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German Pages 166 [167] Year 1967
LOTRAR SCHNEIDER
Der Arbeiterhaush alt im 18. und 19. Jahrhundert
BEITRÄGE ZUR ÖKONOMIE VON HAUSHALT UND VERBRAUCH Herausgegeben von Prof. Dr. Erich Egner, Universität Göttingen
Heft 4
Der Arbeiterhaushalt im 18. und 19. Jahrhundert Dargestellt am Beispiel des Heim· und Fabrikarbeiters
Von
Dr. Lothar Schneider
DUNCK ER & HUMBL OT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Ber lin 41 Gedruckt 1967 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Printed in Germany
© 1967 Duncker
Inhaltsverzeichnis Einführung
11 1. Teil
Die Hauswirtschaft des Arbeiters in der industriellen tlbergangsphase - dargestellt am Haushalt des Heimarbeiters I. Die historisch-soziologische St ruktur des Heimarbeiterhaushaltes A. Die Ursachen für die Ausbreitung der Verlagsindustrie im 18. und
16
19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorteile der Verlagsindustrie gegenüber dem Handwerk . . . . . . 2. Vorteile des Verlagssystems gegenüber dem Manufakturbetrieb 3. Vorteile der Verlagsindustrie für die Heimarbeiter . . . . . . . . . . . . 4. Die Rekrutierung der für die Verlagsindustrie benötigten Arbeitskräfte .. .. . . ..... . ......... . ...... .. ....... .. .... . . . . . . . 5. Folgerungen für den Typ des Heimarbeiterhaushaltes .. .. ... .
20 21
B. Die ökonomische Emanzipation des Heimarbeiters und der damit verbundene neue Lebensstil . ..... .. . ....... . . ... . . .. . . . ... . . .. . 1. Der neue Lebensstandard ......... .. . . . ... ........... .. .. . .. . 2. Die leichtere Familiengründung ...... . ... ..... . ...... .... . . . . 3. Die Lockerung der Familienbande 4. Die Rolle des Besitzes und das veränderte Besitzdenken . . . . . . 5. Die Verkümmerung der hauswirtschaftliehen Fähigkeiten . .. .
22 22 23 26 29 32
16 17 17 18
II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten ......... . . . . . . .
33
A. Einzelne Lohnangaben B. Die Preisentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Existenznotwendiger Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 38 41
III. Möglichkeiten und Grad der Eigenproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
A. Das Verhältnis von Heimarbeiterfamilien mit Eigenproduktion zu
den voll marktabhängigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Eigenproduktion der Beispielfamilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Eigenproduktion im 18. und 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . .
46 47 50
IV. Einkommensverwendung und Konsumstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
A. Die Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Die Ernährungsweise der Heimarbeiter im 18. und 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
6
Inhaltsverzeichnis
B.
C.
D. E.
2. Die Ernährung von Beispielfamilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Ökonomisches Verhalten in der Ernährung unter dem Einfluß sinkender Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Bekleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Bekleidung und Eigenproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Die Kleidung von Beispielfamilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Die Wohnverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Haus, Wohnung und Nebengebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Wohnungseinrichtung und Hausrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Heizung und Beleuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Erholung und Freizeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Soziale Sicherung und Zukunftsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
2. Teil Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
I. Die historisch-soziologische Struktur des Fabrikarbeiterhaushal tes 88 A. Der Aufstieg der Fabrikindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Die Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Technische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Gewerbefreiheit und Bauernbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 c) Entwicklung der Eisenbahn und Markterweiterung . . . . . . . . 90 d) Die Bedeutung der Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Herkunft der Industriearbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4. Bevölkerungsentwickl ung und Wachstum der Städte . . . . . . . . . . 95 B. Charakteristika des Haushalts der Fabrikarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überwiegend städtische Haushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Trennung von Haushalt und Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Erwerbstätigkeit von Arbeiterfrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründe für die Erwerbstätigkeit der Ehefrauen . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Fabrikarbeit von Ehefrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die hauswirtschaftliehen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kinderarbeit und Schulbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der der Untersuchung zugrundegelegte Haushaltstyp ............
96 96 96 98 98 100 103 109 111
II. Einkommensentwicklu ng und Lebenshaltung.>kosten .... ... .. . . . .... 111 A. Lohn und Familieneinkommen .... .. ........ . ............ .. ..... 111 B. Lebenshaltungskosten . .. . . .. .. ..... .... .... . .............. . ... . 114 C. Lebensstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Inhaltsverzeichnis
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III. Einkommensverwendu ng und Konsumstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
A. Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Preisentwicklung wichtiger Nahrungsmittel im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ernährungsausgaben und Realeinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kreditkauf .... ... .......... . ... . ...................... .. b) Vorratshaltung und Vorratswirtschaft . . . .... .. .. . ..... .. . c) Die optimale Zusammensetzung der Nahrung . . . . . . . . . . . . . . d) Genußmittelkonsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Ernährung von Beispielfamilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122 122 123 124 124 125 128 128
B. Bekleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 C. Die Wohnverhältnisse . .. ............. . . .. . .... . ...... .. ... . . . .. 1. Wohnung und Wohnlichkeit ...... . ..... . . . . . .. . ......... . . . 2. Wohnbedarf und Wohnungsbau . . ... ..... . ....... . .. . . .. .. . . . 3. Wohnungsgröße und Wohnungsbeschaffenh eit ......... . ... ... 4. Mietpreise und ihr Anteil am Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wohnsituation, Haushalt und Arbeiterfamilie ......... . . .. . . . 6. Die Wohnverhältnisse der Beispielfamilien ..... ... .. .. ... ...
133 133 133 134 136 138 140
D. Erholung und Freizeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 E. Arbeiterschutzgesetze, soziale Sicherung und Zukunftsvorsorge . . 1. Der Arbeiterschutz ... . ...... . . .. .. . . . . ...... . . . .. . ........ . . 2. Soziale Sicherung - Eigeninitiative und staatlicher Zw ang . . . . a) Ersparnisse . ... ... .......... . ...... . .......... . . .. . . ... . . b) Besitz .. .. . ... .. .... . ........ .. . .. ..... . . . ... .. .. . . .. .. . c) Versicherungen . .. . ............ . . . ... ... . ..... . .. .. ...... 3. Die Verhältnisse bei den Beispielfamilien . .. . .. ..... . ... . .. . .
Sdllußbemerkungen
143 143 144 144 146 147 149 150
Anhang ........... . .. .. ... . . . . ... .. . . . . . ..... ... ......... . ... ... ..... 153 Anlage 1: Einnahmen, Ausgaben und Besitz der drei ausgewählten Heimarbeiterfamilien nach Le Play und Schnapper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Anlage 2: Einnahmen, Ausgaben und Besitz der beiden ausgewählten Fabrikarbeiterfamilien nach Mehner und Opi f i cius .. ........ . .. . .. 156 Anlage 3: Wertmäßiger Verbrauch an Nahrungsmitteln in zwei Arbeiter-
familien aus den Jahren 1887/88 . . .. . .... . .. ..... . . . ... .. . . . .... . . 158
Autorenverzeichnis ..... .. . .. ... . ........ . . . ..... .. .. . . ... .. ...... .. . . . 161 Sachverzeichnis
163
Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder Tabelle 1 a: Löhne aus Heimarbeit im 18. und 19. Jahrhundert umgerechnet in Mark ... ..... . . . . .......... ..... .... . . ........................... 34 1b: Entwicklung des Weblohnes für 1 Elle Stoff zwischen 1705 und 1797 in Denar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2a: Absolute Preisentwicklung ausgewählter Nahrungsgüter zwischen 1700/09 und 1810/19 in Leipzig in Denar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2b: Absolute Preisentwicklung ausgewählter Nahrungsgüter zwischen 1821/25 und 1911/12 in Preußen in Pfennig .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 3: Existenznotwendiger Bedarf in Mark in vier- bzw. fünfköpfigen Familien des unteren Standes in einzelnen Orten und Regionen Deutschlands zwischen 1700 und 1888 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4: Mengenmäßiger jährlicher Verbrauch sowie absolute und relative Wertangaben der wichtigsten Nahrungsmittel in zwei Heimarbeiterfamilien 1847 und 1878 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5: Quantitative Nährgeldwerte einzelner Nahrungsmittel in der Bandweberkost nach Preisen von 1889/ 1890 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 39 42 54 61
6: Männliche und weibliche Beschäftigte in einzelnen Wirtschaftsbereichen von 1800 bis 1907 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 7: Die wöchentliche Arbeitszeit im Bergbau und in Industrie und Handwerk 1825 bis 1905/10 . . . . .. .. . .. . .. . .. . . . .. . .. . .. . .. . .. . . . .. .. .. . 93 8: Gründe für die Fabrikarbeit verheirateter bzw. vormals verheirateter Frauen in einzelnen Bezirken Deutschlands im Jahre 1899 . . . . 101 9: Anteil der weiblichen Beschäftigten je 1000 der weiblichen Gesamtbevölkerung in verschiedenen Altersstufen, 1882 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 10: Zahl der erwerbstätigen verheirateten Arbeiterfrauen, die (keine) Hilfe im Haushalt haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 11: Beaufsichtigung von Kindern berufstätiger Mütter . . . . . . . . . . . . . . . . 106 12: Durchschnittliches jährliches Arbeitseinkommen in Industrie und Handwerk Deutschlands 1850 bis 1913 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 13: Reallohnentwicklung in Preußen und Süddeutschland zwischen 1870 und 1910 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 14: Wochenverdienste Mannheimer Arbeiter, 1890 ............. .. ..... 118 15a: Relativer Ausgabenanteil verschiedener Nahrungsmittel an den Ernährungsausgaben bei unterschiedlicher Familiengröße . . . . . . . . . . . . 125 15b: Relativer Ausgabenanteil verschiedener Nahrungsmittel an den Ernährungsausgaben bei unterschiedlichem Einkommen .............. 126
Inhaltsverzeichnis
9
16: Relativer Anteil von Wohnungen mit heizbaren Zimmern in verschiedenen dt. Städten 1905 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 17: Das Verhältnis von Wohnungsmiete zum Einkommen in deutschen Großstädten ...................... . .... . . . ... ............. . . . .. 137 18: Preissteigerungen für Wohnungen 1851/60 bis 1881/85 . . . . .... . . . ... 137 0
138
19: Wohnungsmietpreis pro m 2 bei unterschiedlicher Wohnungsgröße Schaubild
1: Bruttolöhne in der deutschen Textilindustrie 1830/39 bis 1900 (1900 = 100) . . ... . . . . . 0•. ... . . . . .. . . . . .•..... 0. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2: Durchschnittliche Wochenlohnindices der gesamten Industrie 1871 112 bis 1913 (1913 = 100) 0
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3: Preisindexziffern für die Lebenshaltung 1870 bis 1913 (1913 = 100) .. 114 4 : Lohn- und Preisindexziffern für die Lebenshaltung 1870 bis 1913 (1871 = 100) ... . . . .... . . . . . . ........ . . .. .. . .. .. .. . .... .. .. . . . . . . . . 115
Einführung Das ökonomische Geschehen im Familienhaushalt wird von verschiedenen Faktoren bestimmt: Von seiner historisch-soziologisc hen Grundstruktur, von seinem Einkommen, von der Wertschöpfung im Haushalt und von seinen Ausgaben. Alle diese Faktoren wirken aufeinander ein, und ändert sich das Erscheinungsbild in einem dieser Bereiche, so ist es wahrscheinlich, daß eine oder mehrere der anderen bestimmenden Komponenten davon berührt werden. Diese Zusammenhänge zwischen Einnahmen und Ausgaben liegen auf der Hand. Sie sind aber, besonders im historischen Ablauf, nicht weniger bedeutsam in bezug auf die anderen Aspekte. Das Wirtschaften des Familienhaushalts hat sich wohl zu allen Zeiten verändert. Vor dem Durchbruch des Industrialismus gingen solche Veränderungen nur langsam vor sich, und die einzelne Generation spürte sie kaum. Seit dem 18. Jahrhundert hat sich das nun völlig gewandelt. Die vorliegende Arbeit ist nicht unter rein historischem Blickwinkel zu sehen. Ihr Hauptanliegen ist vielmehr, den Wandel in Haushaltsstruktur und Haushaltsverhalten der Arbeiterschicht zu zeigen, wie er sich unter dem Einfluß des Industrialisierungspr ozesses zwischen 1700 und 1913 vollzogen hat. Jener Zeitraum umfaßt ein Übergangsstadium. An seinem Anfang steht ein Haushaltstyp, der noch charakterisiert war von der patriarchalischen Großfamilie, von dem Zusammenfallen von Haushalt und Arbeitswelt. Es war eine Zeit, in der sich der einzelne der Familie und dem Haushaltsgeschehen weitgehend unterordnen mußte, als Teil einer Produktionsgemeinsc haft, die noch im großen und ganzen autark war. Die Arbeit im Haushalt umschloß zahlreiche Produktionsvorgänge vom Rohmaterial zum Fertigprodukt. Ausschließliche Geldeinkommen und dementsprechende Geldausgaben waren nicht selbstverständlich. Am Ende der untersuchten Periode stand noch keineswegs der moderne Haushalt unserer Tage, aber doch ein Typ des Wirtschaftens, der schon viele gemeinsame Züge mit unserem heutigen Haushalt hatte. Hauptmerkmal der dynamischen Entwicklung zwischen 1700 und 1913 war die zunehmende Marktverflechtung eines wachsenden Teiles der Bevölkerung, die Hand in Hand ging mit dem Vordringen der Geldwirtschaft und dem Rückgang der Eigenproduktion sowie der Zurückdrängung der Großfamilie.
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Einführung
Adel, Kirche und Bürgertum verfügten schon früh über hohe Geldeinkommen, mit deren Hilfe sie neben Gütern des lokalen auch solche des Weltmarktes beziehen und konsumieren konnten. Die geringeren Geldeinkommen eines großen Teiles der Bauern dienten dagegen meist nur zur Erfüllung der grundherrliehen Verpflichtungen1 • Im Verlauf des genannten über 200jährigen Zeitraumes traten zu dem anwachsenden Bürgertum, durch die fortschreitende Industrialisierung bedingt, in zunehmendem Maße Heim-, Manufaktur- und Fabrikarbeiter mit ihrem monetären Einkommen. Gab es vor 1700 nur wenige Haushalte, in denen nicht Eigenproduktion vorkam, so entstand mit der Hauswirtschaft des Heim- und Industriearbeiters ein Haushaltstyp, bei dem selbst auf dem Lande kaum Zeit oder Neigung für die Eigenproduktion erübrigt wurde. Stattdessen widmete sich die ganze Familie des Heimarbeiters im eigenen Haus oder der gemieteten Wohnung der Produktion für den anonymen Markt oder gingen beim Fabrikarbeiter oft alle Familienmitglieder verschiedenen Erwerbsarbeiten nach. Mit der Möglichkeit, Geldeinkommen zu erwerben, dem Rückgang der Naturalwirtschaft und der gewachsenen Marktverflechtung reduzierte sich die Funktion des Haushalts weitgehend auf den Konsum. Dadurch verlor die Großfamilie, die das Gesinde einschloß, außer in der Landwirtschaft ihren Sinn, und immer mehr Glieder des Haushalts verließen diesen, um als Einzelperson mit anderen Individuen im Wirtschaftsprozeß eingesetzt zu werden und dort ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit2 und materieller Unabhängigkeit zu erreichen. Mit dem Einbruch der Industrialisierung ·i n den Bereich der Hauswirtschaft ging eine Verminderung der Personenzahl des Familienhaushalts einher und ließ die Versorgung der Marktpassiven problematisch werden. Mit "marktpassiv" sollen dabei Wirtschaftssubjekte bezeichnet werden, die noch nicht oder nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen und damit in ihrem Lebensunterhalt von den Marktaktiven abhängig waren. Die Versorgung der Marktpassiven war jetzt keine Selbstverständlichkeit mehr, wie etwa in der vorindustriellen Phase die der nicht mehr produktiven oder noch keinen Ertrag bringenden Glieder der Familiengemeinschaft3. 1 Freie Bauern, etwa in Ostfriesland, hatten andererseits bereits sehr früh hohe Geldeinnahmen und gewaltige Vermögen (100 000-150 000 Reichstaler um 1800). Vgl. Leopold Krug, Betrachtungen über den National-Reichthum des preußischen Staates ... , 2 Bände, Berlin 1805, hier Band 2, S. 677. 2 Die persönliche Freiheit war unter dem Einfluß des PatriarchaUsmus stark eingeschränkt, wurde jedoch erst als drückend empfunden, als Möglichkeiten entstanden, dem Druck auszuweichen. a Vgl. Ferdinand Oeter, Familie und Gesellschaft unter dem Einfluß des
Einführung
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Generell unterscheidet sich das Bild des Haushalts von 1913 erheblich von dem Bild von 1700. Wie aus den vorhergehenden Ausführungen ersichtlich, sind nicht nur die Entwicklungen in den einzelnen Haushaltstypen für diese Wandlung verantwortlich, vielmehr verschieben sich die Anteile der verschiedenen Haushaltstypen in der Volkswirtschaft. Daneben hat selbstverständlich auch in den einzelnen Haushaltstypen ein Entwicklungsprozeß stattgefunden, der speziell für den Haushalt des Heim- und Fabrikarbeiters in dieser Arbeit detailliert behandelt werden soll. Untersucht wird der Haushalt von Heimarbeitern zwischen 1700 und 1880 sowie der von städtischen Fabrikarbeitern zwischen 1840 und 1913. Diesen beiden Typen des Arbeiterhaushalts sollen wichtige allgemeine wirtschaftliche und soziale Zustände in den betreffenden Zeiträumen vorangestellt werden, um die Einwirkung dieser den Hauswirtschaften übergeordneten Faktoren und Entwicklungen auf die Arbeiterhaushalte festzuhal ten. Der Landarbeiter und ländliche Tagelöhner wird aus der Betrachtung ausgeklammert, da eine Konzentration auf den unter dem Einfluß des fortschreitenden Industrialismus stehenden Haushaltstyp beabsichtigt ist. Ebenso soll der Haushalt des Manufakturarbeiters, als eine weitere Vorstufe zum Industriearbeiter zwischen Heim- und Industriearbeiter stehend, ausgeklammert werden. Sein wesentliches Merkmal war neben der Geldentlohnung die- auch äußere- Trennung von Haushalt und Arbeitsplatz, die anhand des Fabrikarbeiterhaushaltes gezeigt wird. Wenn im folgenden häufig von dem Heimarbeiter gesprochen wird, so darf nicht übersehen werden, daß es einen bestimmten Typ von Heimarbeiterhaushalt zu keiner Zeit gab. Andererseits ließe sich die beabsichtigte Entwicklung im Heimarbeiterhaushalt kaum zeigen, würden die Aussagen nach allen jeweils vorhandenen Richtungen hin differenziert. Die Differenzierung nach der Region, nach Branchen (Art der Heimarbeit) und dem daraus resultierenden Einkommen in einem bestimmten Zeitpunkt wären so komplex, daß praktisch jede vorstellbare Situation zu jeder Zeit möglich wäre, wodurch sich keine Entwicklung mehr schildern ließe. Die daher zweckmäßigerweise vorgenommenen Verallgemeinerungen zwingen dazu, die folgenden Ausführungen mit den aufgezeigten Vorbehalten zu interpretieren. Industriekapitalismus, in: Schmollers Jahrbuch, 77, 2 (1957), S. 513 ff., hier
s. 519.
Vgl. auch Oswald von NeH-Breuni ng, Kommerzialisierte Gesellschaft, in: Stimmen der Zeit, 158 (1955/56), S. 32 ff., hier S. 33, 42 f.
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Einführung
Die Analyse der Entwicklung des einzelnen Haushaltstyps soll nach einem Schema vorgenommen werden, das bereits anklang: Zuerst gilt es, jeweils wichtige Aspekte der historisch-soziologischen Grundstruktur des Haushaltstyps festzulegen, da von ihr mannigfaltige Auswirkungen auf die weiteren ökonomischen Bereiche des Haushalts, wie Einkommensentstehung und -Verwendung sowie Eigenproduktion ausgehen. Dieses Kapitel enthält die Ursachen der Ausbreitung der Verlagsund Fabrikindustrie im 18. und 19. bzw. im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein zweites Kapitel schildert die Entstehung des Geldeinkommens. Nominaleinkommen werden einzelne Lebenshaltungskosten des jeweils betrachteten Zeitraums gegenübergestellt, um die Entwicklung des Realeinkommens zu schätzen und auf den Lebensstandard der Arbeiterfamilie zu schließen. Ein weiterer Abschnitt behandelt beim Heimarbeiterhaushalt die Bedeutung der Eigenproduktion. Es geht hier darum, die Doppelstellung der Eigenproduktion herauszuarbeiten, die einmal eine einkommenschaffende Tätigkeit darstellt, gleichzeitig jedoch auch die Wahl des Konsumgutes in sich schließt. Wegen der unbedeutenden Eigenproduktion beim Fabrikarbeiterhaushalt wird sie bei seiner Analyse im dort folgenden wichtigsten Kapitel, den Ausgaben des Haushalts, mitbehandelt. Die Struktur der Geldausgaben kann nicht isoliert betrachtet werden von der Eigenproduktion, da die Konsumausgaben und vielleicht auch die Konsumgewohnheiten eng mit ihr zusammenhängen. Das Kapitel über die Ausgaben wird aufgegliedert in solche für Ernährung, Bekleidung, Wohnung, Erholung und Freizeit sowie für soziale Sicherung und Zukunftsfürsorge. Für die Untersuchung des Heimarbeiterhaushaltes zwischen 1700 und 1880 liegen empirische Untersuchungen für Einzelhaushalte erst seit 1847 vor. Das zwingt dazu, diesen Haushaltstyp vor 1847 anhand allgemeiner Quellen darzustellen4 ; empirisches Material über Einzelhaushalte läßt sich für die Zeit nach 1847 heranziehen. Analysiert werden: 4 Quellen für das 18. J ahrhundert sind z. B. Rudolf Braun, Industrialisierung und Volksleben, die Veränderungen der Lebensform in einem ländlichen Industriegebiet vor 1800 (Zürcher Oberland), Erlenbach-Zürich, Stuttgart 1960; Daniel Defoe, A Tour thro' the Whole Island of Great Britain, divided into Circuits or Journies by a Gentleman, Bd. I bis III, London 1724-1727; Joh. C. Hirzet, Beantwortung der Frage: Ist die Handelschaft, wie solche bey uns beschaffen unserem Lande schädlich oder nützlich, in Absicht auf den Feldbau und die Sitten des Volkes, Zürich 1772; C. Meiners, Briefe über die Schweiz, 3. Theil, Berlin 1790 ; Helmut Möller , Die kleinbürgerliche Familie im achtzehnten Jahrhundert, Göttingen 1962, bisher unveröffentlicht, u. a. m. sowie Monographien aus dem 19. Jh., die z. T. ins 18. Jh. zurückreichen.
Einführung
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Ein Weberhaushalt aus Godesberg um 18475, der Haushalt eines Instrumentebauers aus dem Erzgebirge6 aus dem gleichen Jahr sowie der Haushalt eines Uhrschildmalers aus dem Schwarzwald im Jahre 18787 • Der Weberhaushalt sowie der des Instrumentebauers wurden ausgewählt, da sie für jeweils eine bestimmte Gruppe von Heimarbeiterhaushalten besonders typisch sind. Für diese beiden Haushalte gilt daher nicht, was Ernst Engel8 gegen das Werk von Le Play insgesamt einwendet, "daß die Monographien einzelner Arbeiterfamilien, ..., doch noch nicht als eine zutreffende Schilderung der Lage der betreffenden Arbeiterdassen selbst angesehen werden können, da nichts weniger als ausgemacht ist, daß Herr Le Play seine Beobchtungen gerade auf eine Normalfamilie gelenkt habe" 9 • Es ist an diesen beiden Haushalten auch nicht abzulesen, "daß zur Zeit der Aufnahme dieser Budgets die Nahrungsmittel theuer und wegen der gewerblichen Krise die Löhne niedrig waren" 10• Für den Fabrikarbeiterhaushalt zwischen 1840 und 1913 stehen mannigfaltige Beispielerhebungen zur Verfügung. Da es jedoch zweckmäßig erscheint, die vorliegende Analyse nach einer einheitlichen Methode durchzuführen, sollen auch hier die Beispielfälle nur zur Ergänzung und Erläuterung herangezogen werden. Es handelt sich dabei um den Haushalt eines Arbeiters aus einer Seifenfabrik Leipzigs um 188611 sowie den Haushalt eines Arbeiters in einer chemischen Fabrik aus Frankfurt um 188912•
5 Ferdinand Le Play, Les ouvriers europeens, 2. Aufl., Tours 1877, 6 Bände, hier Bd. 4, S. 107 ff. 8 Derselbe, op. cit., Bd. 5, S. 60 ff. 7 Gottlieb Schnapper, Beschreibung der Wirthschaft und Statistik der Wirthschaftsrechnungen der Familie eines Uhrschildmalers im badischen Schwarzwald, in: Zeitschrift f. d. ges. Staatswissenschaft, 36 (1880), S. 133 ff. 8 Die vorherrschenden Gewerbezweige in den Gerichtsämtern mit Beziehung auf die Productions- und Consumtionsverhältnisse des Königreichs Sachsen, Teil II: Das Gesetz der Dichtigkeit, in: Zeitschrift des Statistischen Bureaus des königl. Sächs. Ministeriums des Innern, 3, 1857, No. 8 und 9, s. 129 ff. 8 So derselbe, op. cit., S. 156. 10 So derselbe, op. cit., S. 166. 11 H. Mehner, Der Haushalt und die Lebenshaltung einer Leipziger Arbeiterfamilie, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reiche, 11 (1887), S. 301 ff. 12 L. Opificius, Haushaltsbudget eines Arbeiters in einer chemischen Fabrik, in: Frankfurter Arbeiterbudgets, Frankfurt a. M. 1890 (Schriften des Freien Deutschen Hochstiftes).
Erster Teil
1. Die Hauswirtscha ft des Arbeiters in der industriellen lJbergangsph ase- Dargestellt am Haushalt des Heimarbeiters I. Die historisch-sozio logische Struktur des Heimarbeiterha ushaltes A. Die Ursachen für die Ausbreitung der Verlagsindustrie im 18. und 19. Jahrhundert
In der ersten Phase der Industrialisieru ng bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts spielte die Verlagsindustri e eine bedeutende Rolle. Ihr widmete sich eine breite Schicht von Heimarbeitern. Gleichzeitig mit der Verlagsindustri e entstanden vermehrt Manufakturen, jene Frühform des modernen Industriebetrieb es1 • Zunächst konnte sich jedoch die loser organisierte Verlagsindustri e schneller ausbreiten, da sie lange Zeit in vielen Produktionsber eichen Vorteile gegenüber den anderen Produktionsformen bot. Zahlenmaterial über die im 18. Jahrhundert insgesamt beschäftigten Heimarbeiter ließ sich nicht auffinden. Für das Jahr 1785 erwähnt Hertzberg2 für Preußen 165 000 industrielle Arbeiter. Aus dieser Zahl geht jedoch nicht der Anteil der Heimarbeiter hervor. Für die Mitte des 19. Jahrhunderts nimmt Sombart 3 für Deutschland 1,5 Millionen "von hausindustriell beschäftigten Handspinnern in Tätigkeit gesetzte Spindeln" an. Zu der Zeit bestanden erst 65 000 Spindeln in mechanischen Spinnereien. 1846 standen in Preußen 29 700 Wollwebstühle in den Wohnungen der Arbeiter (14 000 in "geschlossenen Etablissements" ), in der Baumwoll- und Halbwollweber ei ist das Verhältnis 71 000 zu 68 000. Für Leinen gab es in Preußen 1885 noch 46 000 hausindustriell betriebene Webstühle, in Fabriken erst 3000. Die rasch zunehmende Verbreitung der Verlagsindustri e war in den mannigfaltigen Vorteilen begründet, die sie gegenüber dem Handwerk 1 Verlagsindustrie wie Manufakturen waren bereits seit Jahrhunderten in Europa vorhanden, spielten jedoch noch nicht die Rolle wie im 18. Jahrhundert. 2 Acht Abhandlungen, o. J., S. 30, zitiert nach Kurt Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des modernen Kapitalismus in Brandenburg-Pr eußen 1685-1806, 2. Aufl., Berlin 1963, S. 240. 3 Werner Sombart, Gewerbewesen, 2 Teile, 2. Aufl., Leipzig 1929 (Sammlung Göschen, 203/204), hier Teil 2, S. 63 f.
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und auch dem Manufakturbetrieb hatte, aber auch den Arbeitskräften brachte, die Heimarbeit übernahmen.
1. Vorteile der Verlagsindustrie gegenüber dem Handwerk Die Vorteile der Verlagsindustrie gegenüber dem Handwerk bestanden in ihrer besseren Marktübersicht, da sie nicht nur für den örtlichen Markt produzierte. Der größere Markt bedeutete ein vermindertes Risiko, weil bei Nachfrageänderungen auf Teilmärkten diese regional- z. T. durch Aufsuchen neuer Absatzmärkte - besser auszugleichen waren. Die Verlagsindustrie konnte weiter häufig billiger liefern, da sie über Großeinkäufe von Rohstoffen deren Bezugskosten senkte. Hierzu gehörten die Vorteile der Massenproduktion, die sich jedoch noch nicht durch vermehrten Kapitaleinsatz, vielmehr durch die Möglichkeit beliebiger Arbeitszerlegung boten. Schließlich war es der Verlagsindustrie leichter, ihre Produktion an den sich langsam beschleunigenden Bedarfswandel über die Mode in dieser Zeit anzupassen. "Alle diese Umstände erforderten gründliche kaufmännische und technische Kenntnisse und Geschäftsverbindungen, die u. a. der selbständige Webhandwerker nicht besitzen konnte. Deshalb verlor er seine Selbständigkeit und wurde zum abhängigen Lohnarbeiter für den Verleger4 ."
2. Vorteile des Verlagssystems gegenüber dem Manufakturbetrieb Zu den Vorteilen der Verlagsindustrie gegenüber dem Manufakturbetrieb gehörte der meist geringe Kapitaleinsatz, den der niedrige Stand der Produktionstechnik erforderte5• Hinzu kam, daß die allgemeinen Unkosten der Produktion wie Energie, Verzinsung (evtl. Miete) und Amortisation der Gebäude zu Lasten der Heimarbeiter fielen. Die Beweglichkeit der Betriebsform6 erleichterte die Anpassung der Produktion an die bestehende Absatzlage. Auch hierdurch verminderte sich das Konjunkturrisiko. Besonders wichtig war, daß die Verlagsindustrie das regional dezentralisierte Arbeitsangebot auszunutzen verstand. Neben den hauptberuflichen Heimarbeitern konnte man zurückgreifen auf Hausfrauen und Mütter, bäuerliche Stellenbesitzer, deklassierte (Stadt-) Handwerker und (stärker im 19. Jahrhundert) arme Familienangehörige des Bürgertums. Schließlich ist auf die vor 1850 noch fehlende technische 4 So Carl Hofmann, Die Hausweberei in Oberfranken, Jena 1927, S. 34; vgl. auch Hans Haussherr, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 3. Aufl., Köln Graz 1960, S. 161 ff. 5 Beispiele sind Spinnen, Korbflechten, Spielzeugfertigung u. a. m. 6 Vgl. Sombart, op. cit., Bd. 2, S. 59, sowie Karl Bücher, Die Hausindustrie auf dem Weihnachtsmarkte, in: Die Entstehung der Volkswirtschaft, Vorträge und Aufsätze, 2. Sammlung, Tübingen 1918, S. 147 ff., hier S. 176.
2 Schneider
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1. Teil: Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase
Überlegenheit der Fabriken hinzuweisen, die später mit ihrem höheres Einkommen versprechenden Magnetismus die regionale Immobilität ganzer Bevölkerungsgruppen aufhob. Ein Positivum für beide Betriebsformen (Verlags- und Manufakturindustrie) lag in ihrer Förderung durch den merkantilistisch ausgerichteten Staat. So schuf Preußen im 18. Jahrhundert u. a. eine eigene Wollund Seidenindustrie7, um das Land von der Einfuhr an Textilien unabhängig zu machen, mit dem Erfolg, daß Preußen noch zu Lebzeiten Friedrichs II. in erheblichem Ausmaß zum Textilexporteur wurde. Ähnliches ließe sich von Sachsen, Baiern, Württemberg und anderen deutschen Staaten nachweisen, wobei darauf geachtet wurde, daß auch die Rohstoffe aus dem Inland stammten8 • Die Verlagsindustrie umfaßte schon im 18. Jahrhundert alle Zweige manueller Produktion, von nicht verderblichen Konsumgütern, wie Textilien, bis hin zur Konfektion9, Haushaltswaren, Spielwaren, Zigarren, Kleineisenwaren1o. Viele der bislang geschilderten Vorteile der Verlagsindustrie, die sie gegenüber dem Handwerk und Manufakturbetrieb aufwies, waren zugleich Vorteile für die in ihr beschäftigten Arbeitskräfte11 • Daneben gab es jedoch noch weitere spezielle Vergünstigungen für den Heimarbeiter. 3. Vorteile der Verlagsindustrie für die Heimarbeiter
Es kann angenommen werden, daß in der deutschen Volkswirtschaft des 18. Jahrhunderts versteckte Arbeitslosigkeit herrschte. Die ländliche Bevölkerung konnte aufgrund beschleunigten Wachstums nur begrenzt in der Landwirtschaft Beschäftigung finden. Ein Ausweg war u . U. die Abwanderung in andere Bezirke12, ins Heer13 oder ins Ausland14 • Ein 7 Vgl. Haussherr, op. cit., S . 166; D. Jenisch, Geist und Charakter des achtzehnten Jahrhunderts, politisch, moralisch, ästhetisch und wissenschaftlich betrachtet, 3 Teile, Berlin 1800/01, hier Teil 3, Berlin 1801, S. 272 f. s Vgl. Karl Biedermann, Deutschland im achtzehnten Jahrhundert, Band 1: Politische, materielle und sociale Zustände im 18. Jahrhundert, Leipzig 1854, S. 274, 280, besonders 292 ff.; vgl. auch zur Frage der vornehmliehen deutschen Ausfuhrprodukte, Jenisch, op. cit., 2. Teil, S . 58. 0 Vgl. Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus, I, 1, 2 und II, 1, 2, 6. Auflage, München und Leipzig 1924, hier Band II, 2; S. 721 f. 10 Vgl. die Aufzählung der Zweige der Verlagsindustrie bei Sambart op. cit., S. 708 ff. 11 Mit Ausnahme des Konjunktur- und Absatzrisikos, das vorwiegend die Arbeitskräfte zu tragen hatten. 12 Vgl. R. Braun, op. cit., S. 28. 13 Vgl. Biedermann, op. cit., S. 203, 205. 14 Vgl. Haussherr, op. cit., S. 378 f.; K. Becker, Unsere Verluste durch Wanderung, in: Jhrb. f. Gesetzg., Verw. u . Volkswirthschaft i. Dt. Reiche, 11 (1887),
s. 765 ff.
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großer Teil dieser Überschußbevölkerung war jedoch gezwungen, wegen institutioneller Hindernisse der Mobilität auf dem Land zu bleiben und konnte nur .in wenig produktiven Tätigkeiten eingesetzt werden. Die Hindernisse regionaler Mobilität waren politischer, religiöser sowie sozialpolitischer Art: So erschwerte etwa der reichsstädtische Monopoliengeist das Seßhaftwerden von Nichtbürgern, wenn er es nicht gar ausschloß. "In Baiern war den Nichtkatholiken der Ankauf von Liegenschaften und die Niederlassung in der Residenz verboten, und noch das bürgerliche Gesetzbuch von 1756 schloß Jeden, der sich nicht zur Staatskirche bekannte, von dem Rechte zu erben aus." Oder: "In dem protestantischen Kursachsen konnte Niemand als ein Lutheraner Grundbesitz erwerben und das Meisterrecht erlangen. Nur Handel und Manufacturen waren auch den anderen Glaubensverwandten freigegeben 15." Schließlich mußten Zuziehende etwa eine bestimmte Summe Geldes vorweisen, da die Gemeinden fürchteten, daß er oder die ganze Familie ihnen zur Last fiele(n)ls. Mauersberg 11 berichtet von einem 1747 in Hannover gefaßten Ratsmandat, das forderte, "daß jede in die Stadt einziehende Person sich zunächst beim Magistrat ... vorzustellen ... und glaubwürdig nachzuweisen habe, womit sie sich zu ernähren gedenke".
Neben diesen Hemmnissen der regionalen Mobilität richteten sich die strengen Zunftvorschriften gegen die berufliche Mobilität, indem sie eine freie Wahl des Berufes und Arbeitsplatzes erschwerten18. Die Zünfte wurden von der Obrigkeit aus fiskalischen Gründen lange Zeit geschützt. Erst als dieses Interesse erlosch "und die ländliche und kapitalistische Aristokratie des Parlaments sich voll durchsetzte", schwand ihre Wirksamke.it19. Diese Hemmnisse wurden von der Verlagsindustrie weitgehend beseitigt, indem sie die Heimarbeit auf das diesen strengen Vorschriften weniger unterworfene Land vergab. Die Heimarbeiter konnten ihren Standort beibehalten und in einer gewohnten Umgebung weiterleben. Andere Vorteile für den Heimarbeiter lagen in der Freiheit der Arbeitseinteilung - das Stücklohnsystem begünstigte die Anpassung an andere Pflichten (der Hausfrau und Mutter, des Bauern etc.)- in Geldeinkommen für sonst weniger produktive oder unproduktive Familienmitglieder sowie der Arbeit im eigenen Zimmer. 1 ~ So Biedermann, op. cit., S. 308; vgl. Comte de Mirabeau, De la monarchie prussienne sous Frederic le Grand, tarne 4, London 1788, S. 266 ff. 16 Vgl. Helmut Möller, op. cit., S. 128, Anm. 111. 17 So Hans Mauersberg, Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentraleuropäischer Städte in neuerer Zeit, Göttingen 1960, S. 149. 18 Siehe bes. Möller, op. cit., S. 155 ff. u So Haussherr, op. cit., S. 160.
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4. Die Rekrutierung der für die Verlagsindustrie benötigten Arbeitskräfte
Die Ausbreitung und zunehmende Spezialisierung der Verlagsindustrie führte zu wachsendem Bedarf an Arbeitskräften. Für die Analyse der Hauswirtschaft und des Haushaltsgebarens dieser Heimarbeiterfamilien ist die Frage von größter Bedeutung, aus welchen sozialen Schichten die Heimarbeiter stammten. Für die Verlagsindustrie als dem im 18. Jahrhundert sehr wichtigen Zweig der Produktion für den anonymen Markt kamen die folgenden Berufsklassen in Frage: (1) Viele zunftgebundene Handwerker20 waren wegen der schwierigen Rohstoffbeschaffung - einer Folge von Handelsumschichtungen21 oder notwendiger Änderungen der Produktionsmittel22 auf die Unterstützung durch Kaufleute angewiesen, die zugleich Verleger waren. Dieses Verhältnis führte in den meisten Fällen bald zu einer weitgehenden Abhängigkeit des Handwerkers vom Kaufmann, so daß dieser die Bedingungen der Arbeit diktieren konnte. (2) Die zunftlosen Handwerker ergriffen häufig diese Erwerbsart, die ihnen erlaubte, dem erlernten Beruf nachzugehen, verbunden jedoch mit einer größeren Stetigkeit in der Versorgung mit Aufträgen und entsprechender Einkommenssteigerung, als sie in ihrer bisherigen Beschäftigung gewohnt waren. Hierzu gehörten auch die Gesellen, die wegen der Zunftordnungen kaum oder erst spät Aussicht hatten, Meister mit eigenem Betrieb zu werden und eine eigene Familie zu gründen. (3) Kleinbauern, ob nun frei oder an den Gutsherrn gebunden (Leibeigene oder Gutshörige)23 , griffen ebenfalls nach dieser neuen Erwerbsmöglichkeit. Sie eigneten sich besonders für die textile Heimarbeit, die sie neben der Landwirtschaft betrieben, da in ibrem Haushalt Spinnen und oft auch Weben seit Jahrhunderten, zumindest bei den Frauen, zu den traditionellen Tätigkeiten der Eigenproduktion gehörten. So hatte es etwa in der Schweiz schon seit dem Dreißigjährigen Krieg Flachs- und Hanfverspinnung als Teil der jährlich anfallenden Arbeiten gegeben . "Auch die ärmsten Familien versuchen neben einem ,Kr autgärtli' ein ,Hanffländli' ihr eigen zu nennen. Oft genug ist ein solches ,Hanffäckerli' auch ihr einziger Landbesitz24 ." Viele dieser Bauern, wenn sie frei waren, fielen der in weiten Teilen 20 21 22
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Vgl. Haussherr, op. cit., S. 161. Vgl. Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. II, 2, a.a.O., S. 855. Andere Werkzeuge, verbesserter handgetriebener Webstuhl, etc. Vgl. hierzu bes. Biedermann, op. cit., S. 236 ff. So R. Braun, op. cit., S. 20.
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Deutschlands verbreiteten "Realteilung" und der damit verbundenen Zersplitterung des Besitzes zum Opfer, die die Aufteilung der Höfe unter alle Kinder zuließ. Daneben raubte die Einhegungsbewegung vielen kleinen Landwirten ihre Existenz, da diese nicht ohne die Nutzung des Gemeindelandes auskamen und sich oft aus ihrem Besitz auskaufen lassen mußten. In Fällen gar zu drückender Fronlasten versuchten sich die Bauern freizukaufen oder in die Städte zu fliehen, da sie nur hier vor dem Zugriff des Gutsherrn sicher waren25 • (4) Die "Unterständischen" oder Besitzlosen in Stadt und Land. Dazu gehörten die Tagelöhner, deren Zahl ständig wuchs26 , und die daher immer weniger Arbeit fanden. Sie sahen in der Heimarbeit eine neue Erwerbsmöglichkeit wie auch oft die Gelegenheit zur erstmalig möglich gewordenen Familiengründung auf besitzloser Basis. Weiter die nicht bodenständig gewordenen Armen, die sich mit Gelegenheitsarbeiten zu erhalten suchten27 • (5) Die sonstigen Gruppen wie Witwen und Familienangehörige, deren Familienvorstand einer nicht hausindustriellen Beschäftigung nachging.
5. Folgerungen für den Typ des Heimarbeiterhaushaltes Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß sich die Verlagsindustrie hauptsächlich auf dem Land ausbreitete. Die Mehrzahl der Heimarbeiter waren, bevor sie die Heimarbeit aufnahmen, mit der Landwirtschaft verbunden. Da jetzt die Heimarbeit zu ihnen aufs Land kam, brauchten sie nicht den Standort zu wechseln. Es könnte gefolgert werden, daß Wohnung und Haushaltsgebaren häufig ländlich waren. In Krisenzeiten ihres Produktionszweiges versuchten viele Heimarbeiterfamilien, wieder in der Landwirtschaft beschäftigt zu werden. Der Konsumstil der landwirtschaftlichen Bevölkerung färbte nur noch dort ab, wo Familien nebenher landwirtschaftliche Eigenproduktion betrieben. Alle anderen Familien, die ausschließlich vom Geldeinkommen aus Heimarbeit lebten, lösten sich, wie zu zeigen sein wird, bald vom ländlichen Konsumstil und vom sozialen Verhalten der bäuerlichen Umwelt. 25 Vorausgesetzt, daß die Stadt ihnen den Zuzug erlaubte. Vgl. hierzu das "Bauernlegen", bes. plastisch geschildert bei Gustav Freytag, Neue Bilder aus dem Leben des deutschen Volkes, Leipzig 1862, S. 38. 26 Wegen der auf dem Land oft einzigen Beschäftigungsmöglichkeit beim Bauern, zu der neben den armen Handwerkern auch die "Hintersassen" gezwungen waren, sowie die ledigen, nicht mehr erbenden Bauernkinder. Vgl. Werner Conze, Vom "Pöbel" zum Proletariat, in: Vierteljahresschrift zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 41 (1954), S. 333 ff., hier S. 336. 27 Friedrich Paulsen gibt in seinen Lebenserinnerungen (Aus meinem Leben, Jena 1909, S. 59) eine Vorstellung von der Sozialstruktur der Bevölkerung seines Heimatdorfes noch aus der zweiten Hälfte des 19. Jh.
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1. Teil: Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase
B. Die ökonomische Emanzipation des Heimarbeiters und der damit verbundene neue Lebensstil
1. Der neue Lebensstandard Vor der Verbreitung der Verlagsindustrie auch auf dem Land, war der spätere Heimarbeiter hier vom Grundbesitz abhängig, indem er entweder selbst Boden und Vieh besaß, die er nutzte und von denen er teilweise bzw. ganz lebte oder indem er sich beim Bauern als Tagelöhner verdingte. In beiden Fällen war er gezwungen, sich dem saisonalen Rhythmus der bäuerlichen Lebensweise anzupassen und ein sowohl aus Naturalien als auch in Geld bestehendes Einkommen zu akzeptieren. Dieses änderte sich für den späteren Heimarbeiter mit dem Aufkommen der Heimindustrie. Unter der Voraussetzung, daß der Verleger das ganze Jahr hindurch für Arbeit und somit Geldeinkommen sorgte- und das war im 18. Jahrhundert, wenn auch mit konjunkturellen Schwankungen, aufgrundder hohen Nachfrage nach Heimarbeiterprodukten im allgemeinen der Fall- konnte sich der Heimarbeiter mit seiner Familie vom ländlichen Arbeitsrhythmus lösen und seine gesamte Arbeitszeit mit Heimarbeit ausfüllen oder doch zumindest den Teil, den die Landwirtschaft nicht beanspruchte, und damit sein Einkommen gegenüber der Ausgangslage erhöhen. Um ein höheres Einkommen zu erreichen, war besonders der textile Heimarbeiter gezwungen, bis zu 12, später bis zu 16 Stunden täglich, selbst ohne Sonntagsruhe, bei seiner monotonen Arbeit zu verbringen, wobei die Familie noch mithelfen mußte. Im 1!1. Jahrhundert konnte er sein Zimmer kaum noch verlassen und mußte versuchen, ,im Akkord' die Stückzahl seiner Produkte zu maximieren. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Heimarbeiter vor dieser neuen Ewerbsart bei gleichem Zeitaufwand weniger verdiente und durch die überwiegende Naturalentlohnung auch weniger Wahlmöglichkeiten in bezugauf seinen Konsum hatte. Außerhalb der Heimarbeit anfallende schwere Arbeit, die Frau oder Kinder nicht verrichten konnten- wie pflügen usw. -wurde bei genügend hohem Verdienst aus Heimarbeit häufig Tagelöhnern übergeben, die dafür teils in Geld, teils natural entlohnt wurden. Der Grund war im allgemeinen, daß der Heimarbeiter in gleicher Zeit mit seiner ununterbrochenen Heimarbeit mehr verdiente, als der Tagelöhner für eben diese Zeit verlangte. War das nicht der Fall, so übernahm in manchen Fällen der Heimarbeiter schwere Arbeiten auch selbst. So wird vom Instrumentebauer aus dem Erzgebirge um 1847 gesagt28, daß er für schwere Feldarbeiten einen Tagelöhner verpflichtete, der dafür 0,53 Mk.29 an Nahrungsmitteln und dazu im Winter 0,26 Mk. und im Sommer Vgl. Le Play, op. cit., Bd. 4, S. 111. Da Le Play seine Wertangaben in franc macht, soll ein Wertverhältnis zwischen dem franc von 1850 und der Mark etwa jener Zeit hergestellt wer28 29
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0, 53 Mk. Geldlohn empfing, während der Heimarbeiter in der Woche 10,20 Mk.
verdienen konnte. Der Weber aus Godesberg aus der gleichen Zeit mit seinem geringen Einkommen aus Heimarbeit verrichtete schwere Arbeiten wie Heuen usw. selbst30• Die neue Arbeitsmöglichkeit, verbunden mit im 18. Jahrhundert verhältnismäßig regelmäßigen Geldeinkommen aus Heimarbeit garantierten oft erstmalig eine gewisse Existenzsicherheit, so daß beim Heimarbeiter eine Besserung der wirtschaftlichen Situation und damit ein höherer Lebensstandard erreicht wurde. In dieser Zeit herrschte beim Heimabeiter ein kurzfristiges Disponieren in seinem Haushaltsgebaren vor. Er sah dabei in seiner neuen ökonomischen Situation häufig keinen Anlaß, in Zeiten das Existenzminimum übersteigender Einkommen sparsam zu wirtschaften oder einen über das Lebensnotwendige hinausgehenden Besitz zu erwerben31 • 2. Die leichtere Familiengründung
Im Zusammenhang mit der Familiengründung ist von den vorwiegend bäuerlichen, handwerklichen und händlerischen Kreisen vom Mittelalter bis in die Neuzeit bekannt, daß hier, um der Erhaltung des Betriebes den. Die Mark hatte einen Silbergehalt von 5,57 Gramm (seit 1857 ergibt ein Pfund Silber 30 Thaler- pro Thaler also 16,7 g). Da drei Mark gleich einem Thaler sind, hat die Mark einen Silbergehalt von einem Drittel von 16,7 g, d. h. von 5,57 g, Vgl. Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, Band 2, 1957, S. 1183, Spalte 1). Derfranc hatte seit 1795 einen Silbergehalt von 4,5 g. Diese Relation wurde auch nach der Einführung des Bimetallismus (1805) beibehalten. (Vgl. op. cit., S. 595, Sp. 1.) Vergleicht man den Silbergehalt von Mark und franc, so ergibt sich unter Ausschaltung aller Wertveränderungen beider Münzen im Zeitverlauf-ein Kaufkraftvergleich ist hier nicht möglich-: 1 Mark entspricht rund 1,26 franc oder 1 franc entspricht 0,81 Mark. Durch die Lateinische Münzunion von 1865 wurde in einzelnen europäischen Staaten nach dem Vorbild des römischen Denar eine Münze geprägt, die die Funktion einer internationalen Basiswährung in Europa wahrnehmen sollte. Der Wert dieser Münze betrug 80 bis 81 Pfennig. Der Union trat Frankreich mit dem franc bei. Im Folgenden sollen alle franc-Beträge nach Le Play in der genannten Weise in Mark umgerechnet werden, so daß im Text nur noch Markbeträge erscheinen. 3o So Le Play, op. cit., S. 63. 31 Hierbei darf nicht übersehen werden, daß r egelmäßige Geldeinkommen im 18. Jahrhundert und auch schon früher bei vielen Bauernhaushalten und Haushalten von Landarbeitern bestanden. Vgl. Wilhelm Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, 2. Aufl., Harnburg und Berlin 1966, S. 176, 185. Derselbe, Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, Stuttgart 1962, S. 196. 32 Johann Peter Süßmilch (Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, Berlin 1742, S. 43 f.) schätzt die heiratsfähigen Ledigen, die allein in Kirchendiensten stehen, für Deutschland im 17. Jahrhundert auf 200 000 ( = 1 v. H. der Bevölkerung).
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1. Teil : Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase
willen, nur ein bis zwei Kinder heiraten konnten, während die anderen entweder im Elternhaus, bei den verheirateten Geschwistern in einer bäuerlichen oder handwerklichen Haushaltsgemeinschaft oder den wenigen Sammelbecken Lediger (wie Heer und Kloster) unterkamen32 • Besonders die Armenehen waren in vielen deutschen Ländern auch noch im 18. Jahrhundert verboten bzw. wurden nur gegen Vorweisen einer bestimmten Summe Geldes oder den Besitz von Immobiliarvermögen gestattet. So heißt es in einem Mandat des Fuldaer Bischofs, "das nöthige Vermögen und die Ertheilung der Vermögensscheine bey den Verehelichungen der Unterthanen betreffend: So ändern Wir die in dem älteren Gesetz vom 15ten Junius 1715 auf dem Lande auf 200 fl.33 und in den Städten auf 300 fl. festgesetze Vermögenssumme dahin ab, daß für die Zukunft in unserer Residenzstadt ... 350 fl., sodann in den beyden Vorstädten ... so wie auch in allen Unseren Munizipalstädten 300 fl., und am Dorfe 250 fl. veranschlagt werden sollen"a'. Die stärkere Bevölkerungsvermehrung im 18. Jahrhundert auf der einen Seite wie auch die Verbreitung der Verlagsindustrie und die für viele Menschen daraus resultierende neue Einkommenssituation auf der anderen schufen eine neue Einstellung zu Ehe und Families5• Hirzel schildert die sich mit der Verbreitung der Verlagsindustrie ändernde Denkweise der Bauern für die Schweiz des 18. Jahrhunderts38• "Ein Bauer calculirte so: Mein Hof mag nicht mehr als einen, höchstens zwey Söhne ernähren, die andern mögen ledig bleyben, oder anderswo ihr Glück suchen." Mit der Heimarbeit änderte sich das Kalkül: "Ich habe drei-vier Söhne, jeder bekömmt etwas an Wieswachs, wenigstens zu einer Kuhe etwas Acker u.s.f. Dieses mag schon ein schönes zum Durchbringen der Haushaltung abwerfen, und die Bearbeitung dieses kleinen Gütgens läßt Zeit genug übrig, sich durch Fabrikverdienst37 das übrige zu erwerben." Dies galt für den Heimarbeiter, der aus bäuerlichen Kreisen stammte und noch Land besaß, das er nebenbei bewirtschaftete. Anders jedoch bei den "Unterständischen" in Stadt und Land. Ihre Entlohnung als Tagelöhner oder armer Dorfhandwerker auf dem Land, als Handwerksgeselle - oder bei Nachlassen des Zunftzwanges - , Handwerksmeister ohne Aussicht auf einen eigenen Betrieb und ,Gelegenheitsarbeiter' in der Stadt erfolgte weitgehend natural. Diese überwiegend zum ledigen Zuaa fl. = Gulden. 34 So Journal von und für Deutschland, 1789, II, S. 268 f., zitiert nach Möller, op. cit., S. 127. 35 Vgl. Conze, op. cit., S. 337 ff. 3& Hirzel, op. cit., S. 129 f. 37 Hier Heimarbeit gemeint für den Verleger.
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stand verurteilten Menschen beiderlei Geschlechts waren gezwungen, in einem anderen Familienverband zu leben, da sie nur so in eine Fürsorgegemeinschaft eingefügt waren, die für sie in Notfällen (Krankheit und Alter) sorgte. Viele dieser Menschen bekamen jetzt mit der Verlagsindustrie die Möglichkeit, ein Geldeinkommen zu erwerben, das, wenn die Frau mithalf, zur Gründung einer Familie selbst auf bodenlosgelöster Grundlage ausreichte, ohne daß von der Frau Haushaltskenntnisse, von beiden Ersparnisse oder eine lange Berufsausbildung verlangt wurden. Das Fundament der Ehe war allein die Hoffnung auf Fortdauer des Verdienstes aus Heimarbeit38• "Der Abschluß einer Ehe ist kein Vertrag mehr, der das Schicksal einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bis ins einzelne bestimmt." Der Ehekontrakt ist jetzt "ein Versprechen zweier Menschen, die mit ihm die Verwirklichung ihrer individuellen Glücksansprüche erhoffen39.'' Die Familiengröße war gegenüber den stationären Schichten des Volkes, bei denen auch die ledigen Familienmitglieder, ja selbst das Gesinde mit zur Familie zählten, und oft vier Generationen unter einem Dach in einem Haushalt von einem Betrieb lebten, stark gesunken. Heimarbeiterfamilien mit drei Generationen in einem Haushalt waren selten. Meist bestand die Familie nur noch aus Eltern und Kindern und sobald diese erwachsen waren, nur aus dem Ehepaar. Die Kinderzahl schwankte je nach Besitzstand, Wohnungsgröße, Heiratsalter und Region40, nach Besitzstand und Wohnungsgröße jedoch nur dann, wenn man dem Heimarbeiter in seiner Familienplanung ein rationelles Verhalten unterstellt, und das war nur in den seltensten Fällen möglich. Solange das Einkommen aus Heimarbeit relativ hoch war, landwirtschaftlicher Besitz die Mitarbeit der Kinder ermöglichte, diese sich damit praktisch ganz oder teilweise erhielten bzw. die Heimarbeit so geartet war, daß mit steigender Kinderzahl das Einkommen entsprechend stieg, weil die Kinder in der Heimarbeit mithalten, so schmälerte eine hohe Kinderzahl nicht unbedingt den Lebensstandard der Familie. Friedrich Schmidtl 1 errechnete anhand einer Aufstellung, daß Kinder von Heimwebern, wenn sie zur gleichen Arbeit herangezogen werden, immerhin Vgl. R. Braun, op. cit., S. 65. Vgl. zu den sozialen Folgen Gerhard Bevölkerungslehre, Berlin - Göttingen - Heidelberg 1954, s. 363 ff. 9 3 So R. Braun, ebda. 40 So wird für das Sachsen des 19. Jahrhunderts von einer Kinderzahl von vier bis acht gesprochen. Vgl. Le Play, op. cit., Bd. 4, S. 108: "Les familles saxonnes sont assez fecondes, habituellement on compte 4 ou 5 enfants, par menage, il n'est pas rare d'en voir 7 ou 8." 41 Untersuchungen über Bevölkerung, Arbeitslohn und Pauperism in ihrem gegenseitigen Zusammenhange, Leipzig 1836, S. 297 ff. 38
Mackenroth,
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das Familieneinkommen verdoppeln können, das allerdings erst nach einer langen Anlernzeit, in der jedes Kind als Spuler nur etwa 10 v. H. des Weberlohnes verdiente. Die dret Beispielfamilien bieten zu den verschiedenen Aspekten der Kinderfrage gutes Anschauungsmaterial, und zwar für die Zeit nach 1840, in der die Einkommen besonders der textilen Heimarbeit im allgemeinen schon sehr niedrig waren. Die Weberfamilie mit ihren drei Kindern lebte sehr bescheiden. Jedes weitere Kind konnte die landwirtschaftliche Produktion nicht steigern helfen, seltsamerweise auch nicht das Einkommen aus Heimarbeit, da die Kinder nicht dazu angehalten wurden42. Die Familie des Instrumentebauers aus dem Erzgebirge hatte sechs Kinder. Die jüngeren halfen der Mutter bei der Eigenproduktion, bei der Sicherstellung der naturalen Unterstützungen der Gemeinde (Laub, Holz sammeln, Gras und Heu holen etc.). Die älteren Söhne unterstützten den Vater beim Geigenbauen: Der Gewinn ihrer Arbeit außerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeit gehörte ihnen. Sie arbeiteten deshalb oft bis ein oder zwei Uhr nachts. Bedenkt man, daß der Vater rund 525 Mark im Jahr verdiente, das Gesamteinkommen der Familie aus dieser Heimarbeit jedoch 1215 Mark ausmachte 43 , so entfielen auf die älteren Söhne etwa 690 Mark44. Die Familie des Uhrschildmalers aus dem Schwarzwald mit sehr hohem Einkommen und Lebensstandard hatte nur zwei Kinder 45, was zum Teil auf das hohe Heiratsalter der Eltern (30 Jahre bei der Frau, 34 Jahre beim Mann) zurückgeführt werden kann. Vielleicht ist es auch ein Beweis für das rationale Verhalten des Kleinbürgertums, dem diese Familie in ihrem Lebensstil anzugehören scheint. Die Kinder konnten bei dieser komplizierten Heimarbeit erst mithelfen, wenn sie über 10 Jahre alt waren. Sie waren also lange Zeit ausschließlich eine finanzielle Belastung46.
3. Die Lockerung der Familienbande Die neuartige Arbeit und die mit ihr verbundenen Geldeinkommen auf der einen Seite, die Auflösung der patriarchalischen Großfamilie auf der anderen hatten weitreichende Konsequenzen für die Familie. u Vgl. Le Play, op. cit., Bd. 5, S. 60 ff., besonders S. 65 f. Ohne Sondergewinne der Söhne, diese gingen nicht in das Familienbudget ein. 44 Vgl. derselbe, op. cit., Bd. 4, S. 107 ff., bes. die Seiten 111, 114 f. 45 Ein drittes starb im Alter von 5 Jahren. 48 Vgl. Schnapper, op. cit., S. 133 ff. 43
I. Die historisch-soziologische Struktur des Heimarbeiterhaushalte s
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Mit der unter dem Einfluß der Geldeinkommen veränderten Einstellung zur Eheschließung wandelte sich die gegenseitige Haltung der Partner während der Ehe. Aus kleinsten Anfängen baute sich das junge Paar eine eigene Existenz auf, ohne ein anderes Kapital einsetzen zu können als ihre Arbeitskraft. Von den Eltern seit frühester Kindheit zur (Heim-) Arbeit angehalten, blieb wenig Zeit für schulische Bildung oder das Erlernen eines anderen Berufes als den der Eltern. Die Mädchen hatten wenig hauswirtschaftliche Kenntnisse und wenn, so bot sich unter dem Zeitdruck des Verdienenwollens und später -müssens oft nicht einmal die Gelegenheit, sie anzuwenden. Die jungen Leute hatten vor der Ehe im allgemeinen im Hause der Eltern gearbeitet und Teile ihres Verdienstes dort abgegeben. Sie waren auf Mitgift angewiesen, die aber meist kärglich ausfiel, da kein Bargeld vorhanden war. In den kurzen Zeiten hoherEinkommen (18. Jahrhundert) wurde im Vertrauen auf den Fortbestand der günstigen Absatzlage kaum von Eltern und Kindern gespart. Auch war der angeschaffte Besitz der Eltern und Kinder- wie noch zu zeigen sein wird - meist kurzlebig und auf den persönlichen Genuß abgestellt. Im 19. Jahrhundert verschlechterte sich tendenziell die ökonomische Situation. Konnten im 18. Jahrhundert die Eltern den Kindern kaum Mitgift geben, da sie über keine Ersparnisse oder wenig übertragbaren Besitz verfügten, so wurde im 19. Jahrhundert die Mitgift aufgrundder allgemeinen Armut beim Heimarbeiter noch seltener. Für die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts galt im Taunust7 : "Die Tochter erhält das Hochzeitskleid und das Bettwerk, dem Sohne wird zu einer Bettlade verholfen." Wie aber weiter? "Besitzt der Vater der Frau ein Häuschen, in welchem er eine Stube vermiethet hat, so kündigt er seinem Miethsmann und läßt die jungen Leute einziehen, denen er keinen Zins abnimmt und auch die Kost einige Monate umsonst giebt." Andernfalls mußte sich das Paar selbst einmieten oder noch getrennt bei den jeweiligen Eltern leben. Durch die Zusammendrängung von Haushalt und Betriebts auf engstem Raum, oft in einem Zimmer, war es schwer, Mann und Frau klar getrennte Arbeits- und Aufgabenbereiche zuzuordnen. Die Frau ver47 So Gottlieb Schnapper-Arndt, Fünf Dorfgemeinden auf dem hohen Taunus, Leipzig 1883, S. 167 (Staats- und socialwiss. Forschungen, 4, 2). 48 Beim Heimarbeiter herrschte äußerlich betrachtet - eine Einheit von Haushalt und Betrieb. Doch hatte hier bereits eine innere Trennung eingesetzt: Der Betrieb war voll am anonymen Markt (der erwerbswirtschaftliche n Produktion) orientiert, der Haushalt zum Teil oder ganz marktabhängig (vom Markt für Güter des lebensnotwendigen Bedarfs). Vgl. Helmut Begemann, Strukturwandel der Familie, Harnburg 1960, S. 26 f.; Otto Brunner, Neue Wege der Sozialgeschichte, Vorträge und Aufsätze, Göttingen 1956, S. 46, sowie Erich Egner, Das Spannungsfeld zwischen Betrieb und Haushalt, in: Studien über Haushalt und Verbrauch, Berlin 1963 (Beiträge zur Ökonomie von Haushalt und Verbrauch, 1), S. 75 ff.; hier S. 75.
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1. Teil: Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase
richtete mit den jüngeren Kindern die Hausarbeit und- falls vorhanden - die kleine Landwirtschaft. Der Mann und die älteren Kinder widmeten sich der Heimarbeit. Hier bestand noch eine klare Scheidung von häuslichem Herd (Aufgabe der Frau) und Sicherung des (vorwiegend monetären) Lebensunterhaltes (Aufgabe des Mannes). Mit sinkendem Wohlstand und abnehmender Verdienstmöglichkeit aus Heimarbeit war die Frau immer stärker gezwungen an der Erwerbsarbeit des Mannes teilzunehmen49. Neben der hieraus resultierenden weitgehenden Emanzipation der Frau warf die unter dem Einfluß der Geldeinkommen entstehende Emanzipation der Kinder neue Probleme auf. Die alten Bande zwischen Eltern und Kindern, in denen die Eltern über das Schicksal ihrer Kinder bestimmten, lockerten sich mehr und mehr, da die heranwachsenden Kinder häufig ebensoviel verdienen konnten wie ihre Eltern50 • Solange sie noch im Elternhaus waren und selbst schon verdienten, zahlten sie den Eltern ein Kostgeld, was als eine Art von Freikauf von der elterlichen Autorität betrachtet wurde. Sie lebten auch hier schon ihr eigenes Leben und entfalteten ihren eigenen Konsumstil51 • Wenn dies auch mehr für das 18. Jahrhundert mit seinen mancherorts hohen Realeinkommen galt, so blieb diese Emanzipation der Kinder auch in Zeiten zunehmender Armut bestehen. Eine gute Seite an dieser entstehenden Unabhängigkeit war die früh geschaffene Einsicht, für sich selbst sorgen zu müssen und verantwortlich zu sein. Mädchen wie Jungen halfen - falls vorhanden - in der kleinen Landwirtschaft und lernten die sie betreffenden Tätigkeiten. Die Mädchen halfen im Haushalt, lernten kochen und flicken (falls die Mutter diese Künste beherrschte) 52 • Sie entlasteten die Mutter und lernten dabei die wichtigsten Aufgaben für ihre spätere Rolle als Hausfrau und 40 Siehe hierzu Otto, Rose (Über Fabrikarbeit verheirateter Frauen, Stuttgart und Berlin 1910 (Münchener Volkswirt. Studien, 104, S. 3-5)), die unter Verwendung von Daniel Defoe (A Tour Thro' the Whole Island of Great Britain ... a .a.O., besonders Bd. 3, S. 97 ff.) einen für den Heimarbeiter des beginnenden 18. Jh. besonders günstigen Zustand des Zusammenhanges von Geld- und Naturaleinkommen und der Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau schildert. 5° Falls nicht auch die Heimarbeit, wie beim Weber, eine lange schwere Ausbildung erforderte, um besser bezahlte Stoffe zu weben, aber selbst dann konnten die Kinder schon frühzeitig zuarbeiten. 51 Vgl. Hirzel, op. cit., S. 145 f. 52 Voraussetzung war, daß die Grundlagen für eine Ausbildung in dieser Richtung gegeben waren. So negiert etwa Ivy Pinchbeck (Women Workers in the Industrial Revolution 1750-1850, London 1930, S. 310) diese Grundlagen für England, da die Ausstattung der Küche und die Zusammenstellung der Mahlzeiten zu wünschen übrig ließ (" ... food in many homes was limited to oatmeal porridge, milk, bread, cheese and potatoes, with meat as a r are luxury"). Vgl. die Kapitel "Wohnungsverhältnisse" sowie "Ernährung" beim Heimarbeiter in dieser Arbeit.
I. Die historisch-soziologische Struktur des Heimarbeiterhaushaltes
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Mutter. Alle Kinder wurden schließlich in der gleichen Art von Heimarbeit ausgebildet, wie sie die Eltern verrichteten53•
4. Die Rolle des Besitzes und das veränderte Besitzdenken Mit der Verbreitung der Verlagsindustrie auf dem Land im 18. Jahrhundert widmeten sich ihr Familien mit unterschiedlichem Besitzstand. Am günstigsten gestellt waren die Familien mit kleinem landwirtschaftlichem Nebenerwerb, da sie Haus und Grundbesitz hatten und auch meist das Arbeitsgerät für die bereits vertraute textile Heimarbeit besaßen. Diese Familien stellten jedoch einen geringen Anteil an der Gesamtzahl der Heimarbeiter. Die Mehrheit der Heimarbeiter griff zu dieser Erwerbsmöglichkeit ohne jeden eigenen Besitz. Der Heimarbeiter hatte in Zeiten regelmäßiger Einkommen theoretisch drei Möglichkeiten, mittels Besitzerwerb eine gewisse Unabhängigkeit von Verleger und Einkommen aus Heimarbeit zu erlangen. (1) Den Hauskauf, um von den Mietausgaben unabhängig zu werden und eventuell selbst zu vermieten und damit zusätzliche Einkommensteile zu verdienen. (2) Den Erwerb von Land und Vieh, um durch Eigenverbrauch bzw. Verkauf selbstproduzierter landwirtschaftlicher Produkte zusätzliche Natural- oder Geldeinnahmen zu beschaffen. (3) Den Erwerb der für die Heimarbeit benötigten Produktionsmittel, wie Werkzeug, Spinnrad, Webstuhl etc. Solange sie Eigentum der Heimarbeiterfamilie waren, blieb eine gewisse Unabhängigkeit vom Arbeitgeber, dem Verleger, gewahrt, und zwar um so stärker je kapitalintensiver das Produktionsmittel war, da die Möglichkeit bestand, den Verleger zu wechseln. Sobald jedoch hier das kurzsichtige Erwerbsinteresse vorherr schte, das Arbeitsgerät gemietet5 ' und die Rohstoffe auf Vorschuß bezogen wurde(n), war der Heimarbeiter kein gleichwertiger Verhandlungspartner, sondern gezwungen, den vom Verleger diktierten Abnahmepreis für die Ware wie auch die neuen Aufträge, und seien sie noch so gering, zu akzeptieren. Der Besitzstand der Heimarbeiterfamilien war besonders wichtig, da aus ihm eine unterschiedliche Krisenanfälligkeit resultierte. Am anfälligsten war ein Heimarbeiterhaushalt, wenn er keinen Haus- und 53 Auf die hieraus entstehenden Probleme der Inflexibilität in der Berufswahl wird an späterer Stelle ausführlich eingegangen. 54 So berichtet Robert Wilbrandt (Die Weber in der Gegenwart, Jena 1906, S. 17) von schlesischen Webern aus dem Jahre 1812, die kein Kapital für einen Webstuhl hatten und deshalb für einen Webstuhl jährlich 4 Taler Miete zahlen mußten, der neu nur 6 Taler kostete.
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1. Teil: Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase
Grundbesitz bzw. kein Eigentum an Produktionsmitteln hatte, da er keinerlei Rückhalt in einkommensschwachen oder -losen Zeiten hatte 55• Relativ gut gestellt schienen Familien mit kleiner landwirtschaftlicher Nebentätigkeit, da sie nie ausschließlich von den Einkünften aus Heimarbeit abhingen, diese aber wegen ihrer Landwirtschaft auch oft nicht in eine Höhe treiben konnten, daß die Familie davon allein hätte leben können56 • Die erwähnte Lockerung der Familienbande und die mit ihr verbundene Emanzipation der Kinder blieb auch auf die Schaffung von Besitz nicht ohne Einfluß. Solange das Familieneinkommen überwiegend natural war und aus ihm Besitz gebildet wurde, gehörte dieser der ganzen (Groß-)Familie, ohne daß es möglich war, den genauen Anteil des Einzelgliedes zu bestimmen. Das Besitzdenken bestimmte den Bauernhaushalt. Generationen hatten zum Besitz beigetragen. Unter dem Einfluß des Geldeinkommens gewöhnten sich die Heimarbeiter, obwohl sie in der bäuerlichen Umgebung lebten, an ein kurzfristiges Disponieren in ihrer Haushaltsgebarung und sahen in ihrer neuen ökonomischen Situation wenig Anlaß, Besitz anzuschaffen57• Die Kinder der Heimarbeiter verbrauchten ihre Einkommen- abzüglich des Kostgeldes- nach eigenem Gutdünken vorwiegend für kurzlebige Konsumgüter.
Bücher58 klagt: "Das ist ja der Fluch der Hausindustrie, daß sie, indem sie Bewohner armer Landbezirke vom Ackerbau unabhängig macht, die Entstehung einer dichten Bevölkerung befördert, die mehr und mehr die Landwirtschaft aufgibt und die frühere Nebenbeschäftigung zu ihrem alleinigen Nahrungszweige macht." Ein gutes Beispiel zur Illustration bietet der Haushalt des Webers aus Godesberg59 : Der Besitz dieser Familie von rund 218 Mark damaliger Währung gliedert sich auf in landwirtschaftlichen (1 Kuh [89 Mark] und Ackergerät [4 Mark]) und in Mobiliar, Hausrat und Kleidung (im Werte von 125 Mark). Am Wert des Besitzes läßt sich bereits die Armut dieser Familie ablesen, die allerdings auch keinerlei Interesse hatte, ihr Los zu ändern. So heißt es vom Weber60 : 55 Zur Frage der Ersparnisse und Versicherung als weitere Momente ökonomischer Rückhalte siehe die Seiten 82 ff. der Arbeit. 56 R. Braun (op. cit., S. 235) spricht von ihren materiellen und seelischen Sicherungen. Vgl. auch Ludwig Räder, Heimarbeit und Landwirtschaft, Jena 1925 (Heimarbeit und Verlag in der Neuzeit, 6), S. 18. 57 Haus- und Bodenerwerb entstand manchmal, wenn Zuzugs-, Wohnrechte oder das Recht auf naturale kommunale Unterstützung in einer Gemeinde an diesen Besitz geknüpft waren. Vgl. z. B. die Bestimmungen für Hannover (im 17. und 18. Jh.) bei Hans Mauersberg, op. cit., S. 148 f. ss op. cit., S. 175. 59 Vgl. Le Ptay, op. cit., Bd. 5, S. 60 ff. &u So derselbe, op. cit., Bd. 5, S. 63, vom Verfasser übersetzt.
I. Die historisch-soziologische Struktur des Heimarbeiterhaushaltes
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"Der Arbeiter ... zeigt keinerlei Neigung zur Sparsamkeit, um das nötige Handwerkszeug zu erwerben, und vernünftigerweise den Kauf des Baumwollgarnes, daß er bearbeitet, zu erwägen: Er erhält diese Produktionsmittel immer vom Verleger." Dieses mangelnde Interesse, Vorsorge zu treiben, würde die Familie in Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Krankheit in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, triebe sie nicht ein wenig Landwirtschaft sie besitzt noch einen Garten und hat ein kleines Kartoffelfeld gepachtet -und gäbe es nicht einige Vergünstigungen seitens der Gemeinde wie Gratis-Schulbesuch der Kinder, Grasschneiden an Wegen und auf Waldlichtungen, Holz sammeln und, als Besonderheit dieser Gegend, die Möglichkeit, während dreier Tage im Jahr in einem bestimmten Areal mit allen Familienmitgliedern soviel Gras mit der Sichel zu schneiden und abzutransportieren wie möglich. So war die Unterhaltung der Kuh über das ganze Jahr gesichert~ 1 • Bei dieser Familie ist bemerkenswert, daß die Gemeinde Godesberg die geschilderte Landwirtschaft ermöglichte und einer Familie ohne Hausbesitz die genannten Unterstützungen aus ihrem kommunalen Landbesitz gewährte. Allgemein läßt sich an der genannten Familie zeigen, daß mit noch so geringem landwirtschaftlichem Besitz schon ein - je nach Gesamteinkommenshöhe - beträchtlicher Anteil dem Einkommen aus Heimarbeit hinzugefügt werden kann. Besonders in Fällen, in denen die Heimarbeit des Mannes eine lange Lernzeit erforderte, die der Frau fehlte und sie andere Heimarbeit nicht finden konnte, war ihre Arbeitskraft in einer landwirtschaftlichen Nebentätigkeit optimal eingesetzt. Dadurch konnte sie das Familieneinkommen natural ergänzen bzw. monetär entlasten oder gar mit dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte zusätzlich Geldeinkommen schaffen. War der landwirtschaftliche Besitz, wie im Beispielfall, gering, so hing eine landwirtschaftliche Nebentätigkeit von den Naturalsubventionen~2 der Gemeinde ab. Als im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Einkommen für viele Arten der Heimarbeit sanken und damit die Möglichkeit schwand, Besitz zu erwerben, hätten die Subventionen der Gemeinden zunehmen müssen, um den gleichen Lebensstandard zu sichern. Das war jedoch nicht möglich, da in dieser Zeit die Bevölkerung der Gemeinden, besonders seit der Jahrhundertmitte, ständig gewachsen war. Die mei61 Die Nebeneinnahmen aus dem landwirtschaftlichen Besitz beliefen sich immerhin auf 137,59 Mk. oder rund 30 v. H. der Gesamteinkünfte. Die Heimarbeit des Mannes erbrachte dagegen nur rund 60 v. H. Der Rest entfiel auf Subventionen etc. 62 Wie z. B. die Erlaubnis, Weiden des Gemeindebesitzes zu nutzen u. a. m.
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1. Teil: Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase
sten Familien ohne oder mit wenig Besitz waren jetzt einer laufenden Verschlechterung ihres Lebensstandards ausgesetzt. 5. Die Verkümmerung der hauswirtschaftliehen Fähigkeiten
War im bäuerlichen und bürgerlichen Haushalt die Hauptaufgabe der Frau, die Hauswirtschaft ordentlich zu führen, so änderte sich das jetzt unter dem Einfluß der Heimarbeit. Die Enge der Wohnung wie die Mitarbeit der Frau im Erwerbsbereich erschwerten das ordnungsgemäße Führen des Haushalts. Der Fall der landwirtschaftlichen Nebentätigkeit war für Familie wie auch Haushalt günstig. Die Frau handelte im Grunde nicht anders als die Bäuerin; sie hielt ein wenig Vieh, säte und erntete in Garten und Feld. Da die Produkte geballt anfielen, war sie gezwungen, Vorratswirtschaft zu treiben, falls nötig, die tierischen Produkte zu verarbeiten und das Gewonnene einzuteilen63 • Von dieser Frau ging ein Verharrungsmoment in zweifacher Hinsicht aus: Sie schuf einen naturalen Gegenpol gegen das schwankende Geldeinkommen und sorgte mit ihrem traditionalen Haushalt bei aller eventuellen Armut für den Familienzusammenhalt64. Sobald die Landwirtschaft fehlte, half die Frau bei der Heimarbeit des Mannes (oder sie übernahm eine eigene zum Teil andersartige Arbeit). Jetzt war auch sie in das erwerbswirtschaftliche Denken eingespannt. Wie für den Mann wurde für sie die Zeit knapp, wurde von ihr die Zeit in Geld bewertet. Darunter mußte zwangsläufig der Haushalt leiden. Kochen wurde nebenbei erledigt, ein Übergang zu schnell bereitbaren Speisen bahnte sich an. Von den hauswirtschaftliehen Funktionen der Frau blieben nur Kochen und eventuell noch Waschen und Flicken übrig: alles andere wurde vernachlässigt bzw. vom Markt gegen Entgelt übernommen. Unter dem Einfluß der Maschine (des Heimarbeiters im 19. Jahrhundert) "schrumpfte die Hauswirthschaft des Armen mehr und mehr zusammen. Sein Zimmer wurde zur Werkstatt, wo bald die ganze Familie, Groß und Klein, Alt und Jung, Mann und Weib, um kärglichen Lohn arbeitete. Von der Hauswirthschaft blieb nichts übrig als der Herd mit der rasch zusammengekochten, 63 Natürlich konnte sie auch den Überschuß über den Eigenbedarf am örtlichen Markt verkaufen und so das Geldeinkommen der Familie erhöhen. Vgl. die Weberfamilie bei Le Play, op. cit., Bd. 5, S. 60 ff., bes. S. 73, Section IV. u Auch wenn sie aus Mangel an finanziellen Mitteln niemals die Vorratswirtschaft der idealen Hausfrau des 18. Jh., geschildert von Justus Möser in seinen "Patriotischen Phantasien", Leipzig 1871, S. 16 ff., erreichen konnte.
II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten
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elenden Mahlzeit, und der Waschtrog, in dem die arme Mutter nächtlicher Weile in aller Hast die paar Lumpen, die die Familie besaß, auszuwaschen pflegte" 65 •
II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten Lohn und allgemeine wirtschaftliche Situation der Heimarbeiter hingen im wesentlichen von den folgenden sechs Faktoren ab: von der Art der Heimarbeit, von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Gewerbes, vom Arbeitsmarkt, vom Besitzstand und damit vom ökonomischen Rückhalt der Heimarbei terfamilie, (e) vom Standort des Heimarbeiters und (f) von den Lebenshaltungskosten .
(a) (b) (c) (d)
Um etwas über das Realeinkommen und damit die Kaufkraft der Heimarbeiter- überhaupt der Löhne im 18. und 19. Jahrhundert aussagen zu können, sollen einmal Löhne und Lebenshaltungskosten samt ihrer Entwicklung einander gegenübergestellt, zum andern Urteile über den in Geld bewerteten Einkommensbedarf bei alternativer Familiengröße hinzugezogen werden. Dabei muß die Fragwürdigkeit mancher statistischen Angaben besonders des 18. Jahrhunderts - die ja verallgemeinert werden müssen - von vornherein betont werden. So sagt noch Hildebrandl, "eine Geschichte dieses so wichtigen Gegenstandes der Preise und Arbeitslöhne in unserer eigenen Heimat fehlt noch gänzlich". Wenn auch heute weit mehr Lohn- und Preisangaben vorliegen als noch zu Lebzeiten Hildebrands, so bleiben sie für den Heimarbeiter des 18. und 19. Jahrhunderts nach wie vor spärlich. A. Einzelne Lohnangaben
Anband einer ersten Tabelle sollen einige Lohnangaben für textile Heimarbeit zwischen 1700 und 1864 aufgeführt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es sich in allen Fällen, in denen für ein einzelnes Jahr Minimal- und Maximallöhne genannt werden, um Heimarbeiten verschiedener Qualität handelt. 65 So Lily Braun, Frauenarbeit und Hauswirthschaft, Berlin 1901, S. 9. Vgl. auch einen Bericht aus dem 18. Jahrhundert, den R. Braun, op. cit., auf S. 175 zitiert. 1 So Bruno Hildebrand, Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft und andere gesammelte Schriften, Bd. 1, Jena 1922, S. 156 (Anmerkung), (Sammlung sozialwiss. Meister, 22).
3 Schneider
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1. Terl.l: Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase Tabelle 1a
Löhne aus Heimarbeit im 18. und 19. Jahrhundert umgerechnet in Marka) Zeit
Lohn
1727 1754 1761 1778 1779 1798
50- 94 100-192 154-250 90-146 225 90 600 300-500 240-400 170-255 170-213 128-170 425-510 680-765 100 120 182 195 60 61- 88
1805 1812 1841 1848 1851 1859 1861 1811 1824 1832 1840-60 1864
Art der Heimarbeit Weber Weber Weber Weber Strumpfwirkermeister WOllspinner Tuchmacher Handweber Handweber Handweber Handweber Handweber Handweber Handweber Handspinnerin Handspinner Leinenweber Baumwollspinner Spinner Weber
Ort/Region Calw/Württ.b) Calw/Württ.b) Calw/Württ.b> Calw/Württ.c) Apolda/Thüringend) Schlesiene) Schlesiene> Hof/Oberfrankenf) Hof/Oberfrankenf) Hof/Oberfrankenf) Hof/Oberfrankenf) Hof/Oberfrankenf) Hof/Oberfrankenf) Hof/Oberfrankenf) St. Blasien/Schweizg) Württembergh) Oberlausitzl) Oberlausitzl) Schlesienj) Schlesienk)
a) Da die Lohnangaben oft für Tage oder Wochen erfolgen, wird das Jahr zu 50 Wochen und 300 Arbeitstagen gerechnet. b) Walter Troeltsch, Die Calwer Zeughandelskompagnie und ihre Arbeiter, Jena 1897, s. 222. Troeltsch macht seine Lohnangaben in Gulden. 3 Gulden (fl.) ergeben 2 Reichstaler (Rtlr.); 1 Rtlr. entspricht 3 Mark. Vgl. H. M. G. Grellmann, Historischstatistisches Handbuch für Teutschland, 1. Theil, Göttingen 1801, S. 249. c) Troeltsch, a.a.O., S. 223. d) Hans Eberhardt, Goethes Umwelt, Forschungen zur gesellschaftlichen Struktur Thüringens, Weimar 1951, s. 82 (Angaben in Rtlr.) . e) Hermann Fechner, Wirtschaftsgeschichte der preußischen Provinz Schlesien in der Zeit ihrer provinziellen Selbständigkelt 1741-1806, Breslau 1907, s. 701 (Angaben in Rtlr.). f) Carl Hofmann, op. clt., S. 37 (Angaben in Kreuzern, umgerechnet ln Gulden: 1 fl. = 60 Kreuzer. Vor 1832 entsprach der Gulden 2 Mark, nach 1832 1,70 Mark. So Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen ..., a.a.O., Bd. 2, s. 1183, Spalte 2). g) Wolfram Fischer, Der Staat und die Anfänge der Industrialisierung in Baden 1800-1850, Berlin 1962, S. 364 (Angaben in fl.) . h) Derselbe, a.a.O., s. 365. i) Friedrich Schmidt, op. cit., S. 206 f. j) Rose Otto, op. cit., S. 74 (Angaben in Silbergroschen. 30 Sgr. ergaben einen preuß. Taler, dieser entsprach dem Rtlr.). Die Lohnangabe bezieht sich auf die ganze Famille (!). k) Dieselbe, ebenda, s. 75.
Neben diesen Einzellohnangaben sei noch auf die Entwicklung von Stücklöhnen für bestimmte Webarten zwischen 1705 und 1797 in Leipzig hingewiesen, auch wenn sich hieraus keine Jahreslöhne bilden lassen, da diese Zahlenangaben nichts über das Maß der Beschäftigung des einzelnen Webers noch seiner Kapazität aussagen.
Il. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten
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Tabelle 1b Entwicklung des Weblohnes für I Elle Stoff zwischen 1705 und 1797 in "den"a), b) (gezahlt vom St. Georgen-Hospital in Leipzig) Jahr
Weblohn in denc)
Jahr
Weblohn in den
1705 1706 1708 1709 1710 1712 1719 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727
9-12 6,9-8 7-7,5 8 6-7 8 9,4 9,4 5-9 5-9 8,4 3- 9 7- 8 7- 8
1728 1729 1730 1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741
7 7-8 7- 9 7-10 8-12 10-12 6-13 7-11 6-12 6-12 6-10 6-9 6-9 6-12
Jahr
Weblohn in den
Jahr
1742 1743 1744 1745 1746 1747 1748 1751 1752 1756 1757 1758 1771
7-18 6-12 4-12 8-12 9 9 9 8-9 18 18 3 3 6-12
1773 1774 1776 1779 1784 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1796 1797
Weblohn in den 11,2 11,2 13,4 9,4 12-15 12,9 12-20 12,3 12 14,3 13,5 14 14
a) Die Zahlenwerte der Tabelle 1b sind entnommen: M. J. Elsas, Umriß einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, 2 Teile, Leiden 1936/49, hier Teil II A, 1940, s. 589 f . b) ,.den" = Denar. 1 Denar entsprach 1/240 Gulden. Der Gulden hatte zwischen 1685 und 1725 einen Silberwert von 12 g, zwischen 1740 und 1764 von 13 g und zwischen 1764 und 1800 von 9,74 g. Angaben bei Elsas, a.a.O., Teil II A, s. 14. c) Der Lohnspanne für jeweils 1 Jahr entsprachen unterschiedliche Tuchqualitäten. Mit einzelnen Ausnahmen ist nach Tabelle 1 b) der Weblohn während der Jahre zwischen 1705 und 1797 leicht angestiegen. Nach Tabelle 1 a) schwankten in Calw die Weberlöhne pro Jahr zwischen 50 und 94 Mark für 1727 und 154 und 250 Mark für 1761 je nach Produktqualität Eine Lohnentwicklung kann aus diesen wenigen Zahlenangaben nicht abgeleitet werden. Nach einem Schaubild von Abel2 bewegten sich die allgemeinen Nominallöhne aller Branchen (einschließlich der Hausindustrie) zwischen 1700 und 1780 mit wenigen Ausnahmen unter dem Stand von 1690/1719. Erst nach 1780 stiegen sie leicht an. Für das 19. Jahrhundert soll die Nominallohnentwicklung nur in der Textilindustrie an einem Schaubild dargestellt w erden. Wieweit hier die Hausindustrie beteiligt war, ist nicht festzustellen, doch ist aufgrund vieler Einzelangaben für textile Heimarbeiter anzunehmen, daß ihre Löhne nicht an dem allgemeinen Aufschwung teilgenommen haben, den die Löhne von Fabrikarbeitern der Textilindustrie durchmachten. z Vgl. Wilhelm Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft, a.a.O.,
s. 248.
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1. Teil: Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase
100 90 ~0
70 60 50 '0 J 1850/59 1880/ 89 1900 18,01'9 18JO! J9 1~50/59 1~70171 1~90199
Abbildung 1 Bruttolöhne in der deutschen Textilindustrie 1830/39 bis
1900~
(1900 = 100)
Die vordringende Fabrikproduktion von Textilien machte den Heimarbeitern dieses Bereichs zunehmend Konkurrenz und drückte ihren Lohn, so daß sie in die Fabriken abwanderten. Hohe Heimarbeiterlöhne waren nur mit hoher Spezialisierung in der Webtechnik der Hausindustriellen zu erklären .(Vergleiche hierzu die Löhne der Handweber in Hof um 1859 und 1861 in Tabelle 1 a.) Diese Löhne waren daher nur bei einer sinkenden Zahl von Heimarbeitern anzutreffen. Aus den Tabellen 1 a) und 1 b) sind die für ähnliche Zeitpunkte außerordentlich großen Lohnunterschiede bei gleichen Beschäftigungen gut zu entnehmen. Sie rührten oftmals aus der monostrukturellen Konzentration der Herstellung bestimmter (niedriger oder hoher) Produktqualitäten nach Regionen her, zum andern aus der unterschiedlichen Konjunkturanfälligkeit einzelner Staaten innerhalb Deutschlands und schließlich aus der voneinander abweichenden Wirtschaftspolitik deutscher Territorialfürsten. 3 Quelle: Zusammengestellt aus Jürgen Kuczynski, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Darstellung der Lage der Arbeiter in Deutschland, Band 1-3, Berlin 1961/62. Bd. 1: 1789-1849, Bd. 2: 1849 bis 1870, Bd. 3: 1871-1900. Indexzahlen für 1830-1849 Bd. 1, S. 245 f., absolute Zahlenangaben: Bd. 1, Anhang III, S. 373 ff. Indexzahlen für 1850-1870, Bd. 2, S. 145 f., absolute Zahlenangaben: Bd. 2, Anhang II, S. 222 ff. Indexzahlen für 1870-1900, Bd. 3, S. 303 f., absolute Zahlenangaben: Bd. 3, Anhang I, S. 419 ff.
II. Einkommensentw icklung und Lebenshaltungsk osten
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Tabelle 1 a) zeigt schließlich, daß für gleiche Zeitpunkte besonders krasse Lohnunterschie de u. a. zwischen Webern und Spinnern bestanden. Hier erklärt sich die Differenz aus dem mit verschiedener Qualifikation verbundenen unterschiedliche n Arbeitsangebot. Am Beispiel des Jahres 1798 wird das deutlich. Ein(e) Spinner(in) verdiente in Schlesien 90 Mark/Jahr, ein Tuchmacher dagegen bis zu 600 Mark. Die genannten Einflußfaktoren , auf den Lohn, die sich aus der Tabelle 1 a) entnehmen ließen, sollen noch durch einen Gesichtspunkt ergänzt werden: die geringe Flexibilität des Verlagssystems für den Heimarbeiter (im Gegensatz zum Verleger). Sie zeigte sich einmal an der Beibehaltung der gleichen Heimarbeit über Generationen, auch wenn bestimmte Zweige der Heimarbeit (wie das hausindustrielle n Spinnen und Weben billiger Tuchqualitäten) dem Untergang geweiht waren. Die Eltern leiteten die Kinder zu der gleichen Heimarbeit an, die sie selbst verrichteten. Das mußte kein Nachteil sein, solange die Einkommen aus der gelernten, von den Eltern überkommenen Heimarbeit regelmäßig flossen. Sobald sich jedoch die ökonomische Situation verschlechterte, fehlten der finanzielle Rückhalt wie auch die Initiative, sich auf eine einträglichere Arbeit umzustellen. Ein besonders krasses Beispiel gibt Schneer aus Schlesien um 1840 4 : Im Kreis Löwenberg kam die Heimarbeit hauptsächlich in der Form des Strümpfestricke ns vor. Obwohl man beim Spinnen mehr verdienen konnte, hieß es: "Das Geräthe zum Spinnen ist uns als Auslage für die Kinder zu kostbar; wenn diese nun zu arbeiten anfangen, etwa zu 8 Jahren, so ist die Auslage auf Stricknadeln billiger; und so fangen hier im Dorfe alle Kinder an zu stricken, und da sie es einmal erlernt, bleiben sie bei der Arbeit." Da sich solch ein Brauch oftmals über ganze Dörfer und Regionen erstreckte, häufig vom Verleger im eigenen Interesse gefördert, wirkten Absatzkrisen für hier produzierte Produkte aus Heimarbeit um so schwerer, weil es keinen ökonomischen Ausweg gab. Bei den bisherigen Lohnangaben ist jedoch zu berücksichtigen , daß es sich um die Löhne von Einzelpersonen handelte, Familien aber ein weit höheres Einkommen zu erzielen vermochten, sobald mehrere Mitglieder verdienten. Besonders anhand der Beispielfamilien5 wird deutlich, daß das Familieneinkom men z. T. ein Mehrfaches der Entlohnung des Mannes ausmachen konnte. Bei Schmidt6 findet sich die Aufstellung der Verdienstmögli chkeiten einer Weberfamilie im "Leinen- oder Baumwollenges chäft" ohne Kinder, 4 Alexander Schneer, Über die Noth der Leinenarbeiter in :Schlesien und die Mittel, ihr abzuhelfen, Berlin 1844, S. 85. 5 Vgl. im Anhang dieser Arbeit, Anlage 1. 8 Friedrich Schmidt, Untersuchungen über Bevölkerung, Arbeitslohn und Pauperism in ihrem gegenseitigen Zusammenhange , Leipzig 1836, S. 298.
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1. Teil: Die Hauswirtschaft in der industriellen Übergangsphase
mit einem Kind bzw. zwei Kindern, die spulen können, sowie mit einem Kind, das die Schule verlassen hat und bereits mitwebt. Die Zahlen gelten für die Oberlausitz des Jahres 1832: "Der Verdienst einer Weberfamilie würde sich daher im schlimmsten Falle so stellen: 1. Wenn noch kein Kind zum Spulen gebraucht werden kann,7
a) im Leinengeschäft 182,00 Mark b) im Baumwollengesc häft 195,00 Mark 2. Wenn ein Kind spulen kann, a) im Leinengeschäft 201,38 Mark b) im Baumwollengesc häft 214,50 Mark 3. Wenn zwei Kinder spulen können, a) im Leinengeschäft 221,00 Mark b) im Baumwollengesc häft 234,00 Mark 4. Wenn ein Kind die Schule verläßt und wirkt, a) im ersten Jahre, aa) im Leinengeschäft 273,00 Mark bb) im Baumwollengesc häft 292,50Mark b) im zweiten Jahre, aa) im Leinengeschäft 364,00 Mark bb) im Baumwollengesc häft 420,00 Mark."
Für 1880 schließlich wird aus fünf bei Schnaper-Arnd t8 geschilderten Taunusdörfern berichtet, daß die Kinder vom frühen Morgen bis in die späte Nacht den Eltern bei der Heimarbeit helfen mußten. 50 bis 80 v. H. aller Kinder dieser Dörfer waren außerhalb der Schule, spätestens im Alter von acht Jahren, hier beschäftigt. Für diese Mühen bekamen die jüngeren Kinder 12-23 Pfennig pro Tag (= 36-69 Mark/Jahr bei 300 Arbeitstagen), und für die älteren ergab sich ein ähnlicher Lohn wie für die Erwachsenen (150-165 Mark/Jahr) 9 • B. Die Preisentwicklung
Den Nominallohnan gaben und Lohnindizes sollen Beispiele effektiver Preisentwicklun g einzelner wichtiger Nahrungsgüter gegenübergeste llt werden. Eine erste Tabelle (2 a) zeigt die absolute Preisentwicklun g in Leipzig zwischen 1700/09 und 1810/19 jeweils an fortlaufenden Zehnjahresdurchschn itten. Tabelle 2 b) weist die absolute Preisentwicklun g in Preußen zwischen 1821/25 und 1911/12 an einzelnen Fünfjahresdurc hschnitten nach. 1 Die Jahreslöhne wurden vom Verfasser aus Reichstalern in Mark umgerechnet. s op. cit., S. 87 ff. 0 Derselbe, ebenda, S. 90.
-
-
56,7k)
-
-
54,41)
-
59,7j)
-
-
-
-
-
-
1 Pfund 1 Kanne 1 Kanne
-
588,5 449,8 472,8
632,4 465,3 442,6f)
656,8 512,6 649,0e)
547,4 403,7 624,0d)
1 Scheffel 1 Scheffel 1 Scheffel 1 Pfund
Mengeneinheit
-
66,2
-
812,4 573,4 674,4g)
-
73,8
-
-
1734,8 587,8 712,8h) 23,9i) 107,1 6,27m)
1155,6b) 789,6c) 1089,8 26,6i) 21,4 77,8 6,29
907,3 719,6 699,8 22,7 22,9 89,7 6,00
809,5 594,5 698,5 23,5
1617,8 1217,8 1589,0 38,2 39,6 165,1 8,00
1613,8 1250,3 1328.6 37,8 37,0 168,4 7,47
25,0 109,3 6,00
1810/1819
932,1 680,0 845,5 26,6
I
1770/1779 1780/178911790/1799 11800/1809
13,4 10,3 2,9 53,0
62,8 110,4
11,3 7,6 2,5 47,0
52,6 100,6
1 kg 1 kg
1831/1835
1 kg 1 kg 1 kg 1 kg
Mengeneinheit
1821/1825
16,8 15,2 5,6 125,0 130,0 219,4
124,8 223,6
84,4 133,0
67,4 117,8
1891/1895
19,0 16,0 5,3 117,8
1881/1885
21,4 17,7 5,4 64,0
1851/1855
15,4 11,4 3,1 55,6
1841/1845
I
I
20,2 16,9 5,7 153,2 157,0 252,8
141,8 230,2 129,0 216,0
1906/1910
16,4 13,9 5,4 133,6
I
1901/ 1905
16,2 13,6 5,0 125,2
1896/1900
158,0 281,0
20,5 17,4 10,0 172,5
1911/1912
a) Entnommen: Elsas, op. cit., Teil II A, S. 519 ff. Da nur der Entwicklungstrend absoluter Preise gezeigt werden soll, wurden Umrechnungen früherer Mengenangaben wie auch des Wertes des Denar in Silber unterlassen. Die Zahlen stellen jeweils Zehnjahresdurchschnitte dar. - b) Nur Angaben für 9 Jahre vorhanden (176~ und 1768/69). - c) Nur Angaben für 9 Jahre vorhanden (gleiche Jahre). d) Nur Angaben für 7 Jahre vorhanden (1701-o4 und 1706-oB. - e) Nur Angaben für 4 Jahre vorhanden (1712-15). - f) Nur Angaben für 8 Jahre vorhanden (1721-27 und 1729). - g) Nur Angaben für 9 Jahre vorhanden (1741-49). - h) Nur Angaben für 8 Jahre vorhanden (1750, 1753-59). - i) Nur Angaben für 8 Jahre vorhanden (1762-69). - j) Nur Angaben für 1 Jahr vorhanden (1709). - k) Nur Angaben für 3 Jahre vorhanden (1710, 1712, 1713). - I) Nur Angaben für 5 Jahre vorhanden (1735-39). - m) Nur Angaben für 8 Jahre vorhanden (1762 n) Entnommen Carl von Tyska, Löhne und Lebenshaltunngskosten in Westeuropa im 19. Jahrhundert, München und Leipzig ~9). 1914 (Sehr. d. Ver. f. Soz.pol., 145,3), Anhang S. 260. Siehe hierzu im Anhang vorliegender Arbeit, Anlage 3, Tabelle 21.
Weizen Roggen Kartoffeln Rincfteisch Schweinefteisch Eßbutter
Gutsart
Jahrfünft
Tabelle 2b zwischen 1821/25 und 1911/12 in Preußen in Pfennign) Nahrungsgüter ausgewählter Absolute Preisentwicklung
Weizen Roggen Erbsen Rindfleisch Schweinefleisch Butter Bier
Gutsart
1730/1739 1740/174911750/1759 1760/1769
Tabelle 2a ausgewählter Nahrungsgüter zwischen 1700/09 und 1810/19 in Leipzig in Denar (den)a)
1700/1709 1710/1719 1720/1729
Preisentwicklun~
Jahrzehnt
Absolute
if
C.:l CO
::s
Ii)
:>;
"'0 "'
Cl
~ ~
t"
ä
s::
Cl·.... C1S Cll
1816
-
-
100
100
-
50
-
-
-
1832
-
-
125
250
-
75
-
-
1848
-
-
-
-
100
-
1852
15028
-
300 600 3649c)
1861
15967
-
4187
-
114 174
-
-
-
-
1361
-
1411
-
1875
18643
5153
960
286
12
1490
1882
19958
7167
5580
1200
323
14
1487 1400
1895 1907
23405
8158
7524
1536
432
1490
9825
10070
2154
739
17 21
1571
28166
1581
1430
-
a) Entnommen für die Jahre 1800 bis 1848 aus Jürgen Kuczynski, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Teil 1, Band 1: Darstellung der Lage der Arbeiter in Deutschland von 1789 bis 1849, Berlin 1961, S. 222; für die Jahre 1852 bis 1907 aus Walther G. Hoffmann, Das Wachstum der Deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Berlin u . a. 1965, S. 204 f. b) Die Angaben für die weiblichen Beschäftigten stammen von Hoffmann, op. cit., s. 210. c) Der Sprung in den Zahlen von 1848 bis 1852 läßt sich z. T. aus dem g.ewaltigen Wachstum der Zahl der Arbeitskräfte in Industrie und Handwerk erklären. Bereits für 1849 spricht Kuczynski schon von über 1,5 Mlllionen Arbeitskräften in den genannten Zweigen allein in Preußen. J. Kuczynski, op. cit., Band 2: Darstellung der Lage der Arbeiter in Deutschland von 1849 bis 1870, Berlin 1962, S. 130 f.
Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit sank von 1825 bis 1905/10 von 82,5 auf 59 Stunden, wobei die Bergarbeiter noch darunter lagen. Besonders auffällig ist die Arbeitszeit in der Textilindustrie, die vor 1905 jeweils über dem Durchschnitt lag; erst 1905/10 entspricht sie diesem.
3. Herkunft der Industriearbeiter Die Arbeitskräfte der Fabriken stammten vorwiegend aus Landwirtschaft, Verlagsindustrie und Handwerk; hierzu traten vermehrt Frauen-
I. Die historisch-soziologische Struktur des Fabrikarbeiterha ushalts
93
Tabelle 7 Die wöchentlime Arbeitszeit im Bergbau und in Industrie und Handwerk 1825 bis 1905/10 (Stunden)a}
Zeit
Insgesamt
Steinkohlen bergbau
Metallerzeugung
Chem. Industrie
Textilindustrie
1
2
3
4
5
6
-
-
-
75
-
90
-
81 72
um 1825
82,5
um 1850
-
-
-
1860/70
78
-
-
1875/80
72
-
66b)
-
-
-
60
-
51,5
66b)
60
69 65
1880/85
-
1885/90
66
1890/95
64
51,5
63
60
1895/1900
62
53
63
60
62,5
1900/05
60
46
-
60
61
1905/10
59
48,5
-
-
59
a) Entnommen: W. G. Hoffmann, op. cit., S. 213 f. b) Hochofenarbeiter 77.
und Kinderarbeit1 4 • Daneben spielte natürlich das Bevölkerungsw achstum eine wesentliche Rolle. (1) Landwirtschaft Wie schon weiter oben erwähnt, waren durch die Bauernbefreiun g sowohl hörige als auch gutsuntertänige Bauern oftmals unfähig, einen eigenen Hof zu erhalten oder auch nur zu bewirtschaften. Für sie blieb samt ihren Familien der Ausweg, in die Städte abzuwandern und hier als Fabrikarbeiter neu anzufangen. (2) Verlagsindustri e Die maschinelle Produktion vormals von Heimarbeitern gefertigter Güter, besonders des Textilsektors, senkte die Preise dieser Güter und das mittels Heimarbeit zu erarbeitende Einkommen. Dieses reichte 14 Roderich von Ungern-Sternber g und Hermann SchubneU führen in ihrem Werk, Grundriß der Bevölkerungswissenschaft, Stuttgart 1950, auf den Seiten 500/501 sieben Ursachen der Landflucht an, aus denen Teile der ländlichen Bevölkerung in die Industriebezirke abwandern und Fabrikarbeit übernehmen. Einige der Ursachen werden vom Verf. der vorliegenden Arbeit in anderem Zusammenhang genannt.
94
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
immer weniger zur Erhaltung der Familienexistenz und zwang die Heimarbeiter in die örtlichen Fabriken, sofern diese in ihrer Nähe entstanden, um die vorhandenen gelernten Arbeitskräfte auszunutzen bzw. zum Abwandern in die Fabriken der Städte. Viele Heimarbeiter blieben aber aus Gründen der Erhaltung ihrer Freiheit, aus Heimatliebe, wegen zu spezieller Fähigkeiten oder aus Unfähigkeit, sich aus Altersgründen noch umzugewöhnen, vielleicht auch, weil sie ein Haus mit etwas Garten oder Feld und Vieh besaßen, bei ihrer bisherigen Erwerbsart15• Die Mehrzahl, vor allen Dingen die jüngeren, wanderten dagegen in die Fabriken ab, da sie flexibler waren, aber auch, um dem häuslichen Elend zu entgehen. (3) Handwerk Die Gewerbefreiheit und die damit verbundene Auflösung der Zünfte befreite die Gesellen von ihrer Abhängigkeit vom Meister und gab ihnen wie armen Meistern ohne eigenen Betrieb die Möglichkeit, als Facharbeiter in den Fabriken zu arbeiten. Allerdings wurde von vielen bisher abhängigen Handwerkern auch die Gelegenheit benutzt, einen eigenen Handwerksbetrieb aufzumachen, was bald zur Überbesetzung einzelner Handwerkszweige und damit "Proletarisierung" der Handwerker führte, "die nun zu einem großen Teil reif für das Absinken in den Stand der Industriearbeiter wurden" 16, sofern sie nicht - wie ein Teil der Heimarbeiter - um ihrer (relativen) Selbständigkeit willen, Einbußen am Einkommen und damit am Lebensstandard hinzunehmen bereit waren, was in vielen Fällen hungern bedeutete. "Im Deutschen Reich (Umfang 1914) entfielen im Jahre 1816 auf 1000 Einwohner 30,8 Meister und Gesellen, im Jahre 1861 aber 59,0; .. P." "Der soviel beklagte zum Fabrikarbeiter "absinkende" Handwerker ist offenbar nicht der Zunfthandwerker der vorindustriellen Zeit". Es "ist zum wesentlichen Teil jener aus der ländlichen Überbevölkerung hervorgegangene Kleinmeister, dessen Gewerbe zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist, . .. " "Nicht das Handwerk wird von der Industrie verdrängt, sondern die ländliche Überbevölkerung wird aufgesaugt, nachdem sie sich in der Periode des Übergangs ins Kleingewerbe gerettet hatl8." (4) Frauen und Kinder Das Angebot an Industriearbeitern wurde weiterhin in einem bisher nicht gekannten Ausmaß erhöht durch Frauen- und Kinderarbeit. Dabei gilt zu beachten, daß es auch im 18. Jahrhundert - nicht zuletzt beim Heimarbeiter- die Frauen- und Kindermitarbeit gegeben hat. Nur fand 15 Vgl. Paul Arndt, Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Heimarbeit, Jena 1922, S. 8. 16 So Lütge, op. cit., S. 397. 17 Derselbe, op. cit., S. 406. 1s So Fischer, op. cit., S. 291.
I. Die h1storisch-soziologische Struktur des Fabrikarbeiterhaushalts
95
sie entweder im eigenen Familienbetrieb oder, wenn im fremden Familienverband, unter Familienanschluß statt, so daß sie für die Außenwelt nicht in diesem Maße sichtbar wurde. Die Arbeitsplätze in Fabriken waren um 1850 geringer als das Arbeitsangebot, so daß die männlichen Arbeiter nur geringe Löhne erhielten. Frauen und Kinder waren aufgrund dieser niedrigen Fabrikarbeiterlöhne zur Mitarbeit gezwungen, drückten jedoch damit das Lohnniveau weiter, zum Bestehen eines circulus vitiosus zu ihren Ungunsten beitragend. Andererseits kamen viele Landarbeiter oder Dorfhandwerker mit ihren Familien in die Städte, nicht so sehr, weil sie hier mehr verdienen konnten, sondern weil Frauen- und Kinderarbeit jetzt mehr einbrachten19• 4. Bevölkerungsentwicklung und Wachstum der Städte
Es darf nicht übersehen werden, daß trotz der genannten Binnenwanderung das explosive Wachstum der Städte verglichen mit der Bevölkerungsentwicklung des flachen Landes erst um etwa 1860 einsetzte, daß die Binnenwanderung sich erst nach dieser Zeit übermäßig bemerkbar machte. In dem vorhergehenden Jahrhundert war das relative Bevölkerungswachstum von Städten und Land etwa gleich. Die absolute Bevölkerungszunahme der Städte bis 1860 war jedoch schon Ergebnis der zuwandernden Landbewohner, da der Geburtenüberschuß in der Stadt gegenüber dem des Landes zurückblieb. Die Bevölkerung des Ruhrgebietes wuchs zwischen 1860 und 1870 um das Vierfache20 • Der Anteil der Bevölkerung der Städte stieg in Deutschland von 1850 bis 1870 von 35 auf 50 v. H., 1910 waren es schließlich 61,5 v. H. 21 • Das starke Wachstum besonders der Großstädte mag aus den folgenden Zahlen hervorgehen: Bevölkerungszunahme und Zuzug "betrug in den Jahren 1860/90 im Durchschnitt jährlich aufs Tausend der Bevölkerung in Berlin 35,9, Harnburg 39,9, Köln 28,6, Breslau 29,9, Leipzig 47, Charlottenburg 63,9, München 29,2, Dresden 22 22, ••• ". "Der größte Teil dieser Zunahme ist durch Wanderungen entstanden." Nach 1880 ging die Geburtenrate in Deutschland allgemein zurück, doch sank die Sterbeziffer überproportional, so daß die Bevölkerung weiterhin wuchs23• 19 Vgl. Neil J. Smelser, Social Change in the Industrial Revolution An Application of Theory to the Laucashire Cotton Industry 1770-1840, London 1959, S. 202 f. 20 Vgl. Haussherr, op. cit., S. 399. 21 Vgl. Marcel R. Reinhard, Histoire de la population mondiale de 1700 a 1948, Paris 1949, S. 268. 22 So Artbur Freiherr v. Fircks, op. cit. S. 205. 23 Vgl. Reinhard, op. cit., S. 269. Allerdings nahmen die armen Bevölkerungskreise noch nicht an der rationalen Kinderplanung teil, sie waren nach wie vor kinderreich.
96
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
B. Charakteristika des Haushalts der Fabrikarbeiter
1. Oberwiegend städtische Haushalte Bei der Analyse des Heimarbeiterhaushaltes wurde vorrangig der ländliche Typ berücksichtigt, da er einmal die Mehrheit bildete, zum andern an ihm am ehesten die Herauslösung aus einer stationären sozialen Umwelt demonstriert werden konnte. Der ländliche Heimarbeiter blieb in seiner gewohnten Umgebung, die Arbeit kam zu ihm auf das Land, so daß alle Bindungen der Dorfgemeinschaft und des in nächster Nähe wohnenden Verwandten- und Bekanntenkreises gewahrt blieben. Die zuwandernden Arbeiterfamilien und ihre Haushalte erhielten nach 1850 in den Städten quantitativ das größte Gewicht. Sie fanden sich jetzt in einer ihnen völlig ungewohnten Umgebung wieder, wo ihnen die Anpassung aus verschiedenen ökonomischen und außerökonomischen Gründen schwerfieL
2. Trennung von Haushalt und Betrieb Im Mittelpunkt des Interesses der Fabrikarbeiterfamilie stand wie schon beim Heimarbeiter der Verdienst aus der Arbeit des Mannes, und wenn dieser nicht zum Lebensunterhalt ausreichte, auch der Frau und oftmals der Kinder, ohne daß die Familienglieder die Arbeit des einzelnen noch aktiv miterlebten. Haushalt und Betrieb waren jetzt auch äußerlich getrennt24 • Einkommensentstehung und -verwendung waren damit zwei verschiedenen, voneinander auch örtlich völlig unabhängigen Bereichen zugeordnet. Der Frau oblag der Hauptteil der Einkommensverwendung25. Sie hatte für die Ernährung der Familie zu sorgen und wohl oft auch für den Kauf der nötigen Kleidung. Von ihr war weiterhin die Kindererziehung abhängig, da der Vater sich wegen seiner langen Arbeitszeit kaum um die Kinder kümmern konnte. Beim Heimarbeiter richtete sich der Tagesrhythmus der Familie nach der Arbeit des Mannes, die im Mittelpunkt des Haushalts stand und die in der Wohnung vor sich ging, z. T. unter Mithilfe einzelner Familienglieder. Arbeit und Freizeit, Haushaltsführung, Ehe und Kindererzie24 Vgl. hierzu insbesondere Rudolf Braun, Sozialer und kultureller Wandel in einem ländlichen Industriegebiet im 19. und 20. Jahrhundert, ErlenbachZürich u. Stuttgart 1965, S. 191 ff. 25 Die Frau ,.is the financier of the family group". ,.She is the manager and dispenser of the hausehold income, and provided that income is of average size and fairly steady, the comfort of the entire family depends upon her character and ability." So Louise B. More, The Cost of Living for a Wage-Earner's Family in New York City, in: The Cost of Living, Philadelphia 1913, S. 104 ff., (The Annals of the American Academy of Political and Social Science, Vol. 40, 1913).
I. Die
historisch-soziologische Struktur des Fabrikarbeiterhaushalts
97
hung bildeten eine Einheit, auch wenn der Erwerbsbereich schon ganz nach außen, zum anonymen Markt hin orientiert war. Beim Fabrikarbeiter fehlte diese Einheit völlig. Für ihn waren Haushalt und Familie nur der Ort der Erholung und der wegen der langen Arbeitszeit bedingten kurzen Freizeit und ihrer Gestaltung. Dies setzte jedoch voraus, daß der Lohn des Mannes zum Lebensunterhalt der Familie ausreichte, da die Mitarbeit der Frau - wie noch zu zeigen sein wird, sie soll hier vorerst unberücksichtigt bleiben - Haushaltsgebarung und Familienleben störte, und daß die Wohnung so beschaffen war, daß sie ein echtes Familienleben und Erholung ermöglichte. Die Fabrikarbeit zwang dem Arbeiter ihren eigenen Rhythmus auf; der Arbeiter konnte nicht länger Arbeitszeit und -tempo nach eigenem Gutdünken bestimmen. Beginn der Arbeit und Pausen waren vorgeschrieben, und diese Zeitplanung strahlte auf den Haushalt aus, der sich auf Arbeitsbeginn und-beendigungdes Mannes einzustellen hatte. Am Arbeitsplatz galt es, sich der organisierten Arbeitsteilung zu unterwerfen und mit höchster Konzentration mit weitgehender Kontaktarmut den 10- bis 14-Stundentag abzuleisten. Jetzt war es nicht mehr möglich, wie z. T. beim Heimarbeiter im 18. Jahrhundert, Arbeitszeit und Freizeit je nach dem Höherschätzen von Verdienst oder Verdienstausfall gegeneinander abzuwägen. Man arbeitete die vorgeschriebenen Stunden, da man andernfalls Gefahr lief, arbeitslos zu werden. Zusätzlicher Verdienst war eventuell durch Überstunden möglich. Allerdings nur solange, als die Überstunden nicht regelmäßiger und häufiger wurden und damit eine bloße Verlängerung des gewöhnlichen Arbeitstages bedeuteten. Der Lohn für die Tagesstunde wurde dadurch herabgedrückt, "so daß er (der Arbeiter) schließlich nur länger für dasselbe Geld arbeitet(e)". Daneben konnte die Möglichkeit, Überstunden zu machen, sogar an den Kauf der wichtigsten Lebensmittel in der Fabrik gebunden sein (Trucksystem) 26 • Die Lage der Wohnung bestimmte sich oftmals nach dem Standort des Betriebes. Je größer die Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnung war, um so länger wurde der Arbeitstag, da der Weg von und zur Arbeitsstätte hinzugerechnet werden muß. So war der Arbeiter bereit, mit einer schlechteren Wohnung 27 in größerer Nähe seines Betriebes vorliebzunehmen. In der Stadt verlor die Arbeiterfamilie ihre vom Land selbst bei größter Armut gewohnten "community ties" (Smelser). Das hatte zur Folge, daß man für seinen Lebensunterhalt völlig vom eigenen Einkommensbezug abhängig war, da in Krisenzeiten die Stadtgemeinde nicht in gleicher Weise Unterstützung bot wie die ländlichen Gemeinden. Daneben Vgl. H. Mehner, op. cit., S. 301 ff., hier S. 303, 331. Zur Beschaffenheit der Wohnungen siehe Teil 2, III, C der vorliegenden Arbeit. 26
27
7 Schneider
98
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
fielen verwandtschaftliche Bindungen fort, die durch das Abwandern in die Städte zerrissen, wofür die neuen nachbarlichen Kontakte oder die unter Arbeitskollegen kein gleichwertiger Ersatz waren. Noch krasser als beim Heimarbeiter ist der Hang zur Kleinfamilie und zum Leben in abgekapselten Wohnungen. "Das ... Phänomen der Durchteilung des Lebens in den Bereich der Arbeit und den der Familie, in Betrieb und Privatleben, ist hier in den räumlichen Gegebenheiten verankert. Man denkt nicht mehr ,in Häusern', sondern ,in Wohnungen'28 ."
3. Die Erwerbstätigkeit von Arbeiterfrauen a) Gründe für die Erwerbstätigkeit der Ehefrauen Spätestens im Alter von fünfzehn Jahren20 mußten Mädchen ebenso wie Jungen aus Arbeiterfamilien eine Erwerbstätigkeit ausüben, um das Familienbudget zu entlasten. Die unverheirateten Mädchen mußten ihren Verdienst den Eltern abliefern, um sich selbst und die ganze Familie erhalten zu helfen, und hatten daher bei der Heirat keinerlei Rücklagen für die Aussteuer. Diese wurde nur selten von den Eltern zur Verfügung gestellt. Das Paar kaufte sich die wichtigsten Haushaltsgegenständ e auf "Borg". Um Zinsen und Tilgungsraten aufzubringen, war die Frau in den ersten Jahren gezwungen mitzuarbeiten, selbst wenn Kinder kamen30. Das Kind oder die Kinder wurden in diesem Fall gegen ein Entgelt, das oft den größten Teil des mütterlichen Lohnes bereits aufzehrte, zu Verwandten oder Bekannten gegeben. Mit 14 Jahren haben die Arbeiterkinder "die Fabrikarbeit in vollem Umfang aufgenommen, ohne nach der Verheiratung irgend eine Unterbrechung zu machen" . .,Gespart hatte man vor der Heirat nichts, da die Eltern zu unterstützen waren. Einige mußten die Einrichtung auf Abzahlung nehmen und dafür mußte die Frau arbeiten. Als das erste Kind zur Welt kam, konnte der Verdienst der Frau gar nicht mehr entbehrt werden, so wurde das Kind zu Großeltern, oder anderen Verwandten getan und 4 Mk. wöchentlich dafür bezahlt. Nach Hause kommen diese Kinder in den ersten Lebensjahren kaum, auch Sonntags nicht, da die Frauen meist der Ansicht sind, daß die Ungleichmäßigkeit der Verpflegung den Kindern schadet. Vielleicht sind sie auch 2s So Wilhelm Brepohl, Industrievolk im Wandel von der agraren zur industriellen Daseinsform, dargestellt am Ruhrgebiet, Tübingen 1957, S. 218 (Soz. Forschung und Praxis, Bd. 18). 29 Nach Absolvieren der vom Staat vorgeschriebenen Schulzeit. In einem späteren Abschnitt dieser Arbeit wird bei der Erörterung der Kinderarbeit jedoch gezeigt, daß speziell Arbeiterkinder gezwungen waren und wurden, oft unter Umgehung Kinderarbeit verbietender oder einschränkender Gesetze, schon im Alter von acht Jahren mindestens halbtägig, sehr oft ganztägig in Fabriken zu arbeiten. Vgl. den Abschnitt "Kinderarbeit und Schulbildung" auf den Seiten 109 f. ao Die Gründe für fehlende Ersparnisse beim Mann sollen an späterer Stelle gezeigt werden. Vgl. S. 119 der vorliegenden Arbeit.
I. Die historisch-soziologische Struktur des Fabrikarbeiterhaushalts
99
selbst der Kinderpflege zu sehr entwöhnt. Als das zweite Kind kam, wurde auch dieses fortgegeben. Nun werden 7 Mk. pro Woche für beide Kinder gezahlt" (vom Einkommen der Mutter in Höhe von 9 bis 10 Mk. wöchentlich). "Wenn mehr Kinder kommen, wird die Fabrikarbeit meist ,der Not gehorchend' aufgegeben31."
Außer diesen Gründen für die Mitarbeit der Frau war ein weiterer wichtiger Faktor der geringe Lohn des Mannes, besonders bei den ungelernten Arbeitern. Dieser ungelernte Arbeiter, der in den Fabriken des frühen Industrialismus das größte Kontingent stellte, hatte selbst kaum die Möglichkeit, seinen Lohn durch Mehrarbeit oder Übergang zu anderen, besser bezahlten Arbeitsplätzen zu steigern. Nach einer Zusammenstellung von Haushaltsrechnungen verschiedener Quellen zwischen 1876 und 191332 war die Mitarbeit der Frauen in rund 50 Prozent der untersuchten Fälle erforderlich. Noch nach der Reichserhebung von 190933 schwankten die Nebeneinnahmen im Arbeiterhaushalt (u. a. durch Mitarbeit der Frau) durchschnittlich zwischen 24,5 beim ungelernten und 16,8 Prozent beim gelernten gewerblichen Arbeiter34 • So verdiente z. B. die Frau eines Arbeiters in einer Seifenfabrik Leipzigs35 durch ihre Mitarbeit in der gleichen Fabrik (wenn auch nicht gleichmäßig das ganze Jahr hindurch) immerhin rund ein Drittel des Familieneinkommens. Geht man von einer am Existenzminimum orientierten Konsumnorm für den Arbeiterhaushalt aus86, so reichte das Einkommen des ungelernten Fabrikarbeiters im allgemeinen nicht aus, die Familie, besonders wenn Kinder vorhanden waren, zu unterhalten. Im Verlauf des Industrialismus ging zwar auch der Arbeiter dazu über, seine Familiengröße rational zu bestimmens7, doch wurde in der zweiten Hälfte des 19. JahrSo R. WHbrandt, Die Weber in der Gegenwart, a.a.O., S. 142. Vgl. die sechs bei Gerhard Albrecht (Das Einnahmebudget des Arbeiterhaushalts, in: Zeitschrift für die ges. Staatswiss., Jg. 70 (1914), S. 371 ff., hier auf S. 376 f.) zitierten und ausgewerteten Quellen. Albrecht (a.a.O.) nennt an anderen Möglichkeiten des Nebenerwerbs: Kinderarbeit, Nebenverdienst des Mannes, Aftervermietung, Zuschüsse vom Arbeitgeber, Naturaleinnahmen, Verkauf von Inventar, u. a. m. 33 Erhebung von Wirtschaftsrechnungen minderbemittelter Familien im Deutschen Reiche, Berlin 1909, S. 44 f. (2. Sonderheft zum Reichs-Arbeitsblatte). Die Mitarbeit verheirateter Fabrikarbeiterfrauen war bei gelernten Arbeitern sowohl wegen des höheren Lohnes als auch bereits aus Prestigegründen niedriger, vgl. F. Wörishoffer, op. cit., S. 74. as Vgl. Mehner, op. cit., S. 304 ff. 88 Vgl. den 2. Teil, III C, auf den Seiten 133 ff. der Arbeit. 37 Durch die innereheliche Fruchtbarkeit "stimmt sich der Einzelne ab auf die Gefahren und Bedrohunzen seiner ,Stelle', hält sich beweglich gegenüber der Unsicherheit seines Einkommensbezugs und verteidigt damit seine ... Konsumnorm gegen alle Belastungen und Einbrüche". So G. Mackenroth, Bevölkerungslehre, in: Soziologie. Ein Lehr- und Handbuch zur modernen Gesellschaftskunde, Düsseldorf, Köln 1955, S. 44 ff., hier S. 79. So wandelte sich etwa die Familiengröße in England, wo dieser Umschwung 31
32
7•
100
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
hundertsdie Kinderzahl als noch nicht rational bestimmt betrachtet. Die Frau nahm in dieser Zeit jede bezahlte Tätigkeit an, die sich ihr bot, besonders in Fällen, in denen sie selbst nichts gelernt hatte oder ihr Mann arbeitslos war3B. Die Fabrikarbeiterin ging oft davon aus, daß sie mit dem gleichen Zeitaufwand in der Fabrik mehr verdienen würde, als sie durch Eigenproduktion einsparen könnte. Hierbei kam der Arbeiterfamilie zugute, daß sich viele Produkte des lebensnotwendigen Bedarfs infolge fortschreitender Industrialisierung verbilligten (wie etwa Stoffe, Haushaltsgeräte u.a.m.). Alle genannten Ursachen der Mitarbeit der Frau enstanden meist aus der Not der Arbeiterfamilie. Daneben soll aber ein wichtiges Argument für die Fabrikarbeit der Frau nicht unerwähnt bleiben, obwohl es bereits sehr modern klingt: die Flucht der Frau aus der materiellen und autoritären Abhängigkeit vom Mann. In der patriarchalischen Familienstruktur war nur dem Mann die Außenwelt zugänglich, in der er häufig hohe Einkommensteile ausgab, der Frau jedoch nur das Haushaltsgeld aushändigte, was er für richtig hielt39. Die Arbeiterin war diese Abhängigkeit nicht gewohnt, solange sie ledig war. Sie wollte jetzt nicht mehr auf die eigene Freiheit, die oft nur in dem Kontakt zur Außenwelt am Arbeitsplatz bestand, verzichten. Die Tabelle 8 (Seite 108) soll die verschiedenen Gründe der Mitarbeit der Fabrikarbeiterfrau noch einmal zusammenfassen und anhand verschiedener Untersuchungen aus Deutschland mit Zahlen belegen40 • b) Umfang der Fabrikarbeit von Ehefrauen Die Zahl der weiblichen Beschäftigten in Industrie und Handwerk41 stieg von 1875 = 960 000 bis 1907 auf rund 2,2 Millionen42 • 1875 betrug der Anteil der Fabrikarbeiterinnen an der Gesamtzahl von 960 000 = 220 000, davon waren 53 925 verheiratet43 • Bis 1890 arbeiteten bereits schon wesentlich früher zu beobachten war, von 6,16 Personen (1861-69) über 5,27 (1881), 4,13 (1890-99) bis zu 3,30 Personen in den Jahren 1900-09. Vgl. die Tabelle bei Ronald F'letcher, Britain in the Sixties: The Family and Marriage, London 1962, S. 113 (Penguin Books) sowie die Anmerkung 39 auf S. 214 ebenda. 38 Siehe die Beispiele bei Pinchbeck, op. cit., S. 2 sowie die zitierten Literaturstellen bei FLetcher, op. cit., auf den Seiten 98 bis 104. 39 Vgl. Erich Egner, Entwicklungsphasen der Hauswirtschaft, Göttingen 1964, S. 67 f. (Göttinger Wirt.- u. Soz.wiss. Studien, 1). 40 Entnommen: Beschäftigung verheirateter Frauen in den Fabriken. Nach den Jahresberichten der Gewerbeaufsichtsbeamten für das Jahr 1899, bearbeitet im Reichsamt des Innern, Berlin 1901, aufgeführt bei Rose Otto, op. cit., S. 114 f. (Tabellen 17 und 18 zu einer zusammengefaßt), Fußnoten ebenda. 41 Vgl. Tabelle 6 auf S. 92 der vorliegenden Arbeit. 42 Vgl. W. G . Hoffmann, op. cit., S. 210. 43 Vgl. R. Otto, op. cit., S. 83.
0
-
84 152
-
4 5,8
-
357 452
I
17 18,0 588 957 745 417 279 317 21W
28 36,4 36,7 38,6 30,9 25,3 4,7
19 201 131
-
0,8 10,0 12,1
-
I~'
95
7,6
-
-
-
-
-
-
I
47 5,2 120 9,6 1736 = 39 v. H.
141 219
15,6 17,5
-
-
-
-
6
0,5
-
-
nach Ausschluß der verwitweten und geschiedenen, arbeiteten in der Fabrik: 1161) -· 77,4 8,3 201 14,3 73,4 62 8,5 131 18,0 I 50 2,2 276 = 12,3 v. H. 196 76,4 8,8 32 1,6 48 2,5 190 9,7 102 5,2 12,9 253 12 51 32 54,1 15,5 5,8 24,6 1 151 26,0 138 7,6 1,4 8,4 468 18 1,0 55,6 26
1 1,0
Frauen, 1084 533 1715 1334 112 1004
21 26
50 38,3 53,4 49,3 48,2 39,2 56,2
1051 1006 1084 533 435 496h) 2502
I
a) Entnommen: Beschäftigung verheirateter Frauen in den Fabriken. Nach den Jahresberichten der Gewerbeaufsichtsbeamten für das Jahr 1899, bearbeitet im Reichsamt des Innern, Berlin 1901, aufgeführt bei Rose Otto, op. cit., S. 114 f. (Tabellen 17 und 18 zu einer zusammengefaßt), Fußnoten ebenda. - b) Weil der Mann krank, arbeitslos, invalid oder gestorben ist. - c) Von den im Bezirk arbeitenden verheirateten Frauen sind bei dieser Aufstellung 16,5 v.H. in Betracht gezogen. - d) 98,1 v.H. der arbeitenden verheirateten Frauen berücksichtigt. - e) 83,3 v.H. der arbeitenden verheirateten Frauen berücksichtigt. - f) 38,8 v.H. der arbeitenden verheirateten Frauen berücksichtigt. - g) 47 Frauen gaben größere Kinderzahl als Grund an, 5 die Versorgung vorehelicher Kinder. - h) 52,7 v.H. der verheirateten Frauen berücksichtigt. - i) Darunter auch Fälle, über die keine Auskunft vorlag. - j) 97,7 v.H. der verheirateten Frauen berücksichtigt. - k) 37,5 v.H. der verheirateten Frauen berücksichtigt. - I) 97,4 v.H. der verheirateten Frauen berücksichtigt. - m) Weil der Mann krank, invalid, Soldat oder in Haft war. Hierzu gehören natürlich auch Arbeitslose; von Otto außer acht gelassen, vgl. Anm. b).
•••
Von den Frauen arbeiteten in der Fabrik
aus ManZahl der weil der um Ergel an der sparnisse Mann Beschäfum Um AnFrauen, weil der zu zum tigung besser in in gehörige in verh., Mann zu in Haushai in machen, v.H. ohne v.H. wenig v.H. zu unter- v.H. Schulden in leben zu v.H. verw., nichts v.H. können zwinverdient stützen gesch. beiabzugende trägtc) zahlen Gründe 12 13 14 8 9 10 11 6 7 2 3 4 5
Liegnitz (Hirschberg) . 2102d) 2629e) Magdeburg .... Lüneburg 2030 . 1081 Hildesheim .... 902f) Wiesbaden 1253g) Oberbayern ... 4449i) Zittau ......... Von den verheirateten 1401 Lüneburg ..... 726 Hildesheim .... 2237k) Aachen ........ 19591) Chemnitz ...... Lothringen .... 207 18Q5m) Magdeburg ....
. . ..
Bezirk
1
Tabelle 8
Gründe für die Fabrikarbeit verheirateter bzw. vormals verheirateter Frauen in einzelnen Bezirken und Städten Deutschlands im Jahre 1899a), b) t::J
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102
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
130 000 Ehefrauen in Fabriken44 • Daneben waren die Ehefrauen von Arbeitern noch in anderen Bereichen erwerbstätig, etwa als Dienstmädchen, Verkäuferin u. ä. Ihr Anteil ließ sich jedoch nicht aus dem spärlichen Zahlenmaterial entnehmen4 s. Ein plastisches Bild vom Anteil der weiblichen Beschäftigten (außer Dienstmädchen) pro 1000 der weiblichen Gesamtbevölkerung Deutschlands in verschiedenen Altersstufen gibt für 1882 (und damit die uns interessierende Zeit) die folgende Tabelle46 : Tabelle 9 Anteil der weiblichen Erwerbstätigen je 1000 der weiblichen Gesamtbevölkerung in verschiedenen Altersstufen, 1882
Unter 15 Jahren Von 15-20 Jahren Von 20-30 Jahren Von 30-40 Jahren Von 40-50 Jahren Von 50-60 Jahren Von 60-70 Jahren Über 70 Jahre
17,9 451,9 319,8 185,0 219,7 258,1 227,1 132,6
Aus den Anteilziffern geht deutlich hervor, daß die weibliche Erwerbstätigkeit in großem Rahmen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren einsetzte; hier lag zugleich der höchste Anteil der weiblichen Beschäftigten an der weiblichen Gesamtbevölkerung. Die Erwerbstätigkeit ging in der Altersstufe zwischen 20 und 30 Jahren relativ zurück, nahm aber immer noch einen beachtlichen Wert ein. Hier schied ein Teil der weiblichen Beschäftigten durch Heirat aus, während andere Frauen trotzdem weiterarbeiteten. Bei den 30- bis 40jährigen Frauen nahm die Erwerbstätigkeit sehr stark ab, da hier sehr oft die Kinder bereits mitverdienten und damit die Mutter für den Haushalt freisetzten. Im Alter zwischen 40 und 60 Jahren war ein erneutes Ansteigen der beschäftigten Frauen festzustellen, häufig als Reaktion auf die frühzeitige Arbeitsunfähig oder den 44 Vgl. dieselbe op. cit., S. 91. In bestimmten Industriezweigen, z. B. Zigarrenmacherei, waren bis zu 50 v. H. der Arbeiterinnen verheiratet, dieselbe, a.a.O., S. 90. 45 Vgl. allgemein zur Frage der Frauenarbeit noch: Julius Pi erstorff, Frauenarbeit und Frauenfrage, in: Handwörterbuch der Staatswiss., 3. Band, 2. Aufl., Jena 1900, S. 1195 ff. Stieda, op. cit., S. 209 ff.; Robert WHbrandt, Die Frauenarbeit. Ein Problem des Kapitalismus, Leipzig 1906, S. 98. 48 Errechnet nach Werten aus dem Statist. Jahrbuch für das Dt. Reich, 11 (1890), S. 10 f. Vgl. dazu Royal Commission on Labour, Foreign Reports, Vol. 5: Germany, London 1893, S. 41; vgl. dazu auch die Tabelle bei Pierstorff, a.a.O., S. 1202, der die entsprechenden Zahlen für 1895 nennt.
I. Die historisch-soziologische Struktur des Fabrikarbeiterhaushalts
103
Tod des Mannes. Auch wenn der Anteil der Verheirateten an der Gesamtzahl der Fabrikarbeiterinnen relativ gering war, sollen doch die Probleme dieser Frauen und ihrer Familien breiter erörtert werden. c) Die hauswirtschaftliehen Folgen Die Doppelbelastung der verheirateten Fabrikarbeiterin durch Haushalt, Familie und Erwerbstätigkeit hatte weitreichende Konsequenzen für die Haushaltsführung, die Versorgung von Mann und Kindern wie auch für das Verhältnis von Mann und Frau innerhalb der Familie47 • Eine erste noch grobe Klassifizierung findet sich bei Freudenthal 48 : "Die verheiratete Frau leistet in erster Linie eine körperliche, außerhäusliche, haushaltsfremde, von der Arbeit des Ehemanns unabhängige Erwerbsarbeit, nachdem sie schon vor ihrer Ehe in der Fabrik tätig war und sich meist keine häuslichen Kenntnisse erworben hat. Diese Erwerbsarbeit übertrifft in manchen Fällen den Geldverdienst des Mannes, in manchen Fällen tritt sie an die Stelle des Geldverdienstes des Mannes. In zweiter Linie bewältigt die Frau ihren kinderreichen, zur Konsumwirtschaft und Schlafgemeinschaft zusammengeschrumpften Haushalt, indem sie sowohl organisatorische, als auch körperliche Arbeit darin leistet. In seltenen Fällen wird sie dabei von Hilfen durch fremde Einzelpersonen und im Entstehen begriffene Kollektiveinrichtungen unterstützt. Dagegen ist die Hilfe des Mannes, der Kinder und der Verwandten häufig." Die größte Gefahr für den Familienzusammenhalt entstand aus der Verantwortung der Frau für die Führung des Haushaltes, die, bedingt durch ihre außerhäusliche Erwerbstätigkeit, auf wenige Stunden am Tag zusammengedrängt werden mußte. Der Fabrikarbeitstag von zehn bis zwölf Stunden zuzüglich des Weges zum Arbeitsplatz ließen kaum Zeit für die Routinearbeiten des Haushalts. Hinzu kam, daß das vorwiegend auf Erwerb gerichtete Denken jede in Geld entlohnte Arbeitsstunde der mit Hausarbeit ausgefüllten vorzog. Bedenkt man schließlich die durchschnittliche Größe der Arbeiterfamilie (städtische Arbeiterfamilien hatten im letzten Jahrhundert nächst den bäuerlichen Familien die höchste Kinderzahl) und die Tatsache, daß die Arbeiterfrau ihren Haus47 Friedrich Engels bietet in seinem Werk (Die Lage der arbeitenden Klasse in England, Leipzig 1845) reichhaltiges Anschauungsmaterial, doch soll dieses nur in seltenen Fällen herangezogen werden, da aus der Absicht des Autors heraus, die Unhaltbarkeit der Zustände in der englischen Arbeiterbevölkerung des frühen 19. Jahrhunderts am Extrem zu demonstrieren, das von ihm verwandte Material nicht für Deutschland verallgemeinert werden kann. 48 Margarete Freudenthal, Gestaltwandel der städtischen bürgerlichen und proletarischen Hauswirtschaft, 1. (und einziger) Teil, von 1760- 1910, Frankfurter phil. Diss., Würzburg 1934, Seite 82.
104
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
halt in den meisten Fällen allein besorgen mußte49 , so ist leicht vorstellbar, daß kaum ein geordnetes Familienleben möglich war50• Feld 51 führt in einer Tabelle auf, wie hoch die absolute und relative Zahl erwerbstätiger verheirateter Arbeiterfrauen in einigen Städten Deutschlands um 1900 war.
Tabe 11 e 10 Zahl der verheirateten Arbeiterfrauen, welche den Haushalt Bezirk Düsseldorf Schleswig Erfurt Darmstadt Offenbach Köln II
selbst besorgen müssen 4963 2362 1265 624 500 163
in lfJ/o der Summe 75,2 79,0 67,2 75,4 68,7 61,1
nicht zu besorgen haben 1663 628 616 211 228 104
Die meisten Arbeiterfrauen hatten nie richtig gelernt, einen Haushalt sparsam und sorgfältig zu führen. Teile des weiblichen Einkommens wurden immer wieder unachtsam ausgegeben. Es gelang diesen Frauen nicht, selbst bei vollem physischem und psychischem Einsatz, Mann und Kindern ein wirkliches Zuhause zu schaffen52 • Darüberhinaus waren die Arbeiterinnen während ihrer Fabrikarbeit in ständiger Sorge um ihre Kinder, sofern sie ohne Aufsicht waren, Sorgen, die durch die hohe Zahl von (auch tödlichen) Unfällen alleingelassener Kinder nur zu berechtigt waren 53• Die Frau nahm keinen Anteil an den Interessen des Mannes, im Gegenteil, sie wurden von ihr angegriffen, sobald sie Geld kosteten54 • Der Mann ging häufig in seiner Freizeit Sofern nicht der Mann und größere Kinder mithalfen. Vgl. hierzu Lily Braun, op. cit., S. 12 f. st Wilhelm Feld, Die Kinder der in Fabriken arbeitenden Frauen und ihre Verpflegung, Dresden 1906, S. 69. 52 " ••• in dem gleichen Maße, in welchem die erwerbstätige Frau der außerhäuslichen Berufsarbeit halber ihre Hausfrauenpflichten vernachlässigen mußte, verlernten es die männlichen Familienmitglieder, den Wert einer behaglichen Häuslichkeit zu schätzen und sie dem Wirtshausleben vorzuziehen; den heranwachsenden Töchtern aber fehlt seitdem das anleitende Vorbild der Mutter, welches für viele Generationen genügt hatte, um die hauswirtschaftliehen Erfahrungen und Kenntnisse auf dem Wege der Überlieferung zu erhalten." So Margarete Weinberg, Die Hausfrau in der deutschen Vergangenheit und Gegenwart, M.-Gladbach 1920, S. 139 f. Vgl. auch R. Braun, Sozialer und kultureller Wandel ... , a.a.O., S. 203 ff. 53 Vgl. die Zahlenangaben und möglichen Unfallursachen bei Engels, op.cit., s. 177. 54 Vgl. Lily Braun, op. cit., S. 13. 49
50
I. Die historisch-soziologische Struktur des Fabrikarbeiterhaushalts
105
ins Gasthaus, um dem häuslichen Elend zu entgehen. Nicht selten folgten die Frau und die herangewachsenen Kinder. Die Arbeiterfrauen alterten vorzeitig. Die schädliche Atmosphäre der Fabrikräume55, oft auch der Wohnung, mangelnde Erholungsmöglichkeiten und zahlreiche Geburten56 ruinierten früh die Gesundheit. Bei der Beschäftigung mit den Nachteilen, die häufig aus der Mitarbeit der Arbeiterfrau für den Haushalt und die Familie entstanden, drängt sich die Frage auf, ob sich diese Mitarbeit überhaupt lohnte. In den Fällen, in denen die Erwerbstätigkeit der Arbeiterfrau aus materiellen Gründen erfolgte, ist es zweckmäßig, ihrem Lohn die durch die Erwerbsarbeit entstandenen Mehrkosten des Haushalts gegenüberzustellen. Den ersten Rang nehmen die Kosten für die Beaufsichtigung und Verpflegung der Kinder ein, wenn Kosten anfallen57• Nach der bereits erwähnten Untersuchung von Feld 58 gab es in den von ihm berücksichtigten Familien 1605 Kinder. Davon waren 1055 beaufsichtigt, wofür wöchentlich Kosten bis zu 4 Mark und mehr anfielen59 , 54 in einer Kinderbewahranstalt und 496 (= 30,9 Prozent) unbeaufsichtigt6°. Für Crimmitschau schlüsselt Feld folgendermaßen auf 61 (siehe Seite 106). Weitere Mehrkosten für den Arbeiterhaushalt entstanden, weil manche Arbeiten (wie Waschen und Flicken) z. T. außer Hauses gegeben wurden. Ungenügende Pflege und Instandsetzung der Kleidung, bedingt durch den Mangel an Zeit für die Hausarbeit, erforderten häufigere Neuanschaffungen. Die Ernährung verteuerte sich, da die Zeit fehlte, um günstig einzukaufen und das Essen schnell zubereitet werden mußte. Die schlechte Haushaltsführung schließlich steigerte den Hang nach der teureren (außerhäusigen) Freizeitgestaltung112 • Feld63 zieht daraus den Schluß: Vgl. die ausführliche Beschreibung bei Stieda, op. cit., S. 213. Viele Säuglinge aus Arbeiterfamilien starben früh. In Augsburg waren es 65 Prozent bei Fabrikarbeitern gegenüber 43 Prozent der übrigen Bevölkerung. So derselbe, ebenda. Wilbrandt (Die Frauenarbeit ... , a.a.O., S. 47) unterstellt auch schon die voreheliche Fabrikarbeit der Mädchen als mitverantwortlich für die hohe Säuglingssterblichkeit, wie er anhand von Prozentzahlen beweist. 57 Falls nicht die Kinder allein zu Hause gelassen wurden oder die Beaufsichtigung durch Verwandte gratis erfolgte. Feld untersuchte besonders eingehend den Verdienstüberschuß der Frau, nachdem das Kostgeld abgezogen wurde (op. cit., S. 52 ff.). 58 op. cit. Er werden hier vorwiegend Crimmitschauer Arbeiterinnen berücksichtigt. 59 In weiteren von Feld (a.a.O., S. 25) angegebenen Quellen schwanken die Pflegesätze zwischen 2 und 4,50 Mark. 60 Zu den letzteren gehören fast nur Schulkinder. 61 a.a.O., S. 23. 62 Der Katalog der kostenerhöhenden Umstände für den Arbeiterhaushalt, in dem die Frau erwerbstätig ist, stammt von Feld, a.a.O., S. 68. 63 Ebenda. 55
56
106
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
Tabelle 11 Beaufsichtigung von Kindern berufstätiger Arbeiterfrauen Verpflegung
Aufsichtal
tagsüber Pflegeb) Ziehec)
durch Großeltern Fremde .... Großeltern
Vergütung pro Kind in Mark zusamI -1 -3 -2 -4 men 0 I höher M. I I M. I M. M.
162
143
160
74
40
5
584
19
90
50
25
5
1
190
3
1
29
18
3
139
-
2
15
8
32
47
38
'
Fremde ....
1
Großeltern
1
1
3
9
1
1
16
Fremde . . ..
1
8
6
25
42
15
97
26
1055
zusammen
184
I 276
281
179
I 109
'
a) Personen kommen Ins Haus der Kinder. b) Kinder kommen tagsüber zu Personen. c) Kinder bleiben Tag und Nacht bei Personen.
"Infolge dieser außerordentlichen Verteuerung des Haushaltes durch die Abwesenheit der Frau ist für viele Ehefrauen die Erwerbsarbeit nur dann rentabel, wenn sie Angehörige zu Hause haben, die die Führung des Haushaltes ganz oder teilweise übernehmen können." Zu einem anderen Schluß kommt R. Otto64 : "Nur die Kosten für die Kinderbewahrung bewirken eine Schmälerung des Frauenverdienstes. Die anderen Ausgaben für Reinigung, Flikken usw. fallen gar nicht ins Gewicht. Nach Abzug aller Unkosten verbleibt den Frauen eine Summe, die bei dem unzureichenden Einkommen der Männer jedenfalls als ein Gewinn zugunsten der Ernährungsverhältnisse anzusehen ist." So existenznotwendig der Verdienst der Frau für viele Arbeiterfamilien einerseits auch war, so entstanden aus ihrer Erwerbstätigkeit andererseits oft Spannungsmomente in der Ehe, die das Zusammenleben in der Familie erschwerten65 • Besonders in den Anfängen der Textilindustrie kam er vor, daß die Frau mehr verdiente als der Mann oder, solange op. cit., S. 218 f. Hierzu gehören auch die auf S. 100 der Arbeit beschriebenen immateriellen Gründe der Frau für ihre Erwerbstätigkeit, die eine Folge der materiellen und autoritären Abhängigkeit vom Mann sind. u
65
I. Die bistarisch-soziologische Struktur des Fabrikarbeiterhaushalts
107
dieser arbeitslos wat66 , den gesamten Lebensunterhalt der Familie bestritt. Die Folge war, daß der Mann den Haushalt führte, während die Frau (und Kinder) tagsüber in der Fabrik arbeitete(n). Mann und Frau litten zwangsläufig unter diesem Zustand, sofern er sich über einen längeren Zeitraum erstreckte67 • Hingegen empfanden es die zugewanderten Landarbeiter als einen Fortschritt gegenüber ihrer bisherigen Situation, daß Frauen und Kinder voll verdienen konnten: "Gewöhnlich lag der Anlaß für Landarbeiter, in Textilstädte abzuwandern, weniger in der Gelegenheit, den eigenen Verdienst zu erhöhen, als vielmehr in der Verbesserung der Verdienstmöglichkeiten von Frau und Kindernes." Die Frau des Arbeiters einer Seifenfabrik Leipzigs69 arbeitete in der gleichen Fabrik wie ihr Mann. Es gelang ihr dadurch, rund ein Drittel des Familieneinkommens beizusteuern, doch hatte ihre ganztägige außerhäusliche Arbeit zahlreiche der bereits erwähnten Folgen für Haushalt und Familie70 : Die Kinder sind "außer der Schulzeit sich selbst überlassen. Damit der vierjährige Junge während der Schulzeit der beiden Geschwister nicht ganz allein ist, wird er zu Anfang derselben von seiner Schwester in die Wohnung eines anderen Arbeiters gebracht, ... " "Nach der Schule wird der Junge wieder abgeholt. Er wird dort nur beaufsichtigt, zu essen erhält er nichts." Die Kosten dieser Aufsicht betragen wöchentlich 50 Pfg. "Die Nahrung der Kinder besteht während der Abwesenheit der Eltern ... hauptsächlich in Brot mit Faßbutter71 ; manchmal kocht das Mädchen" (11 Jahre alt) "mittags Kartoffeln, zuweilen auch nur eine Wassersuppe." Abends führt die Frau den Haushalt oft bis 11 oder 11212 Uhr, obwohl sie um 4 Uhr früh bereits wieder aufstehen muß. Freizeit ist ihr auch Sonntags kaum möglich." "Einen Sonntag flick' ich, einen Sonntag wasch' ich. Vormittags reenevirt (renoviert) man, da macht man ein bischen Wirthschaftn." 86 Im großen und ganzen handelte es sich hierbei um eine Übergangserscheinung, bis andere Industriezweige die überschüssigen Arbeiter übernahmen. 67 Noch krasser formuliert es Engels (op. cit., S. 181): "Und doch ist ... (ein) Zustand, der den Mann entmannt und dem Weibe seine Weiblichkeit nimmt, ohne im Stande zu sein, dem Manne wirkliche Weiblichkeit und dem Weibe wirkliche Männlichkeit zu geben, dieser, beide Geschlechter und in ihnen die Menschheit aufs Schändlichste entwürdigende Zustand die letzte Folge unserer hochgelobten Civilisation, ... " Als Beweis dient Engels der Brief eines Arbeiters aus Leeds, der den obigen Zustand beschreibt und auf den Seiten 180 f. des genannten Werkes abgedruckt ist. 68 So R. C. 0. Matthews, A Study in Trade-Cycle History: Economic Fluctuations in Great Britain 1833-1842, Cambridge 1954, S. 146 f., zitiert nach Smelser, op. cit., S. 203. Vom Verfasser aus dem Englischen übertragen. ee Mehner, op. cit., S. 301 ff. 70 Alle Zitate, derselbe, a.a.O., S. 305 f. 71 "Die Beschaffenheit der Butter ... ist so, daß die Frau aussagt, sie äße oft wenig oder gar keine Butter zum Brot, nicht um zu sparen, sondern weil der Geschmack so unangenehm wäre." Derselbe, a.a.O., S. 305. 72 Mehner, op. cit., S. 309.
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2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
Wie in vielen Arbeiterhaushalten, so stand die Frau auch in diesem Fall vor der Alternative 73 : " ••• wenn der Hausstand, ... , nicht ganz zu Grunde gehen soll, so muß die Frau, wie sie erklärt, nach einiger Zeit wieder zu Hause bleiben. Im Winter ist ihr das auch wegen der größeren Feuersgefahr wünschenswerth. Wenn sie das thut, so wird, nach ihrer Meinung, die Familie noch wesentlich elender leben müssen als jetzt, ... " Zusammenfassend läßt sich zu den Folgen der Fabrikarbeit verheirateter Frauen mit Rose Otto 74 sagen: "Vom einzelwirtschaftlichen Standpunkt aus konnte" die Fabrikarbeit der Frau " ... gerechtfertigt werden, solange ein Plus bei ihr herauskam. Vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus mußte eine andere Bewertung eintreten. Die außerhäusliche Arbeit der Ehefrau drohte die wirtschaftliche Ordnung des Privathaushalts und damit das Familienleben, das auf der Tätigkeit der Hausfrau aufgebaut war, über den Haufen zu werfen und so anscheinend eine Vorbedingung des Zusammenlebens und seiner ethischen Wirkung für den einzelnen wie für die Gesamtheit zu zerstören." Auf dem Arbeitsmarkt nach ungelernter Arbeit wurde die Arbeiterfrau die Konkurrentin ihres Mannes. Viele Maschinen, besonders in der Textilindustrie forderten wenig Kraft doch viel Geschicklichkeit und benötigten zu ihrer Bedienung vorrangig Frauen. Zugleich war die Entlohnung der Frau niedriger, und daher war es für den Produzenten günstiger, so weit wie möglich Frauen einzustellen. Die Folge waren sinkende Löhne für den Mann, wenn er nicht gar von seinem Arbeitsplatz verdrängt wurde. Diese Situation änderte sich erst mit steigenden Löhnen für Männer ab etwa 1880, wodurch die Frau oft als Konkurrentin ausfiel, da ihr Einkommen für die Familie nicht länger lebensnotwendig war und vermehrt Arbeitsplätze für den Mann zur Verfügung standen. Die Diskussion der Folgen einer Mitarbeit der Frau darf nicht den Eindruck erwecken, alle Arbeiterfrauen seien ihr ganzes Leben gezwungen gewesen, Fabrikarbeit zu leisten. Vor allem die Frauen der gelernten Arbeiter gingen nur noch selten einem Erwerb nach. Hinzu kamen im Laufe der Zeit gewisse Erleichterungen von Seiten der Industrie, die den Ehefrauen erste Sonderrechte einräumte. "In Preußen ist ihnen das Wegbleiben aus der Arbeit gegen Wegfall, hier und da auch gegen Verkürzung des Lohnes gestattet, wobei ihnen der Platz zum Wiedereintritt offen gehalten wird. In Baiern ist ihnen an vereinzelten Orten erlaubt, später zur Arbeit zu kommen und dieselbe früher zu verlassen als die Ledigen. Auch kommt es vor, daß sie insbesondere des Mittags eine halbe Stunde vor der Pause aufhören dürfen75 ." 73
74
75
So derselbe, op. cit., S. 331. op. cit., Seite 127 f. So Stieda, op. cit., S. 212.
I. Die historisch-soziolo gische Struktur des Fabrikarbeiterha ushalts
109
4. Kinderarbeit und Schulbildung Wie beim Heimarbeiter so waren auch die Kinder 76 vieler Fabrikarbeiter gezwungen mitzuverdienen , um das Familieneinkom men zu steigern und sich damit erhalten zu helfen. Solange kein Schulzwang bestanden hatte und die Zahl der Analphabeten groß war, galt es als selbstverständlich, daß die Kinder von Bauern, Handwerkern und Heimarbeitern im Betrieb der Eltern mitarbeiteten. Problematisch wurde die Fabrikarbeit von Kindern aus zwei Gründen 71 : Die ganztägige Fabrikarbeit von Kindern war nur auf Kosten der schulischen Ausbildung möglich. Allerdings schränkten die strenge behördliche Handhabung des Schulzwanges wie auch Schutzgesetze gegen den Mißbrauch von Kinderarbeit in Fabriken78, sobald deren Einhaltung von Fabrikinspekto ren gewissenhaft überwacht wurde, das Ausmaß der Kinderarbeit ein79. Auch das "Abwechselsyst em" 80 stellte nur einen Kompromiß dar zwischen der Ausbildung und dem Zwang zu verdienen, sofern die Fabrikbesitzer diese Regelung akzeptierten81 • Dennoch gelang es nicht, die Fabrikarbeit von Kindern auszurotten, auch wenn sie im allgemeinen nur in Fällen äußerster Not auftrat, wenn sich die Familie "vor einen Scheideweg gestellt (findet), welcher nur die grausame Wahl zwischen zwei Gemeint sind Kinder unter 15 Jahren. Dabei sollen die Probleme, die sich aus frühester Mitarbeit der Heimarbeiterkinder ergaben, keinesfalls verniedlicht werden, sie lagen dort jedoch ander:;. Vgl. den Abschnitt: 1. Teil IV, D der Arbeit. 78 In Preußen durften nach einem Gesetz von 1839 nur Kinder ab 9 Jahren in Fabriken beschäftigt werden. Nach weiteren Gesetzen von 1853 ff. wurde die untere Altersgrenze auf 12 Jahre hinaufgesetzt. Darüber hinaus durften die Kinder unter 14 nur 6 (statt 10) Stunden täglich beschäftigt werden. Vgl. Documents relatifs au travail des enfants et des femmes dans les manufactures, les mines, etc., Bruxelles 1871, S. 120 f., 124. 79 Ein Bericht (Reports from her Majesty's diplomatic and consular agents abroad, respecting the condition of the industrial classes in foreign countries, London 1870-72) aus der Zeit um 1870 gab für Preußen die Zahl der völlig in der Schule fehlenden schulpflichtigen Kinder mit 14 Ofo an. In dieser Zahl waren die in Fabriken arbeitenden Kinder enthalten (a.a.O., S. 95). 1882 gab es in Deutschland rund 524 000 jugendliche Arbeiter unter 15 Jahren, von denen etwa 140 000 auf Industrie und Bergbau entfielen (Vgl. K. Oldenberg, Statistik der jugendlichen Fabrikarbeiter, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche, 18 (1894), S. 969 ff., hier S. 988). Das Verhältnis von Kinder- zu der Arbeit von Erwachsenen war um 1890 wie 1:10 (Vgl. Royal Commission on Labour, a.a.O., S. 43 f.). Nach einer anderen Quelle für 1877 war das Verhältnis weniger kraß: es schwankte zwischen 1:40 und 1:18 entsprechend der Gegend (vgl. Oldenberg, op. cit., S. 996), dabei überwog von 1854 an der Anteil der über 12jährigen Kinder an der gesamten Kinderarbeit in Fabriken immer stärker. 80 Vormittags Schule, nachmittags Arbeit oder umgekehrt. 81 Vgl. Ettore Friedländer, Die Frage der Frauen- und Kinderarbeit, Forbach 1887, S. 33 ff. 76
77
110
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
Übeln für ihre Kinder läßt, dort harte Leiden, wohl gar der Tod, - hier die Arbeit 82 ". Die Kinderarbeit in Fabriken war am häufigsten in Gegenden, "in denen Hausindustrie die Kinderarbeit schon eingebürgert hatte, namentlich Sachsen, Thüringen und Rheinland 83 ." Die Kinder waren daher das Arbeiten von klein auf gewohnt und entlasteten oft die Mutter, indem sie im Gelderwerb an ihre Stelle traten 84 • Die Armut vieler Arbeiterfamilien zwang die folgende Generation erneut zu einem Leben in Armut, da die besser bezahlte Fabrikarbeit den schulisch wie gewerblich (in Form der Lehre) besser Ausgebildeten vorbehalten blieb, wozu die von Kind auf in Fabriken beschäftigten Arbeiterkinder nicht in der Lage waren. Diese Kinder waren wie ihre Eltern der Trennung von Haushalt und Betrieb unterworfen, wodurch ihre Erziehung erschwert, wenn nicht unmöglich war. Während beim Heimarbeiter, Bauern und Handwerker die Eltern ihre Kinder zur Arbeit anleiteten und ihren Tageslauf überwachen konnten, waren die Kinder im Alter von zwölf Jahren und darunter den Eltern nunmehr entfremdet. Sie verbrachten ihre Tage in der fremden Umgebung von Fabriken und waren vielen schädlichen - auch unmoralischen- Einflüssen ausgesetzt 85 • Die Kinder wurden vorzeitig selbständig und waren immer weniger bereit, sich der elterlichen Autorität zu beugen. Dieser Zustand setzte sich natürlich gesteigert bei den schulentlassenen jugendlichen Arbeitern fort. Daneben dürfen jedoch nicht die Erziehungseffekte der Fabrikarbeit übersehen werden. So heißt es etwa: "Fabrik und Werkstatt nehmen das Mädchen von zu Hause fort, wo es in bezug auf Raum, Licht, Luft, Ideen und Kameradschaft zusammengepfercht, eingeschlossen und beschränkt gewesen ist. Sie gewöhnen es an Pünktlichkeit, Gehorsam, Promptheit, Geschicklichkeit, Initiative und erhöhte Aufmerksamkeit und Anstrengung, spornen es zur Arbeit an, entwickeln seine Fähigkeiten für Kameradschaft und soziales Handeln und lehren es Selbstverantwortung, Selbstbewußtsein und Mut86." So derselbe, op. cit., S. 23 f. So Oldenberg, op. cit., S. 987. 84 Vgl. G. Albrecht, a.a.O., S. 409. 8 5 Diese Umstellungen erfuhren dann einen Aufschub, wenn die Heimarbeiter in Fabriken übernommen wurden und die Arbeiter ihre Kinder als Assistenten bei sich beschäftigen konnten. Das hatte den Vorteil, daß sie unter ihrer Aufsicht standen und das Einkommen in der Familie blieb, da Arbeiter ihre Assistenten selbst bezahlen mußten. Solches berichten Smelser (op. cit., S. 189 ff.) für die Textilindustrie Englands und W. Fischer (op. cit., S. 347) für die Badens. 8 6 So Caroline Foley, Royal Commission on Labour. The Employment of Women. Reports ... on the Conditions of Works in various Industries in England, Wales and Ireland, London 1893, in: Economics Journal, Bd. 4 (1894), S. 185 ff., hier S. 187. Vom Verfasser aus dem Englischen übertragen. Vgl. 82
83
II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten
111
C. Der der Untersuchung zugrundegelegte Haushaltstyp Es ist sinnvoll, den Fabrikarbeiterhaushalt nur zwischen 1840 und 1913 zu betrachten, da Fabrikgründungen und zunehmende Verstädterung sowie die damit verbundenen sozialen Umschichtungen vorwiegend in diese Zeit fielen. Am Fabrikarbeiterhaushalt soll die weiter fortgeschrittene Geldwirtschaft und damit Marktverflechtung mit ihren Auswirkungen auf die Hauswirtschaft demonstriert werden, wobei besonders wichtig sein wird, die Wandlungen gegenüber dem Heimarbeiterhaushalt zu zeigen, soweit es sich nicht um gleiche Kriterien handelt wie dort. Obwohl für den Fabrikarbeiter und seinen Haushalt reichliches empirisches Material vorhanden ist87, sollen auch in diesem Teil der Arbeit vorrangig zwei Haushalte als ergänzende Beispiele zu den allgemeinen Aussagen herangezogen werden, um die Analyse einheitlich weiterzuführen. (1) Der Haushalt eines Arbeiters einer Seifenfabrik Leipzigs, dessen Frau ebenfalls arbeitet, aus dem Jahre 188688 sowie (2) der Haushalt eines Arbeiters in einer chemischen Fabrik Frankfurts a. M. aus dem Jahre 188889, II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten A. Lohn und Familieneinkommen Für den Lohn aus Fabrikarbeit ließ sich im 19. Jahrhundert eine erst langsame, nach 1880 jedoch sich beschleunigende Besserung der Situation feststellen. Die unterschiedlichen Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte, das Überwiegen der Nachfrage nach billiger, ungelernter Arbeit, häufig von Frauen und Kindern, ließen die Lohnentwicklung im einzelnen sehr unterschiedlich ausfallen. So gab es neben Familien gelernter Arbeiter mit relativ hohen Löhnen, wodurch sich die auch R. Braun, Sozialer und kultureller Wandel ... , a.a.O., S. 241, dort allerdings für die mitarbeitende Ehefrau genannt. Daß die Fabrik für die Mädchen auch moralisch gegenläufige Tendenzen brachte, sei erwähnt, soll aber nicht weiter erörtert werden. 87 So etwa: Rudolf Braun, Sozialer und kultureller Wandel . .. , a.a.O.; Else Conrad, Lebensführung von 22 Arbeiterfamilien Münchens, München 1909 (Einzelschriften des Stat. Amtes der Stadt München, 8); Erhebung von Wirtschaftsrechnungen ..., a.a.O. - Karl Flesch (Hrsg.) Frankfurter Arbeiterbudgets, Frankfurt/Main 1890 (Schriften des Freien Deutschen Hochstiftes). Carl von Tyska, Die Lebenshaltung der arbeitenden Klasse, Jena 1912; Emanuel Wurm, Die Lebenshaltung der deutschen Arbeiter, ihre Ernährung, Wohnung, Einkommen, indirekte Besteuerung, Erkrankung und Sterblichkeit, Dresden 1892. 88 H . Mehner, op. cit. 88 L. Opificius, op. cit.
112
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiter s im 19. Jahrhundert
Mitarbeit von Frauen und Kindern im allgemeinen erübrigte, das Gros der Familien ungelernter Arbeiter, die auf eine Erwerbstätigke it von Familienangehö rigen angewiesen waren. Einen Überblick über die Entwicklung der durchschnittlich en Nominallöhne in Industrie und Handwerk zwischen 1850 und 1913 gewinnt man anhand der folgenden Tabelle. Tabe 11 e 12 Durchschnittliche jährliche Arbeitseinkomm en in Industrie und Handwerk Deutschlands 185o-1913 (in Mark)a) Zeit Einkommen
1850 1855 329
362
1860
1865
412
431
a) Vgl. W. G. Hoffmann, op. cit.,
1870 1875 1880 1885 1890 1895 1900 1905 1910 1913 526
s.
696
588
647
739
768
877
%5 1106 1210
492 ff.
Ein Schaubild soll die Lohnentwickl ung- allerdings erst von 1871 ab - noch verdeutlichen. Die Durchschnittslö hne sind hier als Indexziffern auf 1913 bezogen1•
100 90 ßO
70
'o~-~~--~--~--~-~-~~~~-1871 1875 1880 1885 1890 1895 1900 1905 1910 1911
Abbildung 2 Durchschnittliche Wochenlohnindic es der gesamten Industrie 1871-1913 (1913 = 100) Nach Werten gebildet, die entnommen sind: Gerhard Bry, Wages in Germany 1871-1945, Princeton 1960 (National Bureau of Econ. Research, No. 68, General Series), S . 329. Zu den Indexziffern für die einzelnen Jahre zwischen 1871 und 1913 siehe Anlage 3 im Anhang vorliegender Arbeit. 1
II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten
113
Betrachtet man die Entwicklung der Nominallöhne isoliert2 , so stellt der Aufwärtstrend den Beweis für eine sich ständig verbessernde Einkommenssituation dar. Allerdings geben die Indexziffern keinerlei Auskunft über die Lohnunterschiede zwischen den einzelnen Industriezweigen3. Bry4-5 führt dazu aus: "Während der ersten vier Jahre der Geschichte des Reiches stiegen die durchschnittlichen Wochenverdienste zwischen 25 und 30 v. H. als Folge der fieberhaften wirtschaftlichen Aktivität der Gründerjahre. Mit dem Zusammenbruch dieses gewaltigen Investitionsrummels gaben die Löhne um rund 20 v. H. nach, wodurch sie fast wieder auf ihr niedriges Niveau von 1871 zurückgedrängt wurden. Von dem Tiefpunkt, der 1879 erreicht wurde, begannen die Löhne ohne wesentliche Unterbrechung bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges zu steigen." Weiteren Aufschluß hierüber gibt Jostock6- 7 in einer Tabelle über die absolute Zahl und den relativen Anteil der Beschäftigten an bestimmten Einkommensklassen in Preußen von 1853 bis 1912. Aus dieser Tabelle ergibt sich, daß der Anteil der Einkommensbezieher der Gruppe "unter 900 Mark Jahreslohn" von 83 auf 52 v. H. der Gesamtzahl der Beschäftigten sank, während die Gruppe von "900 bis 3000 Mark Jahreslohn" eine Zunahme von 13 auf 43 v. H. verzeichnete. Wenn diese Angaben auch nicht ausschließlich für den Arbeiter galten, so läßt sich dennoch daraus schließen, daß es vielen Arbeitern in diesem Zeitraum gelang, in eine höhere Einkommensgruppe vorzustoßen. Neben dem Lohn des Mannes aus seiner hauptberuflichen Tätigkeit bestanden nicht unwesentliche Nebeneinnahmen anderer Familienmitglieder, aus Untervermietung sowie an sonstigen Bar- und Naturaleinnahmen8-9. 2 Spezifische Lohnangaben noch bei Gustav Brutzer, Die Verteuerung der Lebensmittel in Berlin im Laufe der letzten 30 Jahre und ihre Bedeutung für den Berliner Arbeiterhaushalt, München und Leipzig 1912 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 139,2), S. 55 ff. Ernst Dronke, Berlin, 2 Bände, Frankfurt/Main 1846, hier Bd. 2, S. 32 ff. W. Fischer, op. cit., S. 364-377. Rudolf Gröber, Nominallohn und Reallohn.- Die Löhne in der erzgebirgischen Strumpfindustrie von 1889 bis 1928, Leipzig 1932, S. 40 ff. (Forschungen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, 2). Carl von Tyska, Löhne und Lebenskosten, a.a.O., S . 283 ff. F. Wörishoffer, op. cit., S. 96 ff. sowie 178 ff. Emanuel Wurm, op. cit., S . 109 ff. 3 Weiterhin sind die Indices mit dem Makel aller Durchschnittsziffern belastet. So schreibt etwa Paul Ballin (Der Haushalt der arbeitenden Klassen, 1. Theil, Berlin 1883, S. 27): "Es ist nichts Seltenes, daß der Wochenlohn einer Anzahl Arbeiter desselben Gewerbes und in demselben Orte zwischen 12 bis 50 M. variiert, so daß der tüchtigere Arbeiter das Drei- und Vierfache des Verdienstes eines weniger leistungsfähigen Kameraden zu erreichen vermag." 4 -5 op. cit., S. 54. Vom Verfasser aus dem Englischen übertragen. 0 - 7 The Long-Term Growth of National Income in Germany, in: Income and Wealt.h, Series V, London 1955, S. 79 ff. B-9 Diese Aufzählung folgt jener der "Erhebung von Wirtschaftsrechnungen minderbemittelter Familien im Deutschen Reiche", a.a.O., S. 44 f.
8 Schneider
114
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
Einer Repräsentativerhebung von 522 Arbeiterhaushalten aus den Jahren 1907/08 zufolge schwankte der Anteil dieser Nebeneinnahmen am Gesamteinkommen zwischen 15,3 und 24,5 Prozent von 1588,81 bzw. 1726,51 Mark10• Besonders auffallend sind die Verhältniszahlen für die 54 Familien ungelernter gewerblicher Arbeiter. Hier war der Verdienst aus der Hauptbeschäftigung des Mannes mit durchschnittlich 75,5 v. H. von 1726,51 Mark der geringste der untersuchten Arbeitergruppen (= 1303,87 Mark). Die Nebeneinnahmen dagegen waren die jeweils höchsten aller Gruppen, so die Einnahmen der Frau (7,7 v. H. = 133 Mark), diejenigen aus Untervermietung (4,8 v. H. = 83 Mark) sowie die sonstigen Bar- (6,5 v. H. = 112 Mark) und Naturaleinnahmen (1,0 v. H. = 17,27 Mark). B. Lebenshaltungskosten
Die steigenden Nominallöhne bis 1913 (Tabelle 12 und Abbildung 1) scheinen für eine Besserung der materiellen Situation des Arbeiters zu sprechen. Vor einem solchen Schluß gilt es jedoch noch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten zu prüfen, da die Reallöhne erst aus beider Vergleich hervorgehen. Bry11 stellte neben allgemeinen Nominallohnindices auch allgemeine Preisindexziffern für die Lebenshaltung auf12, die hier wiedergegeben seien.
Abbildung 3 Preisindexziffern für die Lebenshaltung 1870-1913 (1913
=
100)
10 Vgl. auch die absoluten, stark differenzierten, empirischen Angaben von 25 untersuchten Arbeiterfamilien bei Wörishoffer, op. cit., S. 178 ff. 11 op. cit., S. 325 f., Table A-1, Spalte 3. 12 Daneben sind absolute und Indexangaben zur Preisentwicklung einzelner Nahrungsmittel zu beachten, da hier die Werte bereits von 1821/25 gegeben werden, wie in der Zeitschrift des Kgl. Preuß. Stat. Landesamtes, Jg. 1907, Beilage, S. 84 f .. aufgeführt. Von Tyska, Löhne und Lebenshaltungskosten ..., a.a.O., S. 260 (Tabelle 1), hat diese Werte übernommen.
li. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten
115
Aus dem Schaubild geht hervor, daß die Lebenshaltungskosten von 1870 bis 1875 stark anstiegen, dann bis 1900 bei geringfügigen Schwankungen relativ konstant blieben, um schließlich bis 1913 fortlaufend zu wachsen 13• Lohn- und Preisindexziffern für die Lebenshaltung sollen in einem weiteren Schaubild miteinander verbunden werden.
200 190
UJO 170
- - Liihno
- - - - Ltb•nshaltungs•osl•n 160
150
IJO 120 110
,."'---."""
/
/
/
/
I
I
I
I
I
I
I
I
I
Abbildung 4 Lohn- und Preisindexziffern für die Lebenshaltung 1870-1913 (1871
= 10014)
13 Absolutes Zahlenmaterial zur Entwicklung der Lebenshaltungskosten soll nur angeführt werden, soweit es zur Erörterung von Existenzminimumberechnungen sowie der Analyse einzelner Bereiche der Lebenshaltung erforderlich ist und dann ausschließlich im Zusammenhang mit diesen Kapiteln. Aus der Fülle emprischen Materials sei besonders auf die folgenden Werke hingewiesen: Karl Bittmann, Arbeiterhaushalt und Teuerung, Jena 1914; Gustav Brutzer, op. cit. S. 53; G. Bry, op. cit., S. 354 f.; W. Fischer, op. cit., S. 377-79; R. Gröber, op. cit., S. 47 ff.; Arthur Spiethoff (Hrsg.), Der Einfluß der Golderzeugung auf die Preisbildung 1890-1913, München und Leipzig, 1928, Anhang, Tabelle 2; derselbe, Die wirtschaftlichen Wechsellagen, II, Tübingen, Zürich 1955, Lange statistische Reihen, Tafel 27-34; F. Thieme, Die Entwicklung der Preise, Diss. Halle a. S., 1912, S. 22 f., 25, 27 f., 37, 48 sowie Carl von Tyska, Löhne und Lebenshaltungskosten ... , a.a.O., S. 260. u Nach Indexangaben von Bry von 1913 = 100 auf die neue "Basis 1871
116
2. Teil : Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
Aus dem Schaubild wird deutlich, daß bis auf den Lohneinbruch zwischen 1875 und 1885 die Löhne bis 1913 ständig stärker gestiegen sind als die Lebenshaltungskosten15 • Diese Besserstellung in der materiellen Situation des Arbeiters zeigt auch eine weitere Tabelle, die, nach Regionen differenziert, die Entwicklung der Reallöhne zwischen 1870 und 1910 angibt. Tabe 11 e 13 Die Reallohnentwicklung in Preußen und Süddeutschland zwischen 1870 und 1910 (1900 = 100)a)
Jahr Preußenb) Süddeutschlandb) ....
um 1870 187511880 11885,1890 1 1895 57,8
-
165,5 1 93,0
88,3
1900
I
1905
1 56,1 1 77,71 69,1 1100.0 1 88,1 90,9
93,0
98,5 100,0 107,0
I
1910 82,9
I (79,6)c) 99,5d) (96,5)c),d)
a) Vgl. von Tyska, Löhne und Lebenshaltungskosten . .. , a.a.O., S. 228. b) Reallöhne ermittelt aus Nominallöhnen Haushaltskosten. c) Reallöhne ermittelt aus Nominallöhnen Haushaltskosten einschließl!ch Miete. d) 1909/11.
+ +
Diese Ziffern behandeln noch nicht die verschiedenen subjektiven Einflußfaktoren, die von den Arbeiterhaushalten ausgingen. Dazu gehörte der meist kurzfristige Einkauf16, ohne den Markt zu beobachten, oder (=
100) umgerechnet. Es ergeben sich die Werte: Zeit
1871 1875 1880 11885 1890 1895 1900 11905 1910 1913
Lohn . .. .. . . . .. . .
100,01125,5,106,01113,71127,5 ,127,5,147,01159,0 1178,4 ,196,1
Lebenshaltungskosten . . . ......
100,0 111,2 111,2 101,5 108,6 105,8 111,6,119,0 135,0 145,0
Vgl. das Schaubild bei Gröber, op. cit., S. 87. Hierfür war nicht immer die Arbeiterfrau verantwortlich. "Partly because of their limited education and partly because as emigrants from more traditional societies they are unfamiliar with urban culture, they are not apt to follow the announcements of sales in the newspapers, to engage in comparative shopping, .. . to know how to evaluate the advice of salesmanpractices necessary for some degree of sophistication in the realm of consumption." So David Caplovitz, The Poor P ay More, London 1963, S. 14. 15
18
II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskost€n
117
das "Borgsystem". Beide Faktoren wirkten zwangsläufig verteuernd und schmälerten den Reallohn. Sie mußten nicht immer Folge eines unüberlegten Haushaltsverhaltens der Arbeiterfrau sein, sondern lagen oft an dem zu geringen Einkommen. C. Lebensstandard
Ähnlich wie im 18. Jahrhundert suchte man auch im 19. Jahrhundert, Existenzminimum und Normalkonsumtion von Einzelpersonen oder Familien mit feststehender Mitgliederzahl für bestimmte deutsche Gebiete zu erfassen, um aus dem Zusammenhang zwischen diesen Berechnungen sowie Löhnen und Lebenshaltungskosten Grundlagen für die Bestimmung des Lebensstandards zu schaffen17• Im ,Chemnitzer Tageblatt' von 1848 (S. 201) wurde die folgende Existenzminimumberechnung aufgestellt. Nach ihr betrugen die wöchentlichen Ausgaben der vierköpfigen Familie eines Notstandsarbeiters18 : 100 Pf. 273 Pf. 60 Pf. 30 Pf. 10 Pf. 70 Pf. 50 Pf. 150 Pf. 30 Pf. 150 Pf. 24 Pf. 12 Pf. 959 Pf.
für für für für für für für für für für für für
=
Wohnung
7 Brote
Hirse, Grütze und Kartoffeln etc. Kaffee und Runkelrüben zum Mischen Salz 2 Stck. Butter Fett und Talg Holz und Kohlen Beleuchtung Kleidung Seife Steuern und Abgaben 3 Thlr. 5 Ngr. 9 Pfg. insgesamt
Den notwendigen Lohn zur Bestreitung dieses Existenzminimums erreichten um 1848 nur wenige Arbeiter. Auf die Frage, wie sie sich dennoch ernährten, antwortete Strauss 19 : Sie "suchten sich die Kartoffeln möglichst selbst zu bauen, halfen sich bei jeder Gelegenheit mit Pfuschen und stützten sich, wo es nur anging, auf den Familienlohn". Von Niederschlesien berichtet Jacobi20 aus dem Jahr 1868: Für eine Familie "mit nicht zu großer Kinderzahl" sei "eine Jahreseinnahme von 180-200 Thlr. in einer größeren Stadt, auf dem Lande und in kleineren Städten von 120- 150 Thlr. erforderlich ... ", um ein "menschenwürdiges gesichertes Dasein bescheidener Art" führen zu können. Diese Einnahmen hatte von den Arbeitern jedoch nur eine Minderheit. Nach einem Bericht der badiVgl. Tabelle 3 auf S. 42 der vorliegenden Arbeit. Zitert nach Rudolf Strauss, op. cit., S. 365, Übersicht 25. n Derselbe, op. cit., S . 81. 20 SoL. Jacobi, op. cit., S. 326 ff., hier S. 332. 17
18
118
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
sehen Fabrikinspektion von 1888 heißt es21 , daß "auf dem Lande für eine gerade noch ausr~ichende und durchaus einfache Existenz einer Arbeiterfamilie wöchentlich 4 Mk. auf den Kopf erforderlich ist. Man wird für die Stadt Mannheim diesen Satz auf 5 Mk. erhöhen dürfen." Vergleicht man diese Beträge mit den Lohnangaben von 9231 untersuchten Mannheirner Arbeitern (beiderlei Geschlechts) 22, so ergibt sich, daß bei einer Familiengröße von vier Personen nur rund 50 Prozent23 der untersuchten Lohnempfänger in der Lage waren, allein mit ihrem Lohn die Familie zu ernähren. Die andere Hälfte der Arbeiter war auf Nebeneinnahmen von Familienmitgliedern oder Natural- und Mieteinnahmen bzw. Subventionen angewiesen24 • Bei den Existenzminimumberechnungen wird jedoch leicht ein weiteres für die Hauswirtschaft bestehendes Problem übersehen. Sobald der Arbeiterhaushalt frei von Schulden war und in ihm eine hinlängliche Ausstattung an längerlebigen (dauerhaften) Konsumgütern (wie Möbel, Hausrat, Kleidung etc.) vorhanden war, ergab sich daraus ein anderes Budgetbild, als aus den bisherigen Angaben hervorgeht. Dann waren außer für Verbrauchsgüter bei den Gebrauchsgütern nur noch Posten für Reparatur und Ersatzbeschaffung einzusetzen. Sonst war die Baushaltsführung aber erschwert durch Schuldentilgung oder die notwendigen, das Budget stark belastenden Neu- und Erstanschaffungen lebensu So Wörishoffer, op. cit., S. 185. u Wörishoffer (op. cit., S. 104 f. sowie 144) teilt die 9231 Arbeiter in folgende Lohngruppen ein: Tabe 11 e 14 Wochenverdienst in Mark, 1890 5 unter bis 5 6
Summr in 1/o
6
bis
8
8
10
bis
10
195
142
589
438
2,10
1,53
6,37
4,34
12
bis
15
bis
18121
18
15
12
bis
bis
bis
21
24
398,988 165911659,1291 4,31 10,70 17,88 17,97 13,98
~
241 bis 271 bis lüb bis 3;r Summe 27
30
35
798
463
496
122
9231
8,64
5,09
5,31
1,32
100
-
1042
davon weibliche Arbeiter I
I 48
Summe in 1 /o 4,62
57
458
286
129
5,41 43,96 27,45 12,38
I
I
I
56
6
1
-
-
-
1
5,38
0,58
0,08
-
-
-
0,08
I
100
23 Durch Addition der Lohngruppen '18-21 Mk.' bis 'über 35 Mk.' ergibt sich eine v. H.-Zahl von 52,4. Hier wird jedoch unterstellt, daß nur jeweils der Familienvorstand in dieser Tabelle erfaßt wurde. 24 Zu weiteren Existenzminimumberechnungen siehe die Literaturangaben bei Kuczynski, Die Geschichte der Lage der Arbeiter, Die Lage der Arbeiter ..., a.a.O., Bd. 1, S. 328 ff.; Bd. 2, S. 115 ff.; Bd. 3, S. 319 ff. sowie Reports from her Majesty's ... , a.a.O., S. 601.
II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten
119
notwendiger dauerhafter Konsumgüter. Dem konnte der Arbeiter nur durch frühzeitiges Ansparen vor der Ehe ausweichen, da der ledige Arbeiter bereits im Alter zwischen 18 und 20 Jahren oft seinen höchsten Lohn erreichte2s. Bei den in der Literatur angeführten Vergleichen von Existenzminimumberechnungen und effektiven Löhnen wurden immer wieder Fälle von Arbeiterfamilien genannt, die nicht das Existenzminimum hatten. Dabei handelte es sich meist um Familien mit mehreren Kindern. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, daß es dem alleinstehenden Arbeiter sehr wohl möglich war, einen Teil seines Lohnes (im sparsamsten Fall bis zu 50 Prozent) zu sparen. Das galt jedoch nicht für die unverheiratete Arbeiterin. Ihr Lohn reichte gerade zur Sicherung der eigenen Existenz aus 26 , so daß bei allem Fleiß - Armut der Eltern vorausgesetzt - von dieser Seite keine Aussteuer oder Ersparnisse zu erwarten waren. Um die Sparwilligkeit der jungen Arbeiter stand es jedoch schlecht. So klagte Wörishoffer 27 : "Die Anschaffung oft auch der nöthigsten Einrichtungen erfolgt meist erst während der Ehe und dann, ... , unter großer Sparsamkeit und manchen Entbehrungen, während die unverheirateten Arbeiter auch bei sehr gutem Verdienst hierin ohne jede Voraussicht handeln und ihre Bedürfnisse mitunter in geradezu lächerlicher Prätension steigern." An anderer Stelle sprach der gleiche Autor von der plumpen Art dieses Konsumstils junger Arbeiter, von dem andere Schichten abgestoßen würden. Sobald der Arbeiter heiratete, bedeutete das einen starken Rückgang seiner Lebenshaltung, aus dem besonders der jungen Ehe große Probleme erwuchsen. Für ihr Bestehen sowie für eine ökonomische Haushaltsführung war von oberster Bedeutung, ob der Arbeiter bereit war, Abstriche seiner Aufwands- und Genußnorm hinzunehmen. Erneut wird die große Bedeutung des Haushaltsverhaltens und der Haushaltskenntnisse auch der ärmsten Arbeiterfamilie deutlich. Waren die Arbeiter sparsam und fleißig, so reichte ihr Lohn - sofern sie Arbeit hatten - für die Existenz der Familien. Begannen sie die Ehe ohne Schulden, weil die erste Einrichtung des Haushaltes wie auch die nötige Kleidung von den vorehelichen Ersparnissen beschafft werden konnten, 25 Vgl. Rosa Kempf, Das Leben der jungen Fabrikmädchen in München. Die soziale und wirtschaftliche Lage ihrer Familie, ihr Berufsleben und ihre persönlichen Verhältnisse, Leipzig 1911 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 135, 2), S. 55 f. Die Autorin folgerte, daß es gar nicht schädlich sei, wenn diese jungen Arbeiter früh heirateten, da sie sich dann noch keinen aufwendigen Lebensstil angewöhnt hätten. Vgl. auch Reports ... , a.a.O., Bd. 2 (1871), s. 477. 28 Vgl. die Lohnangaben für Arbeiterinnen bei Wörishoffer, op. cit., S. 144 sowie 229 f., vgl. hierzu die Tabelle 14. 27 So derselbe, op. cit., S. 187.
120
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhtmdert
so war das von wesentlichem Einfluß auf die Budgetgestaltung und ließ die Mitarbeit der Frau, sobald sie Mutter war, überflüssig werden, da ihre sparsame eigene Haushaltsführung annähernd so viel einsparte, wie ihr Lohn betrug. In diesem Haushalt war eine vorausschauende Einkommensdisposition zu erwarten, mit häufiger Ausnutzung günstiger Marktchancen. Anders war es bei dem Arbeiter, dessen Frau weder die Haushaltsführung gelernt hatte noch an ihr interessiert war, der nicht vor der Ehe sparsam wirtschaftete, um ein kleines Sparkapital anzusammeln und der sich bei der Haushaltsgründung verschulden mußte. Hier gelang es nicht, mit dem Lohn des Mannes auszukommen. Die Frau war gezwungen mitzuarbeiten. Das Familienleben mußte zwangsläufig unter der Einstdlung von Mann und Frau zum Haushalt leiden. Besitz, außer dem lebensnotwendigsten, war in den städtischen Arbeiterfamilien nur noch in wenigen Fällen vorhanden. Auch öffentliche Unterstützungen fielen hier fast völlig fort, desgleichen die Eigenproduktion. Diesen geänderten Verhältnissen konnte sich nur der ordentlich geführte Haushalt anpassen. Er wußte seine Marktverflechtung zu seinem Vorteil zu nutzen. Der andere Haushaltstyp dagegen war dem Markt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Hier stellten sich früh Notlagen ein. Dieser Arbeiter hielt daher seinen Lohn auch für niedriger als es der gleiche Lohn für den anderen Arbeiter gewesen wäre. Weiter oben wurde bereits darauf hingewiesen, daß die frühe Berufstätigkeit der Arbeitermädchen wie auch die primitive Haushaltsausstattung und -führung in vielen Elternhäusern keine Ausbildung im hauswirtschaftlichen Bereich zuließen. Hinzu kamen jene Familien, in denen die Frau mitarbeitete und deshalb ihren Haushalt vernachlässigte. Daraus folgt, daß der unordentlich und häufig auch unökonomisch geführte Haushalt beim Fabrikarbeiter bis in die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein häufig anzutreffen war. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts entstand als Reaktion auf diese Mißstände a) die Hilfe von außen durch staatliche und kirchliche Organisationen sowie b) die Selbsthilfe aus dem eigenen Kreise der Arbeiter durch Gewerkschaften und Genossenschaften, wodurch versucht wurde, den Arbeiter zu einem rationaleren Haushaltsverhalten zu erziehen. Der mit der Industrialisierung verbundene gewaltige Prozeß der Umschichtung, Unterbringung und Versorgung einer rapide wachsenden Bevölkerung war nicht denkbar, ohne in der Übergangszeit Arbeitslosigkeit28, Preissteigerungen, Wohnungsknappheit usw. entstehen und die zs
Diese fiel besonders in die Jahre 1840 ff., 1875 ff. sowie 1890 ff.
II. Einkommensentwicklung und Lebenshaltungskosten
121
Arbeiterfamilien immer wieder in Existenznot geraten zu lassen. Solche Einbrüche krassester Not jedoch allgemein als Kennzeichen des Loses der Arbeiter im 19. Jahrhundert zu bezeichnen und für alle Arbeitsarten und Regionen Deutschlands zu verallgemeinern, hieße den Prozeß der Industrialisierung verkennen und kurzfristigen Erscheinungen der Lage des Arbeiters Allgemeingültigkeit zubilligen. Es gab und gibt immer wieder Stimmen29 , die vor dieser Be- und Verurteilung des 19. Jahrhunderts warnen, da auf diese Weise verkannt würde, daß es dem Arbeiter, Landhandwerker und hörigen Bauern vor dem Aufkommen der Fabriken z. T. schlechter ging als danach, daß er oft überhaupt erst die Möglichkeit erhielt, eine eigene Familie und Hausstand zu gründen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Kontroverse zwischen Engels und Hildebrand. Friedrich Engels versucht in seinem Werk "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" 30, die soziale Not der englischen Fabrikarbeiter in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Fabrikindustrie und dem egoistischen "Profitstreben" der Unternehmer anzulasten. Hildebrand dagegen beweist in seiner "Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft" 31 am Beispiel der den Fabrikarbeitern vorangehenden Handwerker, daß es diesen in England und Deutschland32 vor Aufkommen der Fabrikindustrie materiell noch weit schlechter ging, und daß die Fabriken stattdessen für eine Besserung der materiellen Situation sorgten. Nach Hildebrand liegen denn auch "die durchgreifenden Mängel des Buches" von Engels "1. in den falschen allgemeinen historischen und statistischen Voraussetzungen, von denen er bei der Beurteilung der Zustände der Gegenwart ausgeht, 2. in den vielen Auslassungen wesentlicher faktischer Verhältnisse und der hiermit verbundenen Generalisierung einzelner Tatsachen, endlich 3. in den Trugschlüssen, welche er aus den Faktis gezogen hat" 33 • 29 Siehe hierzu Haussherr, op. cit., S. 399; ferner F . A. Hayek, History and Politics, in derselbe, Capitalism and the Historians, London 1952, S. 3 ff. Das Werk enthält weitere Aufsätze anderer Autoren (u. a. T. S. Ashton, W. H. Hutt), die alle dem historischen Beweis der Unhaltbarkeit der verallgemeinernden These von der totalen Verelendung der Arbeiterklasse unter dem Einfluß des Industrialismus dienen. Immer wieder wird auf den Übergangscharakter und die r egionale Verschiedenheit sowie die Vorgeschichte des Arbeiterelends, in der die Menschen oft noch ärmer waren, hingewiesen. Siehe schließlich G. Landau, Die materiellen Zustände der unteren Classen in Deutschland sonst und jetzt, in: Ernst Moritz Arndt, ,Germania', Bd. 2, o. 0. 1852, S. 329 ff. und 609 ff. Siehe auch Bruno Hiidebrand, op. cit., S. 138, sowie F. Thieme, op. cit., S. 112. 30 a.a.O. 31 a.a.O. 32 Hildebrand konzentrierte sich auf Oberhessen. 33 So Hildebrand, op. cit., S. 138.
122
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
Aus allen weiter oben genannten Gründen soll in den folgenden Ausführungen nicht die extreme Armut vieler Arbeiterfamilien im Vordergrund stehen, obwohl sie häufig anzutreffen war, sondern, da es sich hierbei mehr um eine Übergangserscheinun g34 handelte, das Augenmerk auf die allgemeine Entwicklung gerichtet werden. Insgesamt kann festgestellt werden, daß sich die Lebenshaltung der Arbeiter langfristig besserte, einmal wegen langsam aber beständig steigender Reallöhne, zum andern jedoch wegen der fortschreitenden Rationalisierung von Haushaltsführung und besonders der Einkommensverwendung. Wichtige Voraussetzungen für die verbesserte Haushaltsführung lagen in den Sozialgesetzen sowie erträglichen Wohnbedingungen, die erst in den achtziger Jahren, bzw. Ende des Jahrhunderts wirksam wurden. 111. Einkommensverwen dung und Konsumstil A. Ernährung
Die Ernährung des Fabrikarbeiters glich zwischen 1840 und etwa 1870 noch weitgehend derjenigen des Heimarbeiters im 19. Jahrhundert, in der Zeit, als es letzterem wegen der niedrigen Löhne nicht mehr möglich war, ihre Qualität über das existenznotwendige Mindestmaß hinaus zu steigern. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhöhte sich das Realeinkommen der Fabrikarbeiter, so daß die Ernährung eines ständig zunehmenden Teiles der Fabrikarbeiterfamili en sich qualitativ verbesserte. Man kann daher davon ausgehen, daß während des 19. Jahrhunderts für die Ernährung (einschließlich der Genußmittel) von der städtischen Arbeiterfamilie zwischen 50 und 70 Prozent der Gesamtausgaben verwandt wurden. Die Eigenproduktion auf dem Nahrungssektor entfiel. Es entstand wie bei der Mehrzahl der Heimarbeiter die völlige Marktabhängigkeit, die den städtischen Arbeiterhaushalt ganz den Preisschwankungen des Marktes auslieferte, wobei es selten gelang, den Lohn des Mannes oder das Familieneinkommen jeweils der veränderten Budgetlage anzupassen bzw. in Zeiten guten Verdienstes Rücklagen für Teuerungen zu bilden. Einige Zahlen mögen das erläutern. 1. Die PTeisentwicklung wichtiger Nahrungsmittel im 19. Jahrhundert
Bei von Tyska1 finden sich Angaben über die Preisentwicklung einzelner Nahrungsmittel (Weizen, Roggen, Kartoffeln, Rind- und Schweine34 Vgl. Wilhelm Abel, Die Lage in der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft um 1800, in: Jahrb. f. Nat.ök. u. Stat., 175 (1963), S. 319 ff., hier besonders die Seiten 331 f. 1 Löhne und Lebenskosten . .. , a.a.O., S. 260 (Tabelle 1).
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
123
fleisch sowie Butter) in Preußen in absoluten Zahlen und als Indexziffern (bezogen auf die Basis 1896/1900) für den Zeitraum von 1821/25 bis 1911/12 2 • Beachtet man nur die "Ausgaben für die wichtigsten Lebensmittel in einer deutschen Arbeiterfamilie" in dem genannten Zeitraum3, so ergab sich für die angeführten Güter eine Ausgabensteigerung (bei gleichen Mengen) von rund 181 Prozent (d. h. fast eine Verdreifachung von 142,02 auf 399,06 Mk.). Das war eine gewaltige Verteuerung dieses wichtigen Teiles des lebensnotwendigen Bedarfs. Aus einem Vergleich mit der Lohnentwicklung von 1850-1913 (siehe Tabelle 12 4 ) ergibt sich dennoch eine erhebliche Steigerung des Realeinkommens beim Fabrikarbeiter. Während die Ausgaben für die bei von Tyska aufgeführten Grundnahrungsgüter in den Jahren 1851/55 bis 1911/12 von 186,37 auf 399,06 Mark nur um rund 114 v. H. stiegen, erhöhten sich die Löhne im gleichen Zeitraum (1850-1913) von 329 auf 1210 Mark oder um rund 268 v. H. Da für die genannten Lebensmittel im durchschnittlichen preußischen Arbeiterhaushalt um 1850 noch etwa 58 v. H. des Lohnes aufgewandt werden mußten, 1913 jedoch nur noch rund 33 v. H., hat sich die Situation auf dem Nahrungssektor verbessert. Noch deutlicher wurde dieser materielle Aufstieg, wenn man nur die Zeit zwischen 1871 und 1913 vergleicht. Das galt, sofern keine Arbeitslosigkeit vorlag oder die Ausgaben in den restlichen Budgetposten, insbesondere die Wohnungsausgaben, sich gegenüber den Lohnsteigerungen nicht überproportional entwickelten5. 2. Ernährungsausgaben und Realeinkomm·en
Neben dieser allmählichen Besserung der Ernährungslage im Arbeiterhaushalt bestand die Möglichkeit, durch Schulung in der Haushaltsführung Ausgabenteile in der Ernährung zu sparen. Solche Momente der verbesserten Haushaltsführung waren der Rückgang von Kreditkäufen, z Da von Tyska seinen absoluten und relativen Preisangaben im Zeitablauf auch die entsprechenden notwendigen Ausgaben einer Familie gegenüberstellt, sei nur auf die absoluten Preisangaben bei W. G. Hoffmann, op. cit., S. 578 ff., 584 ff., 589 f. für die Zeit von 1850-1913 hingewiesen. 3 von Tyska, op. cit., S. 263 (Tabelle 2). 4 Seite 112 der vorliegenden Arbeit. 5 Hier gilt es jedoch zu beachten, daß der angeführte Durchschnittskonsum nicht für ganz Deutschland einheitlich galt, so daß die unterschiedlichen Preisentwicklungen auch die Nahrungsausgaben unterschiedlich beeinflussen konnten. Vgl. hierzu Kuhna, Die Ernährungsverhältnisse der industriellen Arbeiterbevölkerung in Oberschlesien, Leipzig 1894, S. 32 (Texttafel 6 und 7). Danach schwankten etwa die Anteile für Kartoffeln zwischen 4.8 und 13.0 v. H. und für Weizenmehl zwischen 1.7 und 13.0 v. H. der Ernährungsausgaben je nach Region.
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2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
das Vordringen von Vorratswirtschaft und -haltung, das Streben nach qualitativer Hebung der Ernährung sowie die Einschränkung des Genußmittelkonsums. a) Kreditkauf Der weitverbreitete Kreditkauf von Lebensmitteln, das "Anschreibenlassen", hatte zwangsläufig zur Folge, daß anstelle von Zinszahlungen für den Kredit die Preise des Lebensmittelhändler s akzeptiert werden mußten, der Kredit gewährte. Hier gab es jedoch nicht immer die preiswertesten Waren. Zudem erfolgten bei fehlender Barzahlung oft das Einkommen übersteigende Ausgaben. So belastete der Gegenwartskonsum die Zukunft in z. T. unverantwortlicher Weise. b) Vorratshaltung und Vorratswirtschaft Die Gewohnheiten des Einkaufens hingen weitgehend davon ab, in welchem Umfang Vorratshaltung und -Wirtschaft betrieben wurden. Sobald die Arbeiterfrau die Zeit der niedrigsten Preise ausnutzte (z. B. in der Hauptsaison), indem sie große Mengen einkaufte, um sie zu verarbeiten, zu konservieren und zu lagern, vermochte sie Einkommensteile gegenüber dem Marktbezug kleiner und fertiger Quantitäten zu sparen. Oft hätte schon eine scheinbar selbstverständliche geringe Änderung der Einkaufsgewohnheit en eine Ersparnis für den Haushalt bedeutet. Allgemein ist jedoch festzustellen, daß Vorratshaltung im Arbeiterhaushalt nur eine geringe Rolle spielte. Das war auf die niedrigen Einkommen, fehlende Lagermöglichkeiten u. a. m. zurückzuführen. So schildert Le Play8 etwa die Gewohnheit der Frau eines Wiener Tischlergesellen, Zukker und andere Güter in kleinsten Quanten zu kaufen7 • Le Play errechnete, daß in diesem Fall 54,27 Mark jährlich durch den Kauf größerer Mengen und geringfügige Vorratshaltung hätten eingespart werden können8 • Auf seine diesbezüglichen Vorhaltungen antwortete ihm die Frau jedoch- und das kann als rationale Begründung gelten: (1) Die Familie sei sparsam, solange nur das täglich Gekaufte verfügbar sei; alle würden jedoch mehr wollen, wenn Vorräte vorhanden seien. (2) Die Mutter könne, sobald sie Ersparnisse haben, den Bitten von Mann und Kindern nicht widerstehen; dann würde das Gesparte höchstwahrscheinlich leichter und fahrlässiger ausgegeben als bei täglichem Einkauf. e op. cit., Bd. 5, S. 39. 1 560 g Zucker kosteten 0,61 Mark, 10mal 56 g (das gewöhnlich gekaufte Quantum der Frau) jedoch 0,73 Mk. s Was bei einem Einkommen des Mannes von jährlich 629,19 Mark schon ins Gewicht fiele.
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
125
War die Hausfrau berufstätig, so unterblieb die Vorratswirtschaft, da Zeitmangel sie nötigte, kurzfristig zu disponieren. Sie bevorzugte dann schnell zubereitbare Lebensmittel, was sich verteuernd auf die Ernährungsausgaben auswirkte. Mann und Frau waren oft auf eigene oder Kantinenverpflegung, fern vom häuslichen Mittagstisch, angewiesen. Dieser Umstand barg die Gefahr in sich, vor Kollegen einen Konsumstil vortäuschen zu müssen, den man sich oftmals kaum zu leisten vermochte 9 • c) Die optimale Zusammensetzung der Nahrung Die wohl wichtigste Möglichkeit, Ernährungsausgaben zu sparen, lag in der optimalen Zusammensetzung der Nahrung hinsichtlich der Nährstoffe und Güterpreise. Die Nahrungsmittel lassen sich grob in pflanzliche und tierische (Fleisch, Wurst, tierische Fette einschließlich Butter und Milch) gliedern. Je stärker der Anteil der tierischen Nahrungsmittel ist, "desto größer wird in der Regel der Wohlstand der Bevölkerung" oder einer Schicht sein, da "die Nahrungsstoffe ... in den animalischen Nahrungsmitteln erheblich teurer" sind "als in den vegetabilischen" 10. So wurde nach der "Erhebung von Wirtschaftsrechnungen minderbemittelter Familien im Deutschen Reiche (von 1907/08)" 11 festgestellt, daß der relative Ausgabenanteil für tierische Nahrungsmittel bei steigender Personenzahl in der Familie annähernd gleich blieb, während der Anteil für pflanzliche Produkte wuchs, der für sonstige Nahrungs- und Genußmittel dagegen abnahm. Das Verhältnis von tierischen, pflanzlichen und sonstigen Nahrungsund Genußmitteln nahm in Familien mit ... Personen folgende Prozentziffern an den Gesamtausgaben ein (= Durchschnittsziffern)1 2 : T a b e 11 e 15 a) 2 Pers.
5 Pers.
7 Pers.
9 Pers.
Tierische Nahrungsmittel Pflanzliche Nahrungsmittel Sonstige Nahrungs- und Genußmittel
21,0 10,1 9,5
25,2 14,4 7,2
25,0 17,3 6,3
25,8 18,9 6,2
v. H . der Gesamtausgaben für Nahrungsmittel
40.6
46,8
48,6
50,9
9 Vgl. das Beispiel bei Mehner aus dem Jahre 1887, op. cit., S. 305: "In der Fabrik müssen die Leute das Brot gestrichen essen, weil die Arbeiter gegenseitig ihre Lebenshaltung kritisieren." 10 So Otto Ger lach, Fleischkonsum und Fleisch preise, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 3, 2. Aufl. Jena 1900, S. 1094 ff., hier S. 1095. 11 a.a.O., S. 30 f. und 34 f. 12 So nach der Erhebung ... (von 1907/08), a.a.O., S. 30 f.
126
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
Umgekehrt verhielt sich die Entwicklung des Verhältnisses der tierischen zu den pflanzlichen Nahrungsmitteln mit steigenden Gesamtausgaben (Angaben in Prozent)1 3 : Tabelle 15 b)
Tierische Nahrungsmittel Pflanzliche Nahrungsmittel Sonstige Nahrungsund Genußmittel v. H. der Gesamtausgaben für Nahrungsmittel
unter 1200 Mk.
1200-1600
26,5 19,1
28,5 17,3
27,3 16,1
8,6
8,8
7,6
54,2
54,6
51,0
Mk.
1600-2000
Mk.
Rademann setzte sich in seiner Schrift: "Wie nährt sich der Arbeiter?"14 mit der Zusammensetzung der Ernährung kritisch auseinander und verdeutlichte anhand von Beispielen 15 , wie es der Arbeiterfamilie gelingen könnte, bei gleichem Einkommen und Anteil der Nahrungsausgaben an den Gesamtausgaben ein Mehr an Nährstoffen zu gewinnen. Er stützte sich dabei auf Angaben von Voit 16 , der für einen Erwachsenen von mittlerem Gewicht (70 kg) bei durchschnittlicher Arbeitsanforderung folgende Mindestanforderung an die Zusammensetzung der täglichen Nahrung stellte: 118 g Eiweiß, 56 g Fett und 500 g Kohlenhydrate. Rademann überprüfte nun die Nahrung in den drei genannten Haushalten und behauptete: "Der Arbeiter kann bei rationeller Wahl seiner Nahrungsmittel ganz erhebliche Ersparnisse machen, welche es ihm nicht nur ermöglichen, ohne fremde Hilfe auszukommen, sondern auch noch einen Notgroschen zurückzulegen17.''
So nach der Erhebung ... , a.a.O., S. 34 f. Otto Rademann, Wie nährt sich der Arbeiter?, 2. Auflage, Frankfurt/ Main 1890. 15 Rademann stützte sich auf die Budgetuntersuchungen von: Karl Flesch, Haushaltsbudget eines Arbeiters der Kgl. Staats-Eisenbahn-Werkstätten in Frankfurt a. M.; L. Opificius, Haushaltungsbudget eines Arbeiters in einer chemischen Fabrik; S. Uhlfelder, Haushaltungsbudget eines mit Aushilfearbeiten beschäftigten Mannes; alle erscheinen unter dem Titel "Frankfurter Arbeiterbudgets" Frankfurt a. M. 1890 (Schriften des Freien Deutschen Hochstiftes), hrsg. von Karl t3 14
Flesch.
16 C. v. Voit, Physiologie des allgemeinen Stoffwechsels und der Ernährung, in: Handbuch der Physiologie, herausg. v. L. Hermann VI, I, Leipzig 1881, zitiert nach 0. Gerlach, op. cit., S. 1094. 17 op. cit., S. 7. Im Original gesperrt.
III. Einkommensverw endung und Konsumstil
127
In dem Haushalt des Eisenbahnarbei ters (dieser soll hier als einziges Beispiel dienen) wären nach den Berechnungen18 Rademanns und Voits pro Jahr erforderlich gewesen19 : (1) 146 000 g Eiweiß, 73 000 g Fett und 638 750 g Kohlenhydrate. Tatsächlich wurden konsumiert: (2) 94 027 g Eiweiß, 68 535 g Fett und 535 341 g Kohlenhydrate. Mithin fehlten: (3) 51 973 g Eiweiß, 4 465 g Fett und 103 409 g Kohlenhydrate. Diese Familie gab für ihre Ernährung 568,46 Mark aus (rund 60 Prozent des Einkommens). Bei normaler Ernährung wie unter (1) und unter den gegebenen Verhältnissen hätten noch weitere 172,10 Mark aufgewendet werden müssen, so daß diese jetzt 740,56 Mark ( = 72 Prozent des Einkommens) ausmachen würde. Das war in diesem Fall jedoch nicht möglich, da das restliche Einkommen durch feste Ausgaben bereits verplant war. Rademann20 stellte dieser Familie Küchenzettel für 14 Tage auf, die, wenn sie das ganze Jahr über eingehalten worden wären, die Familie mit der nötigen Nährstoffmenge versorgt hätten und dennoch für 503,70 Mark zu erfüllen gewesen wären. Die Familie hätte eine Ersparnis von 236,86 Mark gegenüber dem Zustand der "richtigen" Ernährung wie unter (1) bei ihrer Nahrungszusammensetzung (740,56 ./. 503,70 Mk.) machen können oder eine jährliche Ersparnis von 64,76 Mark gegenüber der tatsächlichen unter (2) angegebenen, wenn auch nicht ausreichenden Ernährung. Die Nahrungszusamm ensetzung entsprach im reformierten Fall den damaligen Erkenntnissen der Ernährungsphysiologie . Ähnlich sieht die Beweisführung im Falle der beiden anderen Frankfurter Arbeiterbudgets aus. Zur Illustration sollen aus den erwähnten Küchenzetteln die sieben ersten Vorschläge für die Mittagsmahlzeite n herausgegriffen werden21 : Sonntag: Stockfisch, Senfsauce und Kartoffeln. Montag: Erbsenbrei mit Speck und Kartoffeln. Dienstag: Lungenmus und Kartoffeln. Mittwoch: Fleischklöße mit Kartoffeln und Bohnen. Donnerstag: Nudeln mit Speck. Freitag: Hering und Pellkartoffeln. Sonnabend: Hirsebrei mit Milch.
Vergleicht man diesen Speisezettel (die übrigen Mahlzeiten waren ebenfalls abwechslungsre ich) mit dem Speisezettel einer Familie des sogenannten dörflichen Mittelstandes eines Taunusdorfes um 187722, so liegt der Schluß nahe, daß bei vernünftiger Haushaltsführu ng und wohl18 Die einzelnen Familienmitglied er erhielten unterschiedliche Werte, z. B. galt für die Frau 3/ 4 des Nährstoffbedarfe s des Mannes, für die Kinder entsprechend weniger, op. cit., S. 9 f. 19 Ebenda. 20 op. cit., S. 10. 2 1 So Rademann, op. cit., Tabelle 3, S. 21 f. 22 Zitiert bei Schnapper-Arnd t, op. cit., S. 130. In der vorliegenden Arbeit übernommen auf S. 59.
128
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
überlegter Planung der Ausgaben für die Ernährung der Arbeiter über ein hinreichendes Einkommen verfügte. d) Genußmittelkonsum Ein letzter Weg möglicher Ausgabenreduktion auf dem Nahrungssektor lag u . U. im Genußmittelkonsum23 • Nach Angaben von Kuhna betrug dieser in verschiedenen Teilen Deutschlands zwischen 6,9 und 14,9 (Berlin) Prozent der Ausgaben für die Ernährung24 • Da hierin neben Alkohol auch Kaffee, Zucker, Salz und Gewürze enthalten waren, könnten Einschränkungen nur beim Alkohol25 vertreten werden. Die anderen Güter- auch der Kaffee als stark verdünnbares wohlschmeckendes Alltagsgetränk - gehörten zum lebensnotwendigen Bedarf. Insgesamt gesehen hat sich die Ernährungslage des Fabrikarbeiters im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebessert26 • Das Ausmaß wurde dabei allerdings in wesentlichen Teilen von dem Arbeiter und seiner Familie selbst bestimmt, da es von Frau und Mann abhing, inwieweit günstige Marktbedingungen ausgenutzt und Ersparnisse durch vernünftige haushälterische Erwägungen realisiert wurden. 3. Die Ernährung von Beispielfamilien21
Zur Ergänzung seien die Ernährungsverhältnisse der beiden Arbeiterfamilien nach Mehner und Opificius analysiert und verglichen. Bei der sieben- bzw. achtköpfigen Familie28 des Arbeiters einer chemischen Fabrik Frankfurts (Main) (im folgenden Familie I genannt) entfielen 52,34 Prozent der Gesamtausgaben auf die Ernährung 29 • Die fünf23 Vgl. die Beispiele bei R. Braun, Sozialer und kultureller Wandel ... , a.a.O., S. 192 ff. 24 Kuhna, op. cit., S. 121 (Texttafel 33). 25 Vgl. die Ausführungen im 2. Teil "Erholung und Freizeit". Als besonders krasses Beispiel nennt Ernst Günther (op. cit., S. 273) einen Münchener Tagelöhner und seine Familie (Frau und 3 Kinder): Diese kaufte im ganzen Jahr Butter und Fette für 6,52 Mark (= 3/4 v. H . der Nahrungsausgaben). Demgegenüber standen Ausgaben für "Haustrunk" (Bier) für 242,77 Mk. (= 29 v. H . der Nahrungsausgaben!). "Das ist ein Hohn auf alle vernünftige Lebensführung." (derselbe, ebenda). 2a So behauptet Johannes Conrad (Der Konsum an notwendigen Nahrungsmitteln in Berlin vor hundert Jahren und in der Gegenwart, in Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, N. F.: 3 (1881), S. 509 ff., hier S. 523 f.), daß am steigenden Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch, Butter, Käse, Eiern und Fisch die Arbeiterbevölkerung teilnahm. Ähnlich, wenn auch vorsichtiger argumentiert Marcel Reinhard, op. cit., S. 272 f. 27 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Anlage 3 im Anhang vorliegender Arbeit. 28 Ein sechstes Kind wurde während des Untersuchungsjahres geboren.
20
Opificius, a.a.O., S. 71.
III. Einkommensverwendu ng und Konsumstil
129
köpfige Familie des Arbeiters einer Seifenfabrik Leipzigs (Familie II) verwandte hierauf 52,5 v. H. 30 • Da sich die absoluten Ernährungsausgaben in beiden Familien etwa entsprachen3 1, es sich weiterhin in beiden Beobachtungsfällen um etwa die gleiche Zeit (1887/1888) handelte, die Familiengröße jedoch differierte, so liegt es nahe, im Fall der Familie II auf eine qualitativ bessere Ernährung zu schließen. Die Analyse der Nahrungszusammens etzung beweist jedoch das Gegenteil: Bei Familie I entfielen 29,7 v. H. der Ernährungsausgaben auf die Güter Brot ( + Brötchen), Kartoffeln und Mehl gegenüber 42,7 v. H. ( + Reis) bei Familie II. Für Butter und sonstige Fette verwandte Familie I 7,3 v. H. (Butter: 1,3 und sonstige Fette: 6,0), Familie II dagegen 18,5 v. H. (Butter: 16,7 und sonstige Fette: 1,8). Der absolute wertmäßige Konsum an Fleisch- und Wurstwaren war etwa gleich, nur verbrauchte Familie II noch Hering, der bei Familie I nicht erscheint. Für die genannten Güter wendet Familie I erst 47,9 v. H. der Ernährungsausgaben, Familie II dagegen bereits 71,0 v. H. auf. Der Butterkonsum erscheint bei Familie II enorm hoch 32 , doch ist er neben dem höheren Brotverbrauch bei geringerer Kopfzahl ein Anzeichen dafür, daß die Familie viel kalt aß. Sie war dazu gezwungen, da in Familie II die Frau in der gleichen Fabrik arbeitete wie ihr Mann. Nimmt man noch den Alkoholkonsum sowie die "Zehrung im Geschäft", so kommen weitere 9,0 bzw. 8,8 v. H. bei Familie II gegenüber 9,4 (allerdings einschließlich Tabak) und 14,6 v. H. bei Familie I auf die restlichen Nahrungsgüter. Für diese verblieben nunmehr 11,2 v. H. bei Familie II, jedoch noch 28,81 v. H. bei Familie I. So wichtige Güter wie Milch, Obst und Zucker entfielen bei Familie II völlig, während Familie I hierfür noch 7,9 + 1,3 + 2,8 (also 12,1) v. H. zur Verfügung hatte. Unterschiedlich war schließlich noch der Kaffeeverbrauch (bei gleichem Kaffeepreis). Familie I verwandte 5,5 v. H. der Nahrungsausgaben auf den Kauf echten Kaffees und nur 0,3 v. H. auf Surrogate, bei Familie II ist das Verhältnis 2,4 zu 1,6 v. H., obwohl hier der Kaffeegenuß noch eine höhere Bedeutung hatte. 30 Mehner, a.a.O., S. 310 (Wochenausgaben für Ernährung multipliziert mit 52, in v. H. des Wochenverdienstes (S. 304) (650,52 Mk. von 1.040,0 Mk.). 31 Vgl. Anlage 3 des Anhanges vorliegender Arbeit. Entsprechend können auch die Prozentzahlen der Tabelle miteinander verglichen werden, da sie auf eine fast identische Gesamtausgabe für Ernährung (rund 650,0 Mk.) bezogen sind. Den Geldausgaben entsprechen leicht unterschiedliche Mengen. Das war jedoch nur anhand der Güter (Brot, Butter und Kaffee) zu überprüfen. Die Preise der Güter bei Opificius sind etwas höher: 1 Pfund Brot = 11 Pf. und 13 Pf., 1 Pfund Butter = 1,0 Mk. und 1,32 Mk. Mehner, a.a.O., S. 310; Opificius, a.a.O., S. 71 f. 32 Allerdings enthielt die Butter in starkem Maße Kokosöl. Vgl. Anmerkung 71 auf S. 107.
9 Schneider
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2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
Bei Familie II wurde täglich viermal Kaffee getrunken. "Das ist derjenige Genuß, welchen der wässerige Aufguß von wöchentlich 1/4 Pfund Kaffee ... und 1 Liter Gerste ... gewähren kanns3 ." Die qualitativ bessere Ernährungsweise in Familie I trotz ihrer höheren Kopfzahl war in erster Linie dem Umstand zu verdanken, daß die Frau sich beinahe ausschließlich dem Haushalt widmete. Nach einem Urteil aus dem Arbeiterstand der gleichen Zeit und Gegend wie der von Mehner untersuchten Familie II hätte diese "mit einem wöchentlichen Haushaltsgeld von 10 Mark bei verständiger Wirtschaft besser ... leben müssen, als sie mit etwa 13 Mark thaten". Bei der Begründung wurde angegeben, "daß die geschilderte Ernährungsweise mit kaltem und ungekochtem Essen verhältnismäßig sehr theuer zu stehen komme und daß eine Hauptmahlzeit Abends erfahrungsgemäß nicht im Stande sei, die Hauptmahlzeit Mittags zu ersetzen" 34 • Die teure Haushaltsführung der Familie II war der Berufstätigkeit der Frau zuzuschreiben, die jedoch erforderlich war, da der Verdienst des Mannes gerade die Nahrungsausgaben deckte. Anders verhielt es sich bei Familie I. Hier war die Mitarbeit der Frau nicht notwendig, da das Einkommen des Mannes zum Lebensunterhalt ausreichte. B. Bekleidung
Wenn zur Frage der Bekleidung beim Heimarbeiter auf die verschiedenen Produktionsstufen von der Rohstofferzeugung bis zum fertigen Kleidungsstück hingewiesen und festgestellt wurde, daß trotz sinkendem Einkommen oft die Fertigkeit der Eigenproduktion, selbst auf der letzten Produktionsstufe, der Kleiderherstellung, verlorengegangen war, so galt diese Situation erst recht für den Haushalt des Fabrikarbeiters. Die meisten Frauen hatten Nähen und Stricken nicht mehr gelernt, da sie vorzeitig in den Fabriken arbeiteten oder im eigenen Elternhaus keine hauswirtschaftliche Ausbildung mehr erhalten hatten35 • Ein Vorzug war es schon, wenn sie wenigstens die Kunst des Flickens einigermaßen beherrschten. Die Kleidung spielte für die Familie des Fabrikarbeiters insofern eine größere Rolle, als hier bei allen Familienmitgl,iedern ein wesentlich erweiterter Kontakt mit der Außenwelt notwendig wurde. Der Mann (u. U. auch die Frau) in der Fabrik, die Kinder in der Schule 3~ oder auch schon So Mehner, a.a.O., S. 305. So derselbe, a.a.O., S. 333 f. Zur Zusammensetzung der einzelnen Tagesmahlzeiten siehe derselbe, a.a.O., S. 305-309. 35 Selbst frühere Dienstmädchen wurden allenfalls zum Stricken und Flikken angehalten, da das Nähen extra ausgebildeten Schneidern und Schneiderinnen vorbehalten war. 38 "In dem Streben, die Kinder an Ordnung und Reinlichkeit zu gewöhnen, zwingt" die Schule "dieselben, nicht in unsauberer und zerrissener Kleidung 33 34
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
131
in der Fabrik, stellten erhöhte Ansprüche an die Kleidung, solange der Wunsch bestand, der Umwelt eine etwaige Notlage zu verheimlichen oder die gesicherte Existenz der Familie zu beweisen. Infolge der verkümmerten Fähigkeit der Frau, die Kleider selbst herzustellen, war die Arbeiterfamilie auf deren Marktbezug angewiesen. Da dem Arbeiter aus Zeitmangel hierfür häufig die nötige Marktübersicht und Sachkenntnis fehlten, kaufte er oft ungünstig, denn maschinelle Massenproduktion und häufiger Modewechsel hatten zur Folge, daß Stoffqualität und Verarbeitung der Kleidung nachließen. Der Arbeiter hatte demnach keine Gelegenheit, in bezug auf Kleidung ein fundiertes Qualitätsdenken zu entwickeln. Damit mußte er jedoch zugleich auf einen der Maßstäbe für die Beurteilung der Preiswürdigkeit einer Ware verzichten. Besonders nachteilig wirkte es sich aus, wenn der Arbeiter seine Neuanschaffungen mit Raten zahlte. Mehner31 berichtet vom Arbeiter unserer Beispielfamilie, der einen fertigen Anzug für 51 Mark kaufte: Der Arbeiter mußte die Summe wöchentlich tilgen, er zahlte etwa von Mai bis Oktober. Nach den Angaben eines Schneiders war dieser Anzug allerhöchstens 33 Mark wert. Die Differenz von 18 Mark stellt einen Aufschlag von rund 55 Prozent dar für die Ratenzahlung und entspricht einer Jahresverzinsung von rund 110 Prozent. "Das Unternehmen ist sehr ausgebreitet, es zeigt auswärtige Geschäfte an in Breslau, Dresden, Altona, Bremen und das Hauptgeschäft in Hamburg. Jedenfalls ist es auch sehr einträglich, denn das Risiko ist sehr gering, weil jeder Käufer einen guten Bürgen stellen muß, ... " Bei einer Anzahlung (einem Ansparen) von 14 Mark hätte der Arbeiter in diesem Fall in zehn Sparraten und der halben Zeit den Anzug (bar = 33 Mark) erwerben können, wofür er jedoch zwanzig entsprechend gleich hohe Raten abzahlte. Die ärmsten Arbeiter kauften ihre Kleider v om Trödler. Die Kleidungsstücke wurden dann solange getragen, bis sie v erschlissen waren38• Die Lebensdauer dieser Stoffe verkürzte sich ständig, so daß immer häufiger neue Ausgaben auf dem Kleidersektor entstanden, die das Budget belasteten.
R. Strauss39 führt die Klage eines Zeitungsschreibers um die Jahr-
hundertmitte an: "Wo sind die alten guten Tuche geblieben, die so dauerhaft waren, daß der Arme noch als Greis sein Hochzeitsgewand tragen konnte! ... " zu erscheinen, gestattet auch nur in den wärmsten Sommermonaten, daß die Kinder barfuß gehen". So H. Mehner, op. cit., S. 319. 37 op. cit., S. 315, das Zitat ebenda. 38 Zu den Preissteigerungen im 19. Jahrhundert und nochmals zur Stoffqualität siehe Carl Hampke, Das Ausgabebudget der Privatwirtschaften, Jena 1888, S. 122-126. 38 op. cit., S. 95. 9*
132
2.
Teil: Der Haushalt des Industriearbeiter s im 19. Jahrhundert
Und Thieme 40 ergänzt: "Eine Verbilligung des Kleidungsbedür fnisses hat ... durch ... zunehmende Verwendung billiger Stoffe" (seit den 70er Jahren) "kaum stattgefunden. Ihre geringe Haltbarkeit erforderte eben eine größere Zahl von Kleidungsstücke n, ... " Die beiden Beispielfamilien bilden in mancher Hinsicht Ausnahmen in dem Verhalten der Arbeiterfamilie n auf dem Bekleidungssek tor. Das bei Mehner angeführte Beispiel für die Nachteile des Ratenkaufes gehört zu den häufig anzutreffenden Fehlern im Marktverhalten zahlreicher Arbeiter. Andererseits findet sich bei dieser Familie die für den Arbeiter dieser Zeit recht seltene eigene Herstellung sowie Reparatur bei Kleidung und Schuhen41 . Der Vater flickte und besohlte die immer alt gekauften Schuhe der ganzen Familie. "Bei seiner Schusterei sitzt der Mann von Zeit zu Zeit Sonntags und Wochentags an den Abenden bis tief in die späte Nacht hinein, zuweilen macht er deshalb eine förmliche Nachtschicht nach der Anstrengung des Tages42 ." Die Frau strickte fast die gesamten Strümpfe für die Familie aus gekauftem Garn. "Zuweilen sind auf das Paar noch 50 Pfg. Strickerlohn zu verwenden, denn die Frau ist nicht im Stande, alles zu stricken, was für die Familie nöthig ist; obgleich sie in jeder freien Minute Sonntags und sogar auf der Fabrik in der Mittagsstunde strickt43." Darüber hinaus nähte sie ihren "Anzug" für den Weg zwischen Wohnung und Fabrik, die Hemden sowie aus eigenen abgelegten oder gebraucht gekauften Kleidungsstücken die Oberbekleidung für die Kinder selbst44. Durch Flicken und Stopfen der Kleidung gelang es der Frau, deren Lebensdauer zu verlängern und damit Einkommen zu sparen. "Für die nationalökonom ische Beurtheilung ist solche Thätigkeit des Mannes gegenüber der arbeitstheiligen Produktion natürlich Verschwendung45." Da jedoch der Mann keine weitere Lohnarbeit fand und das Familieneinkom men gerade für den lebensnotwendi gen Bedarf ausreichte, muß in dem hauswirtschaftl iehen Fleiß beider Ehepartner ein Vorteil und eine Ausgabenerspar nis gesehen werden. Die zweite von Opificius geschilderte Beispielfamilie war reicher an Kleidung46, wandte jedoch nicht wesentlich mehr für Kleidung, Schuhe und deren Reparaturen auf als die Familie bei Mehner47 • op. cit., S. 61 f. Siehe zum Bedarf dieser Familie an Kleidung die Aufstellung bei Mehner, op. cit., S. 329 ff. 4 2 So derselbe, op. cit., S. 316. 43 Derselbe ebenda. 44 Vgl. derselbe op. cit., S. 318 ff. 4s So derselbe, op. cit., S. 316. 46 Vgl. das Inventar bei Opificius, op. cit., S. 79 f. 47 147,15 Mark (Opificius, op. cit., S. 70), Mehner (op. cit., S. 329 f.) gibt 40
41
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
133
Hier nähte oder flickte die Arbeiterfrau die Kleidung nicht selbst. Stattdessen war "für die Instandhaltung der Kleider ... ein befreundetes Mädchen 36 Tage gegen Kost im Hause beschäftigt" 48 • C. Die Wohnverhältnisse
1. Wohnung und Wohnlichkeit Vor aller Zustandsschilderung der Wohnsituation bei der Arbeiterfamilie des 19. Jahrhunderts gilt es, die Bedeutung von Wohnung und Wohnlichkeit für das Familienleben und die Haushaltsführung hervorzuheben. Wohnung und Wohnlichkeit sind besonders für den im Berufsleben stehenden Menschen, für den damit die Trennung von Haushalt und Betrieb besteht, der Ort geistig-seelischer Regeneration 49 • Sie bestimmen weitgehend das soziale Milieu und sind dadurch mitentscheidend für die geistige Entwicklung des Einzelnen und der Familie. Deshalb müssen bestimmte Anforderungen an die Wohnung gestellt und die wichtigsten Faktoren der Schaffung von Wohnlichkeit beachtet werden. Bei Bollnow 50 finden wir eine Aufzählung dieser Faktoren, von denen einige besonders hervorgehoben werden sollen: (1) Der Wohnraum muß den Eindruck der Abgeschlossenheit geben.
(2) Die Größe des Raumes ist von Bedeutung. (3) Die Ausstattung der Räume mit Möbeln ist wesentlich.
(4) Der Raum muß Wärme ausstrahlen, die z. T. in den Farben liegt. (5) Der Raum und die Möbel darin müssen liebevoll gepflegt sein.
2. Wohnbedarf und Wohnungsbau Die Erfüllung der genannten Ansprüche an Wohnung und Wohnlichkeit war nur wenigen Arbeiterfamilien möglich. Das in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts schlagartig einsetzende Bevölkerungswachstum der Städte durch die Zuwandernden vom Land, ließ eine Lücke zwischen dem Angebot an Wohnungen, das sich nicht von heute auf morallerdings nur den Bedarf seiner Arbeiterfamilie an, der 151,0 Mark betrug. Inwieweit dieser Bedarf wirklich gedeckt werden konnte, wurde nicht beantwortet. Vgl. auch Anlage 2 des Anhangs vorliegender Arbeit. 48 Opificius, op. cit., S. 60. 41 "Um sich in der Welt zu erhalten und dort seine Aufgaben erfüllen zu können, braucht der Mensch einen Raum der Geborgenheit und des Friedens, in den er sich zurückziehen, in dem er sich entspannen und wieder zu sich selber kommen kann, wenn er sich im Kampf mit der Außenwelt aufgerieben hat." So Otto Friedr. Bollnow, Mensch und Raum, Stuttgart 1963, s. 136. 50 op. cit. S. 150 f.
134
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
gen erhöhte, und der Nachfrage entstehen, die sich in Form von Mietsteigerungen und Wohnungsenge nachteilig für die Arbeiterfamilie auswirkte. Diese Situation wurde durch das Fehlen günstiger öffentlicher Verkehrsmittel erschwert, weil die Arbeiter so gezwungen waren, möglichst in der Nähe der Arbeitsstätte zu wohnen. Da der Staat zum Bau von Privatwohnungen gar nicht, die Unternehmen51 nur in Einzelfällen beitrugen und die Zahl der "gemeinnützigen Wohnungen" 52 gering blieb, war die Arbeiterfamilie völlig von privaten Hauseigentümern abhängig. Diese hatten jedoch keinerlei soziale Bedenken, Miete wie auch Wohnungsgröße und -beschaffenheit entsprechend der Marktlage zu gestalten. Das hatte zur Folge, daß Baugrundstücke und Wohnhäuser als reine Spekulationsobjekte betrachtet wurden und unabhängig vom ständig steigenden Bedarf an Wohnungen nur in konjunkturell günstigen Zeiten sich Unternehmer fanden, die neue Wohnungen bauten53 . Der fehlende Rechtsschutz für den Mieter schließlich überließ es ganz dem Hauseigentümer, ob und wann er seinem Mieter die Miete erhöhte bzw. diesem kündigte und ihn auf die Straße setzte. 3. Wohnungsgröße und Wohnungsbeschaffenheit Der überwiegende Teil der Arbeiterwohnungen des vergangenen Jahrhunderts bestand aus ein bis zwei Zimmern. Im Berlin von 1867, das u. a. die krassesten Wohnverhältnisse aller deutschen Städte aufwies, "stieg die Zahl der überfüllten Wohnungen, in denen sechs und mehr Personen in je zwei Zimmern wohnten, auf 15 574 an. In ihnen lebten 111 28054 Menschen. Sie bewohnten 16 489 heizbare Zimmer". "Die 111280 oben erwähnten Menschen bestanden aus 31 980 Verheirateten und ihren Angehörigen, 58 736 Kindern, 1997 Hausangestellten, 2270 Lehrlingen und Jugendlichen, 1006 männlichen und 587 weiblichen Untermietern, 11 329 männlichen und 2084 weiblichen Nachtmietern und 1291 anderen Personen55. " 51 Die fabrikeigenen Wohnungen zeigten im allgemeinen keine der noch zu schildernden Mängel der Arbeiterwohnungen des freien Marktes. Vgl. Wörishoffer, op. cit., S. 117. 52 Die Anteilsquote betrug in Harnburg noch im Jahre 1912 nur 1,3 Prozent (3400 von 258 960 Wohnungen). Vgl. R. E. May, Kosten der Lebenshaltung und Entwicklung der Einkommensverhältnisse in Harnburg seit 1890, Leipzig 1914, s. 478. 53 "Infolgedessen wurden beispielsweise in den Krisenjahren 1846 bis 1849 (in Chemnitz) nur 5 Wohnhäuser errichtet, obwohl gerade damals 517 neue Familien gegründet worden waren, während in einem gleichen Zeitraum, nämlich von 1852 bis 1855 als das Wirtschaftsbarometer rasch anstieg, schlagartig 112 neue Wohngebäude entstanden bei einer Zunahme von 401 Familien." So Rudolph Strauss, op. cit., S. 98. Vgl. auch die Beschreibung verschiedener Wohngebäude bei F. Wörishoffer, op. cit., S. 212 ff. 54 Von einer Gesamteinwohnerzahl von 700 081. 55 So Reports from her Majesty's diplomatic and consular agents abroad ... , Band 1, a.a.O., S. 79. Vom Verfasser ins Deutsche übertragen.
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
135
Nach Angabe von Gustav Schmoller 56 betrug in den achtziger Jahren der Anteil der Wohnungen mit nur einem Zimmer in einzelnen deutschen Städten: Frankfurt/Main 23 Dfo; Harnburg 28 Ofo; Berlin 49 '% ; Dresden 55 Ofo; Breslau 62 Ofo; Chemnitz 70 Ofo. Von München heißt es für 1890: Von 82 818 Wohnungen hatten 485 kein heizbares Zimmer, 27 696 (= 33 1/a Ofo) nur ein heizbares Zimmer, von denen die weitaus größte Zahl (80 Ofo) die Heizung dadurch empfing, "daß dieses eine Zimmer nicht nur Wohnung und Schlafzimmer, sondern auch Küche war" 57 •
Schließlich soll eine Tabelle von May noch den relativen Anteil von Wohnungen mit 0, 1, 2 heizbaren Zimmern in verschiedenen deutschen Städten im Jahre 1905 zeigen 58 : Tabe 11 e 16 Anzahl der heizbaren Zimmer 0 1 2 Summe
Leipzig
Harnburg
Berlin
0,55 20,54 30,90
1,15 49,34 29,89
0,73 26,44 32,22
0,03 24,84 38,46
51,99
80,38
59,39
63,33
München
An diesen wenigen Beispielen für verschiedene Zeitpunkte wird deutlich, daß Wohnungen mit mehr als einem Zimmer oder mit einer Küche selbst bei gut verdienenden Arbeitern ziemlich selten vorkamen 59 • Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Zahl der Zimmer in einer Wohnung nichts über deren Beschaffenheit aussagt, solange nicht auch die Lage (Keller, Hinterhaus etc.) sowie die Zahl darin wohnender Personen mitberücksichtigt werden& 0 • Der beste Eindruck von der Wohnsituation der meisten städtischen Arbeiterfamilien läßt sich an einem der Mietshäuser vermitteln, die Wörishoffer für Mannheim herausgreift61 : 50
Nach einem Vortrag von Schmoller, zitiert bei Emanuel Wurm, op. cit.,
s. 49.
So Wurm, a.a.O., S. 50. Vgl. R. E. May, Kosten der Lebenshaltung ... , a.a.O., S. 304. 59 Vgl. Wörishoffer, op. cit., S. 202. 80 Vgl. genaue Zahlenangaben für Berlin in: Reports from her Majesty's ... , a.a.O., S. 81. 81 Vgl. Wörishoffer, op. cit., S. 213 f. (Gebäude C). Beschreibungen besonders ungünstiger Wohnzustände gibt für Berlin: H. Krüger, op. cit., S. 349 sowie 57 58
136
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
"Von 47 Wohnungen hat nur eine einzige eine Küche, nur 35 haben etwas Keller und irgend ein kleiner Nebenraum ist für keine Wohnung vorhanden. Eine Wohnung hat vier Zimmer, drei Wohnungen haben je drei, dreiundreißig je zwei und zehn je ein Zimmer. Nur wenige Wohnungen haben ein Zimmer von etwa 20 qm Grundfläche, dann ist aber das zweite Zimmer viel kleiner, manchmal 9, 11 und 13 qm, meist aber nur 7 qm groß. In den übrigen Wohnungen ist auch das größere Zimmer nur 11-17 qm groß. Eine von drei Personen benützte Wohnung ist vorhanden, in welcher der eine Raum 7 qm, der andere 51/ 2 qm zur Grundfläche hat, ..., diese sogen. Wohnung kostet aber immer noch 9 Mk. im Monat." Hierzu trat schließlich noch die Dürftigkeit der Wohnungseinrichtung, die ebenso wie beim Heimarbeiter des 19. Jahrhunderts selten aus der Aussteuer der Frau bzw. aus Ersparnissen von Mann und Frau aus der Zeit vor der Ehe stammte. Die einzelnen Möbel- und Hausratsstücke wurden meist erst während der Ehe auf Kredit gekauft und mehr nach der Zweckmäßigkeit als aus ästhetischen Gründen in das Zimmer gestellt.
4. Mietpreise und ihr Anteil am Einkommen Die Mieten schwankten pro Jahr in ihrer absoluten Höhe zwischen 45 Mark62 für ein Zimmer mit kleiner Küche (1870) und 160-200 Mark63 für eine entsprechende Wohnung um 1890. Diese enorme Differenz entstand aus dem unterschiedlichen Wohnfehlbedarf während dieser 20 Jahre. Wichtiger als die absoluten Zahlen war der relative Anteil der Mieten am Einkommen: Die Zahlen beweisen, daß bei den Einkommen bis 1200 Mark pro Jahr im Durchschnitt über 20 v. H . auf die Miete entfielen. Betrachtet man die Entwicklung dieses Anteils im Zeitablauf (am Beispiel Hamburgs), so ist festzustellen, daß sich die Situation der Arbeiterfamilien trotz steigendem Einkommen laufend verschlechterte, da wachsende Einkommensteile durch die Miete gebunden wurden. Das geht z. B. auch aus der Steigerung des Nutzungswertes von Miethäusern in verschiedenen Straßen E. Dronke, op. cit., Bd. 2, S. 43 f. Im Gegensatz hierzu die Anforderungen, die für den Bau von Bergarbeiterwohnungen bereits 1812 in Baden gestellt wurden. Siehe hierzu W. Fischer, op. cit., S. 339. 82 Dieses untere Extrem nennen die "Reports from her Majesty's . .. " (a.a.O., S. 577) für kleine Städte in Sachsen mit weniger als 30 000 Einwohnern als untere Mietgrenze. Verglichen mit anderen Quellen scheint diese Mietangabe jedoch zu niedrig zu sein. 83 Das obere Extrem nennt Wörishoffer (op. cit., S. 203) für Mannheim um 1890.
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
137
Tabelle17 Das Verhältnis der Wohnungsmiete zum Einkommen in deutschen Großstädten64 Die Miete beträgt Prozent vom Einkommen in Einkommensstufen in Mark
bis 600 601-1200 1201-1800 1801-2400
••••
00.
... .... ••
0
••
••
.......
Berlin
I
Harnburg
IBreslaul Leipzig
I Dresden
1876
1868
1874
1882
1880
1875
1880
(6170 Fälle)
(13059 Fälle)
(14691 Fälle)
(17289 Fälle)
(34897 Fälle)
(4021 Fälle)
(30825 Fälle)
I II
22,3
24,2
26,5
28,7
29,9
26,8
18,8
20,9
23,5
21,0
21,2
18,4
19,9
21,1
18,9
20,8
19,7
16,3
I
20,3
20,9
19,5
19,1
20,4
15,9
24,7 21,8 21,6
I
Berlins zwischen 1868 und 1877 hervor65 • Dort entstanden Wertsteigerungen zwischen 36,52 und 106,74 Prozent in diesem zehnjährigen Zeitraum, "ohne daß die Häuser bauliche Veränderungen erlitten". Besonders benachteiligt waren die Familien mit niedrigen Einkommen, da die unteren Mieten relativ schneller stiegen als die höheren, was aus einer Aufstellung von Hampke deutlich hervorgeht00 : Tabe 11 e 18 Preissteigerungen für Wohnungsmieten 1851/60 bis 1881/85 Es haben sich verteuert seit 1851-60 die Wohnungen, die jetzt 1881-85 kosten 150 Mark und darunter 151-300 Mark 301-500 Mark 501-1000 Mark 1001 Mark und darüber
bis 1861-70 um
bis 1871-75 um
34 Ofo 27 Ofo 23 Ofo 16 Ofo 16 Ofo
68 Ofo 72 Ofo 41 Ofo 24 Ofo 22 Ofo
bis 1876-80 um 83 OJo 87 Ofo 58 Ofo 50 Ofo 45 Ofa
bis 1881-85 um 119 °/o 105 °/o 75 °/o 60 °/a 50 Ofo
64 Siehe M. Neefe, Ermittlungen über die Lohnverhältnisse in Breslau, Breslau 1887. Entnommen bei Ignaz Gruber, op. cit., S 94. Vgl. für 1908 die Angaben für 22 Münchener Arbeiterfamilien bei Else Conrad, Lebensführung von 22 Arbeiterfamilien Münchens, München 1909 (Einzelschriften des Statist. Amtes der Stadt München, 8), S. 52. Hier schwankte der relative Anteil am Einkommen zwischen 8.1 und 23.2 v. H.; der Durschnitt betrug 14.5 v. H. 85 Siehe hierzu Heinrich Freese, Wohnungsnot und Absatzkrisis, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3, 6 (1893), S. 641 ff., hier S. 652 f. 68 Hampke, op. cit., S. 127 (Tabelle XXXV).
138
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiter s im 19. Jahrhundert
Anders ausgedrückt mußten die Armen auch absolut einen höheren Mietpreis pro Quadratmeter zahlen67 • "Nach der Kopfzahl der Bewohner gerechnet, wird pro Kopf in einer Wohnung unter 25 qm für 1 qm M. 1,88 bezahlt, in einer Wohnung über 50 qm 74 Pf. 68." 5. Wohnsituation, Haushalt und Arbeiterfamilie
Der Lebensstil der Familie hing zu einem Teil von der Beschaffenheit der Wohnung ab, auf deren Größe und Ausstattung die Familie aus materiellen Gründen wenig Einfluß hatte, zum anderen von der Fähigkeit der Familienmitglie der, häusliche Kultur zu entfalten, worin sich die Einstellung der Familie zur Umwelt abzeichnete. Der Frage der Wohnungsbesch affenheit mißt Wörishoffer69 große Bedeutung zu, wenn er sagt: "Die ganze Art zu leben" war "bei den Arbeiterfamilien, wie überall sonst, durch die Beschaffenheit der Wohnung gegeben". Die in dem vorhergehenden Teil geschilderte Wohnsituation, d. h. die bestehende Wohnungsenge bei hoher Miete, verbunden mit der Gefahr kurzfristiger Kündigung sowie willkürlicher Mietsteigerunge n ließ oft keinen Sinn für Häuslichkeit aufkommen. Wörishoffer 10 versucht anhand mehrerer Beispiele, den Rückgang der Wohnkultur mit abnehmender Wohnungsgröße zu erläutern. An dieser Stelle sei nur sein Beispiel "Zweizimmerw ohnung ohne Küche" herausgegriffen : Es "wird in dem einen Zimmer nicht nur gekocht, es dient auch als Aufbewahrungsraum für die kleinen Vorräthe, als Lagerraum für im Augenblick nicht zu entfernende Abgänge, als Waschküche und unter Umständen auch als Trockenraum ... Daß in einer solchen Wohnung auch das bescheidenste Maaß von häuslichem Behagen nicht möglich ist, bedarf keines weiteren Beweises. Man muß dabei häufig anerkennen, daß unter solchen Umständen überhaupt noch das vorhandene Maaß von Ordnung eingehalten werden kann, und daß die Frau den Haushalt unter so schwierigen Verhältnissen mit einer Tabelle 19
67
Wohnungsraum unter 25 qm von 25-36qm von 36-50qm über 50 qm
Durchschnittlich er Mietpreis per qm M. M. M. M.
7,70 5,79 4,72
4,36
Zahl der einen Abort benutzenden Personen 27
20 16 13
Entnommen: E. Wurm, op. cit., S. 57 (unter Verwendung der Ergebnisse von Heß, Statistik der Arbeiterwohnung en). Die Angaben gelten für Nürnberg. 68 So Wurm, ebenda. 69 op. cit., S. 203. 10 op. cit., S. 203-208.
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
139
gewissen harmlosen Lebensfreude führt. Es ist aber natürlich, daß bei der durch die Verhältnisse gebotenen Lebensweise eine Erhöhung der ganzen Kulturstufe nicht stattfinden kann 71 ". Zu den Faktoren, die für die Enge der meisten städtischen Arbeiterwohnungen verantwortlich waren, wie die hohen Mietausgaben und das mangelnde Wohnungsangebot, trat in vielen Fällen noch die Notwendigkeit, zur Beschaffung von Nebeneinnahmen, an ledige Arbeiter oder Arbeiterinnen {"Schlafburschen" bzw. "-mädchen") wenn schon keinen Raum so doch ein Bett zu vermieten. In Chemnitz gab es 1852 (bei rund 30 000 Einwohnern) etwa 1000 Schlafstellen72 • Eine Entwicklung des Schlafstellenwesens zeichnet Wurm 73 für die Jahre 1880/1885 und 1890 in Berlin auf. Dort gab es zu diesem Zeitpunkte 59 087, 84 687 bzw. 95 365 "Schlafgänger", meist in den Arbeitergegenden. Für die Schlafgänger hatte diese Art des Wohnens zur Folge, daß sie sich tagsüber- auch Sonntags- nicht in ihrem Zimmer aufhalten durften, da es von den Vermietern benötigt wurde. Dem Untermieter war es also nicht möglich, seine Freizeit in dem gemieteten Raum zu verbringen. Dieses beengte Wohnen blieb auf die Dauer nicht ohne moralische Schäden, denn oft mußten mehrere Menschen in einem Bett schlafen74 • In einem Polizeibericht für Worms aus dem Jahre 1891 heißt es 75 : "Wohnungen, die auf den Wohnraum fünf Personen über sechs Jahre, also mit den kleinen Kindern mindestens acht Seelen beherbergten, zerstören durch die mit dieser Menschenanhäufung unvermeidlich verbundene Unreinlichkeit und schlechte Luft nicht allein die Gesundheit, sondern auch alle Scham und Sitte, ganz abgesehen davon, daß ein Familienleben in solchen Wohnungen undenkbar ist." Zur Frage der häuslichen Kultur äußert sich Rosa Kempf1 6 sehr optimistisch, wenn sie sagt: Die Arbeiter "treten schon infolge des engen Zusammenlebens in der Jugend mit mehr Kenntnissen und mehr Verständnis für die häuslichen Dinge in die Ehe als in anderen Schichten. So schaffen dann Mann und Frau, wenn auch dem Grade nach ungleich sich beteiligend, in gemeinschaftlichem Zusammenwirken eine schöne oder eine verwahrloste Häuslichkeit, und jedes hat die Kraft und die Fähigkeit, hier erziehend und veredelnd auf das andere einzuwirken". Das setzte voraus, daß die (berufstätige) Arbeiterfrau wie auch der Mann die Kraft aufbrachten, die Freizeit77 zu gestalten. Oft war diese 71
72 73 74
75 78
77
So Wörishoffer, a.a.O., S. 204 f. Vgl. R. Strauss, Die Lage ... , a.a.O., S. 104. op. cit., S. 51. Vgl. R. Strauss, a.a.O., S. 101 ff. Zitiert bei Wurm, op. cit., S. 50. op. cit., S. 116. Als Residuum zum Arbeitstag und der Nachtruhe.
140
2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
jedoch ausgefüllt mit der notwendigsten Hausarbeit, der sich vorwiegend die Frau widmete, die, wenn sie sie neben ihrer Erwerbsarbeit verrichten mußte, kaum Freizeit kannte. Der Arbeiter wurde durch sein Bedürfnis, menschlichen Kontakt im Gespräch zu suchen78 , in die Außenwelt gedrängt. Hinzu traten die Enge und die unhaltbaren Zustände seines Zuhauses, das keine Entspannung und Erholung mehr gestattete. "Was hatte früher der kleine Mann viel draußen zu suchen; fremd, feindlich, teuer war dort alles. Jetzt wurde das Leben aushäusig. Eine neue Art des Hungerns und Frierens kam über die Hinterhöfe der Arbeiterquartiere, ein graues Elend, das man früher auf dem Lande nicht kannte79." 6. Die Wohnverhältnisse der Beispielfamilien
Die Arbeiterfamilie aus Leipzig (Mehner) gab im Berichtsjahr 191,36 Mark(= 17,92 v. H. der Gesamtausgaben) für die Wohnung aus80• Davon entfielen etwa 72 Mark auf die Miete und rund 120 Mark auf Heizung und Beleuchtung. Für diese Miete bewohnte die Familie eine Wohnung im Erdgeschoß eines Hinterhauses, bestehend aus: Wohnstube {3,40 X 2,90 m), einer Kammer, welche als Schlafzimmer diente (2,90 X 2,20 m), einem Vorraum (1,55 X 1,35 m), einem "Stall", "das ist ein Vorrathsraum für Holz, Kohlen und Gefäße und" der "Berechtigung zum Gebrauch eines Verschlages im Keller" 81 • Die eigentliche Wohnung (Stube, Kammer und Vorraum) umfaßte demnach nur 18,33 m 2 • "Die Leute klagen trotz der ziemlich hohen und freien Lage des Hauses sehr über Nässe. Die Rückwand des Schlafzimmers ist bis hinauf verschimmelt82 ." Die hohen Heizungsausgaben waren wahrscheinlich die Folge dieser Nässe. Die Wohnung ist kärgLich möbliert. Die fünf Personen schliefen in zwei Betten. Die Arbeiterfamilie aus Frankfurt (Opificius) verbrauchte im Berichtsjahr für die Wohnung rund 243,0 Mark(= 21,16 v. H.) 83• Bei ihr betrugen die Miete 166,50 Mark, Heizung, Beleuchtung und Mobiliar weitere 76,50 Mark. Diese Familie wechselte während der Berichtszeit die Wohnung. Es soll hier nur die zuletzt bewohnte betrachtet werden. Sie "war ebenerdig in einem zweistöckigen Hause ... , ... bestand aus 2 Zimmern, Küche und verschließbarem Kellerteil" und lag "fast mitten in Gärten 78 Das war häufig am Arbeitsplatz nicht möglich. Vgl. das Zitat von Adelheid Papp, in Anmerkung 87 aufS. 141 der Arbeit. 79 So H. Mitgau, op. cit., S. 22 f. 8° Vgl. Anlage 2, I im Anhang vorliegender Arbeit sowie Mehner, op. cit., s. 312 ff. 81 So derselbe, a.a.O., S. 312. 82 So derselbe, ebenda. 83 Vgl. Anlage 2, II im Anhang vorliegender Arbeit sowie Opificius, op. cit.,
s. 58.
III. Einkommensverwendu ng und Konsumstil
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und Baumstücken" 84 • Zur Wohnung gehörte ein 9,8 m 2 umfassendes Gartenstück. Das Schlafzimmer hatte einen Flächeninhalt von 8,4 m 2 und die Küche von 5m 2 • Für das Wohnzimmer fehlen Zahlenangaben. Wenn diese Wohnung insgesamt auch wahrscheinlich größer war als die zuvor genannte, so ist zu beachten, daß hierin acht Menschen lebten. Diese Wohnung hatte ebenfalls den Nachteil, "daß sie sehr feucht war, so daß sich selbst im Sommer die Kleidung im Schranke mit Pilzen überzog" 85 • Die Möbel genügten gerade bescheidenen Ansprüchen. Beachtenswert ist hier, daß im Berichtsjahr für das Mobiliar noch rund 23 Mark ausgegeben wurden. D. Erholung und Freizeit
Der Heimarbeiter gestaltete seine Freizeit innerhalb der ihm vertrauten sozialen Umwelt mit den vier Möglichkeiten: Natur, Kirche, Wirtshaus und dem Kontakt mit Freunden und Verwandten, wobei die Frauen die Kirche, die Jugend die Natur, die Männer das Wirtshaus bevorzugten. Der städtische Fabrikarbeiter behielt diese Gepflogenheiten bei, doch zerriß bei den Zuwanderern in den Städten das vormals enge Band zu den zurückbleibenden Verwandten oder Freunden. Wie schon bei vielen Heimarbeitern des 19. Jahrhunderts zwangen relativ niedrige Reallöhne auch den Fabrikarbeiter bis etwa 1860, die Arbeitszeit auf Kosten der Freizeit auszudehnen. Doch während die Familie dort den Wechsel von Arbeit und Freizeit mit dem Mann teilte und ihn bei seiner Arbeit aktiv unterstützte, ging die Frau hier in vielen Fällen ebenfalls einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit nach und war häufig zeitlich stärker belastet als der Mann. Der Arbeiter lebte in einem Haushalt, der im "Wesentlichen nur noch eine Konsumwirtschaft und Schlafgemeinschaft" darstellte, "wobei der ... Schlaf auch noch haushaltsfremde Menschen einbezieht" 86 • Hinzu trat in den meisten Fällen eine enge, ungemütliche Wohnung, Spiegel der scheinbar aussichtslosen Situation, die aus einer unsicheren Erwerbsarbeit und deren geringer materieller Ausbeute herrührte. So boten weder Haushalt noch Familie dem Mann, der tagsüber einer eintönigen, mechanischen Arbeit ausgeliefert, in manchen Betrieben infolge eines Sprechverbotes87 gar zum Schweigen verurteilt war, den notwendigen Ausgleich zu seiner Berufsarbeit, in der er keinen LebensSo derselbe, ebenda. So derselbe, ebenda. Margarete Freudenthat, op. cit., Seite 82. 87 "Die Aufsichtspersonen wachen in den Fabriken darüber, daß genug gearbeitet wird. Das Sprechen ist sehr oft mit Geldstrafe bedroht. Da haschte man nach Augenblicken, in welchen man einige Worte flüstern kann." (aus Wien um 1890). So Adelheid Popp, Erinnerungen, Stuttgart 1915, S. 29. 84
85 88
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2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
inhalt sehen konnte. Sie "wird nur ertragen als ein zwar kümmerliches, aber bitter notwendiges ExistenzmitteL Schwer empfunden wird darum die ungeheuer lange Arbeitszeit; müde und verbraucht geht man in den Feierabend" 88• Außer denjenigen, die in Gewerkschaften89 oder Parteien mitarbeiteten, war die Mehrzahl der Arbeiter nicht fähig, am Feierabend genügend Initiative zu entwickeln, sich fortzubilden oder auch nur zu versuchen, sich mit einem Buch oder der Zeitung zu entspannen. Viele Arbeiter strebten ins Wirtshaus, weil sie hier die vermißte Geselligkeit fanden und im Alkohol kurzfristig ihr Elend vergaßen. Holek90 nennt uns ein Beispiel für das Leben im Wirtshaus, das sich stark von der häufig gedrückten Stimmung in den Arbeiterwohnungen abhob: In der Kantine "war ein lustiges Leben! Gesang, Musik, Tabaksqualm und Getränke gab es hier. Der Raum war mit Menschen gefüllt". "Alle saßen an Tischen, Schnaps- oder Biergläser vor sich, oder standen in ... Gruppen umher, erzählten, lärmten und tranken einander zu." Kuhna 91 gibt den durchschnittlichen Bierkonsum für den erwachsenen Arbeiter mit 4,9, den Branntweinkonsum mit 0,64 Litern monatlich an. In Berlin sind die entsprechenden Zahlen 10,6 bzw. 0,84 Liter. An Arbeitstagen kehrten nach seinen Angaben nur etwa 3 °/a der Beuthener Arbeiter in Wirtshäusern ein, an Lohntagen waren es allerdings schon 30 °/IF-.
Immerhn war in manchen Arbeiterfamilien ein Sonntagsspaziergang in die Natur oder der Kirchgang, hier besonders bei Frauen, üblich, vielleicht sogar mit Bekannten93• Überhaupt war gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu spüren, daß mehr Arbeiter in den Städten "seßhaft" wurden und neue Bindungen unter dem Einfluß des inzwischen entstandenen und von Parteien wie Gewerkschaften geförderten Klassenbewußtseins knüpften. Erholung und Freizeitgestaltung verliefen bei den beiden Beispielfamilien nach Mehner und Opificius sehr unterschiedlich: Der Arbeiterfamilie aus Leipzig94 blieben wegen ihrer Armut nur der Besuch der Kirche und - selten - die Gaststätte. So Feige, op. cit., S. 90. Derselbe, op. cit., S. 93. Die Mitgliederzahl der Gewerkschaften betrug 1891 277 659 Menschen, die in 62 Verbänden zusammengeschlossen waren. Darunter war keine Arbeiterin. 1900 stieg die Zahl der männlichen Mitglieder auf 657 583, die der weiblichen betrug 22 844 (Summe: 680 427). 1910 schließlich gab es 2 017 298 Mitglieder (davon 1 855 786 männliche und 161 512 weibliche). So Erwin Rawicz, Die deutsche Sozialpolitik im Spiegel der Statistik, M.-Gladbach 1929, S. 65. 90 So Wenzel Holek, Lebensgang eines deutsch-tschechischen Handarbeiters, Jena 1909, S. 95. Das Beispiel stammt aus Böhmen gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 91 op. cit., S. 123 (Texttafel Nr. 34). 92 Kuhna, op. cit., S. 125. 93 Vgl. die "Sonntagsausgaben" bei Wörishoffer, op. cit., S. 289 f. 94 Mehner, op. cit. 88
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III. Einkommensverwendung und Konsumstil
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"Die Arbeitsleute kommen ... selten in die Kirche, ... " "Die Frau bedauert, daß sie nicht im Stande ist, so oft, als sie möchte, die Kirche zu besuchen. Sie behandelt das ganz als geistigen Genuß : ,ich kann sagen, Kirche ist mein einziges Vergnügen'95." "Als besonderen Sonntagsgenuß gönnt sich die Familie noch 2 Glas Bier (. .. ) zum Theil aus Rücksicht auf die Haus- und Schänkwirthin" 98. "Eine Zeitung liest der Mann nur, wenn er einmal in eine Restauration geht;" dies war jedoch selten der Fall97 . Ausgaben für Bildung und Erholung entstanden bei dem obigen Haushalt nur für Bier außerhalb des Arbeitsplatzes, für Tabak und für die Anschaffung von Schulbüchern für die Kinder, die insgesamt 64,56 Mark oder 5,91 v. H. der Jahresausgaben98 ausmachten. Die Aufwendungen des Arbeiterhaushaltes aus Frankfurt für Bildung und Erholung waren höher und weit differenzierter. Sie entfielen im einzelnen auf99 : Vergnügen Schule Vereine Zeitungen Wirtshauszehrung und Tabak
5,25 Mark 20,99 Mark 13,80 Mark 7,30 Mark 45,26 Mark 92,60 Mark oder 8,07 v. H. der Jahresausgaben.
An Vergnügen wird einmal im Jahr der Besuch des Zoologischen Gartens mit den Kindern erwähntt 0 ~. " • •• •zweimal macht der Mann mit dem Gesangverein, welchem er angehört, Ausflüge zu einem Sängerfest in der nächsten Umgebung ... " "Der Posten ,Wirtshauszehrung und Tabak' setzt sich in der Hauptsache zusammen aus dem Genuß von 1-2 Glas Bier während der regelmäßigen Vereinsstunden, und aus dem Genuß von einigen Glas Bier am Samstag Abend bei Erledigung der Einkäufe. Ab und zu verzehren auch Mann und Frau bei dieser Gelegenheit einen Handkäse mit Brod oder ein Stückehen Wurst." "Die Lektüre bestand nur aus dem ,Generalanzeiger' und einem Kalender für 10 Pfg." Zwei der fünf bzw. sechs Kinder gehen zur Schule, für eines müssen 14 Mark Schulgeld im Jahr gezahlt werden, für beide die Schulbücher. E. Arbeiterschutzgesetze, soziale Sicherung und Zukunftsvorsorge
1. Der Arbeiterschutz In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Bestreben der Sozialpolitiker darauf gerichtet, das Los der Arbeiter und ihrer Familien 95 So derselbe, op. cit., S. 327 f. 98 So derselbe, op. cit., S. 308. 97 So derselbe, op. cit., S. 327. 98 Bier: 27,04; Tabak: 34,32; Schulbücher 3,20 Mark. Vgl. Anlage 2, I. 99 Opificius, op. cit., S. 51 ff. Vgl. auch Anlage 2, II im Anhang vorliegender Arbeit. 100 Vgl. Opificius, op. cit., S. 62; Zitate ebenda.
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durch Staatseingriffe zu verbessern. Der Kinderschutz mit Gesetzen von 1839 und 1853 ff., Frauenschutzbestimmungen, die eingeschränkte Sonntagsarbeit durch Gesetz von 1891 u. a. m. wurden im Interesse der Arbeiter durchgesetzt. "Wie so häufig, so hatte auch diese Verbesserung ihre Problematik, indem Frauen und Kinder in verstärkte wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ehemann und Vater gerieten, indem sich jetzt das Ausmaß verringerte, in dem sie zum Familieneinkommen beitrugen, da jetzt ihre Fähigkeit zu verdienen großenteils schwand 10 1. "
2. Soziale Sicherung -Eigeninitiative und staatlicher Zwang Die materielle Unsicherheit, der die Familie des Fabrikarbeiters ähnlich der des Heimarbeiters im 19. Jahrhundert ausgesetzt war, läßt die Frage nach sozialer Sicherung und Zukunftsvorsorge entstehen. Die Einkommen der Mehrzahl ungelernter und vieler gelernter Arbeiter erlaubten nur eine Lebenshaltung im Bereich des Existenzminimums. Häu:fig mußten Frau und Kinder noch zu diesem Minimallohn mit ihren Einkünften beitragen. Theoretisch hatten die Fabrikarbeiter wie schon die Heimarbeiter drei Möglichkeiten, sich gegen materielle Not in wirtschaftlichen oder persönlichen Krisenzeiten abzusichern: Sie konnten Ersparnisse bilden, Eigentum schaffen und wahren und sich versichern. Der letzte Weg wurde obligatorisch, sobald staatliche Gesetze dieses forderten. Es ist zweckmäßig, der obigen Unterteilung zu folgen. a) Ersparnisse Der Komplex des Sparens zerfällt in die zwei Fragen: In welcher Phase seines Lebens vermochte der Arbeiter zu sparen, und wenn erbereit war, Ersparnisse zu bilden, wo und in welcher Form konnte er es tun? An anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einer Zeit, in der der Lohn noch nicht nach der Familiengröße gestaffelt war, der jugendliche Fabrikarbeiter häufig sein Maximaleinkommen bereits im Alter von zwanzig Jahren erreichte. Während jedoch der Lohn der jungen Arbeiterin bis 1900 gerade zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts ausreichte, war es den Arbeitern möglich, in verehelicher Zeit bis zu 50 v. H. ihres Einkommens zu sparen102 • Mit seinen Spargeldern war er dann in der Lage, sich nach 101 So R. Ftetcher, op. cit., S. 107, vom Verfasser aus dem Englischen übertragen. 102 Vgl. Wörishoffer, op. cit., S. 187 sowie 225 ff. Vgl. weiter S. 119 der vorliegenden Arbeit.
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
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seiner Heirat ohne Verschuldung einzurichten bzw. noch über Rücklagen für die Zukunft zu verfügen. In den meisten Fällen jedoch unterblieb dieses Sparen. Das Einkommen wurde für einen aufwendigen Konsumstil verwandt, der sich in der Ehe aus zwei Gründen nicht aufrechterhalten ließ: Einmal wegen der notwendigen Verschuldung bei der Haushaltsgründung und zum zweiten wegen wachsender Personenzahl der Familie, sobald Kinder kamen und die Frau u. U. nicht mehr mitverdiente. Sparen war in der Familie mit Kindern kaum mehr möglich, selbst wenn die Haushaltsgründung ohne Schulden erfolgt war. Im letzten Jahrhundert war die Sparkasse die einzige Institution, der die Arbeiter ihr Geld anvertrauten, weil die jeweilige Kommune die Einlagen sicherte und das Gemeinnützigkeitsprinzip der Sparkassensatzungen auch für ihn galt. Das Sparkassennetz wurde zwischen 1850 und 1905 in den deutschen Staaten immer dichter. In Preußen gab es 1849 211 Sparkassen. 1859 waren es bereits 462. 1905 war ihre Zahl schließlich auf 1583, die der Zweigstellen auf 3381 (insgesamt 4964 Sparkassenstellen) angewachsen 103• Den Sparwilligen standen gegen Ende des 19. Jahrhunderts an Sparmöglichkeiten zur Wahl: Schul- und Jugendsparkassen; Fabriksparkassen; Pfennigsparkassen und Sparmarkensystem; Heimsparkassen, Sparvereine und Sparautomaten sowie Prämien- und Alterssparkassen104• Die durchschnittliche Ersparnisbildung läßt sich aus der Zahl der Sparbücher und aus den Einlagen pro Kopf der Bevölkerung in einzelnen deutschen Ländern zwischen 1850 und 1910 entnehmen105 • In den beiden Ländern mit extremen Werten (nach der Zahl der Sparbücher) verlief die Entwicklung folgendermaßen: Je 100 Einwohner gab es 1850 in Sachsen fünf Sparbücher. Die durchschnittliche Einlage pro Kopf der Bevölkerung betrug sieben Mark. Bis 1910 war die Zahl der Sparbücher auf 66 (je 100 Einwohner) angestiegen, die durchschnittliche pro Kopf-Einlage auf 359 Mark. Für Bayern lauteten die entsprechenden Zahlen: Kein Sparkassenbuch im Jahre 1850, sechs Sparbücher je 100 Einwohner und 10 Mark Einlage pro Kopf der Bevölkerung 1870. 1910 waren es erst 15 Sparbücher (je 100 Einwohner) und 88 Mark Einlage pro Kopf.
An dieser Entwicklung der Ersparnisse war der Arbeiter zumindest in Sachsen nicht unwesentlich beteiligt. Er dachte jedoch erst dann an ein Sparen, wenn ihm sein Einkommen Dispositionsfreiheit in der Budgetgestaltung gestattete, so daß die Wahl zwischen Sparen und Konsumieren zu einer möglichen Entscheidung wurde. 1os Die Zahlen sind entnommen: Adolf Trende, Geschichte der deutschen Sparkassen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1957, S. 365 f. 1o4 Vgl. derselbe, a.a.O., S. 372 ff. 1os Siehe die Tabelle bei demselben, op. cit., S. 473, die folgenden Zahlen ebenda.
10 Schneider
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2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert
b) Besitz Zwischen 1850 und 1890, in der Zeit besonders unsicherer und schwankender Einkommen, war es dem verheirateten ungelernten Arbeiter selten möglich, einen über das Lebensnotwendige noch hinausgehenden Besitz zu erwerben. Die dauerhaften Konsumgüter wie Kleidung, Möbel und Hausrat waren im allgemeinen in so schlechter Verfassung und so spärlich; daß in Krisenzeiten kaum etwas entbehrt werden konnte, vorausgesetzt, daß sich noch ein Käufer fand. Dennoch wurden auch diese Güter im Notfall ins Leihhaus gebracht. So heißt es bei Mehner von der Leipziger Arbeiterfamilie (und diese gehört zu den aus Not schlecht eingerichteten)106: "Die Leute schlafen in Federbetten, das Federbett für den Mann ist jetzt aber auf dem Leihhause (wegen eines Darlehns von 9 Mark)." Für den Fall des Besitzerwerbs waren der ledige Arbeiter allgemein sowie der verheiratete gelernte Arbeiter im Vorteil gegenüber dem ungelernten Arbeiter, der sich nicht so gut abzusichern vermochte. Ursache für die Zunahme der besitzlosen Schicht- um etwa 1800 besaßen noch rund 60 v. H. der Deutschen ein eigenes Grundstück, 1910 dagegen waren es nur noch 9 v. H. 107 - war also offenbar die wachsende Zahl der Industriearbeiter. Eine Ausnahme von der Besitzlosigkeit und der Abhängigkeit vom Lohneinkommen bildeten die Bergarbeiter, die damit eine Sonderstellung einnahmen. Gruber 108 nennt die Gründe hierfür: (1) Die Voraussetzung der großen Verläßlichkeit des Arbeiters aus Be-
triebsgründen (keineswegs eine Selbstverständlichkeit bei den ungelernten Arbeitern in anderen Industriezweigen), (2) die hohe Belastung der Kräfte und (3) die bessere fachliche AusbildungtoD, 110.
Für die Mehrzahl der Arbeiter galt bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, "indem sie außer dem geringen Grad angelernter Fähigkeiten und körperlicher Kraft wenig besitzt, hat die Arbeiterklasse bei So Mehner, op. cit., S . 336. Vgl. H. Mitgau, op. cit., S. 21 f. 108 Ignaz Gruber, Die Haushaltung der arbeitenden Klassen, Jena 1887, S. 41 f. (Staatswiss. Studien, 1. Bd., 4. Heft). 109 die, wo sie benötigt wurde, dem Arbeiter immer bessere Arbeits- und Lohnbedingungen einbrachte, nicht nur beim Bergbau. 110 Die Vergünstigungen waren: das Sorgen der Betriebsführung für Wohnung und ein Stück Land oder Garten als Ausgleich für die Arbeit unter Tage, bei großer Entfernung vom nächsten Ort Beschaffung von Nahrungsmitteln, Beleuchtungs- und Heizungsmaterial und schließlich die Sicherheit organisierter Versicherungen für Krankheit und Tod. Vgl. als Beispiel die Bergarbeiterfamilie aus dem Harz bei Le Play, op. cit., Bd. 3, S. 99 ff., vgl. auch W. Fischer, op. cit., S. 339. 1o6 101
III. Einkommensverwendu ng und Konsumstil
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jedem Versagen der gewöhnlichen Nachfrage nach ihrer Arbeit, ihrem einzigen Besitz, keine Rücklage, um darauf zurückgreifen und keine anderen Mittel, um auch nur eine zeitweilige Unterstützung zu erhalten" 11 1. c) Versicherungen
Für die Frage, inwieweit es dem Arbeiter möglich war, durch Abwälzung des Risikos auf private und öffentliche Institutionen materielle Notlagen zu beseitigen, die aus Krankheit, Alter oder Tod des Ernährers entstanden, muß der Zeitraum von 1850 bis 1910 in die Spannen 1850 bis 1883/89 und 1883/89 bis 1910 aufgeteilt werden. Vor 1883/89 beruhte jede Versicherung des Arbeiters gegen die genannten Notfälle entweder auf Eigeninitiative, wofür er die volle Prämienzahlung an eine private Versicherungsgesells chaft zu leisten hatte 112 , oder auf der sozialen Einstellung des Arbeitgebers seinen Arbeitnehmern gegenüber, indem ersterer sie versicherte. Der Unternehmer trug entweder die Versicherungsprämie n ganz oder überließ einen Teil dem Arbeiter113. Neben den wenigen Arbeitgebern, die für ihre Arbeiter in dieser Weise sozial vorsorgten, gab es an manchen Orten kommunale und kirchliche Organisationen, die im Notfall einsprangen114 • Le Play 115 führt das Beispiel der ,Patronage' an, das in allen Bergwerken des Harzes gebräuchlich war. Neben verschiedenen Naturalsubventionen bestanden Kranken-, Witwen- und Waisenkassen, die mehr aus Subventionen der jeweiligen Gesellschaft als aus Beiträgen der Arbeiter gespeist wurden. Ein anderes Beispiel vom selben Autor116 nennt einen Wiener Tischlergesellen aus der Zeit vor 1848, bei dessen Krankheit der Arbeitgeber die anfallenden Kosten übernahm. Im Krankheitsfall von Frau und Kindern sorgte die Gemeinde (aus einem Unterstützungsfonds des Kaisers und einer Wohlfahrtsgesellschaft) für kostenlose ärztliche Behandlung, der ,Patron' gab finanzielle Zuwendungen für eine bessere Ernährung der kranken Kinder. Eine andere wohltätige Vereinigung unter Führung des Gemeindepastors schließlich zahlte die vom Arzt verschriebenen Medikamente. 111 So G. P. Scrope, Principles of Political Economy, London 1833, S. 299 f., zitiert nach Smelser, op. cit., S. 348 f. Vom Verfasser aus dem Englischen übertragen. 112 Vgl. zur Prämienhöhe S. 86 der vorliegenden Arbeit. 113 Vgl. für Baden vor 1849 W. Fischer, op. cit., S. 359 ff. 114 "In 1874 Prussia had 5000 friendly societies with 800 000 members." So Henderson, op. cit., S. 54. Siehe weiter Friedrich Syrup, Hundert Jahre Sozialpolitik 1839-1939, bearbeitet von Otto Neuloh, Stuttgart 1957, S. 123: "Neben den alten Knappschaftskassen und den Einrichtungen, die aus handwerklichen Innungskrankenkassen hervorgegangen waren, bestanden in großer Zahl Fabrikkassen und Sterbekassen. Es gab damals" (vor 1880) "in Deutschland etwa 6000 Hilfskassen dieser Art. Auf dem Gebiete der Krankenversicherung hatte sich jedoch die Freiwilligkeit als unzulänglich erwiesen." 11s op. cit., Bd. 3, S. 106 f. m op. cit., Bd. 5, S. 7 f.
1o•
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2. Teil: Der Haushalt des Industriearbeiter s im 19. Jahrhundert
Von solchen Maßnahmen profitierten jedoch nur wenige Arbeiterfamilien. Bei der Mehrheit waren Krankheit, Invalidität oder Tod des Familienvaters gleichbedeutend mit Hungersnot und schlimmster Armut, weil Ersparnisse, Besitz und Versicherungen gleichzeitig fehlten. Diese Situation änderte sich in den achtziger Jahren grundlegend. Das Krankenversich erungsgesetz (1883), das Unfallversicher ungsgesetz (1884) sowie das Invaliditäts- und Altersversicheru ngsgesetz von 1889 schufen die Voraussetzunge n für eine weitgehende Sicherung des Arbeiters und seiner Familien vor sozialer Not117. (1) Die gesetzliche Krankenversich erung umfaßte 1889 über 6 Millionen118, 1911 bereits über 15 Millionen Personen119. Die Beiträge wurden zu zwei Dritteln dem Arbeitnehmer (je nach Kassenart 11/2 bis 6 Prozent vom Lohn) und zu einem Drittel dem Arbeitgeber angelastetl20. (2) Die gesetzliche Unfallversicher ung umfaßte 1889 über 13 Millionen121, 1911 rund 25 Millionen Personen. Die Beiträge wurden ganz vom Unternehmer getragen122, (3) Die gesetzliche Invaliditäts- und Alterversicheru ng hatte im Jahre 1911 einen Bestand von über 16 Millionen versicherten Mitgliedern. Von den Beiträgen trug eine feste Summe der Staat, den Rest Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen. Die Altersgrenze für den Rentenanspruch des Arbeitnehmers war 70 Jahre123.
Die materielle Sicherung der Arbeiterfamilie durch Gesetz, deren Beiträge z. T. vom Arbeiter zwangsweise getragen wurden, war ein bedeutender sozialer Fortschritt. "Wenn ein Arbeiter einen Unfall hatte oder krank wurde, fiel seine Familie nicht länger in Armut. Die Gesundheit der Arbeiter verbesserte sich124 ". Aus diesem Gefühl der Sicherheit heraus begannen mehr Arbeiterfamilien als bisher, ihr Los selbst zu gestalten und ein langfristiges Denken zu entwickeln, während andere weiterhin ebenso gegenwartsbezo gen 117 Hier darf jedoch nicht übersehen werden, daß diese Versicherungsgesetze die Arbeitslosigkeit unberücksichtigt ließen. Trat dieser Fall ein, so war der Arbeiter wieder ausschließlich auf eigene Ersparnisse, seinen Besitz oder Wohltätigkeitsorganisationen angewiesen. Ein Rechtsanspruch auf Hilfe bestand erst seit 1918 in Ansätzen und auf Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlu ng gar erst seit 1927. Vgl. Syrup- Neuloh, a.a.O., S. 327, 333. 11 8 Vgl. Stat. Jahrbuch f. d. Dt. Reich, 12 (1891), S. 186 f. 110 Vgl. Syrup- Neuloh, a.a.O., S. 127. 120 Vgl. dieselben, op. cit., S. 128. Zu den gesetzlichen Mindestleistungen der Kassen, vgl. dieselben, ebenda. 121 Vgl. Stat. Jahrbuch f. d. Dt. Reich, 12 (1891), S. 190. m Vgl. Syrup- Neuloh, op. cit., S. 129. 12s Vgl. dieselben, a.a.O., S. 130 f. 124 So Henderson, op. cit., S. 57, vom Verfasser aus dem Englischen übertragen.
III. Einkommensverwendung und Konsumstil
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und kurzfristig weiterlebten wie bisher, sich nun außer auf ein unterstelltes, regelmäßiges Einkommen, auch noch auf die staatlich garantierte Hilfe stützend.
3. Die Verhältnisse bei den Beispielfamilien Die Arbeiterfamilie aus Leipzig 125 hatte im Berichtsjahr Schulden von 45,20 Mark 126 . Hinzu kam, daß ein Bett wegen eines Darlehns im Pfandhaus war. "Bei den Arbeitern sind die Kosten einer Krankheit gegen den gewöhnlichen Lebensunterhalt ganz unverhältnismäßig hoch und außerdem häufig mit einem Lohnausfall verknüpft." In der genannten Familie "sind einige Zeit nach Beendigung" der Untersuchung "Kinderkrankheiten vorgekommen; dieselbe gerieth infolgedessen sofort in tiefe Verschuldung" 127. Die Arbeiterfamilie aus Frankfurtl 28 hatte im Jahr der Untersuchung einen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben von 24,79 Mark 129 . Dem standen allerdings Schulden in Höhe von 15,00 Mark 130 gegenüber. "Ausgaben für Versicherung wurden keine gemacht. Der Mann ist Mitglied der hiesigen Ortskrankenkasse und erhält seitens des Geschäftes den vollen Betrag bezahlt, was für ihn eine Ersparnis von etwa Mk. 20 für das Untersuchungsjahr bedeutet 131 ". Darüberhinaus bestand in der Firma ein Pensionsfonds, der von dieser allein unterhalten wurde, ohne daß die Arbeiter Beiträge zu leisten hatten. "Der Fonds hat den Zweck: 1. bei eintretender Dienstuntauglichkeit der Angestellten, 2. im Todesfall den Witwen und ehelichen Kindern der Angestellten eine Pension nach Maßgabe der Bestimmungen des Reglements zu gewähren"132, deren Höhe sich nach der Dauer der Zugehörigkeit zum Betrieb richtete. Diese Versicherung gegen Krankheit und Tod wie auch die Sicherheit der Erhaltung des Arbeitsplatzes waren für diese Familie ein großer Vorteil. So ist sie ein Beispiel für die Besserung der materiellen Situation des Arbeiters gegen Ende des Jahrhunderts. Möbel, Kleidung, Haushaltsführung, geistige Interessen u. a. m. zeigten die gewandelte soziale Situation von immer mehr Arbeitern.
Mehner, op. cit. Vgl. derselbe, op. cit., 12 7 So derselbe, ebenda. us Opificius, op. cit. tu Vgl. derselbe, op. cit., t3o Vgl. derselbe, op. cit., 131 So derselbe, ebenda. tat So derselbe, ebenda, falls Arbeiter gemeint. m m
S. 330. S. 70. S. 63. Anmerkung 3. Mit Angestellten sind hier gleich-
Schlußbemerkungen Die Analyse des Arbeiterhaushaltes über den zweihundertjährigen Zeitraum von 1700 bis 1913 zeigte die Wandlungen, die die Hauswirtschaft dieser Schicht unter dem Einfluß des Industrialismus durchlebte. Am Heim- und Fabrikarbeiter als den wichtigsten Gliedern des Arbeiterstandes wurde der Übergang vom konservativen, noch stärker naturalwirtschaftlich bestimmten Haushalt des Landes zum dynamischen, voll marktabhängigen Haushalt der Stadt demonstriert. Die Verlagsindustrie dehnte sich im 18. Jahrhundert vorwiegend auf dem Land aus und bot selbst in vormals armen Gegenden Arbeitsplätze und Geldeinkommen. Neben Kleinbauern widmeten sich ihr viele Landarbeiter und Landhandwerker samt ihren Familien. Sie verfügten jetzt über ein ihr früheres (Natural-) bei weitem übertreffendes (Geld-) Einkommen. Die Heimarbeit und deren Erlös hoben die traditionelle Abhängigkeit des ländlichen Arbeiterhaushaltes von der Landwirtschaft erstmalig auf und verschafften ihm die Möglichkeit, seinen Bedarf mit allen erreichbaren Gütern zu decken, auch solchen, die der lokale Markt nicht bot. Der Heimarbeiterhaushalt gesellte sich damit in seinem Konsumstil zu den reichen bürgerlichen Haushalten der Städte, ohne jedoch deren weit höheres Einkommen zu haben. Im Vertrauen auf die anfangs beständig fließenden Geldeinkommen gewöhnte sich die Heimarbeiterfamilie an diesen von der Umwelt als aufwendig empfundenen Konsumstil, der kaum Spielraum für Ersparnisse oder den Erwerb von Besitz als Rücklage für Krisenzeiten ließ. Neben dem Mann beteiligten sich an der Heimarbeit häufig auch Frau und Kinder. Die Kinderarbeit hatte einerseits den Vorteil, daß die Eltern ihre Kinder auch tagsüber beaufsichtigen, ausbilden und erziehen konnten, und daß sich hierdurch das Familieneinkommen erhöhte. Andererseits war es ein Nachteil, daß die Kinderarbeit nur unter Vernachlässigung der Schulbildung möglich war. Die gleichartige Spezialisierung aller Familienglieder erwies sich in Absatzkrisen für Produkte der Heimarbeit als problematisch, da man nicht fähig war, sich kurzfristig auf eine andersartige Erwerbsarbeit umzustellen. Besaß die Frau darüberhinaus infolge ihrer Heimarbeit wenig hauswirtschaftliche Kenntnisse, so gelang es ihr auch nicht, durch Eigenproduktion oder Vorratswirtschaft Einkommensteile zu sparen. Ihre Töchter blieben ebenfalls hauswirt-
Schlußbemerkungen
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schaftlieh unausgebildet, wodurch sich in deren späteren Haushalten dieselben Probleme wiederholten. Irrationales Verhalten im Wirtschaften und mangelnde Zukunftsvorsorge ließen den Heimarbeiter in Krisenzeiten immer wieder von seiner Umwelt abhängig werden. Subventionen der Gemeinden oder Spenden von Gönnern waren nötig, die Familie zu ernähren. Als sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts wirtschaftliche Krisen durch die zunehmende Konkurrenz der Fabriken und des Auslandes häuften und die Löhne aus Heimarbeit wegen der ungünstigen Marktlage ihrer Produkte sich im 19. Jahrhundert ständig verschlechterten, die Lebenshaltungskosten dagegen anstiegen, litten die meisten Heimarbeiterfamilien Not. Nur wenige hatten gelernt, die Fehler ihres kurzfristigen Denkens von einer Einkommensperiode zur nächsten zu vermeiden. Sie versuchten zwar, ihre Arbeitszeit auszudehnen, erhöhten dadurch jedoch nur das Arbeitsangebot und induzierten weitere Lohnsenkungen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in zunehmendem Maße Fabriken gegründet. Damit vervielfältigten sich in den Städten die Arbeitsplätze, die armen Familien in Stadt und Land neue Erwerbsmöglichkeiten boten. Viele ländliche Familien strömten in die Städte. Diese Verpflanzung schuf neue Probleme für Haushalt und Familie des Arbeiters. Die Einheit von Erwerbsbereich und Haushalt zerfiel. Die vorrangige Funktion des Haushalts wäre jetzt gewesen, Erholung und Freizeitgestaltung zu ermöglichen. Da in den Städten das Angebot an Wohnungen die Nachfrage jedoch bei weitem unterschritt, wurden viele Menschen zu einem Leben auf engstem Raum gezwungen, für den zudem die Mietkosten ständig stiegen. Beengtes Wohnen sowie die häufige Erwerbstätigkeit von Frau und Kindern verhinderten ein geregeltes Familienleben mit sinnvoller Haushaltsführung und trieben den aus physischer Erschöpfung nach dem Arbeitstag weder an einer praktischen Beschäftigung noch politischen oder sonstiger Bildungsarbeit interessierten Mann häufig in die Außenwelt. Bis in die achtziger Jahre reichte das Einkommen vieler (besonders ungelernter) Arbeiter kaum für den Lebensunterhalt der Familie aus. Zudem ließen immer wiederkehrende Lohnschwankungen und Arbeitslosigkeit nur selten eine Budgetplanung zu. In der Mehrzahl der städtischen Arbeiterhaushalte überwog daher wie beim Heimarbeiter das kurzfristige Disponieren mit dem Einkommen. Selbst in Zeiten hoher Einkommen- solange die Arbeiter ledig waren und nur für sich selbst zu sorgen brauchten - sparten sie nur selten, um später einen Hausstand schuldenfrei gründen zu können. Fehlende Eigeninitiative und Disziplin in der Gegenwart, um für die Zukunft vorzusorgen, Unvermögen, das Einkommen überlegt einzutei-
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Schlußbemerkungen
len und auszugeben, neben häufigen Einkommenssch wankungen sowie Unkenntnis in hauswirtschaftli ehen Fragen lieferten den Arbeiter und seine Familie allen Konjunkturbew egungen und Krisen aus, die in der Übergangszeit von der stationären Agrar- zur dynamischen Industriewirtschaft auftraten. Dennoch zeigte sich zwischen 1850 und 1913 ein Trend zur Verbesserung der ökonomischen Situation des Arbeiters. In diesem Zeitraum stiegen die Löhne schneller als die Lebenshaltungs kosten. Seit 1850 bildeten sich außerdem verschiedene Hilfsformen heraus: Genossenschafte n, Arbeiterbildung svereine, Gewerkschaften und kirchliche Organisationen, die - wie auch einzelne Unternehmer - versuchten, den Arbeiter zu eigener aktiver Gestaltung seines Haushalts und damit seines Lebens zu veranlassen. Am bedeutendsten war der wirksame Schutz des Arbeiters und seiner Familie durch die staatlichen Sozialgesetze, die in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschaffen wurden. Indem der Arbeiter seine neue ökonomische und soziale Lage erkannte und die Hilfestellungen von außen ergriff, trug er wesentlich zu seinem eigenen sozialen Aufstieg bei.
Anhang Anlage 1 Einnahmen, Ausgaben und Besitz der drei ausgewählten Heimarbeiterfamilien nach Le Play1 und Schnapper2
I. Die Weberfamilie aus Godesberg, 3 1847 1. Einnahmen in Mark:' aus Löhnen5 aus Landwirtschaft8 aus Subventionen7 aus Verzinsung des Besitzess Gesamteinnahmen: 475,70 Mark 2. Ausgaben in Mark:• (1) (2) (3) (4)
Nahrung Wohnung Kleidung 11' Bildung, Erholung, Gesundheit Gewerbe, Schulden, Versicherungen, Steuern11 Gesamtausgaben: 475,70 Mark 3. Besitz in Mark: a) Besitz für die Landwirtschaft11 (1) 1 Kuh (2) Ackergerät (1) (2) (3) (4) (5)
in Geld 286,87 70.10 31,64 5,35 393,96
inNatura 54,06 11,73 15,75 0,20 81,74
in Geld 249,83 46,80 74,39 19,31
inNatura 62,80 14,08
3,65 393,96
4,86 81,74 89,10 4,05 93,15
op. cit., Bd. 5, S. 60 ff.; Bd. 4, S. 107 ff. op. cit., S. 133 ff. 3 Le Play, op. cit., Bd. 5, S. 60 ff. 4 Einem Francs entsprachen im 19. Jhdt. 0,81 Mark, vgl. Anm. 29 auf S. 22 f. 5 Derselbe, a.a.O., S. 73 Section III: Löhne des Mannes aus Heimarbeit sowie der Frau aus Landwirtschaft, veranschlagt nach der fiktiven Bezahlung eines Tagelöhners. 8 Ders., ebda., Section IV. Geldeinnahmen, da die Frau den größten Teil der landwirtschaftlichen Produkte in den Randstädten verkauft. 7 Ders., a.a.O., S. 71, Section II. 8 Ders., ebda., Section I. • Ders., a .a.O., S. 74-76. 10 Die Ausgaben für Kleidung entsprechen der von Le Play kalkulierten Wertminderung des bestehenden Besitzes an Kleidern. 11 Hier nur Schuldenzinsen für Kauf auf Kredit beim Kaufmann. Die Familie zahlte keine direkten Steuern. u Le Play, a.a.O., S. 63. 13 Derselbe, a.a.O., S. 67. Der Besitz an Kleidung besteht aus dem Restwert 1
1
154
Anhang b) Mobiliar, Haushaltsgeräte und -wäsche sowie Kleidung13 (1) Möbel (2) Haushaltsgeräte (3) Haushaltswäsche (4) Kleidung davon: des Mannes der Frau der Kinder
45,36 10,53 16,20 52,65 21,06 20,25 11,34 124,54
II. Die Familie des Instrumentebauers aus dem Erzgebirge,14 1847 1. Einnahmen in Mark15 (1) aus Löhnen (2) aus Landwirtschaft (3) aus Subventionen (4) aus Verzinsung des Besitzes
1 215,00 113,40 137,70 72,90
Gesamteinnahmen ca. 1539,00 2. Ausgaben in Mark:1• 1 377,00 3. Besitz in Mark:17 (1) Hausbesitz 1 538,00- 1 620,00 (2) Viehbesitz 194,40 190,35 (a) 1 Kuh 121,50 (b) 1 Ziege 16,20- 20,25 (c) 2 Schweine, 10- 12 Hühner, Gänse 52,65 (3) Kleidung 159,57 (a) des Mannes 19,44 48,60 (b) der Frau (c) der Kinder 91,53 (4) Arbeitswerkzeug des Instrumentebauers 76,95 1 964,87 - 2 050,92 III. Die Familie des Uhrschildmalers aus dem Schwarzwald,18 1878 1. Einnahmen in Mark:18 (1) aus Löhnen
(a) des Mannes (b) der Frau (c) der Kinder
793,32 411,00:0 15,50
in Geld 1208,82
inNatura 11,00
des ursprünglichen Kleiderwertes nach Abzug der Wertminderungen. 14 Derselbe, op. cit., Bd. 4, S . 107 ff. 15 Ders., a.a.O., S . 114. u Bei Le Play keine Aufschlüsselung der Ausgaben für diese Familie. 17 Ders., a.a.O., S. 110; die Ausgaben für KleidungS. 113. 18 Vgl. Schnapper, op. cit., Aufstellung der Seiten 141 f. 19 Vgl. derselbe, a.a.O., Aufstellung der Seiten 146 f . 20 11,00 Mark rührten aus Eigenproduktion, 400,00 Mark aus Mithilfe bei der Heimarbeit des Mannes. An Eigenproduktion: Aus dem eigenen Garten gezogenes Gemüse, Beerensammeln, Selbstarbeit von Kleidungsstücken und Gardinen.
155
Anhang aus Subventionen!! (3) aus Verzinsung des Besitzes
(2)
72,20 10,00 83,20 1 218,82 Gesamteinnahmen: 1302,02
2. Ausgaben in Mark:22
(1) Nahrung23 (2) Hauswesen 84,90 (a) Wohnung24 (b) Mobiliar und Hausgeräte 39,60 79,08 (c) Heizung 16,50 (d) Beleuchtung (3) Kleidung und Schmuck (4) Psychische Bedürfnisse, Vergnügungen, Reinlichkeit, Krankenpflege, Gemeindeabgaben 18,30 (a) psych. Bedürfn. 38,40 (b) Vergnügungen 13,36 (c) Reinlichkeit 80,00 (d) Krankenpflege (e) Dienstleistungen des Staates und 16,98 der Gemeinde
in Geld 576,70 219,08
79,62
inNatura 81,20 1,00
1,00
167,04
83,20 1 042,44 Gesamtausgaben: 1125,64
3. Besitz in Mark;25 a) Inventar (1) Wohnstube (2) Schlafstube (3) der als Werkstatt benutzten Kammer (4) Gerätekammer (5) Küchen- und Tafelgeräte (6) "verschiedene Fahrniss" (Bücher etc.) (7) Arbeitsgerät b) Kleidung und Schmuckts (1) des Mannes (2) der Frau (3) der Kinder (4) Schmuck
74,60 636,40 111,00 16,00 80,10 44,50 78,10 1 040,70 203,00 250,50 59,00 70,50 583,00 Gesamtbesitz: 1 723,70
21 Freitisch eines Kindes bei den Schwiegereltern: 72,00 Mark; Obstzuwendung: 0,20 Mark. 22 Derselbe, a.a.O., S. 148-152 und 153. 23 einschließlich Bierkonsum im Werte von 30,00 Mark, von Schnapper unter Vergnügungen aufgeführt, wären es 606,70 Mark. 24 Die Wohnungsmiete beträgt 120,00 Mark. Der Differenzbetrag zu 84,90 Mark ist in den Unkosten der Heimarbeit verrechnet. 25 Vgl. Schnapper, a.a.O., Aufstellung auf S. 138- 140. 2& Vgl. derselbe, a.a.O., Aufstellung auf S. 141 f.
156
Anhang Anlage 2 Einnahmen, Ausgaben und Besitz der beiden ausgewählten Fabrikarbeiterfamilien nach Mehner1 und Opificiusz
I. Die Familie des Arbeiters einer Seifenfabrik Leipzigs,1 1886
1. Einnahmen in Mark (fast ausschließlich monetär): (1) aus dem Lohn des Mannes3 etwa 660,00 } (2) aus dem Lohn der Frau4 etwa 380,00 (3) aus dem Beitrag der Kinders Gesamteinnahmen: etwa 1 040,00 2. Ausgaben in Mark: (1) Nahrung8 (2) Wohnung7 davon (a) Miete8 (b) HeizungD (c) BeleuchtungD (3) Kleidungw davon (a) des Mannes (b) der Frau (c) der Kinder (d) allgemein11
Reinigung und Körperpflegen Steuern13 (6) Bildung, Erholung, Gesundheit14
(4)
702,00 191,36
71,76 105,04 14,56 191,36
151,00
60,05 33,60 39,02 18,33 151,00
(5)
Gesamtausgaben: Es bleibt somit ein Defizit im Berichtsjahr von ca.
21,84 15,80 3,20 1 085,20 45,20
op. cit., S. 301 ff. z op. cit., S . 51 ff. 3 Mehner, a.a.O., S. 303 f. 4 Derselbe, a.a.O., S. 304. s Derselbe, a.a.O., S. 303. 6 Derselbe, a.a.O., S. 310 sowie S. 328. Ernährungsausgaben pro Woche rund 13,00 Mark einschließlich Tabak und Zigarren, dazu kamen 0,50 Mark für die Beaufsichtigung des jüngsten Kindes (S. 328). 7 Derselbe, a.a.O., S. 328. 1
Ebenda. Ebenda, Holz und Kohlen. 10 Derselbe, a.a.O., S. 329 f. Anschaffungspreis der Kleidung dividiert durch Anzahl der Jahre, die Kleider getragen werden können. 11 Stopfgarn etc. u Derselbe, a.a.O., S. 328. 13 Ebenda. 14 An sich nur Schulbücher als Jahresdurchschnitt gerechnet. Hinzugerechnet werden könnte noch der Alkohol- und Tabakkonsum des Mannes, der allerdings schon in den Ernährungsausgaben enthalten ist: Alkohol = 60,32 Mark, Tabak = 34,32 Mark. Summe pro Jahr demnach 97,82 Mark, vgl. derselbe, a.a.O., S. 310. 8 g
157
Anhang
3. Besitz15 Hier liegt nur ein teilweise bewertetes Inventar vor. Der Besitz genügte gerade ärmsten Ansprüchen. II. Die Farnnie eines Arbeiters in einer chemischen Fabrik Frankfurts a. M., 18 1889 1. Einnahmen in Mark17 (1) (2) (3)
aus dem regulären Lohn des Mannests Lohn aus Überstunden des Mannes1s Sonstige Nebeneinnahmen
2. Ausgaben in Mark18 (1) Nahrung211 (2) Wohnung21 166,50 davon a) Miete b) Heizung u. Beleuchtung 53,25 23,23 c) Mobiliar 242,98 (3) Kleidungz.z (4) Reinigung und Körperpflege2 3 (5) Steuern23 (6) Bildung, Erholung, Gesundheit 5,25 davon a) Vergnügen usw. b) Schule usw. 20,99 13,80 c) Vereine 7,30 d) Zeitungen usw. 47,34 (7) Diverse Ausgaben2•
Miete zurückgelegt für
1/2
Barvorrat am 1. Jan. 1889
Monat
1035,50 49,70 88,67 Gesamteinnahmen: 1173,87 646,53 242,98
147,15 24,34 1,30 47,34
38,89 Gesamtausgaben: 1148,53 7,00 Ersparnis!5 + somit 17,79
3. Besitz28
Hier liegt nur das unbewertete Inventar vor, das jedoch für einen Arbeiterhaushalt jener Zeit sehr reichhaltig war.
15
Vgl. das Inventar bei demselben, a.a.O., auf den Seiten 323-327.
" Opificius, op. cit., S. 51 ff.
17 Derselbe, a.a.O., S. 65 ff. ts Ebenda (Tabelle I, 1). 19 Derselbe, a.a.O., S. 69 f. (Tabelle II). 20 Ebenda; einschließlich der Wirtshausverzehr und Tabakkonsum in Höhe von 45,26 Mark. u Ebenda, S. 70 (Tabelle II). 22 Ebenda, in der Tabelle aufgeteilt in Kleidung und Reparatur sowie Schuhwesen und Reparatur. 23 Ebenda. 24 Ebenda, nicht aufgeschlüsselt. 25 Ebenda. 7,00 + 17,79 = 24,79 Mark. u Derselbe, a.a.O., S. 78 ff. (Tabelle VII).
158
Anhang
Anlage 3 Wertmäßiger Verbrauch an Nahrungsmitteln in zwei Arbeiterfamilien aus den Jahren 1887/88a) 7/Sköpfige Arbeiterfam. 5köpfige Arbeiterfamilie nach Opificius (1888) nach Mehner (1887)
Nahrungsgut
in Mark
in v.H.
in Mark
Brot ........ ...... .. ... Brötchen Semmel ................ Kartoffeln Mehl Reis (Graupen) Butter Fette und Schmalz ..... Salat- und Rüböl Rindfleisch ............ Diverses Fleisch ....... Wurste) ................ Heringe) .... ........... Milch ...... . ···· ··· .... Käsec) ....... ··· ·· ····· Quark .......... ······· Eier ······ .... ········· Gemüse ............ . ... Hülsenfrüchte ....... .. Sonst. Suppensach. .... Zwiebeln Obst ... .... ........... Zucker Salz, Essig, Gewürze ... Honig oder Latwerg ... Kaffee ... ......... ..... Kaffeesurrogate ........ Bier ..... .... ... ..... .. Spirituosen .. ... .... ... Zehrung i. Gesch. Wirtshauszehrungi) .... Diverses ... .. ... ·······
140,77 21,25
21,5 3,3
183,04
Summe
646,53
0
•
0
0
•
••••••••••
•
••••••••••••
0
•••••••••••••••
0
••
••••
0
•
•
•
•
•
0
•••
0
••
•
••
•
••
0
•••••
••
•••
••••
•••••••••
••••••••••
••
•••
•
•
•
•
•
0
•
0
•
0
0
0
••
•••••
-
-·
3,7 1,2
24,14 7,85
-
-
8,41 28,83 10,66 40,08 9,94 19,90
1,3 4,4 1,6 6,3 1,5 3,1
-
-
7,9 0,9
50,45 5,55
-
-
1,7 1,9 0,7 2,2
11,28 11,96 4,15 14,12 -
8,08 19,09 11,46 1,71 33,88 1,85
I I
in v.H. 28,1
-
-
13,00 60,84 10,40 10,40 109,20 11,44b)
2,0 9,4 1,6 1,6 16,7 1,8
-
-
3,4 2,4 2,4 1,6
22,36 15,60 15,60 10,40
-
-
-
-
6,24 20,80d)
1,0 3,2 2,0
13,00
-
-
-
-
-
1,04
0,2
1,3 2,9 1,8 0,3 5,2 0,3
-
-
-
-
15,00 95,02 45,26 6,11
I
-
-
-
-
5,20e)
0,8
2,4 1,6 4,2 4,8 8,8
15,60 10,40f) 27,04g)
2,3 14,6 7,1 0,9
31,20 57,72h)
100,0
650,52
-
I
I
100,0
Anhang
159
Anmerkungen zu Anlage 3 a) Vom Verfasser zusammengestellt unter Verwendung der Tabelle bei Opificus, a. a. 0., s. 69 f. sowie Mehner, a. a. 0., S. 310. Letztere Tabelle gibt nur den durchschnittlichen wertmäßigen Wochenverbrauch, er wurde vom Verfasser mit 52 multipliziert, um den Jahresverbrauch zu erhalten. b) Mehner führt nur Rindstalg an. c) Hierbel ist zu beachten, daß der Verbrauch an Wurst, Hering und Käse in der Famille nach Mehner wesentlich höher war, jedoch in den Posten .,Zehrung Im Geschäft" mitenthalten ist, da beide Ehepartner in der Fabrik arbeiteten. d) Der Eierverbrauch zerfällt bei Mehner in zwei Rubriken: .,Eier" sowie .,Salat und Eier". Da letzterer nicht zu trennen Ist, wurde er dem Eierkonsum zugeschlagen. e) Bel Mehner nur Salz ausgewiesen. g) Bei Mehner nur .,Gerste" angeführt. g) Auch der Bierkonsum ist höher, doch geht das während der Arbeitspausen genossene Bier in den Posten .,Zehrung im Geschäft" ein. h) Vom Verfasser zusammengestellt aus den Posten: Wurst oder Käse (34,32 Mark), Gurke oder Käse (3,64 Mark), Gurke oder Hering (4,16 Mark) sowie Braunbier 15,60 Mark). I) In der Tabelle bei Opificus heißt es: Wirtshauszehrung und Tabak. Weil dieser Posten nicht zu trennen war, wurde er Insgesamt aufgeführt. Der Tabakkonsum des Arbeiters bei Mehner macht 34,32 Mark aus. Vgl. Mehner, a. a. 0., S. 309. er wurde hier weggelassen. Der Wirtshausverzehr des Arbeiters bei Mehner ist im Bierkonsum miten thal ten.
Autorenverzeichnis Abel, W. 23, 35, 122 Albrecht, G. 99, 110 Apelt, K. 51 Arndt, E. M . 121 Arndt, P. 43, 94 Ashton, T. S. 121 Bähr, 0. 45, 63, 74 Ballin, P. 113 Beckmann, F. 74 Begemann, H. 27 Biedermann, K. 18 ff. Bittmann, K. 115 Bollinger, A . 52, 63 Bollnow, 0. F . 133 Brämer, H. 86 Braun, L. 33, 104 Braun, R. 14, 18, 20, 25, 30, 51 f., 63 f., 6~ 81, 85, 9~ 10~ 111, 128 Brepohl, W. 98 Brunner, 0. 27 Brutzer, G. 113, 115 Bry, G. 112 ff. Bücher, K. 17, 30, 45 Caplovitz, D. 116 Conrad, E. 111, 137 Conrad, J. 128 Conze, W.21,24, 91 Defoe, D. 14, 28 Dopsch, A. 41 Dronke, E. 113, 136 Eberhardt, H. 34 Egner, E. 27, 100 Elsas, M. J. 35, 39 Engel, E. 15, 57 Engels, F. 103 f., 107, 121 Fechner, H. 34 Feige, J. 80, 142 Feld, W. 104 f.. Finder, E. 46, 74 Fircks, von 89, 95 11 Schneider
Fischer, W. 34, 94, 110, 113, 115, 136, 146f. Flesch, K. 111, 126 Fletcher, R . 100, 144 Fogarty, M. 43 Foley, C. 110 Formey, L. 57 Freese, H. 137 Fretz, D. 64 Freudenthal, M. 103, 141 Freytag, G. 21, 46, 74 Friedländer, E. 109 f. Gerlach, 0. 125 f. Grellmann, H. M. G. 34 Gröber, R. 113, 115 f. Gruber, I. 137, 146 Günther, E. 52, 128 Hampke, C. 131, 137 Haussherr, H. 17 ff., 89, 95, 121 Hayek, F. A. 121 Henderson, W . 0 . 88, 90, 147 f. Hermann, L . 126 Hertzberg 16 Heß 138 Hildebrandt, B. 33, 121 Hinze, K . 16 Hirzel, J . C. 14, 24, 28, 51, 77, 80 Hoffmann, W. G. 92 f., 100, 112, 123 Hofmann, C. 17, 34, 88 Holek, W. 142 Hutt, W. H. 121 Jacobi, L. 42, 117 Jenisch, D . 18 Jostock, P. 113 Kempf, R. 119, 139 Krüger, H . 42, 135 Krug, L . 12 Kuczynski, J. 36, 92, 118 Kuhna 123, 128, 142 Landau, G . 121 Landsberg, E . 43
162
Autorenverzeichnis
Le Play, F. 15, 22f., 25f., 30, 32, 47, 52, 55 ff., 62, 65 f., 70, 74, 78, 81, 84 ff., 124, 146 f., 153 ff. Lütge, F. 89, 94 Mackenroth, G. 25, 99 Masius, E. A. 86 Matthews, R. C. 0. 107 Mauersberg, H. 19, 30 May, R. E. 134 f. Mehner, H. 15, 97, 99, 107 f ., 111, 125, 128 ff., 140, 142 f., 146, 149, 156 ff. Meiners, C. 14, 51, 68 f., 77 Menges, P. 58 Mirabeau, Comte de 19 Mitgau, H. 45, 140, 146 Möller, H. 14, 19, 24, 46, 57, 65 Möser, J. 32 More, L. B. 96 Neefe, M. 137 Nell-Breuning, 0. von 13 Neuloh, 0. 147 f. Nikolai, C. F. 52 Nüscheler, J. C. 69 Oeter, F. 12 Oldenberg, K. 109 f. Opificius, L. 15, 111, 126, 128 f., 132 f., 140 ff., 149, 157 ff. Orelli, S. von 64 Otto, R. 28, 34, 100 ff., 106, 108 Paulsen, F. 21, 63 Pierstorff, J. 102 Pinchbeck, I. 28, 100 Popp, A. 140 f. Rademann, 0. 126 f. Rawicz, E. 142 Rechenberg, C. von 60 f.
Reinhard, M. R. 95, 128 Ritter, U. P. 89 ff. Röder, L. 30 Schlieben, R. von 46, 71 f. Schmidt, F. 25, 34, 37, 42 Schmoller, G. 90, 135 Schnapper (-Arndt), G. 15, 26f., 38, 49, 52, 55 ff., 62, 66 f., 71 f., 74 ff., 78 ff., 84 ff., 127, 143, 154 ff. Schneer, A. 37, 45, 52, 74, 82 Schneider, L. 62 Schubnell, H. 93 Schultz, A. 46, 64 Scrope, G. P. 147 Smelser, N. J . 95, 97, 107, 110, 147 Sombart, W. 16 ff., 20, 77 Spiethoff, A . 115 Stieda, W. 41, 102, 105, 108 Strauß, R. 42, 116, 131, 134, 139 Süßmilch, J. P. 23 Syrup, F. 147 f. Thieme, F. 115, 121, 132 Trende, A. 145 Troeltsch, W. 34, 42, 44 Tyska, C. von 39, 111, 113 ff., 122 f . Uhlfelder, S. 126 Unger, J. F. 42 Ungern-Sternberg, R. von 93 Voelcker, H . 75 Voit, V. von 126f. Weber, H. 57 Weinberg, M. 104 Wilbrandt, R. 29, 99, 102, 105, Wörishoffer, F. 42, 99, 113 f., 118 f., 134 ff., 138 f., 142, 144 Wurm, E . 111, 113, 135, 138f.
Sachverzeichnis Absatzkrise 150 Absatzlage 17, 27 Absatzsektor 44 Abwechselsystem 109 Ackerbürger 46 Aktiengesellschaft 90 f. Arbeiter, ungelernte 88, 99, 111 Arbeiterbildungsverein 151 Arbeiterschutz 143 f. Arbeiterschutzgesetze 143 ff. Arbeitsangebot 17, 37, 77, 95, 151 Arbeitsbedingungen 91 Arbeitseinteilung 19 Arbeitskräfte 20, 88 ff. Arbeitslosigkeit 31, 120, 123, 148, 151 -, versteckte 18, 90 Arbeitsplatz 13, 95, 97, 100, 103, 134, 149f. Arbeitsrhythmus 22 Arbeitsteilung 88, 97, 132 Arbeitsunfähigkeit 86 Arbeitszeit 50, 79, 93, 96 f., 141, 151 Arbeitszerlegung 17 Aufwandsnorm 119 Ausbildung 25, 120, 130, 146 Ausgaben 11, 50, 53, 57, 62, 66, 70ff., 77, 123f., 126, 128ff., 138ff., 143, 153 ff. Ausgabengestaltung, rationale 60 Aussteuer 27, 75, 84, 98, 119, 136 Auswanderung 89 Barzahlung 124 Bauernbefreiung 89, 93 Bedarf 89, 133, 150 -, lebensnotwendiger 40 ff., 48 f., 87, 100, 128 Bedarfsdeckung 45 Bedarfswandel 17 Beleuchtung 77 ff., 155 ff. Besitz 25, 29 ff., 33, 49 f., 82 ff., 120, 144, 146 f., 153 ff. -, Bildung von 85, 87 Besitzerwerb 29 Besitzlosigkeit 146
Betriebsgröße, rationelle 89 Bevölkerung 102 Bevölkerungsentwicklung 95 Bevölkerungsüberschuß 90 Bevölkerungswachstum 93, 95, 133 Bildung 143, 153 ff. Binnenwanderung 95 Borgsystem 117 Budget 67, 98, 118, 123, 131 Budgetgestaltung 120, 122, 145 Budgetplanung 151 Denken, erwerbswirtschaftliches 32 Dienste, häusliche 92 Dienstleistungen 40 Dienstmädchen 102 Dorfgemeinschaft 96 f. Eigenbedarf 47 Eigenproduktion 11 ff., 21, 26, 45 ff., 53, 62 ff., 79, 85 f., 100, 120, 122, 130, 150 Eigentum siehe Besitz Eigenverbrauch 29 Einkommen, siehe auch Lohn 11, 13, 26, 31, 44, 48 ff., 64 f., 84, 93, 97' 99, 104, 106, 124, 128, 132, 136 f., 144 ff., 149 ff., 153 ff. -,Familien- 26, 30f., 37, 49, 99, 107, 109, 111, 117, 122, 132, 144, 150 Einkommensentstehung 14, 96 Einkommensentwicklung 33 ff., 111ff., 123 Einkommensgruppe 113 Einkommensschwankungen 151 f . Einkommenssitua tion 24 Einkommensverwendung 14, 50 ff., 87, 96, 120, 122 Elend, häusliches 82, 105 Engel'sches Gesetz 57 Erholung siehe Freizeit Ernährung 14, 38 ff., 44 f., 48, 50 ff., 67' 73, 83, 122 ff., 151, 153 ff. Ernährungsbudget 58 Ernährungslage 123
164
Sachverzeichnis
Ernährungsphysiologie 127 Ernährungsweise 52, 129 Ersparnis 27, 48, 64 f., 82 ff., 101, 119, 124, 126 f., 132, 136, 144 f., 148, 150f. Erwerbsbereich 97, 151 Erwerbstätigkeit, weibliche 32, 91 ff., 97 ff., 111 ff., 120, 130, 151 Existenzminimum 23, 43 ff., 60, 65, 85, 99, 115, 117 ff., 144 Existenznot 121 Existenzsicherheit 22 Fabrikgründung 89, 111 Fabrikindustrie 88 ff. Fabriktechnik 88 Facharbeiter 90, 94 Familie, Groß- 11 f., 26, 30, 82 -,Klein- 82, 98 F amilienanschluß 95 Familienbetrieb 95 Familienexistenz 94 Familiengröße 99, 125, 129 Familiengründung 23 Familienhaushalt siehe Haushalt Familienleben 70, 104, 108, 139 Familienplanung 25, 99 Familienstruktur, patria rchalische 100 Familienverband 25, 95 Frau 22, 25, 27 f., 31 f., 43, 66 f., 73, 78, 80 f., 96, 98 ff., 120, 124, 131 ff., 136, 144f., 150 - , Doppelbelastung der 103 Freizeit 14, 29 ff., 79 ff., 96 f., 104, 139 ff., 151, 153 ff. Freizeitgestaltung 79 ff., 97, 105, 142, 151 Fürsorgegemeinschaft 25 Funktion, hauswirtschaftliche 32 Geburtenüberschuß 95 Geldausgaben 14 Geldeinkommen 11 f., 14, 19, 21 ff., 25, 27, 29, 31 f., 44, 49, 51, 62, 82, 113, 150 Geldentlohnung 13 Geldwirtschaft 11, 111 Genossenschaft 120, 152 Genußmittel 122, 124ff., 128 Genußnorm 119 Gewerbefreiheit 89, 94
Gewerkschaft 120, 142, 152 Grundbedarf 43 Grundbesitz 29 Güter, lebensnotwendige 46 Hausarbeit 28, 105, 140 Hausfrau 17, 28, 49, 65 Haushalt -,Kenntnisse 25, 27, 103 f., 119, 150 Haushaltsausstattung 120 Haushaltsführung 32, 96, 103 ff., 118 ff., 122 f., 127 f., 133, 149 Haushaltsgebaren 20 f., 23, 30, 97 Haushaltsgeld 100 Haushaltsgeschehen 11 Haushaltsgründung 120 Haushaltsrechnungen 99 Haushaltsstruktur 11 Haushaltstyp 11, 13 f., 21, 111, 120 Haushaltsverhalten 11, 117, 119 Haushaltswäsche 74, 154 Hausrat 73, 100, 136, 153 ff. Hauswirtschaft siehe Haushalt Heizung 77 ff., 135, 140, 155 ff. Immobiliarvermögen 24, 68, 85 Immobilität, regionale 18 Industrialisierung 12, 16, 120 f. Industrialismus 11, 13, 88, 99, 121, 150 Infrastruktur 90 Kapitalbesitzer 90 Kapitaleinsatz 17 Kapitalknappheit 90 Kaufkraft 33 Kindera rbeit 80, 93 ff., 97 f., 109 ff., 150f. Kinderplanung, rationale 95 Kinderzahl 25, 100, 103 Kleidung 14, 41, 44, 49, 62 ff., 83, 130 ff., 153 ff. -,Herstellung 130 Kleideraufwand 64 ff. Konjunktur 22, 82, 84 f., 152 Konjunkturanfälligkeit 36 Konsum, repräsentativer 64 Konsumgewohnheiten 14 Konsumgüter 88, 118 f., 146 Konsumstil 21, 28, 50 ff., 83, 119, 122, 125, 145, 150 Kredit 85, 98, 149 Kreditkauf 123 f.
Sachverzeichn is Krise 44, 52, 83, 87, 97, 144, 146, 150 ff. Kultur, häusliche 138 f. Landflucht 89, 93 Lebensanspru ch 50 Lebensbeding ungen 91 Lebensgestalt ung 82 Lebenshaltun g 41 ff., 115, 119, 122, 144 Lebenshaltun gskosten 14, 33 ff., 40 ff., 111ff., 151f. Lebensstanda rd 14, 22 f., 25 f., 31, 43, 45, 57, 70, BI, 94, 117 Lebensstil 22, 26, 119, 138 Lebensunterh alt 28, 77, 85, 96 f., 107, 144, 149, 151 Lohn, siehe Einkommen 26, 33 ff., 95, 105, 111, 122 f. Lohn, Durchschnitt 112 f. -,Maximal- 33, 144 -,Minimal- 33, 144 Lohnindex 38, 112, 115 Lohnniveau 95 Luxus 51,66 Luxuskonsum 59 Markt 17, 32, 49, 64, 90, 120, 150 -, anonymer 20, 97 Marktabhäng igkeit 45 f., 49 f., 63, 78, 122, 150 Marktaktive 12 Marktbedingu ngen 128 Marktbezug 50, 63, 79, 124, 131 Marktchance 120 Markterweite rung 90 Marktlage 134, 151 Marktpassive 12 Marktübersic ht 17, 131 Marktverflec htung 11 f., 46, 62, 111, 120 Marktverhalt en 132 Massenarmut 91 Massenprodu ktion 17, 88, 131 Miete 17, 68ff., 134, 136ff. Mieteinnahm en 118 Mitgift siehe Aussteuer Mobilität, berufliche 19 -,regionale 19 Mode 17 Modewechsel 131 Nahrungsmitt el, pflanzliche 125 f. -, tierische 125 f. Nahrungszusa mmensetzung 129
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Naturaleinko mmen 22, 29, 44, 47, 50 f., 87, 99, 113 f., 118, 150 Naturalentloh nung 22 Naturalwirtsc haft 12 Nebeneinnah men 45, 47, 85, 99, 113f., 139 Nebenerwerb , landwirtschaf tlicher 29ff. Nominaleinko mmen 14, 35, 38, 112 ff. Normalkonsu mtion 117 Organisation, kirchliche 120, 152 Preisentwickl ung 38 ff., 122 Preisindex, Lebenshaltun g 114 f. Preisschwank ungen 40, 122 Preissenkung 88 Preissteigeru ng 120 Preiswürdigk eit 131 Produktion im Haushalt 11 Produktionsg emeinschaft 11 Produktionsm ittel 29, 31 Proletarisieru ng 94 Qualifikation , Arbeitskräfte 111 Qualitätsdenk en 131 Ratenkauf 132 Ratenzahlung 98, 131 Rationalisieru ng 122 Realeinkomm en 14, 28, 33, 50, 82, 86, 116 f., 122 f. Rohstoffquell en 90 Rücklage 122, 145, 147 Säuglingsster blichkeit 105 Schicht, soziale 20 -, stationäre 25 Schulbildung 109, 150 Schuldentilgu ng 85, 98, 101, 118 Schulzwang 109 Sicherung, soziale 14, 82 ff., 143 ff. Sozialgesetze 122, 152 Sparinstitutio n (Sparkasse) 83, 145 Sparkapital 120 Spezialisierun g 20, 36 Standort 19, 21, 33, 40, 68, 97 Sterbeziffer 95 Stücklohn 34 Stücklohnsys tem 19 Technischer Fortschritt 88 Teuerung 122
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Transportkosten 40 Trucksystem 41, 97 Vberbevölkerung 91, 94 Unterständische 21 , 24 Unterstützung, naturale (Subvention) 26, 30 f., 48, 50, 68, 77 ff., 83, 97, 118, 120, 151, 153 ff. Verelendung 121 Verhalten, irrationales 151 -, rationales 58 Verkehrsmittel134 Verkehrsverhältnisse 90 Verschuldung 85, 89, 119, 145, 149, 153 ff. Versicherung 82 f., 86 f., 144, 14 7 ff. Versicherungsgesellschaft 147 Versicherungsgesetze 148 Versicherungsprämie (-beitrag) 86 f., 147 Vorratshaltung 124 Vorratswirtschaft 32, 48 f., 124 f., 150
Wertschöpfung im Haushalt 11 Wohnbedarf 69, 133 f. Wohnkultur 138 Wohnlichkeit 133 Wohnung 14, 41, 44, 67 ff., 97 f., 133 ff., 151, 153 ff. -,gemeinnützige 134 Wohnungsbau 133 Wohnungsbeschaffenheit 134 ff., 138 Wohnungseinrichtung 73 f., 86, 136 Wohnungsenge 32, 138 Wohnungsgröße 25, 134ff., 138 Wohnungsknappheit 120 Wohnverhältnisse 67 ff., 133 ff., 138, 140 Zinsen 85, 98 Zukunftsvorsorge 14, 30, 82 ff., 143 ff., 151 Zunft 19, 50, 94 Zwecksparen 84