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German Pages 176 [180] Year 1912
Der deutsche Rhythmus und sein eigenes Gesetz Eine experimentelle Untersuchung von
Dr. Siegfried Behn
Aus dem psychologischen Institut der Universität Bonn
Mit zahlreichen Kurvenzeichnungen Im Text
Straßburg Verlag von Karl J . Trübner 1912
C. A. Wagners Hof- und UniversiUtsbachdrnckerci, Freibarg i. Br.
Vorwort. Die großen Dichter neuhochdeutscher Zunge haben ihre Werke in gebundener Sprache v o r s ä t z l i c h metrischen Regeln gebeugt, die aus der Kunstübung im g r i e c h i s c h e n Altertum stammen. Aber trotzdem waltet in diesen Schöpfungen ein ungesuchtes und ungeschriebenes G e s e t z eigentümlich d e u t s c h e n Silbenmaßes. Von ihnen selbst unerkannt, entfaltet es sich doch oft in bedeutenden Kunstwerken zu völliger Reinheit. Die vorsätzlich gesuchten Formen der Bindung stellt sprachgeschichtlich entwickelnd die Wissenschaft der M e t r i k dar, sie klärt ihren Aufbau und verfeinert ihn, wo sie anregt. Damit beschränkt sie sich selbst auf die E r kenntnis, wie gebunden werden soll. Wie seit Luther gebunden worden ist, wie der vernünftige Instinkt der Künstler an Stelle von eintönigem Geklapper streng genommener (akzentuierender) Jamben oder Trochäen eine Fülle lebensvoller und ausdrucksfähiger rhythmischer Gebilde untergeschoben hat, das zu fragen hat die übliche Schulmetrik nicht einmal begonnen. Den Zwang umgedeuteter fremdländischer Bindung weiter und weiter der deutschen Kunst aufzudringen, dazu trägt sie bei; über die Kunstformen der heute wirksamen Vergangenheit sagt sie dem Dichter selten mehr, als deren Schöpfer auch davon gewußt haben. Sie verurteilt sich bei aller Klarheit und Feinheit zur Unfruchtbarkeit als anregende K u n s t l e h r e , weil sie sich von einem Verständnis alles dessen, was für die neuhochdeutsche Sprache trotz der gräcisierenden Bindung gewonnen worden ist, absichtlich ausschließt. Dabei ist es doch geläufige Einsicht, wie beseelend das griechisch
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„ q u a n t i t i e r e n d e " 1 Maß auf die ehrwürdige Sprache des Sophokles, wie fesselnd es in der a k z e n t u i e r e n d e n Fassung mit seiner Strenge auf unsere lebendige Sprache wirkt. Freilich muß man sich alsdann daran erinnern, was die übliche Bindung eigentlich fordert, nicht was der Geist der deutschen Dichter daraus gemacht hat. Man erinnere sich doch nur — wieder einmal — der F r e i h e i t d e s W o r t a k z e n t s 2 im griechisch quantitierten Jambus. Wie eintönig klappernd wirkt die bloße Betonung der Längen, wenn man liest: o> tsxva, KaSfioo TGO rcaXai vsa ifjo^rj. . . . Was man dabei nicht spül t, ist, wie der quantitierte Vers erst durch die Gegenbewegung des Wortakzents beseelt wird. Da treten die S i n n g i p f e l der wichtigen Antithese hervor, da ist die öde Gleichförmigkeit dahin: ¿> tixva, K ä3 [ic'j TO'J iräXai vsa rpo >f-q. . . . Die Grundbewegung, die jambisch bleibt, wird im Griechischen nicht zerstört. Dergleichen ist nach der Vorschrift der üblichen Metrik in der neuhochdeutschen Sprache unmöglich. Es liegt diesem Verbot die undurchdachte Einsicht zu Grunde, daß die D a u e r einer deutschen Silbe neben anderen ihresgleichen von deren Betonungsstufe abhängig ist. Will man auf die gebräuchliche Regel achten, dann hat Goethe einen schlechten Vers gemacht, als er schrieb: Bas ist das Ängstliche von meinem Schicksal. Das jedenfalls unbetonte che fällt in eine „Hebung". Dennoch ist dieser Vers beseelt, und mit deutschem Silbenmaß gemessen wäre er fehlerlos. Es ist sonach eine sonderbare Regel der Bindung, diese übliche Forderung an jambische Blankverse: sie muß gebrochen werden, damit sie nicht schließlich die Langeweile unvermeidlich mache. Die verlangte Form mit wertvollem Inhalt erfüllen, heißt sie sprengen dürfen; das verschleiert nur die lange Gewohnheit. Sucht man aber umgekehrt die metrische Form zu g e g e b e n e n Texten, dann wird die Bestimmung niemals eindeutig. Der angeführte Vers kann
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Siehe auch Anhang II. Siehe Anhang II.
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ebensowohl jambisch: - wie auch daktylo-spondäisch: - — genannt werden. Diese Tatsache erklärt die lächerliche Nötigung, über Klopstocks verwickeitere Oden das Schema säuberlich zu schreiben. Mit alledem ist nicht behauptet, es sei unmöglich, auf die nach deutschen Regeln eindeutig bestimmten metrischen Gebilde die Begriffe von Jambus und Trochäus und die weiteren anzuwenden. Es soll auch nicht bestritten werden, daß der Aufbau eines griechischen Verses in unserer geschmeidigen Sprache mit einem Anschein von Bewegung und Gegenbewegung der Wirkung nach vorgetäuscht werden könnte. Allein dergleichen Künsteleien würden den befangenen Blick des Dichters für das eigentümlich deutsche Gesetz des Silbenmaßes nur noch weiter trüben. Dieses ungeschriebene Gesetz um seiner selbst willen nachzuweisen und aufzuzeichnen, ist einzig die Absicht meiner Arbeit. Meine Fragestellung ist also nicht die der üblichen Metrik Die P s y c h o l o g i e nimmt meist die Ergebnisse der überlieferten Metrik herüber und behält sie als unerschütterliche Voraussetzungen bei; sie unterwirft diese Gebilde ihrem Verfahren in der Absicht, sie theoretisch zu e r k l ä r e n , bestenfalls also sie in eine Theorie des Rhythmus einzubeziehen. Dazu reichen meine Ergebnisse trotz ihrer vollständigen und systematischen Geschlossenheit nicht aus, schon weil die Selbstbeobachtung für solchen Zweck zu sehr beschränkt worden ist. Ich betone nur die Merkmale der von mir untersuchten metrischen Gebilde, deren ich zur eindeutigen Darstellung der Gesetze bedurfte; das ist weniger, als zur Erklärung von nöten. Meine Arbeit geht vielmehr, um Tatsachen zu gewinnen, mit dem Verfahren der experimentellen Psychologie zu den Quellen der Metrik. Obwohl also meine Fragestellung auch nicht rein psychologisch gewandt ist, führe ich doch von der neueren psychologischen Literatur das Wichtigste an. Ich darf mich dabei im einzelnen fast nur an übereinstimmenden Äußerungen freuen. Von den grundlegenden g r a m m a t i s c h e n Begriffen verwende ich nur Gemeingut.
— VIII Systematisch aufgebaut, ist meine Arbeit durchweg auf einen Grundgedanken gestellt, der in allen seinen Verzweigungen unverloren bleibt. Die B e t o n u n g s s t u f e und D a u e r aller deutschen Silben im Satze hängt von ihrem S i n n w e r t ab. Dieser klopstockische G r u n d s a t z wird nach vorbereitenden Beobachtungen durch E x p e r i m e n t e bewiesen und als gültig für bedeutende K u n s t w e r k e dargetan. Nach mehr oder minder unzusammenhängenden Beobachtungen entdeckt, an Dichtungen nachgeprüft und durch vorläufige Versuche wahrscheinlich gemacht, ließen sich die Gesetze deutschen Silbenmaßes erst wissenschaftlich sichern, seit das freundliche Entgegenkommen von Herrn Professor K ü l p e mir das Bonner „Institut für experimentelle Psychologie" zur Verfügung gestellt hat. Ermutigende Anregung zur Wiederbearbeitung des Vorwurfs danke ich Herrn Geheimrat Z i t e l m a n n , seiner Schrift über den Rhythmus des fünffüßigen J a m b u s 1 und seinen eindringenden Vorschlägen, insonderheit auf dem Gebiete der metrischen Dauer.
Dr. Siegfried Behn. 1 Ernst Zitelmann, Der Rhythmus dos fünffüßigen J a m b u s , Ii. (!. Teubner, Leipzig 1907. Somlerabdruck aus dem 19. Bd. der neuen Jahrbücher für d a s klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur.
Einleitung. Wo liebgewordene Denkgewohnheiten Einwände zu erwecken bereit sind, ist eine unvoreingenommene Einstellung wünschenswert. Um über die G r u n d b e g r i f f e einer Kunstlehre vom deutschen Silbenmaße v o r l ä u f i g zu unterrichten, sind einige leicht n a c h z u p r ü f e n d e Beobachtungen geeignet, von denen ich die wichtigsten auswähle. Jede deutsche Silbe, die ausgesprochen wird, ist b e t o n t , sie wird laut; und dieser Laut hat unvermeidlich I n t e n s i t ä t , ohne daß es nötig würde, diese Stärke mit der Betonung irgend einer anderen Silbe zu vergleichen. Doch ist dies nicht des Ausdrucks übliche Bedeutung. Im B e g r i f f e der Betonung von etwas liegt ein Vorzug vor anderen nichtbetonten, unbetonten oder weniger betonten Etwas. Es liegt im Begriffe des Betonten eine B e z i e h u n g (Relation) auf Unbetontes. Nimmt man den Begriff in diesem Sinne, dann kann eine e i n z e l n e Silbe n i c h t betont heißen; es fehlen ja alle, womit sie verglichen werden könnte. In diesem Sinne ist also jede deutsche Silbe für sich u n b e t o n t : Heim, traun, das, wie -de, -se, -ser, -mat, -lan- usw. Der erste der beiden Begriffe verdeutlicht das A k z e n t e r l e b n i s . Wir erleben an lautgewordenen Silben ein Moment der Intensität mit solcher Klarheit, daß wir es immer wiedererkennen. Der andere Begriff von Betonung läßt uns die Entscheidung über sie in der Beziehung von deutschen Silben auf ihresgleichen suchen. In dieser Absicht können wir urteilen: Eine einzelne deutsche Silbe ist nicht eigentlich betont, auch nicht eigentlich B e h n , Der deutsche Rhythmus.
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unbetont, sie ist vielmehr u n e n t s c h i e d e n (indefinit) betont. Im Worte Haide, wo zwei Silben miteinander v e r g l i c h e n werden können, läßt sich ohne jede Schwierigkeit heraushören, daß die erste Silbe {Hai-) betont ist, die zweite aber unbetont. Da solche Beispiele aus der üblichen Metrik vertraut sind, und hier wirklich noch keine Abweichung vorliegt, läßt sich auch die gewohnte Bezeichnung verwerten: Hai-de. Füge ich aber den bestimmten Artikel hinzu, so reichen die überlieferten Bezeichnungen nicht aus, wenigstens müßte man sie umdeuten. Bei einiger Aufmerksamkeit nimmt man wahr, daß die beiden Silben von vorhin {Hai-de) ihre Betonungstufe nicht ändern, die aber (aus dem Beispiel: die Haide) wird nicht so laut wie Hai- und ist auch nicht so wenig betont wie -de. Es ist diese Silbe nicht betont, wenigstens nicht so h o c h b e t o n t wie Hai-, und nicht so u n b e t o n t wie -de; sie ist nur m i t b e t o n t . Die so gewonnenen beiden Arten von Betonung, hochbetonte und mitbetonte Silben, bezeichne ich mit Minor 1 durch Akzente wie folgt: du Hai-de. Damit sind drei H a u p t b e t o n u n g s s t u f e n veranschaulicht, die sich aber weiter verzweigen lassen. Hiebei ist es nun dringend erfordert, sich beständig vor Augen zu halten, daß -de nur unbetont ist, weil Haibetont ist und umgekehrt; vor allem aber, daß die nur mitbetont ist, weil Hai- und -de ihre Beton ungsstufe behaupten. Es wäre also ganz falsch zu lehren: der bestimmte Artikel im Deutschen ist immer mitbetont. Das trifft immer nur bedingt zu, trotz der umfassendsten Geltung des Analogieschlusses in der Beurteilung der Sprache. Ferner warne ich gleich eingangs vor einer Täuschung, die sich unglaublich leicht einschleicht. Wenn ich sage, die im letzten Beispiel sei mitbetont, so ist damit nicht behauptet, die Intensität von die verhielte sich zu der Intensität von Hai- wie die Intensität von -de zu der Inten1
Siehe Anhang II.
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sität von die. Auch ist Uberhaupt n i c h t i r g e n d w e l c h e P r o p o r t i o n aufgestellt, die ist einfach lauter als -de, weniger laut 1 als Hai-. (J 2 - 0 > ( J - ) > (J -)• Ich vermeide darum den Ausdruck „mittelbetont". Die Betonungsstufen sind deutlich u n t e r s c h e i d b a r . Das ist völlig genug. Exakte Intensitätsmessung ist heute noch undurchführbar. In der Kunstlehre vom Silbenmaß würde sie auch keine weitere Gesetzmäßigkeit ergeben. Dafür spricht die Messung der Silbendauern. Um sich N e b e n b e t o n u n g s s t u f e n zu veranschaulichen, beginne man und setze: das Haideland. Zweifellos ist Hai- wiederum hoclibetont, -de unbetont und das mitbetont. Über -land ist schwerer zu entscheiden. Man vergleiche darum einmal mit dem Beispiel: das heiVge Land. Hier ist alles deutlich. Land ebenso wie heil- sind hochbetont, das ist mitbetont, -ge unbetont. Im ersten Beispiel (das Haideland) ist -land gewiß nicht so hochbetont wie im zweiten (das heil'ge Land). Aber die Beobachtung sträubt sich auch, die Silbe mitbetont zu nennen. In beiden Fällen liegt das tiefer als Land, in keinem scheint das an Intensität zu verlieren, -land scheint im ersten Beispiel, der Hochbetontheit nahe, nur in der W o r t z u s a m m e n s e t z u n g etwas an Intensität verloren zu haben; die Silbe ist u n t e r h o c h b e t o n t (von der J i ) : das Hai-dß-länd. Wiederum halte man inne und bedenke, wie im Beispiel Haideland -land einfach als mitbetont herausgehört werden würde. Nur weil das mitbetont ist, kann -land eine neue Betonungsstufe bilden. Dabei drängt sich gebieterisch die Frage auf: Woher der Vorzug von das, leichter als -land, mitbetont zu werden? Man kann zwar darauf hinweisen, daß Land als selbständiges Wort hochbetont ist; doch ist damit die Erklärung nur angedeutet. Vorerst beobachte man noch nebeneinander die Beispiele: sie leuchtete und die leurhtende, und verweile jeweils bei der vorletzten Silbe. Im ersten Falle, wie im zweiten, 1
S i e h e A n h a n g I.
- J =
Intensität. 1*
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folgen zwei unbetonte auf eine hochbetonte Silbe, die erste ist mitbetont; während aber die b e i d e n tc gleichermaßen unbetont sind, erscheint -ten- vor -de gehoben, ü b e r u n b e t o n t (von der J * (J > (D
> (S > (S > (S > (J 0 > (J v) > (J -) > (D > (D 0 > (D -), dies
für die gleiche Wellenart. Es gibt für deutsches Maß also keinen Streit um akzentuierende und quantitierende Metrik. Das gilt es noch durch Experimente zu erweisen. Den Übergang machen die Versuche zur Position. 5*
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Im Gebiete der tief w e r t i g e n Silben ist es, wo q u a n t i t a t i v e r Einfluß der Konsonantenhäufung sich die Macht erschleicht, die sonst der Steigerung zum Superlativ und der Verschiebung zum Verbaladjektiv von Rechts wegen gebührt. Das geschieht demnach in dem Augenblick, wo die Sinnvalenz ihren g e r i n g s t e n Wert erhält, -st und -nd rufen Steigerung im Sinnwert hervor; bei sonst besetzter Stufe Unbetont werden solche Silben überunbetont. Wegen der Relativität der Betonungsstufen tritt das nur neben rein tiefwertig gebliebenen ein. Aber -st und -nd können auch durch andere Konsonanten e r s e t z t weiden, die deren Bedeutung nicht haben. Der Gedanke, daß hier die berühmte Zusammenstellung muta cum liquida umgekehrt wird, soll nicht zu voreiligen Analogien mit der klassischen Theorie mißbraucht werden. Aber er gibt eine E i n t e i l u n g der Konsonanten an die Hand, welche die ganze deutsche Positionslehre übersichtlich macht. Was ich dabei durch sorgfältige Beobachtung früher gefunden habe, hat das Experiment bestätigt. Ich trage es daher in Kürze vor und gebe genügend Beispiele an. Wer sich nicht sofort hineinhört, den muß ich hier um Geduld bitten, und daß er nicht vorschnell urteile. Die I n t e n s i t ä t s u n t e r s c h i e d e zwischen tiefwertigen Silben sind bei weitem g e r i n g e r , als die der Betonungsstufen untereinander, das versteht sich von selbst. -st und -nd bestehen beide aus einem l a n g t ö n e n d e n und aus einem k u r z t ö n e n d e n Konsonanten, n und s sind langtönend, t und d kurztönend. Diese phonetisch rohe Unterscheidung ist nichtsdestoweniger eindeutig und brauchbar für den Zusammenhang. Wie die Vokale, so können die meisten Mitlauter f o r t t ö n e n , man kann m, s, f „halten", solange der Atem reicht, anders mit den kurztönenden (explosiven) Konsonanten, sie haben eine ganz beschränkte Dauer, über die hinaus man sie nicht „halten" kann. Um sie weiter zu hören, muß man sie neu bilden. K u r z t ö n e n d e Konsonanten gibt es nur sechs: p, b; t, d; k, y. Alle anderen sind langtönend. Es läßt sich nun beobachten, daß, bis zur Zusammenstellung von drei Konsonanten aus-
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schließlich, zwischen der Wirksamkeit der beiden Arten von Mitlautern Unterschiede bestehen, die sich bei der Sammlung von dreien verlieren. Ballen sich gar mehr zusammen, so wirken alle solchen eigentlichen H ä u f u n g e n gleich stark. Nur h selbst hat gar keinen Einfluß, außer dem negativen, daß es Hiatus unterbricht. Sonach lassen sich s i e b e n P o s i t i o n s o r d n u n g e n bilden, die alle Möglichkeiten, wie Konsonantbelastungen mit ihrer Dauer auf tiefwertige Silben wirken, völlig erschöpfen. Bezeichnen wir Konsonanten überhaupt mit (t (Mitlauter), langtönende Konsonanten mit X und kurztönende mit x, so folgen auf den Vokal der tiefwertigen Silbe: Beispiel: der ersten Positionsordnung: 0 ¡1 oder 1 h* iieÄalte behalt „ zweiten : 1x » : 1 X oder 2 x behalten „ dritten n : 1X+ 1 x „ vierten n = 1 x + IX behaltet :2 X „ fünften belial/e» sie t» bestreiten „ sechsten : 3 n , siebten werden streiten ; (n* + 3) n *Dabei bedeutet h eben den Laut h selbst, n beliebig viele. In der ersten Ordnung wird hinter dem Vokal der tiefwertigen Silbe nur bis zum Wortende gerechnet, wenn die Silbe im Worte die letzte ist; sonst bis zum Vokal der nächsten Silbe. Im Beispiel : behalte mich ist be- und -te erster Ordnung und m aus mich wird auf -te nicht angerechnet. Im Beispiel: behaltet mich ist be- erster Ordnung; denn es folgt h vor dem Vokal der nächsten Silbe, -tet aber ist vierter Ordnung; denn es folgen bis zum Vokal der nächsten Silbe t und m. Es wird ü b e r das W o r t e n d e ruhig h i n a u s gerechnet, nur bei der e r s t e n Ordnung n i c h t . Dafür wirkt aber auch der überlieferte H i a t u s zwischen Vokalen auf die e r s t e Ordnung in der Pause zwischen Worten. Er schiebt die betroffene Silbe e i n e P o s i t i o n s -
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Ordnung h ö h e r , das ist seine ganze Wirkung; so wirkt aber in der Pause zwischen Worten auch das Aufeinandertreffen gleicher Konsonanten. Ja auch das Aufeinanderprallen von Mitlautern, die sich bis auf den Unterschied von S t i m m h a f t i g k e i t und S t i m m l o s i g k e i t gleichen, fallen im Deutschen unter den Begriff des Hiatus. Im Beispiel: behalte Elender ist be- erster, -te aber zweiter Ordnung. Im Beispiel: die staunen nie, ist nen statt fünfter sechster Ordnung, und im Beispiel; leises Säuseln ses gleichV
falls, trotzdem s stimmlos, S stimmhaft ist. Wie bei den sieben Betonungsstufen wiederholt sich hier das Bedenken, was mit so schwerfälligem Werkzeug durchzuführen. Wiederum könnte ich damit trösten, daß die Eingewöhnung hier wie dort schneller fortschreite, als man erwarten darf. Wiederum macht eine einfache Regel die Mannigfaltigkeit übersichtlich. Auch unter den Positionsordnungen herrscht Relativität. Nicht von irgend einer Stufe an sind plötzlich alle zugehörigen Silben überunbetont. U b e r u n b e t o n t werden vielmehr alle deutschen Silben, die m i n d e s t e n s um drei Ordnungen über der Silbe niedrigster Ordnung einzureihen sind. Ist also z. B. in einer Zeile eine tiefwertige Silbe zweiter Ordnung vorhanden, so werden darin alle tiefwertigen Silben fünfter oder sechster oder siebter Ordnung überunbetont, -nd und -st machen dabei keine Ausnahme. Zu völliger Klarheit werden, hoffe ich, die E i n z e l b e s p r e c h u n g e n das noch etwa Nötige beitragen. Da hier die quantitative Verwicklung eine Verschiebung der Betonungsstufe bewirkt, kann auch das vertraute Verfahren der Akzentlagenbeurteilung angewandt werden. Nur muß entsprechend der Verfeinerung, die begründet werden soll, die A u f m e r k s a m k e i t scharf auf die t i e f w e r t i g e n Silben gerichtet werden. Deren Wandlung ist demgemäß in den Ergebnissen auch allein zu beachten; denn die Fehler in den u n b e a c h t e t e n Stufen stören den Zusammenhang der beachteten Tatsachen gar nicht. Ich habe auf verschiedenen Stufen der Einübung Positionsversuche einge-
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streut und daher manchmal eine Versuchsperson zweimal stimmen lassen. Dazu war ich gezwungen, weil bei diesen schwierigeren Experimenten viel mehr Versuche als gestört von den Versuchspersonen angegeben und beanstandet worden sind. Das Ergebnis ist dadurch, daß auch Zeilen geringerer Einübung mitberücksichtigt worden sind, gewiß nicht gerade aufgebessert worden; dennoch ist es wider Erwarten gut ausgefallen. Für diese Positionsreihen lautete die abgeänderte
Aufgabe: „Ich biete Ihnen in der gewohnten Weise die üblichen Bruchstücke. Richten Sie Ihre A u f m e r k s a m k e i t auf die w e n i g s t b e t o n t e n Silben. Legen Sie diese nach u n t e n heraus und beurteilen Sie in der vertrauten Einstellung d e r e n A k z e n t . Daraufhin schieben Sie die Ihnen bet o n t e r erscheinenden Silben nach oben heraus." Auch hier biete ich alle nichtbeanstandeten Antworten zusammengezogen im Protokollanhang.
Deutung der Kurven. -tcn- ist Tf vierter Positionsordnung, als Partizipendung mit -nd übertiefwertig. -de vor „H" ist erster Positionsordnung, um 3 (mehr als 2) Ordnungen von -ten- entfernt. Also wird -ten- gehoben. Die beiden -de sind erster p ^ Ordnung,also gleich unbetont. -tet ist zweiter, -de erster Posi-
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tionsordnung. Es sind schon mehr Stimmen für eine Steigerung von -tet gegen -de abgegeben worden; aber sie r e i c h e n (richtigerweise) noch n i c h t aus. PJ
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-ten- ist eben wie in P 1 gestellt, -der ist dritter, •de erster Positionsordnung. Die E n t s c h e i d u n g steht haarscharf auf der S p i t z e . Noch kann ich nicht für Erhebung den Ausschlag geben. Fi da/ Vo
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3^^ (K -tet mit nachfolgendem d ist dritter Positionsordnung, -de erster. Daß -tet trotzdem gehoben wird, kann nur auf den H i a t u s zwischen t und d zurückgeführt werden, der die Silbe in die nächsthöhere Ordnung versetzt. H i e r t r i t t z u e r s t die S t e i g e r u n g ein.
-den mit folgendem v gehört in die fünfte Positionsordnung, muß also gegen -le in der ersten g e s t e i g e r t
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werden. Daß die Vorsilbe ver- in diesem Beispiel unterschätzt wird, kann nicht viel kümmern, ist doch die Aufmerksamkeit durch die Aufgabe von den mittel- und hochwertigen Silben abgelenkt worden. P6
be- in der sechsten Ordnung und -tet durch Hiatus in der vierten Ordnung sind gegen -de in der ersten Ordnung durch Position gehoben.
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•der in der fünften Ordnung mit folgendem d, -den in der siebten wegen der Häufung von Mitlautern, sind gegen -te in der ersten durch P o s i t i o n überunbetont. So setzt sich mit der .Erhebung von tiefwertigen Silben zu überunbetonten Silben das deutsche Positionsgesetz gegenüber den Vorschriften der griechischen Regel durch. Niemals erhebt es eine Silbe höher als bis zur überunbetonten Stufe, niemals kann es auf andere, als auf tiefwertige Silben angewandt werden. Es ergibt sich also zwanglos das Gesetz: Sind in einer Zeile tiefwertige Silben um m e h r a l s zwei Positionsordnungen voneinander entfernt, so werden die Silben überunbetont, die den h ö h e r e n Positionsordnungen angehören. Einige ergänzende Beobachtungen zeigen auch hier die
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Relativität der Beziehungen; sind nur Silben fünfter und siebter Ordnung in einer Zeile vertreten, so tritt auch bei Partizip und Superlativ die Position nicht ein. Ist das Ohr einmal auf die feinen Positionsstufen eingestellt, was durch eingehende Beschäftigung mit den Ergebnissen der Versuche am besten geschehen kann, dann wird es, einmal eingeübt, die Relativität durch die Richtigkeit folgender Analysen bestätigt finden: 9. oder < in der Copula führte, über Quantitäten mehr bestimmen wollen, als für die Intensitäten festzustellen möglich ist. Wenn J soviel als Intensität, D aber Dauer bedeutet, entspricht mithin der Formel: (J > (J > (J > >
(J 0 > (J die für Quantitäten: (D -0 > (D (D 0 > (D i) > (D -) für die gleiche Wellenart. Das allgemeine Quantitätsgesetz besagt nach alledem: Höheren Nennziffern der Betonungsstufen entspricht stets längere Dauer des bezifferten Substrates. Unbeschadet dessen ist der Zuwachs an Dauer für lange Wellen, zweisilbige A u f t a k t e und höherbezifforte Zeilen nicht proportional der Nennziffer, vielmehr erfolgt er langsamer.
Zusammenfassung. So viel ist mit Sicherheit aus den Kurven hervorgegangen, daß für die Kunstlehre vom deutschen Silbenm a ß als G r u n d s a t z gilt: D i e B e t o n u n g s s t u f e e i n e r d e u t s c h e n S i l b e h ä n g t von i h r e m S i n n w e r t ab. Gemeinsam hatten die Wurzeln der Substantive, Adjektive und Verben, auch der von den Adjektivwurzeln gebildeten Adverbien, hochwertigen Sinngehalt. Bestätigende Beobachtungen fügen auch die Numeralien hinzu. Man vergleiche z. B. der erste Diener. Alle diese Wortarten heißen füglich Begriffswörter. Man kann also wohl aussagen: H o c h w e r t i g sind die W u r z e l n der B e g r i f f s W ö r t e r . Als mittelwertig fanden sich die Wurzeln der Pronomina, Präpositionen, Konjunktionen, Artikel und der echten Adverbien wie: hier, da, dann, wohl. Diese Wortarten alle sind als Beziehungswörter zu bezeichnen; es ergibt sich
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also der Satz: Mittelwertig sind die Wurzeln der Beziehungswörter. Die ergänzende Beobachtung f ü g t eine große Anzahl von Vor- und Nachsilben hinzu: -ung, -hcit, -kcit, -nis, -tum, -Schaft, -bar, -los, -ing, -lä, -ling, -lei, -hand, -saut, -lein, -Hg, -lieh; er-, ver-, zer-, ent-, miß-, un(die beiden letzten mit Vorbehalt). Alle diese Vor- und Nachsilben zusammen sind keine flektierenden Endungen. Wirksamer als diese bestimmen sie, wie die Beziehungswörter, die in Wurzeln festgelegten Begriffe näher. M i t t e l w e r t i g sind die W u r z e l n der B e z i e h u n g s w ö r t e r und die n i c h t d e r F l e x i o n d i e n e n d e n V o r s i l b e n und N a c h s i l b e n , so muß man also ergänzen. Tiefwertig aber sind die zur Deklination, der Konjugation und der Komparation gebildeten Endungen, ebenso die Vorsilben he- und ge-, die vorzugsweise zur Wortbeugung helfen. Die Diminutivsilbe -chen, die eigentlich mittelwertig ist, wird um des Endanklangs willen auch als tiefwertig betrachtet. Hier wird, wie gelegentlich, die Analogie in der Sprache gedankenlos. Trotzdem muß als Regel gelten: Die b e u g e n d e n V o r s i l b e n und E n d u n g e n oder A b l e i t u n g s s i l b e n sind t i e f w e r t i g . Diese H a u p t b e s t i m m u n g e n sind ja nun für sich ganz geläufige Betrachtungen; sie müssen aber doch um des Zusammenhanges willen hier angedeutet werden. Die Feinheiten treten erst bei den Verzweigungen in die N e b e n b e s t i m m u n g e n der S i n n w e r t a b l e i t u n g hervor. Die Beobachtung zeigt dann, daß die Wurzeln der Hilfszeitwörter und der Verben, die zeitweilig als solche gebraucht werden, unterhochwertig wirken. Man denke nur an: sein, haben, icerden, lassen, bilden. W i r bemerken, daß die Wurzeln der Kardinalzahlen vor Substantiven ebenso entwertet sind. Von zwei Substantiven verliert in der Zusammensetzung das bestimmte durch Einengung seines Begriffes an Sinnwert bis zur Unterhoch Wertigkeit, z. B.: Waldhof. Bei zusammengesetzten Zahlen bleibt die hochwertige Wirkung im W e t t s t r e i t auf der niedersten Zahl, da sie zuletzt bestimmend wird, z. B.: scchsumhicanzig.
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Wiederum können Substantiva durch Zusammensetzung mit Adjektiven entwertet werden, wie in Freischütz, oder Verben durch Adverbien, wie in uohltün. Ja auch mit ?tn- und miß- zusammengesetzte Wurzeln von Begriffswörtern erleiden dies Schicksal. Bei alledem kommt es darauf an, daß die Zusammensetzung oder Zusammenfügung als ein neuer B e g r i f f aufgefaßt werde, worin der ursprüngliche Sinn der bestimmten Wurzel e i n g e e n g t wird. Das zeigt sich deutlich beim Verbum c o m p o s i t u m M a n nehme: übersetzen. Geht hingegen der Begriff des Grundverbums in der Zusammensetzung g a n z v e r l o r e n , so wird die Präposition als Vorsilbe genommen, deren Wurzel mittelwertig ist, das neue Begriffswort aber bewahrt sich seinen Stamm als hochwertig. Man vergleiche: übersetzen. Das Ergebnis besagt als erste Nebenbestimmung: Die H o c h w e r t i g k e i t einer Silbe wird dann g e m i n d e r t , wenn der Sinn einer a n d e r e n sie in einem neu damit entstehenden Begriffe einengt. Dahin gehören auch die Redensarten und festgefügten Wendungen wie: zu sich kommen, ins Auge fässün, zu -Ende bringen usw. Solche durch Einengen neu entstehenden Begriffe entspringen auch aus Infinitivobjekten mit und ohne zu, z. B.: sehen lernCn, zu tun bekommen. Genug der Beispiele, die nicht auswendig gelernt sein, sondern zur sicheren Handhabung des Grundsatzes beachtet sein wollen. Die Sprache hat viele Spielarten ihrer Feinheiten, die alle, wenn auch nicht unter Einzelregeln, so doch unter den Grundsatz fallen, falls nicht, selten einmal, gedankenlose Analogie waltet. Gerade solche Ausnahmen aber sind bei der weitreichenden Geltung des Grundsatzes so auffallend, daß sie dem geübten Ohre nicht entgehen können. Ergänzender Beobachtungen bedarf die zweite Nebenbestimmung nicht, da sie nach den Versuchsreihen ohne weiteres verständlich ist: Die M i t t e l w e r t i g k e i t einer Silbe wird e r h ö h t , wenn sie einen S a t z t e i l und nicht nur ein Wort in B e z i e h u n g s e t z t , z. B.: die sich 1
V g l . beide Anhänge.
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im Lande. Hiezu vorgleiche man die bei der B e h a r r u n g genannte Vereinfachung und Verschleifung. Zur E n t w e r tung mittelwertiger Silben füge ich eine Beobachtung über zusammengesetzte Partikeln hinzu: därin, zuwider, utiraus, unterdessen, dämit, auf daß, sÖmM zeigen den gesunkenen Mittelwert auf der Silbe, deren bestimmender Sinn wiederum näher bestimmt und so eingeengt wird, was freilich bei der Abgeschliffenheit dieser Bildungen oft einigermaßen undeutlich wird. In diesem Falle aber wird das Ohr selten irren. Da übrigens klarere Beispiele in den Kurven dafür sprechen, bestätigen sie doch die dritte Nebenbestimmung: Die M i t t e l w e r t i g k e i t einer Silbe wird g e m i n d e r t , wenn sie oder das W o r t , das sie näher bestimmt, w i e d e r u m von einer m i t t e l w e r t i g e n Silbe n ä h e r b e s t i m m t wird. Für die vierte Nebenbestimmung, die zur Tiefwertigkeit, sind Partizipium und Superlativ das Musterbeispiel: leuchtende verglichen mit leuchtete, yCsundeshmit gesunde zeigen die Steigerung des Sinnwertes. Man kann also wohl mit Recht sagen: Die T i e f w e r t i g k e i t einer Silbe wird dann e r h ö h t , wenn die E n d u n g die W o r t a r t v e r s c h i e b t oder die B e d e u t u n g der W u r z e l s t e i g e r t . Hier aber, wo der Sinngehalt am seichtesten ist, siegt auch am leichtesten die flache Analogie mit ihrem gedankenlosen Einfluß. L a u t m e c h a n i s c h e R e g e l n über die P o s i t i o n lieferten die Versuche. Alle K o n s o n a n t e n , die auf die tiefwertige Silbe bis zum nächsten Vokale folgen, ließen sich zu diesem Zwecke in f o r t t ö n e n d e und in k u r z t ö n e n d e einteilen. Alsdann bilden die erste P o s i t i o n s o r d n u n g : Silben o h n e Endkonsonant, die zweite Silben mit e i n e m kurztönenden Konsonanten am Ende, die dritte mit e i n e m forttönenden o d e r mit z w e i kurztönenden, die vierte mit einem forttönenden u n d einem kurztönenden, die f ü n f t e mit z w e i forttönenden, die sechste mit d r e i Konsonanten, die siebte mit m e h r a l s d r e i Konsonanten (d. h. mit einer Konsonantenhäufung) am Ende. Alle Silben, die ü b e r z w e i O r d n u n g e n von der Silbe aus der n i e d r i g s t e n Ordnung
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in der Z e i l e entfernt sind, müssen danach mechanisch behandelt werden, als wären sie ü b e r t i e f w e r t i g . Bei Silben ohne Endkonsonant werden die Anlauter des folgenden Wortes nicht mitberücksichtigt. H i a t u s verschiebt in die nächsthöhere Ordnung, K o n t r a k t i o n , wie in haben es = habens wirkt immer wie Position, läßt also keine nichtkontrahierte Tiefwertige überunbetont werden. Auf Grund dieser Zusammenfassung lassen sich in gedrängter Übersicht die Grundzüge einer Kunstlehre von deutschem Silbenmaß darstellen.
Die Grundzüge einer Kunstlehre vom deutschen Silbenmaß.
Grundsatz. Die Betonungsstufe einer deutschen Silbe hängt von ihrem Sinnwert ab.
Die Ableitung des Sinnwertes. Vorerinnerung: a) Verben, Substantive, Adjektive und [die von diesen] abgeleitete[n] Adverbien heißen samt den Numeralien Begriffswörter, b) Pronomina, Präpositionen, Konjunktionen und echte Adverbien aber Beziehungswörter (Formwörter).
Die Hauptbestimmungen des Sinnwertes. 1. Hochwertig sind 2. Mittelwertig sind sowie die nicht silben. 3. Tiefwertig sind Endungen.
die Wurzeln der Begriffswörter. die Wurzeln der Beziehungswörter, flektierenden Vorsilben und Nachdie
flektierenden
Vorsilben
und
Die Nebenbestimmungen des Sinnwertes. 1. Die Hochwertigkeit einer Silbe wird dann gemindert, wenn der Sinn einer andern sie derart näher be-
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103
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stimmt, daß ihr Begriff in seinem Umfang eingeengt wird. 2. Die Mittelwertigkeit einer Silbe wird erhöht, wenn sie einen Satzteil statt eines Wortes in Beziehung setzt. 3. Die Mittelwertigkeit einer Silbe wird gemindert, wenn sie oder das Wort, das sie näher bestimmt, wiederum von einer mittelwertigen Silbe weiter bestimmt wird. 4. Die Tiefwertigkeit einer (flektierenden) Silbe wird dann erhöht, wenn die Endung die W o r t a r t verschiebt oder die Bedeutung der Wurzel steigert (Partizip und Superlativ).
Die Ableitung der Betonungsstufe. 1. Man löse den Satz, den man untersuchen will, aus seinem Zusammenhange; denn er ist, wie die höchste grammatische, auch die höchste metrische Einheit. 2. Man unterstreiche a) die ungemindert hochwertigen Silben des Satzes, b) die Silben, welche sonst hochwertige mindern, und c) die Silben, die durch ausdrückliche Hervorhebung willkürlich mit hochwertigem Sinne ausgezeichnet werden; aber alle nur, soweit sie unerläßlich sind, um dem Satze überhaupt einen Sinn zu geben. Das sind die Sinngipfel. o. Man löse den Satz in Zeilen auf, wobei auf eine Zeile immer nur ein Sinngipfel kommen darf. Auch muß der Satz so eingeteilt werden, daß jeder Zeile ein Höchstmaß geschlossenen Zusammenhanges bewahrt bleibt. Alsdann berücksichtige man nicht mehr den Satz, nur die Zeilen. 4. Man bezeichne a) die ungemindert hochwertigen Silben, b) die Silben, welche hochwertige mindern, und c) die ausdrücklich mit hochwertigem Sinne ausgezeichneten als hochbetont:
—
104
—
5 a. Sind alle reinen Hauptstufen des Sinnwerts in einer Zeile vertreten, so entsprechen ohne weiteres die Sinnwertstufen den Betonungsstufen. Sinnwertstufen: a) b) c) d) e) f) g)
hochwertig unterhochwertig übermittelwertig mittelwertig untermittelwertig übertiefwertig tiefwertig
1 nebenJ wertig 1 nebenj wertig
Betonungsstufen: hochbetont unterhochbetont übermitbetont mitbetont untermitbetont überunbetont unbetont
| nebenJ betont 1 nebenJ betont
5 b. Bleiben bei solcher Verteilung Betonungsstufen unbesetzt, so verschiebe man nach deren vorläufiger Bestimmung die nächstverwandte Silbe a ) auf Unbetont, b) auf Mitbetont. Faßt man die vorläufige Verteilung nach 5 a ins Auge, dann werden endgültig unbetont ( überunbetont ^ | untermitbetont 2) mitbetont oder übermitbetont
(
mitbetont, [ 1 i 1
was
überunbetont untermitbetont übermitbetont unterhochbetont
unterhochbetont war. E s ist unmöglich, daß bei der vorläufigen Verteilung Hochbetont frei bleibt. 6. Bei Abwesenheit reiner Hauptstufen entstehen häufig Zwischenstufen in der Betonung. Diese haben aber nur Ausdruckswert und hängen von besonderer Willkür der Auffassung oder von dichterischer Vorschrift ab. Diese Zwischenstufen rücken dann an die Stelle der im Wettstreit unerledigten Betonungsstufen. 7. Die beiden Paare der Nebenbetonungsstufen sind derart in sich ununterscheidbar, daß auch ein geübtes Gehör sie nicht mit Sicherheit auseinander-
—
105
—
halten kann. Man schreibe sie daher mit einem Zeichen, wie folgt: Betonungsstufen, a)
hochbetont
-
Ausnahmen 1. Nicht alle möglichen deutschen Silben werden von diesen Bestimmungen betroffen, doch sind es so wenige, daß sie sich durch Abtönung innerhalb der Zeile leicht und eindeutig bestimmen lassen. 2. In wenigen als ganz deutsch empfundenen Worten macht sich fremdländischer Einfluß bemerkbar, welcher dem deutschen Gesetz widerspricht, so in den Substantiven auf: -ei, analog dem französischen : -ie. 3. Verschiebung der Hochbetontheit macht das Adjektiv: lebendig genugsam merkwürdig, ebenso die Beteuerung: icährhäftig (in idealer Zeile: lebendig, wahr-
haftig). 4. Scheinbare Ausnahmen treten bei Sinnverschleifungen und besonders enger Bindung auf. Dadurch erhalten Silben von verminderter Hochwertigkeit die Mitbetonung, z. B. -lend in Elend; oder nachgestellte eng verbundene unabgeleitete Adverbien werden übermitbetont, z. B. meine Freunde hier. Diese Fälle bestätigen aber vielmehr den Grundsatz aller deutschen Betonung. 5. Die große Auffälligkeit weniger Ausnahmen, die zum Teil Übergangserscheinungen, zum Teil ge-
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—
duldeter Mißbrauch sind, beweist bei alledem nur für die strenge Gültigkeit der Regel sonst. Abtönung in der Zeile und Anwendung des Grundsatzes sind die starken Waffen zu ihrer eindeutigen Bestimmung. G. Eine erwähnenswerte Anomalie ist endlich die Betonungsschwankung der Endungen -ig und -lieh. Kommen sie in e i n e r Silbe vor, sind sie mittelwertig, verteilen sie sich aber auf deren zwei, so wirken sie tiefwertig. Man vergleiche: die Kunde ist traurig und die traurige Künde.
Alle möglichen Wellen (kombinatorisch). Kurze, s i n k e n d e Wellen A.
a. 1. 2. 3. 4.
erster zweiter dritter vierter
Ordnung: Ordnung: Ordnung: Ordnung:
^ ^ J-, s., ^ ¿2., ± v, ^ i i, 2. t -
Kurze, s t e i g e n d e Wellen b. 1. 2. 3. 4.
erster zweiter dritter vierter
Ordnung: ^ Ordnung: - ; s- ¿,2. Ordnung: - 2., i 2. Ordnung: - t
Lange, s i n k e n d e , flache Wellen B.
I a . 1. 2. 3. 4.
erster zweiter dritter vierter
Ordnung: - ^ - s. s., Ordnung: ^ - -, - ä. i. ^ — Ordnung: j. i, 2. ~ ~ Ordnung: & ~ -
~-
Lange, s t e i g e n d e , flache Wellen b. 1. 2. 3. 4.
erster Ordnung: zweiter Ordnung: dritter Ordnung: vierter Ordnung:
- - : 1 1. • - - ; 2., s. 1' 2. — ¡4.
j. i
- - -
—
107
—
Lange, nur s i n k e n d e Wellen IIa. 1. erster
Ordnung:
-
- - -
2. zweiter Ordnung: ^ ^ i, ^ 3. dritter Ordnung: ^ j.
-
- s-. -
-
Lange, nur s t e i g e n d e Wellen b. 1. erster
Ordnung: - s.'
~
-
1
2. zweiter Ordnung: ~ >• 3. dritter Ordnung: - i ^
t 2-: ^
Lange, mehr s i n k e n d e Wellen l i l a . 1. erster
Ordnung: + -
+
-1
^ -
1
-~
2. zweiter Ordnung: ^ - ~ -, - ~ 3. dritter Ordnung: ~i Lange, mehr s t e i g e n d e Wellen b. 1. erster
Ordnung: ¡. - j., ^ - \ j., ^ — w
—,
—
_
i. i
_
2. zweiter Ordnung: ± ~ 3. dritter Ordnung: i - . i
-
zusammen 80 Formen.
Beispiele zu allen möglichen Wellen. (Mit Unterstellung idealer Zeilen.) A.
a. 1.: a) Landhaus, ß) Landung, 7) landend, S) Lande. 2.: a) [Winter-]landschaft, ß) [hinüber-]fahrend, 7) [Märchen-]lande. 3.: a) deren St,r[eit], ß)' deren [Heimat], 4.: ot) [breite-]ten be-[hütend], b. 1.: a) betont, ß) bestritt, 7) Verstand, 8) [in der Winter-|nacht strahlt. 2.: a) geof-[fenbart], ß)[überzeu-]gend of-[fenbart], 7) [mir an-]vertraut.
—
3.:
108
—
[3a-]ge wes[-sen Stern], ß) [leuch-]tend um[strömte]. 4.: [brei-]te bestrickend]. B. I a . 1.: Vollmondschein, ß) heimatlos, 7) leuchtendste Str[eiter], 8) leuchtete. 2.: *) [Winter-]landschaft im [Norden], ß) [sie] habens b e s t r i t t e n ] , 7) [todes-]mutige. 3.: deren Ge-[treue], ß) diese Ge-[fahr]. 4.: [der peini-]gendste Ge-[danke]. b. 1.: [mil-]debehü-[ten],ß)[lä]cbelndbestrei-| ten], 7) ihm ein Pferd, 5) [Voll-]mondschein leuch-[tet]. 2.: [Lie-]be geof-[fenbart], ß) [wenn ich mich am si-]chersten füh-[le], 7) ihn die Of-[fcnbarung]. 3.: [lei-]tete de-[ren ], ß) [strei-]chelten dc-| ren Gewände], 4.: [kein rei-]nigenders G|ewitter], Heimsuchung, ß) heimsuchend tr[effen |, IIa. 1.: 7) Landhause, 3) elendest, s) Heilande, C) leuchtendste. 2.: die das b e s t r e i t e n ] , ß) die sich be-[hüten], 7) [du] solltest be-[hüten]. o.: diesen be-[hüte]. b. 1.: [rei-]nigend Was-[ser], ß) |rei-]ne Entzük-[kung], 7) [die-]ser hat Mut, 8) |rä-| chend zerreis-|se], e) [die-]ses sei dei-[nc Tat], C) du hast Mut. 2.: [bese-]ligen wird, ß) [zurErleich-Jterung wird, 7) wozu ha-[ben sie das getan]. o.: [rei-]nigend mei-[ne Seele]. I I I a . 1.: *) Heimatland, ß) Edelmut [zeigte], 7) Haideland, 8) wundersam[e], e) freudelos, C) Ldie] Wälle bestreichen]. 2.: [sie] werdens ver-[gessen], ß) werde nicht [zornig], 7) [ich] würde bestreiten]. 3.: diese bestechliche].
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b. 1.: a) [ b r e i t e - ] t e n b e h ü - [ t e n d ] , ß) deren Heim, 7) offenbart, 5) deren S t r e i - [ t e ] , e) offenb a r - [ t e ] , C) w a r d umstellt. 2.: et) [lie-]bend g e o f - [ f e n b a r t ] , ß) diese Of-[fenbarung], 7) denen w a r s t [du im W e g e ] , 3 . : a) [glän-]zendste U - [ b e r r e d u n g s k u n s t ] . Die Beispiele zeigen deutlich, wie leicht m a n steigende Wellen auf sinkende z u r ü c k f ü h r e n k a n n . Will m a n sagen, d a ß es sich bei deren U n t e r s c h e i d u n g um selbständige A u s d r u c k s f o r m e n handelt, so gebe ich zu bedenken, d a ß mit der A u f t a k t s c h r e i b u n g an selbständigem A u s d r u c k nichts verloren geht. Zeilen ohne A u f t a k t haben eben einen ruhigen, klaren, stetigen, Zeilen mit A u f t a k t einen drängenden, erregten, bewegten Ausdruck.
Alle möglichen Auftakte. 1. Die k u r z e n A u f t a k t e : j-, a 2. Die langen A u f t a k t e : a) flache: ~ s. i, i - ^ b) s t e i g e n d e : - i , 1 1. s. ¡-.i, ^ ± zusammen 14. 3. A u f t a k t e sind n u r am Zeilenanfang möglich, sie fordern k e i n e V e r k ü r z u n g der Welle am Zeilenende. 4. A m Zeilenende als v e r k ü r z t e Wellen sind folgende F o r m e n möglich: i, i, i
Von der Unmöglichkeit, andere Kombinationen Wellen zu nennen. Beweis. Alle Wellen sind Kombinationen von Betonungsstufen, die nach dem deutschen Gesetz f ü r das Silbenmaß „erhalten" w e r d e n k ö n n e n . Alle oben nicht a n g e f ü h r t e n Kombinationen können nach dem deutschen Gesetz f ü r das Silbenmaß nicht „erh a l t e n " werden.
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110
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Also sind alle oben nicht angeführten Kombinationen keine Wellen. Damit ist z. B. folgende Kombination ausgeschlossen: ± (vgl. jedoch über Fehler und Pause). Das Tal dieser angeblichen Welle müßte niedriger sein als der Berg davor. Sie kann also dem Gesetze nicht genügen, das wirkliche Täler voraussetzt. Ferner werden alle Kombinationen zu mehr als dreien ausgeschlossen, die nicht in die obigen Wellen einzuteilen sind. Z. B. kann dem Gesetz nicht genügen. Der Begriff der Welle hängt also von dem des Gesetzes ab. Scheinwellen können es in keinem Wellenzug befolgen. Wirkliche Wellen können es befolgen. Sie bleiben daher Wellen, auch wenn die Wellenzüge nicht erhalten werden. Wenn sie auch in einem Wellenzuge verstoßen können, so brauchen sie es doch nicht in jedem. Zur Begründung des Satzes: „alle oben nicht angeführten Kombinationen können nach dem deutschen Gesetz für das Silbenmaß nicht erhalten werden" sage ich: „Alle Kombinationen, worin Berg und Tal um mindestens eine Betonungsstufe auseinanderliegen, können erhalten werden." Nur die oben angeführten Kombinationen sind solche, worin Berg und Tal um mindestens eine Betonungsstufe auseinanderliegen. Also können nur die oben angeführten Kombinationen erhalten werden.
Fehler und Pause. Indem der „Fehler" den Fluß der Wellenzüge gewaltsam unterbricht, entsteht, wenn die metrische Gebundenheit möglichst wenig gestört werden soll, eine unausgefüllte Lücke. Mitten im rhythmischen Werden, das ausschließlich auf Sinnwert und Beharrung gestellt ist, wirkt eine solche Lücke als Holpern und Sinnlosigkeit; es sei denn, daß die Pause selbst ein sinnvolles Gebilde wird, eine wohlbegründete Spannung schafft, beruhigend ein Abklingen einleitet, oder die Schroffheit eines gerechtfertigten Gedankensprunges
— 111 — mildert. Immer dann wird der „Fehler" zum Kunstmittel; allein dann, meine ich, sollte eine Kunstlehre vom Silbenmaß „Pause" sagen, wenn diese einen Sinn hat. W o eine Pause Sinn hat, das kann im Einzelfalle sehr wohl deutlich werden, und leichter noch, w o sie nur „Fehler" ist. Welche Intensitätsstufe man durch sie ersetzt denken soll, bleibt nur negativ bestimmbar. Jedenfalls muß sie die gestörten Wellenzüge erhalten helfen. Zwischen z w e i aufeinanderprallende Wellenberge schiebt sich die Pause mit der Dauer niedrigerer Betonungsstufen 1 ; vor Wellenbergen, die sich nicht aus einem Tal erheben, tritt sie ersetzend ein. Im Hauptbeispiel für den „Fehler" würde sie nach hast zu setzen sein: und du hast A. sie mir gegeben. Da aber die Unterbrechung hier sinnlos ist, so kann im Sinne des Metrikers nur von „Holpern" die Rede sein. Manche Lücke kann nie Pause werden, sie bleibt immer „Fehler". Treifen neben einer solchen fehlerhaften Pause zwei hochbetonte Silben zusammen, so kann es begegnen, daß deren erste um die Pausenlänge überdehnt wird, so daß sie für eine Welle steht. D a s ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn diese erste Silbe ein Sinngipfel ist. D a s Beispiel: der nur im Trufim spricht = der nur im Träumt spricht zeigt in Traum solche Überlange Sinnvolle Pausen fallen häufig zwischen die Zeilen: Zäume dein Itoss, 7 reisige Maid. Hier würde man den Pausenwert mit 7 ansetzen, als stünde du.
Von den Wellenzligen. 1. Eine deutsche Dichtung ist immer in Zeilen, aber stets in sinkende Wellenzüge aufzulösen.
nicht
2. In diesem Sinne unauflösliche Dichtungen haben prosaisches Silbenmaß. 3. In auflösbaren Dichtungen beharrt das Sinken der Wellenzüge, d. h. es werden alle Scheinwellen der Form i >. i in i 2. i, alle Scheinwellen der Form s. oder - oder ^ i. oder i - i in 2. ¡. 1 oder 2. s. 1
Pausenzeichen: 7 7 7
J
J
.
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112
—
oder i. i j- oder ^ - i verwandelt. Solche Figuren wie gehen durch Beharrung in ^! ^ ^ i. über. Das ist nur bei mittelwertigen Silben möglich, wo die Sinnvalenz schon geringer, der quantitative Einfluß der Silbenhäufung noch gerade wirksam wird. Da tritt dann bald die eine, bald die andere Einwirkung in Kraft. Bei den hochwertigen Silben gibt nur die Sinnvalenz den Ausschlag, bei den tiefwertigen der Einfluß der Buchstabenhäufung, obschon für alle Stufen ursprüngliche Gestaltung durch Sinnwert nachweisbar ist; bei den hochwertigen Silben würde die Beharrung also auf einen unüberwindlichen Widerstand der Sinnvalenz stoßen, bei den tiefwertigen auf unüberwindlichen Widerstand der Position. 4. Dichtungen, worin das Sinken der Wellenzüge beharrt, sind fließenden Stils. 5. Die erste Silbe einer sinkenden Welle heißt deren Berg, die letzte deren Tal. 6. Nimmt man das ganze deutsche Kunstwerk als einen Zug von sinkenden Wellen, so werden die Wellenzüge erhalten, wenn jeder Wellenberg höher ist als das Tal vor ihm. 7. Deutsche Dichtungen, worin die Wellenzüge erhalten werden, haben poetisches Silbenmaß.
Zur Verständigung über die „Beharrung". Wo die reine und freiwillige Bindung an das Gesetz von der Erhaltung der Wellenzüge nicht genügend befunden wird, und wo man sich dann überdies willkürlich an eine Auslese von nur kurzen Wellen gibt, da ändern sich auch die Einflüsse der Beharrung. Innerhalb des also stilisierten Kunstwerks wird eine solche Figur wie i i. nicht vorkommen, weil sie sich durch Beharrung des „jambischen" oder „trochäischen" Fortschritts stets in ^ verwandeln wird oder in s, Aber eine solche Stilisierung zu besprechen, liegt nicht im Sinne meiner Arbeit, die sich um Bestimmungen kümmert, die aus dem Gesetze von der Erhaltung der Wellenzüge
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113
—
unmittelbar fließen. Sie findet sich deshalb auch nicht in meinen Auflösungen deutscher Dichtungen berücksichtigt; denn dabei kam es mir auf reine Herauslösung des deutschen Maßes an. Achtet man nur auf die mögliche E r füllung des Wellengesetzes, dann können sich sehr wohl hintereinander zwei ^ finden, niemals aber drei. Durch die willkürliche Stilisierung bringt der beabsichtigte Rhythmus Änderungen in die Zeilen, die den deutschen Silben nur aufgedrungen sind. Solche Formen bespreche ich hier so wenig, wie die gewiß in ihrer W i r k u n g gut nachgeahmten Päone: z. B. breiteten GcficändJ. Hier wird brei- mehr gedehnt, als es sein Sinnwert zuläßt. Dehnte man aber nicht, so gäbe man -ten die Stufe s-, was wider Sinnwert und Position wäre, und einen neuen willkürlichen Rhythmus einführte. Ungezwungen angehört, holpert auf einmal der Päon, und so kennt deutsches Silbenmaß ihn nicht.
Das Gesetz der Dauer. 1. Die Betonungsstufen seien mit Nennzififern bezeichnet: -i init 5, i mit 4, ^ mit 3, s. mit 2 und - mit 1. Für Wellen mögen die in ihnen vorkommenden Nennziffern addiert werden, ebenso für Zeilen. 2. J e größer die Nennziffer einer Silbe in der Zeile ist, um so länger dauert sie in derselben Wellenart. 3. J e größer die Nennziffer einer Welle in der Zeile ist, um so länger dauert sie; doch werden dessen unbeschadet die dreigliedrigen gegenüber den zweigliedrigen verkürzt. (Daher oben die Wellenart beachtet werden muß.) 4. Je größer die Nennziffer einer Zeile im Satze ist, um so länger dauert sie; doch erfolgt der Zuwachs nicht proportional zur Nennziffer, sondern langsamer. 5. In Wellen und Zeilen besteht also die allgemeine Tendenz, Unterschiede der Dauern auszugleichen, was einer einfachen Proportionalität von Nennziffer und Dauer entgegenwirkt. H e h n , Der deutsehe Rhythmus.
g
—
114
—
Schluß. Setzt man für Intensität ein J, für Dauer ein D, so kann man weder behaupten: (J
:
(J 4 )
:
(J i )
:
(J i ) : (J - ) = 5 : 4 : 3 : 2 : 1
noch: (D-0 : (D±) : ( D i ) : ( D i ) : ( D - ) =
5:4:3:2:1
noch (wie man aus Tafel I X schließen könnte): ( D - ) : ( D * ) : ( D i ) : ( D i ) : (D~) = 2 : V/,: l>/ 2 : V/ ( J ; ) > (J --) > und: (D , ) >
(D
>
(D 0 >
8 : 7 : 6 : 5 : 4 (J i ) >
(J ~)
(D i ) >
(D ~) in glei-
cher Wellenart, womit
die Relativität
gedrückt ist.
der
rein
deutschen
Metrik
aus-
Auflösung deutscher Dichtungen.
I. Fehlerlose Gedichte. (Nach den Gesetzen deutschen Silbenmaßes beurteilt.) A. Die Zeilen sind die vom Dichter geschriebenen, zugleich die von einem Sinngipfel beherrschten Grundeinheiten. 1.
W a s 3 will 5 die 3 ein^a'me 1 Trä^ne1? j. i ^ J. | ^ i i | J. || Auftakt, kurzeWelle, lange Welle, kurze Welle
2.
Sie 1 trübt s mir 1 ja 8 den 1 Blick 5 . - I ~ | 5. - | Z || Mangels tiefwertiger Silben werden die mittelwertigen unbetont. ja bildet eine Zwischenstufe.
3.
Sie 3 blieb 5 aus 3 al 6 ten 2 Zei 5 ten' i I -i I - i I -i - I a) Ein VTergleich mit dem Sie aus Zeile 2 weist die Relativität der Betonungsstufen auf. Stünde zurück mit in der Zeile, so würde blieb unterhochbetont (i). 7) Bei -ten aus alten zeigt sich hinter dem Silbenvokal n Z = nts. Dieses -ten ist daher 6. Positionsordnung, um 3 höher als -ten aus Zeiten, das 3. Ordnung ist.
4.
In 3 m e i n e m 1 A u ^ e 1 zu 3 rück 5 . i 1 ^ i | ^ II
5.
Sie 3 ha'tte 1 viel' 4 leuch^en'de 1 S c h w e s t e r n 2 , «. I ^ i l -i s. - I ^ - II viel' leuchtende ist eine Engführung des Sinnes ähnlich wie in Vielliebchen (ideal iter: ^ ±
6.
Die 3 a l l e 1 ze^flos^en 1 sind 4 , [ — ] M ^ I ^ -"I Hier eine Pause zu machen ist sinnvoll und wirksam.
8*
—
116
—
Mit 3 mei ä nen s Quaken 1 und3 Freu 6 den'
7.
*Man entsinnt sich der Bestimmung eines Formworts durch ein anderes Formwort, -nen aus meinen ist 6. Positionsordnung; denn es folgen dem Vokal , e " : n Qu — nkic.
8.
Zer 3 flos 6 sen 1 in 3 Nacht 6 und3 Wind 5 . 1. ! ^ i I ^ - I -i II
9.
Wie 3 Ne B bel l sind4 auch 3 z e r ^ o s ^ e n 1 i | ^ - | i | i 2. | i - | Die 9 blau 6 en s Ster 6 ne']ein 3 , i i s- ! -i - : i i ^i **
10.
[in der Scheinwelle Erhaltung vernichtet]
(-lein, die . . .) wäre Beharrung und
Die 3 mir4 je 3 ne' Freu 5 den' und 3 Quaken1 ^ i ^ ^ ¡ ^ -1
11.
Anfangs eine Figur der Beharrung. **in der Zeilenzäsur „Fehler", lein müßte haben können. Der .Fehler" ist aber hier umzudeuten in eine A u s d r u c k s p a u s e .
12.
G e s c h e i t 1 ins 3 Herz 5 hi 2 nein 5 . ~ I -i i I -!. 5-2-11 oder: - 1 ^ 2- 1 ^ 2. ; ^ II Die beiden Auffassungen hängen davon ah, wie man beziehen will, ob ins Herz hinein oder hinein gelächelt enger gebunden sein soll.
Ach 5 , mePne 1 Lie 6 be' sePber 1 ^ Ii - 1 ^ - u - I
13.
Das Z aus der nächsten Zeile wirkt nicht herüber im Sinne der Positionsbildung.
14.
Zer 3 floß 5 wie 3 ei 6 teP Hauch 6 ! 2. | .!. 2. | — w | — ||
15.
Du 3 alHe 1 ein^a'me 1 Trä'ne 1 ,
16.
Zer'flie^e 1 j e t z W d e r 1 auch5. 2. 1 ^ - 1 ^ 2. - 1 ^ ||
Heine.
B. 1 a. b.
3
3 1
3
Ich wollt ' mei ne 2 Schmer^en'lei^gös^en 1 sich 3 2. 1 .i J i 2. - 1 ^ - Ui ^ ^ i
J bedeutet eine sinnvolle Pauäe im W e r t e von schrieben stünde: wollte.
als ob ge-
—
117
—
AU5 in 3 ein3 ein 6 zi'ges s Wort 5 , ^ i. i | z - i | ^ |
2.
Die Anomalie, daß in den
flektierten
Formen
von -ig
und
-lieh diese Nachsilben unbetont werden, fällt auch hier auf. Die Position wirkt, als wäre -ig tiefwertige Bildungssilbe.
3.
Das 3 gab' 5 ich 3 den 3 lu 6 sti'gen 2 Win 6 den', ^ I i - •- - ^ , - i
4.
Die 3 t r a g e n 1 es 3 lu 5 stig 3 fort 5 . i- ! a. - i - J- ! ^ II 3 6 2 Sie tra gen zu 3 dir 5 , Ge'liebHe 1 ,
5.
2.
| ^
3
J.
-
5
! -
3
-
4
1
| ^
"
I
6
6.
Das schmerz er füll te Wort ; x l ^ J. | i - | ^ ||
7.
Du 3 hör 5 st es 3 zu 3 je 6 der 2 Stunde 1 , i I -i i i i^ i i ^ - | je- dürfte wohl durch Auszeichnung hier hochwertig wirken.
8. 9.
Du 3 hör 5 st es 3 an 3 je 5 dem l Ort 5 . i I ^ ^ 2- I ^ - I ^ II 3 6 Und ha st du 3 zum 3 nä R chtli'chen* Schlummer 1 j. I ^ j. i i ^ s. i ^ |
10.
Geschlossen 1 die 3 Au B gen' kaum 5 , -1 ^ ~ i : ^ - i ^ i
11.
So3 wird 4 dich 3 mein 3 Wort 5 ver^oPgen 1 J. I i J. i. I ^ i | ^ - |
12.
Bis4 in 3 den 8 t i e f s t e n 1 Traum 5 . i i. i i ^ - i ^ || lleine.
C. Itautendelein. 1.
den Becher mußt' ich trinken. j. 1 -i
- JI
A
i ! ^
-
II
2 a. b.
Und als ich getrunken den Hochzeitstrank, i | i i - | ^ - I - | .i i I A I
3 a. b.
da ward mir so enge die Brust,
4.
da griff hinein eine eiserne Hand,
5.
da ward mir das ganze Herze verbrannt.
Zwischenstufen.
so bang
—
118
—
6.
Das Herze mußt' ich kühlen. i l ~l i i | ^
7 a. b.
Ein Krönlein ^ - l - i - l
lag auf dem Hochzeitstisch — -i ~ ! -i ii I
Zwischenstufen.
8.
Zwischenstufen.
zwischen roten Korallen ein Silberfisch — i - I ^ - ^ ~ i | ^ - | Solche Silben wie Ko-,
die undeutsch sind, müssen in der
Zeile abgetönt werden.
9 a. b.
das zog ich heran, ^¡^ i
I
das1 setzt' ich mir auf: ^ i i i-ll
Zwischenstufen.
10.
Zwischenstufen.
nun bin ich des Wassermannes Braut. ^ i ^ i. i ; ^ - | A - 1 - II Gerhart Hauptmann.
D. 1 a. b. 2 a. b. 3 a. b. 4 a. b.
Ich ging im Walde j- 1 i i -i ~ 1 Und nichts zu suchen i i -i . ^ ]
so für mich hin, das war mein Sinn. ^
-
[
Im Schatten sah ich ein Blümchen stehn, 1 - 1 i i i : - i Wie Sterne leuchtend, wie Auglein schön. Zwischenstufe.
5.
Ich grub's mit allen den Würzlein aus
6 a. b.
Zum Garten trug icli's - I - - I i I usf.
am hübschen Haus. i ^ ~ I ^ II Goethe.
Am Anfange war ein Gedicht eingeführt, worin es nötig war, einen , Fehler 8 in der Zeilenzäsur in eine sinnvolle Pause umzudeuten. Das geschah, um dem aufmerksam werdenden Stilkritiker den Unterschied zwischen der einfachen Ausdruckspause und einer solchen durch Kunstmittel gesetzten zu weisen. In den bisherigen Gedichten waren sonst die Wellenzüge selbst über die Satzabschnitte hin erhalten. Das wäre meiner festen — und für mich
—
119
—
sehr gesicherten — Überzeugung nach eine Bindung, die genügte, um metrisch allem erdenkbaren Ausdruck zu dienen. Doch solcher Hinweis führt über meinen Vorwurf hinaus. Ausdruckslehre kann wohl auf die Kunstlehre vom Silbenmaß gegründet werden, fordert aber ein Verfahren für sich zur Ermittlung.
II. Ausdruckspausen und Überdehnung. (Gesetzte aber umdeutbare Fehler.) 1.
Mit tausend Schmerzen I Blickst auf zu deines Sohnes Tod. i
s- - ; -
- i
Ii
Goethe.
Mit tausendfacher Liebeswonne Sich an mein Herz drängt. ,,, • , I i i ¿11-1 II iiiemiuiig jgich a n m e j n Herze drängt. Goethe. Die Dauer der Überdehnung wäre gleich der Dauer von in der rechten Seite der Gleichung.
o. Gleichung |
Herze
an den Brüsten des Lichts saugen a n
j
e n
B i s t e n des Lichtes saugen
Nietzsche.
Hiatus erhöht um eine Fositionsordnung.
•4.
Verstummt ist Klag' und Jubel, ich will lauschen. C. F. Meyer.
Pausenzeichen: f t 7 J J . Die so bezeichneten Pausen dauern so lange, wie eine Silbe dauern würde, die an ihrer Stelle mit dem entsprechenden Betonungszeichen dürfte versehen werden. Pausen und Überdehnungen werden so bestimmt, daß sie die Wellenzüge befriedigend erhalten.
—
120
III. Eine Schlußfigur bei Heine (in sonst pausen- und fehlerfreien Gedichten). 1.
eine Träne küss' ich so gern j. - l ^ - l
^
^
i. | ^
J|
Gleichung {¿j n ~ Träne'küss' ich so'gerne" ' dir Gesicht. i vom i ~I ^ II Beharrung! 2.
lebt jener Lenz, ^ i - l ^ J | den du besingst. ^ i - i II
Hier ist die Pause als gesetzter, aber nicht umdeutbarer Fehler zu einem instinktiv gefundenen Ausdrucksmittel geworden. Vielleicht hält man hier inne und bedenkt, wie viele Feinheit die Auflösung in Wellenzüge zu unterstreichen erlaubt, wie wenig die Skansion in Wellen ein papiernes Schema ist und das Leben aus dem beseelten Kunstwerk vertreibt. Es zeigt sich vielmehr dabei, wieviel Seele der Dichtung innewohnt, schon da, wo man vom rhetorischen Ausdruck und seinem Einfluß noch völlig absieht; von ihm, dessen Pausen und Akzente nur auf dem sicheren Grund der Wellenanalyse eindeutig erkannt werden können. Die hier eingeführten „Gleichungen" sollen natürlich keine bessernden Verballhornungen sein. Sie dienen dazu, den Ersatz einer Betonungsstufe durch eine Pause zu veranschaulichen.
IV. „ F e h l e r « nur in der Zeilenzäsur als Stilmittel bei Hebbel. (Wenn ich hier in die Zeilenzäsur Pausenzeichen einschreibe, so geschieht das nicht, um zu sagen, daß sie dem Ausdruck
dienen.
Nicht die sanft zögernde Wirkung der
Pause, das Aufeinanderprallen vielmehr macht den gewaltigen Eindruck.
Welche Stufe die Wellenzüge
„erhalten"
—
121
—
würde, sagt die „Pause". Wer vom Stil etwas spürt, weiß, daß Pausen als unideutbare Fehler hier unerträglich wären. Sie sind hier unumdeutbar, diese wertvoll gewordenen Fehler.) Gebet. 1.
Die du über die Sterne weg i. I i i | . Ä
2.
mit der geleerten Schale aufschwebst, i i, ~ | s. | ~| ^ I T
3.
um sie am ewigen Born i
4.
^
i.
| ^
-
-
|
^
|
eilig wieder zu füllen: .i i. I * i i i J -
'j J
J
|
Beharrung!
5.
einmal schwenke sie noch, o Glück, - ^ I - 2. i i J.-; ^ | T einmal
noch ist aufeinander bezogen, das hervorgehobene noch
wird dadurch bestimmt und also unterhoch wert ig.
6.
Einmal, lächelnde Göttin. ^ ^i-i t - ; ^ i. Ii
7. a. b.
Sieh',
ein einziger Tropfen J. [ ^ - 4 i ^ - |
|
überdehnt
8.
hängt noch verloren am Rande,
9.
und der einzige Tropfe genügt, i : ^ - - i ^ i
10.
eine himmlische Seele, „ | „ „ | „ |
U.
die hier unten in Schmerz erstarrt, i
|
~
2. |
J.
12.
wieder in Wonne zu lösen. i ! -i ; ^ - Ii
13. a. b.
Ach,
14.
als die anderen alle, 2. i | ^ - - , ^ - |
I
^
|
sie weint dir süßeren Dank, s. i ^ i , ^ - - i ^ |
J
—
15. a. b.
122
die du glücklich ^ 2. , laß ihn fallen ^ i I -
und reich gemacht; j. , ^ - : i |J
|
Zwischenstufe
16. a . b .
—
I
den Tropfen. ^ II
Die Zeilenschreibung weicht an zwei Stellen von der Hebbelschen ab. Daß er nicht natürliche Satzsilben niedergeschrieben hat, ist hier nebensächlich. In der Zäsur zwischen Sätzen findet sich in diesem Gedicht kein „Fehler". Im ersten Satz finden sich vier Fehler in der Zeilenzäsur, im zweiten zwei, im dritten nur noch einer; in dem Maße, wie die Stimmung hoffnungsfreudiger wird, verflüssigt sich die Form. V . „ F e h l e r " in d e r
Satzzäsur.
(Von hier an sind nur natürliche Zeilen geschrieben.) D e r Tod. 1.
Himmlischer Knabe, - i ^ ~ I
2.
was stehest du hier, i ; ^ ~ i ^ |
3.
die verglimmende Fackel
4.
nieder zur Erde gesenkt; i ! ^ ~ ~: II
5.
Aber die andere
6.
^
flammt
^ ! ^
s.
-
^
-
|
F
dir auf deiner ambrosischen Schulter? j. i ; a s. i ^ - _ , ~ II B e h a r r u n g | Abgetönt in der Zeile
7.
Schöneren Purpurglanz -i - - i ^ i i |
8.
sah j a mein Auge nie. j. i . ^ - II F
9.
Bist du Amor? u - || USW.
Herder.
—
123
—
VI. Hypostase der Sprachmelodie. In diesen Beispielen tritt an Stelle der höheren Betonungsstufe höhere musikalische Tonlage. Ich bin nicht geneigt, darin ein Äquivalent für die Betonung zu sehen, und halte die gegenteilige Annahme für eine Verirrung. Mir scheint diese Hypostase in der Dichtung so unzulässig, wie sie in der Musik töricht wäre. Allen solchen Gedichten scheint mir etwas süßlich Sentimentales in der Form anzuhaften, was bald mehr bald weniger hervortritt, auch in manchen Werken, die davon frei zu sein vortäuschen möchten. Jedenfalls ist das Ausdrucksgebiet dieses dolce stil sehr eng. Das hat natürlich nichts mit dem hohen Reiz der Sprachmelodie in rhythmisch wohlgefügten Gebilden zu tun und mindert in nichts den Wert der auf die Sprachmelodie gerichteten Forschung. Die ausgewählten Beispiele fallen so ins Ohr, daß exakte Nachmessung hier, wo ich doch nur der Stilkritik die Richtung andeute, nicht vonnöten ist. Da es sich nur darum handelt, ob für eine Silbe der Ton der Sprechmelodie höher oder tiefer liegt, begnüge ich mich, wo „Fehler" vertuscht werden, mit zwei Zeichen: J = höher, ^ = tiefer. A. 1.
Süßer Mond,
2.
mit deinen Strahlen - F L ^ 1 - I i
3.
scheuchest du das nächt'ge Grauen; , , , , i , ~ | i
4.
Es zerrinnen meine Qualen, - I , , - ,
r -
- r
i und die Augen übertauen.
5. F
J
.
Heine
—
124
—
B. 1.
Weil' auf mir, - I
2.
du dunkles Auge, F M - - I ^ - I i übe deine ganze Macht, I - i - - l I
3. 4.
F
Ernste, milde, träumerische, ^ - I ^ ~ | z - |p~ - I -i
. I i I i unergründlich süße Nacht. - -' ~ - i - ' i "I F
5. 6.
Nimm mit deinem Zauberdunkel ^ F! ^ \ 1 " "1- " 1
7.
diese Welt von hinnen mir,
8.
daß du über meinem Leben - l - - l F- i- i - i i i -14.] i i einsam schwebest für und für. -i ^ I ~ I -i ~ I ^ II
9. a. b.
VII. Typische „Fehler". 1.
an meinem inneren Gesicht vorüber , , - I ^ ~iF~ - i ^ * - ! Schiller. Die Auflösung in Wellen ist unmöglich. Die Figur - ~ ist als Auftakt nicht mitten in den Wellenzügen möglich. Stünde an ihrer Stelle s. so wäre der Fehler gehoben. Der Berg t wäre dann höher als das Tal - der vorhergehenden Welle.
2.
vergangenes und künftiges i l z ~ - ip J. | ^ - - | Schiller.
—
125
—
Wiederum scheitert die Auflösung in Wellen. Vor und würde i. oder ± die Wellenzüge herstellen. So ist und ein verlorenes WellenbruchstUck.
3.
friedlich in dem alten Bette -
- IFTal Berg
.
i ^ .
;
,
- i Schiller.
Die Wellenzüge sind nicht erhalten. wie das Tal.
4.
Der Berg liegt so hoch
sanfter brechen sich die Wellen .1
i
|
.i
-
|p i
|
~ | Schiller.
Die Auflösung in Wellen scheitert an der eingestreuten Auftaktfigur i Für mein Rhythmusempfinden liegt vor i. in solchen Zeilen eine ungerechtfertigte Pause vom Werte 7.
5.
doch uns ist es gegeben i
I
^
^ ip*.
~I -
~ I
Tal Berg
Hölderlin.
Der Berg liegt tiefer als das Tal vor ihm. sind nicht erhalten.
6.
Die Wellenzügc
verbirg dich in den Büschen j. I ^ ip &
^
1
1 ^
-
Grillparzer. Die Wellen, die vorhanden sind, zeigen Beharrung auf Grund des Vorhergehenden. Die Auflösung in Wellen mißlingt. Hinter birg ließe sich wohl eine Pause ansetzen im Werte J, aber sie wäre durch den Sinn doch nicht gerechtfertigt. Hier liegt also fließender Stil vor.
7.
sandig sich ins Meer ^
~ l
-
-
1
^
| Grillparzer.
In einer unvollständigen Zeile der Typus unter 1.
Das Vorkommen dieser Fehler ist so weit verbreitet, daß man darin den Einfluß der gräzisierenden Metrik erblicken darf. Für die Kritik des individuellen Stils kommen sie weniger in Betracht als für die Analyse des dramatischen Blankverses. Diese Andeutungen müssen hier genügen. Vielleicht sind sie angetan, zu zeigen, wie manchmal eine vereinfachende Behandlung eines Gegenstandes fruchtbarer sein kann als
—
126
—
eine Fülle geistreicher Bemerkungen, die ihn zu erschöpfen unternehmen. Ich kann nicht mehr entwickeln, wie oft gerade solche Kunstwerke, die trotz aller Bedeutung mit ihrer metrischen Form wenig unmittelbare Wirkung gewinnen, sich durch auffallende Abweichungen vom deutschen Silbenmaß hervortun. Auch verzichte ich darauf, noch solche Kunstwerke zu analysieren, die in ihrer Entfaltung die Wellenzüge immer mehr brechen, und so zu einer eigentümlichen Wirkung kommen. Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Untersuchung hat es auch keinen Wert, zu fragen, welcher Einfluß auf die künftige Dichtung einer verbesserten Einsicht in das Wesen deutschen Silbenmaßes zugesprochen werden dürfe, wie weit im besonderen der dramatische Stil sich fruchtbarer Anregung versehen könnte. Die Entwicklung der Kunst wird ihre Kraft immer aus ungebrochenen Instinkten schöpferischer Menschen gewinnen. E s ist aber nicht ausgeschlossen, daß mühseliges Eindringen in die Leistungen bevorzugter Künstler auch die Wissenschaft zu begrenzter Voraussicht künstlerischer Entwicklung einmal beschwinge.
A n h a n g I. Sarans Verslehre' und die Kunstlehre vom deutschen Silbenmaß. Franz Saran hat in seiner deutschen Verslehre eine Fülle geschichtlicher Entwicklungen übersichtlich verarbeitet, er hat eine von so hervorragenden Forschern wie Sievers begründete Methode mit Sorgfalt ausgebaut, er hat aus allen Gebieten, wo nur Rhythmus waltet, Belege gefunden, um sein Problem zu erschöpfen, und er kommt dabei in vielen Punkten zu Ergebnissen, die von den meinen abweichen. Ich bin also genötigt, meine Kunstlehre vom deutschen Silbenmaß in einigen Punkten zu verteidigen, besonders da, wo ich an Anschauungen früherer Zeiten festhalte, die Saran überwunden nennt. Daß ich mich mit breiten Abschnitten der Verslehre nicht auseinandersetze, liegt einfach daran, daß mein Thema weit enger begrenzt ist als das Sarans, nicht daran, daß ich sie nicht zu würdigen verstünde. Doch solche Würdigung ist hier nicht meine Aufgabe. Dazu bedarf das Werk Sarans meiner Feder nicht. Für ihn muß eine Einzeluntersuchung sein, was ich verteidige, welche Fruchtbarkeit für die Kunst ihr auch zukomme. Sarans Grundüberzeugung ist, „daß nur das vollkommen sinn- und stilgemäß vorgetragene, vom Ohr unbefangen aufgefaßte, lebendige Kunstwerk Gegenstand der Verslehre sei". Wenn meine Kunstlehre ihren Gegenstand abstrakter faßt, so ist das freier Vorsatz, eine andere Gebietsbestimmung. Von allem Ausdruck und seinem Einfluß auf die Zeilen, das Substrat der Wellenzüge, sehe ich ab. Indem ich aber im Experiment die Sprechfehler und die Irrtümer, die un1 F. Saran, Deutsche Verslehre (Handbuch Unterrichts Bd. III, 3). C. H. Beck, München 1907.
des
deutschen
—
128
—
befangene Ohren leicht überhören, ausschalte, hoffe ich, in meinem Rahmen dem lebendigen Kunstwerk nahezukommen, dem Kunstwerk im Munde des bedeutenden Schauspielers oder Rezitators. Um dem dichterischen Kunstwerk zum Leben zu verhelfen, gewöhnt sich ja der Schauspieler in jahrelanger mühseliger Arbeit seine individuellen Sprechfehler ab. Ihm nahezubleiben habe ich mich bemüht, indem ich meinen Beobachtungen ausgedehnte Sprechübungen unter Leitung eines bekannten Lehrers der Sprechtechnik vorangehen ließ, und dennoch fürchtete ich immer noch zu viele subjektive Eigentümlichkeiten mitberücksichtigt zu haben, zu ferngeblieben zu sein dem Ideal neuhochdeutscher reiner Bühnensprache, wie sie die Schriftsprache auf dem l'apier repräsentiert. „. . . die poetischen Werke, die dem Ohre dargeboten werden, erleben nicht oft diejenige Wiedergabe, die ihr Wesen erheischt. Denn jedermann weiß, wie selten es Schauspieler, Rezitator oder Dilettant verstehen, gebundener Rede die Form zu geben, die sie verlangt." Sarans Ansprüche gehen höher als meine, er versteht unter dem lebendigen Kunstwerk etwas Vollendeteres als ich. Über das „Wesen" des Kunstwerks sage ich hier nichts, das führt leicht zur Metaphysik. Ich frage nur: was ersetzt für Saran die Leistung des Schauspielers, das lebendige Kunstwerk, das sein Publikum ergreift? „So wird der Forscher fast immer auf das Klangbild angewiesen sein, das ihm seine akustische Phantasie entwirft und sein Mund in die Wirklichkeit überführt." Das soll also die Leistung des Schauspielers ersetzen. Ich gebe in aller Bescheidenheit zu bedenken: Wer ist im Rezitieren Fachmann, der Philologe oder der Schauspieler? Wer ist der Dilettant? Unter den drei von Saran verworfenen Vortragenden ist allemal der Dilettant der vertrauensunwürdigste, sei er Philologe, sei er Psychologe. Auf die Berücksichtigung der allerpersönlichsten Eigenheiten, Willkürlichkeiten und Fehler einzugehen, ja sie zu registrieren, sehe ich mich nicht veranlaßt. Meine Methode geht auf die Ausgleichung
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129
—
der Eigenheiten. Deshalb genügt mir meine — nicht allzu eigensinnige — Aussprache nicht, und ich versuche im Experiment ein Ideal zu erreichen. Ich weiß, das ist schwer, aber es führt ab von Emzelurteilen über persönlich belastetes Sprechen, es nähert sich dies Verfahren dem, was auch der Schauspieler erstrebt. Somit kann auch nur der Verzicht auf die Launen der Aussprache dazu führen, der wirklich lebendigen Kunst nahezukommen mit einer Lehre über die Kunst. Objektiviertes Material muß aber auch der Wissenschaft willkommen sein. Hier kann man zweien Herren dienen, dünkt mich. „Die magere Metrik der früheren Zeit mit ihren papiernen Definitionen und ihrer im Grunde immer nur schemat i c h e n , skandierenden Auffassung hat seit Sievers ihre Daseinsberechtigung verloren." So hart, wie Saran, kann ich unmöglich urteilen. Wem diente diese Metrik, und wem dient sie noch? Dem Schauspieler ist sie sichere Grundlage gewesen, wie sehr er auch durch den Ausdruck das Schema zum aufgehobenen Moment herabsetzt. Das Schema freilich ist tot; wie oft aber hat es der Geist der großen Künstler schon belebt! Ich erkenne es an als Vorschrift, wie gebunden werden soll, selbst da, wo es fremdländischen Zwang mitbringt. Aber auch, um darzustellen, was der belebende und beseelende Geist aus dem Schema verwirklichend gemacht hat, möchte ich die Skansion nicht missen. Ich skandire die Wellenzüge, weil Skansion Übersichtlichkeit ist, entstanden aus einer abgeklärten Kultur, die gewiß nicht skandierend gesprochen hat, weil sie skandierend eingeteilt hat. Den Ausdruck, den viel konkreteren, kann und soll man wissenschaftlich behandeln, darin bin ich mit Saran einig. Aber die abstrakte Regel muß man darum nicht verwerfen. Auch die Naturwissenschaft ist erst fruchtbar, seit sie „skandiert", isoliert, und die Fülle des Konkreten methodisch einengt. Die „unbefangene" Beobachtung ergibt nur eine unabsehbare Menge oft geistreichster Aussprüche (also nicht ohne weiteres Wissenschaft) oder Einzelurteile über das besondere Konkrete (also Kenntnis, nicht H o h n , Der deutsche Rhythmus.
C)
—
130
—
Erkenntnis, Wissen, noch nicht Wissenschaft). Aus dieser Einsicht heraus skandiere ich und a c h t e die Schriftsprache, die „papierne", ohne das „Papier" als Ausgang zu nehmen. Und demnach halte ich die Wellenzüge für daseinsberechtigt und übersichtlich. W a r u m ich „die antiken Begriffe" meide, habe ich im Vorwort begründet. Weil ich das, was Vorsatz der klassischen Kunst war, von dem trennen wollte, was unter der Hand daraus geworden ist. Der Vorsatz sprach sich gerne in antiken Begriffen aus. „Warum darf man den Iwein oder Schillers Dramen nicht wie die Kinder ihre Auszählsprüchc im 4 / 4 Takt hersagen?" Man darf es nicht, das ist sicher. Ich frage dagegen: Gesetzt, es machte die abstrakte Gliederung übersichtlich und eindeutig — warum darf man Iwein nicht im 4 /< T a k t einteilen? Vielleicht, daß man die Kunstlehre von Ausdruck, Aufbau und Vortrag dadurch auf sichere Grundlagen stellte. „Warum zerstört andrerseits der Schauspieler meist das Metrum der Verse und bildet Rhythmen, die es eigentlich nicht geben kann?" Aber es gibt keine Rhythmen, die es eigentlich nicht geben kann. Am allerwenigsten, wenn eine Theorie dem Walten guter mimischer Instinkte etwas verbieten will. „Rhythmik, Sprachklanglehre, Verzierungslehre, Melodik sind also Teile der Verslehre." 1 Wenn ich die drei letzten Momente nicht berücksichtige, so geschieht das, weil ich sie zur Darstellung des Gesetzes von der E r haltung der Wellenzüge füglich entbehren kann. Die Zwischenstufen der Betonung, die Mittel der Pluasierung, mag man allerdings Verzierung nennen. W a s ich meist Betonungsstufe und nur in den Instruktionen der Versuchspersonen Akzent nenne, wird unter allen Definitionen, die Saran in seiner Geschichte des Begriffs Akzent zusammenstellt, am besten getroffen von der 1
S. 3.
—
131
—
Beschreibung des Abbé Scoppa: un appui, un coup, un esprit de la voix, qui domine sur une des syllabes de chaque mot 1 . E s stimmt mit der Selbstbeobachtung einer meiner geübtesten Versuchspersonen zusammen, daß in der nur vorgestellten Rede die betonte Silbe Aktenergie (un esprit d'énergie) habe. „Wir sehen durch die oben S. 18 angestellten Versuche, daß . . . wichtigere Silben durchaus nicht, wie man meist glaubt, . . . lauter gesprochen werden müssen als die minder wichtigen." 2 Demgegenüber bemerke ich, daß ich ruhig dabei beharren kann, die Intensität des Tones (also des silbenbeherrschenden Sonanten) als differentia specifica der Betonungsstufe beizubehalten. Im lebendigen Kunstwerk, wie es der gute Schauspieler vermittelt, und im Sprechen des Alltags ist die wichtigere Silbe, die von höherem Sinnwert, lauter als die unwichtigeren. „Gewisse mittel- und süddeutsche Mundarten . . . legen die Hauptsilbe der Worte tief, die Nebensilben höher. " 3 Daß sie aber dann den tieferen Ton weniger intensiv machten als den höheren, ist kaum anzunehmen. Lautheit und Betonungsstufe können also wohl wie wesentliches Merkmal und Begriff in die Definition eingehen. „Man schalte die Stimmtöne durch Flüstern aus, und der Sprachakzent bleibt ungestört." 3 Gewiß; aber die überwiegende Intensität der wichtigeren Silben auch. „Die Druckstärke läßt sich nivellieren, wenn man eine Sprechmaschine benützt. Die Sprache wird auf derselben eintönig und kindlich, aber der Akzent bleibt erkennbar." 3 Das ist kein Einwand gegen meine Bestimmung. Mir liegt nicht daran, eine Kunstlehre für Sprechmaschinen zu schreiben, weil Sprechmaschinen kein lebendiges Kunstwerk vermitteln. „. . . wenn man sich die Sprechmaschine flüsternd und nach dem Metronom sillabierend vorstellt: immer bleibt 1 3
S. 11/12. S. 18.
s
Vgl. S. 20.
9*
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132
—
Sprachakzent, wenn auch stark modifiziert." 1 Was bei künstlichen Substitutionen an Stelle der Lautintensität tritt, welches Empfindungsgebiet den esprit d'energie Scoppas dann veranschaulicht, ist ein Problem für die Psychologie, nicht für die Kunstlehre. Genug, der Akzent wird doch modifiziert, er bekommt neue Merkmale. Was dann man immer Akzent nennen möge, Betonungsstufe ist es nicht mehr, wenn die Intensität schwindet. Wenn ich in den Instruktionen von Akzent im Sinne der Lautheit rede, so geschieht es, weil „man meist glaubt" 2 , sie sei wesentliches Merkmal. Immerhin, sobald ich den Begriff der Betonungsstufe bilde, scheide ich aus dem Kampfe um den Begriff Akzent aus. Nur das Recht, die Intensität als wichtigstes Moment auch im rhythmischen Silbenmatt zu setzen, lasse ich mir nicht verkümmern. „Man versuche mit geschlossenen Lippen und feststehender Zunge ,deutlich' zu sprechen. . . . der Akzent . . . bleibt erkennbar, . . ., mag auch noch so viel vom Akzent verloren gehen." 3 Von dem, was ich Betonungsstufe nenne, darf nichts verloren gehen, sonst ist sie mir nicht mehr Betonungsstufe. „Akzent ist als Seele der Rede etwas, wras nicht mit der phonetischen Materie identisch ist." „Seele der Rede" kann auch alles sein, was sie als Ausdruck belebt. Ich gehe niemals so weit mit der Ausdehnung meines Begriffs der Betonungsstufe; wenn ihr etwas nicht phonetisch Seelenhaftes zugeordnet sein soll, so ist es der Sinnwert. Alles in allem, an den wenigen Orten, wo ich einmal Akzent sage, meine ich immer nur Betonungstufe ohne Einbeziehung der Dauer und vieler Merkmale, die Sarans Akzentbegriff aufbauen. Diese seltenen Stellen können nicht zu Mißverständnissen über die Betonungsstufe führen. Damit ist nichts gesagt, was Sarans Akzentbegriff als solchen befehdete, noch weniger etwas gegen die Trennung von Akzent und „Faktoren". Nur, daß mein Begriff der Betonungsstufe ' S. 18.
2
S. 20.
3
S. 19.
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133
—
durch keine von Sarans Bemerkungen über den Akzent gefährdet wird, habe ich zeigen wollen. „Die Sprachform ist durchaus nichts so Konstantes, wie der Grammatiker gern stillschweigend voraussetzt." 1 Um das zu beweisen, bittet Saran, einen Satz in allen möglichen Stimmungslagen zu lesen, und er macht solche namhaft. „Stets ändert sich die ganze Sprachform.'' 1 Hier sieht man den ganzen Unterschied zweier Methoden, die in Verslehre und Silbenmaßlehre nebeneinander stehen. Ich schaffe mir mit einem Schlage ein Material, woraus alle diese Ausdrucksdifferenz beseitigt wird. Ich schaffe mir es, wie auch Meumann tut, wenn ich das Rhythmizomenon deutscher Dichtung, die Zeile, zu Grunde lege. (Hier zeigt sich, wio vorsichtig man sein muß, wenn man versucht, Sarans Ergebnisse gegen meine auszuspielen. Unsere Gegenstände sind verschieden. Das ist der allgemeine Grund, warum ich mich gegen ein Werk verteidigen muß, das als solches anzugreifen nie in meiner Absicht gelegen hat.) Saran beobachtet den Satz: Ich habe das Zutrauen zu Ihnen verloren. Das ist sein Gegenstand. Er kann versucht sein, das „ärgerlich" oder „kummervoll" zu sprechen. Mein Gegenstand wären zwei Zeilen, beherrscht von je einem Sinngipfel: 1) Ich habe das Zutrauv, 2) zu Ihnen verloren. Es ist eben möglich — und das beachtet zu haben, freut mich — jederzeit das Substrat der Bedeutung vom Substrat der Betonung zu trennen. Besteht doch stets zwischen ihnen eine wohl auflösbare Diskrepanz. Sie besteht zwischen Satzteil und Zeile, Wort und Welle, Silbe und Wurzel. Nur die Verschiebung der Aufmerksamkeit macht es psychologisch möglich, zwei Momente gegeneinander zu isolieren, die in der Sprache sonst zur Verschlingung schlechthin kommen: Bedeutung und Betonung. Bei Beobachtung von Zeilen fällt der Ausdruck weg, unversehrt bleibt das Substrat des metrischen Wettstreits übrig. Alles, was bei Saran „ethisch" heißt, was „von der Gemütslage abhängt" 2 , 1
S. 27.
2
S. 28.
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134
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fällt aus meinem Gebiete heraus, nur auf der Begriffsgrenze, im Begriff des Sinngipfels spielt es einmal herein. Daß die Auffassung eines Satzes die Zeileneinteilung bestimmt, gehört dahin. „Man lese einen Text Wort für Wort genau, ermittle durch philologische Interpretation Sinn und Stimmung des Ganzen, man versetze sich, so weit als man nur kann, in die Situation und man wird fühlen, wie vom Texte ein . . . Zwang ausgeht, der viele Vortragsmöglichkeiten sofort beseitigt und den Umfang des Richtigen eng umgrenzt, viel enger, als man anfänglich geglaubt." 1 Das ist richtig, nämlich in den Grenzen, die der philologischen Interpretation unübersteiglich gezogen sind. Viele Auffassungen werden ausgeschlossen, so viel ist wahr. Aber nimmermehr bleibt die allein seligmachende übrig. Es ist z. B. für die philologische Interpretation unmöglich zu entscheiden, ob Kainz den Hamlet besser Vortrug, als es Moissi tut. Sie wird sich doch nicht zum Schulmeister über urwüchsige Helden des Bühneninstinkts aufwerfen wollen, etwa über Mitterwurzer. Sie würde damit so wenig Erfolg haben, wie die psychologische Analyse. Unter wenigen richtigen Auffassungen wird es immer so bleiben: Deutung gegen Deutung. Es sei denn, ein Dichter dekretierte durch genaue Bezeichnung von Sinngipfel und Zwischenstufen der Betonung s e i n e Auffassung. Gibt es aber mehrere gleichberechtigte, weil nicht abzuweisende, Hamletauffassungen, so wird auch „Gliederung, Melos, Sprachklang, alles . . . sich verschieben" 2 , was für Saran von unendlich größerer Bedeutung ist als für mich. Die auf S. 36—39 ausgeführte Analyse eines Prosabeispiels würde für Schauspieler eine Beispielsammlung von Sprechfehlern bedeuten. Wollte man so auf der Bühne sprechen, man würde in den mittleren Reihen des Parketts schon nicht mehr verständlich sein. Die „papierne" Silbentrennung, der ich mich durchaus anschließe, ist ein ganz 1
Vgl. S. 30.
2
Vgl. S. 27.
—
135
—
genaues Abbild der Silbentrennung, die das lebendige Kunstwerk will. Wer ein Semester bei einem bedeutenden Schauspieler Unterricht genossen hat, muß wissen, wie ängstlich der Schüler auf die papierne Silbentrennung achthaben muß, damit er lerne, verständlich zu werden. Wer in Sinn und Verständnis die Pause zwischen den Worten verschleifen würde, den müßte der Regisseur von Rechts wegen unterbrechen. Man sehe z. B., wie Ernst v. Possart, vielleicht zurzeit der größte Techniker des Sprechens, darauf dringt, daß man statt aitfindung wirklich Auffindung spreche. Wer statt hiit-ten: hüttun, hätton, hättan, hiittin, hiittün oder hättn im Unterricht vorbringen wollte, der müßte auf scharfe Rüge gefaßt sein. Ich höre Georg Otto König (in München) noch immer unermüdlich nachahmen: hättn? Da ich also, wo unter den bedeutenderen Lehrern wie Palleske, Benedix und Possart Übereinstimmung herrscht über das, was in der Bühnensprache Fehler ist, nur der Bühnensprache folge, bleibe ich dabei: Weltcr-o-be-rer und nicht anders zu trennen, Welt-e-po-chcn und niemals Wül-te-pochn als Kunstsprache zu Grunde zu legen. Auch werde ich fortfahren, jeden Rezitator, der zwischen liegt und die nicht leise absetzen kann, für unausgebildet zu halten; dergleichen lehrt Übung beherrschen. Nach Saran „müssen ,reine' und ,ethische' Schwere unterschieden und zunächst die Gesetze der ersteren ermittelt werden. Daß für diesen Zweck die ruhige, sachliche Prosa Grundlage der Untersuchung bilden müsse, ist bereits nachgewiesen". Keineswegs. Nachgewiesen ist nur, daß sie es könne, aber nicht, daß sie es allein könne oder gar müsse. Ich brauche nur an Meumanns Rhythmizomenon zu erinnern, um zu zeigen, daß sehr wohl die Zeile, auch aus gebundener Dichtung, dazu dienen kann. . . der Vers eines Dichters spiegelt mehr oder weniger doch den Akzent seines Heimatdialektes: er wird darum erst dann voll verstanden, wenn man beim Vorlasen nicht einfach die ,normale' Kunstsprache des 20. Jahrhunderts substituiert, sondern wenn man versucht, den ak-
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136
—
zentuellen Besonderheiten der betreffenden Mundart Rechnung zu t r a g e n . " 1 Warum nicht bei lebenden Dichtern auch gleich ihren ganz privaten Eigentümlichkeiten? W a s immer Verslehre sei — meine Silbenmaßlehre bescheidet sich mit Bestimmungen, die f ü r alle Dichter deutscher Zunge gelten. Dabei kann wenigstens allgemein gültige Erkenntnis entspringen. Irrtümer vorbehalten, habe ich dabei doch Aussicht, mich nicht in einer unübersehbaren und unzusammenhängenden Fülle des Einzelnsten zu verlieren. Ich habe mir keine endlose Aufgabe gestellt, die in die erdrückende „schlechte Unendlichkeit" immer wieder verzweigter Sprachbesonderung verführt. Eine „normale" Kunstsprache, falls darunter ein Kompromiß aller Dialekte oder ähnliches soll verstanden werden, ist gleicliwolil meiner Betrachtung fremd. Das Ideal der neuhochdeutschen Kunstsprache aber gewährt so viele eindeutige Bestimmungen, daß man besser mit ihm arbeiten kann, als mit vielen Dialekten, die man „beim Vorlesen" doch nicht herausbringt, es sei denn nach jahrelanger Anstrengung. Das gilt natürlich alles nicht für Dialektpoesie. Aber ich beschränke mich vorsätzlich auf die Schriftsprache. „Man darf jede Silbe für sich wägen, ohne Rücksicht darauf, ob sie im Zusammenhange eines W o r t e s oder Taktes steht, und dann in eine für den Satz, ja die Rede allgemein gültige Schwereskala einordnen." 2 Das gilt für Betonungsstufen n i c h t ; es sei denn, man supponiert ideale Zeilen. „Spreche ich die Stichworte lexikalischer Artikel hintereinander, z. B. Apfel, aber, an, Amt, albern, der, sie, ihn, bin, werden, heizen usw., so sind die Hauptsilben alle gleich schwer. Niemand fühlt den Zwang, etwa ihn und an leichter zu nehmen als werden, Apfel, Amt oder albern."3 Das unterschreibe ich und begrüße es als willkommene Bestätigung meiner Lehre von der Relativität der Betonungsstufen, auf die es hier schließlich hinausläuft. Allerdings fehlt die wichtige Bestimmung eines Wettstreits der ' S. 40.
5
S. 41/42.
» S. 43/44.
—
137
—
Sinnwertstufen um die Betonungsstufen, sie fehlt zusamt den Rhythmizomenen der deutschen Dichtung, der vollständigen und der besonderen Zeile. „Ein solcher Zwang" — nämlich ihn leichter zu nehmen als die Hauptsilbe von albern — „müßte aber doch gefühlt werden, wenn jede Wortklasse als solche ihre bestimmte Schwere hätte." 1 Sie hat „als solche" nur ihren bestimmten Sinnwert. Wenn aber die Betonungsstufe, wie hier die Schwere, vom Sinnwert nicht unmittelbar abhängt — und sie tut das nur in vollständigen Zeilen — warum darf sie alsdann nicht mittelbar und dennoch strikte davon abhängen? Hier erweist sich die Supposition der idealen Zeilen als das sichere — alias zwingende — Kriterion der Zugehörigkeit von Sinnvalenz und Betonungsstufe. Wer dabei den Zwang nicht verspürt, der hat andere Ohren als meine sämtlichen Versuchspersonen. Darunter aber sind die meisten akustisch hervorragend begabt. „Begriffswörter und Formwörter sind an sich genau gleich schwer." Ihrem Begriffe nach: nein; — in losgelöster Existenz: ja; — aber in der höheren Einheit, worin sie aufgehoben sind, da kommt es auf ihr V e r h ä l t n i s zueinander an. Jedenfalls ist's da anders, als wenn man sie für sich isoliert. „Die akzentuelle Schwere einer Silbe ist . . . in jedem Falle der Ausdruck für die Wichtigkeit und Selbständigkeit ihrer Bedeutung im augenblicklichen Zusammenhang der Rede." 3 Die Betonungsstufe einer Silbe hängt von deren Sinnwert ab, das ist für mich der Grundsatz, der nur durch die Begriffe der Zeile und des Wettstreits erläutert werden muß, um Art und Wirksamkeit der Abhängigkeit zu ermitteln. Für meine Arbeit ist der augenblickliche Zusammenhang immer Zeile. Mit dieser Einschränkung kann ich also den Satz oben unterschreiben. „Die Grade der Schwere entsprechen also den Graden der Wichtigkeit und Verbindung der zu einer Masse ge1
S. 44.
3
S. 40.
— hörigen Bedeutungen.
138
—
Diese Wichtigkeit und Selbständig-
keit der Bedeutungen ist —
das halte man fest —
eine
ganz individuelle: sie gilt nur für den einzelnen konkreten Fall."1 für
Alsdann w ä r e es unnütz, allgemeine Bestimmungen
die
Betonungsstufen
aufsuchen
zu
wollen.
Unter-
scheidet man aber erst einmal Betonungsstufen des Silbenmaßes, die in der Zeile wirksam sind, von den Betonungsstufen
des Ausdrucks,
so
findet
man feste Gesetze
des
Silbenmaßes, für den Ausdruck aber muß man den konkreten Einzelfall wählen.
Lehre vom Silbenmaß ist dem-
nach in einem viel strengeren Sinne Wissenschaft, als das bloße
Konstatieren
akzente.
der
endlos
wechselnden
Ausdrucks-
Diese bewirken ein Maß der Betonung von Silben,
das über die von mir Hochbetont genannte Stufe hinausliegt.
Alle
Gesetze deutschen Silbenmaßes
können
aber
dieses Plus völlig vernachlässigen, da es in der Zeile selbst nicht
in
den W e t t s t r e i t
Vaters Garten, meiEs
nicht
eingreift.
meines
Im
Beispiel:
Vaters Garten
deines
sind dei- und
hochbetont, weil sie antithetisch ausgezeichnet sind. ist
wahr,
daß,
wenn
dies Beispiel Gegenstand
von
Sarans Verslehre w ä r e , die beiden Silben s t ä r k e r betont sind als Va- und Gar-,
die auch hochbetont und, weil in einer
vollständigen Zeile, hochwertig sind.
Sind sie Gegenstand
der Kunstlehre als Zeilen, dann kümmert dieses Ausdrucksplus nicht, weil
es nichts gegen und nichts für die E r -
haltung der Wellenzüge wirkt. Also selbst da, wo „emphatischer" Ausdruck eine Silbe hochbetont macht, achtet die Silbenmaßlehre die ihren Gesetzen nicht unterworfene Ausdrucksbetonung
für nichts,
betont hinausweist. stufen ansetzen, dann
soweit
sie
so vergesse man j a
grundsätzlich
noch
über Hoch-
W i l l man über Hochbetont Betonungsunter
andere
nicht, daß sie als-
konkretere
fallen, als die des Silbenmaßes sind.
Kategorien
Saran erklärt daraus,
daß in jedem Einzelfall der Bedeutungszusammenhang sich verschiebt, ' S. 46.
„die bekannte Tatsache,
daß ein und dieselbe
—
139
—
Hauptsilbc in sehr verschiedenen Schweregraden auftritt" Das ist fürs Gebiet des Silbenmaßes eine viel zu vage Bestimmung, die durch den Wettstreit und seine Entscheidung ersetzt werden muß. „In Nominalkompositen enthält die erste Silbe des ersten Bestandteils den Worigipfel, in Verbalkompositen die erste des zweiten." 4 Dann: „. . . unter den Verbalkompositen stören Ausnahmen." 3 Der Ausnahmen sind aber bedenklich viele:
1 s
„Regel":
„Ausnahme":
übersetzen wiederholen unternehmen übergehen unterbrechen überlegen überbringen überführen hintertreiben unterreden sich verplaudern verfügen vergiben unterschieben überspringen vollbringen unterstellen entlaufen widerführen widerraten übertreten Zerfällen überkümmen
Übersetzen (Saran) wiederholen annehmen (Saran) Übergehen anbrechen Überlegen hinüberbringen ausfuhren zurücktreiben zureden ausplaudern hinzufügen abgeben unterschieben beispringen entgegenbringen unterstellen davonlaufen zuwiderlaufen abraten Übertreten niederfallen vorkommen usw. usw.
S. 46. S. 48.
ä
S. 47.
—
140
—
A u s dieser Tafel geht mancherlei hervor, Sinnwertlehre zu stützen geeignet ist.
was meine
E r s t e n s ist die ge-
nannte Regel über Verbalkomposita nichtssagend.
E s gibt
viel zu viel Ausnahmen. Zweitens ist hier mit dem Unterschied von Regel und Ausnahme g a r nichts geleistet, weil beide Gruppen
ihre
Regel haben.
In allen
sogenannten
Ausnahmen ist das Formwort vom B e g r i f f s w o r t trennbar, eines von beiden bewahrt seine wörtliche Bedeutung.
Zwar
wird der Begriff des Verbums eingeengt, aber nie entsteht durch die Zusammensetzung ein völlig neuer übertragener Begriff, ein untrennbares Kompositum.
Ich gebe zu,
daß
diese Unterschiede deutlicher und undeutlicher hervortreten können,
ich kenne
wischen.
Aber
auch
Z w e i f e l s f ä l l e , wo sie sich
links in der letzten Tafel mehr Anspruch Bezeichnung
ver-
immer wird man finden, daß die Begriffe
von
übertragener
kann man mir hier vorwerfen,
haben auf
Bedeutung.
Wie
die
rasch
daß ich selbst davon die
W ö r t e r mit ver-, zcr-, cnt- als Vorsilbe ausnehmen müsse. Gewiß,
das
wollte
ich
sogar.
Für
das
heute
lebende
Sprachgefühl sind das sinnändernde Vorsilben, keine Teile einer Zusammensetzung.
- Ja, Sprachgefühl! W a s ist denn
Sprachgefühl? — Das ist meistens eine ganz lautere Quelle. W i r wissen, daß durch Präposition ist. Dergleichen wissen w i r von ver- nicht. w a s es wolle.
Mag es doch einmal gewesen
sein,
Ist der Künstler Philologe, so weiß er es
im Nebenberuf, als Künstler v e r g i ß t er das. Darum weist sein Sprachgefühl diese Bildungen nicht in eine Reihe mit den Kompositen.
Auch, wo die Bedeutung
ist, wie in entspringen, nicht
auf
Formen,
der wo
Hauptsilbe aus
unübertragen
auch da w a n k t der stärkste A k z e n t
Gründen
des
Verbums.
einer
nicht
Die
wenigen
abgeschlossenen
Sprachentwicklung Zweifel entstehen^ schrecken die Kunsttheorie nicht, weil sie ihre Mittel kennt: Anwendung ihrer Grundregeln, soweit es geht, und bleibt in einer Zeile einmal eine Silbe zweifelhaft: vergleichende Abtönung in der Zeile,
w a s unendlich leichter ist, als nur das Suchen mit
geübten Ohren.
—
141
—
„In Nominalkompositen enthält die erste Silbe des ersten Bestandteils den Wortgipfel . . . " 1 (usw.). Das ist für das Neuhochdeutsche ohne weiteres falsch. Nicht auf die erste Silbe als erste kommt es an, sondern auf die Hauptsilbe. Beispiele: Zuvorkommenheit, UnterscMagung, Verteidigungsrede, Vermhiftschluß, Übereinstimmung, Berufswahl, Gesundheitsrücksichten, Beschlußfähigkeit, Bestandteil, Verzichtleistung, Begriffsdichtung, Vollzug usw. usw. „Das Prinzip der Beschwerung des an sich ,Bedeutungsvollen' würde nur auf die Verbalkomposita passen, z. B. icidcr-sprechen\ beim Nominalkompositum versagt es, z . B . WiderspruchSaran ist hier in seiner Polemik recht unglücklich. Man könnte Verbalkompositum und Nominalkompositum geradezu vertauschen und sagen: Das Prinzip der Beschwerung des an sich Bedeutungsvollen würde nur «auf Nominalkomposita passen, z. B. Vber-zeugung, beim Verbalkompositum versagt es, z. B. ausplaudern. Aber wäre auch dieser Einwand hinfällig, auf meine Ableitung der Betonungsstufen trifft das Saransche Argument nicht zu. Ich vergleiche bei der Ableitung der Unterhochwertigkeit Spruch und Widerspruch und nenne -spruch im zweiten Fall unterhochwertig, weil Wider- seine Bedeutung determiniert und also seinen Sinnwert mindert. Dem, was die Hochwertigkeit mindert, ohne selbst an Bedeutung zu verlieren, mehr als Unterhochwertigkeit zuschreiben, heißt solch determinierende Formwörter selbst in die Sphäre der Hochwertigkeit bringen; wie denn auch geschehen ist. „. . . Übersetzen, Überlegen. Die letztere A r t von Verben kann man noch nicht einmal Komposita nennen. Es sind eigentlich noch bloße Zusammenrückungen." 2 Oben auf derselben Seite stand (man erinnert sich): „. . . unter den Verbalkompositen stören Ausnahmen wie Übersetzen." Entweder, scheint mir, ist Übersetzen (ich setze über) Kompositum, dann sind ähnlicher Ausnahmen zu viele, oder es ist (wie ich auch meine) Zusammenrückung; dann darf man 1
S. 47.
2
S. 48.
—
142
—
es nicht als Ausnahme irgend einer Regel über Verbalkomposita anführen, besonders dann nicht, wenn man nur so etwas wegbewiese. Alle von mir oben angezweifelten Regeln sind doch fürs Neuhochdeutsche aufgestellt. Erklärt werden sie von Saran genetisch und er geht dabei in urgermanische Zeit zurück. Auf alle meine Einwände darf er aber doch nicht ohne weiteres erwidern: „Wenn dann von den fertigen alten Nominal- und jüngeren Verbalkompositen Verba bzw. Substantiva neu abgeleitet wurden, behielten sie natürlich den Akzent des Grundworts." 1 Das habe ich nicht angezweifelt. Ich meine nur, daß jede dieser Ableitungen hinüber und herüber eben die alte Regel, die für die frühere Entwicklungsstufe gilt, so oft durchbricht, daß sie für die heutige Stufe eben nicht mehr gilt, nicht mehr Regel ist. Mit jeder Ableitung fällt ein Nominalkompositum — dazu wird es eben mit der Ableitung — unter die Regel für die alten Verbalkompositen und umgekehrt. Überzeugung ist doch heute wohl Nominalkompositum, durchbricht also mit sehr, sehr vielen seiner Art die sogenannte Regel von der Betonung der ersten Silbe. Der Philologe kann natürlich alles auf Regeln zurückführen, die für frühere Zustände gelten. In der Kunstlehre können solche Regeln nicht auf die lebendige Sprache bezogen werden, vielmehr gilt für sie das schwäbische Wort: Das ist ja so lange her, daß es gar nicht mehr wahr ist. „. . .: es erscheint die Hauptsilbe eines Wortes als die inhaltreichste und bedeutsamste, weil sie die schwerste ist, nicht aber erscheint sie als die schwerste, weil sie die bedeutungsvollste ist. Die Schwereregeln der deutschen Worte erklären sich rein historisch." 1 Ich denke nicht, das zu bestreiten; einer Kunstlehre kommt es aber darauf erst in zweiter Linie an. Ein anderes ist der unmittelbare Eindruck der lebenden Kunstsprache, ein anderes die geschichtliche Entstehung dieses Eindrucks. Für den ganz sicheren, sich immer mehr festigenden Eindruck eines auf1
S. 48.
—
143
—
merksamen Beobachters deutscher Zeilen ist die sogenannte Hauptsilbe im Worte die bedeutungsvollste und auch die schwerste; — weiter nichts. Was in der Entwicklung das prius, was das posterius war, mag mich für die Kunstlehre vom Silbenmaß interessieren, hineinzuschreiben brauche ich es nicht. „Man fand einen Vorzug des Deutschen gegenüber dem bewunderten Griechischen darin, daß es mit der Schwereabstufung der Silben im Worte den absoluten natürlichen Bedeutungswert derselben spiegele." 1 Das ist meine Meinung auch nicht. In meiner Darstellung schiebt sich zwischen die festen Sinnwertstufen (auf das Attribut „absolut" verzichte ich aus mehr als einem Grunde) und die Betonungsstufen der Wettstreit ein. Einfache Spiegelung^ das heißt in meiner Sprache unmittelbare Zuordnung von Sinnwert und Betonung, wird dabei auf die vollständigen Zeilen beschränkt. Im ganzen genommen wird aber der „Spiegel" genugsam getrübt. „. . . in den Abstufungen der Ilauptsilben des Satzes eine Skala der absoluten Bedeutungsweite der Wortklassen wieder finden"1, das will ich auch nicht. Dennoch stehe ich „immer noch im Bann der alten Lehre" und möchte auch Klopstocks Nähe nicht missen, wenn ich in den Abstufungen der Silben in der vollständigen Zeile eine Skala ihrer festen Sinnvalenzen wieder finde. „. . . wer der Wurzelsilbe als solcher den akzentuollen Vorzug zuspricht, steht noch immer im Bann der alten L e h r e . " 1 Ich sagte schon, wieweit ich das nicht tue. „Der Wurzelsilbe als solcher" spreche ich weder Sinnwert (absolute Bedeutung) noch bestimmte Betonung zu. Eine nicht einfache Überlegung zeigt, daß jede isolierte Silbe (d. h. „als solche" doch wohl?) indefinit betont ist. Ich sage von der Wurzelsilbe im Worte festen Sinnwert aus, in der idealen Zeile gebe ich ihr „akzentuellen Vorzug". 1
S. 47.
—
144
—
„Der Begriff der Stamm- oder Wurzelsilbe ist schon unklar." 1 Keineswegs, sobald man, wie ich immer tue, die Wurzel als Substrat des Sinnwerts, die natürliche Sprechsilbe als Substrat der Betonung hervorhebe. Wäre die Diskrepanz von Sprachsilbe und Sprechsilbe, die Saran als Ursache der Unklarheit anklagt, nicht vorhanden, so wäre es weitaus schwieriger, die Aufmerksamkeit während der Beobachtung bald auf die sinnwerthaltige Wurzel, bald auf die betonte Silbe zu richten. Als Substrat der Betonung hat sie mehr als „papiernen" Wert. Den „schwersten Teil der Silbe" nennt Saran „Silbenkamm; an ihm haftet der Eindruck der Schwere der Silbe". Ich gebe das zu, nenne aber ruhig doch die Silbe Substrat der Betonung, totum pro parto, weil Mißverständnisse dabei ausgeschlossen sind. Ebenso kann es bei währendem Vortrag mit unterlaufen, daß einmal vom Sinnwert und gleich darauf von der Betonungsstufe einer Sprechsilbe geredet wird. Das ist der Strenge nach ungenau. Unklar wird es erst, wenn man darüber die Diskrepanz vergißt. Gelegentlich kann aber der lässigere Ausdruck weniger unklar werden als der allzeit umständliche und peinliche. Die ewige Wiedererwähnung möglichen Mißverständnisses hieße ja geradezu die Leser beleidigen. „In leben ist leb- die Wurzel oder der Stamm, an dem der Sinn des Wortes haften soll. Aber die betonte Silbe ist lc-. u 2 In der Tat, so liegt die Diskrepanz. „Glaubt man im Ernst, le- sei bedeutungsvoller, inhaltsreicher als -bm?" Das wäre zwar ein absurdum, aber keine deduetio ad absurdum, le- oder -ben sind nichts mehr und nichts minder als sinnlose Silben, dem Psychologen um ihrer experimentellen Tauglichkeit wegen lieb. Etwas ganz anderes ist es, was die Kunstlehre vom deutschen Silbenmaß so ausdrückt: Im Worte leben (aber man beachte: im unzerstückten Worte) ist die Wurzel leb bedeutungsvoller, von höherer Sinnvalenz als die Endung 1
S. 47.
2
S. 42.
—
145
—
en. In der unvollständigen Zeile leben ist die Silbe lebetonter als die Silbe -ben. Ungeachtet aller Diskrepanz besteht also eine intime Abhängigkeit der Betonungsstufe vom Sinnwert, mag sie historisch zu erklären sein, wie immer sie wolle. „In lelx-ndig wird die zweite Silbe (der Grundregel zuwider) betont. Und doch haftet dem Hörer die Bedeutung im wesentlichen an dem -ben-, ohne daß ihn das im geringsten stört,." 1 Ich kann das für mich nicht bestätigen. Für mich haftet der Begriff nach wie vor an der Wurzel leb; und das um so lebhafter, da mir das ganze Wort, eben weil es dem Grundsatz aller deutschen Betonung zuwiderläuft, als Anomalon erscheint. Inkonsequent ist es übrigens, alle Sinnwertbindung an die Sprechsilbe auf Zeile 31/32 zu leugnen, um sie in Zeile 34/35 an eine solche zu binden. Wie leicht könnte man für dieses Beispiel die erste Frage umkehren. „Glaubt man im Ernst, le- sei bedeutungsvoller als -ben?" Ich sagte für mich Nein und ich begründete dies Nein. Nun frage ich für das Beispiel lebendig: Glaubt man im Ernst, -ben- sei bedeutungsvoller als le-? Non credo, quia absurdum. Aber leb ist im Worte lebendig bedeutungshaltiger als alles, was daran gehängt ist. Ferner frage ich: Ist es gerechtfertigt, aus wenigen, an den Fingern herzählbaren Ausnahmen, wie das lebendig und wahrhaftig sind, — ist es gerechtfertigt, aus seltenen und höchst auffälligen Ausnahmen Einwände gegen eine Regel herzuleiten, die für das ganze weite Gebiet der neuhochdeutschen Kunstsprache eine umfassendere Geltung hat, als unendlich viele sogenannte Regeln für Einzelfälle? Hat nicht Wustmann in seinen prächtigen „Sprachdummheiten" ähnlich wirkende Ausnahmen wie das edle selbstredend, tadellos der Friseursprache vorbehalten? „Was soll man von dem Worte Zahn denken? Die Wurzel ist hier Z-, -ahn ist alte Partizipialendung (also 1
S. 47.
Hehn,
Der deutsche
Rhythmus.
10
—
146
—
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Verweisungen. Abschlußreihe S. 89, 63—65, 78 —84, 87—93. 167. Auftakt S. 21-22, 94, 95, 98, 109. Ausnahmen S. 5—6, 48, 59, 105 —106, 117, 145, 154-155. Beharrung der Wellenzfige S. 23 - 2 4 , 38, 39, 57, 60, 65, 111 —113, 159. Betonung 8. 1—2, 12, 37, 137, 152. Betonungsstufen S. 1—4, 8—10, 30—31, 38, 103—104,114, 136, 146, 152. Dauer S. 7, 25, 66—98, 113, 147, 151. Diskrepanz der Substrate S 11, vgL 23, vgl 32-33, 133, 144. Erhaltung der Wellenzüge (.Fehler") S. 24, 36, 39, 65, 82, 91-93, 110, 112, 119—122, 124, 160. Hauptbeispiel S. 29, 31, 56, 77, 78, 85-86, 162. Hiatus 8. 69 - 70, 75, 102.
Ideale Zeilen S. 21, 31, 48, vgl. 100—101, 107, 136, 153—155, 157. Kontraktion S. 58, 102. Pause S. 110-111, 119, 120. Position S. 7, 56,58,64, 65,67—75, 101-102, 112. Sinngipfel S. 16—21, 33, 53, 95, 103, 134, vgl. 138. Sinnwert S. 5, 7, 37, 66—67, 98, 102, 132, 137, 143—146, 149, 150. Sinnwertstufen S. 6—8, 98-103, 104. Stufenverwandtschaft S. 8, 12—15, 43, 104. Wellen S. 20—23, 38, 50-51, 84 - 8 5 , 9 3 - 95,106- 110, 129. Wettstreit S. 11—15, 42—43, 104 - 1 0 5 , 133, 136—137,139,143. Zeilen S 15—19, 32-34, 95—97, 103, 133. Zwischenstufen S 48, 54, 55, 57 - 6 3 , 65, 67, 88—89,104,130.