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German Pages 274 Year 1967
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 66
Der Bereich der Regierung
Von
Georg Kassimatis
Duncker & Humblot · Berlin
Georg Kassimatis / Der Bereich der Regierung
Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 66
Recht
Der Bereich der Regierung
Von
Dr. Georg Kassimatis
DUNCKER
& HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1967 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1967 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany
Meiner
Frau
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis meiner Versuche, unter der Ära des Bonner Grundgesetzes die Spannungen zwischen Staat und Individuum zu erkennen sowie die Wehrmittel des letzteren i n einem weitgehend vollkommenen Rechtswegstaat wie die Bundesrepublik festzustellen. Dabei konnte ich mich von einer freiheitlichen und oft rein individualistischen Denkart nicht befreien. Dies widerspricht allerdings der Tendenz der geschichtlichen Staatsentwicklung, die Macht des Individuums allmählich abzuschwächen und den Staatsapparat organisatorisch zu stärken. Diesem Bedenken muß jedoch entgegengehalten werden, daß die politische W i l l k ü r allzu oft mit dem Gewand der Staatlichkeit den Lauf der Geschichte gehemmt hat. Die neuere Zeit hat uns leider viele Beispiele dafür geliefert. Die juristischen Waffen des einzelnen gegen den Staat erscheinen zwar heute als überholt, sind jedoch die einzigen Mittel, welche zum freien Lauf der Staatsentwicklung etwas beitragen können. Diese Schrift hat i m September 1965 der Juristischen Fakultät der Universität München als Dissertation vorgelegen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Staatsminister a. D. Professor Dr. Theodor Maunz, bin ich für seine Förderung wie auch für die mannigfaltigen Anregungen zum tiefen Dank verpflichtet. Z u danken habe ich auch Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann für die Aufnahme der Arbeit in sein Verlagsprogramm. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis Ende 1964 berücksichtigt; spätere Entscheidungen und Veröffentlichungen konnten nur vereinzelt eingearbeitet werden. Athen, i m Oktober 1967 Georg Kassimatis
Inhaltsverzeichnis Einleitung Erster
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Teil
Begriff und Wesen des Regierens § 1. Zur Wortbedeutung
der Regierung
§ 2. Eine kurze geschichtliche
Einführung
23 25
A. Allgemeines
25
B. England
25
C. Frankreich I. Montesquieu I I . Rousseau I I I . Constant D. Deutschland
26 26 27 28 28
§ 3. Das Regieren als leitende Tätigkeit 1. Das Regieren als Richtunggeben — Führung 2. Die Beziehung auf das Staatsganze — Das Regieren als Verkörperung u n d dynamische Konkretisierung des Staatswillens .. 3. Die Situationsbezogenheit des Regierens — Das Verhältnis z w i schen Voraussehbarkeit u n d Unvoraussehbarkeit als Basis des Verhältnisses zwischen Normierbarkeit u n d Unnormierbarkeit — Normierbarkeit u n d Normiertheit (materielle u. formelle Normierbarkeit) 4. Die materielle Selbständigkeit des Regierens — Die Regierung als Konkretisierung individuellen Willens — Dualismus des Staatswillens 5. Das Regieren als Planen — Die Information als T e i l des Regierens 6. Die Regierung als Regulator — Wachsen des Regierens — „Säkularisation" des Regierens
30 30
39
§ 4. Das Regieren als Ermessenstätigkeit
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31
32
35 38
I. Ermessen. Entwicklung der Ermessenslehre i m Rahmen des Verwaltungsrechts
42
I I . Gültigkeit der Ergebnisse der Verwaltungsermessenslehre für das Regierungsermessen — Zwischen Verwaltungs- u n d Regierungsermessen n u r quantitativer Unterschiede
45
§ 5. Der Begriff des Politischen und sein Verhältnis zum Regieren 1. Die Vieldeutigkeit des Politischen i n der Theorie u n d der Rechtssetzung
47 47
10
nsverzeichnis 2. Lehre Smends — Das Politische als Wesenselement der Regierung — Herrschende Lehre 3. Die Auffassung: alles Staatliche sei politisch 4. Lehre Schmitts 5. Ergebnis: das Politische kein Wesensmerkmal — n u r ein modus significandi
50 50 51 52
§ 6. Zum Begriff des Regierens 54 A. Die Regierung i m materiellen Sinne 54 B. Die Regierung i m organisatorischen Sinne 55 1. Notwendigkeit der Lokalisierung des Regierens auf wenige Personen — Weiter Begriff der Regierung i m organisatorischen Sinne 55 2. Das Staatsoberhaupt 57 3. Die Regierung i.e.S. — Zuständigkeitsvermutung i n Regierungssachen — Kollegial-, Kanzler- u. Ressortprinzip 58 C. Die Regierung i m funktionellen Sinne 59 1. Die Regierungstätigkeit i m funktionellen Sinne als materielles Regieren, Verwaltung u. Gesetzgebung — Das Phänomen der Durchkreuzung der Funktionen 59 2. Die Vermehrung der Regierungsfunktionen der Legislative — Das Gegengewicht: Die Gesetzesinitiative der Regierung — Gefahren aus der Gesetzesinitiative 60 3. Funktionelle Beziehung zwischen Regierung u n d Verwaltung — Zunehmende Übernahme v o n Verwaltungsangelegenheiten durch die Regierungsorgane — U m w a n d l u n g des Regierens i n Verwalten 61 § 7. Zum Einordnungsproblem der Regierung 1. Lehre von der „vierten Gewalt" — Lehre von der Verfassungsvollziehung — Gregner der „vierten Gewalt" — Regierung, Teil der Exekutive 2. Die Schemata: Verwaltung = Vollziehung + Regierung u n d Exek u t i v e = Regierung + V e r w a l t u n g 3. Dogmatische Würdigung des Problems — Die Einordnung der Regierung, Sache der Geschichte § 8. Die Regierungsakte in der Theorie A. Allgemeines B. Die Regierungsakte i n Frankreich I. Entstehung u. Entwicklung der „théorie des actes de gouvernement" I I . Lehren v o n materiellem K r i t e r i u m 1. „Mobile politique" 2. Lehre von der politischen N a t u r des Regierungsaktes . . 3. Lehre von der „vierten F u n k t i o n " 4. Ermessenslehre I I I . Lehren v o n formalem K r i t e r i u m 1. Enumerationsmethode — P r ä j u d i z - K r i t e r i u m — „ A b n o r mitätslehre" — Regierungsaktkatalog
62
62 65 65 68 68 70 70 71 71 72 73 74 75 75
nsverzeichnis
IV.
C. Die I.
II.
2. Theorie der unmittelbaren Verfassungsvollziehung 3. Rechtspositivistische Auffassung — Ermessenslehre 4. Regierungs- u. Regierungsdurchführungsakte 5. Lehre von den „actes mixtes" Gegner des Regierungsaktes (théories négatrices) 1. Frühere Gegner 2. Neuere Gegner Regierungsakte i n Deutschland Die Regierungsakte i n der gerichtlichen Praxis 1. 18. Jahrhundert 2. 19. Jahrhundert 3. 20. Jahrhundert bis zum 2. Weltkrieg 4. Nach dem 2. Weltkrieg Die Regierungsakte i n der Lehre 1. Die Lehre des liberalen Konstitutionalismus u n d Rechtsstaates 2. Die Lehre zwischen den zwei Weltkriegen — Ipsen 3. Die Lehre nach dem zweiten Weltkrieg
81 81 83 83 84 84 84 85 85 85 85 86 86 86 des 86 87 87
D. Dogmatische Betrachtung der Regierungsakte 88 I. Kritische Würdigung der Lehren 88 1. K r i t i k an den Lehren, die das K r i t e r i u m auf Rechtsnorm abstellen 88 2. K r i t i k an den Lehren, die das erlassende Staatsorgan als maßgebend betrachten 89 I I . Die Suche nach materiellem K r i t e r i u m — Die Regierungsakte inhaltlich bestimmbar — Die Regierungsakte gehören zum materiellen Verfassungsbegriff — Die Regierungsakte erlassen n u r Verfassungsorgane. Das K r i t e r i u m liegt i n ihrem Wesen u n d w i r d durch das Verfassungsrecht juristisch ermittelt 90 § 9. Die Regierungsakte
im Bereich des Rechts
92
A. Allgemeine Betrachtungen 92 I. Dogmatische Abtrennung des Regierungsbereichs i m Recht 92 1. Die Unterscheidung zwischen Ermessens- u n d Vollzugsakten (vertikale Teilung) 92 2. Unterscheidung zwischen verfassungs- u n d verwaltungsrechtlichem Bereich (horizontale Teilung) 92 3. Ausscheidung von dem verfassungsrechtlichen Ermessensbereich des Rechtssetzungsbereichs 93 4. Die Regierungsakte als die Ermessensakte des Verfassungsbereichs — S i e werden von allen Verfassungsorganen erlassen 93 I I . Empfiehlt es sich, einen Regierungsaktkatalog aufzustellen? Probleme bei der Aufstellung 94 1. Das Phänomen der A u f t e i l u n g der Regierungssachen auf alle Verfassungsorgane 94 2. Die Tendenz der „Verrechtlichung" des Regierens — verfassungsrechtliche Vollzugsakte 95 3. Verfassungsrechtliche Feststellungsakte 96
12
nsverzeichnis
B. Die I. II. III. IV. V.
4. Verfassungsrechtliche Organisationsakte 5. Akte, die die Beziehungen der Verfassungsorgane betreffen — Kontrollakte 6. Schwierigkeiten aus der Verwaltungsfunktion der Regierungsorgane — Verwaltungsakte der Regierungsorgane .. 7. Katalog — Nicht mitumfaßte A k t e Regierungsakte des Grundgesetzes Regierungsakte der Regierungsorgane Regierungsakte des Bundespräsidenten Regierungsakte des Bundestages Regierungsakte des Bundesrates Regierungsakte anderer Verfassungsorgane und der Länder nach dem Grundgesetz Zweiter
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Teil
Die Grenzen des Regierens und ihre gerichtliche Kontrolle §10. Gebundenheit der Regierung A. Außerrechtliche Grenzen des Regierens I. Ethische Bindung des Regierens 1. Nicht-Moralität des Regierens 2. Die Regierungsethik (politische Moral) I I . Die Zweckmäßigkeitsbindung des Regierens 1. Die Bindung des Regierens an seinen Zweck — Inneres Verhältnis zwischen Zweckmäßigkeit u n d Rechtmäßigkeit — Ermessensspielraum als Begegnungsbereich der Rechtmäßigkeit u n d Zweckmäßigkeit 2. Die Bindung an die Pflicht zur Auswahl des zweckmäßigsten Mittels 3. Die B i n d u n g der freien Staatstätigkeit durch ihre Staatlichkeit B. Rechtliche Grenzen des Regierens I. Betrachtungen zu den allgemeinen Grundlagen der rechtlichen Bindung des Regierens 1. Die Grundlage der Rechtsstaatlichkeit — K e i n Gegensatz zwischen Regierung u n d Recht — Die Herrrschaft des allgemeinen Willens 2. Das Regieren als substituierter individueller Wille — Die Rechtsfreiheit des Regierens kein Überbleibsel des A b solutismus 3. Der Bereich des Regierens u n d der Bereich des Rechts — Die Gebundenheit der Regierung — Keine sachliche V o l l ziehung, sondern Umgrenzung 4. Die Überlegenheit des allgemeinen Willens — Veranker u n g i m Grundgesetz 5. Rechtmäßigkeitsgrundsatz — Grundlegend auch für die Gebundenheit der Regierung I I . Die verschiedenen Gruppen der positivrechtlichen Grenzen des Regierens 1. Die Kompetenzbestimmungen — Formelle u n d sachliche Umgrenzung durch die Kompetenznormen
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136 138 139 140 140
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nsverzeichnis 2. 3. 4. 5.
Die Grundentscheidungen der Verfassung Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatsphäre Andere Verfassungsbindungen Begrenzung durch das Recht a) Allgemeine Gesetze b) Speziai- u n d Individualgesetze c) Die polizeiliche Generalklausel 6. Das Völkerrecht 7. Die rechtlichen Grenzen des Ermessens a) Äußere Grenzen — Ermessensüberschreitung b) Innere Grenzen — W i l l k ü r v e r b o t — Ermessensmißbrauch — Freies Belieben §11. Theoretische
Betrachtung
der Justiziabilitätsfrage
I. Allgemeine Grundlagen der Justiziabilität 1. Justiziabilitätsfrage — materielle u. formale Injustiziabilität 2. „Rechtsleerer Raum" — „gewollter" und „nichtgewollter" rechtsfreier Raum — Praktische Bedeutung der Unterscheidung 3. Justiziabilität — Die Justiziabilitätsfrage als verfahrensrechtliche Frage — Der innere Widerspruch der Gegner der Justiziabilität der Regierungsakte — Die (In)justiziabilitätsfrage als eine Frage nicht der Normierbarkeit, sondern der Prüf barkeit 4. Die (In)Justiziabilität der Regierungsakte I I . Über die Rechtsfreiheit der Regierungsakte 1. Erscheinungsformen der Rechtsfreiheit — Die Rechtsfreiheit bei außerordentlichen Zuständen 2. Das Ermessen als „gewollte" Rechtsfreiheit — Unterscheidung zwischen Ermessens- und Rechtsfrage — Die „politische N a t u r " i m Sinne des Ermessens 3. Die Lehren, die die Injustiziabilität auf der „politischen N a t u r " der Regierungsakte begründen — Ipsen — Schneider 4. Das Qualifikationsproblem 5. Die Rechtsfreiheit historisch ungerechtfertigt u n d verfassungsrechtlich unzulässig 6. Die materielle Injustiziabilität (Rechtsfreiheit) rechtlichbegrifflich unhaltbar I I I . Über die Gerichtsfreiheit der Regierungsakte 1. Die Justiziabilitätsfrage i m Betrachtungsfeld der Rechtsprechung — Gibt es gerichtsfreie Hoheitsakte? a) Die Stellungnahme des Conseil d'Etat b) Die Stellungnahme des Staatsgerichtshofs c) Ergebnis aus der Judikatur: Die Justiziabilitätsfrage als Zuständigkeitsfrage 2. Die Justiziabilität der Regierungsakte als Ge- oder Verbot der Verfassung a) Das Gewaltenteilungsprinzip, k e i n Hindernis für die Justiziabilität
148 149 150 151 151 152 152 153 154 154 156 160 160 160
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167 168 169 169 170 171 171 171 172 172 173
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nsverzeichnis b) Rechtsstaatlichkeit, kein Gebot zur Justiziabilität c) Ergebnis: Die Justiziabilitätsfrage als Organisations frage der Justiz 3. Die Ausdehnung der Justiz rechtspolitisch gesehen a) Bedenken i n der Weimarer Zeit b) Bedenken unter der Geltung des Grundgesetzes — Polemiker der Ausdehnung 4. Die Gefahren der Juridifizierung der P o l i t i k u n d der Politisierung der Justiz, k e i n genügender G r u n d f ü r die Justizfreiheit der Regierungsakte 5. Die Bekämpfung der Gefahren als Organisationsfrage — Der Weg der Ausbalancierung der P o l i t i k u n d der Justiz
§12. Verwaltungsgerichtsbarkeit
und Regierungsbereich
1. § 40 Abs. 1 Satz 1 V e r w G O — „öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher A r t " — Die „verfassungsrechtlichen Streitigkeiten" als materiell-rechtliche Kategorie 2. Die Lehre der materiellen verfassungsrechtlichen Streitigkeiten (Thoma - Friesenhahn) 3. Würdigung der Lehre 4. Die Bedeutung des Ausdrucks: „Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher A r t " i n § 40 VerwGO 5. Die Streitigkeiten aus Regierungsakten als „Streitigkeiten verfassungsrechtlicher A r t " — Ausschluß der Verwaltungsgerichtsbarkeit — Die Verfassungsbeschwerde gegen Regierungsakte als materielle Verfassungsgerichtsbarkeit 6. Ergebnisse §13. Verfassungsgerichtsbarkeit und Regierungsbereich I. Allgemeines über die Verfassungsgerichtsbarkeit 1. Die Verfassungsgerichtsbarkeit eine begrenzte Gerichtsbarkeit 2. Allgemeines über die Prozeßvoraussetzungen der Verfassungsgerichtsbarkeit 3. Die Aufzählung der A r t e n der Verfassungsgerichtsbarkeit . . I I . Die Prozeßvoraussetzungen f ü r die Bundesverfassungsgerichtsbarkeit i n bezug auf die Nachprüfung der Regierungsakte 1. N u r eine allgemeine Prozeßvoraussetzung: Die Gerichtsbarkeit i n räumlicher u n d sachlicher Hinsicht 2. Die räumlichen Grenzen der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit 3. Die sachlichen Grenzen der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit a) P r ü f i m g n u r der Rechtmäßigkeit b) Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen eine weitere Begrenzung I I I . Die f ü r die Nachprüfung der Regierungsakte relevanten A r t e n der Bundes Verfassungsgerichtsbarkeit 1. Organstreitigkeiten a) Gegenstand b) Prozeß Voraussetzungen aa) Parteifähigkeit
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nsverzeichnis
2.
3.
4. 5. 6. 7.
bb) Die Prozeßführungsbefugnis 200 cc) Das Rechtsschutzbedürfnis 201 Streitigkeiten zwischen B u n d u n d Ländern 201 a) Einberufung des B V e r f G nach A r t . 84 Abs. 4 Satz 2 GG 201 aa) Gegenstand 201 bb) Gerichtsbarkeit i n sachlicher Hinsicht 201 cc) Parteifähigkeit 202 dd) Rechtsschutzbedürfnis 202 ee) Mängelrügeverfaihren als Prozeßvoraussetzung 202 b) Übrige Fälle 202 aa) Gegenstand 203 bb) Gerichtsbarkeit i n sachlicher Hinsicht 203 cc) Parteifähigkeit 203 dd) Rechtsschutzbedürfnis 203 Die subsidiäre Verfassungsgerichtsbarkeit 204 a) Gegenstand 204 b) Parteifähigkeit 204 c) Rechtsschutzbedürfnis 204 Die Präsidentenanklage 205 Die abstrakte Normenkontrolle 205 Konkrete Normenkontrolle 208 Die Verfassungsbeschwerde 208 a) Gegenstand 208 b) Parteifähigkeit 208 c) Prozeßfähigkeit 209 d) Rechtsschutzbedürfnis 209 e) Die Kassationsbefugnis des B V e r f G 210
§14. Rechtsweggarantie
und Regierungsbereich
I. Allgemeine Betrachtungen 1. Bedeutung des A r t . 19 Abs. 4 — Voraussetzungen 2. Das Subordinationsprinzip als Grundlage des Rechtsschutzes durch A r t . 19 Abs. 4 3. Extensive Auslegung der „öffentlichen Gewalt" — Einbeziehung der Regierung — Regierungsakte 4. Die schutzwürdigen „Rechte" — Die „Verletzung" — Die Verletzimg durch Regierungsakte — Fehlerhafte Ermessensausübung — Bedeutung des Rechtes auf fehlerfreien Ermessensgebrauch 5. Die Rechtswidrigkeit, keine Voraussetzung I I . Die Rechtswege unter dem Aspekt der Rechtsweggarantie bei dem Rechtsschutz vor Regierungsakten 1. A r t . 19 Abs. 4, kein verfahrensrechtlicher Satz — Ausnahme: Satz 2 — A r t . 19 Abs. 4, keine Bestimmung über die Form des Gerichtsschutzes und über das Verfahren 2. Rechtsweggarantie u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit beim Schutz vor Regierungsakten 3. Rechtsweggarantie u n d Verfassungsgerichtsbarkeit beim Schutze vor Regierungsakten 4. Rechtsweggarantie u n d ordentlicher Rechtsweg beim Schutze vor Regierungsakten
211 211 211 213 213
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219 220 220 222
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nsverzeichnis
§15. Staatshaftung für Regierungsakte I. Allgemeine Betrachtungen 1. Die Frage der Entschädigungspflichten des Staates aus Regierungsakten, keine Justiziabilitätsfrage — Der Rechtsschutz — Oberbegriff der Ersatzpflichten u n d der Justiziabilität . . 2. Der Begriff des „Eingriffs" — Die Heranziehung des Begriffes der „Nebenwirkungen" 3. Unterscheidung zwischen rechtswidrigen u n d rechtmäßigen hoheitlichen Handlungen — Schuldhafte u n d schuldlose Handlungen 4. Entschädigungspflichten aus Regierungsermessensakten — Unterlassungen bei Regierungsermessensausübung 5. Die verschiedenen A r t e n des Vermögenswerten Rechtsschutzes I I . Amtshaftung für Regierungsakte? 1. Voraussetzungen a) Bedeutung des Wortes „jemand" b) Ausübung von Regierungsbefugnissen als Ausübung der „öffentlichen Gewalt" c) Bedeutung des „ D r i t t e n " i n bezug auf die Regierungstätigkeit — „Amtspflicht" bei der Regierungstätigkeit d) Schuldhaftigkeit 2. Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte — Schadensersatz — Keine Naturalrestitution I I I . Rechtsschutz gegen Regierungsakte durch Anwendung des A r t . 14 Abs. 3 GG? 1. A r t e n der Eigentumsentziehung 2. K e i n Eingriff i n das Eigentum durch Regierungsakte ohne die Gesetzesform 3. Durch Regierungsunterlassung keine Eigentumsentziehung .. 4. Maßnahmegesetze m i t Regierungscharakter 5. Requisition 6. Völkerrechtliche A b k o m m e n 7. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs durch die Rechtsprechung I V . Aufopferungsanspruch wegen Verletzungen durch Regierungsakte? 1. Möglichkeit der Anwendung des A u f Opferungsgrundsatzes bei Verletzungen durch Regierungsakte 2. Bedeutung der Aufopferung — Keine Beschränkung auf finales Handeln 3. Die Begründungsfrage des Aufopferungsanspruchs bei Regierungsakten a) Aufopferungsanspruch aus Schadenszufügungen durch rechtswidrige Ausübung des Regierungsermessens b) Aufopferungsanspruch aus rechtmäßiger Ausübung des Regierungsermessens V. Entschädigungsansprüche durch A r t . 19 Abs. 4 Satz 2? Thesen
226 226
226 226
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Literaturverzeichnis
247
Sachverzeichnis
259
Abkürzungsverzeichnis aA a.E. AÖR Bad.VGH BayStVerwR
= = = = =
BayVBl.
=
BayVerf. BayVerfR BayVGH BGBl. BGH BGHZ
= = = = = =
BK BK
= =
BMin. BPräs. BR BReg. BRH BRHG
= = = = = =
BrlVerf. BrmVerf. BR-Präs. BT BT-Präs. BV BVerfG BVerfGE
= = = = = = = =
BVerfGG
=
2
Kassimatie
anderer Ansicht am Ende Archiv des öffentlichen Rechts. Tübingen (Mohr) Badischer Verwaltungsgerichtshof (in Freiburg) Staats- und Verwaltungsrecht i n Bayern, herausgegeben von Johann Mang, Theodor Maunz, Franz Mayer, Klaus Obermayer, München 1964 (Boorberg) Bayerische Verwaltungsblätter, Zeitschrift für öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung, München (Boorberg) Verfassung des Freistaates Bayern Bayerisches Verfassungsrecht Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bundesgesetzblatt, Teil I, T e i l I I , B o n n / K ö l n Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Zivilsachen, K ö l n - Berlin (Heymann) Bundeskanzler Kommentar zum Bonner Grundgesetz, herausgegeben von Bodo Dennewitz u. a. (Bonner Kommentar), H a m burg (Hansischer Gildenverlag) Bundesminister Bundespräsident Bundesrat Bundesregierung Bundesrechnungshof Gesetz über Errichtung u n d Aufgaben des Bundesrechnungshofes, v o m 27.11.1950 (BGBl. S. 765) Verfassung von Berlin Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen Präsident des Bundesrates Bundestag Präsident des Bundestages Bundesversammlung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, T ü b i n gen (Mohr) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, v. 12. 3.1951 (BGBl. I S. 243)
18 BVerfGGKomm. BVerwG BVerwGE BVGG BWahlG BWVerf. C.E. DJT DÖV DRZ DV
DVB1. EinlALR Erl. ESHessVGH GeschOBR GeschOBReg. GeschOBT GG GGO HaVerf. HdbDStR
HeVerf. i. d. F. i. e. S. i. m. S. i. o. S. i. S. i. V. m. i. w. S. JÖR JZ M-D o. Maunz-Dürig MDR
Abkürzungsverzeichnis Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, B e r l i n (Heymann) Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht v. 23. 9.1952 (BGBl. I S. 625) Bundeswahlgesetz v. 7. 5.1956 (BGBl. I S. 383) Verfassung des Landes Baden - Württemberg Conseil d'Etat Deutscher Juristentag Die öffentliche V e r w a l t u n g Deutsche Richterzeitung, K ö l n - B e r l i n (Heymann) Deutsche Verwaltung, Hamburg (Rechts- u n d staatswissenschaftlicher Verlag), Jan. 1948—März 1950; später: Deutsches Verwaltungsblatt Deutsches Verwaltungsblatt, K ö l n - B e r l i n (Heymann) Einleitung zum Allgemeinen Landrecht f ü r die Preusischen Staaten v. 1. 6.1794 Erläuterung(en) Entscheidungssammlung des Hessischen und des W ü r t temberg-Badischen Verwaltungsgerichtshofs Geschäftsordnung des Bundesrates v. 27. 8.1953 (BGBl. I I S. 527) Geschäftsordnung der Bundesregierung v. 11.5.1951 (GMB1. S. 137) Geschäftsordnung des Bundestages v. 28.1.1952 (BGBL I I S.389) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg Handbuch des Deutschen Staatsrechts, herausgegeben von Gerhard Anschütz und Richard Thoma i n 2 Bänden, Tübingen 1930, 1932 (Mohr) Verfassung des Landes Hessen i n der Fassung i m engeren Sinne i m materiellen Sinne i m obigen Sinne oder i m organisatorischen Sinne i m Sinne i n Verbindung m i t i m weiteren Sinne Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Tübingen (Mohr) Juristenzeitung, Tübingen (Mohr) Maunz - Dürig, Grundgesetz Kommentar (Beck) Monatsschrift für Deutsches Recht, H a m b u r g (Deutsche Rechtsprechung Verlag)
Abkürzungsverzeichnis M R V O 165
Militärregierungsverordnung Nr. 165. Verwaltungsgerichtsbarkeit i n der britischen Zone; i n K r a f t seit 15. 9.1948 (Amtsblatt der Militärregierung 1948, Nr. 24 S. 799)
NdsVerf. N.F. NJW
Vorläufige Niedersächsische Verfassung Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift, München u n d B e r l i n (Beck) Verfassung f ü r das Land Nordrhein-Westfalen öffentlich Oberverwaltungsgericht Reichsgericht Reichshaushaltsordnung v. 31.12.1922 (RGBl. 1923 I I S. 17) Randnummer Verfassung für Rheinland-Pfalz Recht - Staat - Wirtschaft, Schriftenreihe des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen für Staatswissenschaftliche Fortbildung (Bde I u. I I : Stuttgart u. K ö l n Kohlhammer, Bde I I I u. I V : Düsseldorf Schwan) Landessatzung für Schleswig-Holstein Süddeutsche Juristenzeitung, Heidelberg (Schneider); Jan. 1946—Mai 1950; später: Juristenzeitung Verfassung des Saarlandes Verwaltungsgerichtsordnung v. 21.1.1960 (BGBl. I S. 17) Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsrecht Verwaltungs-Rechtsprechung i n Deutschland, Samml u n g oberstrichterlicher Entscheidungen aus dem V e r fassungs- u n d Verwaltungsrecht, München u n d B e r l i n (Beck) Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Bayern v. 25. 9.1946, Bremen v. 5. 8.1947, Hessen v. 1946 i. d. F. v. 30.6.1949, Baden-Württemberg i. d. F. v. 12.5.1958) Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Berlin u. Leipzig (de Gruyter) Verfassung des Deutschen Reiches v. 11.8.1919 (Weimarer Verfassung) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht, Stuttgart und K ö l n (Kohlhammer) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, T ü b i n gen (Mohr)
NRWVerf. öff. OVG RG RHaushO Rn. RPfVerf. R.St.W.
SHVerf. SJZ SVerf. VerwGO VerwGOKomm. VerwR VerwRspr.
VGG
VGH VVDStRL
WV ZausöffRuVR ZgesStWiss.
:
Einleitung Der Bereich der Regierung ist rechtswissenschaftlich sehr wenig erforscht, obwohl davon nicht wenig gesprochen worden ist. Das Gespräch darüber, oft unwissenschaftlich, gleicht den umlaufenden Gerüchten über die fernen Grenzbereiche oder das Niemandsland, i n denen man niemals war. Der Grund liegt darin, daß die Regierung wirklich ein Grenzbereich ist, wo sich das Recht und die Macht vermischen. I n diesem Bereich ist das Spiel der sozialen Kräfte, die für die geschichtliche Staats- und Rechtsentwicklung entscheidend sind, am meisten ersichtlich. Das Regieren, als der unmittelbare Ausdruck des jeweiligen Ergebnisses eines permanenten Machtkampfes der sozialen Kräfte und als ein dauernder Machtprozeß der Selbstbestimmung und Durchsetzung des Staates, ist rechtswissenschaftlich schwer zu erfassen. Durch die vorliegende Studie w i r d der Versuch unternommen, den Regierungsbereich vom Standpunkt des Rechts zu betrachten und das Regieren als Rechtsbegriff zu verstehen und juristisch zu behandeln. I m Rahmen dieses Versuches werden zwei Grundprobleme erörtert: Was ist Regieren und wie ist es rechtlich zu behandeln. Diesen zwei Grundproblemen entsprechend ist die vorliegende Arbeit aufgeteilt: A. Wesen und Begriff des Regierens und B. Gebundenheit und Justiziabilität des Regierens. A. U m in das Wesen des Regierens einzudringen, w i r d nach einer Betrachtung der Wortbedeutung der Regierung und einer kurzen Voranstellung der wichtigsten geistesgeschichtlichen Lokalisierung dieser höchsten Tätigkeit versucht, das Staatsleiten, das Ermessen und das Politische begrifflich zu klären. Dann w i r d uns der Begriff der Regierung i m materiellen, organisatorischen und funktionellen Sinne, sowie das Einordnungsproblem der Regierung beschäftigen. Anschließend w i r d versucht, die Erörterung der Regierungsakte i n der französischen und der deutschen Theorie darzustellen und die verschiedenen Lehren zu würdigen. U m der klaren Lokalisierung der Regierungstätigkeit im Recht und dem induktiven Denken zu dienen, w i r d ein Katalog der positivrechtlich vorgesehenen Regierungsakte aufgestellt. B. I m zweiten Teil w i r d versucht, die rechtlichen Bindungen des Regierens — zusammen mit einer gesonderten Untersuchung seiner
22
Einleitung
außerrechtlichen Grenzen — zu finden und die Justiziabilität der Regierungstätigkeit aus dem Wesen der Justiz, des Rechtswegstaates und des Regierungsermessens zu begründen. Nach der dogmatischen Begründung der Rechtsbindung und der Justiziabilität des Regierens werden die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle der Regierungsakte nach dem deutschen Recht untersucht. Hierbei w i r d die Möglichkeit der Unterwerfung der Regierungsakte unter die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Verfassungsgerichtsbarkeit und die ordentliche Gerichtsbarkeit geprüft. Anschließend w i r d der Versuch unternommen, eine Staatshaftung für Regierungsakte aus der Eigenschaft des Regierens als Ermessenstätigkeit, aus dem deutschen Rechtsschutzsystem und aus dem System der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen zu begründen. Der Weg durch die obigen Problemkreise richtet sich auf das Ziel, das Regieren rechtswissenschaftlich und als Rechtsbegriff zu erfassen und rechtlich zu „säkularisieren", d. h. von einem trüben „Jenseits", welches die Wissenschaft und das Recht bis heute ungern betreten hat, ins Bereich der rechtswissenschaftlichen Kontrolle hereinzuziehen.
Erster
Teil
Begriff und Wesen des Regierens
§ 1. Zur Wortbedeutung der Regierung „Regierung" ist das vom Verb „regieren" abgeleitete Substantiv, welches die Regierungstätigkeit als solche oder ihr Subjekt bedeutet. Das Wort „regieren" kommt vom lateinischen „regere", wovon auch „rector" = Leiter oder Ordner und „rex" = König abstammen. Das „regere" hatte die Bedeutung des „Regierens" auch bei den Römern, die von „civitatem" oder „rem publicam regere" sprachen 1. I n Deutschland ist dieses Wort i m späten 13. und i m Anfang des 14. Jahrhunderts durch die fürstlichen und städtischen Kanzleien mit der modischen Endung jener Zeit „-ieren" eingeführt worden und erhielt die edle Bedeutung obrigkeitlicher Gesamtleitung 2 . „Regieren" bedeutet heute: Herrschaft ausüben, richten, leiten, lenken. I n diesem Sinne w i r d auch das Zeitwort „walten" gebraucht, das anfangs bedeutete: die physische Kraft heben und später: herrschen. Heute sind „walten" und „regieren" Synonyma 3 . Die Römer hatten für „regieren" auch das Wort „gubernare" = steuern gebraucht, das sich vom griechischen „κυβερνάν" ableitet. Die Steuerung eines Schiffes hat — wie heute — sowohl bei den Griechen als auch später bei den Römern („ad gubernacula rei publicae sedere") die Lenkung des Staates, das Regieren symbolisiert 4 . I n den romanischen Sprachen sind die von „gubernare" abgeleiteten Verbien „gouverner", „gouvernare", „govern" etc. i n Gebrauch 5 , während i n Deutschland nur das Adjektiv „gubernativ" eingeführt wurde (z. B. „gubernative Organe"). 1
Eschenburg , Staat u. Gesellschaft i n Deutschland, S. 652 f. Grimms Wörterbuch, zu Stichwörtern: „regieren", „Regierung". 3 Grimms Wörterbuch, zum Stichwort: „ w a l t e n " ; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 3; Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 64. 4 Siehe Angaben bei Eschenburg , a.a.O., S. 653 Fußn. 3. 5 F. Meyer , Der Begriff der Regierung, S. 151. 2
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
U m den Sinn des Lenkens und Leitens bei den Verbien „regieren" und „walten" zu unterstreichen, stellt man sie dem „verwalten" gegenüber, wobei die Vorsilbe „ver-" eine Abschwächung des Waltens und den Beisinn der Mittelbarkeit enthält 6 . So ist auch das entsprechende romanische Wort „administration" zu verstehen, welches mit dem lateinischen „minister" und „minus" verwandt ist 7 .
6 V o m rechtswissenschaftlichen Standpunkt aus lehnt diese Gegenüberstellung H. Peters, Lehrbuch der Verwaltung S. 9 ab, m i t der Begründung, es stehe kein Staatsorgan über dem Staate und es gebe kein Organ, das nur waltet, während dagegen viele richtungsweisende Faktoren der V e r w a l tung angehören. 7 H. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 8 u. 64; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 3.
§ 2. Eine kurze geschichtliche Einführung A. Allgemeines Die Regierung als staatliche Tätigkeit hat eine geschichtliche Entwicklung, welche in den verschiedenen Ländern besondere Merkmale und Beziehungsmomente aufweist. Das Regieren als die lebendigste und erheblich dynamische Äußerung des Staatslebens war immer auf die historischen Gegebenheiten des konkreten Staates bezogen. Genau das aber ist Regierung, wie w i r noch sehen werden, nämlich Situationsbezogenheit. Wie die Regierungstätigkeit sich den jeweiligen Situationen anzupassen hatte, so haben auch — umgekehrt — die geschichtlichen Faktoren und Situationen eines Staatslebens ihren Umfang, ihre Bedeutung und Entwicklung bestimmt. Alle Äußerungen des Staatslebens sind dem Einfluß der geschichtlichen Gegebenheiten ausgesetzt. Die Regierung steht aber vielmehr unter diesem Einfluß, denn sie ist inhaltlich auf keinem festen Boden, d. h. in keiner Normativierung verankert. So läßt sich die unterschiedliche Entstehung und Entwicklung der Regierung i n Deutschland, England und Frankreich, u m nur die wichtigsten Staatsräume zu nennen, erklären. Jede Entwicklung innerhalb eines Staatsbereichs ist aber den Einwirkungen der anderen Staaten ausgesetzt, so daß keine gesonderte Regierungsentwicklung unbeeinflußt von außen ist. So erhielt der Begriff „Regierung" durch die historischen Faktoren auf dem staatlichen und zwischenstaatlichen Einwirkungsfeld eine Bedeutung, welche durch die philologische Auslegung des Wortes nicht ermittelt werden kann. Auf dem zwischenstaatlichen Einwirkungsfelde haben die oben erwähnten Länder, vor allem Frankreich, eine entscheidende Rolle gespielt. B. England Dem Tatbestand der Staatsordnung in England hat John Locke Ausdruck gegeben1. Die Locke'sche Lehre unterscheidet vier Staatsfunktionen: die Legislative, die ihr untergeordnete Exekutive, die föderative 1 Second Treaties concerning the true original, extent, and end of c i v i l Government, 1660.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
Gewalt und die Prärogative. Die zwei letzteren sind gleichgeordnet neben die zwei ersteren gestellt. Alle vier Funktionen waren auf zwei Organe konzentriert: dem König stand außer der Exekutive, die föderative und die Prärogative Gewalt, und dem Parlament die Legislative zu. Die Prärogative war die vom König i m Interesse des Gemeinwohls nach freiem Ermessen ausgeübte Gewalt. Die föderative Gewalt bezog sich auf die außenpolitischen Kompetenzen, die Locke ohne weitere Folge für das englische Staatsrecht verselbständigte. Prärogative und föderative Gewalt waren diejenigen Staatstätigkeiten, welche heute unter den Begriff „Regierung" fallen 2 . C. Frankreich I. Montesqieu. Die englische Lehre hat die französische des 18. Jahrhunderts und damit die Lehre Montesqieus stark beeinflußt. Montesqieu 3 hat aber diese Lehre den französischen Gegebenheiten angepaßt. Er ist der erste, der „den entscheidenden Schritt getan" hat 4 , nicht nur die objektiven Staatsfunktionen nach den bestehenden Einrichtungen zu verteilen, sondern auch diese voneinander getrennten Organen zuzuweisen. So ergaben sich die drei Gewalten: Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung, die für jeden Staat gelten konnten. Montesqieu schafft so ein Idealbild des Staates, i n dem sich die objektive und die subjektive Unterscheidung der Staatsfunktionen decken sollen. Die Unterscheidung der Gewalten i m objektiven Sinne macht Montesqieu nicht a priori und unabhängig von den Subjektiven, sondern i m Zusammenhang mit ihnen, und er weist jedem Organ eine bestimmte Gewalt zu. Dies war der weitere Schritt Montesqieus i m Gegensatz zu seinen Vorgängern, der die Ausübung mehrerer oder aller Funktionen durch dieselben Personen vermeiden sollte 5 . Die vollziehende Gewalt umschließt nach Montesqieu die außenpolitischen Kompetenzen, die innerstaatliche Polizeigewalt und die eigentliche Gesetzesausführung. So schuf er aus dem „federative power", einen Teil der „prerogative" und dem „executiv power" von Locke die Exekutivgewalt, die bis heute von Bedeutung blieb. Die Exekutive, als „puissance exékutive des choses qui dépendent du droit civil", also als Ausführung der Gesetze, war an die Legisla2 Siehe G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 463, 602, 617. 3 De l'Esprit des Lois, X I 6. 4 G. Jellinek, a.a.O., S. 602 f. 5 G. Jellinek, a.a.O., S. 604; Barthélemy/Duez, Traité élémentaire de droit Constitutionnel, S. 152; F.Meyer, Der Begriff der Regierung, S. 18.
§ 2. Eine kurze geschichtliche Einführung
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tive gebunden. Hiergegen war „la puissance exécutrice des choses qui dépendent du droit des gens" autonom 6 , soweit die Freiheit der Einzelpersonen nicht berührt wurde 7 . Die Freiheit der Person, deren Schutz das Ziel der Gewaltenteilung war, hat auch jene Tätigkeit, welche als Regierungstätigkeit bezeichnet werden kann, begrenzt. Die Montesqieu'sche Gewaltenteilungslehre war darauf gerichtet, ein Gleichgewicht zwischen den Gewalten herzustellen und besonders die Macht der absoluten Monarchen zu schwächen. Montesqieu war ein praktischer Politiker, der kein abstraktes, auf theoretischen Konstruktionen und apriorischen Prinzipien fundiertes System schaffen wollte. Seine Gewaltenteilung war ein „principe d'art politique" 8 und hatte zum Ziel die Freiheit des Menschen. Die Exekutive, die auch die Regierungsgewalt umschloß, war zwar eine selbständige und selbstherrliche verfassungsunmittelbare Gewalt, aber doch durch das System gegenseitiger Hemmungen relativiert und durch die Freiheit des Menschen begrenzt. II. Rousseau. Von dem jüngeren Aufklärer Jean-Jaques Rousseau (1712—1778) w i r d die Montesqieu'sche Lehre durch neue Grundlinien, welche ihr zugefügt werden, weiter entwickelt. Nach der Volkssouveränitätslehre Rousseaus9 sind alle Staatsgewalten i m Volk vereinigt. Das Volk ist der Souverän und in ihm ist alle Macht i m Staate konzentriert. Diese Macht versteht sich als Wille. Die Gesetzgebung, die den Willen des Souveräns zum Ausdruck bringt, ist die höchste Gewalt. I h r ist untergeordnet die „puissance qui exécute". Diese Exekutive ist dem Regierungsorgan, einem „corps intermédiaire" zwischen Volk und Individuum, anvertraut. Aus dem obigen ergibt sich, daß die Exekutive bei Rousseau — anders als bei Montesqieu — keine eigene Autorität mehr besitzt. Sie ist nur die physische Kraft, die den Volkswillen verwirklicht. Diesem Volkswillen, der „volonté générale" ist die Regierung — die bereits ein schemenhafter Teil der Exekutive wurde — strikt untergeordnet 10 . Ein Tätigkeitsbereich ist aber doch als natürliches A t t r i b u t der Exekutive und außerhalb des Geltungsbereichs des Contrat social geblieben: das Gebiet der Außenpolitik, das von der „volonté générale" des Souveräns nicht bestimmt w i r d 1 1 . 6
De l'Esprit des Lois, X I 6. 7 F.Meyer, a.a.O., S. 22 f. » Barthélemy/Duez, S. 148. » Contrat Social. ™ G. Jellinek, a.a.O., S. 605, 617; F.Meyer, a.a.O., S.24ff. " F.Meyer, a.a.O., S.26 (mit Schrifttumsangaben).
1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
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III. Constant. Nach dem englischen Vorbild der Prärogative hat Benjamin Constant 12 zum Gleichgewicht der Gewalten die „pouvoir neutre" des Königs konstruiert. Nach dieser Lehre ist der König unverletzlich und politisch unverantwortlich. Die vollziehende Gewalt steht dem Ministerium zu. Der König ist aber auch ein Faktor der exekutiven Gewalt und durch gewisse Prärogative, die er besitzt, an der Ausübung der Staatsgewalt beteiligt. Da der König über der Politik steht, kann er mittels seiner Prärogativen jeweils die Macht der drei Gewalten ausbalancieren. Denn die verschiedenen Prärogativen, welche ihm zustehen, sind eine Beschränkung und eine Bremse der anderen Gewalten, z. B. die Ernennung und Absetzung der Minister für die Exekutive, die Verweigerung der notwendigen Sanktion (royal assent) eines Gesetzes oder die Vertagung oder Auflösung der Kammern für die Legislative und die Ernennung der Richter oder die Ausübung des Begnadigungsrechts für die Judikative. Diese Prärogativen der Krone stellen keine „pouvoir", sondern eine „autorità" dar, in welcher die Spannungen gedämpft und die Gewalten neutralisiert werden. Darin liegt der Grund vielleicht, daß die Außenpolitik nach dieser Lehre nicht dem König, sondern den parlamentarischen Körpern und der Exekutive obliegen soll 1 3 . D. Deutschland Ursprünglich hat man in Deutschland unter dem Namen „Regierung" die ganze staatliche Tätigkeit verstanden. Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung waren ungetrennt i n der fürstlichen Gewalt zusammengefaßt 14 . Die Verwaltung hat ihre Herkunft in den lehnsherrlichen Hoheitsrechten, den sogenannten Regalien. Diese Hoheitsrechte waren keine Staatsaufgaben i m heutigen Sinne, sondern Rechte des Staates gegenüber den Grundherren. Es gab eine Fülle von solchen Regalien, wie Postregal, Münzregal, Wasserregal usw. I n diese „Hoheiten" war die Staatsgewalt jener Zeit eingeteilt 15 . I m Grunde aber waren die Regalien Verwaltungsaufgaben, deren Erfüllung der Staat kraft eines jus quaesitum übernommen hatte. So betrachtet man mit der Zeit alle Hoheitsrechte nicht mehr als Rechte der Regierung, sondern die Regierung als deren Ausübung 1 6 . Regierung und Verwaltung waren in der ersten Periode noch vermischt. 12
Cours de Politique constitutionelle, Paris, 1818. 13 Siehe F. Meyer, a.a.O., S. 28 ff. 14 Otto Meyer, Verwaltungsrecht I, S. 2. is G. Jellinek, a.a.O., S. 597 f. iß Lorenz v. Stein, Verwaltungslehre I. Teil, S. 67 ff.
§ 2. Eine kurze geschichtliche Einführung
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Der Landesherr konzentrierte in seiner Person die ganze Staatstätigkeit. Unter ihm aber haben sich mit der Zeit verschiedene Behörden für die einzelnen Verwaltungszweige gebildet. So ist eine subjektive, formelle Einteilung der Staatstätigkeit entstanden und die Verwaltung eine „Kanzleiverwaltung" geworden 17 . Hier stehen w i r schon vor einer Unterscheidung der Verwaltung von der Regierung, welche die Praxis der Geschichte schuf: der Landesherr, der „Autor des Verwaltungsgedankens" regierte und die Behörden vollzogen seine Gedanken 18 . Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verband sich i n Deutschland die formelle Einteilung des Behördensystems mit dem alten System der Regalien und der französischen Doktrin von der Gewaltenteilung i n einem „wunderlichen Gemisch", auf dessen Grund die Teilungsmanie der deutschen Theorie die Staatsgewalt in eine ganze Anzahl von „Gewalten" (wie Polizei-, Straf-, Militär-, Finanzgewalt etc.) zerlegte 19 . I n dieser Periode ist auch das eudämonische Prinzip i n die Staatslehre eingeführt und damit die Auffassung, der Regent habe die Pflicht, sich um die Sicherheit und die Wohlfahrt der Nation zu kümmern und die zur Erfüllung dieser Pflicht erforderlichen Mittel zu finden, verbreitet worden. Aus diesem Klima ist ein neuer Sinn des Begriffs „Regierung" entstanden 20 . Die Trennung der Gewalten in Deutschland ist stufenweise erfolgt 2 1 . Aus der gesamten Staatstätigkeit ist zuerst die Justiz durch die Gegenüberstellung von „Regierungssachen" und „Justizsachen" ausgeschieden worden. Dann ist die Gesetzgebung abgetrennt und den übrigen Staatstätigkeiten entgegengesetzt worden. M i t der Ausscheidung der Gesetzgebung kam der Begriff der Verwaltung auf, anfangs als bloße Erscheinung der Regierung und hat sich später durch ihre Eigenart von dieser abgelöst. Das, was der Unterscheidung der Staatsfunktionen in Deutschland zugrundeliegt, ist nicht die begriffliche Unterscheidung der Staatstätigkeiten, sondern der den mittelalterlichen Staat charakterisierende Gegensatz von Fürst und Volk und die i m 18. Jahrhundert entstandene gegensätzliche Stellung der Behörden zum Landesherrn 22 .
« G. Jellinek, S. 598. Hatschek, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts, S. 6. 19 Siehe Ausführungen von G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 598 ff. «ο Darüber siehe L. v. Stein, Verwaltungslehre, I. Teil, S. 67 ff. 21 Otto Meyer, Verwaltungsrecht I, S. 2 m i t Fußn. 2. 22 G. Jellinek, a.a.O., S. 599 f. 18
§ 3. Das Regieren als leitende Tätigkeit Die Regierungstätigkeit ist i m Grund 1 eine leitende Tätigkeit 2 . U m dem Sinn des Leitens näher zu kommen, versuche ich eine analytische Untersuchung des Begriffes, soweit er das Staatsleiten darstellt. 1. Leiten ist ein umfassender Begriff für jede Tätigkeit, welche für die A r t des Fortlebens eines selbständigen Wesens bzw. Organismus unter den gegebenen Bedingungen bestimmend ist. Der Umfang dieses Begriffes ist groß auch i m Sinne der Staatsleitung, wie er in dieser Arbeit gesehen werden soll. Leiten bedeutet zunächst Richtunggeben 3 . Es enthält die „richtunggebenden Direktiven" 4 an die untergeordneten Staatsorgane und Behörden oder auch an gleichgeordnete Adressaten, wie z. B. die Bestimmung der Richtlinien der Politik, die Ausübung der Gesetzesinitiative oder der obersten Organisationsgewalt. M. a. W. bestimmt die Regierung die allgemeine Richtung der Staatstätigkeit und hält sie i n Gang 5 . Unter Leitung sind nicht nur die unmittelbar richtunggebenden Weisungen und lenkenden Handlungen zu verstehen, sondern auch die indirekten Einwirkungen auf die verschiedenen Instanzen i n bezug auf die Formulierung und Durchsetzung des Staatswillens 6 . Diese Einwirkungen sind i m parlamentarischen Staat durch die Ausübung der 1
Auch i m Falle der Gnadenerweise: Vgl. unten S. 31 u. 113 ff. Siehe z.B. G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 617; Kelsen, Allg. Staatslehre, S. 244; Nawiasky, Allg. Staatslehre, 2. Teil/I. Bd., S. 261 u. 271, 2. T e i l / I I . Bd., S. 16ff. und 4. Teil, S. 22f.; C.Schmitt, Verfassungslehre, S. 212; Koellreutter, Staatsrecht, S. 177; O.Meyer, Verwaltungsrecht I, S. 6; v.Köhler, Grundlehren des deutschen Verwaltungsrechts, S. 9; Ηatschek/Kurzig, S. 36; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 3 f.; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 9; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 15 f.; Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 64; v.Turegg, Lehrbuch, S. 6; Thoma, Handbuch des deutschen Staatsrechts Bd. 2, S. 135; Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 411; Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 277 f.; Kaufmann, V V D S t R L , Heft 9 (1952), S. 5 u n d 9; Eisenmann, JÖR N. F. Bd. 2 (1953), S. 2 ff. (S. 20); Schaumann, i n Staatslexikon zum Wort Regierung; BVerfGE Bd. 9, S. 268, u n d Bd. 11, S. 77 ff. (85). . . . 3 Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 3f.; v.Köhler, Grundlehren, S. 9; Schaumann, i n Staatslexikon zum Stichwort: Regierung. 4 Kelsen, a.a.O. 5 Kaufmann, a.a.O. β Hatschek/Kurzig, S. 6 f.; F.Meyer, Der Begriff der Regierung, S. 153 f. 2
§ 3. Das Regieren als leitende Tätigkeit
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Gesetzesinitiative bei einer Volksvertretung, aus deren Mehrheit die Regierung hervorgeht, schwerwiegend und entscheidend. Außerdem ist der Einfluß der Regierung i m heutigen Staate der gewachsenen Interventionen nach jeder Richtung groß. Der Leitung verwandt ist die Führung. Beide Ausdrücke werden von vielen Autoren m i t derselben Bedeutung verwendet 7 . Ungeachtet des national-sozialistischen Sinnes der „Führung" weist er m. E. immer ein betontes Leiten und eine Konzentration von Macht i n den Händen des Leiters auf 8 . 2. Die Regierung als leitende Tätigkeit bezieht sich auf das Staatsganze. Sie stellt nicht immer die unmittelbare Leitung des Staatsganzen dar, denn die Regierung kann sich auch auf das Staatsganze beziehen, wenn sie ressortmäßig oder für den Einzelfall ausgeübt wird. So kann eine Entscheidung eines Ministers das Staatsganze i m Auge haben und daher eine Regierungsentscheidung sein. Auf den gleichen Erwägungen beruht auch die Regierungsqualität z. B. des Gnadenaktes, der unmittelbar für den Einzelfall ergangen ist 9 . Durch ihre Bezogenheit auf das Staatsganze unterscheidet sich die Regierungstätigkeit vom „Leiten" anderer Teilbereiche des Staatsganzen, besonders i n der Verwaltung, wo es sich auf das Partielle und das Besondere bezieht 10 . Unter dem Begriff des Staatsganzen, welches die regierende Leitung betrifft, ist die Existenz, die Einheit und das Fortleben des Staates zu verstehen. Hier ist ein Gesamtinteresse den übrigen Interessenkreisen des Staatslebens und der Staatsfunktionen gegenüberzusetzen. Eine Regierungsentscheidung hat i n erster Linie dieses Gesamtinteresse und nicht die Teilinteressen der Staatsgewalt zu berücksichtigen. Durch ihre Bezogenheit auf das Staatsganze w i r d die Regierung zu einer Oberleitung, einer leitenden Obergewalt 11 . Dies bedeutet nicht, daß sie eine vierte Staatsgewalt ist, von der die anderen Gewalten 7
Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 411 f. Vgl. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 9. 9 Vgl. unten S. 113 ff. (Nr. 7). 10 So der von Smend (Festgabe für W. Kahl 1923, S. 16) u n d O. Meyer (VerwR. I, S. 3, Fußn. 3) zitierte Satz von K . E. Zachariä (Vierzig Bücher v o m Staate, 2. A. 1839, I 124): „ B e i dem Regieren ist der Blick auf das Ganze, bei dem Verwalten ist er auf das Einzelne zu richten." 11 Vgl. O.Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 2 f.: „ . . . d a s Allgemeine, das darüber steht. M a n begreift darunter (d. i. unter der Regierung i. S. der V e r fassung) die Oberleitung des Ganzen, das einheitliche Richtunggeben für die politischen Geschicke des Staates und die K u l t u r e n t w i c k l u n g i m Innern." Vgl. auch: Koellreutter, Staatsrecht, S. 177; Thoma, HdbDStR Bd. 2, S. 135; Scheuner, R.St.W. Bd. 3 (1951), S. 146. 8
1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
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abhängen: es besagt nur, daß die Regierung „die zusammenfassende Leitung des Staatsganzen" 12 ist, wodurch die staatliche Einheit hergestellt und die Ressortpolitik zusammengefaßt w i r d 1 3 . Die Regierung als oberste Leitung erstreckt sich auf alle Zweige des Staatsapparates, wo sie „den Geist hervorbringt, der das Ganze durchwaltet und durchdringt" 1 4 . Diese Erstreckung der langen W i r kungsarme der Regierung in die Verzweigungen des öffentlichen Apparates kann entweder unmittelbar als materielle Regierungstätigkeit i m Rahmen aller Gewalten oder mittelbar als Auswirkungen der richtunggebenden Regierungsweisungen i n den untergeordneten Verwaltungsstellen aufgefaßt werden. Die Regierung als der mit der obersten Leitung der Gesamtheit des Staatswesens beauftragte Organismus ist statisch die Verkörperung des Staatswillens und der Staatsidee 15 und stellt das geistige Prinzip der politischen Existenz dar und konkretisiert all dies dynamisch 16 . Durch diese Konkretisierung werden die obersten Willensakte i m Staat bestimmt 1 7 , welche „für Bestand und Leben des Staates" sorgen 18 und sich auf die Zielsetzung des Staatslebens ausrichten 19 . So erscheint der Staat i n der Regierungsfunktion „oberhalb des Prinzips der Gewaltentrennung als politische Einheit" 2 0 . Ob die Regierung nach der Integrationslehre Smends 21 eine integrierende Funktion hat, ist bestritten 2 2 . 3. Zur Natur jeder Leitung gehört die Situationsbezogenheit. Wie geleitet wird, kann nie mit Sicherheit vorhergesehen werden. Wie ein Staat geleitet werden soll, darf nicht von vornherein festgesetzt werden, 12
Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 278. 13 Kaufmann, V V D S t R L Heft 9 (1952), S. 9. 14 So wörtlich Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 17. is Thoma, a.a.O. Über den Begriff der Staatsidee u n d ihre Bedeutung als Triebkraft der Verwaltung und des Staates siehe Peters, Lehrbuch der V e r waltung, S. 27 ff. 16 Schmitt, Verwaltungslehre, S. 212. 17 Nawiasky, Allg. Staatslehre 2. Teil Bd. I, S. 261. 18 Nawiasky, BayVerfR, S. 320. 1 9 Vgl. auch Laforet, Verwaltungsrecht, S. 6. 20 Scheuner, R.St.W. Bd. 3 (1951), S. 146. 21 Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 105 (In staatsrechl. Abhandlungen, S. 211 ff.). 22 Siehe z. B. Koellreutter, Staatsrecht, S. 178 f., wo diese Lehre dadurch bestritten w i r d , daß nicht die Regierung, sondern das Recht als Integrationsfaktor betrachtet w i r d . Koellreutter behauptet, daß die Integrationslehre m i t dem bestehenden Polaritätsverhältnis zwischen Staat u n d Recht (notwendige Verbindung und Spannung zwischen diesen beiden Polen) überhaupt nicht vereinbart werden könnte.
§ 3. Das Regieren als leitende Tätigkeit
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denn eine Normung des Leitens würde große Gefahren m i t sich bringen. Daraus ergibt sich, daß das Regieren eine situationsbezogene Tätigkeit ist. Der Staat stößt als ein lebendiger Organismus und als eine Lebensganzheit i n jedem Zeitmoment auf nicht vorhergesehene oder unvoraussehbare Widerstände und Hindernisse, auf innere und äußere Probleme, welche seinem Wachsen, Entfalten und Fortleben i m Wege stehen und energisch, rasch und schöpferisch gelöst werden müssen. Es wäre sehr gefährlich für das Staatsleben, solche Probleme vorauszusehen und zu versuchen, Lösungen zu finden und normativ festzulegen. Das Leiten hängt existentiell m i t der Unfähigkeit des Menschen, alles vorauszusehen und zu wissen, zusammen. Das Potentialverhältnis zwischen dem menschlich Voraussehbaren und dem Unvoraussehbaren entspricht dem Potentialverhältnis des Regierens und des Rechtsetzens, dynamisch und i n ihrem Wesen gesehen. Dies soll auch der Maßstab für das Verhältnis vom funktionellen Rechtssetzen und Ermessen sein. Aus der obigen Korrelation ergibt sich, daß die Regierung ein Korrelat der Unmöglichkeit des Voraussehens beim Rechtsetzen, eines naturgemäßen Versagens der gesetzgeberischen D y n a m i k i n bezug auf das Entscheiden und Regeln des Staateslebens ist. H i e r i n liegt der Existenzgrund der Regierung und i n der Natur des Leitens liegt i h r Organisierungsgrund, ihre Organisationsweise und -art. Der Gesetzgeber sieht alles, was das Staatsleben angeht, voraus u n d regelt es durch Normen. Durch die Rechtsnormen und deren Vollziehung (Verwaltung) und Anwendung (Justiz) ist aber nicht alles, was das Staatsleben betrifft, erschöpft. I m materiellen Bereich, der vom Gesetzgeber nicht geregelt werden kann, liegt auch 2 3 die Regierungstätigkeit. Der Gesetzgeber — darunter ist auch der Verfassunggeber zu verstehen — kann eine Materie nicht regeln, entweder w e i l der Gegenstand des staatlichen Interesse außerhalb des materiellen Bereichs des Rechtsetzens liegt und seiner Natur nach unvorhersehbar bzw. unnormierbar ist oder nach der bestimmten Staatsform der rechtsetzenden Gewalt nicht anvertraut oder entzogen ist. Die beiden ersten Fälle sind typisch für den Rechtsstaat. I m letzten Falle, der i n diktatorischen Staatsformen und i n früheren Verfassungsmonarchien vorkommt, ist die Abhängigkeit der Regierung nach Umfang und A r t von der Staatsform besonders ersichtlich. Die Unnormierbarkeit des Regierens beruht, wie gesagt, auf dieser objektiven Unmöglichkeit einer vorausschauenden Regelung des Gegen23 Zusammen m i t den anderen Arten der Ermessenstätigkeit der Exekutive. 3
Kassimatis
T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
standes. Sie stellt die objektiven Grenzen des Normens dar. Diese Grenzen sind entweder formal (formale Unnormierbarkeit) oder immanent bzw. materiell (materielle Unnormierbarkeit). I m ersten Falle hängen die Grenzen der Normierbarkeit von der konkreten Staatsform ab, i m zweiten Falle liegen sie i n der Natur des Gegenstandes und i m Wesen des Normens. I n beiden Fällen sind sie objektiv, d. h. sie hängen nicht von dem bestimmten rechtsetzenden Subjekt ab, wie dies z. B. bei einer Lücke des Gesetzes, die einem subjektiven Versagen des bestimmten Gesetzgebers entspringt, der Fall ist. Auf der obigen objektiven Unnormierbarkeit des Gegenstandes beruht die Nichtnormiertheit des Gegenstandes des Regierens. Das Regieren w i r d nicht nur vom Gesetzgeber, sondern auch vom Verfassunggeber inhaltlich nicht normiert. Es liegt aber dem Ermessen des Verfassunggebers ob, inwieweit er den Regierungsbereich „verrechtlicht", sofern es natürlich die oben erwähnten immanenten und die sich aus den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen ergebenden Grenzen des Normens erlauben. Deshalb ist der Umfang der „Verrechtlichung" des Regierens nach den verschiedenen Verfassungen verschieden. Die Tätigkeit, welche Vollziehung derjenigen Rechtssätze ist, die eine Verrechtlichung des Regierens darstellen, ist keine Regierungstätigkeit mehr, nachdem die Dezision zum Rechtssatz wurde, denn der Regierungstätigkeit oder richtiger dem Regierungsakt muß eine entsprechende, gegenwärtige Dezision zur Begegnung eines gegenwärtigen und i n allen seinen Elementen bestimmbaren Sachverhalts zugrunde liegen 24 . Daher sind die Vollzugsakte einer Normativierung des Regierens verfassungsrechtlich keine Regierungsakte 25 . Die Voraussehbarkeit i n der Rechtsetzung darf m i t derjenigen i n der Programmsetzung nicht verwechselt oder vermengt werden: beim ersten Fall sieht der Gesetz- oder Verfassunggeber einen Sachverhalt objektiv voraus und abstrahiert ihn von seinem Subjekt und evtl. von Erscheinungszeit und -ort. Beim zweiten Fall ist der Sachverhalt subjektiv, zeitlich und örtlich bestimmt oder bestimmbar. Ferner — und hier liegt der wichtigste Unterschied — hängt die Wirksamkeit und die Geltung des Rechtssatzes von der Existenz des Willens des rechtsetzenden Individuums nicht ab, denn ein Rechtssatz gilt fort ohne das Fortbestehen des erzeugenden Willens 2 6 , während die Wirksamkeit des Programms und seine „Geltung" vom Fortbestehen des Willens 24 Die Gegenwärtigkeit ist i m Verhältnis zur Existenz des den Regierungsakt erzeugenden Willens zu verstehen. Vgl. i m folgenden über den U n t e r schied zwischen Programm und Rechtssatz. 25 Vgl. unten z. B. S. 95 f. 26 Siehe darüber Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 10.
§ 3. Das Regieren als leitende Tätigkeit
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des Programmsetzers abhängig ist. Das Programm charakterisiert sich also einerseits durch eine Relativität zu einer bestimmten oder bestimmbaren Situation und andererseits durch seine Geltungsabhängigkeit von seinem Subjekt. Deshalb kann ein Programm bzw. ein Programmsatz Regieren bzw. Regierungsakt sein, auch wenn es i n der Form eines formellen Gesetzes — wie z. B. der Haushaltsplan 27 —, oder als abstrakte Sätze — wie z.B. die Bestimmung der Richtlinien der P o l i t i k 2 8 — ergehen. 4. Die Relativität der Regierungstätigkeit setzt, wie oben geschildert wurde, die Verwirklichung eigenen Willens voraus. Darauf beruht die Selbständigkeit der Regierung. Lorenz von Stein 29 war der erste, der die Selbständigkeit der Regierung gegenüber der Gesetzgebung meisterhaft geschildert und ihre Tragweite erkannt hat. Seine Ausführungen, obwohl zeitbedingt, sind heute noch von Bedeutung. „Die Regierung" — so schreibt er — „muß stets das Gesetz nicht bloß vollziehen, sondern auch bis zu einem gewissen Grade erfüllen. Eben deshalb ist es hier das Gebiet, wo die Regierung ihre innere Selbständigkeit zu entwickeln hat. Diese innere Selbständigkeit ist das, was w i r den Geist der Regierung nennen, und der Charakter einer Regierung besteht i n dem Geiste, i n welchem sie diese, das Gesetz erfüllende und zum Teil ersetzende Gewalt 30 gegenüber dem Gesetze selbst auffaßt." Die Regierung ist nicht die blinde Vollziehung des Willens des Gesetzgebers, sondern sie verwirklicht eigenen Willen 3 1 . Die „Erfüllung" des Gesetzes bedeutet nicht nur die Gebundenheit der Regierung, sondern auch ihre Freiheit gegenüber dem Gesetz — i m Gegensatz zur Vollziehung — und ihre Selbständigkeit. „Sie ist der selbständig gewordene — um an L. v. Stein wieder zu denken — selbständig dastehende, zum selbständigen Bewußtsein erhobene Organismus der Tat des persönlichen Staats 32 ." Diese Selbständigkeit der Regierung entsteht gerade aus ihrer Aufgabe, das Gesetz zu erfüllen und zu ersetzen. Als Erfüllung des Gesetzes im Bereich der Regierung ist nach den heutigen Vorstellungen die Erfüllung der fundamentalen Prinzipien der Staats- und Rechtsordnung zu verstehen. Das einfache 27 Hierfür vergleiche Maunz, i n M - D zu A r t . 110 Rn. 7, der den Haushaltsplan als staatsleitenden A k t bezeichnet. Näheres unten S. 126 Nr. 24. 28 Siehe unten S. 103 Nr. 13. 2« Verwaltungslehre 1. Teil, S. 133 ff. 30 Hervorhebung v o m Verfasser. 31 So auch Nebinger, Verwaltungsrecht, S. 2; Fleiner, Institutionen, S. 4; Giese - Neuwiem - Cahn, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 16. 3 2 L. v. Stein, a.a.O. 3*
1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
Gesetz w i r d ja von der Verwaltung erfüllt. Diese über die Verwaltung erhobene Bedeutung der Regierung wurde auch von L. v. Stein erkannt: „Erst die Regierung ist es, welche . . . das Wesen des Staates dem Ganzen zum Bewußtsein bringt 3 3 ." Diese Lehre L. v. Steins, die die Selbständigkeit der Regierung — wenn auch i n zeitbedingten und m i t dem Begriff der Verwaltung vermengenden Vorstellungen — hervorgehoben hat, hat sich i m späteren Schriftt u m durchgesetzt. Man hat der Regierung für die Wesensbestimmung und -durchsetzung des Staates und für ihre Tätigkeit schlechthin einen freien Spielraum zuerkannt, wo sie sich selbständig und frei entfalten kann. Die materielle Selbständigkeit der Regierung fußt auf der Existenz eigenen Willens, der gleichzeitig Staatswille ist. Durch die Konkretisierungsfunktion des Staatswillens ist diese Selbständigkeit leichter zu erfassen: Der Staatswille läßt sich i n der Begegnung der Wirklichkeit auf zwei Arten konkretisieren: Durch a priori- oder durch a posteriori-Wertungen der Wirklichkeit. Das a priori-Werturteil liegt dem Rechtssatz, die a posteriori-Wertung dem (Regierungs-)Ermessensakt zugrunde. Wessen Wille Staatswille ist, kommt auf die Staatsform an. ζ. B. i n absolutistischem Staat ist der Wille des Monarchen Staatswille. I m demokratischen Rechtssaat liegt ein Dualismus von Staatswillen vor. Die Volksvertretung konkretisiert den Willen der Allgemeinheit in Rechtssätzen, d. h. die den Rechtssätzen zugrunde liegenden Werturteile sind nicht Werturteile der Personengruppe der Volksvertretung, sondern der Allgemeinheit, welche durch die Volksvertretung festgestellt werden. Da aber ein Teil der zukünftigen Wirklichkeit nicht voraussehbar ist, ist es notwendig die Wertung und Begegnung dieser Wirklichkeit einem individuellen Willen anzuvertrauen, der zu dem Zeitpunkt, i n dem die Wirklichkeit auftritt und gemeistert werden muß, m i t dem Staat i n organisatorischer Verbindung steht und mit Dezisionskraft ausgestattet ist. Die Wertung als Begegnung der Wirklichkeit kommt hier a posteriori zustande und stellt die Ermessenstätigkeit dar, deren Teil auch das Regieren ist, sofern sie sich auf das Staatsganze bezieht 34 . Das Regierungsorgan konkretisiert i m Regieren nicht den allgemeinen Willen, sondern den eigenen, der ein Surrogat des ersten ist. Er ist 33 L. v. Stein, a.a.O. Die Vorstellungen L. v. Steins über die Regierung sind nicht sehr klar. Z u diesem Ergebnis gibt der folgende Satz Anlaß (a.a.O.): „Das Wesen der Regierung besteht darin, daß sie den Geist und den W i l l e n der gesetzgebenden Gewalt i n der vollziehenden Tätigkeit des Staates zur Geltung bringt." Also doch kein eigener W i l l e und daher eine materielle Abhängigkeit. 34 Siehe unten S. 42 ff., 45 f.
§ 3. Das Regieren als leitende Tätigkeit
37
kein privater, sondern individueller Wille, der kraft eines organisatorischen Gebundenheitssystems 35 eine Zwischenstufe zwischen dem allgemeinen und dem privaten darstellt mit Neigung i m demokratischen Rechtsstaat zum allgemeinen Willen. Daraus ergibt sich — für unsere Staatsform — ein Unterschied zwischen Gesetz und Regierungsakt: Der Regierungsakt ist Konkretisierung individuellen Willens und das materielle Gesetz des allgemeinen Willens. Die Volksvertretung und die Gesetzgebungsorgane schlechthin sind in der Demokratie Mediationsorgane 36 . Die Selbständigkeit der Regierung bedeutet keinesfalls Ungebundenheit und Unbegrenztheit. Selbständig kann ein Staatsorgan oder eine Staatsgewalt sein, ohne daß ihnen ein freier Spielraum eingeräumt ist. Selbständig ist z. B. die Verwaltung, ans Gesetz aber gebunden. Selbständig sein heißt: eigene Existenz haben und eigene schöpferische Tätigkeit ausüben; es bedeutet: ohne Weisungen eigenen Weg brechen und gehen können. Diesen Sinn hat die materielle Selbständigkeit, die der Regierung eigen ist. Wäre das Regieren eine angewiesene Tätigkeit, dann fehlte ihr die Selbständigkeit i m obigen Sinne. Der Weisunggeber würde direkt ins Wesen der Regierung eingreifen und ihre Selbständigkeit aufheben 37 . Die Verwaltung, als „Tat der Persönlichkeit" — um den Ausdruck L. v. Steins zu verwenden 3 8 — ist zwar selbständig, an den Willen aber der „Persönlichkeit", d. h. an die Gesetzgebung, gebunden. Die Selbständigkeit ist hier eine formale bzw. organisatorische, da sie sich nur bis zum Organisationsbereich erstreckt. Die Selbständigkeit der Regierung beruht auf der Möglichkeit der Realisierung eigenen Willens und bedeutet daher eine Gestaltungstätigkeit i m Staate. Als gestaltende Tätigkeit besitzt das Regieren eine materielle Selbständigkeit, welche die Verwaltung nur bei der Entfaltung des Ermessenshandelns besitzt 39 . 35 Vgl. unten S. 136 ff. 36 Problematisch ist es, welchen W i l l e n das Gesetzgebungsorgan k o n k r e t i siert, wenn es Regierungstätigkeit v o r n i m m t : Eigenen individuellen Willen, w i e das Regierungsorgan, den individuellen W i l l e n des Hauptorgans des Regierens, wofür auch die Vermutung der Zuständigkeit für Regierungsangelegenheiten spricht, oder den W i l l e n der Allgemeinheit, w i e beim Rechtsetzen. 37 Dafür, daß das Parlament der Regierung Weisungen erteilen könne, sprach sich Friesenhahn auf der Tagung der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer i n Berlin 1957 aus (DVB1.1958, S. 13). Gegen diese A u f fassung: W. Merk i n ZgesStWiss. Bd. 114 (1958), S. 705 ff., der es für gefährlich hält, ein vielköpfiges Organ, wie den Bundestag, i n die Staatsführung eingreifen zu lassen. 38 Verwaltungslehre 1. Teil, S. 3 ff., 10 ff. 39 Eine formale Selbständigkeit der Regierung besteht dagegen nicht, w e i l sie weder als selbständige F u n k t i o n positivrechtlich anerkannt, noch organisatorisch von den anderen Funktionen getrennt ist. (Vgl. auch unten S. 98 f.)
1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
38
Die oben skizzierte Selbständigkeit des Regierens, als Möglichkeit der Verwirklichung eigenen Willens, läßt sich mit der in Frankreich, hauptsächlich von Carré de Malberg, entwickelten Lehre 4 0 , nach der die Regierung die Vollziehung des Willens der Verfassung, die „éxecution de dispositions constitutionelles fondamenteés" 41 ist, schlecht vereinbaren. Das über das Unvoraussehbare Entscheiden kann nie materiell den verfassungsrechtlichen (Grund) entscheidungen entsprechen. Ein materieller Zusammenhang zwischen dem So-Regieren und dem So-Sein des Staates besteht nicht, denn die Regierungsentscheidung ist nicht darauf gerichtet, die Verfassungsentscheidung inhaltlich zu vollziehen, sondern i n deren Rahmen das Leben des Staates fortzusetzen. Das wichtigste und wesentlichste beim Regieren ist die Initiative 4 2 · Wie wäre eine Realisierung fremden Willens m i t Initiative zu vereinbaren? Der materiellen Selbständigkeit steht die Beeinflußbarkeit der Regierung nicht entgegen. Besonders stark ist der Einfluß fremder Faktoren auf die Regierung i m parlamentarischen Staat, wo die eigentlichen Regierungsorgane aus dem Parlament hervorgehen und von i h m kontrolliert werden. Ersichtlicher w i r d die Abhängigkeit der Regierung von der Volksvertretung, wenn eine Parteizersplitterung besteht und die Regierung die Unterstützung einer Mehrzahl von Parteien braucht. Diese Abhängigkeit und Beeinflussung vermögen aber nicht, die materielle Selbständigkeit der Regierung aufzuheben oder gar zu beeinträchtigen. Die Einwirkungen sind nur organisatorisch fremd, denn einwirkende und beeinflussende Willensbildung gehören materiell zum Bereich des Regierens. 5. Zum Leiten gehört auch das planvolle Lenken. Planen bedeutet: Probleme voraussehen und Lösungen dafür finden 4 3 . Das Planen fußt auf der Erkenntnis der internationalen, staatlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten und ist das Ergebnis der überlegten Abwägungen von gegensätzlichen Interessen und Wertungen schlechthin. Z u einer vollkommenen Erkenntnis der Wirklichkeit und daher einer richtigen Abwägung ist eine ausgedehnte Aufsicht und Beobachtung aller Lebensbereiche geboten. Dies kann auch durch eine vollständige Informa40
Darüber siehe unten S. 81 f. So Dendias, L a Fonction gouvernementale, S. 29. 42 Schmitt, Verfassungslehre, S. 263, schreibt: „Es k a n n keine Regierung ohne Initiative geben." Ä h n l i c h auch Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 278: Die Regierung sei „die schöpferische Entscheidung" u n d „die politische Initiative". 43 Nawiasky, Allg. Staatslehre, 2. T e i l / I I . Bd., S. 16 ff.; Friedrich, Der V e r fassungstaat der Neuzeit, S. 411. 41
§ 3. Das Regieren als leitende Tätigkeit
39
tionstätigkeit erreicht werden 4 4 . Die Information gehört funktionell immer zum Regieren. I m Planen w i r d ein einheitliches Programm der Staatsleitung erarbeitet. Das Ergebnis dieser Planung ist das Regierungsprogramm, welches Entschlüsse über Ziele und Schritte des Regierungsorgans umfaßt. Die Programmsetzung, die wesentlich different vom Rechtsetzen ist, ist notwendig für die Erfüllung der Regierungsaufgaben. 6. Eine der wichtigsten Rollen der Regierung des heutigen Staates, die inhaltlich zum „Leiten" gehört, ist die des Regulators i m Felde der Kräfte und Spannungen zwischen den Gewalten, worauf schon L. v. Stein 4 5 hingewiesen hat 4 6 . Diese Rolle besteht in der Überwachung der Gewaltverhältnisse und Funktionen der obersten Verfassungsorgane und der Aufrechterhaltung ihres Zusammenwirkens einerseits 47 und i n der Vornahme der nötigen Schritte dafür andererseits. Unter der allgemeinen Aufgabe der Verwirklichung der Gesamtinteressen des Landes 48 entwickelt sich eine Tätigkeit der Regierung, welche aus einer unaufzählbaren Fülle von tatsächlichen, technischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen usw. Verrichtungen bestehen kann: Pflege der Beziehungen zwischen den Gliedstaaten und zwischen dem Gesamtstaat und den auswärtigen Mächten; Ingangsetzung der Gesetzgebung sowie deren Lenkung und Beeinflussung durch Aussprache i m Parlament, durch Vorbereitung, Ein- und Durchbringung von Gesetzesentwürfen, durch Einberufung und Auflösung der Volksvertretung, durch Ausschreibung von Neuwahlen; Bestimmung der Richtlinien der Politik; Lenkung der Verwaltung durch Verwaltungsverordnungen und allgemeine Erlasse; Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit i m Innern und zum Schutze der Staatsangehörigen und des Staatsgebietes nach außen . . . Diese Anschwellung des Regierens ist eine Teilerscheinung und das Ergebnis einer weiten geschichtlichen Entwicklung, die von der Uberwältigung des Individuums durch die Gesellschaft gezeichnet ist. Das allmähliche Zurücktreten der Freiheit des Einzelnen i m alten Sinn zugunsten der wachsenden Macht der Gattung Mensch ist das wahre Zeichen der verdichteten Gesellschaft von heute. Diese Wandlung i m 44
Vgl. Nawiasky, a.a.O., S. 17 f. Verwaltungslehre 1. Teil, S. 135 ff. 46 Diese Rolle der Regierung hat i n Frankreich zur B i l d u n g der Lehre Constants (siehe oben S. 23) über die „pouvoir neutre" geführt. Uber diese Rolle siehe auch Dendias, L a foriction gouvernementale, S. 30. ν Hatschek, Staatsrecht I, S. 552; Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 102 f. 48 Nawiasky, Allg. Staatslehre 2. T e i l / I I . Bd., S. 16 f. 45
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
gesellschaftlichen Leben, dessen Erfordernisse durch die Entwicklung der Technik und der Wissenschaft erheblich vermehrt und kompliziert worden sind, hat auch das Staatsleben beeinflußt und neu geprägt. Wie i n der Gesellschaft das Individuum, so war i m Staat der „Regierende" das Opfer der historischen Wandlung, das seine Macht hat einbüßen müssen. Dort ist das allmähliche Zurücktreten der individuellen Freiheit, hier der progressive Schwund der „Autorität" das Zeichen der staatlichen Entwicklung, die als Umwandlung der Gewalt in Funktion erscheint. Dieses Phänomen ist eine A r t „Säkularisation" des Regierens, die durch die zunehmende Organisation vorsichgeht. Die oben erwähnte staatliche und gesellschaftliche Entwicklung führte notwendig zu einer Steigerung der A k t i v i t ä t in allen Funktionen und Zweigen des Staatsapparates. Sie hatte auch eine Vermehrung der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zur Folge; i m Verhältnis zum Wachstum der anderen Funktionen jedoch ist die rechtsetzende Gewalt zurückgeblieben. Den ersten Platz i m Wachstum nimmt die Exekutive und damit die Regierung ein. I n einem Staat, der nicht mehr ausschließlich Erhalter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern auch Wohlfahrtsstaat, Helfer und sozialer Ordner ist, ist das Parlament, mangels Zeit und Kenntnis, nicht mehr imstande, alles vorauszusehen und zu regeln 4 9 . Parallel ist auch der Glaube an Ordnungen, die, i m Gegensatz zu den normativen, den wechselnden Situationen anpassungsfähig sind, gewachsen. So ist eine Schwächung, eine Krise sogar der Gesetzgebung und eine entsprechende Stärkung der Exekutive entstanden, welche zum heutigen Etatismus führte. Der wachsende Etatismus, der die Tendenz hat, sich i n einen Monismus der Exekutive zu entwickeln, stellt die äußere Gestalt des Machtmoments i m heutigen Staat dar, von dem ein Teil das Machtmoment der Regierung ist 5 0 . Das Wachstum der Exekutive hat nicht als Folge eine entsprechende Stärkung der Regierung. Durch die Vermehrung der staatlichen Aufgaben ist zwar eine inhaltlich-quantitative Erweiterung des Regierungsbereichs entstanden, qualitativ hat die Regierung jedoch an Einfluß verloren, indem das wahre Leiten durch die Räder des staatlichen Funktions- und Organisationsapparates auf eine Fülle von Behörden mit Ermessenstätigkeit verteilt wurde. Daher ist der Regierung durch die Verwandlung des Waltens in Ver-walten eine progressive Abnahme der Macht zugunsten der Verwaltung anzumerken 51 . 49 Siehe H. Ruber, Demokratie, S. 23 f., 29 ff. so Vgl. Koellreutter, Staatsrecht, S. 179, der sagt, daß dieses keine differentia specifica für die Regierung darstelle, si I n diesem Sinne auch Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 46.
Moment
§ 3. Das Regieren als leitende Tätigkeit
41
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß, trotz des gewachsenen und immer noch wachsenden Etatismus, das Leitungsmoment des Regierens heute geschwächt ist, so daß es, wie w i r unten sehen werden, Regierungsakte gibt, bei denen dieses Moment kaum mehr wahrzunehmen ist 5 2 . Das Regieren ist dennoch als leitende Tätigkeit auf dem Bereich des Staatsganzen geboren und gewachsen, auch wenn es mit der Zeit entartet.
62 Vgl. z. B. oben S. 30 ff. oder unten S. 98 f. über die Kontrollakte, bei denen der Leitungscharakter oft k a u m sichtbar ist.
§ 4. Das Regieren als Ermessenstätigkeit 1. Jede schöpferische Tätigkeit ist eine primäre Tätigkeit und entspringt der Dezisionskraft des Handelnden. Ein Staatsorgan kann entweder primär oder sekundär handeln; d.h.: entweder den Willen eines andern Trägers der Staatsgewalt vollziehen oder den eigenen verwirklichen. Vollziehung und Ermessen sind die zwei Arten des staatlichen Handelns, die zwei Gesichter des Staatswesens i m Rechtsstaat. Wesen und Begriff des Ermessens sind bis heute hauptsächlich i m Rahmen des Verwaltungsrechts untersucht worden. Dies wahrscheinlich deshalb, weil die Verwaltung dem Individuum und seinen Interessen näher steht — und überdies — das Ermessen bei der größtenteils angewiesenen Tätigkeit der Verwaltung größere praktische Bedeutung erhält und näherer Bestimmung und Umgrenzung bedarf. Das Ermessen findet sich aber in allen Zweigen der Ausübung der Staatsgewalt. Sein Wesen ist überall dasselbe; quantitative Unterschiede kann man von Organ zu Organ feststellen 1 . W i r haben schon angedeutet 2 , daß dem demokratischen Rechtsstaat ein Dualismus des Staatswillens zugrunde liegt: So der allgemeine Wille, der sich i m Normieren alles Voraussehbaren verwirklicht, und der vom allgemeinen Willen ermächtigte individuelle Wille, der über alle Fälle entscheidet, die nicht normierbar und daher nicht normiert sind. Die Tätigkeit des allgemeinen Willens stellt — i n ihrem größten Teil — die Rechtsetzung dar; die Verwirklichung des ermächtigten individuellen Willens ist die Ermessenstätigkeit i m weitesten Sinne 3 . 1
Vgl. Maunz i n Maunz - Dürig, zu A r t . 20 Rn. 122. 2 Siehe oben S. 36. 3 Demzufolge ist die Rechtsetzung materiell keine Ermessenstätigkeit u n d von gesetzgeberischem Ermessen kann n u r die Rede sein, sofern dieser Ausdruck zur Bezeichnung der Gesetzgebungstätigkeit innerhalb der durch verfassungs- oder überverfassungsrechtliche Normen gesetzten Grenzen gebraucht wird. Die „Rechtsetzungskompetenz" der Gesetzgebungsorgane und das Ermessen sind zwei wesentlich verschiedene Begriffe: Das Ermessen i m Rechtsstaat ist die Tätigkeit des v o m allgemeinen W i l l e n ermächtigten i n dividuellen Willens, also eine formal sekundäre Dezisionskraft, während die Rechtsetzung Ausdruck des allgemeinen Willens selbst, also auch formal primäre Dezisionskraft ist. Das Gesetzgebungsorgan ist j a n u r ein Mediationsorgan. (Vgl. hierzu Maunz i n Maunz-Dürig, zu A r t . 20 GG Rn. 117; Lerche, Staatslexikon Band 3 S. 13 ff. zum Stichwort: Ermessen.)
§ . Das Regieren als
eentigkeit
43
Beide Tätigkeiten sind materiell primär, w e i l sie inhaltlich nicht angewiesen sind, sondern eigener Dezisionskraft entspringen 4 . Das Ermessen ist ein Zweckbegriff genau wie das Recht 5 insofern, als der Ermessens- wie der Rechtsetzungsakt ein Zweckmäßigkeitsakt ist. Der Unterschied liegt darin, daß der Rechtssatz eine apriorische Wertung und Regelung der voraussehbaren Wirklichkeit darstellt, während die Ermessensentscheidung beim Erscheinen der zu regelnden Wirklichkeit getroffen wird. Ermessen ist eine rechtliche Möglichkeit, um von den vielen, für das Recht gleichgültigen Bewertungen einer Verwirklichung oder Wirklichkeit eine auszuwählen. Es ist eine Wahlfreiheit zwischen vielen Lösungen, eine Abwägungsmöglichkeit der Gegebenheiten 6 . Durch die Abwägung kommt das Werturteil zustande, wobei der Entscheidende sich „über den inneren Wert oder Unwert einer Verwirklichung" 7 mit Entscheidungskraft äußert. Das Abwägen beim Ermessen liegt ganz beim Entscheidenden, denn sein Ergebnis ist von keinem fremden Willen vorausgegeben 8. I n dieser Abwägungsfreiheit zwischen den verschiedenen Tatbestandsbeurteilungen und Handlungsweisen liegt die Gestaltungsfreiheit des Ermessens. Die Ermessenstätigkeit ist ein Vorgang befehlenden Inhalts, durch den eine Welt, eine Gesamtheit von staatlich bewerteten Elementen geschaffen wird. Alle verschiedenen Werturteile, aus denen das Staatsorgan eines auszuwählen hat, sind rechtlich — wie schon gesagt — richtig. So liegt dem Ermessen als Abwägen eine „vom Gesetz gewollte Mehrdeutigkeit zugrunde" 9 , in dem Sinne, daß das Gesetz bewußt die Ent4 Hiergegen sieht Krüger, DÖV 1950, S. 536 ff. (540) den Ermessensakt als „sekundäre Entscheidung" (vgl. oben Fußn. 3) u n d stellt das Ermessen der Verwaltung und des Richters dem Regieren gegenüber. I h m können w i r nicht beipflichten: u. E. sind alle Ermessensarten (auch die des Regierens) materiell p r i m ä r u n d formal sekundär. 5 Siehe hierzu Jhering, Der K a m p f ums Recht, S. 1 : „Der Begriff des Rechts ist ein praktischer, d.h. ein Z w e c k b e g r i f f . . . er schließt den Gegensatz von Zweck u n d M i t t e l i n s i c h . . . " Auch Triepel, Streitigkeiten, S. 16, schreibt: „Alles Recht steht i m Dienste von Zwecken, beruht auf Zweckerwägungen." 6 Z u m Begriff des Ermessens siehe auch Lerche, Staatslexikon zu: E r messen; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 72 ff., m i t dem dort angeführten Schrifttum; Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 140 ff. 7 W. Jellinek, Gesetz..., S. 89. 8 Maunz i n Maunz - Dürig zu A r t . 20 Rn. 120. 9 Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 30; Maunz i n Maunz - Dürig zu A r t . 20 Rn. 120; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 10 ff.; v. Laun, Das freie E r messen, S. 259 f.
1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
44
Scheidung f ü r die eine L ö s u n g d e m i n d i v i d u e l l e n W i l l e n h a t 1 0 , w e i l sie a p r i o r i n i c h t z u t r e f f e n w a r 1 1 .
überlassen
Ermessen ist e i n Rechtsbegriff, der i m Rechtsdenken einen b e s t i m m t e n I n h a l t h a t . Dieser B e g r i f f l i e g t zwischen d e n B e g r i f f e n B e l i e b e n u n d V o l l z i e h e n . D i e G r e n z e n z u m V o l l z i e h e n s i n d d u r c h die A u f f i n d u n g u n d F e s t s t e l l u n g des Endes des f r e m d e n u n d des A n f a n g s des eigenen W i l l e n s i m A k t des j e w e i l i g e n Staatsorgans z u f i n d e n ; Ende des f r e m d e n u n d A n f a n g des eigenen W i l l e n s s i n d aus d e m a n z u w e n d e n d e n Rechtssatz oder aus d e m m a ß g e b l i c h e n A k t z u e r m i t t e l n . D i e G r e n z e n z u m B e l i e b e n s i n d v o m a l l g e m e i n e n W i l l e n , also v o n der j e w e i l i g e n R e c h t s o r d n u n g gezogen. Dies b e d e u t e t : w o das B e l i e b e n b e g i n n t , ist eine Rechtsfrage. Daß das Ermessen k e i n freies B e l i e b e n i s t 1 2 , h a t die B e d e u t u n g , daß das entscheidende O r g a n n i c h t n u r i m R a h m e n der gesetzlichen G r e n z e n 1 3 , sondern als S t a a t s o r g a n v e r n ü n f t i g u n d i m Z u s a m m e n h a n g m i t sachlichen Z w e c k e n entscheiden u n d h a n d e l n m u ß 1 4 . Dies ist die B e d e u t u n g des „ p f l i c h t m ä ß i g e n Ermessens", u n d n u r solches ist rechtsstaatlich15' 1β. Das Ermessen ist, w i e oben geschildert w u r d e , e i n B e g r i f f des Rechtsstaates u n d k a n n sich b e i d e r A u s ü b u n g der S t a a t s g e w a l t i n der v o r konstitutionellen Zeit nicht finden. Daher k a n n m a n nicht behaupten, 10
Überall w o eine rechtlich gewollte Eindeutigkeit vorliegt, k a n n von Ermessen nicht die Rede sein, w e i l das Recht nur eine Lösung für richtig hält. Dies ist der F a l l bei den unbestimmten Rechtsbegriffen, bei denen die v o m Recht bereits entschiedenen Lösungen durch Auslegung oder durch eine jeweilige Verbindung des Begriffs m i t einem v o m Recht gewollten wechselbaren Korrelat des praktischen Lebens zu finden ist. A u f dem Unterschied zwischen der gesetzlich gewollten Mehrdeutigkeit und der Eindeutigkeit basiert die Unterscheidung zwischen freiem und gebundenem (richterlichem oder arbiträrem) Ermessen. Diese Lehre, die von v. Laun, Das freie Ermessen, 1910, S. 55 ff., Otto Mayer, Verwaltungsrecht Bd. 1, S. 97 ff. und anderen (Näheres siehe bei Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 75, m i t Fußn. 2) vertreten wurde, ist heute veraltet (so Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 147) u n d ist aufgegeben worden. Anstatt des Ausdruckes: „gebundenes Ermessen" ist heute „unbestimmter Rechtsbegriff" gebräuchlich. 11 Hier liegt der tiefere Sinn des Satzes i n der Jellinekschen Definition (Gesetz..., S. 89): „Freies Ermessen ist die v o m Recht m i t Maßgeblichkeit ausgestattete... individuelle Anschauung über den inneren Wert oder U n w e r t einer Verwirklichung." 12 w . Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 30; Derselbe, Gesetz . . . , S. 340 f.: „Es ist dies einer der sichersten Sätze des öffentlichen Rechts"; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 86; Bachof, SJZ 1948, S. 743. n Darüber siehe unten S. 140 ff. u Siehe unten S. 136 ff. 15 E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I , S. 657 f.; Forsthoff, a.a.O.; Bachof, a.a.O. iß Näheres darüber unten S. 140 ff.
§ . Das Regieren als
eentigkeit
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das Ermessen sei ein Rest aus jener Zeit. Die Ausübung der Staatsgewalt ohne rechtliche Vorschriften und Begrenzungen, besonders durch den Monarchen, war eine gemischte Tätigkeit aus Rechtssetzung, Ermessen und freiem Belieben 17 . Reines Ermessen ist weder Rechtsetzen noch Belieben. Reines Ermessen kann nur i m Rechtsstaat festgestellt und ausgesondert werden, wo der allgemeine Wille i n Rechtsnormen typisiert und freies Belieben nicht anerkannt wird. Das Ermessen in diesem Sinn kann kein vorkonstitutioneller Rest, kein fremder Körper i m Rechtsstaat sein. Es ist ein naturgemäß notwendiges 18 Phänomen des Staatslebens, welches i m Rechtsstaat als Begriff seinen reinen Sinn erhält. Es ist ferner das zweite Gesicht der primären Staatsgewalt, welches mit dem anderen, dem Rechtsetzen, den Staat gestaltet. 2. Die obige Schilderung des Wesens und Begriffs des Ermessens wurde besonders in der Ermessenslehre des Verwaltungsrechts entwickelt 1 9 . Die Frage ist nun, ob sie für die Bestimmung des Regierungsermessens 20 maßgebend sein kann. Die Frage ist m. E. zu bejahen 21 . Zwischen Regierungs- und Verwaltungsermessen bestehen nur quantitative Unterschiede bezüglich der Weite der von der Rechtsordnung gesetzten Grenzen. Dem Wesen nach besteht aber kein Unterschied 22 . Regieren ist ein dauerndes Entscheiden darüber, was der allgemeine Wille a priori nicht entscheiden und i n Rechtsnormen niederlegen kann. Die Regierung ist eine Verwirklichung derjenigen Dezisionskraft, welche beauftragt ist, unvoraussehbaren Sachverhalten zu begegnen 23 . Inhaltlich besteht also kein Unterschied zwischen Verwaltungs- und Regierungsermessen. Aus beiden ergehen primäre Entscheidungen 24 . 17 Weitere Ausführungen darüber unten S. 136 ff., 140 ff. * 8 Vgl. oben S. 32 ff. 19 Eine umfassende Arbeit über die geschichtliche Entwicklung und den heutigen Stand der Ermessenslehre ist die von Horst Ehmke: „Ermessen" und „unbestimmter Rechtsbegriff" i m Verwaltungsrecht, 1960. 20 ν . Laun (Das freie Ermessen und seine Grenzen, 1910) ist der H a u p t vertreter i n Deutschland der Auffassung, die Regierung sei eine A r t E r messenstätigkeit; dazu vgl. auch die Ansicht E.R. Hubers, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I , S. 656 f. 21 Hierzu vgl. Spanner, Bay VBl. 1958, S. 4 und 407; dagegen Holtkotten, B K zu A r t . 93 Erl. I I 1 b 6 a. E., der behauptet, daß der i m Verwaltungsrecht entwickelte Begriff des Ermessensmißbrauchs grundsätzlich f ü r die oberste politische Ebene nicht passe! 22 Triepel, Streitigkeiten, S. 99 f., sieht auch die Regierungstätigkeit als eine Ermessenstätigkeit an. 23 Siehe oben S. 32 ff. 24 Krüger, DÖV 1950, S. 540, ist nicht beizupflichten, der den Ermessensakt vom Regierungsakt dadurch unterscheidet, daß er der Ermessensentscheidung eine primäre Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde liegend wissen w i l l , während die Regierungsentscheidung grundlegend sei. (Vgl. auch oben, S. 43 Fußnote 4).
46
1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
Wie das Verwaltungsermessen liegt auch das Regierungsermessen zwischen dem freien Belieben und dem Vollziehen. Die Regierungstätigkeit kann auch kein freies Belieben sein. Das Gegenteil wäre mit der i n Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsentscheidung der Rechtsgebundenheit aller Staatsgewalt nicht vereinbar. Daß die Regierungstätigkeit nicht i m Vollzug von Gesetzen, sondern i n „Gestaltung außerhalb des Bereichs der Rechtsgebundenheit" 25 besteht, bedeutet nicht, daß sie dem freien Belieben gleichgestellt w i r d : Es bedeutet vielmehr, daß sie nur inhaltlich Anweisungen der gesetzgebenden Gewalt nicht untersteht, denn das Regieren ist Gestaltungstätigkeit. Daß der einfache Gesetzgeber ohne Verfassungsermächtigung das Regierungsermessen nicht regeln kann — i m Gegensatz zum Verwaltungsermessen —, macht das Wesen des Ermessens nicht aus. Darin, daß die Verfassung eine Vielzahl von Regierungstätigkeiten organisatorisch und kompetenzmäßig regelt oder begrifflich typisiert und das Gesetz dem Verwaltungsorgan formelle und materielle Grenzen bezüglich seines Ermessens zieht, liegt kein materieller Unterschied zwischen Regierungs- und Verwaltungsermessen, sondern nur ein formaler. Die Behauptung, das Regierungsermessen sei von der Verfassung und das Verwaltungsermessen vom Gesetz bestimmt, betrifft nur die organisatorische und verfahrensrechtliche Seite, nicht aber die materiellrechtliche. Daß sich das Regierungsermessen grundsätzlich 26 i n einem weiteren Raum als das Verwaltungsermessen entfaltet, macht nur einen quantitativen Unterschied, der die Geltung der i m Rahmen des Verwaltungsrechts entwickelten Ermessenslehre nicht hindert. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich kein Bedenken, die Regierungstätigkeit als eine A r t Ermessenstätigkeit zu betrachten. Nur als solche kann sie sich i m Rahmen des heutigen Rechtsstaates entfalten. 25
So wörtlich Maunz i n Maunz - Dürig Rn. 144 zu A r t . 20. I m konkreten F a l l k a n n das Regierungsermessen durch eine Verfassungsvorschrift enger begrenzt sein als das Ermessen eines Verwaltungsorgans. 26
§ 5. Der Begriff des Politischen und sein Verhältnis zum Regieren Wenn man sich mit dem Begriff und Wesen des Regierens befaßt, kann man nicht umhin, auf die Problematik des Politischen zu stoßen1. Zwei Probleme tauchen hier auf: Was politisch ist und i n welchem Verhältnis es zum Regieren steht. Diese zwei Fragen kann man nicht getrennt betrachten und untersuchen. Nur durch die Ermittlung des Wesens des Politischen können w i r zu seinem begrifflichen Verhältnis zur Regierungstätigkeit kommen. Überdies können w i r uns unserem Ziel, ins Wesen der Regierung einzudringen, dadurch nähern. 1. Man gebraucht die Ausdrücke „Politik" und „das Politische" bzw. „politisch" meistens ohne jede Unterscheidung. Das führt zu begrifflichen Konfusionen und zu einer Vieldeutigkeit dieser Ausdrücke 2 . Unter „Politik" ist auch die politische Wissenschaft 3 oder die ständige Tätigkeit einer Privatperson oder einer Partei, der Beruf also i m soziologischen Sinn 4 verstanden worden. Diese beiden Sachbereiche sind für unser Thema irrelevant. Das Wort „Politik" sollte aber um der Klarheit willen zur Bezeichnung nur dieser Bereiche gebraucht werden. Lassen w i r das Wort „Politik" für die oben erwähnten Bereiche, so bleibt uns das „Politische" i n seiner verwirrenden Vieldeutigkeit. Eine solche Vieldeutigkeit sieht man gleich i m Gebrauch des Wortes i m Grundgesetz 5 und i n verschiedenen anderen Gesetzen6»7. 1 Z u dieser Problematik siehe auch Meyer, Der Begriff der Regierung, S. 161 ff., 168 ff. 2 Hierzu G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 15 Fußn. 1. 3 Darüber z. B. die Studie Fleiners, Politik als Wissenschaft. Friedrich, Die politische Wissenschaft, S. 7, betrachtet die P o l i t i k als Gegenstand der „politischen Wissenschaft". Er schreibt, daß „das K o l l e k t i v u m P o l i t i k vor allem auf die Phänomene Macht u n d Ohnmacht, Herrschaft und Genossenschaft, Ordnung und Unordnung verweist" und weiter unten: „daß diese Phänomene hinübergreifen i n den Bereich der Wirtschaft oder des Rechts". Daraus ergibt sich nicht klar, ob unter Politik ein Objekt der politischen Wissenschaft oder eine Eigenschaft des Objekts zu verstehen ist. 4 Hierüber siehe Max Weber, P o l i t i k als Beruf, i n seinen: Gesammelte politische Schriften, S. 396—450. 5 Siehe die A r t i k e l des GG: 3 („politische Anschauungen"), 16 Abs. 2 Satz 2 („politisch Verfolgte"), 21 Abs. 1, Satz 1 („Die Parteien w i r k e n bei der
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
Das Gespenst des P o l i t i s c h e n erscheint n i c h t n u r i n den Gesetzest e x t e n , sondern i n v i e l e n Bereichen des Staatslebens u n d t r i t t auf v i e l e r l e i Weise i n e i n besonderes V e r h ä l t n i s z u m Recht 8 . Solche E r scheinungen des P o l i t i s c h e n k o m m e n z. B . v o r : (a) i n d e n politischen Prozessen (Ausnahmegesetze u n d A u s n a h m e g e r i c h t e ) i n m e h r oder w e n i g e r s t a r k e r A b w e i c h u n g v o n d e n R e c h t s p r i n z i p i e n 9 , (b) i n der „ p o l i t i s c h e n J u s t i z " , w i e m a n einige Bereiche oder A r t e n der J u s t i z z u bezeichnen p f l e g t 1 0 , w i e z. B . die strafrechtliche S o n d e r b e h a n d l u n g v o n „ p o l i t i s c h e n V e r b r e c h e n " ( H o c h v e r r a t usw.), M i n i s t e r k l a g e n , W a h l p r ü f u n g e n , nach sehr v e r b r e i t e t e r M e i n u n g die Verfassungsgerichtsbark e i t 1 1 u. a. N i c h t w e n i g e r schuld a n der V i e l d e u t i g k e i t des B e g r i f f s des P o l i tischen ist die Theorie. D i e m e i s t e n U n k l a r h e i t e n u n d b e g r i f f l i c h e n V e r w e c h s l u n g e n t r i f f t m a n i n d e n T h e o r i e n u n d L e h r e n ü b e r die Reg i e r u n g s t ä t i g k e i t u n d ü b e r das d a m i t v e r b u n d e n e P r o b l e m der Justiziabilität der Regierungsakte. I n l e t z t e r e m B e r e i c h t a u c h t meistens besonders s t a r k die F i g u r des P o l i t i s c h e n a u f 1 2 . politischen Willensbildung des Volkes mit"), 59 Abs. 2 Satz 1 („Verträge, welche die politischen Reziehungen des Bundes r e g e l n . . . " ) , 65 Satz 1 („Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der P o l i t i k . . . " ) , A r t . 116 Abs. 2 Satz 1 ( „ . . . die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden i s t . . . " ) . 6 z. B. § 14 BundesbahnG. : „Der Bundesminister f ü r Verkehr erläßt die allgemeinen Anordnungen, die erforderlich sind, a) u m den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Verkehrs-, Wirtschafts-, Finanz- u n d Sozialpolitik Geltung zu verschaffen" ; § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Haftung des Reiches für seine Beamten v o m 22. M a i 1910: „Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung: 1. . . . , 2. . . . und dieses Verhalten nach einer amtlichen Erklärung des Reichskanzlers politischen oder internationalen Rücksichten entsprochen ist" ; § 3 Abs. 1 und 2 des Deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. September 1933: „Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn die Tat, welche die Auslieferung veranlassen soll, eine politische ist oder m i t einer politischen Tat derart i n Zusammenhang s t e h t . . . " , Abs. 2: „Politische Taten sind die strafbaren Angriffe, die sich unmittelbar gegen den Bestand oder die Sicherheit des Staates..." 7 Wöckel, BayVBl. 1956, S. 257, erkennt, daß heute nicht mehr vermieden werden kann, die Ausdrücke „ P o l i t i k " und „politisch" i n der Verfassung und den Gesetzen zu verwenden, w e i l die „juristische Methode" aufgegeben worden ist. β Hierüber siehe Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 21 ff. ® Vgl. hierzu den von Rumpf a.a.O. zitierten Satz von Anschütz über die politischen Prozesse: „eine dem modernen Rechtssinn zuwiderlaufende absolutistische Praxis". 10 Hierüber Schmitt, Verfassungslehre, S. 134 ff. 11 z.B. Schmitt, Verfassungslehre, S. 136: „Echte Verfassungsstreitigkeiten sind immer politische Streitigkeiten." 12 Hierzu siehe unten, S. 71 ff., die verschiedenen Lehren zur Justiziabilität der Regierungsakte, besonders die Theorie der „mobile politique".
§ 5. Der Begriff des Politischen
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Häufig ist bei den Autoren die Vermengung des Politischen mit der Regierungstätigkeit. Nach Scheuner z. B. 1 3 „bezeichnet der Bereich des Politischen die Sphäre der leitenden und gestaltenden Selbstbestimmung der Gemeinschaft, die Setzung der Staatsziele und die oberste zusammenfassende Leitung 1*, das Ringen 1* um den Besitz der Macht. Der Kampf ist ein Element der Politik, aber ihr eigentliches Wesen macht die schöpferische Gestaltung des sozialen Lebens zu Ordnung und Frieden aus. I m Bereich 14 des Politischen werden die stärksten Kräfte des sozialen Lebens entbunden, die sich einer vollen Normierung entziehen". Das Politische sei also ein Sachbereich, welcher vieles, wenn nicht alles, mit dem Bereich der Regierung gemeinsam hat. Klarer w i r d dies an anderer Stelle betont 1 5 , wo die Politik als „Setzung und Durchsetzung bestimmter Ideen und Ziele, die die soziale Gesamtheit gestalten" definiert wird. I m folgenden bezeichnet Scheuner a.a.O.16 die Politik als die oberste Zielsetzung und die Selbstbestimmung des Staates, während er die Regierung als innerhalb der politischen Sphäre liegend betrachtet. Diese Vorstellungen Scheuners zeigen die auch von anderen Autoren vertretene Ansicht 1 7 , zwischen Regierung und Politik bestehe nur ein quantitativer Unterschied. Dieser Auffassung war schon L. v. Stein 18, der die Politik als die Gesamtheit von Zwecken sowie Mitteln, welche irgendeine Staatsgewalt als ihre Aufgabe ansieht, bestimmte. Ähnlich äußerten sich auch andere Verfasser 19 . Ermessens Vorstellungen spiegelt die Definition von Maclver wider: 13 I n : R.St.W. Bd. 3 (1951), S. 126 ff. (135). 14 Vom Verfasser hervorgehoben. is I n : Der Bereich der Regierung, S. 272. 16 Seite 275. 17 z.B.: Friedrich, Die politische Wissenschaft, S. 7, und die dort S. 397 angeführte Lehre von Arthur F. Bentley; derselbe: Der Verfassungsstaat, S. 411 ff., obwohl hier Friedrich die Politik als eine Handlungsweise und als die Entscheidung, was i n einer gegebenen Situation zu t u n u n d zu lassen sei, bezeichnet. 18 Verwaltungslehre 1. Teil, S. 145. 19 H. Huber, Demokratie, S. 32, w o die P o l i t i k als schöpferische Staatstätigkeit bezeichnet w i r d ; Schaumann, i n Staatslexikon zum W o r t : Regierung, wo er das Politische als „die auf Verwirklichung des gemeinen Wohls innerhalb des Gemeinwesens ausgerichtete menschliche Tätigkeit" definiert; H. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 65; Max Weber, Politik als Beruf i n : Gesammelte politische Schriften, S. 396; F.Meyer, Der Begriff der Regierung, S. 164: „Positiv ausgedrückt handelt es sich beim Politischen u m die Regelung des noch nicht Geregelten, u m Neuordnung." Hier, wie i n dem dort zitierten Satz Smends: „ L a politique est le domaine dans lequel i l est procédé du règlement des questions q u i ne sont pas encore réglementées." Les actes de gouvernement en Allemagne i n : Annuaire de l ' l n s t i t u t International de Droit public, Bd. 2 (1931), pp. 192—232 (p. 220), w i r d die Vermengung der Regierungstätigkeit m i t der P o l i t i k offenbar; es w i r d die Regelung des Unvoraussehbaren, das typisch für Ermessenstätigkeit u n d Regieren ist (oben S. 32 ff., 45 f.), dem Begriff des Politischen zugeordnet. 4
Kassimatis
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
„Politik heißt Abschätzung von Alternativen mit der Absicht, eine von ihnen in die Tat umzusetzen 20 ." 2. Von Standpunkt der Regierung aus sieht Smend das Politische an. Nach seinem viel zitierten Satz 21 ist die Regierung der Teil des Bereichs, „der i n den Kreis der Politik fällt, d. h. i n dem der Staat sich und sein Wesen bestimmt und durchsetzt, die Verwaltung dagegen als der Teil, i n dem der Staat anderen Zwecken dient oder nur die technischen Mittel für seine politischen Funktionen schafft". I n diesem Satz sind folgende Momente ersichtlich: Erstens, das Politische gehöre zum Wesen der Regierung und zweitens, die Regierung sei eine Tätigkeit — die Tätigkeit des Staates, die auf seine Wesensbestimmung ausgerichtet sei. I m Gegensatz zu den oben erwähnten Verfassern scheint Smend die Politik nicht für eine selbständige Tätigkeit zu halten. Daß das Politische zum Wesen des Regierens gehöre, ist heute die herrschende Meinung 2 2 , obwohl nicht bei allen Autoren klar ist, ob es ein Wesenselement bzw. eine Eigenschaft der Regierung oder einfach ein äußeres Merkmal ist. Diese Ansicht bestreitet hauptsächlich die Wiener Schule 23 , die die Regierung als einen formalen Begriff des positiven Rechts betrachtet. 3. Eine umfassendere Betrachtungsweise des Politischen stellt die Auffassung, alles Staatliche sei politisch, dar. Hier w i r d also das Politische dem Staatlichen gleichgestellt 24 . Die Rechtsprechung ist jedoch von manchen 25 als eine nicht politische Tätigkeit anerkannt, so daß sich das Politische auf den Bereich der vollziehenden Gewalt und der Gesetzgebung beschränkt. Nach anderer, richtigerer Auffassung 26 beschränkt sich das Politische auf die gestaltende Verwaltungstätigkeit 20
Regierung i m Kräfteverhältnis der Gesellschaft, S. 17. * Die politische Gewalt, i n : Festgabe für W. K a h l 1923, S. 16. 22 Vgl. z.B. Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 42; Koellreutter, Staatsrecht, S. 179; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 3 f. ; Laforet, Verwaltungsrecht, S. 6; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 8; Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 16; Wittmayer, i n HdbDStR Bd. I I , S. 330. 23 Kelsen, Allg. Staatslehre, S. 246. Hierzu vgl. f ü r die i n Frankreich von Carré de Malberg angeführte Richtung (s. unten S. 81) Dendias, L a fonction gouvernementale, S. 13 f., der sagt, Regierung sei kein politischer, sondern ein juristischer Begriff, w e i l sie i n der Verfassung verankert sei. 24 Schmitt, Verfassungslehre, S. 135, schreibt: „ . . . nichts, was dem Staat angeht, k a n n unpolitisch sein"; ähnlich auch Triepel, Streitigkeiten, S. 17: „»Politik« ist alles, was sich auf einen Staatszweck bezieht." „ A u f alle G r u n d verhältnisse des thätigen Staats" wendet den Begriff der „ P o l i t i k " schon L. υ. Stein, Verwaltungslehre I. Teil, S. 145, an. 2 s Laforet, Verwaltungsrecht, S. 6; Wöckel, BayVBl. 1956 S.257. 2 ® Wöckel, a.a.O., S. 257 ff. Von einer wirtschafte- u n d sozialpolitischen E n t scheidung des Gesetzgebers spricht auch das BVerfG (BVerfGE, 4, S. 7 ff.). Z u r P o l i t i k i n der V e r w a l t u n g vgl. Friedrich, Der Verfassungsstaat, S. 411. 2
8 5. Der Begriff des Politischen
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und auf diejenige Gesetzgebung, welche zu einem M i t t e l der politischen Leitung w i r d und ihr die Form gibt 2 7 . Ferner sieht Peters 28 das Politische als eine bindende Kraft, durch die eine „politische Unterordnung aller staatlichen Organe unter die den Staat leitenden, seine Politik bestimmenden Organe" geschaffen wird. 4. Die bekannteste Lehre über den Begriff und das Wesen des Politischen ist die von Carl Schmitt i n seiner Studie „Der Begriff des Politischen" 29 entwickelte. Schmitt findet das K r i t e r i u m des Politischen i n der Freund-Feind-Unterscheidung. Er gibt keine erschöpfende Begriffsbestimmung und Inhaltsangabe, sondern begnügt sich mit diesem Gegensatzkriterium, wie entsprechende Gegensätze andere Begriffe (wie z. B. gut und böse das Moralische, schön und häßlich das Ästhetische) bilden und charakterisieren 30 . Die Freund-Feind-Unterscheidung bezeichnet nach seiner Meinung „den äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung oder Trennung, einer Assoziation oder Dissoziation" und braucht nicht mit anderen solchen Unterscheidungen i n Verbindung zu stehen. Der politische Feind braucht z. B. nicht moralisch böse oder ästhetisch häßlich zu sein 31 . „Die Begriffe Freund und Feind sind i n ihrem konkreten, existentiellen Sinn zu nehmen, nicht als Metaphern oder Symbole, nicht vermischt und abgeschwächt durch ökonomische, moralische oder andere Vorstellungen, am wenigsten i n einem privatindividualistischen Sinne psychologisch als Ausdruck privater Gefühle und Tendenzen 32 ." „Feind ist eine . . . kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht 33 ." Die A n t i these von Feind und Freund setzt immer eine Gruppierung von Menschen voraus und führt sie auch dorthin. Daher ist politisch „immer die maßgebende menschliche Gruppierung" 3 4 . Das Politische beruht also auf einer Antithetik i m sozialen Leben zwischen Ordnungs- und Gegenbehauptung von Menschengruppen. Die m i t solchen meisterhaften Formulierungen ausgeführte Lehre Schmitts ist nicht ohne K r i t i k entgegengenommen worden. Man hat 27 Von einer politischen Tätigkeit auch i m Bereich der kommunalen Praxis spricht das BVerfG (BVerfGE, 7, S. 167): „Die Arbeit i n den Gemeindeparlamenten w i r d — obwohl dort nicht große P o l i t i k getrieben w i r d , sondern i m wesentlichen verwaltet — i m allgemeinen Bewußtsein als echte politische Tätigkeit gewertet (BVerfGE, 6, S. 367 ff. [273])." 28 Lehrbuch der Verwaltung, S. 8. 29 1932, Neudruck 1963. 30 Siehe i n seinem Buch: Der Begriff des Politischen, S. 26 f. si a.a.O., S. 27. 3 2 a.a.O., S. 28. 33 a.a.O., S. 29. 34 a.a.O., S. 39. 4»
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
gegen sie eingewendet, daß das Politische nicht nur in der Konfliktssituation zu suchen sei, sondern auch i m Frieden. Dies merke man heute bei der Außenpolitik der Staaten, mit der sie nach einer Harmonie der Völker streben 35 . Überdies kann die Freund-Feind-Unterscheidung nicht alle Erscheinungen des Politischen erklären. Die Politik ist aus dieser Antithese historisch zwar entstanden, heute beruht sie aber nicht immer auf ihr. Der Gebrauch der Ausdrücke „politisch" und „Politik" i n Sachgebieten, wo ein solcher Gegensatz nicht oder nicht immer zu sehen ist, wie z. B. „wirtschaftspolitisch", „rechtspolitisch" u. ä., ist nicht von ungefähr. Eine entsprechende Gebrauchsausdehnung anderer solcher Begriffe, die auf einer Antithese beruhen, wie „ästhetisch", „ethisch", „wirtschaftlich", w i r d meines Wissens nicht vorgenommen. Gerade weil beim Politischen das wesentliche Kriterium nicht in der Konfliktssituation, sondern anderswo liegen soll, w i r d es in Sachgebieten verwendet, wo eine friedliche bzw. Friedens-Orientierung herrscht. Eine Antithetik, eine Polemik kann überall bestehen und besteht meistens tatsächlich, nicht aber als menschliche Gruppierung, i m Sinne des öffentlichen Feindes, wie Schmitt es meinte. Dort dagegen, wo die Freund-Feind-Gruppierung ausschlaggebend erscheint, i m klassischen Fall der Konfliktssituation: im Kriege, werden die Ausdrücke „politisch" und „Politik" nicht verwendet, sondern statt dessen: „strategisch", „taktisch" und „Taktik". 5. Wenn man versucht, den Sachgehalt des Politischen zu bestimmen, w i r d man damit scheitern. Dies besagt auch die Schmitt'sche Lehre 3 6 und wurde später von gewichtigen Stimmen wiederholt 3 7 . Diese Eigen35 Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 273; vgl. auch F.Meyer, Der Begriff der Regierung, S. 163 f. 3 6 a.a.O., S. 38: „Das Politische k a n n seine K r a f t aus den verschiedenen Bereichen menschlichen Lebens ziehen, aus religiösen, ökonomischen, moralischen und anderen Gegensätzen; es bezeichnet kein eigenes Sachgebiet, sondern nur den Intensitätsgrad einer Assoziation oder Dissoziation von M e n s c h e n . . . " Dies läßt sich m i t dem Satz: „Die seinsmäßige Sachlichkeit und Selbständigkeit des Politischen zeigt sich schon i n dieser Möglichkeit, einen derartig spezifischen Gegensatz wie Freund—Feind von anderen Unterscheidungen zu t r e n n e n . . . " nicht vereinbaren. Dieser Widerspruch ist m. E. eine u n v e r m e i d l i c h e Folge der Basierung des Politischen auf einem sachlichen K r i t e r i u m , wie es die menschliche Freund-Feind-Gruppierung ist (im Gegensatz zur Schön-Häßlich-Antithese). 37 Wie z.B.: Maunz, Verwaltung, S. 117, w o gesagt w i r d , daß das Politische kein „sich selbst umreißendes Sachgebiet und daher auch kein Maßstab" zu einer Abgrenzung von Sachgebieten sei; Ipsen, Politik und Justiz, S. 169: „Das Politische" ist „ k e i n Sachbereich, sondern objektlos, nicht kategorial beschränkt, sondern allumfassend, nicht restriktiv, sondern alles durchdringend, nicht Stoff, sondern Färbung" (vielzitierter Ausdruck); und i n Seite 231: „...das Politische ist nicht Sachkategorie, sondern Intensitätsgrad eines Spannungs- oder Berührungsverhältnisses"; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 467: „ . . . w e i l das Politische kein Sachgebiet sui generis ist, sondern
§ 5. Der Begriff des Politischen
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artigkeit des Politischen verhindert jede Definierung. Sachlich ist das Politische durch eine erhebliche Relativität gekennzeichnet. Es bezieht sich auf den Staat; nicht alles Staatliche ist politisch, doch ist alles Politische notwendig staatlich 38 . Das Kriterium, wonach das Staatliche als politisch bezeichnet werden kann, liegt m. E. dort, wo das Staatliche eine lenkende oder richtunggebende Tätigkeit darstellt. Aus der Zeitbedingtheit der staatlichen Lenkung — mag sie rechtsetzende oder regierende sein — erhält auch das Politische einen zeitlich relativen Sinn 3 9 . Aus den obigen Erwägungen ergibt sich, daß die Regierung als eine lenkende Tätigkeit immer politisch ist. Das Politische ist aber kein Merkmal des Begriffs „Regierung", weil es auch für andere richtunggebende Staatstätigkeiten verwendet werden kann. Dies hat einen tieferen Grund: Das Politische ist keine Sachkategorie, hat keinen eigenen Inhalt. Deshalb kann es kein Kriterium zu seiner begrifflichen Bestimmung geben. Seinen Inhalt erhält es von fremden Sachgebieten, von denen es auch seine sachlichen Merkmale erhält. Seine Eigenartigkeit liegt aber darin, daß es als Sachinhalt nur richtunggebende Staatstätigkeit enthalten kann. So erhält das Politische einen Bezeichnungscharakter für eine bestimmte A r t und Weise staatlichen Tuns. Es w i r d zu einem „modus significandi" der richtunggebenden Staatstätigkeit. Dieser Tätigkeit liegt statt des Schmitt'schen Freund-Feind-Gegensatzes i m Sinne der menschlichen Gruppierung ein Kampfmoment zugrunde: Das Kampf moment, das jedem Entscheiden als Begegnung von Hindernissen und Gegenkräften, als Durchsetzung schlechthin zugrunde liegt. Es bildet aber kein Definitionsmoment des Politischen. Den Ausdruck des Politischen hat auch das Grundgesetz gewählt, um den Sachbereich des Regierens zu bezeichnen. Dies liegt besonders i m Falle des Art. 65 S. 1 GG vor, wonach der Bundeskanzler die „Richtlinien der Politik" bestimmt 4 0 . Der Gebrauch des Wortes „politisch" in diesem Sinne ist seit jeher in der Theorie üblich. eine Eigenschaft, die sich jedem Staatsakt, je nach den Verhältnissen wechselnd, i n geringerer oder stärkerer Intensität anheften kann und i n der Regel anheftet." ss Seine Herkunft aus der „Polis" spricht auch dafür. Daß das Wort auch i n nichtstaatlichen Sachgebieten verwendet w i r d (wie z. B. die Politik der Frau), widerspricht i h m nicht. Überdies vgl. auch oben S. 50 Fußn. 24. ζ* Dies besagt der Satz von Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 467: „Was beute relativ unpolitisch ist, k a n n morgen hochpolitisch sein — und u m gekehrt." Vgl. auch Schmitt (nach seinem Standpunkt natürlich), Der Begriff des Politischen, S. 37: „Jeder religiöse, moralische, ethische oder andere Gegensatz verwandelt sich i n einen politischen, wenn er stark genug ist, die Menschen nach Freund und Feind effektiv zu gruppieren." 40
Unter „ P o l i t i k " ist hier die „politische" Staatstätigkeit zu verstehen,
§ 6. Zum Begriff der Regierung Nachdem w i r das Wesen des Regierens zu bestimmen versuchten, wollen w i r nun zur Bestimmung des Begriffs „Regierung" kommen, indem w i r diese unter verschiedenen begrifflichen Gesichtspunkten betrachten. So versuchen w i r zunächst, die Regierung aus ihren drei Erscheinungsformen — wie man üblicherweise einen juristischen Begriff zu definieren pflegt — d. h. i m materiellen, i m organisatorischen und i m funktionellen Sinne zu erfassen. A. Die Regierung im materiellen Sinne Das gedankliche Korrelat des Wesens der Regierung ist ihr Begriff i m materiellen Sinne. Die oben erwähnten Eigenschaften des Wesens des Regierens werden hier zu inhaltlichen Merkmalen des entsprechenden Begriffes. So können w i r die Regierung begrifflich als die leitende, das Interesse des Staatsganzen berücksichtigende staatliche Ermessenstätigkeit bezeichnen. Dieser materiellen Bestimmung liegen keine funktionellen oder organisatorischen Grenzen zugrunde. Jede solche Tätigkeit eines staatlichen Organs ist Regierung i. m. S. Dies ist nicht nur ein gedanklicher Schluß, sondern entspricht der staatsrechtlichen W i r k lichkeit. So treffen w i r die Regierungstätigkeit nicht nur bei den Regierungsorganen, sondern auch als Tätigkeit anderer Staatsorgane. Als klassisches Beispiel gelten die formellen Gesetze, wie der Haushaltsplan (Art. 110 Abs. 2 GG), nach dem Grundgesetz die Kriegserklärung (Art. 59 Abs. 1) u. a. 1 . Auch Maßnahmegesetze können — je nach ihrem Inhalt — Regierungstätigkeit darstellen. Wie schon oben erwähnt wurde, entspricht der Unterschied zwischen Regierung und Gesetzgebung dem Unterschied zwischen Normieren und Leiten. Daß die Unterscheidung zwischen Rechtssätzen und Regierungsakten bloß eine formale sei, kann man m. E. nicht behaupten, mit der Begründung, beide seien Äußerungen und Realisierungen des gleichen Staatswillens oder der einen unteilbaren Staatsgewalt. Daß diese zwei Arten der Staatstätigkeit nicht bloße modi bzw. Formen des gleichen primären Staatswillens, sondern wesensverschiedene Tätigkeiten sind, könnte man mit dem potentiellen Unterschied, der ι Vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 114; Wittmayer, S. 331 (im bezug auf den Haushaltsplan).
HdbDStR Bd. I I ,
§ . Zum
gr
der Regierung
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ihnen zugrunde liegt, begründen: Wenn die Möglichkeit besteht, das Zukünftige vorauszusehen, dann w i r d es genormt, alles andere w i r d dem Leiten überlassen. Die positive Seite dieses potentiellen Moments, die dem Wesen der Rechtsetzung innewohnt, gibt ihr die an sich formalen Merkmale der Generalität und der Abstraktheit i m Rechtssatz, während die negative Seite dieses Moments, die dem Regieren zugrunde liegt, das Merkmal der Situationsbezogenheit der i n der Regel formfreien Regierungsakte enthält. Auf diesem materiellen Untergrund beruht der i m demokratischen Rechtsstaat bestehende Dualismus in der Willensbildung des Staates 2 , wonach aus historisch-praktischen Gründen das Regieren dem individuellen und das Rechtsetzen dem allgemeinen Willen anvertraut ist. Dieser Unterschied zwischen Regieren und Rechtsetzen und die darauf beruhende praktisch-funktionelle Trennung der Willensbildung ist für die materielle Unterscheidung zwischen formellen und Maßnahmegesetzen einerseits und „klassischen" oder materiellen Gesetzen andererseits bestimmend. So sind die in die Gesetzesform eingekleideten „Entscheidungen", wenn sie ein Regieren darstellen, Regierungsakte i m materiellen Sinne. Hieraus ergibt sich, daß das Regieren auch durch das Gesetzgebungsorgan formell vorgenommen werden kann. Das materielle Regieren erschöpft sich nicht in der Gesetzgebung, sondern liegt auch in der Tätigkeit anderer Verfassungsorgane, wie z. B. i n Deutschland in der Tätigkeit des Bundesrates und des Bundespräsidenten, soweit diese Tätigkeit nicht eine Beteiligung am Rechtsetzen oder am Vollzug der Verfassung darstellt 3 . Aus den obigen Erwägungen ergibt sich, daß die Regierung i m materiellen Sinne nicht als Tätigkeit eines Staatsorgans zu verstehen ist. B. Die Regierung im organisatorischen Sinne 1. Das dem Staat lebensnotwendige Leiten, wie oben 4 geschildert wurde, mußte auch einem Staatsorgan anvertraut werden, welches die Generalkompetenz dafür hat. Die Mannigfaltigkeit der Staatstätigkeiten und die aus dem Kräftefeld der Gewalten entstehenden Spannungen bedürfen einer Oberleitung, die das „richtige" Funktionieren dieser beobachtet und überwacht 5 und einheitlich lenkt 6 . Die Ober2 Vgl. oben S. 36 f. u. 42 ff. 3 Vgl. unten, S. 100 ff., die Katalogisierung der Regierungsakte nach den Kompetenzbereichen der Verfassungsorgane. 4 S. 30 ff. 5 Vgl. HatschekjKurzig, S. 36 f. « Vgl. Nawiasky, Allg. Staatslehre, Teil I I Bd. 1, S. 261 u n d 271, und Teil I V , S. 22 f.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
leitung eines heutigen Staates, der i m Kreuzfeuer der internationalen und innerstaatlichen Interessen und Konkurrenzen steht, umschließt Aufgaben, wie z. B. auswärtige und innere Sicherheit, Verhältnisse zu den auswärtigen Mächten, Kriegsführung u. ä., die einer raschen Entscheidung und spezieller Erfahrung bedürfen. Dafür wäre die aus vielen Personen bestehende und daher schwerfällige Volksvertretung völlig ungeeignet. Aus diesen technisch-praktischen Gründen ist die Oberleitung des Staates einer beschränkten Personengruppe, die rasch entscheiden und handeln kann, anvertraut, denn die Natur des Leitens, als ständig erneuerndes Handeln, erfordert Beweglichkeit des Organs, welches mit dieser Aufgabe beauftragt ist 7 . So ist in allen Staaten eine Person oder Personengruppe da, wo die Regierung i m materiellen Sinne organschaftlich lokalisiert ist. Das Staatsleiten steht nicht verschiedenen Staatsorganen zu, deren Hauptaufgabe eigentlich eine andere ist, sondern w i r d es als Hauptaufgabe einem bestimmten Staatsorgan, der Regierung i m organisatorischen Sinne, übertragen. Hierdurch erlangt die Regierung subjektive Existenz 8 . Bei dem Begriff der Regierung i m organisatorischen Sinne unterscheidet man 9 die Regierung i m weiteren Sinne, das ist der i n der Theorie gebräuchliche Begriff, der außer dem Hauptregierungsorgan auch den Staatspräsidenten und eventuell auch andere Organe der Exekutive umfaßt, die hauptsächlich m i t Regierungstätigkeit beauftragt sind, wie etwa die Staatssekretäre der Bayerischen Verfassung. Nach dem Grundgesetz sind Regierungsorgane i m weiteren Sinne: der Bundespräsident, die Bundesregierung als Kollegium, der Bundeskanzler, die Bundesminister, die Landesregierungen und die Landesminister. Keine Regierungsorgane, sondern Verwaltungsorgane sind die militärischen Kommandobehörden, die diplomatischen Vertretungen und die Gemeinderäte 10 . Der obige weite Begriff der Regierung i m organisatorischen Sinne läßt sich in zwei Teilen unterscheiden: Das Staatsoberhaupt und die Regierung i m engeren Sinne, die den Ministerpräsidenten und die M i nister umfaßt 1 1 . 7 Hierzu vgl. das Sprichwort: „Beschließen ist die Sache vieler, Handeln die Sache weniger" (von Nawiasky, a.a.O., T e i l 2 Bd. 1, S. 261, erwähnt). 8 G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 619. » Vgl. H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 65 f. i° A. A. Wolff, Verwaltungsrecht I, 3. Aufl., S. 234, der diese Behörde als Nicht-Verwaltungsbehörden aufzählt. (In der 5. Aufl., S. 253, werden die Gemeinderäte und die Diplomatischen Vertretungen i n der Aufzählung nicht mehr mitumfaßt.) u Vgl. Nawiasky, Allg. Staatslehre, T e i l I I Bd. 1, S. 262, der Staatsleitung (Regierung) und Staatsspitze (Staatschef) unterscheidet.
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2. A n der Spitze des Staates steht das Staatsoberhaupt oder, anders genannt, der Staatschef. Der Staatschef steht über dem Kräftefeld der Funkionen und über den Parteien. Er vertritt also „den Staat als Einheit gegenüber den Teilen" einerseits und bleibt „außerhalb der politischen Krisen" andererseits 12 . Diese Stellung des Staatsoberhaupts ist durch die NichtVerantwortlichkeit seiner Person meistens geschützt, die ihm erlaubt, ein „pouvoir neutre" inmitten der Gegenspannungen der Funktionen und der politischen Kräfte zu bleiben 13 . Für seine Tätigkeit ist die Regierung i. e. S. — zumindest — politisch verantwortlich. Dieser „krisenfeste" Staatschef ist i n der Monarchie und in der königlichen Demokratie der König und in der Republik der Staatspräsident. I m heutigen Staat ist die Stellung des Staatsoberhaupts überhaupt geschwächt. Das gilt ausnahmslos in allen königlichen Demokratien, wo der Monarch fast nur einen symbolischen Charakter hat. I n den verschiedenen Typen der Republiken ist dagegen die Stärke des Staatspräsidenten verschieden. So besteht eine ganze Reihe von Abstufungen zwischen seiner stärksten Stellung in den Vereinigten Staaten von Amerika und seiner schwächsten in der Schweiz. Eine Abschwächung der Stellung des Bundespräsidenten weist auch das Grundgesetz gegenüber derjenigen des Reichspräsidenten der Weimarer Verfassung auf 1 4 . Das Staatsoberhaupt kann m. E. nicht als Regierungsorgan dort, wo ein politisch verantwortliches in der Verfassung vorgesehen ist, betrachtet werden. Regierungsorgane sind, wie gesagt, diejenigen Staatsorgane, die als Hauptaufgabe materielle Regierungstätigkeit auszuüben haben. Dies ist der Fall bei dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, der Staats- und Regierungschef gleichzeitig ist und bei dem Bundespräsidenten der Schweiz, der gleichzeitig ein M i t glied der Regierung (des Bundesrates) ist. Der König aber eines parlamentarischen Staates oder der politisch unverantwortliche Präsident einer Republik, wie z. B. der Bundespräsident Deutschlands, ist kein Regierungsorgan, weil die Regierungstätigkeit nicht seine Hauptaufgabe darstellt, sondern weil er am Regieren nur in den von der Verfassung vorgesehenen Fällen beteiligt ist. Er ist bloß ein Staats- bzw. Verfas12
Nawiasky, a.a.O. Hierzu vgl. den folgenden Satz Lorenz v.Steins, Verwaltungslehre I. Teil, S. 140, der ein zeitloses B i l d des unverantwortlichen Staatsoberhaupts gibt: „ . . . dahinter, innerhalb des nichtverantwortlichen Staatswillens liegt die selbständige Staatsidee, die große ethische Macht, welche über den I n t e r essen u n d Gegensätzen steht, der abstrakte, i n sich ruhende Staatsbegriff." 14 Hierüber Näheres bei Maunz, Staatsrecht, S. 298 ff (mit L i t e r a t u r h i n weisen). 13
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
sungsorgan, das neben anderen Aufgaben, z.B. M i t w i r k u n g an der Gesetzgebung, auch mit Regieren beauftragt ist, ohne daß man jedoch sagen kann, daß diese oder jene Aufgabe die Generalkompetenz des Staatsoberhaupts darstelle 15 . Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der Begriff Regierung im weiteren organisatorischen Sinne illusorisch ist. 3. Der Begriff Regierung i. w. S. existiert positivrechtlich nicht. Das Grundgesetz (Art. 62) kennt nur die Regierung i m eigentlichen Sinne: „Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern 16 ." Eine bemerkenswerte Erweiterung des Begriffs führen einige Landesverfassungen insoweit ein, als sie die Staatssekretäre zu den Regierungsmitgliedern zählen 17 . I n den Verfassungen von Berlin, Hamburg und Bremen ist andererseits die Zusammensetzung der Regierung anders bestimmt, indem die Regierungsangelegenheiten einem Senat anvertraut sind 1 8 . Die vom Art. 62 GG vorgenommene Bestimmung des Begriffs der Bundesregierung gilt als Legaldefinition für alle Fälle, wo das Grundgesetz das Wort „Bundesregierung" verwendet 1 9 , wie z. B. in A r t . 76 Abs. 1 (Einbringung von Gesetzentwürfen), i n Art. 81 Abs. 1 (Antrag auf Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes), i n Art. 37 (Anordnung und Durchführung des Bundeszwanges), i n Art. 84 Abs. 2, in Art. 85 Abs. 2 und Art. 108 Abs. 6 (Erlaß von allgemeinen Verwaltungsvorschriften). Das grundsätzliche Abstellen der Regierungsorganisation auf das Kollegialprinzip in Art. 62 GG hat als Folge, daß die Vermutung für die Zuständigkeit des Kollegiums spricht 20 . Soll die Kompetenz des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers begründet sein, so muß dies aus der (Grund)gesetzesvorschrift besonders hervorgehen 21 . is Hierzu vgl. aber die Ausführungen Wittmayers, HdbDStR Bd. I I , S. 332 f., der, wegen der ausgedehnten Regierungsfunktionen des Reichspräsidenten, von einer „Dyarchie" spricht. iß Ähnlich auch: A r t . 52 W V ; A r t . 100 HeVerf.; A r t . 19 Abs. 1 NdSVerf.; A r t . 51 NRWVerf. ; A r t . 98 Abs. 1 RPfVerf.; A r t . 8 SVerf.; A r t . 21 Abs. 1 SHVerf. 17 So: Art. 45 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BWVerf.; A r t . 43 Abs. 2 Bay Verf. is So: A r t . 40 Abs. 1 BrlVerf.; A r t . 107 Abs. 1 BrmVerf.; A r t . 33 Abs. 1 Satz 1 HaVerf. is Maunz i n Maunz - Dürig zu A r t . 62 Rn. 3; derselbe, Staatsrecht, S. 304; v. Mangoldt/Klein, S. 1196; Hamann, S. 314, Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 66. 20 Diese „Zuständigkeitsvermutung" des Kollegiums w i r d aber durch die Befugnis des Bundeskanzlers, die Richtlinien der P o l i t i k zu bestimmen (Art. 65 GG), i m wesentlichen aufgehoben. (Vgl. auch unten S. 103 m i t Fußn. 54.) 2 1 So Maunz, Maunz - Dürig zu A r t . 62 Rn. 4.
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Indem die gubernativen Organe an der Spitze der Verwaltung stehen, durchdringen in ihrer Person Verwalten und Regieren einander 22 . Die Regierungsorgane sind oft m i t Verwaltungsangelegenheiten, besonders in der Ausübung der Ressortpolitik, betraut. Die Verwaltungs-, wie auch die Gesetzgebungstätigkeit der gubernativen Organe stellt aber nicht die Hauptkompetenz dieser Organe dar. Ihre Hauptaufgabe ist die Ausübung der materiellen Regierung. Nur dadurch kann man von organisatorisch selbständiger Gestaltung der Regierung sprechen. Daraus, daß die Hauptkompetenz der gubernativen Organe das Regieren ist, spricht die Vermutung für ihre Zuständigkeit i n Regierungssachen. Dies ist auch i m organisatorischen System des Grundgesetzes ersichtlich 23 : Innerhalb der vollziehenden Gewalt gilt die Zuständigkeitsvermutung der Bundesregierung, als des obersten Exekutivorgans, für das materielle Regieren. Diese Vermutung gilt aber nicht nur innerhalb der Exekutive, sondern darüber hinaus, allen Verfassungsorganen gegenüber, weil den Regierungsorganen das Regieren als Hauptaufgabe vom Grundgesetz zugewiesen ist 2 4 . Welches Organ innerhalb der Bundesregierung (Kollegium, Kanzler oder Einzelminister) für den konkreten Fall zuständig ist, bemißt sich nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung auf Grund des Kollegial-, Kanzler- und Ressortsprinzips, wo wieder, wie gesagt, die Zuständigkeitsvermutung für das Kollegium spricht. C. Die Regierung im funktionellen Sinne 1. Außer der allgemeinen Zuständigkeit der Regierungsorgane in Regierungsangelegenheiten sind ihnen Aufgaben gesetzgeberischen und administrativen Inhalts übertragen. Die Staatstätigkeit der Regie22 Vgl. Thoma, H d b D S t R Bd. I I , S. 133; Eschenburg, Staat u. Gesellschaft i n Deutschland, S. 694 f.; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 15; V.Bieberstein, HdbDStR Bd. I, S. 526; Maunz i n M . - D . zu A r t . 65 Rn. 3 u. 8; Lenz, Umfang der gerichtl. Prüfungsbefugnis, S. 52 f. 23 Vgl. Maunz, Staatsrecht, S. 328; Hamann, S. 313; v.Mangoldt/Klein, S. 1198f. (im Ergebnis); BVerfGE, 1, 394. Hierzu vgl. auch § 15 GeschOBReg., wonach der Bundesregierung „alle Angelegenheiten von allgemeiner innenoder außenpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder k u l t u r e l l e r Bedeutung" zur Beratung u n d Beschlußfassung zu unterbreiten sind. 24 N u r i n diesem Sinne — als Zuständigkeitsvermutung also gegenüber allen Verfassungsorganen i n Regierungssachen — k a n n die Zuständigkeit zur Bestimmung der Richtlinien der P o l i t i k nach A r t . 65 Satz 1 GG v e r standen werden. Andererseits, die Rechtsvermutung von E. R. Huber, W i r t schaftsverwaltungsrecht Bd. I I , S. 656, wonach die Regierungsakte nicht rechtlich gebundene, sondern Ermessensakte seien, k a n n n u r diesem Gedanken entspringen: Denn die V e r m u t u n g f ü r das Regierungsermessen ist i m Grunde nichts anderes als eine V e r m u t u n g gegen die Zuständigkeit der Gesetzgebung, die Regierung zu binden.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
rung i m organisatorischen Sinne nach den Kompetenzregelungen der Verfassung und der Zuständigkeitsgesetze stellt die Regierung i m funktionellen Sinne dar, ungeachtet dessen, ob diese Tätigkeit Regierung, Verwaltung oder Gesetzgebung i m materiellen Sinne ist 2 5 . Die Kompetenzen z. B. der Bundesregierung nach § 15 GeschOBReg stellen Regierung i m funktionellen und i m materiellen Sinne dar. Der unter der Voraussetzung des Art. 80 GG erfolgende Erlaß von Rechtsverordnungen ist funktionell Regierungs- und materiell Gesetzgebungstätigkeit 26 . Die Genehmigung des Bundesverkehrsministers nach § 14 (4) BundesbahnG ist funktionell Regierungs-, materiell aber Verwaltungstätigkeit. Der funktionelle Begriff der Regierung ist aus praktischen Gründen entstanden. Die kompetenzmäßige Durchkreuzung von Regierung, Verwaltung und Gesetzgebung war erforderlich für die bessere Erfüllung der Staatsinteressen und Staatszwecke. Der Umfang der Durchkreuzung der Staatsfunktionen und daher der Umfang des funktionellen Begriffs der Regierung ist, je nach den staatsrechtlichen Gegebenheiten jedes Staates, verschieden. I m Zusammenhang mit dieser Feststellung w i r d im heutigen Staat eine wachsende Delegation von Funktionen von einem Funktionsträger auf den anderen verfolgt. Auf dieses Phänomen wollen w i r im folgenden eingehen. 2. Eine Folge der Entwicklung des Rechtsstaates zum Gesetzgebungsstaat ist die zunehmende Tendenz, Aufgaben, welche materiell der Regierung angehören, den legislativen Organen zuzuweisen. So sind heute die „Regierungsfunktionen" der Legislative überwiegend angewachsen 27 , so daß man sagen könnte, daß der Staat nicht mehr von der Regierung als der Spitze der Exekutive, sondern von der Legislative regiert w i r d 2 8 . Auf Grund dieses Phänomens kann man jedoch nicht ohne weiteres behaupten, der Kompetenzbereich der Regierung habe dadurch abgenommen. Viele Regierungsaufgaben des heutigen Wirtschafts- und Wohlfahrtsstaates sind zwar der Legislative, die sie in formelle und Maßnahmegesetze einkleidet, zugewiesen, es ist aber dem Regierungsorgan ein schwerwiegendes „Recht" geblieben: die Gesetzesinitiative. Die praktische Bedeutung der Gesetzesinitiative hängt von der jeweiligen Machtstellung der Regierung i m Parlament ab, wenn man berücksichtigt, daß die Bemühungen der Regierungen hauptsächlich darauf gerichtet « So ff. Wolff , Verwaltungsrecht I, S. 66 u. 254. ^ H i e r ü b e r siehe: Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 119 ff.; Maunz i n M.-D. zu A r t . 80 GG; Hamann zu A r t . 80 GG. Vgl. Thoma, HdbDStR Bd. I I , S. 136; Wittmayer, ebendort Bd. I I , S. 333 f.; Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 66. 28 So wörtlich Thoma, a.a.O.
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sind, ihre Gesetzesentwürfe i m Parlament durchzubringen 29 . Daher ist es leicht zu verstehen, daß die Gesetzesinitiative zur Waffe gegen den Rechtsstaat selbst werden kann, wenn die Stellung der regierenden Partei i m Parlament stark ist. Diese Zuständigkeit zur Vorbringung von Gesetzesentwürfen kann genügen, um aus dem Gesetzgebungsstaat ein leeres Wort zu machen 30 . Daraus ergibt sich, daß die Gefahr einer Abschwächung der Regierung und einer Allmacht der Gesetzgebung nicht besteht, solange das parlamentarische System von heute gilt. Hierin liegt aber auch der neuralgische Punkt des parlamentarischen Systems, in dem die regierende Partei den Haupteinfluß auf die Gesetzgebung ausübt und sie ihren parteipolitischen Zwecken unterordnet. 3. Die funktionellen Beziehungen zwischen Regierung und Verwaltung erscheinen nach zweierlei Richtungen: Erstens als zunehmende Übernahme von Verwaltungsangelegenheiten von den Regierungsorganen und zweitens als Umwandlung des Regierens in Verwalten. Das erste Phänomen ist eine Folge des oben 31 erwähnten Etatismus des heutigen Massenstaates einerseits und andererseits der Eigenschaft der gubernativen Organe, gleichzeitig an der Spitze der Verwaltung zu stehen und daher als Verwaltungsorgane tätig sein zu müssen 32 . Das zweite Phänomen ist eine Folge der oben 33 erwähnten „Säkularisierung" des Regierens durch die Zunahme der Organisationsfunktion der Rechtsetzung, die ihrerseits wieder — ungeachtet der soziologischhistorischen Gründe — eine Folge des Gesetzgebungsstaats ist. Genau gesehen geschieht keine direkte Wandlung des Regierens in Verwalten. Diese Verwandlung findet nur durch die Legislative statt 3 4 : Das, was früher der leitenden Regierungsentscheidung überlassen war, w i r d heute durch Gesetz geregelt — wie z. B. die Amnestie. Erst die Ausführung dieses Gesetzes obliegt der Verwaltung. Dies ist auch oft der Fall bei Wirtschafts- und Wohlfahrtsmaßnahmen, welche Fachkenntnisse voraussetzen und deren Ausführung speziellen Verwaltungsorganen übertragen wird. 29 So schreibt Thoma, a.a.O., S. 137 : „ M a n ,regiert 4 eben heutzutage überwiegend dadurch, daß man Gesetzentwürfe und andere Vorlagen an den Reichstag ausarbeitet und sie i m Reichstag (und Reichsrat!) ohne allzuviele Umgestaltungen durchzubringen versucht." 30 Über die Bedeutung der Gesetzesinitiative unter diesem Gesichtspunkt vgl. Thoma, a.a.O., S. 118 f. und 136 f., und Wittmayer, ebendort, S. 331 f. si S. 39 ff. 32 Vgl. oben S. 59. 33 S. 40. 34 N u r i n diesem Sinne ist Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 46, beizupflichten.
§ 7. Zum Einordnungsproblem der Regierung 1. Eine umstrittene Frage der Staatslehre ist die Einordnung der Regierung i m funktionellen Sinne in das System der Staatsfunktionen. Dieses Problem ist i m Rahmen des Dreiteilungssystems entstanden, wonach die ganze Staatsgewalt i n Gesetzgebung, Rechtsprechung und Vollziehung getrennt wird. Seit jeher ist aber festgestellt, daß diese drei Funktionen die Staatstätigkeit nicht ganz erschöpfen 1. Besonders die oberste Staatsleitung läßt sich unter diese drei „Gewalten" nicht unterordnen: Weder als Rechtsetzung, noch als Rechtsvollziehung könnte sie angesehen werden, w e i l weder die Aufstellung von Normen noch ihre Ausführung den Gegenstand ihrer Tätigkeit bilden kann 2 . Ist dann die Grundlage des Rechtsstaates, das Dreiteilungsprinzip, mangelhaft? Erlaubt dieses Prinzip i n seinem Rahmen die Bildung einer vierten Funktion? Die aus der Eigentümlichkeit der Regierung, sich i n einem freien Spielraum bewegen zu können und dem Staatsganzen Richtung zu geben, sich ergebenden Schwierigkeiten zu ihrer Unterordnung unter eine der drei Funktionen haben gewichtige Stimmen 3 dahin geführt, sich für eine „vierte Gewalt" („quatrième région") auszusprechen. Diese Lehre, die i n Frankreich entwickelt wurde, ist i n Deutschland von Otto Meyer* vertreten worden. Als selbständige Gewalt galt die Regierung schon bei Lock unter dem Namen „Prärogative" 5 . Auch i n der „pouvoir neutre" von Constant 6 ist die oberste Staatsleitung als selbständige Funktion versteckt. Diese Auffassung beruht besonders auf der Erkenntnis des tiefen Unterschieds zwischen Regierung und Administration 6 8 . So unter1 Vgl. O.Mayer, Verwaltungsrecht Bd. I, S. 7: „ A b e r nicht alles, was weder Gesetzgebung ist noch Justiz, ist Verwaltung." 2 Vgl. Nawiasky, Allg. Staatslehre 3. Teil, S. 78; Otto Meyer, a.a.O., S. 7 ff. 3 Wie: O.Meyer, a.a.O.; Huuriou, P r é c i s . . . , S. 15, und: Principes, S. 583; Jèze, Principes généraux, S. 394, Fußn. 1. 4 a.a.O. 5 Vgl. G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 617. β Siehe oben S. 28. 6a Diese Unterscheidung ist nicht neu. Schon Zachariä (Vierzig Bücher v o m Staate, 23. Buch, 2. Hauptstück, Aufl. 1826, I I I . Bd., S. 72) unterscheidet das „Regieren" und das „Verwalten" als die zwei Teile der „vollziehenden Gewalt" und weist (ebendort Fußn. 2) auf die gleiche Unterscheidung der
§ 7. Z u m Einordnungsproblem der Regierung
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scheidet Haurioü 7 „la fonction administrative" von der „fonction gouvernementale" dadurch, daß er die erste bestehen läßt ,,à faire les affaires courantes du public", die zweite dagegen ,,à solutioner les affaires exceptionelles qui intéressent l'unité politique et à veiller aux grands intérèts nationaux". Solche Vorstellungen liegen auch der Auffassung von O. Mayer zugrunde 8 , der die von i h m sogenannten „verfassungsrechtlichen Hilfstätigkeiten", die Kriegsführung und die militärische Komandogewalt, sowie den völkerrechtlichen Verkehr des Staates aus den übrigen Staatsfunktionen ausklammert und sie dem „vierten Gebiet" der Regierung unterordnet 9 . Verwandt ist auch die Unterscheidung Smends 10, wonach die Regierung als politische Funktion bezeichnet wird, während die Verwaltung die technischen Mittel für diese politische Funktion schaffe. Auf anderen Vorstellungen beruht diejenige Unterscheidung zwischen Regierung und Verwaltung, welche auf den Unterschied zwischen Verfassungs- und Gesetzesnormen abstellt. Nach dieser Lehre, die hauptsächlich von Carré de Malberg entwickelt worden ist 1 1 , vollzieht die Regierung „les dispositions constitutionelles" und die Verwaltung die einfachen Gesetze. Daraus ergäben sich folgende Unterschiede: Die Regierung stünde i m rechtlichen System der Funktionen höher als die Verwaltung, da sie i m Bereich der Verfassung und jene i m Bereich der einfachen Gesetze läge. Demnach wären die Verwaltungsorgane i n die Hierarchie des Beamtentums eingeordnet, während die Regierungsorgane an der Spitze des Staatsapparates stünden. Die Verwaltung wäre ferner von der Legislative abhängig, die Regierung dagegen, ungeachtet der parlamentarischen Kontrolle, die a posteriori stattfindet, nicht. Diese Unterscheidung, obwohl sie eine formale ist, vermag die französischen Schriftsteller h i n (hierzu vgl. oben S. 31, Fußn. 10). Auch Pölitz, Staatswissenschaft T e i l 1, 1827, S. 216, schreibt m i t aller K l a r h e i t : „Der Begriff der vollziehenden Gewalt zerfällt aber i n zwei Haupttheile, i n das Regieren u n d das Verwalten, inwiefern unter dem Regieren der Oberbefehl über die Vollziehung der bestehenden Gesetze u n d die Oberaufsicht über alle Zweige der Verwaltung, unter der Verwaltung hingegen die Vollziehung der Gesetze i n den einzelnen Kreisen und Verhältnissen des inneren Staatslebens verstanden w i r d . " 7 Précis, S. 15, w o er diese Auffassung durch geschichtliche Argumentation zu begründen versucht. 8 a.a.O., S. 7 ff. 9 So auch E.Kaufmann, Wörterbuch des deutschen Staats- und V e r w a l tungsrechts, zu den Wörtern: „Verwaltung", „Verwaltungsrecht" (Bd. 3, S. 700), m i t Ausnahme der Kriegsführung und der auswärtigen Angelegenheiten, die er der V e r w a l t u n g zurechnet. 10 Verfassung und Verfassungsrecht, S. 154; vgl. auch Herrnritt, Grundlehren, S. 22. u Näheres unten S. 81 f. Vgl. auch oben S.38.
1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
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Regierung zu einer vierten Gewalt zu erheben: „le pouvoir constitué", der „le continuateur et le complément nécessaire du pouvoir constituant" ist 1 2 . I n Deutschland haben diese Auffassungen, welche die Regierung zu einer „vierten Gewalt" erheben, keinen großen Anklang gefunden 13 . I n Frankreich wo sie entstanden und entwickelt wurden, konnten sie sich auch nicht durchsetzen. Sie fanden i m Gegenteil viele Gegner, die sie mit Heftigkeit abgelehnt und gegen sie polemisiert haben. So hat Duguit 14 nicht nur die Regierung als „quatrième pouvoir" nicht anerkannt, sondern auch die Regierungsakte als besondere A r t von Staatsakten heftig verneint: „Je repousse de toutes mes forces la conception des actes de gouvernement" schreibt er 1 5 . Nach Berthélemy 16 widerspräche diese Lehre dem Dreiteilungsprinzip und dem positiven Recht: „Les lois", schreibt er 1 7 , „qui établissent le principe de la séparation des autorités administrative et judiciaires, n'ont jamais parlé d'une autorité gouvernementale." Das neue Schrifttum mit Waline 18 an der Spitze lehnt die Ansicht, die Regierung sei eine vierte, von der Exekutive getrennte Funktion, ebenfalls ab. Die Ausdrücke „intérèts généraux de l'Etat", „grands intérèts nationaux" einerseits und „application journalière des lois", „affaires courantes du public" etc. andererseits, die als ausschlaggebend von den Befürwortern der „vierten Funktion" angeführt werden, werden als zu unbestimmt und zu flüssig angesehen, als daß sie ein Kriterium für die Unterscheidung zwischen Verwaltung und Regierung sein könnten 1 9 . Überwiegend — wie schon gesagt — w i r d heute die Ansicht vertreten, daß die Regierung ein Teil der Exekutive sei. Dies gilt sowohl für Deutschland als auch für Frankreich 20 . 12
So wörtlich Dendias, L a fonction gouvernementale, S. 25 f. Die Lehre über die „vierte Gewalt" hat die Wiener Schule scharf polemisiert. Siehe z.B. Kelsen, Allg. Staatslehre, S. 244 ff.; Merkl, V e r w a l tungsrecht, S. 45 ff. * 4 Droit constitutionel, Bd. 2, S. 769, u. Bd. 3, S. 685. is a.a.O., Bd. 3, S. 685. iß Traité, S. 134. 17 a.a.O. Hierzu vgl. unten S. 84 Fußn. 95 i n bezug auf die „actes de gouvernement". 18 Droit administratif, S. 5 (Nr. 6). Vgl. auch Stassinopoulos, Actes administratifs, S. 28; Derselbe, Responsabilité, S. 10 f. 19 Stassinopoulos, Actes administratifs, S. 28 f. 20 Aus dem deutschen Schrifttum vgl. : G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 616 ff.; v.Köhler, Grundlehren, S. 43; Meyer/Anschütz, S. 29; Fleiner, I n stitutionen, S. 4; Thoma, HdbDStR Bd. I I , S. 109; der gleichen Auffassung anscheinend auch Laband, Staatsrecht Bd. I I , S. 117, obwohl hier das Wort „Regierung" nicht erwähnt w i r d . Aus dem neuen Schrifttum: Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 15 f.; v. Tur egg, Verwaltungsrecht, S. 6. Aus dem französischen Schrifttum statt anderer vgl. Waline, Droit administratif, S. 5. 13
§ 7. Z u m Einordnungsproblem der Regierung
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2. Wenn man das ältere m i t dem neuen Schrifttum in Deutschland vergleicht, dann merkt man Differenzen i n bezug auf das terminologische Verhältnis zwischen den Begriffen Regierung, Exekutive und Verwaltung. Man sieht ein, daß die erwähnten Wörter nicht immer i m gleichen Sinn verwendet wurden. So ist i m älteren Schrifttum 2 1 das Schema: Verwaltung = Vollziehung + Regierung i n Gebrauch. Die Regierung als der Teil der Staatsgewalt mit der Initiative und der Anordnungskraft und die Vollziehung als die ausführende Funktion waren die zwei Elemente der Verwaltung. Als K r i t e r i u m zwischen den zwei Teilen der Verwaltung bezeichnete man die Freiheit des Handelns bei der Regierung i m Gegensatz zur Gebundenheit der Vollziehung 2 2 und damit die Ausübung einerseits durch leitende und andererseits durch nachgeordnete Stellen 23 . I n der neuen Lehre ist das terminologische Verhältnis geändert. So gilt heute i m Schrifttum die Gleichung: Regierung + Verwaltung = vollziehende Gewalt bzw. Exekutive 2 4 . Dies ist die Folge der Durchsetzung des Terminus „vollziehende Gewalt" bzw. „Exekutive" für die entsprechende Staatsfunktion gegenüber dem Terminus „Verwaltung". Diese Verwandlung entspricht auch dem heutigen Sprachgefühl, wonach es uneigentlich und disharmonisch klingen würde, die regierende und die vollziehende Staatstätigkeit, i n denen sich die ganze Machtfülle des Staates offenbart, unter dem anspruchslosen Namen „Verwaltung" zu begreifen 25 . 3. Das Problem der Einordnung der Regierung ist, wie gesagt, mit dem Dreiteilungsprinzip verbunden: Folgt man den rechtspositivistischen Auffassungen und nimmt den Vollziehungscharakter der Regierung an 2 6 , dann muß man die materielle Selbständigkeit der Regierung als leitende Tätigkeit leugnen. Nimmt man andererseits die gegenteilige Auffassung an, die Regierung könne keiner der drei Gewalten 21 Vgl. G. Jellinek, a.a.O.; Meyer/Anschütz, a.a.O.; Fleiner, a.a.O.; v.Köhler, a.a.O.; Laband a.a.O., S. 115. Vgl. auch L.v.Stein, Verwaltungslehre 1. Teil, S. 135 ff, 197 ff., der den Begriff „Regierung i. e. S." i m Sinne des heutigen Begriffs „Verwaltung" gebraucht. (Hierzu vgl. ebendort, S. 127.) 22 G. Jellinek, a.a.O., S. 616; Meyer/Anschütz, a.a.O.; v.Köhler, a.a.O.; Thoma, a.a.O., S. 109 u. 134; Giacometti, Staatsrecht der schweizer Kantone, S. 418. 23 Vgl. hierzu Giese - Neuwiem - Cahn, Verwaltungsrecht, S. 4. 24 Vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 15 f.; etwa H. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 14; v. Tur egg, Verwaltungsrecht, S. 6, Fußn. 1; Schaumann, in Staatslexikon, zum Wort „Regierung". Dies w a r aber auch die älteste A u f fassung! (Vgl. oben Fußn. 6a.) 25 So wörtlich schon C. F. von Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, 1880, S. 30 ff., Fußn. 5. Hierzu vgl. auch oben S. 23 f. 2 ® Vgl. oben S. 38 u. 63 f. und unten S. 81 f.
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Kassimatie
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
angehören 27 , so würde man sich dem Dreiteilungsprinzip der Gewalten entgegensetzen. Überdies, wie könnte man eine Tätigkeit, die sich auf das Staatsganze bezieht, „das Allgemeine, das darüber steht" 2 8 , i n ein Teilsystem einordnen? Wäre dies nicht ein Widerspruch in sich 29 ? Das ganze Problem existiert m. E. i n Wirklichkeit nicht. Es ist nur aus falschen Vorstellungen entstanden. Die Dreiteilung der Gewalten beruht nicht auf einer materiellen Unterscheidung der Staatstätigkeiten: Sie ist aus geschichtlich-politischen Gründen nicht als Selbstzweck, sondern zum Schutze der Persönlichkeit vor dem Mißbrauch der Ausübung der Staatsgewalt entstanden. „Sie enthält die organisatorische 30 Garantie gegen den Mißbrauch der staatlichen Gewalt" 3 1 und dient den Idealen des bürgerlichen Rechtsstaates32. Sie ist also mehr eine empirische Teilung 3 3 und entspricht keiner materiellen Differenzierung der Staatsfunktionen. Ihr liegt das Organisationsprinzip zugrunde 34 und jede Organisation ist situations- und zeitbezogen, also historisch bestimmt. Dies ist auch ersichtlich i n der Flüssigkeit der Grenzen der Kompetenzbereiche der drei Funktionen, die nach Zeit und Staat verschieden sind. Die Durchkreuzung der Kompetenzen zwischen den Gewalten ist heute so verdichtet, daß man sie bald kaum noch unterscheiden kann. Aus den obigen Erwägungen ergibt sich, daß das Problem einer Einordnung der Regierung i n das Schema der Gewaltentrennung mit den drei geschichtlich bestimmten Gewalten i n Verbindung steht. Dieser Verbindung liegt aber ein logischer Fehler zugrunde: Man versucht, einen logisch bestimmten und materiell bestimmbaren Begriff — die Regierung — i n ein historisch zweckbestimmtes Schema einzuordnen. Die Regierung ist eine A r t primäre Konkretisierung des Staatswillens. Daher kann sie nicht als „Exekutive" betrachtet werden, auch nicht als eine Vollziehung der Ermächtigungsnormen der Verfassung und der sie ergänzenden Gesetze35. Diese Ermächtigungsnormen gestalten weder, noch haben sie irgendeinen Einfluß auf das Wesen des Regierens. Diese 27
Dieser Auffassung ist auch E. Kaufmann, Normenkontrolle, S. 603 f. ® O. Mayer, Verwaltungsrecht Bd. 1, S. 2. 29 Wie auch Nawiasky, Allg. Staatslehre 2. Teil Bd. I I , S. 14, meint. 30 V o m Verfasser betont. 31 Schmitt, Verfassungslehre, S. 39. Hierzu vgl. seine meisterhaften Ausführungen auf S. 126 f. — Ferner vgl. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 8; Dendias, L a fonction gouvernementale, S. 23. 32 Näheres über die Dreiteilung der Gewalten siehe bei Schmitt, Verfassungslehre, S. 182 ff.; Imboden, Die Staatsformen, S. 39 ff. und 53 ff. 33 Imboden, a.a.O., S. 43 ff. 34 Vgl. Schmitt, a.a.O., S. 126 f. 35 Wie, der rechtspositivistischen L i n i e folgend, Nawiasky, Allg. Staatslehre, 2. Teil Bd. I I , S. 14, meint. 2
§ 7. Z u m Einordnungsproblem der Regierung
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Normen sind bloß ein Organisationsphänomen des Verfassungs- und Gesetzgebungsstaates und setzen der ohne sie materiell existierenden Regierungstätigkeit einen organisatorischen Rahmen. Die durch diese Normen organschaftliche Gestaltung der Regierung darf mit ihrer materiellen Existenz nicht verwechselt werden 3 6 . U m diese materiell selbständige Staatstätigkeit „vierte Funktion" nennen zu dürfen, müßten auch die übrigen drei logisch-materiell und nicht geschichtlichzweckmäßig bestimmte Begriffe sein. Einen logisch-dogmatisch entstandenen Begriff von Staatstätigkeit neben zweckmäßig geprägte Funktionen zu zählen, ist absurd. Daher ist jeder Versuch, ein Einordnungsverhältnis zwischen den drei Funktionen und der Regierung zu finden, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Aus den obigen Erwägungen folgt, daß die Einordnung der Regierung Sache der Geschichte und nicht des dogmatischen Denkens ist. Deshalb wollen w i r mit der von uns anerkannten materiellen Selbständigkeit der Regierung und mit ihrer zunächst als zweckmäßig gedachten theoretischen Behandlung kein neues Einteilungsprinzip gegenüber demjenigen Montesquieus einführen 3 7 . W i r wollen die Regierung zu den traditionellen drei Gewalten und zu dem Dreiteilungsprinzip weder i n Gegensatz noch in irgendeine Verbindung bringen. W i r lassen sie dort, wohin die geschichtliche Entwicklung der politischen Kräfte sie plaziert hat; und das ist die Exekutive.
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Dies verkennt der Rechtspositivismus. Hierzu vgl. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 8; Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 278 f. 37
5*
§ 8. Die Regierungsakte in der Theorie A. Allgemeines Nachdem w i r in das Wesen und i n den Begriff des Regierens einzudringen versucht haben, wollen w i r uns zunächst mit den Regierungsakten befassen. Zuerst werden w i r sie in ihrer Heimat, der französichen Theorie und Praxis, verfolgen und dann die Stellung der deutschen Theorie und Praxis zu ihnen darstellen. Diese Betrachtungen schließen w i r mit unserer Stellungnahme. Verstehen wir, i n Anlehnung an Kelsen 1, unter A k t den selbständigen, logisch gesonderten Teil menschlichen Tuns, dann erlangen w i r den Regierungsakt, wenn w i r noch zwei Elemente hinzufügen: ein subjektives und ein objektives. Regierungsakt ist daher ein A k t eines Staatsorgans 2 , also ein staatlicher A k t (subjektives Moment) und beinhaltet „Regieren" (objektives Moment). Diese zwei Elemente drücken den spezifischen objektiven Sinn aus, den dieser A k t in der Rechtsordnung erhalten hat 3 und dadurch zum Staats- 4 und Regierungsakt wurde. Die Sache ist aber weder in der Doktrin noch i n der Praxis so geklärt, wie es zunächst erscheinen mag. Viele mit dem Begriff des Regierungsaktes verbundene Probleme sind von Theorie und Praxis unbefriedigend und abweichend behandelt worden. Eine Unzahl von Lehren und Meinungen nährt immer noch die wissenschaftliche Diskussion darüber, ob der Regierungsakt als selbständige species von den übrigen Staatsakten zu unterscheiden ist und ferner, welches das Kriterium der Unterscheidung ist. ι Reine Rechtslehre, S. 1 ff., 7 f. u. 46 ff. Die Zuständigkeit des Staatsorgans ist nicht erforderlich. Zuständigkeitsmangel macht zwar den A k t fehlerhaft, hebt aber seinen Charakter als Regierungsakt nicht auf. Problematisch ist der Fall, wo der Zuständigkeitsmangel zur Nichtigkeit des Aktes f ü h r t und daher kein Regierungsakt besteht. Über die hiermit verknüpften Probleme und über die verschiedenen Auffassungen i n der Theorie und Praxis siehe statt anderer die ausführliche Studie von Ernst von Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsakts, besonders die Seiten 108 ff. 3 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 2 f. 4 Vgl. v. Hippel, a.a.O., S. 1, w o die öffentlich-rechtliche Grundlage des Staatsaktes erfordert w i r d . 2
§ . Die Regierungsakte i
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D i e m i t d e m R e g i e r u n g s a k t v e r b u n d e n e n F r a g e n sind i m R a h m e n der P r o b l e m a t i k der J u s t i z i a b i l i t ä t v o n S t a a t s a k t e n erschienen. I n F r a n k reich h a t d i e Rechtsprechung des Conseil d ' E t a t u n d des T r i b u n a l des Conflits die D i s k u s s i o n ü b e r die P r o b l e m a t i k des Regierungsaktes ausgelöst, die bis h e u t e n i c h t beendet i s t 5 . D i e B e h a n d l u n g des K o m p l e x e s ist e i n w i c h t i g e s K a p i t e l des französischen Staats- u n d V e r w a l t u n g s rechts. O b w o h l i n D e u t s c h l a n d die P r o b l e m a t i k des Regierungsaktes k e i n e n so w i c h t i g e n P l a t z i n der L e h r e e r h i e l t , ist doch die D o k t r i n d a m i t befaßt u n d g e w i c h t i g e S t i m m e n n e h m e n dazu S t e l l u n g . D e r Gesetzgeber m i e d s o w o h l i n D e u t s c h l a n d 6 als auch i n F r a n k r e i c h 7 d e n A u s d r u c k „ R e g i e r u n g s a k t " . D e r Conseil d ' E t a t u n d der T r i b u n a l des Conflits, aus deren Rechtsprechung fast ausschließlich die T h e o r i e des Regierungsaktes e n t w i c k e l t w u r d e , h a b e n auch i m m e r v o r gezogen, den A u s d r u c k z u u m s c h r e i b e n 8 . 5
Auby - Drago , Contentieux... I, S. 71. I n Deutschland wurde der Ausdruck „Regierungsakt" zum ersten M a l i n einem Gesetzestext i n Art. 6 des „Gesetzes zur Anpassung der Landesverwaltungsordnung an den neuen Staatsaufbau des Landes Thüringen" vom 26. Nov. 1945 (§ 126 a der Thüringischen Landesverwaltungsordnung) aufgenommen. I n diesem A r t i k e l w i r d bestimmt, daß die A n r u f u n g des Verwaltungsgerichts gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörden dann nicht zulässig sei, „ w e n n der Ministerpräsident des Landes Thüringen nach Anhören des Vizepräsidenten die Verfügung ausdrücklich als Regierungsakt bezeichnet". — Vgl. Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 22; Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 15 ff. 7 Der A r t . 24 Abs. 1 des Gesetzes v o m 24. M a i 1872 über die Organisation des Conseil d'Etat, worauf einige französische Autoren die Theorie der Regierungsakte positivrechtlich stützen wollten, lautet: „Les ministres ont le droit de revendiquer devant le tribunal de conflits des affaires portées à la section du contentieux et qui n'appartientraient pas au contentieux administratif." Dieser A r t i k e l , der eine Übernahme des fast gleichlautenden A r t . 47 des Gesetzes v o m 3. März 1849 über die Organisation des T r i b u n a l des Conflits darstellt und heute noch k r a f t des A r t . 88 des neuen Gesetzes vom 31. J u l i 1945 über den Conseil d'Etat weitergilt, enthält nicht den Ausdruck „acte de gouvernement". Ob, trotzdem, die Regierungsakte unter A r t . 24 Abs. 1 des Gesetzes vom 24. 5.1872 fallen, ist zweifelhaft und i n der Theorie bestritten. Außerdem ist diese Vorschrift bis heute nie angewendet worden. — Vgl. Duguit, Droit Constitutionen I I I , S. 690 f.; Waline, Droit administratif, S. 221; Auby - Drago, Contentieux I, S. 76; Bonnard, Droit administratif, S. 259, der diesen A r t i k e l als „ l a base legale" der Justiziabilität der Regierungsakte ansieht; Ipsen, Politik und Justiz, S. 23 ff; Eisenmann, JÖR Bd. 2 (N. F.), S. 9 f. 6
8 Den Ausdruck „Regierungsakte" hat der Conseil d'Etat n u r i n wenigen Fällen i m 19. Jh. (z. B. C.E. 20. M a i 1887, Due d'Aumale) verwendet. Seitdem nicht mehr. Le T r i b u n a l des Conflits hat auch seit dem 19. Jh. keinen Gebrauch von diesem Ausdruck gemacht. N u r jüngst (24. J u n i 1954, Barbaran) hat er, bei der Ablehnung der Regierungsqualität schlechthin, das Wort Regierungsakt gebraucht (Auby - Drago, C o n t e n t i e u x . . . I, S. 71 f.). — Perifrasen, w i e : „acte échappant par leur nature au controle de tribunaux", sind an Stelle des Ausdrucks „acte de gouvernement" üblich i n der Rechtsprechung des Conseil d'Etat. (Hierzu vgl.: Eisenmann, JÖR, Bd. 2 N. F., S. 11;
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
B. Die Regierungsakte in Frankreich I. Als Geburtsland der Theorie der Regierungsakte gilt Frankreich. Seit jeher betrachtet die Judikatur dieses Landes gewisse Staatsakte als justizfrei und die französische Theorie, ihr zustimmend, erkennt ihnen nahezu einhellig die Justizfreiheit zu 9 . Die sog. „theorie des actes de gouvernement" 10 hat ihren Ursprung — wie gesagt — i n der Rechtsprechung 11 des Conseil d'Etat und des Tribunal des Conflits 12 . Diese Theorie versucht, ein K r i t e r i u m des Regierungsaktes zu ermitteln, nicht u m seine Natur oder sein Wesen zu erfassen, sondern mehr um seinen Ausschluß aus der gerichtlichen Kontrolle zu erklären und zu rechtfertigen. I h r Ziel war und ist also nicht die Klärung des Wesens und Begriffs des Regierungsaktes, sondern die Begründung seiner Injustiziabilität. Die Entwicklung der „théorie des actes de gouvernement" seit dem 19. Jh. ist durch den Ubergang von einer rationalen zu einer empirischen Methode gekennzeichnet 13 . U m die die Injustiziabilität gewisser Staatsakte sanktionierende gerichtliche Praxis wissenschaftlich zu begründen, folgte die Doktrin, auf der Suche nach einem Kriterium, einem Weg, der vom Motiv und Zweck über das Wesen und die Natur des Aktes bis zu außerbegrifflichen, formalen oder faktischen Merkmalen durchgeht. Der mit dem Enthusiasmus des Anfängers üblicherweise verbundene Rationalismus wurde durch den Empirismus der Reife ersetzt. Gleichzeitig w i r d die Entwicklung der Theorie durch die progressive Reduzierung der Zahl der Regierungsakte gekennzeichnet, so daß die Liste immer kleiner w i r d 1 4 . deLaubadère, Droit administratif, I, S. 225, Fußn. 7; Rivero , Droit a d m i n i strativ S. 141; Stassinopoulos, Responsabilité . . . , S. 20. Vgl. auch unten S. 71, Fußn. 15.) 9 Eisenmann, a.a.O., S. 8. 10 Von der deutschen L i t e r a t u r über die „théorie des actes de gouvernement" sind die Arbeiten von drei tiefen Kennern der französischen Theorie u n d Praxis zu nennen: Ipsen, P o l i t i k und Justiz; Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, u n d Eisenmann, Gerichtsfreie Hoheitsakte i m heutigen französischen Recht, i n JÖR Bd. 2 (N. F.), S. 2 ff., der den neuen Stand der französischen Lehre gibt. Aus der französischen L i t e r a t u r der letzten Zeit bieten eine gute Übersicht der Entwicklung u n d der neuen Richtungen der „théorie" : Auby-Drago, Traité de contentieux administratif, Tome I, S. 71 ff.; de Laubadère, Traité élémentaire de Droit administrative, 3e edition, Tome I, S. 224 ff.; Bonnard, Précis de Droit administratif, 3e edition, S. 528 ff.; Waline, Droit administratif, S. 216 ff.; Stassinopoulos, Traité des actes administratifs, S. 28 ff. 11 Vgl. de Laubadère, a.a.O., S. 225: „ L a théorie des actes de gouvernement est d'origine jurisprudentielle." Eine „judgemade-Einrichtung" nennt auch Eisenmann, a.a.O., S. 10, die „actes de gouvernement". 12 L a Cour de Cassation hat hierzu keine nennenswerte Rolle gespielt. 13 Vgl. de Laubadère, Droit administratif I, S. 225 f. 1 4 de Laubadère, a.a.O.
§ . Die Regierungsakte i
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Die verschiedenen Theorien und Lehren, die während der Entwicklung der „théorie des actes de gouvernement" auf dem wissenschaftlichen Proszenium auftraten, kann man, ihrer rationalistischen oder empirischen Grundlage entsprechend, i n zwei Kategorien unterteilen. Die eine versucht, den Regierungsakt begrifflich zu erfassen. Dafür sucht sie nach einem möglichst materiellen Kriterium, ein Kriterium, das i m Wesen, i n der Natur, i m Zweck oder i m Motiv des Aktes liegt. Die zweite Kategorie, die den Regierungsakt empirisch betrachtet, sucht nach formalen oder nach außerbegrifflichen und faktischen K r i terien, welche die Injustiziabilität der Regierungsakte rechtfertigen könnten. Die Grenzen beider Kategorien sind nicht immer klar. Die Kriterien, welche gewisse Theoretiker zur Abgrenzung der Regierungsakte anführen, sind oft qualitativ und begrifflich unscharf, so daß man nicht mit Gewißheit die maßgeblichen Auffassungen qualifizieren kann. Eine eigene Kategorie bilden ferner diejenigen Autoren, welche die Existenz der Regierungsakte schlechthin leugnen („théories négatrices"). II. Alle Lehren der ersten Kategorie, mit der w i r uns zunächst befassen wollen, betrachten den Regierungsakt als qualitativ differenzierte Form staatlichen Handelns. Sie stellen auf sein Wesen oder auf Elemente oder Eigenschaften ab, die sein Wesen ausmachen. 1. Die älteste Lehre dieser Kategorien und der „théorie des actes de gouvernement" schlechthin ist die der „mobile politique" oder die Mobiltheorie. Das K r i t e r i u m des Regierungsaktes ist nach dieser Lehre der politische Zweck (le but politique) oder das politische Motiv des Aktes. Der Richter vermied, solche „actes à caractère essentiallement politique" 1 5 zu kontrollieren oder — wie man sich i n Deutschland üblicherweise ausdrückt — sich in politische Streitigkeiten einzumischen. Die „mobile politique" galt als K r i t e r i u m der justizfreien Staatsakte i n der Jurisprudenz des 19. Jh. Seitdem ist sie völlig aufgegeben 16 . 15 Das w a r eine übliche Formulierung der Rechtsprechung. — Auby Drago, C o n t e n t i e u x . . . I, S. 76. Andere übliche Ausdrucksweisen dieser Periode: „ L a réclamation du sieur Laffitt tient à une question politique dont la décision appartieni exclusivement au Gouvernement" (C. E. 1.5.1822, Lafitte; „des actes politiques qui ne sont pas de nature à nous étre déférés pour excès de pouvoir en notre Conseil d'Etat par la voie contentieuse" (C. E. 9. 5.1867, Due d'Aumale et Michel Lévy). 16 Die Periode der „mobile politique" hat i n der Rechtsprechung i m Jahre 1822 (C.E. 1.5.1822, Laffitte) begonnen. M i t den Urteilen: C. E. 19.2.1875, Prince Napoléon und C. E. 20.5.1887, Due d'Aumale u n d Prince Joachim M u r a t und der Entscheidungen des T r i b u n a l des Conflits v o m 5.11. 1880 (Marquigny) und 25.3.1889 wurde sie verlassen. So formulierte der Com-
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
2. N a c h d e m das politische M o t i v u n d der politische Z w e c k als K r i t e r i u m aufgegeben w o r d e n w a r , suchte m a n w i e d e r aus d e m Politischen, aber u n t e r a n d e r e n Gesichtspunkten, die E i g e n a r t u n d die Besonderh e i t des Regierungsaktes u n d seine I n j u s t i z i a b i l i t ä t zu b e g r ü n d e n 1 7 . So ist die T h e o r i e der p o l i t i s c h e n N a t u r des Regierungsaktes e n t s t a n d e n 1 8 , w o n a c h m a n das K r i t e r i u m i n d e m p o l i t i s c h e n I n h a l t des A k t e s gesehen h a t . Dieses „ K r i t e r i u m " ist o f t m i t den q u a n t i t a t i v e n M o m e n t e n der B e d e u t u n g u n d der W i c h t i g k e i t f ü r die E x i s t e n z des Staates, der „ h o h e n P o l i t i k " , der „ S t a a t s r ä s o n " 1 9 u n d ä h n l i c h e n A u s d r ü c k e n verbunden u n d dadurch betont. I n D e u t s c h l a n d w i r d die A u f f a s s u n g , daß das „ P o l i t i s c h e " d e n Reg i e r u n g s a k t charakterisiere, h a u p t s ä c h l i c h 2 0 v o n Rudolf Smend 21 vermissaire du gouvernement David i m Falle Napoléon die entscheidende Wendung: „ . . . i l ne suffit pas qu'un acte . . . ait été délibéré en conseil des ministres ou q u ' i l ait été dicté par un intérét politique " Die Aufgabe der „mobile politique" hat der Conseil d'Etat später öfters bekräftigt. Als übliches Beispiel w i r d hierzu das U r t e i l C. E. 30. 11.1923, Couitéas, i m Schriftt u m angebracht. Eine Übersicht der maßgeblichen Rechtsprechung gibt Jèze, Droit administratif, I, S. 396, Fußn. 1. Dazu siehe auch: Bonnard, Droit administratif, S. 259; Rivero, Droit administratif, S. 140; Auby - Drago, Contentieux . . . I, S. 78; Cassin - Waline, Les grands arrèts .. ., S. 14 ff.; Ipsen, Politik u. Justiz, S. 129 ff. 17 Die neue Wandlung charakterisiert sich durch sein objektives Zeichen. Das Politische ist zunächst nicht i n seinem subjektiven Sinn, nicht also als M o t i v des A k t - A u t o r s , wie bei der „mobile politique", sondern i m objektiven Sinn zu verstehen. ^ H i e r ü b e r siehe Ausführungen von: Eisenmann, JÖR, Bd. 2 (N. F.), S. 21 ff.; Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 55 f ; Ipsen, a.a.O., S. 129 ff. 19 Die Politik i m Sinne der Staatsräson, obwohl diese kein juristisches M e r k m a l ist, scheint der Rechtsprechung des Conseil d'Etat i n den letzten 60 Jahren zugrundezuliegen (vgl. Rumpf, a.a.O., S. 57 u. 87). Schon Jèze, Droit administratif, I, S. 392 f., der sonst ein Vertreter der empirischen Enumerationsmethode ist, rechtfertigt die extraordentliche Behandlung der Regierungsakte durch die Gerichte, also ihre Injustiziabilität, m i t der „opportunité politique". Hinter dieser „opportunité politique" ist die Staatsräson versteckt (vgl. a.a.O., S. 395), obwohl sie Jèze als K r i t e r i u m ausdrücklich nicht heranziehen w i l l ; er begnügt sich m i t der Enumeration. (Weitere Ausführungen über die Thesen Jèzes siehe unten S. 75, Fußn. 41). 20 Eine Übersicht der maßgeblichen Formulierungen von verschiedenen deutschen Autoren, bei denen das Politische f ü r die Charakterisierung der Regierungsakte maßgebend ist, siehe bei Loening, DVB1.1951, S. 233 ff. (234). Aber diese Formulierungen — meistens ohne Begründung oder nähere E r klärung gegeben — sind oft begrifflich u n d inhaltlich schwimmend, so daß es nicht k l a r ist, ob von den maßgeblichen Autoren dem Politischen ein Sachinhalt zuerkannt wird. So z. B., wenn Ipsen (nach der Zitierung Loenings, a.a.O.) die Regierungsakte „politische Hoheitsakte" nennt; hier k a n n das „Politische" nämlich kein K r i t e r i u m bedeuten, wenn man seine Ansicht (Politik u. Justiz, S. 169), das „Politische" sei n u r eine „Färbung", die jeder Stoff haben könne, berücksichtigt. Damit zeigt sich, daß der Ausdruck „politisch" bei seiner häufigen, oft mißbräuchlichen Verwendung meistens nicht als K r i t e r i u m gedacht ist. (Zum Begriff des Politischen vgl. auch oben S. 47 ff.). 21 Grundlegend i n : Die politische Gewalt i m Verfassungsstaat, Festgabe
§ . Die Regierungsakte i
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t r e t e n . I m neueren S c h r i f t t u m versucht m a n 2 2 — w i e i n F r a n k r e i c h 2 3 — , das „ P o l i t i s c h e " i m S i n n e der S t a a t s p o l i t i k , als „ d e r höchsten, geradezu das L e b e n des Staatswesens, die I n t e g r a t i o n des Staates, ausmachenden F u n k t i o n " , zu erfassen 2 4 . D i e Tendenz der T h e o r i e scheint aber sich d a h i n zu richten, daß das Politische als M e r k m a l des Regierungsaktes nach u n d nach aufgegeben w i r d 2 5 . D e r G r u n d l i e g t d a r i n , daß j e d e r Versuch, d e n R e g i e r u n g s a k t d u r c h das Politische i r g e n d w i e q u a l i t a t i v z u b e s t i m m e n u n d zu charakterisieren, i m m e r v o r der S c h w i e r i g k e i t gescheitert ist, dies „ P o l i t i s c h e " i n h a l t l i c h zu b e s t i m m e n 2 6 . 3. E i n e andere T h e o r i e 2 7 versuchte, d e n R e g i e r u n g s a k t v o n den anderen S t a a t s a k t e n d a d u r c h zu unterscheiden, daß sie i h n i n h a l t l i c h einer v i e r t e n F u n k t i o n , der R e g i e r u n g s f u n k t i o n , z u e r k e n n t 2 8 , welche für W. Kahl, 1923, und i n : Verfassung und Verfassungsrecht. I n bezug auf die Regierungsakte schreibt er i n : „Les actes de gouvernement en Allemagne" (Annuaire de l ' I n s t i t u t international de Droit public, Bd. 2, 1931, S. 9): „L'acte de gouvernement est bien plutót caracterisé par sa nature politique" (zitiert auch von Wittmayer i n HdbDStR, Bd. 2, S. 330, Fußn. 1). Scheuner, Smend folgend, entwickelt die Lehre des Politischen nach der Richtung des Wesens und der „obersten Zielsetzung und Selbstbestimmung des Staates"; diesen Inhalt, der außerhalb des Rechts liege, spricht er dem Regierungsbegriff zu (Der Bereich der Regierung, S. 252 ff. [268 ff.]). 22 Siehe z. B. Loening, DVB1.1951, S. 135 ff. (136). 23 Vgl. oben S. 72 m i t Fußn. 19. 24 So wörtlich Loening, a.a.O. Gegen diese Meinung: Obermayer, BayVerwBl. 1955, S. 173. 25 Vgl. z.B. Ipsen, Politik u. Justiz, S. 169; Maunz i n Anm. zum U r t e i l des B a d . V G H , Freiburg, v o m 5. Nov. 1952 (VerwRspr. Bd. 5 [1953], S. 858 f); Obermayer, a.a.O.; Van Husen, DVB1.1953, S. 70 ff. 26 I n diese Schwierigkeit ist selbst Duguit (Droit Constitutionnel I I , S. 306 ff., und I I I , S. 685 f.) geraten, die er dadurch zu umgehen versuchte, daß er „actes politiques" von „actes juridiques" durch das formale K r i t e r i u m des erlassenden „politischen" Organs unterschied: diese „actes politiques", schreibt er (tome I I , S. 308) „n'ont pas u n caractère matériel propre; ils se caractérisent seulement au point de vue formel. Ce sont ceux que fait le gouvernement en tant qu'organe politique. S'ils ne sont pas susceptibles de recours, ce n'est point parce qu'ils n'ont pas le caractère d'actes administratifs matériels; ils peurent avoir et ont souvent en fait ce caractère. Si le recours est impossible, c'est uniquement parce que la législation du pais considéré, particulièrement la législation francaise, n'admet pas de recours contre les actes émanés des organes politiques." U n d weiter unten beendet: „S'il agit en qualité d'organe politique, son acte est d u point de une formel un acte politique, parce qu'il émane d'un organe politique et cela quel soit son caractère matériel." Diese Umgehung Duguits bekämpft Jèze, Droit administratif I, S. 392, Fußn. 1. — Ipsen, Politik u. Justiz, S. 139 f., unterstreicht ebenfalls die Erfolglosigkeit der Versuche, den Regierungsakt „politisch" zu erfassen. 27 Der Hauptvertreter von heute ist Chapus m i t seiner Studie „L'acte de gouvernement, monstre ou victime" i n Recueil Dalloz, 1958, S. 5 ff. I h m folgen auch Auby - Drago, Contentieux . . . I, S. 77. 2 8 Vertreter dieser Lehre i n Deutschland war, wie gesagt (vgl. oben S. 62), Otto Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 8 u. S. 12, Fußn. 18.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
materiell als Lenkung und Richtungweisung angesehen w i r d 2 9 . Daß die Regierungsakte der Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen sind, erkläre sich daraus, daß die Verwaltungsgerichte nur für Verwaltungsakte zuständig seien. Da die Regierungsakte materiell aus einer anderen Funktion als der Verwaltung ergehen und sich dadurch von den Verwaltungsakten unterscheiden lassen, könnten — nach dieser Lehre — nicht unter die Gerichtsbarkeit fallen, welche zur Kontrolle einer anderen Kategorie von Staatsakten bestimmt ist. Die Regierungsakte sind nach dieser Theorie durch funktionelles Kriterium gekennzeichnet, nämlich durch keit zu einer vierten Funktion 3 0 . Dieses Kriterium ist denn der Begriff der Staatsfunktion ist ein juristischer
ein materielldie Zugehörigein juristisches, Begriff.
4. Auch die Ermessenslehre 31 versucht, den Regierungsakt i n seinem Wesen zu erfassen. Diese Lehre 3 2 sieht die Regierungsakte als eine A r t der Ermessensakte an. I m Regierungsakt liegt also die rechtliche Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren Handlungsweisen. Folgt man dieser Lehre, ist man gezwungen, entweder die Regierungs- und die Ermessensakte als ein und dasselbe zu betrachten oder nach einem weiteren Kriterium für die Regierungsakte als besondere Ermessenskategorie zu suchen. Ein derartiges Merkmal ist z. B. das quantitative K r i t e r i u m des relativ größeren Ermessens 33 oder das formelle und auch quantitative Merkmal der Unnormiertheit 3 4 der Regierungsakte, wobei es sich i m Grunde um ein und dasselbe handelt. Ob die Ermessenshaftigkeit als K r i t e r i u m betrachtet werden kann, ist umstritten 3 5 . Da sie kein sachlich-kategoriales Element hinzufügen kann, ist ihr die Unterscheidungskraft und daher die Eigenschaft des Kriteriums zu verneinen. Ob andererseits die Injustiziabilität der Regierungsakte in Frankreich sich durch ihre Ermessenshaftigkeit erklären läßt, geht weder aus der 29 Diese Ausführungen lehnen sich an die Darstellungen von: Eisenmann, JÖR Bd. 2 (N. F.), S. 2 ff. (19 ff.); Auby - Drago, a.a.O., S. 77; Waline, Droit administratif, S. 225; de Laubadère, Droit administratif I, S. 231. 30 Hiergegen besonders kritisch Eisenmann, a.a.O., S. 20. Dazu vgl. oben S. 67. 31 Zunächst i n Anlehnung an Ipsen, P o l i t i k u. Justiz, S. 134 ff. 32 Der Hauptvertreter dieser Lehre ist Rudolf von Laun m i t seinem grundlegenden Buch „Das freie Ermessen u. seine Grenzen", 1910. Hierzu vgl. auch die von Ipsen, a.a.O., S. 136, Fußn. 335, Literaturangaben. — E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 656 f., betrachtet die Regierungsakte als Ermessensakte k r a f t einer widerlegbaren Vermutung. 33 So F. Meyer, Der Begriff der Regierung, S. 123 f. 34 So Laun nach Zitierung Ipsens, a.a.O., S. 137. 35 Die Vorwürfe gegen diese Lehre siehe bei Ipsen, P o l i t i k u. Justiz, S. 139. Gegen diese Lehre auch F. Meyer, a.a.O., S. 123 f., und Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 40, m i t weiterer Argumentation.
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Judikatur noch aus der Theorie klar hervor. Mehr zeigt sie sich i n Verbindung mit der Staatsräson als Grund der Justizfreiheit 3 6 . III. Eine große Anzahl von Lehren versucht, den Regierungsakt durch formale Kriterien von den übrigen Staatsakten abzugrenzen und ihre Injustiziabilität zu erklären. 1. Die wichtigste „Lehre" 3 7 dieser Gruppe ist diejenige, die die Enumerationsmethode zur Abgrenzung der Regierungsakte verwendet. Diese Methode ist seit jeher herrschend und stellt auch den heutigen Stand der „théorie des actes de gouvernement" dar. Unter ihren Vertretern finden sich gewichtige Namen, w i e 3 8 Le Courtois (Des actes de gouvernement, 1899), Jèze (u.a.: Droit administratif I 1925, S. 392 ff.), Bartélemy (Droit administratif, S. 29), Hauriou (Précis de Droit administratif et de Droit public, 1927, S. 395 ff.). Diese Lehre umgeht die Schwierigkeit, ein materielles K r i t e r i u m zu finden 3 9 , indem sie sich darauf beschränkt, in der Aufstellung eines Katalogs derjenigen Staatsakte, welche von der Rechtsprechung als injustiziabel angesehen wurden. Für diese Aufzählungsmethode w i r d keine rechtliche oder logische Begründung angegeben. Sie beruht ausschließlich auf dem Empirismus, d. h. auf der faktischen Existenz der Regierungsakte 40 in der gerichtlichen Praxis als justizfreie Akte aus Gründen „d'opportunité politique" 4 1 . Kein juristisches, kein begriff36 Vgl. Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 57. Daß der Ermessenscharakter zum Ausschluß der gerichtlichen Nachprüfung nicht genüge, besagt auch F. Meyer, a.a.O., S. 126. 37 Genau gesehen handelt es sich u m „Methode" oder „Technik". Vgl. Stassinopoulos, Traité des actes administratifs, S. 29. 38 Nach den Angaben Ipsens, a.a.O., S. 115, Fußn. 275. 39 Einer der Hauptvertreter dieser Lehre: Hauriou, Précis, S. 396, schreibt: „L'acte de gouvernement n'est pas aisé à distinguer, le critèrium est difficile à trouver." Hierzu vgl. auch Stassinopoulos, Traité des actes administratifs, S. 29, a. E., der die Enumeration f ü r die „praktisch einzige Lösung" hält. 40 Vgl. Jèze, Droit administratif I, S. 394, Fußn. 1, w o er besonders emphatisch die faktische Existenz der Regierungsakte fragend behauptet: „Mais f a u t - i l en conclure que les actes de gouvernement, qui ne devraient pas exister, n'existent pas en réalité et que l'on peut former de recours?" Hierzu siehe auch seine Ausführungen über die empirische Methode, a.a.O., S. 392, Fußn. 1, u. S. 411. 41 Charakteristisch f ü r die Lehre sind die Formulierungen von Jèze, a.a.O., S. 392 ff. So auf S. 392: „Les raisons de ce régime exorbitant sont uniquement de raisons d'opportunité politique", und auf S. 393 f. : „Les actes dits de gouvernement n'ont pas une nature juridique spéciale. I l n'y a done pas de raison juridique pour faire échez au système géneral d u contróle j u r i dictionnel." A n Stelle dieser juristischen Gründe ist die Opportunität: „ . . . i l est des actes qui, uniquement pour de raisons d'opportunité politique, échapent à tout contröle juridictionnel" (S. 393). So verzichtet Jèze auf eine juristische Begründung der Injustiziabilität der Regierungsakte. V o m j u r i s t i schen geht Jèze i n den Bereich der politischen Opportunität über, der meta-
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
liches, gar kein wissenschaftliches 42 Kriterium unterscheidet den Regierungsakt von den justiziablen Staatsakten. Der einzige Grund der Zugehörigkeit eines Staatsaktes zum Regierungsaktkatalog ist, daß er vom Conseil d'Etat oder vom Tribunal des Conflits als justizfrei abgewiesen wurde. Die Mitaufzählung des Staatsaktes in dieser Präjudizienliste genügt, u m Regierungsakt genannt werden zu dürfen 4 3 . Die enumerative Definitionsmethode stellt sich als eine Reaktion gegen diejenigen Definitionsversuche dar, die auf ein materielles K r i terium ausgerichtet waren, hauptsächlich gegen die „mobile politique", als auch gegen die Gegner des Regierungsaktes (negative Regierungsakt-Theorien), deren die Vertreter der Enumerationsmethode zeigen wollten, daß die Justiz trotz ihrer Ablehnung der Regierungsakte sie doch anerkennt 44 . Die Zugehörigkeit zum Rechtsprechungskatalog kann kein inhaltliches bzw. qualitatives Kriterium bieten. Der Ausschluß der Juridifizierung einiger Staasakte von der Rechtsprechung ist nicht bloß ein außerrechtliches, sondern auch ein willkürliches Kriterium 4 5 . Die Unanfechtbarkeit oder die Injustiziabilität schlechthin ist keine Qualität. Diese Merkmale zeigen bloß die Rechtswirkungen der Staatsakte, bestimmen aber nicht ihr Wesen 46 . Materielles Merkmal könnte die Injustiziabilität auch dann nicht sein, wenn der Regierungsakt in einem Gesetzestext definiert oder enumerativ gegeben und seine Injustiziabilität gesetzlich statuiert worden wäre. Denn hier würde es sich auch um ein formelles K r i t e r i u m handeln. Das Präjudiz-Kriterium t r i t t bei dieser Methode an Stelle eines wissenschaftlichen Kriteriums 4 7 . Daher kann diese Zuflucht zu der Enumeration von Präjudikaten die Qualifikation der wissenschaftlichen Mejuristisch ist. D o r t h i n placiert er anscheinend die Regierungstätigkeit. — Ebenso begründet de Laubadère , Drot administratif I, S. 231, heute die I n justiziabilität der Regierungsakte. 42 „Ce (die Enumeration) qui est le propre de l'empirisme et non du c r i t è r i u m scientifique" schreibt Jèze, a.a.O., S. 392, Fußn. 1. Hierzu siehe auch Bonnard, Droit administratif, S. 260. 43 So definiert Hauriou, Précis, S. 397, den Regierungsakt: „ . . . l'acte de gouvernement est celui qui figure dans une certaine énumération d'actes politiques dressée par la jurisprudence administrative, sons l'autorité du T r i b u n a l de Conflits." Hierbei erkennt der berühmte Professor der Rechtsprechung „ u n pouvoir propre" zu — der sonst nur dem Gesetzgeber zusteht —, kraft dessen sie über die formellen Gesetzesbestimmungen hinaus i n die N a t u r der Sache eindringt und daraus die Liste der Regierungsakte schöpferisch aufstellt. 44 Vgl. Ipsen, Politik u. Justiz, S. 114 f. 45 Vgl. die scharfe K r i t i k Eisenmanns, JÖR Bd. 2 (N. F.), S. 8 ff., 13 ff. 46 Vgl. Ipsen, a.a.O., S. 103. 47 Vgl. oben, Fußn. 42.
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thode nicht beanspruchen. Denn bei dieser Sammlung von Fällen der Literatur fehlt völlig die der Wissenschaft zugrunde liegende und sie charakterisierende Problematik und Problematisierung als auch die logische Begründung. Die Enumerationsmethode ist mehr als eine Technik, deren Ergebnis — der Katalog — der Wissenschaft nur dienen kann, indem er als Ausgangspunkt einer Induktion verwendet werden könnte. Diese Enumeration stellt eine topische Methode dar, obwohl auch dabei eine gewisse Systematik vorliegt 4 8 . So treffen w i r merkwürdigerweise die Topik, die die ganze römische Jurisprudenz bis zum 17. Jahrhundert und heute das anglo-amerikanische Rechtssystem charakterisiert, mitten i n Europa, inmitten also der rein wissenschaftlichen Methode und des rationalistischen Denkens. Der Regierungsakt-Katalog ist von der Judikatur abhängig und daher verändert er sich ständig durch die Aufnahme neuer Präjudikate. Die Liste enthält zwar ein Minimum an Staatsakten, über deren Injustiziabilität kein Zweifel besteht, über den Minimalinhalt vieler anderer aber besteht ständig Streit, ob sie als Regierungsakte angesehen werden sollten oder nicht 4 9 . Der Katalog erweist eine progressive Reduktion 5 0 , so daß die französische Verwaltungsrechtsprechung einige Akte nicht mehr als Regierungsakte qualifiziert hat 5 1 . Wie schon oben gesagt wurde, genügt die Justizlosigkeit eines Staatsaktes nicht, um ihn als Regierungsakt betrachten zu können. Diese Auffassung ist auch in Frankreich herrschend 52 . Es gibt Staatsakte, deren Kontrolle der Conseil d'Etat oder der Tribunal des Conflits verweigerte und die trotzdem keine Regierungsakte i m Sinne der dort herrschenden Auffassungen sind und daher i m Katalog keinen Platz haben. Hier ist eine Abweichung von der oben erwähnten topischen Methode zu spüren. I n die reine Technik der Enumeration der Präjudizfälle t r i t t ein Element wissenschaftlicher Methode ein, das zu einer Unterscheidung der zu katalogisierenden Fälle führt. Dieses zweite Moment, welches in den Begriff des Regierungsaktes des Katalogs einbezogen wurde, liegt darin, daß die maßgeblichen Akte normalerweise vom Conseil d'Etat als Verwaltungsakte überprüft werden 48 Uber die topische Methode siehe die eingehende und tiefsinnige Studie von Theodor Viehweg: „ T o p i k u n d Jurisprudenz", statt anderer die S. 35 f. und 41. 49
Vgl. Eisenmann, a.a.O., S. 8. de Laubadère, Droit administratif, S. 226. si So ist l'exercice du droit de grace nicht mehr ein Regierungs-, sondern ein Rechtsprechungsakt (C. E. 28.3. 1947, Gombert). Keine Regierungsakte sind auch die A k t e „de l'exercice d u droit de prise maritime" (C. E. 11.1.1946, Coup-belge). 52 Die folgenden Ausführungen lehnen sich an Eisenmann, a.a.O., S. 14, an. 50
T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
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sollen. Daß der Conseil d'Etat und der Tribunal des Conflits diese Akte nicht überprüft, läßt sich durch keinen der normalen Zurückweisungsgründe erklären. Es liegt also hier ein anomaler 53 Abbruch der allgemeinen Grundsätze vor 5 4 . So werden diejenigen Akte vom Katalog ausgenommen, welche der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung normalerweise entzogen sind. Ihre Unprüfbarkeit vor den Verwaltungsgerichten erklärt sich „par le jeu des principes" 55 , weil sie (les principes) außerhalb der allgemeinen Regelung des Kompetenzbereiches der Verwaltungsgerichte liegen. Diese auf Grund der allgemeinen Grundsätze unüberprüfbaren Akte sind nicht Akte der Verwaltung, sondern anderer Staatsgewalten oder ergehen durch nichtfranzösische Organe oder gehören dem Funktionsbereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit 56 an. Solche Akte können i m Regierungsaktkatalog nicht stehen 57 . Der Regierungsaktkatalog ist — wie gesagt — von der Wissenschaft auf Grund der Rechtsprechung aufgestellt worden. Es sind darin Staatsakte aufgezählt, denen der französische Staatsrat (Conseil d'Etat), der Kompetenzkonflikthof (Tribunal des Conflits) und der Kassationshof (Cour de cassation) die Justizfreiheit zuerkannt haben. I n dieser Liste der Doktrin figurieren, ungeachtet von kleinen Abweichungen gewisser Autoren oder von entwicklungsbedingten Veränderungen, folgende Kategorien 5 8 : 1. Akte, welche die Beziehungen der Regierung 59 zur Volksvertretung betreffen. Solche sind: a) Einberufung, Vertagung und Auflösung des Parlaments 53
Daher ist diese Lehre „Abnormitätstheorie" genannt. So wörtlich Eisenmann, a.a.O., S. 15. ss Vgl. Waline, Droit administratif, S. 217. Es w i r d hier behauptet, daß i n den Fällen, ,,où l'irrecevabilité de la requète contentieuse s'explique par le j e u des principes", zu Unrecht die théorie des actes des gouvernement zur Rechtfertigung herangezogen werde. se Vgl. Eisenmann, a.a.O., S. 15; Waline, a.a.O., S. 223. 57 Diese Meinung ist herrschend; vgl. Auby - Drago , Contentieux . . . I, S. 73. 58 i n Anlehnung an: Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 40 ff., 57 ff.; Ipsen, Politik u. Justiz, S. 116 ff.; Hauriou, Précis, S. 398 ff.; Jèze, Droit administratif I, S. 398 ff.; Bonnard, Droit administrativ, S.260f.; de Laubadère, Droit administratif I, S. 226 f.; Auby - Drago, Contentieux . . . I, S. 80 f.; Waline, Droit administratif, S. 223 f.; Rivero, Droit administratif, S. 141 f.; Stassinopoulos, Traité des actes administratifs, S. 30 f. — Die i m T e x t angeführte Liste ist nicht ganz übereinstimmend m i t den von den verschiedenen Autoren aufgestellten, denn jeder ordnet sie anders. 54
5» Die „Regierung" hier ist lato sensu zu verstehen, denn ist der Staatschef mitumfaßt (vgl. Auby - Drago, a.a.O., S. 80). Daher ist richtiger die Formulierung: „Beziehungen der Exekutive" anstatt des Wortes „Regierung" (wie: Stassinopoulos, a.a.O., und Rivero, a.a.O.).
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b) Ausschreibung von Wahlen 6 0 c) Einbringung von Gesetzesvorschlägen (Ausübung der Gesetzesinitiative) u. Ausfertigung der Gesetze 6 1 , 6 2 . 2. Diplomatische Akte (actes diplomatiques). Solche sind 6 3 : a) Akte der Ausübung der diplomatischen Funktion der Vertreter Frankreichs i m Ausland 6 4 b) Abschluß, Kündigung, Auslegung und Ausführung von völkerrechtlichen Verträgen 6 5 60 C. E. 6. 8.1912, Maire ; C. E. 8. 6.1951, Hirschowitz. Eine Übersicht der Rechtsprechung i n bezug auf die Wahlen gibt Auby - Drago , a.a.O., S. 80 f., u n d Cassin, Waline etc., Les grands Arrèts de la jurisprudence administrative, S. 366 ff. 61 C. E. 9. 5.1951, Mutuelle nationale des Etudiants de France (Einbringung von Gesetzesentwurf); C. E. 17.2.1888, Prevost, und 19.5.1947, Panage (Unterlassung eines Ministers zur Einbringung einer Gesetzesvorlage) ; C. E. 19.1.1934, Cie Marseillaise de Navigation à vapeur (Zurückziehung eines Gesetzesvorschlages); C. E. 3.11.1934, Desreumaux (Gesetzausfertigung). 62 Die Kategorie der Akte, welche die Beziehungen der Exekutive zur Volksvertretung betreffen, ist durch die Art. 11 und 16 der Constitution 1958 (weitere Erweiterungsfälle siehe bei Auby - Drago , a.a.O., S. 82) erweitert worden: Nach A r t . 11 kann der Präsident der Republik unter bestimmten Voraussetzungen einen Gesetzesentwurf zum Volksentscheid bringen (hierüber vgl. C. E. 19.10.1962, Brocas); A r t . 16 bestimmt, daß i m Falle einer nationalen Krise und Ergreifung von Notmaßnahmen durch den Präsidenten der Republik das Parlament rechtmäßig zusammentritt u n d die Nationalversammlung nicht aufgelöst werden kann (hierüber vgl. C. E. 2.3.1962, Rubin de Servens). Näheres über diese Fälle bei: Rivero, a.a.O., S. 62 f. u. 141; de Laubadère, a.a.O., S. 227. 63 I n Anlehnung an: Jèze, a.a.O., 401 ff.; de Laubadère, a.a.O., S. 227; Bonnard, a.a.O., S. 261; Rumpf, a.a.O., S. 41 u. 73 ff.; Ipsen, a.a.O., S. 123 ff. 64 Hierzu gehören auch die A k t e des diplomatischen Schutzes französischer Staatsbürger i m Auslande. Vgl. Rumpf, a.a.O., S. 41; Ipsen, a.a.O., S. 127 f; de Laubadère . a.a.O., S. 227; Auby - Drago, a.a.O., S. 83; Bonnard, a.a.O.; Stassinopoulos, a.a.O., S. 30 f.; Rivero, a.a.O., S. 142. Hierzu gehören auch die Anweisungen der Regierung an die Beamten des diplomatischen Dienstes (vgl. Stassinopoulos, a.a.O., Rumpf, a.a.O., C. E. 24.12.1926, Arnaud). Aus der Rechtsprechung zu A k t e n der Ausübung der diplomatischen F u n k t i o n i m Auslande siehe: C. E. 31.5.1918, Bastide; C. E. 1.6.1943, Corbier; C. E. 22. 4.1953, Delle Buttuer (alle von de Laubadère, a.a.O., auch zitiert). 65 Vgl. hierüber: Duguit, Droit constitutionel, I I , S. 340 ff.; Ipsen, a.a.O., S. 125 f.; Rumpf, a.a.O., S. 74 ff. — Aus der Rechtsprechung: C. E. 5.8.1921, Goff art; C. E. 5. 2.1926, Carneo; C. E. 29.10. 1954, Tourin et Mérienne. Hier ist auch das berühmt gewordene U r t e i l C. E. 2.2.1955, Radiodiffusion Frangaise, über Maßnahmen (Rundfunk-Störsendungen) gegen den Sender Radio-Andorra, der außerhalb Frankreichs stationiert war, zu erwähnen (dazu kritisch Waline, Droit administratif, S. 219 f.; Rumpf, a.a.O., S. 80 ff.; Auby - Drago, a.a.O., S. 84). Bemerkenswert ist i n diesem U r t e i l die Unterscheidung i n : „détachables" und „non détachables d'accorde internationaux" (hierüber: Waline, a.a.O., S. 223; de Laubadère, a.a.O., S. 228; Auby - Drago, a.a.O., S. 84).
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens c) A n n e x i o n e n v o n G e b i e t e n u n d A k t e , die die n a t i o n a l e S o u v e r ä n i t ä t i n den Kolonien, Protektoraten u n d M a n d a t e n geltend machen66 d) A k t e u n d M a ß n a h m e n , w e l c h e a u f die äußere Sicherheit des Staates gerichtet sind, d a r u n t e r 6 7 K r i e g s e r k l ä r u n g u n d K r i e g s führung i m Auslände68»69.
3. A k t e u n d M a ß n a h m e n der ö f f e n t l i c h e n Sicherheit i m I n n e r n 7 0 . H i e r z u g e h ö r t i n erster L i n i e die E r k l ä r u n g des B e l a g e r u n g s z u s t a n des (la d é c l a r a t i o n de l ' é t a t de siège) 7 1 u n d eine V i e l h e i t v o n M a ß n a h m e n , w i e A u s w e i s u n g e n aus d e m Staatsgebiet, Z e i t u n g s v e r b o t e , außerordentliche M a ß n a h m e n z u r B e g e g n u n g v o n H u n g e r s n ö t e n , Ü b e r s c h w e m m u n g e n , E p i d e m i e n u. ä. 7 2 . 4. A k t e der A u s ü b u n g des B e g n a d i g u n g s r e c h t s 7 3 » 7 4 . 66 Vgl. Rumpf, a.a.O., S. 42 u. 78 f., und die dort angeführte Rechtsprechung des Conseil d'Etat. Das U r t e i l C. E. 20.11.1923, Couitéas w a r f ü r diese Gruppe besonders entscheidend. 67 Gewisse Autoren sehen die Kriegshandlungen (Faits de guerre) als gesonderte Gruppe, wie z. B. Rumpf, a.a.O., S. 82; Hauriou, a.a.O., S. 399; Jèze, a.a.O., S. 405 f. 68 Hierüber vgl. Ipsen a.a.O., S. 124. Ferner: C. E. 5.3.1926, Panisse . 69 Z u den diplomatischen A k t e n rechnet man auch die Akte, die die Verhältnisse des Staats zu den internationalen Organisationen und Gerichten betreffen (Auby - Drago, C o n t e n t i e u x . . . I, S. 84; de Laubadère, Droit administratif I, S. 228). Regierungsakt ist auch die Aufteilung eines Schadenersatzes, der von einem anderen Staat global erlangt wurde, durch den französischen Staat unter die berechtigten Staatsbürger. (Rumpf a.a.O., S. 41; Jèze, a.a.O., S. 403; C. E. 15.5.1935, Strauss ). Dieser A k t ist wegen seines engen Z u sammenhanges m i t den auswärtigen Beziehungen des Staates den diplomatischen A k t e n zuzurechnen. ™ Dieser Bereich der Regierungstätigkeit ist sehr elastisch und stark u m stritten (vgl. Ipsen, a.a.O., S. 117, m i t Schrifttumsangaben). 7 1 Hierüber siehe: Duguit, Droit constitutionnel, I I , S. 22 ff.; Jèze, a.a.O., S. 399 f.; Rumpf, a.a.O., S. 64 ff.; Ipsen, a.a.O., S. 119 f. Es w i r d m i t Recht angenommen, daß die den Belagerungszustand durchzuführenden Maßnahmen keine Regierungsakte seien (so Rumpf, a.a.O., S. 41 u. 65 f.). — Die Injustiziabilität der Maßnahmen zur öffentlichen Sicherheit w i r d auf „fin de non-recevoir" (Unzulässigkeit des Rechtsweges) basiert (C. E. 23.10.1953, Iluckel; Waline, Droit administratif, S. 221). 72 Diesen Kreis von Regierungsakten rechnet man, nachdem die „mobile politique" aufgegeben wurde, nicht mehr zu den Regierungs- sondern zu den Verwaltungsakten. Heute scheint diese Gruppe der Regierungsakte überhaupt zu schwinden (Rumpf, a.a.O., S. 61 ff ; Ipsen, a.a.O., S. 117 ff.). 73 Die Gnadenerweisungen galten bis 1947 als Regierungsakte. Nach dem U r t e i l C. E. 28.3.1947, Gombert, bleiben sie zwar injustiziabel, nicht aber wegen ihrer Qualität als Regierungsakte, sondern wegen der als Rechtsprechungsakte, denn die Rechtsprechungsakte — wie die Regierungsakte — unterstehen nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Rumpf, a.a.O., S. 61; Waline, a.a.O., S. 223; Stassinopoulos, Traité des actes adminis t r a t i s , S. 30). 74 Z u m Gnadenakt lato sensu oder — anders gesagt — zum Begünstigungsakt des Staatschefs rechnet man auch die T i t e l - und Ordensverleihungsakte (vgl. Ipsen, a.a.O., S. 128).
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2. Eine andere Theorie, die die Rechtfertigung der Injustiziabilität gewisser Staatsakte auf rein formal-juristische Basis stellte, war die Theorie der unmittelbaren Verfassungsvollziehung 75 . Diese Lehre ist von Carré de Malberg 76 am tiefsten ausgestaltet worden. Danach unterscheiden sich die Regierungs- von den Verwaltungsakten dadurch, daß erstere Verfassungs- und letztere Gesetzesanwendungsakte seien. Der Unterschied liege also in der Rangverschiedenheit der Norm, welche der Regierungs- oder der Verwaltungsakt jeweils konkretisierte. Hierbei ist vorausgesetzt, daß Geltungsgrund eines Staatsaktes eine Norm sei und ferner die Normen verschiedenen Rang hätten 7 7 . Dem Regierungsakt ist von dieser Lehre keine besondere Qualität zuerkannt. Ihn kennzeichnet nur das formale Kriterium der Rangverschiedenheit seines normativen Geltungsgrundes. Seine Injustiziabilität erklärt sich dadurch, daß die den Regierungsakt betreffenden Streitigkeiten keine Verwaltungs-, sondern Verfassungsstreitigkeiten und als solche der Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen seien. Diese Theorie gibt — bewußt oder unbewußt — rechtspositivistische Auffassungen wieder. Sie ist scharf kritisiert worden, besonders weil sie mit dem Recht und der Praxis in Frankreich nicht in Einklang stehe 78 . 3. Die Ähnlichkeit und die Verwandtschaft der Verfassungsvollziehungslehre mit den rechtspositivistischen Auffassungen der Wiener Schule erlauben es, die Stellungnahme zu unserem Thema hier kurz zu streifen. 75 Hierüber siehe: Ipsen, Politik u. Justiz, S. 110 f.; Eisenmann, (N. F.), S. 22 ff.; Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 86 f.
JÖR Bd. 2
7 ® Contribution à la théorie générale de l'Etat, 1920, I, S. 525 ff. Charakteristisch sind seine Formulierungen auf S. 531 : „plus exactement, les deux sortes d'actes (Verwaltungs- und Regierungsakte) ont ceci de commun qu'ils tirent, Tun et l'autre, leur droit à l'existence d'une loi supérieure, loi constitutionelle ou loi ordinaire, et l'acte de gouvernement apparait, l u i aussi, comme u n acte executif, au sens général q u i a été reconnu plus haut à l'expression pouvoir executif* (hierzu vgl. auch S. 531, Fußn. 7, und S. 542 ff.). Urheber dieser Lehre sind jedoch Ducrocq (Cours de droit administratif, 1897) und Lecourtois (Des actes de gouvernement, 1899); dazu vgl. Rumpf, a.a.O., S. 86 a. E. — Diese Lehre v e r t r i t t auch Dendias, L a fonction gouvernementale, S. 21 f., 25 ff., 38 ff. I n Deutschland t r i f f t man diese Auffassung bei: v.Turegg, Verwaltungsrecht, S. 6; Lenz, Umfang der gerichtlichen Prüfungsbefugnis, S. 71 ff. Ferner: Nawiasky, Allg. Staatslehre, 2. Teil, Bd. I I , S. 14, und 3. Teil, S. 78, dessen Auffassungen hierüber unter rechtspositivistischem Einfluß stehen. Hierzu vgl. auch oben S. 38 u. 63 f. 77 Vgl. Ipsen, a.a.O., S. 110. Vgl. ferner i m folgenden die rechtspositivistische Auffassung. 78 Vgl. K r i t i k Eisenmanns, a.a.O. Ferner vgl. die K r i t i k gegen die Lehre von Ducrocq und Lecourtois von Hauriou, Précis, S. 397 f., Fußn. 4.
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Kassimatie
1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
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Nach dieser Lehre 7 9 haben alle Staatsakte — darunter auch die Regierungsakte •— ihren Geltungsgrund in den Rechtsnormen und unterscheiden sich voneinander nicht qualitativ bzw. materiell, sondern quantitativ bzw. formell 8 0 . Speziell die Regierungsakte seien Ermessensakte, die aber auch Anwendung und Konkretisierung des i n der abstrakten Norm verankerten Staatswillens darstellten. Ihr Vollziehungscharakter entstehe aus ihrer Einordnung i n der Stufenfolge der Rechtserzeugung und liege i n ihrem Verhältnis zu der oberen Stufe dieser Rechtserzeugung, während sie der unteren Stufe gegenüber rechtserzeugende Akte seien. Ermessensakte sind die Regierungsakte auch nach der Theorie Launs81. Der Unterschied liegt darin, daß der Ermessensakt nach der Wiener Schule eine Vollziehung und Konkretisierung der positiven Rechtsnorm ist und demzufolge es keinen wesentlichen Unterschied zwischen rechtsausführendem Staatsakt — der auch ein Rechtserzeugungsakt nach unten ist — und Ermessensakt gibt, während nach der Laun'schen Lehre ein prinzipieller Unterschied zwischen den beiden besteht 82 . Da Laun die Rechtsfreiheit der Zweckmäßigkeitserwägung als Wesenselement des Ermessens betrachtet, gewinnt so der Regierungsakt ein qualitatives K r i t e r i u m gegenüber dem Vollziehungsakt, welches i n der rechtspositivistischen Lehre keinen Platz haben kann. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß sich der Regierungsakt nach der rechtspositivistischen Schule keinesfalls materiell, sondern nur formell kennzeichnen läßt. Ein solches Kriterium, welches i m Rahmen der rechtspositivistischen Auffassungen entwickelt wurde, ist das organisatorische Kriterium, das sich besonders i n Österreich durchgesetzt hat 8 3 . 79 Vgl. statt anderer: Kelsen, Hauptprobleme, S. 491 ff., besonders S. 506 f.; derselbe, Allg. Staatslehre, S. 244 ff.; Merkl, Verwaltungsrecht, S. 45 ff. 80 Kelsen, i n Hauptprobleme, S. 507, schreibt: „ . . . so können sämtliche Staatsakte sich i n bezug auf das freie Ermessen niemals prinzipiell, sondern n u r graduell, nicht qualitativ, sondern n u r quantitativ von einander unterscheiden." 81 82
Das freie Ermessen, insbesondere S. 25 f.
Kelsen, Launs.
Hauptprobleme, S. 507, Fußn. 1, bekämpft die Ermessenslehre
83 Merkl, Verwaltungsrecht. S. 57 f, definiert: „Regierung ist die Summe der Verwaltungsfunktionen, die i n den Wirkungskreis höchster, das heißt von anderen Verwaltungsorganen unabhängiger Verwaltungsorgane gestellt sind" ; Adamovich, Verwaltungsrecht, S. 7, unterscheidet die Regierungs- von den anderen Verwaltungsakten durch zwei K r i t e r i e n : ein formal-normatives (verfassungsnormativer Grund) u n d ein organisatorisches (oberste unabhängige Organe). Vgl. ferner: Antonioiii, Verwaltungsrecht, S. 8.
§ . Die Regierungsakte i
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Das organisatorische K r i t e r i u m des Urhebers des Aktes findet man auch i n Frankreich bei Duguit 84. Diese Auffassung w i r d heute i m allgemeinen abgelehnt 85 . 4. Formal-organisatorischen Charakters ist die i n Frankreich vom Conseil d'Etat vorgenommene Unterscheidung i n Regierungs- und Regierungsdurchführungsakte 86 . Diese Unterscheidung bemüht sich, die Grenzen zwischen justiziablen und nichtjustiziablen Regierungsakten zu ziehen. Da sie aber die Abgrenzung der Regierungsakte von den anderen Staatsakten voraussetzt, hat sie für unser Problem keine Bedeutung. 5. Kein materielles K r i t e r i u m bietet auch die Lehre der „actes mixtes", die vom commissaire du gouvernement Célier anläßlich der Sache Gombert vor dem Conseil d' Etat 8 7 entwickelt wurde. I n seinen „conclusions" behauptet Célier, daß der besondere Charakter der Regierungsakte, wodurch auch die Injustiziabilität dieser Akte zu begründen sei, darin liege, daß sie die Beziehungen der Exekutive zu den anderen Gewalten betreffen. Diese Beziehungen können der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht unterstehen 88 . Als „andere Gewalten" verstehen sich die ausländischen Staaten und das Parlament 8 9 . Dieses Kriterium kann keinesfalls ein materielles sein, weil die Heranziehung des an sich inhaltlichen Elements „Beziehungen zu dritten Gewalten" allein, ohne die formalen Voraussetzungen der Umgrenzung der Exekutive einerseits und der Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits, die Regierungsakte von den andern Staatsakten abzugrenzen nicht vermag. Diese Voraussetzungen, die der Lehre der „actes mixtes" zugrunde liegen, sind nicht nur formaler Natur, son84 Droit constitutionnel, I I I , S. 688: „ . . . c'est-à-dire les actes faits par le gouvernement agissant comme Organe politique (Hervorhebung v o m V e r fasser) et par suit insusceptible des recours." es Siehe unten S. 89 m i t Fußn. 135. 86 So werden i n der Praxis die Ausführungsakte i m Bereich der diplomatischen Tätigkeit und die Durchführungsmaßnahmen der Erklärung des Belagerungszustandes (hierüber oben Fußn. 71) von den Regierungsakten ausgeschieden (vgl. Hauriou, Droit administratif, S. 400, Fußn. 1). Näheres bei: Ipsen, Politik u. Justiz, S. 107 f, 109 f. m i t Schrifttumangaben. S7 C. E. 28. März 1947, Gombert. 88 Célier ist (vielleicht unbewußt) darauf gerichtet, die „ A b n o r m i t ä t " der „Abnormitäts-Theorie" durch eine Ausdehnung der Normalität zu beseitigen, d. h. die als Anomalie (siehe oben, S. 77 f.) erscheinende Injustiziabilität der Regierungsakte durch eine Erweiterung des normalen Ausschlusses der richterlichen Kontrolle zu begründen. 89 Die Inkonsequenz bei dieser Lehre liegt u. a. darin, daß die A k t e der Exekutive, die ihre Beziehungen zur Rechtsprechung betreffen, nicht als „actes de gouvernement" betrachtet werden (Eisenmann, JÖR, Bd. 2 [N. F.], S. 25).
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
dern auch dem Regierungsbegriff mente 90 .
fremde, außerhalb stehende Ele-
IV. Eine eigene Gruppe bilden die Gegner des Regierungsaktes (théories négatrices) 91 . Sie bestreiten nicht die Injustiziabilität der Regierungsakte; sie leugnen sie nur als eigene Kategorie m i t der Behauptung, daß sie erstens i m positiven Recht keine Begründung fänden und zweitens die Anerkennung ihrer Kategorie für die Begründung ihrer Injustiziabilität überflüssig sei. Deswegen halten sie die „théorie des actes de gouvernement" für nutzlos und unhaltbar. Die Injustiziabilität der Regierungsakte lasse sich aus anderen Gründen erklären, besonders aus der Anwendung der allgemeinen Regeln der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Rücksicht auf den Charakter der maßgeblichen Akte 9 2 . 1. Von den früheren Gegnern 93 sind zu erwähnen: Michoud (des actes de gouvernement, 1889, S. 16 ff.), Bremond (des actes de gouvernement, Revue de Droit Public, 1896, S. 23) 94 , Berthélemy 95 und Duguit 96. 2. Von den neuen Leugnern der „théorie des actes de gouvernement" sind zu nennen 97 : Odent, J. Donnedieu de Vabre und hauptsächlich Vir ally. Der letzte entwickelte in seiner Studie „L'introuvable acte de gouvernement" 98 die Theorie des anwendbaren Rechts 99 . Nach dieser Lehre sei der Regierungsakt i m positiven Recht „unauffindbar" (introuvable), deshalb habe er keine Existenzberechtigung 100 . Der Ausschluß der Akte, die die internationalen Verhältnisse betreffen, aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit erkläre sich daraus, daß hierbei die völker00 Kritisch gegenüber dieser Lehre: Eisenmann, a.a.O., S. 24 f.; Auby -Drago, a.a.O., S. 76. 91 Zunächst i n Anlehnung an: Rumpf, Die Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 85; Eisenmann, a.a.O., S. 25 ff; de Laubadère, Droit administratif I, S. 230 f.; Auby - Drago, Contentieux . . . I, S. 74 f.; Waline, Droit administratif, S. 220 f. 92 Vgl. de Laubadère, a.a.O. 93 Ihre Argumentation ist heute überholt (Auby - Drago, a.a.O., S. 75, Fußn. 6). 94 Nach den Angaben von Rumpf, a.a.O. 9 5 I n seinem Traité . . . , S. 134, schreibt: „ L a verité, c'est qu'il n'y a pas d'actes de gouvernement." 96 I n seinem Droit constitutionel, I I I , S. 685, lautet: „ . . . Je repousse de toutes mes forces la conception des actes de gouvernement. I I faut bannir le mot et la chose de droit public de tout pays civilisé." 97 Nach Angaben von: de Laubadère, a.a.O., S. 230; Waline, Droit administratif, S. 220. 98 I n : Revue de Droit Public, 1952, S. 317—358. 99 Z u dieser Theorie siehe Ausführungen u n d K r i t i k Eisenmanns, a.a.O., S. 25 ff. 100 Uber das Verhältnis dieser Lehre m i t der Theorie der Verfassungsvollziehung siehe Eisenmann, a.a.O., S. 25.
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rechtlichen Normen anzuwenden seien, die der französischen Rechtsprechung entgehen. Daß die Akte, die die Verhältnisse der Regierung zum Parlament betreffen, nicht justiziabel sind, ergebe sich daraus, daß das Parlament der Kontrolle einer anderen Gewalt, wie der Rechtsprechung, nicht unterstehen könne 1 0 1 . Ein heftiger Gegner der französischen „théorie des actes de gouvernement" auf deutschem Boden ist Eisenmann 102, der die Justiziabilität der Regierungsakte als eine rechtspolitische Frage ansieht 103 .
C. Die Regierungsakte in Deutschland I. I n Deutschland ist keine Theorie der Regierungsakte i m Sinne derjenigen Frankreichs entwickelt worden. Die deutschen Staatsrechtler sind der Regierungstätigkeit in ihrem Verhältnis zur Justiz nie so bewußt begegnet wie die Franzosen. Die Gründe liegen vor allem i n der deutschen Praxis, die das Problem nie so deutlich erfaßte, wie der Conseil d'Etat. 1. I m 18. Jh. unterschied man schon zwischen Regierungs- und Justizsachen. Die „Regierungssachen" entsprachen aber nicht dem „acte de gouvernement", denn sie wandelten sich i n „Justizsachen" um, w u r den also justiziabel, falls sie wohlerworbene Rechte verletzten 1 0 4 . 2. I m 19. Jh. fehlte i n beiden Verwaltungsprozeßsystemen, dem preußischen und dem süddeutschen, jede ausdrückliche Zuständigkeitsbeschränkung gegenüber den Regierungsakten. Die süddeutschen Verwaltungsgerichte, wobei die Generalklausel galt, haben aber ihre Zuständigkeit gegenüber den Regierungsakten dadurch beschränkt, daß sie sie wegen ihres Ermessensgehaltes nicht überprüft haben. Die preußischen Verwaltungsgerichte andererseits, wobei der numerus clausus galt, hatten keine Schwierigkeiten: Sie erklärten sich für unzuständig m i t der Begründung, die Regierungsakte stünden nicht i m Zuständigkeitskatalog 105 . 101
a.a.O. 102
Vgl. de Laubadère , a.a.O., S. 230 f.; Auby - Drago, a.a.O., S. 74 f.; Waline,
M i t seiner schon oft zitierten Arbeit „Gerichtsfreie Hoheitsakte i m heutigen französischen Recht", JÖR, Bd. 2 (N. F.), S. 2 ff., insbesondere S. 27 ff., 29 ff. Die Regierungsakte als Kategorie verneint i n Deutschland (und i m Betrachtungsfeld des deutschen Rechts) auch Laun, Das freie Ermessen und seine Grenzen, 1910, indem er sie als eine A r t Ermessensakte sieht. So k a n n er von diesem Standpunkt aus als Leugner betrachtet werden. 104 v g l . ipsen, P o l i t i k u. Justiz, S. 56, m i t Literaturangaben. 10 5 Vgl. Ipsen, a.a.O., S. 61.
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
3. I m 20. Jh., bis zum 2. Weltkrieg, hat sich die Situation nicht wesentlich verändert: Die gerichtliche Praxis hat die Justizfreiheit der Regierungsakte nie aus ihrer Natur begründet, wie es bei dem Conseil d'Etat der Fall war. Wenn die Gerichte gewisse Staatsakte nicht überprüfen wollten, begründeten sie es mit rein juristisch-technischen Argumenten 1 0 6 . Die begrenzte Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte konnte zur Aufklärung des Regierungsbereichs und zur Aussonderung der Regierungsakte i n eine Kategorie nichts beitragen, stand sogar i m Wege, w e i l keine prozessuale Möglichkeit bestand, die staatsleitenden Akte zu berühren und dadurch eine judikative Basis für einen Regierungsaktkatalog zu schaffen. So blieb den Gerichten die Eigenart dieser Akte verdeckt 1 0 7 . Der Staatsgerichtshof versuchte in der Weimarer Zeit, der früheren preußischen Taktik folgend, die Grenzen der Justiziabilität des Ermessensbereiches und gleichzeitig der Regierungstätigkeit zu ziehen. So hat er die gegen Regierungsakte gerichteten Rechtsmittel nicht a limine abgewiesen, sondern beschränkt au fond geprüft 1 0 8 . 4. Nach dem 2. Weltkrieg ist den Gerichten nicht genügend Raum gelassen worden, sich m i t dem Problem näher zu befassen, w e i l ein großer Teil der Regierungstätigkeit vom Verfassungs- oder vom Gesetzgeber normativ erfaßt und von der richterlichen Prüfung ausgeschlossen war. So waren alle Entscheidungen der Besatzungsmächte der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen, worunter auch die Frage der Regierungsakte und ihrer gerichtlichen Kontrolle fiel 1 0 9 . Andererseits sind vom Grundgesetz (z. B. A r t . 131, 139) viele Regierungsangelegenheiten keiner richterlichen Uberprüfung unterstellt 1 1 0 . II. Während in der Praxis diese Situation herrschte, ist auch die Theorie größtenteils dem Problem der Regierungsakte fern geblieben, so daß sie es nicht fertiggebracht hat, eine vollständige Lehre zu entwickeln und heute immer noch i n den Anfängen steckt 111 . 1. Die Lehre tes 1 1 2 hat ihre Vollziehung zu zu behaupten.
des liberalen Konstitutionalismus und des RechtsstaaAufmerksamkeit nur darauf gerichtet, Gesetzgebung und unterscheiden und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung So blieben gewisse Akte des Verfassungslebens außer
106 Ipsen, a.a.O., S. 63 ff, 70. i ° 7 Vgl. Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 10 f., 12; Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 266. io» Ipsen, a.a.O., S. 80. 109 Vgl. Schneider, a.a.O., S. 36; Ipsen, Festschrift f ü r Laun (1948), S. 68 f. 110 Schneider, a.a.O. i n Vgl. Rumpf, a.a.O., S. 17. uz v g l . Scheuner, a.a.O., S. 261 ff.
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Betracht. Otto Mayer 113 hat als erster diesen Akten Beachtung geschenkt. Es handelt sich um die von ihm so benannten „verfassungsrechtlichen Hilfstätigkeiten", welche er i n einem „vierten Gebiet" der Staatsgewalt placierte. Diesen engen Kreis von Regierungsakten hat er m i t den Akten des völkerrechtlichen Verkehrs, der militärischen Kommandogewalt, der Kriegsführung und des Staatsnotrechts erweitert 1 1 4 . Die L i t e r a t u r 1 1 5 zum Problem des Politischen i m Zusammenhang m i t dem Regierungsbereich 116 hat sich auf so einer theoretischen Höhe entfaltet, daß sie sich den Regierungsakten mit ihren konkreten Problemen kaum genähert hat 1 1 7 . 2. Die erste monographische Behandlung der Regierungsakte ist von Hans Peter Ipsen unter dem Titel „Politik und Justiz" i m Jahre 1937 vorgenommen worden, während i n Frankreich solche schon i m 19. Jh. veröffentlicht worden waren 1 1 8 . Da die übrigen literarischen Äußerungen zum Thema und die Kommentierung der maßgeblichen Rechtsprechung in einem wenig bedeutsamen Niveau geblieben waren 1 1 9 , vertritt diese wohl bedeutungsvolle Studie i n jener Periode die theoretische Begegnung des Problems. Zur Untätigkeit der Wissenschaft i n bezug auf dieses Thema hat auch der Einfluß des Rechtspositivismus auf die deutsche Rechtswissenschaft geführt, bei welchem die Regierungsakte begrifflich keinen Platz finden konnten 1 2 0 . 3. Die neue Literatur unter der Herrschaft des Rechtswegstaates des Grundgesetzes und der Generalklausel der Verwaltungsgerichtsordnung bemüht sich, das heikle Problem zu lösen, ob es noch Platz für justizfreie Hoheitsakte gebe 121 . Bei dieser L i t e r a t u r 1 2 2 w i r d die alte Frage des Verhältnisses von Politik und Recht erneut aufgerollt 1 2 3 . 113 Verwaltungsrecht I, S. 7 ff. Hier ist die von E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1932, S. 169 bis 174, Betrachtung der Regierungstätigkeit zu erwähnen (hierüber siehe Ipsen, a.a.O., S. 76 ff.). ns Vor allem: C. Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1933, u n d R. Smend, Die Politische Gewalt i m Verfassungsstaat u n d das Problem der Staatsform, Festgabe f ü r W. Kahl, 1923, und Verfassung und Verfassungsrecht, 1928. 116 Dem politischen Moment hat auch der deutsche Gesetzgeber Rechnung getragen: z. B. „Gesetz über die Haftung des Reichs f ü r seine Beamten" vom 22. M a i 1910, abgeändert durch das Gesetz v o m 30. J u n i 1933. 117 vgl. Scheuner, a.a.O., S. 270 ff.; Rumpf, a.a.O., S. 31 ff. us v g l . Schneider, a.a.O., S. 14; Rumpf, a.a.O, S. 17. Ii» Vgl. Schneider, a.a.O., S. 15; Ipsen, a.a.O., S. 70. ι 2 0 Scheuner, a.a.O., S. 259 u. 265. 121 Scheuner, a.a.O., S. 36 ff. 122 A n der Spitze bleibt immer noch die Schrift von Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte. Ferner vgl. unten S. 211 ff. die Literaturangaben über die Erörterung des Themas i n Verbindung m i t A r t . 19 Abs. 4 GG. 123 Hierzu ist z. B. Loening, DVB1.1951, S. 236, zu erwähnen. 114
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
Merkwürdig bei der neuen Literatur ist, daß bei der Befassung mit dem Thema der „justizfreien Hoheitsakte" das Problem der „Regierungsakte" i m wesentlichen vermieden oder umgangen w i r d 1 2 4 . Heute besteht i m allgemeinen die Tendenz, den Regierungsakt als inhaltlich unbestimmbaren Begriff oder als rechtlich irrelevante Kategorie anzusehen 125 . Ob dies eine Flucht vor einem Kreis von schwerwiegenden Grenzrechtsproblemen, wie es der Regierungsbereich ist, oder eine richtige Wendung darstellt, ist nicht leicht zu sagen.
D. Dogmatische Betrachtung der Regierungsakte 1. Wenn w i r die oben erwähnten Lehren näher betrachten, dann sehen wir, daß es weder den Leugnern des „Regierungsaktes" noch denjenigen, die auf eine formelle Unterscheidung abstellen, gelungen ist, überzeugend jenen Tätigkeitsbereich zu bestimmen und zu umgrenzen, der weder Rechtsetzung, noch Rechtsprechung, noch Verwaltung i. e. S. ist und der als Entscheidungsfreiheit wenigstens die Staatsleitung und die Grundorganisation des Staates betrifft. Hierbei handelt es sich nicht um die Bezeichnung, sondern um das Wesen eines Tätigkeitsbereichs, was i m Grunde von den Lehren des formalen Kriteriums verkannt wird. 2. Die Lehren, welche das K r i t e r i u m auf die den Regierungsakten zugrunde liegenden Rechtsnormen abstellen — wie z. B. die Theorie der Verfassungsvollziehung 126 oder der Rechtspositivismus 127 —, wollen nur durch dasselbe formale Merkmal, wodurch sich die maßgeblichen Rechtsnormen unterscheiden, auch die Regierungsakte von den übrigen Staatsakten abgrenzen. Erstens erreichen sie aber damit nichts anderes, als daß sie die Kriteriumsfrage vom Bereich der Regierungstätigkeit i n den Bereich der Rechtsnormen versetzen 128 , und begehen zweitens 124 M i t schwerwiegenden Ausnahmen: Scheuner, Der Bereich der Regierung, und Krüger, DÖV 1950, S. 536 ff. (540 f.). 12 5 Vertreter dieser Tendenz sind: van Husen, DVB1.1953, S. 70 ff., u n d Obermayer, Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, S. 97 ff, u n d BayVBl. 1955, S. 129 ff. Beide erkennen dem Begriff „Regierungsakt" keine objektiven Merkmale zu (van Husen, a.a.O., S. 71 u. 72: „Schwimmender Begriff") und führen dafür dem Verwaltungsakt gegenüber den Begriff „verfassungsrechtlicher A k t " ein. " β Siehe oben S. 81. i « Siehe oben S. 81 f. 128 A u f die Schwierigkeit der Abgrenzung des Verwaltungs- v o m Verfassungsrecht i n bezug auf die Bestimmung der Regierungstätigkeit weist Maunz, Anm. zum U r t e i l Bader V G H v o m 5.11.1952 (VerwRspr., 5. Bd., Nr. 181, S. 858 f.) hin.
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den logischen Fehler, das Verhältnis zwischen Ursache und Resultat, zwischen Primärem und Sekundärem umzukehren. Denn es ist nicht die Materie durch die Form, sondern die Form durch die Materie zu kennzeichnen 129 . Ferner ist von diesen Lehren i m Grunde verkannt, daß die Rechtsnormen nicht den ganzen Bereich der Staatswillensbildung erschöpfen und daher nicht alle Staatstätigkeit eine Vollziehungstätigkeit ist. Die Rechtsnormen sind nur bei gebundener Staatstätigkeit für den Adressaten ein Gebot und ihm gegenüber handlungsgebietend, i n bezug aber auf die freie Tätigkeit 1 3 0 sind nur handlungsbegrenzende Rechtsätze 131 . So sind auch die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen in bezug auf die Regierungstätigkeit zu verstehen: Es sind also Normen, die die selbstbestimmende staatliche Willensmacht, die in Regierungsakten konkretisiert wird, richtunggebend einrahmen und eingrenzen 132 . 2. Die Lehren, welche das erlassende Organ für die Abgrenzung der Regierungsakte als maßgebend betrachten 133 , verkennen, daß für die Organisation nicht nur die zu organisierende Materie, sondern auch andere rechtspolitische und rechtssoziologische Gründe maßgebend sind, so daß kein Organ — auch nicht das Regierungsorgan — Akte, welche zu seinem materiellen Bereich gehören, ausschließlich vornimmt 1 3 4 . Es ist ferner i m Grunde verkannt, daß sowohl die Organisation als auch die Form das Wesen der zu organisierenden und der zu formenden Materie nicht berühren und daher nicht zum Wesensmerkmal werden können. Notwendige Folge dieser Lehre ist, daß ein großer Teil von Regierungsakten außer Betracht bleibt 1 3 5 . 129 Die Verfassungsbestimmungen und -leitsätze sind historisch geprägte Formen des materiellen Regierens und daher k a n n logischerweise die Form „Verfassungsrecht" allein nicht als Spezifikatum des Regierens betrachtet werden. iso Vgl. G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 616. Insofern ist Kaufmann, Z u r Problematik des Volkswillens, Gesammelte Schriften, Bd. I I I , S. 276, der die Verfassung als Kompetenzkatalog betrachtet, der die „charismatischen K r ä f t e " einrahmt, beizupflichten. a. A. Lenz, Umfang der gerichtlichen Prüfungsbefugnis, S. 72 und 78 ff., der die Regierung durch die Verfassung determiniert wissen w i l l . E r begreift also die Regierung nicht materiell-existentiell, sondern als durch verfassungsförmige Zielsetzung des Staates bestimmt. 133 v g l . oben S. 82 f. 131
134 Vgl. z. B. das pluralistische System des Grundgesetzes, wonach die Regierungstätigkeit i n die Kompetenzbereiche aller Verfassungsorgane verstreut ist. iss Weitere Argumentation bei: Ipsen, Politik u. Justiz, S. 99 f; Obermayer, BayVBl. 1955, S. 173; Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 284; Loening, DVB1. 1951, S. 235; Krüger, DÖV 1950, S. 593; Backsmann, D Ö V 1951, S.271; Lenz, a.a.O., S. 53.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
IL Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß nichts anderes übrig bleibt, als nach einem materiellen K r i t e r i u m zu suchen, welches den Regierungsakt zu einem rechtswissenschaftlichen Begriff zu erheben vermag. Wenn w i r von der materiellen Selbständigkeit des Regierens 136 ausgehen, so ist auch der Regierungsakt als die kleinste selbständige Monade, als das Molekül des Regierens, materiell selbständig. M. a. W. Regierungsakt ist ein Ermessensakt, der unmittelbar das Staatsganze betrifft. Als Ermessensakt ist er eine primäre 1 3 7 Entscheidung eines Staatsorgans, der ein Werturteil zugrunde liegt 1 3 8 . Der Erwägungs- und Entscheidungsbereich, d.h. die abzuwägenden Wirklichkeiten stehen über den Teilen der Staatsgewalt. Dies bedeutet: in den Erwägungsbereich treten keine durch die Organisierung der Staatsgewalt entstandenen partiellen 1 3 9 Werte ein 1 4 0 . I n diesem Sinn ist eine das Staatsganze betreffende Tätigkeit zu verstehen. Inhaltlich können die Regierungsakte materiellen oder organisatorischen Charakters sein. Diese Materie i n der Eigenschaft der Beziehung auf das Staatsganze gehört zum materiellen Verfassungsbegriff 1 4 1 , und die Regierungstätigkeit untersteht daher dem materiellen Verfassungsrecht, welches die oberste Ausübung der Staatsgewalt form-, inhalts- und organmäßig regelt. Hieraus folgt, daß Regierungsakte nur ein Verfassungsorgan erlassen kann und Regierungsbefugnisse " β v g l . oben, S. 35 ff. 137 Vgl. oben, S. 42, 45 f. 138 Vgl. oben, S. 42 ff. 139 Hierzu gehören auch Entscheidungen, die maßgebend u n d grundlegend für die Errichtung von organisatorischen Monaden der Staatsgewalt sind, wie z. B. die Errichtung eines Ministeriums. Dies stimmt i m Sinne m i t dem i m T e x t verwendeten Ausdruck: „ . . . die zu abwägenden Wirklichkeiten stehen über den Teilen der Staatsgewalt" überein. — Hierzu vgl. die „strukturelle Eigenart" des Regierungsaktes von Krüger, DÖV 1950, S. 540, auf Grund deren der Regierungsakt ein primär grundlegender A k t sei. A u f dieser „Eigenart" basiert er den Unterschied zwischen Regierungs- u n d V e r w a l tungsermessensakt (vgl. oben S. 45, Fußn. 24). 1 4 0 Hierzu vgl. als zweites M e r k m a l (das erste s. oben Fußn. 139) des Regierungsaktes nach Krüger, DÖV 1950, S. 590, „die Maßstäbe oder Werte, an denen er sich orientiert". Diese Maßstäbe stehen über der partiellen Ausübung der Staatsgewalt. 141 Hierüber siehe: Schmitt, Verfassungslehre, S. 3 ff., über die Verfassung als einheitliches Ganzes; Loevenstein, Verfassungslehre, S. 129 ff; Hermens, Verfassungslehre, S. 165 u. 172 ff.; Nawiasky, Allg. Staatslehre, 3. Teil, S. 96 ff.; Thoma, HdbDStR, Bd. I, S. 1; Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 26; Maunz, Staatsrecht, S. 39; Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates, S. 26; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 11; v. Mangoldt/Klein, S. 25 f.; Hamann, S. 1 ff ; Jahrreiss, RStW Bd. 4 (1953), S. 219; Scheuner, RStW Bd. 3 (1951), S. 133.
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nur durch die Verfassung oder durch ein Verfassungsorgan werden können 1 4 2 .
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Daß die Regierungssachen dem Verfassungsrecht unterstehen, darf nicht als formales K r i t e r i u m mißverstanden werden. Denn sie erhalten die Qualität des verfassungsrechtlichen Aktes nicht, w e i l sie von Verfassungsorganen erlassen werden oder weil die Ausübung des Regierens vom materiellen Verfassungsrecht geregelt wird, sondern weil sie als staatsleitende Akte demjenigen materiellen Bereich angehören, der durch das Verfassungsrecht geregelt ist. Wenn die Regierungssachen normierbar wären, dann wären sie dies nur durch Verfassungsnormen. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß der Regierungsbereich ein materiell bestimmbarer Bereich ist. Dieses K r i t e r i u m juristisch festzustellen, ist unmöglich, auf Grund positiven Verfassungsrechts, denn die formalen Grenzen des Regierungsermessens liegen i m Verfassungsrecht und für die materielle Abgrenzung zwischen Regierungsund Verwaltungsermessensakten ist die materielle Unterscheidung zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht maßgebend. Damit soll gesagt werden, daß das materielle Kriterium der Regierungsakte j u r i stisch-methodisch i m positiven Recht zu finden ist.
Erlaß eines Regierungsaktes durch ein Staatsorgan, welches kein V e r fassungsorgan ist, wäre ein Widerspruch zur Voraussetzung, der Regierungsakt betreffe das Staatsganze, denn ein f ü r einen Teil der Staatsgewalt bestimmtes Organ würde dadurch über das Staatsganze entscheiden. Einen analogen Widerspruch hätte auch die Erteilung von Regierungsbefugnissen durch einfaches Gesetz inne.
§ 9. Die Regierungsakte im Bereich des Rechts A. Allgemeine Betrachtungen I. Nachdem w i r die verschiedenen Lehren und Auffassungen über die Regierungsakte gesehen haben, versuchen w i r nun ihren Platz i m Bereich des Rechtes zu finden. Wenn w i r diesen Platz festgestellt haben, dann können w i r nach den Regierungsakten i n den positiven Normen dieses Rechtsbereichs suchen. 1. Um den Regierungsbereich im Recht ausfindig zu machen, teilen w i r die ganze öffentlich-rechtliche Staatstätigkeit von der untersten bis zur obersten Stufe durch eine vertikale Linie in Ermessens- und Vollziehungsakte 1 . Diese Ausscheidung der Ermessensakte ist keine willkürliche, sondern entspricht dem positiven Recht, das dieser Kategorie auch Rechnung trägt. Dies ist besonders ersichtlich i m deutschen2 Verwaltungsprozeßrecht, das die gerichtliche Kontrolle der Ermessensakte immer separat geregelt hat 3 . Eine spezielle Regelung der gerichtlichen Ermessenskontrolle t r i f f t man auch in einigen Länderverfassungen 4 . Abgesehen von der materiell-rechtlichen Ermessensregelung, bezeugt diese besondere prozeßrechtliche Behandlung der Ermessenstätigkeit ihre Eigenart, welche uns die obige Unterscheidung erlaubt. 2. Nach der vertikalen Teilung der Staatstätigkeiten nehmen w i r eine horizontale Teilung vor, wodurch der verfassungsrechtliche vom verwaltungsrechtlichen Bereich getrennt wird. Diese Teilung entspricht nicht der formellen Unterscheidung in Verfassungs- und Verwaltungsrecht, sondern der Unterscheidung im materiellen Verfassungs- und Verwaltungsrecht 5 . Die Unterscheidung zwischen materiellem Verfas1 Vgl. hierzu G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 616: „ M i t voller Sicherheit läßt sich nämlich f ü r jeden Staat ein bedeutsamer Gegensatz i n der Ausübung aller seiner Funktionen konstatieren: der von freier und gebundener Tätigkeit" m i t weiteren Verweisungen auf W. Jellinek, Gesetz usw., S. 1 ff., 30—89, 157—200. 2 Bezüglich der Gesetzesbestimmungen des ausländischen Rechts siehe Kohlmann, Das subjektiv-öffentliche Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch, S. 75 ff. a Vgl. z.B. die Vorschriften: §23 Abs. 3 u n d §24 M R V O 165; §36 V G G ; §15 Abs. 2 B V G G (1952); §114 VerwGO. Hierzu vgl. Krüger, DÖV 1950, S. 536 f. * Vgl. A r t . 74 NRWVerf. und A r t . 124 RPfVerf. 5 Z u m Begriff des „materiellen Verfassungsrechts" vgl. oben S. 90.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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sungsbereich und materiellem Verwaltungsbereich kennt das Verfassungs- und das öffentliche Verfahrensrecht, wodurch die Verfassungsund Verwaltungsgerichtsbarkeit gerade für diese Bereiche eingerichtet und bestimmt sind 6 . Dieser Unterscheidung trägt auch § 40 VerwGO Rechnung, indem er nur öffentlich-rechtliche Streitigkeiten „nichtverfassungsrechtlicher A r t " den Verwaltungsgerichten zuweist 7 . 3. Durch die oben vorgenommene vertikale und horizontale Teilung der Staatstätigkeiten sind die Ermessensakte des materiellen Verfassungsbereichs von den verfassungsrechtlichen Vollziehungsakten einerseits und von den Verwaltungsermessensakten andererseits abgegrenzt. Scheiden w i r nun von diesem Bereich die materielle Rechtssetzung, so bleibt der verfassungsrechtliche Ermessensbereich der Exekutive. Diese letzte Unterscheidung entspricht der Grundorganisation der obersten Ausübung der Staatsgewalt durch das Grundgesetz, i n dem ein Hauptorgan für die Rechtsetzung und ein Hauptorgan für den Exekutivbereich vorgesehen ist. Insoweit als es sich um Angelegenheiten der entsprechenden Sachbereiche handelt, gilt die Vermutung der Zuständigkeit dieser Organe. So gilt die Zuständigkeitsvermutung i m verfassungsrechtlichen Ermessensbereich für die Regierungsorgane 8 . Die aus Gründen der Balance der Gewalten erfolgende Beauftragung anderer Verfassungsorgane mit Ermessensentscheidungen aus diesem Bereich gilt nur i n den von der Rechtsordnung abschließend geregelten Fällen und hebt die grundsätzliche Zuständigkeit der Regierungsorgane nicht auf. 4. Aus den obigen Erwägungen ergibt sich, daß die Regierungsakte nichts anderes sind als die Ermessensakte des materiellen Verfassungsrechts und der Regierungsbereich sich mit dem Ermessensbereich auf der materiellen Verfassungsebene deckt. Auf Grund des pluralistischen Systems des Grundgesetzes ist der Regierungssachbereich in Kompetenzbereiche aller Verfassungsorgane aufgeteilt. So werden materielle Regierungsakte von der Regierung im organisatorischen Sinne, vom Bundespräsidenten, vom Bundestag, vom Bundesrat und von anderen Verfassungsorganen erlassen. Von allen diesen Regierungskompetenzen ist aber — wie gesagt — nur der Kompetenzbereich der Regierungsorgane in Regierungsangelegenheiten enumerativ nicht begrenzt. Die β Dies entspricht dem deutschen Justizsystem, das k e i n einheitliches Gerichtswesen kennt, sondern für jeden materiellen Rechtsbereich eine entsprechende A r t Gerichtsbarkeit vorsieht. Hierzu vgl. Wintrich, Festschrift für Nawiasky, S. 191, 193; derselbe, Festschrift für Laforet, S. 229 f. Vgl. ferner Ausführungen Eschenburgs, Staat u. Gesellschaft i n Deutschland, S. 768 ff., i n bezug auf den materiellen Kompetenzbereich des BVerfG. 7 Dazu vgl. § 9 BVerwGG. β Vgl. oben S. 59.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
besondere Regelung i m GG oder i n anderen Verfassungsgesetzen bedeutet nicht, daß ihre A k t i v i t ä t sich nur auf diese Befugnisse beschränkt, sondern daß nur diese Regierungssachen regelungsbedürftig waren. Das gleiche ist aber bei der Übertragung von Regierungsangelegenheiten auf andere Verfassungsorgane nicht zu sagen. Diese Verfassungsorgane sind nämlich nur für die i n der Rechtsordnung vorgesehenen Regierungssachen zuständig. Aus der obigen Feststellung folgt, daß eine Liste der Regierungsakte der eigentlichen Regierungsorgane nie erschöpfend sein kann, während die Regierungsakte der anderen Verfassungsorgane abschließend aufgezählt werden können. IL Nun fragt es sich, ob die Aufstellung eines Regierungsaktkatalogs nach dem geltenden Recht empfehlenswert wäre. Die französische Lehre hat einen solchen Katalog auf Grund der Judikatur geschaffen, u m hervorzuheben, welche Akte gerichtsfrei sind. Eine Liste von gerichtsfreien Regierungsakten könnte aber i n Deutschland nicht aufgestellt werden, weil sie weder aus dem geltenden Recht noch auf Grund der Rechtsprechung begründet werden kann. Da aber die Grenzen des Regierens nicht leicht erkennbar sind, empfiehlt es sich, diese Tätigkeit i n einem Katalog von A k t e n auszusondern, damit das induktive Denken geholfen und die Grenzproblematik dieses umstrittenen Bereichs hervorgehoben wird. Bei der Aufstellung eines Regierungsaktkatalogs stößt man, wie bei jedem Versuch einer Abgrenzung des Regierungsbereichs, auf gewisse Schwierigkeiten, d. h. auf gewisse verfassungsrechtliche Phänomene betreffs des Regierens, welche sich in der Regel aus dem Rechtsstaatsprinzip herleiten lassen. 1. Ein Phänomen der heutigen Verfassungen, das die Abgrenzung der Regierungstätigkeit erschwert, ist die starke Aufteilung des Regierens auf viele oberste Staatsorgane, so daß Regierungsakte aus allen höchsten Kompetenzbereichen ergehen. Da die Staatsorganisation nicht nur auf eine logische Verteilung der Zuständigkeiten nach der materiellen Unterscheidung der Sachbereiche ausgerichtet ist, sondern zugleich den Zwecken des Rechtsstaates, d. h. dem Schutze des Individuums vor dem Machtmißbrauch und der W i l l k ü r dienen muß, beteiligen sich am Regieren nach der Grundorganisation des Grundgesetzes alle obersten Staatsorgane, so daß der Begriff Regieren i m organisatorischen Sinne an Bedeutung erheblich verloren hat. So treffen Regierungsentscheidungen außer den eigentlichen Regierungsorganen auch der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat und die übrigen Verfassungsorgane. Daß bei einem solchen organisatorischen Pluralismus Schwierigkeiten bei der Grenzziehung durch die materiell
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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verschiedenen Tätigkeiten jedes Organs bestehen, bedarf keiner besonderen Erklärung. 2. Eine andere Tendenz des heutigen Verfassunggebers, die i m Rechtsstaatsprinzip ihre Grundlage und i m Grundgesetz betont Ausdruck gefunden hat, ist die „Verrechtlichung" des Regierens. Auch hier handelt es sich um ein Beteiligen des Verfassungs- oder Gesetzgebers am Regieren, wie oben erwähnt wurde. Diese Beteiligung geht aber hier tiefer als eine bloße formelle Beteiligung, so daß man nicht leicht erkennen kann, ob ein materieller Rechtssatz oder ein materieller Regierungsakt vorliegt. Von „Verrechtlichung" des Regierens kann i n den Fällen, wonach die Regierungsentscheidung „ i n der Form eines Gesetzes" erlassen wird, wie z. B· i m Fall des Haushaltsplanes oder der Vertragsgesetze, nicht die Rede sein. Vor einer „Verrechtlichung" stehen wir, wenn der Regierung die Entscheidungsbefugnis genommen und auf die rechtsetzenden Organe übertragen wird, wie z. B. i m Falle der Straffreiheitsgesetze oder der i n Art. 143 GG vorgesehenen gesetzlichen Regelung über die Verwendung der Streitkräfte i m Fall eines inneren Notstands 9 . Bei diesen Fällen müßte man sich mit der Frage, was „Rechtssatz" ist, und in die ganze Problematik der Unterscheidung zwischen „Maßnahmegesetzen" und „klassischen" Gesetzen befassen 93 . Bei der Normativierung des Regierens ist die maßgebliche Entscheidung vom Verfassung- bzw. Gesetzgeber in der A r t eines Gebotes oder Verbotes für ein Staatsorgan getroffen. Aus einer solchen Norm entstehen Vollziehungspflichten des Adressaten und Vollzugsakte 10 . Bei » Hierüber siehe Dürig, M - D zu A r t . 143 Rn. 2 ff. a Hierüber vgl. statt anderer die eingehende Studie von Karl Zeidler, Maßnahmegesetz und „klassisches" Gesetz, 1961. 10 Solche Vollzugsakte sind z. B. i n den folgenden A r t i k e l n des G r u n d gesetzes vorgesehen: A r t . 1, Abs. 1, S. 2: Pflicht zu positivem, abwehrendem T u n zum Schutze der Menschenwürde, insoweit es i n den Kompetenzbereich der Regierung fällt (vgl. Hamann, S. 72, v. Mangoldt/Klein, S. 152 ff, Dürig, M - D zu A r t . 1 Rn. 3 u. 16, m i t Schrifttumsangaben, Maunz, Staatsrecht; S. 101 f.). Hier ist die Abwägungsfreiheit zwischen Menschenwürde des E i n zelnen und Interesse des Staatsganzen „verrechtlicht", indem die Entscheidung f ü r die Menschenwürde v o m Verfassunggeber getroffen wurde. — Weitere Fälle: A r t . 6, Abs. 1: positive Pflicht zum Schutze der Ehe u n d Familie (vgl. BVerfGE 6, 76). A r t . 17: Die Pflicht zum positiven Handeln (status positivus des Petitionsrechts), soweit es zum Kompetenzbereich der Regierung gehört (vgl. Hamann, S. 184; v. Mangoldt/Klein, S. 507; Dürig, M - D zu A r t . 17 R n . 3 f f . ; BVerfGE 2, 225 ff.). I n allen obigen Fällen ist dem zuständigen Verfassungsorgan ein Ermessensspielraum n u r i n bezug auf die A r t und Weise seiner Handlung, nicht jedoch i n bezug auf das „Ob" seines positiven Einschreitens eingeräumt. — Ferner: A r t . 32 Abs. 2 (Anhören des Landes) ; A r t . 53 Satz 3 (Pflicht der BReg. zur Informierung des BR); A r t . 114 Abs. 2, S. 1 (Pflicht zur Zuleitung der Rechnung an den BRH); A r t . 114 Abs. 1 (Rechnungslegung des B M i n . der Finanzen); A r t . 114 9
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
dieser t o t a l e n B e r a u b u n g der Ermessensfreiheit d u r c h den Gesetzb z w . Verfassunggeber u n d w e n n d i e maßgebliche N o r m a n V e r f a s sungsorgane adressiert ist, t a u c h t die F r a g e nach d e m C h a r a k t e r der diese N o r m v o l l z i e h e n d e n A k t e a u f : S t e l l e n sie R e g i e r u n g s a k t e i. m . S. dar? N a c h d e m a n g e n o m m e n w u r d e , daß das Ermessen z u m Wesen des Regierens g e h ö r t 1 1 , ist es f o l g e r i c h t i g , daß diese E x e k u t i o n s a k t e k e i n e R e g i e r u n g s a k t e sind. Es ist h i e r z u unterstreichen, daß n i c h t n u r das V e r w a l t u n g s r e c h t , sondern auch das Verfassungsrecht V o l l zugsakte k e n n t . 3. E i n e besondere A r t der V o l l z u g s a k t e s i n d die Feststellungsakte. Diese H a n d l u n g e n s i n d R e c h t s e r k e n n t n i s a k t e b z w . Rechtsentscheidungen, b e i denen k e i n Ermessensspielraum, k e i n e W a h l m ö g l i c h k e i t v o r l i e g t 1 2 . B e i der Rechtserkenntnis t r i t t der W i l l e des m a ß g e b l i c h e n Abs. 2, S. 2 (Vorlegung der allgemeinen Rechnung). — Aus dem Zuständigkeitsbereich des BPräs.: A r t . 59 a Abs. 1, S. 2 (Verkündung des Verteidigungsfalls); A r t . 59 a Abs. 2, S. 2 (Anhören der B T - und BR-Präs. durch den BPräs.). Die Vokabel „soll" hat hier den Sinn etwa eines unbestimmten Rechtsbegriffs, denn sie bedeutet, daß der BPräs. zum Anhören normalerweise verpflichtet und nur beim Vorliegen besonderer Umstände von dieser Pflicht befreit ist (vgl. Dürig, M - D zu A r t . 59 a Rn. 13 bb). A r t . 63 Abs. 2, S. 2, und Abs. 4, S. 2 (Ernennung des gewählten B K durch den BPräs.) ; A r t . 67 Abs. 1, S. 2 (Entlassung des B K , gegen den der B T sein Mißtrauen ausgesprochen hat, und Ernennung des Gewählten durch den BPräs.). — Aus dem Zuständigkeitsbereich des B R : A r t . 52 Abs. 2, S. 2 (Einberufung des BR durch den BR-Präs. nach Verlangen der BReg. oder mindestens zweier Vertreter der Länder) ; A r t . 53 Satz 2 (Pflicht des BR zum Anhören der BReg.-Mitglieder). n Vgl. oben §4. ι 2 Solche Feststellungsakte sind z. B. : Aus dem Kompetenzbereich der Regierung i. o. S.: die auf G r u n d des A r t . 84 Abs. 3 u. 4, S. 1, Feststellung der BReg. (nicht die Entscheidung über die Vornahme einer beaufsichtigenden Handlung, die ein echter Regierungsakt ist — siehe unten, S. 107 Nr. 25), ob eine Rechtsverletzung bei der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder vorliegt (vgl. Hamann, S. 136; Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 46; derselbe, Staatsrecht, S. 219; Hahl, Bundesaufsicht, S. 5 ff.). Der zur A k t u a l i sierung der W i r k u n g des A r t . 9 Abs. 2 GG erforderliche A k t (Hamann, S. 133) ist feststellenden (rechtserkennenden) Charakters. Das gleiche ist anzunehmen auch i m Falle des Verstoßes gegen „den Gedanken der Völkerverständigung", denn dieser Ausdruck ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, wobei eine konstitutive Entscheidung nicht möglich wäre. Völkerverständigungsw i d r i g k e i t liegt z. B. vor bei „militärisch-aggressiver, expansionistischer oder den K r i e g verherrlichender Tendenz" ( ν . Mangoldt/Klein, S. 325). Eine Feststellungsentscheidung kann auch von einer Verwaltungsbehörde getroffen werden. Wenn aber diese Entscheidung konstitutiven Charakters wäre, dann müßte sie, wegen der Regierungsqualität der Materie, durch die eigentlichen Regierungsorgane kraft ihrer Zuständigkeitsvermutung i n Regierungsangelegenheiten getroffen werden. K e i n Feststellungsakt ist dagegen die durch den B T (Art. 59 a Abs. 1) oder den BPräs. (Art. 59 a Abs. 2) getroffene Feststellung des Verteidigungsfalles, die eine Regierungsentscheidung ist (vgl. unten S. 112 Nr. 5 u n d S. 123 Nr. 14). — Aus dem Zuständigkeitsbereich des B R : Der Beschluß über die Rechtsverletzung eines Landes nach A r t . 84 Abs. 4 S a t z l (vgl. Maunz t i n M - D zu A r t . 84 Rn. 66; Hahl, Bundesaufsicht, S. 108).
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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Staatsorgans n i c h t gestaltend oder r i c h t i g e r : ü b e r h a u p t n i c h t h e r v o r . G e s t a l t e n d ist h i e r b e i der W i l l e des V e r f a s s u n g - b z w . Gesetzgebers. Diesen W i l l e n k o n k r e t i s i e r t das S t a a t s o r g a n u n d s t e l l t i h n a u f G r u n d e i n e r S u b s u m t i o n d u r c h e i n rechtsprechungsähnliches U r t e i l 1 3 fest. 4. S c h w i e r i g e G r e n z f ä l l e s i n d die A k t e der obersten O r g a n i s a t i o n s g e w a l t , die v o n „ u n m i t t e l b a r e n " Verfassungsorganen erlassen w e r d e n 1 4 . D i e G r u n d o r g a n i s a t i o n des Staates ist v o m Verfassunggeber g e t r o f fen 15. A u f G r u n d der Organisationsbestimmungen der Verfassung w i r d die „ O r g a n i s a t i o n s g e w a l t " 1 6 v o n d e n Verfassungsorganen ausgeübt. D u r c h diese T ä t i g k e i t w e r d e n Staatsorgane geschaffen 1 6 * K o m p e t e n z bereiche b e s t i m m t 1 7 u n d Z u s t ä n d i g k e i t e n e r t e i l t . O b die O r g a n i s a t i o n s a k t e R e g i e r u n g s a k t e sind, h ä n g t v o m k o n k r e t e n F a l l ab: W e n n also die d e m O r g a n i s a t i o n s a k t z u g r u n d e liegende E n t scheidung i n e i n e m so b r e i t e n 1 8 Ermessensspielraum g e t r o f f e n w u r d e , daß d i r e k t a u f das Staatsganze bezogene Interessen a b g e w o g e n w u r d e n , d a n n stehen w i r v o r e i n e m R e g i e r u n g s a k t 1 9 . W e n n dagegen eine O r g a na Hierzu vgl. i n bezug auf A r t . 84 GG: v. Mangoldt, Kommentar, S. 457 f.; Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 66; Schäfer, AÖR78, S. 20, Fußn. 51; Hahl, Bundesaufsicht, S. 104 ff.; Lechner, BVerfGG, zu §70, S. 231. — I n bezug auf A r t . 41 Abs. 1 GG: Maunz, i n M - D zu A r t . 41 Rn. 12, und v. Mangoldt/Klein, S. 922 m i t Angaben über die hierbei herrschenden Meinungsverschiedenheiten. 14 Über die obersten oder „unmittelbaren" Verfassungsorgane siehe G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 544 f. is Vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 35; Spanner, D Ö V 1957, S. 641 f. 16 Die Ausübung der „Organisationsgewalt" ist heute nicht mehr als „Hausgut" des Staatsoberhaupts oder der Exekutive schlechthin anzusehen (vgl. May er-Anschütz, S. 670 A n m . 5; Hamann, S. 300; Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 4; Böckenförde, a.a.O., S. 27; Spanner, a.a.O., S. 641 f.; Kalkbrenner, DVB1.1964, S. 852), obwohl es auch heute Autoren gibt, welche, von der Vergangenheit befangen, die Organisationsgewalt der Exekutive zuordnen (wie z.B. Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 378; Ipsen, V V D S t R L , 16, S. 257 f. ; Köttgen, V V D S t R L , 16, S. 168. — Weitere Nachweise bei Kalkbrenner, a.a.O.). Die Organisationsgewalt kann ferner, wegen ihres sachlich neutralen Charakters, nicht als „ G e w a l t " angesehen werden (vgl. hierzu: Maunz, a.a.O.; Böckenförde, a.a.O., S. 35 ff.) — Z u r rechtlichen Bindung der Organisationsgewalt siehe: Hamann, Die Bindung der staatlichen Organisationsgewalt an die Gesetzgebung, N J W 1956; Spanner, Organisationsgewalt und Organisationsrecht, DÖV 1957, S. 640—643. i6a Hierzu vgl. G. Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 545 f., über „Kreationsorgane", „kreierte" oder „geschaffene" Organe und „Kreationsakte". 17 Vgl. z. B. § 9 GeschOBReg u n d A r t . 86 GG (hierüber auch unten S. 108 f. [Nr. 31]). iß Die Breite des Ermessenspielraums ist hier nicht quantitativ, d. h. bezüglich der Vielheit der Wahlmöglichkeiten, sondern qualitativ, d. h. nach der Breite des Staatslebens, das der Entscheidende „ i m Auge" hat u n d das die Entscheidung betreffen soll, zu verstehen. 1 9 Solche A k t e sind i m Grundgesetz i n folgenden A r t i k e l n vorgesehen: 54 Abs. 1 (Wahl des BPräs.), 63 Abs. 2 (Wahl des BK), 63 Abs. 4, S. 3 (Er7
Kassimaüs
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
nisationsentscheidung i m Erwägungsbereich der Verwaltungsinteressen getroffen wird, dann ist sie eine Verwaltungsentscheidung 20 . Diese Abhängigkeit der Qualität der Organisationsakte von der organisierten oder von der zu organisierenden Materie folgt aus dem „akzessorischen" Charakter der Organisationstätigkeit 21 . 5. Qualifikationschswierigkeiten bestehen auch bei den Akten der obersten Verfassungsorgane, die die verfassungsrechtlichen Beziehungen zu den eigentlichen Regierungsorganen oder zueinander betreffen. A n wichtigster Stelle stehen darunter die verschiedenen Kontrollakte des Parlaments und des Bundesrates 22 . Für die Kontrollakte ist — genau wie für die Organisationsakte — ein „akzessorischer" Charakter anzunehmen. Daraus folgt, daß die Entscheidung, ob ein Kontrollakt einen Regierungs- oder Verwaltungsakt darstellt, davon abhängt, ob er Regierungstätigkeit oder Verwaltungstätigkeit des Regierungsorganes zum Gegenstand hat. I n den Verfassungen sind i n der Regel Kontrollakte bezüglich des Regierens und nicht des Verwaltens vorgesehen, wie z. B. die Auflösung des Bundestages vom Bundespräsidenten (Art. 63 Abs. 4 S. 3 und A r t . 68 Abs. 1 S. 1) oder das Mißtrauensvotum des Bundestages (Art. 67 GG). Bei diesen Fällen handelt es sich stets u m Kontrollakte mit Regierungsqualität, denn die Entscheidung ist hier immer ein Ergebnis einer Abwägung von Interessen, welche erst zum Staatsganzen und dann eventuell zu einem Teil der Staatsgewalt i n Verbindung stehen. Außer diesen Fällen gibt es aber Kontrollakte, welche keine Regierungsqualität haben können, weil sie Verwaltungstätigkeit nennung des gewählten B K durch den BPräs.), 64 Abs. 1 (Ernennung u n d Entlassung der Bundesminister), 69 Abs. 3 (Ersuchen des BPräs. oder des B K u m Weiterführung der Geschäfte), § 9 GeschOBReg (Festlegung der Geschäftsbereiche der B M i n . durch den B K ) etc. 20 Wie z. B. i n den Fällen der A r t . 86 u n d 87 GG (vgl. aber unten S. 108 f. [31] i n bezug auf A r t . 86, S. 2). 21 Vgl. Krüger, Staatslehre, S. 926 f., und i n V V D S t R L 16, S. 254; ferner siehe oben Fußn. 16 u n d unten S. 108 f. Obwohl m a n die Organisationsgewalt als „Hilfstätigkeit" betrachtet (hierüber siehe bei Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 38 f.) u n d i h r „akzessorischer" oder „formeller" Charakter m i t Recht unterstrichen w i r d (Krüger, a.a.O.), muß man i h r jedoch ein M i n i m u m sachlicher Selbständigkeit zuerkennen. Diese Sachtätigkeit ist aber i n bezug auf die Wirkungen der Ausübung der Staatsgewalt auf die Gewaltunterworfenen praktisch, d. h. rechtlich unerheblich, neutral (Böckenförde, a.a.O., S. 40 f., sieht die Organisationsgewalt als Sachtätigkeit an). 22 Solche A k t e sind z.B.: Der BT-Beschluß zur Ausübung des Zitierungsrechts nach A r t . 43 Abs. 1 GG u n d §§105 ff. GeschOBReg.; Der BT-Beschluß zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegen die Regierung und die Beschlüsse dieses Ausschusses (Art. 44 GG); Beschlüsse des „ständigen Ausschusses" des A r t . 45 GG; Der BT-Beschluß zur Bestellung der Ausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung u n d deren Beschlüsse (Art. 45 a) ; A k t e der Ausübung des Zitierungsrechts v o m BR nach A r t . 53, S. 1.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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der Regierungsorgane betreffen. Dies kann z. B. bei der Ausübung des Zitierungsrechts der Fall sein. 6. Schwierig ist zu erkennen, ob i m konkreten Fall ein Regierungsoder ein Verwaltungsakt vorliegt. Vor dieser Schwierigkeit steht man öfters, weil die Regierungsorgane gleichzeitig die obersten Verwaltungsorgane sind und mit Verwaltungskompetenzen beauftragt sind. Solche Kompetenzen stehen der Bundesregierung z. B. i m Rahmen der Ausübung der Bundesaufsicht (Art. 84 u. 85 GG) und der Lenkung und der Organisation der bundeseigenen Verwaltung (Art. 86 GG) zu. Die Akte der Minister als oberster Leiter ihres Ressorts sind auch in der Regel Verwaltungsakte. Ob i m allgemeinen eine Handlung der Regierungsorgane ein Regierungs- oder ein Verwaltungsakt ist, bemißt sich danach, ob die maßgebliche Entscheidung auf Erwägungen, welche das Ressort oder einen Ressortzweig betreffen, beruht, wie z. B. eine Entscheidung des Bundesministers für Post betreffend den Geschäftsbereich des Postwesens, oder ob die Entscheidung sich auf das Staatsganze bezieht, wie z. B. eine Entscheidung des Bundesministers für Verteidigung bezüglich der äußeren Sicherheit des Staates. 7. Auf Grund der obigen Erwägungen werden i n den folgenden Regierungsaktlisten reine Exekutionsakte der Regierungsorgane, welche auf Grund bindender Verfassungsnormen erlassen werden können, sowie Feststellungs- und Rechtserkenntnisakte nicht mitumfaßt. Ferner werden die i m Grundgesetz vorgesehenen Verwaltungstätigkeiten, wie z. B. die i n den Art. 85 und 86 GG, nicht berücksichtigt. Die i m Katalog enthaltenen A k t e sind i n Bestimmungen des Grundgesetzes vorgesehen, die gleichzeitig den betreffenden Verfassungsorganen die entsprechenden Zuständigkeiten erteilen. So werden diejenigen Verfassungsbestimmungen nicht berücksichtigt, welche zwar von Regierungsaufgaben sprechen oder die Ausübung der Regierungsfunktion betreffen, den Verfassungsorganen aber nicht entsprechende Befugnisse zusprechen, sondern sich auf die bereits bestehenden Kompetenzen beziehen. Solche Bestimmungen sind z. B. folgende A r t i k e l des Grundgesetzes: 1 Abs. 1 S. 2, 6 Abs. 1, 13 Abs. 3, 16 Abs. 2, 24 Abs. 2 S. 1 u. 2, 24 Abs. 3, 32 Abs. 1, 58 S. 1. Der Katalog w i r d nicht — wie üblich — nach willkürlichen und rechtlich irrelevanten Kategorien, sondern nach den Kompetenzbereichen der Verfassungsorgane aufgeteilt. So unterscheiden w i r : Regierungsakte der Regierungsorgane, des Bundespräsidenten, des Bundestages, des Bundesrates und anderer Verfassungsorgane. *
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens B. D i e Regierungsakte des Grundgesetzes I. Regierungsakte der Regierungsorgane
1. Art. 26 Abs. 2 GG23. G e n e h m i g u n g der BReg. z u m H e r s t e l l e n , B e fördern und Inverkehrbringen von bestimmten Kriegswaffen. Die G e n e h m i g u n g steht i m Ermessen des K o l l e g i u m s 2 4 . 2. Art. 32 Abs. 3. Z u s t i m m u n g der BReg. z u r A b s c h l i e ß u n g v o n V e r t r ä g e n der L ä n d e r — s o w e i t sie f ü r die Gesetzgebung z u s t ä n d i g s i n d — m i t a u s w ä r t i g e n Staaten. „ D i e , Z u s t i m m u n g ' ist e i n i m Ermessen d e r B u n d e s r e g i e r u n g stehender R e g i e r u n g s a k t . . . 2 5 . " Sie w i r d n u r d e n L ä n d e r n e r k l ä r t 2 6 . O b das N i c h t v o r l i e g e n d e r Z u s t i m m u n g v ö l k e r r e c h t l i c h u n b e a c h t l i c h ist, ist u m s t r i t t e n 2 7 . Diese B e f u g n i s steht d e m K o l l e g i u m z u 2 8 . 3. Art. 37 Abs.l. V o r n a h m e des Bundeszwanges. Dies l i e g t i m E r messen des K o l l e g i u m s 2 9 — nach Z u s t i m m u n g des Bundesrates — u n d stellt einen Regierungsakt dar 30. Dem Befehl zur w i r k l i c h e n E i n s e t z u n g des Bundeszwanges l i e g e n folgende A k t e z u g r u n d e 3 1 : a) T a t b e s t a n d s f e s t s t e l l u n g 3 2 23 A u f Grund des Satzes 2 ist das Ausführungsgesetz (das sog. „Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen") v o m 20. A p r i l 1961 (BGBl. 1961, S. 444 ff.) erlassen und danach die zwei Durchführungsverordnnungen v o m 1. J u n i 1961 (BGBl. I, 1961, S. 649). 24 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 26 Rn. 44 u. 45. Der Ermessensspielraum des Kollegiums ist durch das oben (Fußn. 23) erwähnte Gesetz und die Durchführungsverordnungen nach Genehmigungsvoraussetzungen, -gegenständ (Aufzählung der genehmigungsbedürftigen Waffen) u n d - f o r m (es w i r d die Schriftform verlangt) erheblich begrenzt. 25 So wörtlich Hamann, S. 252. Dazu siehe auch: v. Mangoldt/Klein, S. 793; Menzel, B K zu A r t . 32 Erl. I I , 6; Bernhardt, Abschluß völkerrechtlicher Verträge, S. 173; Kölble, D Ö V 1965, S. 152; BVerfGE 2, 370, w o u.a. steht: „Es handelt sich dabei u m einen A k t der Staatsleitung, der der Bundesregierung vorbehalten ist." 2 ® BVerfGE 2, 370; Maunz, i n M - D zu A r t . 32 Rn. 56; Bernhardt, a.a.O., S. 173; vgl. auch Grewe, V V D S t R L 12, 178. 27 Maunz, a.a.O.; Menzel, a.a.O.; v.Mangoldt, Kommentar, S203; v. Mangoldt/Klein, S. 794. 2 ® v. Mangoldt/Klein, S. 793; Bernhardt, S. 173, Fußn. 702. ** Maunz, i n M - D zu A r t . 37 Rn. 26; v. Mangoldt/Klein, S. 860; Wernicke, B K zu A r t . 37 Erl. I I , 26. so Vgl. Hamann, S. 297 (zu A r t . 50 GG). 31 Hierüber siehe Ausführungen von: Maunz, i n M - D zu A r t . 37 Rn. 26 ff.; Wernicke, B K zu A r t . 37 Erl. I I ; v. Mangoldt/Klein, S. 860 ff. 32 Die Tatbestandsfeststellung ist kein Regierungsakt. Inwieweit sie einem Rechtspruch nahekommt, ist umstritten (vgl. hierüber statt anderer: Maunz, i n M - D zu A r t . 37 Rn. 28; v. Mangoldt/Klein, S. 858 a.E.; Anschütz, i n HdbDStR, Bd. 1, S. 379). — Die Tatbestandsfeststellung w i r d normalerweise von der BReg. und ausnahmsweise (nach A r t . 84 Abs. 4, S. 1) v o m BR oder (nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 3) v o m BVerfG vorgenommen. Die Tatbestands-
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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b) D i e E n t s c h e i d u n g ü b e r das „ O b " des B u n d e s z w a n g e s 3 3 c) D i e E n t s c h e i d u n g ü b e r das „ W i e " des B u n d e s z w a n g e s 3 4 . 4. Art. 37 Abs. 2 3 5 . W e i s u n g e n z u r D u r c h f ü h r u n g des B u n d e s z w a n ges 3 6 . S u b j e k t des Weisungsrechts ist die BReg. als K o l l e g i u m oder i h r B e a u f t r a g t e r (sog. „ B u n d e s k o m m i s s a r " ) 3 7 . Adressate der W e i s u n g e n s i n d die L ä n d e r u n d i h r e B e h ö r d e n 3 8 . 5. Art. 39 Abs. 3 Satz 3. V e r l a n g e n des B u n d e s k a n z l e r s b e i m B T - P r ä s . z u r f r ü h e r e n E i n b e r u f u n g des B T , als der B T selbst nach A r t . 39 A b s . 3 S. 1 b e s t i m m t h a t . Das ist e i n Ermessensakt des B u n d e s kanzlers39. 6. Art. 42 Abs. 1 Satz 2. A n t r a g d e r BReg. ( K o l l e g i u m ) 4 0 b e i d e m B T z u m Ausschluß der Ö f f e n t l i c h k e i t 4 1 . feststellung der BReg. und des BR ist v o m BVerG nachprüfbar (Maunz, a.a.O., Rn. 62; Hamann, S. 268; v. Mangoldt/Klein, S. 859; Wernicke, a.a.O., Erl. I I 1 d γ Abs. 4). 33 Diese Entscheidung liegt i m pflichtgemäßen Ermessen der BReg. (Maunz, a.a.O., Rn. 31; Hamann, a.a.O.; Wernicke, a.a.O., Erl. I I , 2 a). — Das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Erforderlichkeit des Eingriffs) und die Sachgemäßheit sind einzuhalten u n d der Ermessensmißbrauch ist zu vermeiden (Maunz, a.a.O., Rn. 31, 44). Das Gebot, der Bundeszwang sei n u r als u l t i m a ratio einzusetzen, sei nach Maunz (a.a.O. Rn. 31) m i t Recht nicht rechtlicher, sondern politischer Natur. 34 Die A r t der einzusetzenden M i t t e l des Bundeszwanges liegt i m E r messen der BReg. Hier ist außer dem Verhältnismäßigkeitsprinzip auch der rechtsstaatliche Grundsatz der W a h l des milderen Mittels anzuwenden (Maunz, a.a.O., Rn. 32). Diese Bestimmung geht über den Rahmen des A r t . 91 Abs. 2 GG hinaus (Maunz, i n M - D zu A r t . 37 Rn. 56; v. Mangoldt/Klein, S. 865; Hamann, S. 269; Schäfer, AÖR, 78, S. 47 f.). 36 Diese Weisungen sind verfassungsgerichtlich nachprüfbar nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 GG (Hamann, S. 269). 37 Der Beauftragte ist v o m Bedürfnis zum raschen Handeln her gerechtfertigt (v. Mangoldt/Klein, S. 866; Maunz, a.a.O., Rn. 56). Er stellt also eine zugespitzte organisatorische Erscheinung der leitenden Tätigkeit dar. 38 Unter dem Begriff „Behörden" sind auch die Landesregierungen u n d das Landesparlament zu verstehen (Maunz, a.a.O., Rn. 57; v. Mangoldt/Klein, S. 866). 39 Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung ist auch i m Falle der Einberufung des erstmaligen Zusammentritts (der sog. „konstituierenden Versammlung") des A r t . 39 Abs. 2 anzunehmen, so daß der B K diese erstmalige Einberufung des B T bindend verlangen k a n n (Maunz, i n M - D zu A r t . 39 Rn. 12; v. Mangoldt/Klein, S. 904; dagegen anscheinend Nawiasky, Grundgedanken, S. 112). 40 Maunz, i n M - D zu A r t . 42 Rn. 8. 41 Der Ausschluß der Öffentlichkeit bei den BT-Sitzungen stellt eine Brechung des i m A r t . 42 Abs. 1, S. 1, verankerten, m i t dem demokratischen Prinzip zusammenhängenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Parlamentssitzungen dar.
1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
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7. Art. 43 Abs. I 4 2 . D i e S t e l l u n g n a h m e der BReg. oder eines M i t g l i e d e s gegenüber einer A u s ü b u n g des Z i t i e r u n g s r e c h t s des B T oder seiner Ausschüsse 4 3 . D i e A n t w o r t oder die A n t w o r t v e r w e i g e r u n g 4 4 des z i t i e r t e n Regierungsorgans ist e i n R e g i e r u n g s a k t . 8. Art. 52 Abs. 2 Satz 2. V e r l a n g e n der BReg. z u r E i n b e r u f u n g des B R . Dies l i e g t i m Ermessen des K o l l e g i u m s 4 5 . 9. Art. 53 Satzl. gen des B R
A u s ü b u n g des T e i l n a h m e r e c h t s a n d e n V e r h a n d l u n 46
.
10. Art. 58 Satzl. Gegenzeichnung v o n „ A n o r d n u n g e n u n d V e r f ü g u n g e n " 4 7 d u r c h d e n B K oder d e n z u s t ä n d i g e n M i n i s t e r 4 8 . D i e Gegenz e i c h n u n g 4 9 ist e i n R e g i e r u n g s a k t 5 0 . 11. Art. 59 a Abs. 2 Satzl. Gegenzeichnung des B K b e i d e r F e s t s t e l l u n g des V e r t e i d i g u n g s f a l l e s d u r c h d e n B P r ä s . 5 1 . 42 Hierzu siehe auch §§ 105 ff. GeschOBT. 43 Hierüber Näheres unten S. 121 (Nr. 8). 44 Die Antwortverweigerung liegt i m Ermessen des zitierten Regierungsorgans, das die Folgen einer A n t w o r t für die staatlichen Interessen abzuwägen hat (vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 937; Maunz, i n M - D zu A r t . 43 Rn. 8). Das Regierungsorgan darf zwar aus wichtigen Gründen (Geheimhaltungsbedürftigkeit u. a.) grundsätzlich die A n t w o r t verweigern, nicht aber i n den Fällen des A r t . 44, wo die Entscheidung über das Vorliegen der Geheimhaltungsbedürftigkeit dem Untersuchungsausschuß übertragen wurde (vgl. auch Maunz, a.a.O., Fußn. 6). 45 Maunz, i n M - D zu A r t . 52 Rn. 18. 46 Die Teilnahme an den Verhandlungen des B R ist eine Pflicht der Regierungsmitglieder, w e n n der BR es verlangt. I n diesem F a l l handelt es sich u m Ausübung des Zitierungsrechts durch den BR. F ü r die A n t w o r t und das Antwortverweigerungsrecht gilt das oben unter Nr. 7 Gesagte. 47 Z u r Bedeutung dieses Begriffspaares siehe die Darlegungen von Maunz, i n M - D zu A r t . 58 Rn. 2 und v. Mangoldt/Klein, S. 1111, die es als begriffliche Einheit verstehen, und Hamann, S. 305, der dagegen unter dem Begriff „Anordnungen" alle generellen Sätze unter dem Begriff „Verfügungen" Verwaltungs- u n d Regierungsakte sieht. 48 Ob der B K zur Gegenzeichnung stets an Stelle der Bundesminister befugt ist, ist umstritten (dafür Maunz, a.a.O., Rn. 5; derselbe, Staatsrecht, S. 325 f.; Hamann, S. 306; Menzel, B K zu A r t . 58 Erl. I I 5 Abs. 1. Dagegen v. Mangoldt/Klein, S. 1116). 49 Die „Gegenzeichnung" ist nicht n u r schriftlich zu verstehen. Bei u r k u n d losen Handlungen ist die Schriftform nicht möglich. Hierbei genügt die formlose mündliche Bewilligung. Darunter ist auch das konkludente V e r halten (z. B. stillschweigende Ausführung der maßgeblichen Anordnung oder Verfügung, das Verbleiben i m A m t ohne Gegenvorstellung) zu verstehen (vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1112). so Hamann, S. 306. 5i A r t . 59 a Abs. 2, S. 1, sieht ausdrücklich die Gegenzeichnung vor, w e i l diese Bestimmung die alleinige Zuständigkeit des B K w i l l ; der B M i n . für Verteidigung ist hierzu nicht befugt. (Sonst ist diese Gegenzeichnung keine andere als diejenige des A r t . 58; Dürig, i n M - D zu A r t . 59 a Rn. 13).
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12. Art. 64 Abs.l. V o r s c h l a g des B K a n d e n B P r ä s . z u r E r n e n n u n g oder E n t l a s s u n g d e r B M i n . D e r V o r s c h l a g ist e i n Ermessensakt des B K 5 2 . E r i s t f e r n e r e i n O r g a n i s a t i o n s a k t m i t R e g i e r u n g s charakter 53. 13. Art. 65 Satzl. „ D e r B u n d e s k a n z l e r 5 4 b e s t i m m t die R i c h t l i n i e n der 55 P o l i t i k . " D i e B e s t i m m u n g der R i c h t l i n i e n der P o l i t i k i s t die höchste E n t s c h e i d u n g i m B e r e i c h des Regierens. Sie h a t den V o r r a n g gegenüber aller R e g i e r u n g s t ä t i g k e i t u n d b i n d e t 5 6 alle Staatsorgane i n n e r h a l b des B u n d e s 5 7 i n b e z u g auf die A u s ü b u n g der R e g i e r u n g s t ä t i g k e i t . „ R i c h t l i n i e n der P o l i t i k " s i n d G r u n d z ü g e , die d e n Bereich n i c h t n u r d e r K o m p e t e n z der Regierungsorgane, sond e r n auch d e r Gesetzgebung u n d der V e r w a l t u n g b e t r e f f e n 5 8 . F ü r die R i c h t l i n i e n b e s t i m m u n g bestehen außer d e n a l l g e m e i n e n E r 52 v. Mangoldt/Klein, S. 1241; Hamann, S. 315; Dennewitz-Meder, B K zu A r t . 63 Erl. I I 1 („politisch gebundenes [?] Ermessen"). 53 Vgl. Dennewitz-Meder, a.a.O.: „eine bedeutsame politische Entscheidung"; ähnlich v. Mangoldt/Klein, S. 1242. 54 Die Richtlinienbestimmung beruht auf dem Kanzlerprinzip (vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 65 Rn. 1; v. Mangoldt/Klein, S. 1250 f.; Nawiasky, Grundgedanken, S. 103). — Die Befugnis des B K , die Richtlinien der Politik zu bestimmen, erhebt praktisch das Kanzlerprinzip über das Kollegialprinzip und macht aus der Kanzlerzuständigkeit eine grundsätzliche Regierungszuständigkeit des B K i n bezug auf die wichtigsten Regierungsentscheidungen, w e i l er durch jeweils neue Richtlinienbestimmungen unerwünschte E n t scheidungen der Minister oder des Kollegiums zunichte machen k a n n (hierzu vgl. oben S. 58, Fußn. 20). 55 Hierzu vgl. den entsprechenden A r t . 20 der französischen Verfassung von 1958: „ L e gouvernement determine et conduit la politique de la nation." Hierüber: Burdeau, Droit Constitutionnel et Institutions politiques, S. 483. 56 Hier taucht die Frage auf, ob die Richtlinien der P o l i t i k als bindende „Rahmenweisungen" normativen Charakter haben. (Bejahend: Maunz, i n M - D zu Art. 65 Rn. 2; derselbe, BayV B l . 1956, S. 260 ff.; v. Mangoldt/Klein, S. 1257.) 57 Darüber, daß die Bundesminister an die Richtlinien des B K gebunden sind, besteht Einigkeit (vgl. z.B. v. Mangoldt/Klein, S. 1257; Hamann, S. 317; Maunz, i n M - D zu A r t . 65 Rn. 2, u n d Staatsrecht, S. 329; Nawiasky, G r u n d gedanken, S. 93, 103). Die Richtlinien der Politik des B K binden aber auch die anderen Verfassungsorgane (BPräs., BT, BR etc.) i n bezug auf die Regierungsangelegenheiten. (Hierzu vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 60 Rn. 2, und Menzel, B K zu A r t . 60 Erl. I I A 7, die den BPräs. an die Richtlinien der Politik f ü r gebunden halten; etwas schwächer v. Mangoldt/Klein, S. 1133 u. 1253 f., die dem BPräs. i n bezug auf die Außenpolitik ein Konsultationsrecht zuerkennen wollen. — Hiergegen Nawiasky, Grundgedanken, S. 115, der die Richtlinien des B K n u r für das Kollegium u n d die B M i n . für bindend hält.) Die Bindungskraft der Richtlinien der P o l i t i k gegenüber allen Verfassungsorganen gilt natürlich nur, insoweit diese nicht als Hemmungsapparate gegen die Regierungsorgane handeln, wie z. B. bei Mißtrauensvotum oder anderen Kontrollakten. Es ist klar, daß solche A k t e den Richtlinien des B K nicht unterworfen sind. 58 Vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1256; Hamann, S. 316; Wöckel, Bay VBl. 1956, S. 257 ff.; Maunz, Staatsrecht, S. 329.
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens messenschranken auch B i n d u n g e n aus der V e r f a s s u n g ( w i e z . B . A r t . 26 A b s . 1) u n d aus d e m V ö l k e r r e c h t 5 9 . F ü r die B e s t i m m u n g der R i c h t l i n i e n der P o l i t i k ist k e i n e F o r m e r f o r d e r l i c h 6 0 » 6 0 a .
14. Art. 65 Satz 2. L e i t u n g des Ressorts v o m B u n d e s m i n i s t e r . A u s d e r F o r m u l i e r u n g : „ l e i t e t . . . s e l b s t ä n d i g " e r g i b t sich e i n R i c h t l i n i e n b e s t i m m u n g s r e c h t des B M i n . i m R a h m e n d e r R i c h t l i n i e n b e s t i m m u n g des B K u n d i n n e r h a l b des Geschäftsbereichs des M i n i s t e r i u m s . D i e A u s ü b u n g dieser verfassungsrangigen B e f u g n i s k a n n eine R e g i e r u n g s t ä t i g k e i t d a r s t e l l e n 6 1 . 15. Art. 65 Satz 3. E n t s c h e i d u n g der BReg. ( K o l l e g i u m ) ü b e r M e i n u n g s verschiedenheiten der B M i n . D i e E n t s c h e i d u n g ist e i n R e g i e r u n g s a k t 6 2 ·63. 16. Art. 65 a. A u s ü b u n g der „ B e f e h l s - u n d K o m m a n d o g e w a l t " 6 4 . I n h a b e r der W e h r g e w a l t ist i n N o r m a l z u s t ä n d e n der B M i n . f ü r V e r t e i d i g u n g (Abs. 1) u n d nach der V e r k ü n d u n g des V e r t e i d i g u n g s f a l l s ( A r t . 59 a GG) der B K (Abs. 2). I n n e r h a l b dieses K o m p e t e n z bereiches 6 5 k a n n sich (beim V e r t e i d i g u n g s f a l l ist dies der Regelfall) Regierungstätigkeit entfalten 66. 17. Art. 68 Abs.l enthalten:
Satzl.
H i e r i n s i n d z w e i 6 7 R e g i e r u n g s a k t e des
BK
™ v. Mangoldt/Klein, S. 1258 f. 60 Vgl. Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 282; v. Mangoldt/Klein, S. 1259; Maunz, BayVBl. 1956, S. 262. eoa Näheres über die Bestimmung der Richtlinien der Politik siehe bei: Eschenburg, DÖV 1954; Hennis, Richtlinienkompetenz u n d Regierungstechnik. 61
Unter Leitung des Ressorts sind nicht nur Einzel-, sondern auch Rahmenweisungen zu verstehen, welche an die obersten Organe des Ressorts gerichtet sind. Diese Weisungen stellen i n der Regel Verwaltungsakte dar. Sie können aber auch Regierungsakte sein. 62 Vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1269; Lechner-Hülshoff, Parlament, S. 335 (Anm. 2 zu § 9 GeschOBReg.). 63 Diese Entscheidung kann vom BVerfG nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m i t § 13 Nr. 5 u. §§ 63—67 BVerfGG nachgeprüft werden (v. Mangoldt/Klein, a.a.O.). Die Frage, ob sie von den Staatsbürgern angefochten werden kann, verneint v. Mangoldt/Klein, a.a.O., während Lechner-Hülshoff, a.a.O., sie als Regierungsakt überhaupt für injustiziabel hält. 64 Dieses Begriffspaar bildet eine untrennbare Einheit (vgl. Maunz, Staatsrecht, S. 159; Dürig, i n M - D zu A r t . 65 a Rn. 20; Hamann, S. 318; v. Mangoldt/Klein, S. 1277). 65 Beispiele von Einzelbefugnissen dieser „Gewalt" sind: a) die Aufstell u n g von militärischen Verbänden, b) die Gliederung der Einheiten, c) die Ausrüstung der Truppen, d) die Ausbildung der Soldaten, e) die militärische Inspektion, Dislokation, Vorratshaltung etc., f) die Befehlsbefugnis taktischen Inhalts, g) Befehl zu operativem Einsatz der Truppen (vgl. Dürig, i n M - D zu A r t . 65 a Rn. 21). 66 Vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1278.
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a) A n t r a g des B K auf Vertrauensaussprache d u r c h d e n B T 6 8 b) V o r s c h l a g a n d e n B P r ä s . z u r A u f l ö s u n g des B T 6 9 . 18. Art. 69 Abs.l. E r n e n n u n g eines S t e l l v e r t r e t e r s d u r c h d e n B K . B e z ü g l i c h der A u s w a h l der Person u n t e r d e n B M i n . s t e l l t die E r n e n n u n g des „ V i z e k a n z l e r s " e i n e n E r m e s s e n s - 7 0 u n d zugleich e i n e n R e g i e r u n g s a k t dar. 19. Art. 69 Abs. 3. Ersuchen des B K u m W e i t e r f ü h r u n g der Geschäfte d u r c h e i n e n B M i n . bis z u r E r n e n n u n g eines N a c h f o l g e r s 7 1 . 20. Art. 76 Abs.l. A u s ü b u n g der Gesetzesinitiative d u r c h die BReg. S u b j e k t der G e s e t z e s i n i t i a t i v e der BReg. ist nach e i n h e l l i g e r M e i n u n g 7 2 das K o l l e g i u m . D i e Gesetzesinitiative als „ B e a n t r a g e n , A n regen, E i n l e i t e n , eben das I n i t i i e r e n " 7 3 ist R e g i e r e n i. m . S. 7 4 . Ge. genstand der Gesetzesinitiative ist eine „ G e s e t z e s v o r l a g e " 7 5 . A d r e s sat ist der B T 7 6 . Das I n i t i a t i v r e c h t u n t e r l i e g t w i e jedes Recht rechtlichen S c h r a n k e n 7 7 ; es k a n n auch u. U . Pflicht s e i n 7 8 . D i e A u s 67 Möglich ist — außer diesen zwei A k t e n — auch der Rücktritt des B K i m Fall des Mißtrauensvotums, der als selbstverständlich nicht erwähnt w i r d (v. Mangoldt/Klein, S. 1310; Nawiasky, Grundgedanken, S. 98 u. 102). 68 Dies liegt i m Ermessen des B K (Hamann, S. 320). 69 Statt dessen k a n n der B K den A n t r a g der BReg. auf Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes herbeiführen oder k a n n auch überhaupt nichts vornehmen (Maunz, i n M - D zu A r t . 68 Rn. 3, und zu A r t . 81 Rn. 6, Fußn. 3). 70 Hamann, S. 321; v. Mangoldt/Klein, S. 1317. 71 Dieses Ersuchen des B K begründet eine Pflicht des bisherigen Inhabers des Amtes, ein Weigerungsrecht ist jedoch dem Ersuchten zuzuerkennen (v. Mangoldt/Klein, S. 1322; Maunz, i n M - D zu A r t . 69 Rn. 5; Nawiasky, Grundgedanken, S. 98, 110). 72 So Maunz, i n M - D zu A r t . 76 Rn. 1; dazu v. Mangoldt/Klein, S. 1728; Hamann, S. 340; Nawiasky, Grundgedanken, S. 118. 73 So wörtlich v. Mangoldt/Klein, S. 1717. 74 So auch: v. Mangoldt/Klein, S. 1717; C.Schmitt, Verfassunglehre, S. 263: „Auch i n einer Demokratie ist die Gesetzesinitiative der N a t u r der Sache nach eine Angelegenheit der Regierung"; hierzu ebendort, S. 241. Nicht k l a r diesbezüglich: Hamann, S. 340, der zwar als „durchweg noch nicht eigentliche F u n k t i o n der Gesetzgebung", als „vorbereitende" aber Bedeutung habende Tätigkeit betrachtet. Bedeutet dieser Vorbereitungscharakter Rechtsetzungsqualität? 75 „Gesetzesvorlage" ist ein genau formulierter Gesetzesentwurf und nicht bloße Anregungen und Empfehlungen zur Gesetzgebung (so m i t Recht v. Mangoldt/Klein, S. 1718 f.). 76 Vgl. BVerfGE 1, 144 ff. (153 f.). 77 Vgl. BVerfGE 1, S. 152 f.; v. Mangoldt/Klein, S. 1721. — Ob aus der V e r letzung der Schranken ein Organstreit vor dem BVerfG nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 GG entstehen kann, ist umstritten (bejahend v. Mangoldt/Klein, S. 1321 f., verneinend Hamann, S. 340). 78 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 76 Rn. 3; v. Mangoldt/Klein, S. 1718; Hamann, S.341; BVerfGE 1, S. 349 ff. (366).
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Ü b u n g der G e s e t z e s i n i t i a t i v e geht e i n e n l a n g e n V e r f a h r e n s w e g , w ä h r e n d dessen v i e l e A k t e s t a t t f i n d e n 7 9 , b i s z u r „ E i n b r i n g u n g " der Gesetzesvorlage b e i m B T 8 0 . 21. Art.
76 Abs. 3 Satz 2. S t e l l u n g n a h m e der BReg. z u den Gesetzes-
v o r l a g e n des B R 8 1 . 22. Art. 81 Abs. 1 Satzl. A n t r a g d e r BReg. b e i m B P r ä s . ü b e r E r k l ä r u n g des Gesetzgebungsnotstandes 8 2 . Dieser R e g i e r u n g s a k t l i e g t i m E r messen des K o l l e g i u m s 8 3 . 23. Art. 81 Abs.l Satzl. D r i n g l i c h k e i t s e r k l ä r u n g der BReg. i n bezug a u f eine Gesetzesvorlage 8 4 . 24. Art. 81 Abs. 2 Satzl. E r k l ä r u n g d e r BReg., daß eine Gesetzesvorlage v o m B T i n u n a n n e h m b a r e r Fassung a n g e n o m m e n w o r d e n sei. D i e E n t s c h e i d u n g d a r ü b e r l i e g t i m Ermessen des K o l l e g i u m s 8 5 . 7 9 Eine nähere Regelung dieser Verfahren befindet sich i n der GeschOBReg. und i n der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, besonderer Teil — zunächst: GGO I I — (Texte u n d Kommentierung siehe bei Lechner-Hülshoff, Parlament und Regierung). I m Laufe des Verfahrens unternimmt man Handlungen, w i e z. B. die Unterrichtung des Bundeskanzleramtes (§3 GeschOBReg. u. §21 GGO I I ) ; die Beteiligung der Ministerien bei der Bearbeitung der Gesetzesentwürfe (§ 22 GGO II), die Beteiligung der Fachkreise (§23 GGO II), die Unterrichtung der Landesministerien (§24 GGO II), die Unterichtung der Stellen des § 25 GGO I I , die Prüfung der Rechtsförmlichkeit v o m B M i n . der Justiz nach §36 GGO I I (Akt Rechtsprechungscharakters), die Einbringung der Gesetzesvorlage an das Bundeskanzleramt (§ 37 GGO II), der Beschluß der BReg., bevor die Regierungsvorlage an die gesetzgebenden Körperschaften geht (§15 Abs. l a u. § 35 GGO II), die Grundsatzentscheidung des Kabinetts bei Gesetzesentwürfen „ v o n besonderer politischer Bedeutung" (§ 23 Abs. 2 GGO II) usw., usw. Diese A k t e kann man unvollständige Regierungsakte nennen, w e i l sie keine Rechtswirksamkeit haben, d. h. die gesetzgebenden Organe nicht i n Gang setzen können. — Näheres über das Verfahren der Gesetzesinitiative siehe bei: Maunz, i n M - D zu A r t . 76 Rn. 5 ff.; v. Mangoldt/Klein, S. 1727 ff. 80 Die „Einbringungs"-Entscheidung der BReg. ist der vollständige, d. h. der auf die Gesetzgebung wirksame Regierungsakt. Davon ist die E i n bringung v o m B K als solche (§ 43 GGO I I ) zu unterscheiden, die ein bloßer Ausführungsakt ist. Vollständiger Regierungsakt ist auch der eventuelle Beschluß der BReg. zur Rücknahme der Regierungsvorlage (vgl. LechnerHülshoff, Parlament u. Regierung, S. 197, A n m . 1 zu §75 A b s . l GeschOBT; v. Mangoldt/Klein, S. 1735). 81 Z u dieser Stellungnahme w i e auch zur Weiterführung der Gesetzesvorlage an den B T ist die BReg. verpflichtet. N u r der I n h a l t der Stellungnahme liegt i m Ermessen des Regierungskollegiums (vgl. Mangoldt/Klein, S. 1739). 82 Der Gesetzgebungsnotstand ist als „Regierungsnotstand" zu verstehen, denn genau betrachtet befindet sich die Regierung i m Notstand (Maunz, i n M - D zu A r t . 81 Rn. 3, 4). 8 3 Maunz, a.a.O., Rn. 7; Nawiasky, Grundgedanken, S. 60. 84 Maunz, i n M - D zu A r t . 81 Rn. 8, m i t Fußn. 4. Nach Maunz, a.a.O., ist die Dringlichkeitserklärung injustiziabel. es Maunz, a.a.O., Rn. 16. — Nach Maunz, a.a.O., ist diese Erklärung i n justiziabel; hierfür auch Krüger, DÖV 1950, S. 537.
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25. Art. 84 Abs. 3 Satzl. Ausübung der Bundesaufsicht. Subjekt der Bundesaufsicht ist die BReg. als Kollegium 8 6 . Gegenstand der Bundesaufsicht ist die Durchführung der Bundesgesetze durch die vollziehende Gewalt der Länder. Die Bundesaufsicht richtet sich auch an die Regierungen der Länder i n bezug auf die Einhaltung der Grenzen des Regierungsermessens 87. Adressat ist aber das Land, repräsentiert durch die Landesregierung 88 . Da Maßstab das geltende Recht ist, ist die Bundesaufsicht eine Rechtsaufsicht 89 . Bei der Ausübung der Bundesaufsicht sind zwei Akte zu unterscheiden: a) die Entscheidung zur Vornahme einer beaufsichtigenden Handlung und b) das Urteil über das Vorliegen einer Rechtsverletzung durch das Land. Unter dem ersten Fall ist sowohl die Entscheidung über das „Ob" als auch über das „ W i e " 9 0 der Ausübung der Bundesaufsicht zu verstehen. Nur i m Fall dieser Entscheidungen liegt Regierungstätigkeit vor, während das Urteil über das Vorliegen einer Rechtsverletzung eine Rechtserkenntnis ist 9 1 . 26. Art. 84 Abs. 3 Satz 2. Beschluß der BReg. zur Entsendung von Beauftragten an die obersten Landesbehörden. Dies liegt i m Ermessen des Kollegiums 9 2 . 27. Art. 84 Abs. 4 Satzl. Erhebung der „staatsrechtlichen Mängelrüge" 9 3 . Das Mängelrüge verfahren besteht aus: a) der Feststellung von Mängeln 9 4 , b) dem Verlangen der Beseitigung 95 und c) dem eventuellen Antrag beim BR zum Beschluß über das Vorliegen einer Rechtsverletzung 96 . Subjekt dieses Verfahrens ist das Kollegium 9 7 . ββ Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 50. 87 Maunz, a.a.O., Rn. 45. Vgl. auch BVerfGE 8, S. 130. 88 Maunz, a.a.O., Rn. 52. 89 Maunz, a.a.O., Rn. 46 f; derselbe, Staatsrecht, S. 219; Hamann, S. 366; Hahl, Bundesaufsicht, S. 5 ff., 11, 55. 90 Solche sind: a) Beobachtung (hierher gehört auch das Informationsverlangen), b) Berichtigung (Maunz, a.a.O., Rn. 52 ff.). 9 1 Vgl. Maunz. a.a.O., Rn. 62, Fußn. 1; unten Fußn. 95. Zur Feststellung der Verletzung siehe oben S. 96, Fußn. 12. 9 2 Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 55 ff. 93 Der Ausdruck k o m m t von Triepel, Reichs aufsieht, S. 646. 94 Diese Feststellung ist k e i n Regierungsakt (vgl. oben S. 96 f. m i t Fußn. 12). 95 Das nennt Maunz, a.a.O., Rn. 62, „Abhilfeverlangen", w e i l bei seinem Fehlen das Mängelrügeverfahren nicht i n Gang gesetzt werden kann. Das Verlangen zur Beseitigung ist ein Regierungsakt (vgl. Maunz, a.a.O., Rn. 62, Fußn. 1 : „Auch i m Bereich der Bundesaufsicht besteht also ein echtes p o l i t i sches Ermessen der Beteiligten, ob sie von den ihnen eingeräumten Rechten Gebrauch machen wollen"). Die Entscheidung zur Beseitigung des Mangels t r i f f t die Landesregierung, und sie ist ein Regierungsakt nach dem Staatsrecht des Landes. 96 Dieser A n t r a g ist auch ein Regierungsakt (vgl. Maunz, a.a.O., Rn. 64). 9 7 Vgl. Maunz, a.a.O., Rn. 50.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
28. Art. 84 Abs. 4 Satz 2. Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch die Bundesregierung als Kollegium 9 8 . Nur die Entscheidung und nicht die Anrufung als Verfahrensakt ist Regierungsakt. 29. Art. 84 Abs. 5 Satzl 99. Einzelweisungen der BReg. bei der Ausübung der Bundesaufsicht. Hierzu ist das Kollegium zuständig 100 . 30. Art. 84 Abs. 5 Satz 2. Dringlichkeitserklärung der BReg. bezüglich der Adressierung der obigen Einzelweisungen. 31. Art. 86 Satz 2 i.V. m. §9 GeschOBReg. Errichtung der Bundesministerien. Art. 86 Satz 2 bestimmt, daß die BReg., soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die „Einrichtung der Behörden" regelt. Hier handelt es sich um Ausübung der sog. „Organisationsgew a l t " 1 0 1 . Unter „Behörden" 1 0 2 sind auch die „obersten Behörden" 1 0 3 , unter die die Ministerien fallen, gemeint. So fällt unter Art. 86 Satz 2 G G 1 0 3 a auch die „Einrichtung" der Bundesministerien 104 . Der Begriff „Einrichtung" umfaßt auch die „Errichtung" einer Behörde 105 . Für die Einrichtung der Behörden nach Art. 86 S. 2 GG ist das Kollegium zuständig. Die Errichtung jedoch eines Bundesministeriums steht nach § 9 GeschOBReg. dem B K zu 1 0 6 » 1 0 7 . Die prima facie Antinomie zwischen den zwei Bestimmungen, 98 Maunz, a.a.O., Rn. 68 ff. 99 Hierzu siehe A r t . 128 GG bezüglich des Fortbestehens alter Weisungsrechte. Maunz, a.a.O., Rn. 37, Fußn. 5. ιοί Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 86 Rn. 17. Ferner siehe oben S. 97 m i t Fußn. 16. 102 Z u r Bedeutung des Begriffes „Behörde" vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 387 f.; Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 22, und zu A r t . 86 Rn. 15. Jos Z u diesem Begriff („oberste Behörde") vgl. Maunz zu A r t . 85 Rn. 29 ff. i03a Hiergegen jedoch Hamann, S. 369; Schäfer, D Ö V 1958, S. 243; Kalkbrenner, DVB1. 1964, S. 852 (cc). 104 Daß die Bundesministerien unter den Begriff „oberste Bundesbehörden" fallen, behauptet Maunz, i n M - D zu A r t . 85 Rn. 31, u n d zu A r t . 87 Rn. 15. 105 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 19 ff. Dagegen Hamann, S. 365. 106 §9, Satz 1 GeschOBReg. lautet: „Der Geschäftsbereich der einzelnen Bundesminister w i r d i n den Grundzügen durch den Bundeskanzler festgelegt." 107 Hierzu vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 62 Rn. 8 ff., und zu Art. 87 Rn. 15 (c). — Wem die Errichtung der Bundesministerien zusteht, ist sehr u m stritten. Die verschiedenen Auffassungen hierüber siehe i m A r t i k e l Kalkbrenners i n DVB1.1964, S. 849 ff., dessen Thesen jedoch i n bezug auf die Errichtung des Bundesministeriums f ü r wissenschaftliche Forschung nicht beizupflichten ist. Durch seine Thesen spricht Kalkbrenner der Errichtung eines Ministeriums und der „Organisationsgewalt" schlechthin einen Sachinhalt und einen materiellrechtlichen Charakter zu, was für diese rechtsneutrale Tätigkeit unhaltbar ist.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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wonach für die Errichtung eines Ministeriums der B K zuständig, während für die Errichtung einer Unterbehörde die Entscheidung des ganzen Kollegiums erforderlich ist, ist nur scheinbar: ungeachtet des Vorbehaltes des Gesetzes in Art. 86 S. 2 1 0 8 ist notwendig, die Errichtung der größten Verwaltungszweige m i t den vom B K bestimmten Richtlinien der Politik vom Anfang schon i n Einklang zu bringen. Auf jeden Fall steht dem Kollegium die Befugnis aus Art. 65 S. 4 GG zu, die GeschOBReg. zu ändern und diese Zuständigkeit des B K zurückzunehmen, was natürlich aus dem oben erwähnten Grunde nicht ratsam wäre. Die Errichtung der Bundesministerien wie die „Einrichtung" der Behörden schlechthin stellt, wie gesagt, Ausübung der Organisationsgewalt dar. Wegen des „akzessorischen" Charakters 1 0 9 dieser „Gewalt" besteht kein zwingender Grund, die Errichtung der Ministerien der Gesetzgebung zuzuerkennen. Denn es handelt sich bei „Organisierung" um eine neutrale und „interne" Staatstätigkeit, wodurch der Staat den materiell-rechtlichen Bestand nicht berührt 1 1 0 . Daher kann man bei der Ausübung der „Organisationsgewalt" nicht von einer „primären Zuständigkeit des Gesetzgebers" sprechen 111 , vielmehr gehört sie zum Kompetenzbereich der Exekutive 1 1 2 . Die Errichtung eines Ministeriums ist ein Regierungsakt 113 . Die Errichtung und Einrichtung anderer Verwaltungsbehörden sind als Verwaltungsakte anzusehen. 32. Art. 91 Abs. 2. Unterstellung der Polizeikräfte eines bedrohten Landes oder anderer Länder unter die Weisungen der BReg. Die Entscheidung darüber liegt i m Ermessen des Regierungskollegiums 1 1 4 . 33. Art. 111 Abs.l. „Nothaushalt" der BReg. i m Falle der Durchbrechung des Grundsatzes der Vorherigkeit des Haushaltsplanes des Art. 110 Abs. 2 Satz l 1 1 5 . I m Rahmen der begrenzten Ermächtigung 1 1 6 108
Hierüber vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 86 Rn. 17. loa v g l . oben S. 98, Fußn. 21.
no Vgl. hierzu die Ausführungen von Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 29, zu A r t . 86 Rn. 15 ff. i n Wie Kalkbrenner, a.a.O., S. 853 (2) meint. 112 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 84 Rn. 4. us Vgl. Lechner - Hülshoff, S. 335 (Anm. 2 zu § 9 GeschOBReg.). 114 Die Entscheidung über die Unterstellung der Polizeikräfte unter die Weisungen der BReg. darf m i t der Feststellung der Gefahr nicht verwechselt werden, welche ein Feststellungsakt ist und der Entscheidung über die Unterstellung der Polizeikräfte notwendigerweise vorangeht, us Siehe Maunz, i n M - D zu A r t . 111 Rn. 1. ne Vgl. Maunz, a.a.O., Rn. 2 ff.; Bühler, B K zu A r t . 111 Erl. I I .
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
zum „Nothaushalt" ist dem Regierungskollegium ein Ermessensspielraum eingeräumt 1 1 7 . 34. Art. 111 Abs. 2. Kreditaufnahme von BReg. i m Falle der Durchbrechung der Vorherigkeit des Haushaltsplanes. Dies liegt auch i m Ermessen des Kollegiums. 35. Art. 112. Zustimmung des B M der Finanzen zu Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßigen Ausgaben 118 . 36. Art. 113. Zustimmung der BReg. für Ausgabenerhöhungen des Haushaltsplanes durch Beschlüsse des BT und des BR. 37. Art. 129 Abs.l Satz 2. Entscheidung der BReg. „ i n Zweifelsfällen" i n bezug auf Fortgelten von Ermächtigungen nach früherem Recht. Subjekt hierbei ist das Kollegium. Gegenstand der Entscheidung ist die Zuständigkeitsbestimmung „zum Erlaß von Rechtsverordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften sowie zur Vornahme von Verwaltungsakten", falls sie durch fortgeltende Rechtsvorschriften oder durch das Grundgesetz nicht geregelt ist 1 1 9 . Da diese Entscheidung Zuständigkeiten erteilt, ist sie ein A k t der „Organisationsgewalt" 1 2 0 und liegt i m Ermessen der BReg. 121 . Da die Entscheidung das Fehlen einer rechtlichen Regelung der maßgeblichen Zuständigkeit voraussetzt, ist sie kein rechtserkennender, sondern ein konstitutiver A k t 1 2 2 . Diese Entscheidung ist ferner ein Regierungsakt 1 2 3 ' 1 2 4 . u? I m Falle der Überschreitung des Ermessens steht nach Maunz, a.a.O., Rn. 15, dem Einzelnen die Verfassungsbeschwerde des § 90 BVerfGG nicht zu. 118 Diese Zustimmung bedarf keiner Form u n d ist an keine Frist gebunden (vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 112 Rn. 5). — Der Ermessensspielraum des B M i n . der Finanzen ist durch den Abs. 2 eng begrenzt. U9 Dies ist die Bedeutung des Ausdrucks „ i n Zweifelsfällen". Vgl. Holthotten, B K zu A r t . 129, Erl. I I Β 1 b und i h m folgend Hamann, S. 475. 120 v g l . Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 47. 121 Vgl. Hamann, S. 475, i m Anschluß an Kleinrahm, DÖV 1952, S. 104 ff. (107). ι 2 2 So m i t Recht Kleinrahm, a.a.O. Hierzu auch Holtkotten, B K zu A r t . 129, Erl. I I Β 1 a. 123 Vgl. Holtkotten, a.a.O., I I Β 1 d. Dagegen Hamann, S. 475, und Kleinrahm, a.a.O., halten sie f ü r einen legislativen A k t . 124 Da es hier keine rechtliche Zuständigkeitsregelung i n bezug auf die Entscheidung gibt u n d daher keine Rechte und Pflichten des Bundes u n d der Länder vorhanden sein können, k a n n das BVerfG gegen diese E n t scheidung der BReg. nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 3 GG nicht angerufen werden. (Vgl. Hamann, S. 475; Holtkotten, B K zu A r t . 129, Erl. I I Β 1 a u. d. a.A. BVerfGE 11, S. 6 u. 13). Die Entscheidung der Bundesregierung darf aber die durch das Grundgesetz vorgenommene Zuständigkeitsverteilung zwischen B u n d u n d Ländern nicht berühren. Eine Verletzung dieser Verteilung k a n n einen Streit nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 3 GG hervorrufen.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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38. Art. 130 Abs. 1. Entscheidung der BReg. (Satz 2: „Diese r e g e l t . . . ") über Uberführung, Auflösung oder Abwicklung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, die beim Inkrafttreten des Grundgesetzes vorhanden waren. Die Entscheidung ist ein Organisationsa k t 1 2 5 . Sie ist keine Rechts-, sondern eine Ermessensentscheidung 126 mit Regierungscharakter 127 .
I I . Regierungsakte des Bundespräsidenten
1. Art. 39 Abs. 1 i. V. m. §17 BWahlG. Ansetzung des Wahltermins 1 2 8 . Dem Ermessen des BPräs. sind durch die Sätze 2 und 3 des Art. 39 GG und durch den Satz 2 des § 17 BWahlG zeitliche Grenzen gezogen. Eine Verschiebung der Wahlen nach der Ansetzung des Wahltermins und i m Rahmen der obigen zeitlichen Grenzen ist möglich129'130. 2. Art. 39 Abs. 3 Satz 3. Verlangen zur Einberufung des BT durch den BT-Präs. 1 3 1 . Das ist ein „Recht", d. h. es liegt i m Ermessen des BPräs., und es ist für den BT-Präs. bindend 1 3 2 . 3. Art. 54 Abs.l i.V.m. §10 BPräsWahlG. gewählten BPräs. an den BT-Präs. 1 3 3 .
Annahmeerklärung des
4. Art. 59 Abs. 1. Völkerrechtliche Vertretung des Bundes vom BPräs. Hierzu gehört eine Unzahl von Staatsakten, wie: Abschluß von Verträgen, Entsenden und Empfangen von Gesandten, Beglaubigung der Gesandten fremder Staaten, Neutralitätserklärung, A b 125 Über seine Form siehe Maunz zu A r t . 130 Rn. 22. 126 Maunz, i n M - D zu A r t . 130 Rn. 22. 127 Vgl. Maunz, a.a.O., Rn. 24: „rasche Bereinigung durch die Exekutive." Dies k a n n aber n u r der Regierung überlassen sein. 128 Der Wahltermin w i r d durch Anordnung angesetzt (Lechner - Hülshoff, Parlament u n d Regierung, S. 65). !29 Z u m Verschiebungsrecht vgl. Seifert, B W a h l G Kommentar, S. 108 (zu §65), v. Mangoldt/Klein, S. 902; Maunz, i n M - D zu A r t . 39 Rn. 8 (mit Rechtsprechungsangaben i n Fußn. 5). 130 Näheres siehe, außer den oben, Fußn. 129, angegebenen Stellen, bei: Nawiasky, Grundgedanken, S. 87; v. Mangoldt, Kommentar, S. 236. 131 Dieser Satz betrifft nicht das erstmalige Zusammentreten des BT, wobei der B T sich selbst versammelt oder v o m BT-Präs. einberufen w i r d . E i n bindendes Recht des BPräs. zur erstmaligen Einberufung des B T w i r d jedoch nach analoger Anwendung des Abs. 3, S. 3 der A r t . 39 GG angenommen (v. Mangoldt/Klein, S. 904; Maunz, i n M - D zu A r t . 39 Rn. 12. Dagegen Nawiasky, Grundgedanken, S. 112). 132 Näheres darüber: v. Mangoldt/Klein, S. 905 f.; Maunz, i n M - D zu A r t . 39 Rn. 10 ff. u. 24; derselbe, Staatsrecht, S. 326 f.; Nawiasky, a.a.O., S. 112. 1 3 3 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 54 Rn. 17; derselbe, Staatsrecht, S. 323.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
bruch diplomatischer Beziehungen, Beitritt zu Einrichtungen nach Art. 24 Abs. 2 GG, Anordnung von Repressalien, Erklärung nach außen usw., usw. Die i n den Sätzen 2 und 3 des A r t . 59 Abs. 1 GG erwähnten Staatsakte stellen eine nichtabschließende, beispielhafte Aufzählung von Fällen des 1. Satzes dar 1 3 4 . Es ist bei diesen Akten die völkerrechtliche Wirksamkeit von der innenstaatlichen Rechtmäßigkeit zu unterscheiden: Die erste beurteilt sich nach den Regeln des Völkerrechts und die zweite nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts. Zur völkerrechtlichen Wirksamkeit ist die Erfüllung des innerstaatlichen Rechts nicht notwendig 1 3 5 . Für die innerstaatliche Rechtmäßigkeit sind das Staatsrecht (z. B. Art. 59 Abs. 2 S. 1, A r t . 59 a, Art. 58, Art. 32 Abs. 2, 3 GG) und die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, sofern sie nach A r t . 25 GG innerstaatliches Recht sind, maßgebend. Inwieweit diese Akte Willensakte des BPräs. sind, beurteilt sich nach dem Staatsrecht. Nach seiner heutigen geschwächten Stellung ist es kaum möglich, von Willensakten des BPräs. zu sprechen. Sie sind vielmehr bloße Erklärungen nach außen, die eine Weitergabe des von der Regierung (Art. 65 GG) und von den Bundesgesetzgebungsorganen (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) gebildeten Willens darstellen. Die Richtlinien der Politik des B K sind für diese Tätigkeit des BPräs. bindend und maßgebend. So kommt der Tätigkeit des BPräs. nach Art. 59 Abs. 1 nur völkerrechtliche Bedeutung zu. Innerstaatlich kann er nur die Verfassungsmäßigkeit des Zustandekommens der Willensbildung prüfen und nach seinen verfassungsmäßigen Befugnissen reagieren. Die bloße Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ist keine Regierungstätigkeit 136 . Bei eventueller gerichtlicher Kontrolle werden aber diese Akte nicht als Akte der eigentlichen Regierungsorgane oder der Gesetzgebungsorgane, sondern als Akte des BPräs. behandelt. Die Regierungsorgane tragen nur die politische Verantwortung dafür. 5. Art. 59 a Abs. 2. Feststellung (und Verkündung) des Verteidigungsfalls. Obwohl hier von „Feststellung" die Rede ist, handelt es sich nicht um einen Feststellungsakt 137 , denn die Vokabel „Verteidi134 Hierüber vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1130; Hamann, S. 308. iss So Maunz, i n M - D zu A r t . 59 Rn. 7. ΐ3β Vgl. oben S. 96 f. (Rechtserkenntnisakte). 137 Z u r Bedeutung der Feststellungsakte siehe oben S. 96 f. — Darüber, daß die Feststellung des Verteidigungsfalles kein Feststellungsakt i m obigen Sinne ist, vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1159: „materieller Regierungsakt"; Maunz,, Staatsrecht, S. 304: „politische Entscheidung eigener A r t " ; Dürig, i n M - D zu A r t . 59 a Rn. 13: „politisch bedeutsames Entscheidungsrecht des Bundespräsidenten" (in Anschluß an Roemer, JZ 1956, S. 195, 196). Hierbei ist natürlich einzusehen, daß die alte Kriegserklärungsbefugnis nach dem Verbot des
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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gungsfair ist kein unbestimmter Rechtsbegriff. Diese „Feststellung" hat vielmehr die Bedeutung der Kriegserklärung und stellt einen materiellen Regierungsakt dar 1 3 8 . Die „Feststellung" des Verteidigungsfalls w i r d vom BPräs. entschieden, sie liegt also i n seinem pflichtgemäßen Ermessen 139 . Von einer Bindung des BPräs. an die Richtlinien der Politik kann hier nicht die Rede sein, w e i l hierbei der B K durch Gegenzeichnung selbst m i t w i r k t 1 4 0 . 6. Art. 59 a Abs. 3. Völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalls. Hier handelt es sich um einen Regierungsakt nach außen und um einen Fall des Art. 59 Abs. 1 GG 1 4 1 . Durch diese völkerrechtlichen Erklärungen w i r d erst die Kriegserklärung völkerrechtlich wirksam, denn die „Feststellung" des Verteidigungsfalls hat an sich nur innerstaatliche Bedeutung 1 4 2 . Fraglich ist, ob der BPräs. zu diesen Erklärungen verpflichtet ist 1 4 3 . 7. Art. 60 Abs. 2 1 4 4 . Ausübung des Begnadigungsrechts. Begnadigungsrecht i. w. S. ist die Befugnis eines Staatsorgans, die durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil herbeigeführten Straffolgen zu m i l dern oder zu beseitigen (Begnadigungsrecht i. e. S.) oder die Einleitung oder Fortsetzung eines Strafverfahrens zu verhindern (Niederschlagungs- bzw. Abolitionsrecht) 145 . Die Begnadigung kann entweder den Einzelfall oder „eine generell bezeichnete Vielheit von Fällen" 1 4 6 betreffen. I m zweiten Fall handelt es sich um die Amnestie. Die Rechtsnatur des Begnadigungsaktes ist umstritten. Einige halten ihn für einen Gesetzgebungs-, andere für einen Rechtsprechungsakt und andere für einen Regierungs- oder Verwaltungsakt 1 4 7 . Nach der h. L. stellt die Begnadigung einen Verzicht des Angriffskrieges (Art. 26 Abs. 1 GG) und nach den zahlreichen völkerrechtlichen Beschränkungen von heute viel von ihrem „Regierungscharakter" eingebüßt hat und immer mehr rechtserkennenden Charakter annimmt. So scheint die Vokabel „Feststellung" i m Wortlaut des A r t . 59 a GG nicht von ungefähr zu sein — und insofern ist sie glücklich gewählt. (Ferner vgl. Dürig, i n M - D zu A r t . 59 a Rn. 1; Hamann, S. 310; v. Mangoldt/Klein, S. 1158). 138 Vgl. Maunz, Staatsrecht, S. 304; v. Mangoldt/Klein, S. 1159; Hamann, S. 310; Dürig, i n M - D zu A r t . 59 a Rn. 13 (b, aa). Vgl. auch unten S. 123 (Nr. 14). 139 Dürig, a.a.O., Rn. 13. 140 Siehe auch unten S. 123 (Nr. 14). 141 Vgl. Dürig, a.a.O., Rn. 19; v. Mangoldt/Klein, S. 1165. 142 Dürig, a.a.O., Rn. 11 u. 19. 143 Bejahend Dürig, a.a.O., Rn. 19. 144 Hierzu siehe die Anordnungen des BPräs. über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes v o m 10.12.1952 (BGBl. I, S. 790). 145 Vgl. E. Schmidt, i n HdbDStR I I , S. 563. 146 Anschütz, W V Kommentar, S. 301. 147 v g l . Laband, Staatsrecht I I I , S. 504 ff.; Leise, N J W 1953/11, S. 1088 f. 8
Kassimatie
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
Staates auf seinen Strafanspruch dar („Verzichtstheorie") 148 . Dies aber besagt nichts über das Wesen der Gnade 149 , ob sie also materiell eine lex specialis, ein Rechtspflegeakt 150 oder ein Exekutiv(Regierungs- oder Verwaltungs-)akt ist. Der Gnadenakt ist ein „actus contrarius" gegen die Wirkung sowohl des maßgeblichen Gerichtsurteils als auch des Rechts. Aus dem Grunde aber, daß ein solcher A k t vom Recht und Gesetz abweicht und anders, als rechtlich vorgesehen ist, einen Einzelfall oder eine Vielzahl von Fällen „regelt" 1 5 1 oder die Wirksamkeit eines Gerichtsurteils verhindert, kann nicht gefolgert werden, daß dieser A k t ein Rechtsetzungs- oder ein Rechtsprechungsakt ist. Denn für die Charkterisierung eines Staatsaktes sind entscheidend nicht seine Wirkungen oder sein Wirkungsbereich, sondern sein Erwägungsbereich. M. a. W. kommt die materielle Charakterisierung eines Aktes darauf an, welchem materiellen Bereich der Staatsgewalt die abgewogenen Werte oder Wirklichkeiten, welche die dem A k t zugrunde liegende Entscheidung ausmachten, angehören. Bei der Begnadigung liegen die abzuwägenden Werte und Wirklichkeiten i m Bereich keiner der Staatsgewalten, sondern über ihnen, auf der ganzstaatlichen Ebene der Staatsgewalt 152 . Gewiß w i r d durch die Begnadigung das „starre Recht" i m Einzelfall, wo es untragbar hart erscheint, korrigiert 1 5 3 ; gewiß „ersetzt Gnade das Recht" 1 5 4 als A k t der Barmherzigkeit und des Wohlwollens 1 5 5 , als A k t der aequitas 156 oder auch der politischen Zweckmäßigkeit. Diese Entscheidung findet aber statt nach Abwägung von Umständen, die i n den Erwägungsspielraum der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung nicht hereingezogen werden können — sonst wäre die 148 So z.B. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 16 u. 215; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 149; Leise, a.a.O., S. 1088 f.; v. Mangoldt/Klein, S. 1181; E. Schmidt, a.a.O., S. 568. — Die „Verzichtstheorie" bekämpfen: Laband, a.a.O., S. 507, Fußn. 2 und heute Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 261. 149 w i e zutreffend Laband, a.a.O., bemerkt. 150 Dafür: v. Mangoldt/Klein, S. 1181; Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 287. 151 Hierauf beruht die Auffassung, daß der Gnadenerweis ein Gesetzgebungsakt sei. 152 v g l . oben S. 31 f., 90 f. Vgl. ferner die geniale Formulierung Labands, Staatsrecht I I I , S. 509: „Das Wahre daran ist, daß die Begnadigung ein staatlicher A k t ist, bei welchem die Trennung der staatlichen Funktionen i n Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und V e r w a l t u n g verschwindet, und der deshalb unmittelbar aus dem Zentralpunkt der staatlichen Gewalt hervorgeht." 153 So F. Meyer, Der Begriff der Regierung, S. 120. 154 Karl Peter, Lehrbuch des Strafprozesses, S. 552 f., 554. Vgl. auch O V G Münster (VerwRspr. Bd. 5 [1953], Nr. 187, S. 876). 155 Vgl. OVG Münster (VerwRspr. Bd. 5 [1953], S. 876). 156 Vgl. Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 287; Leise, N J W 1953, S. 1089: „ein A k t ausgleichender ,Gerechtigkeit' ".
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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„Korrigierung" entweder durch Gesetz oder schon durch die höheren Instanzen der Gerichtsbarkeit vorgenommen worden. Nicht nur die Unvoraussehbarkeit ist der Entscheidungsgrund der Gnadenbefugnis, sondern auch die Zugehörigkeit der abzuwägenden Umstände zu demjenigen Bereich, wo die Staatsgewalt nicht getrennt ist. Dieser Bereich ist kein anderer als der Bereich der Staatslenkung 157 . Nur diesem Bereich kann die Begnadigung als eine „Äußerung der Staatsgewalt von ungewöhnlicher Kraft", als „ein Veto gegen den Lauf von Gesetz und Recht", als ein „Befehl", „der den Urteilsbefehl des Gerichts seiner Wirkung beraubt" 1 5 8 , zugehören. Eine solche Tätigkeit kann nur eine — wie gesagt — staatsleitende sein, denn jeder leitet, der über und vor den Gewalten entscheidet 159 . Aus den oben dargelegten Gründen ist der Gnadenakt als materieller Regierungsakt anzusehen 160 . I n der öffentlichen Rechtsordnung, i n der das Begnadigungsrecht seine Wurzel hat 1 6 1 , sind Begnadigungsrechte auch i m Rahmen einer Staatsgewalt, besonders der Verwaltung, vorgesehen. Solche sind z. B. die Begnadigungsbefugnisse gewisser Finanzbehörden, wie des Vorstehers des Finanzamtes, der Oberfinanzdirektion oder des Ministers der Finanzen i n bezug auf Erlaß von Geldstrafen, die i m Verwaltungs-Steuerstrafverfahren auferlegt wurden. Bei diesen Fällen 1 6 2 handelt es sich nicht um Regierungs-, sondern u m Verwaltungsakte. Denn Erwägungsbereich ist hierbei der Verwaltungsbereich. Wenn aber solche Befugnisse i n einem Verfahren rechtlich mitaufgenommen sind, dann handelt es sich nicht u m Gnadenakte, denn eine Gnadenbefugnis muß über einem rechtsanwendenden Verfahren stehen 163 . Aus diesem Grunde können verschiedene, dem Ermessen von Verwaltungsbehörden überlassene Billigkeitsentscheidungen, wie z. B. die i m § 57 Abs. 4 GewO vorgesehenen 164 , nicht als Gnadenakte betrachtet werden. Daß die Amnestie eine A r t der Begnadigung i. w. S. ist, ist deshalb bestritten, weil man sie der materiellen Rechtsetzung zurechnet 165 . Daß die Amnestie der Gesetzesform bedarf, hat die W V (Art. 49 157 Aus diesen Gründen ist die Begnadigung kein Verwaltungsakt. iss Diese Formulierungen sind von Laband, Staatsrecht I I I , S. 509. 159 Vgl. S. 31 f. u n d 90 f. 160 So auch Laband, a.a.O., S. 507. lei Vgl. Laband, a.a.O., S. 510. 162 Näheres hierüber siehe bei Leise, N J W 1953, S. 1088 ff. u n d N J W 1955, S. 1668 f. 163 v g l . eine analoge Argumentation bei Laband, a.a.O., S. 508. 164 Nicht für Gnadenakte hält sie auch Obermayer, BayVBl. 1955, S. 130. 165 So das BVerfG (BVerfGE 2, S. 219 und BVerfGE 10, S. 238 f.). *
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1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
Abs. 2) expressis verbis gesagt und heute, obwohl das Grundgesetz schweigt, ist es die herrschende Meinung 1 6 6 . Es ist wirklich schwer zu sagen, ob ein Amnestiegesetz, wie z. B. das Straffreiheitsgesetz vom 17. J u l i 1954 (BGBl. I S. 203), ein materielles oder bloß ein formelles Gesetz ist, ob also „diese Korrektur des Rechts" 1 6 7 i m Erwägungsbereich der Rechtsetzung oder Regierung vorgenommen wurde. Trotz ihrer Generalität ist jedoch anzunehmen, daß die Amnestiegesetze Regierungsakte i n der Form des Gesetzes sind 1 6 8 . Das Begnadigungsrecht des BPräs. nach Art. 60 Abs. 2 umfaßt die Amnestie und die Abolition nicht. Diese beiden Fälle bedürfen der Gesetzesform 169 . Diese Gesetze sind — wie schon gesagt — bloße formelle Gesetze, die materielles Regieren beinhalten. Daß der BPräs. bei der Ausübung des Begnadigungsrechts über den Teilen der Staatsgewalt und mitunter auch über der Gesetzgebung steht, ist nur für das Wesen der Gnade bezeichnend. Keinesfalls bedeutet es aber, daß die Gnadenakte mehr als Ermessensakte und daher justizfrei sind 1 7 0 . I m Gegenteil: sie unterliegen der gerichtlichen Kontrolle, wie alle Ermessensakte 171 , denn die Bindung aller Staatsgewalt an das Recht ist keine Folge der Gewaltentrennung und daher ein nur i m Rahmen einer der drei Gewalten wirksames Postulat. 8. Art. 60 Abs. 3. Übertragung der Befugnisse aus Abs. 2 des A r t . 60 GG auf andere Behörden. Dies liegt i m Ermessen des BPräs. Die Übertragung stellt Ausübung der Organisationsgewalt dar und hat Regierungscharakter. 9. Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 26. J u l i 1957 (BGBl. I 844). Verleihung von Titeln, Orden und Ehrenzeichen durch den 166 Vgl. υ. Mangoldt/Klein, S. 1180 f. 167 BVerfGE 2, S. 219. 168 Die „wesensmäßige Wandlung", die das BVerfG (BVerfGE 2, S. 219) sieht und nach der die Amnestie v o m materiellen Gnadenakt zum materiellen Gesetz umgestaltet wurde, ist nicht einzusehen. Die Durchsetzung des demokratischen Rechtsstaatsprinzips hat n u r zur formalen Wandlung der Amnestie geführt. Tiefer vermochte es nicht einzuwirken, denn das demokratische Rechtsstaatsprinzip vermag n u r auf die Form und das Organ der Staatsakte zu wirken, nicht aber die N a t u r der Sache zu verändern. Uber die Problematik und die wissenschaftliche Diskussion i n bezug auf das Straffreiheitsgesetz v o m 17. J u l i 1954 siehe Zeidler, Maßnahmegesetz und „klassisches" Gesetz, S. 179 ff. 169 υ. Mangoldt/Klein, S. 1180 f.; Maunz, i n M - D zu A r t . 60 Rn. 9; Hamann, S. 311. 1 7 0 Schon Laband, a.a.O., S. 510 spricht über die Rechtsgrenzen des Begnadigungsrechts. 171 Vgl. unten S. 164 f., 165 ff., 170 ff.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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BPräs. Diese Ermessensbefugnis des BPräs. sind i h m nicht durch die Verfassung, sondern durch einfaches Gesetz angewiesen 172 . Diese Verleihungsakte sind den Gnadenakten verwandt, denn sie entspringen aus dem jus gratiarum des Staatsoberhauptes 173 . Der Unterschied liegt darin, daß bei Begnadigung ein Nachlaß von Sühnemaßnahmen (negative Staatshandlung), während bei Verleihung von Orden etc. eine Ehrung (positive Handlung) vorliegt 1 7 4 . Ferner sind die Gründe einer Ehrung immer mit der zu ehrenden Person unmittelbar verbunden, während die Gründe einer Begnadigung nicht unbedingt mit der Person verknüpft s i n d 1 7 5 , 1 7 6 . 10. Art. 63 Abs. 1. Vorschlag des vom BT zu wählenden B K durch den BPräs. 177 . I m Ermessen des BPräs. liegt die Auswahl der Person und des Zeitpunktes des Vorschlages. Bezüglich des Zeitpunktes muß der Vorschlag binnen angemessener Frist vorgenommen werden. Diese Frist kann auch der BT festsetzen 178 . Nicht i m Ermessen des BPräs. liegt das „Ob" des Vorschlages, denn er ist verpflichtet, jemanden vorzuschlagen 179 . Der Vorschlag bedarf weder der Gegenzeichnung des Art. 58 GG noch des Einverständnisses des Vorzuschlagenden 180 . Der Vorschlag stellt ein Beteiligen an der Ausübung der obersten Organisationsgewalt und am Regieren dar. 11. Art. 63 Abs. 4 Satz 3, 1. Alternative. Ernennung des gewählten B K . Diese Ernennung ist i m Gegensatz zu den Ernennungsakten des Abs. 2 S. 2 und Abs. 4 S. 2 des Art. 63 GG ein Ermessensakt, w e i l der BPräs. frei ist, zwischen der Ernennung und der Auflösung 172 Uber die Verleihung von Befugnissen an den BPräs. durch einfaches Gesetz vgl. Hamann, S. 301; v. Mangoldt/Klein, S. 1064... Hierüber siehe unten S. 152 m i t Fußn. 79. 173 Vgl. Obermayer, i n BayStuVerwR S. 139; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 116; derselbe, VerwGO Kommentar zu § 42 Anm. I V 6 b. 174 v g l . Obermayer, BayVBl. 1955, S. 129 ff. (130 f.). 175 So k a n n einer Person, die es nicht verdient hat, ein Ehrenzeichen nicht verliehen werden, eine unwürdige Person k a n n jedoch, z. B. aus politischen Gründen, begnadigt werden. 176 Die Unterscheidung von Ule, a.a.O., und Obermayer, a.a.O., zwischen normierten und nicht normierten Gnadenakten oder zwischen Gnadenakten und Verwaltungsakten, wovon sie deren Justiziabilität abhängig machen, ist für uns irrelevant, da w i r beide Kategorien als Ermessensakte betrachten, die bezüglich der Einhaltung der Ermessensgrenzen justiziabel sind. 177 A u f die schwache Bedeutung dieser Befugnis weist Maunz, i n M - D zu A r t . 63 Rn. 10 hin. 178 Maunz, a.a.O., Rn. 2. 179 Maunz, a.a.O., Rn. 2; v. Mangoldt/Klein, S. 1228; a. A . Meder, B K zu Art. 64 Erl. I I , 1. 180 v. Mangoldt/Klein, S. 1229; Hamann, S. 315.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
des BT zu wählen 1 8 1 . Die Ernennung bedarf des Einverständnisses des Gewählten 1 8 2 . 12. Art. 63 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative. Auflösung des BT. Diese Auflösung ist aus dem gleichen Grunde wie die Ernennung des Gewählten B K ein Ermessensakt. I n seinen „richtungspolitischen Akzenten" 1 8 3 erkennt man sofort seine Regierungsqualität. Die Auflösung — wie auch die Ernennung — stellt ein Beteiligen an der Ausübung oberster Organisationsgewalt dar. Die Auflösung hier i m Gegensatz zu jener des Art. 68 Abs. 1, S. 1, bedarf keiner Gegenzeichnung (Art. 58 Satz 2). 13. Art. 64 Abs.l. Ernennung und Entlassung der Bundesminister. Der BPräs. darf nur den vom B K vorgeschlagenen Minister ernennen oder entlassen 184 . Umstritten ist, ob der BPräs. die Ernennimg oder Entlassung ablehnen darf 1 8 5 . Richtiger ist anzunehmen, daß dieses Recht dem BPräs. nicht zusteht, w e i l er auch dadurch mittelbar Einfluß auf die Auswahl der Minister hätte und u. U. dem B K einen unerwünschten Mitarbeiter aufzwingen könnte. Nur wenn er dieses Recht hat, liegt ein Regierungsermessen vor, sonst sind Ernennung und Entlassung bloße formale Organisationsakte des BPräs., durch die die i m Vorschlag erhaltene Ermessensentscheidung des B K formell vollendet w i r d 1 8 6 . Richtiger ist m i t Maunz 187 anzunehmen, daß es sich hier um „kein politisches Entscheidungsrecht" handelt, weil i m Gegenfall der B K seines natürlichen und selbstverständlichen Rechts, seine Mitarbeiter für die Realisierung der von i h m bestimmten Politik zu ernennen, beraubt werden würde. I n diesem Fall liegt kein Regierungsermessen vor. Zur Ernennung ist das Einverständnis des Vorgeschlagenen erforderlich 1 8 8 . 14. Art. 68 Abs.l Satzl. Auflösung des BT vom BPräs. Hier liegt die aktivste Befugnis des BPräs. aus dem Grundgesetz vor. Dieses 181 Vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1236: „besonders verantwortungsvolle E n t scheidung". 182 Meder, B K zu A r t . 63 Erl. I I , 7. 183 ν . Mangoldt/Klein, S. 1238. 184 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 64 Rn. 1; Hamann, S. 315; Nawiasky, Grundgedanken, S. 97. 185 Literaturangaben zu diesem Streit siehe bei Maunz, a.a.O., und v. Mangoldt/Klein, S. 1242 ff. 180 Vgl. auch oben S. 103 (Nr. 12). 187 a.a.O. 188 Das Einverständnis dieser A r t stellt keinen Ermessensakt dar, da der dazu Berechtigte auch sein Belieben walten lassen darf. N u r i n solchen Fällen ist das freie Belieben rechtlich relevant.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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„Recht" stellt die wichtigste und stärkste Beteiligung des Staatschefs am Regieren dar. Die Auflösung des BT ist ein Ermessensakt 1 8 9 , wodurch der BPräs. „aktiv i n das politische Geschehen eingreifen k a n n " 1 9 0 und „wie ein Deus ex machina dem Bundeskanzler zu Hilfe eilt und gegen den Bundestag Front macht" 1 9 1 . Diese Befugnis des BPräs. und diejenige aus A r t . 63 Abs. 4 S. 3 stellen die einzigen Auflösungsmöglichkeiten des BT, die dem BPräs. zustehen, dar. Die Auflösung nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 bedarf i m Gegensatz zu der Auflösung nach Art. 63 Abs. 4 S. 3 der Gegenzeichnung nach A r t . 58 GG 1 9 2 . 15. Art. 69 Abs. 3. Ersuchen des BPräs. um Fortführung des Amtes vom B K oder vom BMin. Das Ersuchen stellt einen Ermessensakt dar, wodurch sich der BPräs. am Regieren durch Ausübung von Organisationsgewalt beteiligt. Dieses Ersuchen begründet die Rechtspflicht des bisherigen Inhabers des Amtes, es weiterzuführen. Ein Weigerungsrecht w i r d jedoch dem Ersuchten zuerkannt 1 9 3 , wenn die Weiterführung der Geschäfte ihm nicht zugemutet werden kann 1 9 4 . Das Ersuchen bedarf keiner Gegenzeichnung (Art. 58 S. 2). 16. Art. 81 Abs.l. Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes. Eine der stärksten Regierungsbefugnisse des BPräs. stellt sein „Recht" dar, den Gesetzgebungsnotstand zu erklären. Der Gesetzgebungsnotstand ist als „Regierungsnotstand" zu verstehen, denn die Regierung befindet sich im Notstand, da „die Gesetzgebung nicht i m Sinne der Regierungspolitik verlaufen k a n n " 1 9 5 . Der BPräs. kommt mit der Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes der BReg. — wie mit der Auflösung nach A r t . 68 Abs. 1 S. 1 dem B K 1 9 6 — zu Hilfe. Der Notstand besteht materiell i n der Ablehnung einer Gesetzesvorlage der BReg. durch den BT. Formell liegt er i n der Nichtauflösung des BT durch den BPräs. nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG. Die Nichtauflösung kann zurückzuführen sein: a) auf Verweigerung des BPräs., den BT nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 aufzulösen oder b) auf Unterlassung des BK, die Auflösung nach dem gleichen ie» Maunz, i n M - D zu A r t . 68 Rn. 4; Hamann, S. 320. So wörtlich Maunz, a.a.O., Fußn. 3. Vgl. ferner Nawiasky, Grundgedanken, S. 102 a. E.; Meder, B K zu A r t . 68 Erl. I I 3. 191 Nawiasky, a.a.O., S. 101 a.E. 192 Nawiasky, a.a.O., S. 102. * 9» Maunz, i n M - D zu A r t . 69 Rn. 5; v. Mangoldt/Klein, S. 1322; Nawiasky, Grundgedanken, S. 98 u. 110. 194 Nawiasky, a.a.O., S. 110. *95 Maunz, i n M - D zu A r t . 81 Rn. 3 f. im Vgl. auch oben Nr. 14. 199
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1. Teil: Begriff und Wesen des Regierens
Art. 68 Abs. 1 S. 1 vorzuschlagen 197 . Die Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes ist ein Ermessensakt 198 . Die Wahlmöglichkeit des BPräs. sind: a) Auflösung des BT nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG, b) Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes und c) Untätigbleiben 1 9 9 . Die Wahlmöglichkeiten beschränken sich auf zwei, falls der B K die Auflösung des BT nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 nicht vorgeschlagen hat 2 0 0 . Ob die Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes der Gegenzeichnung bedarf, ist umstritten 2 0 1 . I I I . Regierungsakte des Bundestages
1. Art. 39 Abs. 2. Erstmaliger Zusammentritt des BT. Hier handelt es sich um die Entscheidung über den Tag und den Ort der sog. „konstituierenden Versammlung" des BT. Wer zu dieser Einberufung zuständig ist, sagt das Grundgesetz nicht. § 1 Abs. 1 GeschOBT 202 bestimmt dafür den „Alterspräsidenten" (Präs. des alten BT) und bricht dadurch das für die Funktion des BT geltende Prinzip der personellen Diskontinuität. Diese Einberufung ist ein Ermessensakt 203 . 2. Art. 39 Abs. 3 Satzl. Entscheidung des BT über den Schluß und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Diese Entscheidung umfaßt zwei Akte und kommt mit einfacher Mehrheit (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG) zustande. Diese Akte sind ihrem Wesen nach Regierungsermessensakte 2 0 4 . 3. Art. 39 Abs. 3 Satz 2205. Frühere Einberufung des B T vom BTPräsidenten. Der BT-Präs. übt hier das Selbstversammlungsrecht des BT aus 206 , falls der BT ihn ermächtigt hat oder wegen Beschlußi97 Maunz, a.a.O. Rn. 6 Fußn. 3. iss Maunz, a.a.O. Rn. 7; Hamann, S. 357. io® Maunz, a.a.O. Rn. 7 m i t Fußn. 4. 200 Maunz, a.a.O. Rn. 6 Fußn. 3. 201 Für die Gegenzeichnung: Maunz, a.a.O. Rn. 7. 202 § 1 Abs. 1 GeschOBT stimmt m i t dem entsprechenden verfassungskräftigen (nichtverfassungskräftigen nach v. Mangold/Klein, S. 903 a.E.) Gewohnheitsrecht überein (Maunz, i n M - D zu A r t . 39 Rn. 12). 203 Hierzu vgl. oben S. 101 (Nr. 5) und S. 111 (Nr. 2). Ferner bezüglich der Ortsbestimmung vgl. unten Nr. 6. 204 Näheres hierüber: Maunz, a.a.O. Rn. 32. 205 i n Verbindung m i t §25 GeschOBT. 206 So Maunz, Staatsrecht, S. 302; derselbe, i n M - D zu A r t . 39 Rn. 23; Groß, DVB1.1954, S. 422. v. Mangoldt/Klein, S. 905, sieht dagegen diese Einberufungsbefugnis als eigenständiges Recht des BT-Präs. an. Dies ist von p r a k tischer Bedeutung für die Legitimationsfrage bei Organstreitigkeiten vor dem BVerfG.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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Unfähigkeit oder aus einem anderen Grund nicht entscheiden kann 2 0 7 . Die frühere — nicht aber eine spätere 208 — Einberufung des BT liegt i m Ermessen des BT-Präs. 4. Art. 39 Abs. 3 Satz 3. Frühere Einberufung des BT auf Verlangen von 1/3 der BT-Mitglieder. Diese Entscheidung liegt nicht mehr i m Ermessen des BT-Präs., sondern des B T 2 0 9 . 5. Entscheidung über die Vertagung 210. Darüber entscheidet der BT. Die Vertagung (Schluß der Sitzungen und die Bestimmung des Termins der nächsten Sitzung) liegt i m Ermessen des B T 2 1 1 . 6. Bestimmung des Tagungsortes. Weder das Grundgesetz noch die GeschOBT bestimmen, wo der BT tagen soll oder wer diesen Ort bestimmt. Es ist anzunehmen, daß diese Entscheidung demjenigen, der über die Zeit der nächsten Sitzung entscheidet, also dem BT oder dem BT-Präs. zusteht 212 . Die Bestimmung des Tagungsortes ist ein Regierungsakt 213 . 7. Art. 42 Abs. 1 Satz 2. Ausschluß der Öffentlichkeit. U m das aus dem Grundsatz der Demokratie entspringende Öffentlichkeitsprinzip 2 1 4 zu brechen, sind zwei Akte des B T 2 1 5 erforderlich: a) Antrag von 1/10 seiner Mitglieder und b) Beschluß des BT mit 2/3 Mehrheit. Beide sind Ermessensakte und bedürfen keiner Begründung 2 1 6 . 8. Art. 43 Abs. 2 2 1 7 . Ausübung des Zitierungsrechts vom BT oder von seinen Ausschüssen. Es liegt im Ermessen des BT oder seiner Ausschüsse, die Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes zu verlangen (Zitierungsrecht). Dieses Recht stellt ein Beteiligen am Regieren dar 2 1 8 . 207
§ 25 Abs. 1 GeschOBT. 208 Maunz, a.a.O. Rn. 23 Fußn. 4, u n d Staatsrecht a.a.O. 209 Näheres darüber: Maunz, i n M - D zu A r t . 39 Rn. 24; Lechner - Hülshoff, Parlament und Regierung, S. 173 (Anm. 2 zu § 25 GeschOBT). 210 siehe § 24 GeschOBT. 211 Vgl. Maunz, a.a.O. Rn. 25; Lechner - Hülshoff, a.a.O., S. 172 (zu §24). 212 Maunz, a.a.O. Rn. 26. 213 Diese Entscheidung kann eine schwerwiegende politische Bedeutung erhalten, wie z.B. jüngst die aus politischen Gründen erfolgte Bestimmung Westberlins als Tagungsort des Plenums des BT. 214 Hierüber vgl.: Maunz, i n M - D zu A r t . 42 Rn. 1: Hamann, S. 282; Nawiasky, Grundgedanken, S. 88. 215 Über den A n t r a g der BReg siehe oben S. 101 (Nr. 6). 216 So Maunz, a.a.O. Rn. 10. 217 Hierzu siehe §§ 105 ff. GeschOBT. 218 Das Beteiligen des Parlaments am Regieren entspringt seiner Doppelfunktion: der F u n k t i o n des Gesetzgebers und der F u n k t i o n der politischen Willensbildung. Aus dieser zweiten F u n k t i o n fließt die Regierungstätigkeit des Parlaments (vgl. hierzu Hamann, S. 270).
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
9. Art. 44 Abs. I 219. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Diese Einsetzung liegt i m Ermessen des BT und die Beantragung i m Ermessen von 1/4 der BT-Mitglieder. Beide Akte realisieren die Beteiligung des Parlaments an der Regierung. Obwohl sie Organisationsakte sind, sind sie jedoch als Regierungsakte anzusehen, weil dadurch das Recht des Parlaments, sich am Regieren zu beteiligen, „organisiert" w i r d (akzessorischer Charakter der Organisationsakte). Bei der Einsetzung von Enquèten ist es nicht erforderlich, daß diese gegen die Regierungsorgane gerichtet werden 2 2 0 , um die Untersuchung als Regierungsakt anzusehen. Maßgebend für ihre Charakterisierung ist, daß der Gegenstand der Enquète i m materiellen Verfassungsbereich liegt. 10. Art. 44219. Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse. Sie sind Regierungsakte des Parlaments, unter der Voraussetzung, daß der Enquetegegenstand — wie schon gesagt — dem materiellen Verfassungsbereich angehört. Bemerkenswert ist der Abs. 4 des Art. 44, wonach die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen sind 2 2 1 . 11. Art. 45 a219. Beschlüsse 222 der Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten und für Verteidigung. Da diese Ausschüsse keine Verfassungsorgane sind, sondern Unterorgane des B T 2 2 3 , sind ihre Beschlüsse als BT-Akte anzusehen. Sie stellen auch ein Beteiligen am Regieren dar 2 2 4 . 12. Art. 45 b 2 2 5 . Akte des Wehrbeauftragten 226 . Umstritten ist die Stellung des Wehrbeauftragten. Nach der einen Auffassung hat er 219 Hierzu siehe §§ 60 ff. GeschOBT. 220 Hierzu vgl. die Unterscheidung von Maunz, i n M - D zu A r t . 44 Rn. 4, 23 ff. 221 Maunz, a.a.O. Rn. 65, sieht hier eine Ausnahme des A r t . 19 Abs. 4 und des § 90 B V e r f G G von Verfassungs wegen. Wenn man aber der Rechtsweggarantie des A r t . 19 Abs. 4 GG höheren Grad als dem 44 Abs. 4 i m Gesamtgefüge der Verfassung zuerkennt (vgl. Maunz, Staatsrecht, S. 54 ff.), dann ist dieser letzte Satz eine verfassungswidrige Verfassungsnorm. Überdies ist es fraglich, ob dadurch auch Grundrechtsverletzungen der gerichtlichen Kontrolle entzogen werden können. 222 Die Bestellung der Ausschüsse sind keine Ermessensakte (vgl. Dürig, i n M - D zu A r t . 45 a Rn. 1 (a). 223 v g l . § 60 GeschOBT. Ferner Dürig, a.a.O. Rn. 3 u. 6. 224 Näheres darüber: Dürig, a.a.O.; Lechner - Hülshoff, Parlament u. Regierung, S. 189 ff. 225 siehe hierzu das Gesetz über den Wehrbeauftragten des Bundestages v o m 26. 6.1957 (BGBl. I, S. 652). 226 Der Wehrbeauftragte wurde nach schwedischem V o r b i l d i n das deutsche Recht eingeführt (Maunz, Staatsrecht, S. 158 f.; Dürig, i n M - D zu A r t . 42 b Rn. 3; Hamann, S. 288).
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
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eine Doppelstellung und -funktion: er ist Unterorgan des BT, soweit er als Hilfsorgan bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle tätig ist, und ein selbständiges Verfassungsorgan, soweit er zum Schutze der Grundrechte berufen ist 2 2 7 . Nach der zweiten Auffassung ist er nur ein Unterorgan des B T 2 2 8 . Der Streit ist von Bedeutung für die Parteifähigkeit und Legitimation bei Organstreitigkeiten vor dem BVerfG 2 2 9 . Seine Akte sind auf jeden Fall Regierungsakte i. m. S. 13. Art. 59 Abs. 2 Satzl. Zustimmungsgesetze 230 . Die zum Abschluß von politischen oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehenden Verträge erforderliche M i t w i r k u n g der Gesetzgebungsorgane kommt in der Form des Gesetzes zustande. Ob diese Zustimmungsgesetze nur formelle oder auch materielle Gesetze sind, ist umstritten 2 3 1 . Richtiger ist, daß sie, als Ermächtigung an den BPräs., als formelle Gesetze anzusehen sind. Als M i t w i r k u n g zum Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen stellen die „Vertragsgesetze" eine Beteiligung des Parlaments an der Regierung dar. Ihrem Wesen nach sind sie also Regierungsakte. Für die gerichtliche Kontrolle ist aber ihre Qualität irrelevant; maßgebend ist ihre Gesetzesform, so daß eine Nachprüfung nicht nur i m Wege eines Organstreites, sondern auch i m Wege der abstrakten Normenkontrolle stattfinden kann 232 » 2 3 3 . 14. Art. 59 a Abs.l. Die Feststellung des Verteidigungsfalls. Die Feststellung des Verteidigungsfalls hat die Bedeutung einer Kriegserklärung 2 3 4 . Diese Kriegserklärung beschränkt sich nur auf den Fall der „Verteidigung" 2 3 5 und stellt eine ausdrückliche Ausnahme 227 So Maunz, Staatsrecht, S. 159; v. Mangoldt/Klein, S. 959; Hamann, S. 288. Weitere Schrifttumsangaben bei Dürig, a.a.O. Rn. 6. 228 Diese Auffassung v e r t r i t t Dürig, a.a.O. Rn. 7 f. 229 Vgl. unten S. 195 ff. 230 Die verschiedenen Benennungen dieser Gesetze siehe bei v. Mangold/ Klein, S. 1144. 231 Hierüber vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 59 Rn. 22 u. 24 ff. 232 Maunz, a.a.O. Rn. 23. 233 Näheres über die Zustimmungsgesetze siehe, außer den oben erwähnten Kommentaren, bei: Berber, Völkerrecht I, S. 422 ff.; Bernhardt, Der Abschluß völkerrechtlicher Verträge, besonders S. 128 f., 132 ff., 190; Kaufmann, Normenkontrollverfahren u n d völkerrechtliche Verträge, in: Gedächtnisschrift f ü r W. Jellinek, S. 445 ff.; Backsmann, DVB1.1956, S. 317 ff.; Grewe, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, W D S t R L Heft 12, S. 129 ff.; Menzel, V V D S t R L Heft 12, S. 179 ff.; Nawiasky, Grundgedanken, S. 107 f. 234 Vgl. Dürig, i n M - D zu A r t . 59 a Rn. 1; Hamann, S. 310; v.Mangoldt/ Klein, S. 1158. Vgl. auch oben S. 112 (Nr. 5). 235 Z u m Begriff der „Verteidigung" vgl. Dürig, a.a.O. Rn. 2 ff.
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1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
des Art. 26 GG dar, wonach „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören" verfassungswidrig sind 2 3 6 . Die Feststellung des Verteidigungsfalls ist ein materieller Regierungsakt des B T 2 3 7 . Da diese Kriegserklärung als „ultima ratio" zu betrachten ist, spielt hier die Verhältnismäßigkeit der Abwehrmittel für die Einschränkung des Ermessens eine besondere Rolle 2 3 8 . Der BT entscheidet hier nicht durch formelles Gesetz, sondern durch einfachen Beschluß 239 . Daraus folgt, daß dieser Beschluß nur im Wege des Organstreits, nicht aber i m Wege der abstrakten Normenkontrolle vom BVerfG nachgeprüft werden kann 2 4 0 . 15. Art. 59 a Abs. 2 Satz 2. Das aus der Anhörenpfücht des BPräs. sich ergebende Stellungnahmerecht des BT-Präs. Welche Stellung der BT-Präs. bei der Feststellung des Verteidigungsfalls einnimmt, liegt i n seinem Ermessen. Diese Stellungnahme hat nur konsultativen Charakter und daher stellt sie einen unvollständigen Staatsakt dar, denn sie löst — genau wie das Anhören 2 4 1 — keine Rechtswirkungen aus. 16. Art. 59 a Abs. 4. Friedensschluß. Hier handelt es sich um eine Spezialvorschrift gegenüber Art. 59 Abs. 2 Satz 1. I m Art. 59 Abs. 2 S. 1 wirken die Gesetzgebungsorgane bloß mit, denn die Exekutive entscheidet auch mit. Beim Friedensschluß nehmen die Gesetzgebungsorgane allein einen A k t (den Friedensschluß) w a h r 2 4 2 . Die Entscheidung des BT w i r d hier in ein formelles Gesetz eingekleidet. Unter den Begriff Friedensschluß fallen die Waffenruhe, die Kapitulation u. ä. nicht. Diese Abmachungen fallen unter A r t . 65 a Abs. 2 2 4 3 . 17. Art. 61 Abs.l. Anklage gegen den BPräs. Hier muß die Anklage vom Antrag auf Erhebung einerseits und vom Beschluß des BT zur Erhebung der Anklage andererseits unterschieden werden. Die Anklage ist ein prozessualer Akt, der durch Einreichung einer 236 Näheres über das Verhältnis der zwei A r t i k e l siehe bei: Dürig, a.a.O. Rn. 1 und Maunz, i n M - D zu A r t . 26 Rn. 8 ff. 237 Hamann, a.a.O.; v. Mangoldt/Klein, S. 1159 („materieller Regierungsakt"); Maunz, Staatsrecht, S. 304 („politische Entscheidung eigener A r t " ) . Siehe auch oben S. 112 Fußn. 137. 238 v g l . Dürig, a.a.O. Rn. 6 u. 10. 239 Dürig, a.a.O. Rn. 12. 240 Weitere Folgerungen siehe bei Dürig, a.a.O. 241 i n bezug auf das Anhören vgl. Dürig, a.a.O. Rn. 13. Siehe auch oben S. 96 Fußn. 12 a.E. 242 Vgl. Dürig, a.a.O. Rn. 21. 243 Vgl. Dürig, a.a.O., Rn. 23.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
125
Anklageschrift beim BVerfG nach §49 BVerfGG vorgenommen wird. Als solcher kann er kein Regierungsakt sein 2 4 4 . Der Antrag aber von 1/4 der BT-Mitglieder und der Beschluß des BT zur Erhebung der Anklage sind Regierungsakte. 18. Art. 63 Abs.l. Wahl des BK. Der Wahlakt durch den BT ist ein oberster Organisationsakt auf Verfassungsebene und stellt daher materielles Regieren dar. Das gleiche ist für die Wahlakte der Abs. 3 und 4 des Art. 63 zu sagen. 19. Art. 67 Abs.l. Mißtrauensvotum. Hier liegt, i m Gegensatz zum i n der Weimarer Zeit geltenden „destruktiven", ein „konstruktives" Mißtrauensvotum vor 2 4 5 , w e i l gleichzeitig mit der Mißtrauenserklärung der Nachfolger des mit dem Mißtrauen Bedachten vom BT gewählt w i r d 2 4 6 . Mißtrauenserklärung und Nachfolgerwahl sind rechtlich ein Staatsakt. Das konstruktive Mißtrauensvotum, durch welches die Volksvertretung die Regierung kontrolliert und das parlamentarische System seinen stärksten Ausdruck findet, ist ein echtes Beteiligen des BT an dem Regieren. 20. Art. 68 Abs.l Satzl. Vertrauensvotum. Die Vertrauensentscheidung des BT ist auch ein echtes Beteiligen der Volksvertretung am Regieren. Das Vertrauensvotum entspringt auch aus dem parlamentarischen Prinzip. 21. Art. 68 Abs.l Satz 2. Wahl eines „anderen" B K 2 4 7 . Nach der herrschenden Meinung kann auch derjenige, dem das Vertrauen vom BT nicht ausgesprochen wurde, gewählt werden 2 4 8 . 22. Art. 76 Abs.l. Gesetzesinitiative des BT. Die Gesetzesinitiative des BT ist derjenigen der BReg. 2 4 9 und des B R 2 5 0 gleichwertig 2 5 1 . Genau gesagt handelt es sich hier nicht um Gesetzesinitiative des BT, sondern „einer zahlenmäßig bestimmten Gruppierung" 2 5 2 , also der 244 Das gleiche ist zu sagen für die Vertretung der anklagenden Körperschaft vor dem BVerfG nach A r t . 61 Abs. 1, S. 4 GG. 245 Vgl. Maunz, Staatsrecht, S. 330; derselbe, i n M - D zu A r t . 67 Rn. 1; v.MangoldtlKlein. S. 1290 ff.; Hamann, S. 319; Nawiasky, Grundgedanken, S. 99 ff. 246 Vgl. Maunz, a.a.O. (in M - D ) . 247 Z u r Rechtsnatur dieses Wahlaktes siehe oben Nr. 18 und unten S. 105 (Nr. 3). 248 Vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1311. 249 v g l . oben S. 105 f. (Nr. 20). 250 Vgl. unten S. 128 (Nr. 7). 251 Vgl. Hamann, S.341; BVerfGE 1, S. 144 ff. 252 BVerfGE 1, S. 153. Vgl. ferner v. Mangoldt/Klein, S. 1735; Maunz, i n M - D zu A r t . 76 Rn. 14.
126
1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
einzelnen Abgeordneten. I n diesem Sinn ist der Ausdruck „aus der Mitte des Bundestages" zu verstehen. Wieviele Abgeordnete zur Einbringung einer Gesetzesvorlage beim BT erforderlich sind, steht i n Art. 76 GG nicht. Das besagt §97 GeschOBT, wonach sie (die Gesetzesvorlage) von mindestens soviel Mitgliedern, „wie einer Fraktionsstärke entspricht" 2 5 3 , unterschrieben sein muß. Diese Abgeordnetengruppe — und nicht der BT — ist das Subjekt des Initiativrechts. Diese Gruppe kann vor dem BVerfG in Organstreitigkeiten als Subjekt des Gesetzesinitiativrechts legitimiert werden 2 5 4 . 23. Art. 87 α. Entscheidung über die zahlenmäßige Stärke der Streitkräfte. Wie hoch die Stärke der Bundeswehr sein kann, entscheidet das Haushaltsplangesetz des BT. Diese Ermessensentscheidung des Parlaments 2 5 5 stellt eine Einschränkung des Ermessens der Regierungsorgane (Kollegium, BK, BMin. für Verteidigung) dar, denn die Regierung darf die i m Haushaltsplan enthaltenen Grenzen nicht überschreiten. Sie darf sie aber nicht v o l l ausnützen 256 . Der Art. 87 a überträgt dem BT Regierungsbefugnisse und stellt ein Beispiel starken Beschreitens des Exekutivbereichs durch die Gesetzgebung dar 2 5 7 . 24. Art. 110 Abs. 1. Haushaltsplan. Die Aufstellung des Haushaltsplanes durch ein Gesetz stellt auch eine „Kapitulierung" der Regierung vor der Volksvertretung i n ihrem Kampf gegeneinander dar 2 5 8 . Der Haushaltsplan kann getrennt: als Haushaltsgesetz und als Haushaltsplan abgestimmt werden. Diese Trennung hätte keine rechtliche Bedeutung 2 5 9 . Der Haushaltsplan ist ein staatsleitender 260 bzw. Regierungsakt 261 . Das Haushaltsgesetz ist ein formelles Gesetz. Gesetzesinitiative dafür spricht man nach Abweichung von A r t . 76 Abs. 1 GG allein der Regierung zu 2 6 2 . 253 Hierüber vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1735; Lechner - Hülshoff, a.a.O., S. 207. 254 v g l . unten, S. 197 ff. 255 v g l . Dürig, i n M - D zu A r t . 87 a Rn. 10 ff. 256 So Dürig, a.a.O. Rn. 4 u. 7. 257 Vgl. Hamann, S. 373. 258 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 110 Rn.2; derselbe, V V D S t R L 14, S. 38; Heckel, HdbDStR I I , S. 359. 259 Maunz, a.a.O. Rn. 8 f. 260 Hechel, a.a.O.; Maunz, a.a.O. Rn. 7; Hamann, S. 449. 261 Maunz, a.a.O. Rn. 7. Als Verwaltungsakt sieht den Haushaltsplan Bühler, B K zu A r t . 110 Erl. I I 2. 262 So Hechel, a.a.O., S. 394 f.; Maunz, a.a.O. Rn. 9.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
127
25. Art. 113. BT-Beschlüsse über Ausgabenerhöhungen. Solche Beschlüsse sind Regierungsakte i. m. S. Umstritten ist, ob solche Beschlüsse i n der Form des Gesetzes getroffen werden müssen 263 . 26. Art. 114 Abs. 2 Satz 2. Entlastungsbeschluß des BT zugunsten der BReg. Dieser Beschluß bedarf nicht der Gesetzesform 264 . Er ist eine Willenserklärung des BT von politischer Bedeutung 2 6 5 . Bèi dieser Entscheidung ist der BT an die Prüfungsergebnisse des B R H nicht gebunden 266 . Die Entlastung liegt i m Ermessen des BT und ist ein Regierungsakt.
I V . Regierungsakte des Bundesrates
1. Art. 37 Abs.l. Zustimmung des BR i m Fall des Bundeszwanges 267 . Eine Rücknahme der Zustimmung ist auch möglich und bindet die BReg. ex tunc 2 6 8 . Die Zustimmung — wie auch die Rücknahme — ist ein Ermessensakt 269 und stellt eine Beteiligung des BR an dem Regieren dar 2 7 0 . 2. Art. 52 Abs.l und 4 und §§ 5, 15 und 26 GeschOBR. Wahl der Unterorgane des BR. Das Grundgesetz kennt nur den BR-Präsidenten (Art. 52 Abs. 1 GG) und die BR-Ausschüsse (Art. 52 Abs. 4 GG) als BR-Unterorgane. Die GeschOBR sieht zusätzlich vier Vizepräsidenten (§ 3 Abs. 1), das Präsidium aus dem BR-Präs. und den Vizepräsidenten (§ 5) und den ständigen Beirat (§ 26) vor. Die Wahl der Unterorgane durch den BR stellt eine Ausübung der Organisationsgewalt dar und beruht auf seinem Selbstorganisationsrecht (Autonomie des BR) 2 7 1 . Das Selbstorganisationsrecht ist ein durch das Grundgesetz übertragenes „Regierungsrecht". 263 Nach Maunz, i n M - D zu A r t . 113, ist dieser Beschluß ein Gesetzesbeschluß. Nach Hamann, S. 452, ist er ein Plenumsbeschluß außerhalb der Gesetzgebung. 2 6* Maunz, i n M - D zu A r t . 114 Rn. 29. 2 65 Vgl. Maunz, a.a.O. Rn. 28; Bühler, B K zu A r t . 114 Erl. I I 4; Viaion, Haushaltsrecht, S.45ff., 232, 937 ff. 266 Maunz, a.a.O. Rn. 28. 2
67 Vgl. oben S. 100 f. (Nr. 3). Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 37 Rn. 43; Eschenburg, Staat u n d Gesellschaft i n Deutschland, S. 624; Schäfer, Der Bundesrat, S. 110 f. 2 69 Vgl. Maunz, a.a.O. Rn. 41; Hamann, S. 269. 270 A u f die M i t w i r k u n g des Bundesrates weist Nawiasky, Grundgedanken, S. 58, ausdrücklich h i n : „ m a n k a n n von einer A r t von Mitregierung sprechen". Vgl. auch: Maunz, i n M - D zu A r t . 50 Rn. 23 (b); v. Mangoldt/Klein, S.1077. 2Π Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 52 Rn. 1; Schäfer, a.a.O., S. 42. 268
128
1. Teil: Begriff u n d Wesen des Regierens
3. Art 52 Abs. 2. Einberufung des BR durch den BR-Präs. übt hier das Selbstversammlungsrecht des BR aus. Die Einberufung ist ein Ermessensakt, wenn sie von zwei Ländern oder von der BReg. 272 nicht verlangt w i r d 2 7 3 . 4. Art. 53 Satzl. Zitierungsrecht des BR. Die Ausübung des Zitierungsrechts stellt keine parlamentarische Kontrolle i m technischen Sinne dar, sondern eine „unter Staatsorganen bestehende Gegenseitigkeitsverpflichtung", miteinander „ins Gespräch kommen zu müssen" 274 . Das Zitierungsrecht des BR, welches außer dem Recht, die persönliche Anwesenheit der Regierungsmitglieder zu verlangen, auch das sog. Interpellationsrecht mitumfaßt 2 7 5 , stellt eine Beteiligung des BR an der Regierung des Bundes dar 2 7 6 . 5. Art. 59 a Abs. 2 Satz 2. Stellungnahmerecht des BR-Präs. zur Feststellung des Verteidigungsfalles 277 . 6. Art. 61 Abs.l.
Anklage gegen den Bundespräsidenten 278 .
7. Art. 76 Abs. 1 und 3. Gesetzesinitiative des BR. Die Gesetzesinitiative steht dem BR als solchem und nicht seinen Mitgliedern als Vertretern der Länder zu 2 7 9 . Ermessensakt ist hierbei der (nach § 13 Abs. 2 a GeschOBR) Beschluß des BR zur Einbringung einer Gesetzesvorlage. Die Einbringung der Gesetzesvorlage zur Stellungnahme der BReg. (Zuleitung durch die BReg.) nach Art. 76 Abs. 3 S a t z l (s. auch §50 A b s . l GGO II) ist kein Ermessens-, sondern ein Verfahrensakt 2 8 0 . 8. Art. 76 Abs. 2 Satz 2281. Stellungnahme des BR zu einer Gesetzesvorlage der BReg. Ob der BR Stellung nimmt und welche u.U., liegt i n seinem Ermessen („Der Bundesrat ist berechtigt . . .") 2 8 2 . 272 Hierüber vgl. oben S. 102 (Nr. 8). 273 Vgl. Maunz, a.a.O. Rn. 18. 274 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 53 Rn. 6. Vgl. auch Schäfer, a.a.O., S. 57. 275 v. Mangoldt/Klein, S. 1051; Maunz, a.a.O. Rn. 7; Hamann, S. 300; Schäfer, a.a.O.; Nawiasky, a.a.O., S. 89. 276 v g l . Schäfer, a.a.O.; Maunz, i n M - D zu A r t . 50 Rn. 23 (b, bb). 277 Vgl. oben S. 124 (Nr. 15). «78 v g l . oben S. 124 (Nr. 17). 279 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 76 Rn. 13; v. Mangoldt/Klein, S. 1738; Nawiasky, a.a.O., S. 119. 280 Zur Stellungnahme der BReg siehe oben S. 106 (Nr. 21). Ferner vgl. oben S. 105 (Nr. 20) u n d S. 125 (Nr. 22) (Gesetzesinitiative der BReg u n d des BT). 281 Hierzu siehe § 13 Abs. 2 b GeschOBR. 282 v g l . Maunz, i n M - D zu A r t . 76 Rn. 10 (mit Schrifttumsangaben); v. Mangoldt/Klein, S. 1730.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
129
Diese Befugnis des BR stellt eine Beteiligung am Regieren (an der Gesetzesinitiative der Regierung) dar 2 8 3 . 9. Art. 81 Abs.l Satzl. Zustimmung des BR zur Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes 284 . Die Zustimmung betrifft den Antrag der BReg. 285 und nicht die Erklärung des BPräs. 286 . Diese Zustimmung ist ein Regierungsakt i m Gegensatz zu derjenigen des A r t . 81 Abs. 2 S. 1 („ . . . soweit der Bundesrat ihm zustimmt"), welche diejenige des Art. 78 GG, also ein Gesetzgebungsakt, ist. 10. Art. 84 Abs. 3 Satz 2. Zustimmung des BR zur Entsendung von Beauftragten bei der Ausübung der Bundesaufsicht. Durch diese Zustimmung, die ein Ermessensakt ist, beteiligt sich der BR an der Regierungstätigkeit der Bundesaufsicht 287 . 11. Art. 91 Abs. 2 Satz 2. Verlangen des BR auf Aufhebung der A n ordnung, wodurch die Polizeikräfte eines Landes der Bundesregierung unterstellt werden. 12. Art. 113. Beschlüsse des BR über Ausgabenerhöhungen 288 . 13. Art. 114 Abs. 2 Satz 2. Entlastungsbeschluß des B R 2 8 9 . 14. Art. 129 Abs.l Satz 2. Stellungnahme des BR zur Entscheidung der BReg. über das Fortgelten von Ermächtigungen aus früherem Recht 290 . 15. Art. 130 Abs.l Satz 2. Zustimmung des BR zur Entscheidung der BReg. über Uberführung, Auflösung oder Abwicklung der am Inkrafttreten des Grundgesetzes vorhandenen Körperschaften. Die Zustimmung ist ein Regierungsakt 291 . V. Regierungsakte anderer Verfassungsorgane und der Länder nach dem Grundgesetz
1. Art. 45 Abs.l. Beschlüsse des ständigen Ausschusses. Trotz der geringen Bedeutung dieses Verfassungsorgans 292 stellen seine Be283 Vgl. V. Mangoldt/Klein, S. 1732; Nawiasky, Grundgedanken, Näheres zu dieser Befugnis siehe bei Schäfer, a.a.O., S. 65 ff. 284 Z u m Gesetzgebungsnotstand siehe oben S. 119 f. (Nr. 16). 285 Z u diesem A n t r a g siehe oben S. 106 (Nr. 22). 286 Maunz, i n M - D zu A r t . 81 Rn. 10. 287 z u r Bundesaufsicht siehe oben S. 107 f. (Nr. 25). 288 v g l . oben S. 127 (Nr. 25). 289 Vgl. oben S. 127 (Nr. 26). 290 v g l . oben S. 110 f. (Nr. 37). 291 Vgl. oben S. 111 (Nr. 38). 292 Maunz, i n M - D zu A r t . 45 Rn. 3. 9
Kassimatis
S. 58 —
130
1. T e i l : Begriff u n d Wesen des Regierens
schlüsse 293 , als Ermessensakte des Verfassungsrechts, Regierungstätigkeit dar. 2. Art. 54 Abs. 4 Satz 2 2 9 4 . Einberufung der Bundesversammlung vom BT-Präsidenten. Hier handelt der BT-Präs. nicht als Unterorgan des BT, sondern als eigenständiges Verfassungsorgan. I n seinem Ermessen liegt die Bestimmung des Ortes und der genauen Zeit i m Rahmen der zeitlichen Grenzen des Art. 54 Abs. 4 GG des Zusammentritts der Bundesversammlung. 3. Art. 54 Abs. 1. Wahl des BPräs. durch die BV. Der Wahlakt ist ein A k t oberster Organisationsgewalt, die zum Regierungsbereich gehört. 4. Art. 57. Wahrnehmung der Befugnisse des BPräs. durch den BR-Präs. I n diesem Fall handelt der BR-Präs. nicht als Unterorgan des BR, sondern als eigenständiges Verfassungsorgan 295 . Der BR-Präs. übt alle Befugnisse des BPräs. aus — auch solche des „politischen Ermessens" 296 . 5. Art. 114 Abs. 2297. Prüfung des Rechnungshofes. Da der Rechnungshof i m ministerialfreien Raum steht, kann er als ein Verfassungsorgan betrachtet werden 2 9 8 . Seine Prüfung erstreckt sich über die Rechtmäßigkeitsfragen hinaus auf die Zweckmäßigkeits- und „ W i r t schaftlichkeits"fragen 299 . Die Rechnungsprüfung umschließt eine a) sachverständige Rechnungskontrolle, b) eine Verwaltungskontrolle, d. h. eine Kontrolle über die Übereinstimmung der Rechnung mit den Gesetzen und den Verwaltungsvorschriften und c) eine Verfassungskontrolle, d. h. eine Kontrolle über die Übereinstimmung der Rechnung m i t den Verfassungsnormen und der Haushaltsermächtigung 300 . I n diesen Fällen liegt eine Rechtsprüfung vor. Da aber die Rechnungsprüfung sich auf Zweckmäßigkeits-, Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsfragen erstreckt, kann man 293 Seine wichtigste Tätigkeit besteht i n der Ausübung des Zitierungsrechts nach A r t . 43 A b s . l GG (Maunz, a.a.O. Rn. 12; Hamann, S. 286; v. Mangoldt/ Klein, S. 953). 2 94 Hierzu siehe § 1 des BPräs.-Wahlgesetzes v o m 25.4.1959 (BGBl. I, S. 230). 295 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 52 Rn. 3. 296 So wörtlich Maunz, i n M - D zu A r t . 57 Rn. 7. Vgl. auch Hamann, S. 258; Dennewitz, B K zu A r t . 57 Erl. I I 2 b, 3 a. 297 Hierzu siehe §§ 87 u. 96 RHaushO u n d § 4 BRHG. 298 Maunz, i n M - D zu A r t . 114 Rn. 12, nennt den B R H „Verwaltungsbehörde i m ministerialfreien Raum". Hierzu vgl. § 1 BRGH. 299 Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 114 Rn. 13 ff.; Viaion, Haushaltsrecht, S. 49 f., 230, 950 f., 984 ff. 300 Vgl. Maunz, a.a.O. Rn. 15 ff.
§ 9. Die Regierungsakte i m Bereich des Rechts
131
einen Ermessensspielraum bei den Entscheidungen des B R H erkennen. Soweit der B R H Ermessensentscheidungen i m Rahmen des Verfassungsbereichs trifft, kann man von einer Regierungstätigkeit dieses Staatsorgans sprechen. 6. Art. zur der des
84 Abs. 3 Satz 2. Zustimmung der obersten Landesbehörden Entsendung von Bundesbeauftragten i m Falle der Ausübung Bundesaufsicht. Hier ist eine Regierungsentscheidung des Lani n den Verfassungsbereich des Bundes einbezogen 301 .
7. Art. 84 Abs. 4 Satzl. Beseitigung der Mängel durch das Land, die die BReg. bei der Ausführung der Bundesgesetze festgestellt hat 3 0 2 . 8. Art. 84 Abs. 4 Satz 2. Beschluß des Landes zur Anrufung BVerfG 3 0 3 .
des
9. Art. 91 Abs.l. Anforderung der Polizeikräfte durch ein Land „zu Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes". Durch die Anforderung der Polizeikräfte ist hier eine Regierungsentscheidung: die Feststellung des Staatsnotstandes ist es dagegen nicht 3 0 4 . 10. Art. 118. „Vereinbarung" zwischen dem badischen und dem w ü r t tembergischen Land 8 0 5 .
sol Hierzu vgl. oben S. 129 (Nr. 10). 302 Hierzu vgl. oben S. 107 (Nr. 27). 303 Hierzu vgl. oben S. 108 (Nr. 28). 304 aA Herrfahrdt, B K zu A r t . 91 Erl. I I 2. 305 Dieser Satz hat keine Bedeutung mehr, w e i l die Neugliederung statt durch Vereinbarung, durch Gesetz erfolgt ist (Maunz, i n M - D zu A r t . 118 Rn. 3; Hamann S. 461; Jess, B K zu A r t . 118 Erl. I I 2.) 9*
Zweiter
Teil
Die Grenzen des Regierens und ihre gerichtliche Kontrolle
§ 10. Gebundenheit der Regierung A . Außerrechtliche Grenzen des Regierens
Dem Regieren sind rechtliche und außerrechtliche Grenzen gezogen. Die Verletzung der außerrechtlichen Grenzen ist nicht rechtswidrig, während eine Mißachtung der rechtlichen Grenzen einen Verstoß gegen das Recht darstellt und die von der Rechtsordnung vorgesehenen Folgen auslöst. Außerrechtliche Schranken der Regierung sind die Ethik und die Zweckmäßigkeit. Diesen Schranken tragen die heutigen Staatsverfassungen Rechnung, indem sie ein System von „checks and controls" vorsehen, durch deren Ingangsetzung eine starke oder dauernde Mißachtung dieser Grenzen oder sogar schon die Gefahr einer Mißachtung aufgehoben bzw. ausgeschaltet werden kann. Dieses Kontroll- und Hemmungssystem liegt im parlamentarisch-demokratischen Staat i n den Händen des Parlaments und des Volkes, die durch Mißtrauensaussprache oder Wahlen entscheidend eingreifen können. Hieraus ergibt sich, daß die außerrechtlichen Schranken des Regierens verfassungsrechtlich keinesfalls irrelevant sind, da sie Entscheidungsgrund und Funktionsfaktor des demokratischen Staatssystems sind. Irrelevant waren diese Grenzen z. B. in der Zeit der absoluten Monarchie, wo es kein solches Kontrollsystem gab. Heute ist die leider seltene Erforschung dieser Grenzen der obersten Staatsführung nicht bloß empfehlenswert, sondern notwendig und von höchster Bedeutung. I. Ethische Bindung des Regierens 1. Die ethischen Postulate spielen eine bindende Rolle i m Staatsleben, einmal indirekt durch ihren Einfluß auf die Rechtsgestaltung — wobei sie zur Aufstellung von vielen Rechtsgrundsätzen geführt hat, wie z.B. die Pflichtmäßigkeit, die Billigkeit, das Gerechtigkeitsgebot,
134
2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
das Willkürverbot u. a. — oder direkt durch Eindringen i n den Beurteilungsspielraum der Kontrollorgane (Volk, Parlament, Staatsoberhaupt, Gerichte) und durch den damit verbundenen Einfluß auf die Kontrolle. Außer dem rechtlichen besteht also ein ethischer Maßstab, wonach die Staatsorgane — bewußt oder unbewußt — ihre Tätigkeit und Leistung richten oder nach dem sie von dem Kontrollorgan beurteilt werden. W i r haben schon die Wichtigkeit und die hohe Bedeutung des Regierens i m Staatsleben gesehen. Solch eine Tätigkeit, welche oft die Existenz des Staates selbst ausmacht, entfaltet der Regierende. Eine solche Entscheidungs- und Handlungsmacht ist einer Person oder einer kleinen Gruppe von Personen anvertraut. Bei der Regierungsdezision ist die Opportunität das ausschlaggebende Prinzip, welches das Regieren sogar i m Gegensatz zu den allgemeinen Postulaten der Ethik bringen kann. Dies ist dagegen nicht der Fall bei der Rechtsetzung, wobei die Gesetzgebungsorgane den allgemeinen Willen und die postulierte Ethik „vertreten". Die Gesetzgebungsentscheidung ist zwar eine Zweckmäßigkeitsentscheidung 1 , die Opportunität ist aber hier durch den allgemeinen Willen entweder bestimmt oder — sonst — durch ihn stark beschränkt. Aus der Situationsbezogenheit des Regierens 2 und aus seinem hiermit zusammenhängenden Opportunitätsprinzip folgt notwendigerweise, daß die allgemeine Ethik das Regieren inhaltlich nicht bestimmen kann. M. a. W. die Forderungen der allgemeinen Ethik sind für die sachlich richtige Regierungsentscheidung und für das Regierungshandeln nicht maßgebend. Dies bedeutet nicht, daß die Regierung unmoralisch, sondern nur, daß sie nicht-moralisch ist. Eine Fesselung der Entscheidungskraft der Regierung durch die allgemeingültigen Postulate der Ethik widerspräche dem Wesen des Regierens als staatsleitender Tätigkeit — genau wie die einer Normierung 3 . Die Regierung ist der primäre und formlose Ausdruck der staatlichen Macht, sie ist die einzige Erscheinung des Staatsganzen — und daher nicht-moralisch. Die allgemeine Moral ist für die Mitglieder einer Gesellschaft und nicht für den Regierenden als solchen, dessen Existenzzweck ein ganz anderer ist, bestimmt. Diese Nicht-Moralität des Regierens darf — wie gesagt — nicht m i t dem Verstoß gegen die Moral verwechselt werden. Wieweit die Postulate der Ethik durch das Regieren verletzt werden können, ist keine Rechtsfrage, sondern unterliegt der Beurteilung der obersten Kontrollorgane des Staates (Volk, Parlament, eventuell Staatsoberhaupt). ι Vgl. oben S. 43 m i t Fußn. 5. 2 Vgl. oben S. 32 ff. 3 Vgl. oben S. 33 f.
§ 10. Gebundenheit der Regierung
135
2. Daß die allgemein postulierte Ethik für das Regieren nicht maßgebend ist, bedeutet nicht, daß i h m jedes ethische Moment fehlt. Eine andere Ethik, eine politische Moral besteht, welche auf die Regierungsorgane bindend w i r k t . Zur Erfüllung seiner höchsten Aufgaben hat der Regierende die Gegenwart und die Zukunft zu erfassen. Unter den Begriff Gegenwart fällt hier die überindividuelle Ganzheit und ihre Existenzprobleme, wofür er Lösungen zu erdenken hat. Er hat ferner i n die Zukunft zu blicken, indem er den Geist und den Weg der Geschichte erfaßt und seinem Volk durch sein gegenwärtiges Regieren und zukunftblickendes Planen den zur Geschichte parallelen Weg bricht. Aus der Notwendigkeit der Erfüllung von höchsten Pflichten ist die auf tiefem Verantwortungsgefühl beruhende Ethik des Regierenden gewachsen. Sie ist eine aus apostolischem Gewissen und Trieb entstandene „organischeBerufsethik",nicht förmlich, wie i n früheren Zeiten oder in primitiven und irrationalen Kulturen, sondern rational und an der Staatsräson sachlich orientiert 4 . Diese Ethik richtet an die staatsführende Elite das Gebot der Verantwortlichkeit gegenüber dem Volke und der Geschichte. Die Staatsführung mit dem starken Sichauswirken nicht nur auf die Gegenwart, sondern auch auf die Zukunft eines Volkes muß — ethisch — eine wirkliche „Aristokratie des Geistes und des Charakters" 5 sein. Das Volk und die Geschichte sind die zwei ethischen Götter, vor denen der homo politicus Rechenschaft ablegt. Bewußt der Verantwortung gegenüber diesen höchsten Instanzen kann der Regierende sich dem Geist der Allgemeinheit nähern und ihn durch sein Wirken zum Ausdruck bringen, die Zukunft des Staates erfassen, zukunftmäßig entscheiden und zeitlos planen. Aus einem so tiefen Verantwortungsgefühl kann der Führer die Gegenwart der Zukunft i m Notfall auch opfern 6 . Er soll so entscheiden, als ob die Geschichte selbst entschiede.
4 Über die verschiedenen soziologischen Erscheinungsformen u n d Inhalte der „organischen Berufsethik" vgl. die tiefsinnigen Darlegungen von Max Weber, Wirtschaft u n d Gesellschaft I, S. 462 ff. — Ist nicht eine Form solcher E t h i k auch das aus der ständischen Ordnung gewachsene u n d m i t der A u s übung der Staatsgewalt durch den Fürst und den K ö n i g verbundene System der Ehren und Würden? (siehe hierüber L. v. Stein, Verwaltungslehre, 1. Teil, S. 168 ff.). Vgl. auch Nicolai Hartmann, Das Problem des geistigen Seins, S. 260 ff.
5 H. Huber, Demokratie, S. 27. 6
Vgl. H. Huber, a.a.O., der glänzend formuliert: „ I m Stillen hängt das Gedeihen auch des demokratischen Staates schließlich davon ab, ob eine Elite die Führung innehat, u n d zwar gewiß nicht eine Führung gegen das Volk, aber wenigstens eine Führung, die auch einmal unter vielen wagen würde, gegen das Volk zu entscheiden, aus höchster Verantwortung, vor allem aber eine Führung, die das Volk nicht n u r zu verstehen vermag, sondern es daneben auch leiten kann."
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens und ihre gerichtliche Kontrolle I I . Die Zweckmäßigkeitsbindung des Regierens
1. Die Bindung des Regierens an seinem Zweck stellt eine außerrechtliche Schranke dieser freien Tätigkeit dar. Die Zweckmäßigkeit ist immer ein Gegensatz zur Freiheit 7 . Das Zweckmäßigkeitsprinzip verwandelt das unberechenbare freie Belieben in pflichtgebundenes Ermessen in jenem Dezisions- und Tätigkeitsbereich, in welchen die Bindungswirkung des Rechts nicht reicht. Zweck einer Regierungshandlung ist die Verwirklichung bzw. Erfüllung eines Staatsinteresses 8, welche der Regierungstätigkeit bedarf 9 . Zu diesem Zweck kann das Regierungsorgan durch verschiedene Handlungen und M i t t e l kommen. Alle diese Handlungen und M i t t e l haben aber nicht den gleichen Qualitätsgrad für die Erreichung des Zweckes. Das Regierungsorgan hat für die Erreichung des Zweckes die beste Handlung zu unternehmen und das geeignetste M i t t e l zu verwenden. Diese Pflicht liegt im Grenzbereich zwischen dem Rechtlichen und dem Nichtrechtlichen. Sein Existenzgrund ist rechtlich, sein Inhalt aber nichtrechtlich. Die Rechtlichkeit der Existenz dieser Pflicht entspringt aus der rechtlichen Bindung ihres Subjekts zum Staat, m. a. W. aus der Staatsorganschaft. Denn das Staatsorgan, das den Staatswillen „repräsentiert" und konkretisiert, kann und darf nichts anderes als das Beste für den Staat wollen 1 0 . Die Nichtrechtlichkeit des Pflichtinhalts ist eine naturgemäße Folge der Nichtnormiertheit 1 1 des Qualitätsgrades der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten, m. a. W. sie ist eine Folge des Fehlens einer rechtlichen Entscheidung über den Wert oder Unwert aller möglichen Handlungen und M i t t e l zur Erreichung des Zweckes. Die existenzielle Rechtlichkeit und die sachliche Nichtrechtlichkeit stellen die Natur der Pflicht eines Staatsorgans dar, 7 So W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 8. 8 Unter dem Begriff „Staatsinteresse" ist der positive Wert, welchen die zum Staate organisierte Allgemeinheit einer Wirklichkeit oder einer Verw i r k l i c h u n g beilegt (vgl. W. Jellinek, Gesetz etc., S. 68 ff. u. 76 ff.). Was Staatsinteresse ist, ist das Resultat einer Wertung nach objektiven Maßstäben. Es stellt keine subjektive Bewertung dar, d. h. keine nach der i n d i viduellen Anschauung des Regierungsorgans. Das Regierungsorgan hat n u r die objektive Bewertung festzustellen (hierzu vgl. den Satz Jellineks, a.a.O., S. 70: „Nicht jedes tatsächliche Interesse ist darum ein berechtigtes Interesse, sondern n u r ein solches ist es, das standhält vor dem kritischen Blick der Gesamtheit"). Das Staatsinteresse ist also hier ein unbestimmter Rechtsbegriff. 9 Das Bedürfnis einer staatlichen Tätigkeit besteht immer, w e n n ein Staatsinteresse da ist. Wenn das Staatsinteresse i n den Sachbereich der Regierung fällt, dann besteht das Bedürfnis einer Regierungshandlung. 10 A u f diesem Grundgedanken fußt die besonders i m Beamtenrecht so große Rolle spielende Treuepflicht u Vgl. oben, S. 33 f.
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wonach es die geeignetsten M i t t e l und Handlungen zur Erreichung des Zweckes auszuwählen hat. I n dieser Pflicht wurzelt das „pflichtmäßige Ermessen", das auch doppelter Natur ist. Die Pflichtmäßigkeit des Ermessens besteht nicht nur in der Pflicht zur Einhaltung der rechtlichen Grenzen des Ermessens, sondern auch in der Pflicht des zweckmäßigen Handelns, sie liegt also nicht nur i m Bereich des Rechts, sondern auch i m Bereich der Zweckmäßigkeitserwägung. Die Rechtlichkeit der Pflichtmäßigkeit des Ermessen andererseits beruht nicht — oder wenigstens nicht nur — auf den positivrechtlichen Grenzen des konkreten Ermessensspielraums, sondern (auch) auf der existenziellen Rechtlichkeit der primären Pflicht des Ermessenssubjekts — des Staatsorgans —, den zweckmäßigsten Weg auszuwählen. Das Verbot der unsachlichen oder sachfremden Erwägungen, das man mit dem Willkürverbot identifiziert, hat seine rechtliche Grundlage nicht i m Gleichheitsgrundsatz, wie irrtümlicherweise behauptet wird, sondern i n der auf der Staatsorganschaft fußenden existenziellen Rechtlichkeit der primären Zweckmäßigkeits- oder Ermessenspflicht. Daß die unsachliche oder sachfremde Erwägung gegen den Gleichheitssatz verstößt oder verstoßen kann, ist bloß eine zufällige Folge der Verwandtschaft des Gleichheitswesens mit dem Wesen der Sachlichkeit oder der Sachmäßigkeit. Dieser Zufall hat zum I r r t u m geführt, daß das Willkürverbot aus dem Gleichheitssatz abzuleiten sei. Die Begriffe „Sachlichkeit" und „Sachmäßigkeit" gehören aber zum Wesen der Staatsorganschaft; wenn ein Staatsorgan aus der „Sache" geht, dann bricht seine Bindung zum Staat und zum Staatswillen. Deshalb ist die Frage, ob eine unsachliche oder sachfremde Erwägung vorliegt, eine Rechtsfrage, weil die Bindung des Staatsorgans eine Rechtsbindung ist. M i t den obigen Erwägungen wurde der Versuch unternommen, das innere Verhältnis der Zweckmäßigkeit und der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung zu zeigen — ein Verhältnis, das auf der doppelten Natur der primären Pflicht zur zweckmäßigen Ausübung des Ermessens beruht. Durch diese doppelte Natur erklärt sich das rechtswissenschaftliche Paradoxum: die rechtliche Statuierung der außerrechtlichen Zweckmäßigkeitskontrolle (Disziplinarkontrolle und politische Kontrolle). Durch die obigen Gedanken ist versucht worden, nicht bloß die Grenzen zwischen der Rechtmäßigkeit und der Zweckmäßigkeit zu ziehen, sondern vielmehr den materiellen Bereich zu zeigen, wo die nichtnormierte Materie der normierten, das Recht der Rechtsleere begegnet. Dieser Begegnungsbereich ist nicht eine Grenzlinie, sondern ein ganzer Grenzbereich: der Ermessensspielraum. Dort innerhalb dieses Spielraumes, wo die Normiertheit endigt, hört damit nicht die Gebundenheit auf — sie setzt sich vielmehr fort als Zweckgebundenheit oder Zweckmäßigkeitsbindung.
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
2. Die Auswahl des zweckmäßigsten Mittels zur Erreichung des Zwecks erfolgt durch Abwägung der verschiedenen möglichen Mittel. Die Abwägung setzt aber eine Bewertung der M i t t e l voraus. Durch die Abwägung und durch die Entscheidung für eine von den vielen Möglichkeiten w i r d dem ausgewählten Mittel ein neuer Wert beigelegt, so daß die Abwägung praktisch eine Bewertung darstellt. Durch diese Bewertung w i r d ein neues Interesse geschaffen, für dessen Verwirklichung es u. U. wieder einer Abwägung und Entscheidung bedarf. Die Abwägung und Bewertung der Wirklichkeiten i m Ermessensausübungsprozeß ist der individuellen Anschauung des Staatsorgans überlassen. Diese nach seiner individuellen Anschauung getroffene Abwägung der Möglichkeiten durch ein Staatsorgan, die auf mehreren Bewertungen beruht und gleichzeitig eine Bewertung ist, ist die Zweckmäßigkeitserwägung. Durch die Zweckmäßigkeitserwägung w i r d das Zweckmäßige gesucht, d. h. das Mittel, das „geeignet ist, den Zweck zu verwirklichen, das heißt als Ursache das, was den Zweck darstellt, als Wirkung herbeizuführen" 12 . Wie schon gesagt, Zweck ist bei Ermessenstätigkeit immer ein Staatsinteresse. Das Staatsinteresse ist durch staatliche Wertung einer W i r k lichkeit entstanden 13 . Das Werturteil, wonach eine Wirklichkeit zum Staatsinteresse erhoben wird, w i r d entweder durch ein Staatsorgan nach seiner individuellen Anschauung getroffen oder nach überindividueller Bewertung gebildet. I m ersten Fall ist das Staatsinteresse eine Schaffung des Ermessens, i m zweiten Fall ist es ein Gebilde der Allgemeinheit i m Rechtsetzungsverfahren und daher ein Rechtsbegriff. Dieses Staatsinteresse ist ein „objektiver" oder ein „gesollter" Zweck 1 4 für die Ermessenstätigkeit, d.h. es liegt nur das „Wie", nicht aber das „Ob" der Verwirklichung dieses Zweckes i m Ermessen des Staatsorgans. Denn das Staatsinteresse ist hier nicht vom maßgeblichen Staatsorgan nach seiner individuellen Anschauung geschaffen, sondern seine Verwirklichung ist ihm zur Aufgabe gestellt worden. Es ist hier zu unterstreichen, daß die höchsten Interessen des Staates objektive Zwecke i m obigen Sinne sind, wie. z. B. das Existenzinteresse des Staates, das Interesse an der Aufrechterhaltung der Staatsform usw. Wenn eine Wirklichkeit durch objektives Werturteil der Allgemeinheit nicht zum Staatsinteresse erhoben wurde und daher nicht als (unbestimmter) Rechtsbegriff gelten kann, dann ist ihre Bewertung der individuellen Anschauung des Staatsorgans überlassen 15 . 12
So Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 24. Siehe oben Fußn. 8. 14 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 23 f. Hierzu vgl. die Erwägungen W. Jellineks, Gesetz, etc., S. 33 f., die zusammenfassend sind: „Das Gesetz ist f ü r das Staatsorgan Gedanke u n d 13
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3. W i r d die Bewertung der wirklichen Welt der individuellen Entscheidungskraft eines Staatsorgans überlassen 16 , so steht man vor dem Spielraum der freien Staatstätigkeit. Diese Staatstätigkeit ist zwar, wie gesagt, durch eine Kette von Werturteilen auf den Zweck gerichtet und durch ihre Staatlichkeit an die Zweckrichtung sachlich gebunden, ist aber von jedem rechtlichen Gedanken sachlich frei. „Die individuelle Anschauung über den inneren Wert oder Unwert einer Verwirklichung" stellt gerade die sachliche Rechtsfreiheit der Ermessenstätigkeit dar, mag sie eine Ausübung des Verwaltungs- oder des Regierungsermessens sein 17 . Der individuelle Wille bei der Zweckmäßigkeitserwägung unterliegt außer durch die Staatlichkeit und Zweckgerichtetheit i n Staatssystemen, i n welchen der allgemeine Wille der höchste Wille ist, wie z. B. in der Demokratie 18 , einer weiteren Bindung: der Bindung durch den allgemeinen Willen. Das Staatsorgan X entscheidet bei der Ausübung seines Regierungsermessens 18a weder nach Erwägungen und Maßstäben der Privatperson X, noch nach dem Willen der Allgemeinheit i n bezug auf den Gegenstand der Entscheidung, wie beim Rechtsetzen, sondern nach Erwägungen und Maßstäben des Staatsorgans X (z. B. des Kanzlers). Diese Differenzierung von individuellem Privatwillen, individuellem Staatswillen und allgemeinem Staatswillen beruht auf der sachlichen Unterscheidung entsprechender Sachbereiche und materieller Tätigkeiten. Daß der Erwägungsbereich des individuellen Staatswillens sich vom Privatwillen unterscheidet, bedarf keiner besonderen Befehl... Der logische Ausdruck für das Fehlen eines eigenen Gedankens ist die Frage. Der Gesetzgeber frägt und befiehlt zugleich die A n t w o r t . . . Soweit der Gesetzgeber frägt, besteht unzweifelhaft eine Freiheit von gesetzgeberischen Gedanken... Die Frage k a n n so gemeint sein, daß der Gesetzgeber auf etwas objektiv Feststellbares hindeutet; dann ist das Staatsorgan durch sein Objekt gebunden, also unfrei. Der Gesetzgeber k a n n aber die Frage auch unmittelbar an das Staatsorgan selbst richten, i n dem Sinne, daß dessen individuelle A n t w o r t entscheiden soll; das erst ist w i r k liche Freiheit." 16 Z u der Überlassung hier vgl. die Formulierung W. Jellineks, a.a.O., S. 89 i n seiner Definition des Ermessens: „ . . . die v o m Recht m i t Maßgeblichkeit ausgestattete . . . individuelle Anschauung . . . " . 17 Vgl. die Definition des Ermessens von W. Jellinek, a.a.O., S. 89: „Freies Ermessen ist die v o m Recht m i t Maßgeblichkeit ausgestattete, fehlerfrei zustande gekommene individuelle Anschauung über den inneren Wert oder U n w e r t einer Verwirklichung." 18 Der W i l l e der „Werktätigen" (Art. 2 und 3 der Verfassung der UdSSR v o m 5.12.1936) oder der W i l l e der „Arbeiterklasse" (Art. 1 der Verfassung der Volksrepublik China vom 20.9.1954) ist der höchste W i l l e i m Staate und eine A r t allgemeinen Willens i m Gegensatz zum individuellen. Die Demokratie als Staatsprinzip und Rechtsbegriff i m traditionellen Sinne ist daher nur ein Beispiel von Staatssystemen, die als höchsten W i l l e n einen über- bzw. nichtindividuellen W i l l e n anerkennen. 18a
Bei dem Verwaltungsermessen gilt entsprechendes.
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
Erläuterung. Der allgemeine Wille wieder findet seine Äußerung i n der Formulierung abstrakten Wollens (Rechtsetzung) und in Ermächtigung oder E r m ä c h t i g u n g eines Staatsorgans zur Regelung der Einzelfälle. Diese Er- bzw. E r m ä c h t i g u n g des individuellen Willens hat i m Grunde den Sinn der Zweckmäßigkeitskontrolle der Ermessentätigkeit durch den allgemeinen Willen. So t r i f f t der allgemeine Wille die letzte Entscheidung, ob das „richtigste" und das „zweckmäßigste" vorgenommen wurde, wenn nicht in concreto, wenigstens i n abstracto, d. h. i m Rahmen der Kontrolle der Ausübung der Staatsgewalt i m allgemeinen. Diesem a posteriori zustande kommenden, „richtigsten" Werturteil, das nicht das Objekt, sondern das Subjekt betrifft, trägt das handelnde Staatsorgan Rechnung. So tendiert die individuelle Willensbildung eines gewissenhaften Regierungsorgans dahin, m i t dem allgemeinen Willen möglichst zu harmonisieren. Dies bedeutet aber eine Bindung der Zweckmäßigkeitserwägungen an das allgemeine Wollen. Die Gefahren aus der Ermächtigung des individuellen Willens zur Entscheidung über Fragen von höchster Bedeutung für den Staat liegen auf der Hand. Das Beauftragen einer Person mit den Staatsaufgaben ohne jegliche Kontrolle wäre Unsinn. Deswegen ist i m demokratischen Staat die freie Regierungstätigkeit unter die Kontrolle der Volksvertretung und des Volkes gestellt. Diese Kontrolle der Regierung durch das Parlament und die Wählerschaft hilft bei der Ermittlung der ihr zugrunde liegenden objektiven sachlichen Bewertung. Durch die Erbzw. Entmächtigungsentscheidungen der Subjekte des allgemeinen Willens w i r d das objektive B i l d des vorbildlichen Regierungsorgans ersichtlich. Obwohl das Volk oder die Volksvertretung keine Lösungsentscheidungen für nichtnormierbare Regierungssachen treffen können, können sie jedoch die „Richtigkeit" und „Zweckmäßigkeit" solcher Entscheidungen nachprüfen und über die Regierungsorgane durch Kollegialakte entscheiden. Dies genügt zur Bezeugung einer objektiven, d. h. von dem allgemeinen Willen unternommenen Wertung der w i r k lichen Welt, welche die Zweckmäßigkeitserwägungen des Regierungsorgans bindet. B. Rechtliche Grenzen des Regierens I . Betrachtungen zu den allgemeinen Grundlagen der rechtlichen Bindung des Regierens
Der Problemkreis der rechtlichen Gebundenheit des Regierens ist für unsere ganze Arbeit von grundlegender Bedeutung. Von der Stellungnahme gegenüber dieser Problematik hängt auch i m Grunde die Beantwortung der Justiziabilitätsfrage der Regierungsakte ab, wom i t w i r uns in den nächsten Paragraphen befassen.
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1. Die rechtliche Gebundenheit des Regierens ist i m Grunde ein Problem des Rechtsstaates i m herkömmlichen Sinne. I m absolutistischen Staat oder in der Diktatur ist dieses Problem theoretisch denkbar wegen der materiellen Unterscheidung zwischen Rechtsetzen und Leiten, zwischen Rechtssatz und Regierungsakt, hat aber wegen der Konzentrierung aller Gewalten und aller Macht i n einer Person keine praktische Bedeutung. Der Rechtsstaat steht unter der Herrschaft des Rechtes, das das Individuum vor der W i l l k ü r 1 9 bei der Ausübung der Staatsgewalt schützen soll. Der Vorrang des Rechtes als Grundprinzip des Rechtsstaates stellt die allgemeine Grundlage der Rechtsgebundenheit des Regierens dar. Da der Rechtsstaat historisch mit dem demokratischen Staatsprinzip eng verbunden ist, versteht man unter Herrschaft des Rechts die Herrschaft der Allgemeinheit bzw. des allgemeinen Willens. A n das i m Recht konkretisierte allgemeine Wollen ist das Regieren gebunden 20 . Die unter der zum Bannfluch gewordenen Ansicht vieler Autoren, besonders i m Zusammenhang mit der Justiziabilitätsfrage der Regierungsakte, daß die Regierung außerhalb des Rechts liege, kann zweierlei verstanden werden: Entweder ist die Regierung ein Bereich staatlicher Materie und Tätigkeit, auf welcher das Recht seine Herrschaft aus historischen Gründen nicht hat ausstrecken können und welcher daher ein rechtsfremdes und rechtsfreies Gebiet geblieben ist, oder sie ist ein rechtsumrahmter Bereich, der zwar innerhalb seiner Grenzen als Feld der Entfaltung primärer Staatstätigkeit und der primären Wertung der Wirklichkeit rechtsfrei ist, jedoch Grenz- und Verbindungspunkte m i t dem Recht aufweist, wo dieses seine Herrschaft i n rechtsgegebenen Fällen ausüben kann. I m ersten Fall handelte es sich um ein Überbleibsel des Absolutismus i m Rechtsstaat 21 . Eine solche Behauptung wäre falsch, denn sie widerspräche dem Kernsinn des Rechtsstaatsprinzips, wonach alles unter der Herrschaft des Rechts steht. Die Macht der Allgemeinheit hat sich i m heutigen Staatsleben so tief durchgesetzt, daß kein Raum für Rückstände des Absolutismus bleibt. Die Grundlage der Rechtsfreiheit des Regierens ist nicht eine geschichtlich-politische, sondern eine rechtliche. Nur eine geschichtlichpolitische Grundlage der Dezisionskraft der Regierung würde uns erlauben, sie als Überbleibsel des Absolutismus anzusehen, denn nur 19 Über ein allgemeines W i l l k ü r v e r b o t vgl. Giacometti, Allg. Lehren Bd. I, S. 230 ff. u n d 286 f. Vgl. auch oben S. 137 f. 20 Über die Zweckmäßigkeitsbindung der Regierung an den allgemeinen W i l l e n siehe oben S. 139 f. 21
Vgl. Ipsen t Politik und Justiz, S. 135 Fußn. 334.
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
i n einem solchen Fall wäre das Regieren Realisierung und Konkretisierung eines nach absolutistischen Vorstellungen partikulären Willens gegen den Willen der Allgemeinheit. Dies entspräche aber keinesfalls der heutigen staatlichen Wirklichkeit, wo keine der Allgemeinheit entgegengesetzte Macht sichtbar und kein anderer als der allgemeine Wille anerkannt ist. I m demokratischen Rechtsstaat herrscht nur eine Macht: die Macht der Allgemeinheit 2 2 , von welcher alle Gewalt ausgeht. Das gleiche gilt auch i n den königlichen Demokratien. Der König ist kein Monarch und besitzt keine eigene Macht. Er ist ein Verfassungsorgan wie die anderen und seine Befugnisse stellen keine „Rechte" oder „Prärogativen" i m absolutistischen Sinne dar. Die Befugnisse des Königs haben ihren Geltungsgrund i m Recht und entspringen aus der Macht der Allgemeinheit, deren Herrschaft auch er untersteht. Er kann keinen dem der Allgemeinheit entgegengesetzten Willen äußern. Daraus ergibt sich, daß der König niemals gegen den Willen der Volksvertretung oder der vom Volk gewählten und das Vertrauen des Parlaments genießenden Regierung entscheiden oder handeln kann. I m Bereich des Regierens darf der König keine andere Meinung als die der Regierung haben und i n bezug auf die regierenden Personen darf er keine andere als das Volk und die Volksvertretung wollen. Eine Meinungsverschiedenheit i n Regierungssachen zwischen König und Regierung ist undenkbar. Der König ist also i n den königlichen Demokratien nur ein förmliches, nicht aber substantielles geschichtliches Überbleibsel des Absolutismus. 2. Der Staatswille verwirklicht sich entweder in apriorischen objektiven Wertungen (Rechtsnormen) oder i n aposteriorischen individuellen Wertungen und Entscheidungen. I m ersten Fall liegt eine sachlich unmittelbare Realisierung des allgemeinen Willens vor, während es sich i m zweiten Fall um Konkretisierung eines i h m substituierten W i l lens handelt. So stellt das Regieren (und die Ermessensentscheidung schlechthin) eine Konkretisierung individuellen Staatswillens als substituierten des allgemeinen dar. Diese Substituierung wurde aus der Notwendigkeit vorgenommen, das a priori Nichtvoraussehbare zu bewältigen 2 3 . Das Regieren als freie Tätigkeit hat aber i m absolutistischen oder i m diktatorisch regierten Staat nicht i n der Nichtnormierbarkeit seinen Existenzgrund, sondern i m Prozeß der geschichtlichen Entwicklung, und zwar i m Kampf der entgegengesetzten sozialen Kräfte i m Felde der Geschichte. Gleich nach einem solchen Kampf und während die Spannung ruht, stellt man oft einen Rückstand von der besiegten Macht fest. Dies war der Fall i n der Periode (18.—19. Jh.), i n welcher 22 Vgl. hierzu Imboden, 23 Siehe oben, S. 32 ff.
Die Staatsformen, S. 72 ff.
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die verfassunggebende Gewalt entweder allein der Monarch („Oktroyierte" Verfassungen) 24 oder der Monarch und die Volksvertretung (vereinbarte Verfassungen) ausgeübt haben 25 . Heute ist sowohl das System der Oktroyierung der Verfassung (Monismus des Willens des Monarchen), als auch der Dualismus bei den vereinbarten Verfassungen 26 » 27 , die der konstitutionellen Monarchie zugrunde lagen, überwunden und an deren Stelle ist der Monismus der Macht der Allgemeinheit getreten. Die Verfassung ist heute kein Vertrag, sondern eine einseitige Entscheidung des Volkes 2 8 . Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß die Rechtsfreiheit des Regierens i m demokratischen Rechtsstaat kein Überbleibsel des Absolutismus, sondern ein Phänomen des praktischen Lebens ist, dessen Existenzgrund i m Wesen des Rechts als eines naturgemäß begrenzten menschlichen Voraussehens der Wirklichkeit liegt. 3. Aus den obigen Erwägungen folgt, daß die Regierungstätigkeit i m Rechtsstaat keinesfalls i m Gegensatz zum Recht steht oder stehen kann. Der Bereich der Regierung liegt nicht außerhalb des Bereichs der Rechtsnormen 29 . Grundlage, Geltungsgrund und prinzipielle Gebundenheit des Regierens stellt das Ermächtigungsverhältnis zwischen allgemeinem und individuellem Staatswillen, zwischen Recht und Staatsorganen dar. Der individuelle Wille der Regierung stützt sich, wie gesagt, nicht auf eigene Macht, sondern auf die Macht der Allgemeinheit. Die Macht der Regierungsorgane ist eine verliehene Macht. Diese „Ermächtigung" des individuellen Willens ist die tiefste Grundlage der rechtlichen Grenzen seines freien Spielraumes. I n dem Wesen und i n der A r t dieser Ermächtigimg liegen beide Grundeigenschaften des Regierens: die rechtliche Freiheit und die rechtliche Gebundenheit. Freiheit besteht, weil gerade eine „Ermächtigung", d. h. eine i n bianco 24 Bei der Oktroyierung der Verfassung k a n n man nicht von einem Überbleibsel des Absolutismus, sondern v o m Absolutismus selbst sprechen, w e i l der allgemeine W i l l e noch keine „offizielle", d. h. keine staatliche Rolle hat, sondern w e i l sie ein Vorzeichen (Verfassungsoktroyierung) der auftauchenden Macht der Allgemeinheit ist. 25 Darüber näheres bei: Schmitt , Verfassungslehre, S. 13 f., 44 ff. (besonders 52 ff.), 61 ff. (besondes 64). 2 6 Hierüber vgl. Schmitt, a.a.O., S. 53. 27 Dieser „Dualismus" der Willensmächte darf nicht m i t dem oben i n S. 36 Dualismus von Staatswillen bei der Ausübung der Staatsgewalt verwechselt werden. 28 Hierzu vgl. Schmitt, a.a.O., S. 23 f. 2 » Vgl. Nawiasky, Allg. Staatslehre, 3. Teil, S. 78; Maunz, BayVB1.1963, S. 33; Giese - Neuwiem - Cahn, Verwaltungsrecht, S. 4; H. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 64; Scheuner , i n R.St.W. Bd. 3 (1951), S. 146; derselbe, Der Bereich der Regierung, S. 279 ff.; Koellreutter, Staatsrecht, S. 220; derselbe, DÖV 1951, S. 440 (VI); Maunz - Dürig, zu A r t . 20 Rn. 144; Dendias, L a fonction gouvernementale, S. 33, 57 ff.; Dreher, N J W 1951, 377 ff . (380 a.E.).
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
Vollmacht bzw. eine sachfreie Verleihung von Macht, die unnormierbare Wirklichkeit zu bewältigen, zugrunde liegt. Gebundenheit liegt vor wieder wegen der Ermächtigung, denn der ermächtigte Wille darf die materiellen (Staatlichkeit) und die formalen Grenzen der Ermächtigung nicht überschreiten. Die Gebundenheit der Regierung ist, wie gesagt, als Begrenzung und nicht als sachliche Vollziehung zu verstehen 30 » 31 . Materielle Züge weist diese Begrenzung nur als Staatlichkeit und als Kompetenzumgrenzung auf. Die rechtliche Gebundenheit des Regierens ist, wie schon erwähnt wurde, die Grundlage seiner Staatlichkeit. Dadurch w i r d der individuelle Wille Staatswille. Diese rechtliche Grundlage vermag dem Regieren nicht den Charakter der Vollzugstätigkeit beizulegen, wie es Vertreter rechtspositivistischer Auffassungen wollen 3 2 , denn die Vollziehung setzt nicht bloß eine Anwendung von Rechtsnormen, sondern eine konkrete sachliche Rechtsbindung voraus. 4. Die Überlegenheit des allgemeinen Willens gegenüber dem individuellen hat i n vielen Bestimmungen des Grundgesetzes Ausdruck gefunden. Grundlegend hierbei ist Art. 20 GG mit seinen Verfassungsgrundentscheidungen für die Volkssouveränität (Abs. 2 S. 1 : „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"), für die Demokratie und Republik (Abs. 1) und die Rechtsstaatlichkeit (Abs. 3) 33 . K r a f t dieser Grundentscheidungen ist alle Willensbildung i m Staate der Willensbildung des Volkes untergeordnet 34 . Das Grundgesetz hat der Überlegenheit des Volkswillens nicht nur i m Art. 20 Ausdruck gegeben, sondern i n allen jenen Bestimmungen, i n welchen der Vorrang des Rechtes, das eine Konkretisierung des allgemeinen Willens ist, festgesetzt ist. So z. B. garantiert Art. 28 GG (Abs. 1 u. 3) die Rechtsstaatlichkeit und die anderen Grundprinzipien des A r t . 20 GG für den Verfassungsbereich der Länder, und Art. 93 Abs. 1 (namentlich Nr. 1—3) verstärkt die Rechtsordnung dadurch, daß er die Verfassungsgerichtsbarkeit, also die gerichtliche Entscheidung, 30 Da die Gebundenheit der Regierung eine Begrenzung ist, kann man das Regieren als Vollzugstätigkeit nicht ansehen. Die Grenzen werden nicht v o l l zogen, sondern gehalten! (Vgl. auch oben S. 38 u n d unten 148). 31 Hierzu vgl. Giese - Neuwiem - Cahnf Verwaltungsrecht, S. 4, w o die Regierung als eine „normenumrahmte Tätigkeit" und als „negativ beschränkt" charakterisiert w i r d . 32 Vgl. z. B. Nawiasky, Allg. Staatslehre, 2. T e i l I I . Bd., S. 14 u n d 3. Teil, S. 79; Kelsen, Hauptprobleme, S. 491 ff. (Vgl. auch unten S. 148). 33 Uber die Begriffe: „Republik", „Demokratie", „Volkssouveränität", „Rechtsstaatlichkeit" siehe: Dürig, M - D zu A r t . 20 Rn. I f f . ; Maunz, ebenda, Rn. 29 ff., 46 ff.; v. Mangoldt/Klein, S. 593 ff.; Hamann, S. 205 ff.; Maunz, Staatsrecht, S. 59 ff. 34 Vgl. Hamann, S. 9 (Einführung).
§ 10. Gebundenheit der Regierung
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für Streitigkeiten zwischen höchsten Staatsorganen und -faktoren weit ausbaut 35 . 5. Entscheidend für die Begrenzung und Gebundenheit der Regierungstätigkeit ist der Rechtmäßigkeitsgrundsatz des A r t . 20 Abs. 3 GG: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden." So entgeht kein Teil der Staatsgewalt der Rechtsgebundenheit. Auch die Regierung, als Teil der Staatsgewalt, ist an „Gesetz und Recht" 3 6 gebunden. Wie die Ermessenstätigkeit der Verwaltung, muß auch der andere Teil der freien Tätigkeit der „vollziehenden Gewalt", d. h. das Regieren, rechtmäßig sein 37 . Daß die „verfassungsmäßige Ordnung" als bindende Normordnung nicht für die vollziehende Gewalt (und die Rechtsprechung), sondern nur für die Gesetzgebung i m Art. 20 Abs. 3 GG erwähnt wird, bedeutet nicht, daß nur diese letzte an die Verfassung gebunden ist, i m Gegenteil: jede Staatstätigkeit ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Dies ist besonders für das Regieren zu betonen, dessen rechtliche Grundlage i n der Verfassung liegt. So müssen sich alle A k t e der Regierung potentiell auf die Verfassung oder die Verfassungsgesetze zurückführen lassen 38 . Die Grenzen, die die Verfassung und die Gesetze um das Regieren ziehen, sind durch materielles Recht oder formale (Zuständigkeits-) Normen gezogen. Diese Schranken stellen die äußeren 39 Grenzen der Regierung dar. Die durch die Zuständigkeitsnormen gezogenen Grenzen sind zwar formaler Natur aber m i t sachlicher Wirkung; denn durch die Zuständigkeitsverteilung werden Kompetenzbereiche geschaffen, d. h. Sachbereiche bestimmt. Dadurch erhält die an sich neutrale Organisierung 40 sachliche Bedeutung, natürlich nur für das Staatsorgan, dem die Zuständigkeit zugeteilt wird. Für Dritte haben die Zuständigkeitsnormen keine sachliche Bedeutung, sofern sie keine materiell-rechtlichen Elemente enthalten 41 , was zwar oft der Fall ist. 35
Hierzu: Hamann, a.a.O. Uber die umstrittene Bedeutung des Begriffspaares: „Gesetz und Recht" siehe: Maunz, Staatsrecht, S. 63 f.; Maunz - Dürig zu A r t . 20 Rn. 72 m i t dem dort angeführten Schrifttum; v. Mangoldt/Klein, S. 603 f.; Hamann, S. 212. 37 Vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 602; Maunz - Dürig zu A r t . 20 Rn. 124 u. 144; Hamann, S. 211. 38 Vgl. Maunz - Dürig zu A r t . 20 Rn. 124. 39 Über den Unterschied zwischen äußeren u n d inneren Grenzen des E r messens siehe das unten S. 154 Fußn. 92 angegebene Schrifttum. Über die inneren Grenzen des Ermessens siehe unten S. 156 f. 40 Vgl. oben S. 98 Fußn. 21, S. 108 f. (Nr. 31). 41 Näheres hierüber i m folgenden unter (II). 36
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Kassimatis
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
I I . Die verschiedenen Gruppen der positivrechtlichen Grenzen des Regierens
Nach der Betrachtung der allgemeinen Grundlagen der rechtlichen Gebundenheit des Regierens, sehen w i r i m folgenden die verschiedenen Gruppen seiner rechtlichen Grenzen 4 1 a . Diese Gruppen finden sich entweder unmittelbar i n der Verfassung, wie die Kompetenzbestimmungen, die verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen, die Grundrechte und andere spezielle Begrenzungen des Regierens, oder i n dem nach A r t . 20 Abs. 3 alle Staatsgewalten bindenden geltendem Recht, wie i m Strafrecht, i m Zivilrecht, i n dem innerstaatlich geltenden Völkerrecht und anderen Rechtsgrundsätzen. 1. Die erste Gruppe der rechtlichen Grenzen des Regierens findet sich i n den Kompetenzbestimmungen, die hauptsächlich i m Grundgesetz vorgesehen sind. Durch diese Verfassungsnormen werden die Regierungssachen entweder unter verschiedene Verfassungsorgane, oder innerhalb der Regierung i m organisatorischen Sinne 42 verteilt. Die Verteilung der Regierungskompetenzen innerhalb der Regierung unternimmt das Grundgesetz auf Grund von drei Prinzipien: dem Kollegial-, dem Kanzler- und dem Ressortprinzip 43 . So z. B. beruht die Zuständigkeit für den Beschluß über die Vornahme des Bundeszwanges 44 , für die Ausübung der Gesetzesinnitiative 45 , für den Antrag auf Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes 46 u. a. auf dem Kollegialprinzip. Auf dem Kanzlerprinzip beruht die Bestimmung der Richtlinien der Politik 4 7 , die Ernennung des Stellvertreters des Kanzlers 4 8 u. a. Das Ressortprinzip t r i f f t man z. B. i n A r t . 65 S. 2, wonach jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich leitet 4 9 , in A r t . 65 a, wonach die Befehls- und Kommandogewalt dem Bundesminister für Verteidigung zusteht 50 , u. a. Eine nähere Regelung der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Regierung des A r t . 62 GG sieht die Geschäftsordnung der Bundesregierung vom 11. Mai 1951 vor. 41a Koellreutter, D Ö V 1951, S. 440 (VI) schreibt: „Das Recht setzt der politischen Gewalt Schranken. Wie weit oder eng sie gezogen sind, welche rechtsnormfreien Bereiche es gibt, das k a n n meines Erachtens nicht die Theorie festlegen, sondern das ergibt sich aus der jeweiligen Staats- u n d Rechtsgestaltung. 42 Über die Regierung i m organisatorischen Sinne siehe oben, S. 55 ff. « Vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 65 Rn. 1; oben S. 59. 44 Hierüber vgl. oben, S. 100 (Nr. 3). 4 s Vgl. oben, S. 105 (Nr. 20). « Vgl. oben, S. 106 (Nr. 22). 47 Vgl. oben, S. 103 (Nr. 13) u n d S. 58 m i t Fußn. 20. 48 Vgl. oben, S. 105 (Nr. 18). Vgl. oben, S. 104 (Nr. 14). so Vgl. oben, S. 104 (Nr. 16).
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M i t Regierungsangelegenheiten sind, wie w i r schon gesehen haben, nicht nur die eigentlichen Regierungsorgane, sondern auch die anderen Verfassungsorgane durch kompetenzbegründende Verfassungsbestimmungen beauftragt 51 . Die Kompetenzbestimmungen der Verfassung und der sie ergänzenden Gesetze, durch die Regierungsaufgaben verteilt werden, ziehen dem Regieren Grenzen dadurch, daß bestimmte Regierungstätigkeiten nur von bestimmten Staatsorganen 52 oft nach bestimmten Verfahren wahrgenommen werden können 5 3 . Die Zuständigkeitsnormen sind, wie schon gesagt, oft nicht sachlich neutral, sondern enthalten sachgestaltende Begriffe für die „Ausfüllung" des betreffenden Kompetenzbereiches. Aus den Kompetenznormen ergeben sich nämlich die materiellen Geschäftsbereiche der Verfassungsorgane und ihre Sachbefugnisse, die oft fälschlich „Rechte" genannt werden. So werden durch die Zuständigkeitsnormen gleichzeitig m i t den formalen auch sachliche Grenzen gezogen 54 . Die materiellen Rechtsbegriffe, welche i n den Zuständigkeitsnormen enthalten sind und die Geschäftsbereiche sachlich gestalten, sind nichts anderes als vom materiellen Recht bereits bewertete Wirklichkeiten. Sie begrenzen die freie Staatstätigkeit genau wie die materiellen Rechtsnormen. So ist z. B. der Begriff „Auflösung des Bundestages" (Art. 68 GG) ein materieller Rechtsbegriff. Der Bundespräsident darf dieses „Recht zur Auflösung" des BT nur i m Sinne des Rechtes, d. h. nur i n dem Sinne, den der Begriff „Auflösung" i n der Rechtsgestaltung erhalten hat, ausüben. A n den Sinn des Rechtsbegriffes ist das zuständige Staatsorgan also gebunden. Das gleiche ist z. B. i m Falle des Art. 81 GG zu sagen: Dem Bundespräsidenten steht nach diesem Artikel, außer dem M i t t e l der Auflösung des BT, die Erklärung des „Gesetzgebungsnotstandes" zur Verfügung. Die Zuständigkeit des BPräs. zur Wiederherstellung der Funktion der Gesetzgebung ist sachlich begrenzt, indem ihm erstens aus den vielen denkbaren Möglichkeiten nur drei zugewiesen sind: „Die Auflösung des Bundestages", „die Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes" und die Untätigkeit 5 5 und zweitens: si Vgl. oben Katalog, S. 111 ff. (II, I I I , I V , V). Über die Frage, ob die Bundesregierung Zuständigkeiten eines Bundesministers u n d umgekehrt wahrnehmen darf, siehe v. Mangoldt/Klein, S. 1197. 53 Die ersten allgemeinen Zuständigkeitsgrenzen werden durch die Legaldefinition der Regierung durch A r t . 62 GG (vgl. oben, S. 58 f.) gezogen. 54 Dies geschieht nicht i m Falle der „Minister ohne Portefeuille" (ohne Geschäftsbereich), w e i l hier die Sachkompetenz fehlt. Die Frage, ob solche Minister nach dem Grundgesetz verfassungsmäßig sind, ist umstritten (vgl. v. Mangoldt/Klein, S. 1216 (dafür), Hamann, S. 314 (dagegen). ss Vgl. oben, S. 119 (Nr. 16). 52
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indem er bei der Ausübung seiner Befugnisse — „Auflösung des Bundestages" und „Erklärung des Bundeszwanges" — diese Begriffe als Rechtsbegriffe zu verstehen hat. Ähnlich ist die Zuständigkeit der Bundesregierung und des Bundesrates zur Wiederherstellung der bundestaatlichen Ordnung begrenzt: es steht ihnen nur der „Bundeszwang" zur Verfügung, nach dem vom Recht gewollten Inhalt. Die obigen Beispiele zeigen, wie durch die Kompetenzbestimmungen dem Regieren neben den formalen auch sachliche Grenzen gezogen werden 5 6 . Die formale und besonders die sachliche Begrenztheit des Regierens durch die Kompetenznormen der Verfassung ergibt die Frage, ob die Regierung eine Vollzugstätigkeit, eine Vollziehung nämlich der Verfassung ist. Die diese Frage bejahende Auffassung, die von der Lehre der Verfassungsvollziehung von Carré de Malberg i n Frankreich und von der Wiener Schule vertreten worden ist 5 7 , ist, wie schon oben wiederholt gesagt wurde 5 8 , abzulehnen. Die formale und sachliche Gebundenheit des Regierens durch die Kompetenznormen ist nämlich nicht als eine die materielle Selbständigkeit der Regierung aufhebende sachliche Bindung, sondern als eine Umgrenzung eines Sachbereichs zu verstehen 59 . 2. Die i m Rahmen der materiellen und kompetenzregelnden Bestimmungen der Verfassung sich entwickelnde Regierungstätigkeit ist vor allem an die verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen gebunden 60 . Da diese Grundentscheidungen die Staatsform ausmachen 61 , w i r d dadurch die Relativität der Regierung zur Staatsform geschaffen 62 . Ihrer Bindungskraft untersteht, wie jede Ausübung der Staatsgewalt, auch die Regierung. Verfassungsgestaltende Grundentscheidungen oder Grundprinzipien des Grundgesetzes 63 sind: die Rechtsstaatlichkeit 64 , die 56
Giacometti, Staatsrecht der Schweiz. Kantone, S. 418, sieht n u r eine formale Bindung der Regierung durch die Zuständigkeitsbestimmungen. Eine materielle Normierung des Regierens anerkennen dagegen: Wolff , V e r w a l tungsrecht I, S. 70 und Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 279 ff. 57 I n bezug auf die Wiener Schule vgl. z. B. : Kelsen, Allg. Staatslehre, S. 243 ff.; derselbe, Hauptprobleme, S. 491 ff.; Merkl, Verwaltungsrecht, S. 45 ff. Vgl. auch oben S. 81 Fußn. 76. 58 Vgl. oben S. 38, 63 f., 66, 81 f. 59 Deswegen können Regierungsakte vorgenommen werden, ohne daß es nötig ist, daß sie i n einer Kompetenznorm vorgesehen sind. co Vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 70. 61 Die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen können durch Verfassungsänderung nicht berührt werden (Art. 79 Abs. 3 GG). 62 Vgl. oben, S. 25, 32 ff. 63 Darüber siehe: Wolff, Gedächtnisschrift f ü r W. Jellinek, S. 33 ff.; derselbe, Verwaltungsrecht I, S. 103 f.; Maunz, Staatsrecht, S. 52 ff.; Hamann, S. 19 ff. (Einführung). 64 Die Rechtsstaatlichkeit fußt hauptsächlich auf dem A r t . 20 Abs. 3 u n d
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S o z i a l s t a a t l i c h k e i t 6 5 , die F r e i h e i t l i c h k e i t 6 6 , das d e m o k r a t i s c h e P r i n z i p 6 7 , das r e p u b l i k a n i s c h e P r i n z i p 6 8 , das bundesstaatliche b z w . föderalistische P r i n z i p 6 9 u n d das G e w a l t e n t e i l u n g s p r i n z i p 7 0 · 7 0 a . K e i n e R e g i e r u n g s e n t scheidung d a r f diese G r u n d p r i n z i p i e n , a u f d e n e n d i e S t a a t s f o r m b e r u h t , mißachten. D i e M ö g l i c h k e i t , d u r c h E r k l ä r u n g des Belagerungszustandes die G e l t u n g der V e r f a s s u n g s g r u n d e n t s c h e i d u n g e n e i n z u s c h r ä n k e n oder aufzuheben, besteht i n Deutschland, da diese R e g i e r u n g s b e f u g n i s f e h l t , nicht. D i e i n der P r ä a m b e l z u m Grundgesetz e n t h a l t e n e n G r u n d g e d a n k e n u n d L e i t i d e e n b i n d e n ebenfalls rechtlich das Regierungsermessen. So d a r f z. B . e i n R e g i e r u n g s a k t das i n der P r ä a m b e l e n t h a l t e n e W i e d e r vereinigungsverbot nicht verletzen7015. 3. D i e hauptsächlich auf d e m P r i n z i p der F r e i h e i t l i c h k e i t b e r u h e n d e G e w ä h r l e i s t u n g des Schutzes d e r G r u n d r e c h t e s t e l l t auch eine B i n d u n g 28 Abs. 1 GG. Weitere Äußerungen des Rechtsstaatsprinzips sind enthalten i n den A r t . : 20 Abs. 2, S. 2 (Gewaltentrennung), 20 Abs. 3 (Bindung an die Rechtsordnung), 97 (Unabhängigkeit der Gerichte), 101 (Verbot von Ausnahmegerichten), 103 (Expost-facto-Verbot, ne bis i n idem), 104 (Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung). Sie ist i m A r t . 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 verankert. 66 Dieses Prinzip hat seinen Ausdruck besonders i n den A r t . 18, S. 1 u n d 21 Abs. 2, S. 1 gefunden, w o von der „freiheitlichen demokratischen G r u n d ordnung" die Rede ist. Das Grundprinzip der Freiheitlichkeit k o m m t aber auch zum Ausdruck i n einer Reihe von Verfassungsnormen, i n welchen besondere Freiheitsverbürgungen enthalten sind, wie z. B. : A r t . 2 Abs. 1 („freie Entfaltung der Persönlichkeit"), A r t . 2 Abs. 2, S. 2 (Freiheit der Person), A r t . 4 (Glauben- und Bekenntnisfreiheit), A r t . 5 Abs. 1, S. 1 (Freie Meinungsäußerung), A r t . 5 Abs. 1, S. 2 (Pressefreiheit und Freiheit der Berichterstattung), A r t . 5 Abs. 3 (freie Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre), A r t . 12 Abs. 1 (Freiheit der Berufswahl). Ferner: A r t . 18 (über verschiedene „Freiheiten"), A r t . 104 Abs. 1 (Garantien bei Freiheitsentziehung). Auch bei anderen Gewährleistungen (z. B. A r t . 13 Abs. 1), wo die Ausdrücke „Freiheit" und „frei" nicht verwendet sind, handelt es sich u m Freiheitsgewährleistungen (vgl. Hamann, S. 32). β7 Dieses Prinzip beruht auf den A r t . 20 Abs. 1, 18, S. 1, 21 Abs. 1, S. 3 u. Abs. 2, A r t . 28 Abs. 1 S. 1. Hauptelement ist die i n Art. 21 Abs. 2 verbriefte Volkssouveränität und ihre Realisierungsweise. 68 Das republikanische Prinzip ist i n A r t . 20 Abs. 1 (Bundesrepublik Deutschland ), i n A r t . 28 Abs. 1 (republikanisch) und i n der Präambel (Bundesrepublik Deutschland) verankert. Daß Republik eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung ist, w i r d nicht einhellig angenommen. Bejahend: Maunz, Staatsrecht, S. 59 f; v. Mangoldt/Klein, S. 593, 610; Wernicke, B K zu A r t . 20 Erl. I I 1 a. Bezweifelnd: Hamann, S. 36 f. 69 Es ist i n den A r t . 20 Abs. 1, 79 Abs. 3 (Gliederung des Bundes i n L ä n dern) verankert. 70 Das Gewaltenteilungsprinzip ist m i t dem Rechtsstaatsprinzip historisch eng verbunden. Es ist ferner ein Organisationsprinzip und i m A r t . 20 Abs. 2, S. 2 verankert (Näheres darüber bei Hamann, S. 41 ff.). 7 °a Uber die Rechtsweggarantie vgl. unten S. 211 ff. 7 ob Vgl. hierzu: BVerfGE 5, S.85; Spanner, BayVBl. 1958, S.40.
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des Regierens dar. Die Anerkennung und der Schutz einer Privatsphäre der Person, zu deren Schutz fast alle verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen historisch gestaltet und verfassungsrechtlich bestimmt sind, haben ihren Ausdruck i n den Grundrechtsgewährleistungen und i n den Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes 71 , m i t der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, dem Freiheits- und dem Gleichheitsgrundsatz an der Spitze 72 , Ausdruck gefunden. Die Grundrechte binden alle Formen der Ausübung der Staatsgewalt nach A r t . 1 Abs. 1 S. 2 i n bezug auf die Menschenwürde („Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt") und nach A r t . 1 Abs. 3 bezüglich der übrigen Grundrechte 73 . Unter: „aller staatlichen Gewalt" (Abs. 1) und „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung" (Abs. 3) ist auch die Regierung mitumfaßt 7 4 , die dadurch materiell beschränkt w i r d 7 5 . Adressaten der Bindungskraft der Grundrechte sind alle Staatsorgane, darunter auch die m i t Regierungssachen beauftragten Verfassungsorgane 753 . 4. Schranken sind der Regierung nicht nur durch die Zuständigkeitsnormen und den verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre gesetzt, sondern auch durch alle jene Verfassungsbestimmungen, die sich auf das Regieren beziehen. Einen solchen Fall bietet das Verbot des Angriffskrieges durch den Art. 26 Abs. 1 GG und die vom Abs. 2 S. 2 des gleichen Art. vorgesehene nähere gesetzliche Regelung der Kontrolle von Kriegswaffen (Ausführungsgesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 20. A p r i l 1961 m i t den zwei durchführenden Verordnungen 71 Über den Unterschied zwischen Grundrechten und Einrichtungsgarantien siehe Dürig, i n M - D zu A r t . 1 Abs. 3 Rn. 97, der Instituts- und institutionelle Garantien unterscheidet. Hierzu Maunz, Staatsrecht, S. 82 f. (besonders 90 f.). 72 Vgl. Koellreutter, Staatsrecht, S. 220 (über „überpositive Rechtssätze"); Fleiner/Giacometti, S. 106 A n m . 24. 73 Umstritten ist, ob unter „nachfolgende Grundrechte" n u r die i n den A r t . 1 bis 19 verbrieften oder auch die außerhalb des Grundrechtskatalogs niedergelegten Grundrechte (wie z. B. 21 Abs. 1, S. 2, 28 Abs. 2, 33 Abs. 1, S. 2, 33 Abs. 5, 38, 101, 103, 104, 140) fallen. Bejahend: Dürig, M - D zu A r t . 1 Rn. 92; v. Mangoldt/Klein, S. 158 f.; Hamann, S. 74. a A : Maunz, Staatsrecht, S. 91 u n d Wernicke, B K zu A r t . 1 Erl. I I 4 a. 74 So ausdrücklich: Hamann, S. 72; v. Mangoldt/Klein, S. 154; Dürig, i n M - D zu A r t . 1 Abs. 3 Rn. 108, der sagt, daß die Grundrechtsgebundenheit der eventuellen Annahme von „gerichtsfreien A k t e n " nicht zuwiderlaufe. Hierzu vgl. BVerfGE 6, 32 ff. (40 f.); ebenda, S. 56 ff. (81); ebenda, S. 291 ff. (295); VerwRspr. Bd. 2 (1950) S. 5 (über die Einschränkung der Staatsgewalt durch die Grundrechte nach A r t . 98 BayVerf.); VerwRspr. Bd. 3 (1951), S. 623 (über die Einschränkung der Staatsgewalt durch diè institutionellen Garantien nach dem gleichen A r t . 98 Bay Verf.). 75a Darüber, daß Grundrechtsadressaten die Staatsorgane sind, siehe Dürig, i n M - D zu A r t . 1 Rn. 100 (mit der damit verknüpften Problematik i n der nächsten Rn (101).
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vom 1. Juni 1961). Grenzen ziehen der Regierung auch diejenigen Verfassungsvorschriften, die eine „Verrechtlichung" des Regierens darstellen 7 6 . 5. Die obigen Ausführungen betreffen die Begrenzungen des Regierens durch die Verfassung und die Verfassungsgesetze. Das Primat aber des allgemeinen Willens und daher des Rechtes hat als Folge die allgemeine Bindung der Regierung an das Recht (Art. 20 Abs. 3 GG: „ . . . die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden"). a) Den wichtigsten Platz i m Recht besitzen die allgemeinen Gesetze. Darunter sind alle die Rechtsnormen zu verstehen, die für alle Tätigkeitsfälle und alle Personen, welche unter ihren materiellen und persönlichen Geltungsbereich fallen, bindend sind. Ihre Allgemeinheit bzw. Generalität steht i m Gegensatz sowohl zu der Spezialität (Einzelfallgesetze, leges speciales), als auch zu der Individualität (Einzelpersongesetze). Allgemeine Gesetze sind z.B. die Straf- und Strafprozeßgesetze, sofern sie Regierungsorgane oder Regierungstätigkeit speziell nicht betreffen. Das, was für alle natürlichen Personen strafbar ist, ist auch für die Staatsorgane bei der Ausübung von Regierungstätigkeit strafbar. Die Eigenschaft des Täters als eines Regierungsorgans und der Tat als eines Regierungsaktes schließt die Strafbarkeit nicht aus. Allgemeine Gesetze sind auch die Gesetze des Privatrechts, wie das Z i v i l - und Zivilprozeßrecht, das Handelsrecht, das Arbeitsrecht etc. Die Eigenschaft des Regierungsorgans befreit die Person von Pflichten aus dem Privatrecht nicht. Ferner kann die Geltung oder Wirkung einer privatrechtlichen Rechtsnorm durch eine Regierungsentscheidung nicht aufgehoben werden. M. a. W. kann z. B. ein Ministerpräsident oder ein Staatschef keinesfalls durch Regierungsentscheidung eine Regelung von privatrechtlichen Verhältnissen treffen 7 7 , ein Minister der Finanzen 7« Vgl. oben S. 95 f. 77 So k a n n z. B. die jüngst, nach einem politischen Streik, geäußerte E r klärung des griechischen Premierministers, wodurch er den Arbeitgebern die „Befugnis" erteilte, alle beteiligten Arbeiter fristlos zu entlassen, keine (arbeits)-rechtliche Bedeutung haben. Abgesehen von der Rechtmäßigkeitsfrage solcher Regierungserklärungen rechtlichen Inhalts, sollen sie vermieden werden, w e i l sie das demokratisch-rechtsstaatliche Staatsbild, insbesondere die Kenntnis der rechtsetzenden Gewalt u n k l a r machen u n d das Rechtssicherheitsgefühl der Staatsbürger erschüttern. Solche Regierungserklärungen sind oft strafrechtlichen Inhalts, i n der Form von Forderungen an die Gerichte auf strenge Bestrafung einer bestimmten A r t von Delikten oder bestimmten Delinquenten. Diese Erklärungen stellen, abgesehen von der obigen W i r k u n g auf die Bevölkerung, eine rechtswidrige Einmischung der Regierung
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oder das ganze Kabinett kann auch nicht die Erfüllung privatrechtlicher (fiskalischer) Pflichten des Staates mit der Begründung z.B., daß die Finanzen des Staates gefährdet werden würden, verweigern. b) Auch die Speziai- und Individualgesetze gehören zum Recht und binden daher das Regieren. Hierzu gehören die „Maßnahmegesetze", die auch alle Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 3 binden 7 8 . Hier muß man die Speziai- und Individualgesetze, welche den materiellen Regierungsbereich oder Regierungsorgane als solche betreffen, von den übrigen unterscheiden. Ein Speziai- oder Individualgesetz kann das Regieren begrenzen, nur wenn es das Regieren materiell oder die Regierungsorgane als solche nicht betrifft. Ein solches Gesetz, welches eine Regierungssache ohne Verfassungsermächtigung „regeln" würde, wäre verfassungswidrig und daher für die Regierungsorgane nicht bindend. Der einfache Gesetzgeber kann die Regierungsorgane oder die Verfassungsorgane schlechthin durch spezielles oder individuelles Gesetz über die verfassungsrechtlichen Ermächtigungen hinaus weder m i t Befugnissen ausstatten 79 , noch binden, oder privilegieren 8 0 . Dies würde ein unerlaubtes Betreten des Regierungssachbereichs durch die Gesetzgebung und eine Verletzung des Gewaltentrennungsprinzips bedeuten 81 . c) Die polizeiliche Generalklausel stellt überall, wo sie gilt, eine Begrenzung der Regierungstätigkeit dar. Das gleiche ist auch für die Polizeiverordnungen zu sagen. Das Staatsorgan hat bei der Ausübung von Regierungstätikeit, wie z. B. bei der Begleitung oder Führung einer ausländischen Staatspersönlichkeit i n ein Gebiet, wo diese unbeliebt i n die Rechtsprechung dar und beeinflussen unerlaubterweise die Bildung des richterlichen Urteils. Regierungserklärungen materiell-rechtlichen Inhalts können nur i n der Form programmatischer Erklärungen i n bezug auf die Ausübung der der Regierung zustehenden Befugnis der Gesetzesinitiative ergehen. 78
Vgl. Maunz-Dürig,
zu A r t . 20 Rn. 97 ff.
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Vgl. jedoch die Auffassung Hamanns (S. 301) und v. Mangoldt/Klein (S. 1064), wonach dem BPräs. Befugnisse durch einfaches Gesetz verliehen werden können. I n bezug auf Regierungsbefugnisse ist dieser Auffassung nicht beizupflichten. Das Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen v o m 26. J u l i 1957 (siehe oben, S. 116 Nr. 9) ist trotzdem verfassungsmäßig, w e i l es auf der gewohnheitsrechtlichen Verfassungsnorm beruht, wonach die V e r leihung von Orden usw. auf höchster Ebene dem Staatschef zusteht. 80 Solche Privilegierungen sind z. B. die i n A r t . 46 (besonders Abs. 2) GG vorgesehen, welche auch für Regierungsmitglieder, die Abgeordnete sind, gelten. Diese Privilegierungen sind materiell- und verfassungsrechtliche, i m Bereich des Z i v i l - und Straf(prozeß)rechts, Abweichungen von den allgemeinen rechtlichen Bindungen der Person. 81 Vgl. Maunz-Dürig zu A r t . 20 Rn. 81, w o Näheres über die Übergriffe i m Bereich der Staatsgewalten dargelegt w i r d .
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ist, die polizeilichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beachten. 6. Das Völkerrecht zieht dem Regieren Grenzen, sofern seine Regeln in innerstaatliches Recht umgesetzt werden 8 2 . „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts" 83 binden innerstaatlich die Regierung dadurch, daß sie durch deren generelle Umsetzung 84 ins innerstaatliche Recht nach Art. 25 GG „unmittelbar 8 5 für die Bewohner des Bundesgebietes" Rechte und Pflichten erzeugen. Hieraus folgt, daß allgemeine Regeln des Völkerrechts, die nur für zwischenstaatliche Beziehungen und nicht für Einzelpersonen gelten können, i n innerstaatliches Recht nicht umgeformt werden 8 6 und daher die Regierungstätigkeit nicht einschränken können. Aus dem obigen ergibt sich, daß hier nicht von der völkerrechtlichen, sondern von der innerstaatlichen Bindungskraft des Völkerrechts die Rede ist. Die Regeln des Völkerrechts binden völkerrechtlich nur den Staat und schränken nur seine völkerrechtliche Tätigkeit ein. Die Regierungsorgane, wie alle Staatsorgane, und die Regierungstätigkeit, wie jeder Teil der Staatsgewalt, kann nur das innerstaatliche Recht binden und einschränken. Nicht die Regierung, sondern den Staat bindet also das Völkerrecht. Bei Zweifeln darüber, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts nach Art. 25 GG ist, entscheidet das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG 8 7 . Welchen Rang die durch Art. 25 GG transformierten völkerrechtlichen Regeln i n ihrem Verhältnis zu den innerstaatlichen Rechtsnormen erhalten, ist stark umstritten 8 8 und soll dahingestellt bleiben, denn diese Frage hat keinen Einfluß auf die daran geknüpfte Gebundenheit der Regierung. Die transformierten Regeln des Völkerrechts binden die Regierung auf jeden Fall, mögen sie den Verfassungsrang oder denjenigen des einfachen Gesetzes besitzen. 82 Näheres über die „Umsetzung" siehe: Maunz, i n M - D zu A r t . 25 Rn. 6 ff.; derselbe, Staatsrecht, S. 290 ff.; Verdroß, Völkerrecht, S. 111 ff., 115 ff., 118; v. Mangoldt/Klein, S. 679 f. 83 Welche Regeln unter diesem Ausdruck zu verstehen sind, vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 25 Rn. 14 ff.; v. Mangoldt/Klein, S. 676 ff.; Verdroß, a.a.O., S. 130; Hamann, S. 230 f. 84 Nach herrschender Meinung handelt es sich u m „generelle Transformation" (vgl. Maunz, a.a.O. Rn. 7 u n d v. Mangoldt/Klein. S. 679 f.). 85 D. h. ohne förmliche Umsetzung [durch Gesetzgebungsakt!, (vgl. Hamann, S. 230). So Maunz, a.a.O. Rn. 21 (a, bb); v. Mangoldt/Klein, S. 682. 87 Darüber siehe: Maunz, Staatsrecht, S. 253; Hamann, S. 412. 88 Z u diesem Problem siehe: Maunz, i n M - D zu A r t . 25 Rn. 22 ff.; v. Mangoldt/Klein, S. 680 ff.; Guratze, D Ö V 1960, S. 286 u n d die Erwiderung Herzogs, ebenda, S. 775 ff.
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Den allgemeinen Regeln des Völkerrechts stehen die Normen des partikulären Völkerrechts gegenüber, die i n der Regel 89 Vertragsnormen sind. Das Völkervertragsrecht kann die Regierungstätigkeit insofern einschränken, als es i n innerstaatliches Recht nach den Verfassungvorschriften des Art. 59 GG i n bezug auf das Bundesrecht und nach Art. 32 GG i n bezug des Landesrechts, umgesetzt wurde 9 0 . Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß das Völkerrecht nur mittelbar, d. h. nur durch Umsetzung i n innerstaatliches Recht das Regieren einzuschränken vermag, denn unmittelbar kann es nur den Staat binden. Diese Grenzen aber der innerstaatlichen Bindungskraft des Völkerrechts werden durch den völkerrechtlichen Grundsatz: die innerstaatliche Ausübung der Staatsgewalt muß sich jedes Verstoßes gegen das Völkerrecht enthalten 91 , erheblich erweitert. Dieser Grundsatz ist eine allgemeine Regel des Völkerrechts und w i r d nach dem Art. 25 GG in einen innerstaatlichen Rechtssatz umgesetzt. Durch die innerstaatliche Geltung und Wirkung dieses Satzes sind alle Staatsgewalten an die den Staat bindenden völkerrechtlichen Normen gebunden, d. h. jeder Staatsakt, welcher einer den Staat bindenden Regel des Völkerrechts, mag sie allgemein oder partikulär, in innerstaatliches transformiert sein oder nicht, widerspricht, ist nicht nur in foro externo, sondern auch in foro interno rechtswidrig; das gilt ohne weiteres auch für die Regierungsakte. Darin liegt die wichtigste Bedeutung des A r t . 25 GG. 7. Das Regieren als Ermessenstätigkeit hat die gleichen rechtlichen Grenzen wie jedes Ermessen. Die Ermessensgrenzen des Regierens unterscheiden sich i n äußere und innere Grenzen 92 . Die ersten sind durch die Kompetenzregelung der Regierungstätigkeit gesetzt, während die letzteren i m Wesen des Ermessens liegen. a) Durch die positivrechtliche Umgrenzung (Kompetenzregelungen und spezielle verfassungsrechtliche Sachbegrenzungen) bleibt innerhalb des Regierungsermessensspielraums eine bestimmte oder bestimm89 Er gibt auch einige partikuläre Normen aus dem Gewohnheitsvolkèrrecht (Verdroß, Völkerrecht, S. 130). 90 Über die Umsetzung des Völkervertragsrechts i n innerstaatliches Recht und die damit verknüpfte Problematik siehe: Maunz, i n M - D zu A r t . 59, insbesondere Rn. 18 ff. und das dort angegebene Schrifttum, u n d zu Art. 32 (auch m i t Schrifttum) ; Maunz, Staatsrecht, S. 292 ff. ; v. Mangoldt/Klein, S. 1123 ff., 1135 ff.; Hamann, S. 250 ff. u n d 307 ff. Vgl. auch oben S. 111 (Nr, 4). 91 Über diesen Grundsatz vgl. Maunz, i n M - D zu A r t . 25 Rn. 30. 92 Über die Unterscheidung von inneren und äußeren Grenzen des E r messens vgl.: v.Laun, Das freie Ermessen, S. 113 ff.; Fleiner, Institutionen, S. 145 f.; Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 153 ff.; Bachof, SJZ 1948, S.765f.; VerwRspr. Bd. 8 (1956), S. 226 (Urteil des V G H Freiburg v. 4.5.1955). Vgl. auch Stern, Ermessen und unzulässige Ermessensausübung, S. 27.
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bare Vielheit von Zwecken, Mitteln und Motivationen, welche dem Recht gleichwertig sind. Jeder Zweck, jedes M i t t e l zum Zweck oder Motiv, welches diesem sachlichen Ermessensbereich fremd ist, darf nicht i n den Erwägungsbereich des Verfassungsorgans einbezogen werden und zur Ermessensentscheidung führen. Wenn diese von außen her, d. h. vom Recht, gesetzten formalen und sachlichen Grenzen verletzt werden, dann stehen w i r vor einer Ermessensüberschreitung. Die Ermessensüberschreitung ist in der Regel eine Kompetenzüberschreitung, d. h. eine Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften der Verfassung und der Verfassungsgesetze 93. Die Verfolgung eines Zweckes, der zum Geschäftsbereich eines anderen Staatsorgans gehört 94 , z. B. die Verfolgung eines finanziellen Zweckes durch den Minister für Verteidigung, die dem Finanzminister obliegt, stellt auch eine Ermessensüberschreitung i n der Form der Kompetenzüberschreitung dar. Das gleiche ist zu sagen, wenn ein Staatsorgan bei Ausübung von Regierungsbefugnissen Motive walten läßt, die nur für andere Staatsorgane maßgebend sein dürfen, oder M i t t e l gebraucht, die nicht ihm, sondern anderen Staatsorganen gegeben sind. Unsachliche oder sachfremde 9 4 a Motivation oder Zwecksetzung 95 und Gebrauch von unsachlichen oder sachfremden Mitteln stellen hier 9 6 eine Ermessensüberschreitung in der A r t der Kompetenzüberschreitung dar. Auch eine Nichtberücksichtigung der in einem Rechtssatz als berücksichtigungswert enthaltenen Umstände ist eine Ermessensüberschre> tung 9 7 . Eine Ermessensüberschreitung liegt auch dann vor, wenn ein Staatsorgan sein freies Ermessen in der irrigen Annahme, es sei gebunden, 93 Nach der Ansicht Wolffs , Verwaltungsrecht I, S. 154, gehört die Verletzung der Zuständigkeitsnormen nicht zur Ermessensüberschreitung. 94 Hierzu vgl. Stern, Ermessen und unzulässige Ermessensausübung, S. 35, über die „Widerzwecklichkeit" m i t Angaben aus der Rechtsprechung. 94a Da die Terminologie bezüglich des Ermessensfehlgebrauchs erheblich schwankt (vgl. Kohlmann, das subjektiv-öffentliche Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch, S. 41 Fußn. 158 u n d unten S. 159 Fußn. 119) und die scharfe Unterscheidung i n Sachfremdheit für die Kompetenzüberschreitung u n d die Unsachlichkeit f ü r den Ermessensmißbrauch (Willkür) von E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I 659 f., nicht allgemein getroffen w i r d , lassen w i r dieses Problem der speziellen wissenschaftlichen Forschung des Ermessens und gebrauchen zunächst die T e r m i n i „sachfremd" und „unsachlich" unterschiedlos für Ermessensüberschreitung und Ermessensmißbrauch. Vgl. auch oben S. 136 ff. 9 5 Vgl. hierüber E. R. Huber, a.a.O., S. 660. 9
® Vgl. oben, S. 136 ff. u n d unten S. 156 ff. Dies betrachtet W. Jellinek, Gesetz etc., S. 341 ff. und Verwaltungsrecht, S. 38 f., als besondere A r t Ermessensfehler. 97
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
nicht hat walten lassen 98 , oder bewußt eine Wahlmöglichkeit außer Betracht gelassen hat 9 9 . Dies ist ein Fall der unrichtigen Subsumtion des Sachverhaltes unter den Tatbestand der das Ermessen einschränkenden Norm 1 0 0 . Die Untätigkeit also eines Verfassungsorgans kann auch eine Ermessensüberschreitung darstellen 101 . Dies geschieht in den folgenden Fällen: a) wenn das Staatsorgan untätig bleibt, weil es das Nicht-Handeln im konkreten Fall irrigerweise als eine seiner Wahlmöglichkeiten betrachtet oder wenn es von sachfremden Erwägungen ausgeht. Es liegt eine unechte Untätigkeit vor, w e i l das Staatsorgan seine Diskretionsmacht hat walten lassen, b) Wenn das Staatsorgan untätig bleibt, w e i l es sich aus I r r t u m für unzuständig hält, liegt eine echte Untätigkeit vor, weil das Staatsorgan sich jeder Abwägung der Möglichkeiten enthalten hat. Ausübung des Ermessen in Fällen, in welchen überhaupt kein Ermessen eingeräumt ist, ist auch als Ermessensüberschreitung anzusehen, denn sie hat i m Grunde die gleiche Rechtsbedeutung. Wenn bei der Verfolgung eines Zweckes die Auswahl des Mittels dem Ermessen des Staatsorgans überlassen ist, dann begeht es eine Ermessensüberschreitung, wenn es ein ungeeignetes, unzulängliches, übermäßiges oder unverhältnismäßiges 102 M i t t e l auswählt. Bei der Ermessensausübung sind nur geeignete, zulängliche und verhältnismäßige M i t t e l erlaubt und daher stellt eine Auswahl von unverhältnismäßigen etc. Mitteln eine Ermessensüberschreitung und eine Rechtsverletzung dar 1 0 3 . b) Der der Staatsgewalt unterworfene Mensch wäre nicht genügend geschützt und die Wirkung des Rechtsstaatsprinzips nicht vollkommen, »8 Das nennen Wolff , Verwaltungsrecht I, S. 154 und Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 12: „Ermessensmangel", als besondere A r t Ermessensfehler. Vgl. auch W. Jellinek, Gesetz etc., S. 339 u n d Verwaltungsrecht, S. 37. 99
Hier können auch Ermessensmißbrauch oder freies Belieben vorliegen. 100 Uber die Fälle des fehlerhaften Subsumtionsschlusses u n d der U n t e r lassung der Subsumtion siehe Obermayer, i n BayStVerwR, S. 155 f. Hier sind besonders die Fälle zu erwähnen: a) nicht richtig erkannter Tatbestand (falsche Interpretation), b) nicht richtig festgestellter Sachverhalt und c) falsche Subsumtion des richtig festgestellten Sachverhaltes unter den richtig erkannten Tatbestand. ιοί Siehe Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 154. 102 Uber diese Begriffe siehe W. Jellinek, Gesetz etc., S. 79. Das Übermaß und die Unverhältnismäßigkeit des Mittels hält auch Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 13 für Ermessensüberschreitung. Dazu Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 154 f. 103 Das BverfG (BVerfGE 2, S. 266 ff.) nennt die Unangemessenheit des Mittels bei dem Gesetzgebungsermessen „objektive W i l l k ü r " , die es als die „tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der gesetzlichen Maßnahme i m Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, deren sie Herr werden soll", definiert. Hierzu vgl. auch BVerfGE 2, S. 281; BVerfGE 4, S. 155.
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wenn die Rechtsordnung sich nur auf die äußeren Grenzen des Ermessens verließe 1 0 4 . Es bestehen aber Schranken der Diskretionsmacht der Staatsorgane, welche auf der heutigen Staatsidee beruhen und tief i m Wesen des Ermessen liegen. Diese inneren Grenzen der freien Staatstätigkeit sind das große Mauerwerk des Rechtsstaates zum Schutze des Menschen vor der größten Gefahr: der Willkür 105. Ein besonderer Fall der allgemeinen W i l l k ü r ist der Ermessensmißbrauch 106 bzw. die W i l l k ü r 1 0 7 bei der Ermessensbetätigung. Ein Ermessensmißbrauch liegt vor, wenn das Staatsorgan unsachliche oder sachfremde 108 Zwecke verfolgt oder aus sachfremden oder unsachlichen Motiven handelt oder ferner unsachliche oder sachfremde Mittel gebraucht. Grundlage und Geltungsgrund des Willkürverbotes i m allgemeinen ist, wie schon dargelegt wurde 1 0 9 , die Staatlichkeit und Rechtlichkeit des Ermessens. Das Staatsorgan kann nur „staatliche" und „rechtliche" Motive, Zwecke und M i t t e l in seinen Erwägungsbereich einbeziehen. Alle Motivationen, Zwecke und Mittel, die außerhalb des sachlichen Bereichs der Staatstätigkeit liegen, sind unsachlich bzw. sachfremd, und ihre Einbeziehung in den Erwägungsbereich eines Staatsorgans ist rechtswidrig und willkürlich. Dies gilt uneingeschränkt auch für die obersten Verfassungsorgane. 104 Vgl. W. Jellinek, Gesetz etc., S. 137 f., der sagt, daß die Rechtsordnung sich nicht n u r m i t der Absteckung von rechtlichen Verboten begnüge, sondern auch die Freiheit der Staatsorgane einenge und befehle, wie sie ihre i n d i v i d u elle Anschauung bilden sollen. Jos Giacometti, Allg. Lehren, S. 286 f. schreibt: „Das W i l l k ü r v e r b o t ist der allerwichtigste Verfassungsgrundsatz, welcher als positive rechtliche M a x i m e für gesetzesfreie Verwaltungshandlungen praktisch i n Frage kommt." Vgl. auch Bachof, V V D S t R L 10, S. 65, der das W i l l k ü r v e r b o t als jeder wirklichen „Rechts"-Ordnung immanent und zur materiellen Verfassung gehörend betrachtet. 106 Dies ist das détournement de pouvoir der Franzosen. Seine Lehre ist i n Frankreich entwickelt worden. Darüber siehe vor allem: Laferière , Traité de la j u r i d i c t i o n administrative, Bd. 2, S. 548 ff.; Duguit, Traité de droit constitutione!, Bd. 2, S. 292 ff.; Berthélémy, Traité élémentaire de droit administratif, S. 1137; Hauriou, Précis de droit administratif, S. 422; Waline, Droit administratif, S. 480 ff. — Die Lehre v o n détournement de pouvoir ist von R.v.Laun (Das freie Eemessen und seine Grenzen 1910, S. 118 ff.) und W. Jellinek (Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, S. 331 ff.) i n Deutschland eingeführt worden.
Siehe statt anderer: Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 13; W. Jellinek, Gesetz etc., S. 65 f., 323 f., 348 f.; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I , S. 659; Giacometti, Allg. Lehren, S. 74 f.; Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 154 f.; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 85 f. (mit Schrifttum); Obermayer, i n : Bay StVerwR S. 156. Z u m Paar: „unsachlich u n d sachfremd" siehe oben Fußn. 94 a. 109 v g l . oben, S. 136 ff.
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
Die W i l l k ü r stellt auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar 1 1 0 . So verknüpft man das Willkürverbot mit dem Gleichheitssatz und m i t dem Gerechtigkeitsgebot. Der Inhalt dieser Begriffe ist: Gleichbehandlung gleicher und Ungleichbehandlung ungleicher Tatbestände 111 . Unsachliche oder sachfremde Elemente i n der Ermessenserwägung bedeuten praktisch eine gleiche Behandlung ungleicher oder eine ungleiche Behandlung gleicher Tatbestände 112 . Diese innere Antithese zwischen W i l l k ü r und Gleichheits- und Gerechtigkeitsgebot ist zufällig, d.h. das Willkürverbot und der Gleichheitssatz begegnen sich aus historischen Gründen i m Recht 113 . Unsachlichkeit und Sachfremdheit liegen auch dem freien Belieben zugrunde, so daß W i l l k ü r und Belieben begrifflich gleichbedeutend sind. Bei der Entscheidung nach freiem Belieben läßt das Staatsorgan seinen Privatwillen walten. Der Privatwille ist aber unberechenbar und unmeßbar. Durch die sachliche organschaftliche Verbindung der Person zum Staat wurde ein neuer individueller Wille gestaltet oder — anders — der private inhaltlich neu geprägt, der durch den staatlichen Inhalt und durch seine Verbindung mit Rechtsgrundsätzen meßbar und berechenbar geworden ist 1 1 4 . Der rein private Wille wurde außerhalb des Erwägungsbereichs des Staatsorgans als unsachlich oder sachfremd gelassen. Seine Heranziehung bei der Ermessenserwägung führt zur Willkür. Der Ermessensmißbrauch stellt eine Verletzung der Pflichtmäßigk e i t 1 1 5 der Ermessenstätigkeit dar. Die Pflichtmäßigkeit des Ermessens hat ihre Wurzeln i n der Staatlichkeit und i m Rechtsstaatsprinzip 116 . 110 Darüber siehe Maunz, Staatsrecht, S. 111 f. (mit Angaben aus der Rechtsprechung des BVerfG); Maunz-Dürig, zu A r t . 20 Rn. 118; v. Mangoldt/Klein, S. 200 f.; Giacometti, Allg. Lehren, S. 230 f., 286 f. 111
Vgl. Hamann, S. 89; W. Jellinek, Gesetz etc., S.349; BVerfGE 4, S. 7. Denkbar ist der Fall, daß das Staatsorgan alle Sachverhalte m i t sachfremden oder unsachlichen Erwägungen behandelt (W. Jellinek, a.a.O., erdenkt den Fall, daß die Polizei die W i l l k ü r zum Prinzip erhebt). I n diesem F a l l liegt keine Verletzung des Gleichheitssatzes vor. 112
»» Vgl. oben, S. 137. 114 Vgl. Maunz-Dürig, zu A r t . 20 Rn. 86, die die Meßbarkeit u n d die V o r ausberechenbarkeit zum Rechtsstaatsprinzip gehörend wissen. Vgl. ferner W. Jellinek, Gesetz etc., S. 138 und 349, über die Grundsatzlosigkeit der Willkür. 115 Hierüber siehe: Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 85 f. (mit Schrifttumsängaben); W. Jellinek, Gesetz etc., S. 65 f.; Giacometti, Allg. Lehren, S. 74 ff.; E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I , S. 657: „Freies Ermessen ist stets pflichtmäßiges Ermessen." lie v g l . Forsthoff, a.a.O. Vgl. auch oben S. 136 f.
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Ermessensmißbrauch kann auch bei Untätigkeit vorliegen, falls das Untätigbleiben auf Erwägungen beruht, die die inneren Grenzen des Ermessens verletzen 1 1 7 . Der Ermessensmißbrauch stellt eine Rechtswidrigkeit dar, auch wenn er durch Regierungstätigkeit begangen wurde. Da die Regierungstätigkeit sich oft i m Bereich des Völkerrechts entfaltet, ist es hier zu unterstreichen, daß das Willkürverbot auch i n den interstaatlichen Beziehungen g i l t 1 1 8 . So ist ein willkürlicher Regierungsakt, der die völkerrechtlichen Verhältnisse des Staates betrifft, völkerrechtswidrig und führt zur völkerrechtlichen Haftung des Staates. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich der Unterschied zwischen Ermessensüberschreitung und Ermessensmißbrauch: I m ersten Fall bewegt sich das Staatsorgan innerhalb des materiellen Bereichs der Staatstätigkeit, es handelt staatlich, aber außerhalb seines Ermessensbereiches; i m zweiten Fall bewegt es sich außerhalb jedes staatlichen Erwägungsbereichs 119 . Keine von beiden Ermessensfehlern setzen ein Verschulden des maßgeblichen Staatsorgans voraus. Zu ihrem Vorliegen genügt die objektive Voraussetzung, daß Motiv, Zweck oder Mittel der Ermessensbetätigung außerhalb des Ermessensspielraums liegen 1 2 0 .
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Hierzu vgl. Obermayer, i n : BayStVerwR, S. 156. Hierüber siehe die Studie von Leibholz, Das Verbot der W i l l k ü r und des Ermessensmißbrauchs i m völkerrechtlichen Verkehr der Staaten. 119 Eine allgemein anerkannte systematische Ordnung der Ermessensfehler ist der Theorie nicht gelungen. Die Praxis hat auch nicht helfen können. Jeder A u t o r ordnet und differenziert die verschiedenen Ermessensfehler anders. So ist andere Unterscheidung z. B. bei v. Laun, Das freie Ermessen u n d seine Grenzen, S. 113 ff., und andere bei W. Jellinek, Gesetz etc., S. 337 ff., der sie auch später (Verwaltungsrecht, S. 36 ff.) zum Teil verlassen hat, zu sehen. I m neueren Schrifttum steht man vor dem gleichen Phänomen. So findet man verschiedene Differenzierungen der Ermessensfehler bei: Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 87; Obermayer, BayStVerwR, S. 1551; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 12 f.; Bachof, SJZ 1948, S. 742 ff.; Wolff, V e r waltungsrecht I, S. 154 f ; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I , S. 659 f.; Stern, Ermessen und unzulässige Ermessensausübung. Das gleiche gilt für die gerichtliche Praxis. Vgl. z.B.: VerwRspr. Bd. 3, S. 163ff. (165); VerwRspr. Bd. 8, S. 226; BVerfGE 2, S. 266; BVerfGE 4, S. 7 ff.; BVerfGE 7, S. 227 ff. (329); BVerfGE 4, S. 155; BVerfGE 7, S. 305 usw. Vgl. auch oben, S. 155 Fußn. 94a. 120 v g l . E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I , S. 659. Vgl. auch oben S. 156 Fußn. 103 über die „objektive W i l l k ü r " . 118
§ 11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage I . Allgemeine Grundlagen der Justiziabilität
1. Alle Sachverhalte des menschlichen Lebens können Gegenstand einer Rechtsfrage sein und „eine A n t w o r t ist de lege lata auf alle denkbaren Rechtsfragen immer da" 1 . Die Antwort kann eine Verneinung der Subsumierung des konkreten Sachverhalts unter die geltenden Rechtssätze oder die Kompetenzregeln der Rechtsprechung sein 2 . I n diesem Fall bleibt der Sachverhalt außerhalb des Wirkungsfeldes der rechtsprechenden Gewalt. Ist das aber nicht der Fall, so t r i f f t das Rechtsprechungsorgan, also das Gericht bzw. der Richter 3 „den verselbständigten Ausspruch dessen, was in Anwendung des geltenden Rechtes auf einen konkreten Tatbestand i m Einzelfalle Rechtens ist" 4 . Wann ein Gericht zu diesem Ausspruch kommen darf, wo also die Grenzen der Gerichtsbarkeit de lega lata oder de lege ferenda liegen, ist immer schwer zu beantworten. Vom Gesichtspunkt der Materie der Rechtsprechung bzw. des Gegenstands der Gerichtsbarkeit her gesehen, stellt dies die heikle Frage der Justiziabilität dar. Grundlage der Injustiziabilität bzw. der Justizfreiheit ist entweder ein rechtsfreier Raum 5 oder, trotz des Vorhandenseins einer materiellen Normierung, das Fehlen einer richterlichen Zuständigkeit oder eines legitimierten Subjekts. Auf diesen zwei Basen fußt die Injusti1 Kaufmann, Das Wesen des Völkerrechts und die clausula rebus sie stantibus, 1911, S. 49 (nach Zitierung von Engisch, i n : ZgesStW Bd. 108 [1952], S. 392). 2 Hierüber vgl. statt anderer Engisch, Der Rechtsfreie Raum, i n : ZgesStW Bd. 108 (1952), S. 391 f. 3 Z u m Begriff und Wesen des Richters und des Gerichts siehe: Bettermann, in: Grundrechte III/2, S. 628 ff.; Kern, HdbDStR I I , S. 475 ff., besonders 487 ff.; Maunz, Staatsrecht, S. 228 ff.; derselbe, DÖV 1959, S. 844; derselbe, BVerfGG Komm., zu § 1 Rn. 4, 6, 9. 4 Thoma, HdbDStR I I , S. 127. Vgl. auch: Jahrreiß, R S t . W . Bd. 4, S. 210 ff.; Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 136 ff.; Bettermann, i n : Gedächtnisschrift f ü r W. Jellinek, 362 ff.; Flume, i n : Festgabe f ü r R. Smend, S.78ff.; Tur egg, N J W 1953, S. 1201 ff.; Stein - Jonas - Pohle, S. 8 f.; Menger, System des v e r w a l tungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 49; Maunz, Staatsrecht, S. 228.
5 Z u diesem Thema siehe Engisch, i n : ZgesStW Bd. 108 (1952), S. 385—430; derselbe, Einführung, S. 24, 136, 138; Sauer, Methodenlehre, S. 281 („rechtsleerer Raum").
§ 11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage
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ziabilität des öffentlichen Rechts6. Die erste Grundlage — das Vorhandensein eines „rechtsfreien Raumes" 7 — ergibt sich aus den Grenzen der Rechtsetzung (und damit des Rechtes) als Teiläußerung gegenüber den anderen Erscheinungsformen der Staatsgewalt — kurzum aus den Grenzen des materiellen Rechtes gegenüber dem Staat 8 . Hier liegt also eine materielle Voraussetzung der Injustiziabilität vor. Die zweite Grundlage — das Fehlen einer richterlichen Befugnis oder einer subjektiven Legitimation — ist eine formale Voraussetzung, w e i l sie mit den materiellen Grenzen des Rechtes gegenüber dem Staat nicht zusammenhängt. I m Falle der materiell-rechtlichen Regelung können w i r von materieller und i m zweiten Falle, bei Fehlen der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, von formaler Injustiziabilität sprechen 9. Keine Grundlage und Voraussetzung der Injustiziabilität stellt das Fehlen der Rechtswidrigkeit eines Staatsaktes dar 1 0 , denn Gegenstand der richterlichen Betätigung muß nicht immer eine rechtswidrige, sondern kann auch eine rechtmäßige Tat sein. Die Unterscheidung zwischen materieller und formaler Injustiziabilität i m öffentlichen Recht ist vorgenommen worden, um die existentielle von der rechtspolitischen Frage zu trennen; denn die Frage der materiellen Injustiziabilität i m Rechtsstaat ist i m Grunde eine existentielle, während die Frage nach den Grenzen der verfahrensrechtlichen Regelung der Hoheitsakte eine rechtspolitische ist. Zuerst befassen w i r uns β Hierzu siehe v. Laim, Das freie Ermessen und seine Grenzen, S. 165; Jahrreiß , R.St.W. Bd. 4, S. 216; Eisenmann , JÖR Bd. 2 (N.F.), S. 2 f. 7 Vgl. Engisch, ZgesStW Bd. 108 (1952), S. 387 f., 422 ff. 8 H i e r i n liegt der Unterschied der Justiziabilität des öffentlichen Rechts gegenüber der Möglichkeit der richterlichen Prüfung i m P r i v a t - oder Strafrecht. So i m Z i v i l - oder i m Strafprozeßrecht, wobei f ü r die richterliche Prüfbarkeit die Grenzen des Rechtes gegenüber nicht der Staatsgewalt, sondern der Person maßgebend sind, spricht man nicht von Justiziabilität einer Tat oder Handlung, sondern etwa von K l a g - und Strafbarkeit. Der Unterschied zwischen Justiziabilität einerseits u n d Klagbarkeit, Strafbarkeit u. ä. andererseits liegt darin, daß die Justiziabilität zwischen regelndem bzw. bindendem A k t (Recht) und gebundenem das Gleichordnungsverhältnis bzw. die Gleichrangigkeit voraussetzt, während der K l a g - u n d Strafbarkeit das Unterordnungsverhältnis zwischen Recht und menschlichem T u n zugrundeliegt. » Hierbei spricht Eisenmann, JÖR Bd. 2 (N.F.), S. 3, von „faktischer" Injustiziabilität. Jahrreiß, a.a.O., S. 216, unterscheidet einerseits rechtliche und richterliche u n d andererseits die beschränkte (rechtliche oder richterliche) Injustiziabilität „der Wahl-Lage und der Einhaltung der Wahlmöglichkeiten". 10 Wie m i t Recht Eisenmann, a.a.O., S. 3, anführt, m i t dem Beispiel der Schadensersatzansprüche, die auf das reine Verursachungsprinzip gegründet wären. Vgl. aber hiergegen Jahrreiß, a.a.O., S. 212, der das Rechtsprechen als „Erkenntnis über die Rechtmäßigkeit oder Nichtrechtmäßigkeit eines menschlichen Verhaltens" versteht. 11
Kasslmatis
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
mit der materiellen Injustiziabilität und lassen die formale für später (unten unter III). 2. Unter dem „rechtsleeren Raum", auf dem die materielle Injustiziabilität beruht, kann zweierlei verstanden werden: Entweder ist dieser Raum dadurch entstanden, daß das Recht nicht „gewollt" war, sondern wegen Existenznotstands des Staates hinter der „Staatsräson" zurücktrat 1 1 , oder die Rechtsfreiheit war vom Recht „gewollt" und vorgesehen 12 . I n diesem zweiten Fall handelt es sich um den Spielraum des Ermessens mit den vom Recht gesetzten Grenzen. Innerhalb dieses Ermessensbereiches w i r d „die Alltagspolitik i n metarechtliche Bahnen gelenkt" und „die Revolution in Permanenz erklärt" 1 3 . Nur aus der obigen Auseinandersetzung kann die Unterscheidung der justizfreien Akte von den justizfreien „einzelnen Fragen" 1 4 verstanden werden. Die Theorie und Praxis haben aber diese grundlegende Unterscheidung zwischen „gewolltem" und „nichtgewolltem" Zurücktreten des Rechtes verkannt und damit die tiefste Wurzel der Justizfreiheit nicht erfaßt. Man hat verkannt, daß es bei der Justizfreiheit nicht um das Wesen des betreffenden Aktes 1 5 oder u m das Wesen der Rechtsprechung 16 , sondern um das Vorhandensein von rechtlichen Umgrenzungen des „rechtsleeren Raums" geht. Dies hängt davon ab, ob das Recht „Oasen" freien Tätigwerdens hat existieren lassen oder ob die Rechtsw i r k u n g aus Staatsnotstand nicht zur Geltung kam. Nur i n diesem letzten Fall gibt es keine rechtlichen Maßstäbe, an welchen der maßgebliche A k t gemessen werden kann, und daher bleibt er justizlos 17 . Dieser Unterschied hat die praktische Bedeutung, daß der A k t nur beim letzten Fall vom Gericht als unzulässig („fin de non recevoir" oder „a limine" i n Frankreich), während hingegen beim ersten Fall als un11 So Engisch, a.a.O., S. 387 ff., 424 u. 425 m i t Fußn. 1; auch Jahrreiß, a.a.O., S. 216, sieht unter einer rechtlichen Unprüfbarkeit „ v o r allem diejenigen Hoheitsakte, m i t denen i n einer Totalkrisenlage der Bestand der Rechtsordnung gewahrt werden soll". Vgl. auch W. Jellinek, Gesetz etc., S. 118 f. 12 Vgl. Engisch, a.a.O., S. 386 f. 13 So Engisch, a.a.O., S. 425. 1 4 A u f die Notwendigkeit dieser Unterscheidung weist schon Eisenmann, a.a.O., S. 3 hin. Hierzu gehört die oben i n Fußn. 9 erwähnte beschränkte Injustiziabilität „der Wahl-Lage u n d der Einhaltung der Wahlmöglichkeiten" von Jahrreiß. 1 5 Wie z. B. der Conseil d'Etat und die aus seiner Rechtsprechung entstandene théorie des actes de gouvernement (siehe oben S. 70 ff.) oder die Befürworter der justizfreien Regierungsakte i n Deutschland denken. 16 Wie Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 467 behauptet. 17 Ohne die i m Text zugrunde liegende Auseinandersetzung unterscheidet auch Eisenmann, a.a.O., S. 4 „absolute u n d qualifizierte" von beschränkter Justizlosigkeit.
§ 11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage
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begründet (au fond) zurückgewiesen werden kann 1 8 . Die Unzulässigkeit aber der gerichtlichen Nachprüfung w i r d nicht i n der richtigen Bahn gehalten, wenn sie zu Zurückweisung von A k t e n verwendet wird, welche angeblich wegen ihrer Natur justizlos sind, obwohl sie i n einem rechtsumgrenzten Ermessensspielraum ergangen sind und daher eine Justizlosigkeit nur i n bezug auf einzelne Fragen bestehen kann 1 9 . Solche falschen Vorstellungen sind die Folge der Vermengung von Justizund Ermessensfreiheit 20 und von Ermessens- und Rechtsfragen, die i n der Theorie und Praxis üblich ist. 3. Die Justiziabilität i m öffentlichen Recht betrifft die Frage, ob Hoheitsakte von irgendeinem Gericht i n einem Rechtsprechungsverfahren irgendwelcher A r t irgendwie geprüft werden können 2 1 . Unter die Justiziabilitätsfrage fallen also alle A k t e der öffentlichen Gewalt, d. h. Gesetzgebungs-, Rechtsprechungs-, Verwaltungs- und Regierungsakte. Nachdem durch die Unterwerfung aller staatlichen Gewalt unter die Herrschaft des Rechts kein „rechtsfreier" Raum i m heutigen Staat — unter normalem Staatsleben — geblieben ist, bleibt i h m jeweils die rechtspolitische Frage zu beantworten, welche A k t e der öffentlichen Gewalt der richterlichen Kontrolle zu unterwerfen sind. Die Justiziabilitätsfrage ist i m Rechtsstaat, positivrechtlich gesehen, keine materiellrechtliche Frage, sondern bloß eine Frage der de lege lata verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der richterlichen Prüfbarkeit der Hoheitsakte 2 2 . Daher stellt unter der Geltung des Bonner Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4) der heutige Rechtswegstaat eine Erweiterung nur der prozessualen Voraussetzungen der Justiziabilität dar. Der Rechtswegstaat ist also die verfahrensrechtliche Ergänzung des materiellen Rechtsstaates. Daraus ergibt sich, daß das Problem der materiellen Jusitziabilität, die Frage also, ob gewisse A k t e wegen ihrer Natur und ihres Wesens außerhalb der gerichtlichen Kontrolle bleiben, nicht eine Frage des Rechtswegstaates, sondern des Rechtsstaates ist. Dies scheint den heutigen Gegnern der Justiziabilität der Regierungsakte, die sich auf die Natur dieser staatlichen Tätigkeit berufen, nicht klar zu sein. Die Behauptung z. B., daß die Regierungsakte injustiziabel seien, w e i l sie sich wegen ihrer politischen Natur der gerichtlichen Kontrolle ent18
Z u dem gleichen Ergebnis k o m m t auch Eisenmann, a.a.O., S. 4. Die i m Text aufgezeichnete Linie hält insofern der Conseil d'Etat, als er die Regierungsakte a limine und die Ermessensakte au fond zurückweist (Ipsen, Politik und Justiz, S. 135). Der Fehler liegt aber m. E. i n der Abgrenzung der zwei Kategorien. 20 Diese Unterscheidung hat schon Eisenmann, a.a.O., S. 4 erkannt. 21 So weit auch Eisenmann, a.a.O., S. 2. 2 2 Vgl. oben, S. 160 f. 19
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
zögen, fußt auf der Konfusion des Rechtes und der Jusitz, des materiellen und des formalen Rechtes 23 . Diese Auffassung trägt ferner den Widerspruch i n sich, daß ein formal begrenzter Bereich — nämlich die Justiz als vom positiven Verfahrensrecht begrenzt — durch die Natur eines Gegenstandes — was für die Normierbarkeit und nicht für die Prüfbarkeit maßgebend ist — weiter begrenzt wird. Es w i r d nämlich das, was Rechtens ist (materiell-rechtliche Frage) mit der Rechtsprechungsbefugnis (verfahrensrechtliche Frage) vermengt. Diese Behauptung führt ferner ad absurdum, daß für die rechtliche Frage, was Rechts- und was Ermessensfrage sei, außerrechtliche Momente maßgebend sind. M. a. W.: man darf nicht sagen: dieser oder jener Gegenstand ist wegen seiner Natur (in)justiziabel, sondern diese oder jene Rechtsfrage ist (in)justiabel, denn die (In)justiziabilitätsfrage ist keine Frage der rechtlichen Normiertheit oder Normierbarkeit, sondern der richterlichen Prüfbarkeit von Rechtsfragen. 4. Da Gegenstand unserer Arbeit nur die Regierungsakte sind, soll die Justiziabilitätsfrage bezüglich der Verwaltungs-, Gesetzgebungs-, Rechtsprechungs- und sonstigen 24 Staatsakte dahingestellt bleiben. Das Problem der Justiziabilität der Regierungsakte w i r d i n der Theorie viel diskutiert 2 5 . Besonders breit ist diese Frage unter der Herrschaft des heutigen Justizstaates erörtert und dadurch der Regierungsbereich nach vielen Gesichtspunkten durchleuchtet worden, wodurch aber auch viele Probleme aufgetaucht sind. Zur Diskussion hat die Judikatur dadurch angeregt, daß sie — weniger i n Deutschland 26 als vielmehr i n Frankreich, England und i n den Vereinigten Staaten — gewisse Hoheitsakte (actes de gouvernement, Acts of State, political questions) als justizfrei betrachtete 27 . Abgesehen von dieser Anregung hat die gerichtliche Praxis sonst zur Diskussion kaum beigetragen, denn sie hat nie gewagt, eine dogmatische Begründung ihres AbstandHaltens zu geben. Der Richter ist immer dem Regierungsbereich mit Angst begegnet. Er hat nicht nur ein richterliches „Betreten" dieses Gebietes, sondern auch jede richterliche Äußerung darüber für sehr 23 Vgl. z.B.: Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S.468; Schneider; Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 79 f. (besonders sein 5. und 6. Ergebnis); Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 152; Krüger, DÖV 1950, S. 536 f. („Inkompetenz aus der Natur des Gegenstandes"); bei diesen Stellen ist der i m Text angedeutete innere Widerspruch u n d die Vermengung des Formalen m i t dem Materiellen ersichtlich. 24 z.B. kirchliche Interna sind der gerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl. VerwRspr Bd. 9 [1957], S. 449). 25 Vgl. oben § 8. 26 Vgl. oben, S. 85 ff. 27 Vgl. Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 78; Koellreutter, Staatsrecht, S. 219.
§11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage
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gefährlich gehalten 28 . Diese Angst des Richters ist schuld an der Diskussion in der Theorie. I m folgenden wollen w i r einige Gesichtspunkte der aus der dogmatischen Erörterung entstandenen Problematik vorbringen.
I I . Über die Rechtsfreiheit der Regierungsakte
1. Die erste Frage, die auftaucht, ist, ob der Regierungsakt rechts frei ist, d. h. ob er in einem „rechtsleeren" Raum entstanden ist. Wie schon oben 29 angeführt wurde, ist die Rechtsfreiheit der materiellen Injustiziabilität (=Rechtsfreiheit von Seiten der Gerichtsbarkeit her gesehen) gleichbedeutend. Die Rechtsfreiheit t r i f f t man: a) i n Staatsformen, die keine Rechtsstaaten sind, z. B. in der absoluten Monarchie, wo der Dezisionsraum des Monarchen frei ist 3 0 und b) i m Rechtsstaat, und zwar entweder in außerordentlichen Zuständen, in welchen die Staatsexistenz sich i m Notstand befindet und die Rechtsordnung der Staatsräson weicht, oder unter normalen Umständen als „gewollte", d. h. vom Recht eingeräumte Entscheidungsfreiheit 31 . Den ersten Fall, i n welchem die Rechtsfreiheit von der Staatsform abhängt, können w i r außeracht lassen. Die erste Alternative des zweiten Falles (die Rechtsfreiheit bei außerordentlichen Umständen) soll auch dahingestellt bleiben. Es ist hierzu bloß zu bemerken, daß hierunter Staatsakte fallen, welche gegen eine innerstaatliche oder außerstaatliche Gefahr oder während einer legalen oder faktischen Notaufhebung der Rechtsordnung ergangen sind. Es ist nicht erforderlich, daß die Verfassung die Erklärung des Belagerungszustandes oder des Staatsnotstandes vorsieht. Es genügt bloß eine faktische Aufhebung des Rechtes, wodurch ein freier Tätigkeitsraum für den Existenzkampf des Staates entsteht. Sofern in diesem Fall Rechtsätze fortgelten, können daraus selbstverständlich Rechtsfragen und Justiziabilitätsfragen entstehen. 2. Die i m Rechtsstaat vom Recht „gewollte" Rechtsfreiheit heißt Ermessen. Auf diesen Bereich bezieht sich in der Theorie die Erörterung der Frage der Justiziabilität der Regierungsakte auf Grund ihrer Natur. Um es genau zu sagen, der Justiziabilitätsfrage der Regierungsakte 28 Über die T a k t i k des Conseil d'Etat, eine Begründung zu vermeiden und sie durch periphrastische Ausdrücke zu umgehen, siehe oben, S. 69 m i t Fußn. 8. Vgl. auch Eisenmann , JÖR Bd. 2 (N.F.), S. 2 ff. (11). 29 Vgl. oben, S. 160 f. so Vgl. Loening , DVB1.1951, S. 233 ff. (235), nach dessen Ansicht die Frage der justizlsosen Regierungsakte von der Staatsform und der Staatsidee abhängt.
3i Vgl. oben, S. 162.
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liegt die Frage nach den rechtlichen Grenzen des Ermessens und die daran geknüpfte Frage nach der Unterscheidung zwischen Ermessensund Rechtsfragen zugrunde. Diese Frage ist eine materiell-rechtliche und steht i n unmittelbarem Zusammenhang mit der Rechtsfreiheit — nicht der Gerichtsfreiheit! — der Regierungsakte — oder richtiger gesagt: die Rechtsfreiheit und damit die materielle Injustiziabilität hängt unmittelbar von dieser Frage ab. Auf Grund der Trennung der Ermessens- von der Rechtsfrage oder — was gleichbedeutend ist — der Feststellung der rechtlichen Grenzen des Ermessens, kann man von einer Injustiziabilität derjenigen Regierungsakte sprechen, die auf Ermessensentscheidung, d. h. auf der Bewertung oder Abwägung der Interessen oder Wirklichkeiten, also auf Zewckmäßigkeitserwägungen, beruhen. Die Injustiziabilität der Regierungsakte bzw. der „politischen Entscheidungen" i n bezug auf die Ermessensfrage ist die einzig mögliche i m Rechtsstaat. I n diesem Sinne verstehen alle jene Autoren, welche den Regierungsakt als einen A k t auf Grund einer „disjunktiven N o r m " 3 2 oder einen Ermessensakt betrachten, die (In)justiziabilität der Regierungsakte: die gerichtliche Kontrolle betrifft nur die Frage der Einhaltung der rechtlichen Grenzen des Ermessens, während die innerhalb dieser Grenzen getroffene Ermessensentscheidung unüberprüfbar bleibt 3 3 , 3 4 . I m Sinne des Ermessens soll man auch die „politische Natur" der Regierungsakte verstehen 35 . „Politische Entscheidung" soll als Ermessensentscheidung auf der Höhe der staatlichen Einheit und Ganzheit verstanden werden 3 6 . Dies soll derjenigen Auffassung bewußt oder unbewußt zugrunde liegen, wonach der politische Charakter nicht 32
Siehe v. Laun, Festschrift für Kraus, S. 145. 33 So sagt z. B.: Kaufmann, V V D S t R L Heft 9 (1952), S. 9: „Also überall, w o nicht eine Spezialisierung der Ermächtigungen auf bestimmte technische Zwecke und eine gewisse Rationalität des staatlichen Handelns vorliegt, vielmehr eine Vielfalt von Interessen und Gesichtspunkten i m Spiel ist und eine freie Abwägung dieser manigfaltigen Interessen und Gesichtspunkte notwendig ist, hört die rechtliche und gerichtliche Prüfbarkeit auf" (vom Verfasser betont). Ferner siehe: v.Laun, Festschrift für Kraus, S. 139 ff.; E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I I , S. 656 f., 694 f.; Triepel, Streitigkeiten, S. 99 ff.; Dendias, L a fonction gouvernementale, S. 62 f.; Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 279, 282; derselbe, R.St.W. Bd. 3, S. 146 f.; F. Meyer, Der Begriff der Regierung, S. 125 f. 34 Dies hat auch der Staatsgerichtshof i n der Weimarer Zeit erkannt, indem er die Grenzen seiner Prüfungszuständigkeit dort, wo der Ermessensbereich beginnt, gesehen hat (vgl. unten, S. 171 f.). 35 Hierzu vgl. Spanner, Bay VBl. 1958, S. 41. 36 i n diesem Sinne ist die politische Entscheidung auch unter einem Gesichtspunkt der „mobile politique" verstanden worden (Rumpf Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 54 a.E.).
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genüge, u m die Injustiziabilität zu begründen 3 7 , und wonach zwischen Politik und Recht kein Gegensatz bestehe 38 . 3. Anders denken jedoch diejenigen Autoren, die den politischen Charakter als ein Wesensmerkmal (z.B. Smend) und als Grund der Injustiziabilität der Regierungsakte betrachten 39 . Hier liegt auch eine materielle Injustiziabilität vor, denn der politische Bereich w i r d als ein außerhalb der rechtlichen Normierung liegender Sachbereich verstanden. Diese Lehre läßt die rechtliche Umgrenzung dieses Bereichs außer Betracht und verkennt damit das Wesen des Rechtsstaates. Als ungerechtfertigtes Überbleibsel absolutistischer Gedanken kann sie deshalb nicht angenommen werden. Der letzte Versuch einiger heutiger Autoren, die Argumentationsbasis der Injustiziabilität der Regierungsakte wegen ihres politischen Charakters vom Gegenstand ins Wesen der Rechtsprechung zu versetzen — u m sich vielleicht vor dem V o r w u r f der absolutistischen Neigung zu schützen —, hat zu logischen Widersprüchen geführt 4 0 . Auch Ipsen 41 versuchte früher, den absolutistischen Charakter der Immunität der Regierungsakte durch eine rechtsstaatliche und i m Wesen der parlamentarischen Demokratie liegende Rechtfertigung zu decken. Seine Formulierungen hierüber lauten: „Die letzte Erkenntnis über das Wesen der justizlosen Staatsakte muß darin gesucht werden, warum der A k t - A u t o r oder die seine staatsrechtliche Stellung bestimmende staatliche Ordnung ein Interesse an der Letztmaligkeit und daher an der Justizlosigkeit des Aktes n i m m t " ; und weiter unten: „die staatliche Ordnung der liberalen Demokratie verlangt die Immunität der Regierungsakte gegenüber der Rechtsprechung i m Interesse der gesetzgebenden Gewalt; sie kann nicht dulden, daß unter ihrer aus37 Vgl. z.B.: Vie, VerwGOKomm. zu §42, S. 167; OVG Berlin , U r t e i l vom 26.9.1952 (in: JZ 1953, S. 644), das die Anfechtbarkeit der Regierungsakte bejaht. 38 So wörtlich Triepel, Streitigkeiten, S. 15 ff. u. 96. Siehe auch Dreher , N J W 1951, S. 378: „Jeder sogenannte politische Sachverhalt verwandelt sich unter entsprechender Fragestellung i n einen juristischen." Vgl. ferner: Holtkotten, der diese Meinung grundsätzlich ablehnt (BK zu A r t . 93 Erl. I I , A, 1 a) und teilweise bejaht (BK zu A r t . 93 Erl. I I , A, 1 c). Daß Politik und Recht keinen Gegensatz darstellen, sagt auch Maunz , BVerfGGKomm, Vorbemerkungen Rn. 14 und i n BayVBl. 1963, S. 33. Näheres zur Problematik des Verhältnisses zwischen Recht und Politik: Koellreutter, Staatsrecht, S. 219 f.; Thoma, Reichsgerichtspraxis i m deutschen Rechtsleben Bd. 1, S. 197; Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 19 ff. Vgl. auch Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts, JÖR Bd. 6, N.F. 1957, S. 144 f. 39 Darüber siehe statt anderer vom älteren Schrifttum: Ipsen, Politik und Justiz, S. 87 f. Neues Schrifttum siehe oben, S. 164 Fußn. 23. 40 Vgl. oben, S. 163 f. unten, S. 169 f. 41 Politik und Justiz, S. 138.
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
drücklichen oder stillschweigenden Billigung ergangene Akte der von ihr abhängigen Regierung von einem anderen Träger staatlicher Gewalt korrigiert werden. Nur diese Lösung würde die letzte Rechtfertigung der justizlosen Regierungsakte in der liberalen Demokratie geben." Diese Rechtfertigung kann m. E. aus den folgenden Gründen nicht gebilligt werden: a) es ergibt sich aus keinem Rechtssatz, daß die staatliche Ordnung ein Interesse an der Letztmaligkeit eines rechtsverletzenden Regierungsaktes hat 4 2 . Aus ihrem Interesse an der Letztmaligkeit einer Ermessensentscheidung ergibt sich keinesfalls die Justizlosigkeit einer solchen rechtsverletzenden Entscheidung, denn die Rechtsordnung räumt das Ermessen nur zur rechtmäßigen Ausübung ein. b) Der Träger der rechtsprechenden Gewalt korrigiert nicht den unter Billigung der Gesetzgebung ergangenen A k t inhaltlich, sondern prüft seine Rechtmäßigkeit nach 43 . Diese Nachprüfung hat alle Gewalt i m Rechtsstaat zu dulden. Die Vermengung also von Ermessens- und Rechtsfrage ist bei der obigen Auffassung offenbar. I n eine ähnliche Konfusion der Ermessenskontrolle und der Rechtskontrolle geriet Schneider 44, indem er den Ausschluß der richterlichen Kontrolle der Regierungsakte auf die Erwägung stützt, „daß die von der Verfassung eines Staates einem bestimmten Organ zugewiesene Führungsaufgabe und die ihm auferlegte politische Verantwortlichkeit sinnvollerweise nur von diesem Organ selbst erfüllt werden kann . . . "; und er fährt fort: „Die der politischen Führung entsprechende Form der Kontrolle ist die politische, nicht die unpolitische Kontrolle." 4. I n engem Zusammenhang m i t der obigen Lehre steht das Qualifikationsproblem. Wenn man einen Sachbereich der Staatstätigkeit auf Grund eines Merkmales — hier des politischen — vom Rechtsbereich, und zwar i m Rechtsstaat, ausscheidet, taucht das Problem der Qualifikation und besonders des Qualifikationsträgers auf 4 5 : Wer ist derjenige, der i m Rechtsstaat, wo alles vom Recht geregelt wird, verbindlich bestimmt, welche Hoheitsakte wegen ihres politischen Gehaltes ausnahmsweise rechts- und gerichtsfrei bleiben. Dieses Problem besteht z. B. i m absolutistischen Staat nicht. I m heutigen Rechtsstaat ist es aber auch gegenstandlos und beruht bloß auf der falschen Annahme, daß es rechtsfreie Akte gibt. 42 Wie der Fall i n bezug auf die Justizakte ist, worauf die Endgültigkeit des Gerichtsurteils fußt. 43 Hierzu vgl. unten, S. 173 (a). 44 Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 42. Auch auf Seite 79, w o er sagt, daß „die politische Verantwortlichkeit der Staatsführung verdunkelt w i r d " . 45 Zur Qualifikation siehe: Ipsen, Politik und Justiz, S. 140 ff., 275 ff., und zur Frage des Qualifikationsträgers: S. 285 ff.
§ 11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage
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Wenn man mit Ipsen 46 als Qualifikationsträger das Regierungsorgan annimmt, dann steht man vor einer Durchbrechung des Rechtsstaates. Nimmt dagegen die Qualifikation ein Gericht vor, so kommt man zu dem unerwünschten Ergebnis — einer Justiziabilität der Politik — auf einem anderen Weg. Der mittlere und rechtsstaatliche Vorschlag Loenings 47, die Qualifikation solle durch Gesetz auf Grund einer Enumeration der Regierungsakte erfolgen, gleicht i m Grunde und i m Ergebnis der Ermessenslehre. Denn eine solche Qualifikation w i r d nichts anderes als eine Ermessensermächtigung mit gesetzlichen Grenzen sein, deren Grundlage das Qualifikationsgesetz wäre. Den Gesetzgeber und den sich selbst beschränkenden Richter sieht Schneider 48 als geeigneten Qualifikationsträger für seine „gerichtsfreie Hoheitsakte". 5. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß die Rechtsfreiheit bzw. die materielle Injustiziabilität der Regierungsakte wegen ihrer „politischen Natur" eine historisch nicht gerechtfertigte und verfassungsrechtlich unzulässige Durchbrechung der Rechtsstaatlichkeit darstellen würde 4 9 . Besonders unter der Herrschaft des Bonner Grundgesetzes, das sich am tiefsten und bis an die äußersten Grenzen zu den Ideen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit bekennt (Art. 20) und jede Spur von Absolutismus und von diktatorischen und totalitären Tendenzen wegwischen will, ist eine Rechtsfreiheit des Regierens und eine Immunität der Politik, durch deren Mißbrauch Deutschland viel erlitten hat, undenkbar 5 0 . Damit ist auch jeder Gedanke und jede A r t von Qualifikation im obigen Sinne zu verwerfen. 6. Wir haben oben über die materielle Injustiziabilität — und zwar als die einzig denkbare im Rechtsstaat unter normalen Zuständen —, die auf der Unterscheidung von Rechts- und Ermessensfragen beruht, gesprochen. Nun wollen w i r hinzufügen, daß diese Injustiziabilität logisch selbstverständlich und rechtlich-begrifflich unhaltbar ist. Wenn man von Justiziabilität spricht, versteht man darunter, daß ein Staatsorgan — das Gericht — m i t dem Gesetz als Maßstab ein 46 a.a.O. Dieser absolutistische Gedanke liegt auch dem Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten, vom 23. M a i 1910 (§ 5 Abs. 2) zugrunde, wonach keine Staatshaftung besteht, wenn der Reichskanzler den betreffenden A k t des m i t auswärtigen Angelegenheiten Beauftragten als politisch erklärte. 47 DVB1.1951, S. 233 ff. (236 f.). 48 Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 79 f. (Thesen Nr. 5 und 7). Dieser A u f fassung pflichtet auch Rumpf, Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 18, bei. 49 Dafür, daß der Regierungsbereich bzw. „politische Bereich" kein rechtsfreier Raum ist, spricht auch heute die Einrichtung der Verfassungsgerichtsbarkeit u n d i n der Weimarer Zeit der Staatsgerichtsbarkeit (vgl. unten S. 172), Hierzu Spanner , BayVBl. 1958, S. 40 a.E. δο Hierzu vgl. Draht, V V D S t R L Heft 9 (1952), S. 68.
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Verhalten zu messen befugt ist. Hierbei versteht es sich von selbst, daß Handlungen, welche vom Recht außerhalb seines Wirkungsbereichs gelassen worden sind, mangels eines rechtlichen Maßstabes nicht justiziabel sein können. Da es ein Wesensmerkmal der Justiz ist, daß ihr Maßstab nur das Recht ist 5 1 , wäre es logisch inkonsequent, den Begriff der (In)justiziabilität für die Ermessenfrage, für die es keinen rechtlichen Maßstab gibt, zu gebrauchen. Das dem Regierungsakt zugrunde liegende Werturteil ist einfach rechtsfrei, weil das Recht darauf verzichtete, Maßstab zu sein. Nachdem und sofern dieses Werturteil rechtsfrei ist, ist es überflüssig von Injustiziabilität zu sprechen. Von Injustiziabilität kann nur die Rede sein, wenn eine Rechtsgebundenheit, also wenn ein rechtlicher Maßstab da ist. Aus den obigen Erwägungen ergibt sich, daß keine materielle Injustiziabilität besteht. Dieses Wortpaar schließt in sich einen Widerspruch ein — den Widerspruch zwischen Materiellem und Formalem. Die Justiziabilitätsfrage ist i m Grunde immer eine prozeßrechtliche Frage 52 und setzt immer eine Rechtsgebundenheit voraus. Die ganze Diskussion über die Möglichkeit einer gerichtlichen Prüfung der Regierungsakte als Ermessensakte bewegt sich daher i m Leeren, wenn sie sich nicht auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des Ermessens beschränkt. Die rechtsfreien Räume liegen außerhalb der Justiziabilitätsfrage. Auf Grund dieser Erwägungen ist so die Frage zu stellen: Sind gerichtlich nachprüfbar die Rechtsfragen, die durch Regierungstätigkeit entstanden? Diese einfache Frage verwandelt sich in eine Begriff skonfusion, wenn — wie es oft der Fall ist — gesagt wird: Die Regierung — oder die politischen Akte — seien injustiziabel, weil ihr Gegenstand dem unüberprüfbaren Ermessen der obersten Staatsorgane überlassen ist!
I I I . Über die Gerichtsfreiheit der Regierungsakte
Nachdem w i r die Justiziabilitätsfrage vom Standpunkt des materiellen Rechts aus betrachtet und die von der heterogenen materiellrechtlichen Basis abgetrennt haben, wollen w i r sie nun vom Standpunkt der Justiz und der Verfahrensrechtsordnung aus sehen und von eventuellen materiell-rechtlichen Fremdkörpern weiter bereinigen. 51 Vgl. Stein - Jonas - Pohle, S. 8; Betermann, Jellinek, S. 365. Vgl. auch oben S. 160.
Gedächtnisschrift
für
W.
52 aA Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 292. Den verfahrensrechtlichen Charakter der Justiziabilitätsfrage b i l l i g t Scheuner n u r der V e r fassungsgerichtsbarkeit zu, deren Schranken sich nach seiner Meinung nie aus der N a t u r der Sache ableiten lassen (a.a.O., S. 300).
§11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage
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1. Die Frage der Justiziabilität i m Betrachtungsfeld der Rechtsprechung richtet sich darauf, ob und wie die Regierungsakte sich, trotz ihrer rechtlichen Gebundenheit 53 , der gerichtlichen Kontrolle entziehen können oder könnten. Aus welchen Gründen dürfen oder müssen sich die Gerichte der Prüfung der Regierungsakte enthalten? a) Zur Beantwortung dieser Frage hat die gerichtliche Praxis nicht durch eine klare Stellungnahme beigetragen. Der Richter, wenn er sich der Prüfung eines Regierungsaktes enthielt, war immer sparsam in der Argumentierung und Begründung 5 4 . Betrachtet man die Rechtsprechung des Conseil d'Etat näher 55 , so sieht man — obwohl er die Unüberprüfbarkeit der Regierungsakte unbegründet läßt 5 6 —, daß seine Zurückhaltung gegenüber diesen A k t e n 5 7 eher auf seiner Unzuständigkeit als auf ihrer Rechtsfreiheit basiert. Der Conseil d'Etat — zumindest nach der Aufgabe der mobile politique 5 8 — gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß er die Regierungsakte wegen ihrer Natur als rechtsfrei angesehen hat. Ihre Kontrolle hat er als unzulässig zurückgewiesen, w e i l er die Regierungsakte kompetenzmäßig als fremd — nicht zu den verwal tungsrechtlichen Streitigkeiten gehörend — betrachtete. Hierin liegt der Grund, daß der Conseil d'Etat die „Abnormitätstheorie" nicht angenommen hat 5 9 . Daraus ergibt sich, daß die Injustiziabilität der Regierungsakte in Frankreich keine materiell-rechtliche oder rechtsatzmäßige, sondern eine „faktische", d. h. aus der Lückenhaftigkeit der Organisation der Gerichtsbarkeit i m allgemeinen oder der Begrenztheit des Kompetenzbereichs des Conseil d'Etat i m besonderen sich ergebende, war 6 0 . b) Viel leichter konnte — mußte sogar — die deutsche Rechtsprechung der Weimarer Zeit zu dem gleichen Ergebnis kommen 6 1 : Die Justiziabilitätsfrage beruht i n dieser Periode auf der Prüfungszuständigkeitsfrage und nicht auf der Natur des Regierungsaktes. Das erklärt sich aus dem Wesen der Staatsgerichtsbarkeit der Weimarer Verfassung: 53
Hierüber vgl. oben S. 140 ff. Vgl. oben, S. 69. ss v g l . oben, S. 70 ff. 56 Vgl. auch Ipsen, P o l i t i k und Justiz, S. 135. 57 Diese Zurückhaltung des Conseil d'Etat i n politischen Sachen kann auch als Gegengewicht zu der starken Kontrolle, die er über die französische Verwaltung ausgeübt hat (vgl. Rumpf , Regierungsakte i m Rechtsstaat, S. 44), angesehen werden. 58 Vgl. oben, S. 71. 59 Vgl. Eisenmann , JÖR Bd. 2 (N.F.), S. 2 ff. (13 ff. — besonders S. 17). 60 So Eisenmann , a.a.O., S. 25, 30. 61 Vgl. Ausführungen von: Ipsen, Politik und Justiz, S. 78 ff. 54
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
sie war eine Justiz gerade für Regierungsakte 62 . Die in Frankreich über die rechtsprechende Gewalt schwebende Frage, ob die Regierungsakte sich wegen ihrer Natur der richterlichen Kontrolle entziehen, ist in Deutschland damals dadurch gelöst worden, daß eine Justiz zur Kontrolle gerade dieser Akte instituiert wurde 6 3 . So dürfte der Staatsgerichtshof nach dem „Ob" der Regierungsakte nicht fragen. Dies bedeutete, daß er seine Prüfungszuständigkeitsgrenze nicht in der Natur der Regierungsakte, sondern i m Wesen der Justiz zu suchen hatte. Das hat er auch getan, indem er sich in der Regel bemühte, sich bei der Prüfung der Regierungsakte auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des Regierungsermessens zu beschränken 64 . c) Aus den obigen Betrachtungen der Judikatur in Deutschland und in Frankreich ergibt sich, daß das, was dem Conseil d'Etat bei der Aufstellung des Katalogs der gerichtsfreien Akte vielleicht unbewußt zugrunde lag, auch in Deutschland der Instituierung der Staatsgerichtsbarkeit in der Weimarer Zeit zugrunde liegt: Die Justiziabilitätsfrage ist eine Zuständigkeitsfrage und der „Regierungs"- bzw. „politische" Bereich ist kein a priori justizfreier Bereich. Dieser Grundgedanke ist durch die Instituierung der Staatsgerichtsbarkeit und heute der Verfassungsgerichtsbarkeit, die gerade zur Kontrollierung des „politischen" Tätigkeitsbereichs errichtet wurden, positivrechtlich sanktioniert 6 5 . 2. Die obigen Gedanken besagen zwar, daß die Justiziabilitätsfrage der Regierungsakte eine Zuständigkeitsfrage ist, es bleibt aber die doppelte Frage offen, ob die Prüfung des Regierens durch die Gerichtsbarkeit verfassungsrechtlich geboten oder verboten ist. Darf also bloß der Gesetzgeber eine Gerichtsbarkeit zu diesem Zweck geben oder ist er dazu verpflichtet. Ob hierfür ein Gesetzgebungsermessen besteht, ergibt sich nicht direkt aus der Verfassung. I m folgenden wollen w i r untersuchen, ob die obige doppelte Frage zu bejahen oder zu verneinen ist. 62
So wörtlich Ipsen, a.a.O., S. 79. 63 Hier liegt der Grundunterschied zwischen der Gerichtsbarkeit des Conseil d'Etat und des Staatsgerichtshofes: Die Gerichtsbarkeit des Conseil d'Etat betrifft einen bestimmten Bereich der Staatstätigkeit: die Verwaltung. Wenn er erklärt, daß die Regierungsakte zu diesem Kompetenzbereich nicht gehören, dann sind sie a limine zurückzuweisen. Die Gerichtsbarkeit des Staatsgerichtshofes erstreckt sich dagegen gerade auf den Regierungssachbereich. Deshalb ist hier keine Zurückweisung a limine, sondern n u r eine beschränkte Prüfungszuständigkeit au fond denkbar (so m i t Recht Ipsen, a.a.O., S. 80). Hierzu vgl. auch Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 293 ff. 64 Vgl. Ipsen, a.a.O., S. 80. 65 Vgl. oben, S. 169 Fußn. 49. Siehe auch Scheuner,
a.a.O.
§ 11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage
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a) I n bezug auf die erste Frage, ob eine richterliche Kontrollbefugnis gegenüber den Regierungsakten gegen die Verfassung verstieße, könnte ein Hindernis zur Prüfung des Regierungsbereichs nur aus dem Gewaltenteilungsprinzip in Frage kommen 6 6 . Gegen eine solche Stellungnahme ist zu bemerken, daß die Justiz das menschliche Handeln ungeachtet seiner Herkunft nach dem Recht bemißt. Für den richterlichen Ausspruch, was Rechtens sei 67 , ist die Zugehörigkeit des Akt-Autors zu der einen oder der anderen Staatsgewalt nicht nur irrelevant, sondern muß sogar vom Richter außer Betracht gelassen werden 6 8 . Denn hierin liegt der innerste Kern seiner Unabhängigkeit und Neutralität. Die Annahme der Auffassung, daß die rechtliche Kontrolle des Regierens durch den Richter gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstieße, würde zu dem absurdem Ergebnis führen, daß auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit, sowie jede andere Gerichtsbarkeit, welche m i t der Kontrolle von Staatsakten einer anderen Gewalt als der Rechtsprechung betraut ist, das gleiche Prinzip verletzte! Daraus ergibt sich also, daß kein Hindernis aus dem Gewaltenteilungsprinzip zur gerichtlichen Nachprüfung des Regierens besteht 69 . Ein solches Hindernis besteht dagegen für eine gerichtliche Prüfung der Ermessensfragen der Regierungstätigkeit. b) Die Kehrseite unserer Doppelfrage, ob also ein an den Gesetzgeber gerichtetes Verfassungsgebot, die Regierungsakte einer Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, ermittelt werden kann, scheint nicht einfach zu sein. Die Ermittlung einer solchen verfassungsrechtlichen Pflicht der Gesetzgebung käme i n Frage nur aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit 7 0 : Ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung der Gebundenheit aller Staatsgewalt an das Recht eine Pflicht des Staates zur Gewährung einer umfassenden Gerichtsbarkeit, die alle Bereiche dieser Rechtsgebundenheit i m konkreten Fall festzustellen und durchzusetzen hätte? Darf diese verfassungsgestaltende Grundent66 So ist von Scheuner , a.a.O., S. 293 u. 300 angedeutet. Vgl. auch Loening, DVB1.1951, S. 237 f.; W.Weber , Festschrift für Niedermeyer, S. 268; derselbe , Spannungen und Kräfte, S. 26 ff., 45 f. e? Vgl. oben, S. 160. 68 Der A k t - A u t o r ist hier i n der Eigenschaft des Machtinhabers und des Subjekts einer Staatsfunktion zu verstehen. Seine Nicht-Maßgeblichkeit f ü r den richterlichen Ausspruch darf nicht verwechselt werden: a) m i t der Maßgeblichkeit des Verhaltenssubjektes i n der Haftungsfrage und b) m i t der Maßgeblichkeit des Handlungssubjektes i n der Zuständigkeitsfrage des Richters. I n diesem zweiten Falle ist das Subjekt für die Zuständigkeit nicht aus den i m Wesen der Justiz liegenden, sondern aus organisatorischen G r ü n den maßgebend. 69 Vgl. auch Dürig, i n M - D zu A r t . 19 Abs. 4 Rn. 24 70 Über die Rolle der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4) i n bezug auf dieses Problem siehe unten S. 211 ff.
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
Scheidung ohne das zu ihrer Erzwingung zuständige Organ „platonisch" und unvollendet bleiben? Denn es ist sicher eine Rechtsordnung unvollkommen und mangelhaft — wie z. B. die völkerrechtliche —, die sich ihrer Verletzung gegenüber gleichgültig verhält, indem sie die dazu geeigneten M i t t e l nicht gibt 7 1 . Ob aus dem historischen Entstehungsgrund und aus dem Ziel der Rechtsstaatlichkeit eine Pflicht des Staates zur Gewährung eines vollkommenen Rechtsschutzes und einer umfassenden Gerichtsbarkeit schlechthin herzuleiten ist, ist sehr fraglich, denn man muß berücksichtigen, daß der individualistische Sinn der Rechtsstaatlichkeit des liberalen Staates heute durch das Hervortreten eines organisatorischkollektiven Moments gedämpft ist. Die Rechtsstaatlichkeit ist nicht ausschließlich zum Schutze des Individuums da. Mehr dient sie heute dem Organisationssystem des guten und richtigen Funktionierens des Staates zugunsten der Gattung Mensch. Unsere Frage ist natürlich weiter als die Frage des individuellen Rechtsschutzes. Sie lautet: ob überhaupt eine gerichtliche Kontrollbefugnis i n bezug auf alle Rechtsbindungen der Staatsgewalt aus der Rechtsstaatlichkeit zu ermitteln ist. M. E. ist diese Frage i m allgemeinen zu verneinen. Die Rechtsstaatlichkeit und die Rechtswegstaatlichkeit sind zwei durchaus verschiedene und voneinander unabhängige Eigenschaftsbegriffe des Staates. Die Rechtsstaatlichkeit w i r d stets i n einer verfassungsrechtlichen Grundentscheidung verankert und gehört den materiellen Rechtsbegriffen an. Die Rechtsweg- bzw. Justizstaatlichkeit ist ein formaler Rechtsbegriff und w i r d nach A r t und Umfang durch Ausübung der Organisationsgewalt, d. h. durch organisatorische Entscheidung bestimmt. Diese formal-rechtliche Entscheidung kann eine einfache oder eine Grundentscheidung (wie i m Fall des Art. 19 Abs. 4 GG) des Verfassunggebers oder eine Organisationsentscheidung des Gesetzgebungsorgans sein. Für die A r t und den Rang solcher Entscheidungen spielt das ganze Verfassungssystem des konkreten Staates eine entscheidende Rolle 7 2 . Das Bonner Grundgesetz enthält die Entscheidung (Art. 19 Abs. 4) für die Gewährung einer umfassenden Gerichtsbarkeit zum Schutze des Individuums. Uber den individuellen Schutz hinaus hat sich das Grundgesetz auch für eine begrenzte Gerichtsbarkeit — die Verfassungsgerichtsbarkeit — zur Kontrolle des Regierungsbereichs entschieden. So ist die Rechtsgebundenheit i n Deutschland von der Grundorganisationsgewalt des Verfassunggebers durch die Justiz größtenVgl. Triepel, Streitigkeiten, S. 19 f. 72 Vgl. Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 292.
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teils gedeckt. Der nichtgedeckte Teil der Staatstätigkeit ist der Organisationsgewalt des Gesetzgebers überlassen. Durch die Organisierung der rechtsprechenden Gewalt durch den Verfassunggeber des Bonner Grundgesetzes wurde die umfassendste und vollkommenste Justiz der Rechtsgeschichte geschaffen. c) Aus den obigen Ausführungen ergibt sich auch, daß keine immanenten Grenzen der Justiz bestehen 73 , sondern ihre Umgrenzung, soweit der Verfassunggeber sich nicht entschieden hat, dem Organisationsermessen des Gesetzgebers überlassen ist. Dies bedeutlet: die Justiziablitätsfrage ist — rechtspolitisch gesehen — eine Organisationsfrage der Justiz. Hierbei versteht es sich von selbst, daß die Grenzziehung der richterlichen Gewalt gegenüber dem Regieren nicht den Gerichten überlassen ist. Die materiellen und die formalen Grenzen der Justiz bestimmt ausschließlich der Verfassung- und der Gesetzgeber. Der Richter hat sie i m konkreten Fall bloß festzustellen 74 . 3. Nachdem w i r gesehen haben, daß die Beantwortung der Justiziabilitätsfrage jeweils dem Ermessen des Verfassung- und des Gesetzgebers obliegt, taucht nun die Frage auf, ob sich eine Ausdehnung der Justiz über das Regieren empfiehlt. a) Bedenken gegen eine solche Ausdehnung der Justiz sind schon in der Weimarer Zeit hauptsächlich von Richard Thoma 75 erhoben worden 7 6 . Dieser bedeutende Staatsrechtler hatte seine Bedenken bezüglich der Ausdehnung der gerichtlichen Kontrolle durch den damaligen Staatsgerichtshof auf den Bereich der Regierungstätigkeit so formuliert 7 7 : „Es erhebt sich also die Frage, ob es nicht eine Grenze des Umfanges der Staatsgerichtsbarkeit gibt, deren Überschreitung die Demokratie entmannt, indem einem Berufsrichterkollegium erlaubt wird, seine eigenen politischen Bewertungen dem höchsten, als Repräsentanten des ™ Vgl. Nawiasky , V V D S t R L Heft 9, S. 122; Koellreutter, Staatsrecht, S. 219 a.E. 74 Insofern ist Schneider , Gerichtsfreie Hoheitsakte, S. 80, nicht beizupflichten, der sagt: „Es w i r d Sache der deutschen Gerichte sein müssen, die Grenzen ihrer richterlichen Gewalt gegenüber der politischen Staatsführung i m einzelnen zu bestimmen und sich angemessene Selbstbeschränkung aufzuerlegen." So würde praktisch der Richter sich an die Stelle des Gesetzgebers versetzen. Vgl. auch a.a.O., S. 38. 7 5 Die Staatsgerichtsbarkeit des Deutschen Reiches, i n : Die Reichsgerichtspraxis i m deutschen Rechtsleben Bd. I, S. 179 ff. (197 ff). 76 M i t dem „Ungeeignetsein" des Richters hat sich schon früher Triepel, Streitigkeiten, S. 96 ff. beschäftigt u n d fragte, „ob es sich empfiehlt, eine Frage der Beurteilung durch einen von der Regierung u n d der V e r w a l t u n g unabhängigen Richter zu entziehen u n d sie der Erledigung durch die Regierung u n d die Verwaltung vorzubehalten". 77 a.a.O., S. 198.
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens und ihre gerichtliche Kontrolle
Mehrheitswillens geltenden, Reichs- und Staatsorgan hemmend entgegen zu setzen." Der Grund der Bedenken von Thoma w i r d auch gegeben 78 : „Es ergibt sich also, daß das Ideal des Rechtsstaats, wonach für jede Rechtsstreitigkeit ein unabhängiger und unparteiischer Richter zur Verfügung stehen soll, dessen das objektive Recht findenden, nicht schaffenden Entscheidungen auch die höchsten Staatsorgane, ja selbst die Legislative, der souveränen Reichskörperschaft sich zu beugen haben — es ergibt sich, daß dieses Ideal nur formell zu verwirklichen ist. Materiell ist es deshalb nicht zu verwirklichen, weil und insoweit Rechtsprechung eben nur zum Teil rein rationale Schlußfolgerung ist und zu einem erheblichen Teile irrational bewertende, auf die Subjektivität des Richters zurückweisende Tätigkeit." Das Bedenken Thomas entspringt also aus einem tieferen Zweifel an der Objektivität und Neutralität des Richters; aus einer empirischen Erkenntnis, daß der richterliche Spruch größtenteils nicht rechtsfindender, sondern durch die Einsetzung der Subjektivität auch ein rechtschaffender ist. Trotz seiner Bedenken billigte aber Thoma 7 9 „ i m Namen des Rechtsstaates" eine richterliche Entscheidungsgewalt für den politischen Bereich, unter der Bedingung, daß sie sich auf ein gewisses Maß beschränken würde, und er warnte davor, daß eine Überschreitung dieses Maßes zu einer „Gerondokratie einer, wenn auch noch so respektablen, Elite des Berufsrichtertums" führt. b) Seit der Inkraftsetzung des Bonner Grundgesetzes, das durch den Art. 19 Abs. 4 den Rechtsstaat zu einem Rechtswegstaat erhoben hat, sind wieder gewichtige Stimmen gegen diese Ausdehnung und den Machtzuwachs der Justiz erhoben worden. Der schärfste Polemiker des Justizstaates des Grundgesetzes ist Werner Weber, der als erster schon i m Jahre 194980 und später wiederholt 8 1 auf „die doppelte Gefahr einer Juridifizierung der Politik und der Politisierung der Justiz" 8 2 hingewiesen hat. Dies sieht Weber als Folge 78 a.a.O., S. 198. 79 a.a.O., S. 200. 80 Durch seine Antrittsvorlesung an der Universität Göttingen (18. Juni 1949), die unter dem T i t e l „Weimarer Verfassung und Bonner Grundgesetz" veröffentlicht wurde. ei Siehe die Seiten: 32 ff., 46 f., 107 ff., 159 der 2. Aufl. (1958) seines Buches „Spannungen und Kräfte i m westdeutschen Verfassungssystem", i n welchem außer der obigen Antrittsvorlesung auch neuere Veröffentlichungen gesammelt sind. 82 Die Warnungen vor einer „Politisierung der Justiz" und „Juridifizierung der P o l i t i k " t r i f f t man schon bei C. Schmitt, Das Reichsgericht als Hüter der Verfassung, i n : Die Reichsgerichtspraxis i m deutschen Rechtsleben Bd. I, S. 177.
§ 11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage
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der Entmachtung der Exekutive durch die Erhebung der „dritten Gewalt" vom Grundgesetz aus einer Funktion „en quelque fagon n u l l e " 8 3 zu einer verfassungspolitischen Größe ersten Ranges 84 . Diesen Machtzuwachs der Justiz hat der Göttinger Professor durch Formulierungen, wie die folgenden, heftig polemisiert 8 5 : „Von alledem abgesehen bleibt die alte Wahrheit, daß verantwortliches Handeln und politisches Wagnis, nicht richterliche Prozeßurteile die Geschichte der Völker bestimmen"; und weiter unten: „Aber verantwortliches Handeln i n Regierung und Verwaltung und nicht das Kontrollieren und richterliches Judizieren steht i m Zentrum der staatlichen Existenz"; und er fährt fort: „Und doch ist es nicht der Richterspruch, der dem Volk Arbeit, Brot, Kleidung und Wohnung gibt und es vor dem Feinde schützt." Diese bitteren Worte spricht Weber gegen die Justiz aus, w e i l er die Exekutive, auf deren A k t i v i t ä t der „übervölkerte industrialisierte Massenstaat der Gegenwart" fußt, i n gefährlichem Maße entmachtet und die Ausdehnung der Rechtsprechung als einen Rückgang zum alten Liberalismus sieht 86 . Die Polemik Webers ist nicht ohne Resonanz geblieben. Nicht nur die Gegner der Justiziabilität des Regierungsbereichs 87 weisen auf die Gefahr der „Politisierung der Justiz" und der „Juridifizierung der Politik" hin, sondern auch nichtausgesprochene Polemiker gegen die Ausdehnung der Justiz sehen diese Gefahr m i t gewisser Angst 8 8 . 4. Darüber, daß eine uneingeschränkte Ausdehnung der Justiz auf alle Bereiche der Staatstätigkeit die Lebendigkeit und die Dynamik des Staates zu ersticken und die A k t i v i t ä t der Exekutive und der Ver83 Montesquieu , De l'Esprit des Lois (1748), L i v r e X I , Ch. V I . I m gleichen Kapitel schreibt der Begründer der Gewaltenteilungslehre: „Mais les juges de la nation ne sont, comme nous avons dit, que la bouche q u i prononce les paroles de la loi, des ètres inaminés q u i n'en peuvent modérer n i la force n i la rigueur." 84 w. Weber , Festschrift für Niedermeyer, S. 267; derselbe , Spannungen und Kräfte, S. 27 f., 32 f., 45 ff. 85 Spannungen und Kräfte, S. 35 f. 86 a.a.O., S. 34. Schon Ipsen, P o l i t i k und Justiz, S. 146 schrieb, eine A n tastung der Justizlosigkeit des Regierungsaktes sei „ein Judiz für die wachsende liberal-rechtsstaatliche Orientierung". 87 ζ. B. Schneider beendet sein „Gerichtsfreie Hoheitsakte" (S. 80) m i t dem Satz: „ K e i n gouvernement des juges, aber auch keine jugements gouvernementaux!" Vgl. ferner Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 291; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 468 f.; Krüger, DÖV 1950, S. 537 f. 88 Vgl. z. B. Koellreutter, Staatsrecht, S. 219 f.; Kaufmann, V V D S t R L Heft 9 (1952), S . l l . Vgl. auch Schmidt - Bleibtreu, B V e r f G G K o m m zu §90 Rn. 94, der sich i n bezug auf die Verfassungsbeschwerde einem „gouvernement des juges" und einer „Aristokratie der Robe" widersetzt; siehe hierzu auch Zweigert, JZ 1952, S. 322. Vgl. auch Thoma, Rechtsgutachten betreffend die Stellung des Bundesverfassungsgerichts, i n : JÖR Bd. 6 N.F. (1957), S. 161 ff. 12
Kassimatis
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens und ihre gerichtliche Kontrolle
waltung zu fesseln droht, besteht kein Zweifel, wenn w i r wohl an den Hinweis von Thomas 89 auf die Subjektivität des Richters und die Irrationalität seines Urteils denken. Die Unterscheidung zwischen Rechtsund Ermessensfragen mag klar sein, es bleibt aber offen, wie ihre Vermengung durch die Schwäche des konkreten Richters zu vermeiden wäre. Auf jeden Fall ist m. E. die Gefahr der Juridifizierung der Polit i k kein genügender Grund dafür, diese durch eine absolute Justizlosigkeit zur Hemmungslosigkeit und W i l l k ü r zu führen. Diese letzte Gefahr darf man nicht unterschätzen und hinter die Gefahr der „Gerontokratie" zu stellen. Man muß hier berücksichtigen, daß je höher die Stelle ist, von der die W i l l k ü r ausgeht, desto gefährlicher und schädlicher ist sie — und die Stellung der Regierung ist eine der höchsten i m Staate. Aus der politischen W i l l k ü r kann eine Katastrophe entspringen, während aus der Juridifizierung der Politik n u r eine schädliche Zurückhaltung bei der Regierungsaktivität folgen kann. Ferner führt eine W i l l k ü r der Regierung zur Diktatur — nicht aber eine Juridifizierung der Politik. Die entgegengesetzte Gefahr der Politisierung der Justiz besteht nicht nur i n einem Staat, der diktatorische Züge aufweist 90 , sondern auch i m Falle einer ausgedehnten Justiz besonders auf dem Bereich des Regierens 91 . Die Gefahr ist dann doppelter Herkunft: einmal dadurch, daß der Richter, indem er sich m i t der Rechtmäßigkeit von politischen Akten zu befassen hat, der Gefahr der irrationalen politischen und auf den Ermessensbereich sich erstreckenden Bewertungen näher ausgesetzt ist, und zweitens dadurch, daß die Regierungsorgane m i t allen Mitteln versuchen werden, ihren Kontrolleur zu beeinflussen und für eine günstige Beurteilung zu gewinnen. Die Gefahr der Politisierung der Justiz ist m. E. auch kein genügender Grund dafür, den Regierungsbereich völlig außerhalb der richterlichen Kontrolle zu lassen, denn die Allmacht der Politik politisiert dann die Justiz auf dem Weg über die Diktatur. Abgesehen davon wiegt eine Durchbrechung des Rechtsschutzes mehr als die Gefahr der Politisierung der Justiz i n normalen Zeiten, i n welchen sie üblicherweise gering ist. 5. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß die doppelte Gefahr der Juridizifierzung der Politik und der Politisierung der Justiz nicht durch Justizlosigkeit des politischen Bereichs zu bekämpfen ist. Vieles Siehe oben, S. 175 f. Vgl. Koellreutter, Staatsrecht, S. 220. 91 Diese Gefahr hat auch Thoma, in: Die Reichsgerichtspraxis i m deutschen Rechtsleben Bd. I, S. 198, i n bezug auf die Staatsgerichtsbarkeit erkannt. 90
§11. Theoretische Betrachtung der Justiziabilitätsfrage
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mehr muß man die M i t t e l der Bekämpfung dieser Gefahren in der Organisierung eines Balancesystems des Regierens und des Richtens suchen. Dies wäre auch nach unserer obigen Feststellung folgerichtig, nach der die Justiziabilitätsfrage eine Organisationsfrage der Justiz ist 9 2 . Die obigen Gefahren liegen ja nicht i n der Materie, d. h. i m Gegenstand des Richtens oder des Regierens, sondern i n den Subjekten dieser Tätigkeiten. Die aus den Subjekten der Staatstätigkeiten entstehenden Gefahren sind nicht durch die In-Frage-Stellung ihrer Tätigkeit, sondern durch geeignete Organisationsbindungen zu bekämpfen. Die Organisierung eines guten Systems der Ausbalancierung der Mächte i m Staate ist heute, i n der Zeit der ausgewachsenen Staatstätigkeit und des Massenstaates, die größte Sorge und schwierigste Aufgabe des Verfassung- und Gesetzgebers. Den obigen Weg der Ausbalancierung der entgegengesetzten Kräfte durch ein geeignetes Organisationssystem hat auch das Bonner Grundgesetz (Art. 94) und das BVerfGG (Art. 1—12) i n bezug auf die Verfassungsgerichtsbarkeit, die den politischen Bereich betrifft, gewählt, indem die Mitglieder des BVerfG von den höchsten politischen Faktoren des Staates, dem Bundestag und Bundesrat, durch ein detailiertes Verfahren gewählt werden. Dieses System w i r d vorgesehen, um die Gefahren einer „Gerontokratie" einerseits und einen parteipolitischen Einfluß auf das Gericht andererseits zu bekämpfen 93 .
9 2 Vgl. oben, S. 175. 93 Hierzu vgl. Lechner , BVerfGG, S. 47 f. und seine Anmerkungen zu den betreffenden Paragraphen (1—12) des BVerfGG.
12*
§ 12. Verwaltungsgerichtsbarkeit und Regierungsbereich I m vorliegenden Paragraph wollen w i r uns mit der Frage befassen, ob die Regierungsakte zum Kompetenzbereich der Verwaltungsgerichte gehören. Unsere Frage w i r d i m Blickfeld der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte behandelt. Hierbei sind die rechtlichen Grenzen der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit festzustellen. Dafür ist § 40 VerwGO maßgebend. Eine Behandlung unserer Frage i n bezug auf die Gerichtsbarkeit der besonderen Verwaltungsgerichte wäre überflüssig, weil die äußeren Grenzen der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber anderen, nichtverwaltungsrechtlichen Sachbereichen auch die besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeiten begrenzen 1 . 1. §40 A b s . l Satz 1 VerwGO lautet: „Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher A r t gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind." Der „Soweit"-Satz betrifft Streitigkeiten, welche den Zivil-, Straf- und besonderen Verwaltungsgerichten zugewiesen 2 oder auf Schiedsgerichte übertragen sind 3 . I m folgenden ist zu prüfen, ob Streitigkeiten, welche Regierungsakte zum Gegenstand haben, zu Streitigkeiten verfassungsrechtlicher A r t gehören, die nach § 40 VerwGO der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausdrücklich entzogen sind. Hierzu ist es notwendig, die Grenzen zwischen denjenigen Streitigkeiten verfassungsrechtlicher A r t und denjenigen nichtverfassungsrechtlicher A r t zu ermitteln. Welche Streitigkeiten „öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher A r t " sind und ob alle oder ein Teil von ihnen von der Generalklausel des § 40 VerwGO erfaßt sind, kann dahin gestellt bleiben 4 . Für unsere Arbeit ist die Frage von Interesse, welche öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten von § 40 VerwGO als solche „verfassungsrechtlicher A r t " angesehen werden. ι Vgl. Ey ermann- Fr öhler, S. 159 (Rn. 102, 103); Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 24 f. 2 Darüber Näheres bei Eyermann - Fröhler, S. 150 ff. 3 Vgl. Klinger, VerwGOKomm., S. 145 ff.; Schunck - De Clerck, VerwGO Komm., S. 163 f. 4 Hierüber vgl.: Ule, VerwGOKomm., S. 90; Koehler, VerwGOKomm., S. 185 f.
§ 12. Verwaltungsgerichtsbarkeit u n d Regierungsbereich
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§ 40 VerwGO scheidet aus der Kompetenz der Verwaltungsgerichte eine materiell-rechtliche Kategorie von Streitsachen aus, welche er „verfassungsrechtlich" nennt. Der Begriff „verfassungsrechtliche Streitigkeiten" ist also i m materiellen Sinne zu verstehen 5 · 6 . Der Ansicht 7 , wonach unter Streitigkeiten verfassungsrechtlicher A r t jene Streitigkeiten zu verstehen seien, die durch das Grundgesetz, die Landesverfassungen und verfassungsrechtliche Sondergesetze den Verfassungsgerichten zugewiesen sind, ist nicht zuzustimmen. Denn ein auf das formale Kriterium der gesetzlichen Zuweisung an andere Gerichte abgestellter Ausschluß von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Verwaltungsrechtsweg ist schon i m „Soweit"-Satz enthalten, so daß die Annahme der obigen Ansicht den i m § 40 Abs. 1 S. 1 VerwGO ebenfalls enthaltenen Ausdruck: „nichtverfassungsrechtlicher A r t " überflüssig machen würde. Überdies kann dieser Ausdruck nach der Rechtssprache nur materielle Bedeutung haben. Nun taucht die Frage auf, welche Streitigkeiten materielle verfassungsrechtliche Streitigkeiten sind. U m diese Frage zu beantworten, ist vom materiellen Begriff der Verfassung auszugehen8. Hiermit ist aber ferner die Frage verbunden, ob zur materiell-rechtlichen Charakterisierung einer Streitigkeit ihr Gegenstand oder (auch) die Parteien maßgebend sind. 2. Zur Abgrenzung der materiellen verfassungsrechtlichen Streitigkeiten geht bis heute die Theorie von Gegenstand und Parteien aus. Das geht bis zur Theorie der Weimarer Zeit zurück, die den Begriff der Verfassungsstreitigkeit „durch Gegenstand und Partei" 9 bestimmte. „Nicht jeder Streit über den Sinn eines Verfassungsartikels ist ein Verfassungsstreit. Es kommt auf die streitenden Subjekte an", schrieb Thoma 10. Diesem Verfassungsstreit liegt nicht jeder verfassungsrechtliche Gegenstand zugrunde, sondern ein „verfassungsrechtliches Ver5 I n diesem Sinne z.B.: Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 31; derselbe, VerwGOKomm., S. 92; Eyermann - Fröhler, S. 145; Klinger, VerwGOKomm., S. 121 f. 6 Das Fehlen einer Abgrenzung i m Sinne des Ausdrucks: „nichtverfassungsrechtlicher A r t " i m §22 V G G w a r vielleicht der Grund dafür, daß i n der Periode vor dem Inkrafttreten der VerwGO eine L i t e r a t u r entstand, die sich darum bemühte, materielle Grenzen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu ziehen. Vgl. auch unten, S. 185 Fußn. 38. 7 Diese Ansicht v e r t r i t t Schunck - De Clerck, VerwGOKomm., S. 133. 8 Vgl. das oben i n Fußn. 5 angegebene Schrifttum. Ferner: Jahrreiß, R.St.W. Bd. 4, S. 223. » So wörtlich Friesenhahn, HdbDStR I I , S. 534. io I n : AÖR Bd. N.F. 4 (1922), S. 283. Vgl. auch derselbe, i n : Die Reichsgerichtspraxis i m deutschen Leben I, S. 184; Schmitt, Verfassungslehre, S. 117; Jerusalem, Die Staatsgerichtsbarkeit, S. 119; Triepel, V V D S t R L Heft 5 (1929), S. 23 f., der eine begrenzte Parteifähigkeit annimmt.
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens u n d ihre gerichtliche Kontrolle
hältnis", aus dem sich die Parteien zwingend ergeben 11 . Auf diesem Verfassungsstreit beruht der Begriff der materiellen Verfassungsgerichtsbarkeit Friesenhahns 12, dem drei Wesenselemente zugrunde liegen: a) Der Rechtsstreit als „Streit um geltend gemachtes und bestrittenes Recht" 13 , b) ein Rechtsverhältnis, das sich aus der Verfassung ergibt und auf dem der Rechtsstreit beruht 1 4 und c) die Parteifähigkeit i n dem Sinne, daß alle Rechtssubjekte des verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses und nur sie Subjekte des Verfassungsstreits sein können 1 5 » 1 6 . Die obige Lehre Friesenhahns und anderer Autoren, die den Begriff des materiellen Verfassungsstreits auf eine verfassungsrechtliche Parteifähigkeit abstellen, gehen davon aus, daß die Verfassungsgerichtsbarkeit „der rechtsstaatlichen Kontrolle der inneren Staatswillensbildung, nicht, wie die Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Kontrolle der Handhabung der Staatsgewalt gegen Außenstehende" diene 17 . Deshalb kommen „nur diejenigen höchsten Stellen, die unmittelbar zur Organisierung und Ausführung der die Verfassung ausmachenden politischen Entscheidungen bestehen", als Parteien einer Verfassungsstreitigkeit in Betracht 18 . 3. Die obige Lehre, der schon der Staatsgerichtshof der Weimarer Verfassung seit seiner ersten Entscheidung nicht zustimmte, indem er die Begriffsbestimmung der Verfassungsstreitigkeiten nur auf den Gegenstand abstellte 19 , hat unter der Herrschaft des Grundgesetzes durch die vom BVerfGG eingeführte Verfassungsbeschwerde 19a , die auf dem Subordinationsverhältnis beruht, einen schweren Schlag erlitten. Es w i r d zwar behauptet, daß die Verfassungsbeschwerde ihrem Wesen nach Verwaltungsrechtsprechung ist, die nur formell der Verfassungsgerichtsbarkeit zugewiesen ist 2 0 . Diese Behauptung beruht aber auf der 11
Friesenhahn, a.a.O. 12 Friesenhahn, a.a.O., S. 523 ff., besonders S. 524 f., w o die verschiedenen A r t e n der formellen Verfassungsgerichtsbarkeit dargelegt werden. 1 3 Friesenhahn, a.a.O., S. 534 i n Anschluß an Triepel, Streitigkeiten, S. 15. 14 Friesenhahn, a.a.O., S. 534. is Friesenhahn, a.a.O. 16 Über diese drei Elemente siehe auch das oben i n Fußn. 10 erwähnte Schrifttum. 17 Thoma, i n : Die Reichsgerichtspraxis i m deutschen Rechtsleben I, S. 184. 18 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 117. io Vgl. darüber Friesenhahn, i n HdbDStR I I , S. 534, Fußn. 46. i9a F ü r eine Abschaffung der Verfassungsbeschwerde ist eben Thoma, Rechtsgutachten betreffend die Stellung des Bundesverfassungsgerichts, i n : JÖR Bd. 6 N.F. (1957), S. 184 f. 2 So Friesenhahn, i n : Festschrift für R. Thoma (1950), S. 49 a.E., der sich schon i n HdbDStR I I , S. 527 so ausgedrückt hatte. Vgl. auch: Lechner, BVerfGG, S. 256; Lenz, Umfang der gerichtlichen Prüfungsbefugnis, S. 47 f.
§ 12. Verwaltungsgerichtsbarkeit u n d Regierungsbereich
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Erwägung, die Verfassungsstreitigkeiten ließen sich von den Verwaltungsstreitigkeiten dadurch unterscheiden, daß die ersteren auf das Gleichordnungs- und die letzteren auf das Subordinationsprinzip abgestellt seien 21 . Daher ist die obenerwähnte Behauptung nicht überzeugend, wenn man berücksichtigt, erstens daß das Gleichordnungsprinzip der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht unbekannt ist 2 2 und zweitens, daß die Umgrenzung der materiellen Verfassungsgerichtsbarkeit auch nur auf den Gegenstand abgestellt werden kann 2 3 . Die obige Lehre der Weimarer Zeit hat v/ohl den Verfassunggeber des Grundgesetzes beeinflußt, der sie i m A r t . 93 GG niedergelegt hat, indem als Grundformen der Verfassungsgerichtsbarkeit die Organstreitigkeiten und die abstrakte Normenkontrolle 2 4 sanktioniert w u r den. Aus dem Begriff der materiellen Verfassungsgerichtsbarkeit dieser Lehre wurde ferner der Begriff der „eigentlichen Verfassungsstreitigkeiten" durch das BVerfG 2 5 entwickelt, das den Verfassungsstreit, i n Anschluß an Thoma 26 und Jerusalem 27, auf ein verfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Faktoren, „die am Verfassungsleben beteiligt sind", abgestellt wissen w i l l 2 8 . Der oben geschilderte enge Begriff der materiellen Verfassungsgerichtsbarkeit wurde in der modernen Rechtslehre nicht ohne K r i t i k aufgenommen. Z. B. Scheuner 29 steht der Heranziehung der Begriffe des „Rechtsstreites", des „Rechtsverhältnisses" und der „subjektiven Rechte" der verfassungsrechtlich qualifizierten „Parteien" i n den Mittelpunkt der Begriffsbestimmung des Verfassungsstreits kritisch gegenüber, indem er diese Begriffe als zur zivilistischen Dogmatik gehörende und für den Verfassungsbereich geringen Wert habende betrachtet. Scheuner spricht sich, entgegen der alten Lehre der Weimarer Zeit, für einen weiteren Begriff der Verfassungsgerichtsbarkeit aus, die er als „Rechtsprechung i m Bereiche des Verfassungslebens" 30 versteht. Hierdurch nähert sich Scheuner der alten Ansicht Triepels 31, der die Ver2
* Siehe oben Fußn. 17. Darüber siehe: Ey ermann - Fr öhler, S. 120 ff.; Bachof, SJZ 1950, S. 165. 23 Vgl. oben, S. 182 Fußn. 19. 2 * Vgl. Lechner, BVerfGG, S.37; Geiger, BVerfGG, S. 41 f. 25 BVerfGE 1, 208 ff. (221 f.). 26 I n : A Ö R B d . N . F . 4 (1922), S. 283. 27 Die Staatsgerichtsbarkeit, S. 116. 28 Vgl. auch BVerfGE 2, 143 ff. (151 f.), w o wieder auf Thoma, i n : Die Reichsgerichtspraxis i m deutschen Rechtsleben (RG-Festschrift), S. 184, v e r wiesen w i r d . 29 Probleme u n d Verantwortungen der Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Bundesrepublik, i n : DVB1.1952, S. 296 f. 30 Scheuner, a.a.O. si I n : W D S t R L Heft 5 (1929), S. 1 ff. (S. 5). 22
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2. Teil: Die Grenzen des Regierens und ihre gerichtliche Kontrolle
fassungsgerichtsbarkeit „als Gerichtsbarkeit in Sachen der materiellen Verfassung" verstand. Der Versuch, einen umfassenden Begriff der materiellen Verfassungsgerichtsbarkeit zu entwickeln, charakterisiert im allgemeinen die moderne Rechtslehre 32 . 4. Wenn w i r nun die Abtrennung „der Streitigkeiten verfassungsrechtlicher A r t " nach § 40 VerwGO auf den materiellen Begriff des Verfassungsstreits der oben dargelegten Lehre abstellen wollen, dann sind die Regierungsakte der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle insofern entzogen, als sie die sachliche Grundlage eines Rechtsstreits zwischen Subjekten eines verfassungsrechtlichen Verhältnisses sind. Wenn dagegen die Regierungsakte die sachliche Grundlage eines Rechtsstreits zwischen einem Subjekt eines „Verfassungsrechtskreises" 33 und einem „Außenstehenden" oder zwischen Subjekten, die außerhalb dieser „Verfassungskreise" stehen, darstellen, dann gehören sie dem materiellen Begriff der verfassungsrechtlichen Streitigkeiten nicht an und sind daher der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstellt 3 4 , sofern sie von dem „Soweit"-Satz des § 40 VerwGO nicht erfaßt werden. Den obigen Schluß halten w i r aber nicht für richtig, weil w i r der Meinung sind, daß § 40 Abs. 1 S. 1 VerwGO bei dem Ausschluß der Streitigkeiten „verfassungsrechtlicher A r t " weder den materiellen Begriff des Verfassungsstreits der oben geschilderten Lehren der Weimarer Zeit, noch den ähnlichen Begriff der Verfassungsgerichtsbarkeit des Art. 93 GG, noch den auf Grund des BVerfGG entwickelten Begriff der „eigentlichen Verfassungsstreitigkeiten" vor Augen hat 3 5 . Ferner versteht § 40 Abs. I S. 1 keinesfalls den Begriff der Verfassungsgerichtsbarkeit i m formellen Sinne, d.h. die Streitigkeiten, welche durch das Grundgesetz, die Landesverfassungen und die verfassungsrechtlichen Sondergesetze den Verfassungsgerichten zugewiesen worden sind 3 6 . Daß die durch den Ausdruck: „nichtverfassungsrechtlicher A r t " vorgenommene negative Abgrenzung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 32 Siehe z.B.: Draht, V V D S t R L Heft 9, S. 20 f.; Jahrreiß, i n : RSt.W. Bd. 4, S. 223; Vìe, Verwaltungsprozeßrecht, S. 31; derselbe, VerwGOKomm., S. 92; Klinger, VerwGOKomm., S. 121. Vgl. Lechner, BVerfGG, S. 38. 33
Nach dem Ausdruck von Friesenhahn, HdbDStR I I , S. 534. Z u diesem Ergebnis k o m m t Lenz, Umfang der gerichtlichen Prüfungsbefugnis, S. 48. 34
35 Wie zu Unrecht Eyermann - Fröhler, S. 146 i m Grunde denkt, während Klinger, a.a.O., S. 123 f., Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 31 und VerwGO Komm., S. 92 unter Streitigkeiten verfassungsrechtlicher A r t einen u m fassenden Begriff verstehen, der m i t dem Begriff der materiellen Verfassung zusammenhängt. 3