domes Martin und Stephanus dem Erzmärtyrer geweiht. 1071 wird dessen Standort ausdrücklich angegeben: „Altar des Erzmärtyrers Stephanus, der in der östlichen Apsis geweiht ist.“ Davor stand wahrscheinlich am Ostende des Mittelschiffs der Kreuzaltar. Der ganze Chor war offenbar dem hl. Stephanus geweiht. Daneben befand sich hier wahrscheinlich auch der 1049 erwähnte Hochaltar zu Ehren der Gottesmutter, denn ein solcher ist in späteren Jahrhunderten immer vorhanden gewesen. Selbstverständlich hat das Domkapitel hier auch seine Stationsgottesdienste, besonders am Stephansfest, gefeiert. Später, vielleicht seit der Verlegung des Kreuzaltars im 14. Jahrhundert vom Mittelschiff unter den Triumphbogen des Ostchores, wurde er auch Gottesdienststätte der Pfarrei. Sein Kuppelraum war offenbar durch ein eisernes Gitter gegen das Mittelschiff abgesperrt, wovon er den Namen „chorus ferreus“ erhielt. Besonders seit dem 17. Jahrhundert wurde er bevorzugter Begräbnisort der Erzbischöfe, Prälaten und vornehmer Laien in den Grüften, die den Raum der aufgegebenen Krypta einnahmen. Das Langhaus Im Anschluß oder parallel zu den oberen Teilen des Ostbaus entstanden um 1130 bis 1137, wie M. Untermann 1984 und D. v.Winterfeld 1986 vorgeschlagen haben, das Langhaus und die Gothardkapelle, deren Bauformen und Steinbearbeitung ähnlich sind. Die allgemeine Annahme, das Langhaus habe bereits eine um 1200 ersetzte Einwölbung besessen, lehnten H. Weigert 1933, D. Großmann 1984 und mit neuen Argumenten D. v. Winterfeld 1986 und 1988 ab. Die Fundamente des Willigis-Langhauses wurden beibehalten, aber überall, wo Pfeiler stehen, wurden auf beiden Seiten blockartige Verbreiterungen vorgelegt, die auf Pfahlrosten ruhen. Solche Roste sind auch unter der Ostapsis und der Krypta festgestellt worden. Dem Grundriß des Langhauses liegt das gebundene System mit annähernd quadratischen Mittelschiffjochen von 10,2 : 13,6 m und beiderseits je zwei Seitenschiffjochen von 5:6,5 m zugrunde. Für den Aufbau der Wände diente Speyer als Vorbild, von wo man die breiten, hohen Pfeiler mit ihren schmalen Arkaden, ja sogar die Halbsäulenvorlagen im Seiten-
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Mittelschiff: Blick zum Ostchor.
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und Mittelschiff wie auch die Blendfelder über den Arkadenbogen übernahm. Das ursprünglich flach gedeckte Mittelschiff von Speyer hatte vor jedem Pfeiler eine Halbsäule, Mainz nützt nun schon die Erfahrung des Gewölbebaues und läßt unter jedem Gewölbe, also an jedem zweiten Pfeiler, die Halbsäule im Mittelschiff weg. Heinrich IV. hatte bei der Einwölbung des Speyerer Mittelschiffs die gurttragenden Halbsäulen verstärken lassen. Doch die Blenden schließen in Mainz nicht mehr die Fenster ein, sondern bleiben unter ihnen. Ein Grund dafür dürfte sein, daß die Fenster wegen der Gewölbe paarweise zusammengerückt wurden, während sie in Speyer in gleichem Abstand stehen, weil sie dort zunächst Bestandteil des flachgedeckten Mittelschiffs des 11. Jahrhunderts waren. Am Ostende des Mittelschiffs fehlen die Blenden auf dem Obergaden, die Breite der ersten Arkade ist geringer als sonst (2,85 statt 3,05 m). Diese Abweichung dürfte so entstanden sein: Als der Ostchor errichtet wurde, stand noch das ältere Langhaus der Willigis-Bardo-Zeit. Man mußte die Ostkuppel mit zwei Strebemauern nach Westen zu abstützen, bis das neue Langhaus gebaut werden konnte. Damals war noch nicht vorgesehen, den Obergaden durch Blenden zu gliedern. So ist doch bei großer Ähnlichkeit eine Reihe von Unterschieden zwischen den Mittelschiffwänden beider Dome vorhanden, die hauptsächlich daraus entspringen, daß das Mainzer Mittelschiff von Anfang an mit einer Wölbung geplant war, während man in Speyer (im 11. Jh.) zunächst nur eine Flachdecke vorgesehen hatte. Das mußte auch in der Raumgestaltung zu einer fühlbaren Andersartigkeit führen. Das Mainzer Mittelschiff ist niedriger, die Fenster sind kleiner; die weiter auseinanderstehenden Halbsäulen tragen ebenfalls dazu bei, daß der Eindruck breiter und gelagerter wird, was auch von den tiefer unten aufhörenden Blenden unterstützt wird. Der steile und helle Eindruck von Speyer ist in Mainz einer gewissen Schwere gewichen. Das Langhaus des Domes zu Worms (1160/70) zeigt Ähnlichkeiten mit dem Mainzer Dom in bezug auf die schweren, hohen Pfeiler, die schmalen Arkaden und die Gewölbedienste; beide Wandsysteme gehen auf den Speyerer Dom zurück. Das Mittelschiff besteht aus hellem Kalkstein, der vielleicht aus den nahegelegenen Steinbrüchen von Mainz-Weisenau (heute erschöpft, dienen einer Zementfabrik) stammt. Im Gegensatz dazu sind der Ost- und Westchor aus rotem Sandstein erbaut. Helle Kalk- und Tuffsteine sind daruntergemischt, aber innen und außen durch rote Farbe vereinheitlicht. Die Sandsteine am Ostchor dürften teilweise aus der Haardt stammen, 37
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später bezog man den roten Sandstein mehr aus den Kurmainzer Steinbrüchen um Miltenberg. So lassen sich die drei Hauptbauperioden des Domes auch am Steinmaterial unterscheiden. Wie es im mittelalterlichen Quaderbau üblich ist, hat man die großen Quadern der Außen- und Innenseite als Schalung benutzt und dazwischen kleinere Steine, auch Abfall von der Steinmetzwerkstatt und viel Mörtel geschüttet. Die Außenseiten der Obergadenwände des Mittelschiffs bestehen seit der Domwiederherstellung 1925 leider nicht mehr aus Kalksteinquadern, sondern aus einer Zement- und Putzschicht. Durch das Abbrennen der Seitenschiffdächer bei den Dombränden 1767 und 1793 waren die Kalksteine bis in große Tiefen verglüht und abgeplatzt. Man mußte sie, da man die beiden etwa 53 m langen Obergadenwände aus finanziellen Gründen nicht mit Quaderwerk verblenden konnte, mit einer Zementschicht im Torkretverfahren bedecken. Dabei wurden die Lisenen und die Bogenfriese selbstverständlich beibehalten. Aber auch diese Zementschicht mußte nach dem Dombrand von 1942 erneuert und mit Putz überzogen werden. Es sei hier gleich bemerkt, daß die späteren Gewölbe aus Eifeltuff bestehen, den man wegen seines leichten Gewichts verwandte. Das Mittelschiff ist zeitlich nach dem Ostchor anzusetzen. Die Kapitelle und Kämpfer sind alle in schlichter Form ohne Ornament ausgeführt. D. v. Winterfeld hat 1986 überzeugend aufgewiesen, daß die Seitenschiff-Außenmauern erst um 1200 im Zusammenhang mit der Einwölbung die älteren Mauern des Willigis-Bardo-Domes ersetzt haben. Worauf die Angabe, daß Erzbischof Adalbert I. (vor 1137) den Dom mit einem prachtvollen Dach (oder Decke) ausgestattet hat (magnifico tecto munivit), zu beziehen ist, bleibt unklar. Für den Sommer 1137 ist ein weiterer Dombrand überliefert
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Die St.-Gothard-Kapelle Die St.-Gothard-Kapelle befindet sich am nördlichen Querhausarm. Sie entstand wohl noch während der Zeit, in der am Mittelschiff gebaut wurde. Das zeigen Basen und Kämpferprofile. Aber auch die Daten ihrer Entstehung sind ausnahmsweise einmal bekannt. Erzbischof Adalbert I. errichtete sie als Kapelle des erzbischöflichen Hofes (ad capellam curtis nostre in Moguncia, …, a nobis a fundamento constructam, 7. März 1137). Er wird am 23. Juni 1137 in der Kapelle beigesetzt, in der am 30. Juni 1137 ein Altar durch Bischof Bucco von Worms geweiht wurde (neue Grabplatte vor dem Chor).
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Die Gothardkapelle verlor ihre Bedeutung als Pfalzkapelle, als Erzbischof Diether v. Isenburg 1477 – 81 die Residenz aus dem Zentrum an der Nordseite des Domes heraus an die sichere Nordostecke der Stadt verlegte und dort die Martinsburg (bei dem späteren Kurfürstlichen Schloß) erbaute. Nach langer Profanierung wurde die Kapelle 1926 – 28 wiederhergestellt, die mittlere Öffnung zwischen Erd- und Obergeschoß wieder geöffnet und die Sakramentskapelle (bis 1964) eingerichtet. Die Gothardkapelle ist also eine Pfalzkapelle, die zu dem westlich gelegenen, heute verschwundenen erzbischöflichen Hof (daher der Platzname: Höfchen) gehörte. Auch ihr Bautyp verrät die Zweckbestimmung: Die Kapelle ist doppelgeschossig mit verbindender mittlerer Öffnung; oben konnten der Erzbischof und sein engerer Hofstaat, unten Dienerschaft und Volk der hl. Messe folgen. Die Gothardkapelle ist eine der ältesten erhaltenen Anlagen dieser Art. Frühere Doppelkapellen lassen sich am Speyerer und Bamberger Dom nachweisen. Vor 1170 sind Doppelkapellen mit verbindendem mittlerem Loch nur von Königen und von Bischöfen errichtet worden. Solche in Königspfalzen finden sich in Goslar, Nürnberg, Eger und Hagenau. Vielleicht sind die Doppelkapellen bei Bischofspfalzen gleichzeitig auch für die Könige gebaut worden, die häufig bei den Bischöfen zu Gast waren. Später wurde dieser Typ auch von den Landesfürsten und Grafen gebaut. Sein Hauptverbreitungsgebiet ist Deutschland; im umgebenden Ausland kommt die Doppelkapelle nur vereinzelt vor. Der dreischiffige und dreijochige Bau der Gothardkapelle ruht in der Mitte auf schweren Pfeilern mit mächtig ausladenden Kämpferplatten. Die Kreuzgratgewölbe sind nicht durch Gurtbogen voneinander abgesetzt, da diese bei den kleinen Gewölbeflächen drückend und unruhig gewirkt hätten. Eine mittlere weiter hinausgeschobene und zwei seitliche nur in die Mauerdicke eingetiefte Apsiden bieten Platz für die drei Altäre. In der Westwand erkennt man eine Tür, die zum Palast führte. Das Obergeschoß gleicht dieser Beschreibung genau, wirkt aber durch die von Würfelkapitellen bekrönten Säulen wesentlich leichter und freier. Das Portal und die Fenster im schlichten Untergeschoß der nördlichen Langseite sind 1964 in romanischen Formen erneuert worden. Darüber verläuft eine Zwerggalerie, die sich auch um die Apsis herumzieht. Nach den Speyerer und Mainzer Ostapsiden ist es die dritte Zwerggalerie, die sich nachweisen läßt. Auch hier wieder das ober- und mittelrheinische System der Galerie, nämlich die vielen kleinen Tonnengewölbe, die von den auf den Säulen ruhenden Steinbalken getragen werden. Die Kapitelle sind
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St.-Gothard-Kapelle, dahinter der Giebel des Nordquerhauses.
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nicht verziert. Überhaupt ist die Kapelle arm an Schmuck. Ursprünglich war die Silhouette belebter, da über dem Mitteljoch ein sich nach innen öffnender Turm über das Dach emporragte. Das mittlere Gewölbe des Obergeschosses ist neu. Dieser Turm verschwand nach dem Brand von 1767. Ein lebensgroßer Holzkruzifixus des 12. Jahrhunderts ist aus der Undenheimer Bergkirche für die Gothardkapelle erworben worden. Das ergreifende, großartige Werk stammt vielleicht ursprünglich aus der Mainzer Emmeranskirche.
Der dritte Bauabschnitt in romanischer Zeit nach 1200 Die Einwölbung des Langhauses Aus der auf die Teilerrichtung des Mittelschiffs und der Gothardkapelle folgenden Zeit erfahren wir von manchen Schicksalsschlägen, die den Dom trafen, jedoch zunächst nicht zu feststellbaren Wiederherstellungen führten. Bald nach dem Tode Erzbischof Adalberts (1137) brannte der Dom. Ob die Erdbeben von 1146 geschadet haben, wissen wir nicht. In dem Aufstand der Ministerialen gegen Erzbischof Arnold von Selenhofen wurde der Dom 1159 erstürmt, geplündert, entweiht und befestigt. Um 1190 wird der Dom als verwüstet ohne Tür und Dach oder Decke geschildert, er muß um 1170 wieder einmal gebrannt haben. Der Dom war in einem so traurigen Zustand, daß eine gründliche Erneuerung notwendig wurde. Vom alten Bau blieb der Ostchor unberührt stehen. Nach Ausweis der Kapitelle und des Marktportals wurden die Langhausaußenwände zusammen mit den Gewölben neu errichtet. Die Mittelschiffgewölbe mit ihren Birnstabrippen und der östliche Aufzugsring zeigen den Einfluß französischer gotischer Formen, wenn sie auch noch in der ungeheuren Dicke (60 cm) gegossener romanischer Wölbungen ausgeführt sind. Damit war das Langhaus in dem Jahrzehnt nach 1200 im wesentlichen vollendet.
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Der Westchor und das Westquerhaus Westlich des neuen Langhauses stand immer noch das 200 Jahre alte, nur mit einer Holzdecke versehene Westquerhaus des Willigis-Domes. Auch dieser Bauteil wurde nun erneuert. Zunächst hat man das Querhaus verkürzt, so daß man seine beiden Flügel mit nicht allzusehr vom Quadrat abweichenden Gewölben überspannen konnte. Nur die nördliche Gie41
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belwand des Willigisquerhauses blieb in ihrem unteren Teil stehen, weil hier die Gothardkapelle angebaut war. Der Baumeister des Westchores, dessen geniale Fähigkeiten als Konstrukteur am aufgehenden Bau auffallen, wollte bei der Fundamentierung sichergehen. Er verwandte keine älteren Fundamente, sondern beseitigte sie überall da, wo er sein neues Querhaus und den Trikonchos hinstellen wollte. Zudem verbreiterte er sie nach unten mehr, als es bisher üblich war. Wahrscheinlich konnte man damals schon an den Schäden der Ostteile des Domes sehen, wie schlecht der Baugrund war. Die Pfahlgründungen der zweiten romanischen Bauperiode im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts zeigen, daß man das Problem schon damals erkannt hatte. Die Beseitigung älterer Fundamente hat allerdings für die Erforschung der Baugeschichte den Nachteil, daß man den Westabschluß des Willigisdomes nicht mehr feststellen kann. Die Errichtung des ganzen Westteiles ging in den Jahren zwischen 1200 und 1239 vor sich. 1239 fand die feierliche Weihe im Beisein König Konrads IV. statt. Dieser Bauabschnitt hat ein großartiges Denkmal der Stauferzeit hervorgebracht, gleichzeitig wohl auch eines der letzten vor dem Einsetzen der Frühgotik bei uns. Nur ganz wenige untergeordnete Stellen zeigen Einzelformen im neuen französischen Stil, die von herübergewanderten Steinmetzen ausgeführt wurden. In der gleichen Zeit (1194 – 1260) wurde eine Kathedrale wie die zu Chartres errichtet. Trotzdem ist der Mainzer Westchor nicht rückständig oder in der Qualität zweitrangig. Er gehört nur einem anderen, dem deutschen romanischen Stil an, der sich hier in einer ganz großartigen Spätphase offenbart. Im Inneren sprechen die riesigen, aus rotem Quaderstein errichteten Wände der Querhausflügel eine mächtige Sprache. Fenster in zwei Reihen übereinander steigern den Eindruck der Größe des Raumes und der Dicke der Wand. Gewaltig wirken auch die Gewölbe mit den gleichen Formen wie die des Mittelschiffes. Erstmals wird hier im Nordflügel ein Kreisfenster eingesetzt, dessen innerer Rand verziert ist. Die Krönung erhält die ganze Baugruppe einschließlich des Langhauses durch die Vierungskuppel. Vielleicht hatte man ursprünglich beabsichtigt, die Vierung mit einem gewöhnlichen Gewölbe zu überdecken, denn die mächtigen Vierungspfeiler weisen auf der Innenseite eine Halbsäule auf, die auf ihrem Kapitell nichts trägt, die aber geeignet gewesen wäre, die Diagonalrippen eines Kreuzgewölbes aufzunehmen. Man dachte offenbar anfänglich daran, die begrenzenden Gurtbogen der Vierung und
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Westliche Vierungskuppel. 15
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die des Langhauses rundbogig zu machen, denn man sieht untere Ansätze über den Kapitellen, die sich nur zum Halbkreis ergänzen lassen. Der Kuppeltambour ist achtseitig. Vier Pendentifs in den Ecken leiten zu ihm über. Diese sind allerdings 1925 – 27 ganz in Eisenbeton ersetzt worden, da sie durch die gewaltige Last des Turmes völlig zermürbt waren; dabei wurde der unterste Wulst der überspannenden Bogen neu hinzugefügt. Ein mächtiges achtteiliges Gewölbe deckt den Tambour, der innen in zwei Stockwerken ganz verschiedenen Schmuck zeigt. Diese Stockwerkseinteilung trägt dazu bei, die Höhe des Tambours besser erfassen zu können, was zu der mächtigen Wirkung des Kuppelraumes besonders beiträgt. Die Ostkuppel ohne jede Gliederung durch Gesimse oder Dienste und Vorlagen ist ein überzeugendes Gegenbeispiel. Durch kleine Fenster in der Rückwand der den Turm außen umziehenden Galerien fällt geheimnisvoll wirkendes Licht ein und erweckt den Eindruck des Schwebens über dem meist dunkleren Unterbau. Westlich an die Vierung schließt sich der Trikonchos an, ein im Grundriß allein schon ganz überraschendes Gebilde. Um das Chorquadrat legen sich drei Konchen, die dreiseitig geschlossen sind. Wenn man nach den Konchengewölben sieht, so ist jedes im Grundriß ein halbes Sechseck. Das mittlere Quadrat ist von einem großen normalen Gewölbe überdeckt, das auf Wandsäulen ruht und Birnstabrippen wie im Mittelschiff hat. Zwischen ihm und den Konchen liegen breite Gurte, daß man fast von Tonnen sprechen möchte. Die Konchengewölbe haben Plattenrippen, die von Pilastern getragen werden. Dieser Wechsel in den Wanddiensten und Rippen ist beabsichtigt, damit die in den einzelnen Raumteilen verschiedenen Bauformen die beste Wirkung auszuüben imstande sind. Gerade diese Spätstufe des romanischen Stils bedient sich aller inzwischen geschaffenen Formen, um ein reiches und prächtiges Bild zu erzeugen. Ein wenig meldet sich auch schon die Frühgotik an. Nicht nur, daß allenthalben Spitzbogen wie im Langhaus in der Gewölbezone verwendet sind. Die gegossenen Gewölbe wirken allerdings trotz ihres kuppeligen Querschnittes noch schwer und sind es auch tatsächlich ihrer Dicke und ihrem Gewicht nach. Die schmalen Wandstücke der Konchen, die von den auffällig langen Fenstern fast ausgefüllt werden, und die Häufung der Öffnungen im Querhaus sind schon frühgotische Elemente, wozu am Außenbau die sinnvolle Verwendung von Strebepfeilern kommt. Wie ernst man es in dieser Zeit mit der Vergrößerung der Fenster, vielleicht wegen der Glasgemälde oder wegen reichlicher Lichtzufuhr nahm, zeigt auch der 44
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Ostchor, wo sie damals durch Abmeißeln der Mauern verbreitert wurden. (Der gleiche Vorgang auch an der Speyerer Apsis.) Unter den zeitgenössischen Bauten findet sich wenig, das sich unmittelbar vergleichen ließe. Am nächsten steht der Grundriß von Klosterrath (Rolduc, Niederlande, Provinz Limburg), das zwar 1106 mit einem Kleeblattchor am Querhaus begonnen wurde, aber zu Anfang des 13. Jahrhunderts immer noch im Bau war. Auch die kleine Mainzer Johanniterkapelle zum Heiligen Grab (nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigt) war trikonchial angelegt. Die Kölner Kirchen wie St. Aposteln oder Groß-St.-Martin oder die ältere St. Maria im Kapitol haben abgerundete Querhausarme, die sich zusammen mit dem ebenfalls runden Chor um eine Vierung legen. Gewiß kann von Köln eine Anregung ausgegangen sein. In Mainz wurde aber etwas ganz anderes daraus gemacht, ein eigener Trikonchos wurde nämlich an das Querhaus und die kuppelgekrönte Vierung angefügt. Man wollte offenbar für den Hochaltar und den Platz des Erzbischofs mit seinem Domkapitel einen besonderen Raum schaffen.
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Die ursprüngliche Einrichtung des Westchores Die ursprüngliche Einrichtung des Westchores ist in liturgischer und kunstgeschichtlicher Hinsicht von großer Bedeutung: die Vierung war ganz durch Mauern eingeschlossen, so daß das gläubige Volk keinen Einblick aus dem Langhaus in den Chor hatte. An der Stelle der heutigen Barockemporen standen beiderseits Mauern, welche die Vierung gegen die Querhausarme abriegelten und die vielleicht ursprünglich die Rückwände des Chorgestühls bildeten (vgl. Bamberger Dom). Der Westlettner schloß anstelle der großen Freitreppe den Chor nach Osten gegen das Langhaus ab. Über den drei Gewölben dieses Lettners war eine emporenartige Plattform, die durch zwei Treppen erstiegen werden konnte. Die Treppentürmchen sind noch erhalten; sie sind 1687 versetzt worden und bilden die Aufgänge zu den seitlichen Barockemporen von den Querhausflügeln her. Außerdem sind noch einige Skulpturen des gotischen Lettners bei dem Abbruch gerettet oder bei der letzten Domwiederherstellung gefunden worden (im Dommuseum ausgestellt, s. S.149 f.). Aus ihrem unverkennbaren Stil ist zu schließen, daß sie das Werk des sogenannten Naumburger Meisters sind. Er kam von Frankreich, wo er an den dortigen Kathedralen gelernt hatte, und schuf, bevor er nach Naumburg weiterzog, zunächst in Mainz das Jüngste Gericht des Westlettners, von dem sich die genannten Fragmente erhalten haben. Auch die vor etwa 50 Jahren wie45
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dergefundene Reliefplatte eines hl. Martin mit dem Bettler, der sogenannte „Bassenheimer Reiter“, wird aus dem Mainzer Dom stammen und wurde nach Beseitigung des Lettners in das kleine Dorf bei Koblenz verschleppt. Erst lange nach den Beschlüssen des Konzils zu Trient ließ man den gotischen Westlettner abbrechen, um dem Volk vom Langhaus her den Blick auf den Hochaltar freizugeben. Damals (1687) errichtete Clemens Hinkh die schönen barocken Tribünen, die im Obergeschoß den Besuchern, Musikern und früher der Chororgel dienten. Aus Sparsamkeit verwandte man die gotischen Treppentürmchen wieder. Der Hochaltar wurde unter die Vierung gerückt. (Der heutige ist von 1928 und 1960.) Später wurden noch die Figuren des Aaron und Melchisedech als Vorbilder des Meßopfers 1725 von Burkhard Zamels an den östlichen Vierungspfeilern den „Choretten“ hinzugefügt. Der Stifter, der Domherr Franz Benedikt v. Galen, ließ im Dom zu Münster ebenfalls zwei Figuren, nämlich Christus und Maria, aufstellen. Dann kam die letzte große Ausgestaltung des Westchores mit dem Chorgestühl. In diesem bis 1682 abgeschlossenen Westchor einschließlich der Vierung hielt also das Domkapitel seinen Chordienst. Der Hochaltar stand aber nicht wie heute mitten unter der Vierungskuppel, sondern hinten fast am Westende des Trikonchos, von einem Bronzebaldachin überragt, auf dessen Gebälk folgender Ehrentitel stand: „Goldenes Mainz, der heiligen römischen Kirche wahre Lieblingstochter! Martinus, ehrwürdiger, guter Schutzpatron, steh uns mit deinem Segen im Todeskampfe bei, damit wir deines Gedächtnisses und deiner Herrlichkeit teilhaftig werden.“ Der Baldachin stammte möglicherweise aus der Gießhütte von Vischer in Nürnberg, wo ihn Albrecht von Brandenburg (1514 – 1545) bestellt haben wird. 1801 verschwand er bei der Verschleuderung des Dominventars. Die Fußbodenhöhen in der Vierung und im Trikonchos waren ursprünglich anders geplant. Zunächst wollte man bei Baubeginn die Vierung etwa so hoch legen wie die Querhausflügel, wie die später verschütteten Basen der Vierungspfeiler zeigen. Die gleiche Höhe aller drei Raumteile des Querhauses findet sich auch bei vielen anderen Kirchen. Der Trikonchos des Westchores war aber nach den Basen seiner Wandvorlagen wesentlich höher geplant. Der Hochaltar hätte dann auf einem etwa 3 m hohen Podest über der Vierung gestanden. Offenbar änderte man während des Baues noch diese erste Planung und erhöhte die Vierung, legte aber den Estrich des Trikonchos um 1,30 m tiefer, wie die um die Mitte des 13. Jahrhunderts darauf eingestellten Türen der Sakristei 46
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und der übrigen Ausgänge zeigen. Vierung und Trikonchos haben seitdem die gleiche Fußbodenhöhe. Das brachte sicher Vorteile in der Aufstellung des Chorgestühls in seiner Beziehung zum Hochaltar. Es gibt noch eine ganz eigenartige, schwer zu erklärende Einrichtung am Westchor. Von einem schönen frühgotischen Säulenportal im Südquerhaus und einem einfacheren im Nordquerhaus (s. S. 55) führen Verbindungsgänge hinter den westlichen Vierungspfeilern zu den östlichen Konchen des Westchores. Sie sollten offenbar die Verbindung zwischen dem Chor und der Sakristei mit dem Kapitelsaal sowie dem Kreuzgang und den übrigen Altären im Dom herstellen, ohne daß jeweils die Tür des Westlettners benutzt werden mußte. Da diese Gänge besonders späte, also gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts anzusetzende Portale besitzen und sich nach den bereits geänderten Niveauhöhen des Westchores richten, sind sie erst nachträglich gegen Ende der Bauzeit dem Westchor hinzugefügt worden. Ähnliche Umgehungswege hinter den östlichen Vierungspfeilern finden sich auch in Ilbenstadt, Schiffenberg und Billerbeck.
Das Äußere von Westchor und Westquerhaus Am Außenbau der Westteile findet sich ein erstaunlicher Reichtum von Formen. Der untere Teil ist zwar sehr schlicht gehalten, da man zunächst mit einer Umbauung durch Häuser oder Nebenbauten der Kathedrale (Sakristeien, Kreuzgang) rechnete. Nur die mächtigen Strebepfeiler gliedern die Wände, doch entbehren sie jeden Schmucks, obwohl auch in Deutschland zu dieser Zeit ihre oberen Abschlüsse (besonders bei Zisterzienserbauten) verziert werden können. In der oberen Zone nahe unter dem Dach und an den Giebeln wird aber aller Schmuck aufgeboten, über den diese Stilstufe verfügt. Der Westchor wird von den beiden kleinen Türmchen flankiert. Vom Boden bis zur Zwerggalerie bestehen sie aus kompaktem Mauerwerk. Es sind also riesenhafte Strebepfeiler, die fialenhaft von den Türmchen gekrönt werden. Sie müssen den Schub aufnehmen, der von den Gewölben des Trikonchos und von den Giebeln über dem mittleren Quadrat ausgeht. Erst von der Zwerggalerie ab aufwärts ist eine Treppe in den Türmchen vorhanden. Die Dreiergruppe aus Vierungsturm und Nebentürmchen ist gerade durch die Staffelung in die Tiefe, also auf den Eckpunkten eines Dreieckes, und durch den Unterschied im Volumen und in der Höhe von prächtiger Wirkung. Wie schlicht wirkt demgegenüber die ältere Nebeneinanderstellung von drei Türmen in einer Reihe an der Ostseite
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Die Westgruppe aus Chor, Querhaus und Vierungsturm.
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Westchor, Zwerggalerie. 17
des Domes! Ein plastisches Gefühl am Westbau äußert sich dadurch, daß das mittlere quadratische Gewölbe des Trikonchos durch drei Giebel nach außen verdeutlicht wird, welche die zwei sich kreuzenden Satteldächer begrenzen. Hier spricht der gleiche Sinn für klare, gegeneinander abgewogene Formung der Bauteile, wie er innen schon zu beobachten war. In den Giebeln finden sich Radfenster, die zu den frühesten Deutschlands gehören und wohl aus Nordfrankreich kommen. Sehr reich ist der Schmuck an den Konchen. Dort löst eine Zwerggalerie die ungewöhnlich dicke Mauer mit je drei Doppelfenstern an einer Polygonseite auf. Diese Art von Galerie mit innen tunnelartig in der Mauer laufender Tonne, den Galeriesäulchen und -pfeilerchen, mit den paarweise unter einem Bogen zusammengefaßten Fenstern und mit der Kassettenbrüstung (Plattenfries) ist damals am Niederrhein häufig angewandt worden. Am ehesten vergleichbar aber ist der ältere Ostchor des Trierer Domes. Er hat denselben polygonalen Grundriß, die Stockwerkseinteilung, die abgetreppten Strebepfeiler an den Ecken des Polygons, die oben Säulen tragen, ferner den Kassettenfries unter der Zwerggalerie, die übergreifenden Blendbogen, die je zwei Arkaden zusammenfassen. In den Arkaden der Zwerggalerie gibt es die gleichen Bündel von Säulen um einen über Eck stehenden Pfeiler als Träger der Blendbogen abwechselnd mit hintereinander-
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stehenden Doppelsäulen. Die Übernahmen der typischen Motive des 1196 geweihten Ostchores des Trierer Domes sind so zahlreich, daß kein Zweifel möglich ist, daß die Mainzer Konchen das Trierer System übernommen haben. Aber der geniale Meister des Mainzer Westchores hat den noch verhältnismäßig bescheiden an den römischen Kern angefügten und nicht besonders reich geschmückten Trierer Ostchor zu wahrhafter Monumentalität durch die Wucht der Baumassen und den überreichen Ornamentschmuck gesteigert. In der Kapitellplastik und Bauornamentik scheinen sich rheinische mit trierisch-lothringischen Formen zu mischen, je nach der Schulung der verschiedenen Bildhauer. Dieses Gebiet der Einzelformen ist noch nicht sehr gründlich untersucht, was auch dadurch erschwert wird, daß manche Kapitelle an Trikonchos und Westturm, weniger an den Querhausgiebeln, barocke Nachschöpfungen der Restaurierung nach dem Blitzschlag von 1767 sein dürften. Manche echte spätromanische Kapitelle und die nachgebildeten des 18. Jh. sind dann bei der Wiederherstellung 1925 – 28 nochmals kopiert worden, soweit sie verwittert waren. Die Querhaus-Fronten sind reicher gestaltet. Die Südseite bietet steigende Bogenfriese, Fenster von vielen Säulen gerahmt, die von lebendig und qualitätvoll gearbeiteten Kapitellen bekrönt werden. Doch ist diese Seite keineswegs die bevorzugte, obwohl sie heute vom Leichhof aus eine bequeme und immer wieder aufgesuchte und künstlerisch dargestellte Ansicht bietet. Während sich die Südseite offenbar nach einer weniger wichtigen Umgebung wandte, hat man die Nordseite nach dem zentralen Platz der Stadt hin, dem Markt, viel reicher ausgestattet, wie das auch bei dem benachbarten Nordgiebel des Ostquerbaues der Fall ist. Der Nordgiebel des Querhauses ragt mit einer Überfülle von Säulchen mit schönen, abwechslungsreichen Kapitellen, mit großen und kleinen Blendarkadenreihen, mit steigenden Bogenfriesen und verschwenderisch gerahmten Fenstern empor. Das teilweise verdeckte Kreisfenster ist nur von Profilen gerahmt und innen wie außen von einem Blätterkranz umgeben. Dafür sind die zwei Doppelfenster im Giebel mit halbkreisförmig gebogenen doppelten Bogenfriesen überspannt. Dieses Motiv zusammen mit den steigenden Kleeblattbogenfriesen kommt aus dem Westen, vielleicht aus Burgund, und findet sich auch am Dom zu Halberstadt, der vom Zisterzienserkloster Walkenried her beeinflußt ist. Überhaupt zeugen die schweren Strebepfeiler an Chor und Querhaus, das Rundfenster über drei Langfenstern am Nordquerhaus, das Kreisfenster in einer Säulen-
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blende am Südquerhaus für burgundisch-zisterziensischen Einfluß. Auch die Ostseite dieses Querhaus-Nordflügels ist mit Blendarkaden verziert, während der Südflügel nach dem Kreuzgang zu ziemlich unverziert blieb. Überquellende Formenphantasie hat die Querhausgiebel zum Prächtigsten gemacht, was deutsche spätromanische Baukunst zu bieten hat. Der westliche niedrige Vierungsturm hatte in spätromanischer Zeit zwei übereinanderlaufende Galerien. Vielleicht war er von acht Giebeln gekrönt, die den Turmhelm umfaßten. In spätgotischer Zeit hat man vor 1490 das von je zwei hohen gotischen Fenstern durchbrochene Glockengeschoß aufgesetzt. Darauf saß eine sehr schlanke hölzerne Turmspitze (ähnlich denen auf dem Münster zu Bonn, dem Dom zu Limburg und der Marienkirche zu Gelnhausen), die auf alten Stadtansichten zu sehen ist und die höher war als der heutige Turm. 1767 wurde dieser Turmhelm vom Blitz getroffen und brannte zusammen mit allen Domdächern ab. Das Domkapitel wollte nun einen feuerfesten Abschluß. Franz Ignaz Michael Neumann, der Sohn des großen Würzburger Baumeisters Balthasar Neumann, spannte über die romanischen Gewölbe des Querhauses und des gesamten Trikonchos abermals Gewölbe, in deren Oberseite die Schiefer eingenagelt wurden. Damals wurde auch das große Steinbild des mantelteilenden hl. Martin zu Pferd mit dem Bettler über dem Chorquadrat gewissermaßen als Schlußstein errichtet. (Die Gruppe wurde 1928 durch Kopien ersetzt, der originale Martin steht auf dem Fort Stahlberg, der Bettler im Domkreuzgang.) Auch die Turmbekrönung löste Neumann auf sehr originelle Weise. Er setzte noch zwei sich verjüngende steinerne Geschosse auf, deren oberer Abschluß eine mächtige Steinspitze ist. Das war nur möglich, wenn man über der romanischen Vierungskuppel noch drei weitere Kuppeln einzog und deren Seitenschub mit den damals immer gebräuchlicher werdenden Eisenringankern auffing. Ignaz Neumann verwandte nur ganz versteckt die Formen seiner Zeit, er lehnte sich besonders in der Fensterbildung an das spätgotische Turmgeschoß an. Gerade diese Art der Formimitation kommt im ausgehenden 18. Jahrhundert auf, um dann im 19. Jahrhundert vorherrschend zu werden. Durch diese Anpassung und durch die neuartigen Ideen einer Turmbekrönung hat Neumann der Westgruppe einen originellen Abschluß gegeben. Neumann hat auch die Abschlüsse der beiden Seitentürmchen geschaffen sowie die Leichhofhäuser mit ihren Steindächern (s. o. S. 15). Die Voraussicht des Domkapitels, nach dem Brand von 1767 Steindächer aufzusetzen, hat sich gut in späteren Kriegen bewährt. Durch die Beschießung
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während der Belagerung von 1793 brannten wiederum das Langhaus, die Osttürme und der Kreuzgang ab. Die Westgruppe blieb erhalten. Erst 1822 – 25 wurde das zuerst aufgebrachte Notdach durch ein hölzernes Dachwerk ersetzt. Im letzten Krieg brannten 1942 bei einem Fliegerangriff wiederum Langhaus und Kreuzgang ab, ohne daß die Leichhofhäuser oder der Westchor beschädigt wurden.
Die spätromanischen und frühgotischen Portale des Domes Die beiden ältesten Portale des heutigen Domes am Liebfrauenplatz wurden schon oben (s. S. 25, 28 f.) besprochen.
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Das Marktportal Der wichtigste Zugang zum Dom, auf der Nordseite des Langhauses gelegen, entstand um 1210. Im Tympanon zeigt es Christus in der von zwei Engeln gehaltenen Mandorla. Über den Kämpfern seitlich liegen brüllende Löwen. Die Säulchen waren ursprünglich beide aus schwarzem Schiefer. Die figürlichen und ornamentalen Teile des Portales sind feine Arbeiten. Die Kehlen der Gewände mit ihren Abschlüssen oben und unten, die Löwen auf den Kämpfern, das Blattwerk, die (erneuerten) Kapitelle sind in der niederrheinischen Kunst häufig zu finden, z. B. die bei den Portalen von St. Severus in Boppard. Die Figuren gehören noch ganz der deutschen spätromanischen Plastik an ohne besondere Beziehung zur frühgotischen französischen Skulptur. An dieser Stelle haben wir über dem Portal noch ein Stück der alten Wand des Seitenschiffes mit einem vermauerten romanischen Fenster. Während der Erbauung der gotischen Seitenkapellen sollte das Portal beseitigt werden, wie die erhaltenen Fenster- und Gewölbesätze in und über dem Windfang beweisen. 1769 baute wahrscheinlich Joh. Valentin Thomann den großen Bogen mit dem Vorraum vor das romanische Portal, gleichzeitig entstanden die kleinen Wohn- und Geschäftshäuser seitlich des Gäßchens, das vom Platz hierherführt (s. o. S.16). Die Türflügel des Marktportals Die Türflügel sind die einzigen alten des Domes, wenn man von den romanischen Löwenköpfen an den Holztüren am Liebfrauenplatz absieht.
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Marktportal (Nordseite des Langhauses), um 1210, mit der Bronzetür des Erz- 18 bischofs Willigis, um 1000.
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Zugleich sind sie kunstgeschichtlich von größter Bedeutung, was aus ihrer Inschrift klar wird, die auf den waagrechten oberen, mittleren und unteren Rahmenprofilen steht: „Nachdem der große Kaiser Karl gestorben war, hat als erster Erzbischof Willigis aus Metall die Türflügel gemacht. Der Meister dieses Werkes, Berenger, bittet inständig den Leser, daß du für ihn zu Gott betest.“
Stifter- und Künstlerinschrift des Marktportals.
Aus diesen Zeilen läßt sich die ganze Geschichte der Türe entnehmen. Zum letzten Mal wurden unter der Regierung Karls des Großen Bronzetüren gegossen, wie sie uns wenigstens zum Teil heute noch am Aachener Münster erhalten sind. Seitdem verstrichen zweihundert Jahre, bis der bedeutende Mainzer Erzbischof Willigis, der Erbauer des ersten Domes, die zwei riesenhaften Türflügel aus einem Stück in verlorener Form gießen ließ. Die technische Leistung war es, die die Zeitgenossen und die Nachwelt beeindruckte. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Bronzetüren dieser Zeit, besonders in Italien, bei denen einzelne, verhältnismäßig kleine Bronzeplatten auf eine hölzerne Unterlage aufgenagelt sind (Verona, Augsburg). Schätzungsweise wiegen sie 1500 und 1850 Kilo, die Höhe ist 3,70 m. Gewiß sind die Türen sehr schlicht gehalten, doch mußte gerade das Gelingen ihres Gusses die Zeitgenossen zur Nachahmung anspornen. Nimmt man an, sie wären zur Domweihe 1009 fertig gewesen, so ließe sich denken, daß von Mainz aus die berühmten Hildesheimer Bronzetüren von 1015 angeregt wurden. Deren Urheber war der kunstbeflissene, mit Willigis gut bekannte Bischof Bernward. Er versuchte noch, sein Vorbild zu übertreffen, indem er viele Szenen und Figuren auf ihnen anbrach54
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te, während die Mainzer Türprofile noch schlichter als die antikisierenden Aachener sind. Der Künstler, der sich auf der unteren Rahmenleiste der Mainzer Tür nennt, ist vielleicht der gleiche, der als Goldschmied und Bronzegießer unter den Kaisern Otto III. und Heinrich II. im Kloster Tegernsee tätig war. Daß Berenger gegen den mittelalterlichen Brauch seinen Namen überhaupt anbrachte, zeigt, wie stolz er auf seine Leistung war. Die Bronzetür hat nun eine eigene Geschichte, die sich zunächst an ihr selbst ablesen läßt. Etwa 1135 wurde das große Freiheitsprivileg in die beiden oberen Füllungen eingegraben, wohl die längste erhaltene mittelalterliche Inschrift. Erzbischof Adalbert von Saarbrücken hatte aus Dank für seine Befreiung aus der Haft auf dem Trifels, in der ihn Heinrich V. hielt, den Mainzer Bürgern das Recht verliehen, daß sie außerhalb der Mauern den Geboten und der Besteuerung keines Vogtes unterworfen sein sollten. Diese Urkunde war dem Erzbischof oder der Bürgerschaft so wichtig, daß man sie in dauerhafter Form in Bronze eingraben ließ, wobei man allerdings dem Vorbild des in Speyer über dem Domportal 1111 eingegrabenen Privilegs folgte. Dieser lange Text auf unserer Tür bietet auch schriftgeschichtlich bei der nicht häufigen Erhaltung von Inschriften dieser Zeit viel Bemerkenswertes. Ist doch allein der Buchstabe A in 16 verschiedenen Formen vertreten, eine Fülle von Abkürzungen, Buchstabenverbindungen und neuartigen Initialformen angewandt. Dabei kommen Fehler und Wiederholungen vor, die beweisen, daß der Text ohne Vorzeichnung und ohne Korrektur eingraviert wurde. Der jüngste Teil sind die beiden Löwenköpfe, die ihrem Stile nach an den Anfang des 13. Jahrhunderts gehören. Von den Schicksalen der Tür hören wir, daß sie sich in einem Portal der Liebfrauenkirche befunden hat, das aber erst dem 14. Jahrhundert entstammte. Als dann 1804 die Flügel in das Marktportal des Domes eingesetzt wurden, paßten sie nicht nur in den Rahmen, sondern auch in die Angeln. Das legt den Schluß nahe, daß sie schon früher hier, allerdings in einem Vorgänger des Marktportals von etwa 1210, gesessen hatten, bevor sie nach Liebfrauen kamen.
Das Leichhofportal Das Portal führt vom Leichhof in den südlichen Querhausarm; ehemals mündete es in einen Paradiesgang, der den Dom mit der St.-JohannisKirche verband, der aber auch 1767 zugrunde ging. Im Tympanon sieht man die in frühgotischer Zeit überarbeitete Christusfigur thronend zwi-
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Das Leichhofportal am Westquerhaus.
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schen der stehenden Mutter Gottes und dem hl. Johannes dem Täufer, umgeben von zwei hll. Erzbischöfen. Die Gewände sind reich mit Ranken verziert, wie sie sich in Burgund und nach Mainz dann übereinstimmend am Westportal der Stiftskirche in Aschaffenburg und an der Marienkirche in Gelnhausen finden. Der Stil dieses um 1220 entstandenen Portals weist ebenso wie der des Marktportals auf den Niederrhein.
Die Portale im Inneren des Querhauses Sie sind ganz andersartig, besonders das im südlichen Flügel, das in den Gang zum Westchor führt. Hier ist von in Frankreich geschulten Bildhauern ein vielsäuliges Gewände mit Knospenkapitellen und einem Dreipaß im Tympanon sowie reichgegliederten Archivolten ausgeführt. Nahe verwandt sind auch Portale an der Trierer Liebfrauenkirche, die wohl auf die gleiche französische Wurzel zurückgehen. Im nördlichen Querhausflügel sitzt an entsprechender Stelle ein nur aus einem großformigen Profil gebildeter Rahmen. Beide Portale müssen spätestens in der Zeit um die Domweihe von 1239 entstanden sein. Sie sitzen ohne Fugen im umgebenden Mauerwerk. Etwas jünger, schon etwa aus der Jahrhundertmitte, ist der vom Hl.-Geist-Hospital 1862 hierher versetzte Portalrahmen, der aus dem Nordquerhaus zur Gothardkapelle führt. Dieses Prunkportal ladet mit seinem Trichter weit aus, und eine große Zahl von Säulen und Profilen beleben Gewände und Archivolten. Hier haben oberrheinisch-burgundische Elemente ihren Einfluß geltend gemacht. Auf dem Tympanon wurde vor einiger Zeit die gemalte Darstellung des Gnadenstuhles entdeckt.
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Die Anbauten Die Memorie Die Memorie entstand in der spätromanischen Bauperiode zusammen mit dem Westchor. Dieser Raum auf der Südseite des Domes im Winkel zwischen südlichem Seitenschiff und Querschiff war offenbar ehemals der Kapitelsaal des Domes, der sich sonst bei Klöstern und Stiften immer an der Ostseite des Kreuzganges befindet. Wenn aber der Kanoniker- oder der Mönchschor im Westen liegt wie in Mainz, dann muß der Kapitelsaal bei dem Westquerhaus stehen. So ist es auch in Bamberg, Augsburg und Regensburg. Auf den Charakter der Memorie als Versammlungsort des Domkapitels weist auch die Steinbank an der Westwand mit dem mittleren, steinernen Sessel hin. Da man die Kapitelsäle vorzugsweise auch als Begräbnisstätten höherer Persönlichkeiten wie Klostergründer, Äbte oder Stiftsprälaten verwendete, werden sie häufig zu richtigen Mausoleen. Das führte im Falle von Eichstätt, Würzburg und Bamberg zu Erweiterungen. Auch in Mainz wissen wir von der außerordentlich dichten Belegung der Memorie mit Gräbern der Prälaten und Domherren. Hunderte von Totenschilden waren hier aufgehängt. Hier gedachte man der Verstorbenen, daher „Memorie“. Im Gegensatz zur Bauweise anderer Kapitelsäle hat der Meister hier nicht zu der Einstellung von vier Säulen und neun Gewölbejochen gegriffen, sondern er spannte ein einziges Steingewölbe über den Raum, das wegen der geringen Höhe über dem Beschauer riesengroß wirkt. Dennoch ist es um 1,40 m kleiner als die Mittelschiffgewölbe, die sich durch ihre Reihung und die Entfernung einer genaueren Schätzung entziehen. Hier läßt sich auch die Busung eines solchen Gewölbes gut beurteilen, die bei denen im Mittelschiff genauso vorhanden ist. Die Gewölbeschalen haben durchschnittlich eine Dicke von 60 cm. Der Einfall, einen Kapitelsaal mit nur einem gewaltigen Gewölbe ohne Zwischenstützen zu überdecken, steht einzig da. Er ist so originell wie die Bauform des trikonchalen Westchores, so daß man denselben Meister annehmen möchte. Diese Abweichung von der Norm hat auch dazu geführt,
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Die Anbauten
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daß man in neuerer Zeit die Memorie lange nicht als ursprünglichen Kapitelsaal erkannt hat. Eigentümlich bleibt es aber doch, wie der Baumeister der Memorie als Erinnerung an die neunjochigen Kapitelsäle eine dreibogige Gliederung der Westwand und ehedem auch der Südwand zur Belebung der Quadermauern anordnet, als wären das die Schildbogen beseitigter Gewölbe. Diese Wandarkaden waren ehedem mit Gemälden gefüllt, wie das vor einigen Jahren freigelegte Fragment mit dem mantelteilenden hl. Martin in der Nordostecke zeigt. Eine weitere Ausnahme ist, daß der Kreuzgang nicht wie sonst immer an dem Kapitelsaal vorbeiläuft, sondern daß ihn die Memorie unterbricht. Nicht nur die Rippenform des Memoriengewölbes hilft, die zeitliche Stellung des Raumes zu bestimmen. Am eindeutigsten tun das die prächtigen Kapitelle, die in den Ecken und am Eingang zum Ägidienchörchen sitzen, aber auch die Kämpfer des romanischen Portales bilden. Solches Leben und solcher Reichtum sind nur in der Spätromanik denkbar, in der Entstehungszeit der Kapitelle des Seitenschiffes und der Querhausgiebel. Demnach wäre der Raum nach 1200 anzusetzen. Das kleine Ägidienchörchen trat 1486 an die Stelle einer ursprünglichen Apsis, von der der romanische Triumphbogen noch erhalten ist. Der tüchtige Meister des Friedberger Sakramentshäuschens, Hans von Düren, hat es geschaffen, von dem auch die seitlichen Figürchen am Denkmal Adalberts v. Sachsen (S. 96 f. Nr. 15) stammen. Das romanische Portal, das zuerst aus der Memorie in das südliche Seitenschiff herausführte, ist vermauert. In seinem Tympanon ist der hl. Martin als Bischof mit seinem Mainzer Dom und einem Buch mit dem Friedenswunsch für dieses Gotteshaus und seine Besucher (nach 1220). Als Stifter nennt sich ein sonst unbekannter Emicho Zan: „Emicho Zan fieri me fecit.“ Offenbar waren die Kapitellbildhauer in der Anfertigung von Figuren nicht besonders gewandt. Die doppelläufige Wendeltreppe an der Südwand der Memorie wird im Abschnitt über den Kreuzgang bei der Nikolauskapelle besprochen (S. 138f.). Das gotische Memorienportal findet sich auf S. 90 unter Nr. 10, während die drei Denkmäler an der Westwand der Memorie von 1535, 1550 und 1558/64 ebenfalls in dem Abschnitt über die Denkmäler an zeitlich passender Stelle auf den S. 109 f. unter Nr. 29 – 31 abgehandelt werden.
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Die Sakristei
Die Sakristei Die Sakristei (nicht allgemein zugänglich) muß bald nach der Errichtung des Westchores entstanden sein, an den sie sich anschmiegt. Sie ist in ihren glatten Kapitellformen und Rippen entschiedener gotisch als der Westchor selbst. Die Formen der glatten Kelchkapitelle, der Gewölbekonsolen und Rippen sind Zisterzienserbauwerken, besonders der Kirche von Marienstatt
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Die Sakristei am Westchor, um 1240/50. 21
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Die Anbauten
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Der Westchor mit den Durchgängen vom Querhaus zu den Seitenkonchen und die Sakristei.
und dem Refektorium von Schönau, sehr ähnlich. Man kann daraus schließen, daß ein burgundisch-zisterziensisch geschulter Meister den ältesten Teil der Sakristei um 1240/50 erbaut hat. An diesen älteren Bauteil schließen sich noch Erweiterungen aus der Zeit Bertholds von Henneberg (1484 – 1504) und Albrechts von Brandenburg (1514 –1545) an, die ziemlich schlicht gestaltet und an den Außenbau des frühgotischen Teils angeglichen sind. 62
Die gotischen Seitenkapellen
Die gotischen Seitenkapellen Wie in vielen Stifts- und Klosterkirchen wurde Raum für Altäre benötigt, um gestiftete Totenmessen lesen zu können, was die Aufgabe der vielen Vikare war. Bei den Neubauten der gotischen Kathedralen und Ordenskirchen sah man meistens am Chor, oft auch am Langhaus in organischer Verbindung mit dem Gesamtgrundriß Kapellen vor. In Mainz, Eberbach, Worms und anderen Orten mußte man nachträglich die dicken romanischen Seitenschiffmauern durchbrechen und fügte so eigentlich ein viertes und fünftes Schiff hinzu. Jedes Joch war vom nächsten durch eine niedrige Mauer abgetrennt und jede Kapelle enthielt einen Altar. Über der Mauer war unverglastes Maßwerk bis zum Gewölbegurt, so daß im oberen Teil ein wundervoll transparenter Raum entstand. Zwischen der Marien- und Lambertkapelle der Nordseite ist ein solches Maßwerk, das ebenfalls beseitigt war, um 1875 nachgebildet worden. Französische Vorbilder und Parallelbeispiele finden sich in Saint-Nazaire in Carcassonne und in Coutances, wo ebenfalls das Maßwerkgitter auf dem bemalten Steinretabel steht. Seit dem frühen 19. Jahrhundert sind unter Beseitigung fast jedes zweiten Altars zwei Joche zu einer Kapelle vereinigt (Ausnahmen bilden die Marienkapelle der Nordseite und die St.-Michaels-Kapelle mit einem langen und einem kurzen Joch auf der Südseite sowie die einjochige Viktorskapelle am Ostende der Nordseite). Die manieristischen und barocken Altäre sind viel zu mächtig, ja manchmal geradezu erdrückend für die engen Räume. Die gotischen Retabel waren wesentlich kleiner, zwei steinerne sind im Dommuseum zu sehen, wie dasjenige der Michaelskapelle, das durch seine Malerei vor 1308 zu datieren ist, und das der Allerheiligenkapelle von 1319 (s.u. S. 153). Andere Retabel mögen noch hinter den Altaraufbauten des 17. Jahrhunderts stecken. 1279 begann man mit der östlichsten Kapelle St.Victor auf der Nordseite und war 1295 bis zum Marktportal gediehen, das man offenbar auch zubauen wollte, wie die Ansatzspuren zeigen. Dann begann man auf der Südseite mit der westlichen Kapelle gegen 1300 und baute bis 1319 diese Reihe fertig. Am Maßwerk, das allmählich seine runden Figuren, die Pfosten mit Kapitellen und Basen einbüßt, an den Diensten, Gewölberippen, Schlußsteinen und dem Wegfallen der Kapitelle läßt sich die Entwicklung der gotischen Architektur verfolgen. Nur eine Kapelle fällt aus diesem zeitlichen Rahmen heraus. Es ist die ehemalige Marienkapelle auf der Nordseite zwischen Nordquerhaus und
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Die Anbauten
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Altarretabel aus Stein, einst in der Allerheiligenkapelle, jetzt im Dommuseum.
Marktportal, die vor 1498 errichtet wurde. Aus ihren spätgotischen Formen im Maßwerk und Netzgewölbe ist leicht ihre Entstehungszeit zu ermitteln. Die Durchbrechung der Kapellenwände durch riesige Maßwerkfenster hätte wahrscheinlich eine völlig falsche Lichtführung im Dom mit sich gebracht, nämlich im Mittelschiff Dunkelheit und in den Seitenschiffen und Kapellen große Helligkeit, wenn man nicht gleich wieder Glasfenster in satten Farben eingebaut hätte. So war die Helligkeit wieder gleichmäßig verteilt. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es viele Fenster mit weißen Scheiben in den Seitenkapellen, so daß der Raum zu hell war. Vielleicht rechneten sogar die Barockaltäre und Denkmäler mit mehr Licht, weswegen man seit dem 16. und 17. Jahrhundert die bunten gotischen Fenster entfernte. Die moderne bunte Verglasung aller Raumteile hat hier etwa den ursprünglich gewollten Zustand wiederhergestellt. Sicher waren die gotischen Glasfenster in den Kapellen gleichmäßiger in der Farbe als die jetzigen, die oben und unten bunt, dazwischen aber grau sind (Ausnahmen: die Fenster der Sakramentskapelle und des Westchores). 64
Die gotischen Seitenkapellen
Maßwerkgitter zwischen den Kapellen. 24
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Die Anbauten
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Wimperge über den Kapellenfenstern (die Dächer über den Kapellen und Seitenschiffen sind nach dem Zustand zwischen 1825 und 1942 gezeichnet, ursprünglich schlossen sich wahrscheinlich Satteldächer an die Wimperge an).
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Die gotischen Seitenkapellen
Die Außenseiten der Kapellen werden bestimmt durch die großen Glasflächen der Fenster, die die ganze Wand zwischen den Strebepfeilern füllen. Der einzige geschlossene Teil ist die Brüstungsmauer, auf der das Maßwerk steht. Das erste Joch von Osten richtet sich in seiner Breite nach dem längeren Mittelschiffjoch und besitzt deswegen auf der Nordseite ein besonders großes achtteiliges Fenster mit reicher Maßwerkbekrönung, nach 1279 entstanden; die beiden Hauptbahnen (erster Ordnung) mit Vierpaß werden mit einem Rundstab hervorgehoben, alle anderen Profile bestehen aus einem Grat, der von zwei Hohlkehlen gebildet wird, der in seiner Dicke zwischen der zweiten und dritten Ordnung unterschieden ist. In den Fenstern der Nordkapellen ist der Übergang von freien zu gerahmten Pässen unter dem Einfluß der Straßburger Münsterbauhütte zu beobachten: die beiden östlichen 1279 begonnen, fünfte Kapelle 1291, sechste Kapelle 1301. Auch die Oppenheimer Querhausfenster (um oder nach 1300) sind in den großen Maßwerkfiguren ähnlich, jedoch nicht im Detail: So sind in der dritten Kapelle und in den folgenden die einbeschriebenen Drei- und Vierpässe gespitzt, die Oppenheimer aber rund, und in den Zwickeln zwischen Kreis und Vierpaß sitzen als Füllung abermals Dreipässe, die in Oppenheim fehlen und sogar kielbogenförmig geschweift sind. So bekommt das Mainzer Maßwerk eine spitzere und schärfere Form, auch die Rundstäbe sind sehr viel dünner, und die Stäbe zweiter Ordnung weisen scharfe Kanten und keine Kapitelle auf. Stilgeschichtlich sind die Mainzer Formen jünger als die Oppenheimer. Das erklärt sich aus der verschiedenen Herkunft der Baumeister: Der Mainzer kommt aus der Straßburger Hütte, die sich am Westbau „durch eine unerschöpfliche Phantasie im Entwerfen und Vorantreiben neuester Formen auszeichnete“ (B. Schütz), der Oppenheimer aus der Kölner Hütte, die eher konservativ eingestellt war. Die geschweiften Spitzbogen finden sich in Straßburg, am Freiburger Münsterturm und um 1289 am südlichen Eckfenster der Nikolauskapelle am Dom zu Worms. Um 1320/30 läßt sich ein besonderer Reichtum an dekorativen Einzelformen erkennen. Bei dem östlichsten Kapellenfenster an der Südseite (1319) sind der große Kreis und die Teilungsbogen dicht mit kleinen Zierformen gefüllt. Das Aussehen der nördlichen und südlichen Kapellenreihen ist dadurch beeinträchtigt, daß die ursprünglichen Wimperge, die hinter ihnen anzunehmenden Satteldächer und die Fialen auf den Strebepfeilern seit der Wiederherstellung nach dem Brand von 1767 verschwunden sind.
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Die Anbauten
Die Nassauer Unterkapelle
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Die Nassauer Unterkapelle muß der Vollständigkeit halber an dieser Stelle als gotischer Bau erwähnt werden, wenn sie auch nicht allgemein zugänglich ist. Sie ist ein reizvolles kleines Bauwerk. In dem Rechteck von 7,50 × 6,60 m steht ein längliches Achteck mit zehn achteckigen Pfeilern, die die kleinen Gewölbe tragen. Sie stellt die Krypta eines im Mittelschiff stehenden Baldachinaltars dar, den Erzbischof Johann II. von Nassau 1417 oder 1418 gestiftet hatte. Wahrscheinlich nahm er die Stelle des älteren Kreuzaltars ein. Der Baldachinaltar im Mittelschiff wurde 1683 abgebrochen, das Untergeschoß blieb erhalten. Die Grabmäler der Erzbischöfe und Brüder Adolph 1390 und Johann von Nassau 1419 (S. 88, 90 Nr. 7 und 9) sind beiderseits aufgestellt, Johann blickte sogar auf den Altar, beide sind auch unmittelbar davor bestattet. Die Krypta wurde an Karfreitag zur Beisetzung und in der Osternacht zur Erhebung der konsekrierten Hostie benutzt. Außer älteren Beispielen in St.-Sernin in Toulouse und dem Lazarusgrab in Autun dürfte die Gedenkkapelle im Mittelschiff des Domes zu Prag, um 1375 von Peter Parler entworfen, das unmittelbare Vorbild sein.
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Die Sicherungsarbeiten im 19. und 20. Jahrhundert Der Dom steht trotz tiefreichender Fundamente (3,20 bis 3,75 m) in wenig tragfähigem Boden aus Sand und Schlamm. Schon um 1440 mußte unter dem Triumphbogen des Ostchores ein mächtiger Stützpfeiler errichtet werden, weil offenbar die Fundamente nachgegeben hatten, was sich im aufgehenden Mauerwerk bis hinauf in die Ostkuppel durch Risse bemerkbar machte. Der Zustand wurde so bedrohlich, daß 1870 der Ostturm abgebrochen, 1874 der Stützpfeiler unter dem Triumphbogen entfernt und ein neuromanischer Ostturm durch den holländischen Architekten P. J. H. Cuypers errichtet wurde. Man hatte allerdings die Ursache in den schlechten Fundamenten noch nicht erkannt und glaubte, daß die Schubkräfte der Ostkuppel das Mauerwerk zerstört hätten. Deswegen wurden auch kräftige Strebepfeiler in die Wände zwischen Kreuzgang und Allerheiligenkapelle auf der Südseite sowie zwischen Victor- und Barbarakapelle auf der Nordseite eingebaut, und das Mauerwerk der oberen Chorhallen wurde weitgehend erneuert. Als Fundamentverspannung baute man die 1871 entdeckte Krypta bis 1876 aus, wobei auch der Fußboden des Ostchores erhöht werden mußte. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Ursache der Schäden in der Fundamentierung gefunden. Durch die neuzeitliche Kanalisation des Rheines und der Stadt hatte sich der Grundwasserspiegel gesenkt, dadurch waren die Pfahlroste unter dem Dom verfault; es hatten sich Hohlräume unter dem Fundament gebildet, das nach Verschwinden der Roste nur noch von Sand umgeben war. Infolgedessen zeigten sich immer wieder Risse im Bau. Erst als man ihre Ursache erkannt hatte, wurde zwischen 1909 und 1917 ein neues Fundament unter die Ostgruppe und das halbe Mittelschiff in bergbauartiger Arbeit geschoben, das sie in einer Tiefe von 7 m auf tragfähigen Sand gründete. Das Kriegsende unterbrach die Weiterarbeit, bis die Schäden so bedrohlich wurden, daß von 1925 bis 1927 der ganze übrige Dom auf ein Betonfundament gestellt wurde.
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Die Sicherungsarbeiten im 19. und 20.Jahrhundert
Schnitt durch die Mittelschiff-Fundamente auf ihren Pfahlrosten, dazwischen die Nassauer Unterkapelle.
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Besonders gefährdet war der Westturm, der mit seinen vier Steinkuppeln einen ungeheuren Druck auf die Pendentifs, die Pfeiler und das Fundament ausübte. Hier mußte durch Auspressung des Mauerwerkes im Torkretverfahren, durch Auswechselung der Pendentifs und durch einen mächtigen Ringanker um den Ansatz des Turmes geholfen werden. Diesem in seinem Umfang außergewöhnlich großen denkmalpflegerischen Unternehmen ist es zu danken, daß der Dom den Brand von 1942 und die sieben in allernächster Nähe gefallenen Sprengbomben der Jahre 1944/45 ohne Schaden an der Bausubstanz überstand. Die Neugestaltung des Dominneren 1925 – 28, die sich teilweise aus den Sicherungsarbeiten ergab, muß hier noch erwähnt werden, da sie bis heute noch den Raum bestimmt. Der Gewölbeputz und damit die Ornamente der Ausmalung von Philipp Veit und seinen Schülern von 1859 – 1864 waren durch die Torkretierung der Risse schwer beschädigt. Die Gewölbe wurden nach Anweisung von Paul Meyer-Speer hell getönt, die Dekorationen in der Kuppel und an der Obergadenwand beseitigt. Nur die Gemälde des Lebens Jesu in den Blendbogen des Obergadens des Mittelschiffs blieben erhalten. Der Fußboden, der in der Höhe angewachsen war und seit Jahrhunderten an die Wülste der attischen Basen heranreichte, wurde um 43,5 cm tiefer gelegt, was der Raumwirkung sehr zugute kam. Dadurch gab es allerdings auch Probleme: Viele hochliegende Grüfte wurden angeschnitten, mußten geöffnet und niedriger gemacht werden, die 70
Die Sicherungsarbeiten im 19. und 20.Jahrhundert
großen Altarretabel mußten unten verlängert und unter einige Denkmäler ein Sockelstreifen untergeschoben werden. Treppenstufen zu den Kapellen, zum Querhaus, zu den Osteingängen und zu allen Nebenräumen wurden notwendig, das ganze Marktportal wurde tiefer gesetzt. Das früher sehr eingeengte Leichhofportal erhielt eine Vorhalle. Ein neuer Fußboden aus rotem ungarischem Marmor wurde verlegt, der besser als der bisherige Sandsteinboden sauberzuhalten ist und sich weniger abnutzt. Anstelle der verwinkelten Treppenanlage des Ostchores wurde eine neue übersichtliche angelegt und ein neuer Baldachinaltar errichtet. In die Vierung unter dem Hochaltar wurde eine Bischofsgruft eingebaut und die Sakristei am Ostende durch einen weiteren Raum ergänzt. Viele andere Maßnahmen werden noch bei den betreffenden Räumen des Domes erwähnt, z.B. bei der Gothardkapelle, Kreuzgang und Dommuseum. Der Zweite Weltkrieg brachte bei zahlreichen Fliegerangriffen auf Mainz, die eine Zerstörung der Stadt von über 80 % verursachten, auch den Dom und seine Ausstattung in große Gefahr. Der Fliegerangriff vom 12. August 1942 mit seinen vielen Stabbrandbomben setzte zuerst die Häuser am Leichhof in Flammen, dann griff das Feuer auf den Domkreuzgang und das Langhaus über. Die Gewölbe hielten glücklicherweise stand, was für die Ausstattung des Domes die Rettung bedeutete, denn es war fast nichts geborgen und die Denkmäler nicht eingemauert worden. Merkwürdigerweise blieb das Dach des Dommuseums erhalten, obwohl es mit dem des Kreuzgangs zusammenhing. Auch hier war fast nichts geborgen. Das Planarchiv des Dombauamtes verbrannte allerdings, wobei auch viele baugeschichtlich wichtige Unterlagen verlorengingen. Nach der Katastrophe von 1942 wurden dann einige wichtige Denkmäler eingemauert. Noch während des Krieges setzte man ein Notdach auf den Dom, das aber nach dem Krieg durch eine solidere Konstruktion ersetzt wurde. Leider wurden die Wimperge und die Satteldächer über den Seitenkapellen nicht rekonstruiert. Das Seitenschiffdach ist in seiner derzeitigen Neigung zu flach, so daß es in der Ansicht des Langhauses nicht in Erscheinung tritt. Alle Dächer des Domes mußten neu gedeckt werden. Steinauswechslungen waren an großen Teilen des Domes erforderlich, auch die Überputzung der Mittelschiffwand (s. o. S. 38), weil durch den Brand und durch Verwitterung, auch durch einige Granattreffer viele Quader abgeplatzt waren und Bauplastiken abzustürzen drohten. Anschließend erhielten die Außenseiten des Domes eine sandsteinrote Färbung, da der
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Kreuzgang und südliches Seitenschiff nach dem Krieg.
Wechsel zwischen den hellen Kalksteinen und den roten Sandsteinen als zu buntscheckig angesehen wurde. Im Inneren mußte 1958 bis 1960 der gesamte Gewölbeputz erneuert werden, weil er durch den Brand und die zeitweilige Durchnässung nicht mehr fest haftete. Dabei wurden auch die Quader und Wandflächen neu getönt. Eine neue Verglasung des Domes wurde erforderlich, da durch die zahlreichen Sprengbomben, die in der Umgebung gefallen waren, keine Scheibe mehr erhalten blieb. Die Fenster des Westchores entstanden 1954 nach Entwürfen von Alois Stettner in Koblenz, die der Seitenkapellen und des Ostchores von Anton Wendling in Aachen und die der Sakramentskapelle von Wilhelm de Graaff in Essen-Werden 1960. Während und nach den dringenden Instandsetzungsarbeiten wurde einiges an der inneren Ausstattung des Domes geändert oder hinzugefügt. Ein neuer Hochaltar im Westchor wurde 1960 geweiht, das Hängekreuz von Bildhauer Georg Zeuner aus Speyer kam 1975 hinzu. Die Bischofsgruft wurde wegen ihrer unbefriedigenden Raumlösung 1960 und 1971/ 72
Die Sicherungsarbeiten im 19. und 20.Jahrhundert
1972 nochmals umgebaut. Da die Domorgel 1928 akustisch ungenügend untergebracht war, wurde 1960 bis 1966 eine neue Orgel mit mehreren Prospekten im Westchor, Westquerhaus und Ostchor mit zusammen 113 Registern und 7928 Pfeifen durch die Orgelbaufirma A. Kemper in Lübeck aufgestellt. Leider wurde dabei der schöne barocke, noch vorhandene Prospekt der Orgel, die bis etwa 1925 auf der nördlichen Vierungsempore gestanden hatte, nicht wiederverwandt. Zusammenfassend kann man feststellen, daß der Dom und insbesondere seine Ausstattung trotz des Brandes von 1942 gut durch den Krieg gekommen ist.
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Die Ausstattung des Domes Wenn auch die Kriegs- und Revolutionswirren um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert die Ausstattung des Mainzer Domes um mehr als die Hälfte vermindert haben, so ist doch eine Fülle von Grabmälern und Altären erhalten geblieben. Trotz der Verluste ist der Mainzer Dom immer noch der reichste an Denkmälern in Deutschland. Man wird auch selten einen solchen durch alle Jahrhunderte und Stile durchgehenden hohen Stand der Bildhauerkunst feststellen können wie gerade hier. Die Denkmäler im Mittelschiff sind ebenso wie die meisten in den Seitenschiffen den Erzbischöfen gewidmet. Angesichts der im Mainzer Dom gebotenen Fülle von Denkmälern merkt der Besucher kaum, daß ganze Gruppen von Kunstwerken fehlen. So sind keine alten Glasmalereien erhalten geblieben. Die Barockzeit hatte schon mit ihrem Streben nach Helligkeit die meisten bunten Fenster beseitigt, die Pulverturmexplosion 1857 räumte den letzten Rest hinweg. Auch alte Wandmalereien sind weitgehend verschwunden. Bescheidene Reste in der Allerheiligenkapelle (s. Nr. 57), hinter dem Fürstenberger Altar (Nr. 43) und in der Memorie zeugen von ihr. Der Domkreuzgang muß weitgehend ausgemalt gewesen sein, wobei manche Einzelbilder auch gleichzeitig als Grabmäler von Domherren dienten. Die 148 Totenschilde, die meistens in der Memorie hingen, wurden 1804/05 im Ofen eines Domaufsehers verbrannt. Aber auch in den anderen Mainzer Kirchen gibt es keine Totenschilde mehr. Ähnlich muß es den Holzepitaphien ergangen sein. Man wundert sich, daß trotz der 30 Lagerfeuer, die im Winter 1813 von typhuskranken Soldaten der Rußlandarmee im Dom unterhalten wurden, noch Holzaltäre und das Chorgestühl übriggeblieben sind. Manieristische und barocke Altäre ersetzten wohl den größten Teil der gotischen Altäre. Die Schweden nahmen 1631 oder 1632 die drei von Matthias Grünewald gemalten Altäre mit; sie sollen bei einem Schiffbruch in der Ostsee untergegangen sein. Die Bronzeplatten und Bronzeauflagen auf Grabsteinen, auch Denkmäler aus diesem Material, sind schon im 18. Jahrhundert teilweise abhan75
Die Ausstattung des Domes
den gekommen, teils vom Domkapitel beseitigt worden, um Diebstählen vorzubeugen und um andere Gegenstände aus ihnen gießen zu lassen. Der letzte Rest und auch wertvolle Ausstattungsstücke wie der Hochaltarbaldachin und Leuchter aus Bronze verschwanden in der Säkularisation. Zum Teil wurden Grabdenkmäler und Grabplatten bis zum 18. Jahrhundert durch neue Monumente verdrängt oder umgearbeitet, sobald auf dem Fußboden oder an den Wänden kein Platz mehr war, zum Teil gingen sie auch in der Säkularisation zugrunde. Die Säkularisation, die große Versteigerung 1801, die mehrfache Benutzung des Domes als Magazin und 1813 als Lazarett haben mehr als die Hälfte aller Stücke, die das Innere des Domes ausfüllten, vernichtet. Das 19. Jahrhundert, das anderwärts ganze Kirchen von ihren Barockaltären und Denkmälern befreite (z. B. Dom zu Bamberg), hat im Mainzer Dom nur wenige Stücke beseitigt, z. B. die Marmoraltäre des Ostchores, einige Seitenkapellenaltäre und die Abschlüsse des Chorgestühls. Im ganzen versuchte man zu retten, was zu retten war. Die großen Umbauarbeiten des Ostchores führten zur Versetzung von Denkmälern an andere Stellen, doch wurde in pietätvoller Weise alles erhalten.
Die Denkmäler der Erzbischöfe Die Reihe der Denkmäler beginnt in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Wahrscheinlich haben die Umbauten der spätromanischen Zeit die älteren Monumente vernichtet. Seit dem frühen 11. Jahrhundert (erste Beisetzung des Erzbischofs Aribo 1031) werden die Kirchenfürsten im Dom beigesetzt, was das Recht aller Bischöfe in ihren Kathedralen ist. Aber auch die Domherren fanden ihr Grab im Dom und im Kreuzgang. Das Kapitel bestand aus adligen Stiftsherren, die aus ihrer Mitte den Erzbischof wählten. An seiner Spitze standen fünf Prälaten: Propst, Dekan und Kantor hatten im Mittelalter das Recht, die Mitra zu tragen, im 18. Jahrhundert stand sie auch dem Kustos und Scholaster zu. 24 Kanoniker und 18 Domizellare bildeten die Domgeistlichkeit. Innerhalb des Domes wurden hauptsächlich die Pröpste und Dekane beigesetzt und erhielten hier ihre Denkmäler. In der Neuzeit bildete sich die Sitte heraus, daß die Domherren und auch die Erzbischöfe die Kapelle, in der sie einen Altar stifteten, als Familienkapelle betrachteten und daher auch in ihr mit ihren Angehörigen beigesetzt wurden. 76
Die Grabplatten der Domherren
Dekane, Scholaster und Kantoren wurden als höhere Würdenträger auch in der Memorie (Nr. 29 – 31) und in der Nikolauskapelle beigesetzt, zusammen mit den übrigen Domherren, die aber auch im Kreuzgang beerdigt werden konnten, wo auch manche Laien ihr Denkmal erhielten (S. 144). Die Denkmäler der Erzbischöfe behielten bis in das späte 17. Jahrhundert dieselbe Form der gerahmten Standfigur (bis Nr. 51), außer dem Andachtsepitaph des Uriel von Gemmingen (1514, Nr. 22). Seit etwa 1700 (Nr. 54) werden freie wechselnde Formen mit allegorischen Figuren gewählt (Nr. 57–61).
Die Grabplatten der Domherren Sie sind im Mittelalter bescheiden mit Flachrelief-Figuren ausgestattet, über die man auch hinweggehen konnte. Im 15. Jahrhundert gibt es einige üppigere Grabmäler mit Hochreliefplastiken und Baldachinen (S. 97 Nr. 16), die im allgemeinen wohl als Tumbenplatten liegend aufgestellt waren.
Das Wandepithaph für die Domherren Ein solches Epitaph kommt in der Renaissance in Gebrauch. Nun konnte sich die vollrunde Figurengruppe entfalten. Das erste bedeutende Denkmal dieser Art ist das des Johann von Hattstein († 1518, S. 142). Der Typus bleibt im 16. und 17. Jahrhundert ziemlich gleich. Ein architektonischer Rahmen umschließt ein Andachtsbild oder eine Szene aus der Bibel oder dem Leben eines Heiligen, vor dem der Verstorbene in Andacht kniet. Die Epitaphien konnten figurenreiche Kompositionen von großem Umfang sein, die auch im Dom aufgestellt wurden (Nr. 35 – 39). Eine weitere Möglichkeit eines Denkmals war die Stiftung eines Altaraufsatzes. Die Hauptdarstellung mußte selbstverständlich der Patron des Altars oder der Kapelle bilden, in der das Retabel stand. Auch die Namenspatrone des Stifters und dieser selbst in anbetender Figur konnten dargestellt werden. Die Inschriften der Altäre nennen Namen und Todesdatum der betreffenden Domherren, die sich auch hier beisetzen ließen.
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Die Ausstattung des Domes
Der Werkstoff der Grabmäler
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Er wechselt entsprechend dem Stilcharakter. Die Gotik bevorzugte den roten und grauen Sandstein, der größtenteils aus den Steinbrüchen des kurmainzischen Landes um Miltenberg herbeigebracht wurde. Hans Backoffen liebte den weichen Eifeltuff, für den er sogar ein Zollbefreiungsprivileg hatte. An seinem Denkmal für Adalbert von Sachsen (Nr. 15) sind bereits die Seitenfiguren aus diesem Material. Bei den beiden Erzbischofsdenkmälern des Jakob von Liebenstein und des Uriel von Gemmingen (Nr. 21, 22) arbeitete Backoffen die figürlichen Teile aus Tuff. Die Rahmung besteht aus Sandstein. Auch die Schüler Backoffens verwenden noch beide Steinsorten (Nr. 29 – 31 und S. 142 das Hattstein-Epitaph). Eine Ausnahme bilden die beiden Grabplatten aus rotem Salzburger Marmor (Nr. 20, 26), der im Mainzer Raum eine Seltenheit darstellt, während er in Bayern und Österreich häufig verwandt wurde. Er wurde wohl gewählt, weil dieses Material trittfester ist. Ursprünglich waren die Denkmäler im Mittelalter farbig gefaßt und nicht weiß getüncht, wie es in der Barockzeit oder im 19. Jahrhundert mit einer Reihe von Denkmälern, demjenigen des Erzbischofs Adolph I. von Nassau bis zu dem Uriels von Gemmingen (Nr. 7 – 22), geschehen ist. Die ursprünglichen Farben sind noch unter dem jetzigen Anstrich festzustellen. Aber auch die farbig gefaßten Denkmäler des 13. und 14. Jahrhunderts (Nr. 2 – 4, 6) vermitteln insofern einen falschen Eindruck, weil man sie im 19. Jahrhundert mit glänzender Ölfarbe restaurierte oder, besser gesagt, übermalte und nicht die matte Kasein- oder Temperatechnik anwandte. Mit dem Fortschreiten der Renaissance zum Manierismus werden zunehmend verschiedene kostbare Steinsorten wie Alabaster, weißer und bunter Marmor nebeneinander am gleichen Denkmal verwandt und zum Teil durch Farben und Vergoldung betont. Es gibt aber daneben noch einfarbige Denkmäler aus einem Steinmaterial (Nr. 32, 35 – 37). Auch die manieristischen Altäre werden aus Alabaster für die Reliefs und Figuren aus diversen Marmorsorten zusammengesetzt, wobei die einzelnen Teile oder Flächen nicht sehr umfangreich sind (Nr. 41 – 43, 45, 46). Dem Sinn des Barock für schwermütige, pompöse Bekundung der Trauer entsprach besonders der schwarze Marmor. Dieses Material wurde in ziemlicher Reinheit in den Brüchen an der Lahn gewonnen. Der erste Grabstein dieser Art ist der des Kurfürsten Wolfgang von Dalberg († 1601),
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Der Werkstoff der Grabmäler
dessen Denkmalfigur (Nr. 40) schon barocke Züge aufweist. Von da ab bestehen alle Grabplatten von Erzbischöfen und höheren Würdenträgern aus schwarzem Marmor, der immer hochglänzend poliert und dessen Inschrift sogar vergoldet wird (Nr. 46). Die erstaunlich gute Erhaltung dieser Platten ist darauf zurückzuführen, daß sie oft etwas vertieft im Boden lagen und von Bretterdeckeln geschützt wurden, die man zum Jahresgedächtnistag des Todes öffnete. Renovierungen mußten nach den Verwüstungen der Säkularisations-, Profanierungs- und Kriegszeiten zwischen 1793 und 1813 an fast allen Denkmälern vorgenommen werden. Zum Teil sind vorstehende und dünnere Teile wie Nasen, Hände, Bischofsstäbe, Attribute, Wappen (letztere absichtlich abgeschlagen) abgebrochen gewesen. Sie wurden in Gips hauptsächlich durch den Bildhauer Joseph Franz Scholl zusammen mit dem Maler und Vergolder Franz Gräf zwischen 1830 bis 1836 ergänzt und neu gefaßt. Die einzelnen meist gut gelungenen und unauffälligen Flickungen können in der folgenden Beschreibung der Denkmäler und Altäre nicht ausführlich besprochen werden, nur größere Ergänzungen werden erwähnt. Die Altäre wurden oft mit Reliefs und Architekturteilen ausgeflickt, die man abgebrochenen Retabeln des Domes oder der Gangolphskirche entnahm (Nr. 41, 45, 47). Leider sind diese Ergänzungen archivalisch nicht belegt und an den Altären oft nicht mehr sicher zu erkennen. Inschrifttexte werden im Folgenden bei einigen Denkmälern in Übersetzung wiedergegeben.
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Die Denkmäler des Domes (nach Gruppen geordnet)
(Die Nummern der im Folgenden aufgeführten Denkmäler entsprechen denen auf dem Dom-Grundriß am Schluß des Buches)
1. Die Grabplatte der Fastrada († 794) ist anscheinend das früheste Denkmal. Sie hängt im südlichen Seitenschiff neben dem Eingang zur Memorie. Fastrada, die Gattin Karls des Großen, wurde in dem bedeutenden Benediktinerkloster St. Alban vor den Mauern von Mainz, dessen vom Kaiser geförderter Neubau damals im Gange war, beigesetzt. Die Grabplatte aus weißem Marmor ist nicht mehr die ursprüngliche, sondern nach dem Charakter der Buchstaben (burgundische Kapitalis) ein Ersatz aus der Zeit um 1500. Der Stein kam nach der Zerstörung von St. Alban 1552 durch den Überfall des Albrecht Alcibiades von Brandenburg in den Dom. Die Umrahmung stammt aus dem Jahre 1836.
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Die Denkmäler des Domes
„Karls fromme Gemahlin, Fastrada genannt, von Christus geliebt, liegt hier vom Marmor bedeckt. Im Jahre siebenhundertvierundneunzig. Welche Zahl dem Versmaß zu fügen die Muse sich sträubt. Gütiger König, den die Jungfrau trug, gib, wenn sie auch hier zu Asche zerfällt, daß ihr Geist Erbe sei des Vaterlandes, das keine Trübsal kennt.“
Der Text der Inschrift kann auf Grund der sprachlichen Formung nicht im 8. oder 9. Jahrhundert entstanden sein. Nach dem Reim des letzten Verspaares kommt frühestens das 12. oder auch das 15. Jahrhundert, in dem auch die Inschriftplatte hergestellt wurde, in Frage (siehe S. 81).
Die Tumbengrabmäler
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Bei den Tumbengrabmälern liegt die Platte mit der Inschrift und der Darstellung des Verstorbenen waagrecht auf einem geschlossenen Unterbau, der ringsum oft mit Skulpturen oder Malerei geschmückt wird. Die Grabplatte kann aber auch auf Säulchen ruhen. Beispiele sind in der Elisabethkirche zu Marburg im Landgrafenchor, in Maria Laach und anderwärts erhalten. Man erkennt diese Tumbendeckplatten daran, daß ein Profil die Schmalkante des Steines umzieht, das bei einer Aufhängung an der Wand seine Bedeutung verliert. Ferner läuft die Inschrift so am Rande um, daß man sie im Umschreiten der liegenden Platte lesen kann. Sobald sie aber hängt, steht die Zeile an der oberen Schmalseite auf dem Kopf. An das Liegen erinnert auch das Kissen unter dem Haupt des Toten, wenn auch sonst nach mittelalterlicher Darstellungsweise die Figur so aussieht, als ob sie aufrecht stünde. Portraits sind bis in das 15. Jahrhundert hinein nicht vorauszusetzen. Bis dahin sind es Idealbilder, nicht getreue Bildnisse der betreffenden Personen. Die beiden ersten Denkmäler zeichnen sich durch ihre bedeutsamen geschichtlichen Bezüge aus. Sie wollen das Recht der Königskrönung oder zum mindesten das einer besonders ausgezeichneten Teilnahme an ihr für die Mainzer Erzbischöfe dokumentieren. 2. Die Tumbaplatte des Erzbischofs Siegfried III. von Eppstein († 1249) zeigt diesen, wie er laut aufgemalten Beischriften Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland die Kronen aufsetzt. Die kleineren Könige bedeuten nicht, daß die Geistlichkeit sich den weltlichen Herrschern überlegen fühlte, sondern sie sind gewissermaßen im Rahmen der Erzbischofsgrabmäler
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Die Tumbengrabmäler
nur als Attribute gedacht, die zeigen sollen, welche besonders wichtige Funktion den Mainzer Kirchenfürsten zukam, die auch für kommende Zeiten dokumentiert werden sollte, damit dieses Recht immer wieder beansprucht werden konnte. Der Löwe und Drache unter den Füßen Siegfrieds sollen die Überwindung des Bösen nach dem Vers des Psalms 90, 13 bedeuten: „Über Nattern und Ottern wirst du schreiten und Löwen und Drachen zertreten.“ Auch Christus wird gelegentlich auf diesen Untieren stehend dargestellt. Nach 1450 verschwinden diese symbolischen Ungeheuer aus den Denkmälern, und die Erzbischöfe werden auf Postamenten abgebildet. Im Gegensatz zu späteren Denkmälern fehlt hier noch die Rahmung durch eine Blendarchitektur, die Figuren füllen die ganze zur Verfügung stehende Fläche innerhalb des erhabenen Randes. Die sehr plastische Form der Gestalten, der Köpfe und Gewänder ist von der französischen Skulptur des 13. Jahrhunderts abhängig. Ein knappes Jahrzehnt zuvor war der Naumburger Meister mit seiner Hütte am Westlettner des Domes tätig, unter Erzbischof Siegfried III. wurde der Westchor vollendet und 1239 geweiht. Die Tumbaplatte wird bald nach 1249 entstanden sein, sie wird einem Magdeburger Meister zugeschrieben. Die Bemalung dieses und der folgenden Denkmäler (Nr. 3, 4 und 6) wurde 1834 in den ursprünglichen Farben, aber nicht in Kasein oder Temperatechnik, sondern mit Ölfarbe erneuert, was den Eindruck verfälscht. Zwischen dieser und der folgenden Tumbaplatte (Nr. 3) gab es ursprünglich noch eine weitere, die ebenfalls die Krönung zweier Könige darstellte. Sie deckte entweder das Grab des Erzbischofs Werner von Eppstein († 1284) oder dasjenige Gerhards II. von Eppstein († 1305). Der Stein wurde 1804 bei der Auffindung gleich zerschlagen, nur der Kopf der Mittelfigur blieb erhalten und ist im Dommuseum ausgestellt. 3. Die Tumbaplatte des Erzbischofs Peter von Aspelt († 1320), der gleich drei Könige krönte. Es sind (von links): Johann von Böhmen, Heinrich VII. von Luxemburg und Ludwig der Bayer. Die beiden deutschen Könige sind durch Reichsäpfel ausgezeichnet. Ursprünglich lag der Stein in der Allerheiligenkapelle, der am weitesten östlich liegenden Kapelle auf der Südseite mit dem größten gotischen Fenster im Dom, für die Peter von Aspelt eine Stiftung gemacht hatte. Als neues Motiv findet sich hier der Architekturrahmen mit der fortschrittlichen Form des Kielbogens. Die Vorbilder waren wohl gravierte französische Stein- und Metallgrabplatten, die die gleiche Rahmung wie das Aspelt-Denkmal aufweisen. Erstmals
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Die Denkmäler des Domes
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Nr. 2 Tumbaplatte des Erzbischofs Siegfried III. von Eppstein (†1249).
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Die Tumbengrabmäler
Nr. 3 Tumbaplatte des Erzbischofs Peter von Aspelt († 1320). 29
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Die Denkmäler des Domes
tritt hier die gotische Minuskel in der Inschrift auf. Die große Platte hat nicht die Qualität anderer gleichzeitiger Werke.
„Im Jahre 1320 bedeckt den Peter der Stein. Es decke ihn der, der die Hölle (tartara) gesprengt hat. Zu Trier geboren, erhielt er hier den Ornat des Erzbischofs. Mit Einkünften, Geschenken und Kleinodien, die ihm gehörten, beschenkte er die Kirche. Ihre Güter vermehrt er, die Verbrechen meidet er. Er war fromm und freigebig, im Rate war er scharfsinnig und weitblickend. Das Zepter des Reiches gab er dem Heinrich, danach dem Ludwig. Und endlich übergibt er fromm das Königreich dem Johann von Böhmen. Du mögest diesem 14 Jahre und 5 Monate anrechnen, die er wachsam hier regierte. Ihn hat Christus zum Himmel geführt. Amen. Er starb am Tage des Bischofs Bonifatius.“
4. Die Tumbaplatte des Erzbischofs Matthias von Bucheck († 1328) fügt dem Architekturrahmen noch vier Heiligenfigürchen hinzu, die auf den Toten Bezug nehmen. Der hl. Benedikt zeigt an, daß der Erzbischof aus dem Orden hervorging, der hl. Georg deutet vielleicht auf seine ritterliche Herkunft. Die jungfräuliche hl.Katharina ist vermutlich seine Fürbitterin für eine gute Sterbestunde, vielleicht hatte die gegenüberstehende heilige Ordensstifterin Klara dieselbe Funktion (wenn es nicht überhaupt die meist mit der hl. Katharina zusammen vorkommende hl. Barbara ist). Neu sind hier die vier Wappenschilde über dem oberen Bogen und die beiden Engelchen mit den Weihrauchfässern, die zusammen mit den Heiligenfigürchen des Rahmens ebenfalls auf gravierten französischen und flämischen Grabplatten vorkommen. Der Grabstein wurde wie die drei Denkmäler Nr. 2, 3 und 6 nach Spuren der ursprünglichen Farben 1834 neu gefaßt. „Im Jahre 1328: Mathias, der Kirchenfürst, (liegt) hier, ein Graf aus dem Stamme von Bucheck, allerdings fern der Heimat, jedoch der Fremde hochwillkommen: hochsinnig, gerecht, von der Sonne der Tugenden durchglüht.
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Die Tumbengrabmäler
Wahrheitsliebend, wie ihr wißt, und seinen Feinden ein unbezwinglicher Feind; im Schenken großzügig und den Freunden ein Freund, so erstrahlte er. Als er in Frömmigkeit ein sehr demütiges Leben führte, erfuhr er, daß er aus diesem Leben erhöht werde, weil es ihm vergönnt war, zum Erzbischof erhoben zu werden. Acht Jahre, allerdings nicht voll, hat er seines Amtes gewaltet. Er, der hier, ach, den Würmern (zur Speise?) gegeben ist, er glänzte in der Rüstung der Redlichkeit. Das beweinenswerte Leichenbegängnis läßt du ihm zuteil werden am 16. Tag vor den Kalenden des Oktober: beschieden seien ihm alle Güter des Himmels.“
5. Das Taufbecken aus dem gleichen Jahre 1328 befindet sich im nördlichen Querhausarm. Es ist aus Zinn von dem Mainzer Meister Johannes gegossen, von dem auch noch Glocken erhalten sind. Er hat sich in Unzialschrift am oberen Rande verewigt: „Wisse, im Jahre 1328 formt dieses Gefäß die erfahrene Hand des Johannes auf Geheiß des Obersten der Domherren. Den trifft der Bannfluch, der dieses Gefäß beschädigen will.“
Dieser vielleicht größte Gegenstand, der aus Zinn je gegossen wurde, stand ehedem mitten in der Liebfrauenkirche, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Taufkirche des Domes war. Unter gotischer Architektur sind Christus, Maria, die zwölf Apostel und St. Martin dargestellt. Der kupferne Deckel mit einem Gewicht von 129 Pfund stammt aus dem Jahre 1804. 6. Die 1357 angefertigte Tumbaplatte des hl. Bonifatius, die ehemals das Grab seiner Eingeweide in St. Johann deckte, ist die letzte in der Reihe der bemalten Denkmäler. Gewiß ist die Bemalung an allen vier Denkmälern im 19. Jahrhundert erneuert worden, und vielleicht darf man sogar annehmen, daß ursprünglich noch weitere bemalt waren, die heute von Grau überdeckt sind. Die an drei Seiten stehende Inschrift verrät, daß die Platte zu einem Nischengrab gehörte, die eine Langseite grenzte an deren Rückwand. Das Randprofil der Tumbaplatte ist mit Mörtel zugeschmiert. Die Figur hat einen Nimbus und steht auf einem Sockel, der dem Heiligen 87
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zukommt, während die bisher betrachteten Erzbischöfe auf Löwen und Drachen stehen, um dadurch die Überwindung irdischer Leidenschaften symbolisch anzudeuten. 7. Die Tumbaplatte des Erzbischofs Adolf von Nassau († 1390) ist die letzte dieser Gattung. Sie strebt erstmals eine größere Plastizität der Figur und einen weit vorspringenden Baldachin an. Hiermit bereitet sich das aufrecht stehende Wandgrabmal vor. Zum letzten Male findet sich ein Kissen unter dem Haupte des Dargestellten. Das Grabmal wurde dem Meister der Mainzer Karmelitermadonna, des Martinusreliefs über dem Kapitelsaaleingang im Domkreuzgang und des Kiedricher Westportals zugeschrieben. Schon bei der Beisetzung seines Bruders und übernächsten Nachfolgers Johann von Nassau († 1419) wurde die Tumbaplatte Adolfs an dem Mittelschiffpfeiler aufgestellt, womit sie bereits wenige Jahre nach der Entstehung zu einem Wandgrabmal gemacht wurde. Die Inschrift lehnt sich teilweise an diejenige des Erzbischofs Peter von Aspelt in der Reimbildung an: „Im Jahre 1390, da man zählte den achten Tag vor den Iden des Februar, starb der beliebte Oberhirte zu Heiligenstadt. Adolph von Nassau geboren, trug er hier in Herrlichkeit den Ornat. Er regierte 16 Jahre lang und wirkte für den Frieden. Den Ungerechten brachte er zu Fall, dem Klerus und dem Volk war er ein guter Hirte. Hierher ward er unter großer Trauer gebracht, er, der es verstand, die Einkünfte der Kirche in rühmlicherer Weise für sich zu erheben. Das Begräbnis wurde am 18. Februar vorgenommen. Ihn zeigt dies ehrwürdige Grabmal.“
Adolf von Nassau hat in Heiligenstadt in Thüringen, einer kurmainzischen Amtsstadt, noch ein Grabmal, wo wahrscheinlich seine Eingeweide beigesetzt waren.
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8. Das Grabmal Konrads von Weinsberg (†1394) im südlichen Querhausarm ist das erste Wanddenkmal. Das berichtet zunächst die Überlieferung, die sein von einem eigenen Grabstein bedecktes Grab beschreibt, während das Denkmal in der Nähe an der Wand befestigt war. Außerdem zeigt auch das Fehlen des Kopfkissens das Aufrechtstehen der Figur an. Seine etwas fremdartige Form, die aus der Mainzer Reihe durch das Fehlen des
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Nr. 8 Grabmal des Erzbischofs Konrad. 30
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Baldachins, des Architekturrahmens mit den Heiligenfigürchen, ferner durch den schmalen Umriß und die Anbringung der Inschrift auf der Vorderseite herausfällt, weist zusammen mit der stilistischen Ähnlichkeit auf den Meister des Denkmals des Bischofs Gerhard von Schwarzburg (†1400) im Würzburger Dom. Tatsächlich hat der Bildhauer dem Mainzer Erzbischof statt des Palliums, das ihm zustand, das reich bestickte Rationale der Würzburger Bischöfe umgelegt. In Franken kommt auch der obere Abschluß in der Form vor, wie ihn das Mainzer Denkmal mit dem Schweißtuch der Veronika besitzt. Es fehlt der in Franken übliche Rahmen aus zwei Fialen und einem Kielbogen, der um das Denkmal des Erzbischofs Konrad herumgelegt war und beseitigt wurde. Der schöne Kopf und der prächtige Gewandfall sind für diese Stilstufe um 1400 bezeichnend. 9. Das Denkmal des Erzbischofs Johann von Nassau († 1419) reiht sich mit seinem Architekturrahmen und den Heiligenfigürchen wieder in die Mainzer Tradition ein. Es gehört der Zeit des sogenannten Weichen Stils an, der in dem Memorienportal seinen schönsten Ausdruck gefunden hat. Sein Schöpfer ist der Frankfurter Stadt- und Dombaumeister sowie Bildhauer Madern Gerthener. Gleichzeitig läßt sich auch hier der Umbruch zwischen Gotik und Renaissance, der sich damals in Italien vollzog, an der Art feststellen, wie die Persönlichkeit des Erzbischofs wiedergegeben wird. Frei und selbstbewußt schaut er aus dem Architekturrahmen heraus, der Kopf trägt individuelle Züge, der prächtige Faltenwurf des Gewandes hilft mit, die Gestalt zu steigern. Die Statue Johanns von Nassau blickte ursprünglich auf einen Baldachinaltar, das im Mittelschiff stehende Martinschörlein, an dessen Altären er Seelenmessen gestiftet hatte. Den seitlichen Rahmen bilden links als Patrone des Erzstifts Martin, vielleicht Bonifatius und ein unbekannter heiliger Bischof, rechts als Patroninnen einer guten Sterbestunde Barbara, Dorothea und Katharina. 10. Das gotische Memorienportal, das zwei Schauseiten nach dem südlichen Seitenschiff des Domes und nach der Memorie hin hat, soll als Zeugnis des sogenannten Weichen Stils hier behandelt werden. Anstelle des vermauerten romanischen Portalrahmens nebenan wurde dieser prächtige Eingang um 1425 wahrscheinlich nach einem Entwurf des Frankfurter Dombaumeisters Madern Gerthener eingebaut; dessen Portale am Frankfurter Domturm zeigen die gleiche Form des Kielbogens und des darunter hängenden Maßwerkes. Die Durchdringung von Kreismotiven und die eingefügten rotierenden Mehrfachschneuße gehören
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Nr. 9 Denkmal des Erzbischofs Johann von Nassau († 1419). 31
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Memorienkapelle, Portal von Madern Gerthener.
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einer neuen Stilstufe der Maßwerkentwicklung an, entsprechend dem vor 1437 entstandenen Riß von Hanns Puchsbaum für den Altarbaldachin der Puchheimkapelle im Wiener Stephansdom. Die kleinen Heiligenfiguren stellen einen Höhepunkt der mittelrheinischen Plastik in ihrer fast weiblichen Zartheit dar. Wir sehen vom Dome her: Stephan, Elisabeth, Barbara und Agnes und rechts Martin, Margarete, Katharina und Georg. Auf der Memorienseite ist die Anordnung in den Archivolten aufgegeben. Die hll. Katharina und Barbara, Dionysius (oder Alban) und Georg stehen in einer Höhe. Es ist umstritten, ob Madern Gerthener oder der Meister des Grabmals des Erzbischofs Friedrich von Saarwerden im Kölner Dom die Figuren schuf. 11. Der hl. Dionysius zwischen der östlichen Kapelle und dem südlichen Seitenschiff ist mit der Plastik des Memorienportales verwandt. 12. Die Grabplatte des Erzbischofs Konrad von Daun († 1434) wurde in bewußter Bescheidenheit unter das Fußbodenniveau gelegt und mit einem Bretterdeckel zugedeckt. So hatte es der Erzbischof selbst für sein Grab im Mittelschiff vor der Kanzel testamentarisch angeordnet. Nur an den Tagen seines Jahresgedächtnisses wurde der Holzdeckel geöffnet und Kerzen an das Grab gestellt. Später wurde die Grabplatte an einem Mittelschiffpfeiler aufgestellt. Neu ist hier die Belebung der prächtigen Plastik durch eine starke innere Bewegung, die sich in dem schmerzlichen Gesichtsausdruck, den Drehungen des Körpers unter dem Gewand, der rauschenden Stoffülle, ja selbst in den sich krümmenden Löwen ausspricht. Es kommt also zum sich einbürgernden Portrait noch die Darstellung von Gemütsbewegungen, hier des Leidens, hinzu; man dringt tiefer in das Individuelle ein. Zuletzt wurde der sonst als Baumeister tätige Niklas Eseler der Ältere, der mehrfach in Mainzer Diensten tätig war, als Schöpfer der Platte vorgeschlagen. Eine größere Lücke entsteht nun in der Reihe der Erzbischofsdenkmäler. Die beiden Nachfolger Konrads von Daun sind in Aschaffenburg und in Kloster Eberbach begraben. 13. Die Ölberggruppe im nördlichen Querhausarm über dem Taufstein. Sie ist aus gebranntem Ton gefertigt, der seit Beginn des 15. Jahrhunderts ein beliebtes Material für Plastiken am Mittelrhein war. Sie sitzt in einem Steinrahmen und gehört den Stilformen nach der Zeit um 1460/ 1470 an. 1605 wurde das Relief durch Aufsetzen einer Inschrift und des Wappens zum Grabmal für den Domherrn Wennemar von Bodelschwingh umgestaltet.
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Nr. 10 St. Martinus aus dem gotischen Memorienportal.
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Nr. 12 Grabplatte des Erzbischofs Konrad von Daun († 1434). 34
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14. Das Denkmal des Erzbischofs Diether von Isenburg († 1482) zeigt die Merkmale der ausgehenden Gotik in der scharfen, knitterigen Gestaltung des Gewandes, den reichen Verästelungen der Baldachine. Trefflich ist der Kopf des greisen Erzbischofs charakterisiert, der in einem Buche lesend dargestellt ist. Hier ist erstmals nach den Idealbildnissen der vorhergehenden Grabmäler ein Portrait des Erzbischofs gegeben, wie man nach den lebenswahren Zügen und Gesichtsfalten annehmen kann. Leider ist kein anderes Portrait von Diether überliefert, so daß man sich auf den Augenschein verlassen muß. Erstmals steht die Figur auf einem Statuensockel statt auf den bisher üblichen symbolischen Tieren, wie das innerhalb von 125 Jahren nur einem Heiligen, nämlich Bonifatius auf seiner Grabplatte über den Eingeweiden zugestanden wurde (S. 87 Nr. 6). Das spricht für das gesteigerte Selbstbewußtsein der Zeit. Als Patrone sind am seitlichen Rahmen Martin, Bonifatius, Katharina und Barbara aufgestellt. Das Grabmal wurde offenbar, wie das später oft inschriftlich bezeugt ist, von dem Nachfolger Diethers, Berthold von Henneberg, bestellt und aufgerichtet. Das Denkmal seines Bruder Otto von Henneberg im Bamberger Dom ist von der gleichen Hand. Während bisher nur das Todesdatum, der Name und Titel des Dargestellten zusammen mit der Bitte für dessen ewiges Seelenheil in der Inschrift erwähnt wurden, werden hier die Gründung der Universität in Mainz 1477 und die Erbauung der Martinsburg als neue erzbischöfliche Residenz rühmend erwähnt: „Zweimal zum Erzbischof erwählt, hat Graf Diether von Isenburg die Burg zu Mainz und die Schule erbaut. Er wollte, daß sein armseliger Leib in diesem Grabe beigesetzt werde, während er seine Seele den Bewohnern des Äthers und Gott überantwortete. Er starb am 6. Mai 1482.“
Diether war zweimal Erzbischof, wie die Inschrift sagt, denn er wurde 1462 von dem Gegenerzbischof Adolph II. von Nassau mit Waffengewalt aus Mainz vertrieben. Nach dem Tode Adolphs II. 1475 kam er wieder auf den Erzbischofsstuhl. Sein früherer Gegner ließ sich aber nicht im Mainzer Dom beisetzen, sondern in der Zisterzienser-Abteikirche Eberbach im Rheingau, wo auch andere Mitglieder der Grafenfamilie von Nassau lagen, so der Mainzer Erzbischof Gerlach von Nassau († 1371) in einem prächtigen Hochgrab mit Baldachin. 15. Das Denkmal des Administrators Adalbert von Sachsen († 1484) stellt den jugendlichen Prinzen dar, der mit 18 Jahren zum Kurfürsten 96
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gewählt wurde und noch vor der Erlangung des kanonischen Alters und damit der Priester- und Bischofsweihe verstarb. Deswegen trägt er nur die Gewänder eines Domherrn zusammen mit dem erzbischöflichen Vortragekreuz. Der denkmalhafte Charakter ist gegenüber dem vorigen Grabmal noch gesteigert, auch hier ist die Portraitähnlichkeit sofort zu erkennen. Der Sockel unter der Statue ist abermals vorhanden. Die Wappen Mainz mit Sachsen, Thüringen (?) und Meißen am unteren Rand werden von zwei Kinderengeln ohne Flügel gehalten, ein neues Motiv, das zu den Putten an späteren Denkmälern hinführt. Die oberen Figürchen Maria und Martin stammen von anderer Hand als die Hauptstatue, sie wurden Hans von Düren zugeschrieben. Die beiden unteren Figürchen Katharina und Barbara sind Ergänzungen des 19. Jahrhunderts. Der hervorragende Meister der Hauptfigur ist nicht bekannt, man hat ihn nach diesem Denkmal Adalbert-Meister genannt. Seinen Stil findet man in der schönen Grablegung aus Liebfrauen (um 1490, Nr. 17) in einer der nördlichen Kapellen und im Strohut-Epitaph im St.-Stephans-Kreuzgang wieder. Die Grabinschrift hat rühmenden Inhalt, der sich bei den folgenden Denkmälern noch verstärken wird: „Hier ruhen die Überreste des hochwürdigsten Herrn Adalbert, Administrators von Mainz, des besten und unschuldigsten Jünglings. Der, wie er unter dem Beifall aller (sein Amt) antrat, so zum Schmerze der Väter und des Volkes sich glücklich vom Fleische löste am 1. Mai 1484.“
16. Das Grabmal des Domdekans Bernhard von Breidenbach († 1497) im nördlichen Querhaus von hoher Qualität stammt von dem Bildhauer des Denkmals für Adalbert von Sachsen (Nr. 15). Die Platte lag ursprünglich im Fußboden der benachbarten Marien-, jetzt Sakramentskapelle auf dem Grab, bei der Übertragung an die jetztige Stelle 1835 ging der Rand verloren, auf dem auf ehernen Streifen die Inschrift stand. Ein neugotischer Rahmen umgibt das Grabmal. Nachdem schon einmal am Mittelrhein, bei dem in Eberbach befindlichen Grabmal des Erzbischofs Adolph II. von Nassau († 1475), ein Toter dargestellt wurde, der ganz realistisch mit geöffnetem Mund, in der Stellung der Hände und eng anliegenden Gewändern die erschütternde Armseligkeit einer Leiche zu Bewußtsein brachte, ist hier durch die wie verklärt in das Jenseits blickenden Augen und durch den Gegensatz des prächtigen Kopfes zu dem vom einfachen Leichenhemd umhüllten Körper ein wesentlich tieferer, geradezu religiös packender Eindruck erzielt. Den 97
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Willen des unbekannten Künstlers, zu idealisieren, sieht man schon daran, daß es sich um den Kopf eines jugendlichen Toten handelt, während Bernhard ein betagter Mann war, als er starb. Die Mitra stand ihm als Prälat des Domstiftes zu. Der Kelch zeigt an, daß er die Priesterweihe hatte, die die Domkapitulare nicht unbedingt haben mußten und auch nicht immer erstrebten. Bernhard hatte eine Palästinareise gemacht und 1486 in einem Buch beschrieben, das von einem eigens mitgenommenen Zeichner Erhart Reuwich illustriert wurde. Diese Inkunabel war vielleicht der erste gedruckte Reisebericht, der gleichzeitig als Reiseführer dienen konnte. Er fand deswegen ein großes Interesse und wurde in alle damals führenden Sprachen übersetzt. Das Votivbild für seine glückliche Heimkehr aus dem Heiligen Lande ist die Madonna der Palästinafahrer von 1484 im Domkreuzgang (s. S. 139). 17. Die Grablegungsgruppe steht in einer der nördlichen Kapellen (St. Magnus, vor dem Bassenheimer Altar, s. Nr. 45) und ist ihrem Stile nach wahrscheinlich auch ein Werk des Adalbert-Meisters. Sie wurde um 1490 geschaffen und stammt wie der Taufstein aus der untergegangenen Liebfrauenkirche. Ähnlich wie der Grabstein Bernhards von Breidenbach durch die ihn auszeichnende Stille und Beseeltheit seine größte Wirkung ausübt, so haben wir hier ebenfalls ein Werk mit einer meisterhaften Charakterisierung der verschiedenen Köpfe. Die großflächigen schweren Ge-
Nr. 17 Grablegungsgruppe, um 1490.
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wänder unterstreichen wirkungsvoll den Ausdruck der Gesichter, die nicht ablenken, sondern sich unterordnen. 18. Die Kanzel am mittleren südlichen Langhauspfeiler scheint aus spätgotischer Zeit zu stammen. Sie ist jedoch nach den Beschädigungen um 1800 vom Bildhauer Joseph Scholl 1834 gründlich erneuert worden, so daß nur wenige alte Teile an ihr vorhanden sind. Neu sind der Schalldeckel und die Figürchen am Fuß. Ihr stand früher eine zweite Kanzel gegenüber, die 1586 für die Dompfarrei vom Bildhauer Gerhard Wolff geschaffen wurde.
Die Werke des Bildhauers Hans Backoffen Die Grabmäler der drei folgenden Erzbischöfe bilden den Ausklang der Gotik, den sogenannten spätgotischen Barock. Sie sind Schöpfungen eines Meisters, der zum mindesten seinem Zeitgenossen Tilman Riemenschneider ebenbürtig ist, und entstanden in einer Zeit hoher Kunstblüte, da in Mainz Matthias Grünewald wirkte und als großer Mäzen der Erzbischof Kardinal Albrecht von Brandenburg seine Regierung begann. 19. Das Denkmal des Erzbischofs Berthold von Henneberg († 1504) ist das erste der Werke Backoffens. Ein nach seinen Ausmaßen riesenhaftes Monument; es ist 5,15 m hoch, als Liegegrab also gar nicht mehr denkbar. In diesem Falle ist ein so großes Denkmal dem Verdienst Bertholds angemessen, denn er war einer der fähigsten Fürsten seiner Zeit, der versuchte, die Schäden der Reichsverfassung durch tatkräftige Reformen zu beseitigen. Bemerkenswert ist, wie nun der Aufstellungsort des Denkmals und das Grab immer weiter auseinanderrücken. Berthold war unmittelbar vor dem Ostchor begraben (s. Nr. 20), während noch Diether von Isenburg und Adalbert von Sachsen vor dem Denkmal Diethers bestattet liegen. Wundervoll ist das durchgeistigte, milde Greisengesicht, dessen Darstellung der Spätgotik häufig so gut gelang. Man glaubt ihm wirklich, daß es sich um ein lebenswahres Portrait des bedeutenden Mannes handelt. Prächtig ist auch die Modellierung der Gewandmassen. Auf den Säumen stehen Gebetsanrufungen in plastischen Buchstaben, was bei den Werken Backoffens häufig vorkommt (vgl. S. 103, Nr. 22 und seine Kreuzigungsgruppen in Wimpfen, Frankfurt und St. Ignaz in Mainz). Als Zeichen seiner Würde hält Berthold erstmals neben dem Bischofsstab noch das erzbischöfliche Vortragekreuz im Arm. Die Heiligenfigürchen am Rahmen
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Nr. 19 Denkmal des Erzbischofs Berthold von Henneberg († 1504) von Hans Backoffen.
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stellen Martin, Bonifatius, Petrus und Jakobus dar. Die von der Grabplatte herstammende Randinschrift wird hier erstmals aufgegeben und auf eine antikisierende, von zwei Putten gehaltene Tafel unter den Füßen des Erzbischofs gesetzt. „Berthold aus der Familie Hennenberg, Mainzer Erzbischof. Unter den Fürsten seines Ranges und Alters war er an Klugheit, Einsicht und Ansehen der Erste, ein Wächter der Religion und des Friedens. Nachdem er glücklich sein Pontifikat und sein Leben beendigt hatte, setzte der dankbare Staat ihm diesen Stein. Er starb im Jahre des Heils 1504, im 21. Jahre seines Pontifikats und im 64. Jahre seines Alters, am 20. Dezember.“
20. Die Grabplatte des Erzbischofs Berthold von Henneberg († 1504), die nicht weit davon in ihrem schönen Rokokorahmen in einer Mittelschiffarkade steht, ist aus rotem (wahrscheinlich Salzburger) Marmor, einem kostbaren und in Mainz nur noch einmal (bei Nr. 26) verwendeten Stein angefertigt. Da sie alle besonderen Merkmale wie den schönen Greisenkopf, die Faltenbildung des Gewandes, die plastischen Buchstaben mit dem Denkmal gemeinsam hat, besteht kein Zweifel, daß auch diese Arbeit aus der Werkstatt von Hans Backoffen stammt. Unter den erhaltenen Grabplatten der Erzbischöfe stellt diese übrigens einen Sonderfall dar, indem sie – aus edlem Material gefertigt – die Relieffigur mit einem flach gehaltenen Baldachin zeigt. (Den Stein Konrads von Daun Nr. 12 darf man nicht unter die gewöhnlichen Grabplatten rechnen!) 21. Das Denkmal des Erzbischofs Jakob von Liebenstein († 1508). Während das Denkmal Bertholds von Henneberg (Nr.19) noch ganz aus grauem Sandstein gemeißelt war, verwandte Backoffen hier oberhalb des Sockels den bildsamen Eifeltuff, der sich in bruchfeuchtem Zustand wie Holz bearbeiten läßt. Diesen hat der Meister dann immer wieder verwandt und ihn mit Hilfe einer Zollfreiheitsurkunde, die ihm die Erzbischöfe Uriel von Gemmingen und Albrecht von Brandenburg auf dem Rhein und Main verliehen, eingeführt. Die Statue zeigt den Erzbischof Jakob in betont herrischer Haltung, während Berthold noch betend mit aufwärts gerichtetem Blick dargestellt war. Es ist die Gestalt eines Renaissancemenschen, die in dieser Form auch als Freifigur auf einem Platz bestehen könnte. Die Heiligenfigürchen am Rahmen stellen Mauritius, Bonifatius, Martin und Georg dar. Die Inschrift auf der antikisierenden Tabula ansata, die von nackten Putten gehalten wird, lautet:
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Nr. 20 Grabplatte des Erzbischofs Berthold von Henneberg († 1504) von Hans Backoffen.
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Nr. 22 Denkmal des Erzbischofs Uriel von Gemmingen († 1514): Ausschnitt. 38 „Dem Jakob von Liebenstein, dem besten und gütigsten Erzbischof, welcher im zweiten Jahr und achten Monat und 16. Tag nach Beginn seines Pontifikates aus dem Leben schied, wobei alle Guten das Schicksal der Kirche beklagten. Die Nachkommen setzten dem Wohlverdienten (dies Denkmal).“
22. Das Denkmal des Erzbischofs Uriel von Gemmingen († 1514) besteht wiederum bei den Figuren, Kapitellen und Baldachinen aus Eifeltuff,
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während die rahmenden Teile aus grauem Sandstein gefertigt sind. Hier wechselte Backoffen in der Darstellung des verstorbenen Oberhirten das Thema, indem er das Andachtsepitaph wählte, wie es das 14. Jahrhundert in meist bescheidenerer Größe geschaffen hatte und wie es in dem Denkmal der Brüder Strohut von 1485 im Kreuzgang von St. Stephan in Mainz fast übereinstimmend vorgebildet ist. Der Erzbischof kniet zwischen den großen Bistumspatronen Martin und Bonifatius, die für ihn bei dem gekreuzigten Heiland Fürbitte einlegen. Dieser hängt in königlicher Würde am Kreuz. Der Körper ist anatomisch ebenso ausgezeichnet beobachtet, wie ihn Backoffen auch in seinen Kreuzigungsgruppen auf den Friedhöfen zu Wimpfen, zu Frankfurt beim Dom und St. Peter sowie in Mainz bei St. Ignaz geschaffen hat. Dort gibt es ebenfalls die Engel, die das Blut aus den fünf Wunden Christi in Kelchen auffangen, zugleich eine Anspielung auf das Meßopfer. Prächtig sind die greisen Köpfe und der Gewandfall der beiden Patrone, die insgesamt und in manchen Einzelheiten an die Holzfiguren des Marienaltars (s. u. Nr. 23) erinnern. Der 1794 abgeschlagene Kopf des knienden Erzbischofs Uriel wurde 1831 von Bildhauer Joseph Scholl in Gips ergänzt. Ursprünglich war er barhäuptig ohne Mitra, die zusammen mit dem zerbrochenen Bischofsstab, den Handschuhen und Sandalen zu Füßen des Erzbischofs lag. Der kleine Knabe mit der Bettelschale ist weitgehend ergänzt, er sah als Attribut des hl. Martin wohl eher wie ein Bettler aus. Nun treten zu den inneren Anzeichen der Renaissance auch äußerliche hinzu, nämlich die Verwendung antikischer Details: der Rundbogen hinter dem gotischen Baldachin, Pilaster, teilweise an unrichtigen Stellen sitzende Kapitelle. Diese Elemente werden mit einer gewissen Schüchternheit unter die spätgotischen Formen gemischt. Man übernahm sie wohl eher aus den Skizzenbüchern von in Italien reisenden Künstlern, als daß man sie aus persönlichem Studium der Antike sich zu eigen gemacht hätte. Die Inschrift auf dem Bogen hinter dem Baldachin sagt in Beziehung auf den Gekreuzigten: „Liebe mich für so viel (Gutes, was ich dir getan habe), es genügt mir allein die Liebe.“
Unten steht: „Dem Uriel von Gemmingen, Erzbischof von Mainz und Kurfürst, einem durch einzigartige Würde des Lebens und Standhaftigkeit des Geistes ausgezeichneten Mann, welcher sein Leben zusammen mit der Bischofsweihe aufgab, nachdem er 4 Jahre, 4 Monate und 13 Tage regiert hatte, im Alter von 45 Jahren am 9. Februar
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Nr. 23 Marienaltar, um 1510. 39 1514. Albrecht, Markgraf von Brandenburg, setzte (dies Denkmal) als Nachfolger dem Toten.“
23. Der Marienaltar in einer nördlichen Seitenkapelle neben dem Marktportal, die wegen des Grabes von Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler († 1877) auch Kettelerkapelle genannt wird, birgt in einem neugotischen Schrein von 1875 – auf einem Flügel ist Bischof von Ketteler dargestellt – drei sehr qualitätvolle spätgotische Holzfiguren aus der Zeit um 1510, die den Werken von Hans Backoffen ähnlich sind, vielleicht sogar von diesem bedeutenden Bildhauer selbst stammen, von dem wir sonst nur Stein-
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skulpturen besitzen, mit denen man wegen des verschiedenen Materials nur schwer vergleichen kann. Die „schöne Madonna“ mit ihrem muntern Knaben sowie Martin und Bonifatius gehören zur besten Holzplastik dieser Zeit. Vielleicht standen die Figuren schon immer im Dom, zusammen mit den nach Schweden verschleppten und verlorenen Grünewald-Altären, wie das eine Überlieferung wissen wollte. Die Bischöfe sind als Greise, wie es diese Zeit liebte, wiedergegeben. Der Faltenwurf der Gewänder ist sehr bewegt. 24. Die Christus-Thomas-Gruppe an einem Pfeiler zwischen der ersten südlichen Seitenkapelle von Osten und dem südlichen Seitenschiff wurde vom Domscholaster Theoderich Zobel v. Giebelstadt 1521 gestiftet und ist wahrscheinlich von dem Backoffenschüler Peter Schro geschaffen worden.
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Aus der Zeit kurz nach dem Tode Backoffens sind keine ganz großen Denkmäler im Dom erhalten. Es wären nur das Epitaph des Domherrn Johann von Hattstein († 1518) im Südflügel des Domkreuzganges, dessen Pieta eine gewisse Ähnlichkeit mit der Michelangelos in St. Peter in Rom hat, und das 25. Denkmal des Kardinals Albrecht von Brandenburg († 1545) zu nennen. Der Architekturrahmen, die Löwenköpfe seitlich der Inschrift, besonders auch der Sockel unter den Füßen des Erzbischofs in Form eines antiken Opferaltars mit einem gefesselten Faun an der Stelle der überwundenen Löwen und Drachen der gotischen Grabplatten zeigen, daß die Formen der Renaissance sich völlig durchgesetzt haben. Das Monument wird von einem auferstehenden Heiland gekrönt. Die Figur Albrechts selbst paßt in diesen Stil. Der feiste Kopf entspricht der Wirklichkeit, wie wir aus den vielen Portraits des Kardinals von Albrecht Dürer, Grünewald, Cranach und anderen großen Künstlern dieser Zeit wissen. Der Fall des Gewandes hat nichts mehr von der inneren, oft nicht der Natur entsprechenden Unruhe, wie sie bei Backoffen oder den anderen gotischen Skulpturen vorkommt. Trotz dieser Wirklichkeitstreue ist die Figur durchaus monumental aufgefaßt, allein schon durch das Motiv der rahmenden Stäbe, des erzbischöflichen Vortragekreuzes und des Bischofsstabes, durch die frontale Haltung trotz einer leichten Schwingung des Körpers und durch die Kleinteiligkeit des Rahmens gegenüber der großen Plastik. Wie wir aus dem signierten Denkmal des Nachfolgers schließen können, ist dasjenige Albrechts von der Hand des Bildhauers Dietrich Schro.
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Nr. 25 Denkmal des Kardinals Albrecht von Brandenburg († 1545) von Bild- 40 hauer Dietrich Schro. Links die Grabplatte des Kardinals.
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Albrecht war in die beginnende Reformation verwickelt. In seinem Auftrag predigte Tetzel den Ablaß, aus dessen Erlös man Baugelder für die Peterskirche und die Palliengebühren nach Rom bezahlte. Da Albrecht die zwei Erzbischofssitze in Mainz und Magdeburg verwaltete, trägt er auf seinem Denkmal auch zwei Pallien. Auch sein Mäzenatentum ist bekannt. Seine größte Leidenschaft war das Reliquiensammeln, für deren Behältnisse er Unsummen verschwendete, wodurch einerseits der heute unbedeutend gewordene Domschatz zum größten weit und breit wurde, andererseits aber auch enorme Schulden erwuchsen. Er beabsichtigte, die Universität zu einer führenden zu machen, und hatte schon eine Reihe bedeutender Humanisten verpflichtet, doch konnte er diesen Plan nicht mehr ausführen. „Albrecht, durch die Gnade Gottes der heiligen römischen Kirche zu St. Peter ad Vincula Kardinalpriester und geborener Legat, Erzbischof des Stuhles zu Mainz und zu Magdeburg, des heiligen römischen Reiches Erzkanzler für Germanien und Kurfürst, Administrator von Halberstadt, Markgraf von Brandenburg, Herzog von Stettin und Pommern, der Kassuben und Slaven, Burggraf zu Nürnberg und Fürst von Rügen. Ein Mann, vollendet in jeder Art von Tugend, ein Diener Gottes, die Zügel von beiderlei Herrschaften in seiner Hand vereinend, hat er mit unglaublichem Eifer das Irdische in Himmlisches verwandelt. Er regierte 31 Jahre, 6 Monate und 8 Tage und starb am 23. September 1545, im fünfundfünfzigsten Jahr seines Alters.“
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Weitere Grabmäler Albrechts finden wir in der Aschaffenburger Stiftskirche, die er vorsorglich lange vor seinem Tode bei der Vischerschen Gießhütte in Nürnberg für seine geplante Grabstätte in der Stiftskirche zu Halle bestellt hatte. 26. Die Grabplatte Albrechts von Brandenburg nebenan in der Arkade ist ebenfalls aus rotem Marmor gefertigt (wie Nr. 20). Sie trägt das große Wappen Albrechts, überragt vom Kardinalshut, und ist vermutlich ein Frühwerk von Dietrich Schro. Die Inschrift verwendet unter den Erzbischofsdenkmälern und Grabplatten als einzige die deutsche Sprache. 27. Die Wappenplatte des Domkustos Johann Albrecht von Brandenburg, des Neffen des Kardinals Albrecht, aus dem Jahre 1537 war ehemals an der Brandenburgischen Domstiftskurie „Zum Stecken“ angebracht und befindet sich jetzt in einer südlichen Mittelschiffarkade. 28. Das Denkmal des Erzbischofs Sebastian von Heusenstamm († 1555) ist, wie auch das Monument für Albrecht, von Dietrich Schro, der hier sogar mit D. S. 1559 am Sockel unter der Figur signiert hat. Die Figur des Erzbischofs wird von einem Postament mit einem Putto mit Sanduhr und
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Totenkopf, den Symbolen der Vergänglichkeit, und der Inschrift „Gedenke der letzten Dinge“ getragen. Die Bekrönung des Monuments bildet ein Skelett mit Sanduhr und Sense, also der Tod, wohl im Gegensatz zu dem jugendlichen Genius am Sockel, mit der Beischrift: „Wachet, denn ihr wißt nicht den Tag und die Stunde.“ Unter diesem Erzbischof wurde mit der Erneuerung des kirchlichen Lebens auf Grund der Trienter Konzilsbestimmungen energisch begonnen. „Dem Herrn Sebastian von Heusenstamm, Erzbischof von Mainz, des heiligen römischen Reiches Erzkanzler für Germanien und Kurfürst. Ein durch Geist und Gewandtheit in Geschäften höchst ausgezeichneter Mann, Doktor beider Rechte, rastlos in Verwaltung des Staates in dessen inneren und äußeren Verhältnissen. Als er unter den Stürmen, welche Deutschland überfluteten, ermüdet der Last erlegen war und die Seele Gott zurückgegeben hatte, setzte ihm sein Nachfolger als letzten Liebesdienst dieses Denkmal. Er regierte 9 Jahre, 3 Monate und 28 Tage und starb zu Eltville den 17. März 1555.“
Die drei Denkmäler an der Westwand der Memorie 29. Das Denkmal des Domherrn Konrad von Liebenstein († 1536) wird als Jugendarbeit des Bildhauers Dietrich Schro betrachtet. Es ist in den mittleren romanischen Bogen der Wandgliederung geschickt eingepaßt, der noch mit Ornamenten und Wappen des Konrad und des 67 Jahre vorher verstorbenen Domherrn Raban von Liebenstein geschmückt ist. Dargestellt ist die Auferstehung Christi zwischen schlafenden Soldaten, flankiert von zwei Fürsprechern: dem Apostel Andreas, vor dem Konrad von Liebenstein kniet, und von Johannes dem Täufer, vor dem die beiden anderen Liebensteiner Albert und Raban beten. Im Hintergrund nähern sich die drei Frauen mit dem Salbgefäß, und ein bärtiger Mann, vielleicht der Apostel Paulus, hält ein Spruchband mit dem Text aus dem Korintherbrief 1,6: „Gott aber hat nicht nur den Herrn auferweckt, sondern er wird auch uns durch seine Kraft auferwecken.“ 30. Das Denkmal des Martin von Heusenstamm († 1550), das links davon unter dem romanischen Bogen sitzt und eine Kreuzigungsgruppe mit dem betenden kurfürstlichen Rat und Amtmann von Steinheim darstellt, ist wahrscheinlich 1553 von einem Schüler von Dietrich Schro namens Hans Khun geschaffen. Im Hintergrund ist eine Ansicht von Jerusalem, das Martyrium des hl. Sebastian und Martin mit dem Bettler in flachem 109
Die Denkmäler des Domes
Relief dargestellt. Die beiden Heiligen sind die Namenspatrone des Verstorbenen und des Kurfürsten Sebastian von Heusenstamm (S. 108 Nr. 28), der 1555 hier im Grabe seines Bruders beigesetzt wurde. 31. Das Denkmal des Domherrn Georg Göler von Ravensburg († 1558) ist für Dietrich Schro durch dessen Signatur DS mit der Jahreszahl 1564 gesichert, die seitlich des zum Himmel auffahrenden Christus auf den Pfeilerchen des Aufsatzes steht. Unten knien elf Apostel und Maria um den Berg herum, von dem eben Christus aufgestiegen ist. Das Relief ist allerdings etwas ungeschlacht in den Formen und durch die im 19. Jahrhundert erneuerte Bemalung entstellt.
Weitere Denkmäler im Dom 32. Das Familiendenkmal der Brendel von Homburg in der Sakraments(ehemals Marien-)Kapelle auf der Nordseite des Langhauses ist wahrscheinlich erst nach 1569 geschaffen und ein Jugendwerk des später bedeutenden Bildhauers Gerhard Wolff in der Werkstatt eines anderen Meisters. Dieses qualitätvolle Familiendenkmal des Manierismus wurde von dem damaligen Erzbischof Daniel Brendel von Homburg, der zusammen mit Vater und Mutter sowie seinen sieben Geschwistern unter dem Kreuze Christi kniet, gestiftet. Als neues ikonographisches Motiv taucht hier das auf dem Totenkopf ruhende Kind im Aufsatz des Denkmals auf, das der Tod mit Pfeil und Bogen bedroht. Damit wird ausgedrückt, daß der Mensch schon von seiner Geburt an vom Tod verfolgt wird, worauf auch die Inschrift hinweist: HODIE MICHI CRAS TIBI = Heute mir, morgen dir (steht der Tod bevor)! 33. Die Wächterstube hoch oben im Nordquerhaus an der Wand, „des Glockners Kammerlin“ genannt, wurde 1572 von Endres Wolff, dem Vater des eben genannten Gerhard Wolff, gebaut. Von da aus konnte der Glöckner die gottesdienstlichen Vorgänge im Dom verfolgen, um auf den Westturm hinauf Zeichen zu geben, wann geläutet werden sollte.
Der Niederländische Manierismus 34. Das Denkmal des Erzbischofs Daniel Brendel von Homburg († 1582) im nördlichen Seitenschiff ist weniger gut, was um so erstaunlicher scheint, als gerade zu dieser Zeit in Mainz eine ausgezeichnete Werkstatt 110
Der Niederländische Manierismus
von niederländischen Bildhauern tätig war, die unter Leitung des Architekten Joris Robyn die Hofkirche St. Gangolph ausstatteten. Man schreibt das Denkmal dem Bildhauer Nikolaus Dickhart zu, der es nach dem Entwurf von Johann Robyn, einem Bruder des Joris Robyn, ausgeführt habe. Das Brendelsche Chorgestühl ist aus der Gangolphskirche zusammen mit anderen Werken in den Dom gerettet worden. Die drei erhaltenen Rückwände mit ihren Sitzen – die Kniebank ist verloren – sind wahrscheinlich in ihrem architektonischen Aufbau von dem Architekten der Kirche entworfen worden. Die sehr lebendige, abwechslungsreiche Plastik wurde allerdings dem Mainzer Bildhauer Gerhard Wolff zugeschrieben, da die niederländischen Meister um Robyn nicht solche urwüchsigen und bewegten Werke hervorbrachten. Wolff hat vermutlich auch an dem Familiendenkmal der Brendel von Homburg (Nr. 32) mitgearbeitet und das Denkmal des Vizedominus Heinrich von Sebolt im Kreuzgang (s. S. 144) geschaffen. – Das Brendelsche Chorgestühl ist im Ostchor aufgestellt. 35. Das Denkmal des Dompropstes Johann Andreas Mosbach von Lindenfels († 1571) und des Scholasters Johann Heinrich von Walbrunn († 1573) in der Michaelskapelle auf der Südseite erinnert mit seinem komplizierten Aufbau an die Architekturschränke aus Eichenholz, die in dieser Zeit beliebt waren. Das Hauptbild, die beiden vor der Dreifaltigkeit knienden Domherren, verschwindet fast in der Fülle der Inschriften, Wappen und Rollwerkornamentik. Da 1579 das Denkmal von einem Aschaffenburger Bildhauer an seiner jetzigen Stelle angebracht wurde, wird als Meister Erhard Barg vorgeschlagen, der damals dort in der Mainzer Zweitresidenz tätig war. 36. Denkmal des Domherrn Johann Rupert Rau von Holzhausen († 1588) im südlichen Seitenschiff. Hier handelt es sich um einen etwas großzügigeren Architekturrahmen mit einer Fülle reizvollen Schmuckwerks. Die Darstellung der Grablegung Christi spielt zusammen mit den Inschrifttexten auf die Wallfahrt des Domherrn zum Heiligen Grab in Jerusalem an. Die Skulpturen sind vielleicht von einem Schüler Peter Ostens geschaffen. 37. Das Denkmal des Domherrn Johann Bernhard von der Gablentz († 1592) und seiner Angehörigen im nördlichen Querhausflügel, die vor einem Kruzifix knien, wurde vielleicht vom Bildhauer Erhard Barg nach einem Entwurf von Johann Robyn geschaffen. 38. Denkmal des Domherrn Wolfgang von Heusenstamm († 1594) in der Nordarkade, früher in der Memorie. Es zeigt im kleinsten Maßstab die
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Nr. 38 Denkmal des Domherrn Wolfgang von Heusenstamm († 1594).
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gleiche Anordnung des Architekturrahmens mit dem betenden Kanoniker vor der Gruppe des Gnadenstuhles, der auch auf dem Gablentz-Grabmal im oberen Aufsatz dargestellt wurde. Die Arbeit stammt aus der Schule des Peter Osten. 39. Das Denkmal des Dompropstes und Bischofs von Worms Georg von Schönenburg († 1595), für das eine besonders geräumige Wand im südlichen Querhaus Platz bietet, hat im Gegensatz zu den vorhergehenden Grabmälern riesenhafte Ausmaße. Wie kleinteilig ist hier wieder alles entsprechend dem Zeitstil: Gottvater, die drei Tugenden, Georg und Martin zu Pferd, die Apostelfürsten, die Reliefs am Unterbau. Groß ist nur die Figur des Dompropstes, der betend vor dem Kruzifix kniet, im Hintergrund die Darstellung des Pfingstwunders. Die Farbigkeit der Materialsorten mit gelegentlicher Vergoldung entspricht ganz dem Geschmack der Zeit. Der Entwurf und der untere Teil der Ausführung stammt wiederum von dem Niederländer Peter Osten. Nach dessen Tod setzten seine Schüler das Werk im Mittelteil fort und vollendet wurde es im oberen Teil wahrscheinlich von Johannes Juncker.
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Die Denkmäler und Altäre von 1600 bis 1680 40. Das Denkmal des Erzbischofs Wolfgang von Dalberg († 1601) setzt zwar die manieristische Tradition fort, doch regt sich in der Gestalt des Kurfürsten bereits barockes Leben und Kraft. Die Drehung des Kopfes zur Seite und die energischen Gesichtszüge lassen die Befähigung zum Herrschen ahnen. Die Arbeit ist vielleicht von Johannes Juncker ausgeführt. Während bei dem Denkmal des Vorgängers Daniel Brendel von Homburg (Nr. 34) der obere Aufsatz von den Figuren Gottvaters, des auferstehenden Christus und zweier Tugenden belebt war, finden sich hier außer den Posaunenengeln noch Martinus und Wolfgang als Bistumsund Namenspatrone zum letzten Male als Heiligenfiguren auf einem Erzbischofsgrabmal. Die 16 adligen Ahnen, die jeder Domherr bei der Aufnahme in das Kapitel nachweisen mußte, sind bei beiden Denkmälern durch ihre Wappen vertreten. Bei Kardinal Albrecht (Nr. 25) sind die Wappen der Länder und Herrschaften, die den Brandenburgern gehörten, angebracht. Die Grabplatte des Erzbischofs Wolfgang von Dalberg aus schwarzem Marmor ist am gleichen Pfeiler seitlich vom Denkmal befestigt. Sie ist 113
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Nr. 39 Denkmal des Dompropstes Georg von Schönenburg († 1595): Ausschnitt.
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nicht die erste im Dom aus diesem Material, aber sie legte den Typus fest, nämlich ein großes Wappen und darunter die Inschrifttafel. Die Grabplatte wurde übrigens nicht gleich nach dem Tod des Erzbischofs angefertigt, sondern erst 1622. Der schöne Rokoko-Rahmen aus rotem Sandstein, der in gleicher Form auch schon die Grabplatten Bertholds von Henneberg (Nr. 20) und Kardinal Albrechts (Nr. 26) sowie diejenigen mehrerer anderer Erzbischöfe umgibt, ist nach 1762 entstanden, als man das neue Chorgestühl im Westchor aufstellte und dabei eine Anzahl von Grabplatten entfernte und in den Mittelschiffarkaden anbrachte. Auch von anderen Stellen des Domes kamen noch Grabsteine hierher und erhielten die gleichen Rahmen. (Diese einfachen Marmorplatten können nicht alle in diesem Buch besprochen werden.)
Die Epitaphaltäre des 17. Jahrhunderts Von nun an sind in einer längeren Zeitspanne von etwa 80 Jahren keine Erzbischofsdenkmäler mehr entstanden. Es setzt sich der Epitaphaltar durch, der hauptsächlich in den Seitenkapellen, im Querhaus und im Ostchor die älteren gotischen Altäre verdrängte. Vielleicht wurde sein Siegeszug dadurch noch gefördert, daß die Schweden drei Altäre Grünewalds aus dem Mainzer Dom entwendeten, wobei zu vermuten ist, daß damals noch manches andere verschwand. In diesem Typus des Grabaltars ist alles vereinigt, was zum Gedächtnis der Erzbischöfe oder Domherren erforderlich war. Die Retabel schmücken die Kapellen, sie erinnern durch Inschriften und Bilder an die auf diesen Altären gestifteten Messen. Zusätzlich stellen sie durch die Figuren der Stifter und durch Angabe der Sterbedaten Grabdenkmäler der Prälaten dar. Es muß noch einmal daran erinnert werden, daß Altäre in fast jeder zweiten Kapelle bei der Domwiederherstellung um 1830 beseitigt wurden, was durch die großen Verwüstungen an der Ausstattung durch die Säkularisation und Profanierung des Domes um 1800 mit veranlaßt war. Durch Abbrechen der Zwischenmauern vereinigte man 1830 je zwei Joche zu einer Kapelle. Manche Teile der abgebrochenen Altäre, aber auch Reliefs von Altären der niedergelegten St.-Gangolphs-Hofkirche dürften zum Ausbessern oder zur Bereicherung der stehengebliebenen Retabel benutzt worden sein, worüber es leider keine archivalischen Be115
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lege gibt. Die übrigen Teile der beseitigten Kapellen-Altäre gingen unter, nur derjenige der Lambertikapelle von 1658 ist noch in der Wallfahrtskapelle auf dem Laurenziberg bei Gau-Algesheim erhalten. – Bei der Restaurierung des Ostchores 1868 – 70 wurden vier große Marmoraltäre aus der Zeit zwischen 1683 bis nach 1700 abgebrochen und in den Landpfarrkirchen Lörzweiler, Nackenheim und Bodenheim aufgestellt. 41. Der Nassauer Altar von 1601, ursprünglich St. Peter ad vincula, später St. Bartholomäus, im nördlichen Querhausflügel, steht zeitlich an der Spitze dieser Denkmalaltäre. Er ist dem Andenken an den Domherrn Heinrich von Nassau-Spurkenburg († 1601) und seines Bruders, des kaiserlichen Rates Philipp († 1582) gewidmet. Das auf dem Kopf stehende Wappen im obersten Geschoß des Altares zeigt an, daß mit Heinrich die Familie von Nassau-Spurkenburg ausstarb. Das wird auch in der Inschrift deutlich gesagt: „Dem hochwürdigen und edlen Herrn Heinrich von Nassau, Stiftsherrn am Mainzer und Trierer Dom, Archidiakon von St. Lubentius in Dietkirchen und Propst von Limburg, dem letzten Sproß seiner Familie, der im Alter von 73 Jahren am 27. Februar 1601 gestorben ist, setzten seine trauernden Freunde dies Denkmal. Der edle und gestrenge Philipp von Nassau, Herr in Spurkenburg, kaiserlicher Rat, Bruder des Herrn Heinrich, ein durch Klugheit bedeutender Mann, starb fromm nach Vollendung des 52. Lebensjahres in Christo am 22. November 1582.“
Entsprechend der weiten romanischen Altarnische dehnt sich der Altaraufsatz in vier Geschossen und drei Abteilungen über eine große Fläche mit zahlreichen Darstellungen. Das Hauptrelief stellt die Kreuzigung Christi dar. Grablegung, Auferstehung und Himmelfahrt schließen sich thematisch an. In den beiden seitlichen Nischen knieten einst wohl die beiden Herren von Nassau, die heutigen Gruppen der Kreuztragung und der Frauen gehören vermutlich nicht hierher. Das Werk wird Johannes Juncker oder weniger wahrscheinlich Nikolaus Dickhardt zugeschrieben. 42. Der Scharfensteiner Altar von 1604, allen Heiligen geweiht, zum Andenken an den Dompropst und Wormser Bischof Philipp Cratz von Scharfenstein († 1604), steht in der östlichen Kapelle der Südseite. Im Allerheiligenrelief wird der Dompropst in den Himmel aufgenommen. Vermutlich gehören die beiden Domherren der Seitenteile nicht zum ursprünglichen Bestand dieses Altares. Hier ist das Lieblingsmaterial des Manierismus, der Alabaster, verwandt, der sich ebenso leicht wie der Tuff des Nassauer Altars bearbeiten läßt. Vielleicht wurde auch die Arbeit nach 116
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Nr. 41 Nassauer Altar im nördlichen Querhaus, 1601. 43
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einem Entwurf des Johannes Juncker von Nikolaus Dickhardt verfertigt. Die beiden sitzenden Apostelfiguren stammen wahrscheinlich von Gerhard Wolff. 43. Der Fürstenberger Altar in der Johannes-Kapelle nebenan zum Andenken an den Domherrn Friedrich von Fürstenberg († 1608, nicht 1607, wie in der Inschrift steht) ist nur vier Jahre jünger. Unter den übrigen großformatigen Aufbauten wirkt er sehr klein, besonders weil eine Menge von Einzelheiten das Ganze zersplittert. Die Reliefs bringen Darstellungen aus dem Leben des hl. Johannes des Täufers mit Maria und der hl. Katharina. Vielleicht stammt die Bildhauerarbeit von dem Westfalen Gerhard Gröninger, der aus der Heimat der Freiherren von Fürstenberg berufen worden wäre. Die gemalte Umrahmung aus Bandwerkgeschlinge wurde erst 1959 wieder freigelegt. Sie stammt aus der Entstehungszeit des Altars um 1608. 44. Das Denkmal der beiden Domherren von Buchholz, errichtet 1609, weist niederdeutsche, westfälische Stilelemente in der Richtung von Gerhard Gröninger auf. Das wird durch die Herkunft der Familie bestätigt. 45. Der Bassenheimer Altar zum Andenken an den Domherrn Johann Theoderich Walbott von Bassenheim († 1610) steht heute ohne Mensa auf der Nordseite in der Magnuskapelle hinter der prächtigen Grablegungsgruppe (Nr. 17). Das Hauptrelief bringt die Geißelung Christi. Wiederum ein sehr ausgedehnter, vielgliedriger und farbiger Aufbau, der wohl von Johannes Juncker und Nikolaus Dickhardt geschaffen ist. Die fünf Reliefs in den Seitenteilen des Altars und die dekorierten Säulentrommeln stammen aus der 1826 abgerissenen Schloßkapelle St. Gangolph, die Mehrzahl von ihnen wird dem bedeutenden Bildhauer Gerhard Wolff zugeschrieben. 46. Der Riedtsche Altar, gestiftet von dem Domscholaster Jodokus von Riedt († 1622) in der St.-Viktor-Kapelle, der östlichsten der Nordseite, ist etwas einfacher. Das Mittelbild zeigt die Verkündigung an Maria, daneben den betenden Domherrn. Die Künstler sind die gleichen wie beim Bassenheimer Altar. Neben dem Altar die schöne Schwarzmarmor-Grabplatte des Jodokus von Riedt vom Bildhauer Johann Fries (vgl. die Grabplatte unter Nr. 47). Die Enge des Raumes dieser Viktorskapelle zeigt, wie die Altäre ehedem aussahen, denn mit zwei Ausnahmen waren die Kapellen alle nur ein Joch lang, und erst durch die Beseitigung vieler Altäre und Zwischenmauern im 19. Jahrhundert wurden sie zwei Joche lang, wie sie jetzt bestehen. 47. Der Greiffenklau-Altar zum Andenken an den Erzbischof Georg Friedrich von Greiffenklau († 1629) in der St.-Michaels-Kapelle, der westlichsten auf der Südseite, wurde zwar 1629 nach dem Tode des Erzbi-
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Nr. 47 Greiffenklau-Altar, 1629 –62: Rekonstruktion des Mittelteils. 44
schofs begonnen, doch erst 1662 lange nach dem Dreißigjährigen Kriege fertiggestellt. Der Schwedeneinfall und die große Not dieser Jahre verhinderten die rasche Vollendung. Das ursprüngliche Relief, der unter einer Marienkrönung kniende Kurfürst, ist herausgenommen und in beschädigtem Zustand im Kreuzgang erhalten. Als Bildhauer werden Johann Fries, dessen Sohn Johann Balthasar Fries und Mathias Pfister aus Worms genannt. Die heute in diesem Altar befindliche Himmelfahrt Mariä und Opferung Isaaks, die ikonographisch keinesfalls zusammenpassen, stammen aus anderen Altären, wahrscheinlich sogar aus der Schloßkirche St. Gangolph. Das Himmelfahrtsrelief dürfte ein Jugendwerk des bedeu119
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tenden Bildhauers Gerhard Wolff sein. Die Grabplatte des Kurfürsten von Greiffenklau befindet sich in der letzten Arkade der Mittelschiff-Südwand, sie stammt wie die des Jodokus von Riedt (Nr. 46) von dem Bildhauer Johann Fries, den schwarzen Marmor lieferte der Steinmetz Martin Harnisch von Schubach. 48. Der Saulheimer Altar, gestiftet vom Dompropst Adolf Hund von Saulheim († 1668) in der Barbarakapelle (dorthin erst 1964 versetzt), fällt gegenüber dem älteren Kreuzaltar (Nr. 49) noch einmal in den vielgeschossigen Aufbau zurück. Mächtige, vergoldete, gedrehte Säulen und Figuren rahmen das Ölgemälde der Kreuztragung Christi von J. V. Crams. 49. Der Kreuzaltar, 1657 gestiftet vom Domdekan Johann von Heppenheim, gen. von Saal, entstand bald nach dem langen Einschnitt des Dreißigjährigen Krieges als ein großartiges Werk des Barock, das ursprünglich in der Barbara-Kapelle aufgestellt wurde, neuerdings als Sakramentsaltar in der Marienkapelle steht. Der mächtige Eichenholzrahmen ist an die Stelle der kleinteiligen Aufbauten getreten. Die Vielzahl der Figuren und Reliefs und das reiche Schmuckwerk sind verschwunden. Nur das triumphale Motiv des einen Rahmens umschließt das große Kruzifix, dessen Hintergrund früher eine gemalte Landschaft bildete. Die Altarschreiner stammen aus Würzburg (Johann Wolfgang Küchler). Die Heilandsfigur hat man früher Matthias Rauchmüller zugeschrieben, von dem aber nun durch neue Forschungen feststeht, daß er nicht der Schöpfer gewesen sein kann. Das zarte Apfelbaumholz hat es dem Künstler ermöglicht, den wundervollen Kopf, der alle durchlittenen Qualen wiedergibt, und den edlen Körper detailreich zu schnitzen. 50. Der Laurentius-Altar, gestiftet vom Kurfürsten Damian Hartard von der Leyen 1676 in der Laurentius-Kapelle der Südseite, ist der späteste Kapellenaltar. Hier umgibt wieder ein mächtiger Rahmen das Altarbild von Eduard Heuß mit der Darstellung des Heilandes, das 1853 an die Stelle des älteren Bildes von Crams trat, welches sich heute im Saulheimer Altar befindet. Nur eine große Figur, nämlich der hl. Laurentius oben auf dem Gipfel, ist noch vorhanden. Kostbare Marmorsorten wurden statt des billigeren Holzes gewählt. Der Meister des Altars ist der Bildhauer Arnold Harnisch, der auch das folgende Denkmal des Altarstifters geschaffen hat. Es sei noch erwähnt, daß die Reihe der Altäre im Dom sich bis in die Zeit um 1700 fortsetzte. Diese sind beseitigt worden und zieren heute die Kirchen von Nackenheim, Lörzweiler, Bodenheim und vom Laurenziberg bei Gau-Algesheim in Rheinhessen.
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Nr. 49 Kreuzaltar, 1657. 45
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51. Das Denkmal des Kurfürsten Damian Hartard von der Leyen († 1678) im südlichen Seitenschiff ist vom gleichen Arnold Harnisch geschaffen. Es setzt den Typus des 16. Jahrhunderts mit der Erzbischofsfigur im Architekturrahmen fort. Diese alte, schon im 14. Jahrhundert entstandene Form, die dann durch die Renaissance in antikes Gewand gekleidet wurde, hat hier ihren besten Vertreter. 52. Das Denkmal des Landgrafen Georg Christian von Hessen († 1677), das ebenfalls im südlichen Seitenschiff hoch über dem Kryptaeingang hängt, entstand in der gleichen Zeit. Hier ist sogar der Name des Bildhauers Arnold Harnisch bezeugt. Tatsächlich weist es die gleichen Formen wie der Laurentiusaltar oder das Denkmal des Kurfürsten von der Leyen auf. Nur geht das Monument entsprechend seinem ursprünglichen Aufhängungsort an einer großen Wand im Ostchor mehr in die Breite, was die Darstellung des vor dem Kruzifix knienden Landgrafen, der zur katholischen Religion übergetreten war, erlaubte. 53. Das Denkmal des Reichsgrafen Karl Adam von Lamberg hing ursprünglich als Gegenstück auch im Ostchor und befindet sich heute im nördlichen Seitenschiff. Er fiel 1689 als Obristleutnant und Kommandant des kaiserlichen Regimentes Starhemberg bei der Belagerung von Mainz. Bei der freien Komposition spielt der Architekturrahmen keine Rolle mehr. Der Kriegsheld erhebt sich aus seinem Sarg, um wieder aufzuerstehen. Der Tod muß ihm selbst dabei helfen, der Engel weist zum Jenseits. Trophäen künden vom Ruhme des Obristleutnants. Der Künstler ist J. W. Frölicher. Der Typ des Grabmals mit dem auferstandenen Toten ist von französischen und belgischen Vorbildern abgeleitet. 54. Das Denkmal des Kurfürsten Anselm Franz von Ingelheim († 1695) im südlichen Seitenschiff gehört in die gleiche Richtung, die einen Architekturrahmen verschmäht. Die Figur trägt nicht einmal die Pontifikalgewänder, sondern ruht in Chormantel und Rock auf ihrem Sarkophag, ins Gebet vertieft, ein Putto hält ein Buch. Bemerkenswert bei diesem ersten Liegegrabmal im Dom ist die Haltung eines Grandseigneurs, den trotz allen repräsentativen Beiwerks durch das lässige Gelagertsein eine gewisse private Sphäre umgibt, während man es bis dahin vorzog, den Erzbischof mit allen Insignien und in vollem Ornat aufrecht hinzustellen. Die Rückwand bildet eine Nische, hinter der ein Zelt sichtbar wird. Der Bildhauer ist ebenfalls Joh. Wolfgang Frölicher.
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Nr. 53 Denkmal des Grafen Karl Adam von Lamberg (†1689) von Johann Wolf- 46 gang Frölicher.
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Nr.Denkmal 54 Denkmal des Kurfürsten Anselm von Ingelheim († 1695) Nr. 54 des Kurfürsten Anselm FranzFranz von Ingelheim († 1695) von Johann Wolfgang Frölicher. von Johann Wolfgang Frölicher.
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55. Das Denkmal des Dompropstes Heinrich Ferdinand von der Leyen († 1714) steht im südlichen Querhausarm und ist das größte im Dom (8,33 m hoch). Angefertigt wurde es zur Lebenszeit des Propstes 1706, wie auf dem Buch steht, das der kleine Putto hält. Vor dem mächtigen portalartigen Rahmen, den ein Zelt ausfüllt, kniet die große Figur des Propstes mit prächtig-pathetischer Gebärde auf einem Kissen vor dem Kruzifix. Zeit und Tod flankieren die Szene. Trotz der enormen Maße, der Pracht des schwarzen, rötlichen und weißen Marmors behauptet sich in dieser mächtigen Umgebung die Figur des Propstes durch ihre hohe künstlerische Qualität. Die eben schon herangezogene Quelle nennt als Künstler einen Oeninger aus Westfalen. Es ist Johann Moritz Gröninger († 1707) aus Münster gemeint, der von seinem Sohn Johann Wilhelm unterstützt wurde. Wenn man die nebenan befindlichen kleineren Erzbischofsgrabmäler vergleicht, kommt der materielle Reichtum der Dompröpste zu Bewußtsein, über den wir auch sonst unterrichtet sind. Dieser führte zu Leistungen im Bauen und Kunstsammeln, die von den Zeitgenossen hochgerühmt wurden. Leider hat kaum etwas davon den Untergang des Kurstaates überlebt. 56. Das Denkmal des Dompropstes Hugo Wolfgang Freiherr von Kesselstatt († 1738) befindet sich in der südseitigen Laurentiuskapelle an der Rückwand. Die sehr eleganten Plastiken aus weißem Marmor stellen oben im Medaillon (erstmals!) das Brustbild des Dompropstes, als Hauptbild die Pieta und die allegorischen Figuren der Unsterblichkeit dar. Der Künstler ist wohl Burkhard Zamels. 57. Das Epitaph des Domherrn Karl Kaspar Wilhelm von Gymnich († 1739) an der Rückwand der Allerheiligenkapelle (Südseite) sei hier nur wegen seiner seltenen Technik erwähnt, es ist aus verschiedenen bunten Marmorsorten zusammengesetzt und stellt so wie ein Gemälde Architektur und Figuren dar. Wie wichtig die Zeit dieses „Marmormosaik“ nahm, sieht man aus der erklärenden Beischrift „Opus melitense“, womit auf die südliche Herkunft der Technik oder überhaupt des Epitaphs (aus Malta) hingewiesen werden soll. Das genannte Epitaph verdeckt zum Teil ein Wandgemälde von 1630, das das Jüngste Gericht darstellt. 58 u. 59. Die Denkmäler des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn († 1673) und seines Neffen, des Kurfürsten Lotbar Franz († 1729) sind im Westchor hinter dem Chorgestühl hoch oben an den Mauerteilen zwischen den drei Konchen aufgestellt. Es sieht heute so aus, als schwebten sie
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Nr. 55 Denkmal des Dompropstes Heinrich Ferdinand von der Leyen, 1706 von Johann Moritz Grönninger: Ausschnitt.
als Hängeepitaphien, nur mit Eisen an den Wänden befestigt. Das stimmt aber nicht. Die beiden Monumente haben Sockel, die bis zum Boden herunterreichen. Diese hat der geniale Chorgestühlschreiner F. A. Hermann verdeckt, um eine einheitliche Wirkung des Raumes und seiner Schöpfung zu erreichen. Die Denkmäler sind mehr aus Einzelteilen aufgebaut, als dies bei den zuletzt betrachteten der Fall war, in denen nur das unarchitektonische Element des Vorhanges die Hauptrolle spielte (vgl. die Denkmäler Nr. 54, 55, 60, 61). 126
Das Chorgestühl
Tatsächlich ist auch ein Baumeister der Schöpfer: Balthasar Neumann, der sie im Auftrage von Friedrich Karl von Schönborn, Fürstbischof von Bamberg und Würzburg, um 1738 betreute, die Entwürfe und Modelle machte sein Mitarbeiter, der Würzburger Bildhauer Johann Wolfgang v. d. Auvera. Die neun Hauptfiguren wurden in Genua aus Marmor von Massa-Carrara geschaffen. Durch deren abenteuerliche Reiseschicksale über das Meer verzögerte sich die Aufstellung bis 1745, wo sie noch zum Schluß in der Auvera-Werkstatt in Würzburg fertiggestellt wurden. Hier ist der sinnbildliche Schmuck besonders stark gehäuft. In beiden Fällen verheißt eine weibliche allegorische Figur dem Kurfürsten auf dem hoch oben stehenden Sarkophag die Unsterblichkeit. Die Figuren darunter bedeuten bei Lothar Franz die Kardinaltugenden und bei Johann Philipp die Künste. Die Löwen sind die Wappentiere der Schönborns. Da das Chorgestühl in engem räumlichem Zusammenhang mit den beiden Schönborn-Denkmälern steht, soll es anschließend besprochen werden, obwohl es erst zwanzig Jahre später entstanden ist und zeitlich nach dem Denkmal des Kurfürsten Philipp Karl von Eltz (Nr. 60) und teilweise nach demjenigen des Kurfürsten Friedrich Karl von Ostein (Nr. 61) einzuordnen wäre. (Über seine Vorgänger und die Gründe, die zu seiner Anlage geführt haben, wurde oben in dem Abschnitt über ›Die ursprüngliche Einrichtung des Westchores‹ gehandelt (S. 45f.).
Das Chorgestühl Das Chorgestühl ist in seiner ganzen Anlage eine der großartigsten Schöpfungen unter den deutschen Rokokogestühlen. Es ist der Thronsaal des Erzbischofs und Kurfürsten und seines Ministeriums, des Domkapitels. Für die Anfertigung wurde Franz Anton Hermann gewonnen, ein Meister aus der Mainzer Schreinerzunft, der durch seine eingehende Beschäftigung mit der Baukunst auch als Architekt geachtet wurde. Spessarteichen, in den erzstiftlichen Wäldern geschlagen und viele Jahre lang getrocknet, so daß sich heute an dem nie mit Farbe behandelten Gestühl noch keine Risse zeigen, dienten der großen Werkstatt Hermanns 1760 – 65 als Material. Als Bildhauer arbeitete wahrscheinlich Heinrich Jung mit, der vom Grabmal des Kurfürsten Ostein (Nr. 61) und der St.-EmmeransKanzel (jetzt in St.-Quintin) her bekannt ist.
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Chorgestühl im Westchor von Franz Anton Hermann, 1760 – 65.
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Das Chorgestühl
Die Kriegsjahre um 1800 schadeten glücklicherweise nicht, obwohl damals die meisten Kirchenmöbel im Dom verkauft oder verbrannt wurden. Allerdings mußte Bischof Colmar das Chorgestühl zurückkaufen, da es für 500 Franken bereits an einen Mainzer Schreinermeister versteigert war, der jedoch nichts mit ihm anzufangen wußte. Nur die Kniebank des Erzbischofs kam abhanden und wurde durch eine neue im Empirestil mit dem Namenszug Bischof Colmars ersetzt. Ein schlimmer Verlust war aber 1862 die Beseitigung der zwei Tabernakelabschlüsse, die seitlich des Hochaltars nach Osten zu standen. Damit hat das Gestühl seinen notwendigen Ausklang verloren, es hört mit einer auffallend geraden Linie plötzlich auf. Planung und Figurenprogramm verraten sorgfältige Planung. Über dem Baldachin des erzbischöflichen Thrones sieht man den mantelteilenden hl. Martin, den Patron des Erzbistums und des Domes. Die anderen Figuren sind Bonifatius, Willigis, Creszens und Bardo als Heilige auf dem Mainzer Bischofsstuhl. Oben am Baldachin des Thrones ist das Wappen des Kurfürsten Friedrich Karl von Ostein, darunter an der Rückwand sind dessen Namensinitialen in einer Kartusche angebracht. Seitlich des Thrones sind die Wappen der 13 Suffraganbistümer Worms, Speyer, Straßburg, Chur, Paderborn, Halberstadt, Fulda, Würzburg, Eichstätt, Verden, Augsburg, Konstanz und Hildesheim ausgeschnitzt. Dann folgen die Wappen der vier Erzämter und der vier Erbämter. Über und unter dem Gesims sind ferner die Wappen der fünf Prälaten, die berechtigt waren, die Mitra zu tragen, nämlich des Propstes, Dekans, Scholasters, Kustos und Kantors angebracht, endlich die der 20 adligen Domherrn. Bei der Verwirklichung des Chorgestühls war auf die beiden im Chor bereits fest eingebauten Grabmäler der Kurfürsten Johann Philipp und Lothar Franz von Schönborn Rücksicht zu nehmen. Eine schwierige Aufgabe, denn diese Grabmäler stehen auf Pfeilern, und ihretwegen mußte entweder das Chorgestühl unterbrochen werden oder es mußte jene verdecken. Hermann umbaute die genannten Sockel und ging mit dem aufund abwogenden Gesims des Chorgestühls vor den Grabmälern herunter. Damit erreichte er, daß einmal die Inschrift noch lesbar blieb, aber auch, daß die Monumente wie Bekrönungen des hölzernen Dorsales wirken. Die Sockel sind so geschickt verborgen, daß jeder Besucher glaubt, es handle sich um Hängegrabmäler, die nicht auf dem Boden stehen. Ebenfalls nicht leicht war die Einfügung des Gestühls in den spätromanischen Trikonchos. Hermann hat dieses Problem mit einer solchen 129
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Eleganz und Selbstverständlichkeit gemeistert, daß man sich eine andere Lösung kaum vorstellen kann. Es ist klar, daß der Grundriß sich nicht eng an die Wände anschließen durfte, sonst wäre keine Einheit herzustellen gewesen; das Chorgestühl wäre in drei Teile zerfallen. Die ovale Form faßt die Sitzreihen gut zusammen. Gleichzeitig wird der Thron des Erzbischofs am westlichen Ende an der engsten Stelle zusammen mit Stufenunterbau und Baldachin stark betont. Dennoch ist dieser nur der Primus inter pares, denn das Domkapitel thront in seiner Gesamtheit mit ihm zusammen. Zum Schluß sei noch auf bemerkenswerte künstlerische Eigenarten hingewiesen: Bei dieser Schöpfung des späten Rokoko wird auf die rechteckige Begrenzung von Rahmen und Füllung, auf den geradlinigen oberen Gesimsabschluß, auf die ebene Fläche (besonders bei den Kniebänken) kein Wert mehr gelegt. Mithin hat das Gestühl den aus Rahmen und Füllung zusammengefügten kastenartigen Charakter verloren, auf den zu gleicher Zeit immer noch die französische Kunst großen Wert legt, die auch niemals das Überschäumende des deutschen Rokoko annimmt, sondern immer klassisch und gemessen bleibt. Hermann modelliert mehr das gesamte Gestühl wie eine ungeheure Masse, er erlaubt sich sogar die selbst im Rokoko nicht häufig gebrauchte Freiheit, das obere Gesims wellenförmig zu bewegen. Trotz alledem wird er nicht grobschlächtig, sondern die Details der Rückwände und der Kniebänke sind von großer Feinheit und erstaunlichem Abwechslungsreichtum. Im Ganzen ist das Chorgestühl wirklich das Werk eines Genies. Das zeigt sich auch daran, daß der sehr strenge Raum des spätromanischen Trikonchos völlig umgedeutet wird. Das Gestühl verleiht ihm den Charakter eines Thronsaals, indem es in seiner geschlossenen Form völlig die Aufmerksamkeit des Beschauers auf sich lenkt und die darüber aufsteigende Architektur gleichgültig werden läßt. Vom Mittelschiff aus, wo man nicht von dem mächtigen Oval des großen Möbels umgeben ist, wirkt es wie das reiche Fundament, aus dem der Bau aufwächst.
Die Denkmäler der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 60. Das Denkmal des Kurfürsten Philipp Karl von Eltz († 1743) befindet sich im südlichen Querhaus, ursprünglich hing es im Mittelschiff an der Stelle der Tumbaplatte Siegfrieds von Eppstein. Schon zu Lebzeiten hatte der Kurfürst das Denkmal bis auf die Inschrift nach dem Entwurf 130
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des kurfürstlichen Oberbaudirektors Anselm Franz von Ritter zu Groenesteyn 1740 durch den der Hofbildhauer Burkhard Zamels ausführen lassen. Hier ist nun das schwarze Zelttuch nicht mehr architektonisch gerahmt. Der geflügelte Chronos und zwei Putten halten es hoch. In dieser scheinbar lockeren, zufälligen Form gibt sich deutlich das Rokoko zu erkennen. Eine weinende Frau, die wohl den trauernden Kurstaat darstellt, und ein Löwe, das Eltzsche Wappentier, flankieren den Sarg mit dem die Inschrift tragenden Tuch und das Medaillonportrait des Erzbischofs. Seine Insignien bilden den unteren Abschluß des Denkmals. Dieses Werk des Mainzer Rokokos zeigt in den virtuos gearbeiteten weißen Marmorfiguren den hohen Stand der Bildhauerkunst in Mainz. 61. Das Denkmal des Kurfürsten Friedrich Karl von Ostein († 1763) hängt nebenan in der Mitte der Wand. Es ist dem Landesvater gewidmet, unter dem in Mainz eine große Blüte der Kunst herrschte und eine Reihe von Kirchen und Palästen neu gebaut wurde, obwohl durch den Siebenjährigen Krieg die Zeiten nicht gerade leicht waren. Die vom Bildhauer Heinrich Jung geschaffenen Figuren stellen den betenden Kurfürsten mit der symbolischen Gestalt des Glaubens dar. Wahrscheinlich ist auch hier der Mainzer Oberbaudirektor von Ritter als Entwerfer beteiligt. Der Zinnsarg des Kurfürsten Ostein, der ursprünglich unsichtbar in einer Gruft eingemauert war, ist seit einiger Zeit gegenüber vom Denkmal im Zugang zur Bischofsgruft am unteren Ende der Treppe zu sehen. Das Kruzifix auf dem Deckel und die Köpfe von Windhunden, den Wappentieren der Grafen von Ostein, sind die einzige Zier des sonst schlichten Sarges mitten in der Zeit des schmuckreichen Rokokos. 62. Das Denkmal des Dompropstes Karl Emmerich Franz von Breidbach-Bürresheim († 1743), das daneben an der Wand hängt, wurde erst lange nach dessen Tod geplant, als sein Neffe Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim Kurfürst von Mainz war. 1775 war es in Arbeit. Für den Kurfürsten sollte ein Pendant geschaffen werden, das aber nicht zustande kam. Das Zeitalter des Klassizismus mit strengen Formen bricht an. Architektonische Elemente wie der Obelisk, der Sarkophag und dessen Konsole stellen sich wieder ein, die Figuren und ornamentalen Teile werden auf drei Stellen beschränkt. Den Entwurf zeichnete wahrscheinlich der Mainzer Baudirektor Joh. Jakob Schneider, der Bildhauer ist der als PorzellanPlastiker der Manufakturen Höchst, Frankenthal und Nymphenburg hochberühmte Johann Peter Melchior (1742 – 1825). Viel bewundert ist der sterbende Chronos, dessen Haupt das ganze Denkmal trägt, prächtig auch
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Die Denkmäler des Domes
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Nr. 61 Denkmal des Kurfürsten Friedrich Karl von Ostein († 1763) von Heinrich Jung.
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Die Denkmäler des 19. Jahrhunderts
Chronoskopf vom Denkmal des Dompropstes Karl Emmerich Franz von Breid- 51 bach-Bürresheim, 1775 von Johann Peter Melchior.
Profil und Gebärde des wie der Kurfürst Ingelheim auf dem Sarkophag ruhenden Dompropstes. Die Dreifaltigkeitsgruppe auf der Spitze des Obelisken bietet die Besonderheit, daß Christus im Sinne des Klassizismus nach antiker Art als nackter Heros dargestellt ist. Die Inschrift auf dem Tuch vor dem Sarkophag kam aus ungeklärten Gründen nicht zur Ausführung. 63. Das Denkmal des Domdekans Georg Adam von Fechenbach († 1773) in der südlichen Arkadenreihe des Langhauses hat zwei Putten, einen mit der Mitra, den andern trauernd und die Fackel auslöschend, die vielleicht auch von der Hand Melchiors sind. Das Mosaikportrait fertigte Pietro Polverelli in Rom.
Die Denkmäler des 19. Jahrhunderts Die Jahre vor 1800 haben keine bedeutenden Denkmäler mehr hervorgebracht. Das für den Kurfürsten Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim († 1774) geplante, für das Melchior schon Risse eingereicht hatte und wofür schon Marmorblöcke am Rheinufer lagen, kam nicht mehr zur Ausführung. 133
Die Denkmäler des Domes
Das Denkmal des letzten Kurfürsten Friedrich Karl von Erthal († 1802) steht in der Aschaffenburger Stiftskirche, und sein Koadjutor Karl Theodor von Dalberg starb in Regensburg. Unter den neueren ist qualitativ und geschichtlich bemerkenswert 64. das Denkmal des Bischofs Joseph Ludwig Colmar († 1818), das erst 1834 entstand. Sein Meister Joseph Scholl verrät mit der monumentalen Figur des Bischofs noch die glänzende Schulung des 18. Jahrhunderts, so daß diese Arbeit sich den großen Werken der Vergangenheit würdig anschließt. Im Sockel ist ein weißes Marmorrelief mit der Predigt des Apostels Paulus vor den Athenern eingelassen. Colmar wurde schon oben als der von Napoleon I. eingesetzte Mainzer Bischof erwähnt, der außer seinen sonstigen Verdiensten auch der Retter der Dome zu Mainz, Worms und Speyer wurde. 65. Die Grabplatte des Bischofs Joseph Vitus Burg († 1833) vom gleichen Meister lag ursprünglich waagrecht auf der Gruft im Ostchor und wurde 1872 in der südlichen Arkadenreihe angebracht. 66. Das Denkmal des Bischofs Johann Jakob Humann († 1834) in der Nordarkade wurde 1836 abermals vom Bildhauer Joseph Scholl in ähnlich monumentalen Formen wie die mittelalterlichen Erzbischofsgrabmäler geschaffen, wie das auch schon bei dem Colmar-Denkmal (Nr. 64) der Fall war. Die Gedenkplatte an Johann Philipp Hyazinth Maria Franz von Kesselstatt († 1828), letzten Trierer Domdechanten und königlich bayerischen Rat, aus weißem Sandstein mit dem weißen Marmorportrait und einer Szene aus dem Leben der hl. Elisabeth in der folgenden östlichen Arkade ist das erste neugotische Denkmal im Dom, ebenfalls von Joseph Scholl angefertigt. 67. Das Tumbagrab des Bischofs Wilhelm Emanuel von Ketteler († 1877) in der Marienkapelle neben dem ebenfalls von Ketteler gestifteten Schrein des Marienaltars (Nr. 23) aus weißem Marmor von Hertel und Fleige wird besonders diejenigen anziehen, die sich für die Vergangenheit des Katholizismus im 19. Jahrhundert und für den Einsatz dieses Bischofs zur Lösung der sozialen Frage interessieren. 68. Das Denkmal des Bischofs Paul Leopold Haffner († 1899) im nördlichen Querhaus von dem Bildhauer Georg Busch ist als neueres Monument und Zeugnis des Jugendstils bemerkenswert.
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Der Kreuzgang Der Kreuzgang auf der Südseite trat nach Ausweis der Wappenschlußsteine zwischen 1400 und 1410 an die Stelle eines älteren romanischen. Er hat wohl die Größe des romanischen Vorgängers, und ein Teil von dessen Außenmauern dürfte noch erhalten sein. Der Keller des frühen 13. Jahrhunderts unter dem Kapitelsaal ist noch vorhanden. Der an den Kreuzgang angebaute Ostflügel hat noch an seinem Südende (von der Ecke Greben-/ Domstraße her zu sehen) seine romanischen Fenster. Der gotische Kreuzgang hat die seltene doppelgeschossige Form, da er einst im Obergeschoß für die berühmte Dombibliothek bestimmt war. Er ist nur dreiflügelig. Offenbar hatten die gotischen Seitenkapellen schon den Nordarm verdrängt, und nachdem einmal vorhanden, konnte man ihre Fenster nicht mehr zubauen. Der Kreuzgang verlor nach dem Brand von 1793 alle seine Gewölbe im Obergeschoß sowie dessen Maßwerk, das 1927 erneuert wurde. Auch das Maßwerk des Untergeschosses ist im 19. Jahrhundert weitgehend ausgewechselt worden, hatte aber schon immer die etwas trockene, schematische Form. Durch den Brand von 1942 und einen Bombeneinschlag 1944 befand sich bis 1952 der Domkreuzgang in einem Zustand ähnlichen Verfalls wie in den Jahren nach 1800. Nach dem Krieg wurde der Kreuzgang allmählich wieder überdacht und 1957/58 sowie 1969 in seinen Flügeln wiederhergestellt. Seit 1964 ist das Obergeschoß als Teil des Dommuseums in Benutzung. Der Kreuzgang hat 24 Joche mit einfachen Kreuzrippengewölben, deren Rippen im Westflügel aus Diensten ohne Kapitelle, im Süd- und Ostflügel direkt aus der Wand herauswachsen. Die Schlußsteine zeigen meistens die Wappen des Erzbischofs und der adligen Domherren, die je ein Joch gestiftet haben. Vor der früheren Tür zum Kapitelhaus im Südflügel sind Maria mit dem Kind und die Heiligen Drei Könige auf den Schlußsteinen dargestellt, vielleicht vom Bildhauer des Memorienportals geschaffen. (Durch den Einschlag einer Sprengbombe sind zwei Schlußsteine mit Maria und einem König heruntergefallen und jetzt im Dommuseum ausgestellt. An ihrer Stelle sind Kopien angebracht.)
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Der Kreuzgang
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Grundriß des Domkreuzgangs mit der Memorie (unten links) und der Nikolauskapelle (unten Mitte).
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Der Kreuzgang
Domkreuzgang: Nordwestecke mit dem Chörchen der Memorie. 53
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Der Kreuzgang
Die drei Kreuzgangflügel haben kein eigenes Dach über dem Erdgeschoß, wie das sonst üblich ist, sondern sie tragen ein stattliches Obergeschoß, das früher wie das Erdgeschoß Gewölbe über Diensten ohne Kapitelle besaß. Hier war die hochbedeutende Dombibliothek untergebracht, die bei der Säkularisation restlos zerstreut wurde. Die mittelalterlichen Pultbibliotheken beanspruchten viel Raum, so daß es denkbar ist, daß tatsächlich die drei langen Flügel notwendig waren. Ein Kreuzgang ist im allgemeinen nicht nur Verbindungsgang zu den Haupträumen eines Klosters oder Stiftes, also zu Kapitelsaal, Refektorium, Dormitorium und Nebenkapellen, sondern er dient auch Prozessionen und bei den Stiften zu Begräbnissen. Dementsprechend gab es hier eine Anzahl von kunstgeschichtlich bedeutenden Denkmälern und Grabsteinen.
Die Nikolauskapelle 52
Diese Kapelle, am Westflügel des Kreuzgangs, ist von der Memorie (s. o.) aus zugänglich, hängt aber mit dem Kreuzgang durch die großen Maßwerkfenster zusammen. An der Stelle des mittleren, im 19. Jahrhundert eingefügten Fensters sprang früher eine Apsis in den Kreuzgang vor, von der das Fundament aus romanischen Grabsteinen sichtbar ist. Die Kapelle diente ursprünglich vielleicht der Domschule, deren Räume später am Ostflügel des Kreuzgangs lagen. Das Patrozinium des hl. Bischofs Nikolaus, des Kinderpatrons, weist auf diese Bestimmung hin. 1085 wird schon ein Nikolausaltar „in claustro“ genannt. Der erhaltene Bau aus drei Jochen ist vor 1382 von einem Domherrn und seiner Mutter gestiftet, aber erst nach 1400 zusammen mit dem Kreuzgang errichtet worden. In der Hauptsache dürfte er damals schon als Begräbnisort für die Prälaten und Domherren in Ergänzung zur Memorie benutzt worden sein. Auffallend ist, daß der Altar wegen der Ostrichtung in der Mitte einer Langseite stand, so daß hier ein in Querrichtung benutzter Raum vorhanden war. Eine doppelläufige Treppe steigt zwischen der Memorie und der Nikolauskapelle empor. Bei dieser seltenen Form der Wendeltreppe laufen die beiden Spiralen übereinander her, so daß zwei Personen von zwei Eingängen die beiden Treppenläufe betreten und durch zwei Ausgänge verlassen können, ohne sich unterwegs zu sehen. Die eine Tür befindet sich in der Memorie, die andere in der Nikolauskapelle. Beide Treppenläufe führ-
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Ausgewählte Denkmäler im Kreuzgang
ten zur Bibliothek. Vielleicht war der eine für den Aufstieg, der andere für den Abstieg bestimmt. Diese Meisterstücke der Steinmetzkonstruktion sind selten ausgeführt worden (altes Modell im Museum zu Augsburg).
Ausgewählte Denkmäler im Kreuzgang Das schwere Barockgitter im Eingang vom Dom in den Kreuzgang ist der Rest des Chorgitters der St.-Gangolphs-Hofkirche, das Erzbischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1729 – 32) stiftete und das vom Mainzer Oberbaudirektor Anselm Franz Ritter zu Groenesteyn entworfen war. Eine zierliche Totenleuchte aus Stein aus dem beginnenden 15. Jahrhundert ist in die Ecke bei dem Eingang von der Domstraße her eingelassen. Der Steinsarg des Erzbischofs Aribo († 1031) wurde während der großen Domwiederherstellung im Westchor gefunden. Der Sarg selbst stammt aus römischer Zeit, er wurde für die Beisetzung überarbeitet, während der Deckel mit dem Bandornament von 1031 stammt. Die Madonna der Palästinafahrer ist über dem Aribo-Sarg in die Wand eingelassen. Sie wurde 1484 vom Domdekan Bernhard von Breidenbach und Philipp von Bicken in der Liebfrauenkirche als Votivtafel zum Dank für die glückliche Heimkehr von der Pilgerfahrt in das Heilige Land gestiftet, über die Bernhard von Breidenbach den berühmten Reisebericht 1486 im Druck veröffentlicht hat (S. 97 Nr. 16). An den beiden unteren Ecken sind die Wappen Breidenbach genannt Breidenstein und Bicken als einzige Hinweise auf die Stifter angebracht, denn die Inschrift nennt sie nicht in ihrem Text, der nach Psalm 87,17 gestaltet ist: „Gib mir ein glückverheißendes Zeichen, damit sie es schamerfüllt sehen, die mich hassen: daß du mir geholfen, daß du mich getröstet hast, Himmelskönigin.“ Das Relief der Halbfigur der Madonna auf der Mondsichel, das bis 1803 in der Liebfrauenkirche angebracht war, wo ein Gnadenbild der Madonna (jetzt in der Augustinerkirche) verehrt wurde, stammt aus der Werkstatt des Bildhauers des Denkmals Adalberts von Sachsen (S. 96 Nr. 15). Der Stein trägt die älteste Renaissance-Kapitalis-Inschrift (Antiqua) in Deutschland, für die eine italienische Druckschrift als Vorbild gedient haben dürfte. Der Grabstein des Minnesängers Heinrich von Meißen genannt Frauenlob († 1318) ist weiter südlich in die Wand eingemauert. Der alte Stein wurde von Handwerkern 1774 zerschlagen und ist dann 1783 in der vor-
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Der Kreuzgang
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liegenden Form nach einer Zeichnung neu angefertigt worden. Wahrscheinlich war auf dem Originalstein das Wappen des Dichters mit einem gekrönten Frauenkopf im Schild und als Helmzier dargestellt, wie es sich in der Manessehandschrift findet. Die Nachbildung des Grabsteins hat das Wappen nicht richtig verstanden und eine Büste des Verstorbenen daraus gemacht. Frauenlob war der Gründer der ersten Meistersingerschule in Mainz. Seine Preislieder auf die Muttergottes und die Frauenwelt überhaupt trugen ihm seinen Beinamen ein. Das unter dem Stein sitzende kleine Rokokorelief zeigt die Legende, nach der ihm Mainzer Frauen das letzte Geleit gaben und sein Grab mit Wein begossen. Ein Frauenlobdenkmal des 19. Jahrhunderts ist schräg gegenüber im Freien am Strebepfeiler der Memorie aufgestellt. Das Mittelrelief aus weißem Marmor, das eine Frau darstellt, die einen Kranz auf den Sarg des Dichters niederlegt, ist 1842 von dem damals sehr angesehenen Bildhauer Ludwig Schwanthaler geschaffen worden, eine Stiftung von Mainzer Frauen und Mädchen zusammen mit dem Domkapitel. Das Denkmal stand ursprünglich im südwestlichen Eckjoch des Kreuzgangs und ist nun im Freien der Verwitterung ausgesetzt. Die Gruftplatte des Erzbischofs Johann Schweikard von Kronberg († 1626) ist in der neugotischen Blendnische vor dem Eingang in das Domkreuzgang, Ostflügel: Grabstein Dommuseum befestigt. Sie ist das des Meistersingers Heinrich von einzige Denkmal, das dem verdienMeißen genannt Frauenlob († 1318), ten Erbauer des Aschaffenburger Nachbildung angefertigt 1783.
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Denkmäler im Südflügel des Kreuzgangs
Schlosses gewidmet ist. Wegen des Dreißigjährigen Krieges kam kein Denkmal zustande. Solche in den Grüften angebrachte Inschriften dienten zur Identifizierung der Toten, wenn das Grab später geöffnet wurde. Bei den Domrestaurierungen um 1872 und 1925 – 28 wurden mehrere Grüfte verändert oder verlegt und die Inschriftsteine in den Kreuzgang gebracht, z. B. die der Erzbischöfe Johann Adam von Bicken († 1604), des Dompropstes Philipp Cratz von Scharfenstein († 1604) und des Erzbischofs Georg Friedrich von Greiffenklau († 1629, im Eingang des Kreuzgangs vom Dom her und in der Südwestecke) und manche andere. Der Bettler von der Martinsfigur auf dem Westchordach steht gegenüber an der Fensterwand des Ostflügels. Hier kann sich jeder einen Begriff von der Größe und dem enormen Gewicht dieser Gruppe machen, die als Schlußstein auf den Steindächern des Ignaz Michael Neumann (1771 – 1774) steht. Im Eingangsraum des Dommuseums stehen zwei kunstgeschichtlich bedeutende Grabsteine: Der Grabstein des Konrad Rau von Hokhausen († 1464), der eine Mitra und einen Kelch als Zeichen seiner Würde als Domkantor und Priester trägt. Ehemals befand er sich in der Nikolauskapelle und stand wohl auch ursprünglich an der Wand wie die späten Erzbischofsdenkmäler, da das Kopfkissen fehlt und die Inschrift nur auf den Längsseiten steht. Der Grabstein des Domscholasters Gerhard von Erenberg († 1498) neben dem ebengenannten lag in der Memorie unter einem Holzdeckel, der wegen des hohen Reliefs notwendig war. Er wird dem Adalbert-Meister (S. 96 f. Nr. 15, 17) zugeschrieben. Beide Grabmäler gehören zu den qualitativ wertvollsten und großartigsten unter den Domherrendenkmälern.
Denkmäler im Südflügel des Kreuzgangs Das Heilige Grab ist um 1420/30 entstanden, aber wahrscheinlich nicht mehr vollständig erhalten. Das kleine gotische Portal mit schöner Marienfigur stammt aus der Liebfrauenkirche, es gehört vielleicht in das Ende des 14. Jahrhunderts. Das Kreuz draußen im Garten, das den Mittelpunkt des seit der Domrenovierung 1925 – 28 neu angelegten Domherrenfriedhofs bildet, stammt aus Hofheim im Ried bei Worms. Es ist ein Werk des Umkreises von Paul 141
Der Kreuzgang
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Egell im nahen Mannheim um 1750. Die zugehörigen Statuen von Maria und Johannes stehen sehr beschädigt im Kreuzgang. Die großen Barockfiguren des hl. Sebastian und Johann Baptist von 1710 sind von der Hand des bedeutendsten Mainzer Bildhauers Franz Mathias Hiernle. Der hl. Bonifatius von etwa 1750 wird von dessen Sohn Kaspar Hiernle gemeißelt sein. Alle drei Altarstatuen stammen aus St. Stephan, wo sie nach der Pulverexplosion 1857 durch die stilreinigende Beseitigung der barocken Ausstattung entfernt wurden. Der Engel auf einem mit Blattwerk ornamentierten Schaft (Anfang des 13. Jahrhunderts) gegenüber an der Fensterwand stand auf dem Giebel des Nordquerhauses, weswegen er so stark verwittert ist, und wurde dort durch eine Kopie ersetzt. Das Relief des hl. Martin zu Pferd mit dem Bettler über dem vermauerten Eingang zum Kapitelsaal wurde vom Meister des Denkmals des Erzbischofs Adolph von Nassau von 1390 (S. 88 Nr. 7), der Karmelitermadonna und des Kiedricher Westportals geschaffen. Das Epitaph des Domherrn Johann von Hattstein († 1518) zeigt in einer von einem Renaissancerahmen umgebenen Nische eine Pieta, seitlich flankiert von dem Lieblingsjünger Johannes und Maria Magdalena. Vor Johannes kniet der Domherr Johann von Hattstein. Die Mittelgruppe erinnert sowohl an die deutschen Vesperbilder als auch an die Pieta Michelangelos in St. Peter zu Rom, von der vielleicht der Bildhauer des Hattstein-Epitaphs, Peter Schro, Skizzen besaß. Der Stil erinnert sehr an die Werke von Hans Backoffen (S. 99 ff. Nr. 19 – 22), bei dem Schro gelernt hatte und von dem er auch die Verwendung des Tuffsteins für die Skulpturen und des Sandsteins für die Rahmen übernommen hat. Schro hat außer seinen Arbeiten in Mainz (S. 106 Nr. 24) und Umgebung die reiche Figurenausstattung der Stiftskirche in Halle (Sachsen) im Auftrage von Kardinal Albrecht von Brandenburg in den gleichen Jahren ausgeführt. Die ursprüngliche farbige Fassung des Hattstein-Epitaphs wurde 1973 erneuert. Die Inschriften sind in humanistischem Geiste abgefaßt. Auf dem Bogen steht in Lateinisch: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh. 11, 25), in Griechisch: „Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden“ (Luk. 20, 38) und Hebräisch: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt“ (Joh. 19, 25). Man war damals stolz darauf, daß man alle drei Sprachen in Wort und Schrift beherrschte. Unten steht: „Dem Seniorkanoniker dieser Kirche Johann von Hattstein, der heiligmäßig in seinen Sitten und ein großer Freund der Gelehrten war, wegen des Verdienstes einzig-
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Denkmäler im Südflügel des Kreuzgangs
Domkreuzgang, Südflügel: Epitaph des Domherrn Johann von Hattstein († 1518) 55 von Peter Schro. artiger Scharfsinnigkeit, wahrer Vornehmheit und Gerechtigkeit, wodurch er privat und öffentlich berühmt war, ließen seine überlebenden Freunde dies Denkmal setzen. Er lebte 63 Jahre und starb am 20. August 1518.“
Das Mittelrelief des Michaels- oder Greiffenklau-Altars steht schwer beschädigt neben dem Hattstein-Epitaph auf Grabsteinen. Es wurde offenbar wegen seiner in den Kriegsjahren um 1800 erlittenen Beschädigungen 143
Der Kreuzgang
aus dem Altar entfernt, den Kurfürst Georg Friedrich von Greiffenklau († 1629) testamentarisch gestiftet hatte, und durch andere Reliefs ersetzt (s. S. 119). In dem Torso im Kreuzgang ist eine Marienkrönung dargestellt, vor der Kurfürst Greiffenklau kniet. Ausnahmsweise sind hier einmal die Künstler archivalisch zu erschließen: Die Bildhauer Johann Fries und sein Sohn Johann Balthasar Fries arbeiteten zusammen mit dem Wormser Matthias Pfister und haben in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges und der schwedischen Besetzung von Mainz 1631 bis 1639 und 1651/52 daran gearbeitet. Von Johann Fries, der Schüler von Hans Junker gewesen sein muß, stammt auch der Hochaltar der Pfarrkirche zu Kiedrich im Rheingau. Das Denkmal der drei Herren von Trohe um 1590, eine Ädikula mit der Taufe Christi, vor der die drei Verstorbenen knien, ist in seiner ursprünglichen Bemalung wiederhergestellt worden. Es ist ein Musterbeispiel für ein ganz kleines Denkmal des Manierismus. Das Denkmal des Adam Lohr († 1666) im Eckjoch des Kreuzgangs hoch oben an der Wand ist das einzige Professorengrabmal in Mainz vor 1800. Eine Ädikula aus Marmor rahmt das Relief aus rotem Sandstein mit der Darstellung des Verstorbenen, der vor einer Kreuzigungsgruppe kniet. Auf Grund der Verwandtschaft mit den Denkmälern des Kurfürsten Damian Hartard von der Leyen von 1678 und des Landgrafen Georg Christian von Hessen († 1677) (S. 122 Nr. 51, 52) kann das Werk dem Mainzer Bildhauer Arnold Harnisch zugeschrieben werden. Der Doktor beider Rechte Adam Lohr verdankte sein Grab im Domkreuzgang seiner juristischen Tätigkeit für das Domkapitel und seinen großen Stiftungen. Das Denkmal des Heinrich von Selbolt († 1578), Vizedominus der Stadt Mainz, ist im Eckjoch zum Westflügel über einer Tür angebracht. Der hohe weltliche Beamte des Kurfürsten ist in voller Rüstung dargestellt. Das Denkmal wird dem Mainzer Bildhauer Gerhard Wolff zugeschrieben. Leider ist der obere Aufsatz verloren, der Kopf des Ritters und das Schwert sind in Gips ergänzt. Die deutsche Inschrift ist in Frakturschrift ausgeführt. Der Westflügel des Kreuzgangs enthält nur wenige Denkmäler, weil er beiderseits mit Fenstern versehen ist. Einige Steinsärge, die im Dom und im Kreuzgang gefunden wurden, stehen hier. Interessant ist der senkrecht zur Fensterwand aufgestellte Grabstein, der zuerst als romanischer Sarkophagdeckel diente, dann herumgedreht als Grabstein des Johann Helfenstein († 1426) verwendet wurde, dessen Gestalt in Ritzzeichnung dargestellt ist. 144
Denkmäler im Südflügel des Kreuzgangs
Das Fundament der untergegangenen Apsis der Nikolauskapelle vor deren mittlerem Fenster wurde sichtbar gelassen, weil Grabsteinfragmente des 12. Jahrhunderts für einen Ruthard und Godebold, die wohl zur Domgeistlichkeit gehörten, sowie ein Stück Bogenfries in ihm verbaut sind. Der Inschriftstein rechts neben der Glastüre zur Memorie ist wegen seiner frühen Entstehung in der Mitte des 12. Jahrhunderts bald nach dem Adalbert-Privileg auf dem Marktportal (S. 55) beachtenswert. Er enthält – leider ziemlich verwittert – eine Meßstiftung anläßlich der Todestage von Helferich, der vielleicht mit dem damaligen Mainzer Vizedominus identisch ist, und seiner Ehefrau Christina.
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Die Kapitelsäle (jetziges Dommuseum) Nach der Verwandlung des ursprünglichen Kapitelsaals am Westflügel des Kreuzgangs in eine Begräbnis- und Totengedächtnisstätte der Prälaten, die den bezeichnenden Namen „Memorie“ annahm (s. o. S. 59), verlegte man die Sitzungen in den Saal am Südflügel, der wahrscheinlich vorher als Refektorium gedient hatte. Das Domkapitel, das die wichtigste geistliche und weltliche Instanz des Erzbistums und des Kurstaates bildete, zog diese größeren, helleren und teilweise wohl auch heizbaren Räume vor. Am Südflügel liegen zwei Säle, deren Zwischenwand offensichtlich später eingezogen wurde. Wie die Wanddienste des westlichen Saales zeigen, die nur an der Nordwand gegen den Kreuzgang zu noch erhalten sind, handelte es sich offenbar um einen zweischiffigen gewölbten Raum, wie der Keller darunter aus dem 13. Jahrhundert. Der Mainzer Saal war wesentlich größer als das bekannte, ebenfalls zweischiffige Herrenrefektorium in Maulbronn, das immerhin 27,21 : 11,51 m mißt, wahrscheinlich auch höher. Die Wanddienste sind in 4,90 m Höhe abgeschlagen. Die Entstehungszeit könnte nach den Formen der Dienste das 14. Jahrhundert sein. In späterer Zeit wurden die Dienste obenher beseitigt und eine Flachdecke über die Säle gelegt. Zuletzt wird der Brand bei der Belagerung von 1793 und die lange Verfallszeit nachher zu eingreifenden Veränderungen geführt haben. Die südliche Hofwand ist weitgehend erneuert. Die Baugeschichte dieser Räume ist noch nicht befriedigend erforscht worden, weil die Wände dick überputzt sind und keine fachmännischen Untersuchungen stattfanden. Ein Rätsel sind auch die zwei rot gestrichenen Granitsäulen im westlichen Saal, die vermutlich römischen Ursprungs sind. Bisher ist unbekannt, woher sie stammen und wann sie eingebaut wurden. Die dritte Säule ist bei der Einrichtung des Dommuseums aus Holz und Stuck hinzugefügt worden. Der östliche Saal wurde wohl schon im 16. Jahrhundert vom westlichen durch eine Zwischenwand abgetrennt. In der Nordwestecke sind die Spuren eines Gewölbes zu erkennen, das vielleicht einen Kamin oder Ofen überdeckte. (Vergleichsbeispiel das Gewölbe in einer Ecke des Refek147
Die Kapitelsäle
toriums in Alpirsbach, inzwischen aber beseitigt.) Ein Ofen ist in diesem Saal 1548 bezeugt. Über der Decke sah man früher Reste des zugehörigen Schlotes. Hier könnte also das „majus capituli hypocaustum“, der große heizbare Kapitelsaal, gewesen sein. Die Kapitelstube wurde auf der Südseite an den zweiten großen Kapitelsaal 1489 angefügt. Es handelt sich um einen turmartigen zweigeschossigen Baukörper, der in beiden Stockwerken mit je einem Netzgewölbe überdeckt ist. Der untere Raum wurde durch eine 1731 eingezogene überputzte Balkendecke niedriger gemacht, um wirkungsvoll heizen zu können, was durch den eisernen Rokoko-Ofen in der schönen stuckierten Nische geschah. Eine Treppe mit einem rechtwinklig um einen Mittelpfeiler geführten Lauf macht das Obergeschoß zugänglich, wo man noch das Netzgewölbe sehen kann. Die beiden kleinen Räume, die übereinanderliegend an die Treppe anschließen, wurden 1589 als Schreiberei und Registratur angebaut
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Das Dommuseum Das Dommuseum befindet sich in den oben besprochenen Kapitelsälen und im Obergeschoß des Kreuzgangs. Nachdem schon im 19. Jahrhundert viele nicht mehr ortsgebundene Kunstwerke besonders aus dem Dom zusammengetragen wurden, eröffnete das Domkapitel 1925 das Museum mit den wichtigsten Objekten. Inzwischen wurden die Räume, bedingt durch Zuwachs von vielen Gegenständen, zweimal erweitert. Das Dommuseum birgt die wertvollsten Schätze an romanischen und frühgotischen Bildhauerarbeiten, die Mainz zu bieten hat. Es kann nicht die Aufgabe dieser kurzgefaßten Beschreibung des Domes sein, alle Museumsschätze aufzuzählen, sondern es werden nur diejenigen erwähnt, die mit der Ausstattung des Domes in Verbindung stehen. Die Fragmente des Westlettners (s.o. S. 45), die dessen Beseitigung 1682 überstanden haben, sind der kostbarste Besitz. Als Mittelpunkt einer Weltgerichtsdarstellung des Naumburger Meisters um 1240 gehören dazu
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Westlettner-Fragment vom Naumburger Meister im Dommuseum: Deesis, um 1240. 56
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Das Dommuseum
die Deesis, also Christus mit den fürbittenden Maria und Johannes, die Seligen und Verdammten, ein Auferstehender, der Kopf mit der Binde als Teil einer Gewölbefigur mit den Attributen der Kardinaltugenden und viele Architekturbruchstücke, aus Kapitellen, Basen, Bogenfries-Teilen bestehend. Im Abguß ist das Relief des Bassenheimer Reiters vorhanden, das ursprünglich ebenfalls im Mainzer Dom als Bestandteil des Lettners gewesen ist. Die beiden Säulen vom Ostlettner mit dem Atlanten, einer Baumeisterfigur, und einem frühgotischen Kapitell wurden 1874 unter den Triumphbogenpfeilern der Ostkuppel hinter dem vorgemauerten spätgotischen Stützpfeiler gefunden. Sie waren wohl Bestandteile des Ostlettners (s.o. S. 35, 45), der ziemlich gleichzeitig mit dem Westlettner entstanden ist. Das andere sogenannte Große Weltgericht im gleichen Kapitelsaal, aus 12 Aposteln und einer knienden Johannes-Baptist-Figur sowie einer
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Westlettner-Fragment vom Naumburger Meister im Dommuseum: Gruppe der Seligen aus dem Jüngsten Gericht, um 1240.
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Das Dommuseum
Bischofsstatue bestehend, hat auch eine Beziehung zum Dom, weil sechs Apostel (diejenigen ohne die Rückwände) und die beiden anderen Skulpturen auf dem um 1770 eingewölbten Sakristeidach des Domes standen. Die anderen sechs Apostel fanden sich 1926 und 1929 in der Gartenmauer des Pfarrhauses zu Undenheim. Es ist inzwischen klar erwiesen, daß sie vom um 1270 entstandenen Lettner der 1768 abgebrochenen Augustinerkirche stammen. Der Grabstein des Stadtkämmerers Arnold de Turri von 1268 – der Name des Verstorbenen ist bei diesem Grabstein nicht sicher – stammt ebenfalls aus dem Dom und gehört mit der Mainzer Plastik des späten 13. Jahrhunderts eng zusammen. Der Kopf eines Erzbischofs von einem Grabmal, das 1804 im Ostchor gefunden und gleich zerschlagen wurde, gehörte nach einer Zeichnung der verlorenen Teile zu den Darstellungen der königskrönenden Kirchenfürsten, zeitlich zwischen den Tumbaplatten Siegfrieds von Eppstein (Nr. 2) und Peters von Aspelt (Nr. 3) entstanden. Es ist fraglich, ob der Kopf zu dem Grabmal des Erzbischofs Werner von Eppstein (1284) oder
Westlettner-Fragment vom Naumburger Meister im Dommuseum: Gruppe der 58 Verdammten aus dem Jüngsten Gericht, um 1240.
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Die Kapitelsäle
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Ostlettner, Werkstatt des Naumburger Meisters: Atlant, um 1250.
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Das Dommuseum
demjenigen Gerhards II. von Eppstein (1305) gehörte. Die derzeitige Kunstgeschichtsforschung bevorzugt die spätere Ansetzung. Zwei steinerne Altarretabel aus den gotischen Seitenkapellen der Südseite, die hinter den großen Altären des 17. Jahrhunderts verschwunden waren, wurden ausgebaut und im Dommuseum aufgestellt (s. S. 63). Sie sind genau zu datieren: Dasjenige mit der Malerei aus der Michaelskapelle ist stilistisch und durch die inmitten dargestellten Stifter vor 1308 zu datieren, das andere aus der Allerheiligenkapelle wurde 1319 von Erzbischof Peter von Aspelt gestiftet. Die Altarbilder wurden auf steinernen, mit Maßwerk geschmückten Grund gemalt, weil hierauf das Maßwerk ruhte, das zwischen den Kapellen bis hinauf zum Gewölbe reichte. Die beiden Schlußsteine mit Maria und einem anbetenden König aus der Zeit um 1400 bis 1440 stammen aus den Gewölben des KreuzgangSüdflügels (S. 135). Die gotischen Bildteppiche, meist aus dem 15. Jahrhundert, in den Kapitelsälen und im Obergeschoß des Kreuzgangs bilden einen bedeutenden Besitz des Dommuseums. In ihrer langen schmalen Form bildeten sie meist den Behang der Rückwand von Chorgestühlen und weltlichen Sitzbänken. Gräberfunde aus dem Dom, besonders aus der gotischen Zeit, sind in Vitrinen des Erd und Obergeschosses ausgestellt. Meßgewänder und ein Teil des Domschatzes vom 12. bis zum 18. Jahrhundert sind in dem südlichen Anbau, der großen und kleinen Kapitelstube, und im Obergeschoß des Kreuzgangs zu finden. Gemessen an anderen, besser erhaltenen Domschätzen ist der Mainzer durch Verluste in der Säkularisationszeit nicht besonders reich; er war bis 1802 einmal einer der größten. Als besonders wertvolles Stück wird das Meßgewand des Erzbischofs Willigis als Leihgabe der St.-Stephans-Kirche in Mainz gezeigt. Der kostbare byzantinische Seidenstoff der Zeit um 1000 mit eingewebtem Muster kehrt völlig übereinstimmend in einer weiteren Kasel wieder, die aus dem Mainzer St.-Viktor-Stift stammt und über Aschaffenburg in das Bayerische Nationalmuseum in München gelangte. Wahrscheinlich beschenkte Willigis mehrere Kirchen mit diesen Gewändern, wie das spätere Erzbischöfe in ihren Testamenten auch taten. Die übrigen Schätze des Dommuseums sollen hier nicht mehr besprochen werden, sie stammen großenteils auch aus anderen Kirchen von Mainz und Umgebung.
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Literaturverzeichnis Rudolf Kautzsch, Ernst Neeb: Der Dom zu Mainz. Darmstadt 1919 (= Die Kunstdenkmäler im Freistaat Hessen, Provinz Rheinhessen). Fritz Arens: Die Inschriften der Stadt Mainz von frühmittelalterlicher Zeit bis 1650. Stuttgart 1958 (= Die deutschen Inschriften II). Fritz Arens: Die Datierung des Ostchores am Mainzer Dom. Zeitschrift für Kuntgesch. 1967, S. 73 – 76. Karl Heinz Esser: Der Mainzer Dom. In: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern in Mainz. Mainz 1969, S. 155 – 170. Wilhelm Jung (Hg.): 1000 Jahre Mainzer Dom (975 – 1975). Werden und Wandel. Ausstellungskatalog und Handbuch. Mainz 1975. Anton Brück: Willigis und sein Dom. Festschrift zur Jahrtausendfeier des Mainzer Domes 975 – 1975. Mainz 1975 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrhein. Kirchengesch. 24). Gisela Kniffler: Die Grabdenkmäler der Mainzer Erzbischöfe vom 13. bis zum frühen 16. Jahrhundert. Köln – Wien 1978 (= Dissertationen zur Kunstgeschichte VII). Dieter Großmann: Zur Baugeschichte der Dome in Mainz und Worms (Buchbesprechung). Hess. Jb. für Landesgesch. 34, 1984, S. 294 – 312. Wilhelm Jung: Die Gotthardkapelle des Mainzer Domes. Neues Jb. f. das Bistum Mainz 1983. Mainz 1984, S. 9 – 30. Wilhelm Jung: Der Dom zu Mainz. Ein Handbuch. Hg. August Schuchert, Wilhelm Jung. 3. Aufl. Mainz 1984 (1. Aufl. 1972) (Neuauflage der 4. Auflage von Ludwig Lenhart 1963). Friedhelm Jürgensmeier: Die Bischofskirche Sankt Martin zu Mainz. Festschrift für Hermann Berg. Frankfurt a. M. 1986. Bes.: Regina Elisabeth Schwerdtfeger: Der Dom zu Mainz. Eine bibliographische Handreichung. S. 109 – 289, und Dethard von Winterfeld: Das Langhaus des Mainzer Domes. S. 21 – 32. Matthias Untermann: Kirchenbauten der Prämonstratenser (Diss. Köln 1984). Köln 1984 (= 29. Veröff. d. Abt. Arch. d. Kunsthist. Inst. d. Univ. zu Köln). 154
Literaturverzeichnis
Sigrid Duchhard-Bösken: Ein neugotisches Lettnerprojekt für den Mainzer Dom. Mainzer Zeitschrift 81, 1986, S. 101 – 106. Dethard von Winterfeld: Worms, Speyer, Mainz und der Beginn der Spätromanik am Oberrhein. In: Baukunst des Mittelalters in Europa. Hans Erich Kubach zum 75. Geb. Hg. Franz J. Much. Stuttgart 1988, S. 218 – 250. Günther Binding: Maßwerk. Darmstadt 1989. Wilhelm Jung: Der Dom zu Mainz. (1. Aufl. 1955.) 20. Aufl. München 1990 (= Schnell Kunstführer Nr. 608). Dethard von Winterfeld: Die Kaiserdome Speyer, Mainz, Worms und ihr romanisches Umland. Würzburg 1993. Holger Mertens: Studien zur Bauplastik der Dome in Speyer und Mainz. Mainz 1995 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrhein. Kirchengesch. 76).
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Literaturverzeichnis
Abbildungsnachweis Günther Binding, Maßwerk, Darmstadt 1989: Abb. 32. Gerhard Bittens, Der Dom zu Mainz und seine Umgebung im Lauf der Jahrhunderte, Diss. TH Darmstadt 1937: Abb. 4, 5. Dom- und Diözesanarchiv Mainz: Abb. 37, 41, 45, 46, 51, Einband. Dom- und Diözesanmuseum Mainz: Abb. 10, 15, 27, 29, 36, 39, 42, 43, 47, 49, 50, 53, 56, 59. Aus Kunstdenkmäler in Hessen, Der Dom zu Mainz, sind folgende Strichzeichnungen entnommen: 1, 2, 3, 8, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 44, 54. Alle weiteren Abbildungen: Verlagsarchiv.
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Masze Gesamtlänge außen Mittelschifflänge etwa Langhausbreite licht (ohne Kapellen) Mittelschiffbreite licht durchschnittlich Arkadenbreite Seitenschiffbreite licht Durchmesser des Trikonchos N–S licht Turmhöhe ohne Hahn mit Hahn Westkuppel innere Höhe Mittelschiffhöhe licht im Gewölbescheitel
116,00 m 53,00 m 31,55 m 13,60 m 1,96 m 6,51 – 6,56 m 24,25 m 80,00 m 83,50 m 43,00 m 28,00 m
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Grundriß des Domes mit den Nummern der Denkmäler und Altäre, wie sie im Text S. 81–134 bezeichnet sind.
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