Der Anspruch auf materiale Privatisierung: Exemplifiziert am Beispiel des staalichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern [1 ed.] 9783428510269, 9783428110261

Das meist Subsidiaritätsprinzip genannte Privatheitsprinzip ist ein judiziables Rechtsprinzip. Es folgt nicht nur aus de

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Der Anspruch auf materiale Privatisierung: Exemplifiziert am Beispiel des staalichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern [1 ed.]
 9783428510269, 9783428110261

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KARL ALBRECHT

SCHACHTSCHNEIDER

Der Anspruch auf materiale Privatisierung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 981

Der Anspruch auf materiale Privatisierung Exemplifiziert am Beispiel des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern

Von Karl Albrecht Schachtschneider

Duncker & Humblot • Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11026-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706© Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Privatisierung ist eine Maxime des Umbaus der gemeinsamen Lebensbewältigung. Diese Maxime hat unterschiedliche Gründe, gegenwärtig vor allem den neoliberalen Marktfundamentalismus, der wesentlich im globalen Wettbewerb wirtschaftliche Effizienz gefördert sieht. Staaten als Hoheitsträger sind als internationale Wettbewerber wenig geeignet, schon wegen des marktspezifischen Insolvenzrisikos nicht, aber auch nicht, weil Hoheitsträger in anderen Staaten schlecht als Unternehmer agieren können. Formell privatisiert jedoch nimmt der Staat am Wettbewerb teil und wird dem Wettbewerbsrecht unterworfen, also funktional privatisiert. Das legt die materiale Privatisierung der öffentlichen, besser: staatlichen Unternehmen durch deren Veräußerung an private Eigner nahe, zumal in Zeiten defizitärer Haushalte. Der Trend zur Privatisierung wird durch mannigfache Interessen der Akteure, insbesondere an privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen, die dem engen Besoldungsrecht des öffentlichen Dienstes ausweichen können, gestärkt. Überhaupt entspricht die Flucht der öffentlichen Hand aus der Staatlichkeit in die Privatheit der mit Globalisierungszwängen erklärten Entstaatlichung des Staates. Diese Privatisierung überzeugt wegen des Sozialprinzips und des Demokratieprinzips nicht, zumal dieses schwerlich international oder gar global verwirklicht werden können. Die Staatlichkeit der Aufgabenbewältigung ist denn auch weitgehend sozialpolitisch begründet. Dennoch gehört das Privatheitsprinzip zu den Prinzipien des Rechts in freiheitlichen Gemeinwesen. Es folgt nicht nur aus dem Freiheits-, sondern auch aus dem Eigentumsprinzip. Beide Prinzipien gebieten Selbständigkeit und Selbstverantwortung. Der Staat als Rechtsgemeinschaft muß der vielfältigen Entfaltung der Persönlichkeit größtmögliche Chancen lassen und darf nur zu seiner Sache machen, was das allgemeine Wohl erfordert. Dieser meist Subsidiaritätsprinzip genannte Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung ist ein judiziables Rechtsprinzip, das umzusetzen sich die Gerichte freilich immer noch sperren. Das Privatheitsprinzip wird durch die Grundfreiheiten der Europäischen Union, die dessen Binnenmarktprinzip definieren, gestützt. Zu einer freiheitlichen Ordnung, welche das Staatliche durchgehend staatsadäquat, d.h. der Hoheitlichkeit des Staates gemäß, gestaltet, ist Deutschland bislang nicht fortgeschritten. Sowohl die öffentliche Hand als auch Unternehmen und Ver-

6

Vorwort

braucher sind allzusehr an Mischformen zwischen dem Staatlichen und dem Privaten gewöhnt und interessiert. Darum haben privatistische Organisationsformen und Handlungsweisen des Staates unverändert Bestand. Mischformen ermöglichen manche Privilegierung, die den staatlichen Unternehmern, augenscheinlich ein Widerspruch, zugute kommen. Die Fiskusdoktrin ist genauso Ausdruck republikwidriger Staatlichkeit, nämlich einer solchen in Privatrechtsform, wie das zugleich privilegierende wie diskriminierende Institut des beliehenen Unternehmers, welches im privatwirtschaftlichen Bereich mit dem fragwürdigen Argument staatlicher Bindung der Berufe den Wettbewerb zurückdrängt. Das Wettbewerbsrecht ist das Recht für Unternehmen, die durch Privatheit im materiellen Sinne definiert sind. Es paßt nicht als Recht für den Staat, dem keine Privatheit, nämlich kein Recht zur Willkür, zusteht. Die Praxis der Mischformen und das Interesse an diesen hat die freiheitlichen Begriffe der Staatlichkeit, zumal die der öffentlichen und staatlichen Aufgaben, verzerrt, aber die Begriffe tragen mit ihrer apologetischen Kraft dazu bei, die republikwidrigen Zustände zu verteidigen. Das Privatheitsprinzip und der Anspruch auf materiale Privatisierung muß somit grundsätzlich, gestützt auf fundamentale Lehren von der Freiheit, vom Recht und vom Staat, entwickelt werden. Die Untersuchung beruht auf einem Gutachten, mit dem die Privatisierung des bayerischen Vermessungswesens gefördert werden sollte. Dieses ist als Beispiel vorgestellt und untersucht, insbesondere die„Wettbewerbsverhältnisse uim Vermessungswesen Bayerns, aber auch der Rechtsschutz des Privtatisierungsanspruchs der freiberuflichen Vermessungsingenieure. Beispielhaft sind die prozessualen Fragen der Privatisierung behandelt, die sich aus der Staatswidrigkeit der unternehmerischen Betätigung des Staates ergeben. Das Institut der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure hat eine Kritik der Beleihung herausgefordert. Während der Drucklegung hat der Gesetzgeber das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb novelliert. § 1 UWG alter Fassung, die große Generalklausel, deren Anwendung auf staatliches Handeln im 3. und 4. Kapitel des fünften Teils kritisiert wird, ist durch § 3 ersetzt worden und wird in §§ 4 bis 7 durch die Fallgruppen des unlauteren Wettbewerbs expliziert. An dem nichtwettbewerblichen Verwaltungscharakter staatlicher Unternehmungen ändert die Novelle nichts. Die Fiskusdoktrin der Praxis setzt sie nicht ins Recht. An der Abhandlung haben die Oberassistentin Dr. iur. Angelika EmmerichFritsche, die wissenschaftliche Assistentin Dr. rer. pol. Dagmar I. Siebold, der Lehrbeauftragte Dr. rer. pol. Wolfgang Freitag, die Doktorandinnen Dr. rer. pol.

Vorwort

Katrin Bedner und Dr. rer. pol. Barbara Winter, die wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. rer. pol. Dipl.-Ing. Cederick Allwardt, Dipl.-Kfm. Matthias Rost und Assessor Peter Wollenschläger, die studentischen Hilfskräfte Olga Couklaki, Bernd Knieling, Philip Plattmeier, Daniela Richter und insbesondere Ilona Walter, sowie Oberstudienrat i. R. Horst Pawlowski und meine Lehrstuhlsekretärin Else Hirschmann mitgearbeitet. Allen sage ich Dank. Dank sage ich auch Professor Dr. Norbert Simon und Dr. Florian Simon, die diese Schrift in ihrem bewährten Verlag Duncker & Humblot veröffentlicht haben.

Nürnberg, im Juni 2004 Karl Albrecht Schachtschneider

Inhaltsverzeichnis Einführung

19

Erster

Teil

Bestand des bayerischen Vermessungswesens

23

1. Kapitel Rechtsgrundlagen des öffentlich-rechtlichen Vermessungswesens in Bayern I. Staatliches Vermessungswesen in Bayern II. Kommunales Vermessungswesen in Bayern

23 23 25

2. Kapitel Vermessungsbereiche des Staates und der Kommunen in Bayern

26

I. Amtliche Vermessung des Freistaates Bayern

26

II. Amtliche Vermessung bayerischer Kommunen

27

III. Privatwirtschaftliche Vermessung des Freistaats Bayern und der bayerischen Kommunen

28

3. Kapitel Vermessungsaufgaben der freiberuflichen Vermessungsingenieure in Bayern I. Gegenwärtige Aufgaben II. Angestrebte Aufgaben

29 29 31

10

Inhaltsverzeichnis Zweiter

Teil

Staatlichkeit und Privatheitlichkeit von öffentlichen Aufgaben

33

1. Kapitel Institutioneller Begriff des Staates

33

2. Kapitel Institutionelle und funktionale Privatheit des Bürgers und dessen funktionale Staatlichkeit

I. Formalität der Staatlichkeit als der Allgemeinheitlichkeit und der Privatheitlichkeit als der Besonderheit

II. Gesetzlichkeit als funktionale Staatlichkeit der institutionellen Privatheit

III. Privatheitliche Allgemeinbestimmtheit durch Gesetzlichkeit und Alleinbestimmtheit nach Maximen

40

40

43

44

3. Kapitel Staatlichkeit oder Privatheitlichkeit öffentlicher Aufgaben

45

I. Staatsaufgaben, institutionelle Staatlichkeit, Organisationsform und Aufgabenverteilung durch Gesetz

45

II. Ausschließliche funktionale Staatlichkeit des Staates im engeren institutionellen Sinne, Grundrechtsfestigkeit der Privatheitlichkeit, material- und organisationsrechtliche Fehlformen der formellen Privatisierung und materiale Verstaatlichung institutionell Privater

53

III. Öffentlichkeit der staatlichen und privater Aufgaben

60

IV. Kritik des Praxiskriteriums legitimer öffentlicher Aufgaben für die Organisation- und Grundrechtsdogmatik

62

Inhaltsverzeichnis Dritter

11

Teil

Privatheitsprinzip

67

1. Kapitel Privatheitsprinzip der Verfassung I. Privatheit als Recht zur freien Willkür

67 67

II. Subjektive Rechte der Privatheit, Legalität und Sittlichkeit berechtigter Privatheit und Entlastung des gemeinsamen Lebens durch Privatheit

70

III. Grundsatz und Vorrang privater Lebensbewäkigung

75

IV. Berufsfreiheitsrechtliches Privatheitsprinzip im Vermessungswesen versus Privilegierung der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure

89

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes I. Allgemeines binnenmarktliches Privatheitsprinzip II. Grundfreiheiten der Unionsbürger im Vermessungswesen

100 100 120

1. Niederlassungsrecht des Art. 43 EGV

121

2. Freiheit des Dienstleistungsverkehrs des Art. 49 EGV

127

3. Kapitel Privatheitsprinzip des bayerischen Kommunalrechts I. Gesetzlichkeitsprinzip kommmunaler Selbstverwaltung II. Kommunale Unternehmen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 und Art. 86 BayGO

130 130 134

III. Kommunaluntemehmensrechtliches Zweckerfordernis des Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO 140

12

Inhaltsverzeichnis

IV. Kommunalunternehmensrechtliches Subsidiaritätsprinzip des Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO 142 V. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art. 87 BayGO 1. Willkürverbot der Republik

145 146

2. Prinzip republikanischer Staatlichkeit (Art. 20 GG und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG)

146

3. Subsidiaritätsprinzip / Privatheitsprinzip

147

4. Bestimmtheitsgrundsatz

149

5. Ergebnis

150

VI. Vermessungsämter in der Funktion von Kommunalunternehmen

150

4. Kapitel Judiziabilität des Pri vatheitsprinzips I. Materiale Judiziabilität

15 3 153

II. Institutionelle Judiziabilität

159

1. Rechtlichkeit der Gesetze als Wesensgehalt der allgemeinen Freiheit

159

2. Hüter der Rechtlichkeit der Gesetze und die Erkenntnis des Rechts

165

3. Sittengesetz als Rechtsprinzip und die Rechtssprüche der Verfassungsgerichte

171

4. Freiheitsprinzip, Verhältnismäßigkeitsprinzip und Willkürverbot

174

III. Subjektives Recht auf Privatisierung

Vierter

177

Teil

Privatheitswidrige Mischformen

181

1. Kapitel Problemskizze zur Organisationsprivatisierung des Staatlichen und zur Beleihung Privater mit staatlichen Aufgaben

181

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Privatheitswidrige Organisationsprivatisierung I. Kritik der Organisationsprivatisierung II. Privatheitlichkeit durch materiale Privatisierung

183 183 185

3. Kapitel Kritik der Fiskusdoktrin I. Verfassungsrechtliche Problemskizze der Fiskusdoktrin II. Substantielle Fiskusdoktrin als eigentliches Rechtsproblem

190 190 193

III. Verfassungswidrigkeit der Fiskusdoktrin

200

IV. Kritik des funktionalistischen Begriffs des Staatlichen

208

V. Problem eines Wahlrechts des Staates zwischen der Staats- und der Privatrechtsordnung 209 VI. Begriff „Staatsgewalt" als funktionales Differenzierungskriterium VII. Ausschließliche staatsrechtliche Bindung staatlichen Handelns VIII. Grundgesetzliches Verbot der (formellen) Privatisierung des Staatlichen

213 217 225

4. Kapitel Privatheitswidrige Beleihung

238

I. Begriff der Beleihung und Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur als staatlich gebundener Beruf 238 II. Allgemeine Kritik des Organisationsinstituts Beleihung III. Vermessungsorganisation in ausgewählten Ländern

246 258

1. Vereinigtes Königreich

258

2. Niederlande

259

14

Inhaltsverzeichnis 3. Italien

260

4. Frankreich

260

5. Schweiz

262

6. Vereinigte Staaten von Amerika

262

7. Zusammenfassung des Rechts Vergleichs

263

8. Konsequenzen für die Niederlassungsfreiheit

264

5. Kapitel Rechtlosigkeit der Beleihung als Organisationsinstitut I. Doktrin der Hoheitlichkeit als Herrschaftlichkeit

264 265

II. Einseitigkeit der Herrschaftlichkeit, Allseitigkeit der Freiheitlichkeit, Allgemeinheit und Gesetzlichkeit des Staatlichen und privatheitliche Besonderheit 268 III. Rechtssichernde sittliche Staatsgewalt und die berechtigte Privatgewalt, Legalität und Übertragung von „Hoheitsrechten"

276

IV. Staatlichkeit des Volkes als dessen rechtliche Gesetzlichkeit V. Hoheitlichkeit als Handlungsmöglichkeiten des zum Staat verfaßten Volkes VI. Unübertragbarkeit der Staatsgewalt, Übertragbarkeit von „Hoheitsrechten" Fünfter

281 288 291

Teil

„Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

297

1. Kapitel Wettbewerbswidrigkeit der Vermessungstätigkeit des Freistaates Bayern und der bayerischen Kommunen

297

2. Kapitel Nicht-wettbewerblicher Verwaltungscharakter staatlicher Unternehmungen

300

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Inadäquanz der wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsmaxime als Maßstab staatsunternehmerischer Wirtschaftspolitik I. Inadäquanz privater Gesetze als Maßstab des staatlichen Handelns

306 306

II. Staatsrechtliche Bindung staatsunternehmerischer Gemeinwohlverwirklichung .. 308 III. Inadäquanz wettbewerblicher Lauterkeitsmaximen der Privatunternehmer als Maßstäbe staatlicher (Unternehmens-)Politik 312

4. Kapitel Unanwendbarkeit des funktionalistisch-kompetenziell interpretierten § 1 U WO auf staatliches Handeln

313

5. Kapitel „Wettbewerbswidrigkeit" der Vermessungen des Freistaats Bayern und der bayerischen Kommunen aus der Sicht der Gerichtspraxis

317

I. Amtliche Vermessungen der Ämter des Freistaates Bayern im Wettbewerbsrecht. 318 II. Amtliche Vermessungen der Kommunen Bayerns

321

III. „Privatwirtschaftliche" Vermessungen Bayerns und der bayerischen Kommunen . 322 Sechster

Teil

Rechtsschutz des Privatisierungsrechts der freiberuflichen Vermessungsingenieure

325

7. Kapitel Klagen gegen die Vermessungsakte der bayerischen Kommunen I. Streitstoff II. Verwaltungsgerichtliche Klagen 1. Verwaltungsrechtsweg

325 325 326 326

16

Inhaltsverzeichnis 2. Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO

326

a) Verwaltungsakt

326

b) Subjektives Recht

330

c) Klagebefugnis

331

d) Vorverfahren und Fristen

332

3. Normenkontrollklage nach § 47 VwGO

333

III. Zivilrechtliche Klagen

334

1. Zivilrechtsweg

334

2. Klageanspruch aus § 1 UWG auf Unterlassung und /oder Schadensersatz

334

3. Klageanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB auf Unterlassung von Vermessungsleistungen der Gemeinden 335 IV. Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG an das Bundesverfassungsgericht

336

V. Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof

336

1. Bayerische Verfassungsbeschwerde nach Art. 66 BV

336

2. Popularklage nach Art. 98 S. 4 BV

337

VI. Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof

337

2. Kapitel Klagen gegen die Vermessungsakte des Freistaates Bayern I. Streitstoff II. Verletzte Rechte III. Verwaltungsgerichtliche Klagen 1. Verwaltungsrechtsweg

338 338 339 339 339

2. Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO auf Zuteilung von Vermessungsaufgaben 340

Inhaltsverzeichnis 3. Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO gegen einen einem Dritten gegenüber ergangenen Vermessungsakt 340 4. Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 12 Abs. 1 VermKatG IV. Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof 1. Popularklage nach Art. 98 S. 4 BV gegen Art. 12 Abs. 1 VermKatG

341 343 343

a) Antragsberechtigung

343

b) Gegenstand der Popularklage

343

c) Grundrechtsverletzung

344

2. Richtervorlagen nach Art. 65 i.V.m. Art. 92 BV, Art. 50 VfGHG

345

3. Bayerische Verfassungsbeschwerde nach Art. 66 BV

346

V. Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 1. Konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG

346 346

2. Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 90, 92-95 BVerfGG

347

a) Beschwerdefähigkeit

347

b) Beschwerdegegenstand

347

c) Beschwerdebefugnis

348

d) Rechtsschutzinteresse

348

e) Frist

348

VI. Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof

349

1. Unmittelbare Klagen

349

2. Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV

349

Zusammenfassung in Thesen

351

Literaturverzeichnis

369

Sachwortverzeichnis

397

Einführung In Bayern sind die Vermessungen weitestgehend Sache des Freistaates und Sache der bayerischen Kommunen. Der Freistaat hat staatliche Vermessungsämter, die großen bayerischen Kommunen haben kommunale Vermessungsämter und in den kleineren Kommunen Bayerns sollen Kommunalunternehmen Vermessungen durchfuhren. Die kommunalen arbeiten neben den staatlichen Vermessungsämtern in denselben Städten. Die staatlichen und vor allem die kommunalen Vermessungsämter vermessen nicht nur amtlich, sondern auch privatwirtschaftlich. Die freiberuflichen, privatheitlich tätigen Vermessungsingenieure haben einen eher geringen Aufgabenbereich an Vermessungen, werden aber auch von den staatlichen und kommunalen Vermessungsämtern zu helfenden Dienstleistungen in der Vermessungsverwaltung herangezogen (dazu 1. Teil). Dieses Vermessungswesen Bayerns verletzt nicht nur die Interessen der beratenden Vermessungsingenieure, welche freiberuflich und privatheitlich vermessen, sondern auch und vor allem deren Rechte. Auf allen Ebenen der Rechtsordnung gibt es, letztlich gestützt auf das Grundprinzip des Gemeinwesens, die allgemeine Freiheit, ein Privatheitsprinzip, welches dem Staat und den Kommunen im Sinne eines menschenrechtlichen Subsidiaritätsprinzips verbietet, Aufgaben an sich zu ziehen, die auch privatheitlich durch Unternehmen und freiberufliche Büros bewältigt werden können. Dieses Privatheitsprinzip findet in den Verfassungsrechten der Bundesrepublik Deutschland als auch in denen des Freistaats Bayern (3. Teil, 1. Kap.), im Binnenmarktprinzip des europäischen Gemeinschaftsrechts (3. Teil, 2. Kap.) und als Subsidiaritätsprinzip im bayerischen Kommunalrecht (3. Teil, 3. Kap.) eine Grundlage. Dieses Privatheitsprinzip ist judiziabel (3. Teil, 4. Kap.) und begründet subjektive Rechte der Vermessungsingenieure darauf, daß Staat und die Kommunen ihre Vermessungsverwaltung weitestgehend (bis auf begrenzte Aufgaben des Katasterwesens) privatisieren (3. Teil, 4. Kap., III.). Die Praxis versucht, gestützt auf die auch höchstrichterliche Rechtsprechung, die Verstaatlichung und Kommunalisierung der Vermessungsaufgaben (wie viele andere Aufgaben) mit dem Argument zu legitimieren, die übernommenen Tätigkeiten seien öffentliche Aufgaben. Öffentliche Aufgaben legitimieren aber nicht ohne weiteres ihre Verstaatlichung oder Kommunalisierung. Das bedarf vielmehr eines hinreichenden Grundes, der so gewichtig ist, daß das Privatheitsprinzip relativiert werden darf, weil die sachgerechte Aufgabenbewälti-

20

Einfuhrung

gung ohne Verstaatlichung oder Kommunalisierung scheitern würde. Grundsätzlich und regelmäßig genügt die Ordnung der privatheitlichen Aufgabenbewältigung durch Gesetze, welche die Interessen der Allgemeinheit sicherstellen. Mit der fragwürdigen Aufgabenlehre wird das menschenrechtliche Privatheitsprinzip seit langem und zunehmend desavouiert, obwohl die Formalität und die Institutionalität der Aufgaben längst allgemeine Lehre ist. Aus dieser Lehre folgt, daß die öffentlichen Aufgaben erst durch ihre Verstaatlichung oder ihre Kommunalisierung zu staatlichen oder kommunalen Aufgaben werden. Deren Staatlichkeit oder Kommunalität trägt also die Legitimation nicht in sich. Die Gesetze, welche die Verstaatlichung und Kommunalisierung bewirken, müssen vielmehr vor dem Privatheitsprinzip mit Gründen der praktischen Vernunft gerechtfertigt werden können. Die Praxis will jedoch dieser Rechtslage nicht folgen, weil das Änderungen der staatlichen oder kommunalen unternehmerischen Verwaltungen und damit auch Änderungen oder gar Beendigungen von staatlichen oder kommunalen Einrichtungen (2. Teil) zur Folge hätte. Auf den „schlanken Staat" jedoch haben die Bürger Anspruch, welcher auch Rechtsschutz genießt (6. Teil). Freilich besteht die Sorge, daß Bayern die staatlichen Vermessungsämter wegen der Privatisierungpflicht formell privatisieren werde, um weiterhin die Hand auf dem Vermessungswesen zu halten und den bislang im öffentlichen Dienst beschäftigten Mitarbeitern die Arbeitsplätze zu sichern oder einen begrenzten Teil der Vermessungsingenieure, im Zweifel die bislang öffentlich Bediensteten, mit den (vermeintlich) staatlichen Aufgaben zu beleihen, weil das in den anderen Ländern Deutschlands Praxis ist (4. Teil, 1. Kap.). Diese Mischform zwischen Staatlichkeit und Privatheitlichkeit ist eine ebenso staatswidrige wie privatheitswidrige organisationsrechtliche Fehlform (4. Teil). Die Organisationsprivatisierung ist als solche trotz der langen und weiter zunehmenden Praxis der formellen Privatisierung des Staatlichen mit dem Freiheitsprinzip der Republik unvereinbar. Die dieser Praxis zugrundeliegende Fiskusdoktrin ist verfassungswidrig (4. Teil, 3. Kap.). Die Organisationsprivatisierung verwirklicht aber auch das Privatisierungsprinzip nicht (4. Teil, 2. Kap.). Die Beleihung mißachtet die Prinzipien und die Grundsätze des freiheitlichen Gemeinwesens. Die Lehre aber nimmt dieses Organisationsinstitut ohne Widerspruch hin (4. Teil, 4. und 5. Kap.). Die Beleihung stößt zudem auf gemeinschaftsrechtliche Bedenken; denn sie schränkt ohne hinreichende Rechtfertigung die Grundfreiheiten der Gemeinschaft, nämlich das Recht zur Niederlassung und die Dienstleistungsfreiheit ein (4. Teil, 4. Kapitel, II., III.). Zudem erfüllt sie ebensowenig wie die Organisationsprivatisierung die materiale Privatisierungspflicht, sondern bringt freiheits- und gleichheitswidrige Privilegierungen mit sich (4. Teil, 1. Kap. und 4. Kapitel, II.). Mittels der Beleihung wird der Grundrechtsschutz der freien Berufe weitestgehend ausgehöhlt. Ein dem öffentlichen Dienst nahestehendes Institut des „staatlich gebundenen Berufs", dessen Recht sich zwischen der Berufsfreiheit des Art. 12 GG und den Amts- und Dienstprin-

Einführung

21

zipien des Art. 33 GG bewegt, gibt es rechtens unter dem Grundgesetz nicht (4. Teil, 4. Kap., I. und II.). Das Institut der Beleihung wird ebenso wie die Fiskusdoktrin grundsätzlich kritisiert, weil die Lehre das bisher versäumt hat (4. Teil, 3. und 5. Kap.). Aus der Sicht der Praxis sind die Vermessungsverhältnisse in Bayern weitestgehend „wettbewerblich" und müssen sich darum dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Gemeinschaft und Deutschlands fugen. Der Umgang der staatlichen wie der kommunalen Vermessungsämter mit den freiberuflichen Vermessungsingenieuren verstößt weitestgehend gegen das Lauterkeitsgebot des § 1 UWG. Es ist im übrigen Machtmißbrauch im Sinne des Art. 82 EGV, welcher wegen Art. 86 EGV auf die staatlichen und kommunalen Vermessungsämter anwendbar ist (5. Teil). Im Grundsatz aber ist das Wettbewerbsrecht nicht auf die Verhältnisse des Staates und der Kommunen einerseits zu den Bürgern und damit zu den Freiberuflern andererseits anwendbar (5.Teil, 2. bis 4. Kap.). Vielfältige Rechtsschutzmöglichkeiten in unterschiedlichen Rechtswegen, welche im 6. Teil skizziert werden, erlauben es, den Verletzungen der Verfassungen Deutschlands und Bayerns, der Mißachtung des Gemeinschaftsrechts und dem Verstoß gegen das kommunalrechtliche Subsidiaritätsprinzips durch das Vermessungswesen des Freistaates Bayern und der bayerischen Kommunen zu begegnen. Die Problematik des Privatisierungsrechts im bayerischen Vermessungswesen fuhrt zu Grundsatzfragen des Verhältnisses des Staates und der Kommunen einerseits und der freien Berufe andererseits, welche ohne tiefgehende Erörterung nicht überzeugend geklärt werden können. Die Defizite an Grundsätzlichkeit der Rechtslehre zu den staatlichen und den privaten Aufgaben, zu dem subsidiariätsrechtlichen Privatheitsprinzip, zur Organisationsprivatisierung und zur Beleihung Privater mit (vermeintlich) staatlichen Aufgaben, aber auch zum Wettbewerbsverhältnis des Staates und der Kommunen zu den Bürgern haben Fehlformen an privatistischer Staatlichkeit und Kommunalität ebenso wie etatistischer Privatheitlichkeit begünstigt, welche im Staat des Rechts, der ein Staat der Freiheit sein will und sein soll, nicht länger hingenommen werden können. Die folgende Abhandlung soll den Freistaat Bayern und die bayerischen Kommunen bewegen, im Vermessungswesen das Privatheitsprinzip zu verwirklichen, den letztlich verantwortlichen Gerichten helfen, in bayerischen Vermessungssachen zum Recht zu finden, und soll den beratenden, freiberuflichen Vermessungsingenieuren aufzeigen, welches ihre Rechte als Freiberufler sind, um ihnen die Hoffnung zu geben, daß sie ihren Beruf baldmöglichst ohne rechtswidrige Behinderung durch staatliche und kommunale Vermessungsämter werden ausüben dürfen und können.

Erster

Teil

Bestand des bayerischen Vermessungswesens Das Vermessungswesen in Bayern teilt sich in die staatliche und die städtische (kommunale) Vermessungstätigkeit. Außerdem gibt es die privatwirtschaftliche, freiberufliche Vermessung. Rechtsträger der staatlichen Vermessungstätigkeit ist der Freistaat Bayern, der durch seine verschiedenen Behörden handelt. Rechtsträger der kommunalen Vermessungstätigkeit sind die kreisangehörigen oder kreisfreien bayerischen Gemeinden, die Vermessungsaufgaben entweder im Rahmen der allgemeinen Verwaltung durch Vermessungsämter und möglicherweise durch kommunale Unternehmen wahrnehmen. Staatliche und städtische Vermessungstätigkeit beruhen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Allerdings bestehen aufgrund der Nähe der Tätigkeitsfelder Überschneidungs- und Berührungspunkte.

1. Kapitel

Rechtsgrundlagen des öffentlich-rechtlichen Vermessungswesens in Bayern

I. Staatliches Vermessungswesen in Bayern Grundlage der staatlichen Vermessungstätigkeit in Bayern ist das Gesetz über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster (Vermessungs- und Katastergesetz - VermKatG) vom 31. Juli 19701. Der Aufbau des Vermessungsund Katastergesetzes ist dreigeteilt. Der erste Teil betrifft die Landesvermessung. Der zweite Teil befaßt sich mit dem Liegenschaftskataster. Der dritte Teil enthält gemeinsame Vorschriften der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters. Nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 VermKatG hat

1 Das Gesetz findet sich abgedruckt in Ziegler/Tremel, Verwaltungsgesetze des Freistaates Bayern, Textsammlung, Nr. 427.

24

1. Teil Bestand des bayerischen Vermessungswesens „die Landesvermessung die Aufgabe, die Erhaltung der geodätischen Grundlagen für eine allgemeine Landesaufnahme zu schaffen und zu erhalten, das Landesgebiet aufzunehmen und es in topographischen Karten darzustellen". Gemäß Art. 8 Abs. 1 VermKatG „dienen die Katastervermessungen der Festlegung und Sicherung der Eigentumsgrenzen sowie der Fortfuhrung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters". Dieses wird nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 VermKatG aus dem Katasterkartenwerk und den Katasterbüchern gebildet. Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 werden „die Liegenschaften des Staatsgebietes in dem Katasterkartenwerk dargestellt und in den Katasterbüchern beschrieben".

In Bayern ist im Gegensatz zu anderen Bundesländern die Katastervermessung ausschließlich staatlich2. In den allgemeinen Vorschriften sind Regelungen über den Behördenaufbau, über die Duldungspflichten von Eigentümern und Nutzungsberechtigten, über Gebühren etc. enthalten. Von besonderem Interesse sind hierbei die Regelungen über die Organisation des staatlichen Vermessungswesens. Nach Art. 12 Abs. 1 VermKatG sind „die Landesvermessung, die Aufstellung, Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters sowie die fur die Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters erforderlichen Vermessungen Aufgaben des Staates".

Der Behördenaufbau der bayerischen Vermessungsverwaltung ist in Art. 12 VermKatG näher geregelt. Oberste Behörde für das staatliche Vermessungs- und Katasterwesen ist nach Absatz 2 das Staatsministerium der Finanzen3. Ihm obliegt die oberste Leitung und Aufsicht über das gesamte Vermessungs- und Katasterwesen sowie über den staatlichen Vermessungsdienst. Nach Absatz 3 Satz 1 und 2 ist das Bayerische Landesvermessungsamt für den gesamten Bereich der Landesvermessung Landeszentralbehörde. Diese ist dem Staatsministerium der Finanzen unmittelbar nachgeordnet. Neben der Landesvermessung obliegen diesem Amt weiterhin die in Absatz 3 Satz 2 genannten Aufgaben. Der sogenannte Fortführungsvermessungsdienst ist aufgrund des Absatz 3 Satz 3 den 79 staatlichen Vermessungsämtern in Bayern übertragen 4. Vermessungsämter sind Unterbehörden. Über ihnen stehen die Bezirksfinanzdirektionen als Mittelbehörden des Fortführungsvermessungsdienstes, welche die Aufsicht über die Unterbehörden üben5. Die Bezirksfinanzdirektionen wiederum unterliegen der Aufsicht des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen. Das Bayerische Landesvermessungsamt ist zwar eine dem Staatsministerium der Finanzen nachgeordnete Behörde, jedoch nicht in den Behördenaufbau des

2

Vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 2 VermKatG. In den verschiedenen Ländern Deutschlands besteht keine einheitliche Zuordnung des Vermessungswesens zu einem bestimmten Ministerium. In anderen Ländern ist die oberste Behörde nicht das Finanzministerium, sondern das Innenministerium. 4 D i p Beschreibung des Fortfuhrungsvermessungsdienstes findet sich im 2. Kapitel. 5 Bezirksfinanzdirektionen befinden sich in Bayern in Ansbach, Augsburg, Landshut, München und Würzburg. 3

1. Kapitel Rechtsgrundlagen

25

Vermessungswesens eingebunden. Sie darf weder den Bezirksfinanzdirektionen noch den Vermessungsämtern Weisungen erteilen.

I I . Kommunales Vermessungswesen in Bayern Für das kommunale Vermessungswesen gibt es in Bayern, anders als für das staatliche, keine gesetzliche Grundlage. Vielmehr ist es auf das in Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung (BV) geregelte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden in den eigenen Angelegenheiten (eigener Wirkungskreis) gestützt6. Art. 83 Abs. 1 BV zählt (nicht abschließend) verschiedene Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden auf. Für das städtische Vermessungswesen sind hierbei die Angelegenheiten des örtlichen Verkehrs nebst Straßen- und Wegebau, die Ortsplanung und der Wohnungsbau bemerkenswert, aber nicht wirklich als Gesetzesgrundlage einschlägig: Einfachgesetzlich stützt sich das städtische Vermessungswesen auf die Art. 7 und 57 der Bayerischen Gemeindeordnung, welche den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden regeln. Kommunale Vermessungsämter existieren nur in den größeren bayerischen Städten. So weist der Aufgabengliederungsplan der Stadt Nürnberg die kommunalen Vermessungsaufgaben dem Stadtvermessungsamt zu 7 . In den kleineren Städten und kreisangehörigen Gemeinden wird das Vermessungswesen von anderen Ämtern wie den Baubehörden wahrgenommen. Die Größenordnung städtischer Vermessungsämter zeigt das Amt für Geoinformationen und Bodenordnung in Nürnberg (Stadtvermessungsamt): Die personelle Ausstattung des Amtes betrug 1990 140 Mitarbeiter. Auch in den Jahren davor hatte das Amt etwa genauso viele Mitarbeiter.

6 Etwas anderes gilt nur für die Landeshauptstadt München. Nach Art. 12 Abs. 7 VermKatG ist das Städtische Vermessungsamt München befugt, innerhalb des Stadtgebietes an Liegenschaften, die im Eigentum der Landeshauptstadt stehen oder von ihr zum Erwerb vorgesehen sind, Katastervermessungen auszuführen. Diese Befugnis, die 1889 erstmalig erteilt wurde, wurde bei der Verstaatlichung des Fortfuhrungsvermessungsdienstes ausnahmsweise belassen und ist stets widerruflich (siehe F. Simmerding , Bayerisches Abmarkungsrecht, 2. Aufl. 1986, S. 248). 7 Um eine Verwechslung mit dem Staatlichen Vermessungsamt zu vermeiden, wurde das Stadtvermessungsamt Nürnberg erst kürzlich, nämlich 1989, umbenannt in das Amt für Geoinformationen und Bodenordnung. Dadurch sollte bei der Bevölkerung dem Eindruck begegnet werden, daß sich zwei Behörden um „dieselben" Angelegenheiten kümmern würden.

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1. Teil Bestand des bayerischen Vermessungswesens

2. Kapitel

Vermessungsbereiche des Staates und der Kommunen in Bayern

I. Amtliche Vermessung des Freistaates Bayern Das staatliche Vermessungswesen unterscheidet, wie das Gesetz über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster schon zeigt, zwischen Landesvermessung und Katastervermessung. Nach dieser Aufgabenteilung im bayerischen Vermessungswesen obliegt der Landesvermessung die Herstellung und Erhaltung der Grundnetze für die Aufmessung des Landesgebietes (Grundlagenvermessung), die topographische Landesaufnahme und die Herausgabe der amtlichen topographischen Karten. Unter Grundlagenvermessung wird die Schaffung einheitlicher geodätischer Bezugssysteme für Lage, Höhe und Schwere verstanden. Die dafür erforderlichen Festpunkte sind landesweit einzurichten und zu erhalten. Die Ergebnisse der Landesvermessung sollen der Wirtschaft, dem Umwelt- und Naturschutz, der Landesverteidigung, der Verwaltung und der Wissenschaft dienen. Eine weitere besondere Aufgabe der Landesvermessung ist die Luftbilddokumentation, welche vor allem Satellitenbilder und Luftaufnahmen umfaßt. Die Katastervermessung dient nach Art. 8 Abs. 1 VermKatG der Festlegung und Sicherung der Eigentumsgrenzen sowie der Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters. Sie dürfen nur von den nach Art. 12 VermKatG befugten Stellen ausgeführt werden. Die Katastervermessung erfaßt für die einzelnen Grundstücke die Merkmale, die für die Beschreibung und Darstellung der Liegenschaften in den Büchern und Karten des Katasters erforderlich sind8. Besonders wichtige Aufgaben der Katastervermessung sind dabei die Festlegungssicherung der Grundstücksgrenzen (Neuvermessung)9. Darüber hinaus dienen die Katastervermessungen der Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters (Fortführungsvermessung). Darunter sind nach Art. 8 Abs. 2 VermKatG diejenigen Veränderungen zu verstehen, die am Umfang der Grundstücke, in der Abgrenzung der Nutzungsarten und im Bestand der Gebäude eintreten können. Das Liegenschaftskataster ist das amtliche Verzeichnis der Grundstücke im Sinne des § 2 Abs. 2 der Grundbuchordnung (GBO). Nach Art. 12 Abs. 1 VermKatG sind die Landesvermessung, die Aufstellung, Fortführung und Erneuerung des Liegen-

8

F. Simmerding, Bayerisches Abmarkungsrecht, VermKatG, 2. Aufl. 1986, S. 238. Die 79 Vermessungsämter erledigen jährlich ca. 60.000 Grundstücksvermessungen und 180.000 Gebäude Vermessungen. Quelle: Bayerische Vermessungsverwaltung, http://www.bavaria.de. 9

2. Kapitel Vermessungsbereiche des Staates und der Kommunen

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schaftskatasters sowie die für die Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters erforderlichen Vermessungen, wie schon zitiert, Aufgaben des Staates. Sie werden im wesentlichen vom Bayerischen Landesvermessungsamt und von den staatlichen Vermessungsämtern ausgeführt. Der folgende Überblick über die Aufgaben des Bayerischen Landesvermessungsamtes und der staatlichen Vermessungsämter skizziert zum einen die Verteilung auf die verschiedenen Behörden und zum anderen die umfangreichen Aufgaben, die zur Landes- bzw. Katastervermessung gehören, nämlich: die Erstellung, Erhaltung, Ergänzung und Erneuerung des trigonometrischen Festpunktfeldes, des Nivellementfeldes und des Schwerenetzes; die topographische Landesaufnahme einschließlich des Luftbildwesens und des Luftbildarchives; die Herstellung, Herausgabe, Nachführung und Erneuerung der Hohenflurkarten und amtlichen topographischen Karten einschließlich der Umgebungskarten und Übersichtskarten; die Herausgabe und Erneuerung der Katasterkarten einschließlich der Schätzungskarten und der zugehörigen Übersichtskarten; die Katasterneuvermessung, Katasterphotogrammetrie und die Angelegenheiten der Landesgrenze und schließlich die elektronische Datenverarbeitung von Landes- und Katastervermessungen. Den Vermessungsämtern obliegt der sogenannte Fortführungsvermessungsdienst. Darunter fallen alle vermessungs- und katastertechnischen Arbeiten zur Übertragung und Sicherung des Grundeigentums und zur Laufendhaltung der öffentlichen Bücher und der Katasterkarten; die Führung des Liegenschaftskatasters sowie die Mitwirkung bei der Erneuerung der Katasterkarten. II. Amtliche Vermessung bayerischer Kommunen Eine gesetzliche Definition, was unter der kommunalen Vermessungsverwaltung zu verstehen sei, gibt es nicht. Die Aufgaben und Pflichten der bayerischen Gemeinden, die das Vermessungswesen betreffen, bestimmen sich vielmehr nach dem allgemeinen Begriff der »Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" des Art. 7 Abs. 2 BayGO, der gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den eigenen Wirkungskreis bestimmt. Ursprünglich hatten die kommunalen Vermessungsämter die Aufgabe, das Gemeindegebiet zu vermessen und die Vermessungsergebnisse in Form von Kartierungen sichtbar zu machen. Im Laufe der Zeit wurde der Tätigkeitsbereich der kommunalen Vermessungsverwaltung jedoch immer mehr erweitert. Die Vermessungsaufgaben der großen bayerischen Städte wie München und Nürnberg übertreffen die Tätigkeitsbereiche der kleinen kreisangehörigen Gemeinden erheblich. Folgende Aufgaben werden von den kommunalen Vermessungsämtern wahrgenommen: Vermessungen auf dem Gemeindegebiet für unterschiedlichste Zwecke, so zum Beispiel für Planungs- und Baumaßnahmen der Stadt, etwa für den Straßen- und U-Bahn-Bau, für die Anfertigung neuer Karten, für die Durchführung von Umlegungsverfahren von städtebaulichen Ordnungsmaßnahmen, für das

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1. Teil Bestand des bayerischen Vermessungswesens

Steuerwesen etc.; die Herstellung verschiedener Stadtkarten; die Verdichtung und Erhaltung des Lage- und Höhenfestpunktfeldes, welches Grundlage für die vermessungstechnischen Arbeiten ist; die Gebäudenumerierung; die Umlegungen im Rahmen der Bodenordnung gemäß § 45 ff. Baugesetzbuch; die Ermittlung von Grundstückswerten gemäß §§ 192 ff. Baugesetzbuch; die Führung der Kaufpreissammlung gemäß § 195 Baugesetzbuch, in welcher sämtliche Verträge, durch die sich jemand verpflichtet, Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, aufgenommen werden; die Leitungsdokumentation (z.B. Kanalkataster) und der Aufbau von Leitungsdokumentationssystemen.

I I I . Privatwirtschaftliche Vermessung des Freistaats Bayern und der bayerischen Kommunen Aufgrund der sachlichen und personellen Stärke der kommunalen und staatlichen Vermessungsämter besitzt das bayerische amtliche Vermessungswesen das Potential, auch privatwirtschaftlich, also außerhalb des amtlichen Aufgabenbereiches, tätig zu werden 10. Bei der privatwirtschaftlichen Betätigung der Vermessungsverwaltung gilt es wiederum, zwischen der staatlichen und der kommunalen zu unterscheiden. 1. Eine privatwirtschaftliche Betätigung der staatlichen Vermessungsämter findet aus zweifachem Grunde kaum statt. Im Gegensatz zu den anderen Ländern Deutschlands werden in Art. 12 Abs. 1 VermKatG fast alle Bereiche des Vermessungswesens als Aufgaben des Staates erfaßt. Diese bayerische Gesetzeslage führt dazu, daß es kaum Tätigkeitsfelder gibt, innerhalb welcher der Staat nicht amtlich, also privatheitlich handeln könnte. Weil dem freiberuflichen Vermessungsingenieur in Bayern die meisten Vermessungsarten durch die staatliche Vermessung untersagt sind, begegnen sie dem Freistaat Bayern nur in geringem Umfang als Wettbewerber auf dem Markt. Für das staatliche Vermessungswesen hat darum die Rechtswidrigkeit der privatwirtschaftlichen Betätigung der staatlichen Vermessungsämter nur geringe berufliche und wirtschaftliche Relevanz. Wesentlich ist insofern vielmehr, welche durch Art. 12 Abs. 1 VermKatG zu Aufgaben des Staates erklärten Bereiche privatisiert werden müssen. 2. Die privatwirtschaftliche Betätigung der kommunalen Vermessungsämter ist beruflich und wirtschaftlich für die freiberuflichen Vermessungsingenieure wegen ihres größeren Umfangs von Bedeutung. Baugenehmigungen nach Art. 72 und 73 BayBO der Stadt München z.B. enthalten regelmäßig die Nebenbestimmung, daß die Absteckung der Grundflächen und die Festlegung der Hö10 Im städtischen Vermessungsamt Nürnberg arbeiten ca. 140 Personen. In den 79 staatlichen Vermessungsämtern arbeiten jeweils 50 bis 60 Personen, abhängig von der Größe des Verwaltungsgebietes.

3. Kapitel Freiberufliche Vermessungsaufgaben

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henlage vor Baubeginn oder vor Errichtung der Außenwände zu bescheinigen sind. Die Nebenbestimmungen weisen darauf hin, daß die Bescheinigung vom städtischen Vermessungsamt oder auch einem privaten Sachverständigen nach § 15 SVBau nachgewiesen werden können11. Die Gebühren des Städtischen Vermessungsamtes liegen beträchtlich unter der für die Freiberufler verbindlichen Honorarordnung 12. Insbesondere werden kommunale Vermessungsämter auch in benachbarten Kommunen tätig, wie das Stadtvermessungsamt Nürnberg in Fürth, möglicherweise im Rahmen des Städteverbundes. Die Vermessungsämter der Kommunen treten als Wettbewerber der freiberuflich tätigen Vermessungsingenieure bei Ausschreibungen anderer Kommunen auf, die nicht über ein eigenes Vermessungsamt verfügen, aber auch bei staatlichen Ausschreibungen.

3. Kapitel

Vermessungsaufgaben der freiberuflichen Vermessungsingenieure in Bayern I. Gegenwärtige Aufgaben 1. Die Vermessungsbereiche der freien beruflichen Vermessungsbüros im staatlichen bayerischen Vermessungswesen sind sehr eingeschränkt. Die nicht als staatliche Aufgabe gesetzlich geregelte Vermessungstätigkeit (1. Kap. I.) verbleibt auch den freien Berufen. Privatunternehmen (in der Regel Ingenieurbüros) sind deshalb im Bereich der Ingeniervermessungen, der Erstellung von Bestandsplänen (z.B. für Ver- und Entsorgungsleitungen etc.) tätig. Mit Ausnahmegenehmigung sind sie auch berechtigt, Koordinaten und Festlegungsmaße für Grenzpunkte zu erhalten. Nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG dürfen Vermessungen von Privatpersonen für das Liegenschaftskataster nur verwendet werden, wenn die das Kataster führende Behörde die Ergebnisse für geeignet erachtet und ein Bedürfnis für die Übernahme besteht. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen als oberste Vermessungsbehörde definiert die Begriffe „Bedürfiiis" zur Übernahme und die „Geeignetheit" der Ergebnisse sehr eng 13 . So erfordert der Begriff des Bedürfiiis11

Vgl. z.B. Baugenehmigung vom 5. Mai 1998; siehe auch die Schreiben des Arbeitskreises Beratende Ingenieure vom 26.10.1999. 12 Siehe auch die Schreiben des Arbeitskreises Beratende Ingenieure vom 26.10.1999. 13 Anlage zum FMS vom 18.7.1997, AZ 74/Vm 4102/2-32916, Grundsätze zur Zusammenarbeit privater Vermessungsbüros und anderer Vermessungsstellen mit den staatlichen Vermessungsämtern bei der Übernahme von Gebäudemessungen in das Liegenschaftskataster gemäß Art. 8 Abs. 9 VermKatG, Ziff. 2.

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1. Teil Bestand des bayerischen Vermessungswesens

ses, daß bei den Vermessungsämtern ein gesamtwirtschaftlicher Vorteil zu erwarten ist und durch die Übernahme insbesondere keine Mehr- oder Doppelarbeit im Innen- oder Außendienst gegenüber der Einmessung von Amts wegen entsteht. Darüber hinaus muß einwandfreies Datenmaterial vorgelegt werden, so daß Nachund Ergänzungsarbeiten durch das Vermessungsamt nicht erforderlich sind. Der Entscheidung muß ein objektives Bedürfnis seitens der Verwaltung zugrunde liegen. Die Entscheidung darf nicht von der Interessenlage eines Dritten abhängig gemacht werden. Die Eignung zur Übernahme, welche von dem Staatsministerium der Finanzen anhand der Gebäudeeinmessung dargestellt wird, setzt fünf Bedingungen voraus: (1) Die Vermessung und Koordinierung der Gebäude ist zwingend im amtlichen Koordinatensystem mit Bezug auf das Katasterfestpunktfeld des Vermessungsamtes und in Abhängigkeit von unmittelbar benachbarten Altpunkten durchzuführen. (2) Sämtliche Eckpunkte der Gebäude sind zu koordinieren. (3) Das Rechenprotokoll soll mindestens die folgenden Nachweise enthalten: die Einpassung in das bestehende Festpunktfeld, die Aufnahme und Kontrolle der alten und neuen Punkte, eine Koordinatenliste und die eingesetzten Vermessungsgeräte. (4) Die bautechnische Dokumentation soll mindestens enthalten: die Darstellung der alten Situation, die Darstellung der neuen Situation in roter Farbe, verwendete Anschlußpunkte, Kennzeichen der Koordinatenkontrolle, berechnete Maße mit nachgestelltem Hinweis „b" und Nordpfeil und Maßstab der Situation. (5) Datenaustausch über Datenträger. Weil alle Tätigkeiten des Freistaates von den Ämtern selbst wahrgenommen werden können und meist auch werden, liegt im Regelfall kein Bedürfiiis vor, so daß von der Möglichkeit des Art. 8 Abs. 9 VermKatG selten Gebrauch gemacht wird. Die Genehmigung erteilt eine Behörde, die selbst diese Dienstleistung erbringt und daher als Konkurrenz zu verstehen ist. Die Praxis zeigt, daß die Ausnahmegenehmigung nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG nur zurückhaltend erteilt wird. Die Vermessungsarbeiten der Privatunternehmen werden somit durch das Genehmigungserfordernis und zusätzlich durch die restriktive Genehmigungspraxis zurückgedrängt 14. 2. Für das kommunale Vermessungswesen läßt sich eine Beschränkung, wie sie Art. 8 Abs. 9 VermKatG für das staatliche Vermesungswesen enthält, nicht finden. Der Übertragung vermessungstechnischer Arbeiten im kommunalen Bereich auf Private stehen deshalb keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Die Übertragung findet jedoch in denjenigen Gemeinden, die eigene Vermessungsämter eingerichtet haben, sehr selten statt. Trotz des Subsidiaritätsgrundsatzes des

14 Vgl. Bescheid des bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 20.06.1996, wo ausdrücklich festgestellt wird, daß „die Vermessungsarbeiten der Privatunternehmen damit nicht jenen der bayerischen Vermessungsverwaltung gleichgestellt" sind.

3. Kapitel Freiberufliche Vermessungsaufgaben

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Art. 87 Abs. 1 BayGO 15 werden die Gemeinden in immer größerem Umfang auch unternehmerisch im Vermessungswesen tätig, um vorhandene Ressourcen, die aufgrund unzureichender Auslastung amtlicher Vermessungstätigkeit unausgelastet sind, wenn nicht gewinnbringend, so doch kostendeckend einzusetzen.

II. Angestrebte Aufgaben Im Vermessungswesen ließen sich alle Bereiche privatisieren. Die Privatisierung liegt sowohl im Interesse der privaten Wirtschaft als auch im Interesse des Freistaates Bayern. Die Neufassung der Bayerischen Gemeindeordnung hat der unternehmerischen Betätigung der Gemeinden wesentlich engere Grenzen gezogen als die Vorschrift des Art. 87 BayGO, die dem vorausging. Noch deutlicher wird die Privatisierung staatlicher Aufgaben in einem Arbeitspapier des Deutschen Bundestages angesprochen, in welchem zum staatlichen Vermessungswesen unter der Überschrift „zukünftige weitere Maßnahmen zur Verschlankung des Staates" in Ziffer 2 und 3 ausgeführt wird 16 : 2. Übernahme der Wertermittlungen bei Grundstücken und Gebäuden durch freiberufliche Sachverständige Wertermittlungen von Grundstücken und Gebäuden werden derzeit noch durch verschiedene Behörden und Körperschaften vorgenommen (z.B. Finanzbehörden und Kommunen). Diese Aufgaben können konzentriert und auf freiberufliche Vermessungsingenieure oder Sachverständige übertragen werden. Durch die Privatisierung lassen sich Synergien nutzen und vorgehaltene Strukturen abbauen. 3. Abbau der Kataster- und Vermessungsämter Grundlagen- und Fortführungsvermessungen in Stadt und Land, bei Straßen und Wasserstraßen, bei Gebäuden und Brücken sollen zukünftig durch freiberufliche Vermessungsingenieure durchgeführt werden; hier sollte auch die Katasterführung durch Private diskutiert werden. Auf diese Weise können aufwendige Verwaltungsstrukturen abgebaut und eine unnötige Konkurrenz gegenüber privaten Anbietern reduziert werden. Die Privatisierung des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens würde der Politik des schlanken Staates gerecht werden. Bei der Neuverteilung der Vermessungsaufgaben kann zwischen stärker verwaltenden und stärker technischen

15

Dazu 3. Teil, 3. Kap., IV. Siehe Drucksache 13/10145 v. 19.3.1998 des Deutschen Bundestags, 13. Wahlperiode; vgl. auch die Vorschläge der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Arbeitsgruppe „Schlanker Staat", Schreiben vom 5.12.1996; Grundsatzpapier - Vermessung 2000 - der Bayerische Weg im Vermessungungswesen, das sowohl von den Vertretern der freiberuflichen Vermessungsingenieure als auch von der Bayerischen Vermessungsverwaltung unterzeichnet worden ist, vom 5.3.1993. 16

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1. Teil Bestand des bayerischen Vermessungswesens

Aufgaben unterschieden werden. Während mehr technische Bereiche vollständig privatisiert werden sollten, kann es in Grenzen tragfähig sein, Verwaltungsaufgaben weiterhin als Staatsaufgabe durchzuführen; zumal im Katasterwesen. Technische Bereiche der Landesvermessung sind: die Lagenetzvermessung, die Höhennetzvermessung, GPS-Messungen, photogrammetrische Auswertungen, Orthophotoherstellung und Digitalisierung. Hinsichtlich der Katastervermessungen können prinzipiell alle Aufgaben von Privaten übernommen werden, die nichts mit der Verwaltung des Liegenschaftskatasters und des Grundbuches zu tun haben. Dies sind insbesondere alle vermessenden Tätigkeiten des Außendienstes. Die technische Vermessungstätigkeit der Kommunen ist gänzlich zu privatisieren. Hierzu zählen insbesondere die Bestandsdokumentation, die Entwurfs- und Bauvermessung, aber auch die Grundstücksbewertung. Zumindest sind alle Vermessungsbereiche privatisierungsfähig, die in anderen Ländern Deutschlands vom Staat auf Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure übertragen sind. Allemal besteht eine Pflicht zu bestmöglicher Privatisierung des Vermessungsund Katasterwesens (3. Teil).

Zweiter

Teil

Staatlichkeit und Privatheitlichkeit von öffentlichen Aufgaben

7. Kapitel

Institutioneller Begriff des Staates 1. Der v o m Grundgesetz verfaßte Staat, die Bundesrepublik Deutschland, ist der Staat des deutschen V o l k e s 1 7 . Dieses V o l k ist die Gesamtheit prinzipiell aller Deutschen, zumindest derer mit Wohnsitz oder Aufenthalt i m Geltungsbereich des Grundgesetzes 18 . Es gibt keine Rechtsperson Staat, die divers wäre v o m V o l k . Der Staat als juristische Person des öffentlichen Rechts ist eine K ö r perschaft, deren Mitglieder die Deutschen sind 1 9 . „ A l l e Staatsgewalt" i m Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 1 G G ist die Staatlichkeit unter dem Grundgesetz 20 . Die Deutschen sind, oder, demokratierechtlich formuliert, haben sich nach Maßgabe des Grundgesetzes zu einem freiheitlichen

Gemeinwesen, einer Republik, ver-

faßt 2 1 . Der grundgesetzliche Staat existiert allein kraft des Verfassungsgesetzes 17 R. Herzog , in: Maunz/Dürig, GG, 1987, Rdn. 23 zu Art. 20 GG, II. Abschnitt; K. Stern , Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Staatsrecht), Bd. I, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, 2. Aufl. 1984, S. 604 ff.; E.-W. Böckenförde , Staat, Gesellschaft, Freiheit, Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht, 1976, S. 197 f f ; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, Kritik der Fiskustheorie, exemplifiziert an § 1 UWG, 1986, S. 175 ff., mit weiteren Belegen; ders ., Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994, S. 14 ff.; ders.(O.Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, Kritik der Altschuldenpolitik. Ein Beitrag zur Lehre vom Recht und Unrecht, 1996, S. 64 ff., auch S. 29 ff. 18

R. Herzog , in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 23 zu Art. 20 GG. R. Herzog , Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 141, 145 f.; wenig klar insofern M. Kriele , Einfuhrung in die Staatslehre. Die geschichtlichen Legitimationsgrundlagen des demokratischen Verfassungsstaates, 1975, S. 309. 20 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 1988, S. 144 („Die Verfassung kennt nur konstituierte Staatlichkeit"); ebenso H. Krüger , Das besondere Gewaltverhältnis, VVDStRL 15 (1957), S. 121. 21 Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 14 ff., passim. 19

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

der Deutschen. Dieser Rechtssatz ist Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat". Die Bundesrepublik Deutschland ist der Staat, dessen Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG vom Volke ausgeht. Das besagt zugleich: Der Staat, der gemeint ist, ist die Bundesrepublik Deutschland. Art. 23 GG a.F. hatte den (vorläufigen) Geltungsbereich des Grundgesetzes mit dem notwendigen geographischen Bezug beschrieben. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein „Bundesstaat". Sie besteht aus einem Zentralstaat, dem Bund, und Gliederstaaten, den Ländern. Das Grundgesetz ordnet den Staat weiterhin organisatorisch und gibt mit Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG die kommunale Verfassung. Alle Rechtsverhältnisse, an denen unmittelbar die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, sind staatlich. Die staatlichen Rechtssubjekte sind die Gebietskörperschaften, nämlich der Bund, die Länder und die Gemeinden und Gemeindeverbände, letztere trotz aller kommunalen Besonderheiten. Wegen der Integration in die Europäische Union gehören auch deren Organe zum Staat der Deutschen22. Zum Staat des Grundgesetzes gehören auch die von den Gebietskörperschaften errichteten Rechtssubjekte aller Art einschließlich der staatlichen Privatrechtssubjekte 23, wie etwa die Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung der öffentlichen Hände 24 . Es gibt keine juristischen Personen, die losgelöst von den Menschen sind, die sich von den Menschen oder vom Staat als einer Organisation der Menschen und Bürger verselbständigen dürfen oder auch nur können. Eine solche Verselbständigung ist nichts anderes als vollmachtloses Handeln der Amtswalter, wie es die ultra-vires-Lehre klarlegt 25 . Es ist unbestritten, daß Träger der sogenannten Privatrechtsgesellschaften der öffentlichen Hände die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind 26 . Der allein tragende Gesichtspunkt für die Zuordnung der Unternehmen des Staates in Privatrechtsform wie aller juristischer Personen des privaten Rechts in der Hand des Staates ist der, daß sie sich in der Hand eben des Staates befin22 Dazu KA. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, in: ders./Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 75 ff., insb. S. 87 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP Beiheft 71 (1997), S. 153 ff.; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, Manuskript 2003, § 3 III. 23

Das ist die Grundeinsicht der Ablehnung jeder gemeindlichen Grundrechtsberechtigung aus Art. 14 GG in BVerfGE 61, 82 (100 ff.). 24

K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 ff., auch S. 6 ff. Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 22 f., 41 f., 256, 262; ders., Res publica res populi, S. 184, 202,451 f., 473, 1143. 26 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 176; ders., Die Einwirkungsrechte des Staates auf seine privatistischen Unternehmen, Lehrstuhl 1991, S. 1 ff.; H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl. 1987, § 104a, Rdn. 10 ff., S. 428 ff.; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, Staatsaufgabendogmatik. Phänomenologie - Verfassungsrecht, 1999, S. 65 ff., 76 ff. 25

1. Kapitel Institutioneller Begriff des Staates

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den, daß ihr Verhalten dem Staat zuzurechnen ist, der sie betreibt. Das gilt jedenfalls für die juristischen Personen des Privatrechts, deren Anteile ausschließlich dem Staat gehören. Dabei ist es irrelevant, ob Inhaber der Anteile eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, etwa der Bund, ein Land oder eine Kommune, oder ob mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts sich die Anteile teilen. Die Zulässigkeit derartiger Verbindungen ist hier nicht zu erörtern. Sie kann etwa aus Erwägungen des Bundesstaatsrechts (Stichwort: Mischverwaltung) fraglich sein. Ein Gesichtspunkt, der die Staatlichkeit dieser juristischen Person des Privatrechts in Frage zu stellen vermöchte, ist nicht ersichtlich. Der Staat könnte andere Organisations- und Rechtsformen nutzen, insbesondere solche, die der Staatlichkeit des Unternehmens eher adäquat sind 27 , wie die des Eigenbetriebes oder Sonderrechtsformen, wie der Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts in Bayern (Art. 86 Nr. 2 BayGO, Art. 72 BayBezO). Besondere Zuordnungsprobleme werfen die sogenannten gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen auf, an denen neben Privaten auch der Staat beteiligt ist. Sie sind in der Praxis der Regelfall unternehmerischer Betätigung des Staates 28 . Die staatliche Beteiligung bleibt staatliches Handeln, welches dessen Eigenart gemäß rechtlich zu beurteilen ist. Das Handeln der Privatunternehmen bleibt privates Handeln. Beteiligung an Unternehmen als Instrument staatlicher Einflußnahme auf die Privatwirtschaft bedarf besonderer Rechtfertigung, die in Einzelfallen, etwa durch einen Sanierungszweck, gegeben sein kann. Die private Beteiligung an Staatsunternehmen erscheint durchgehend verfassungswidrig, weil der besondere Einfluß Privater auf staatliches Handeln der politischen Gleichheit aller Deutschen widerspricht. Problemen der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen muß in dieser Schrift nicht nachgegangen werden, weil es keine Anhaltspunkte für einen dahingehenden Umbau des Vermessungswesens gibt. 2. Das Bundesverfassungsgericht hat juristischen Personen des Privatrechts in der Hand des Staates Grundrechtsschutz versagt, weil sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Weil staatliches Handeln sich nicht danach differenzieren 27 Bemerkenswert W. Böhmer , Sondervotum zu BVerfG, NJW 1981, 1257 ff., NJW 1981, 1262: „Den sich insoweit (sc. „privatrechtliche Organisationsformen (AG, GmbH usw.) der Exekutive") aus dem Staatsorganisationsrecht ergebenden Fragen ist hier nicht nachzugehen"; also gibt es Fragen! Klar auch P.-H. Naendrup , Privatrechtliche Haftungsbeschränkung und staatliche Verantwortung, 1967, S. 222 („ ... , daß das private Organisationssystem staatspersonalen Handelns von Anbeginn an antinomisch ist."). 28 Zur Problematik der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen: G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985, S. 26; J. Berkemann , Die staatliche Kapitalbeteiligung an Aktiengesellschaften, 1966; J.v.Trott zu Solz , Die staatlich beeinflußte Aktiengesellschaft als Instrument der öffentlichen Verwaltung, 1975; K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 176 f., auch S. 310 ff.; ders ., Die Einwirkungsrechte des Staates auf seine privatistischen Unternehmen, S. 7 ff.

2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

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läßt, ob öffentliche oder nicht-öffentliche Aufgaben ausgeführt werden 2 9 , ist diese Rechtsprechung auf alles staatliche Verhalten zu übertragen 30 , das eben nur institutionell begriffen werden darf. Der Staat ist somit unter dem Grundgesetz die „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen", wie es Kant i n seiner Metaphysik der Sitten ähnlich Hobbes definiert hat 3 1 . Die Menschen sind allein als (individúale) Bürger zu erfassen, die sich freilich auch zu Vereinen und Gesellschaften verbinden dürfen (Art. 9 Abs. 1 GG). Das Spezifische ist die individúale Personalität des Menschen 3 2 gegenüber der personalen und funktionalen Allgemeinheit des Staatlichen 33 . Die staatsrechtliche und staatswissenschaftliche Fragestellung w i r d verzerrt, wenn Staat und Gesellschaft gegenübergestellt werden, weil das die Frage der konstitutionellen Monarchie war, auf die das Grundgesetz keine Antwort gibt 3 4 . Die grundgesetzliche Fragestellung ist die des Verhältnisses des Menschen zu seinem Staat 35 .

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Dazu 3. Kapitel. So jetzt nur mit einem Vorsichtsvorbehalt BVerfGE 61, 82 (105) freilich mit anderer als staatsaufgabenrechtlicher Begründung; Hinweise in Fn. 821 f. und Fn. 92. 31 Kant, Metaphysik der Sitten, in: Werk in 10 Bänden, ed. W. Weischedel, Bd. 7, 1983, S. 431; Hobbes, Vom Menschen - vom Bürger, hrsg. von G. Gawlick 1959, S. 205; W. Maihofer, Rechtsstaat und menschliche Würde, 1968, S. 63, wertet diese Definition zu Recht als „materiales Prinzip des freiheitlichen Rechtsstaates" wegen des kantischen Unterschiedes von Rechtsgesetz und Sittengesetz; so auch ders., Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 12, Rdn. 51, 60, 65, 70, 120 S. 454, 461, 465, 468, 501; zustimmend R. Marcic, Geschichte der Rechtsphilosophie, Schwerpunkte-Kontrapunkte, 1971, S. 307. 32 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 97 f., 238 ff.; ders., Res publica res populi, S. 211 f f , 275 f f , 374 ff.; ders., Freiheit in der Republik, Manuskript 2003, 2. Kap (kantianisch), 5. Kap., II, 6. Kap., II, 8. Kap.; ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 f f , insb. S. 154 ff. 33 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 ff., 247 f f ; ders., Res publica res populi, S. 211 ff., 519 ff, 637 f f , 707 ff. 34 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 f f , 175 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap, II. 35 Einen dritten Bereich von freiheits- und demokratierechtlicher Relevanz zwischen dem des Staates und dem der Gesellschaft der Privaten, etwa den des Öffentlichen (dazu J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, 4. Aufl. 1969, insb. § 17, S. 172 ff.; U. K. Preuß, Zum staatsrechtlichen Begriff des Öffentlichen, 1969, S. 184 ff, 197 f f , 210 f f , 215 ff. („sozialstaatliche Selbstverwaltung"); dazu kritisch W. Henke, Die Rechtsformen der sozialen Sicherung und das allgemeine Verwaltungsrecht, VVDStRL 28 (1970), S. 166 gibt es nach dem Grundgesetz nicht. Dieser soll Verhaltensweisen des Menschen erfassen, die wegen ihrer Wichtigkeit für die Allgemeinheit nicht zum Bereich des Privaten, aber wegen ihrer privatrechtsformigen Organisation und wegen sonstiger Besonderheiten nicht dem Bereich des Staates zugeordnet werden sollen. Zugleich sollen staatliche Bereiche, die aus dem Staatlichen herauszubrechen nicht ohne Chance erscheint, aus dem Begriff des Staatlichen herausdefiniert werden, ohne daß sie dem Privaten zugerechnet werden können oder auch nur sollen; letzteres schon nicht wegen der öffentlich-rechtlichen Or30

1. Kapitel Institutioneller Begriff des Staates

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3. Die Gesamtheit der Privaten mag man als die Gesellschaft bezeichnen. Dieser Begriff der Gesellschaft hat trotz dessen Benutzung in Art. 6 Abs. 5 GG in dem freiheitlich-demokratischen Staatswesen keinen spezifischen staatsrechtlichen Stellenwert. Die Entgegensetzung von Staat und Gesellschaft ist konstitutionell-monarchisch gedacht36. Sie suggeriert noch immer ein eigenständiges ganisationsform, noch weniger aber wegen der finanziellen Inanspruchnahme und Verantwortung des Staates für diese Einheiten, insbesondere die Hochschulen, vgl. U.K. Preuß , a.a.O., S. 210 f f , 215 ff. Es geht sowohl um 'Emanzipation' aus dem Staatlichen als auch um 'Emanzipation' aus dem Privaten und dessen Autonomieschutz. Es soll sich ein Bereich etablieren, der durch eine dritte Rechtsordnung außer der Privatrechts- und außer der Staatsrechtsordnung bestimmt wäre. Dieser dritte Bereich hatte ein Feld für rechtsschöpfende Kreativität gegeben, die nicht durch freiheitsrechtliche oder staatsrechtliche Bindungen eingeschnürt wäre. Das wäre sowohl gegen die Freiheitlichkeit und damit Privatheit des Privaten als auch gegen die Staatlichkeit des Staates gerichtet, die unter dem Grundgesetz untrennbar verbunden sind; denn der Staat des Grundgesetzes ist der Staat der Freien, der Staat der Privaten. Der demokratierechtliche Begriff des Öffentlichen, der auch rechtsstaatlichen Charakter trägt, ist ein gänzlich anderer. Er bringt zum Ausdruck, daß die Angelegenheiten der Allgemeinheit prinzipiell öffentlich sein müssen, damit die Allgemeinheit sich um ihr Allgemeines kümmern kann (//. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 440 ff.; K. Stern , Staatsrecht, Bd. I, S. 190 f.; ausführlich W. Martens , Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 53 ff., 68 ff. mit Hinweisen; klar H.H. Rupp, Verfassungsrecht und Kartelle, in: Wettbewerb als Aufgabe. Nach zehn Jahren Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1968, S. 196; H.K.J. Ridder , Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften im Sozialstaat nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Rechtsgutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Urteils des Bundesarbeitsgerichts v. 31. Oktober 1958, 1960, S. 14; K.A. Schachtschneider , Anspruch auf Demokratie. Überlegungen zum Demokratierechtsschutz des Bürgers, JR 1970, S. 402 sub. 3 mit Hinweis in Fn. 7, 16). Einen solchen illegitimen wie illegalen Bereich unverfaßter privatheitlicher Staatlichkeit oder staatlicher Privatheitlichkeit hat die Praxis, unterstützt von Rechtsprechung und Literatur, durch die Fiskus- und die Beleihungsdoktrin erobert. Dagegen wenden sich die Lehren dieser Arbeit, welche das freiheitliche Recht der Republik zu verteidigen sucht (dazu 3. Teil). 36 Dazu ausfuhrlich mit Nachweisen D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, Eine Problemstudie zum Wandel des Gesetzmäßigkeitsbegriffs, 2. Aufl. 1968, S. 89 f., 170, 173, passim; H.-P. Bull , Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, S. 64 f. mit weiteren Hinweisen; wie hier auch M. Kriele , Einfuhrung in die Staatslehre, S. 309 ff.; dazu auch J. Burmeister , Plädoyer für ein rechtstaatliches Instrumentarium staatlicher Leistungsverwaltung und Wirtschaftsagenda, WiR 1972, 311 ff., 321 ff., mit weiteren Hinweisen insb. in Fn. 1, 18-20; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 159 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap., II; zur Thematik „Staat und Gesellschaft", insb. zum freiheitssichemden Effekt der Unterscheidung: E. Forsthoff y Der Staat der Industriegesellschaft. Dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, 1971, S. 21; E.-W. Böckenförde , Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in FG W. Hefermehl, 1972, S. 12 ff.; auch ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 185 ff.; kritisch H. Ehmke , Wirtschaft und Verfassung. Die Verfassungsrechtsprechung des Supreme Court zur Wirtschaftregulierung, 1961, S. 5 f.; ders., „Staat" und „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, FS Smend, 1962, S. 23 ff.; H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 342 ff.; wesentlich C. Schmitt , Der Hüter der Verfassung, 1931, S.73 ff.; J. Habermas , Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 172 ff.; auch H.H. Rupp, Verfassungsrecht und Kartelle, S.

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

personales Substrat des Staates, das dieser i n der konstitutionellen Monarchie i n der Person des Monarchen, aber auch gewissermaßen durch Heer und Beamtenschaft hatte. Die grundgesetzliche Republik kennt keine personale Dualität von Staat und Gesellschaft 37 . Sie kennt nur den staatsrechtlichen Begriff des Volkes, wie es Art. 20 Abs. 2 S. 1 G G ausweist. Die Existenz des Staates ist somit auch Existenzbedingung des Volkes i m Rechtssinne des Grundgesetzes 38 . Metajuristische Gesellschaftswissenschaften mögen Gesellschaftsbegriffe benutzen, die sogar den Staat einbeziehen 39 . Sie brauchen sich u m die rechtsnormative Verfassungsbegrifflichkeit nicht zu kümmern. Der Zweck, zu dem sich die Deutschen zum V o l k und zum Staat verfaßt haben, ist es, das Gemeinwohl zu verwirklichen 4 0 . Dieser Zweck ist zugleich die allgemeine Maxime des Staates. Die Deutschen haben außerdem die vielfältigsten privaten Verhältnisse zueinander, die sie selbst ordnen oder die der Staat i m Sinne des Gemeinwohls ordnet. Z w i schen dem V o l k und dem Staat besteht in der Republik als der freiheitlichen Demokratie notwendig personale Identität 4 1 . Diversität rechtspersonenhafter A r t besteht zwischen dem Staat als der rechtspersonenhaften Organisation des V o l -

193 ff., der Sache nach im Sinne des Textes; vgl. auch U.K. Preuß, Zum staatsrechtlichen Begriff des Öffentlichen, S. 81 ff.; auch J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht. Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft, 1968, S. 149 ff. 37 D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 173; H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 64 ff.; E.-W. Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 197 f.; insofern auch, wenn auch mit anderer Tendenz, H. Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 5 und passim; so wohl auch, wenn auch vorsichtig, M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 309; auch R. Marcic, Rechtsphilosophie. Eine Einführung, 1969, S. 257; dazu auch E. Fraenkel, Der Pluralismus als Strukturelement der freiheitlich-rechtsstatlichen Demokratie, 45. DJT, Bd. II, 1965, B, passim.; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 f f ; dersFreiheit in der Republik, 11. Kap., II. 38 I.d.S. auch Kant, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, in: Werk in 10 Bänden, ed. W. Weischedel, Bd. 9, 1968, S. 206 („Akt des allgemeinen Willens, wodurch die Menge zum Volk wird"); vgl. KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff. 39 D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 173, Fn. 3, sieht darin zu Recht eine Konsequenz des modernen (demokratischen) Staatsbegriffs. 40 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 247 ff., 253 ff.; ders., Res publica res populi, S. 303 ff., 340 ff., 346 ff., 519 ff., 625 ff.; weitere Hinweise in Fn. 160, 1389. 41 R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 146; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 23 zu Art. 20 GG; D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 173, der den Gegensatz zum konstitutionell-monarchischen Dualismus herausarbeitet; vgl. auch K Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 604; auch H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 64 ff.; auch E.-W; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 185 f f , 197 f.; K.A. Schachtschneider, Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 175 ff., insb. S. 179; ders., Res publica res populi, S. 14 ff., 707 ff., insb. S. 725 ff.

1. Kapitel Institutioneller Begriff des Staates

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kes für dessen Allgemeines 42 und den einzelnen Menschen und Bürgern sowie deren gegebenenfalls als juristische Personen organisierten Verbindungen. 4. Der soeben skizzierte institutionelle Begriff des Staates ist als solcher nicht streitig. Grenzprobleme können insofern für die allgemeine Fiskus- und Beleihungs- und insbesondere die Privatisierungsproblematik außer Betracht bleiben. Der funktionalistische Begriff des Staatlichen identifiziert jedoch das Handeln des derart institutionell begriffenen Staates nicht mit dem staatlichen Handeln, nicht mit dem Staatlichen, sondern meint auch Handeln von Privaten zu kennen, das staatlich sei, wie sie auch Handeln des Staates zu kennen meint, welches privat oder jedenfalls privatrechtlich sei. Das Problem staatlichen Handelns von Privaten rankt um den Terminus 'beliehener Unternehmer' und ist ein Parallelproblem zum Fiskusproblem, weil auch das Rechtsinstitut des 'Beliehenen' von den fimktionalistischen Begriffen des Privaten und des Staatlichen abhängt 43 . Die Verfassungswidrigkeit des privaten Handelns des Staates als Institution ist das Fiskusproblem 44. Das Grundgesetz läßt es nicht zu, irgendwelches Handeln des Staates als Institution nicht als staatlich einzustufen und dem Recht zu unterstellen, welches für die Privaten gilt, auch und insbesondere dem nicht neutralen Autonomierecht 45. Das Staatliche müßte sich sonst rechtsordnungsrelevant unterscheiden lassen, d.h. es müßten sich staatliche Handlungsweisen ausmachen lassen, die nicht nach dem Staatsrecht, eingeschlossen das allgemeine/neutrale Recht, welches sowohl den Privaten als auch dem Staat das Recht gibt, zu beurteilen sind, die wenigstens der Staat aus dem Geltungsbereich des Staatsrechts aussondern darf, indem er sich dem Privatrecht unterordnet. Die Versuche einer solchen Differenzierung haben durchgehend zum bloßen Dezisionismus, d.h. zur Notwendigkeit konkreter staatlicher Entscheidungen über die 'Hoheitlichkeit' oder die 'Privatrechtlichkeit' des Handlungsbereiches geführt. Brohm hat das klar herausgearbeitet 46. Herbert Krüger hat die Hilflosigkeit der Differenzierungsversuche verspottet 47.

42 Insb. R. Herzog , Allgemeine Staatslehre, S. 152 ff., der statt von Organisation von „Institution" spricht; auch J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 154 ff.; R. Marcic , Rechtsphilosophie, S. 231; zum Staatsbegriff KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 f f , 707 f f ; dersVerfassungsrecht der Europäischen Union, §§ 3, 4. 43 Dazu 3. Kap. und 4. Teil, insb. 4. Kap. I. und 5. Kap. 44 Dazu 4. Teil, 3. Kap. 45 Zur Neutralität von Privatrechtsvorschriften Fn. 555. 46 Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, Organisationsformen und Gestaltungsformen im Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1969, insb. S. 133 ff., 155 ff.; dazu KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 208 ff. 47 Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 328; dazu KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 183 zu Fn. 41; S. 189 ff. näher zu den Versuchen, material Staatsaufgaben durch funktionale Differenzierung auszusondern; kritisch auch Ch. v. Pestalozza , „Formenmißbrauch" des Staates. Zur Figur und Folgen des

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

Das Scheitern aller fimktionalistischen Differenzierungsversuche des Staatlichen ist ein wesentlicher Baustein der hier zu entwickelnden staatsrechtlichen Kritik der Fiskus- und Beleihungsdoktrin. Eine dem Autonomieprinzip verpflichtete Staats- und Rechtslehre, also einer Republiklehre, vermag darüberhinaus nachzuweisen, daß eine solche Differenzierung staatlicher Funktionen/Aufgaben, die es erlauben würde, staatliche Betätigungen zu benennen, die dem Autonomierecht der Privaten zu unterstellen auch nur gestattet wäre, mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar ist 48 .

2. Kapitel

Institutionelle und funktionale Privatheit des Bürgers und dessen funktionale Staatlichkeit

I. Formalität der Staatlichkeit als der Allgemeinheitlichkeit und der Privatheitlichkeit als der Besonderheit Der Zweck des Staates ist das gute Leben aller Bürger in allgemeiner Freiheit. Darin liegt die allgemeine „Glückseligkeit", die somit (auch) Zweck der Republik ist 49 . Zu ihr gehört die bürgerliche Privatheit. Frei ist der Bürger sowohl als staatliche Persönlichkeit, als einer, der zur Bürgerschaft, zur Allgemeinheit also, gehört, wie auch als Privater in seiner Privatheit. Sowohl als staatliche wie auch als private Persönlickeit hat der Bürger einen autonomen Willen. Er ist nämlich selbst Gesetzgeber, entweder als ein Bürger mit allen anderen Bürgern zusammen oder allein, verbindlich nur für ihn, freilich mit Wirkung auf alle, die vom allgemeinen Gesetz legalisiert sind. Das Private ist das, was der Bürger allein bestimmt, das, was nicht staatlich ist, wenn man so will, sein besonderes Glück. Dieser Begriff der Privatheit entspricht dem lateinischen Wort privatus, welches als Gegenbegriff

„Rechtsmißbrauchs" und ihrer Anwendung auf staatliches Verhalten, 1973, S. 166 f f , 172 ff., insb. Fn. 117 auf S. 174 f., dazu 3. Kap. 48 Dazu 3. Kap. 49 Ganz so D. Sternberger, Das Menschenrecht nach Glück zu streben, in: ders., Schriften Bd. IV, 1980, S. 131 ff., 143 ff.; zum Wohlfahrszweck des Staates H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, HStR, Bd. I, 1987, § 25, Rdn. 48 ff.; Ch. Link, Staatszwekke im Verfassungsstaat - nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 34 ff.; ders., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979, S. 136 ff., zum Wohlfahrtszweck in der Geschichte der Staatszwecke; G. Ress, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 101 ff., insbesondere zu den Grenzen aus dem „Freiheits- und Autonomiegedanken des Liberalismus"; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, § 12, Rdn 131 ff., S. 507 ff., auch Rdn. 156 ff., S. 519 ff.

2. Kapitel Privatheitlichkeit und Staatlichkeit des Bürgers

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zum Staatlichen, zum Allgemeinen, zum Öffentlichen fungiert. Alle Versuche, das Private durch andere Begriffe zu erläutern, fuhren in die Irre, weil das Spezifische des Privaten das ist, was, wie schon gesagt, nicht allgemein und damit nicht staatlich ist. Erläuternde und damit die Grenzziehung zwischen dem Staatlichen und dem Privaten festschreibende Begriffe scheitern, weil diese Grenzziehung variabel und dynamisch, nämlich politisch, ist. Was die Bürger gemeinsam, also staatlich, bestmimen und bewältigen, regeln die allgemeinen Gesetze; denn alles menschliche Handeln kann von allgemeinem Interesse sein und darum als res publica und res populi gelten. Weil alles Handeln alle betrifft, müssen alle bestimmen, wer die Maximen des Handelns materialisieren soll, die staatliche Bürgerschaft gemeinschaftlich oder der einzelne Bürger allein, der Private. Herbert Krüger hat das klar erkannt: „Die Gesellschaft selbst hat daher zu bestimmen, was 'allgemein' und was 'besonderes' ist. Da es in erster Linie die 'Lagen' sind, die diese Bestimmung beeinflussen, kann es nur die Gesellschaft als 'Staat' sein, die diese Bestimmung zu treffen hat" .

Wie das Staatliche so ist auch das Private als Begriff formal definiert und findet seine Materialität in den jeweiligen Gesetzen. Daraus folgt, daß es keine den Gesetzen vorgängigen materialen Begriffe des Staatlichen und des Privaten geben kann. Die Lebensbewältigung ist institutionell staatlich, wenn sie dem Staat im engeren Sinne, den Einrichtungen des Staates, übertragen, sie ist institutionell privat, wenn sie den Privaten überlassen ist 51 . Diese Formalität der Begriffe zwingt zu institutionellen Begriffen des Staates und des Privaten 52. Der Staat besteht aus den Einrichtungen der Bürgerschaft für ihr gemeinsames Leben. Institutionell Private verwirklichen aber funktional Staatlichkeit, wenn sie nämlich die allgemeinen Gesetze verwirklichen. In dieser Legalität ist der Bürger staatliche Persönlichkeit. Vor allem hat die Bürgerschaft ihrem Staat die Befugnis übertragen, die Gesetzlichkeit notfalls mit Zwang sicherzustellen, und dafür auch die Mittel bereitgestellt. Das ist zwar kein Gewaltmonopol53, verschafft aber dem Staat die Überlegenheit über die einzelnen Bürger und Menschen und deren Gruppen (Vereinigungen), welche um des Rechts willen benötigt wird, ja den Staat wesentlich definiert. Äußere Verbindlichkeit ist Erzwingbarkeit des geschuldeten Handelns und gehört

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Allgemeine Staatslehre, S. 528. KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 ff., 253 ff; ders., Res publica res populi, S. 211 ff, 370 ff; ders ., Die Verwaltung 31 (1998), S. 142 ff; ders ., Freiheit in der Republik, 8. Kap., I. 52 Vgl. KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 ff; ders., Res publica res populi, S. 211 ff, 370 ff; ders., Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 ff; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., I. 53 KA. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 148 ff, 151 ff; dazu 4. Teil, 5. Kap. 51

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

zum Wesen des staatlichen Rechts. Darum gibt es im Staat, republikanisch konzipiert, außerhalb der Staatlichkeit kein Recht, weil das Volk im Staat keiner anderen Gewalt als dem Staat zugesteht und um des Friedens willen zugestehen sollte, Verbindlichkeit im eigenen Land zu schaffen; denn Verbindlichkeit muß im Staat um der allgemeinen Freiheit willen auf allgemeinen Gesetzen beruhen, welche die allgemeine Freiheit verwirklichen. Nur dadurch ist die Verbindlichkeit und damit das Recht Sache des Volkes54. Die allgemeinen Gesetze vermöchten die Freiheit nicht zu verwirklichen, wenn sie mißachtet werden dürften. Wenn sie gebrochen werden, ist die Freiheit aller verletzt. Darum ist nach Kant „das Recht mit der Befugnis zu zwingen" als einer „Behinderung des Hindernisses der Freiheit" verbunden 55 . Die Befugnis der höchsten Gewalt (die sich gegenüber jeder anderen Gewalt durchzusetzen befugt und in der Lage ist) gehört zur Hoheitlichkeit des Volkes als einem Teil der Staatsgewalt. Aus dem Prinzip des Rechts als der Verfassung der Freiheit des Volkes folgt somit die Notwendigkeit des Staates im engeren Sinne und das Recht jedes Menschen auf einen Staat, der das Recht sichert. Wegen der Formalität der Freiheit und folglich der allgemeinen Gesetzlichkeit des Rechts ist dieser Staat notwendig Sache des Volkes. Dementsprechend geht nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke aus. Alle staatlichen Einrichtungen sind Einrichtungen des Volkes in dessen Staatlichkeit. Wegen der Formalität des Staatlichen folgt daraus, daß alle Handlungen dieser Einrichtungen staatlich sind, vor allem die Rechtsakte dieser staatlichen Einrichtungen. Privatheit staatlicher Einrichtungen, wie sie das Fiskusdogma lehrt und wie sie (zunehmend) praktiziert wird, scheidet damit schon begrifflich aus56. Diese Begrifflichkeit ist aber in dem Fundamentalprinzip, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe, verankert; denn alles, was das Volk unternimmt, 54 Auch das Völkerrecht wie die völkerrechtlichen Verträge haben nur als Willen der Völker Verbindlichkeit (umgekehrter Monismus); denn es gibt keine Gewalt über der des Volkes (Prinzip der höchsten Gewalt, vgl. J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, 1987, § 13, Rdn. 62 ff., 75 ff.; A. Randelzhof er, Staatsgewalt und Souveränität, HStR, Bd. I, 1987, § 15, Rdn. 23 ff.). Das zeigt Art. 25 GG für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts und das völkerrechtliche Prinzip, daß die Vertragserfüllung nicht erzwungen werden darf. Allerdings gibt es das Prinzip der Gegenseitigkeit, das zu Sanktionen und zur Suspension der Vertragserfüllung fuhren kann (vgl. A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis, 3. Aufl. 1984, §§ 64 S. 48 f f ; KA. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, 2. Aufl. 2001, S. 132 ff.; D.I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, Ein Beitrag zur globalen wirtschaftlichen Integration, 2003, S 203 ff). Die Völker sind, vorbehaltlich der Gegenseitigkeit, zur Vertragserfüllung verpflichtet, weil sie sich verpflichtet haben. Es ist ihr Wille. Das gilt auch für das durch Verträge unter Völkern begründete Gemeinschaftsrecht (KA. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 75 ff, insb. S. 87 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, S. 159 ff.). 55 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 338 f., 430 f., 527 u.ö. 56 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 ff., 253 ff., 261 ff.; J. Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 210 ff.

2. Kapitel Privatheitlichkeit und Staatlichkeit des Bürgers

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ist logisch Sache des Volkes und damit staatlich, weil das verfaßte Volk und der Staat identisch sind. Der Staat im engeren Sinne sind nämlich die Institutionen der für die Verwirklichung ihrer allgemeinen Angelegenheiten, der res publica, vereinten Menschen, der Bürgerschaft, des verfaßten Volkes als der Staat im weiteren Sinne57.

II. Gesetzlichkeit als funktionale Staatlichkeit der institutionellen Privatheit Gerade deswegen können Handlungen der Privaten funktional staatlich, nämlich durch die allgemeinen Gesetze, bestimmt sein. Wenn das Volk als Staat durch die allgemeinen Gesetze die Maximen des Handelns definiert, ist das Handeln der Menschen, welches den Maximen folgt, durch Rechtsakte des Staates bestimmt, also Verwirklichung des Staatlichen als des Allgememen und damit funktional staatlich. Weil institutionell Private in ihrem Handeln weitgehend staatlich, nämlich durch allgemeine Gesetze, bestimmt sind, gibt es neben dem institutionellen auch einen funktionalen Begriff des Staatlichen. Institutionell staatliches Handeln darf jedoch niemals funktional privat sein, weil die Maximen ausschließlich Maximen der Bürgerschaft in ihrer Allgemeinheit, des Volkes als Staat also, sein dürfen; denn alle Staatsgewalt geht vom Volke aus58. Wenn aber nicht die gesamte Lebensbewältigung staatlich materialisiert, sondern auch Privatheitlichkeit ermöglicht werden soll, muß, um das Staatliche, nämlich das Allgemeine, beim Handeln Privater durchsetzen zu können, institutionelle Privatheit funktional staatlich bestimmt sein können. Das funktional Private der institutionell Privaten besteht darin, daß die Privaten in dem Umfang, in dem die Gesetze das erlauben, die Handlungsmaximen privat, also allein, materialisieren dürfen. Ohne funktionale Privatheit gäbe es in der Substanz auch keine institutionelle Privatheit. Alle Bürger wären durch die gänzliche Bindung ihres Handelns an staatliche Gesetze funktional ausschließlich Amtswalter des Staates, das Modell des totalen Staates. Der Private ist somit bei allem Handeln auch staatlich bestimmt, also in dem Maße, in dem er die allgemeinen Gesetze vollzieht, funktional Amtswalter des Staatlichen. Sowohl das Staatliche als auch das Private gehört zur Persönlichkeit der Bürger. Beides ist selbstbestimmt, das Staatliche allgemein durch Autonomie des Willens aller, das Private allein durch die Autonomie des Willens allein des Bürgers (oder einer Menge von Bürgern, die nicht die ganze Bürgerschaft als 57 Zum Staatsbegriff Kant , Metaphysik der Sitten, S. 431; ganz so J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 62 ff, 158 ff. 58 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 261 ff.; ders ., Res publica res populi, S. 14 f f , passim; ders , Prinzipien des Rechtsstaates, 4. Aufl. 2003, S. 452 ff.; dazu K Stern , Staatsrecht, Bd. I, S. 604 ff.; weitere Hinweise in Fn. 1246, 1247.

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

staatliche Allgemeinheit ist), der handelt, beides in freier Willkür. Das Staatliche ist wie das Private integraler Bestandteil des Lebens jedes Bürgers, also seiner Persönlichkeit 59. Auch das Staatliche ist die Freiheitlichkeit des Bürgers; denn: Res publica res populi.

I I I . Privatheitliche Allgemeinbestimmtheit durch Gesetzlichkeit und Alleinbestimmtheit nach Maximen Als Privater ist der Bürger durch die allgemeinen Gesetze, die auch seine Gesetze sind, äußerlich frei; denn er ist durch sie unabhängig von anderer nötigender Willkür 60 . Wegen dieser Gesetzlichkeit ist die allgemeine Privatheit freiheitlich im äußeren Sinne, und ihretwegen entfaltet sich Privatheit, ohne anderen Unrecht zu tun. Die juridische Legalität verwirklicht die allgemeine äußere Freiheit 61. Institutionelle Privatheit ist aber äußere und innere Freiheit, also auch Sittlichkeit62. Immer verbleiben dem Privaten rechtlich geschützte Möglichkeiten, subjektive Rechte, die Maximen des Handelns allein zu bestimmen, ohne sich mit anderen Privaten zu vertragen verpflichtet zu sein63; denn alle haben sich durch das allgemeine Gesetz mit dem jeweiligen alleinbestimmten Handeln des Privaten einverstanden erklärt. Das ist der Sinn und der Begriff der Privatheit. Diese Möglichkeiten gehen mehr oder weniger weit und sind mehr oder weniger von den Grundrechten geschützt. Auch die Alleinbestimmung ist Willensautonomie. Die Maxime des privaten Handelns muß zwar dem Prinzip allgemeiner Gesetzlichkeit genügen, weil sie dem kategorischen Imperativ verpflichtet ist. Aber sie ist nicht allgemein verbindlich, weil sie nicht der Wille aller ist. Sie ist ethisch gesetzgebend und damit verbindlich für den Handelnden, nicht juridisch. Ihre Allgemeinverträglichkeit folgt aus dem allgemeinen Gesetz, welches Privatheit zuläßt. Die durch allgemeine Gesetze ermöglichte Privatheit ist somit eine spezifische Art, die allgemeine Freiheit zu verwirklichen. Irgendeine Art der Privatheit muß der Staat um des Mein und Dein willen, ohne das es kein freiheitliches Leben gibt, gestalten; denn der Mensch ist auf seine Umwelt (Sachen und Menschen) ange59 K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 139 ff.; ders., Res publica res populi, S. 211 ff., 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., 11. Kap., I. 60 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 278 ff., 325 ff., 427 ff., 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, 5. Kap. 61 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 494 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, VI, 5. Kap., II. 62 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 427 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII, 8. Kap, II. 63 I.d.S. auch J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 152; ders., Die Einbeziehung des Anderen, 1996, S. 296 ff.

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i l Staatlichkeit

Privatheitlichkeit

n Aufgaben

wiesen. Diese aber gehört allen, solange sie nicht durch allgemeines Gesetz verteilt ist 64 . Wenn die bürgerliche Verfaßtheit mit der Staatlichkeit identifiziert wird, ist Privatheit eine Form des gemeinsamen Lebens, also der Staatlichkeit des Gemeinwesens, nämlich der Staatlichkeit im weiteren Sinne. Dennoch darf das Besondere der Privatheit nicht aus dem Auge verloren werden, nämlich, daß Privatheit (dem Recht nach) erlaubt, ohne Rücksicht auf andere (deren Interessen das Gesetz sichert) die eigenen Interessen zu verfolgen. Derartige Privatheit schädigt im Rechtssinne nicht; denn sie ist kein Unrecht. Die Privatheit verpflichtet freilich zur Sittlichkeit (Tugend) und verletzt die innere Freiheit, wenn sie auf die Anderen keine Rücksicht nimmt. Aber diese Pflicht zur Sittlichkeit gehört zur ethica, nicht zum ius (Kant) 65. Privatheit ist Verwirklichung der allgemeinen Freiheit, wenn und soweit sie auf Gesetzen beruht und die Sittlichkeit wahrt. In der Republik ist gesetzesgemäße Privatheit freiheitlich, wenn sie das Sittengesetz achtet.

3. Kapitel

Staatlichkeit oder Privatheitlichkeit öffentlicher Aufgaben

I. Staatsaufgaben, institutionelle Staatlichkeit, Organisationsform und Aufgabenverteilung durch Gesetz 1. Die Überantwortung öffentlicher Aufgaben ist das meist genannte Kriterium der Eingliederung von Privaten, seien es institutionell materielle oder institutionell formelle (also materiell staatliche) Grundrechtssubjekte in die (mittelbare) Staatsverwaltung und damit der grundrechtsdogmatischen Staatlichkeit66, insbesondere das Kriterium des Bundesverfassungsgerichts 67.

64 Vgl. Kant , Metaphysik der Sitten, S. 365 f., 366 ff., 432 ff.; ders., Über den Gemeinspruch. Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, ed. Weischedel, Bd. 9, S. 150 f.; K.A. Schachtschneider , Das Recht am und das Recht auf Eigentum, Aspekte freiheitlicher Eigentumsgewährleistung, FS W. Leisner, 1999, S. 755 f f , insb. S. 759 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap.; vgl. auch ders., Das Sozialprinzip. Zu seiner Stellung im Verfassungssystem des Grundgesetzes, 1974, S. 40 f f , 48 ff. 65 Metaphysik der Sitten, S. 508; K.A. Schachtschneider , Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 755 ff. 66 Vgl. E.R. Huber , Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 2. Aufl. 1983, S. 542; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131; P. Badura , Verwaltungsmonopol, 1963, S. 251; R. Herzog , Stichwort: Beliehener Unternehmer, in: Evangelisches Staatslexikon, 1. Aufl. 1966, Sp. 145 f.; F. Ossenbühl , Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 427 („Sonderfall"); H.-P. Bull , Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50; vgl. W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, Organisationsformen und Gestal-

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben Aus der öffentlichen Aufgabe läßt sich nicht auf die institutionelle Staatlich-

keit, sei diese total oder partiell, des Aufgabenträgers schließen 68 . I n allen Rechtsfragen ist der Versuch, Aufgaben funktional unabhängig von der Verfassung, dem Verfassungsgesetz und dem einfachen Gesetz als staatlich oder privat zu differenzieren, mißlungen, auch und vor allem der Fiskusdoktrin (der Lehre von der Privatrechtsfähigkeit, genauer: der Privatheit des Staates ), die man funktionalistisch zu rechtfertigen versucht 6 9 . Aufgaben als solche vermögen Handlungen nicht institutionell (insbesondere mit grundrechtsdogmatischer Relevanz) zum Staatlichen oder z u m Privaten zu ordnen. Das leisten eben nur die Verfassung, das Verfassungsgesetz oder das einfache Gesetz, welche dem Staat Aufgaben zuweisen. Folglich sind die Aufgaben staatlich, welche der Staat rechtens wahrnimmt 7 0 . Aufgaben, die der Staat nicht erfüllt, obwohl er sie erfül-

tungsmöglichkeiten im Wirtschaftsrecht, 1968, S. 154 ff., 211 ff. (selbst auf Hoheitskompetenzen abstellend); auch U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 46 f f ; H. Bethge, Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen, Zur Rechtsprechung des Bundesverfasungsgerichts, AöR 104 (1979), S. 289. 67 Für beliehene Unternehmer BVerfGE 73, 301 (315 ff.) (Vermessungsingenieure); HJ. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, S. 261, 532; vgl. kritisch K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht; für KVen und KZVen BVerfGE 39, 302 (312); 62, 354 (369); 68, 193 (208); 70, 1 (16, 18); BVerfG (2. Kammer des ersten Senats), NJW 1996, 1588 f.; D. Mronz, Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft. Die staatsorganisations- und grundrechtliche Problematik der Zwangsverbände aufgezeigt am Beispiel von Arbeitnehmerkammern, 1973, S. 66 f f , 119 ff., 143 ff., insb. S. 159 f f ; M. Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, 1986, S. 54 ff. (kritisch gegenüber dem System der mittelbaren Staatsverwaltung nicht gegenüber der Zuordnung zum Staat). 68 Nach U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 56 f f , bleibt die Funktion nach Beleihung von Privaten mit staatlichen Aufgaben staatlich; ebenso sieht W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 133 ff., 144 f f , den Beliehenen nur funktional in den Staat integriert. Dies gilt für alles Handeln der Bürger, soweit es gesetzgebunden ist; a.A. H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 104, Rdn. 3, S. 413 („Der Beliehene ist Glied derjenigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, die ihn ermächtigt hat, hoheitliche Kompetenzen als eigene Angelegenheiten wahrzunehmen."); dazu 4. Teil, 5. Kap. 69 Kritik der Aufgabenlehre der Fiskusdoktrin, welche dem Staat Privatrechtsfähigkeit zumißt, wenn er keine öffentlichen Aufgaben wahrnehme, K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f f ; i.d.S. auch M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 41 f f , 71 ff. 70 H.-P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 99 ff.; P. Kirchhoff Der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse in Art. 33 Abs. IV des Grundgesetztes, 1968, S. 111 ff.; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 133 f., 157 ff., 163 ff., S. 211 ff.; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HStR, Bd. III, 1988, § 57, Rdn. 136 ff.; und D. Mronz, Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 123 ff.; weitgehend H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 766 ff. („unbedingt staatliche Aufgaben", insb. „Entscheidung darüber, was die Lage erfordert", Rechtsschutz u.a.); KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f f , 265 ff., ders., Res publica res populi, S. 198 ff., 346 ff.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), S.

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len müßte, sind deswegen nicht material staatlich, sondern rechtswidrig den Privaten überlassen. 2. Die aus der Verfassung folgenden Staatsaufgaben sind notwendige Aufgaben des Staates71. Sie sind Staatsfunktionen 72, wenn sie aus dem Wesen (Begriff) des Staates als einer „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen" (Kant) 12 folgen. Der Staat ist die Einrichtung der Bürger zur Verwirklichung des Rechts als der Wirklichkeit der allgemeinen Freiheit 74 . Nicht nur der Staatsbegriff folgt aus der Verfassung der allgemeinen Freiheit' 7 5 , sondern auch verschiedene andere Prinzipien und damit die Aufgabe, diese zu verwirklichen, insbesondere die der Freiheit (als politische Freiheit) selbst, die des Lebens und der Gesundheit, die des Eigentums, die der Religions-, Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, also dahingehende Schutzpflichten 76 , aber auch die Prinzipien, die mit dem Rechtsprinzip untrennbar verbunden sind, wie das einer allgemeinen Gesetzgebung der Bürgschaft (des Volkes), das des staatlichen Gesetzesvollzugs (um die Wirklichkeit des Rechts herzustellen) und das der Rechtsprechung zur verbindlichen Klärung des Rechts77, insgesamt das des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit, der Staatszweck nämlich 78 . Soweit der Staatszweck und damit die Staatsfunktionen die Aufgaben des Staates bestimmen, dürfen diese Aufgaben nur vom Staat wahrgenommen werden. Wesentliche mit dem Staatszweck verbundene Aufgaben kann auch nur 139 ff.; so auch M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 48 f f , 71 ff. 71 H.-P. Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 114 f f , zu Recht kritisch zur „Notwendigkeit" als Legitimationsgrundlage staatlicher Tätigkeit, S. 103 f. 72 H.-P. Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 46 f , 99 ff. (zu recht kritisch zum Sprachgebrauch); J. Isensee, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 145; D. Mronz, Körperschaften und Zwangsmitgliedschaften, S. 124 f.; und W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 157; allgemein N. Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, S. 109 ff. 73 Metaphysik der Sitten, S. 431; dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 17,519. 74 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff, 16, 159 f f , 165, 328 f f , 350 f f , 519 f f , 573 f.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, IV, 5. Kap. 75 K.A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff. 76 Etwa BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 49, 24 (53); 53, 30 (57); 56, 54 (73, 78, 80); 77, 170 (214); 88, 203 (251); 89, 214 (231 ff.); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Staatsrecht), Bd. I I I / l , Allgemeine Lehren der Grundrechte, 1. Aufl. 1988, §69 IV, S. 931 ff.; dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 670 mit Fn. 187, S. 822 mit Fn. 16; vgl. auch Fn. 166. 77 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f f , 560 f f ; ders, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 94 f f , 124 f f , 161 ff. 78 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 328 ff, 350 f f , 426 f f , 573 f.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 68 f.; i.d.S. schon H. Heller, Staatslehre, 1934, 2. Aufl. 1961, S. 163 f f , 228 f f , 238 f f , 242 ff.

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

der Staat wahrnehmen, etwa wegen der Allgemeinheit die allgemeine Gesetzgebung, aber auch die der Verwirklichung des Rechts durch letztverbindliche Rechtsprechung und unwiderstehlichen Vollzug, die formalen Staatsfunktionen also, weil diese mit dem Prinzip der höchsten Gewalt des Staates verbunden sind 79 . Die Staatlichkeit der materialen Prinzipien der Menschheit des Menschen (Kanif 0 folgt aus der notwendigen Materialisierung der allgemeinen Freiheit. Die genannten Prinzipien aber sind, wenn nicht formal wie die allgemeine Freiheit 81 und ihr logisch verbunden das Rechtsprinzip (einschließlich der gewaltenteiligen Funktionenordnung 82), offen, d.h. näherer Materialisierung fähig und bedürftig, wie etwa und insbesondere das Eigentum. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG müssen Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden 83 . Zunächst materialisiert das Verfassungsgesetz (in Deutschland das Grundgesetz) die Verfassung 84, weiterhin im Rahmen des Verfassungsgesetzes die einfachen Gesetze. Diese Gesetze bestimmen die Staatlichkeit oder Privatheit der Rechts Verwirklichung. Inwieweit diese Bestimmung rechtens ist, ist Sache der Rechtslehre (als VerfassungsWissenschaft). Grundsätzlich darf und soll der Staat die Lebensverwirklichung privat gestalten (Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensgestaltung/Privatheitsprinzip) 85. 3. Falls öffentliche Aufgaben, auch wenn sie durch den Staat (den Gesetzgeber) Privaten überantwortet werden, staatlich würden oder blieben 86 , dürfte der 79 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff, insb. S. 545 f f ; ders., auch Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap. 80 Metaphysik der Sitten, S. 345 f. 81 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: Werk in 10 Bänden, ed. W. Weischedel, Bd. 6, 1983, S. 80 ff., ders., Metaphysik der Sitten, S. 338 ff.; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 325 ff., 410 ff., 560 ff., auch S. 279 ff, 978 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., 7. Kap.; ders. (i0. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 96 ff. 82 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 28 ff., 168 ff., 560 ff., 912 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 30 f.; dazu J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 121, 125; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 5. Aufl. 1994, S. 121 f f 83 Dazu K.A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 743 ff, (755 f f , 765 ff.); BVerfGE 21, 73 (79, 82 f.); 42, 263 (292 ff.); 45, 272 (296); 50, 290 (339 ff.); 52, 1 (29); 56, 249 (260), st. Rspr. 84 Zur Unterscheidung der Verfassung (der Menschheit des Menschen) vom Verfassungsgesetz K.A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff., auch S. 50 ff. 85 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV; vgl. auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 237 ff.; dazu 3. Teil. 86 So etwa U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46 f f ; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 71 ff.; kritisch weitere Hinweise in Fn. 129.

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Gesetzgeber Privaten keinerlei Verpflichtungen auferlegen, wenn und weil er sie dadurch in der Staatsverwaltung eingliedern, ihnen also eine partielle institutionelle Staatlichkeit verleihen und somit grundrechtsunfähig machen würde, eine absurde Konsequenz. Schließlich hat jeder Bürger öffentliche Aufgaben, nämlich die der Verwirklichung der Gesetze, durch die er dem Gemeinwohl dient. Dadurch ist jeder Bürger funktional staatlich, zumal er Glied des Staates im weiteren Sinne ist 87 . 4. Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören darum nicht schon wegen ihrer Rechtsform zum Staat88. Dem widerstrebt schon das (vermeintliche, aber praktizierte) Rechtsformenwahlrecht 89. Der Staat im weiteren Sinne ist in der Republik die Bürgerschaft/das Volk selbst90. Für die Grundrechtsdogmatik kommt es jedoch vor allem auf den Staat im engeren Sinne an, die Organe der Gesetzgebung, vollziehenden Gewalt und Rechtsprechung, die Art. 20 Abs. 2 GG als Organe des Volkes, welche die Staatsgewalt ausüben, benennt91, den Staat der Ämter. Dieser Staat im engeren Sinne hat seine eigenständige staatsgemäße Begrifflichkeit und seine eigenständige staatsgemäße Ordnung, Prinzipien, Regeln, Aufgaben, Befugnisse, Mittel, Zuständigkeiten und Verfahren. Die Grundrechte jedenfalls sind für ihn nicht geschrieben 92. Zum Staat auch

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Dazu 2. Kapitel; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 211 f f , 303 f f , 332 f f , 494 f f , 619 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, I; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 76; ders , Die Verwaltung 31 (1998), S. 139 ff. 88 So auch W. Martens , Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 114; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 133 ff.; D. Mronz , Körperschaften und Zwangsmitgliedschaften, S. 165 ff. („Körperschaften des öffentlichen Rechts im nur formellen Sinne"); dazu P. Lerche , in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 157 zu Art. 87; K. Stern , Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Staatsrecht), Bd. II, Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung, l . A u f l . 1980, § 41 V I I 5 c, S. 823 f.; M. Sachs, Grundgesetz, Rdn. 52 ff. zu Art. 87; K.A. Schachtschneider , Die Verwaltung 31 (1998), S. 144; i.d.S. auch BVerfGE 68, 193 (212 f.); 70, 1 (20 f.). 89 Dazu Hinweise in Fn. 123, 124. 90 J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 158, als „republikanische Sicht"; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 16, 100, 175, 1048 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff. 91 Vgl. J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 65 ff.; ders ., HStR, Bd. III, §57, Rdn. 1 f f , 156 ff.; KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 18, 100, 160 f f , 637 f f , 707 ff. 92 BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 35, 263 (271); 39, 302 (314 f.); 45, 63 (78 f.); 61, 82 (101); 62, 354 (369); 68, 163 (206); 70, 1 (15 ff.); 75, 192 (196); 85, 360 (385); G. Dürig , in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 33 ff. zu Art. 19 Abs. 3; H. Bethge , Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz, 1985, S. 61 ff.; W. Rüfner , Grundrechtsträger, HStR, Bd. V, 1992, § 116, Rdn. 64 ff.; KA. Schachtschneider, Staatsunternehmeri und Privatrecht, S. 275 ff.; differenziert A. v. Mutius , in: GG, Bonner Komm, Zweitbearbeitung, 1975, Rdn. 87 f f , 114 ff. zu Art. 19 Abs. 3.

2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

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im engeren Sinne gehören die Gebietskörperschaften 93 als die Organisationen der Bürgerschaften für das jeweilige gemeine Wohl. Alle Einrichtungen, deren Träger diese Gebietskörperschaften sind, seien sie öffentlich-rechtlich oder privatheitlich organisiert, gehören zum Staat im engeren Sinne. Immer muß das Staatliche im engeren Sinne dem Volk oder einem Teilvolk (Gemeinden) zugeordnet sein, weil alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Dieses Fundamentalprinzip definiert auch institutionell den Staat94. Institutionell Private sind nicht der Staat und können es nicht sein, weil sie nicht demokratisch legitimiert sein können 95 . Der Staat ist nicht ermächtigt, Private in den Staat einzuverleiben. Ebensowenig wie die Privatrechtsform (Organisationsprivatisierung 96) eine Einrichtung, deren Träger ein Teil des Staates ist, aus dem institutionell Staatlichen aussondert, bezieht die öffentliche Rechtsform eine institutionell private Einrichtung, die ihre Privatheitlichkeit durch die privaten Träger erfährt, in den Staat institutionell ein (Formalverstaatlichung). Das bekannteste Beispiel nichtstaatlicher Körperschaften des öffentlichen Rechts sind die Kirchen 97 , deren Tätigkeiten auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht in den staatlichen Bereich hineinreichen 98. Die (nicht privaten) Hochschulen hingegen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und zumeist zugleich staatliche Einrichtungen 99. Sie haben das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze, weil sie körperschaftlich ihre (durch Art. 5 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG) grundrechtsberechtigten Mitglieder verfassen 100. Ein problematisches Beispiel sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, deren Staatlichkeit von der Praxis und der Lehre abgelehnt wird, obwohl sie als öffentlichrechtliche Anstalten organisiert sind 101 .

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K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 405 f f (sybillinisch); G.F. Schuppert, Regierung und Verwaltung, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 31, Rdn. 40, S. 1519 f., 46, S. 1522 f. (vorsichtig); a.A. IV. Roters, Art. 28, in: I. v. Münch, GG, Bd. 2, 1983, Rdn. 7, S. 199. 94 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 707 ff.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), S. 142 ff.; dazu 1. Kap. 95 K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 143. 96 Dazu 4. Teil, l . u n d 2. Kap. 97 Vgl. Art. 140 i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV; A. Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, HStR, Bd. VI, 1989, § 138, Rdn. 124 ff.; P. Mikat, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 29, Rdn. 21 ff., S. 1444 ff.; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 137 ff.; H. Bethge, AöR 104 (1979), S. 282. 98 BVerfGE 18, 385 (386f.); 19, 129 (133). 99 § 58 I HRG; etwa Art. 4 I BayHSchG. 100 H.H. Rupp, Die Stellung der Studenten in der Universität, VVDStRL 27 (1969), S. 113 ff.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 133 zu Art. 5 III GG; P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, HStR, Bd. III, 1988, § 59, Rdn. 23, 93, 96; Th. Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre, HStR, Bd. VI, 1989, § 145, Rdn. 35 f., 51 ff. 101 BVerfGE 12, 205 (261 f.); 31, 314 (322); 59, 231 (254); 61, 82 (102 f.); 90, 60 (87 ff.); M. Bullinger, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film, HStR, Bd. VI, 1989,

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5. Die öffentlich-rechtliche Körperschaftsform kann für die institutionelle Staatlichkeit oder Privatheit nicht ausschlaggebend sein, weil sie nahezu beliebig zugeteilt wird 1 0 2 . Wenn es auch hinreichende Gründe für die Organisation der berufsständischen Aufgabenbewältigung in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft gibt 1 0 3 , so ist doch zu akzeptieren, daß diese auch privat organisiert werden kann 104 und daß dieser Möglichkeit Art. 9 Abs. 1 GG und auch, wenn es um die „Wahrung und Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen" geht, Art. 9 Abs. 3 GG nicht entgegensteht, weil das Prinzip der Freiwilligkeit der Vereinigung eine wohlbegründete Pflichtmitgliedschaft nicht hindert 105 . Maßgeblich für die Staatlichkeit oder Privatheit der Körperschaft ist die Staatlichkeit (Allgemeinheit) des Trägers derselben oder die Privatheit (Besonderheit) ihrer Mitglieder im institutionellen Sinne. Das gilt auch umgekehrt für die organisatorisch (zu Unrecht) privatisierte Staatlichkeit. Die Staatsunternehmen in Privatrechtsform bleiben staatlich, weil ihr Träger der Staat ist. Die Aufgaben sind unerheblich 106 . 6. Der vornehmliche Zweck des Staates, die allgemeine Freiheit durch allgemeine Gesetzlichkeit (Rechtlichkeit) zu verwirklichen, also Gesetze zu geben und diese dem Recht gemäß durchzusetzen 107, um den inneren Frieden zu be§ 142, Rdn. 89 ff.; W. Hoffmann-Riem, Kommunikations- und Medienfreiheit, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 7, Rdn. 57, S. 226 f.; H Bethge, AöR 104 (1979), S. 283 ff. 102

So auch D. Mronz, Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 165 ff.; auch W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 114, s.a. Fn. 130. 103 Dazu K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 156 ff. 104 So waren die KZVen bis zur VO v. 2.8.1933 Vereinigungen privaten Rechts, vgl. H. C. Nipperdey, in: A. HueckIders., Lehrbuch des Arbeitsrechts, Zweiter Band, Kollektives Arbeitsrecht, Erster Halbband, 7. Aufl. 1967, S. 246, Fn. 29; BVerfüE 33, 171 (173). 105 L Fröhler/P. Oberndorfer, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, 1974, S. 64, auch S. 20; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 275 ff.; vgl. grundsätzlich anders D. Mronz, Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 208 f f , 232 ff. (Zwangsvereinigung fuhrt zur unmittelbaren Staatsverwaltung); M. Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 143 ff.; K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 147, 156 ff.; a.A. BVerfGE 10, 89 (102); 10, 354 (361 ff.); 38, 281 (297 ff.). 106 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 f f , 261 ff.; J. Isensee, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, Aussprache, VVDStRL 54 (1995), S. 303 ff.; zur Organisationsprivatisierung J. Hengstschläger, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 165 ff.; L. Osterloh, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 204 ff.; H. Bauer, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben,VVDStRL 54 (1995), S. 243 ff.; T. Jaag, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben,VVDStRL 54 (1995), S. 287 ff.; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 71 f f , dazu 4. Teil, 1. Kap. 107 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 199 f f , 279 f f , 325 f f , 350 f f , 410 f f , 519 f f , auch 819 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, 5. Kap, 7. Kap.; zur Staatszwecklehre, H.-Ch. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 f f , insb. S. 42 ff.; G. Ress, daselbst zum nämlichen Thema, S. 56 f f , insbesondere S. 98 ff.

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

wirken, ist nicht nur eine Staatsaufgabe, sogar die wesentliche, sondern kann auch nicht von Privaten übernommen werden, weil das den Staat als Einrichtung aller Bürger zur Verwirklichung der allgemeinen Freiheit (im guten Leben) aufheben würde, zumal in der Republik, die demokratisch im freiheitlichen Sinne ist 1 0 8 . Wegen der freiheitlichen Verfassung des Volkes materialisiert nur die allgemeine Gesetzlichkeit das Recht und verwirklicht nur diese den Staat des Rechts, den Rechtsstaat109. Die Problematik der materialen Staatsaufgaben ist die der Staatlichkeit oder der Privatheit der Lebensbewältigung im Rahmen der das Recht verwirklichenden allgemeinen Gesetzlichkeit, also die Problematik der Verteilung der Aufgaben, die über die der allgemeinen Gesetzlichkeit hinaus bewältigt werden müssen, um allen ein gutes Leben zu ermöglichen, nicht also die Problematik der allgemeinen Freiheit selbst. Diese Aufgabenverteilung zwischen dem Staat und den Privaten aber ist im Rahmen des Verfassungsgesetzes Sache der Politik, die freilich das Privatheitsprinzip achten muß. Darum ist es nur den Gesetzen abzulesen, welche Aufgaben Sache des Staates oder der Privaten sind 110 . Wenn der Staat die Aufgaben von Privaten bewältigen läßt, sind oder werden die Aufgaben privat. Das Gesetz überträgt somit nicht Staatsaufgaben an Private, sondern entscheidet über die Staatlichkeit oder Privatheit der Aufgabenbewältigung. Darum gibt es auch keine Kompetenzübertragung vom Staat an Private, sondern nur innerhalb der staatlichen Organisation. Wenn man private Lebensbewältigung als Kompetenz ansehen will 1 1 1 , ist die Überlassung einer Aufgabe an Private Kompetenzverschiebung, die aber die Staatlichkeit der Kompetenz aufhebt. Nur wenn entgegen dem demokratischen Prinzip 112 die gesetzliche Aufgabenzuweisung an Private als Inkorporierung der Privaten in den Staat begriffen wird, also institutionell dogmatisiert wird, bleibt die Aufgabe staatlich. Das scheint nach Art. 33 Abs. 4 GG die Beleihung zuzulassen113. Richtigerweise 108

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f f K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 303 ff., 332 f f , 340 f f , 494 f f , insb. S. 519 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 f f ; ders. y Prinzipien des Rechtsstaats, S. 7 f f , 43 f f , 94 f f ; i.d.S. auch P. Schneider, Rechtsstaat und Unrechtsstaat, KritV 1996, S. 5 ff. 110 D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 172, 205 f.; F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL 29 (1971), S. 172 ff. (für staatliches Handeln in Privatrechtsform); KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f , 265 ff.; vgl. auch BVerfGE, NJW 1982, 2173 (2175); zur ultra-viresLehre Hinweise in Fn. 271. 111 So W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 213 f. mit Fn. 67; kritisch K.A. Schachtschneider, Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 263 ff.; zum Kompetenzbegriff HJ. Wolff Verwaltungsrecht II, 3. Aufl. 1970, 72 I a, S. 14. 112 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff, 92 f f , 685 ff, 763 f f , 772 ff. 113 E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 53 f , 540 ff.; H.J. Wolff, Verwaltungsrecht II, 104 I b, S. 388; P. Badura, Verwaltungsmonopol, S. 251 f.; F. Ossenbühl, 109

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i l Staatlichkeit

Privatheitlichkeit

n Aufgaben

geht es in dieser Vorschrift um Ausnahmen von dem Prinzip öffentlichrechtlicher Dienst- und Treueverhältnisse, in denen Angehörige des öffentlichen Dienstes hoheitsrechtliche Befugnisse (also Staatsaufgaben) als ständige Aufgabe ausüben sollen, also um Ausnahmen vom Beamtenverhältnis, dessen Regelhaftigkeit entgegen dem Amtsprinzip der Republik längst ruiniert ist 1 1 4 . Die Beleihungsproblematik ist auch demokratierechtlich zu bewältigen 115 . Das setzt den institutionellen Staats- und Staatsaufgabenbegriff voraus.

I I . Ausschließliche funktionale Staatlichkeit des Staates im engeren institutionellen Sinne, Grundrechtsfestigkeit der Privatheitlichkeit, material- und organisationsrechtliche Fehlformen der formellen Privatisierung und materiale Verstaatlichung institutionell Privater 1. Unabhängig von der Rechtsform und insbesondere unabhängig von der jeweiligen Rechtsfähigkeit der Einrichtung ist der Staat im engeren und institutionellen Sinne auf die Verwirklichung staatlicher Aufgaben beschränkt 116. Die Aufgaben als solche bestimmen aber nicht die Staatlichkeit an sich. Der Begriff der staatlichen Aufgaben selbst ist formal und die staatliche Aufgabenbestimmung im Rahmen der Verfassung und des verfassungsartigen europäischen Gemeinschaftsrechts offen 117 . Das Verfassungsgesetz und in dessen Rahmen die

VVDStRL 29 (1971), S. 161 f.; ders. schon, Verwaltungsvorschriften, S. 260 f.; U. Steiner , Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 259 f f , 263 ff. (nicht unkritisch); K Stern , Staatsrecht, Bd. I, S. 348; W. Brohm , Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 215 mit Hinweisen in der Fn. 72; vgl. auch H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 317 f f , 874 ff.; kritisch W. Reuss, Wirtschaftsverfassung, S. 62, 90 f.; KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 204 in Fn. 174; kritisch auch H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Beitrag zum Umbau des Sozialstaates, 1997, S. 120 ff. 1.4 Dazu J; Isensee, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 32, Rdn. 59 f , S. 1555; KA. Schachtschneider , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 349 f f 1.5 Dazu 4. Teil, 4. und 5. Kap. 116 J. Isensee, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, Aussprache, VVDStRL 54 (1995), S. 303 f f , 305; ders , HVerfR, §32, Rdn. 51 f f , S. 1550 ff.; ders , HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 7, 46; KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f ; auch D. Mronz , Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 123 ff.; M. Burgi , Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 48 f f , 61, auch S. 62 ff. 117 J. Isensee, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 136 ff.; W. Martens , Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131; F. Ossenbühl , VVDStRL 29 (1971), S. 153 ff. mit Fn. 76; auch K Vogel , Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand. Eine verwaltungsrechtliche Untersuchung, 1959, S. 61 ff.; H.-P. Bull , Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 47 f f , 99 ff.; KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f f , 265 ff.; ders , Res publica res populi, S. 198, 346 ff.; ders , Die Verwaltung 31 (1998), S. 142 f.; W. Brohm , Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 157 f f , insb. 163 f , 211 ff.; i.d.S.

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

Gesetze bestimmen die staatlichen Aufgaben. Die Grundrechte bestimmen positiv (etwa Schutzpflichten 1 1 8 ) Staatsaufgaben und verwehren dem Staat negative Aufgaben (negative Kompetenzen) 1 1 9 . Nahezu jede A u f g a b e 1 2 0 kann (abgesehen v o n der Verwirklichung der Staatlichkeit des Gemeinwesens als dessen allgemeine Gesetzlichkeit zur Verwirklichung der allgemeinen Freiheit) auch von (institutionell) Privaten verwirklicht werden, freilich nach anderen Rechtsprinz i p i e n 1 2 1 . Aus den Aufgaben selbst kann somit nicht geschlossen werden, ob eine Körperschaft oder auch Anstalt des öffentlichen Rechts oder auch eine privatrechtliche Vereinigung oder Gesellschaft oder eben ein freiberuflicher Bürger institutionell z u m Staat gehören oder n i c h t 1 2 2 . 2. Nach dem praktizierten Fiskusdogma darf der Staat nämlich auch in die Privatrechtsform, sowohl als Organisations- als auch als Handelnsform wechseln, u m seine Aufgaben zu erfüllen 1 2 3 . I h m w i r d ein Rechtsformenwahlrecht

auch D. MronZy Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 123 ff.; J. Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 172 f.; L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 207, 222; H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 250 Fn. 33; M. Peters, Öffentliche und staatliche Aufgaben, FS H. C. Nipperdey, Bd. II, 1965, S. 877 ff. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 759 f f , F. Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVB1 1994, 962; H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 128 ff. und Fn. 163, 167; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 20 f f , 41 f f , 71 ff. 118 Zu den Schutzpflichten Hinweise in Fn. 166; insb. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 766 ff. 119 Zu den negativen Kompetenzen, R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 223 f , 407 f f , 466; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, 1529 f.; K Stern, Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 1257 f.; J. Isensee, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 78 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 353 ff.; vgl. auch H.-P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 47 ff. 120 Das Staatsrecht „Nahezu" nimmt die Erkenntnisse der Finanzwissenschaft zu notwendigen öffentlichen Gütern zur Kenntnis (etwa ....), die nach praktischer Vernunft vom Staat übernommen werden sollten. Dieser Aspekt mindert die Kritik an der materialen Aufgabenlehre des Staatlichen in keiner Weise. 121 Dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f , 281 f f , 363 ff. 122 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f f , 261 f f , 281 f f , 363 ff.; i.d.S. auch W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 133 f f , insb. S. 136, 157 f f , der aber S. 162 der Form eine klarstellende Relevanz beimißt; ders., Die Verwaltung 31 (1998), S. 142 f , insb. S. 144; die Irrelevanz der Organisationsform spricht auch BVerfGE 68, 193 (212 f.); 70, 1 (20) an; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 114; D. Mronz, Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 165 ff.; vgl. auch W. Frenz, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts bei grundrechtssichernder Tätigkeit, VerwArch. 1994, 22 (37); weitere Hinweise in Fn. 123 f , 129 auch Fn. 822 f. 123 Für die Praxis nach herrschender Lehre RGZ 158, 83 (92 ff.); 161, 341 ff.; 164, 273 (276 ff.); BGHZ 9, 145 (147); 16, 111 (112 f.); 35, 111 (112 f.); auch (in der Tendenz) BVerfGE 27, 364 (374); 68, 193 (212 f.); 70, 1 (20); H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, S. 237 f f , mit Hinweisen; G. Pütt-

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i l Staatlichkeit

Privatheitlichkeit

n Aufgaben

zugestanden 1 2 4 . Neuerdings w i r d die Rechtsform staatlicher Aufgabenwahrnehmung sogar i m Grundgesetz festgeschrieben, etwa i n Art. 87 e Abs. 3 G G für die Deutsche Bahn und i n Art. 87 f Abs. 2 G G fur die Unternehmen der vormaligen Deutschen Bundespost (verfassungswidrig, weil staatswidrig). Unabhängig von der Verfassungswidrigkeit dieses Rechtsformenwahlrechts 125 zeigt die Praxis, daß die organisatorische Rechtsform selbst, in der eine Aufgabe bewältigt wird, sei diese öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich, sei es die Errichtung i n einer eigenständigen juristischen Person oder sei es die Integration einer Einrichtung des öffentlichen oder privaten Rechts i n die Bundes- oder Landesverwaltung, sei es die Einbindung eines Bürgers i n die Gemeinwohlverwirklichung mittels besonderer Aufgaben und besonderer Befugnisse, kein Kriterium für die Staatlichkeit oder NichtStaatlichkeit der Aufgabe (oder der Befugnisse) und damit der Organisation i s t 1 2 6 .

ner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 81 f f , 136 f f , 241 ff.; W. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft. Untersuchungen zum Problem der leistenden Verwaltung, 1967, S. 102, 104, 312, 353 f f , 364 f.; V. Emmerich , Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 128; M. Ronellenfitsch , Wirtschaftliche Betätigung des Staates, HStR, Bd. III, 1988, § 84, Rdn. 24 f f , 27 mit Fn. 88; D. Ehlers , Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 64 f.; dazu für Österreich auch J. Hengstschläger , VVDStRL 54 (1995), S. 176 ff.; kritisch J. Burmeister , Der Begriff des Fiskus in der heutigen Verwaltungsrechtsdogmatik, DÖV 1975, 702 f.; ders ., Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52, (1993), S. 210 f.; B. Raschauer , Grenzen der Wahlfreiheit zwischen den Handlungsformen der Verwaltung im Wirtschaftsrecht, ÖZW 1977, 1 ff.; kritisch insb. KA . Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181 f f ; W. Kempen , Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung. Die öffentliche Verwaltung zwischen öffentlichem und privatem Recht, 1989, S. 91 ff.; auch G. Haverkate , Verfassungslehre. Verfassung als Gegenseitigkeitsordnung, 1992, S. 381 f.; J. Isensee, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, Aussprache, VVDStRL 54 (1995), S. 303 ff. kritisch auch L. Osterloh , VVDStRL 54 (1995), S. 231 ff.; zur Organisationsprivatisierung 4. Teil, 1. und 2 Kap. 124 G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 81 ff.; D. Ehlers , Verwaltung in Privatrechtsform, S. 65 ff.; M. Ronellenfitsch , HStR, Bd. III, § 84, Rdn. 27; J. Burmeister , WiR 1972, S. 311 ff.; ders. y Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart, Aussprache, VVDStRL 37 (1979), S. 304; ders., Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 210 f.; kritisch H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 323 f f , 896 f f ; ablehnend KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 f f , 173 f f , 181 ff.; J. Isensee, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, Aussprache, VVDStRL 54 (1995), S. 303 f f , in der Sache; auch W. Kampen , Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, S. 91 f f ; G. Haverkate , Verfassungslehre, S. 381 f.; weitere Hinweise in Fn. 123, 850 ff. 125 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181 ff.; M. Burgi , Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 2 ff.; weitere Hinweise in Fn. 123 f , 851 ff.; 126 1.d.S. auch BVerfGE 68, 193 (212 f.); 70, 1 (20); W. Brohm , Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 133 f f , so auch für die Hoheitlichkeit im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG S. 215; J. Burmeister , Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart, VVDStRL 37 (1979), S. 303 f. (Aussprache); insoweit auch F. Ossenbühl , daselbst, Aussprache, S. 305 f. (der aber den „Staat als Privatmann" kennt); A. von Mutius , da-

56

2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben 3. Eine Aufgabe w i r d dadurch staatlich oder, wie oft irreführend gesagt wird,

öffentlich 1 2 7 , daß der Staat ( i m institutionellen Sinne) sie, u m der Lage (Herbert Krüger

m

)

gerecht zu werden, an sich z i e h t 1 2 9 . Die Errichtung einer Körper-

schaft des öffentlichen Rechts etwa ist nicht schon eine solche Entscheidung für die Staatlichkeit der Aufgabe, wenn auch diese Organisationsform das allgemeine Interesse an der Einrichtung und deren Aufgaben erweist. Wegen der Formalität oder Institutionalität des Begriffs der Staatlichkeit der Aufgaben (staatlich sind die Aufgaben, welche dem Staat übertragen sind) wäre andernfalls bereits die Errichtung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft deren Inkorporierung in die staatliche Organisation, entgegen der Personalität der Mitglieder der Körperschaft und damit entgegen deren Privatheitlichkeit, entgegen dem Grundrechtsschutz dieser Mitglieder und insbesondere entgegen dem demokratischen Prinzip der R e p u b l i k 1 3 0 . I m Falle der (vermeintlichen) Beleihung ist die Staatlichkeit der Aufgabe aus nichts anderem zu schließen als aus der gesetzlichen Einordnung der Aufgabe, welche der Übertragung der Aufgabe an den Privaten widerspricht, angesichts der Neutralität der Aufgaben i n ihrer Dichotomie des (instititutionell) Staatlichen und Privaten eine Absurdität, die aber

selbst (Aussprache), S. 308; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, 1988, § 72, Rdn. 36; J. Isensee^HVerfR, § 32, Rdn. 56 f , S. 1553 f.; K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 142 ff.; a.A. W. Rudolf, Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart, VVDStRL 37 (1979), S. 202 f , der mit seinem Kriterium der Form der Offenheit des Begriffs der „hoheitsrechtlichen Befugnisse" bestätigt und ausspricht. 127 Zur Terminologie H.-P. Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 43 f f , insb. S. 47 ff.; kritisch auch H. Peters, Öffentlich-staatliche Aufgaben, S. 877 ff.; D. Mronz, Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 66 f f , insb. S. 87 ff.; W\ Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 117 ff.; Gleichsetzung etwa von E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 535 f.; undifferenziert BVerfGE 7, 99 (104); 12, 205 (243); 31,314 (334, 337); 73, 301 (316); differenziert dagegen BVerfGE 30, 292 (311); vgl. auch M. Krauzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private. Zum Begriff des staatlichen Bereichs, 1971, S. 98 f. 128 Allgemeine Staatslehre, S. 15 ff.; folgend H.-P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 102. 129 Schon H. Peters, Öffentliche und staatliche Aufgaben, S. 878 f.; D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 172 f f , 196 f f , 205; H.-P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50, 99 f f , 105 f , 118 f.; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 98, 119 f , 124, auch S. 82 f f , 98 ff.; auch K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 62 f.; G.F. Schuppert, Die öffentliche Aufgabe als Schlüsselbegriff der Verwaltungswissenschaft, VerwArch 71 (1980), S. 309 f f ; auch D. Mronz, Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 123 f f ; J. Isensee, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 136 f f ; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 161 f f , 189 f f , 235 f f , 245 ff.; ders., Res publica res populi, S. 198 f f , 349, 350 f.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), S. 142 ff.; J. Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 172 f.; L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 207; H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 249 f.; vgl. auch W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 211 ff. der eine umfassende rechtliche Ordnung der Kompetenzen des Staates und der Privaten lehrt. 130

Dazu 4. Teil, 5. Kap.; zum demokratischen Prinzip der Republik Hinweise in Fn. 112, 758, 833.

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i l Staatlichkeit

Privatheitlichkeit

n Aufgaben

nicht allen auffällt 131 , weil sie sich von der materialen Aufgabenlehre, die es nicht gibt, nicht zu lösen vermögen. 4. Wenn für die Grundrechtsfähigkeit auf diese Entscheidung für die Öffentlich-rechtlichkeit der Organisation (im Sinne mittelbarer Staatsverwaltung) oder gar die materiale Staatlichkeit der übertragenen Aufgabe des Beliehenen, abgestellt würde, hätte es der Gesetzgeber, der Staat im engeren Sinne also, in der Hand zu bestimmen, ob einer Vereinigung oder einer Betätigung Grundrechtsschutz zukommen soll oder nicht, ein circulus vitiosus 132 ; denn der Grundrechtsschutz, der der Vereinigung nach Art. 9 Abs. 1 oder Abs. 3 GG, aber auch nach Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 14 Abs. 1 oder Abs. 3 GG zusteht, hinge davon ab, ob die Errichtung der Körperschaft des öffentlichen Rechts sich durch „legitime öffentliche Aufgaben" vor Art. 2 Abs. 1 GG rechtfertigen läßt 133 . Das aber ist eine bloße Frage der praktischen Vernunft, der Sachlichkeit oder eben des tragfähigen politischen Willens 134 . Entsprechendes gilt für den Grundrechtsschutz des Handelns des Beliehenen, etwa aus der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 2 GG oder der allgemeinen (Handlungs-)Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und erst recht für den Grundrechtsschutz aus den nämlichen Grundrechten derer, die wegen der Beleihungsdoktrin von den (vermeintlich) staatlichen Aufgaben ausgeschlossen sind 135 . Der Grundrechtsschutz ist oder wäre durch die dogmatischen Konstruktionsfehler zur Disposition des Gesetzgebers gestellt; denn der Begriff der staatlichen Aufgaben ist formal oder institutionell 136 und damit der politischen Entscheidung, die um ihrer Rechtlichkeit willen sittlich, also praktisch vernünftig, sein 137 und demgemäß dem Privatheitsprinzip genügen muß 138 , überantwortet. 5. Allenfalls hat die Organisationsform indizielle Wirkung für die rechtliche Einordnung der Aufgaben und der Organisation als staatlich oder nichtstaatlich 139 , obwohl diese rechtliche Einordnung folgenreich ist. Insbesondere

131

Etwa U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46 ff. Kritisch auch L Fröhler/P. Oberndorfer, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, S. 64. 133 Vgl. Fn. 168. 134 Vgl. Fn. 168 f.; i.d.S. insb. U. Scheuner, Voraussetzungen und Form der Errichtung öffentlicher Körperschaften (innerhalb des Kommunalrechts), GS Hans Peters, 1967, S. 197 f f , 811 f f , 820. 135 Dazu 4. Teil, 4. und 5. Kap. 136 Dazu 2. Teil, 2. und 3. Kap. 137 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 329 f f , 519 f f , 978 f f , 1027 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 7. Kap. 138 Dazu 3. Teil, l.Kap. 139 Dazu W. Brohrn, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 133 f f ; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 40 zu Art. 19 Abs. 3 GG; i.d.S. auch W. Rudolf VVDStRL 37 (1979), S. 202 f. 132

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2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

wird davon die Grundrechtsfähigkeit abhängig gemacht140. Die Beleihung mit „staatlichen" Aufgaben kann nur aus dem Gesetz abgelesen werden 141 , aber solche Gesetze verstoßen gegen das demokratische Prinzip, gegen die Grundfreiheiten und die Grundrechte, aber auch gegen das Rechtsstaatsprinzip, zumal die Beleihung eine republikwidrige Dogmatik ist 1 4 2 . 6. Gerade deswegen, aber auch aus weiteren Gründen, wie die der Kompetenz- und der Legitimationsordnung und der des privatheitsmäßigen Rechtsregimes, darf der Gesetzgeber institutionell private oder privatheitliche, jedenfalls nicht-staatliche, natürliche oder juristische Personen nicht ohne staatsgemäße Umgestaltung in die Staatsverwaltung einordnen und dadurch zumindest grundrechtlich entprivatisieren. Das verletzt nicht nur die Privatheitlichkeit 143 . Es verletzt auch die Verfassungsprinzipien der Staatlichkeit und ist dadurch staatswidrig. Insbesondere setzt eine solche Maßnahme eine organisationsrechtliche Grundlage im Verfassungsgesetz voraus; denn die Organisation der Ausübung der Staatsgewalt ist wegen Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG Sache des Volkes. Das Volk aber ordnet das gemeinsame Leben im Verfassungsgesetz. Die Vertreter des Volkes können rechtens die Organisation des Verfassungsgesetzes nicht ändern (soweit sie dazu durch dieses nicht ermächtigt sind), weil das notwendig ultra vires wäre 144 . Der Begriff der Organe der vollziehenden Gewalt kann weit gefaßt werden. Er umfaßt aber nicht Private; denn Private sind nicht demokratisch legitimiert 145 . Auch die innere Organisation, insbesondere die der Willensbildung, wird durch die Staatlichkeit von Aufgaben und Organisation determiniert. 7. Wenn mit den Staatsaufgaben zugleich staatliche (hoheitliche) Befugnisse vermittelt würden, wäre die Dogmatik von der mittelbaren Staatsverwaltung wegen der Verweigerung des Grundrechtsschutzes für Selbstverwaltungseinrichtungen der (vermeintlich) mittelbaren Staatsverwaltung nicht ohne Konsequenz, weil der Staat sich jedenfalls nicht auf Grundrechte berufen darf 146 . Hoheitlichkeit der Selbstverwaltungseinrichtungen aus überantworteten hoheitlichen Befugnissen und privatheitlicher Grundrechtsschutz wären ein Widerspruch, wenn und weil die Staatsgewalt ihre staatliche Eigenart bewahrt, insbesondere die der Grundrechtsunfähigkeit. Unabhängig von der Kritik an der

140 Vgl. Fn. 821 f f , und Fn. 92, 1054; insb. für die KZVen BVerfGE 62, 345 (369); 70, 1 (15 ff.). 141 So E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1964, S. 95. 142 Dazu 4. Teil, 4. Kap, II, 5. Kap. 143 Dazu 2. Teil, 2. Kap, 4. Kap. 144 Dazu E.-W. Böckenförde, Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 89 ff.; zur ultra-vires-Lehre Hinweise in Fn. 271, 835. 145 Dazu 4. Teil, 5. Kap. 146 Dazu die Hinweise in Fn. 92, 821 f f , 1054.

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Privatheitlichkeit

n Aufgaben

Dogmatik der Überantwortung von hoheitlichen Befugnissen 1 4 7 verkennt das Widerspruchsargument 1 4 8 jedoch die Privatheitlichkeit der Selbstverwaltungskörperschaften, nämlich die soziale Personalität ihrer M i t g l i e d e r 1 4 9 , verkennt deren Besonderheit gegenüber der staatlichen Allgemeinheit und verkennt insbesondere, daß jedes Gesetz durch seine Verbindlichkeit den Bürger i n seiner Staatlichkeit ( i m weiteren Sinne) i n Anspruch nimmt. Die berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts wegen ihrer öffentlichen Aufgaben als staatlich einzustufen 1 5 0 , w i r d dem Selbstverwaltungsprinzip der Verfassung, wenn dieses auch i m Grundgesetz als dem Verfassungsgesetz nicht ausdrücklich genannt ist, nicht gerecht, schon gar nicht der Geschichte der beruflichen Selbstverwaltung 1 5 1 . Die berufsständische Selbstverwaltung hat ihre Substanz i n der besonderen beruflichen Personalität von Menschen, die ihre gemeinsamen Angelegenheiten verwalten 1 5 2 , sei es i n privaten Vereinigungen, sei es i n staat-

147

Dazu 4. Teil, 5. Kap. 3. Teil, 3. Kap, V, 1. 149 K.A. Schachtschneider , Die Verwaltung 31 (1998), S. 154 ff.; i.d.S. L. Fröhler/P. Oberndörfer , Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, S. 47 f f , 53 ff.; G. Haverkate , Verfassungslehre, S. 345 f , 382 f.; vgl. auch BVerfGE 68, 193 (206); fiir die Durchgriffslehre auch G. Dürig , in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. III, Rdn. 1 f f ; A. v. Mutius , GG, Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung, 1975, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 29; K Stern , Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 1162 f.; auch J. Salzwedel , Staatsaufsicht in Verwaltung und Wirtschaft, VVDStRL 22 (1965), S. 223 ff. 150 BVerfGE 62, 354 (369); 70, 1 (16, 18); E. Schmidt-.Aßmann, GS für W. Martens, S. 249 f f , insb. S. 258 f. mit weiteren Nachweisen; H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober , Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 34, Rdn. 8; W. Rüfner , HStR, Bd. V, § 116, Rdn. 79, mit weiteren Nachweisen; jüngst OVG Bremen, NJW 1994, 1606 (1607) unter Verweis auf BVerwGE 64, 298; dazu kritisch L. Fröhler/P. Oberndorfer , Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, S. 8 f f 151 Dazu K.-J. Bieback , Die öffentliche Körperschaft, 1976, S. 315 ff.; zur Geschichte des Kammerwesens, P. J. Tettinger, Kammerrecht, Das Recht der wirtschaftlichen und der freiberuflichen Selbstverwaltung, 1997, S. 35 f f ; R. Hendler , Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip. Zur politischen Willensbildung und Entscheidung im demokratischen Verfassungsstaat der Industriegesellschaft, 1984, S. 7 f f ; K.A. Schachtschneider , Die Verwaltung 31 (1998), S. 158. 152 Vgl. F. Ossenbühl, Satzung, HStR, Bd. III, 1988, § 66, Rdn. 8 f.; H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl. 1987, § 84, Rdn. 7; ganz im hier vertretenen Sinn auch K Stern , Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 1149 f f , insb. S. 1157 f f , 1162 f., der richtig wegen der Fragwürdigkeit der Position des Bundesverfassungsgerichts weitere Ausnahmen von der Grundrechtsunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts einfordert; auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts hält Stern , gerade unter Hinweis auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu den Handwerksinnungen (BVerfGE 68, 193 (268 f.) und zu den Innungsverbänden der Orthopädietechniker (BVerfGE 70, 1 (20 f.)), die Anerkennung einer „partiellen" Grundrechtsfähigkeit für möglich; i.d.S. auch G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. III, Rdn. 2 f f , 33 f f , insb. Rdn. 47, 50 f.; A. v. Mutius, in: Bonner Komm, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 78 f f , insb. Rdn. 141; i.d.S. auch L. Fröhler/P. Oberndorfer, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, S. 16 f f , 53 f f ; K.A. Schachtschneider , Die Verwaltung 31 (1998), S. 154 f f , 162 ff. 148

60

2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

lieh geordneten Körperschaften. Materiale Konsequenzen aus der Aufgabenzuteilung zu ziehen, mißachtet somit durchgehend die Formalität der Aufgabenordnung, deren Staatlichkeit oder Privatheit ausschließlich institutionell bestimmt werden kann. Das gilt auch und gerade für freiberuflich tätige Bürger, die nicht durch eine (vermeintliche) Beleihung quasi Beamte/Amtswalter mittelbarer Staatsverwaltung werden. In diesem Sinne gibt es keine staatlich gebundenen Berufe 153 . I I I . Öffentlichkeit der staatlichen und privater Aufgaben Von öffentlicher Bedeutung ist nicht nur das staatliche, sondern auch alles private Handeln. Der Gesetzgeber kann die Lebensbewältigung weithin durch Privatrechtsgestaltung ordnen. Gemäß dem Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung, dem Privatheitsprinzip, hat er möglichst diesen Weg zu gehen 154 . Der Status öffentlicher Aufgaben ist somit nicht spezifisch, jedenfalls steht er in keiner Weise gegen die Grundrechtsberechtigung 155. Diese ist, wie ausgeführt, davon abhängig, ob eine Institution zum Staat im engeren Sinne gehört oder die grundrechtsspezifische Nähe zur Privatheit wahrt, somit privatheitlich ist. So hat das Bundesverfassungsgericht für Art. 14 Abs. 1 GG gesagt, dieses Grundrecht schütze nicht das private Eigentum, sondern das Eigentum Privater 156 . Auf diese Privatheit kommt es an. Privatheitlichkeit aber ist der Gegenbegriff zur Staatlichkeit. Keinesfalls können etwa die berufsständischen Selbstverwaltungseinrichtungen, die Freiberufler in Körperschaften vereinigen, zum Staat im engeren Sinne gerechnet werden 157 . Substantiell sind etwa die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen Vereinigungen der Vertrags-(zahn)ärzte eines Landes als Freiberufler und damit als Private. Daß die Ärzte und Zahnärzte öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wird niemand bestreiten wollen, insbesondere die Vertrags(zahn)ärzte angesichts der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung (§§ 75 Abs. 1, 73 Abs. 2, 72 Abs. 2 SGB V; BVerfGE 11, 30 (39) für die Kassenärzte). Die Gesundheit der Menschen ist eine vorrangige öffentliche Aufgabe und obliegt dem Schutz des Staates allein schon aus der Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 GG heraus 158. Die Schutzpflicht verpflichtet den Staat geradezu zu einer effektiven, 153

Dazu 4. Teil, 4. Kap. I. K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV; dazu 3. Teil. 155 Dazu K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 145 ff. 156 BVerfGE 61, 82 (108 f.). 157 Dazu K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 139 f f , insb. S. 148 f f , 154 f f , 156 ff. 158 Zur Schutzpflicht für die Gesundheit K. Stern, Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 943; D. Lorenz, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 128, Rdn. 44; weitere Hinweise auch auf die Rechtsprechung in Fn. 166. 154

.

i l Staatlichkeit

Privatheitlichkeit

n Aufgaben

aber auch effizienten Organisation des Gesundheitswesens. Dazu gehört auch, wenn sie sinnvoll ist, die Einrichtung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, welche den ganzen Berufsstand erfaßt. Die öffentliche Aufgabe wird aber von Privaten und privatheitlich erfüllt. Die Ärzte und Zahnärzte sind keine beliehenen Unternehmer, seien sie als Vertrags(zahn)ärzte tätig oder privat. Sie üben keinen staatlich gebundenen Beruf aus 159 . Sie erfüllen im Rahmen der Gesetze und Verträge ihre ärztlichen und zahnärztlichen Pflichten wie andere Berufsgruppen deren Pflichten privatheitlich, aber gesetzlich geordnet. So sehr man betonen mag, daß Körperschaften des öffentlichen Rechts und Beliehene öffentliche Aufgaben wahrnehmen, so wenig gibt diese Charakterisierung für die Dogmatik, insbesondere die Grundrechtsdogmatik, her. Der staatliche Gesetzgeber darf nur agieren, um dem gemeinen Wohl, der salus publica, zu dienen 160 . Es müssen immer Angelegenheiten von allgemeinem Interesse sein, die ihn zur Gesetzgebung veranlassen. Auch wenn die Körperschaften Aufgaben explizit oder evident im Interesse der Mitglieder haben, wie die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen bei den Gesamtvereinbarungen nach § 82 Abs. 2 und § 83 Abs. 2 SGB V, welche eine angemessene Vergütung der aus der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gewährleisten sollen, und noch deutlicher die Industrie- und Handelskammern, welche nach § 1 Abs. 1 IHKG u.a. das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrnehmen und „die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen" die Aufgabe haben, so sind diese Aufgaben öffentliche Aufgaben, weil ein allgemeines Interesse daran besteht, daß diese Aufgaben von dem körperschaftlich organisierten Berufsstand wahrgenommen werden 161 . Sonst dürfte eine solche

159

H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 102 f f , 136 ff. 160 BVerfGE 42, 312 (332); auch BGHZ 19, 299 (303 ff.); H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 763 ff.; K. Vogel , Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 65 f.; P. Häberle , „Öffentliches Interesse" als juristisches Problem. Eine Analyse von Gesetzgebung und Rechtsprechung, 1970, passim; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 208 f.; W. Martens , Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 183 ff.; H.H. v. Arnim , Gemeinwohl und Gruppeninteressen. Die Durchsetzungsschwäche allgemeiner Interessen in der pluralistischen Demokratie. Ein Beitrag zu verfassungsrechtlichen Grundfragen der Wirtschaftsordnung, 1977, passim; K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 193, mit weiteren Hinweisen in Fn. 98, 247 ff, 253 f f ; ders , Res publica res populi, S. 402 f , 573 f f , 655 ff. 161 A.A. H.-P. Bull , Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 52, der Körperschaften des öffentlichen Rechts zur mittelbaren Staatsverwaltung rechnet, die staatliche Aufgaben wahrnehme, diese Aufgaben der Industrie- und Handelskammern aber kritisiert; ähnlich schon W. Martens , Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 120 f.; ähnlich BVerfGE 23, 304 (305); vgl. auch eher im Sinne des Textes BVerfGE 10, 89 (105); 15, 235 (241); 20, 312 (321); P. Häberle , Berufsständische Satzungsautonomie und staatliche

62

2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

Aufgabe auch nicht der Zuständigkeit der Körperschaft und ihrer Pflichtmitgliedschaft übertragen sein, sondern müßte besondere Sorge den Betroffenen überlassen bleiben, die sich im übrigen zusätzlich eigenständig und eigenwillig um ihre Interessen zu kümmern pflegen. Ein vor allem grundrechtsdogmatischer Unterschied kann aus der größeren oder geringeren Nähe der Aufgaben zu den besonderen Interessen der Mitglieder der Körperschaften nicht hergeleitet werden; denn ein solcher würde eine materiale Bestimmung der Aufgaben nötig machen. Dies ist aber nicht möglich. Auch die Aufgaben, die augenfällig das Allgemeininteresse für sich haben, wie die der Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung durch die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen (§ 75 Abs. 1 SGB V), liegen zugleich im Interesse der Vertrags(zahn)ärzte, jedenfalls derer, die ihren Beruf so, wie er gestaltet ist, wahrnehmen wollen, d.h. ihre berufliche Freiheit als sittliche Pflicht verstehen, wie es ihr Ethos ist. Besondere Interessen zu bestimmen ist ohnehin Sache des einzelnen Menschen, so daß sich besondere Interessen wenig als Kriterium rechtlicher Differenzierungen eignen 162 . Nichts anderes gilt für das allgemeine Interesse an der korrekten Vermessung. Vermessung ist eine öffentliche Aufgabe, die typisch im freien Beruf wahrgenommen wird 1 6 3 . Aber deswegen ist die Vermessung nicht schon staatliche Aufgabe. Der Gesetzgeber darf das nicht schlicht verfügen. Er muß dafür durchgreifende Gründe geltend machen können, die sich vor dem Privatheitsprinzip zu behaupten vermögen. Die sind angesichts der weltweiten Praxis nicht erkennbar 164.

IV. Kritik des Praxiskriteriums legitimer öffentlicher Aufgaben für die Organisations- und Grundrechtsdogmatik Das Bundesverfassungsgericht stellt wesentlich auf das Kriterium der öffentlichen Aufgabe ab, wenn es um den Grundrechtsschutz der Selbstverwaltungseinrichtungen oder den der Beliehenen in (vermeintlich) staatlich gebundenen Berufe 165 geht, ohne daß der Begriff der öffentlichen Aufgabe dadurch definierbar würde. Es ist vielmehr ein formaler Begriff, der in gewissen Grenzen vom Gesetzgebung. Zur Facharztentscheidung des BVerfG vom 9.5.1972, DVB1 1972, 99 ff. (910). 162 Zur Interessenproblematik allgemein K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff. 163 Zum Typenbegriff freier Berufe H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 36 f f , zum Beruf des Vermessungsingenieurs als freier Beruf ebd., S. 31 ff.; ders., Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur - Freier Beruf oder „staatlich gebundener Beruf 4 ?, in: H. Hermann/J. Backhaus, Staatlich gebundene Freiberufe im Wandel, 1998, S. 41 f f , 44 ff. 164 165

Dazu 4. Teil, 4. Kap, III. Hinweise in Fn. 168.

.

i l Staatlichkeit

Privatheitlichkeit

n Aufgaben

Grundgesetz, etwa durch die Schutzpflichten 1 6 6 , materialisiert w i r d 1 6 7 .

Die

Klausel, welche dem Gericht den politischen Spielraum gibt, die Aufgabenverteilung des Gesetzgebers auf der Grundlage des Art. 2 Abs. 1 G G zu verwerfen, ist das W o r t „ l e g i t i m " 1 6 8 . Welche Aufgaben der Staat erledigen soll, ist damit eine Frage der Legitimität, ein schlechtes W o r t für Sachlichkeit, praktische Vernünftigkeit. Über die praktische Vernunft aber wacht der Hüter der Verfassung, das Bundesverfassungsgericht, der Sache nach reduziert auf das W i l l k ü r verbot 1 6 9 . Legitime öffentliche Aufgabe besagt, die Aufgabenverteilung der Gesetze darf nicht willkürlich, nicht grob unsachlich sein. Das Gericht aktiviert für diese Frage das Verhältnismäßigkeitsprinzip 1 7 0 . Das aber unterscheidet sich nicht v o m W i l l k ü r v e r b o t 1 7 1 . Es geht u m die praktische Vernunft, für die das Bundesverfassungsgericht i m demokratischen Verfassungsstaat, der Republik, dem Staat des Volkes, die letzte Verantwortung trägt 1 7 2 , zumindest für die A b wehr des groben Unrechts der Unvernunft; Paul Kirchhofs

Objektivitätsge-

bot173.

166

Etwa BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 49, 24 (53); 53, 30 (57); 56, 54 (73, 78, 80); 77, 170 (214); 88, 203 (251); 89, 214 (231 ff.); K Stern , Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 931 f f ; ders , Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Staatsrecht), Bd. III/2, 1994, S. 1769 ff.; J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht, HStR, Bd. V, 1992, § 111, Rdn. 77 ff.; H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 766 ff.; dazu KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 670 mit Fn. 187, S. 822 mit Fn. 16. 167 J. Isensee, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 137; KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f f , 235 f f , 265 ff.; ders , Res publica res populi, S. 198, 346 f f , auch 573 f f , 655 ff.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), S. 139 f f , insb. S. 140 ff. 168 BVerfGE 10, 89 (102); 10, 354 (361 ff.); 15, 235 (239); 38, 281 (297 f.); D. Merten, Vereinsfreiheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 144, Rdn. 58 ff.; I. v. Münch , GG, Bonner Komm, Art. 9, Zweitbearbeitung 1966, Rdn. 28, 52; R. Scholz , in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 66 zu Art. 9; dazu A. v. Mutius , Grundrechtsschutz vor öffentlich-rechtlichen Zwangszusammenschlüssen, VerwArch 64 (1973), S. 81 f f ; H. Bethge , Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 119 ff.; P. J. Tettinger , Kammerrecht, S. 88 ff.; a.A. L. Fröhler/P. Oberndorfer, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, S. 16 f f , 19 f f , 53 ff. 169 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 978 f f , 990 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, II; dazu 3. Teil, 1. Kap, IV. 170 Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip Hinweise in Fn. 666. 171 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 986 f f , auch 990 f f ; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II; ders , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 367 f f ; i.d.S. auch P. Kirchhof Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, 1992, § 124, Rdn. 161 f f , 250; ders., Objektivität und Willkür, FS W. Geiger, 1989, S. 101 ff.; auch schon H. Triepel , Goldbilanzverordnung und Vorzugsaktien, 1924, S. 29 f , der Begründer des gesetzgeberischen Willkürverbots. 172

KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 978 f f , auch S. 932 f f , 990 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap, II. 173 P. Kirchhof HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 235 ff.; ders., Objektivität und Willkür, S. 82 f f , 109; ders , Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Ge-

64

2. Teil Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben

Das Gesetz, welches eine Aufgabe dem Staat überträgt, macht die Aufgabe zur staatlichen Aufgabe. Wenn eine Aufgabe vom Gesetzgeber einer berufsständischen Vereinigung zugewiesen wird, ist sie oder vielmehr bleibt sie eine öffentliche Aufgabe. Es ist aber auch eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in privater Vereinigungsform bewältigt wird, und auch, wenn sie von Gesetzes wegen derart zu bewältigen ist. Auch die Aufgaben der Beliehenen sind öffentliche Aufgaben. Sie werden aber von Privaten nach Maßgabe der Gesetze erfüllt und sind darum nicht staatlich 174 . In dem Maße, in dem private Lebensbewältigung gelingt, muß der Staat nicht eingreifen. Staatliche Lebensbewältigung ist keineswegs freiheitswidrig, sondern eine spezifische Art der Freiheitsverwirklichung; denn res publica res populi 1 7 5 . Wie das Gemeinwesen das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit verwirklicht, ist im Rahmen der Verfassung und des Verfassungsgesetzes 176, aber auch im Rahmen des Europäischen Gemeinschaftsrechts Sache der Gesetzgebung und damit der Politik 1 7 7 . Die Möglichkeiten sind vielfältig und bewährte Traditionen haben dabei als erfahrene praktische Vernünftigkeit rechtfertigende Kraft 1 7 8 . 2. Für Bürger und Vereinigungen der Bürger in ihrer Besonderheit kann nichts anderes gelten. Diese Bürger bleiben in der Besonderheit der Personen, institutionell also privat und gegenüber dem Staat privatheitlich, auch wenn sie um allgemeiner Belange willen gesetzlich in ihren Tätigkeiten (wie alle Bürger bei allem Handeln) reglementiert oder gar öffentlich-rechtlich korporiert sind. Die gesetzliche Ordnung ändert die Privatheitlichkeit der Bürger. Korporierung ändert aber das privatheitliche Wesen der Vereinigungen nicht, weil es auf die setz, 1996, S. 42 f f , KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 988; ders, Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II. 174 Dazu 4. Teil, 4. Kap, II, 5. Kap. 175 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 303 f f , 323 f f , 340 f f , 490 f f , 494 f f , 519 f f , 536 f f , 617 f f , 637 f f , 978 f f , 1027 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, 7. Kap, III. 176 Dazu umfassend H.-P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 99 f f , S. 149 f f , S. 163 f f , S. 211 ff. 177 Insb. P. Häberle, „Öffentliches Interesse" als juristisches Problem, etwa S. 716; 1.d.S. auch H.-P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50, 199 auch S. 99 f f , 114 ff.; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131; allerdings ist die Rechtsprechung, vor allem die des Bundesverfassungsgerichts, funktional wegen der verbindlichen Rechtserkenntnis an der Gesetzgebung beteiligt; i.d.S. auch Ch. Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, VVDStRL 34 (1976), S. 74; R. Marcic, Die Deutung der Natur des Verfassungsgerichts, in: P. Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, 1976, S. 318 f , 328; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 f f , 909 f f , 978 f f , 1027 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, II; dazu 3. Teil, 2. Kap. 178 Zur „normativen Kraft des Faktischen" vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1905, S. 330, s.a. S. 329.

3. Kapitel Staatlichkeit und Privatheitlichkeit von Aufgaben

65

Besonderheit der Bürger ankommt. Der funktionalistischen Aufgabendogmatik des Bundesverfassungsgerichts ist die institutionelle Subjektsdogmatik entgegenzusetzen, die auf die besondere Personalität abstellt 179 . Dies ist auch der Sinn der von Günther Dürig entwickelten Durchgriffslehre, die sich großer Zustimmung erfreut 180 . Die funktionalistische Dogmatik krankt vor allem daran, daß es (schlechterdings) keinen materialen Begriff der öffentlichen Aufgaben gibt und angesichts der politischen Freiheit in der Republik als bürgerlichem Gemeinwesen geben kann, der Unterscheidungskraft beanspruchen könnte. 3. Der Beschluß des Ersten Senats in BVerfGE 70, 1 ff. fuhrt das selbst vor Augen. Ein materieller Unterschied der Leistungserbringung durch die Vertragsärzte und Vertragszahnärzte sowie durch die Vertragszahntechniker einerseits und durch die Lieferanten von Heil- und Hilfsmitteln andererseits kann nicht aufgespürt werden. Sowohl die einen als auch die anderen nehmen ihre Interessen wahr und erfüllen zugleich, gesetzlich geleitet, im vertraglichen (eventuell kollektiven) Interessenausgleich öffentliche Aufgaben, nämlich das gemeine Wohl. Das Gericht stellt darauf ab, ob der Gesetzgeber die Vereinigungen schon oder noch nicht in die mittelbare Staatsverwaltung eingegliedert hat, auf die Intensität der gesetzlichen und damit staatlichen Bindung also. Den Grundrechtsschutz macht das Gericht somit nicht wirklich von der Eigenart der Aufgaben abhängig, sondern von der Politik des Gesetzgebers. Das widerspricht dem Sinn der Grundrechte diametral, die nach Art. 1 Abs. 3 GG (auch) den Gesetzgeber binden. Grundrechte gelten nicht (lediglich) nach Maßgabe der Gesetze 181 .

179 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 f f , 253 f f ; ders., Res publica res populi, S. 371; ders. y Die Verwaltung 31 (1998), S. 154 ff. 180 G. Dürig , in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 1 ff. zu Art. 19 Abs. 3; A. v. Mutius , GG, Bonner Kommentar, Rdn. 29 ff. zu Art. 19 Abs. 3, mit weiteren Hinweisen; i.d.S. BVerfGE 68, 193 (206); der Sache nach auch L. Fröhler/P. Oberndorfer , Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, S. 56 f f , obwohl sie von einer „Funktionsschutztheorie" sprechen, für welche die Aufgaben maßgebend seien; Aufgaben sind aber nicht material als staatlich oder privat zu qualifizieren, sondern nur institutionell; vgl. auch BVerfGE 21, 362 (369); 70, 1 (21). 181 Vgl. W. Leisner , Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964; i.d.S. auch L. Fröhler/P. Oberndorfer , Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, S. 64.

Dritter

Teil

Privatheitsprinzip

1. Kapitel

Privatheitsprinzip der Verfassung

I . Privatheit als Recht zur freien W i l l k ü r 1. Das Private entfaltet sich auf der Grundlage der Rechte zur freien Willkür, welche die allgemeinen Gesetze geben und begrenzen 182 . § 903 B G B , die Definition des Sacheigentums, ist das klassische Modell des äußeren Rechts zur Privatheit: „Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen."183 Willkür ist nicht als solche verwerflich, wie der Begriff des Willkürverbots suggeriert. Das Unrecht verbotener Willkür liegt i m Verbot derselben. Das Verbot reagiert auf den Mangel an praktischer Vernünftigkeit einer Entscheidung. Praktische Vernünftigkeit fehlt den Entscheidungen, die nicht allgemein oder allgemeinheitsfähig sind, also den Entscheidungen, welche die innere Freiheit oder eben das 182 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 374 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, II, III. 183 Diese Privatheit wird vielfach als die Freiheit verstanden, während die staatliche Freiheit als Herrschaft, etwa als Demokratie, freiheitlich oder herrschaftlich, dogmatisiert wird; eine solche Dogmatik ist liberalistisch, nicht republikanisch; vgl. insb. Hegel, Rechtsphilosophie, §§ 41 ff. (Eigentum), auch §§ 182 ff. (bürgerliche Gesellschaft), ed. Suhrkamp, S. 102 f f , 339 f f , „Die Person muß sich eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben, um als Idee zu seyn", § 41, S. 1, 102; schon Hobbes, Leviathan, ed. Mayer/Disselhorst, 1970/1980, S. 191 f , definiert Privatheit wie der Text und nennt das Freiheit, obwohl er auch die Freiheit als Gesetzlichkeit dogmatisiert, S. 187 ff.; vgl. auch W. Maihof er, HVerfR, § 12, Rdn. 118 ff, S. 500 ff.; W. Leisner, Freiheit und Eigentum - die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der Freiheit. Schriften zu Eigentumsvorbehalt und Wirtschaftsverfassung 1970 - 1996, in: J. Isensee (Hrsg.), Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970 - 1996, 1996, S. 7 ff.

3. Teil Das Privatheitsprinzip

68

Sittengesetz verletzen. Weil das Sittengesetz formal ist, ist die Materialisierung der praktischen Vernunft und damit des Willkürverbots notwendig persönlich, d.h. ein sittlicher Akt einer Persönlichkeit. Dieser Akt setzt bestmögliche Kenntnis der Welt, also Wissenschaftlichkeit, voraus. Willkür kann und soll innerlich frei, also sittlich, sein. Das verlangt nach Moralität 184 . Die freie Willkür achtet Recht und Ethos. Das Willkürverbot ist das Verbot der nötigenden, also der freiheitswidrigen Willkür; denn äußere Freiheit ist die „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür" (Kant) 185 . Die Verletzung der allgemeinen Freiheit inkriminiert die Willkür und fuhrt zum Vorwurf verbotener Willkür. Das Willkürverbot ist darum auf Art. 2 Abs. 1 GQ nicht auf Art. 3 Abs. 1 GG zu stützen186. Die freie Willkür des Privaten ist alleinbestimmt und darum nicht geeignet, das allgemeinheitsfähige Gesetz, dem die Maxime jedes freien Handelns als verpflichtet ist, für alle verbindlich zu machen. Die Gesetzgebung für alle setzt die Vertretung des ganzen Volkes voraus (repräsentative Konsensualität), wenn nicht das Volk das Gesetz unmittelbar gibt (plebiszitäre Konsensualität)187. Die Willkür als solche bestimmt die Maximen (Kant) m. Diese sind äußerlich frei, wenn die Maximen sich in das allgemeine Gesetz des Staates fügen, und innerlich frei, wenn sie dem Sittengesetz genügen, also sich zu einem allgemeinen Gesetz qualifizieren. Die freiheitliche Privatheit ist Freiheit und als solche durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt und definiert, also vor allem dem Sittengesetz verpflichtet 189. Sie ist als Freiheit die Autonomie des Willens 190 . Der private Wille gibt sich allein das Gesetz, das seinem Begriff nach allgemeinheitlich ist, freilich nicht allgemeinverbindlich, weil nicht von allen oder namens aller beschlossen, aber material als allgemeines Gesetz vorgestellt. Die Sittlichkeit des privaten Handelns durch Achtung des kategorischen Imperativs ist nicht erzwingbar 191 ; denn das würde ein staatliches Gesetz voraussetzen und somit die Privatheit aufheben. Sie ist aber für das gemeinsame Leben

184

Vgl. insb. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 332 f , 508 f f , 519 ff.; dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff, 303 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VI, VII, 5. Kap, III, 8. Kap, II. 185 Metaphysik der Sitten, S. 345. 186 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 f f , 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II. 187 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff. 188 Metaphysik der Sitten, S. 332, 508 ff, 519 f.; vgl. auch ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 27; ders, Kritik der praktischen Vernunft, S. 144. 189 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 259 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII, 4. Kap.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, 1993, S. 195 ff. 190 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII, 5. Kap. 191 KA. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII.

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trotz der äußeren Allgemeinverträglichkeit der Privatheit, die durch das staatliche Gesetz beschlossen ist, ethische Pflicht, weil die Gemeinschaft der Menschen auf das Liebesprinzip gestellt ist. Die Brüderlichkeit muß auch privat gelebt werden, um nicht den totalen Staat notwendig zu machen, der keine oder nur eine geringe Privatheit zuläßt, wenn und weil Privatheit entgegen dem Sittengesetz mißbraucht wird. Die Grenzen zwischen privatheitlicher Bindung an das Sittengesetz und der Bindung an staatliche, offene Bestimmung des privaten Handelns sind gegebenenfalls fließend. Das zeigt die wettbewerbsrechtliche Mißbrauchsaufsicht nach § 19 GWB. Wenn die innere Grenze marktmächtiger Privatheit überschritten wird, darf und soll der Staat eingreifen, um die Gemeinverträglichkeit des wettbewerblichen Handelns herzustellen. Damit wird eine offene Grenze der Privatheit materialisiert und mit einer normativen Marktlichkeit die funktionale Staatlichkeit des Handelns am Markt zur Geltung gebracht 192 . Jedenfalls muß das Handeln der Privaten gemeinverträglich bleiben. Einen Grundrechtsschutz findet jedenfalls der Kampf aller gegen alle, der Wolf im Menschen, nicht, auch nicht in der Privatheit. Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 stellt das klar 193 . Brüderlichkeit aber wird dadurch verwirklicht, daß alle dem allgemeinen Gesetz folgen, weil alle nach einem allgemeinen Gesetz ihre Persönlichkeit wahren; denn jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Im privaten Bereich bestimmt allerdings der Mensch seine Maximen allein nach seiner Vorstellung des allgemeinen Gesetzes. Die private Sittlichkeit fördert die Gemeinschaft, die wesentlich privat bestimmt ist. Erst die private Sittlichkeit ermöglicht den Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung (das Privatheitsprinzip). Die gute Gemeinschaft ist sittlich. Nur eine solche schützt die Verfassung der Freiheit und deren Materialisierung, das Grundgesetz; denn die Würde des Menschen ist auch im Privaten seine Willensautonomie. Demgemäß spricht Jürgen Habermas von „privater Autonomie", die auch als Befreiung von den Verpflichtungen kommunikativer Freiheit beschrieben werden könne 194 . Wenn das Recht zur Privatheit als Recht zur freien Willkür definiert ist, bringt das nichts anderes zum Ausdruck als das Recht, Maximen des Handelns allein materialisieren zu dürfen und unabhängig von staatlicher Bestimmung der Maximen des Handelns zu sein. Das private Recht zur freien Willkür ist somit das Recht zur alleinbestimmten Gesetzgebung für die Maximen des eigenen Handelns195.

192

K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 247 ff. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen." 194 Faktizität und Geltung, S. 152; auch ders , Die Einbeziehung des Anderen, S. 296 ff. 193

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Privatheit kann unterschiedliche Rechte zum Gegenstand haben, je nachdem, welche Zwecke die allgemeinen Gesetze verfolgen. Die subjektiven Rechte der Privatheit können unterschiedlich materialisiert sein. Grundsätzlich sind die Rechte der Privatheit aber subjektive Rechte des Menschen, sein Glück zu suchen, die nicht zweckbestimmt und damit einer funktionalen Begrenzung nicht fähig sind. Diese Rechte machen den Lebensbereich aus, der vielfach als „Privatsphäre" oder auch „Freiheitssphäre" dogmatisiert wird 1 9 6 . Auch in diesem Bereich muß der Mensch vielfältige staatliche Gesetze achten. Alles Handeln von Privaten ist nämlich staatlich durch staatliche und privat durch private Gesetze zugleich bestimmt.

I I . Subjektive Rechte der Privatheit, Legalität und Sittlichkeit berechtigter Privatheit und Entlastung des gemeinsamen Lebens durch Privatheit 1. Die Privatheit ist als Grundsatz grundrechtlich geschützt, bedarf aber meist gesetzlicher Regelung, um vor allem durch Bestimmtheit ihrer Grenzen der allgemeinen Freiheit gerecht zu werden. Die staatlichen Gesetze bestimmen die Rechte der Bürger zur Privatheit als subjektive Rechte, insbesondere des Eigentums 197 . Subjektive Rechte setzen objektive Gesetze198 (oder im Rahmen und nach Maßgabe der Gesetze Verträge 199) voraus, abgesehen von der Freiheit, die auch

195

Das Wort Alleinbestimmung ist republikanisch für die private Bestimmung der Maximen sachgerechter als Selbstbestimmung, weil auch die staatliche Gesetzgebung Selbstbestimmung der Bürger ist. Die Üblichkeit des Wortes Selbstbestimmung folgt dem Liberalismus, der die Staatlichkeit herrschaftlich begreift und darum die Privatheit selbstbestimmt nennen kann; W. Maihofer, HVerfR, § 12, Rdn. 60, 82, 106 f f , S. 461, 479, 493 f f , spricht von „Selbstbestimmung und Selbstherrschaft" auch für die Gesetzgeberschaft der Bürger im Bürgerstaat; F. Kaulbach, Studien zur späten Rechtsphilosophie Kants und ihrer transzendentalen Methode, 1982, S. 30 f f , 50 ff.; ders, Immanuel Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten", Interpretation und Kommentar, 1988, S. 91 f f , 102 f , 152, 207 ff. 196 Etwa BVerfGE 7, 198 (204); 13, 318 (325 f.); 50, 290 (337 f.); vgl. KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 454 ff, 466 f f ; ders, Freiheit in der Republik, 6. Kap, I, II. 197 1.d.S. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 528; W. Leisner, Freiheit und Eigentum, S. 7 ff.; ders, Eigentum - Grundlage der Freiheit, 1994, in: J. Isensee (Hrsg.), Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970 - 1996, 1996, S. 22 ff.; ders, Eigentum, HStR, Bd. VI, 1989, § 149, Rdn. 4, 72 ff, 100 ff.; KA. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 744 ff, 751 f f , 755 ff, 791 ff.; insb. BVerfGE 61, 82 (108 f.): „Art. 14 als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater". 198 Prononciert J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 286 ff.; K. Stern, Staatsrecht Bd. III/2, S. 869. 199 Zur Unterscheidung von Verträgen und Gesetzen P. Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: ders. (Hrsg.), Verfassungsgerichtbarkeit, 1976, S. 14 f.;

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ein subjektives Recht ist, nämlich das Recht auf Recht 200 , und abgesehen von den aus der Freiheit folgenden Tochterrechten, wie insbesondere dem Recht auf Gleichheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung 201, also abgesehen von der Menschenwürde als Recht mit den aus dieser folgenden Menschenrechten 202. Es gibt keinen subjektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte, der material über den objektiv-rechtlichen hinausgehen könnte. Subjektive Rechte sind Rechte des einzelnen Bürgers oder Menschen, die gerade ihm die Möglichkeit geben, die Pflichterfüllung, die der Berechtigung korrespondiert, mit den Mitteln, die der Rechtsstaat zur Verfügung stellt, zu erzwingen20^. Diese Pflichterfüllung kann eine sogenannte Unterlassung sein, zu der vornehmlich die grundrechtlichen Abwehrrechte verpflichten, die negative Kompetenzen des Staates schaffen 204. Die Zwangsmöglichkeit des subjektiv Berechtigten ist identisch mit dem (im Grundsatz ausschließlichen) staatlichen Schutz seines Rechts; denn im Friedensinteresse verbietet es der Rechtsstaat weitestmöglich, daß der Berechtigte seine Rechte mittels eigener Zwangsmaßnahmen durchsetzt 205. Die Rechtlichkeit, welche die Freiheitlichkeit ausmacht, wäre ohne dieses grundsätzliche Verbot nicht gesichert. Es wäre zu erwarten, daß anstelle der Rechte überwiegend Interessen durchgesetzt werden würden. Der bürgerliche Zustand, der Rechtsstaat oder die Republik, ist der alle staatliK.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 128 ff, 162 f.; N. Luhmann, Die Geltung des Rechts, Rechtstheorie 22 (1991), S. 282. 200 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 290 ff, 325 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, 5. Kap, II. 201 Dazu Kant , Metaphysik der Sitten, S. 345 f.; vgl. A. Enderlein , Der Begriff der Freiheit als Tatbestandsmerkmal der Grundrechte. Konzeption und Begründung eines einheitlichen, formalen Freiheitsbegriffs, dargestellt am Beispiel der Kunstfreiheit, 1995, S. 84 ff. 202

Dazu v. Mangoldt/Klein/Starck , GG, Rdn. 84 ff. zu Art. 1 Abs. 2, S. 68 f f , Rdn. 107 zu Art. 1 Abs. 3, S. 81 f.; P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, HStR, Bd. I, 1987, § 20, Rdn. 56 ff.; W. Maihofer , HVerfR, § 12, Rdn. 100 ff, S. 490 ff.; R. Zippelius , in: Bonner Kommentar, GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rdn. 24 ff, 103. 203 Dazu i.d.S. R. Alexy , Grundrechte als subjektive Rechte und als objektive Normen, Der Staat 29 (1990), S. 60 ff.; J. Schwabe , Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 13. 204

M. Sachs, Die Gesetzesvorbehalte, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Staatsrecht), Bd. III/2, S. 76 f , 223 f.; K Stern , daselbst, S. 1796 f.; auch M. Sachs, Die Gesetzesvorbehalte, in: K. Stern (Hrsg.), Staatsrecht Bd. III/1, S. 558 ff, 671 ff.; vgl. J. Schwabe , Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 13 ff, der genauer von „Nichtbeeinträchtigungspflichten" zu reden vorschlägt (S. 15), S. 17 ff, kritisch zum „Recht des Dürfens" und damit zur „Befugnis" S. 37 f f , die Schwabe nicht als Bestandteil des subjektiven Grundrechtes ansieht (zusammenfassend S. 53); zu Schwabe kritisch A. Enderlein , Der Begriff der Freiheit, S. 99 ff. 205 Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 545 ff.; V. Götz , Innere Sicherheit, HStR, Bd. III, 1988, § 79, Rdn. 1 ff, 7 ff.; grundlegend Hobbes, Leviathan, 12, 17. und 18. Kap.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

che und private Gewalt erfassende Vorbehalt der Legalität, nämlich die Unabhängigkeit aller von der nötigenden Willkür anderer oder die allgemeine Gesetzlichkeit des Handelns 206 . Subjektive Abwehrrechte sind somit identisch mit dem individuellen Rechtsschutz, den Grundrechtsberechtigte vor allem nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG genießen207. Das Abwehrrecht ist der von Jürgen Schwabe herausgestellte Unterlassungsanspruch 208. Subjektive Rechte können Rechte geben, in bestimmter Weise zu handeln, oder auch Rechte, bestimmtes Handeln oder bestimmtes Unterlassen von anderen beanspruchen zu dürfen. Der Unterlassungsanspruch des einen korrespondiert mit dem Verbot bestimmter Handlungen an den anderen. Dieser andere kann der Staat sein. Subjektive Unterlassungsrechte verpflichten entweder andere, Handlungen des Berechtigten zu dulden, oder geben dem Berechtigten das Recht, Handlungen anderer nicht zu dulden. Diese Dualität folgt aus der Außenwirkung von Handlungen. Alle Menschen im Gemeinwesen sind durch jedes Handeln von wem auch immer betroffen und verpflichtet, die Handlungen des subjektiv Berechtigten zu dulden. Oft sind manche in besonderer Weise betroffen, etwa wenn sie als Eigentümer Eingriffe in ihr Eigentum dulden müssen. Der Rechtsschutz wird in der Praxis entgegen dem republikanischen Freiheitsprinzip auf die besonders in ihren Interessen Betroffenen beschränkt, vorausgesetzt sogar, daß die Gesetze diese ihre Interessen schützen sollen 209 . 2. Das subjektive Recht, welches logisch auf objektivem Recht, also entweder auf der Verfassung der Freiheit oder auf dem allgemeinen Willen des Volkes beruht, klärt die (juridische) Legalität der Handlung 210 . Das Handeln, welches

206

K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 151 ff. Ganz so K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Aufl. 1995, Rdn. 335 ff, S. 135 ff. 208 Grundrechtsdogmatik, S. 13 ff, 17 ff, 37 f f , 53 (zusammenfassend); M. Sachs, in: K. Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. III/2, S. 76 f , 223 f.; K Stern, daselbst, S. 1796 f , verstehen den negatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch als „wesensnotwendige Hilfsrechte der Abwehrrechte". 209 Zu diesem praktizierten und meist gelehrten (Schutzzwecklehre) restriktiven Begriff des subjektiven Rechts BVerwGE 1, 83 (83 f.); 22, 129 (132); 75, 285 (286 ff.); 77, 70 (73); 78, 40 (41 ff.); u.st.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1992, S. 210 ff, 10. Aufl. 1995, S. 225 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 128; weitergehend macht W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 40 f f , 57 f f , das subjektive Recht allein von der Betroffenheit in eigenen Angelegenheiten durch eine Verletzung des objektiven Rechts abhängig; vgl. auch ders, Das subjektive Recht im System des öffentlichen Rechts, DÖV 1980, 621 ff.; dazu kritisch K.A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Lehrstuhl 1999, S. 49 ff. 210 Nicht die Moralität des Gesetzesgehorsams; denn diese hängt davon ab, daß das Gesetz um des Gesetzes willen befolgt wird (Kant, Metaphysik der Sitten, S. 521 u.ö.: „Handle pflichtmäßig, aus Pflicht"; dazu F. Kaulbach, Studien, S. 136 ff). Die juridische Legalität der Handlung schließt nicht schon die ethische Tugendhaftigkeit oder ethische 207

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dem subjektiven Recht entspricht, kann nach dem Satz: „Volenti non fit iniuria" niemanden verletzen; denn alle haben, wenn das Gesetz allgemein, also Recht ist, (im Regelfall durch ihre Vertreter) den gesetzlichen Maximen des Handelns zugestimmt 211 . Das objektive Recht ergibt die (juridische, äußere) Legalität des Handelns dessen, dem es ein Recht zum Handeln, also ein subjektives Recht gegenüber dem, der das Handeln dulden muß, dem Verpflichteten, gibt. Die juridische/äußere Legalität des privaten, aber auch des staatlichen Handelns verwirklicht die allgemeine äußere Freiheit, wenn auch nicht schon die vollständige Sittlichkeit des gemeinsamen Lebens; denn diese setzt die ethische/innere Legalität des privaten Handelns voraus. Subjektive Rechte können wegen der Veränderung der Lage in der objektiven gesetzlichen Grundlage sittlich fragwürdig werden. Jederzeit sind die Bürger und Menschen verpflichtet, zu bedenken, ob die allgemeinen Gesetze noch dem kategorischen Imperativ entsprechen oder ob sie nicht vielmehr verändert werden müßten. Auch diese Prüfung gebietet der kategorische Imperativ. Solange aber die Gesetzeslage nicht geändert ist, ist das subjektiv berechtigte Handeln juridisch und ethisch legal (soweit es die private Sittlichkeit wahrt); denn die Allgemeinheit des Gesetzes erweist sich im positiven Gesetz. Die Bedenken des Handelnden müssen zu einem ethisch gebotenen Novellierungsvorschlag fuhren, dürfen aber nicht die allgemeine Verbindlichkeit des staatlichen Gesetzes in Frage stellen, auf die doch gerade der kategorische Imperativ hinzielt. Die materiale Rechtslage ist ständig in Bewegung, und es ist die sittliche/politische Verantwortung jedes Bürgers, daß die staatlichen Gesetze jederzeit der Rechtslage entsprechen. Nur bedarf das wegen der allgemeinen Verbindlichkeit des allgemeinen Gesetzgebungsverfahrens des Staates. Sittlich vorwerfbar ist die Verweigerung der Rechtsänderung, die allen als den Hütern des Rechts, vor allem den Vertretern des Volkes, obliegt. 3. Die subjektiven Rechte, insbesondere die Rechte zum Vertragsschluß, die es erlauben, das Handeln von den eigenen Zwecken und damit den eigenen Interessen bestimmen zu lassen212, wenn das ethisch erlaubt ist, genauer das Han-

Legalität derselben ein, wenn unterschiedliche Handlungen juridisch legal sind (vgl. Kant , a.a.O., S. 508 ff, 529 ff.). 211 Dazu KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 519 f f , insb. S. 560 f f , auch S. 637 ff. 212 Das subjektive-öffentliche Recht wird als die „einem Rechtssubjekt in öffentlichrechtlichen Vorschriften eingeräumte Rechtsmacht, mit Hilfe der Rechtsordnung eigene Interessen zu verfolgen" definiert; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, S. 210, 10. Aufl. 1995, S. 225, unter Berufung auf O. Bachof Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 72 ff.; ders , Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: GS W. Jellinek, 1955, S. 287 ff.; vgl. E. SchmidtAßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 118 ff.; vgl. kritisch G. Roellecke , Subjektive Rechte und politische Planung, AöR 114 (1989), S. 589 ff.; vgl. schon G. Jellinek , Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, 1960, S. 418; grundlegend O. Bühler , Die

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

dein privat zu bestimmen, sind für das gemeinsame Leben notwendig, weil es schlechterdings nicht leistbar wäre, daß vor jedem Handeln mit allen, die durch die Handlung betroffen sein könnten, ein Diskurs bis zum allgemeinen Einverständnis in die Handlung geführt würde. Die subjektiven Rechte machen den Alltag gerade deswegen lebbar, weil sie Anderen Handlungswirkungen zu ertragen gebieten, welche der berechtigte Private (im staatlichen Rahmen der Gesetze) sittlich allein bestimmt. Die ethische Verfehlung müssen die Betroffenen hinnehmen. Ohne solche subjektiven Rechte kann sich der Mensch nicht entfalten. Ohne Rechte der Privatheit wäre das gemeinsame Leben ohne Einschränkung entweder verstaatlicht oder rechtlos, soweit es Sachen oder auch Menschen in Anspruch nimmt, die auch andere oder alle in Anspruch nehmen wollen 2 1 3 . Ohne derart rechtlich gewährleistete Privatheit wäre das gemeinsame Leben in Freiheit und damit im Recht nicht möglich. Das Leben würde ersticken. Kant hat schon geklärt, daß das Mein und Dein durch allgemeine Gesetze geordnet sein muß, damit die Menschen im Recht, also frei leben können 214 . Die allgemeine Freiheit erfordert ein hinreichendes Recht zur Privatheit, ja darüber hinaus läßt sich aus der Freiheit, als der Menschheit des Menschen, ein Grundsatz privater Lebensbewältigung herleiten. Die grundrechtsgeschützte Privatheit hat einen material freiheitlichen Effekt im Sinne der Unabhängigkeit von den Anderen, von der staatlichen Allgemeinheit, im Sinne der Alleinbestimmung, im Interesse des eigenen Glücks, wenn sie auch als Recht zur (freien) Willkür andere in deren besonderen Interessen zu beeinträchtigen berechtigt. Es ist Sache der inneren Freiheit (der Tugend/Ethik), solche Rechte im Sinne der „fremden Glückseligkeit" auszuüben215. Die Privatheit auf Grund der subjektiven Rechte ist freiheitlich, sie ist aber nicht die Freiheit selbst. Die Freiheit ist die Autonomie des Willens, die sich staatlich und privat in jedem Handeln verwirklicht, sofern dies durch seine Gesetzlichkeit dem Sittengesetz genügt. Die subjektiven Rechte sind somit keine (eigentlichen) Freiheiten, als welche sie gern bezeichnet werden 216 , sondern materiale Rechte aus Gesetzen, gegebenenfalls auch aus

subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 42 ff.; kritisch W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 59 ff.; umfassend berichtet P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, Schutzanspruch und Rechtschutz bei Lenkungs- und Verteilungsentscheidungen der öffentlichen Verwaltung, 1991, S. 100 f f , 172 ff, 284 ff.; BVerfGE 27, 297 (307); vgl. auch BVerfGE 31, 33 (39 f.). 213 Vgl. die Privatrechtslehre Kants vom äußeren Mein und Dein, Metaphysik der Sitten, S. 353 ff.; dazu W. Kersting, Transzendentale Eigentumsbegründung, 1991, in: ders. y Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend, 1997, S. 41 f f , insb. S. 46 ff. 214 Metaphysik der Sitten, S. 365 ff.; dazu KA. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 744 ff. 215 Dazu Kant, Metaphysik der Sitten, S. 515 ff.

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dem Grundgesetz, die die allgemeine Freiheit verwirklichen. Es gibt keinen Begriff der (allgemeinen) Freiheit, der sich vom Sittengesetz lösen und als Recht zur Willkür definiert werden könnte. Rechte zur freien Willkür können vielmehr nur materiale subjektive Rechte der (freiheitlichen) Privatheit sein. Daß der Staat über alle konkreten Handlungsmaximen eine Entscheidung trifft, ist nicht nur undurchführbar, sondern auch menschenunwürdig. Die weitestmögliche Privatheit ist eine praktische Notwendigkeit des gemeinsamen Lebens 217 . Das Experiment des sogenannten realen Sozialismus hat dies vor Augen geführt. Dieser ist auch an seinem übermäßigen Bürokratismus gescheitert. Die praktische Vernunft fordert Toleranz der Bürgerschaft und damit jedes einzelnen Bürgers, die in den allgemeinen Gesetzen des Staates durch ein größtmögliches Maß an Rechten der Privatheit zum Ausdruck kommt. Die Toleranz ist aber eine Frage der Lage 218 .

I I I . Grundsatz und Vorrang privater Lebensbewältigung 1. Die Privatheit bedarf in der Republik einer gesetzlichen Grundlage, welche die Legalität privat bestimmten Handelns begründet. Eine wesentliche Rechtsgrundlage der Privatheit ist die (unterschiedlich bemessene) Vertragsfreiheit. Diese beruht auf den allgemeinen Gesetzen, wenn sie auch als Prinzip aus der Freiheit folgt und folglich ein Menschenrecht ist. Die Rechtstechnik der Verteilung von Staatlichkeit und Privatheit im funktionalen Sinne ist, geprägt durch den Liberalismus des Bürgerlichen Gesetzbuches und dessen Grundsatz der Verbindlichkeit jedweden Vertrages, der mit den Gesetzen und den guten Sitten vereinbar ist (§§ 134, 138 BGB), das Regel-Ausnahme-Prinzip, wonach die private Lebensbewältigung soweit erlaubt ist, als sie nicht verboten ist. Die-

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Etwa J. Schwabe , Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 14, passim, der „die Freiheit als Schutzgut von Abwehrrechten" und diese als „undeterminierte Freiheit zur Beliebigkeit" dogmatisiert; das ist material und auch für die subjektiven Grundrechte nur richtig, wenn die innere Freiheit unberücksichtigt bleibt; wie Schwabe schon H.H. Klein , Die Grundrechte im demokratischen Staat. Kritische Bemerkungen zur Auslegung der Grundrechte in der deutschen Staatsrechtslehre der Gegenwart, 1972, S. 53 ff.; auch M. Sachs, in: K. Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 624 ff. 217 In diesem Sinne lehrt W. Maihofer , HVerfR, § 12, Rdn. 118 f f , S. 500 f f , als „Prinzip einer liberalen Demokratie" „größtmögliche und gleichberechtigte Freiheit des Einzelnen bei notwendiger Sicherheit Aller" und „dem größten möglichen Freiheitsraum für die Entfesselung des Wettstreits der Freiheit in einer Gesellschaft", die Möglichkeit des „Antagonismus" (S. 502 f.). 218 Zu den „Verschiedenheiten der Lage" Kant , Metaphysik der Sitten, S. 522; zu Begriff und Problematik der Lage H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 15 f f , auch S. 528.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

ses Prinzip ist freilich nicht das Prinzip der Freiheit 219 , sondern ein Prinzip der einfachen Rechtsordnung. Ohne Verteilungslehre zwischen Staatlichkeit und NichtStaatlichkeit kommt keine Grundrechtsdogmatik aus, weil sie wegen der Individualität der Menschen und ihrer Freiheit das Allgemeine vom Besonderen scheiden muß. Die liberalistische Verteilungslehre hat Carl Schmitt formuliert: „Rechte, welche dem Belieben eines absoluten Fürsten oder einer einfachen oder qualifizierten Parlamentsmehrheit ausgeliefert sind, können ehrlicherweise nicht als Grundrechte bezeichnet werden. Grundrechte im eigentlichen Sinne sind also nur die liberalen Menschenrechte der Einzelperson. Die rechtliche Bedeutung ihrer Anerkennung und 'Erklärung' liegt darin, daß diese Anerkennung die Anerkennung des fundamentalen Verteilungsprinzips des bürgerlichen Rechtsstaates bedeutet: eine prinzipiell unbegrenzte Freiheitssphäre des Einzelnen und eine prinzipiell begrenzte, meßbare und kontrollierbare Eingriffsmöglichkeit des Staates. Daraus, daß es sich um vorstaatliche Menschenrechte handelt, folgt weiter, daß diese echten Grundrechte für jeden Menschen ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit gelten. Es sind Individualrechte, d.h. Rechte des isolierten Einzelmenschen. Grundrechte im eigentlichen Sinne sind daher nur individualistische Freiheitsrechte und soziale Forderungen"

Eine Verteilungslehre hat auch in der Republik ihre Richtigkeit, nämlich in dem Grundsatz privater Lebensbewältigung (Privatheitsprinzip), der als judiziables (menschenrechtliches) Subsidiaritätsprinzip der Staatlichkeit dogmatisiert wird 2 2 1 . Jeder darf nach Art. 4 Abs. 1 GG seine Religion, jeder Deutsche nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG seinen Beruf „frei" bestimmen u.a. Diese Entscheidungen müssen dem Einzelnen verbleiben und dürfen nicht durch allgemeines Gesetz getroffen werden, so nützlich ein solches Gesetz auch erscheinen mag. Das Grundgesetz schützt um der Persönlichkeit des Menschen oder des Bürgers willen dahingehende subjektive Rechte der Privatheit und folgt damit einer Erkenntnis der praktischen Vernunft, die in Sachen Religionsfreiheit über Jahrhunderte gereift und in Sachen Berufsfreiheit seit dem Ende des Ständestaates eine Errungenschaft der bürgerlichen Gleichheit ist. Das Recht zur Privatheit der Lebensbewältigung muß eine Grundlage im Verfassungsgesetz oder in den Gesetzen haben, weil aus der Freiheit das Recht auf Gesetzlichkeit und damit Staatlichkeit folgt. Dieses Recht ist uneingeschränkt. Praktische Vernunft, mate219 Zum Regel-Ausnahme-Prinzip als Freiheitsprinzip KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 478 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 6. Kap, III. 220 Verfassungslehre, 1928, 4. Aufl. 1965, S. 164 f.; ebenso i.d.S. ders, Grundrechte und Grundpflichten, 1932, in: ders. Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924- 1954, S. 181, 207 ff. 221 Insb. J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 264 ff, insb. S. 281 f f , 313 f f , der seinem Werk den bezeichnenden Untertitel gegeben hat: „Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft"; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR, Bd. I, 1987, § 28, Rdn. 51 ff.; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 ff.; ders, Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 f.; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV.

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rialisiert etwa in den Menschenrechten als Grundrechten, gebietet es, Handeln der Privatheit zu überlassen, Handeln, welches dem Begriff der Privatheit nach seine Legalität aus den subjektiven Rechten der Privatheit erfährt, ohne daß die besondere Handlung selbst durch jeweilig diskursiv erreichten Konsens eigens legalisiert sein müßte. Keinesfalls kennt eine Republik eine grundrechtliche Verteilung von privatistisch konzipierter Freiheit und von als Herrschaft verstandener Staatlichkeit, die Schmitts liberalistische Verteilung lehrt und die noch heute in der Lehre dominiert 222 . Das Grundgesetz verfaßt die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland mit der um der Freiheit willen umfassenden Aufgabe zur Verwirklichung des Rechts. Materiale Rechtsverwirklichung leisten zunächst einmal die Grundrechte sowohl in ihrer objektiven als auch durch ihre subjektive Dimension 2 2 3 . Letztere erlaubt es vornehmlich, Privatheit durchzusetzen, erstere wird weitgehend durch Rechte der Privatheit verwirklicht. Staatlichkeit ist nicht beliebig, sondern dem Recht in seiner jeweiligen Materialität verpflichtet. Dieses Rechtsprinzip läßt sich nicht liberalistisch teilen, etwa in einen Aufgabenbereich des Staates und einen der Gesellschaft. Die Grundrechtsdogmatik der Republik darf sich keine liberalistischen, d.h. herrschaftlichen, Formeln genehmigen224. Die Kritik der herrschenden Freiheitslehre ist eine Kritik an ihrer herrschaftsideologischen Grundlage. Das Schmittsche Verteilungsprinzip findet im Grundsatz der Privatheit eine einfachgesetzliche Bestätigung. Wegen der unermeßlichen Vielfalt menschlicher Handlungsmöglichkeiten ist eine andere Rechtstechnik als die eines Grundsatzes privater Lebensbewältigung auch nicht tragfähig, weil es Staatlichkeit (i.e.S.) wegen des grundrechtlichen und grundsätzlichen Schutzes der Privatheit nur auf Grund von Gesetzen geben darf, die hinreichender Bestimmtheit bedürfen 225 . Während dem Staat die Aufgaben so zweckbestimmt als möglich zu übertragen sind, muß die Privatheit zweckoffen übertragen werden, wenn sie ihre Eigenart wahren soll. Das aber ist zuträglich, zum einen weil Verbindlichkeiten, die nicht schon aus dem Gesetz folgen, nur durch Vertrag begründet werden können und dadurch ein jedenfalls die Interessen der Vertragspartner ausgleichendes formales Regulativ haben, und zum anderen die Privatheit, wenn sie

222 Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 449 f f , 478 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap, II. 223 Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 461 f f , 819 ff.; ders ., Freiheit in der Republik, 6. Kap, I, 2. 224 Vgl. K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 441 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 5. Kap, IV. 225 Zum Bestimmtheitsprinzip BVerfGE 8, 276 (325 f.); 9, 137 (147 ff.); 20, 150 (157 ff.); 20, 162 (224 ff.); 42, 212 ff.; 89, 155 (181 ff.); K.A . Schachtschneider , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 308 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

nicht allgemeinverträglich erscheint, durch Gesetz neu zugemessen werden darf. Weil die die Privatheit definierenden allgemeinen Gesetze zugleich staatlich sind, bedürfen sie wiederum der hinreichenden Bestimmtheit. Insofern ist Richard Thoma zuzustimmen, der ein Regel-Ausnahme-Schema dieser Art für rechtstechnisch unvermeidbar erklärt hat 226 . Im Gegensatz zum Schmittschen Liberalismus ist das republikanische Prinzip des Grundsatzes der Privatheit, das Privatheitsprinzip also, aber nicht die Logik der Freiheit, sondern die Logik der freiheitlichen Staatlichkeit, vor allem die Logik des Bestimmtheitsprinzips. Der Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung folgt formal aus der Gesetzlichkeit des Staatlichen. Der Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung muß und kann grundrechtlich 227 , aber auch gemeinschaftsrechtlich durch die Grundfreiheiten und das Markt- und Wettbewerbsprinzip 228 begründet werden. 2. Der Grundsatz und der Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung findet eine Verfassungsgrundlage objektiver Dimension in den besonderen Grundrechten. Eine Verfassung der Eigentumsgewährleistung, der Berufsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit usw. ist eine Verfassung der größtmöglichen Privatheit. Die grundrechtlichen Leitentscheidungen der Verfassung verpflichten die Gesetzgeber, eine Rechtsordnung zu gestalten, welche den Bürgern und Menschen die größtmögliche Vielfalt der Persönlichkeitsentfaltung, der alleinbestimmten Wege zum Glück, ermöglichen, wenn sie dadurch nur anderen nicht schaden, d.h. wenn ihr Leben, ihr Handeln also, allgemeinverträglich bleibt. Das gewährleisten die allgemeinen Gesetze, das Recht. Insbesondere Eigentum, welches Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet, ist nur als Recht zur Privatheit denkbar, wie Absatz 2 des Art. 14 GG, die sogenannte Sozialpflichtigkeit des Eigentums, beweist 229 . Diese hat nur Logik, wenn das Eigentum im Grundsatz aus Rechten der Privatheit besteht. Eine privatrechtliche Eigentumsverfassung zwingt aber insgesamt zu einer Rechtsordnung der bestmöglichen Privatheit, weil das Eigentum sonst nicht privatnützig sein kann (Privatnützigkeitsprinzip) 230. Fast jedes

226 Das System der subjektiven öffentlichen Rechte und Pflichten, HdbDStR, Bd. 2, 1932, S. 607 („rechtslogische Notwendigkeit"); so läßt sich auch W. Maihofers, HVerfR, § 12, Rdn. 51, S. 455, Grundsatz verstehen, daß erlaubt sei, was nicht verboten ist; wohl auch J. Habermas, Die Einbeziehung des Anderen, S. 250, 296. 227 So J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 215 f , 313 ff.; ders., HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 165 ff.; H. H. Rupp, HStR, Bd. I, § 28, Rdn. 51 ff.; vgl. auch K. Stern/M. Sachs, Staatsrecht III, 2, S. 66 f.; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 272 f. mit weiteren Hinweisen in Fn. 184 (wie Isensee und Rupp dem Subsidiaritätsprinzip zugerechnet, von dem aber der Grundsatz der Privatheit zu unterscheiden ist, K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 ff). 228 Dazu 3. Teil, 2. Kap. 229 BVerfGE 61, 82 (108 f.); W. Leisner, HStR, Bd. VI, 1989, § 149, Rdn. 73; dazu K.A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 751 f f , auch S. 773 f , 790 f f , 794; ders, Res publica res populi, S. 1023 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.

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Gesetz ist für das Eigentum bedeutsam. A u c h die Arbeitsverhältnisse konzipiert Art. 9 Abs. 3 G G privatrechtlich. Sonst kämen Tarifverträge zwischen den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern und den Arbeitgebern oder deren Verbänden (§ 2 T V G ) nicht in Betracht. Der Grundsatz privatrechtlicher Unternehmensformen läßt sich aus Art. 9 Abs. 1 G G herleiten 2 3 1 u.a.m. Insgesamt folgt aus den besonderen Grundrechten der Wirtschaft ein Grundsatz der Privatheit unternehmerischer Wirtschaft, der untrennbar verbunden ist mit den Grundsätzen der Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit dieser Wirtschaft 2 3 2 . Gefestigt w i r d dieser Grundsatz durch das Europäische Gemeinschaftsrecht, das eine Verfassung des Marktes in der Gemeinschaft geschaffen h a t 2 3 3 . Der Vertrag über die Europäische U n i o n v o m 7. Februar 1992 (Maastricht-Vertrag) verpflichtet i n Art. 5 (ex 3 a) E G V die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft „ d e m Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb". Dieser Grundsatz macht die grundsätzliche Privatheit der unternehmerischen Wirtschaft verbindlich 2 3 4 , weil Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit nur privatwirt230 BVerfGE 24, 367 (390); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 50, 290 (339); 51,1 (30); 58, 300 (345); 79, 292 (303); 93, 121 (137) u.ö.; grundlegend R. Reinhardt , Wo liegen für den Gesetzgeber die Grenzen, gemäß Art. 14 des Bonner Grundgesetzes über Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, in: ders./U. Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 10 ff, 33 ff.; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 171 ff. (kritisch); ders., Eigentum - Grundlage der Freiheit, S. 26, 44; vgl. K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 f f ; ders., Res publica res populi, S. 1004, 1023 ff.; ders ., Freiheit in der Republik, 10. Kap, II. 231

Dazu H.-J. Papier , Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 18, Rdn. 62 ff, S. 827 ff.; R. Breuer, Freiheit des Berufs, HStR, Bd. VI, 1989, § 147, Rdn. 61. 232 Zum grundgesetzlichen Prinzip der Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit der Wirtschaft R. Schmitt , Öffentliches Wirtschaftsrecht. Allgemeiner Teil, 1990, S. 3, 66 ff. (zurückhaltend); vgl. auch P Badura , Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstrukturen in den internationalen Gemeinschaften, VVDStRL 23 (1966), S. 77 ff.; H.-J. Papier , HVerfR, § 18, Rdn. 23 ff, S. 809 ff.; M. Brenner , Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 7 ff. 233

Vgl. Art. 2 und Art. 3 lit g und h EGV („Gemeinsamer Markt"), sowie die Grundfreiheiten, insbesondere die des freien Warenverkehrs (Art. 9 ff. EGV), aber auch die verschiedenen Politiken, insbesondere die des Wettbewerbs (Art. 85 ff. EGV); dazu P Badura , VVDStRL 23 (1966), S. 77 ff, der das Wirtschaftssystem der Europäischen Verträge eine „geordnete" oder „gerechte" Wettbewerbswirtschaft nennt; J. Basedow , Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 26 ff.; M. Brenner , Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 65 ff. 234 Zum Verfassungsrang des primären Gemeinschaftsrechts M. Zuleeg , Der rechtliche Zusammenhalt der Europäischen Gemeinschaft, in: W. Blomeyer/K.A. Schachtschneider (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 11 f f , 15 f f , 22 f f , 33 ff.; ders., Die Europäische Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft, NJW 1994, 545 f.; K.A. Schachtschneider , Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 86 f.; ders./A. Emmerich-Fritsche/Th.C.W. Beyer , Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 757 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, S. 161 ff.; i.d.S. das Maastricht-Urteil BVerfGE 89, 155 (171 f f , 181 ff.); vgl. auch

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schaftlich möglich s i n d 2 3 5 . Dieses Prinzip w i r d nicht durch die Art. 98 (ex 102 a) und 105 E G V erschüttert, welche die Wirtschafts- und Währungspolitik dem genannten Grundsatz verpflichten, das aber durch den Zusatz „wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefordert w i r d " zugunsten eines wohlfahrtsstaatlichen Effizienzprinzips relativieren. A u c h Art. 86 (ex 90) E G V verpflichtet die Politik der öffentlichen Unternehmen trotz des Art. 295 (ex 222) EGV, der die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten unberührt läßt, dem Wettbewerbsund damit dem Marktprinzip und intendiert damit auch durchaus wirkungsmächtig die langfristig materielle Privatisierung der Staatsunternehmen 236 . D e m Grundsatz der Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit, also dem Privatheitsprinzip i n der Wirtschaft, widerstreitet die Erkenntnis einer wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes 237 . Die Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes ist wesentlich durch das Sozialprinzip 2 3 8 , aber auch durch die Möglichkeit der sogenannten Sozialisierung nach Art. 15 G G bestimmt. Es ist die Wirtschaftsverfassung der marktlichen Sozialwirtschaft, nicht die der sozialen Marktwirtschaft 2 3 9 . Das Sozialprinzip soll bestmöglich marktlich und wettbewerblich verwirklicht werden, weil die Effizienz von Markt und Wettbewerb der Erfah-

BVerfGE 22, 293 (296); EuGH, Gutachten zum Entwurf eines Abkommens über die Schaffung des europäischen Wirtschaftsraumes, Slg. 1991, 1/6079 (6102): „Gründungsverträge - Verfasssungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft", auch für den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht. 235 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff.; die Einbindung staatlicher Unternehmen in die Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit stellt die These von deren Privatwirtschaftlichkeit nicht in Frage, weil der Staat durch diese Einbindung dem Fiskusdogma gemäß privatisiert wird (vgl. K.A. Schachtschneider, a.a.O., S. 5 f f , 281 f f , 438 ff.). 236 Dazu K.A. Schachtschneider/M. Kläver, Der gemeinschaftsrechtliche Begriff des „öffentlichen Unternehmens" als Verfassungsproblem, Lehrstuhl 1999; vgl. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 18 f. (zurückhaltend). 237 BVerfGE 4, 7 (17 f.); 7, 377 (400); 50, 290 (338); vgl. auch BVerfGE 25, 1 (19 f.); 30, 292 (317 ff.); 95, 267 (308 f.); M. Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 7 f f , insb. S. 28 ff.; dagegen vor allem H C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, 1961, 3. Aufl. 1965; vgl. dazu (im Sinne eines Verfassungsprinzips) H. H. Rupp, Die Soziale Marktwirtschaft in ihrer Verfassungsbedeutung, HStR, Bd. IX, 1997, § 203, Rdn. 1 ff, M Kläver, Die Verfassung des Marktes, F.A. v. Hayeks Lehre von Staat und Markt im Spiegel grundgesetzlicher Staats- und Verfassungrechtslehre, 2000, S. 215 ff. 238 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff.; ders./W. Hankel/W. Nölling/J. Starbatty, Die Euro-Klage. Warum die Währungsunion scheitern muß, 1998, S. 192 ff.; ders.y Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 757 ff.; ders. y Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, S. 289 ff.; H. F. Zacher, HStR, Bd. I, § 25, Rdn. 22 ff.; vgl. auch M. Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 12 ff. 239 K.A. Schachtschneider/W. Hankel/W. Nölling/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 200 f f , 254 f.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 782 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap, V.

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rung entspricht. Aber das findet seine Grenzen in der Erfolglosigkeit dieses Wegs. Das Sozialprinzip hat den höheren Rang als der Grundsatz von Markt und Wettbewerb, auch gemeinschaftsrechtlich, wie der Wodurchsatz in Verbindung mit Art. 2 EGV erweist. Wirtschaftspolitisch neutral ist diese Verfassung nicht, aber offen der sozialen Effizienz verpflichtet. Insbesondere die nichtwirtschaftlichen Lebensbereiche sind nach Maßgabe der Grundrechte der bestmöglichen Privatheit zu überlassen. Das Bundesverfassungsgericht hat der Sache nach den Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung aus dem Menschenwürdeprinzip und aus der sogenannten allgemeinen Handlungsfreiheit hergeleitet 240. Er folgt jedenfalls aus den besonderen Grundrechten und ist gemäß der praktischen Vernunft, geleitet durch die grundrechtlichen Leitentscheidungen, gesetzlich zu verwirklichen. Art. 2 Abs. 1 GG definiert kein objektives Prinzip der Privatheit und keine subjektiven Rechte der Privatheit; denn dieses allgemeine Recht der Freiheit ist formal. Es verpflichtet aber den Gesetzgeber und damit auch die funktional gesetzgebende Rechtsprechung, derartige subjektive Rechte zu begründen, welche die freie (sittliche) Entfaltung der Persönlichkeit der Menschen ermöglichen, freilich in den Grenzen der gesetzlich bestimmten Allgemeinverträglichkeit. Ein freiheitliches Gemeinwesen muß Privatheit zuteilen. Das Bundesverfassungsgericht kreiert „unbenannte Freiheitsrechte 4'241. Das sind der Sache nach die subjektiven Rechte der Privatheit, welche die von Art. 2 Abs. 1 GG aufgegebene praktische Vernunft, zu der der Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung gehört, verwirklichen. Die Grundrechtsverwirklichung ist aber funktional gesetzgeberisch, nicht etwa interpretative Entfaltung einer Materialität des Freiheitsgrundrechts als vermeintlicher allgemeiner Handlungsfreiheit. Eine materiale Verteilung der Staatlichkeit und der Privatheit läßt sich dem allgemeinen Freiheitsprinzip nicht abgewinnen, auch nicht der Formel von der „freien Entfaltung seiner Persönlichkeit", weil diese staatlich oder privat sein kann. Der Soweitsatz erweist die Formalität der grundrechtlich geschützten Freiheit; denn er hat keinerlei Materialität außer der der Bürgerlichkeit des Menschen. Die Freiheit ist eben die politische Freiheit. Folglich gibt Art. 2 Abs. 1 GG keinen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Fingerzeig, etwa für eine grundsätzliche Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit der Wirtschaft und damit eine Markt-

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Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 389, 391, 978; BVerfGE 6, 32 (41); vgl. i.d.S. auch BVerfGE 27, 344 (350 f.); 32, 373 (379); 34, 238 (245 ff.); 35, 202 (232); 80, 367 (373 f.). 241 Vgl. BVerfGE 27, 1 (26); 27, 344 (351); 54, 143 (146); 54, 148 (153); 65, 1 (41 ff.); dazu R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 330 ff.; kritisch D. Grimm, Abweichende Meinung zum Beschluß des BVerfGEs vom 6.6.1989 (Reiten im Walde), NJW 1989, 2528 ff.; kritisch auch W. Schmidt, Die Freiheit vor dem Gesetz. Zur Auslegung des Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, AöR 31 (1966), S. 42 f f , 73 ff.

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oder Wettbewerbsfreiheit 242. Derartige Grundrechte kennt das Grundgesetz nicht. Sie müßten benannt sein. 3. Die besonderen Grundrechte sollen je nach ihrem Regelungs- und deren Wesensgehalt vor einer totalen Staatlichkeit der Lebensbewältigung schützen. Die Erfahrungen der Menschen mit der Herrschaft, die sich des Staates bedient und bedienen muß, wenn sie herrschen will, gebieten es, Grundrechte in die Verfassung des gemeinsamen Lebens zu schreiben, welche der Staatlichkeit von Handlungsmaximen Barrieren entgegenstellen. Die besonderen Grundrechte des Grundgesetzes formulieren verfassungskräftig Leitentscheidungen des gemeinsamen Lebens, die zu verwirklichen die Bürger (im engeren oder auch im weiteren Sinne) beanspruchen können 243 . Sie wirken gegebenenfalls als positive oder negative Kompetenzvorschriften des Gesetzgebers 244. Das ist Verpflichtung oder der Schutz vor den Vertretern des Volkes, vor allem eben verfassungsgesetzlich verbindlich gemachte Erkenntnis dessen, was für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit richtig ist, etwa die Kunst nicht zu reglementieren 245. Sowohl das Verfassungsgesetz und die Gesetze als auch die guten Sitten und die Verträge verwirklichen die Freiheit, wie schließlich jede Handlungsmaxime eines Menschen. Es geht um die Befugnisse zur verbindlichen Erkenntnis von Handlungsmaximen. Die Kompetenzordnung ist freilich für die Persönlichkeitsentfaltung des Menschen und das gemeinsame Leben, also für die Politik, von Relevanz, weil kein repräsentierendes Verfahren die Sittlichkeit der Gesetzgebung (durch Moralität der Abgeordneten) und damit 242

A. A. BVerwGE 17, 306 (309); 60, 154 (159); 65, 167 (174); H.C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, passim; offen BVerfGE 32, 311 (316), wo von der „Freiheit wirtschaftlicher Betätigung" gehandelt wird, nicht von einer Freiheit des Wettbewerbs. 243

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff.

244

Zur Lehre von den grundrechtlichen negativen Kompetenzen H. Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 29 ff.; ders, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 89 ff.; J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 291; E.-W. Böckenförde, NJW 1974, 1529 f.; E. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 18 ff. („Ausgrenzung"); R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 223 f , 407 f f , 466 u.ö.; K. Stern, Staatsrecht 1II/1 1, S. 1257 f.; M. Sachs, Die Gesetzesvorbehalte, Staatsrecht III/2, S. 584; K Stern, daselbst, S. 1797; J. Isensee, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 78 ff.; dazu auch Ch. Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit und staatliche Freiheitsordnung. Funktion und Regelungsgehalt verfassungsrechtlicher Freiheitsgarantien im Licht neuerer Grundrechtstheorien, 1986, S. 535 ff. (in Auseinandersetzung mit der Lehre H.H. Rupps); kritisch zur Lehre von den Grundrechten als negativen Kompetenznormen G. Lübbe- Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte. Struktur und Reichweite der Eingriffsdogmatik im Bereich staatlicher Leistungen, 1988, S. 26 in Fn. 47; kritisch auch H. Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien. Ein Beitrag zum Verständnis des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 1981, S. 20. 245

Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1002 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 9. Kap.

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die Verwirklichung der allgemeinen Freiheit sicherzustellen vermag. Die Grundrechte entfalten sich als subjektive Rechte (Ansprüche) der Grundrechtsberecht i g t e n 2 4 6 , i n dem jeweiligen grundrechtlichen Wirkungsbereich entweder nicht von staatlichen A k t e n bestimmt zu werden, oder auch als subjektive Rechte, staatliche Maßnahmen fordern zu dürfen. Sie haben dadurch entweder eine A b wehrfunktion und begründen Unterlassungsansprüche oder eine Schutzfunktion, die Handlungsansprüche hervorbringt 2 4 7 . Die besonderen Grundrechte haben gegen eine Staatlichkeit der Lebensbewältigung entschieden, soweit sie sich als negative Kompetenzen des legislativen Gesetzgebers auswirken, und sichern i m Sinne eines Nachranges staatlicher Lebensbewältigung die Privatheit der Handlungsmaximen. Freilich ist das nur ein Schutz gegen die Politik des einfachen Gesetzgebers. Kompetenzverschiebungen durch Änderung des Grundgesetzes können nur insoweit abgewehrt werden, als der Schutz der Menschenwürde und das Bekenntnis zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (Art. 1 Abs. 1 und 2 GG) die Privatheit der Lebensbewältigung sichert. Das Bundesverfassungsgericht leitet demgemäß aus Art. 2 Abs. 1 G G her, daß der oder ein Intimbereich jeder staatlichen Regelung entzogen sei 2 4 8 . I m übrigen ist die Schutzwirkung der Grund246

Zum subjektiv-rechtlichen Charakter der zugleich objektiv-rechtlichen Grundrechte J. Schwabe , Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 11 f f , 286 f f , passim; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 159 ff.; für die sog. allgemeine Handlungsfreiheit H.-U. Erichsen , Allgemeine Handlungsfreiheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 152, Rdn. 9 ff.; R. Gröschner , Das Überwachungsrechtsverhältnis. Wirtschaftsüberwachung in gewerbepolizeilicher Tradition und wirtschaftsrechtlichen Wandels, 1992, S. 78 f f , 204 ff.; K. Stern, Staatsrecht III, 2, S. 1808 f.; H.H. Rupp, HStR, Bd. I, § 28, Rdn. 18; restriktiv der Euro-Beschluß BVerfGE 97, 350 (376 f.); dazu K.A. Schachtschneider , Der EuroBeschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9/1998, S. 22 ff. 247

Zu den Schutzpflichten Hinweise in Fn. 76 und Fn. 166. Etwa BVerfGE 6, 32 (41); 6, 389 (433); 27, 1 (6); 27, 344 (350 ff.); 32, 373 (379); 34, 238 (245); 35, 202 (220); 54, 148 (153); 60, 123 (134 f.); 65, 1 (41); 67, 213 (228); 71, 183 (201); 72, 153 (170), gestützt auf ein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; E. Grabitz , Freiheit und Verfassungsrecht. Kritische Untersuchungen zur Dogmatik und Theorie der Freiheitsrechte, 1976, S. 103 f f , 243 f , 254 f.; K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 148 f.; dazu K. Stern/M. Sachs, Staatsrecht I I I / l , S. 646 f.; kritisch v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1, Rdn. 11, S. 158 f.; dazu näher R. Scholz , Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Rechtsprechung der Bundesverfassungsgerichts, AöR 100 (1975), S. 80 f f , 265 ff.; D. Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, 1980, insb. S. 76 f f , 226 ff, der nicht zu einer Ethik vordringt; W. Schmitt Glaeser , Schutz der Privatsphäre, HStR, Bd. VI, 1989, § 129, Rdn. 1 ff.; H.-U. Erichsen , HStR, Bd. VI, § 152, Rdn. 52 ff. (insb. zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht); sozialwissenschaftlich geprägt G. Rüpke , Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatheit. Zugleich ein Versuch pragmatischen Grundrechtsverständisses, 1976, insb. S. 21 f f ; R. Alexy , Theorie der Grundrechte, S. 326 ff.; kritisch zur Sphärentheorie D. Merten , Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, JuS 1976, 349; J. Schwabe , Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 314 f f , der zu Recht die relevante Unterscheidbarkeit einer „Privatsphäre" und einer „Sozialsphäre" bestreitet; einen „unantastbaren Bereich priva248

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rechte, soweit die Tatbestandsmerkmale derselben material offene Begriffe enthalten, von der Politik der Hüter der Verfassung abhängig. Die politische Verantwortung des Bundesverfassungsgerichts ist angesichts der überaus geringen Grundrechtsbestimmtheit die Substanz des Schutzes der Privatheit, hat sich aber im Laufe der Entwicklung des Parteienstaates als zunehmend spröde erwiesen. Auf die Verteilung der Staatlichkeit und der Privatheit des Lebens haben jedoch die Bürger Einfluß, der in dem Maße schwindet, in dem sie diesen Einfluß nicht in Anspruch nehmen. Die erfolgreiche Privatheit der Lebensbewältigung ist der beste Garant der Privatheit als der Rechte zur freien Willkür (im Rahmen der allgemeinen Gesetze). Aber auch der Protest gegebenenfalls bis zum Widerstand gegen eine unerträgliche Verstaatlichung des Lebens schützt vor der Überwältigung des Privaten durch das Staatliche. Das wichtigste besondere Grundrecht ist auch insofern die Meinungsäußerungsfreiheit. Die sogenannte Unternehmensfreiheit erweist die skizzierte Verfassungslage; denn sie ist stabil, obwohl sie sich trotz mancher rechtswissenschaftlicher Bemühungen nicht auf ein besonderes Grundrecht stützen läßt, sondern allenfalls als zusammenfassende Bezeichnung einzelner Rechte der Privatheit Bestand hat 249 . 4. Das Privatheitsprinzip ist eine politische Maxime, die der Gesetzgeber zu beachten hat. Wenn dieser weitgehend grundrechtlich materialisierte Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung auch nur schwach subsumibel ist, so ist doch seine Verwirklichung institutionell judiziabel 250 . Die Entscheidung darüber, ob eine Aufgabe dem Staat übertragen werden soll, ist lagebedingt und muß darum vom Gesetzgeber getroffen werden 251 . Die Rechtsprechung hat es bisher nicht übernommen, das mit dem Privatheitsprinzip verwandte Subsidiaritätsprinzip zu judizieren, etwa zu überprüfen, ob die Kommunen das gemeinter Lebensgestaltung" bestreitet zu Recht auch A. Podlech, Das Recht auf Privatheit, in: J. Perels, Grundrechte als Fundament der Demokratie, 1979, S. 68 in Fn. 12. 249 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI. 250 Anders, allerdings als Subsidiaritätsprinzip dogmatisiert, Ch. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 26 („Klugheitsregel"); ablehnend R. Scholz, Koalitionsfreiheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 151, Rdn. 39; juridisches Gewicht messen dem Subsidiaritätsprinzip bei: R. Marcic y Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat, Recht als Maß der Macht. Gedanken über den demokratischen Rechts - und Sozialstaat, 1957, S. 271, 334, 397 ff, der eindringlich auf die Gefahren des „totalen Staates" „der perfekten Sekurität" in Ost und West hingewiesen hat (1957 !); K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 148 f , 189 f , 317 ff.; vgl. anders noch ders.. Das Sozialprinzip, S. 62 f , 66, 72; i.d.S. auch J'. Isensee, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 170 ff.; ders. schon, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 281 ff, 313 ff. (Judiziabilität „nur über die Grundrechte"); das Regel-Ausnahme-Prinzip fuhrt zu einer Begründungspflicht für die staatliche Lebensbewältigung; so M. Kriele, Einfuhrung in die Staatslehre, S. 217; vgl. dazu K.A. Schachtschneider y Res publica res populi, S. 248, für das Sozialprinzip; vgl. 4. Kap. II. 251

H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 528.

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dewirtschaftsrechtliche Subsidiaritätsprinzip einhalten 252 . Auch die im Grundgesetz in Art. 72 Abs. 2 angeordnete Subsidiarität der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes hatte das Bundesverfassungsgericht zu kontrollieren abgelehnt 253 . Im Zuge der gemeinschaftsrechtlichen Implementierung des Subsidiaritätsprinzips (Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 3 b EGV) haben die Länder mittels Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG durchgesetzt, daß das Bundesverfassungsgericht der Verbindlichkeit des (neugefaßten) föderalistischen Subsidiaritätsprinzips des Art. 72 Abs. 2 GG nicht mehr ausweichen kann. Christoph Link bezeichnet das Subsidiaritätsprinzip als eine bloße „Klugheitsreger 254 . Der Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung oder das Gebot der Zurückhaltung gegenüber der gesetzlichen Begründung staatlicher Aufgaben ist als ein politisches, nicht nur ethisches, sondern rechtliches Prinzip bzw. Gebot von großer Relevanz für die Republik, das lagegemäß verwirklicht werden muß. Immer besteht die Gefahr institutioneller, vor allem aber funktionaler Verstaatlichung des gemeinsamen Lebens, zumal die staatliche Verantwortung den Bürgern zunächst als finanzielle Entlastung erscheint. Die Schwierigkeit, staatliche Hilfestellungen zurückzunehmen (Besitzstandswahrung), erweist sich in dem meist vergeblichen Bemühen, Subventionen abzubauen. Derzeit allerdings gibt es, veranlaßt durch das Markt- und Wettbewerbsprinzip der Europäischen Gemeinschaft und mehr noch durch die Haushaltsprobleme Deutschlands in Bund, Ländern und Kommunen, eine Deregulierung und Entstaatlichung, welche weitgehend formelle, aber zunehmend auch materielle Privatisierungen mit sich bringt 255 . Diese Politik verwirklicht (nolens volens) das Privatheitsprinzip 256. Die Staatlichkeit oder die Privatheit der Lebensbewältigung, die Entscheidung insbesondere,

252 Vor allem der BayVGH, BayVBl. 1959, 90 f.; 1976, 628; VGH Mannheim, NJW 1984, 251 f f , vgl. auch BVerfGE 39, 329 (330 ff.); jetzt aber OLG Hamm, JZ 1998, 577, welches § 1 UWG aktiviert; vgl. auch VGH Mannheim, NJW 1984, 251 ff.; dazu richtig G Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 132 f.; dazu (für Judiziabilität) KA. Schachtschneider/A. Emmerich-Pritsche , Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, in: K.A. Schachtschneider, Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2002, S. 77 ff. 253 Dazu BVerfGE 2, 213 (224 f.); vgl. BVerfGE 13, 230 (233 f.); dazu nicht unkritisch K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 240, S. 93 f. 254 VVDStRL 48 (1990), S. 26; H Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 772 f f , weist eine Relevanz des Subsidiaritätsprinzips für den Staat deutlich zurück; zurückhaltend auch R. Zippelius , Allgemeine Staatslehre, 13. Aufl. 1999, S. 119; grundlegend und weitergehend insb. J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 313 f f , passim; ders., HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 79, 166; früher wegen des Sozialprinzips kritisch zum Subsidiaritätsprinzip KA. Schachtschneider , Das Sozialprinzip, S. 62 f. 255

Dazu die Verhandlungen der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994 in Halle/Saale mit den Berichten von J. Hengstschläger , L. Osterloh , H. Bauer und T. Jaag, VVDStRL 54 (1995), S. 165 f f , 204 f f , 243 f f , 287 ff.; vgl. auch M Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 18 f , 295 ff. 256 Etwa Grenzen der Privatisierung hat bereits W. Däubler , Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, erörtert.

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ob die Maximen des Handelns allgemein durch Gesetze des Staates oder in besonderer Weise privat durch Verträge oder auch besondere gute Sitten oder auch durch solipsistische Maximen des Einzelnen 257 bestimmt werden sollen, aber auch, ob Aufgaben institutionell durch den Staat oder durch Private ausgeführt werden sollen 258 , ist Sache der praktischen Vernunft des Gemeinwesens, der res publica, die durch allgemeine Gesetze verbindlich gemacht wird. Dabei sind die vor allem in den besonderen Grundrechten festgelegten politischen Leitentscheidungen und damit die grundrechtlichen subjektiven Rechte zu wahren. Weil die letzte ordentliche Verantwortung für die praktische Vernunft des gemeinsamen Lebens das Bundesverfassungsgericht tragen soll und der Grundsatz der privaten Lebensbewältigung Ausdruck der praktischen Vernünftigkeit der Aufgabenordnung ist, hat das Bundesverfassungsgericht auch dafür Sorge zu tragen, daß der mit dem Prinzip der praktischen Vernunft in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz eingehalten werde. Entgegen der jedenfalls früher herrschenden Meinung 259 folgt daraus die institutionelle Judiziabilität dieses Grundsatzes260, die sich, wie überhaupt die verfassungsgerichtliche Grundrechtsrechtsprechung, als funktional gesetzgebende Rechtserkenntnis darstellt. Ein persönlicher Entfaltungsspielraum von Substanz müsse erhalten bleiben, pflegt das Bundesverfassungsgericht zu postulieren 261 . Der außerordentliche Hüter auch des Verfassungsgrundsatzes der Privatheit und damit der richtigen Zuteilung von Staatlichkeit und Privatheit der Lebensbewältigung ist das Volk selbst, das alle Entscheidungen seiner Vertreter zu ertragen und zu verantworten hat. 5. In der parteienstaatlichen VerfassungsWirklichkeit 262 begrenzt der Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung zusätzlich die parteiliche Herrschaft. Ein solcher Grundsatz würde auch den Minderheitenschutz stärken, den ein 257

Dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 421 ff.

258

Dazu K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 139 ff.

259

Dazu Hinweise in Fn. 250, 252, 253, 254.

260

Vgl. i.d.S. schon K.A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 71 ff, 75 ff, 82 ff.

261 BVerfGE 27, 1 (6 ff.); 27, 344 (350 ff.); 32, 373 (378 f.); 38, 281 (298), hergeleitet aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG; auch BVerfGE 6, 32 (41); 34, 269 (280 ff.); 51, 97 (105); 54, 148 (153); 65, 1 (41 ff.); 67, 213 (228); 71, 183 (201); 72, 155 (170); P. Häberle, Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz. Zugleich ein Beitrag zum institutionellem Verständnis der Grundrechte und zur Lehre vom Gesetzesvorbehalt, 3. Auflage 1983, insb. S. 286 f f , 335 ff.; E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 103 ff. (zur Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG); K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 148 f.; dazu K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 425 f f , S. 164 ff.; ders. i.d.S. HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 5, Rdn. 27, S. 140; R. Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat, S. 271, 397 ff.; zum „Schutz der Privatsphäre" umfassend W. Schmitt Glaeser, HStR, Bd. VI, § 129, Rdn. 1 f f , insb. Rdn. 7 f f , 17 ff.; dazu auch zurückhaltend H.-U. Erichsen, HStR, Bd. VI, § 152, Rdn. 24 f f , 52 ff. 262 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff.; ders, Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, 2000, S. 141 ff.

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Prinzip der Mehrheitsherrschaft, wenn es ein solches gäbe 263 , unerläßlich machen würde 264 . In der (weitestgehend) repräsentativen Republik kann der Grundsatz der Privatheit dem herrschaftlichen Mißbrauch der Vertretungsmacht der Abgeordneten, aber auch dem Irrtum des Parlaments über das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit Wirkungsgrenzen ziehen. Die Grundrechte haben auch eine Abwehrfimktion gegen Herrschaft und Irrtum der Vertreter des Volkes. Die liberalistische Funktionsverschiebung der Grundrechtswirkungen im entwickelten Parteienstaat gibt dem Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung eine zusätzliche dogmatische Grundlage. Weil die Parteien herrschen, muß ihnen eine Dogmatik der Staatszweckbegrenzung entgegengehalten werden. Der entwickelte Parteienstaat entspricht unter Herrschaftsgesichtspunkten allemal der konstitutionellen, liberalen Monarchie, welche gerade durch die Trennung von Staat und Gesellschaft 265 für die Bürger tragfähig wurde; denn deren Logik war und wäre auch im Parteienstaat die Begrenzung des Staates auf begrenzte Zwecke, möglichst auf die der Sicherheit der bürgerlichen Gesellschaft, deren (privatistische) Freiheit und deren Eigentum. Die Republik gebietet, die Parteilichkeit im Staat mit allen Mitteln zurückzudrängen, damit die Gesetze Recht sein können. Dem dienen auch das Privatheitsprinzip der Grundrechte und die durch die Grundrechte vermittelte Verantwortung des Bundesverfassungsgerichts wie aller Gerichte für die praktische Vernünftigkeit der Ordnung des Gemeinwesens. Die vom Bundesverfassungsgericht (neben einem neuerdings eigenständig materialisierten engeren subjektiv-rechtlichen Gehalt 266 ) als Vernunftprinzip, geleitet durch ihre material offenen Leitentscheidungen, praktizierten Grundrechte 267 sind für die Entwicklung des Staatlichen keine unüberwindliche Schranke. In die Entwicklung des Staatlichen ist aber das Bundesverfassungsgericht vermittels gerade dieser Grundrechte verantwortlich einbezogen268. Der Anteil des Staates am Bruttoinlandsprodukt, mehr als 50 Prozent, und dessen 263

Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 106 ff. Dazu insb. H. Kelsen , Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Auflage 1929, S. 53 f , 75 f.; H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 536; Th. Eschenburg , Der Mechanismus der Mehrheitsentscheidung, 1970, S. 39 f f ; W. Zeidler , Ehe und Familie, HVerfR, 1983, S. 563 f.; E. Benda, Abschließende Äußerungen der Herausgeber, 1983, HVerfR, S. 1351; so auch BVerfGE 5, 85 (197 ff.); 44, 125 (142); vgl. KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 158; W. Maihofer , HVerfR, § 12 Rdn. 68, S. 476; weitere Hinweise zum Prinzip des Minderheitenschutzes in KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 123, 353, 513 f f , 1120. 265 Dazu KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 159 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 11. Kap, II. 266 BVerfGE 97, 350 (376 f.) - Euro-Beschluß. 267 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 f f , 858 ff. 268 Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 819 f f , 858 f f , 909 f f , 932 ff. 264

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Anstieg in den letzten Jahrzehnten zeigt die Entwicklung zu einer immer weitere Lebensbereiche erfassenden Staatlichkeit 269 , zum totalen Staat, der erreicht wäre, wenn die Selbständigkeit der Bürger durch die Staatlichkeit der Lebensbewältigung derart ausgehöhlt sein sollte, daß sie gänzlich auf die Daseinsvorsorge des verwaltungswirtschaftlichen Staates angewiesen sind und die schon genannte erschreckende Erkenntnis Ernst Forsthoffs sich erneut bewahrheiten sollte, daß „die Grundrechte völlig unbezweifelbar der Vergangenheit angehö„_u270

ren 6. Der vornehmste Zweck des Staates ist das Recht. Die Verwirklichung des Rechtszwecks kann keinem Subsidiaritätsprinzip unterliegen. Die Staatlichkeit des Gemeinwesens in diesem Zweck der Verwirklichung der allgemeinen Freiheit darf nicht relativiert werden. Die ultra-vires-Lehre 271 vermag die Aufgabe des Staates zur Rechtsetzung nicht einzuschränken. Ein Staat, der nur begrenzt befugt wäre, das Recht zu verwirklichen, wäre kein freiheitlicher Staat; denn er würde die Verwirklichung der Freiheit den Menschen in einer staatsfreien Sphäre überlassen, in der sich Recht mangels staatlichen Zwanges nicht durchsetzen könnte. Zwar verwirklicht auch der Vertrag die Freiheit als Autonomie des Willens, aber seine Verbindlichkeit beruht auf dem Rechtsprinzip, das durch die allgemeinen Gesetz des Staates verwirklicht wird und ist folglich durch die Staatlichkeit bedingt 272 . Die allgemeine Gesetzlichkeit und damit Staatlichkeit ist das Rechtsprinzip aller Handlungen. Darum lehrt Rousseau die Verwirklichung der Freiheit durch die volonté générale. Die ultra-vires-Lehre hat ihre Richtigkeit darin, daß sie es dem Staat verbietet, Aufgaben zu übernehmen oder Befugnisse zu beanspruchen, die ihm nicht das Gesetz übertragen hat oder die ihm das Gesetz aus Gründen des Rechts nicht übertragen durfte, etwa privatistisch Unternehmen zu betreiben 273 . Die Verwirklichung des Rechtszwecks ist aber die uneinschränkbare Aufgabe des Staates. Das Recht zu verwirklichen ist nicht nur Pflicht des Staates, sondern Recht und Pflicht jedes Bürgers und Menschen gegenüber dem Staat und seinen Mitmenschen. Dem Zweck des Staates kann nicht entgegengehalten werden, daß es keine allgemeinen Gesetze gibt, die diese zweckgemäßen Aufgaben begründen müßten. Vielmehr begründet die Ver-

269

Vgl. K Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, HStR, Bd. I, 1987, § 27, Rdn 73. E. Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, teilweise wieder abgedruckt in: ders, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 1, 44, 46. 271 Insb. H.H. Rupp, HStR, Bd. I, § 28, Rdn. 30 a.E. („Was dem Staat nicht übertragen ist, ist ihm verboten"); K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 22 f , 41 f , 256, 262; J. Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 210 ff, Ls. 8, S. 244; weitere Hinweise in Fn. 835. 272 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 337 ff.; ders, Res publica res populi, S. 404 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, VIII, 2. 273 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 37 f f , 57 ff. 270

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fassung der Freiheit die Aufgabe des Staates, das Recht zu verwirklichen. Dadurch ist der Staat Rechtsstaat.

IV. Berufsfreiheitsrechtliches Privatheitsprinzip im Vermessungswesen versus Privilegierung der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure 1. Das Bundesverfassungsgericht verweigert bislang der Privatisierungspflicht den Grundrechtsschutz, obwohl es den Gesetzgeber verpflichtet sieht, sein Organisationsermessen pflichtgemäß auszuüben274. Das Gericht hat ausgesprochen: Die „verfassungsrechtliche Einordnung des Berufs, seine Beschränkungen und Bindungen hängen von der Eigenart der zu erfüllenden Aufgabe ab. Die staatlichen Bindungen sind nicht aus sich selbst heraus gerechtfertigt, sondern finden ihre Rechtfertigung in den wahrzunehmenden Funktionen(..). Für den Notarberuf bedeutet das, daß die Befugnis des Staates zur Festsetzung der Stellenzahl mit der folgenden Beschränkung der Wahl dieses Berufs durch Aufgaben und Funktionen des Notars gefordert sein muß. Dadurch wird verhindert, daß die Berufsfreiheit bereits im Vorfeld zur Disposition des einfachen Gesetzgebers steht (..)" 2 7 5 .

Das Bundesverfassungsgericht hat die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG unter den Organisationsvorbehalt von Staat, Kommunen und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts gestellt 276 . Es vermag keine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten subjektiven Rechte von Berufsbewerbern zu erkennen, bei der Übernahme von Aufgaben durch Körperschaften des öffentlichen Rechts und der damit verbundene Ämterverteilung das Privatheitsprinzip zu wahren, daß diese also sachlich notwendig und gut begründet, d.h. praktisch vernünftig ist, jedenfalls nicht in Notarsachen. Es hat ausgesprochen: „Freiheit der Berufswahl besteht nur nach Maßgabe der vom Staat zur Verfügung gestellten Ämter" 277 . Den Aufgabenbereich der Notare sieht das Gericht als „originäre Staatsaufgabe", welche nach der „geltenden Rechtsordnung hoheitlich ausgestaltet sein" müsse278. Weder den Begriff der „originären Staatsaufgabe", noch den des „Hoheitlichen" hat das Gericht erläutert oder vor der Verfassung der Freiheit gerechtfertigt. Aber es reduziert den Grundrechtstatbestand des Art. 12 Abs. 1 GG wesentlich, obwohl Art. 1 Abs. 3 GG den Gesetzgeber, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung, also den Staat in seiner Gesamtheit, an 274

BVerfGE 73, 280 (294) in der Sache der Hamburger Notare. Vgl. BVerfGE 7, 377 (398); 17, 371 (376 f.); 17, 381 (387); auch BVerfGE 21, 245 (249 ff); 21, 261 (267) zum staatlichen Arbeitsvermittlungsmonopol. 276 BVerfGE 7, 377 (398); 73, 280 (292); vorsichtiger BVerfGE 73, 301 (315 ff.) für die Vermessungsingenieure in Hessen. 277 BVerfGE 73, 280 (292). 278 BVerfGE 73, 280 (294); kritisch H. Sodan, Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur, S. 55 ff. 275

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

die Grundrechte bindet, welche zudem nach Art. 19 Abs. 2 GG in ihrem Wesensgehalt unangetastet bleiben müssen. Wenn nämlich die berufliche Wahlmöglichkeit dadurch beschränkt, ja ausgeschlossen wird, daß der Staat oder die Kommunen eine Aufgabe verstaatlicht oder kommunalisiert haben (der Fall des Vermessungsingenieurwesens in Bayern) oder verstaatlichen, kann der Beruf nur noch im Staatsdienst oder gegebenenfalls in staatlich beliehenen Ämtern 279 ausgeübt werden. Das aber sind besondere Berufe, jedenfalls die des Beamten 280 . Demgemäß ist die Verstaatlichung einer Aufgabe eine objektive Zulassungsschranke im Sinne der Stufenlehre des Bundesverfassungsgerichts 281 und somit ein schwerer Grundrechtseingriff, welcher zum Schutze „überragender Gemeinschaftsgüter" notwendig sein muß 282 . Das ist die berufsrechtliche Logik, die das Gericht in Sachen Arbeitsvermittlungsmonopol angewandt hat 283 . Auch die Arbeitsvermittlung war verstaatlicht (monopolisiert). Diese Verstaatlichung, welche die private, freiberufliche Arbeitsvermittlung ausgeschlossen hat, ist nicht mit der Eigenart der Aufgabe als öffentlich oder hoheitlich und dem damit begründeten Organisationsmonopol, sondern als objektive Berufszulassungsschranke eingestuft und als solche mit dem notwendigen Schutz eines überragenden Gemeinschaftsgutes gerechtfertigt worden 284 . Die Fälle der Arbeitsvermittlung und der Notare in Hamburg weisen keine relevanten Unterschiede auf. Aufgaben werden als staatlich, ja sogar hoheitlich, eingestuft und einer vom Staat bestimmten Amtsverfassung unterworfen: das eine Mal, in der Sache Arbeitsvermittlung, werden die Aufgaben im öffentlichen Dienst von Beamten, also in unmittelbarer Staatsverwaltung, das andere Mal, in der Sache Hamburger Notare, von beliehenen Freiberuflern, also nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in mittelbarer Staatsverwaltung, wahrgenommen. Im Vermessungswesen gibt es die unmittelbare Staatsverwaltung, nämlich in Bayern, aber auch (vermeintlich) mittelbare Staatsverwaltung, nämlich in den anderen Ländern Deutschlands. Die berufsfreiheitsrechtliche Dogmatik ist in beiden Fallgruppen, ohne daß ein sachlicher Unterschied besteht, extrem unterschiedlich. Zum einen, im Falle der Arbeitsvermittlung, ist der Schutz der Berufsfreiheit dem dogmatischen Ansatz nach besonders intensiv, nämlich der Schutz vor dem schwersten Eingriff durch objektive Zulassungsschranken, zum anderen, im Falle der Notare, gibt das Bundesverfassungsgericht überhaupt keinen Grundrechtsschutz aus der Be-

279

Dazu 4. Teil 3. Kap, VI. BVerfGE 7, 377 (397 f.); 73, 301 (315 m.w.H.). 281 BVerfGE 7, 377 (405 ff.). 282 BVerfGE 7, 377 (408); 21, 245 (251); 21, 261 (267); 59, 302 (316), st. Rspr.; BVerfGE 73, 301 (316) für die Vermessungsingenieure. 283 BVerfGE 21, 245 ff.; 21, 261 ff. 284 BVerfGE 21, 245 (250 ff.); 21, 261 (267 ff.). 280

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rufsfreiheit des Grundgesetzes gegen die (unmittelbare oder mittelbare) Verstaatlichung, sondern stellt die Organisationsgewalt über die Berufsfreiheit. Im dritten Fall der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure sucht das Gericht den berufsfreiheitsrechtlichen Maßstab zwischen der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und den Amtsprinzipien des Art. 33 GG 2 8 5 und macht die Wirksamkeit der Berufsfreiheit davon abhängig, wie nah der freie Beruf dem öffentlichen Amt stehe, „je mehr" jedoch „die Eigenschaften des freien Berufs hervortreten, desto stärker entfaltet Art. 12 Abs. 1 GG seine Wirksamkeit" 286 . Dieser vage Maßstab leistet nicht mehr, als die gesetzgeberische Politik durch eine Politik des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigen zu können, welche das Gericht freilich mit „Zurückhaltung" gestaltet und nur gegen eine „Einschätzung des Gesetzgebers" zur Geltung bringt, „wenn das eingesetzte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks ,objektiv untauglich oder ungeeignet' oder ,schlechthin ungeeignet' ist" 287 . Die durchaus subsumptionsfähigen Tatbestände der Berufsfreiheit und der Amtsprinzipien, ziehen zwar sehr unterschiedliche, aber doch eindeutige Rechtsfolgen nach sich, nämlich zum einen das Recht auf unbeschränkten Zugang zum Beruf für die, welche befähigt und geeignet sind, zum anderen die durchaus nötige Beschränkung auf die Amtsstellen der öffentlichen Hand, welche der Staat und die anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts für bestimmte Aufgaben einrichten. Im ersten Fall setzt sich der Berufstätige dem Wagnis des Wettbewerbs am Markt seines Berufes aus, im zweiten Fall dem Berufswahlrisiko, vom staatlichen oder sonstigen öffentlichen Dienstherrn nicht angestellt zu werden. Freier Beruf und Amt haben trotz vieler Gemeinsamkeiten, vor allem im akademischen Bereich, durchaus unterschiedliche Eigenarten, insbesondere aber einen gänzlich anderen Status, der sich für den freien Beruf aus dessen Privatheitlichkeit und für das Amt aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG, welche die Staatlichkeit der Ämter gewährleisten sollen, ergibt. Das Grundgesetz hat eine Markt- und Wettbewerbsverfassung im Sinne des Privatheitsprinzips 288 und eine Amtsverfassung im Sinne des republikanischen Staatsprinzips geschaffen, jeweils mit guten Gründen und nicht austauschbar oder auch nur vermischbar. Die Vermischung von unvereinbaren Prinzipien nützt die Praxis, gestützt vom Bundesverfassungsgericht, um illegitime Zwecke zu verfolgen, insbesondere eine Pfründenwirtschaft, welche die Gleichheit in

285 BVerfGE 7, 377 (397); 17, 371 (377); 43, 285 (318 f.); 54, 237 (246); 73, 301 (315 ff.). 286 BVerfGE 73, 301 (315); vgl. BVerfGE 7, 377 (398); 17, 371 (377). 287 BVerfGE 73, 301 (317); vgl. BVerfGE 47, 109 (117); 61, 291 (313 f.); 71, 206 (215 f); zum Zurückhaltungsgebot K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 955 ff. 288 Vgl. auch die Hinweise in Fn. 232.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

der Freiheit nicht zu akzeptieren gewillt ist. Im Recht der freien Berufe will sich die Praxis schlechterdings nicht dem Grundgesetz anpassen. Auch den Vertragsärzten und Vertragszahnärzten wird, pflichtvereinigt in den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, der Grundrechtsschutz vor allem der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG vorenthalten, weil sie eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen und deswegen zur mittelbaren Staatsverwaltung gehören würden 289 . Die Schmälerung des berufsfreiheitlichen Grundrechtsschutzes der freien Berufe wegen deren vermeintlicher Nähe zu öffentlichen Ämtern, weil sie „staatlich gebundene Berufe" hätten, ist viel beklagt und viel gerügt 290 . Der Begriff des staatlich gebundenen Berufes hat unter dem republikanischen Grundgesetz keine Berechtigung 291. Keinesfalls darf der grundrechtliche Berufsfreiheitsschutz mit diesem Begriff relativiert werden, zumal jedes Handeln von Privaten gesetzlich bestimmt und darum (in gewissem Sinne) staatlich gebunden ist. Das Postulat des Grundgesetzes bleibt, die Praxis der freien Berufe der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gemäß zu ordnen. Dieses Postulat wird kräftig von den Grundfreiheiten der Europäischen Gemeinschaft gestärkt 292. Allein die Begründung, es sei notwendig, bestimmte Aufgaben staatlich oder kommunal zu bewältigen, rechtfertigt die unmittelbare oder mittelbare Verstaatlichung oder Kommunalisierung der Lebensbewältigung. Das sieht auch das Bundesverfassungsgericht nicht anders, nämlich: „Dabei steht es nicht etwa im freien Belieben des Gesetzgebers, welche Berufstätigkeiten er staatlichen Bindungen unterwerfen will. Für die Beurteilung eines Berufes als staatlich gebunden und für die Zulässigkeit von Sonderregelungen in Anlehnung an den öffentlichen Dienst kann es nicht genügen, daß der Gesetzgeber die Ausgestaltung des Berufes dem öffentlichen Dienst nachgebildet hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob diese Ausgestaltung darauf beruht, daß dem Berufsinhaber die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben übertragen worden ist und daß er daher Funktionen ausü b t ^ i e der Gesetzgeber auch dem eigenen Verwaltungsapparat vorbehalten könnte" .

289 Dazu K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fr tische, Das Recht der Vertragsärzte des Sozialgesetzbuches V, Rechtsgutachten 1999, S. 30 ff. 290 Dazu H.H.. Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit, NJW 1965, 995 f.; H Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort der „staatlich gebundenen" Berufe - Berufliche Teilhabe an Staatsfunktionen oder Verstaatlichung berufsgrundrechtsgeschüzter Tätigkeiten?, 1968, S. 15 ff.; W. Leisner, Öffentliches Amt und Berufsfreiheit, AöR, 93 (1968) S. 179 f f ; R. Breuer, HStR, Bd. VI, § 147, Rdn. 51 \H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 140. 291 K.A. Schachtschneider, Die freiberufliche Selbstverwaltung unter dem Grundgesetz, in: H. Herrmann/J. Backhaus (Hrsg.), Staatlich gebundene Freiberufe im Wandel, 1998, S. 25. 292 Dazu 3. Teil, 2. Kap, II. 293 BVerfGE 73, 301 (315 f.) unter Verweis auf BVerfGE 73, 280 f f

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Aber zum einen gibt das Kriterium „Funktionen", „die der Gesetzgeber auch dem eigenen Verwaltungsapparat vorbehalten könnte", nur berufsfreiheitlichen Schutz, wenn dem Gesetzgeber nicht zugestanden wird, jedwede Aufgabe dem „eigenen Verwaltungsapparat vorzubehalten". Das Kriterium muß somit im Sinne des substantiellen berufsrechtlichen Privatheitsprinzips realisiert werden. Zum anderen muß dieses Privatheitsprinzip des Berufsrechts judiziabel sein 294 . Die Dogmatik zum Notarfall ist schlichte Verweigerung des Berufsfreiheitsschutzes gegen die Verstaatlichung einer Aufgabe, welche die berufliche Entfaltung, jedenfalls die privatheitliche, insbesondere die freiberufliche, Entfaltung ausschließt. Die „Dogmatik" im Vermessungsfall ist die Auflösung der Begriffe der grundgesetzlichen Texte, weil es in dem Zwischenbereich zwischen der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und den Amtsprinzipien des Art. 33 GG keinen Text und damit auch keine verbindlichen Rechtsbegriffe gibt. Die mehr oder weniger große Nähe zu dem Berufsfreiheitsrecht oder zu den Amtsprinzipien ist schlechterdings ungewiß, so daß sie allenfalls rhetorisches Rechtfertigungspotential für gesetzgeberische oder richterliche Gestaltung birgt. Der Sache nach verweigert auch diese „Dogmatik" den Grundrechtsschutz der Berufsfreiheit, wie ihn das Grundgesetz durch Art. 1 Abs. 3 GG nicht nur dem Gesetzgeber und der vollziehenden Gewalt, sondern auch der Rechtsprechung aufgegeben hat. In vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Leitfall des Vermessungswesens, Hessenfall, bleibt sogar unklar, ob das Gericht, welches dogmatisch den Erkenntnissen im Arbeitsvermittlungsfall folgt, auch die objektiven Zulassungsschranken im Vermessungsberufswesen an Art. 12 Abs. 1 GG messen will oder nur die subjektiven Zulassungsschranken, gegen die sich die Verfassungsbeschwerde des Vermessungsingenieurs aus dem Saarland gerichtet hatte. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte nämlich wenige Tage vorher im Notarfall die rechtsferne Position vertreten, daß sich Notarbewerber wegen der Organisationsgewalt der Körperschaften des öffentlichen Rechts gegen objektive Zulassungsschranken durch die Begrenzung der Amtsstellen nicht auf die Berufsfreiheit berufen könnten 295 . Die mittelbare oder gar (wie in Bayern) unmittelbare Verstaatlichung des Vermessungswesens stand in dem Hessenfall nicht zur Entscheidung, sondern berufsrechtliche Zugangsregelungen, welche die Vermessungsingenieure, die in Hessen ihre berufliche Entwicklung genommen hatten, (entgegen Art. 33 Abs. 2 GG) privilegieren. Im Ansatzpunkt ist die Dogmatik des Arbeitsvermittlungsfalles, in welchem die Verstaatlichung und damit die Verbeamtung der Arbeitsvermittlung als objektive Zulassungsschranke unter die strengen Anforderungen der berufsfreiheitsrechtlichen Stufenlehre gestellt wurden, richtig. Daß das Bundesverfassungsgericht das Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit mit 294 295

Dazu 3. Teil, 4. Kap. BVerfGE 73, 280 (392 ff.).

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

fragwürdigen Argumenten gerechtfertigt hat, stellt den berufsfreiheitsrechtlichen dogmatischen Ansatz nicht in Frage, sondern erweist wieder einmal, daß die „Richtersprüche" des Bundesverfassungsgerichts oft nur Apologie der Politik des Gesetzgebers sind. 1991 hat der Europäische Gerichtshof weite Teile der Arbeitsvermittlung, deren Verstaatlichung das Bundesverfassungsgericht als ein überragendes Gemeinschaftsgut gerechtfertigt hatte, als gemeinschaftsrechtswidrigen Mißbrauch staatlicher Marktmacht im Sinne des Art. 86 EGV (a.F.) ins Unrecht gesetzt. Staat und Kommunen müssen die Aufgaben übernehmen können, welche für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit 296 ihre Sache sind. Die Notwendigkeit dieser Verstaatlichung oder Kommunalisierung bedarf nachweislicher guter Gründe. Im Zweifel muß es bei der privaten Lebensbewältigung bleiben. In dubio pro privato. Art. 12 Abs. 1 GG, das Grundrecht der Berufsfreiheit, gibt somit ein starkes Argument für das berufsrechtliche Privatheitsprinzip. Die Vermessungsingenieure sind in Bayern durch die nicht begründbare Verstaatlichung und Kommunalisierung weiter Bereiche des Vermessungswesens in ihrer Berufs wahlfreiheit verletzt und wären auch darin verletzt, wenn das Vermessungswesen weiterhin staatliche Aufgabe bliebe, aber bestimmte Vermessungsingenieure mit deren Erfüllung (in vermeintlicher mittelbarer Staatsverwaltung) beliehen würden 297 . Weil die vermessungsberuflichsrechtliche gesetzliche Regelung in Hessen dem Schutz eines „überragenden Gemeinschaftsgutes" diene, erlaubt das Bundesverfassungsgericht die (subjektive) Zulassungsregelung: „Da die Zulassungsregelung die Freiheit der Berufswahl beschränkt, muß sie nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Schutz eines überragenden Gemeinschaftsgutes dienen (vgl. BVerfGE 59, 302, 316). Dies ist der Fall. Die Aufgaben des Vermessungswesens sind von großer Bedeutung für den Rechtsverkehr zwischen den Bürgern und damit für den Rechtsfrieden in der Gemeinschaft. Nicht nur für die privatwirtschaftlichen Entscheidungen, sondern auch für die vielfältigen Formen staatlicher Planung bedarf es eines verläßlichen Zahlen- und Kartenmaterials. Soweit der Staat für dessen Zuverlässigkeit nicht selbst durch seine Behörden sorgt, statt dessen eine Übertragung auf Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure zuläßt, blg|j>t er für die ordnungsgemäße Erfüllung der genannten Aufgaben verantwortlich" .

Damit wäre das Vermessungswesen eine notwendig staatliche Aufgabe und grundsätzlich im öffentlichen Dienst wahrzunehmen. Es findet sich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht ein einziges Sachargument,

296 Zu diesem Staatszweck K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 199, 350 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, V, 8. Kap, I, V; ders. y Prinzipien des Rechtsstaates, S. 5. 297 Dazu 4. Teil, 4. und 5. Kap. 298 BVerfGE 73, 301 (316 f.).

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warum vom Grundsatz in Art. 33 Abs. 4 GG abgegangen werden sollte und das Vermessungswesen durch Freiberufler ausgeführt werden dürfe. Auch diese Beurteilung steht „nicht etwa im freien Belieben des Gesetzgebers" 299. In der Beurkundung von Vermessungen, welche stets als Argument für den hoheitlichen Charakter angeführt wird 3 0 0 , liegt keine notwendig hoheitlich zu bewältigende Aufgabe, erst recht keine originäre Staatsaufgabe. Sachlichkeit und Verläßlichkeit gibt es auch im privatheitlichen Bereich (vor allem in den freien Berufen). Erwähnt seien die Wirtschaftsprüfer, deren Aufgaben sich insoweit nicht wesentlich von denen der Vermessungsingenieure unterscheiden, ohne daß diese Aufgaben bisher als hoheitlich eingestuft worden wären. Auf die Sachgerechtigkeit der freiberuflichen, aber uneingeschränkt privatheitlichen Aufgabenerfüllung wird nicht minder vertraut als auf die Aufgabenerfüllung durch den öffentlichen Dienst, der im übrigen auch durch nicht gerade Vertrauen erregende Rechtsverstöße, vom Bundeskanzleramt bis hin zu den kleinsten Amtsstuben, belastet ist. Das „überragende Gemeinschaftsgut", welchem die Verstaatlichung oder Kommunalisierung dienen soll, ist nicht zu erkennen 301. Andere Länder bewältigen die gleichen Aufgaben nichtstaatlich, ohne daß bekannt geworden wäre, daß deren Vermessungswesen in Not geraten sei. Zudem unterscheidet sich die Aufgabenbewältigung durch staatlich beliehene nicht substantiell von der Aufgabenbewältigung durch nicht staatlich beliehene Vermessungsingenieure. Der Unterschied ist lediglich die freiheitswidrige Berufszulassungsbeschränkung, also das hier kritisierte Pfründensystem. Es müßte nachgewiesen werden, daß der freie Zugang zum Vermessungsberuf für alle Vermessungsingenieure mit hinreichender Qualifikation die Sicherheit des Vermessungswesen gefährdet. Eine solche Annahme wäre absurd. Sie würde das Markt- und Wettbewerbssystem im Bereich der freien Berufe insgesamt in Frage stellen. Für die geforderte Sicherheit kann und muß wie in allen Bereichen des gemeinsamen Lebens durch Berufsausübungsregeln gesorgt werden. Alles private Handeln ist, wie im 2. Kapitel des 2. Teils dargelegt, funktional nach Maßgabe der Gesetze staatlich. Es gibt keinen Grund, den Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung im Vermessungswesen zu mißachten. Die Vermessungsingenieure sind in ihrer Berufsfreiheit verletzt, wenn das Vermessungswesen nicht entstaatlicht wird. Bayern muß das Vermessungswesen insgesamt (abgesehen von gewissen Katasteraufgaben) material privatisieren. Es gibt keine hinreichenden Gründe („überragende Gemeinschaftsgüter"), welche die Beschränkung des Berufszugangs, die berufsrechtlichen objektiven Zulassungsschranken, zu rechtfertigen vermögen.

299 300 301

BVerfGE 73,301 (315). BVerfGE 73, 301 (316). Anders BVerfGE 73, 301 (316 ff.).

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Das Argument, daß es sich dabei um einen „staatlich gebundenen Beruf 4 handele, rechtfertigt die Privilegierung durch die Bestellung zum Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur nicht. Jeder Beruf, der eine gesetzlich geregelte (subjektive) Zulassung erfordert, ist staatlich gebunden. Danach übt jeder Professor, jeder Bankmanager, jeder Rechtsanwalt, jeder Handwerksmeister, ja sogar jeder Gewerbetreibende einen staatlich gebundenen Beruf aus. Aber auch die Berufsausübung ohne gesetzliche Zulassungsvoraussetzung ist letztlich staatlich gebunden, weil sie durch vielfältigste staatliche Gesetze bestimmt ist. Es kommt darauf an, daß im Interesse der Öffentlichkeit und zum Schutz der Allgemeinheit die staatlichen Gesetze beachtet werden. Darüber wachen die staatlichen Behörden, die Überwachungsämter 302. Erforderlich sind subjektive Zulassungsvoraussetzungen für die Berufswahl allemal, auch die Kenntnis der entsprechenden Berufsgesetze. Eine Beleihung Privater mit hoheitlichen Befugnissen ist jedoch nicht erforderlich und folglich auch nicht zu rechtfertigen 303. Niemand kommt hoffentlich auf die Idee, zur Aufrechterhaltung der Kreditwirtschaft, eine überragende öffentliche Aufgabe, die schon wegen der engen Zusammenarbeit mit der Zentralbank und angesichts der Überwachung durch die Zentralbank im Interesse der Bewältigung der Aufgaben der Kreditwirtschsaft „Nähe" zum öffentlichen Dienst hat, Geschäftsbanken mit staatlichen Aufgaben und hoheitlichen Befugnissen zu beliehenen Unternehmern erklären zu wollen. Nichts anderes kann für die Vermessungsingenieure gelten. Sie werden staatlich überwacht, weil der Gesetzgeber die Zuverlässigkeit der Vermessungs- und Katasterarbeit gewährleisten will und soll. Die Beleihung verstärkt die Gewähr, daß die Vorschriften eingehalten werden, auch nicht. Sie diskriminiert lediglich die nichtbeliehenen Vermessungsingenieure in ihrer Berufsstellung. Die Beleihung zu Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren ist im übrigen auch an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. „Das Gebot der Gleichbehandlung wird verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können" 304 . Für eine unterschiedliche Behandlung lassen sich keine Rechtfertigungsgründe finden, weil es ausschließlich darauf ankommt, daß die gesetzlichen Regelungen des Vermessungswesens eingehalten werden. Weil dies durch die Behörden aufgrund der allgemeinen Gesetze gewährleistet ist, besteht für die Privilegierung der Beliehenen keinerlei Veranlas-

302

Dazu R. Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 266 f f Dazu 4. Teil, 3 , 4. und 5. Kap. 304 BVerfGE 73, 310 (321); K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 f f , 978 f f , 990 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 372 ff.; weitere Hinweise zum Willkürverbot in Fn. 638, 667, 686 und auch Fn. 325. 303

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sung. Folglich läßt sie sich vor dem Privatheitsprinzip des Grundgesetzes nicht rechtfertigen. 2. Das Bundesverfassungsgericht hat im übrigen die Amtsprinzipien für den (vermeintlich) staatlich gebundenen Beruf mit der Nähe zum öffentlichen Dienst nicht durchgehalten, sondern sich als Anwalt der Politik des Gesetzgbers durch seine Mißachtung des Art. 33 Abs. 2 GG dekuvriert. Mit seinem Beschluß vom 1 .Juli 1986 hat der Erste Senat des Gerichts 305 es mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt, „daß der hessische Landesgesetzgeber die Zulassung zum staatlich gebundenen Beruf des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs bei Bewerbern mit der Befähigung zum gehobenen vermessungstechnischen Dienst von einer vorherigen praktischen Tätigkeit bei einer Vermessungsstelle in Hessen abhängig macht". Das Gericht hatte die Regelung des § 3 BOÖbVI auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen. Im Streitfall hatte der Bewerber die Bestallungsvoraussetzungen ansich erfüllt, aber die geforderte fünf]ährige Berufspraxis im Land Saarland abgeleistet. In der Begründung führt das Bundesverfassungsgericht aus, daß die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst, b BO-ÖbVI, die die Zulassung als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur von einer mindesten fünfjährigen Beschäftigung bei einer Vermessungsstelle im Lande Hessen abhängig macht, grundsätzlich die „Freiheit der Berufswahl" des Art. 12 Abs.l GG beschränke. Dieses Grundrecht gelte nicht nur für jede freiberufliche Tätigkeit, sondern erfasse nach ständiger Rechtsprechung auch Berufe, die im öffentlichen Dienst ausgeübt werden oder durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen staatlich gebunden sind. „Für die Berufe des öffentlichen Dienstes eröffnet jedoch Art. 33 GG die Möglichkeit zu Sonderregelungen, die darauf beruhen, daß in diesen Berufen staatliche Aufgaben wahrgenommen werden, und die nicht allein die Zahl der verfugbaren Stellen, sondern auch die Bedingungen zur Ausübung dieses Berufes betreffen. Sonderregelungen kommen ebenfalls dann in Betracht, wenn die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben Berufen außerhalb des öffentlichen Dienstes anvertraut wird. Je näher ein solcher Beruf dem öffentlichen Dienst steht, um so stärker können solche Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG die Wirkung des Grundrechts der Berufsfreiheit zurückdrängen; je mehr die Eigenschaften des freien Berufs hervortreten, desto stärker entfaltet Art. 12 Abs. 1 GG seine Wirksamkeit. Die Tätigkeit des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs ist vom vorlegenden Gericht zutreffend als staatlich gebundener Beruf beurteilt worden. Er übt zwar - wie es in § 1 Abs.l BO-ÖbVI heißt - einen freien Beruf aus. Dessen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber steht aber nicht nur in zahlreichen Merkmalen in der Nähe zum öffentlichen Dienst. Wesentlich ist vor allem, daß der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur einen Teil des öffentlichen Vermessungswesens bildet und in ähnlicher Weise wie die behördlichen Vermessungsstellen typische Hoheitsfunktionen bei der Durchführung und Beurkundung von Vermessungen wahrnimmt (§§ 1 f. BO-ÖbVI; vgl. ferner § 8 Abs. 1 KatG; § 5 Abs. 1 und 2 AbmG und § 3 Abs. 3 des Gesetzes über die Landvermessung). Aus diesen Gründen sind für den Beruf des Öffentlich bestellten Vermes-

305

BVerfGE 73, 301 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip sungsingenieurs ähnlich wie bei dem staatlich gebunden Beruf des Notars Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG statthaft" .

Diese Argumentation überzeugt nicht, weil der Aufgabenbegriff formal ist und seine Staatlichkeit oder Formalität von der Institution des Aufgabenträgers abhängt.307 Im übrigen kann auch ein Beruf nicht mehr oder weniger in Nähe zum öffentlichen Dienst stehen. Ist eine Aufgabe staatlich, ist sie grundsätzlich vom öffentlichen Dienst wahrzunehmen. Das bestimmt Art. 33 Abs. 4 GG gerade durch die Formulierung „in der Regel". Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß von diesem Grundsatz in besonderen Fällen Ausnahmen zulässig sind. Die Ausnahmen aber müssen sachgerecht begründet sein. Der lapidare Hinweis, daß Art. 33 Abs. 4 GG Sonderregelungen zulasse, ersetzt die notwendige Rechtfertigung der Ausnahmeregelung nicht. Wenn das Vermessungswesen in Hessen im öffentlichen Dienst durchgeführt werden würde, wäre die Privilegierung der Vermessungsingenieure mit Hochschulabschluß, welche die fünfjährige praktische Tätigkeit in Hessen absolviert haben, mit Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz unvereinbar. Dort heißt es: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt." Damit soll eine Privilegierung der Landeskinder gerade ausgeschlossen werden. Die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung wird bei Vermessungsingenieuren durch ein abgeschlossenes Hochschulstudium und durch Berufserfahrung nachgewiesen. Diese subjektiven Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Vermessungsingenieurs sind durchaus sachgerecht, weil dessen Aufgaben für die Gemeinschaft der Bürger von so großer Bedeutung sind, daß seine hinreichende Qualifizierung erforderlich ist. Das gilt aber für alle freien Berufe. Kein Kriterium darf daher sein, in welchem Land Deutschlands ein Freiberufler seine ersten Berufserfahrungen gemacht hat. Durch ein Hochschulstudium wird ein Akademiker in die Lage versetzt, überall in Deutschland seinem Beruf nachzugehen und sich mit den Gegebenheiten in jedem Land, gerade hinsichtlich der Rechtsvorschriften, in geringer Einarbeitungszeit vertraut zu machen. Wenn dies für die juristischen Berufe richtig ist, genügt es auch für die Vermessungsingenieure. Das ist die spezifische Verfassungsentscheidung des Art. 33 Abs. 2 GG, welche der Logik eines föderalen Staates entspricht, der verschiedene Länder integriert. Dieselbe Entwicklung macht die Europäische Union, wie die Grundfreiheiten zeigen 308 . Die Zulassungsvoraussetzung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 BO-ÖbVI, daß die Berufserfahrung ausschließlich in einem bestimmten Land erworben sein muß, ist nicht zu rechtfertigen. Daß dies nicht sachgerecht ist, hat das vorlegende Verwaltungsgericht Wiesbaden dargelegt, wie der entscheidende Senat berichtet:

306 307 308

BVerfGE 73,301 (315 f.). Dazu 2. Teil, 3. Kap. Hierzu 3. Teil, 2. Kap, II.

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„Eine fünfjährige Beschäftigung bei einer Vermessungsstelle in Hessen schaffe weder zwangsläufig noch typischerweise bessere Beschäftigungsvoraussetzungen als eine gleichartige Tätigkeit in einem anderen Bundesland. Schon aus den bisherigen Ausfuhrungen ergebe sich, daß in Hessen erhebliche regionale Unterschiede bezüglich des Vermessungszahlenwerkes bestünden. Lasse sich der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur, der seine geforderte praktische Berufstätigkeit in Hessen absolviert habe, an einem Ort außerhalb seines bisherigen Tätigkeitsbereichs nieder, so könne er hinsichtlich des vorgefundenen Systems des Vermessungszahlenwerkes mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf eine insoweit anwendbare praktische Berufserfahrung zurückgreifen. In dieser Hinsicht habe er gegenüber einem Bewerber aus einem anderen Bundesland keinen Erfahrungsvorsprung. Allerdings sei er mit den landesweit geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften vertraut, die sich von den Regelungen in anderen Bundesländern - teilweise auch im Aufbau - unterschieden. Diese Unterschiede seien indessen nicht so erheblich, daß die Vorschriften von einem Fachmann mit fünij ähriger praktischer Berufserfahrung nicht zutreffend angewendet werden könnten; aus ihnen lasse sich eine wesentliche Ungleichheit der betroffenen Sachverhalte nicht herleiten, zumal der Gesetzgeber selbst eine ausreichende Sicherung gegen mögliche Form- und Verfahrensverstöße durch die Staatsaufsicht nach § 14 BO-ÖbVI und die Überprüfung von Abmarkungsbescheiden durch ^ Katasterbehörden gemäß § 14 Abs. 2 des Abmarkungsgesetzes vorgesehen habe"

Das Verwaltungsgericht hat richtig ausgesprochen: „Die angegriffene Regelung stehe schon nicht mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang, da sie eine ungerechtfertigte Privilegierung für Bewerber^ghaffe, welche die geforderte praktische Berufstätigkeit in Hessen absolviert hätten"

Dagegen stützt das Bundesverfassungsgericht ein Landeskinderprivileg: „Zwar ist dem Verwaltungsgericht zuzugeben, daß ein Bewerber, der die fünfjährige Berufspraxis nur bei einem Katasteramt absolviert hat, nicht alle Besonderheiten des hessischen Vermessungszahlenwerkes im Bereich des gesamten Landes kennenlernen wird. Gleichwohl wird er in dieser Zeit berufspraktische Kenntnisse und Fertigkeiten erworben haben, die ihn für die Tätigkeit als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur in Hessen besser befähigen als einen Bewerber während seiner fünfjährigen Tätigkeit in einem anderen Bundesland, zumal er einen Teil der Berufspraxis bei einem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur ableisten muß, der für das gesamte Land zugelassen ist. Immerhin erhält der Bewerber während seiner fünfjährigen Tätigkeit bei einer Vermessungsstelle des Landes Hessen Gelegenheit, die Verwaltungspraxis wenigstens eines Amtsbezirks kennenzulernen und darüber hinaus mit der allen Ämtern gemeinsamen praktischen Verwaltungstätigkeit vertraut zu werden. Nicht unwesentlich ist ferner, daß - wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Stellungsnahme zutreffend hervorhebt - in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Verfahrensregelungen für die Abmarkung bestehen. Auch die fachtechnischen Anweisungen in Rechts- und Verwaltungsvorschriften weisen - wenn auch geringfügige - Besonderheiten auf. Dies alles mag keinen großen Qualifikati-

309

BVerfGE 73,301 (309). Vgl. BVerfGE 73, 301 (308); allgemein zum Verbot „Landeskinder" zu privilegieren BVerwGE 16, 241 (245 f.); M. Sachs, Besondere Gleicheitsgarantien, HStR, Bd. V, 1992, § 126, Rdn. 139 f f ; W. Höfling , in: Bonner Kommentar, 1998, GG, Art. 33 Abs. 1 bis 3, Rdn. 55. 310

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

onsvorsprung gegenüber landesfremden Bewerbern begründen. Die bereits beschriebene Nähe des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs zum öffentlichen Dienst rechtfertigt aber auch solche Anforderungen, die sich nur in geringem Umfange auswirken, um sicherzustellen, daß die Bewerber selbständige Vermessungen mit amtlicher Wirkung durchzuführen vermögen" 311 .

Die Nähe zum öffentlichen Dienst soll somit auch die Mißachtung der Grundprinzipien des deutschen öffentlichen Amtsrechts, nämlich das Recht jedes Deutschen auf Zugang zu jedem öffentlichen Amte (Art. 33 Abs. 2 GG), wenn er dafür geeignet und befähigt ist, rechtfertigen - eine Absurdität. Wenn das Bundesverfassungsgericht die Aufgabenbewältigung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs der Sache nach als öffentlichen Dienst erfaßt, muß es Art. 33 Abs. 2 GG gelten lassen. Das schließt die Privilegierung der Landeskinder aus. Das Argument, Art. 33 Abs. 4 GG lasse „Sonderregelungen" zu, ist insoweit abwegig. Diese Möglichkeit bezieht sich nur darauf, in Ausnahmefällen staatliche Aufgaben nicht durch den öffentlichen Dienst erledigen zu lassen, nicht aber Ausnahmen von Art. 33 Abs. 2 GG zu machen312. Wenn also wegen der „Öffentlichkeit" der Aufgabe auf Art. 33 Abs. 4 GG abgestellt wird und Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure als Amtswalter behandelt werden, muß folgerichtig auch allen Deutschen unabhängig davon, in welchem Land sie ihre praktische berufliche Qualifikation erworben haben, der Zugang zu diesem „Amtsberuf' eröffnet sein. Das berufsfreiheitsrechtliche Gleichheitsprinzip wird in Art. 33 Abs. 2 GG für die Amtsverfassung wiederholt 313 . Das Bundesverfassungsgericht aber hat mit seiner Doktrin vom staatlich gebundenen Beruf weitgehende Rechtlosigkeit der freien Berufe bewirkt.

2. Kapitel

Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

I. Allgemeines binnenmarktliches Privatheitsprinzip Die Grundfreiheiten des gemeinschaftsrechtlichen Binnenmarktprinzips (Art. 4 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 EGV), eingeschlossen das Recht der freien Niederlassung der Art. 43 ff. EGV und das Recht des freien Dienstleistungsverkehrs der Art. 49 ff. EGV, deren Relevanz für die Vermessungsingenieure dar311

BVerfGE 73,301 (318 f.). J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 51 f f , S. 1550 f f ; H. Lecheler, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 25 ff. 313 J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 34 f f , S. 1542 f f ; H. Lecheler, HStR, Bd. III, §72, Rdn. 16. 312

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

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gelegt, aber auch fraglos ist, begründen ein gemeinschaftsrechtliches Privatheitsprinzip, welches die bestmögliche Privatheitlichkeit der Lebensbewältigung gebietet. Dieses Privatheitsprinzip substantialisiert den wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundsatz des „offenen Marktes mit freiem Wettbewerb", den das Gemeinschaftsrecht in Art. 4 Abs. 1 EGV zu einem Leitprinzip der Integration erklärt 314 . Verstärkt durch das Binnenmarktprinzip (Art. 14 EGV) legt sich der EGV in Art. 2, 3 und 4 EGV auf eine marktliche Ordnung, die durch einen unverfälschten Wettbewerb geschaffen und gesichert werden soll, fest. Unternehmen und wirtschaftlich tätige Personen sollen ihre Standortwahl und ihre Tätigkeit ausschließlich nach den Bedingungen eines unverfälschten Wettbewerbs richten können 315 . Der unverfälschte Wettbewerb ist ein grundlegendes Vertragsziel von zwingender Geltung 316 . 1. Die Grundfreiheiten definieren den Binnenmarkt 317. Der Binnenmarkt umfaßt nach Art. 14 Abs. 2 EGV „einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist". Die Wirklichkeit der Grundfreiheiten ist die Wirklichkeit des Binnenmarktes 318. Ein Markt ist durch den Verkehr von Unternehmen und Verbrauchern gekennzeichnet. Unternehmen aber sind wesentlich durch die Privatheit definiert 319 . Die unumgängliche unternehmerische Maxime ist es, Gewinne zu erwirtschaften 320. Das Definiens von Unternehmen aber ist das Recht zur (freien) Willkür des unternehmerischen Handelns, also die funktionale Privatheit. Es gibt keinen Markt ohne diese Privatheit; denn es gibt keinen Markt ohne wirkliche Vertraglichkeit 321 . Vertrag314 f l . Streinz , Europarecht, 4. Aufl. 1999, Rdn. 800; A. Bleckmann, Europarecht. Das Recht der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft, 1997, Rdn. 754. 315 R. Streinz , Europarecht, Rdn. 800. 316 EuGH, Rs 6/72 Continental Can, Slg. 1973, 215 (246). 317 P. Pescatore , Die „Einheitliche Europäische Akte". Eine ernste Gefahr für den Gemeinsamen Markt, EuR 1986, 153 (157); M. Schweitzer/W. Hummer , Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdn. 1070; R. Streinz , Europarecht, Rdn. 652 f f , 953; A. EmmerichFritsche , Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EGRechtsetzung, S. 562; EuGH, Rs C-265/95 Kommission/Frankreich, Slg. 1997, 6959 (Rdn. 25 f.). 318

Zur Herstellung des Binnenmarktes R. Streinz , Europarecht, Rdn. 947 ff. K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 92; 357 f f ; ders., Res publica res populi, S. 399 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI; ders./A. Emmerich-Pritsche , Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 65 f. 320 H. Steinmann/ A. Lohr , Grundlagen der Unternehmensethik, 1992, S. 98, 104, 191 („Formalzielorientierung"); K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Pritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 64 f.; K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff.; ders , Eigentümer globaler Unternehmen, FS H. Steinmann, 1999, S. 419 ff. 319

321 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f , 322 f f , 337 ff.; ders , Res publica res populi, S. 396 f f , 404 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI, VII, VIII.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

lichkeit aber setzt das Recht zur (freien) Willkür voraus 322. Marktteilnehmer müssen nach ihren allein bestimmten Maximen Verträge schließen können. Sonst ist der Markt eine besondere Form staatlicher Verwaltung. Willkür ist das Vermögen, die Maximen des Handelns zu bestimmen323. Die Maximen sind die Grundsätze, nach denen ein Mensch zu handeln pflegt 324 . Dem Staat steht keine Willkür zu. Fundamentaler Grundsatz der freiheitlichen Staatlichkeit, also der Republik, ist das Willkürverbot 325 . Der Staat hat Gesetze zu geben, Gesetze zu vollziehen und gesetzesgebunden Recht zu sprechen 326. Mangels Rechts zur Willkür ist der Staat kein eigentlicher Marktteilnehmer 327, obwohl er seinen Bedarf auch am Markt eindeckt und eindecken darf. Auch dabei handelt er nicht marktlich im eigentlichen Sinne, sondern nach Rechtsregeln, welche ihm keine Willkür gestatten, etwa nach haushaltsrechtlichen Ausschreibungsregeln, jedenfalls nach Prinzipien staatlicher Sachlichkeit. Er darf zwar Verträge schließen; diese müssen aber einen sachlichen Zusammenhang und ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verwirklichen, wie das § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG vorschreibt 328. Wenn der Staat am Markt mit Privaten in Verkehr tritt, adaptiert er in den Grenzen des spezifisch für ihn geltenden Rechts marktmäßiges Handeln, ohne daß dieses Handeln dadurch privatheitlich wird 3 2 9 . Staatliches Handeln muß immer staatsadäquat sein 330 . Es scheint dem privaten Handeln zu gleichen, ist aber durchgehend vom privaten Handeln verschieden 331 ; denn es folgt anderen Prinzipien und anderen Regeln, nämlich den Prinzipien und Regeln, die dem Staat das Recht setzen. Wenn der Staat kauft, ist das

322

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 374 f f , 404 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, II, VIII, 1,2. 323 K.A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap, V, VI, VII. 324 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 332; ders., Grundlagen zur Metaphysik der Sitten, S. 27, 51; K.A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap, V. 325 BVerfGE 1, 208 (233); 23, 98 (106 f.); 84, 90 (121); st. Rspr.; K.A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II; ders., Res publica res populi, S. 410 f f , 990 f f , auch S. 978 ff.; ders, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 367 ff. 326 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f f , 519 f f ; ders, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 94 f f , 124 f f , 161 f f , 184 f f , 210 ff. 327 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f , 303 f f , 310 f f , 392 f f ; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, S. 419 f f ; ders./A. EmmerichFritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 60 ff. 328 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 340 ff. 329 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 83, 91, 258 f f , 298 f , 308 f , 448 ff. 330 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff, 261 ff. 331 H. Krüger, Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, 1965, S. 82 f.; ders., Von der reinen Marktwirtschaft zur gemischten Wirtschaftsverfassung, 1966, S. 27; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 96, 261 ff.

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

103

nur unter bestimmten Aspekten das gleiche, wie wenn Private kaufen. A u c h das Kaufrecht ist, wenn der Staat am KaufVerhältnis beteiligt ist, öffentliches Recht, Recht, das für den Staat g i l t 3 3 2 . Es ändert sich i n mancherlei Hinsicht. Insbesondere gilt für den Vertragsschluß das materiale Äquivalenzprinzip während i m Recht der Privaten (mit gewissen Einschränkungen) das formelle Äquivalenzprinzip maßgeblich ist 3 3 3 . Der Staat unterscheidet sich spezifisch durch das Willkürverbot von den Privaten, deren Privatheit durch das Recht zur W i l l k ü r , freilich wegen der inneren Freiheit als der Sittlichkeit das Recht zur freien W i l l k ü r definiert ist 3 3 4 . Die Privatheit des Menschen ist wesentlicher T e i l seiner Freiheit; denn ohne Privatheit könnte der Mensch nicht selbständig sein 3 3 5 . Ohne Selbständigkeit aber ist der Mensch nicht der Autonomie des Willens fähig, also nicht frei 3 3 6 . Der Staat hat ausschließlich dem Prinzip der Gesetzlichkeit zu genügen 3 3 7 . Die Gesetze beruhen auf der freien W i l l k ü r der Bürger, welche ihre allgemeinen Interessen ( i m Rahmen der Verfassung, insbesondere der Grundrechte) durch allgemeine Gesetze und den V o l l z u g dieser Gesetze zu verwirklichen suchen. Die allgemeinen Gesetze sind der allgemeine W i l l e des Volkes als der Bürgerschaft 3 3 8 . Dieser allgemeine W i l l e muß i m Gesetzgebungsverfahren zur Sachlichkeit als der materialen Allgemeinheit finden, wenn die Gesetze Recht sein sollen 3 3 9 . Sachlichkeit ist die praktische Vernunft oder eben die Sittlichkeit 3 4 0 . Der kategorische Imperativ ist das ein freiheitliches Gemeinwesen,

332 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 1,3, 12 f f , 32 f f , 45 f f , 48, 51 f , 80 f f , 82 f f , 85 f f , 248, 253, 257, 260, 384 zur Neutralität von Vorschriften des Bürgerlichen Rechts. 333 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 340 f f , 360. 334 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 374 ff.; ders ., Freiheit in der Republik, 8. Kap, II. 335 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 21 f f , 234 f f , 378 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, III, IV; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 767 ff.; H.F. Zacher, HStR, Bd. I, § 25, Rdn. 48 ff.; auch BGH GSZ 6, 270 (276). 336 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 f f ; ders., Über den Gemeinspruch, in: Werk in 10 Bänden, ed. W. Weischedel, Bd. 9, 1983, S. 150 ff.; W. Maihofer, HVerfR, § 12, Rdn. 57 f f , S. 458 f f ; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 767 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap, 111,4. 337 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 f f , passim; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 7 f f , 47 f f , 94 f f , 161 f f , 274 f f , 288 ff. 338 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 279 f f , 325 f f , 410 f f , 494 f f , 519 f f , 707 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, VI, 5. Kap, II, IV, 7. Kap, III. 339 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 560 f f , 584 f f , 617 f f , 637 f f , 707 f f , 858 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, I I , III, IV, 7. Kap.; ders , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 43 f f , 94 f f , auch S. 372 f f , insbes. S. 383 f f , 398 f.

104

3. Teil Das Privatheitsprinzip

die Republik, definierende Sittengesetz, welches ausweislich Art. 2 Abs. 1 GG das grundgesetzliche Freiheitsprinzip bestimmt 341 . Die Exekutive des Staates ist rechtens darauf beschränkt, die Gesetze als den Willen des Volkes zu vollziehen (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG). 342 Der Staat ist die Organisation der Bürgerschaft für die Verwirklichung der gemeinsamen oder der allgemeinen Interessen, die den Zweck des Staates, das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit, verwirklichen soll 343 . Darum ist Staatlichkeit ausschließlich Gesetzlichkeit344. Gesetzlichkeit und Willkür widersprechen einander. Darum ist der Staat niemals privat, auch nicht, wenn er sich in Formen des Privatrechts organisiert oder in Formen des Privatrechts agiert 345 . Demgemäß kann der Staat auch kein Unternehmer sein; denn Unternehmen sind durch die Privatheitlichkeit des Handelns und damit im eigentlichen Sinne durch die Willkür des Handelns definiert. Wenn der Staat agiert, als sei er ein Unternehmer, so bleibt das doch eine besondere Verwaltung 346 , für die im übrigen auch mancherlei besondere Prinzipien und Regeln gelten. Die unternehmerische Verwaltung des Staates adaptiert wiederum privatunternehmerisches Handeln, ohne dadurch Unternehmen im privatrechtlichen Sinne zu werden. Das Rechtsprinzip des Staates ist die Sachlichkeit. Diese Sachlichkeit muß aber, weil der Begriff der Sachlichkeit formal ist, durch allgemeine Gesetze bestimmt sein 347 . Dem Staat steht nicht einmal zu, unternehmerisch Gewinn anzustreben 348 . Das untersagen ihm vielfache Gesetze349. Vor allem gebietet ihm der

340

KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 f f , 584 ff, 637 f f , 707 f f , 978 f f , 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, III, IV, 7. Kap. 341 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 259 f f , 299 ff, 325 f f , 427 f f , 494 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap, 5. Kap, 7. Kap, und 2. Kap, V, VI, VII. 342 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 926 f f ; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 161 f f , 244 f , 274 f. 343 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 199, 350 ff. 344 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 f f , 329 f f , 519, 637 ff.; auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff, 261 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II, auch 7. Kap. 345 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , (insb. S. 258 ff.), 261 ff.; ders., Res publica res populi, S. 211 f f , auch S. 166 f f , 200, 742; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, S. 419 ff. 346 KA. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 60 ff. 347 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 228, 413, 674 f f , 835 f f , 897 f f , 984 f f , 991 f f , 994 ff. 348 Vgl. BVerfGE 61, 82 (107); KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 f f ; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 64 f.; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, S. 419 ff.; BVerfGE 61, 82 (107); BVerwGE 39, 329 (333 f.). 349 Etwa Art. 87 Abs. 2 S. 2 BayGO, Art. 73 Abs. 2 S. 2 BayGO.

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

105

Staatszweck, das allgemeine Wohl zu verwirklichen. Die Gewinnmaxime ist eine ausschließlich privatheitliche Maxime 350 . Demgemäß ist der Staat kein eigentlicher Marktteilnehmer. Wie schon gesagt, bleibt die vermeintliche staatliche Marktteilnahme besondere Verwaltung, etwa Beschaffungsverwaltung, die besonderen für den Staat geschaffenen Gesetzen unterliegt. Der Staat ist etwa auch im Beschaffungswesen an den Gleichheitssatz gebunden351, der Private gerade nicht bindet, es sei denn, daß der Gleichheitssatz durch Gesetze auch für Private materialisiert ist. Schon gar nicht ist der Staat im Rechtssinne Wettbewerber 352; denn Wettbewerbsverhältnisse setzen Privatheit der Wettbewerber (nicht bloße Privatrechtlichkeit) voraus 353 . Die Wettbewerblichkeit staatlichen Handelns steht und fällt mit dessen Privatheitsfähigkeit, also mit der Fiskusdoktrin, welche im 4. Teil im 3. Kapitel kritisiert wird. Das Wesen des Marktes ist das Recht zur freien Willkür der Marktteilnhmer, also deren Privatheitlichkeit. Die willkürliche Entscheidung des Nachfragers für oder gegen ein Angebot, seine Wahlmöglichkeit, macht den Markt aus 354 . Wenn der Nachfrager gebunden ist, verliert der Markt seine Eigenart, die größtmögliche Leistung aller Marktteilnehmer zu stimulieren 355 , was immer Leistung heißen mag. Für diese idealtypische Betrachtung kommt es nicht darauf an, daß weitgehend Leistung durch Korruption ersetzt wird. Zur Marktlichkeit im rechtlichen Sinne gehört der bestmögliche Wettbewerb 356 . Das europäische Gemeinschaftsrecht hat die Einheit der Prinzipien Markt und Wettbewerb im Grundsatz des „offenen Marktes mit freiem Wettbewerb" formuliert. Auch der Wettbewerb definiert somit den Markt 357 . Ohne Wettbewerb besteht rechtens kein 350 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 64 f. 351 F.-J. Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und öffentliches Recht, 1977, S. 72 f f , 77 f f , 100. 352

K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 f f , 281 f f , auch S. 438 ff.; a.A. die Praxis und die Lehre, dazu 4. Teil, 3. Kap, IV.; U. Schliesky , Öffentliches Wettbewerbsrecht, Verhaltensrechtliche Determinanten von wirtschaflsbezogenem Staatshandeln, 1997, S. 94 f f , 278 f f , passim. 353 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 81 f , S. 363 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI.

auch

354 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 f f , 42 f , 283 f f , 304 f f , 331 ff. 355

BGHZ 37,1 (16 ff.); 39, 352 (356); 64, 232 (234 f.); 66, 229 (232 f.); 67, 81 (85 ff.), st.Rspr. 356 So etwa in bezug auf die Fusionskontrolle E.-J. Mestmäcker , Anzeigenpflicht für Zusammenschlüsse, in: Immenga/ders, GWB, Kommentar zum Kartellgesetz, 2. Aufl. 1992, § 23 a, Rdn. 60, S. 1047 und § 24, Rdn. 26, S. 1064; zurückhaltend R. Scholz , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rdn. 80. 357

E. Grabitz , in: ders./M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, 1999, Rdn. 14 zu Art. 3 EGV (Art. 4 a.F.), mit weiteren Hinweisen.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Markt, weil der Markt durch die Vielheit der Anbieter und/oder Nachfrager gekennzeichnet ist, welche um die Vertragsschlüsse konkurrieren. Der Staat aber ist wie die Kommunen mangels Privatheit kein Wettbewerber im Sinne des privatheitlichen Wettbewerbsrechts 358. Wenn der Staat sich formell privatisiert (Organisations- oder Handelnsprivatisierung), begibt er sich weitgehend seiner Staatlichkeit359. Die Fiskusdoktrin, welche die formelle Privatisierung dogmatisiert, ist mit den Rechtsprinzipien einer Republik, vor allem dem der ausschließlichen Gesetzlichkeit staatlichen Handelns, unvereinbar 360. Sie ist im 4. Teil, 2. Kapitel kritisiert. Die verfassungswidrige Fiskusdoktrin kann nicht als Argument für die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit staatlicher Einrichtungen herangezogen werden. Wenn die formelle Privatisierung des Staates und damit öffentliche, eigentlich staatliche Unternehmen zugelassen werden, weil die Praxis so verfährt, so werden letztere doch möglichst dem Markt- und Wettbewerbsrecht unterstellt, um den Markt und den Wettbewerb nicht zu verfälschen, sondern deren Eigenart zu wahren 361 . Die staatliche Unternehmung muß sich somit (entgegen ihrer Staatlichkeit) möglichst materiell privatisieren, weil Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit durch Privatheitlichkeit charakterisiert sind. Unternehmer im eigentlichen Sinne kann nur ein materiell privatisierter Staat sein, aber die Privatheitlichkeit ist staatswidrig. 2. Art. 86 EGV beweist die wesentliche Privatheitlichkeit des Wettbewerbs und damit die des Marktes, indem er die (sogenannten) öffentlichen Unternehmen sowie „Unternehmen, denen sie (sc. die Mitgliedstaaten) besondere oder ausschließliche Rechte gewähren" (z.B. beliehene Unternehmen 362) soweit als möglich dem Wettbewerbsrecht, aber auch dem Diskriminierungsverbot und damit den Grundfreiheiten, welche Materialisierungen des Diskriminierungs-

358 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 f f (zur Praxis und Lehre), S. 281 f f , 298 f f , 303 f f , 322 f f , 357 f f , 443 f f ; ders./A. EmmerichFritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 40 f f , 60 f f , 76 ii:, ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, in: ders, Fallstudien im Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 2002, S. 487 f f , insbes. S. 502 f f ; vgl. dazu 4. Teil, 2. Kap, IV. und 5. Teil. 359

K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 53 f f , 261 f f ; ders., Res publica res populi, S. 372, 388; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S 76 f f ; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 502 ff. 360 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim, insb. S. 261 ff. 361 Dazu der Rechtsprechungsbericht und die Literaturstudie bei K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 ff. 362 M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, Rdn. 1320; R. Streinz, Europarecht, Rdn. 840.

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

107

Verbotes sind 363 , unterwirft. 364 Besser als die formelle Privatisierung des Staates oder staatlichen Handelns, welche die Aufgaben dem Staat beläßt, die dieser aber so zu bewältigen hat, als sei er ein Privater, ist die materiale Privatisierung der Aufgaben, also deren Entstaatlichung, nicht nur funktional, sondern auch im instiutionellen Sinne, die Aufgabenprivatisierung also, die wirkliche, echte Privatisierung. Das Marktprinzip des Binnenmarktes erweist somit die Privatheitlichkeit desselben und damit die Privatheitlichkeit der Grundfreiheiten, weil deren Wirklichkeit den Binnenmarkt definiert 365 . Aus diesem binnenmarktlichen Privatheitsprinzip erwächst die materiale Privatisierungspflicht für die Aufgaben, welche nicht staatlich zu bewältigen notwendig ist, weil der Grundsatz des Binnenmarktes 366 ebenso wie der mit diesem Grundsatz untrennbar verbundene, ihn materialisierende Grundsatz des „offenen Marktes mit freiem Wettbewerb" 367 wegen seiner Prinzipienhaftigkeit ein Optimierungsgebot enthält. 368 Dieses materielle Privatisierungsgebot folgt schon daraus, daß die Staatlichkeit der Lebensbewältigung und damit die Staatlichkeit der Aufgaben dem Markt- und Wettbewerbsprinzip des Binnenmarktes die Wirkungsmöglichkeiten schmälert und damit die Integration entgegen dem ebenso mitgliedstaatlichen wie gemeinschaftlichen Integrationsprinzip 369 zuwider läuft. Die Integration, die Art. 2 Sp. 5 EUV, Art. 2 EGV zur Hauptaufgabe 363

EuGH, Rs C-265/95 Kommission/Frankreich, Slg. 1997 I, 6959 (Rdn. 26 f.); Rs C-341/95 Bettati/Safety Hi-Tech Sri, Slg. 1998, 4359 ( Rdn. 76); R. Streinz , Europarecht, Rdn. 667; dazu B.E. Beck , Gemeindliche Unternehmen Bayerns im Spannungsfeld zwischen Selbstverwaltung des Grundgesetzes und Wettbewerblichkeit des Gemeinschaftsrechts, Diss. 1999, S. 221 ff. 364

A. Schollmeier /D. Krimphove , Das Wettbewerbsrecht der EG, in: A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rdn. 1970 ff. 365

Vgl. R. Streinz , Europarecht, Rdn. 652 f.

366

EuGH, Rs C-265/95 Kommission/Frankreich, Slg. 1997, 6959 (Rdn. 27) Binnenmarkt als „tragender Grundsatz" des Gemeinschaftsrechts. 367

I.d.S. J. Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, S. 26 ff.; vgl. auch W. Hankel/W. Nölling/KA. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euroklage, S. 200 f f , insb. S. 208 ff. 368

Zu Prinzipien als Optimierungsgeboten R. Alexy , Theorie der Grundrechte, S. 75 f.; zur Präferenzentscheidung für den Binnenmarkt A. Emmerich-Fr tische, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 63 f f ; M. A. Dauses, Dogmatik des freien Warenverkehrs in der Europäischen Gemeinschaft, RIW 1984, 197 (205); M. Kloepfer , Umweltrecht, 1989, S. 293; P. Pescatore , EuR 1986, 153 (168); zur Prinzipienhaftigkeit der Grundfreiheiten EuGH, Rs 35/76 Simmenthal/Italienisches Finanzministerium, Slg. 1976, 1871 (1885, Rdn. 18/19); Rs 240/83 Procureur de la Republique/ADBHU, Slg. 1985, 531 (548, Rdn. 15); /. Pernice , Grundrechtsgehalte im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1979; S. 92 f.; A. Emmerich-Fr tische ,Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 73. 369

Dazu M. Zuleeg , Die Europäische Gemeinschaft als Integrationsverband, FS K. Carstens, 1984, S. 289 ff.; A. Bleckmann , Europarecht, Rdn. 33 ff.; 803 ff.; A. Emmerich-Fr tische, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 203 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

der Union/Gemeinschaft erklären, w i r d nämlich wesentlich durch den Binnenmarkt verwirklicht 3 7 0 , nicht durch die notwendig nationale, aber desintegrierte Staatlichkeit der i n ihrer Staatlichkeit eigenständigen Mitgliedstaaten. Dieses Integrationsprinzip hat durchgehend die Praxis des Europäischen Gerichtshofs zu den Grenzen der integrationistischen Grundfreiheiten bestimmt 3 7 1 , welche nämlich ein v o m Gerichtshof, also gemeinschaftlich anerkanntes, öffentliches Interesse verwirklichen müssen 3 7 2 . Die Mitgliedstaaten dürfen somit nicht zu Lasten der Integration, d.h. zu Lasten bestmöglicher Entfaltung der Grundfreiheiten und damit zu Lasten der bestmöglichen Entwicklung des Binnenmarktes 3 7 3 mitgliedstaatliche Interessen definieren 3 7 4 , welche die Entfaltung der Grundfreiheiten zurückdrängen, wenn diese Interessen nicht notwendig verfolgt werden müssen 3 7 5 und zudem nicht zur Diskriminierung der Staatsangehörigen 370

Vgl. R. Streinz, Europarecht, Rdn. 8 f f ; 35 f f ; zur Herstellung des Binnenmarktes, R. Streinz, Europarecht, Rdn. 947 ff.; Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat zur „Vollendung des Binnenmarktes", Dok. KOM (85)310. 371 Vgl. dazu A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 436 f. 372 A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 422 ff. 373 Das Integrationsprinzip veranlaßt den Gerichtshof zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts nach dessen bestmöglicher Wirksamkeit, dem sogenannten effet utile. Dazu A. Bleckmann, Zu den Auslegungsmethoden des Europäischen Gerichtshofs, NJW 1982, 1177 (1180); H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 280; H. Kutscher, Thesen zu den Methoden des Gemeinschaftsrechts aus der Sicht eines Richters, in: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.), Begegnungen von Justiz und Hochschule, 27.-28.9.1976, S. 1 \R. Streinz, Europarecht, Rdn. 498. 374 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 423 ff.; B. Beutler/R. Bieber/J. Pipkorn/J. Streil, Die Europäische Union, 1993, S. 295; Th. Schilling, Rechtsfragen zu Art. 30 EGV - Zugleich eine Anmerkung zum EuGH-Urteil vom 24.11.1993 in den verb. Rs C-267 und 268/91, EuR 1994, 50 (68); EuGH, Rs 41/74 van Duyn/Home office, Slg. 1974, 1337 (1350, Rdn. 18/19); Rs 36/75 Rutili/Minister des Inneren, Slg. 1975, 1219 (1231, Rdn. 26/28); Rs 155/80 Oebel, Slg. 1981, 1993 (2008, Rdn. 12); Rs 75/81 Blesgen/Belgien, Slg. 1982, 1211 (1228, Rdn. 6, 9 ff); Rs 178/84 Kommission/Deutschland, Slg. 1987, 1227 (1222, Rdn. 36); Rs C-145/88 Torfaen Borough Council/B&Q PLC, Slg. 1989, 3851 (3889, Rdn. 13 f.); Rs C-362/88 INNO/Conféderation du commerce Luxembourgeois, Slg. 1990 I, 667 (689, Rdn. 18 f.); Generalanwalt W. van Gerven, Schlußanträge, Rs C-312/89 Union départementale des syndicats CGT de V Asine/Conforma u.a., Slg. 1991 I, 1007 (1014); Rs C-169/91 Council of the City of Stoke-on-Trent und Norwich City Council/B&Q, Slg. 1992 I, 6635 (Leitsätze, 6658, Rdn. 11); Rs C-126/91 Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft e.V./Yves Rocher GmbH, Slg. 1993 I, 2361 (2390, Rdn. 22); Rs C-470/93 Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln/Mars, Slg. 1995 I, 1923 (1943, Rdn. 20); Rs C-384/93 Alpine Investments BV/Minister van Financien, Slg. 1995 I, 1141 (1179, Rdn. 44). 375 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 427 ff.; EuGH, Rs 36/75 Rutili/Minister des Inneren, Slg. 1975, 1219 (1232, Rdn. 32); Rs 16/78 Choquet, Slg. 1978, 2293 (2302, Rdn. 8); Rs 174/82 Sandoz, Slg. 1983, 2445 (2463, Rdn. 17); Rs 66/85 Lawrie-Blum/Land Baden-Württemberg, Slg. 1986, 2121 (2146, Rdn. 26); Rs 118/86 Openbaar Ministerie/Nertsvoerderfabriek Nederland, Slg. 1987, 3883 (3907, Rdn. 14); Rs 216/84 Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 793 (813,

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

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anderer Mitgliedstaaten fuhren (Prinzip der gemeinschaftsweiten Unterschiedslosigkeit der mitgliedstaatlichen Vorschriften, vgl. Art. 39 Abs. 2, 43 Abs. 2, 50 Abs. 2 EGV) 3 7 6 . Insbesondere die textlich denkbar weit gefaßten Ausnahmen der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 (ex 30) EGV in Art. 30 (ex 36) EGV erlauben wegen der weiten und offenen Begriffe, insbesondere „öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen", jedwede Beschränkung des freien Warenverkehrs. Aber der Europäische Gerichtshof läßt nur enge Beschränkungen zu, welche um legitimer nationaler Interessen willen notwendig sind 377 , und beansprucht die Befugnis zu entscheiden, ob mitgliedstaatliche Beschränkungen gerechtfertigt sind 378 . Ausnahmen vom „grundlegenden Prinzip des freien Warenverkehrs" erlaubt der Gerichtshof nur insoweit, „als sie »gerechtfertigt 4, daß heißt nötig sind" 379 . Er praktiziert insoweit das Verhältnismäßigkeitsprinzip 380. Die vom Gerichtshof über Art. 30 EGV hinaus entwickelten Schranken der Warenverkehrsfreiheit haben in der „Cassis-de-Dijon-Philosophie" Berühmtheit erlangt 381 . Diese Praxis respektiert den Primat der grundfreiheitlichen Prinzipien des Binnenmarktes 382. Das Verhältnis der Prinzipien zu deren Beschränkungen läßt sich nur material beschreiben, um tragfähige Ordnungen in der Gemein-

Rdn. 13); Rs 76/86 Kommission/Deutschland, Slg. 1989, 1021 (1041, Rdn. 18); Rs C42/90 Bellon, Slg. 1990 I, 4863 (48883, Rdn. 14); Rs 176/84 Kommission/Griechenland, Slg. 1987, 1193 (1224, Rdn. 42); Rs 178/84 Kommission/Deutschland, Slg. 1987, 1227 (1274 ff.); Rs C-67/88 Kommission/Italien, Slg. 1990 1, 4285 (4296, Rdn. 6 f.); Rs C-42/90 Bellon, Slg. 1990 I, 4863 (4883, Rdn. 14); Rs C-154/89 Kommission/Frankreich, Slg. 1991 I, 659 (687 f , Rdn. 17 ff.); verb. Rs C-13/91 und C-l 13/91 Debus, Slg. 1992 I, 3617 (3641, Rdn. 14); Rs C-384/93 Alpine Investments BV/ Minister van Financien, Slg. 1995 I, 1141 (1179, Rdn. 45). 376 EuGH, Rs 2/74 Reyners, Slg. 1974, 631 (R. 24/28); Rs C-l68/91 Konstantinidis, Slg. 1993 I, 1193 ff.; Rs C-101/94 Kommission/Italien, Slg. 1996 I, 2719 ff.; R. Streinz , Europarecht, Rdn. 667. 377 Rs 153/78 Kommission/Deutschland, Slg. 1979, 2555 (2564, Rdn. 5); Rs 118/86 Openbaar Ministerie/Nertsvoerderfabriek Nederland, Slg. 1987, 3883 (3907, Rdn. 14); Rs 178/84 Kommission/Deutschland, Slg. 1987, 1227 (1222); Rs 155/89 Oebel, Slg. 1981, 1993 (2008, Rdn. 12); dazu A. Emmerich-Fr tische, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 198 f f , 423 ff. 378 Vgl. Fn. 375, 377; vgl. Th. Oppermann , Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdn. 1307. 379 Rs 153/78 Kommission/Deutschland, Slg. 1979, 2555 (2564, Rdn. 5). 380 Ch. Moench , Schutz des freien Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt. Zur Auslegung der Art. 30, 34, 36 EWGV in der Rechtsprechung des EuGH, NJW 1982, 2689 (2692); R. Streinz , Europarecht, Rdn. 703; A. Emmerich-Fritsche , Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 422 ff.; zum Verhältnismäßigkeitsprinzip Hinweise in Fn. 666. 381 Grundlegend Rs 120/78 REWE/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, 649 (662); neu gefaßt in Angleichung an andere Grundfreiheiten in Rs C368/95 Vereinigte Familiapress/Bauer Verlag, Slg. 1997 I, 3589 (3713, Rdn. 8). Vgl. dazu auch A. Emmerich-Fritsche , Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 421 ff. 382 Vgl. dazu A. Emmerich-Fritsche , Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 73, 410 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

schaft zu erreichen, welche durch die bestmögliche Gemeinschaftlichkeit der Gemeinschaft gekennzeichnet sind 383 . Wollte man zulassen, daß jeder Mitgliedstaat eine eigene Ausnahmenpolitik macht, welche auf die Gemeinschaftsinteressen keine Rücksicht nehmen muß, wäre die Gemeinschaft schnell aufgelöst. Die Gemeinschaft ist aber die bestmögliche Wirklichkeit des Binnenmarktes und damit die bestmögliche Verwirklichung der Grundfreiheiten. Eine mitgliedstaatsorientierte Lösung des Prinzip-Ausnahme-Problems, welche jede Verstaatlichung der Aufgaben durch die Mitgliedstaaten respektieren wollte, würde die Prinzipienverwirklichung vernachlässigen und die Ausnahme zur Regel werden lassen, wenn die Mitgliedstaaten nicht aus eigenem Interesse integrationistische Politik betreiben 384. Die gemeinschaftliche Erkenntnis des auch für den einzelnen Mitgliedstaat im öffentlichen Interesse Notwendigen sichert somit die Gemeinschaftlichkeit und damit das Integrationsprinzip 385. Sie liegt als Rechtserkenntnis in der Hand des Europäischen Gerichtshofs, soweit sie nicht durch Rechtssätze der Gemeinschaft verwirklicht ist 386 . Aber selbst die Rechtssetzung ist an die Integrationsprinzipien der Grundfreiheiten des Binnenmarktes gebunden 387 . Die Integration soll somit nach Maßgabe der Prinzipien des Gemeinschaftsrechts möglichst gefordert werden. Sie wird das aber bestmöglich durch die Privatheitlichkeit der Aufgabenbewältigung, weil die Staatlichkeit derselben unvermeidlich auf die mitgliedstaatlichen Grenzen stößt. Staatlichkeit der Aufgabenbewältigung schließt die Verwirklichung der Grundfreiheiten weitgehend aus 388 . Das gilt inbesondere für die Dienstleistungsfreiheit, aber auch für die Niederlassungsfreiheit, die schon aus Gründen der demokratischen Legitimation nicht zu staatlichem Handeln der dienstleistenden oder sich niederlassenden Staatsangehörigen aus anderen Mitgliedstaaten führen können. Dienst- und Niederlassungsfreiheit fordern die Mobilität der wirtschaftlichen Betätigung, setzen sie aber auch voraus. Der Staat kann wegen seiner Territorialität nicht mobil sein. Allenfalls die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 39 EGV hat auch dann eine gewisse integrationistische Kraft, wenn Aufgaben staatlich verwirk-

383 Vgl. R. Streinz, Europarecht, Rdn. 500; zum Gemeinschaftsinteresse im Gemeinschaftsrecht A. Emmerich'Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 80 f f , 93 f. 384 V g l . EuGH, Rs 66/85 Lawrie-Blum/Baden-Württemberg, Slg. 1986, 2121 (Rdn. 26). 385 Vgl. EuGH, Rs 149/79 Kommission/Belgien, Slg. 1980, 3881 (Rdn. 19); zum Integrationsprinzip HP. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 66 ff.; M. Zuleeg, Die Europäische Gemeinschaft als Integrationsverband, S. 289 (300); kritisch zum Integrationsprinzip als selbständiges Rechtsprinzip A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 203 ff. 386 R. Streinz, Europarecht, Rdn. 500. 387 A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 413 ff.; R. Streinz, Europarecht, Rdn. 706; EuGH, Rs 76/86 Kommission/Deutschland, Slg. 1989, 1021 (1042 f.); Rs C - l 14/96 Kieffer und Thill, Slg. 1997 I, 3629 (3655, Rdn. 27). 388 EuGH, Rs 149/79 Kommission/Belgien, Slg. 1980, 3881 (Rdn. 11).

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

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licht werden 3 8 9 , aber auch nur, wenn der Begriff der „Beschäftigung i n der öffentlichen Verwaltung" i n Art. 39 Abs. 4 E G V entgegen dem Wortlaut restriktiv interpretiert wird. Dies praktiziert der Europäische Gerichtshof 3 9 0 , der diese Grenze der Arbeitnehmerfreizügigkeit

auf staatliche Leitungsaufgaben be-

schränkt, so daß auch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten beanspruchen können, i n den Staatsdienst eines anderen Unionsstaates eingestellt zu werden, wenn sie die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen erfüllen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 B R R G ) 3 9 1 . Das aber hat nur einen geringen Integrationseffekt. Das Binnenmarktprinzip ist somit ein integrationsrechtliches Privatisierungsgebot, weil sonst die Grundfreiheiten des Binnenmarktes sich nicht bestmöglich entfalten können 3 9 2 . Keinesfalls

dürfen die Mitgliedstaaten Aufgaben

verstaatlichen,

wenn das nicht für das gemeine W o h l unverzichtbar ist 3 9 3 . Dabei ist der Vergleich mit der Praxis der anderen Mitgliedstaaten bedeutsam. 394 Das Integrationsprinzip bringt rechtens über das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auch die Nivellierung der Unterschiede der A r t und Weise der Aufgabenbewältigung mit sich 3 9 5 .

389

A. Bleckmann , Europarecht, Rdn. 1632. Rs 149/79 Kommission/Belgien, Slg. 1980, 3881(Rdn. 10 ff.) = Zwischenurteil; Slg. 1982, 1845 (Rdn. 7) = Endurteil; Rs 66/85 Lawrie-Blum/Baden-Württemberg, Slg. 1986, 2121 (2146, Rdn. 26); Rs 307/84 Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 1725 ff.; Rs 225/85 Kommission/Italien, Slg. 1987, 2625 ff.; Rs 33/88 Allue und Coonan, Slg. 1989, 1591, Rdn. 9; Rs C-4/91 Bleis, Slg. 1991 I, 5627 (5641, Rdn. 7); Rs C473/93 Kommission/Luxemburg, Slg. 1996 I, 3207 (Rdn. 33 f.). 390

391 EuGH, Rs 149/79 Kommission/Belgien, Slg. 1980, 3881 ff.; und Slg. 1982, 1845 ff.; Rs 307/84 Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 1725 ff.; Rs 66/85 LawrieBlum/Baden-Württemberg, Slg. 1986, 2121 ff.; Rs 225/85 Kommission/Italien, Slg. 1987, 2625 ff.; Rs C-4/91 Bleis, Slg. 1991 I, 5627 ff.; Rs C-473/93 Kommission/Luxemburg, Slg. 1996 I, 3207 ff. 392 Vgl. EuGH 149/79 Kommission/Belgien, Slg. 1980, 3881 (Rdn. 11, 19); Rs 66/85 Lawrie-Blum/Baden-Württemberg, Slg. 1986, 2121 (2146, Rdn. 26); Rs 147/86 Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 1637 (1653 f , insbes. Rdn. 8). 393 Rs 147/86 Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 1637 (1654 f f , Rdn.7). 394 Zum Rechtsvergleich als „fünfter Interpretationsmethode" P. Häberle , Grundrechtsgeltung und Grundrechtsinterpretation im Verfassungsstaat, JZ 1989, 913 f f ; ders., Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, 1997, S. 19; siehe auch. A. Bleckmann , Europarecht, Rdn. 551; vgl. auch zur Bedeutung des Rechtsvergleichs A. EmmerichFritsche , Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 136 f. 395 Vgl. M. Schweitzer/M. Hummer , Europarecht, Rdn. 1205 unter ausdrücklicher Nennung der Vermessungsingenieure, denen wegen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit trotz fehlender Angleichungsrichtlinien die (gemeinschaftsweite) Ausübung ihres Berufes durch die Mitgliedstaaten nicht untersagt werden dürfe. Ihre Diplome müßten einer Äquivalenzprüfung unterzogen werden; dazu K.A. Schachtschneider, Das Demokratieprinzip in der Europäischen Union, FS. W. Hankel, S. 142 ff.; Zum Prinzip der gegenseitigen Anerkennung Th.C.W. Beyer, Rechtsanerkennung im Binnenmarkt, 1998, S. 30 ff.; A. Emmerich-Pritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 446 ff.

112

3. Teil Das Privatheitsprinzip

3. Aber das Privatisierungsgebot folgt auch aus den Grundfreiheiten als solchen, die schließlich auch subjektive 396 grundrechtsgleiche 397 Rechte auf eine mitgliedstaatliche Rechtsordnung geben, welche die Grundfreiheiten bestmöglichst zur Wirkung kommen läßt 398 . Verstaatlichung einer Aufgabe reduziert den Wirkungsbereich der Niederlassungs- wie der Dienstleistungsfreiheit, die sich eben (wie auch die Wirtschaftsgrundrechte des Grundgesetzes) nur in Privatheit entfalten können. Wenn es ein ausschließlich staatliches Vermessungswesen gibt, kommen weder grenzüberschreitende Dienstleistungen noch Niederlassungen von Unionsbürgern in Betracht, weil die Vermessungsleistungen, wie oben ausgeführt, keinen Markt haben, soweit sie staatlicher Verwaltung vorbehalten sind. Vermessungen dürfen unter diesen Voraussetzungen nur von den Vermessungsbehörden des Staates oder der Kommunen durchgeführt werden. Die Verstaatlichung oder Kommunalisierung des Vermessungwesens verbietet somit die privaten Dienstleistungen der freiberuflichen Vermessungsingenieure und macht deren Niederlassungen sinnlos. Wäre die Verstaatlichung der Vermessungsaufgaben mit den Grundfreiheiten vereinbar, wäre es auch die Verstaatlichung aller anderen Aufgaben, etwa die der Ärzte. Diese Überlegung ergibt ein Privatheitsprinzip, welches aus dem Gebot der bestmöglichen Verwirklichung der Grundfreiheiten folgt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, daß die Grundfreiheiten als subjektive Rechte nicht nur vor diskriminierenden 399, son396 EuGH, Rs 6/64 Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251 (1273 f. ); Rs 13/68 Salgoil/ Außenhandelsministerium der Italienischen Republik, Slg. 1968, 679 (690 f f , 693 f.); Rs 2/74 Reyners/Belgien, Slg. 1974, 631 (652, Rdn. 24/28); Rs 33/74 van Binsbergen/Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor Metaalnijverheid, Slg. 1974, 1299 (1310 f f , Rdn. 18 f f , 27); Rs 41/74 van Duyn/Home Office, Slg. 1974, 1337 (1347, Rdn. 4); Rs 118/75 Watson Und Belmann, Slg. 1976, 1185 (1. LS); vgl. dazu A. EmmerichFritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 411 f. 397 A. Bleckmann, Die Freiheiten des Gemeinsamen Marktes als Grundrechte, in: R. Bieber/A. Bleckmann/F. Capotorti u.a. (Hrsg.), GS für Ch. Sasse, 1981, 665 f f ; ders., Zur Entwicklung europäischer Grundrechte, DVB1. 1978, 457 (459 f.); ders, Die Grundrechte im Europäischen Gemeinschaftsrecht. Ein Beitrag zu den Methoden des EG-Rechts, EuGRZ 1981, 257 (258); G. Nicolaysen, Europarecht I, 1991, S. 67; J. Wohlfahrt, Die Freiheit des Personenverkehrs und der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, in: E.-W. Fuß (Hrsg.), Der Beitrag des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zur Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes, 1981, S. 85 (94); J. Schwabe, Schutz der Grundrechte in der Europäischen Gemeinschaft - Grundlagen und heutiger Entwicklungsstand, EuGRZ 1986, S. 293 (296); D. Ehlers, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht im europäischen Binnenmarkt, NVwZ 1990, 810 (811); V. Heydt, Der Funktionswandel der EG-Grundfreiheiten infolge der Verwirklichung des Binnenmarktes, EuZW 1993, 105; Th. Schilling, EuR 1994, 50 (57); M Nonhoff Grundrechte in der Europäischen Gemeinschaft. Herleitung, Gewährleistungsintensität und Einschränkungsmöglichkeiten europäischer Grundrechte am Beispiel der Berufsfreiheit, RIW 1995, 541 (544 f.). 398 399

Vgl. A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 321 f. Rs C-l 13/89 Rush Portuguesa, Slg. 1990 I, 1417 (Rdn. 12).

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

113

dem auch vor sonstigen imperativen, insbesondere gesetzlichen400 und faktischen401 Beschränkungen schützen. Allemal ist die Verstaatlichung oder Kommunalisierung einer Aufgabe eine faktische Beschränkung der Grundfreiheiten als subjektive Rechte; denn diese können wegen der Aufgabenverstaatlichung oder Aufgabenkommunalisierung nicht in Anspruch genommen werden. Die Verstaatlichung oder Kommunalisierung der Aufgaben ist aber auch eine imperative Beschränkung, weil die freiberufliche und damit privatheitliche Dienstleistung oder die Niederlassung zur freiberuflichen, also privaten Berufsausübung nicht erlaubt ist, weil also der Beruf überhaupt nicht freiberuflich, also privatheitlich, ausgeübt werden darf. Die Tätigkeit der Vermessungsingenieure ist eine regelmäßig gegen Entgelt erbrachte Leistung im Sinne des Art. 50 EGV, wenn sie grenzüberschreitend ist. Die Dienstleistungsfreiheit ist beschränkt, soweit Vermessungsaufgaben staatlichen Vermessungsämtern vorbehalten sind. Private, grenzüberschreitende Dienstleistung ist damit gänzlich ausgeschlossen. Aber auch soweit Vermessungsaufträge von beliehenen, nicht aber von privaten Unternehmen angenommen werden dürfen, wird die Dienstleistungsfreiheit beschränkt, weil die Beleihung den hierdurch privilegierten Unternehmen ein Monopol mit Ausschlußwirkung gegenüber anderen, privaten Unternehmen verschafft. Daß das Gemeinschaftsrecht auch beliehene Unternehmen der Kontrolle anhand der Grundfreiheiten unterzieht, erweist Art. 86 Abs.l EGV. Das Privatheitsprinzip gehört zum Regelungsgehalt der Grundfreiheiten, zu deren objektiver Dimension 402 , auf deren Verwirklichung sich zumindest die Berufsgruppen berufen können müssen, welche durch die Verstaatlichung oder die Kommunalisierung der Aufgaben ihre beruflichen Wirkungsfelder einbüßen. Wer somit durch die Mißachtung der objektiven Dimension einer Grundfreiheit Nachteile erleidet oder zu erleiden droht, hat ein subjektives Recht auf eine Politik, welche der objektiven Dimension der Grundfreiheiten wie auch der Grundrechte genügt. Diese Subjektivierung der objektiven Dimension ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 403, das nur im Euro-

400

Rs C-76/90 Säger/Dennemeyer, Slg. 1991 I, 4221 (Rdn. 12); Rs C-154/89 Kommission/Frankreich, Slg. 1991 I, 659 (Rdn. 12); Rs C-384/93 Alpine Investments, Slg. 1995 I, 1141 (Rdn. 35); Rs C-275/92 Schindler, Slg. 1994 I, 1039 (Rdn. 53). 401 EuGH, Rs 8/74 Staatsanwaltschaft/Dassonville, Slg. 1974, 837 (852, Rdn. 5); Rs 279/80 Webb, Slg. 1981, 3305(Rdn. 14); Rs 205/84 Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755 (Rdn. 25); Rs C-267/91 u. C-268/91 Keck u. Mithouard, Slg. 1993 I, 6097 (6131, Rdn. 16); Rs C-19/92 Kraus/Baden-Württemberg, Slg. 1993 I, 1663 (Rdn. 32); Rs C-415/93 ASBL u.a./Bosman, Slg. 1995 I, 4921 (5069 f f , Rdn. 96 ff.); Rs 107/83 Klopp, Slg. 1984, 2971 (Rdn. 12 ff.); Rs C-43/93 Vander Eist, Slg. 1994 I, 3803 (Rdn. 14); Rs C-55/94 Gebhard, Slg. 1995 I, 4165 (Rdn. 31 ff.). 402 Zur objektiven Dimension der Grundrechte, K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 819 f f ; ders. y Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, S. 22 ff. 403 BVerfGE 7, 128 (206 f.); 77, 170 (214); 79, 174 (201 f.); 81, 242 (253, 256); 84, 212(223).

114

3. Teil Das Privatheitsprinzip

Beschluß 1998 davon eine rechtsferne Ausnahme gemacht hat 404 . Im Gemeinschaftsrecht gelten die Grundfreiheiten als objektive Rechtsnormen, die durchzusetzen der Europäische Gerichtshof als Anspruch des Einzelnen schon früh anerkannt hat 405 . Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs begründen alle Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die „rechtlich vollkommen" sind, d.h. ohne sie näher bestimmende Vollzugsregelungen anwendbar sowie unbedingt sind und eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht beinhalten, subjektive Rechte406. Die Art. 28, 29, 43 f f , 56 EGV sprechen jedenfalls in der Fassung des Amsterdamer Vertrages eindeutige und unbedingte Verbote aus. Jeder Einzelne hat das Recht, sich auf die Verletzung der Grundfreiheiten zu berufen. Dieses subjektive Recht gibt einen Anspruch auf Einhaltung der objektiven Dimension der Grundfreiheiten 407. 4. Die Beschränkung der freien Niederlassung wie des freien Dienstleistungsverkehrs scheinen die Art. 45 Abs. 1 EGV bzw. Art. 55 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 EGV zuzulassen, welche regeln, daß „auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauerhaft oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind", die Kapitel über das Niederlassungsrecht und die Dienstleistungen keine Anwendung finden. Art. 45 Abs. 1 EGV enthält eine Bereichsausnahme 408, die die Anwendung der Niederlassungsfreiheit für bestimmte Tätigkeiten ausschließt: Dort heißt es: „Auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, findet dieses Kapitel in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Anwendung." Zentraler Begriff des Art. 45 Abs. 1 EGV ist der der Ausübung „öffentlicher Gewalt". Der EGV enthält keine Definition des Begriffs der öffentlichen Gewalt. Der Begriff ist deshalb auszulegen, um seine Materie genau zu bestimmen. Es bieten sich zwei Möglichkeiten: zum einen könnte der Begriff gemein-

404

BVerwGE 97, 350 (370 ff.). Rs 6/64 Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251 (1273 f.); Rs 13/68 Salgoil/Außenhandelsministerium der italienischen Republik, Slg. 1968, 679 (690 f f , 693 ff.); Rs 2/74 Reyners/Belgien, Slg. 1974, 631 (652, Rdn. 24, 28); Rs 33/74 van Binsbergen/Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid, Slg. 1974, 1299 (1310 f f , Rdn. 18 f f , 27); Rs 41/74 van Duyn/Home Office, Slg. 1974, 1337 (1347, Rdn. 4); Rs 118/75 Watson und Belmann, Slg. 1976, 1185 (1. LS). 405

406 EuGH, Rs 26/62 van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung, Slg. 1963, 1 (25 f.); Rs 6/64 Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251 (1273). 407 A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 321 f f , 281 ff.; vgl. auch J. Wohlfahrt, Die Freiheit des Personenverkehrs und der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, S. 85 (102); Th. Danwitz, Zur Grundlegung einer Theorie der subjektivöffentlichen Gemeinschaftsrechte, DÖV 1996, 481 (482 ff.); vgl. auch M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, 1969, S. 182. 408 R. Streinz, Europarecht, Rdn. 696 f.

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

115

schaftsorientiert, integrationistisch also, 409 ausgelegt werden, das bedeutet, daß für seine Auslegung allein das Gemeinschaftsrecht und gegebenenfalls rechtsvergleichend das Recht der Mitgliedstaaten heranzuziehen wäre 410 ; zum anderen könnte die Auslegung national auf die Rechtsordnung des betroffenen Mitgliedstaates gestellt werden 411 . Der gemeinschaftlichen Auslegung wird der Vorrang gegeben, weil nur sie die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts und die Gemeinschaftlichkeit der Gemeinschaft zu gewährleisten vermag. 412 Die Praxis des Europäischen Gerichtshofes legt die Begriffe des Gemeinschaftsrechts tendenziell gemeinschaftlich aus 413 . Der Europäische Gerichtshof wendet wie das Bundesverfassungsgericht die vier klassischen Auslegungsmethoden an; nämlich die wörtliche, die systematische, die historische und die teleologische414. Neben sie tritt, aus dem Charakter der Europäischen Gemeinschaft als Staatenverbund folgend 415 , noch die rechtsvergleichende 416. Inhalt der rechtsvergleichenden Auslegung ist der Blick in die verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, um gemeinsame oder doch zumindest in den meisten Mitgliedstaaten geltende Rechtsgrundsätze zu ermitteln 417 . Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf Art. 215 Abs. 2 EGV, der für den Bereich der außervertraglichen Haftung ausdrücklich diese Vorgehensweise anordnet. Danach hat die Gemeinschaft den durch ihre Organe oder Bedienstete in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden „nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind", zu ersetzen. Für die Auslegung des Begriffs „öffentliche Gewalt" ergeben sich hieraus zwei Folgerungen: Es ist erstens zu untersuchen, welche Tätigkeitsbereiche in den Mitgliedstaaten überhaupt hoheitlich wahrgenommen werden müssen. Wenn Tätigkeiten gegeben sind, die in den Mitgliedstaaten überwiegend hoheitlich wahrgenommen werden, so ist zweitens anhand dessen eine Definition des 409 Zu dieser Auslegungsmethode R. Streinz , Europarecht, 2. Auflage Rdn. 500; T. Oppermann , Europarecht, Rdn. 681 ff. 410

1995,

T. Oppermann , Europarecht, Rdn. 681 ff.

411

So der EuGH bei der Bestimmung des Begriffs „Erfüllungsort" in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, EuGH vom 15. Januar 1987 - Rs. 286/85 (Shenavai/Kreischer), Slg. 1987, 239 ff. 412

R. Streinz , Europarecht, Rdn. 500.

4,3

Vgl. etwa EuGH, Rs C-24/92 Corbiau, Slg. 1993, 1277 (LS. 1).

414 Hierzu C. Larenz , Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 301 ff.; dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 863 f f , 887 ff.; Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil , Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993, S. 245 f f ; R. Streinz , Europarecht, Rdn. 498 ff. 415 BVerfGE 89, 155 (184, 188 ff.); K.A. Schachtschneider , Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 80, 92 ff. 416 P. Häberle , JZ 1989, S. 913 ff.; ders., Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, 1997, S. 19; Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil , Die Europäische Union, S. 245. 417

Vgl. dazu A. Emmerich-Fritsche , Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 136 ff.

116

3. Teil Das Privatheitsprinzip

Begriffs „öffentliche Gewalt" zu ermitteln. Hierzu wird auf das Kapitel 4, I I I des 4. Teils verwiesen. Der Rechtsvergleich ergibt, daß diejenigen Länder, in denen Katasterbücher geführt werden, die Katasterbuchführung als hoheitliche Aufgabe einstufen, welche von Behörden des Staates wahrgenommen wird. Aus rechtsvergleichender Sicht stellt sich somit die Katasterverwaltung als Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 45 Abs. 1 EGV dar. Das Recht der freien Niederlassung würde demnach in den engeren hoheitlichen Bereich der Katasterbuchführung unter der Bereichsausnahme des Art. 45 Abs. 1 EGV fallen, in der die Grundfreiheit unanwendbar ist. Hoheitlichkeit bedarf rechtsvergleichend lediglich der Staatlichkeit des Aufgabenbereiches in den verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Rechtmäßigkeit nach dem Privatheitsprinzip nicht hinterfragt ist. Die Vermessungstätigkeit ist in den betrachteten Mitgliedstaaten durchgehend privat. In den Niederlanden ist sie früher staatliche Aufgabe gewesen, inzwischen ist diese aber privatisiert, also entstaatlicht worden. Regelungen die vorsehen, daß die Landesvermessung Aufgaben des Staates sind, wie Art. 12 Abs. 1 des VermKatG, der lautet: „Die Landesvermessung, die Aufstellung, Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters sowie die für die Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters erforderlichen Vermessungen sind Aufgaben des Staates",

stellen somit im Vergleich zu anderen Staaten eine Ausnahme dar. Vermessungstätigkeiten, die der Führung des Katasters dienen, können und werden in vielen Mitgliedstaaten privatheitlich wahrgenommen. Aus dem Rechtsvergleich folgt deshalb, daß die Vermessungstätigkeit aus gemeineuropäischer Sicht nicht als hoheitliche, nämlich regelmäßig staatliche Aufgabe, sondern als freiberuflich wahrgenommene Tätigkeiten einzuordnen ist. Jede staatliche Tätigkeit ist nach der institutionellen Unterscheidung des Staatlichen und des Privaten, die (2. Teil, 1. und 2. Kapitel) dargelegt ist, Ausübung öffentlicher Gewalt. Wenn dieser institutionelle Begriff der öffentlichen Gewalt für die Interpretation des Art. 45 EGV maßgeblich wäre, könnten die Mitgliedstaaten jedenfalls die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit leerlaufen lassen, indem sie die Aufgaben verstaatlichen 418. Wenn auch dem einzelnen Mitgliedstaat ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird und werden muß, zu bestimmen, welche Aufgaben staatlich wahrgenommen werden sollen und darum im Sinne des Art. 45 EGV Tätigkeiten sind, die mit der Ausübung offener Gewalt verbunden sind, so muß doch diese Bestimmung um der bestmöglichen Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungs4,8

Vgl. EuGH, Rs 2/74 (Reyners), Slg. 1974, 631 (Rdn. 48/50); Rs 147/86 (Kommission/Griechenland), Slg. 1988, 1637 (1654, Rdn. 9 f.).

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

117

freiheit willen material eingegrenzt werden 419 . Die Anwendung des Art. 45 Abs. 1 EGV ist nach der Praxis des Gerichtshofs auf solche Tätigkeiten zu beschränken, „die für sich genommen eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt mit einschließen".420 Als Ausnahme vom Grundsatz der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ist Art. 45 Abs. 1 EGV so auszulegen, „daß sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, die diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich ist" 421 . Zweck des Art. 45 Abs. 1 EGV ist es, den Mitgliedstaaten aus Gründen der demokratischen Legitimation und der Loyalität die Ausübung wirklicher oder notwendiger öffentlicher Gewalt den eigenen Staatsangehörigen vorzubehalten 422. Die Beanspruchung staatlicher Aufgabenbewältigung durch den Mitgliedstaat, welche eine bestimmte Tätigkeit der Anwendung des Vertrages entzieht (Bereichsausnahme), wird nicht dem gleichen Rechtfertigungszwang wie die Schranken der Grundfreiheiten unterworfen 423 . Dennoch prüft der Gerichtshof ihre Legitimität und die Erforderlichkeit, gemessen am Schutzzweck des Art. 45 Abs. 1 EGV 4 2 4 . Er überläßt es nicht allein den Mitgliedstaaten, zu definieren, welche Tätigkeiten mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind und damit als staatliche Aufgaben mit staatlichen Befugnissen wahrgenommen werden, weil eine solche mitgliedstaatliche Politik das Binnenmarktprinzip relativieren und die jeweilige Grundfreiheit einzuschränken vermöchte 425. Die Grenzen des materialen Begriffs der „ A u s ü b u n g öffentlicher Gewalt" sind fließend, weil jeder materiale Begriff offen ist 426 . Die Vermessungstätigkeit gehört keinesfalls zu den Aufgaben, welche um der Staat-

419

Vgl. EuGH, Rs 149/79 Kommission/Belgien, Slg. 1980, 3881 (Rdn. 18 ff.); Rs 147/86 Kommission/Griechenland, Slg. 1988 (Rdn. 8 ff.); Rs 3/88 Kommission/Italien, Slg. 1989, 4035 (Rdn. 13); A. Randelzhofer , in: E. Grabitz, EGV, Kommentar, zu Art. 55 (i.d. Fassung des Maastrichter Vertrages), Rdn. 7. 420 Rs 3/88 Kommission/Italien, Slg. 1989, 4035 (Rdn. 13); s.a. Rs 2/74 Reyners, Slg. 1974, 631 (Rdn. 45); Rs 147/86 Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 1637 (Rdn. 7); Rs C-42/92 Thijssen, Slg. 1993 I, 4047 (Rdn. 8); Rs C - l 14/97 Kommission/Spanien, Slg. 1998, 6717 (Rdn. 34 ff.). 421 Rs 147/86 Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 1637 (Rdn. 8); Rs C - l 14/97 Kommission/Spanien, Slg. 1998, 6717 (Rdn. 34). 422

Vgl. EuGH, Rs 152/73 Sotgiu/Deutsche Bundespost, Slg. 1974, 153 (157); A. Randelzhofer , in: E. Grabitz, EGV, zu Art. 55, Rdn. 5 f. 423

R. Streinz , Europarecht, Rdn. 697.

424

A. Randelzhofer , in: E. Grabitz, EGV, zu Art. 55, Rdn. 7; A. Em m er ich-Fritsch e, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 393; nach A. Bleckmann , Europarecht, Rdn. 1628 und Generalanwalt Mayras, Schlußanträge, Rs 2/74 Reyners/Belgien, Slg. 1974, 657 (665) gibt es auch einen gemeinschaftlichen Begriff der öffentlichen Gewalt; kritisch A. Randelzhofer , in: E. Grabitz, EGV, zu Art. 55, Rdn. 4, der meint, der EuGH beschränke sich auf eine Einzelfallbetrachtung ohne allgemeine gemeinschaftsrechtliche Definition. 425

EuGH, Rs 2/74 Reyners/Belgien, Slg. 1974, 631 (Rdn. 42/43).

426

K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 819 f f , 847 ff.

118

3. Teil Das Privatheitsprinzip

lichkeit des Staates willen Staatsaufgaben sein müssen. Die Vermessungstätigkeit ist rein technischer Natur. Sie erfolgt nach empirischen und nicht nach normativen Maßstäben. Sie beinhaltet keine verwaltungspolitischen Leitentscheidungen oder Leitungsfunktionen 427. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, daß Tätigkeiten „rein technischer Natur" nicht zur Ausübung öffentlicher Gewalt gehören, auch dann nicht, wenn an der Integrität dieser Tätigkeiten ein allgemeines öffentliches Interesse besteht.428 Zweck des Staates ist es, das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit zu ermöglichen und zu verwirklichen 429 . Dazu gehört es, den Rechtsfrieden im Bereich des Vermessungswesens zu wahren 430 . Die Integrität des Vermessungswesens kann der Staat auch durch staatliche Kontrollmaßnahmen sicherstellen, ohne daß die gesamte Tätigkeit als staatliche Verwaltung organisiert werden muß 431 . Das Vermessungswesen ist in den meisten Staaten nicht staatliche Aufgabe und wird sogar in Deutschland freiberuflich ausgeübt. Nur der Freistaat Bayern hat das Vermessungswesen (weitestgehend) verstaatlicht oder kommunalisiert. Es ist kein Sachgrund erkennbar, warum das Vermessungswesen durch staatliche oder kommunale Ämter betrieben werden müßte. Wenn ein Mitgliedstaat einen Aufgabenbereich den Grundfreiheiten entzieht, muß er dafür, wie gesagt, legitime öffentliche Interessen benennen, welche das Gemeinschaftsinteresse an der Verwirklichung der Grundfreiheiten und des Binnenmarktes überwiegen 432. Er muß dafür sehr gute Gründe haben. Die Staatlichkeit der Aufgaben muß, gemessen am Schutzzweck des Art. 45 Abs. 1 EGV, unabweisbar notwendig sein, weil sonst die Grundfreiheiten ausgehöhlt würden. Der nur im Einzelfall zu rechtfertigende Ausschluß der Dienst- und der Niederlassungsfreiheit zugunsten staatlicher Aufgabenbewältigung läßt eine Präferenz für die privatheitliche Aufgabenbewältigung erkennen. Das bedeutet, daß die Grundfreiheiten in ihrer objektiven Dimension die Privatheit der Aufgabenbewältigung erheischen. Demgemäß ist der Begriff der )VAusübung öffentlicher Gewalt" restriktiv zu interpretieren 433. Die Interpretation muß dem Integrationsprinzip genügen.

427 Vgl. EuGH, Rs 397/84 Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 1725 (LS 1); Rs 225/85 Kommission/Italien, Slg. 1987, 2625 (LS 1). 428 EuGH, Rs C-3/88 Kommission/Italien, Slg. 1989,4035 (Rdn. 13). 429 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 199, 350 f f ; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, V, 8. Kap. I, V. 430 Vgl. BVerfGE 73,301 (316). 431 EuGH, Rs 147/86 Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 1637 (Rdn. 10). 432 A. Bleckmann, Europarecht, Rdn. 1632. 433 Vgl. Fn. 442 f f ; allgemein zur integrationsfreundlichen Restriktion von Ausnahmen der Grundfreiheiten Fn. 373 ff.

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

119

Die Dogmatik, daß die Grundentscheidungen der Politik in ihrer objektiven Dimension als politische Leitentscheidungen auf die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte einwirken, ist aus der Grundrechtsdogmatik geläufig 434 . Sie richtet sich gegen die Gefahr des Leerlaufs der Grundrechte, welche einem Gesetzesvorbehalt unterliegen. Das Bundesverfassungsgericht dogmatisiert mit Rudolf Smenct 35 gegen das Leerlaufargument Carl Schmitts 436 eine Wechselwirkung der grundrechtlichen Leitentscheidung und der gesetzgeberischen Einschränkungsbefugnis. Danach darf der Gesetzgeber den Gesetzes vorbehält des Grundrechts, welches er einzuschränken ermächtigt ist, nur nutzen, um die grundrechtliche Leitentscheidung im Verbund mit allen anderen Leitentscheidungen des Verfassungsgesetzes bestmöglich zur Entfaltung zu bringen 437 . Das Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten zur größtmöglichen Privatheit der Lebensbewältigung, um die fundamentalen Grundfreiheiten 438, welche das Binnenmarktprinzip materialisieren 439, zur bestmöglichen Entfaltung 440 zu bringen. Art. 45 Abs. 1 EGV ist ein mitgliedstaatlicher Vorbehalt (eine Bereichsausnahme 441 ) dieses Privatheitsprinzips zugunsten staatlicher Aufgabenbewältigung. Er ist nicht nur als Ausnahme eng auszulegen442, sondern auch und vor allem, weil er die „fundamentalen" Vertragsgrundsätze der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit und damit das Grundprinzip des Binnenmarktes 443 relativiert 444 :

434

BVerfGE 7, 198 (204 ff.); 49, 89 (142); 50, 290 (337); 53, 30 (57); 56, 54 (73 ff.); 81, 242 (256); P. Häberle , Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 18 f , 70 f f , 180 f.; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 461 f f , 490 f f , 819 ff.; H. Jarass , Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 110 (1985), 378 f f ; J. Isensee, HStR, Bd. V, § 111, Rdn. 77 ff.; zur gemeinschaftlichen Grundrechtsdogmatik A. Emmerich-Fritsche , Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 328 f f 435

Das Recht der freien Meinungsäußerung, VVDStRL 4 (1928), S. 44 ff. Grundrechte und Grundpflichten, in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954, 1958, S. 191; ders., Der Hüter der Verfassung, S. 36 ff.; ders., Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, daselbst S. 140 f , S. 140 f.; dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 824 f f , 857 f. 436

437 BVerfGE 7, 198 (208 f.); 12, 113 (124 f.); 20, 162 (176 f.); 28, 175 (185 ff.); 28, 191 (202); 35, 202 (224); 54, 129 (138 f.); 61, 1 (11); 62, 230 (244); 64, 108 (115); 66, 116 (150); 68, 226 (231 f.); 69, 257 (269 f.); 71, 206 (214.); K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff. 438 Vgl. EuGH, Rs 279/80 Webb, Slg. 1981, 3305 (Rdn. 17); Rs C-265/95 Kommission/Frankreich, Slg. 1997 I, 6959 (Rdn. 24). 439 EuGH, Rs C-341/95 Bettati/Safety Hi-Tech Sri, Slg. 1998, 4359 ( Rdn. 76). 440 Vgl. EuGH, Rs C-265/95 Kommission/Frankreich, Slg. 1997 I, 6959 (Rdn. 32 ff.). 441 R. Streinz , Europarecht, Rdn. 696 ff. 442 Rs 147/86 Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 1637 (Rdn. 8); Rs C - l 14/97 Kommission/Spanien, Slg. 1998, 6717 (Rdn. 34).

120

3. Teil Das Privatheitsprinzip

„Wegen der grundlegenden Bedeutung, die im Rahmen des Vertrages die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und der Inländerbehandlung haben, können die in Artikel 55 Absatz 1 zugelassenen Ausnahmen nicht weiter reichen, als der Zweck es erfordert, um dessentwillen sie vorgesehen sind." Die sogenannte Wechselwirkungslehre ist auch fur dieses Prinzip-Ausnahme-Verhältnis ergiebig. Das heißt wiederum, daß der Mitgliedstaat, der Ausnahmen im Sinne des Art. 45 Abs. 1 EGV aufrecht erhält oder sogar neu begründert, sehr gute Gründe geltend machen muß, um die Staatlichkeit der Aufgaben zu rechtfertigen. Für das Vermessungswesen gibt es keine Gründe, die gewichtig genug wären, die Grundfreiheiten und damit das Binnenmarktprinzip einzuschränken. Die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit können in Bayern nur geringe Wirkung entfalten, nämlich nur insoweit, als das Vermessungswesen den privatheitlichen Vermessungsbüros überlassen ist. Allein der jeweilige IstZustand eines Aufgabenbereichs ist keine Rechtfertigung dafür, den Zustand aufrecht zu erhalten, der mit den gemeinschaftsrechtlichen Prinzipien unvereinbar ist. Vielmehr besteht eine Privatisierungspflicht. Integration heißt bestmögliche Verwirklichung der Grundfreiheiten und damit größtmögliche Privatheit der Aufgabenbewältigung. Das Integrationsprinzip ist ein Privatisierungsprinzip, dem sich auch die Vermessungsordnung des Freistaates Bayern fügen muß.

II. Grundfreiheiten der Unionsbürger im Vermessungswesen Das Privatheitsprinzip wird auf europarechtlicher Ebene nicht nur durch objektiv-rechtliche Prinzipien wie dem Grundsatz der Verwirklichung des Binnenmarktes in Art. 14 Abs. 1 EGV 4 4 5 oder durch das Wettbewerbsprinzip der Art. 81 ff. EGV 4 4 6 , sondern insbesondere durch die personenbezogenen (unionsbürgerbezogenen) Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts gestärkt. Diese Grundfreiheiten begründen grundrechtsgleiche, subjektive Rechte des Unionsbürgers 447, welche nicht nur die Mitgliedstaaten448, sondern auch 443 EuGH v. 26.10.1999, Rs C-294/97 Eurowings/Finanzamt Dortmund-Unna, Rdn. 45. 444 Vgl. EuGH, Rs 279/80 Webb, Slg. 1981, 3305 (Rdn. 17); vgl. auch Rs 2/74 Reyners, Slg. 1974, 631 (Rdn. 42/43); Rs 33/74 Binsbergen, Slg. 1974, 1299 (Rdn. 10/12); Rs 110 u. 11/78 Ministère public u.a./van Wesemael, Slg. 1979, 35 (Rdn. 28); Rs 205/84 Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755 (Rdn. 29); Rs 425/85 Kommission/Deutschland, Slg. 1988, 1123 (Rdn. 12). 445 Hierzu T. Oppermann, Europarecht, Rdn. 1313 ff.; zur Herstellung des Binnenmarktes R. Streinz, Europarecht, Rdn. 947 ff.; P.-C. Müller-Graß,\ Die Verfassungsziele der Gemeinschaften, in: M. Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: 1999, A . I , Rdn. 111 ff. 446 T. Oppermann, Europarecht, Rdn. 1025 ff.; R. Streinz, Europarecht, Rdn. 800; A. Bleckmann, Europarecht, Rdn. 754; V. Emmerich, Wettbewerbsregeln, in: M. Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: 1999, H . I , Rdn. 1 ff.

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

121

die Gemeinschaft selbst binden 449 . Das Privatheitsprinzip folgt aus den Grundfreiheiten 450: erstens aus der Dienstleistungsfreiheit der Art. 49 ff. EGV; zweitens aus dem Niederlassungsrecht nach den Art. 43 ff. EGV und drittens aus dem Recht der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 39 ff. EGV. Für das Vermessungswesen in Bayern sind die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit bedeutsam. Gleiches gilt für das Vermessungswesen der bayerischen Kommunen, weil diese eine Vielzahl von Vermessungstätigkeiten als amtliche Aufgabe wahrnehmen und darüber hinaus (privatwirtschaftlich) als Mitbewerber am Markt auftreten.

1. Niederlassungsrecht

des Art. 43 EGV

Nach Art. 43 Abs. 1 EGV sind die „Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ... nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten." Art. 43 Abs. 2 EGV beschreibt den Begriff der Niederlassungsfreiheit wie folgt: „Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfaßt die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten wie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2, nach den Bestimmungen des AufnahmeEuGH, Rs 6/64 Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251 (1273 f.); Rs 13/68 Salgoil/ Außenhandelsministerium der Italienischen Republik, Slg. 1968, 679 (690 f f , 693 f.)- Rs 2/74 Reyners/Belgien, Slg. 1974, 631 (652, Rdn. 24/28); Rs 33/74 van Binsbergen/Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor Metaalnijverheid, Slg. 1974, 1299 (1310 ff. Rdn. 18 f f , 27); Rs 41/74 van Duyn/Home Office, Slg. 1974, 1337 (1347, Rdn. 4); Rs 118/75 Watson Und Belmann, Slg. 1976, 1185 (1. LS); vgl. dazu A. Emmerich-Fritsche , Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 411 f. 448 So für die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit W.-H. Roth , Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, in: M. Dauses (Hrsg.), Handbuch des EUWirtschaftsrechts, E.I, Rdn. 6 f f , Rdn. 13, 16. 449 So Entscheidung des EuGH vom 20. April 1978 - Rs. 80 und 81/77 (Ramel), Slg. 1978, 927 (947), in welcher er eine Bindung der Gemeinschaftsorgane an den Grundsatz der Freiheit des Warenverkehrs annimmt; Entscheidung des EuGH vom 7. Februar 1985 - Rs. 240/83 (ADBHU), Slg. 1985, 531 (548), in welcher er wiederum eine Vereinbarkeit von EG-Rechtssetzungsakten mit dem Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit verlangt; siehe auch EuGH Rs 76/86 Kommission/Deutschland, Slg. 1989; 1021 (1042 f.V Rs C-l 14/96 Kieffer und Thill, Slg. 1997 I, 3629 (3655, Rdn. 27); P.-C. Müller-Graff Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen, in: G/T/E, Kommentar zum EWGVertrag, Art. 30, Rdn. 124, der gleichfalls eine Bindung der Gemeinschaftsorgane an den Grundsatz der Freiheit des Warenverkehrs annimmt. Allgemeiner A. EmmerichFritsche , Einführung in das Wirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft, Skript 2000, S. 4 ff, die eine Bindung der Gemeinschaftsorgane für alle Grundfreiheiten bejaht; siehe auch dies , Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 412 f f ; R. Streinz , Europarecht Rdn 706. 450

Dazu 2. Kapitel.

122

3. Teil Das Privatheitsprinzip

staats für seine eigenen Angehörigen." Einschränkungen des Niederlassungsrechts ergeben sich aus Art. 45 EGV, welcher, wie schon zu I. erörtert, den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit beschränkt: „Auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, findet dieses Kapitel in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Anwendung." a) Nach Art. 43 Abs. 1 S. 1 EGV gilt die Niederlassungsfreiheit für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, also insbesondere für natürliche Personen, und zwar unabhängig davon, wo sie ansässig sind 451 . Somit ist auch der in der Schweiz ansässige Deutsche, Franzose, Italiener etc. Begünstigter, wenn er sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft niederlassen will. Als Begünstigte kommen gemäß Art. 48 Abs. 1 EGV auch Gesellschaften in Betracht, die allerdings bestimmte Bedingungen erfüllen müssen. Nach der zitierten Vorschrift müssen die „begünstigten" Gesellschaften nach den Rechtsvorschriften eines der Mitgliedstaaten gegründet worden sein und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Verwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben. Liegen diese Voraussetzungen vor 4 5 2 , ist die Staatsangehörigkeit der Kapitaleigentümer nicht mehr entscheidend. Für das Vermessungswesen folgt hieraus, daß jeder Vermessungsingenieur, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist, unabhängig davon, wo er seinen gegenwärtigen Wohnsitz hat, eine Niederlassung in allen anderen Mitgliedstaaten eröffnen darf. Für Vermessungsbüros, die in der Rechtsform einer juristischen Person betrieben werden, ergibt sich aus Art. 48 Abs. 1 EGV, daß diese Gesellschaften gleichfalls das Recht haben, Niederlassungen in anderen Mitgliedstaaten zu errichten und zu betreiben 453, wenn der satzungsmäßige Sitz dieser Gesellschaft in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft gelegen ist 454 . Als Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs.l EGV gelten „die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen". Zu den juristischen Personen im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EGV rechnet Albert

451

M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, Rdn. 1166; A. Bleckmann, Europarecht, Rdn. 1607; A. Efnmer ich-Fr tische, Einführung in das Wirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft, S. 90; T. Oppermann, Europarecht, Rdn. 1585; P. Troberg, in: G/T/E, Kommentar zum EWG-Vertrag, 1991, Art. 52, Rdn. 49 ff. 452 Dazu im einzelnen A. Bleckmann, Europarecht, Rdn. 1608 ff. 453 EuGH, Rs 81/87 The Queen/H.M. Treasury and Commissioners of Inland Revenue (Daily Mail), Slg. 1988, 5483 (Rdn. 16); P. Troberg, in: G/T/E, Kommentar zum EWG-Vertrag, Art. 58, Rdn. 9 f. 454 EuGH, Rs 81/87 The Queen/H.M. Treasury and Commissioners of Inland Revenue (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rdn. 20 f.

2. Kapitel Privatheitsprinzip des Binnenmarktes

123

Bleckmann auch den Staat, die Länder und die Gemeinden; selbst wenn die Unternehmen als Eigenbetriebe geführt werden 455 . Dies folge, weil den Mitgliedstaaten wegen Art. 295 EGV die Verstaatlichung ihrer Unternehmen vorbehalten bleibe, aus dem Gebot der bestmöglichen Verwirklichung der Grundfreiheiten zum Zwecke der Ziele des Art. 2 EGV 4 5 6 . Art. 86 EGV unterziehe öffentliche Unternehmen denselben Pflichten wie Private. Sie müßten daher auch über die gleichen Rechte wie Private verfügen 457. Auch Bleckmann folgert aus dem Gebot der bestmöglichen Verwirklichung der Grundfreiheiten zum Zwecke des Gemeinsamen Marktes das Privatheitsprinzip. Weil er die herrschende Fiskuslehre zugrundelegt, kommt er damit im Ergebnis geradezu absurd zu einer materiellen Privatisierung des institutionellen Staates458. Es ist dargelegt worden, daß dem Staat die Rechte der Privaten nicht zustehen, weil er nicht wie der Private willkürlich handeln kann, sondern dem strengen und uneingeschränkten Willkürverbot 459 unterliegt. Von der Niederlassungsfreiheit kann der Staat auch deshalb keinen Gebrauch machen, weil er an sein Territorium gebunden ist. Die Anwendung der Grundfreiheiten auf den Staat widerspricht vielmehr dem Privatheitsprinzip, das den Grundfreiheiten, dem Grundsatz eines offenen Marktes mit freiem Wettbewerb und dem Binnenmarktprinzip zugrundeliegt 460. b) Nach Art. 43 S. 2 EGV umfaßt die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen, d.h. die Niederlassungsfreiheit gebietet die gemeinschaftliche Inländergleichbehandlung, die einen der „grundlegenden Rechtssätze der Gemeinschaft" darstellt 461 . Das bedeutet einerseits, daß natürliche und juristische Personen, soweit ihnen nach Art. 48 EGV das Recht zur Niederlassungsfreiheit zusteht, in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat eine dauernde selbständige Tätigkeit zu den gleichen Bedingungen wie Inländer ausüben können und dürfen. Andererseits läßt sich hieraus und aus dem Wortlaut des Art. 43 Abs.l EGV „zwischen den Mitgliedstaaten" ableiten, daß Art. 43 EGV nicht für Lebenssachverhalte gilt, die keinerlei Auslandsbezug aufweisen, sondern nur innerhalb eines Mitgliedstaates stattfinden 462. Die Grundfreiheiten er455

So A. Bleckmann , Europarecht, Rdn. 1611. A. Bleckmann , Europarecht, Rdn. 1612. 457 A. Bleckmann , Europarecht, Rdn. 1612. 458 Zu den Begriffen 2. Teil, 1. und 2. Kap, auch 4. Teil, 3. Kap. 459 Hinweise in Fn. 325, 638, 667, 686. 460 Dazu 3. Teil, l . u n d 2. Kap. 461 EuGH, Rs 2/74 Reyners, Slg. 1974, 631 (Rdn. 16/20, 24/28); M. Schweitzer/W. Hummer , Europarecht, Rdn. 1172; A. Emmerich-Fr tische, Einführung in das Wirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft, S. 91; Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 1588; vgl. auch R. Streinz , Europarecht, Rdn. 667. 462 R. Streinz , Europarecht, Rdn. 683. 456

124

3. Teil Das Privatheitsprinzip

fassen nur grenzüberschreitende Sachverhalte. Dies ist ein wesentliches Unterscheidungskriterium zu den Grundrechten 463. Nach Art. 43 Abs. 2 EGV bezieht sich die Niederlassungsfreiheit auf „selbständige Erwerbstätigkeiten". Niederlassungen zur Erfüllung rein sozialer, politischer, kirchlicher, kultureller etc. Zwecke sind deshalb vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nicht erfaßt 464. Eine nähere Definition der von der Niederlassungsfreiheit geschützten Tätigkeiten gibt der Gemeinschaftsvertrag nicht. Nach der Lehre umfaßt die Niederlassungsfreiheit jede unabhängige Erwerbstätigkeit in einem fremden Mitgliedstaat, die von einer dort eingerichteten Niederlassung ausgeht465. Unter Niederlassung wird die Errichtung eines ständigen gewerblichen oder beruflichen Mittelpunktes durch Staatsangehörige eines Mitgliedstaates oder Gesellschaften außerhalb des Heimatlandes im Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaates entweder in der Form der vollständigen Übersiedlung oder in der Form der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften mit dem Ziel der Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten verstanden 466. Der Europäische Gerichtshof geht von einem weiten Begriff der Niederlassung aus, insbesondere setzt er für die Niederlassung nicht voraus, daß am Ort der Niederlassung tatsächlich eine wirtschaftliche Betätigung stattfindet. 467 Der Rechtsvergleich zeigt, daß die Vermessungsingenieure in anderen Mitgliedstaaten privatwirtschaftlich tätig sind, z.B. in den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich. Sie üben eine „selbständige Erwerbstätigkeit" im Sinne des Art. 43 Abs. 2 EGV aus. c) Art. 43 EGV materialisiert für den Bereich des Niederlassungsrechts das in Art. 12 EGV beschriebene allgemeine Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit 468 und ist somit lex specialis zu Art. 12 EGV, soweit er die Inländergleichbehandlung vorschreibt 469. Aus diesem Gebot ergibt sich, daß jede Art von Diskriminierungen, auch in versteckter Art, aus Gründen 463 H. D. Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, EuR 1995, 202 (216 f.); R. Streinz, Europarecht, Rdn. 684; A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 417 f. 464

A. Bleckmann, Europarecht, Rdn. 1593.

465

A. Bleckmann, Europarecht, Rdn. 1592; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, Rdn. 1172; W.-H. Roth, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, in: M. Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E.I, Rdn. 34 ff. 466

A. Bleckmann, Europarecht, Rdn. 1592; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, Rdn. 1172; W.-H. Roth, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, in: M. Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E.I, Rdn. 40 ff. 467

Vgl. EuGH, Rs 212/97 Centros, Slg. 1999 I, 1459 (Rdn. 3, 27, 29).

468

EuGH, Rs 90/76 van Ameyde/UCI, Slg. 1977, 1091 (Rdn. 27).

469

R. Streinz, Europarecht, Rdn. 668.

. Kapitel Privatheitsprinzip des

n a r t s

125

der Staatsangehörigkeit verboten ist. 470 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist dieses Diskriminierungsverbot unmittelbar anwendbares, subjektives Recht. Der einzelne Unionsbürger kann sich also auf das Diskriminierungsverbot gegenüber jedem diesen Grundsatz mißachtenden Mitgliedstaat berufen, auch wenn noch kein ausführendes sekundäres Gemeinschaftsrecht erlassen worden ist 471 . Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung nach und nach anerkannt, daß die Niederlassungsfreiheit ein Beschränkungsverbot enthält, das über das Diskriminierungsverbot hinausgeht und sowohl Beschränkungen de jure als auch solche de facto umfaßt 472 . Die Niederlassungsfreiheit ist z.B. beschränkt, wenn die nationalen Vorschriften „die von dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen"473. Der Europäische Gerichtshof hat es als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen, wenn ein Mitgliedstaat ein innerstaatlich vorgeschriebenes Prüfungszeugnis verlangt, obwohl ein im Herkunftsland erworbenes Prüfungszeugnis von der zuständigen Stelle nach dem Recht des Niederlassungsstaates als gleichwertig erkannt worden ist 474 . Bayern oder Deutschland müssen die Diplome der Vermessungsingenieure aus anderen Mitgliedstaaten auf ihre Gleichwertigkeit überprüfen. Der Zugang von Vermessungsingenieuren aus anderen Mitgliedstaaten darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, sie hätten keinen deutschen Befähigungsnachweis. Die Niederlassungsfreiheit ist in Bayern vor allem deshalb beschränkt, weil es für Angehörige aus anderen Mitgliedstaaten wegen der Verstaatlichung und Kommunalisierung des Vermessungswesens nicht sinnvoll ist, sich als freiberuflicher Vermessungsingenieur niederzulassen. Die bayerische Gesetzeslage erklärt gewisse Vermessungstätigkeiten in Art. 12 Abs. 1 VermKatG zu hoheitlichen Aufgaben des Staates und überläßt nur einen Randbereich der freiberuflichen Betätigung. Nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG dürfen Vermessungen von Privatpersonen oder von Stellen, die nicht nach Art. 12 zu Katastervermessungen

470 EuGH, Rs 115/78 Knoors/Staatssekretär für Wirtschaft, Slg. 1979, 399; vgl. a. EuGH, Rs 152/73 Sotgiu/Deutsche Bundespost, Slg. 1974, 153 (Rdn. 11); Rs 61/77 Kommission/Irland, Slg. 1978, 417 (Rdn. 78/80); Rs C-29/95 Pastoors, Slg. 1997 I, 300 (Rdn. 16). 471 EuGH, Rs. 2/74 Reyners/Belgien, Slg. 1974, 631 (652). 472 EuGH, Rs 107/83 Klopp, Slg. 1984, 2971 (Rdn. 12 ff.); Rs C-340/89 Vlassopoulou/Ministerium für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten Baden-Württemberg, Slg. 1991 I, 2357 (Rdn. 15); Rs C-55/94 Gebhard, Slg. 1995 I, 4165 (Rdn. 31 ff.); Rs C212/97 Centros, Slg. 1999 I, 1459 (Rdn. 34). 473 Rs C-340/89 Vlassopoulou/Ministerium für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten Baden-Württemberg, Slg. 1991 I, 2357 (Rdn. 15). 474 Rs C-340/89 Vlassopoulou/Ministerium für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten Baden-Württemberg, Slg. 1991 I, 2357 (Rdn. 15).

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

befugt sind, für das Liegenschaftskataster nur verwertet werden, „wenn die das Kataster führende Behörde die Ergebnisse für geeignet erachtet und ein Bedürfnis für die Übernahme besteht". Die Zulassung freiberuflicher Vermessungsingenieure zu Vermessungstätigkeiten hängt somit von der weitgehend im Ermessen liegenden Bedürfnisprüfung der Behörde ab. Diese Gesetzeslage verhindert, daß im wesentlichen Bereich des Vermessungswesens Vermessungsingenieure aus anderen Unionsländern als Deutschland von ihren Büros in ihren Staaten aus die Dienstleistung Vermessung in Bayern anbieten und ausüben können. Weiterhin wird durch die monopolartige Stellung der bayerischen Vermessungsverwaltung in Staat und Kommunen das Recht auf freie Niederlassung ausgehöhlt, weil es sinnlos ist, sich in Bayern niederzulassen, wenn der „Markt" für Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit verschlossen ist. Das gilt auch, wenn diese Aufgaben beliehene Unternehmen wahrnehmen, denen „hoheitliche Aufgaben" übertragen worden sind. Der Zugang zu allen Vermessungsaufgaben ist dann von einem Beleihungsakt abhängig. Nicht jedes Vermessungsunternehmen, sondern nur ausgewählte, werden beliehen. Das ist eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Dabei spielt es wie gesagt keine Rolle, daß sie Inländer wie sonstige Unionsbürger unterschiedslos trifft. d) Die Bereichsausnahme des Art. 45 Abs. 1 EGV steht der Anwendung der Niederlassungsfreiheit des Art. 59 EGV und damit dem subjektiven Recht der ausländischen Vermessungsingenieure, die Unionsbürger sind, in Deutschland und damit in Bayern in ihrem Beruf tätig zu werden, nicht entgegen, weil die Vermessungstätigkeit Bayerns wegen der Privatisierungspflicht nicht als „Gewalt: öffentliche" ausgeübt werden darf, sondern material zu privatisieren ist. Eine Beleihung mit (vermeintlich) staatlichen Vermessungsaufgaben vermag die Bereichsausnahme schon gar nicht zu aktivieren. Die Grenzen der Bereichsausnahme des Art. 45 EGV sind in der allgemeinen binnenmarktlichen Privatisierungspflicht dargelegt (I, 3 in diesem Kapitel). Aus dieser Dogmatik ergeben sich folgende Konsequenzen: Vermessungsingenieure, welche die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, können sich auf das Recht der Niederlassungsfreiheit berufen und Vermessungsbüros in Deutschland und damit auch in Bayern eröffnen und betreiben. Weil die von ihnen ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit, nämlich das Vermessen, keine Tätigkeit darstellt, die aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht als Ausübung öffentlicher Gewalt zu qualifizieren ist, darf das Niederlassungsrecht nicht auf Grund des Art. 45 Abs. 1 EGV eingeschränkt werden. Dies ist jedoch in Bayern der Fall, wenn und weil Art. 12 Abs. 1 des VermKatG vorschreibt, daß Landesvermessungen etc. Aufgaben des Staates sind. Die Rechtsnorm verstößt hiermit gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit. Sie darf bei Sachverhalten mit Gemeinschaftsrechtsbezug keine Anwendung finden, um ausländischen Vermessungsingenieuren die Möglichkeit zur Niederlassung und zur Aufnahme und Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit Vermessung zu ermöglichen.

. Kapitel Privatheitsprinzip des

n a r t s

2. Freiheit des Dienstleistungsverkehrs

127

des Art. 49 EGV

Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs ist in den Artikeln 49 ff. EGV geregelt. Art. 49 Abs. 1 bestimmt: „Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten".

Gemäß Art. 55 i. V. m. Art. 48 EGV können sich auch Gesellschaften auf die Dienstleistungsfreiheit berufen. Art. 50 Abs. 1 und Abs. 2 EGV definieren die Dienstleistung wie folgt: „Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrags sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Warenund Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere: a) gewerbliche Tätigkeiten, b) kaufmännische Tätigkeiten, c) handwerkliche Tätigkeiten, d) freiberufliche Tätigkeiten."

a) Begünstigt sind alle Staatsbürger eines Mitgliedstaates, die in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft ansässig sind und eine Dienstleistung in dem betreffenden Staat erbringen wollen. So können beispielsweise österreichische Vermessungsingenieure, die ihre Vermessungstätigkeit in Deutschland anbieten wollen, sich auf das Recht der Dienstleistungsfreiheit berufen; dasselbe gilt für Vermessungsingenieure, deren Vermessungsbüro in Italien, etwa in Südtirol liegt. In den persönlichen Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit sind darüber hinaus, wie oben angeführt, auch Gesellschaften mit einzubeziehen. 475 Deshalb können sich Ingenieurbüros, die in der Rechtsform etwa einer GmbH betrieben werden und Vermessungsleistungen in Bayern oder Deutschland anbieten wollen, auf die Dienstleistungsfreiheit des Gemeinschaftsrechts berufen. b) Der Begriff der Dienstleistung im Sinne der Artikel 49 ff. EGV wird von zwei Merkmalen wesentlich geprägt. Die Leistung, die eine materielle Präzisierung durch Art. 50 Abs. 2 EGV erfährt, muß erstens gegen ein Entgelt erbracht werden. Das Charakteristikum des Entgelts besteht darin, daß es die wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung darstellt 476 . Zweites wesentliches Merkmal der Dienstleistung im Sinne der Artikel 49 ff. EGV ist, daß die 475 476

M. Schweitzer/W. Hummer , Europarecht, Rdn. 1185. EuGH, Rs 263/86 (Belgischer Staat/Humbel), Slg. 1988, 5365 (5387 f.).

128

3. Teil Das Privatheitsprinzip

Dienstleistung in grenzüberschreitender Weise erbracht wird. Neben dem klassischen Fall der sogenannten positiven Dienstleistung477, in denen sich der Leistende zum Zweck der Erbringung seiner Leistung in einen anderen Mitgliedstaat begibt, fällt unter den Begriff der Dienstleistung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch die sogenannte negative Dienstleistungsfreiheit 478 . Charakteristisch für diese negative Dienstleistungsfreiheit ist, daß sich nicht der Leistende, sondern der Leistungsempfänger zum Leistungserbringer in den anderen Mitgliedstaat begibt. Ausreichend ist auch, wenn lediglich die Leistung die Grenze überschreitet, ohne daß Leistungsempfänger oder Leisungserbringer der Leistung folgen (sogenannte personenunabhängige Dienstleistungsfreiheit) 479. Dies ist etwa bei Versicherungs- oder Bankendiensten sowie Rundfunk und Fernsehen der Fall. In Abgrenzung zur Niederlassung ist die Dienstleistung zeitlich begrenzt. Gemäß Art. 50 Abs. 3 EGV wird sie nur „vorübergehend" ausgeübt480. Hat der Leistungserbringer nämlich einen festen Sitz im Lande des Empfängers, so findet das Recht auf Niederlassung vorrangig Anwendung (Art. 60 Abs. 3 EGV). Der vorübergehende Charakter der Dienstleistung schließt jedoch nicht eine gewisse Infrastruktur aus, soweit diese zur Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Für das Vermessungswesen ergibt sich hieraus folgendes: Die Vermessungstätigkeit stellt eine Leistung im Sinne des Art. 50 Abs. 1 und 2 EGV dar, weil sie in der Regel gegen ein Entgelt als der wirtschaftlichen Gegenleistung erbracht wird. Das Merkmal der Grenzüberschreitung wird erfüllt, wenn der Dienstleister, der Vermessungsingenieur, sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um die Vermessungen vorzunehmen (positive Dienstleistungsfreiheit). Dies ist dann der Fall, wenn etwa österreichische, italienische oder französische Vermessungsingenieure in Deutschland tätig werden. Von praktisch nur geringer Bedeutung dürfte die negative Dienstleistungsfreiheit oder die personenunabhängige Dienstleistungsfreiheit im Vermessungswesen sein, weil Gegenstand der Vermessung Immobilien sind. Die Unbeweglichkeit derselben verlangt, daß sich der Leistungserbringer zu ihnen hinbegibt, um die Leistung, nämlich die Vermessung, vorzunehmen. Vorübergehend ist die Dienstleistung dann, wenn der dienstleistungserbringende Vermessungsingeni-

477

Hierzu M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, Rdn. 1981; Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 1593. 478 So etwa EuGH - Rs. 286/82 u. 26/83 (Luisi u. Carbone/Ministero del Tissoro), Slg. 1984, 377 ff.; Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 1594. 479 So EuGH, Rs. 52/79 (Debauve), Slg. 1080, 833 ff. 480 So M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, Rdn. 1186; A. Emmerich-Fritsche, Einführung in das Wirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft, S. 105; Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 1580.

. Kapitel Privatheitsprinzip des

n a r t s

eur seinen Hauptsitz weiterhin in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft unterhält und nur für bestimmte Aufträge etwa in Deutschland oder Bayern tätig wird. Läßt er sich hingegen dauerhaft in Deutschland nieder, so finden die oben schon erörterten Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit Anwendung. c) Der Europäische Gerichtshof sieht die Dienstleistungsfreiheit in ständiger Rechtsprechung nicht nur durch diskriminierende, sondern auch durch unterschiedslose Beschränkungen jeder Art als berührt an 481 . Soweit die Vermessungstätigkeit von Deutschland als staatliche Aufgabe von Staat und Kommunen monopolisiert wird, kann sie von freiberuflichen, dienstleistenden Vermessungsingenieuren aus anderen Mitgliedstaaten nicht wahrgenommen werden. Dasselbe gilt, soweit die meisten Vermessungstätigkeiten beliehenen Unternehmen übertragen worden sind, weil deren monopolartige Sonderstellung die Dienstleitung der freiberuflichen Vermessungsingenieure aus anderen Mitgliedstaaten im übertragenen Bereich ausschließt. Durch beide Sachverhalte wird die Dienstleistungsfreiheit beschränkt. d) Auch die Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages gilt nicht grenzenlos. Wie im Niederlassungsrecht gelten bestimmte Ausnahmen. Art. 55 EGV verweist auf die Art. 45 bis 48 EGV und bezieht dadurch die Bereichsausnahme mit ein, nach der auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, das Dienstleistungsrecht keine Anwendung findet. Für diese Ausnahme ist auf die Ausführungen zum gemeinschaftsrechtlichen Privatheitsprinzip (I.) zu verweisen. Für die Dienstleistungsfreiheit gelten keine Besonderheiten. Festzuhalten ist deshalb, daß aufgrund des privatheitlichen Charakters der Vermessungstätigkeit der Ausnahmetatbestand des Art. 55 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 EGV nicht eingreift. Die Regelungen der Vermessungstätigkeiten in Deutschland, insbesondere in Bayern, verletzen auch die Dienstleistungsfreiheit des EGV.

481 EuGH, Rs 33/74 van Binsbergen, Slg. 1974, 1299 (1309, Rdn. 10/12); Rs 62, 63/81 Seco u. Desquenne & Giral/EVI, Slg. 1982, 223 (Rdn. 8); verb. Rs 286/82 u. 26/83 Luisi u. Carbone/Ministero del Tesoro, Slg. 1984, 377 (Rdn. 10, 16); Rs C154/89 Kommission/Frankreich, Slg. 1991 I, 709 (Rdn. 15, 17 f.); Rs C-198/89 Kommission/Griechenland, Slg. 1991 I, 727 (Rdn. 16, 18 f.); Rs C-384/93 Alpine Investments BV/Minister van Financien, Slg. 1995 I, 1141 (Rdn. 34 ff.).

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

3. Kapitel

Privatheitsprinzip des bayerischen Kommunalrechts Der Freistaat Bayern und die bayerischen Kommunen haben staatliche bzw. kommunale Vermessungsämter eingerichtet. Die staatlichen Vermessungsämter beruhen auf Art. 12 des Gesetzes über die Landvermessung und das Liegenschaftskataster und die kommunalen auf Rechtsakten der Gemeinden, seien es Satzungen oder seien es Verwaltungsakte. Jedenfalls sind die Vermessungsämter sowohl Bayerns als auch der bayerischen Kommunen als Verwaltungsbehörden eingerichtet, die institutionell keine staatlichen Unternehmen und auch keine kommunalen Unternehmen im Sinne der Art. 26 und Art. 65 Abs. 1 BayHO bzw. Art. 86 BayGO sind. Insbesondere sind sie nicht privatheitlich organisiert, obwohl auch die öffentlich-rechtliche Organisation dem Unternehmenscharakter, im Verständnis der Bayerischen Haushaltsordnung und der Bayerischen Gemeindeordnung nicht entgegensteht. Letztere kennt (neuerdings) die selbständigen Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts (Art. 86 Nr. 2, Art. 89 ff. BayGO, Art. 72 Nr. 2, Art. 75 ff. BayBezO). Gegebenenfalls erledigen einige Kommunen Vermessungsaufgaben durch solche Kommunalunternehmen. Die Vermessungsämter der Kommunen beschränken ihre Tätigkeit nicht auf die Vermessungen und Katasterarbeiten, welche die jeweilige Kommune wegen ihrer sonstigen Aufgaben benötigt, sondern sind, wie im 1. Teil 2. Kapitel III angesprochen ist, auch darüber hinaus am Vermessungsmarkt im Wettbewerb mit den freien (beratenden) Vermessungsingenieuren sozusagen privatheitlich tätig, obwohl sie keine kommunalen Unternehmen im Sinne des bayerischen Kommunalunternehmensrechts (Art. 86 BayGO, Art. 72 BayBezO) sind. Sie sind institutionell kommunale Ämter in unmittelbarer Kommunalverwaltung, funktional aber zumindest im (sogenannten) privatwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich funktional Unternehmen, für welche die Prinzipien des kommunalen Unternehmensrechts gelten müssen. Richtigerweise ist das ganze Vermessungswesen in Bayern und anderswo in Deutschland funktional unternehmerisch, weil es in einem Bereich operiert, der den Privaten vorbehalten ist, weil die Verstaatlichung und Kommunalisierung der Aufgabe verfassungwidrig ist und dem Recht nach die Entprivatisierung nicht leistet.

I. Gesetzlichkeitsprinzip kommmunaler Selbstverwaltung Alles staatliche Handeln muß in der (notwendig demokratischen) Republik (wegen der Prinzipien des Vorbehaltes und des Vorranges des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG) auf einer gesetzlichen Ermächtigung, welche das gute Le-

3. Kapitel Privatheitsprinzip des Kommunalrechts

131

ben aller in allgemeiner Freiheit verwirklicht, beruhen (ultra-vires-Lehre) 482. Dieses Gesetzlichkeitsprinzip gilt wegen Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auch für die Kommunen, die den Prinzipien des Republikanismus und damit denen des Rechts, aber deswegen auch denen des Demokratischen verpflichtet sind. Die Gesetze der Kommunen sind die Satzungen. Diese sind demokratisch durch die Bürgerschaft legitimiert. Wenn die Satzungen sich im Rahmen der Rechte der Kommunen zur Selbstverwaltung (Art. 11 Abs. 2 S. 1 BV, Art. 28 Abs. 2 GG) bewegen, können sie dem Gesetzlichkeitsprinzip genügen483. Die Praxis und die herrschende Lehre verlangen für Handlungsbefugnisse der Kommunen, welche in den Schutzbereich von Grundrechten einzuwirken ermächtigen, eine Grundlage im staatlichen Gesetz (des Bundes oder des Landes oder auch der Europäischen Gemeinschaften) 484. Breite und weite Ermächtigungen (wie die des Art. 87 BayGO) sollen genügen485. Diese Beschränkung der Städte und Gemeinden mindert deren Recht zur Selbstverwaltung in den eigenen Angelegenheiten, mißachtet die eigenständige demokratische Legitimation der Körperschaften und damit die Willensautonomie der Bürger der Gemeinde. Freilich müssen die Kommunen den Vorrang der Gesetze der Europäischen Union, des Bundes und des Landes achten, weil ihre Selbstverwaltung nur „im Rahmen der Gesetze" gewährleistet ist (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG), aber in diesem Rahmen, den der Gesetzgeber nicht zu eng ziehen darf (unantastbarer Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung) 486, dürfen sie in ihren Angelegenheiten agieren; denn ihre Bürger sind frei. Der eigene Wirkungskreis der Gemeinden ist durch die .Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft" definiert 487 (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 7 Abs. 1 BayGO, i.d.S. auch Art. 12 Abs. 2 S. 2 BV). Das Bundesverfassungsgericht hat zu diesem zentralen Aufgabenbegriff ausgesprochen:

482 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 22, 265 ff.; ders , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 107 f f , 114 ff.; vgl. BGHZ 20, 119 (122 ff.); auch BVerfGE 61, 87 (100 ff.); weitere Hinweise in Fn. 271. 483 BVerfGE 33, 125 (158 ff.); 76, 171 (184 f.); BVerwGE 90, 359 (361 f.); M. Sachs, Die Gesetzesvorbehalte, Staatsrecht III, S. 453 f.; F. Ossenbühl , HStR, Bd. III, § 66, Rdn. 28 f. 484 BVerfGE 33, 125 (158 ff.); 76, 171 (184 ff.); BVerwGE 90, 359 (361 f.); i.d.S. M Sachs, Die Gesetzesvorbehalte, Staatsrecht III, S. 453 ff.; F. Ossenbühl , HStR, Bd. III, § 66, Rdn. 28 f. 485 M. Sachs, Die Gesetzesvorbehalte, Staatsrecht III, S. 454; F. Ossenbühl , HStR, Bd. III, § 66, Rdn. 28 f.; i.d.S. BVerfGE 33, 125 (158 ff.); 76, 171 (184 f.); vgl. auch BVerwGE 90,359 (361 f.). 486 BVerfGE 1, 167 (174); 11, 266 (274); 17, 172 (182); 21, 117 (129 f.); 23, 353 (367 ff.); 26, 172 (180); 38, 258 (278 f.); 50, 50 (55 f.); vgl. auch BVerfGE 79, 127 (143 ff.). 487 K. Stern , Staatsrecht I, S. 412; F.-L. Knemeyer , Bayerisches Kommunalrecht, 6. Aufl. 1988, Rdn. 122.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

„Die Formulierung „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG stellt vor allem eine Umschreibung des herkömmlichen Begriffs der „Allzuständigkeit" dar. ... Das Grundgesetz beschränkt dieses gemeindliche Zugriffsrecht freilich gegenständlich auf die Angelegenheiten „der örtlichen Gemeinschaft" und verwehrt den Gemeinden so, unter Berufung auf ihre Allzuständigkeit auch allgemeinpolitische Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit zu machen. ... Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält daher auch außerhalb des Kernbereichs der Garantie ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden, das der zuständigkeitsverteilende Gesetzgeber zu berücksichtigen hat. Auf diese Weise sichert Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden einen Aufgabenbereich, der grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfaßt" 488 .

Die Dogmatik von der „Allzuständigkeit" 489 der Gemeinden schützt die Gemeinde gegen ein Untermaß an Aufgaben, welche der Bund und die Länder der Gemeinde belassen, regelt aber nicht das kommunalrechtliche Privatheitsprinzip. Dieses bleibt wegen seines menschenrechtlichen Verfassungsrangs unangefochten. Als solches ist es auch Grundlage der Subsidiaritätsregelungen in Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BayGO und Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BayBezO. Es gilt aber für die gesamte Aufgabenordnung, zumal wenn die Ämter funktional Unternehmen sind. Es gibt aber keine Allzuständigkeit des Staates wie des Bürgers als Privatem, in jeder Weise zu handeln, wenn das die Gesetze nicht verbieten, wenn er, der Staat, im Bereich des Privatrechts verbleibt (extreme Fiskusdoktrin); denn der Staat hat keine private Existenz 490 . Ein Gesetz oder eine Satzung ist jeweils Voraussetzung rechtmäßigen Verwaltungshandelns. Die gesetzliche Ermächtigung für unternehmerische Wirtschaftstätigkeit der Gemeinden findet sich in Art. 87 BayGO. Fraglich ist, ob dem Betrieb eines kommunalen Unternehmens zusätzlich eine Satzung der Gemeinden zugrunde liegen muß. Art. 87 BayGO lautet 491 : (1) J Die Gemeinde darf ein Unternehmen im Sinne von Art. 86 nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn

488

BVerfGE 79 127 (146, 147, 150). M. Nierhaus, Verfassungsmäßige Ordnung; Kommunale Selbstverwaltung, in: M. Sachs, GG, Art. 28 Rdn. 42; K. Stern, Staatsrecht I, S. 412; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 29. 490 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 265 f , auch S. 22; insb. BGHZ 20, 119 (122 ff.). 491 Siehe das Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts und anderer kommunalrechtlicher Vorschriften vom 24. Juli 1998, abgedruckt in: BayGVBI 1998, S. 424 f f , 425. 489

3. Kapitel Privatheitsprinzip des Kommunalrechts

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1. ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert, insbesondere wenn die Gemeinde mit ihm gesetzliche Verpflichtungen oder ihre Aufgaben gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfassung und Art. 57 dieses Gesetzes erfüllen w i l l 4 9 2 , 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht 493 , 3. die dem Unternehmen zu übertragenden Aufgaben für die Wahrnehmung außerhalb der allgemeinen Verwaltung geeignet sind 494 , 4. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann 495 . 2 Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck. 3Soweit Unternehmen entgegen Satz 2 vor dem 1. September 1998 errichtet oder übernommen wurden, dürfen sie weitergeführt, jedoch nicht erweitert werden 496 .

(2) 'Die Gemeinde darf mit ihren Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets nur tätig werden, wenn dafür die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen der Betroffenen und die kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. 2 Bei der Versorgung mit Strom und Gas gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. (3) ! Für die Beteiligung der Gemeinden an einem Unternehmen gilt Absatz 1 entsprechend. 2Absatz 2 gilt entsprechend, wenn sich die Gemeinde an einem auch außerhalb ihres Gebiets tätigen Unternehmen in einem Ausmaß beteiligt, das den auf das Gemeindegebiet entfallenden Anteil an den Leistungen des Unternehmens erheblich übersteigt. (4) Bankunternehmen darf die Gemeinde weder errichten noch sich an ihnen beteiligen. 2 Für das öffentliche Sparkassenwesen verbleibt es bei den besonderen Vorschriften. 3 Die Gemeinde kann einen einzelnen Geschäftsanteil an einer eingetragenen Kreditgenossenschaft erwerben, wenn eine Nachschußpflicht ausgeschlossen oder die Haftsumme auf einen bestimmten Betrag beschränkt ist.

Art. 72 BayBezO hat den gleichen Wortlaut. als

Art. 87 BayGO regelt die unternehmerische Betätigung der Gemeinden nur Ausnahmetatbestand. Nur wenn alle Voraussetzungen des Art. 87

492 493

Die frühere Form hieß: Nr. 1 der öffentliche Zweck das Unternehmen erfordert. Die Ziffer 2 des neuen Art. 87 ist identisch mit der Ziffer 2 des alten Art. 89 Bay-

GO. 494 Die frühere Form hieß: 3. Der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. 495 Die Nr. 4 wurde durch das Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts und anderer kommunalrechtlicher Vorschriften neu eingeführt. 496 Satz 2 des Absatzes 1 wurde in das Gesetz neu aufgenommen.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Abs. 1 BayGO vorliegen, darf eine Kommune oder ein Bezirk kommunale oder bezirkliche Unternehmen errichten und betreiben 497.

II. Kommunale Unternehmen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 und Art. 86 BayGO Art. 87 BayGO ermächtigt die Gemeinde zur Errichtung von Unternehmen. Art. 86 BayGO nennt abschließend die Rechtsformen, in denen „Unternehmen außerhalb der allgemeinen Verwaltung" betrieben werden können, nämlich als Eigenbetrieb, als selbständiges Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts oder in den Rechtsformen des Privatrechts. Eigenbetriebe sind wirtschaftliche Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit 498 . Verantwortlicher Unternehmer und Rechtsträger ist die Gemeinde selbst. Art. 88 Abs. 1 BayGO lautet: „Eigenbetriebe sind gemeindliche Unternehmen, die außerhalb der allgemeinen Verwaltung als Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt werden". Hierin unterscheiden sich die Eigenbetriebe von den sogenannten Regiebetrieben, die innerhalb der allgemeinen Verwaltung bleiben, ohne Sondervermögen zu sein. Weil Art. 86 BayGO sie nicht nennt, sind sie keine Unternehmensform im Sinne des Art. 87 BayGO, obwohl es eine große Menge von Regiebetrieben gibt. Seit 1995 dürfen Gemeinden (abgesehen von der Gründung von Sparkassen) selbständige Kommunalunternehmen (Anstalten) des öffentlichen Rechts gründen 499 . Als Rechtsformen des Privatrechts, in denen eine Gemeinde nach Art. 86 BayGO Unternehmen betreiben darf, kommen etwa die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Aktiengesellschaft, die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft in Betracht. 1. a) Begriffsmerkmal des Unternehmens ist zunächst eine auf Dauer angelegte eigenständige organisatorische Einheit 500 (nicht notwendig rechtliche Selbständigkeit, z. B. Eigenbetrieb, Art. 86 Nr. 1 BayGO). Die Städte haben Vermessungsämter eingerichtet. Die von diesen betriebenen Vermessungen sind Tätigkeiten der Gemeinden (vgl. Art. 21 BayGO). Sie verfügen über eine organisatorische Ausgestaltung, die auf Dauer angelegt ist und eine organisatorische

497 Vgl. OLG Hamm, GewArch 1998, 197; vgl. auch BayVGH, BayVBl 1976, 628 ff.; BGH, NJW 2002, 2645 ff. 498 BayVGH, BayVBl. 1983, 498 (499); vgl. G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 60 f. 499 Dazu B.E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 64 ff. 500 G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 27, 33 f f , 59 ff.; kritisch V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 60 f f , 184 f.

3. Kapitel Privatheitsprinzip des Kommunalrechts

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Einheit bildet. Die Vermessungsämter sind Teil der unmittelbaren Verwaltung der Kommunen. b) Der materielle Unternehmensbegriff beschreibt das Unternehmen in empirischer Anlehnung an private Unternehmen als Zusammenfassung sachlicher und personeller Produktionsfaktoren zum Zwecke gewerblicher Tätigkeit 501 . Nach dem funktionalen Unternehmensbegriff ist das Handeln auf dem Markt entscheidend, die Teilnahme am Wirtschaftsleben 502 oder die gewerbliche Verwertung von Leistungen503. Der Begriff „wirtschaftlich" wird als die Wertschöpfung durch die Erzeugung, Bereitstellung oder den Handel mit Waren oder Dienstleistungen (nicht reine Eigenbedarfs- und Hilfsbetriebe) verstanden 504. Die Kommunen betreiben die Vermessung zum Teil als Dienstleistungen für private Auftraggeber oder auch Kommunen und begeben sich zu den freiberuflichen (beratenden) Vermessungsingenieuren in Konkurrenz. Sie nehmen jedenfalls insoweit am Wirtschaftsleben teil. Die Teilnahme am Wirtschaftsleben oder die wirtschaftliche Tätigkeit ist indes kein spezifisches Kriterium des Unternehmens. Jede Tätigkeit des Staates hat eine haushaltliche Seite (Kosten) und ist Wirtschaften. Immer gilt das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 114 Abs. 2 GG, § 6 Abs. 1 HaushaltsgrundsätzeG). Deshalb ist aber nicht alles Handeln des Staates unternehmerische Tätigkeit. Das Kriterium des Wirtschaftens ist ungeeignet, staatliche oder kommunale Tätigkeit danach zu differenzieren, ob sie Verwaltung oder Unternehmung ist 505 . (Wirtschaftliche) Unternehmen der Gemeinden werden auch dahingehend umschrieben, daß es sich um solche Einrichtungen der Gemeinden handele, die auch ein privater Unternehmer mit der Absicht der Gewinnerzielung betreiben könne 506 . Das Kriterium ist unergiebig, weil das, was der Staat macht, auch Private machen können; denn es sind allemal Menschen, die handeln. Es geht dar501 Zum materiellen Unternehmensbegriff G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 26 f f ; ähnlich V. Emmerich , Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 50 f f , 55 f.; P. Badura , Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand unter besonderer Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsversicherungsunternehmen, ZHR 146 (1982), S. 448 f.; vgl. weitere Hinweise bei K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 292 ff. 502 EuGH v. 12.12.1974 - Rs. 36/74 Walrave/Union Cycliste Internationale, Slg. 1974, 1405 (1418); G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 29; vgl. R. Scholz , Wettbewerbsrecht und öffentliche Hand, ZHR 132 (1969), 97 (125 ff.). 503 Vgl. A. Bleckmann , Europarecht, 1990, Rdn. 1295. 504 Zu § 98 Abs. 1 GWB G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 26 f f , 29 ff.; dazu kritisch K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 294 ff. 505 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 295 ff. 506 BVerwGE 39, 329 (333); E. Schmidt-,Jortzig, Die Zulässigkeit kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen im einzelnen, in: G. Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 5, 2. Aufl. 1984, S. 88; kritisch K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

um, wer handeln darf. Das ist eine Frage der Gesetze. Der Begriff des Staatlichen ist formal und wird durch die Gesetze materialisiert 507. Zu den öffentlichen Unternehmen werden u. a. die erwerbswirtschaftlichen Unternehmen gezählt, deren Zweck es ist, Überschüsse für einen öffentlichen Haushalt zu erwirtschaften und nebenher andere öffentliche Bedürfnisse zu befriedigen. Sie handeln grundsätzlich nur fiskalisch, d.h. privatrechtsmäßig, oder, wie gesagt wird, privatwirtschaftlich. Staatliche Unternehmen sollen auch Unternehmen der Daseinsvorsorge sein, deren Zweck primär die Befriedigung wirtschaftlicher Bedürfnisse von öffentlichem Interesse ist. Sie sollen in der Regel soviel Überschuß erwirtschaften, daß das Eigenkapital marktgerecht verzinst wird. Sie werden nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit geführt (Art. 95 Abs. 1 BayGO, Art. 81 Abs. 1 BayBezO). Der Zweck, Überschüsse zu erzielen, also die Gewinnmaxime, steht aber dem Staat nicht zu. Ein solcher Zweck ist regelmäßig verfassungswidrig. Die Gewinnmaxime ist privattypisch 508 . Das haben Art. 87 Abs. 2 S. 2 BayGO und Art. 73 Abs. 2 S. 2 BayBezO aufgegriffen. Zur unternehmerischen Betätigung des Staates werden aber auch Unternehmungen, wie Bibliotheken und Krankenhäuser, gerechnet, die keinen erwerbswirtschaftlichen, sondern nur einen gemeinwirtschaftlichen (gemeinnützigen) Zweck haben, selbst wenn sie Überschüsse erwirtschaften 509. Der Staat reguliert die Wirtschaft. Er ist dadurch an der Wirtschaft beteiligt, aber er handelt nicht wie ein Privatunternehmer, weil er sich nicht dem Markt und damit dem Risiko der Insolvenz aussetzen darf 610 . Das gilt auch für die Kommunen. Die städtischen Vermessungsämter werden personell und sächlich aus dem Haushalt der Kommunen, also letztlich durch die Steuermittel der vor allem kommunalen Allgemeinheit, finanziert. Die Kommunen handeln damit nicht wirtschaftlich im eigentlichen Sinn. Versteht man Wirtschaftlichkeit im eigentlichen Sinne der Privatheitlichkeit als eine Voraussetzung des Unternehmensbegriffs 511, kann es begrifflich keine öffentlichen, sondern nur private Unternehmen geben. Der Staat und die Kommunen dürfen sich nicht privatisieren,

507 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f ; ders., Res publica res populi, S. 370 f f , auch S. 211 ff.; ders., Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 ff.; dazu 2. Teil, 2. und 3. Kap. 508 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 f f , 317 f f ; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 327 f.; vgl. i.d.S. BVerfG, NJW 1982, 2173 (2175); BGHZ 82, 375 (381 ff.); auch G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 28 f , 128 f f , auch S. 188 ff. 509 G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 3 f. 510 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 316 f f , 334 ff. 511 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, S. 419 ff.

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weil sie einmal keine eigentlich Privaten sind und weil sie es in der Republik wegen des demokratischen Prinzips auch nicht sein dürfen 512 . Der Begriff des Unternehmens darf allerdings nicht nur allgemein, sondern muß zunächst im Rahmen der Vorschriften der Art. 86 f f BayGO, Art. 72 f f BayBezO entfaltet werden, weil deren Voraussetzungen geprüft werden. Auch die Aufzählung der zulässigen Rechtsformen in Art. 86 BayGO weist auf einen gesetzes-immanenten Unternehmensbegriff hin. Das Kriterium „wirtschaftlicher Betätigung" ist also kein hinreichend spezifisches Merkmal, um den Begriff des Unternehmens allgemein und insbesondere im Sinne der Art. 86 ff. BayGO, Art. 72 ff. BayBezO, die offensichtlich von der Existenz öffentlicher Unternehmen ausgehen, zu erfassen. Dies wird dadurch bestätigt, daß Art. 87 BayGO n.F. den Zusatz „wirtschaftlich" (anders als Art. 89 BayGO a.F.) nicht mehr enthält. c) Ob der Unternehmensbegriff Gewinnerzielungsabsicht bei der unternehmerischen Betätigung voraussetzt, ist strittig 513 . In der Marktwirtschaft ist die Gewinnerzielung der regelmäßige Zweck eines Unternehmens. Die Vermessungsämter sind (auch) privatwirtschaftlich tätig, um ihre Kapazitäten auszulasten. Der Gewinn ist für sie nicht notwendig, aber sie streben ihn an. Jedenfalls wollen sie keine Verluste erzielen; denn diese müssen oder müßten aus dem Haushalt der Kommunen finanziert werden. Die städtischen Vermessungsämter wären kein Unternehmen im marktwirtschaftlichen Sinn, wenn der Unternehmensbegriff eine Gewinnerzielungsabsicht einbezieht. Die Gewinnerzielung ist zwar betriebswirtschaftlich notwendig, wenn ein Unternehmen seinen Bestand wahren will, nicht aber rechtlich, weil Überschuldungen aus Drittmitteln alimentiert werden können. Kriterium eines Unternehmens ist die Privatheitlichkeit wirtschaftlicher Betätigung, nicht die Gewinnerzielung. Es ist jedoch fraglich, ob Art. 87 BayGO und Art. 73 BayBezO ein so definiertes Unternehmen voraussetzen und überhaupt in einer Republik eine staatliche oder kommunale Betätigung als ein solches Unternehmen definieren dürfen. Die Gewinnerzielungsabsicht widerspricht nämlich regelmäßig der Pflicht der Stadt, in ihrem Wirkungsbereich das Gemeinwohl zu verwirklichen (Art. 1, Art. 6, Art. 57 BayGO). Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß „rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Unternehmen", die nur den Zweck der Gewinnerzielung haben, „den Gemeinden untersagt" seien514. Die Gewinnerzie512 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 ff.; ders , Res publica res populi, S. 51, 1119. 513 Vgl. F. Rittner , Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, 1979, S. 133; vgl. K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff. mit weiteren Hinweisen. 514 BVerfGE 61, 82 (107); ebenso BVerwGE 39, 329 (333 f.); i.d.S. OLG Hamm, JZ 1998, 577; dazu i.d.S. K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht,

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

lungsabsicht als Begriffsmerkmal kommunaler Unternehmen wird daher mit der Begründung verneint, die Gemeinden müßten Gemeinwohlzwecke erfüllen 515 . Daß die Art. 86 ff. BayGO, Art. 72 ff. BayBezO keine Gewinnerzielungsabsicht für die dort geregelten Unternehmen voraussetzen, wird aus diesen Bestimmungen deutlich. Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayGO verneint den öffentlichen Zweck des Unternehmens im Sinne des Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO, wenn das Unternehmen nur Gewinnerzielung beabsichtigt, ebenso wie Art. 73 Abs. 2 S. 2 BayBezO. Art. 94 BayGO a.F, wonach die wirtschaftlichen Unternehmen einen Ertrag für den Gemeindehaushalt abwerfen mußten, ist gestrichen worden. Die fehlende und untersagte Gewinnerzielungsabsicht nimmt den kommunalen Vermessungsämtern nicht ihren Charakter als „Unternehmen" i.S. des Art. 87 BayGO. d) Herkömmlich wird der Begriff des Unternehmens als privatrechtliche Kategorie verstanden, was dessen Anwendbarkeit auf Verwaltungstätigkeiten ausschließt, jedenfalls wenn diese öffentlich-rechtlich durchgeführt werden 516 . Wesentliches Kriterium eines Unternehmens ist dessen Privatheitlichkeit. Alle Betätigungen von Privaten sind Unternehmungen im weiteren Sinne. In engerem Sinne sind es nur die privaten Betätigungen, die dem privatheitlichen Wirtschaftsrecht, insbesondere dem Handels- und Gesellschaftsrecht und dem Wettbewerbsrecht, unterfallen 517. Die Maxime der Gewinnerzielung ist typisch die der privaten Unternehmer. Die Aufgabe des Staates ist die Verwirklichung des Gemeinwohls durch den Vollzug der Gesetze. Das ist staatliche Verwaltung 518 . Ein Handeln der Verwaltung „außerhalb der allgemeinen Verwaltung" (vgl. Art. 86 BayGO) darf es in der Republik als Staat der Freiheit und des Rechts nicht geben. Der Staat darf nicht unternehmerisch, d.h. willkürlich, handeln wie ein

S. 310 ff. mit weiteren Hinweisen; W. Berg, Die wirtschaftliche Betätigung des Staates als Verfassungsproblem, GewArch. 1990, S. 228; W. Rüfner, Daseinsvorsorge und soziale Sicherheit, HStR, Bd. III, 1988, § 80, Rdn. 19. 515

F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 255; U. Steiner, Kommunalrecht, in: W. Berg/F. L. Knemeyer/H.-J. Papier/U. Steiner (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl. 1996, Rdn. 171, S. 181; vgl.: EuGH v. 18.6.1975 Rs 94/74 IGAV/ENCC, Slg. 1975, 699 (713). Der Begriff des öffentlichen Unternehmens i.S. des Art. 86 (ex 90) EGV wird nicht mit einem Erwerbszweck, sondern mit der Ausrichtung auf das öffentliche Interesse verbunden. 516 Vgl. BGHZ 36, 91 (101 ff.); siehe K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 92, Fn. 385 mit Hinweisen. 517 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f , insb. S. 357 ff. 518 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 357 f f ; ders, Res publica res populi, S. 1119; ders., Die Verwaltung 31 (1998), S. 142 f.; ders, Eigentümer globaler Unternehmen, S. 420 f.

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privater Unternehmer. Der Begriff des „staatlichen Unternehmens" ist ein Widerspruch in sich 519 . Sogenannte staatliche Unternehmen sind Verwaltung 520 . Wie aus Art. 86 BayGO deutlich wird, setzt der Gesetzgeber für das kommunale Unternehmen Privatheit jedoch nicht voraus. Er regelt somit spezielle kommunale Verwaltungen ohne eigentlichen, nämlich privatheitlichen, Unternehmenscharakter. Weil die Vermessungsämter der Kommunen institutionell nicht privatheitlich, insbesondere nicht auf Gewinnerzielung, gerichtet sind und dies auch nicht sein dürfen, sind sie institutionell keine Unternehmen. Sinn und Zweck des Art. 87 BayGO, Art. 73 BayBezO verlangen jedoch weder Privatheitlichkeit noch Gewinnerzielungsabsicht für ein gemeindliches Unternehmen. Die Vorschrift hätte sonst keinen Sinn. Unternehmen im Sinne des Art. 87 BayGO, Art. 73 BayBezO sind somit besondere Verwaltungen. e) Weil die Vermessungsämter sächlich und personell aus Mitteln der Kommunen finanziert werden, sind sie nicht auf Kostendeckung angelegt. Fraglich ist, ob auch Unternehmen i.S.d. Art. 87 BayGO, Art. 73 BayBezO wenigstens auf Kostendeckung ausgerichtet sein müssen. Die Gemeinden dürfen Kosten verursachen, wenn das durch den mit der Betätigung verfolgten Zweck gerechtfertigt ist. Nach Art. 95 Abs. 1 BayGO, Art. 81 Abs. 1 BayBezO sind „Eigenbetriebe und Kommunalunternehmen unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Grundsätze und des Grundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit so zu führen, daß der öffentliche Zweck erfüllt wird. Entsprechendes gilt für die Steuerung und Überwachung von Unternehmen in Privatrechtsform, an denen die Gemeinde mit mehr als 50 v. H. beteiligt ist; bei einer geringeren Beteiligung soll die Gemeinde darauf hinwirken". Durch Art. 95 Abs. 1 BayGO, Art. 81 Abs. 1 BayBezO wird deutlich, daß die Verwirklichung des öffentlichen Zwecks des Unternehmens im Vordergrund steht. Die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie betriebswirtschaftliche Grundsätze, wozu auch der Grundsatz der Kostendeckung gehört, sind Maximen für die Führung des kommunalen Unternehmens. Nach dem Sinn der Vorschriften über kommunale Unternehmen im Bayerischen Gemeinde- und Bezirksrecht ist somit Kostendeckung zwar Pflicht der kommunalen Unternehmen, nicht aber deren Begriffsmerkmal. Die kommunalen Vermessungsämter sind zwar kein Unternehmen

519 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 283 f f , 291 ff.; ders./M. Klüver, Der gemeinschaftsrechtliche Begriff des „öffentlichen Unternehmens" als Verfassungsproblem, Manuskript 1999, passim. 520 H. Krüger , Das Staatsunternehmen - Ort und Rolle in der Marktwirtschaft, ZHR 1979, 157 ff.; ders., Allgemeine Staatslehre, S. 604 ff.; KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 357 ff.; ders ., Res publica res populi, S. 1119; ders ., Eigentümer globaler Unternehmen, S. 420 f.; B.E. Beck , Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 43 f f , 45 f f , 51 ff.

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im institutionellen Sinn, aber Unternehmen im Sinne des Art. 87 BayGO, also Unternehmen genannte kommunale Verwaltungen.

I I I . Kommunalunternehmensrechtliches Zweckerfordernis des Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO Nach Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO (eine der Nachfolgevorschriften des § 67 DGO) darf eine Gemeinde ein Unternehmen im Sinne des Art. 86 BayGO nur errichten, wenn „ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert" 521 . Das Gleiche gilt nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 BayBezO. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Gemeinde mit dem Unternehmen gesetzliche Verpflichtungen oder ihre Aufgaben gemäß Art. 83 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV) und Art. 57 BayGO erfüllt. 1. Das Kriterium des „öffentlichen Zwecks" hat nur die Befugnisse der Gemeinden begrenzende und damit rechtliche Wirkung, wenn der Begriff des öffentlichen Zwecks hinreichend materialisierbar ist. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung von kommunalen Vermessungsämtern, in deren Vollzug der öffentliche Zweck läge, gibt es nicht. Art. 83 Abs. 1 BV nennt beispielhaft Aufgaben des eigenen Wirkungskreises. Das Vermessungswesen ist nicht genannt. Weil die Aufzählung mit „insbesondere" eingeleitet wird, kann daraus gefolgert werden, daß diese nicht abschließend ist. Nach Art. 11 Abs. 2 S. 2 BV haben die Gemeinden das Recht, ihre „eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten". Nach Art. 57 BayGO sollen die „Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen und erhalten, die nach den örtlichen Verhältnissen für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl und die Förderung des Gemeinschaftslebens ihrer Einwohner erforderlich sind". Daran schließt sich erneut eine beispielhafte Aufzählung an, welche das Vermessungswesen nicht nennt. Aufgrund des Wortes „insbesondere" und der weiten Formulierung in Satz 1 kann auch diese Liste nicht als abschließend oder das Vermessungswesen ausschließend angesehen werden; aber das Vermessungswesen kann anders bewältigt werden. Der öffentliche Zweck ist soweit Sache der Satzung der Gemeinde, wie allgemein die Staatlichkeit durch Gesetze materialisiert wird und werden muß, weil die staatliche die private Lebensbewältigung zurückdrängt und damit das verfassungsrangige Privatheitsprinzip 522 einschränkt 523. Wenn somit der Betrieb eines Ge521

Dazu B.E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 45 f f Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 f f ; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV; ders, Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 ff.; dazu 1. und 2. Kap. 523 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 f f , 253 f f ; ders, Res publica res populi, S. 386 ff. 522

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meindeunternehmens nicht Vollzug eines Gesetzes ist, muß der öffentliche Zweck wegen des Grundsatzes der Privatheit der Lebensbewältigung durch Gemeindesatzung begründet sein. Daraus folgt, daß die Kommunen das Vermessungswesen durch Satzungen der Räte hätten beschließen müssen. Das ist, soweit bekannt, nicht geschehen, so daß die Entscheidung der Kommunen sowie der Betrieb der Vermessungsämter auch insofern rechtswidrig sind. 2. Der öffentliche Zweck muß im übrigen das Unternehmen „erfordern". Der Begriff „erfordern" verweist auf den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere auf das Kriterium der Erforderlichkeit 524 . Danach ist eine staatliche Maßnahme nur erforderlich, wenn der gleiche Zweck, nämlich das Vermessungswesen, nicht anders, nämlich privat, oder mit milderen, ebenso geeigneten staatlichen Mitteln erreicht werden kann. Mit dem Kriterium der Erforderlichkeit für einen öffentlichen Zweck ist bereits das gemeindeunternehmensrechtliche Subsidiaritätsprinzip 525 ausgesprochen, das in Ziffer 4 des Art. 87 Abs. 1 BayGO expliziert wird. Der Wortlaut zwingt nicht zu der Interpretation, daß der Begriff der Erforderlichkeit für einen öffentlichen Zweck die unternehmerische Agenda der Gemeinden im Sinne des Subsidiaritätsprinzips begrenzt. Eine wortlautmäßige Lesweise ist mit der Notwendigkeit, Art. 87 BayGO, Art. 73 BayBezO im Sinne der Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 20 Abs. 2 GG jedenfalls verfassungskonform im Sinne des Grundsatzes und Vorrangs der privaten Lebensbewältigung (Privatheitsprinzip) und des Verbots staatlicher privatistischer Betätigung auszulegen, nicht vereinbar 526. Die gemeindliche Unternehmung muß somit für die Lebensbewältigung in der Kommune erforderlich sein. Trotz eines erheblichen Erkenntnisspielraums im Rahmen dieses Subsidiaritätsprinzips 527 ist diese Erforderlichkeit entgegen der kommunalrechtlichen Praxis 528 judiziabel, also eine rechtsschutzfähige Rechtsfrage 529. Das Subsidiaritätsprinzip ist in allen Berei-

524 Dazu grundlegend A. Emmerich-Fr tische, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 198 ff., insb. S. 211 ff.; s. i.d.S. auch BVerfGE 73, 301 (317ff.); auch BVerfGE 73, 280 (293); weitere Hinweise in Fn. 666. 525

Zum Subsidiaritätsprinzip Hinweise in Fn. 252, auch Fn. 250, 253 f.; dazu 1. und

2. Kap. 526

Dazu genauer unter 3. Teil, 1. Kap, III.

527

E. Schmidt-Jortzig, Die Zulässigkeit kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen im einzelnen, S. 62; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 390 f. 528 BayVGH, BayVBl 1959, 90 f.; BayVGH, BayVBl 1976, 628 ff.; OVG Münster NVwZ 1986, 1045 ff.; mit anderer Tendenz OLG Hamm, JZ 1998, 577 ff.; VGH Mannheim, NJW 1984, 251 ff.; vgl. auch BVerwGE 39, 329 (330 ff.); vgl. auch (für Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) BVerfGE 2, 213 (224 f.); 13, 230 (233 f.). 529 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 386 f f , insb. S. 390 f , auch S. 978 ff. zur Judiziabilität der praktischen Vernunft; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap. II, auch 8. Kap, IV, VI; vgl. auch ders , Das Sozialprinzip, S. 62 ff.; vgl. auch G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 132 f.; dazu 4. Kap.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

chen nicht nur Zweckmäßigkeits-, sondern Rechtsfrage 530. Dabei sind freilich die sozialpolitschen Zwecke, die der Staat oder die Gemeinde verfolgen, zu berücksichtigen. Die Vermessungsaufgaben können freiberuflich bewältigt werden. Das ist die verfassungsgerechte private Lebensbewältigung. Unzumutbare Kosten werden dadurch nicht verursacht. Ein öffentlicher Zweck, der ein kommunales Vermessungsamt erfordern würde, ist nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, wenn die kommunalen Vermessungsämter nicht kostendeckend arbeiten sollten und so den kommunalen Haushalt belasten, was dem Grundsatz sparsamer Haushaltsführung und damit den Verpflichtungen aus Art. 95 Abs. 1 BayGO zuwiderlaufen würde. Die kommunalen Vermessungsämter verstoßen insbesondere, wenn sie privatwirtschaftlich agieren, aus doppeltem Gunde gegen Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO, zum einen weil der öffentliche Zweck nicht durch Satzung begründet ist, zum anderen weil die kommunalen Vermessungsämter in der gegenwärtigen Lage des Vermessungswesens nicht erforderlich sind. Wenn die Vermessung in kommunaler Unternehmensform ausgeführt wird, ist das kommunalwirtschaftsrechtliche Susidiaritätsprinzip unmittelbar anwendbar. Die freiberuflichen Vermessungsingenieure können sich auf den Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO berufen 531.

IV. Kommunalunternehmensrechtliches Subsidiaritätsprinzip des Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO Das in Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO geregelte Subsidiaritätsprinzip schließt die Errichtung einer gemeindlichen Unternehmung aus, wenn „bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann". Das Gleiche regelt Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO. Ein „anderer" bezieht sich auch auf private Unternehmer oder eben Freiberufler. In diesem Fall wären das die beratenden, freiberuflich tätigen Vermessungsingenieure. Das Subsidiaritätsprinzip, auf das sich die beratenden Vermessungsingenieure berufen können, greift nach dem Text des Gesetzes nur „außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge". Fraglich ist demnach, ob das kommunale Vermessungswesen „Daseinsvorsorge" ist. Der Begriff der Daseinsvorsorge 532 wird in

530 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 327 f , 897; grundlegend J. Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, S. 215 f , 313 ff.; K.A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 62 ff.; ders. y Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 272 f. mit Fn. 184, S. 317 ff. mit Fn. 182; ders, Res publia res populi, S. 386 ff.; vgl. auch BVerfGE 28, 245 (248); BVerfG, NJW 1982, 2173 (2175); vgl. 6. Kap. 531 Dazu 4. Kap, III.

3. Kapitel Privatheitsprinzip des Kommunalrechts

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der Gemeindeordnung nicht definiert. Er versteht sich auch nicht aus sich selbst heraus 533 und entzieht sich einer materialen Bestimmung. Er umfaßt die gesamte Lebensbewältigung und ist damit ohne materiale Aussagekraft 534. Jedenfalls würde ein bestimmtes materiales Verständnis der Daseinsvorsorge das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht (Art. 11 Abs. 2 BV, Art. 28 GG) in unzulässiger Weise einengen. Wesentlicher Gehalt der kommunalen Selbstverwaltung ist es nämlich, daß sich die Gemeinde, soweit keine anderweitige ausschließende Aufgabe und Befugnis besteht, durch Beschluß der Gemeindevertretung (Gemeinderat/Stadtrat) jederzeit im Interesse ihrer Einwohner neuer Aufgaben annehmen kann. Dies ist die Allzuständigkeit der Gemeinde (vgl. Art. 11 Abs. 2 BV, Art. 6 BayGO), die den Kernbereich der Selbstverwaltung ausmacht 535 . Somit ist der Begriff der Daseinsvorsorge formal zu verstehen 536. Daseinsvorsorge ist nichts anderes als die Bemühungen des Staates oder der Stadt in ihrem Wirkungsbereich, das bonum commune, das allgemeine Wohl (vgl. Art. 57 BayGO) 537 , das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit 538 , zu sichern. Zugrundegelegt wird dabei nicht etwa nur ein sozialer Mindeststandard, sondern der einer guten Lebensführung 539. Eine solche ist von den Maßstäben der Sozialleistung begrifflich zu unterscheiden 540. In einem freiheitlichen Gemeinwesen ist Daseinsvorsorge, d. h. die allgemeine Lebensbewältigung, zunächst Aufgabe der Bürger in deren Privatheit. Um die allgemeine Freiheit zu verwirklichen, muß der Staat jedoch allgemeine Gesetze geben541. Diese müssen die private Lebensbewältigung ermöglichen. Soweit der Staat nicht nur die Rahmenbedingungen privaten Lebens schafft, son532

Grundlegend E. Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, S. 5 f.; ders., Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 22 f f ; vgl. K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 201 f , 348 f.; dazu B.E. Beck , Gemeindliche Unternehmen Bayerns, 2. Teil, 4. Kap. V, Exkurs, S. 265 f f 533 Kritisch zum Begriff der Daseinsvorsorge H. Gröttrup , Die kommunale Leistungsverwaltung, 1973, S. 68 ff.; vgl. auch W. Rüfner, HStR, Bd. III, § 80, Rdn. 51; sybillinisch BVerwGE 39, 329 (333). 534 Vgl. i.d.S. W. Rüfner , HStR, Bd. III, § 80, Rdn. 51. 535 K. Stern , Staatsrecht I, S. 412; F. L. Knemeyer , Bayerisches Kommunalrecht, S. 56 ff.; K. Waechter , Kommunalrecht, 2. Aufl. 1995, Rdn. 526, 529; B.E. Beck , Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 157; vgl. auch BVerfGE 11, 266 (275 f.); 21, 117 (128 ff.); auch BVerfGE 79, 127 (148 f.). 536 I.d.S. BVerfGE 79, 127 (143 ff.); K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 201 f , 348 f. 537 Vgl. N. Achternberg/G. Püttner , Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, S. 41, Rdn. 88; K Waechter , Kommunalrecht, S. 298 ff. 538 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 299 ff, 350 f f , 573 f f , 625 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, V, 8. Kap, I, V. 539 W. Rüfner , HStR, Bd. III, § 80, Rdn. 24. 540 W. Rüfner , HStR, Bd. III, § 80, Rdn. 24. 541 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 275 f f , 325 f f , 374 f f , 494 f f , 519 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II, IV.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

dem selbst Leistungen zur Daseinsvorsorge erbringt, muß er das Subsidiaritätsprinzip, den Vorrang privater Lebensbewältigung (Privatheitsprinzip), beachten 542 . Zur Materialisierung des Begriffs der Daseinsvorsorge wird auch häufig auf Art. 57 BayGO und Art. 83 BV verwiesen, die ebenfalls in Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO zur näheren Bestimmung des legitimen Zwecks des kommunalen Unternehmens genannt sind. Angesichts des formalen Begriffs der Daseinsvorsorge ist es unverständlich, wie eine Gemeinde unter Beachtung des Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO überhaupt Unternehmen „außerhalb der Daseinsvorsorge" errichten können soll. Diese neue Formulierung findet darin eine Erklärung, daß der Bayerische Verwaltungsgerichtshof es in ständiger Rechtsprechung abgelehnt hat, gegen die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips im Bereich der Daseinsvorsorge Rechtschutz zu geben543. Dabei will es der Gesetzgeber belassen, allerdings entgegen dem Privatheitsprinzip, also gegen das Recht. Soweit die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO und auch Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 BayBezO erfüllt sind, bleibt für das Subsidiaritätsprinzip des Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO und Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO kein Raum. Einen engeren Begriff der Daseinsvorsorge hat Ernst Forsthoff vertreten. Zur Daseinsvorsorge in dem von ihm gemeinten Sinn zählen nur die von der öffentlichen Hand selbst dem Bürger unmittelbar zugewendeten Leistungen, die jeweils für wichtig gehaltene Bedürfnisse der Bürger befriedigen sollen 544 . Das kommunale Vermessungswesen gehört zur Daseinsvorsorge, soweit es nicht privatwirtschaftlich agiert. Es ist nur begrenzt „Daseinsvorsorge" 545 im Sinne Forsthoffs. Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO wäre somit dem Text nach nicht anwendbar und deshalb auch nicht verletzt. Andererseits erscheint es fragwürdig und widersprüchlich anzunehmen, die kommunalen Vermessungsämter erfüllen Aufgaben der Daseinsvorsorge, wenn bereits oben festgestellt wurde, daß diese Ämter zur Erfüllung öffentlicher Zwecke nicht erforderlich seien. Der Begriff der Daseins Vorsorge ist wegen seiner Formalität auf das jeweilige Unternehmen und den jeweiligen Sachverhalt durch Gesetz oder Satzung zu materialisieren. Er hat keine vom öffentlichen Zweck des Unternehmens verselbständigte Bedeutung für die örtlichen gesetzlich oder satzungsgemäß geregelten Angelegenheiten. Die kommunalen Vermessungsämter müssen daher in systematischem Zusammenhang mit Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO und dem verfassungsrangigen Subsidiaritätsprinzip (Pri-

542 K.A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 62 ff.; ders, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 ff.; ders, Res publica res populi, S. 386 f f ; ders, Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV; W. Rüfner, HStR, Bd. III, § 80, Rdn. 16; dazu 1. und 2. Kap. 543 BayVGH, BayVBl 1976, 628 ff. 544 E. Forsthoff Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 9 ff, 28. 545 1.d.S. W. Rüfner, HStR, Bd. III, § 80, Rdn. 10.

3. Kapitel Privatheitsprinzip des Kommunalrechts

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vatheitsprinzip) nach als „außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge" angesehen werden, weil sie für die Verwirklichung eines öffentlichen Zwecks nicht erforderlich sind. Die Regelung der Ziffer 4 des Art. 87 Abs. 1 BayGO ist wie die gleichlautende Ziffer 4 des Art. 73 Abs. 1 BayBezO mißlungen, weil sie einen nicht differenzierungsfähigen Begriff, den der „kommunalen Daseinsvorsorge", aufgegriffen hat, der die Agenda der Gemeinden nicht in solche, zu denen sie nur subsidiär befugt sind, und solche, die sie ohne Rücksicht auf das Privatheitsprinzip, falls es solche überhaupt gibt, unternehmen dürfen, zu unterscheiden vermag. Der Sache nach erweitert diese Vorschrift die der Ziffer 1 nicht. Sie hat, abgesehen von dem mißglückten Passus von der „kommunalen Daseinsvorsorge", allenfalls klarstellende Relevanz. Weil der Zweck sachgerechte Vermessung ebenso gut privat erfüllt werden kann, verletzt die Entscheidung für die Einrichtung von Vermessungsämtern und deren Betrieb nicht anders als die für den Betrieb von kommunalen Vermessungsunternehmen in einer Form des Art. 86 BayGO auch Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO. Auf dessen Einhaltung haben die beratenden Vermessungsingenieure ein Recht. Die Entscheidungen für die Einrichtung kommunaler Vermessungsämter erfüllen die tatbestandlichen, insbesondere subsidiaritätsrechtlichen, Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO nicht und verstoßen gegen den in Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO zusätzlich deklarierten Subsidiaritätsgrundsatz. Die kommunalen Vermessungsämter werden daher ohne Rechtsgrundlage betrieben. Hierdurch werden die freiberuflichen Vermessungsingenieure in ihren Rechten verletzt; denn sie sind durch die kommunalen Vermessungsämter in ihren Marktinteressen, aber auch als Bürger ihrer Gemeinden betroffen. Sie können daher mit Erfolg auf Schließung des Vermessungsamtes, d.h. auf Aufhebung des Verwaltungsaktes, das Amt einzurichten und zu betreiben, klagen.

V. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art. 87 BayGO Gegen Art. 87 BayGO, Art. 73 BayBezO bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Verletzte Normen der Verfassung können sein: das Willkürverbot, das republikanische Prinzip der Staatlichkeit, das auf die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG, jedenfalls auf die allgemeine Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gestützte Privatheitsprinzip (menschenrechtliches Subsidiaritätsprinzip) und das rechtsstaatliche Bestimmtheitsprinzip.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

1. Willkürverbot

der Republik

Das Willkürverbot, welches entgegen der Praxis und herrschenden Lehre nicht in Art. 3 Abs. 1 GG, sondern in Art. 2 Abs. 1 GG verankert ist 546 , schützt vor sachwidrigen oder unbegründbaren rechtlichen Gleich- und Ungleichbehandlungen547. Wie sich herausgestellt hat, ist der Begriff „öffentliches Unternehmen" ein Widerspruch in sich, weil die typische Bedingung unternehmerischer Tätigkeit, die Privatheit, bei öffentlichen Unternehmen nicht erfüllt ist. „Öffentliche Unternehmen" und private Unternehmen sind wesensverschieden548. In ihren Wirkungsmöglichkeiten nach außen werden die öffentlichen Unternehmen aber den privaten Unternehmen auf dem Markt gleichgestellt. Umgekehrt sind jedenfalls die kommunalen Vermessungsämter gegenüber den freiberuflichen Vermessungsbüros sachlich wie rechtlich privilegiert, weil sie als Ämter der unmittelbaren Kommunalverwaltung kein Insolvenzrisiko, welches ebenfalls ein typisches Merkmal des Unternehmens ist 549 , tragen. Das ist sachwidrig 550 . Durch den Zweck ist dies nicht gerechtfertigt, weil dieser ebenso gut durch private Vermessungsbüros erfüllt werden kann.

2. Prinzip republikanischer Staatlichkeit (Art 20 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) Der Wettbewerb des Staates mit Privaten widerspricht, anders als die Fiskusdoktrin meint, den republikanischen Staatsprinzipien (Art. 20 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) 5 5 1 . Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht „alle Staatsgewalt vom Volke aus". „Alle staatlichen Einrichtungen sind Einrichtungen des Volkes in dessen Staatlichkeit" 552 . Die Gemeinden sind Teil der Länder und damit Teil der Bundesrepublik Deutschland. Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG „den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Sinne dieses Grundgesetzes ent-

546

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 374 ff.; 413 ff.; 768 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II; ders, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 369 ff. 547 Dazu Hinweise in Fn. 638, auch Fn. 325, 667, 686; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 f f , 978 f f , 990; ders, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 369 ff. 548 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 322 ff. 549 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 316 f. 550 Vgl. allgemein zum Sachlichkeitsprinzip K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 f f , 322 f f , 333 ff.; ders, Res publica res populi, S. 413, 674 f f , 897 f f , 984 f f , 991 ff. 551 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f , passim. 552 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 372.

3. Kapitel Privatheitsprinzip des Kommunalrechts

147

sprechen'4. Wenn Art. 87 BayGO und Art. 73 BayBezO die Kommunen bzw. Bezirke zum Wettbewerb mit Privaten ermächtigen wollen, würde das den Staat entstaatlichen553. Als Wettbewerber dürfen die Gemeinde- und Bezirksunternehmen nicht agieren. Das erweist auch das Verbot der Gewinnmaxime des Art. 87 Abs. 2 S. 2 BayGO und des Art. 73 Abs. 2 S. 2 BayBezO. Als besondere Verwaltungen sind die Unternehmen der Gemeinden nach Art. 86 und Art. 87 BayGO nicht verfassungswidrig, wenn und soweit ihr Handeln den Grundsätzen des öffentlichen (Staats-)Rechts genügt, insbesondere den Kompetenzgrenzen, den Legitimationsprinzipien (demokratisches Prinzip) und den Grundrechten. Eine den Rechtsformen des Privatrechts verbundene Privatheitlichkeit, wie sie Art. 87 Abs. 3 BayGO vorsieht, steht den Gemeinden nicht zu 554 . Dasselbe gilt für die Bezirksunternehmen nach Art. 72, 73 BayBezO. Die Vorschriften des Privatrechts sind allerdings weitgehend gegenüber der Dichotomie des Staatlichen und des Privaten neutral und können, insoweit sie neutral sind, modifiziert in der staatlichen und kommunalen Verwaltung angewandt werden 555 .

3. Subsidiaritätsprinzip

/Privatheitsprinzip

Überdies verstößt die durch Art. 86, 87 BayGO und Art. 72, 73 BayBezO geschaffene Möglichkeit, kommunale oder bezirkliche Unternehmen zu errichten, gegen das aus den Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu folgernde menschenrechtliche Subsidiaritätsprinzip oder Privatheitsprinzip (Grundsatz und Vorrang der privaten Lebensbewältigung)556. Insbesondere die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG setzt die Privatheitlichkeit der Lebensbewältigung voraus, weil Eigentum in prinzipiell privaten Rechten des Eigenen besteht557. Aber auch die Berufsfreiheit schützt die weitestmögliche

553

Dazu allgemein K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f , 357 ff.; ders. y Res publica res populi, S. 386 ff.; ders.> Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI; ders. y Eigentümer globaler Unternehmen, S. 419 f , 420 f. 554 Vgl. K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 f f , 253 f f , 266 f f , passim; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, S. 419 f , 420 ff.; dazu die Kritik der Fiskusdoktrin im 4. Teil, 3. Kap. 555 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 10 f f , 32 f f , 45 f f , 51 f f , 80 f f , 248 f f , 384. 556 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 f f , 261 ff.; ders. Res publica res populi, S. 368 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV; ders. 9 Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 f.; vgl. auch ders , Das Sozialprinzip, S. 62 ff.; dazu 1. Kap, III, auch 2. Kap. 557 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 386 ff.; ders. y Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 744 f f , 752 f f , 763 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 10. Kap, I, II, 111,3.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Privatheitlichkeit des Berufslebens, um die bestmögliche Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit zu gewährleisten 558. Das Subsidiaritätsprinzip normiert den grundsätzlichen Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung vor staatlichem Handeln. Wenn die Privaten eine Lebensaufgabe bewältigen können, muß der Staat ihnen diese belassen. Der Gesetzgeber hat diesen Grundsatz in Art. 87 Abs. 1 Nr. 4, aber auch implizit in Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO und genauso (wortgleich) in Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 1 BayBezO, berücksichtigt, aber in der näheren Materialisierung der Vorschrift nicht konsequent verwirklicht. Prinzipiell muß die marktliche Sozialwirtschaft privatheitlich sein, weil Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit nur privatwirtschaftlich möglich sind 559 . Demgemäß ist die Europäische Gemeinschaft (der Gemeinsame Markt und der Binnenmarkt) „dem Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" verpflichtet (Art. 4, Art. 98 und 105 EGV). Das postuliert die Privatheitlichkeit der Unternehmen in der Wirtschaft 560 . Die Rechtsprechung bleibt zurückhaltend. Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG schützen nach Auffassung der Verwaltungsrechtsprechung nicht vor Konkurrenz durch Staat oder Gemeinden, solange die privatwirtschaftliche Betätigung nicht unmöglich gemacht oder unzumutbar eingeschränkt wird oder eine unerlaubte Monopolstellung entsteht, also existenzbedrohend ist 561 . Diese Ansicht korrespondiert der Gesetzeslage und den Anforderungen der Bayerischen Verfassung. Nach Art. 95 Abs. 2 BayGO und Art. 153 BV dürfen gemeindliche Unternehmen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe bewirken. Diese Gesetzeslage und Praxis sind jedoch zu kritisieren, weil der Wettbewerb des Staates auf dem privaten Markt immer, nicht nur in existenzbedrohenden Fällen, unzumutbar und rechtswidrig ist. Der Staat darf unter (republikanischem) Recht mit Privaten nicht in Wettbewerb treten 562 .

558

Dazu 1. Kap, IV. KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 388. 560 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 388; dazu 3. Teil. 561 BVerwG, BayVBl. 1995, 698; BVerwGE 17, 306 (314); 39, 329 (336); BVerfG, NJW 1978, 1540; vgl. i.d.S. auch BGHZ 82, 375 (381 ff.), gestützt auf § 1 UWG; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 347 f f , 359; vgl. die umfangreichen Untersuchungen von P.-M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991. 562 Dazu genau K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff. und passim. 559

3. Kapitel Privatheitsprinzip des Kommunalrechts

149

4. Bestimmtheitsgrundsatz Die Begriffe in den Gesetzen, insbesondere die Voraussetzungen von Ausnahmetatbeständen, müssen bestimmt sein 563 . Dies ist wegen Art. 20 Abs. 2 GG sowohl ein freiheitlich-demokratisches als auch unter dem Funktionenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ein rechtsstaatliches, also ein republikanisches, dem Autonomieprinzip erwachsendes Postulat an den Gesetzgeber. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Verwaltung an die Gesetze gebunden. Das ist nur möglich, wenn die Gesetze bestimmen, wie die Verwaltung handeln soll, also hinreichend bestimmt sind. Der in Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO und in Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO verwendete Begriff der „kommunalen Daseinsvorsorge" ist materiell unbestimmt, nämlich formal. Die Verwendung eines solchen Blanketts in dieser Vorschrift ist untragbar, weil er als tatbestandliche Voraussetzung für die Geltung des Subsidiaritätsprinzips fungiert. Wie gezeigt, kann dieses Prinzip lediglich greifen, wenn die Gemeinde mit reiner Gewinnerzielungsabsicht oder außerhalb ihrer örtlichen Zuständigkeit oder des öffentlichen Zwecks im übrigen tätig wird. Dann darf sie aber das Unternehmen ohnehin aus den nämlichen Gründen nicht errichten und betreiben. Das Subsidiaritätsprinzip des Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO und Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO ist somit funktionslos und eine überflüssige, nicht erforderliche Regelung. Versucht man den Begriff der Daseinsvorsorge dagegen materiell zu deuten, was überzeugend bisher nicht gelungen ist, und ihn an den herkömmlichen gemeindlichen Aufgaben auszurichten, orientiert an den in Art. 83 BV, Art. 57 BayGO genannten Beispielen, ist nicht nur das Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigt (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV), sondern auch der Willkür Tür und Tor geöffnet. Rechtssätze müssen so bestimmt sein, daß die Verwaltung aus ihnen (mittels rechtswissenschaftlicher Auslegungsmethoden) erkennen kann, was Recht ist. Die Verwaltung steht nämlich wegen des ebenso freiheitlichen wie demokratischen Prinzips unter dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt. Dem werden Art. 87 Abs. 1 Nr.4 BayGO, Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO nicht gerecht, weil die Verwaltung in jedem Einzelfall den Begriff der Daseinsvorsorge neu materialisieren müßte und auf diese Weise selbst Recht setzen würde. Dies ist aber der Volksvertretung von Bund, Ländern oder Gemeinden vorbehalten (Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 und 2 GG). Mittels des Be-

563

BVerfGE 3, 255 (243); 9, 137 (147, 149); 13, 153 (160 f.); 20, 156 (158 f.); 21, 245 (261); 27, 1 (8); 34, 165 (199 f.); 35, 348 (359); 41, 378 (399); 42, 263 (278); 78, 205 (212); 84, 133 (149); 87, 234 (263); K.A. Schachtschneider , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 306 ff.; ders. y Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 411 ff.; ders. y Res publica res populi, S. 850 f f , 868 f f , 888 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

griffs „Daseinsvorsorge" wird das Handeln der Verwaltung nicht bestimmt oder gebunden.

5. Ergebnis Die Vorschriften über die Errichtung kommunaler Unternehmen, insbesondere Art. 87 Abs. 1 BayGO und Art. 73 Abs. 1 BayBezO, sind verfassungswidrig. Hierauf können sich die freiberuflichen Vermessungsingenieure wegen des Privatheitsprinzips auf Grund der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, jedenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG, berufen. Zumindest Art. 2 Abs. 1 GG schützt die Vermessungsingenieure nämlich in ihrer unternehmerischen Betätigung vor rechtsgrundlosem, willkürlichem staatlichen Wettbewerb. Die Regelungen sind unbestimmt, zuwider der Staatlichkeit des Staates und erlauben Willkür. Auch dadurch sind sie grundrechtswidrig; denn Art. 2 Abs. 1 GG gibt das Grundrecht, nicht entgegen den Prinzipien der Verfassung und des Verfassungsgesetzes von der Verwaltung in seiner Privatheit beeinträchtigt zu werden. Die Frage der Verfassungswidrigkeit des Art. 87 Abs. 1 BayGO müßte das zuständige Verwaltungsgericht dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Klärung vorlegen (konkrete Normenkontrolle).

VI. Vermessungsämter in der Funktion von Kommunalunternehmen Die verwaltungsbehördliche Organisationsform der Vermessungsämter (im Gegensatz zu einer Unternehmensform im Sinn des Art. 86 BayGO) stellt diese freilich nicht davon frei, daß deren Staatlichkeit oder Kommunalität vor dem Privatheitsprinzip gerechtfertigt werden muß. Das bayerische Recht formuliert das Subsidiaritätsprinzip zwar in der Haushaltsordnung (Art. 65 Abs. 1 Nr. 1) und in der Gemeindeordnung (Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4) 5 6 4 sowie der Bezirksordnung (Art. 72 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4) nur für die staatlichen bzw. gemeindlichen oder bezirklichen Unternehmen, aber dennoch gilt das Privatheitsprinzip oder eben das aufgabenrechtliche Subsidiaritätsprinzip für alle staatlichen und kommunalen Tätigkeiten, wie dargetan ist. Weder der Staat noch die Kommunen haben angesichts des subsidiaritätsrechtlichen Privatheitsprinzips eine fraglose Allzuständigkeit 565 . Das Privatheitsprinzip ist, wie dargelegt, zum einen verfassungsrechtlich, nämlich vor allem grundrechtlich, 564 K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fr tische, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 67 f f , 71 f f , 75 ff. 565 Zur Allzuständigkeit der Gemeinden vgl. Fn. 489; B.E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 157.

3. Kapitel Privatheitsprinzip des Kommunalrechts

151

und zum anderen gemeinschaftsrechtlich, nämlich grundfreiheitsrechtlich im Sinne des Binnenmarktprinzips und wirtschaftsverfassungsrechtlich im Sinne des Markt- und Wettbewerbsprinzips begründet 566. Auch dem bayerischen Verfassungsrecht ist mit dem Subsidiaritätsprinzip das Privatheitsprinzip zu entnehmen567. Der grundfreiheitsrechtliche Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Gestaltung der öffentlichen Gewalt in Art. 45 EGV entfaltet gerade wegen des Privatheitsprinzips begrenzte Wirkung und vermag die Organisation des Staates und der Kommunen nicht von dem subsidiaritätsrechtlichen Privatheitsprinzip freizustellen 568. Es kann rechtens nicht darauf ankommen, ob der Staat oder die Kommunen eine Aufgabe, welche sie an sich ziehen, öffentlichrechtlich in verwaltungsbehördlicher Form ausführen oder privatrechtlich oder auch öffentlich-rechtlich in unternehmerischer Form. Die Rechtsformen sind in der Praxis austauschbar, weil die Praxis (zu Unrecht) sich eines Rechtsformenwahlrechts rühmt und damit von der praxisapologetischen Lehre gestützt wird 5 6 9 . Maßgeblich ist allein die Substanz der Aufgaben, die es zu rechtfertigen vermag, daß der Staat oder die Kommunen sich ihrer annehmen. Das hängt von der Notwendigkeit dessen ab, daß der Staat oder die Kommunen die Aufgaben übernehmen, weil anders, nämlich privatheitlich durch Private, das Gemeinwohl nicht verwirklicht werden kann. Alle Aufgaben können nämlich in staatlicher oder kommunaler Verwaltung oder durch Unternehmen, welche durch die Privatheitlichkeit definiert sind, erledigt werden 570 . Alle Organisationsformen, auch die kommunaler Unternehmen, werden genutzt. Für die subsidiaritätsrechtliche Lage ist die Organisationsform unerheblich. Es gibt keine Aufgaben, welche genuin staatlich oder genuin privatheitlich wären 571 . Daraus erwächst das allgemeine Subsidiaritätsprinzip, das, wie dargelegt, als Privatheitsprinzip zu begreifen ist 572 . Allenfalls das Verfassungsgesetz vermag die Staatlichkeit von Aufgaben vorzuschreiben. Auch das ist ausgeführt 573. Über das Vermessungswesen sagt die Bayerische Verfassung nichts. In Art. 83 BayVerf, der den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden umschreibt, ist das Vermessungswesen nicht aufgeführt. Der Begriff der kommunalen Daseinsvorsorge, den Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO genauso wie Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO nutzen, ist gänzlich unergiebig, weil alle kommunalen und alle staatlichen Tätigkeiten der Daseins-

566 567 568 569 570 571 572 573

Dazu 3. Teil, 2. Kap. Dazu 6. Teil. Dazu 3. Teil, 2. Kap. Dazu Fn. 850 f f , auch Fn. 123 f. Dazu 2. Teil, 3. Kap.; auch 4. Teil, 5. Kap. Dazu 2. Teil, 3. Kap. Dazu 3. Teil. 2. Teil, 3. Kap.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Vorsorge zu dienen haben. Der Begriff der Daseinsvorsorge, den Ernst Forsthoff in das Verwaltungsrecht eingeführt hat 574 , birgt keinerlei Unterscheidungspotential575. Kommunale Tätigkeiten, welche nicht Daseinsvorsorge sind, aber auch nicht der Gewinnerzielung dienen, gibt es schlicht nicht. Die Gewinnerzielungsabsicht ist den Kommunen und Bezirken aber durch Art. 87 Abs. 2 S. 1 BayGO bzw. Art. 73 Abs. 2 S. 1 BeyBezO untersagt. Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO und Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO sind mißglückt. Es bleibt beim allgemeinen Privatheitsprinzip, welches bereits in Nr. 1 dieser Vorschriften, welche die Befugnis der Gemeinden oder Bezirke in Bayern, ein Unternehmen zu betreiben, davon abhängig machen, daß „ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert". Das Unternehmen muß also für das gemeine Wohl der Gemeinde oder des Bezirksn notwendig sein, welches der staatliche Gesetzgeber oder der kommunale oder bezirkliche Satzungsgeber zu definieren haben. Das gilt, wie gesagt, als Privatheitsprinzip allgemein. Der Substanz nach ist das Vermessungswesen, wenn man es mit der Praxis in anderen Ländern Deutschlands und in anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft oder auch darüber hinaus vergleicht 576 , eine freiberufliche und unternehmerische Aufgabe, die zu verstaatlichen oder zu kommunalisieren nicht nur nicht üblich, sondern nicht begründbar und darum nicht zu rechtfertigen ist. Auch die Tätigkeiten der Vermessungsingenieure sind nicht typisch für Verwaltung. Es sind technische Arbeiten, welche die Vermessungstätigkeit charakterisieren, eben das Vermessen, nicht aber das Verwalten im typischen Sinne, dessen Charakteristikum der Gesetzesvollzug mittels Verwaltungsakten ist. Eine Ausnahme ist in begrenztem Umfang im Katasterwesen zu machen, soweit die Katasterämter nicht vermessen, sondern verzeichnen und die Verzeichnisse öffentlich machen. Soweit deren Aufgaben zentralisiert sein müssen, eignen sie sich weniger als private Aufgabe.

57 4 E. Forsthoff Die Verwaltung als Leistungsträger, S. 5 f f ; dazu auch B.E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 265 f f 57 5 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 348 f f ; B.E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 256 ff. 576 Dazu 4. Teil, 4. Kap, III.

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

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4. Kapitel

Judiziabilität des Privatheitsprinzips

I. Materiale Judiziabilität 1. Die Judiziabilität des Privatheitsprinzips folgt aus den hochrangigen Rechtsgrundlagen, zum einen denen des Verfassungsrechts, sowohl der Verfassung an sich als auch dem Verfassungsgesetz, dem Grundgesetz, zum anderen denen des europäischen Gemeinschaftsrechts. Der hohe Rang der Rechtsgrundlagen steht der Judiziabilität, entgegen verbreiteter Praxis, gerade nicht entgegen, sondern drängt, die Judiziabilität um des Rechts willen zu fördern; denn das Recht bedarf des Rechtsschutzes577. Auch das kommunale Subsidiaritätsprinzip, der Sache nach das Privatheitsprinzip im gemeindlichen Wirkungsbereich, hat seine tiefere Rechtsgrundlage in dem menschheitlichen Freiheitsprinzip, aus dem das Privatheitsprinzip erwächst 578; denn Freiheit verwirklicht sich einerseits in den allgemeinen Gesetzen, soweit diese um des allgemeinen Interesses willen erforderlich sind, d.h. um die Gemeinverträglichkeit des Handelns der Menschen sicherzustellen, und andererseits im Rahmen der allgemeinen Gesetze in der Privatheitlichkeit des jeweils besonderen Weges des Menschen zu seinem Glück, der nach Art. 2 Abs. 1 GG das Recht hat, seine Persönlichkeit frei zu entfalten, d.h. seine Persönlichkeit zu entfalten, ohne anderen zu schaden 579 . Deswegen verbindet das allgemeine Freiheitsprinzip des Grundgesetzes das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit mit dem freiheitsrechtlichen Allgemeinheitsprinzip, welches das freie Handeln des einzelnen Menschen notwendig beschränkt, nämlich dem der Gesetzlichkeit580, welches der Grundrechtstext in dem Soweit-Satz zum Audruck bringt; denn wer frei ist, darf die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und (insbesondere) das Sittengesetz nicht verletzen 581. Das Sittengesetz ist das ethische Gesetz der Freiheit, 57 7 K Stern , Staatsrecht I, S. 838 f f , 841 f , 854; A. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, 1987, §24, Rdn. 70; H.-J. Papier , Justizgewähranspruch, HStR, Bd. VI, 1989, § 153, Rdn. 16 f f , 56 ff.; KA. Bettermann , Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, 1988, § 73, Rdn. 27 ff.; KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 361. 578 Dazu 1. und 2. Kap. 57 9 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 203, 273 f f , 326 f , 333 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, V, VI, VII, 5. Kap, III, 8. Kap, II, III. 580 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 126 ff, 171 f f , 211 f f , 277 f f , 347 f f , 437 f , 519 f f , 858 f f , passim; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, VI, 5. Kap, II, 3, 7. Kap. 581 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 f f , 325 f f , 378 f f , 427 f f , 519 f f , passim; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, VI, VII, 5. Kap, II, 7. Kap, 8. Kap.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

der kategorische Imperativ 582 . Das Sittengesetz kann nur verwirklicht werden, wenn das Handeln der Menschen dem Prinzip der Gesetzlichkeit folgt, wenn also vor dem Handeln allgemeine Gesetze als die Gesetze aller gegeben werden 583 . Diese Gesetze muß das Handeln achten, das im übrigen der freien Willkür, also der alleinbestimmten Autonomie des Willens folgt. Dieses Privatheitsprinzip, ist der Grundsatz und darüber hinaus den Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung vor der staatlichen Lebensbewältigung584. Nach diesem menschheitliche Subsidiaritätsprinzip, dürfen der Staat und auch die Kommunen zum Handeln nur befugt werden, wenn hinreichende Gründe des Gemeinwohls das notwendig machen und dadurch rechtfertigen. Die Verstaatlichung oder die Kommunalisierung der Aufgaben ist eine Sache der praktischen Vernunft, die es gebietet, der jeweilen Lage gerecht zu werden 585 . Sie ist damit Sache der Gesetzgebung bzw. der Satzung, welche den allgemeinen Willen des Volkes oder den allgemeinen Willen der Kommune zum Ausdruck bringen 586 . Das Privatheitsprinzip ist aber ein Rechtsprinzip 587, welches in unterschiedlichen Rechtsvorschriften auf verschiedenen Ebenen der Rechtsordnung verankert ist. Als Rechtsprinzip muß das Privatheitsprinzip die Gesetzgebung und die Satzung verbindlich leiten. Demgemäß ist die Rechtsprechung dem Privatheitsprinzip verpflichtet; denn die Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Insbesondere ist die Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden, wie Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich klarstellt. Keinesfalls darf die Rechtsprechung den Wesensgehalt der Grundrechte antasten lassen (Art. 19 Abs. 2 GG) 588 . Die Mißachtung der Berufsfreiheit durch die objektive Zulassungsschranke der weitgehenden Verstaatlichung und Kommunalisierung des Vermessungswesens ist (wie das einstige Arbeitsvermittlungsmonopol) fraglos judiziabel. Ebenso sind die Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts verbindlich wie Grundrechte 589 und werden vom Europäischen

582 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 259 f f , passim; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, 3. Kap, passim. 583 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 f f , 325 f f , 340 f f , 519 ff, 560 f f , 584 f f , 637 f f , 707 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VI, VII, 3. Kap, II, 5. Kap, II, 7. Kap, I, II, III. 584 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 f f , 386 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV, VI. 585

Dazu 1 , 2 . und 4. Kapitel.

586

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 f f , 560 f f , 637 f f , 707 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II, 3, 7. Kap. 587

1, 2. und 4. Kap.; vgl. Hinweise in Fn. 250 ff.

588

Dazu grundlegend P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz; vgl. auch K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 7. Kap, II. 589

Hinweise in Fn. 396 ff.

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

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Gerichtshof (trotz ihrer großen Offenheit) als erkenntnisleitende Grundsätze des Gemeinschaftsrechts judiziert 590 . Dennoch hat die Rechtsprechung bislang das Subsidiaritätsprinzip, welches grundrechtlich mit dem Privatheitsprinzip identisch ist, nicht judiziiert, sondern dessen Judiziabilität zurückgewiesen 591. Die Lehre folgt, wie zumeist 592 . Die bayerischen Gerichte haben dem Subsidiaritätsprinzip des kommunalen Unternehmensrechts bislang kein subjektives Recht der interessierten Unternehmer entnommen, die kommunalen Unternehmen zu unterbinden, die vor dem Subsidiaritätsprinzip nicht gerechtfertigt werden können 593 . Auf den Bereich der Daseinsvorsorge haben sie das Subsidiaritätsprinzip gar nicht erst angewandt594 und damit diesem Prinzip die Wirkung genommen. Diese Judikatur hat der Gesetzgeber in den neuen Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO und Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO aufgegriffen und das kommunalunternehmensrechtliche Subsidiaritätsprinzip auf kommunale Unternehmen beschränkt, welche nicht der Daseinsvorsorge dienen. Der Begriff der Daseinsvorsorge ist umfassend und erlaubt es nicht, irgendeine staatliche oder kommunale Tätigkeit aus dem Begriffsbereich hinaus zu definieren 595. Jede gemeindliche Tätigkeit hat Daseinsvorsorge zu sein und ist Daseinsvorsorge, soweit sie mit Rechtsprinzipien vereinbar ist. Darum sind Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO ebenso wie Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 BayBezO schon wegen ihrer Begriffswidrigkeit rechtsstaatswidrig 596. Die Verweigerung des Rechtsschutzes für das Privatheitsprinzip oder eben das Subsidiaritätsprinzip staatlicher kommunaler Agenden ist nicht tragfähig. Es ist richtig, daß die Gerichte den Gesetzgebern oder den Satzungsgebern den Vorrang bei der Materialisierung noch offener Prinzipien lassen und die Politik des Gesetzgebers oder Satzungsgebers nur mit Zurückhaltung überprüfen 597. Sie dürfen aber ein Rechtsprinzip nicht leerlaufen lassen, zumal nicht ein menschheitliches, durch die Freiheit begründetes Rechtsprinzip, wie das Privatheitsprinzip. Zumindest gegen evidente Verletzungen des Privatheitsprinzips

590

Hinweise in Fn. 396 f f , 447 ff. BayVGH, BayVBl. 1959, 90 ff.; BayVBl. 1976, 628 ff.; OVG Münster, NVwZ 1986, 1045 ff.; tendenziell wie der Text OLG Hamm, JZ 1998, 577; VGH Mannheim, NJW 1984, 251 ff.; vgl. auch BVerwGE 39, 329 (330 ff.). 592 M. Ronellenfitsch , HStR, Bd. III, § 84, Rdn. 33; vgl. D. Ehlers , Verwaltung in Privatrechtsform, S. 98 f.; ü. Schliesky , Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 125 ff.; weitere Hinweise in Fn. 250, 252 ff. 593 BayVGH, BayVBl. 1959, 90 ff.; BayVBl. 1976, 628 ff. 594 Vgl. vorstehende Fußnote. 595 Dazu 3. Kap. 596 Dazu 3. Kap.; K.A. SchachtschneiderlA. Emmerich-Fr tische, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 75 ff. 597 Dazu K.A . Schachtschneider, Res publica res populi, S. 955 f f ; etwa BVerfGE 73, 301 (317). 591

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

wie die der bayerischen Verstaatlichung des Vermessungswesens müssen die Gerichte um der Freiheit und damit um der Privatheit willen Rechtsschutz geben. 2. Das Subsidiaritätsprinzip ist in der jüngeren Rechtsentwicklung deutlich gestärkt worden. Das Grundgesetz hat das Integrationsprinzip in dem EuropaArtikel des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG unter den Subsidiaritätsvorbehält gestellt, und das Gemeinschaftsrecht hat den Subsidiaritätsgrundsatz in Art. 5 Abs. 2 EGV, aber auch in Art. 2 Abs. 2 EUV verankert 598. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich verpflichtet, Meinungsverschiedenheiten darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG entspricht, der das bundesstaatsrechtliche kompetentielle Subsidiaritätsprinzip im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung regelt 599 , nachdem das Bundesverfassungsgericht sich mit der Judizierung dieses kompetentiellen Subsidiaritätsprinzips jahrzehntelang übermäßig zurückgehalten hatte 600 . Auch im Bereich des kommunalen Unternehmensrechts gibt es Judikate, wenn auch nur vereinzelt, welche dem kommunalünternehmensrechtlichen Privatheitsprinzip Rechnung tragen 601. 3. Der Europäische Gerichtshof pflegt die Grundfreiheiten als Deregulierungs- und damit als Entstaatlichungsprinzipien zu handhaben602, so daß das Privatheitsprinzip der Grundfreiheiten und damit des Binnenmarktes durch eine eingeübte Rechtsschutzpraxis gestützt ist 603 , welche die Vergemeinschaftung der Lebensverhältnisse durch Entstaatlichung derselben fördert; denn die Staatlichkeit der Lebensbewältigung ist notwendig national, während die Deregulierung und damit die Privatisierung, welche dem Subsidiaritätsprinzip entspricht, inter-, wenn man so will: supranational, also gemeinschaftlich, europäisch ist. Ob diese entstaatlichende Deregulierung die Privatisierung der Lebensverhältnisse überzieht, indem sie die Lebensverhältnisse auch entdemokratisiert und entsozialisiert, ist eine Sorge, welche mit dem Integrationismus der Gemeinschaftsentwicklung verbunden ist 604 , aber das gemeinschaftsrechtliche Privatheitsprinzip insgesamt nicht in Frage stellt, jedenfalls nicht für ordnungspolitische Fra598

Dazu 3. Teil, 2. Kap. BT- Dr. 12/ 6633, S. 8; vgl. Ch. Degenhart, Kommentierung zu Art. 72, in: M. Sachs, Grundgesetz, 1996, Rdn. 10. 600 BVerfGE 1, 264 (277 f.); 2, 213 (224 f.); 10, 234 (245); 13, 230 (233 f.); 33, 224 (229); 34, 9 (39); 39, 96 (114 f.); 65, 1 (63); 65, 283 (289); 67, 299 (327); durchaus differenziert, tendenziell im Sinne einer nicht unüberprüfbaren Ermessensentscheidung. 601 Etwa OLG Hamm, JZ 1998, 577; VGH Mannheim, NJW 1984, 251 ff. 602 Hinweise in Fn. 371 ff. 603 Dazu 2. Kap. 604 Dazu K.A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, S. 51 ff.; ders.y Demokratiedefizite der Europäischen Union, S. 133 ff.; vgl. auch ders, Eigentümer globaler Unternehmen, S. 430 f. 599

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

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gen, welche die soziale Realisation in keiner Weise berühren, wie die Privatisierungsproblematik des Vermessungswesens. 4. Die Aufgabenteilung zwischen dem Staat und den Privaten ist eine Frage der praktischen Vernunft, die, wie gesagt, von dem Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung geleitet sein soll, aber doch von der jeweiligen Lage eines Aufgabenfeldes abhängig ist. Keinesfalls darf die Aufgabenzuteilung, die der Gesetzgeber vornimmt, dem Willkürverbot widersprechen 605. Um der Freiheit willen muß die Aufgabenordnung praktisch vernünftig, d.h. sachlich gerechtfertigt sein. Die Staatlichkeit der Aufgaben muß durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden können. Sie muß darüber hinaus notwendig sein, wenn der Staat überhaupt geeignet ist, eine Aufgabe zu übernehmen. Die Geeignetheit der staatlichen Verwaltung für die Aufgabenbewältigung und die Notwendigkeit der staatlichen Aufgabenbewältigung sind Prinzipien, gegen die staatliches Handeln nicht gerechtfertigt werden kann. Die Judiziabilität der Begriffe Geeignetheit und Notwendigkeit ist in vielen Bereichen des Rechts ständige anerkannte Praxis 606 , zumal bei der Überprüfung von Grundrechtseingriffen auf deren freiheitsrechtliche Rechtfertigung. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit (oder eben Notwendigkeit) einer Maßnahme, um das (legale) Ziel zu erreichen, sind bewährte Elemente des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit 607 , welcher für die freiheitliche Rechtsordnung von größter Bedeutung ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat eine außerordentlich umfangreiche Rechtsprechung mit sich gebracht 608. Es ist das alte Rechtsprinzip des rechten Maßes 609 , welches die praktische Vernunft materialisiert 610 und Maßstab fast aller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist. Wenn auch die Prinzipien der Geeignetheit und Notwendigkeit von Maßnahmen für die Zielverwirklichung in jeder Sache eigenständig eingeschätzt werden müssen und zu jeweils unterschiedlichen Argumentationen führen, die von der jeweiligen Sachlage abhängen, so sind diese Argumente doch der Sachlichkeit zugäng-

605

Zum Willkürverbot vgl. den Hinweis in Fn. 325, 638, 667, 686. Etwa BVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); 36, 1 (17); 37, 1(20); 39,210(230); 40, 196 (222); 50, 290 (33); 88, 87 (96 0; 91, 389 (401); vgl. A. Emmerich-Fr tische, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 151 f , 207 ff. 607 Etwa BVerfGE 73, 301 (317). 608 Dazu A. Emmerich- Fritsche , Grundsatz der Verhältnismäßikeit, S. 140 ff.; vgl. auch K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 362 f.; 986 f f , vgl. auch S. 990 ff. 609 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 987; P. Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 161 f f , 248 ff. 610 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff, auch S. 990 ff.; A. Emmerich-Fr tische, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 57 ff. 606

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

lieh und verpflichtet. Sie sind damit judiziabel 611 . Sie sind Rechtsfragen und damit Gerichtsfragen, die nicht weniger gerichtlich entscheidbar sind als etwa die Willkür gesetzgeberischer Maßnahmen oder deren Unzumutbarkeit. Alle offenen Rechtsbegriffe, die typisch für hochrangige Rechtstexte, insbesondere Verfassungsgesetze, sind, zwingen zu Rechtserkenntnissen, die wenig berechenbar sind. Die geringe Bestimmtheit oder deren große Offenheit ist das Wesen der notwendig dynamischen Rechtsbegriffe schwer änderbarer, lange verbindlicher Rechtstexte612, wie der Verfassungsgesetze, aber auch der Texte des primären Gemeinschaftsrechts, das nur durch (völkerrechtliche) Verträge geändert werden kann, denen alle Mitgliedstaaten zustimmen. Die Judiziabilität wird jedoch durch die Offentheit der Begriffe nicht gehindert 613. Ohne Judiziabilität würden diese zwar nicht ihre Geltung, aber doch ihre Wirksamkeit und damit ihre faktische Verbindlichkeit einbüßen614, wie es bisher das Schicksal des nicht judizierten Subsidiaritätsprinzips war. Wegen der Grundrechtlichkeit des Privatheitsprinzips darf aber um des Rechts willens die Unverbindlichkeit nicht das Schicksal desselben sein. Es ist insoweit mehr Rechtsschutz vom Europäischen Gerichtshof zu erwarten, weil dieser die Gemeinschaftlichkeit der Lebensverhältnisse zu seiner Sache gemacht hat. Der Gerichtshof gilt als Motor der Integration 615 , der spezifisch durch die Deregulierung der mitgliedstaatlichen Ordnungen die Vergemeinschaftung fordern will. Das grundfreiheitliche Deregulierungspotential „verwaltet" der Gerichtshof. Er nutzt dieses nach Kräften. Das Privatheitsprinzip ist hinreichend material, wenn auch durchaus offen, um nach herkömmlicher Dogmatik Grundlage von Rechtsprüchen der Gerichte sein zu können. In der Vermessungsache ist die Erkenntnis der Privatisierungspflicht schon deswegen unschwer möglich, weil das Privatheitsprinzip (abgesehen von der eigenständigen Beleihungsproblematik) überall in der Welt, außer in Bayern, praktiziert wird. Selbst wenn dem Privatheitsprinzip eine Materialität abgesprochen würde, so bleibt es doch als formales Prinzip der praktischen Vernunft judiziabel, weil es sonst ohne Rechtsschutz wäre 616 . Die Rechtsschutzlosigkeit der Grundrechtsund der Grundfreiheitsprinzipien widerspricht jedoch dem hohen Rang dieser Prinzipien. Auch das Grundrecht der Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ist trotz sei-

611

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 f f , 990 f f ; vgl. auch die Hinweise zum Verhältnismäßigkeitsprinzip und zum Willkürverbot in Fn. 667, bzw. Fn. 325, 638, 686. 612 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1033 ff. 613 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 f f , 847 ff. 614 Zur Unterscheidung der Geltung und der Wirksamkeit von Rechtsvorschriften K.A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 50 ff. 615 K.A. Schachtschneider, Demokratiedefizite der Europäischen Union, S. 137 ff. 6,6 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 f f , 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II.

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

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ner Formalität judiziabel und hat einen unantastbaren Wesensgehalt im Sinne des Art. 19 Abs. 2 GG, der institutionell judiziabel ist 617 . Das Privatheitsprinzip aber ist wesentlicher Teil des Freiheitsprinzips, das an der institutionellen Judiziabilität teilhat.

I I . Institutionelle Judiziabilität Das Privatheitsprinzip gehört zum Wesensgehalt des Freiheitsprinzips und nimmt an dessen Judiziabilität teil. Der Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung ist (wenn nicht ein materiales, so doch zumindest ein formales) Prinzip der praktischen Vernunft und als solches ein höchstrangiges Rechtsprinzip. Zur Sittlichkeit des freiheitlichen Gemeinwesens, der Republik, gehört die bestmögliche Privatheit der Lebensverhältnisse, weil diese die freie Entfaltung der Persönlichkeit größtmöglich fordert. Wie das allgemeine Freiheitsprinzip ist somit das Privtheitsprinzip (institutionell) judiziabel. Das wird im Folgenden begründet.

1. Rechtlichkeit der Gesetze als Wesensgehalt der allgemeinen Freiheit Die allgemeine Freiheit ist durch das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Dieses Grundrecht entfaltet das konstitutionelle Prinzip der Menschenwürde 618 , die ihrerseits nach Art. 1 Abs. 1 GG unantastbar und die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist. Verletzungen der allgemeinen Freiheit sind somit zugleich Verletzungen der Menschenwürde. Jedenfalls genießt auch Art. 2 Abs. 1 GG den Wesensgehaltsschutz des Art. 19 Abs. 2 GG 6 1 9 . Das Bundesverfassungsgericht hat demgemäß eine Wesensgehaltsrechtsprechung zu Art. 2 Abs. 1 GG entwickelt, nach der dieses Grundrecht einen „Kernbereich", „eine Sphäre privater Lebensgestaltung", „einen letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit ... der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entziehe."620... Ein „Innenraum, ... in dem der Einzelne sich

6.7 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 f f , 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II; dazu II. 6.8 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 29; P. Häberle, HStR, Bd. I, § 20, Rdn. 67; W Maihofer, HVerfR, § 12 Rdn. 44 f f , S. 449 ff.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, HVerfR, 1984, S. 122 ff.; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 99 ff, 138 ff.; ders., Res publica res populi, S. 7 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 5, 15 f f , 31 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap, 2. Kap, II; vgl. i.d.S. auch BVerfGE 5, 85 (204). 619 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

selbst besitze und in den er sich zurückziehen könne und zu dem die Umwelt keinen Zutritt habe, in dem man in Ruhe gelassen werde und ein Recht auf Einsamkeit genieße", sei unantastbar 621. Daß es einen solchen uneindringlichen Raum nicht gibt, lehrt gerade die Umweltverschmutzung, insbesondere der (auch vom Staat verantwortete) Elektrosmog, mehr noch die Belauschung, der 1998 in Art. 13 Abs. 3 bis Abs. 6 GG gar eine verfassungsgesetzliche Grundlage geschaffen wurde. Die materialen Begriffe, die das Bundesverfassungsgericht verwendet, haben keine, jedenfalls keine subsumtive Rechtserkenntnisse ermöglichende Bestimmtheit, sondern müssen funktional gesetzgeberisch entfaltet werden. Unantastbare Bereiche des Menschen oder Bürgers lassen sich nicht empirisch ermitteln, sondern werden politisch festgelegt. Der Versuch, Sphären oder gar Räume der Freiheit zu definieren, schleppt die Schwäche jeder räumlichen Rechtsdogmatik mit, welche vor allem verkennt, daß die Freiheit ein Prinzip richtigen Handelns des Menschen im Gemeinwesen ist, nicht aber eine empirische Kategorie. Das Bundesverfassungsgericht dogmatisiert das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit, die es material versteht 622 . Dementsprechend leitet das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG besondere Freiheiten, die sogenannten unbenannten Freiheitsrechte, her 623 . Das erlaubt eine Dogmatik des Wesensgehaltsschutzes der besonderen, wenn auch unbenannten, Freiheiten, die sich in ihrer Materialität nicht von der Dogmatik der besonderen benannten Grundrechte des Grundgesetzes unterscheidet und auf die Identifizierung der Wesensgehaltsgarantie mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip hinausläuft 624 . Für die praktizierte Materialisierung des Grundrechts bietet der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG keinerlei Anhaltspunkte. Das wird als Un620

BVerfGE 6, 32 (41); vgl. i.d.S. auch BVerfGE 27, 344 (350 f.); 32, 373 (379); 34, 238 (245 ff.); 35, 202 (232); vgl. aber auch BVerfGE 65, 1 (42 ff.); 80, 367 (373); H.-U. Erichsen, HStR, Bd. VI, § 152, Rdn. 38; kritisch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 425 f f , S. 173 ff.; kritisch auch B. Pieroth/B. Schlink,, Grundrechte, Staatsrecht II, 12. Aufl. 1996, Rdn. 411 f f , S. 98 ff.; skeptisch gegenüber einem Wesensgehaltsschutz des Art. 2 Abs. 1 GG auch P Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, 1992, § 122, Rdn 32. 621 BVerfGE 27, 1 (6); 34, 269 (281); H.-U. Erichsen, HStR, Bd. VI, § 152, Rdn. 38; vgl. J. Wintrich, Zur Problematik der Grundrechte, 1957, S. 15 f , den das Bundesverfassungsgericht zitiert. 622 BVerfGE 6, 32 (36 ff.); st. Rspr, BVerfGE 54, 145 (146); 55, 169 (165 ff.); 59, 275 (278 ); vgl. aus jüngerer Zeit BVerfGE 89, 214 (231); 95, 267 (303); dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 185 f , 260 f f , 269 f f , 300 f f , 313, 441 ff, 460, 478 f f , 978 f f , 985 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, I, 6. Kap, I, 7. Kap, II; H.-U. Erichsen, HStR, Bd. VI, § 152, Rdn. 1 ff. 623

BVerfGE 7, 89 (92); 10, 55 (59); 17, 306 (313 ff.); 65, 1 (42 ff.); 80, 367 (373). So etwa P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 58 ff.; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 269 ff.; dazu A. Emmerich-Pritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 143 f. 624

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

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benanntheit der Freiheitsrechte zugestanden. Damit ist der äußerste Grad der materialen Offenheit der Grundrechte, deren Wesensgehalt das Bundesverfassungsgericht schützt, erreicht, die Textlosigkeit. Dieser Wesensgehaltsschutz ist der Sache nach nur noch die praktische Vernünftigkeit und materialisiert das formale Prinzip der Sachlichkeit. Solche Rechtserkenntnis ohne textliche materiale Bindung unterscheidet sich von der vom Sittengesetz aufgegebenen Materialisierung der formalen Freiheit nicht. Im Ergebnis ist diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu kritisieren. Die Praxis muß sich dem einzig möglichen Begriff der Freiheit, dem formalen, dem der Autonomie des Willens, fügen 625 , wenn auch ihre Dogmatik an einem materialen Freiheitsbegriff festhält, der seine Richtigkeit 1918 durch die republikanische Revolution verloren hat. Zu Recht aber hatte das Bundesverfassungsgericht seine politische Verantwortung für die Richtigkeit der Gesetze eines guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit, für deren Rechtlichkeit also, angenommen, jedenfalls bis zum Euro-Beschluß, in dem der Zweite Senat die Frage aufwirft, wie der „Gewährleistungsinhalt des Art. 2 Abs. 1 GG im einzelnen zu bestimmen und die Verletzung dieses Grundrechts von der bloßen Betroffenheit durch eine objektiv-rechtlich rechtswidrige Belastung abzugrenzen" sei 626 , und damit eine restriktive Dogmatik des Grundrechtsschutzes der (sogenannten) allgemeinen Handlungsfreiheit ankündigt, von der angesichts des individualistischen Liberalismus dieses Beschlusses, der die Bürger zu Untertanen ohne politische Verantwortung degradiert, nicht zu erwarten ist, daß sie zur Lehre von der allgemeinen Freiheit finden wird. Die Willensautonomie wäre aufgehoben, wenn die Selbständigkeit der Bürger verloren ginge. Dem entspricht es, wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber Grenzen zieht, welche auch allgemeine Ordnungen um des guten Lebens willen nicht überschreiten dürfen. Diese Grenzen werden in subjektiven Rechten der Privatheit materialisiert. Die Freiheit, welche Art. 2 Abs. 1 GG als Grundrecht der politischen Freiheit, als die Autonomie des Willens, schützt, verwirklicht sich in der allgemeinen Gesetzlichkeit, in der Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens 627 . Die Willensautonomie, die Freiheit, ist formal. Die Wirklichkeit der Freiheit bedarf in der Praxis des gemeinsamen Lebens der Materialität des Rechts. Das Gemeinwohl ist als Prinzip formal und wird, der Logik der Formalität der Freiheit folgend, erst durch Gesetze materialisiert. Aber auch das Prinzip der allgemeinen

625 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 f f , 325 f f , 410 f f , 427 f f , 494 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, II, VI, 5. Kap, 7. Kap. 626 BVerfGE 97, 350 (377); dazu die Kritik von K.A. Schachtschneider , Der EuroBeschluß des Bundesverfassungsgerichts, S. 19 f f , insb. S. 22 ff. 627 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 279 ff, 303 f f , 325 ff, 494 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, IV, 5. Kap, II, 3, 7. Kap, I, 2, 3.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Gesetzlichkeit ist ein Grundrecht, das subjektiven Rechtsschutz genießt, jedenfalls genießen sollte 628 . Die Materialisierung der Rechtlichkeit ist Sache des Gesetzgebers und die Logik jeder Gesetzlichkeit und damit die Logik des Gesetzgebungsstaates. Die Gesetze sind die verbindlichen Erkenntnisse des Richtigen für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit, vorausgesetzt die Erkenntnisse sind vom Sittengesetz geleitet und finden dadurch zum Recht 629 . Die verbindlichen Erkenntnisse werden in den Gesetzen formuliert und dadurch öffentlich. Das ist die Voraussetzung ihres Vollzuges durch die Bürger und deren staatliche Vertreter. Es gibt keine Gerechtigkeit ohne allgemeine Gesetze630, aber die Gesetze müssen die Menschheit des Menschen (Kant) 63\ die heute in den Menschenrechten positiviert ist, achten. In diesem Sinne gibt es ein „präpositives Recht", eine naturrechtliche „Ordnung der Dinge", eine rechtliche „Natur der Sache", ein „Naturrecht", aus dem die Richter schöpfen können, wie das René Marcic lehrt 632 . Wäre die Gesetzgebung unmittelbar konsensual633, käme ein materialer Wesensgehaltsschutz der allgemeinen Freiheit nicht in Betracht, weil jeder Bürger seine Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür, seine negative Frei-

628 Lange hat das Bundesverfassungsgericht das Gesetzlichkeitsprinzip als Rechtsstaatsprinzip mittels Art. 2 Abs. 1 GG als Verfassungsbesch werdefähig praktiziert, vgl. BVerfGE 6, 32 (40 f.); 9, 83 (88); 17, 306 (313 f.); 19, 206 (215); 19, 253 (257); 74, 129 (151 ff.), das im Euro-Beschluß BVerfGE 97, 350 (377) aber in Frage gestellt. 629 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff, 584 ff, 637 ff, 707 ff, 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, IV, 7. Kap, II. 630 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 f f , 536 ff, auch S. 858 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, 3, 7. Kap, I, 3, II, III. 631 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 63; ders., Metaphysik der Sitten, S. 381 f , auch S. 345. 632 Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat, S. 109 f f , 145 ff, 248 ff, 251, 258, 275 ff. u.ö, der sich dem restaurativen Zeitgeist in den 50er Jahren gemäß freilich gegen den Rousseauismus wendet (S. 279 ff.) und den aufklärerischen Subjektivismus des Willens als Voluntarismus denunziert (S. 281 ff.); ganz ähnlich W. Henke, Recht und Staat, Grundlagen der Jurisprudenz, 1988, S. 111 ff. u.ö, auch ein Antirousseauist (a.a.O., S. 289 f , 399, 591 f , 607); ähnlich auch E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109, VVDStRL 3 (1927), S. 2 ff, 9 ff.; vorsichtig dazu P. Kirchhof Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, 1992, § 183, Rdn. 28; zum Problem Naturrecht vgl. A. Verdross, Statisches und dynamisches Naturrecht, 1971; sowie H. Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 4. Aufl. 1962; N. Brieskorn, Rechtsphilosophie, 1990, S. 79 ff.; vgl. auch die Abhandlungen in: W. Maihofer (Hrsg.), Naturrecht und Rechtspositivismus, 1972. 633 Derartig unmittelbar konsensuale Rechtsetzung erfolgt durch die Gewohnheitsrechtsbildung der Bürgerschaft, welche sich von der Bildung allgemeiner guten Sitten durch die Bürgerschaft nicht unterscheidet; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 421 ff.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, S. 206 f f , insb. S. 220 ff.

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4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzip

heit also, zur Geltung zu bringen vermöchte. Darin liegt gerade die Formalität der Freiheit, die der Logik der Personalität jedes Menschen als Bürger oder, wenn man so will, seiner Herrschaft über sich selbst, seiner Selbstzweckhaftigkeit, folgt. Die Identität des Willkürverbots mit dem sittlichen Prinzip der praktischen Vernunft als innerer Freiheit 634 beweist die Definition der äußeren Freiheit als „die Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür" (Kant) 635. Das Sittengesetz mißachtende willkürliche Entscheidungen können der Freiheit nicht genügen636. Sie sind das Gegenteil des Rechts637, das nur in Moralität erkannt werden kann, also freiheitlich, nicht herrschaftlich. Fremde Willkür ist Herrschaft. Das Willkürverbot 638 ist der Herrschaft entgegengestellt. Die Republik ist ihrer Idee nach Gesetzgebungsstaat639. Vorrangig verwirklicht die parlamentarische Gesetzgebung die Bürgerlichkeit der Bürger, die allgemeine Freiheit, wenn die Gesetzgebung denn sittlich ist. Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG überträgt dem Bundesverfassungsgericht den Schutz des Wesensgehalts der Grundrechte gegenüber dem legislativen Gesetzgeber, weil diese Gesetzgebung nicht unmittelbar konsensual sein kann, sondern mittelbar konsensual, vertretend/repräsentativ, ist und sein muß 640 . Grund des Wesensgehaltsschutzes ist darum die Repräsentativität der Gesetzgebung. Der Wesensgehalt des allgemeinen Freiheitsgrundrechts folgt der Logik der Repräsentation. Nur weil die Bürgerschaft sich vertreten lassen muß, um überhaupt zur freiheitlichen Gesetzgebung, also zur Rechtsetzung, fähig zu sein, muß sie sich nicht den Mißbrauch der Vertretungsmacht zur Herrschaft, das moralische 634 Vgl. K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 279 ff.; ders , Freiheit in der Republik. 2. Kap, VII. 635 Metaphysik der Sitten, S. 345; ganz so M. Kriele , HVerfR, 1983, S. 133 ff.; ders , Einführung in die Staatslehre, S. 228 ff, 331 ff. 636 P. Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 104: „Willkür beseitigt nicht nur die Gleichheit, sondern auch die Freiheit.' 4; ders., Objektivität und Willkür, S. 99 ff.; KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 978 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II. 637

In der Sache nicht anders, aber gleichheitsrechtlich P. Kirchhof § 124, Rdn. 90 f , gestützt auf H. Triepel und G Leibholz.

HStR, Bd. V,

638 St. Rspr. etwa BVerfGE 3, 58 (135 f.); 4, 144 (155); 9, 124 (129 f.); 50, 177 (186); 51, 295 (300 f.); 57, 107 (115); 60, 16 (42); 71, 202 (207); 76, 256 (329); 89, 48 (51); 91, 389 (401); BVerfG, NJW 1995, 1812, 1814 f , st. Rspr. mit divergierenden Formeln; v. Mangoldt/Klein/Starck , GG, 3. Aufl. 1985, Rdn. 10, 11, 12 ff. zu Art. 3 Abs. 1; grundsätzlich G. Dürig , in: Maunz/Dürig, GG, 5. Aufl. 1978, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 303-377; P Kirchhof HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 25, 86 ff, 236 ff.; R. Alexy , Theorie der Grundrechte, S. 357 ff, 364 ff.; KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 4, 990 ff. mit weiteren Hinweisen; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II; ders , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 372 ff.; vgl. auch den Hinweis in Fn. 686. 639 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 519 ff, auch S. 819 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, IV, VI, 5. Kap, II, 2, IV, 1, 7. Kap, I, 2, 3, III 640

KA.

Schachtschneider , Res publica res populi, S. 819 ff, 858 f f , 909 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Versagen der Vertreter, aber auch nicht deren Irrtum gefallen lassen. Um dem Mißbrauch entgegenzuwirken, ist das Bundesverfassungsgericht, selbst repräsentativ 641 , eingerichtet, das in Vertretung des Volkes die Sittlichkeit der Materialisierung der bürgerlichen Freiheit durch Gesetze verantwortet. Das Bundesverfassungsgericht hat also den Anspruch der Menschen und Bürger auf die gemeinsame Lebensgestaltung in praktischer Vernunft zu schützen, den sie trotz ihrer Willensautonomie hinreichend gesichert nicht anders verwirklichen können als durch Vertreter 642 . Die repräsentative Staatlichkeit, welche die Rechtlichkeit gewährleistet, erfüllt den Anspruch aus der Freiheit auf Recht. In der Repräsentativität der Verwirklichung des Rechtsprinzips liegt ein Zwangselement, welches dem Recht auf Recht, der Freiheit also 643 , gemäß ist. Die Zwangsnotwendigkeit führt nicht zur Herrschaftlichkeit der Repräsentation, sondern ist dem Freiheitsprinzip immanent644. Wer es an Moralität fehlen läßt, wird zur Sittlichkeit, also zur Freiheit, nämlich zur Rechtlichkeit durch die allgemeine Gesetzlichkeit, gezwungen. Er bleibt unabhängig von anderer Willkür, wird also nicht beherrscht; denn das allgemeine Gesetz des Rechts ist das Gegenteil von Willkür. Die Repräsentation dient in allen Funktionen des Staates der Verwirklichung der praktischen Vernunft, wie sie das Verfassungsgesetz gemäß der Verfassung gestaltet. Der Wesensgehaltsschutz des allgemeinen Freiheitsgrundrechts kann sich somit material nur als Mitwirkung der Verfassungsrechtsprechung an der Erkenntnis der richtigen Gesetze, des Rechts also, als Gesamtverantwortung der Organe der Gesetzgebung und der Rechtsprechung in der Erkenntnis richtigen Rechts durch allgemeine Gesetze entfalten 645. Der Wesensgehaltsschutz dient der Kompensation befürchteter Schwächen repräsentativer Gesetzgebung der Legislative. Insbesondere soll er der Gefahr vorbeugen, daß der Gesetzgeber seine Vertretungskompetenz zur Herrschaft mißbraucht. 641 Zur Repräsentationsfunktion des Bundesverfassungsgerichts G. Leibholz, Bericht zur „Status"-Frage, in: P. Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, 1976, S. 241; i.d.S. auch P. Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 16 ff. („Gesamtverantwortung"); prononciert R. Marcic, Die Bedeutung der Natur des Verfassungsgerichts, S. 317 ff.; weitere Hinweise bei K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 909 ff. 642 Diese Verantwortung hat der Zweite Senat im Euro-Beschluß, BVerfGE 97, 350 (373 ff.), erstmalig zurückgewiesen und ausschließlich „Regierung und Parlament" für verantwortlich erklärt, wenn Rechtsfragen mit „ökonomischen Erkenntnissen und politischer Gestaltung" verbunden seien (also bei der Gesetzgebung immer) - die Aufkündigung des Verfassungsstaates, zu dem essentiell eine die Rechtlichkeit der Politik gewährleistende Verfassungsgerichtsbarkeit gehört; dazu K.A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, S. 19 f f , insb. S. 22 ff. 643 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 290 f f , 325 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, 5. Kap, II, 3. 644 Vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 338, 527, vgl. auch S. 512, 525. 645 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff, 858 f f , 909 f f , 932 ff, 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II.

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

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Über die Sittlichkeit der Gesetzgebung wachen die Hüter des Rechts, das Volk vertretend vor allem die Verfassungsrichter, deren der Sittlichkeit verpflichtete Rechtsprechung selbst funktional gesetzgebend ist.

2. Hüter der Rechtlichkeit der Gesetze und die Erkenntnis des Rechts Der Wesensgehalt des Freiheitsprinzips als des Prinzips der praktischen Vernunft im Gemeinwesen ist nicht nur verletzt, wenn die gesetzgeberische Materialisierung der Politik empörend ist und den Willkürvorwurf verdient 646 , sondern auch und vor allem, wenn die allgemeine Willensautonomie prozedural verletzt wird 6 4 7 . Der grundrechtliche Schutz der allgemeinen Willensautonomie schützt auch die allgemeine Mündigkeit der Bürger, deren politische Würde, deren republikanischen Status als Politiker 648 . Wenn die Entscheidungswege des Gemeinwesens den allgemeinen Diskurs um das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit 649 übermäßig behindern, ja nicht bestmöglich fordern, ist die Willensautonomie verletzt. Der materiale Schutz, den das Bundesverfassungsgericht dadurch leistet, daß es seine Erkenntnisse vom praktisch Vernünftigen dem Gesetzgeber verbindlich macht, ist nur eine notgedrungene Kompensation der Mißgriffe des Gesetzgebers 650. Weil aber auch optimale Verfahren die Moralität der Amtswalter nicht sicherstellen, ist die materiale Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts selbst richtig und im Sinne eines möglichst effektiven Schutzes der Sittlichkeit der Gesetzgebung durch Art. 19 Abs. 2 GG verfassungsbefohlen 651. Die Republik ist von der Moralität der Amtswalter abhängig und darum stetig dem Mißbrauch der Befugnisse ausgesetzt. Die Verirrungen des Gesetzgebers können sich in der Empörung 646 Ganz so P. Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 235 ff.; ders., Objektivität und Willkür, S. 109. 647 Prozedurale Gerechtigkeitslehren vertreten u.a. R. Alexy , etwa, Rechtssystem und praktische Vernunft, in: Rechtstheorie 18 (1987), S. 416 f , auch ders., Theorie der Grundrechte, S. 71 ff, 445, 493 f f , im Anschluß an R. Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen, 1984 (Taking Rights Seriously, 2. Aufl. 1978), u.a.; J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 109 f f , 324 ff, 516 ff.; A. Kaufmann, Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit, 1989; vgl. auch V. Hösle, Moral und Politik, 1997, S. 642 f. 648 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 f f , auch S. 584 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, 2, III, IV, 1. 649 Zu diesem Staatszweck KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 367 f f , 573 f f , 978 ff, insb. S. 980 und 990 f f , insb. S. 996; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, V, 8. Kap, I, V; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 9 ff. 650

KA. Schachtschneider, S. 963 ff.

Res publica res populi, S. 536 ff, 858 f f , 937 f f , auch

651 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

der öffentlichen Meinung zeigen. Einen materialen Maßstab halten die besonderen Grundrechte nur sehr „weit und breit" (Konrad Hesse) 652 bereit; das formale Freiheitsprinzip kennt logisch keinen deduzierbaren materialen Maßstab des richtigen Gesetzes. Die Republik soll auch und vor allem durch faire Verfahren, wie das Rawls lehrt 653 , die Richtigkeit gewährleisten. Nur der allseitige und gelungene Diskurs um das Richtige verwirklicht die bürgerliche Freiheit 654 . Die allgemeine Sittlichkeit muß bestmögliche Chancen haben, wenn die Republik verwirklicht sein soll. Freilich gebietet die Funktionenordnung der Verfassung die auch vom Bundesverfassungsgericht praktizierte Zurückhaltung, welche den Willkürvorwurf erst rechtfertigt, wenn die Unsachlichkeit des Gesetzgebers unerträglich ist 6 5 5 . Art. 19 Abs. 2 GG gibt dennoch dem Verfassungsgericht bei der Verwirklichung der praktischen Vernunft das (ordentliche) letzte Wort, auch nach dem des Gesetzgebers, welches dies allerdings weitgehend zurückhält, um dem Gesetz (und damit den Maßnahmen der politischen Klasse, zu der auch die Mitglieder des Verfassungsgerichts gehören 656 ) nicht den Vorwurf des Unrechts machen zu müssen. Das Bundesverfassungsgericht praktiziert die materiale Bestimmung des Gesetzgebers, hat sich aber bisher wenig darum bemüht, die Sittlichkeit des Gesetzgebers durch Moralität der Abgeordneten zu fordern. Das parteienstaatliche Fraktionsprinzip jedenfalls läßt dieser keine Chance 657 . Wenn auch Art. 2 Abs. 1 GG mangels Materialität der Freiheit kein Gesetz als unrichtig ausweist, so ist doch nicht jedes Gesetz deswegen richtig, weil es Gesetz ist 6 5 8 . Ein Positivismus, der Gesetzlichkeit und Rechtlichkeit identifizieren wollte 6 5 9 , hieße, die Formalität der Freiheit, die sich in der Sittlichkeit der 652

Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 43, S. 17. Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 19 ff. 654 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 584 f f , insb. S. 598 ff.; J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 109 ff, insb. S. 151 ff, 324 ff, 349 f f , 516 ff. 655 Insb. P. Kirchhof HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 253 ff, der in der Willkür eine gesteigerte Unrichtigkeit der Gesetze sieht, zu Recht, und „groben Rechtsbruch" als Verletzung des „Objektivitätsgebots" (Rdn. 235 ff.) qualifiziert; ebenso ders., Objektivität und Willkür, S. 109; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 955 ff.; vgl. BVerfGE 36, 1 (14 f.); 35, 257 (262); auch BVerfGE 30, 250 (262 f.); 37, 104 (118); 43, 291 (347); 45, 187 (237 ff.); 53, 185 (196); 59, 360 (377); völlig zur Rechtsschutzverweigerung überzogen BVerfGE 97, 350 (370 ff.). 656 H.H. v. Arnim, Fetter Bauch regiert nicht gern, Die politische Klasse - selbstbezogen und abgehoben, 1997, S. 205 ff.; dazu KA. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, S. 58; ders, Res publica res populi, S. 1113 ff. 657 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res popuii, S. 1060 ff, 1086 ff. 658 So schon C. Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932, 2. Aufl. 1968, S. 22 ff. 659 Dazu insb. P. v. Oertzen, Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974, S. 58 f f , 72 f f , passim; N. Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. I, 1972, S. 207 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 863 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 9 f f ; grundlegend Kants Begriff des „Rechtsgesetzes", Metaphysik der Sitten, S. 431. 653

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

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Bürger und ihrer Vertreter verwirklicht, mit einem Recht zur Willkür zu verwechseln. Das Recht zur freien Willkür ist die äußere Freiheit. Die äußere Freiheit und die innere Freiheit, also die Sittlichkeit, sind eine untrennbare Einheit 660 . Nur die Gesetze, welche dem Sittengesetz genügen, also Erkenntnisse in Moralität sind, können Recht setzen661. Sittlichkeit aber entfaltet sich ausschließlich in Materialität. Diese Materialität, das erkannte (und beschlossene) Gesetz also, ist auf seine Richtigkeit hin überprüfbar; denn die nicht minder moralische Erkenntnis eines anderen Bürgers, Vertreters der Bürger oder Organs der Bürgerschaft kann zu einer anderen Materialisierung des Richtigen führen. Völlig unabhängig von der Gefahr des Mißbrauchs der Erkenntnisbefugnis zur Herrschaft liegt diese Möglichkeit in der Natur menschlichen Erkennens, nämlich in der Möglichkeit des Irrtums. Der Irrtum ist nicht vorwerfbar, aber das Verfassungsgesetz kann entscheiden, wessen Erkenntnisse Verbindlichkeit haben soll. Es kommt darauf an, wer das Vertrauen des Volkes genießt. Nach dem Grundgesetz hat im ordentlichen Verfahren das letzte Wort in Fragen des richtigen Rechts das Bundesverfassungsgericht, weil der Verfassungsgesetzgeber der Sittlichkeit dieses Gerichts ein größeres Vertrauen entgegengebracht hat als der des legislativen Gesetzgebers 662, eine angesichts der demokratischen Legitimation kritische Konzeption, die zur vielfach übermäßigen, ja rechtsfernen Zurückhaltung der Verfassungsrichter gegenüber der Politik der Gesetzgeber führt. In dem Maße der Sittlichkeit des Gesetzgebers ist das Problem der gewaltenteiligen Funktionenordnung gemildert. Wenn der Republikanismus verläßlich wäre, bedürfte es der Verfassungsrechtsprechung nicht. Sittlichkeit des Gesetzgebers ist die Bedingung der Rechtlichkeit der Gesetze663. Aber auf die Sittlichkeit des Gesetzgebers, d.h. die Moralität jedes einzelnen Abgeordneten, ja darüberhinaus jedes Bürgers, der an dem gesetzgeberischen Diskurs teilnimmt, ist kein Verlaß, vor allem nicht im entwickelten Parteienstaat. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes waren mit ihrer Skepsis gegenüber dem demokratischen Gesetzgeber gut beraten, haben aber die Gefahr übersehen, daß auch die Verfassungsrichter wegen Art. 94 Abs. 1 GG in der Regel Parteifunktionäre sein werden 664 . Art. 19 Abs. 2 GG, der auch den Wesensgehalt des Grundrechts des Art. 2 Abs. 1 GG anzutasten verbietet, überträgt somit der Verfassungsrechtsprechung in Vertretung des Volkes die Verantwortung für die praktische Ver-

660

K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 279 ff, 325 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, VI, VII. 661 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 519 f f , 560 f f , 584 ff, 637 f f , 707 f f , 978 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap, II. 662 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 909 ff, 932 f f , 956 f f , 963 f f , insb. S. 967 ff. 663 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 519 f f , 637 f f , 707 f f , insb. S. 725 ff. 664 Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 975 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

nünftigkeit der gesamten Gesetzgebung, der Rechtsordnung, die Verantwortung also für die Sittlichkeit der Materialisierung der bürgerlichen Freiheit durch Gesetze. Darum resümiert René Marcic: „Das Verfassungsgericht ist die Mitte des Gegenwartsstaates ..." 6 6 5 . Das Bundesverfassungsgericht hatte seine Verantwortung vor allem in seiner Verhältnismäßigkeitsrechtsprechung 666, aber auch in der demselben Prinzip, nämlich dem der praktischen Vernunft, folgenden Willkürrechtsprechung 667 angenommen, zieht sich aber zunehmend auf den bloßen Schutz vor individuell unzumutbaren Belastungen zurück 668 . Die Verantwortung der Verfassungsrechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 GQ aber auch aus Art. 1 Abs. 1 und Abs. 3 GG ist formal, nicht material offen, nicht anders als die sittliche Verantwortung des Gesetzgebers, der Bürgerschaft und ihrer Verteter, selbst. Die Formalität der durch das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG geschützen Freiheit hindert die Erkenntnisfunktion des Bundesverfassungsgerichts nicht; denn Rechtsprechung ist nicht begrifflich von einer Bindung an hinreichend bestimmte Gesetze abhängig669. Die Überprüfung der Gesetze durch die Gerichte setzt eine materiale Politik des überprüfenden Gerichts voraus. Das Gericht muß seinen Kontrollmaßstab aus der Logik der Formalität des verantworteten Rechtsguts, der Freiheit nämlich, materialisieren, weil es die Richtigkeit der materialisierten Freiheitsverwirklichung, der allgemeinen Gesetze, überprüfen soll. Nichts anderes ist die weitestgehend akzeptierte politische Funktion der Verfassungsrechtsprechung 670. Der Schutz der Autonomie des Willens durch Art. 2 Abs. 1 GG soll wahrheitliche und richtige Gesetze ermöglichen, weil die äußere Freiheit als die Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür nur durch die allgemeine innere Freiheit, die Sittlichkeit, verwirklicht

665

Die Deutung der Natur des Verfassungsgerichts, 1963, S. 322. Etwa BVerfGE 7, 377 (405 f.); 17, 306 (313); 19, 342 (348 f.); 27, 1 (8); 27, 344 (350 ff.); 38, 281 (298); 69, 315 (354), st. Rspr.; Ph. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip. Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 350 ff, 357 ff.; A. Emmerich-Pritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 141 f f ; K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 388 ff. 667 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 990 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II; ders. y Prinzipien des Rechtsstaates, S. 367 ff. 668 Etwa BVerfGE 88, 384 (407); 95, 267 (306 ff, insb. 316) (Altschulden); BVerfGE 98, 218 (245) (Rechtschreibung); auch BGH, JZ 1995, 515. 669 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 f f , 909 f f , auch S. 490 f f , 536 ff. 670 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 f f , 909 ff.; StatusBericht des Bundesverfassungsgerichts, JöR N.F. Bd. 6 (1957), S. 145; M. Drath, Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 9 (1952), S. 90 f f , 95 f f , 108 ff. („aktive politische Funktionen"); R. Marie, Die Deutung der Natur des Verfassungsgerichts, in: P. Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, 1976, S. 314 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 703 ff.; K Stern, Staatsrecht II, S. 941 f f , 951 ff.; grundlegend H. Triepel y Wesen und Funktionen der Staatsgerichtsbarkeit, VVDStRL 5 (1929), S. 2 f f , insb. S. 8, 28; C. Schmitt, Der Hüter der Verfasssung, S. 36 f f , 108 ff. 666

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werden kann. Der Sittlichkeit dienen sowohl der Gesetzgeber als auch die Verfassungsrichter. Das Grundrecht wird durch die Sittlichkeit der Vertreter des Volkes verwirklicht; denn eine andere Freiheit als die zur Sittlichkeit oder eben zur praktischen Vernünftigkeit schützt das Grundrecht nicht. Das Versagen des Gesetzgebers bei der Verwirklichung der praktischen Vernunft, bei der Verwirklichung des Staatszwecks des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit, in der repräsentativen Sittlichkeit also, verletzt den Wesensgehalt des Freiheitsprinzips, die Pflicht zur praktischen Vernünftigkeit; denn das allgemeine Gesetz ist die Notwendigkeit der Freiheit. Die Verfassungsrichter, allen voran das Bundesverfassungsgericht, sind nicht nur Hüter der Verfassung, sondern Hüter der Sittlichkeit der Gesetze und damit Wächter über die materialisierte Sittlichkeit des Gesetzgebers, eben Hüter der praktischen Vernunft oder des Rechts, Wächter des Staates, Wächter der Republik 671 . Die praktische Vernünftigkeit gewährleisten die Wächter der Rechtlichkeit, indem sie die Sachlichkeit der Gesetze, deren Wahrheitlichkeit und deren Richtigkeit also, überprüfen 672. Das läßt sich nur dadurch praktizieren, daß die Richter Maßstäbe verfassungsgemäßer Gesetze formulieren, die nichts anderes sind als verbindliche Maximen der Sittlichkeit, die der Gesetzgeber in Vertretung des Volkes walten lassen soll, also verbindliche Vorschriften, die das Bundesverfassungsgericht oder die Landesverfassungsgerichte den Gesetzgebern machen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist an „Gesetz und Recht gebunden", wie es Art. 20 Abs. 3 GG vorschreibt; denn Recht ist nicht immer positiviert 673 , aber doch wegen der Formalität von Freiheit und Gleichheit als allgemeiner Wille zum Richtigen für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit, also als Prinzip des Gemeinwohls, in jeder Lage vorhanden. Das materiale Recht muß erkannt werden 674 . Die Wahrheit ist empirisch, die Richtigkeit aber normativ. Die Wahrheit läßt sich anhand der empirischen Erkenntnisweisen ermitteln. Die Richtigkeit entfaltet sich durch Sittlichkeit, also in Moralität. Ein materialer Maßstab der Sachlichkeit als der Richtigkeit auf der Grundlage der Wahrheit ist somit nicht vorgegeben. Ihn gibt erst die Rechtserkenntnis, die im Gesetz formuliert sein soll. Folglich ist die Verantwortung der Verfassungsrechtsprechung für die praktische Vernünftigkeit die Aufgabe und Befugnis, Maßstäbe der Sachlichkeit zu setzen. Die verfassungsgerichtlichen Rechtserkenntnisse haben insoweit die dargelegte formale gesetzgeberische Funktion, die in der Logik der Formalität der Freiheit und des

671

Vgl. Piaton , Politeia, 423c, Der Staat, ed. Reclam, 1982, S. 210. KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 978 ff.; ders ., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II, 2. 67 3 K.A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 9 ff. 674 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 564 f f , 598 ff. 67 2

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Begriffs des gemeinen Wohls liegt 675 . Die Erkenntnis des praktisch Vernünftigen in der jeweiligen Lage, die Erkenntnis der Grenzen richtigen Rechts also, ist nicht an Gesetze gebunden, sondern an die Verfassung und das Verfassungsgesetz. Die Erkenntnis des Rechts ist nicht scientistisch; denn das würde ein materiales Recht voraussetzen. Die Erkenntnis ist vielmehr ein Akt der prudentia, der cppóvria L q. Das folgt aus der Formalität des Gemeinwohls, welches die Materialisierung im allgemeinen Gesetz erfordert. Die richtige Materialisierung verlangt nicht nur bestmögliche Theorien von der Wirklichkeit 676 , sondern auch bestmögliche Abwägung unter allen Leitentscheidungen und sonst relevanten Belangen, verlangt den Interessenausgleich677. Der Erkenntnisweg zum allgemeinen Willen ist der Diskurs 678 . Diskursive Erkenntnis ist praktische Vernünftigkeit. Weil die Freiheit nicht dezisionistisch materialisiert wird, sondern kognitivistisch, ist die Gesetzgebung ein Erkenntnisakt politischer Art, eine republikanische Erkenntnis 679. Die Gesetzgebung erfordert Sittlichkeit, die Sittlichkeit nämlich, die der kategorische Imperativ gebietet. Diese Sittlichkeit erwächst dem allseitigen guten Willen als dem allgemeinsten Prinzip des Rechts und damit der bürgerlichen Moralität. Die Moralität aller, die auf die Gesetzgebung Einfluß haben, aller Bürger also, ist das Essentiale der Republik. Die Verantwortung für die Sittlichkeit der Gesetze und damit für das Recht macht das verantwortliche Organ funktional zum Gesetzgeber. Die Wächter der Rechtlichkeit sind an das Recht gebunden, welches sie selbst als richtige Gesetze in praktischer Vernunft zu erkennen haben. In ihrer gesetzgeberischen Funktion sind die Richter nicht anders als die Parlamentarier dem Sittengesetz verpflichtet oder außer dem Gesetz nur ihrem Gewissen unterworfen, wie es der

67 5

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 ff. Dazu K.A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik" im Atom- und Immissionsschutzrecht, in: W. Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, 1988, S. 105 ff.; ders. y Res publica res populi, S. 569 f , gestützt auf K R. Popper, Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf, 4. Aufl. 1984, S. 44 ff, 332 f f ; i.d.S. schon Kant, Kritik der reinen Vernunft, in: Werk in 10 Bänden, ed. W. Weischedel, Bd. 4, 1983, S. 688. 677 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff. 67 8 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 584 ff, 598 ff.; M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation, 1967, 2. Aufl. 1976, S. 191 ff.; ders. y Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, VVDStRL 29 (1971), S. 52, 56 ff.; zur Diskursethik insb. J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 109 ff, insb. S. 151 ff, 324 f f , 349 ff, 516 ff. 679 So auch H. M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 1981, S. 106 f , 352 ff.; J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981, S. 141 ff.; ders. y Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, 1983, S. 82 f.; vgl. ders. y Faktizität und Geltung, S. 187 f f , auch S. 272 f f , 301 ff, 324 ff.; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 584 f f , insb. S. 598 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, IV. 676

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

171

Herrenchiemseer Entwurf explizit formulieren wollte 680 . Das Gewissen ist der Gerichtshof der Sittlichkeit 681 , also eine Instanz der Erkenntnis. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG stellt das prototypisch für den legislativen Gesetzgeber klar 6 8 2 . Das Grundgesetz materialisiert die Verfassung der gleichen Freiheit aller Bürger und ebnet den Weg zum Recht durch Gesetzlichkeit, welche der Gerechtigkeit nicht widersprechen kann, wenn sie sittlich ist; denn: Res publica res populi. Diese Gesetzlichkeit des Rechts soll wegen der verfassungsrichterlichen Elemente des grundgesetzlichen Verfassungsstaates auch durch die Verfassungsrechtsprechung verwirklicht werden.

3. Sittengesetz als Rechtsprinzip und die Rechtssprüche der Verfassungsgerichte Recht ist materialisierte Sittlichkeit, die das Volk und seine Vertreter in Moralität erkennen und beschließen und die als Wille des Volkes verbindlich ist. Durch die Institutionalisierung der das Volk vertretenden Hüter der praktischen Vernunft gewinnt das formale Sittengesetz683 Verbindlichkeit nach Maßgabe der verfassungsrichterlichen Materialisierung der Sittlichkeit. Als Pflicht der Staatsgewalt zur Materialisierung in praktisch vernünftigen Gesetzen entfaltet sich das Sittengesetz als Rechtsprinzip, dessen Verbindlichkeit juridisch als Befugnis der Verfassungsrichter zur alle Vertretungsorgane der Staatsgewalt bindenden Erkenntnis des Rechts in Erscheinung tritt 6 8 4 . Helmut Ridder aber klagt: „Extrem divergierende Entscheidungen in ein und derselben Sache werden mehr und mehr gleichermaßen begründbar", „nachdem das 'Verhältnismäßigkeitsprinzip' die 'Zweckmäßigkeit' ohne große Umstände zu einem Element der 'Rechtmäßigkeit' gemacht hat" 6 8 5 . Ridders richtige Beobachtung belegt die Formalität des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Ausdruck des Prinzips praktischer Vernunft. Dasselbe gilt für das Willkürverbot 686 . Das Willkürverbot ist als der judiziable

680 Dazu K.-B. v. Doemming , in: Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR N.F. Bd. 1 1951, S. 716. 681 Kant , Metaphysik der Sitten, S. 573 f. u.ö. 682 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 710 ff, 810 ff. 683 Dazu KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 267 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 3. Kap, II. 684 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 978 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap, II. 685 Verfassungsrecht oder Staatsrecht? Die Realverfassung des deutschen Nationalstaates auf dem Prüfstand der Demokratie, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sonderdruck 354, 1988, S. 9. 686 Das räumt auch v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 12 ff. zu Art. 3 Abs. 1, S. 266 f , weitgehend ein; ähnlich R. Alexy , Theorie der Grundrechte, S. 373 f f , der allerdings aus dem Willkürverbot eine die Gesetzgebungsfunktion der Verfassungsrichter

172

3. Teil Das Privatheitsprinzip

Wesensgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG, als das Prinzip der elementaren Sittlichkeit, zu dogmatisieren, über welche die Hüter des Rechts zu wachen haben; denn das Grundgesetz duldet die Verletzung des Sittengesetzes durch den Gesetzgeber nicht und muß dessen Materialisierung wegen der Formalität desselben i n die Hände der an der Gesetzgebung beteiligten Organe legen, vor allem i n die der Gesetzgeber und der Verfassungsrichter. Das Verfassungsrecht aber ist eine Einheit aus materialen und formalen Prinzipen und Regelungen, welche auch Rechtserkenntnisbefugnisse hierarchisieren kann. Der v o m Bundesverfassungsgericht in Leitsätzen und Gründen definierten Politik muß sich der legislative Gesetzgeber fügen 6 8 7 , wenn er den Wesensgehalt des Art. 2 Abs. 1 G G respektieren w i l l . Spezifisch die verfassungsgebotene Materialisierung des formalen Prinzips der praktischen Vernunft durch das Bundesverfassungsgericht

begründet die Bindungswirkung des § 31 Abs. 1

BVerfGG einschließlich der vernünftige Politik definierenden Entscheidungsgründe, weil ohne diese eine Grundrechtsverbindlichkeit des Art. 2 Abs. 1 G G nicht bestünde 6 8 8 .

einschränkende Materialität, eben einen Spielraum des Gesetzgebers herleitet, weil „Willkür" (mit Leibholz) „eine gesteigerte Form der Unrichtigkeit" sei (S. 375; G. Leibholz•, Die Gleichheit vor dem Gesetz. Eine Studie auf rechtsvergleichender und rechtsphilosophischer Grundlage, 1925/1959, S. 76 f.), das aber hebt die Formalität nicht auf; i.d.S. auch R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 ff.; auch G. Robbers, Der Gleichheitssatz, DÖV 1988, 755, der das Willkürverbot als „funktional-rechtliche" Kompetenznorm begreift; in der Sache auch F. Schoch, der Gleichheitssatz, DVB1. 1988, 873 f f , der allerdings die Formalität als Offenheit mißversteht; kompetenziell konzipiert das Willkürverbot auch P. Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 22 ff, 242 u.ö.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff, 990 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II. 687 Zur Verbindlichkeit der wesentlichen Entscheidungsgründe BVerfGE 4, 31 (38 f.); 20, 56 (86 f.); 33, 199 (203); 77, 84 (104); M. Sachs, Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine Entscheidungen, 1977, S. 15 ff.; K Stern, Staatsrecht II, S. 1036 f.; K Vogel, Rechtskraft und Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in: FG BVerfG I, S. 584 ff.; P Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 16; W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, 1987, § 56, Rdn. 90; i.d.S. etwa K Stern, Staatsrecht II, S. 950, der wie viele zu weitgehend in den Erkenntnissen des Bundesverfassungsgerichts „Verfassungsgebung", einen „abgeleiteten pouvoir constituant"... „aufleuchten sieht"; i.d.S. M. Drath, VVDStRL 9 (1952), S. 96; auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 708; W. Löwer, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 91 ff.; richtig G. Roellecke, Aufgabe und Stellung des Bundesverfassungsgerichts in der Gerichtsbarkeit, HStR, Bd. II, 1987, § 54, Rdn. 17 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 951 ff. 688 BVerfGE 1, 14 (37); 4, 31 (38); 19, 377 (391 f.); 20, 56 (87); 24, 289 (297); 36, 1 (3); 40, 83 (93); 79, 256 (264); zu den Grenzen der Bindungswirkung BVerfGE 22, 387 (405); 33, 199 (203); 39, 169 (181 f.); 77, 84 (103 f.); differenzierend, aber grundsätzlich zustimmend M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 290 ff. (i.S. modifizierter Präjudiziabilität); ders., Recht und Politik in der Verfassungsrechtsprechung, in: ders. (Hrsg.), Legitimationsprobleme der Bundesrepublik, 1977, S. 196 f.; dazu näher M. Sachs, Die Bindung des Verfassungsgerichts an seine Entscheidungen, S. 7 f , 66 ff.; K.

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

173

Die Aufgaben und Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls lassen es nicht zu, wegen der Formalität der Freiheit den Wesensgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG aus dem Verfassungsgerichtsschutz auszuklammern. Die materiell durch das Freiheitsgrundrecht nicht begrenzte gesetzgeberische Funktion der Verfassungsrechtsprechung folgt damit auch aus der Logik ihrer Verantwortung, die einer materiellen Funktionalisierung bedarf. Das rechtfertigt nicht die Umdeutung des Art. 2 Abs. 1 GG in eine materiale allgemeine Handlungsfreiheit, welche gesetzgeberisch zu entfaltenden Schranken unterliege. Das allgemeine Sachlichkeitsprinzip 689 folgt vielmehr aus der formal begriffenen Freiheit, weil deren Verwirklichung der Vertretung bedarf. Der kategorische Imperativ erlangt mittels Art. 19 Abs. 2 GG trotz seiner ethischen Qualität eine juridische Relevanz, nämlich in der sittlichen Aufgabe vor allem aller Wächter des Rechts, des Bundesverfassungsgerichts, die gesetzgeberischen Grenzen der Richtigkeit zu erkennen, aber auch die Wahrheitlichkeit der Gesetzgebung zu überprüfen. Art. 19 Abs. 2 GG macht das Bundesverfassungsgericht zum Vertreter des Hüters der praktischen Vernunft, des Volkes in seiner Freiheit. Wenn die Überprüfung der Sittlichkeit des Gesetzgebers, der praktischen Vernünftigkeit der Gesetze also, wegen der ethischen Unvorwerfbarkeit moralischen Versagens der Vertreter des Volkes, materialisiert heißt das, wegen der Unvorwerfbarkeit des Irrtums über das Richtige, hätte ausgeschlossen sein sollen, hätte Art. 19 Abs. 2 GG den Wesensgehalt der Grundrechte nicht für unantastbar erklären dürfen. Vor allem hätte jedes Gesetz als Recht akzeptiert werden müssen, obwohl erst Sittlichkeit des Gesetzgebers Recht hervorbringt. Gerade die materiale

Stern, Staatsrecht II, S. 1038 ff.; G. Roellecke, HStR, Bd. II, § 54, Rdn. 17 ff.; W. Löwer, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 91 ff. (kritisch: „Verletzung der Funktionsgrenzen", Rdn. 93 a.E.); ähnlich K. Schiaich, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL39 (1981), S. 138 f.; ders., Das Bundesverfassungsgericht. Stellung, Verfahren, Entscheidungen, 1985, S. 205 ff.; K. Vogel, FG BVerfG I, S. 576 f f , 601 f.; Ch. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, 1985, S. 236 ff.; dazu auch Ph. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 431 ff.; kritisch auch P Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 16 f.; St. Korioth , Die Bindungswirkung normverwerfender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für den Gesetzgeber, Der Staat 30 (1991), S. 549 ff.; dazu auch K. A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 951, 952 ff. 689 Alles Maximen des Bundesverfassungsgerichts, zur Willkürfreiheit vgl. K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 990 mit Fn. 893; zur Sachlichkeit etwa BVerfGE 3, 58 (135 f.); 10, 234 (246); 12, 341 (348); 12, 326 (333); 23, 135 (143); 25, 101 (105); 25, 269 (292 f.); 55, 72 (88 ff.); 60, 16 (42); 76, 256 (329); zur Vernünftigkeit etwa BVerfGE 10, 234 (246); 23, 135 (143); 42, 374 (388); 49, 192 (209); 51, 225 (300 f.); 71, 39 (58); 76, 256 (329); vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 11 zu Art. 3 Abs. 1, S. 265 f.; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 309 ff, 331 f f , 339 ff.; P. Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 205 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 413, 674 ff, 897 ff, 984 ff, 991 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 76, 94, 129, 171, 175, 180.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 367 ff.

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Ungebundenheit der sittlichen Erkenntnis des Richtigen rechtfertigt die Befugnis der Verfassungsgerichte zur funktionalen Gesetzgebung, weil nur ein Organ der Rechtsprechung vor allem durch die zum Begriff der Rechtsprechung gehörende ordentliche Endgültigkeit des das Richtige erkennenden Rechtsspruchs die sittliche Auseinandersetzung im Volk, den Dissens also über das richtige Gesetz, zu befrieden vermag 690 . Erst der Rechtsspruch, den die Verfassungsrichter im Namen des Volkes verkünden, vermag die Einung (Walter Leisner) 691 des Volkes zu ersetzen, die unmittelbar nicht möglich ist und die die Organe der Gesetzgebung allem nicht hervorzubringen fähig sind, weil das Volk aus Erfahrung der Moralität der Abgeordneten nicht zu vertrauen vermag und nicht vertrauen sollte, solange der Parteienstaat nicht durch eine entwickelte Republik abgelöst ist. Gesetze werden, jedenfalls wenn ihre Richtigkeit in Streit ist, erst vom Verfassungsgericht stellvertretend für das Volk als Recht akzeptiert und damit praktisch Recht, vorausgesetzt, das Gericht zollt selbst dem Rechtsprinzip den hinreichenden Respekt. Das kann das Gericht nur durch eine Begründung erweisen, welche den Rechtsfragen des jeweiligen Verfassungsprozesses gerecht wird, durch überzeugende Argumentation mit vernünftigen Gründen also 692 .

4. Freiheitsprinzip,

Verhältnismäßigkeitsprinzip

und Willkürverbot

Man kann den Wesensgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG das Willkürverbot nennen, welches das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG, sondern aus Art. 3 Abs. 1 GG, aus dem Gleichheitssatz, herleitet 693 . Logisch bleibt der Maßstab der Verfassung formal, d.h. er wird allseits verbindlich erst vom 690

Vgl. R. Smend, Festvortrag zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 1962, in: P. Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, 1976, S. 343; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 951 f f , 956 ff. 691 Staatseinung, Ordnungskraft föderaler Zusammenschlüsse, 1991, S. 61 f f , 95 ff.; auch J. Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen, HStR, Bd. V, 1992, § 115, Rdn. 47. 692 Zum „zwanglosen Zwang des besseren Arguments" J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 133, 339; ders., Moralbewußtstein und kommunikatives Handeln, S. 77, 115, 140 ff.; grundlegend Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 630 f.; vgl. auch K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 701, 1147; i.d.S. auch st. Rspr, etwa BVerfGE 9, 334 (337); 12, 341 (348); 27, 364 (371 f.); 55, 72 (90); 65, 141 (148); 74, 182 (200); 76, 256 (329); 80, 48 (51); R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 373 ff.; P. Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 23, 235; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 990 ff. 693 Vgl. die Hinweise in Fn. 325, 638, 667, 686; dazu R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 364 ff.; P. Kirchhof HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 86 ff, 205 ff, 235 ff, der selbst das Willkürverbot in der positiven Form des Objektivitätsgebots wesentlich auf das Rechtsstaatsprinzip stützt, etwa Rdn. 249; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 f f , 990 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 94 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 378 ff.

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

175

Bundesverfassungsgericht funktional gesetzgebend materialisiert. Das liberalistische Verständnis des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit, welche durch Gesetze eingeschränkt werde, läßt es nicht zu, das Willkürverbot aus dem Freiheitsprinzip herzuleiten, weil das Freiheitsprinzip nicht als Gesetzlichkeitsprinzip dogmatisiert wird, sondern als ein materiales Prinzip, welches dem Gesetzgeber mehr oder weniger bestimmte Grenzen zieht. Das Willkürverbot ist ein Prinzip der praktischen Vernunft und darum im Autonomieprinzip zu verankern. Wegen der Schrankendogmatik, welche für die allgemeine Handlungsfreiheit praktiziert wird, wird das Sachlichkeitsprinzip, das mit Art. 2 Abs. 1 GG untrennbar verbunden ist, als Verhältnismäßigkeitsprinzip begriffen 694 . Die Begriffe Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprinzip 695 wandeln die Prinzipien der praktischen Vernunft, die der Sachlichkeit und der Zweckmäßigkeit, der Sittlichkeit eben, in juridische Prinzipien, wenn man so will, in Rechtsprinzipien 696 , die aber formal bleiben und ihre Erkenntnismethode in der Abwägung haben. Ihre Judiziabilität gewinnen diese Prinzipien ausschließlich aus der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 GG, die zu materialisieren Aufgabe der Hüter des Rechts ist. Das Willkürverbot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip unterscheiden sich jedoch in ihrer Maßstäblichkeit nicht 697 . Beide Begriffe juridifizieren mit dem Prinzip der praktischen Vernunft die Pflicht des Gesetzgebers zur Sittlichkeit. Beide formulieren das Prinzip des rechten Maßes 698 . „Alle subjektive Willkür ist eine Sünde wider den heiligen Geist des Rechts" hat Heinrich Triepel deklariert 699 . Spezifisch die Gleichheitsjudikatur ist ihrer Logik nach Ausdruck der Gesetzgebungsfunktion des Bundesverfassungsgerichts trotz aller Zurückhaltung desselben mit dem Willkürvorwurf gänzlicher Unsachlichkeit 700 . Das Gericht hat die letzte ordentliche 694

Dazu Hinweise in Fn. 666, 689; vgl. KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, 3, II. 695 Zur Nähe von „Gleichmaß und Übermaßverbot" R Kirchhof HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 161 ff, 193, 291 ;ders. t Objektivität und Willkür, S. 85, 101 f. 696 I.d.S. KA. Bettermann , HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 51; KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 978 ff, 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II. 697 Ganz so R Kirchhof HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 161 ff, 248 ff.; ders., Objektivität und Willkür, S. 101 ff.; i.d.S. schon H. Triepel , Goldbilanzverordnung und Vorzugsaktien, S. 29 f.; KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 362 f , 986 ff, 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II; A. Emmerich-Pritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 262 f. 698 P. Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 161 f f , 248 f.; i.d.S. schon K.A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 64, 69; ders., Res publica res populi, S. 986 ff, 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II, 2, 3; vgl. N. Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 1, S. 188 f.; K. Stern, Staatsrecht III, 2, S. 772, 811. 699 H. Triepel, Goldbilanzverordnung und Vorzugsaktien, S. 30. 700 Klar i.d.S. Ch. Starck, VVDStRL 34 (1976), S. 74 ff.; vgl. auch v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 12 ff. zu Art. 3 Abs. 1 GG, S. 266 ff.; vgl. auch R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 373 ff.; P. Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 92, 253 ff.; so der ewige Vorwurf gegen die Gleichheitsjudikatur, vgl. die Erörterung der deutschen

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3. Teil Das Privatheitsprinzip

Verantwortung für die Gerechtigkeit 7 0 1 . Gerechtigkeit w i r d i n der Republik durch rechtliche Gesetzlichkeit substituiert 7 0 2 . Gesetzlichkeit ist Gerechtigkeit, wenn das Gesetz Recht schafft. Das aber ist ausschließlich abhängig von der Sittlichkeit des Gesetzgebers, sei dieser ein Parlament oder ein G e r i c h t 7 0 3 , und damit abhängig v o n der Moralität der Abgeordneten bzw. der Richter. Philip Kunig hat in seiner Untersuchung der praktizierten und gelehrten Prinzipien des Rechtsstaates das Fazit gezogen, daß das „Rechtsstaatsprinzip als W i l l kürverbot", durchaus „wandelbar" dogmatisiert werde 7 0 4 . Kunig beklagt das W i l l kürverbot als „Leerformel" 7 0 5 . Es ist jedoch formal und findet seine Materialität durch sittliche Rechtserkenntnis, also durch Autonomie des Willens. Den subjektiven Schutz der Rechtsstaatlichkeit hat aber auch das Bundesverfassungsgericht bislang auf Art. 2 Abs. 1 G G 7 0 6 gestützt, der damit bereits in der Praxis eine Rechtsgrundlage des Willkürverbots ist, jedenfalls w a r 7 0 7 . Bekanntlich reduziert

Staatsrechtslehrer 1926, VVDStRL 3 (1927), S. 2 f f , 25 ff, 43 ff.; i.d.S. auch C. Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954, 1958, S. 192, 211; ders., Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, S. 165; vgl. KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 986 ff, 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II, 2, 3. 701 Für das Gleichheitsprinzip als Gerechtigkeitsprinzip grundlegend E. Kaufmann, VVDStRL 3 (1927), S. 9 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 438 f f , S. 169 ff.; P Kirchhof Objektivität und Willkür, S. 82 ff.; ders., HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 193 ff.; dazu für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts G. Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip. Über den Begriff der Gerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1980, S. 87 ff.; vgl. auch V. Hösle, Moral und Politik, S. 372 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 f f , 909 f f , 932 ff. 702 I.d.S. KA. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft im Sozialversicherungsrecht und im allgemeinen Verwaltungsrecht, VerwArch 63 (1972), S. 306 f , 308 mit Hinw. in Fn. 386; ders., Das Sozialprinzip, S. 58; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 339; ders., Res publica res populi, S. 995 f.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, II, 1; so auch G. Roellecke, VVDStRL 34 (1976), S. 32, 39; R. Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, Eine rechtslinguistische Untersuchung, 1989, S. 291 ff.; das ist die Logik jeder prozeduralen Gerechtigkeitslehre; i.d.S. auch K. Eichenberger, Gesetzgebung im Rechtsstaat, VVDStRL 40 (1982), S. 8 f f , insb. S. 10. 703 I.d.S. auch E. Kaufmann, VVDStRL 3 (1927), S. 9 ff, 19 f f , der zwar das Recht durch materiale Gerechtigkeitsprinzipien bestimmt, aber letztlich durch die „Gesamtpersönlichkeit und ihre Lauterkeit" gewährleistet sieht; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 995 f.; ders, Freiheit in der Republik, 7. Kap, II, 1. 704

Das Rechtsstaatsprinzip, S. 302 ff. Das Rechtsstaatsprinzip, S. 305. 706 BVerfGE 74, 129 (151 ff.), wo Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG als ein Grundrecht genannt werden, vgl. auch BVerfGE 9, 83 (88); 17, 306 (313 f.); 19, 206 (215); 19, 253 (257); grundlegend BVerfGE 6, 32 (40 f.); kritisch zur „Versubjektivierung des Art. 20 Abs. 3 GG" mittels der allgemeinen Handlungsfreiheit H.-U. Erichsen, HStR, Bd. VI, § 152, Rdn. 17 f. 705

707 Ob diese Rechtsprechung fortgeführt werden wird, ist seit dem Euro-Beschluß vom 30.3.1998, BVerfGE 93, 350 (377), zweifelhaft.

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

177

das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht auf die „allgemeine Handlungsfreiheit", sondern praktiziert es auch als den „grundrechtlichen Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsrechtlichen Ordnung begründet ist", insbesondere als „Freiheit von unberechtigten - also auch von nicht rechtsstaatlichen - Eingriffen der Staatsgewalt" (BVerfGE 9, 83 (88)) 708 . Diese Praxis entspricht der republikanischen Autonomielehre, die die Freiheit als Recht auf Recht dogmatisiert 709.

I I I . Subjektives Recht auf Privatisierung Obwohl, wie in den ersten Kapiteln dieses Teils ausgeführt, das Gemeinwesen dem Subsidiaritätsprinzip, besser: dem Privatheitsprinzip verpflichtet ist, hat die Rechtsprechung bisher dessen Judiziabilität abgelehnt und ein subjektives Recht des Einzelnen auf Achtung des Privatheitsprinzips nicht anerkannt. Das subjektive öffentliche Recht ist allgemein durch die Möglichkeit gekennzeichnet, kraft objektiven (öffentlichen) Rechts ein Handeln oder Unterlassen des Staates oder einer staatlichen Institution gerichtlich durchsetzen zu können 710 . Subjektive Rechte sind Ansprüche, Rechte eines Einzelnen, die gerade darum die Möglichkeit geben, die Pflichterfüllung, die dem Recht (gemäß dem objektiven Recht, dem allgemeinen Gesetz als dem allgemeinen Willen des Volkes) korrespondiert, mit den Mitteln, die der Staat zur Verfügung stellt, dem Rechtsschutz, zu erzwingen 711. Das subjektive Recht setzt somit objektives Recht voraus 712 . Die Voraussetzungen eines subjektiven öffentlichen Rechts sind in der Rechtswissenschaft jedoch strittig. In Deutschland wird die Schutzzwecklehre

708

So auch BVerfGE 19, 206 (215); 19, 253 (257), beide Urteile zum Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit der Besteuerung; folgend BVerwGE 30, 191 (198) zur (fragwürdigen) Begründung einer Wettbewerbsfreiheit. 709 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff, 325 f f , auch S. 819 f f , 978 f f , 990 f f , passim; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, 5. Kap, II, 3, 7. Kap, III. 710 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 118 f f , 127 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I I I / l , Allgemeine Lehren der Grundrechte, 1984, S. 987; HJ. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, 1994, S. 564, Rdn. 12; zu den Lehren vom subjektiven Recht weiterführend W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, mit Hinweisen; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 380 f , 931; ¿/ers.,Prinzipien des Rechtsstaates, S. 134 ff. 711 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 379; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff. 712 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 378 ff; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff.

178

3. Teil Das Privatheitsprinzip

oder auch Schutznormlehre praktiziert und demgemäß meist gelehrt 713 . Danach muß die Vorschrift, auf die das subjektive Recht gestützt werden könnte, (auch) den Schutz der Interessen des betroffenen Einzelnen bezwecken. Das ist für viele Rechtsgrundlagen fraglich; denn die Schutzzwecklehre lehnt ein allgemeines Recht auf Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens, also ein Recht aller auf allgemeine Achtung der Gesetze (und des Rechts) ab, auch wenn der Einzelne durch die Mißachtung der Gesetze benachteiligt wird. Wenn das objektive Recht die Interessen des Einzelnen schützt und der geschützte Einzelne dieses sein Interesse gegen den Staat durchzusetzen die Rechtsmacht erhält, hat er nach dieser Lehre 714 ein subjektives öffentliches Recht. Die Rechtsmacht zur Durchsetzung ist dem Einzelnen etwa gewährt, wenn ihm das Gesetz (als Interessenträger) eine Klagemöglichkeit einräumt, nach dieser (engen) Lehre jedoch nicht, wenn irgend jemand (quivis ex populo; Popularklage) oder Verbände (Verbandsklage) eine Klagemöglichkeit im Gemeininteresse, also zum Schutz des objektiven Rechts, haben. Ausgangspunkt der Abgrenzungsproblematik ist, daß dem Staat vielfach Pflichten obliegen, denen keine Rechte des Einzelnen korrespondieren sollen. Immer wenn der Staat nach Opportunität zu handeln befugt ist, hat der Einzelne kein subjektives Recht auf bestimmtes Handeln des Staates, etwa auch nicht, wenn der Verwaltung Ermessen eingeräumt ist. Dann besteht aber ein einklagbarer Anspruch, also ein subjektives öffentliches Recht, auf ermessensfehlerfreie Bescheidung eines Antrages, d. h. auf rechtmäßige Behandlung desselben 715 . Der Subjekthaftigkeit des Einzelnen in der Republik 716 oder im demokratischen Rechtsstaat entspricht es, daß er nicht nur Objekt staatlicher Agenden ist, sondern im Zweifel seine Interessen selbst durchzusetzen vermag, also subjektive öffentliche Rechte hat, die er vor den Gerichten einklagen kann. Der Schutz der Privatheitlichkeit des Vermessungswesens wird nach dem (vermeintlich) objektiven Willen des Gesetzgebers bemessen. Das grundrechli713

Vgl. BVerwGE 1, 83 (83 f.); 22, 129 (132); 75, 285 (286 ff.); 77, 70 (73); 78, 40 (41 ff); H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, S. 225 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 118 f f , 127 ff.; H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, 1994, S. 564, Rdn. 12; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1997, S. 152 f.; kritisch K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 380 f. mit Fn. 634; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 134 ff.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 430 ff.; vgl. ders, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff. 714 BVerwGE 1, 83 (83 f.); 22, 129 (132); 75, 285 (286 ff.); 77, 70 (73); 78, 40 (41), st. Rspr.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, S. 229 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 118 f f , 127 ff.; H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43, Rdn. 12, S. 564. 7,5 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8, Rdn. 15, S. 150 ff.; K.A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 58. 716 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 289 ff.

4. Kapitel Judiziabilität des Privatheitsprinzips

179

che Subsidiaritätsprinzip, das Privatheitsprinzip, bezweckt den Schutz der Interessen der Einzelnen, der Vermessungsingenieure, und ist nicht nur objektivrechtliches Prinzip staatlicher oder kommunaler Organisation, wie vielfach vertreten wird 7 1 7 . Zwar explizieren die Gesetzestexte den Schutz derer, die aus der Achtung des Privatheitsprinzips Vorteile hätten, nicht, aber das menschenrechtliche, grundrechtlich und grundfreiheitlich gegründete Privatheitsprinzip nimmt an dem Rechtsschutz dieser Grundrechte und auch der grundrechtsgleichen Grundfreiheiten teil, der allein schon wegen Art. 19 Abs. 4 GG rechtsschutzbewehrt ist. Die Verweigerung des Rechtsschutzes höhlt nicht nur dieses (sogenannte) formelle Hauptgrundrecht 718 aus, sondern nimmt den Grundrechten und Grundfreiheiten die Effizienz. Der Freiheits- und damit der Privatheitsschutz finden ihre Substanz im Gerichtsschutz. Die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte schützen das wichtigste Interesse der Menschen, seine Existenz als Person, seine Freiheit. Das ist ihr Zweck. Die Privatheit nimmt an dem Schutz der Freiheit uneingeschränkt teil; denn sie ist Freiheit 719 . Die Freiheit ist der eigentliche und wesentliche Zweck des Rechts und des Staates. Das gilt uneingeschränkt für die Privatheit. Dem Privatheitsprinzip den Rechtsschutz zu versagen ist absolutistisches Relikt des Obrigkeitsstaates, der die Bürger genannten Menschen noch immer als Untertanen behandelt720 und diesen „gnädigst" Rechte gewährt. Der Staat aber ist um der Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen 721 . Den von dem engen Argument des subjektiven Rechts geforderten Schutzzweck gewinnt das Privatheitsprinzip aus dem Freiheitsprinzip der Verfassung, aus der Menschheit des Menschen. Die bestmögliche Privatheit ist ein einklagbares Grundprinzip des gemeinsamen Lebens. Die Notwendigkeit der Verstaatlichung oder Kommunalisierung der Aufgaben müssen der Staat oder die Kommunen vor Gericht darlegen und erweisen. Sonst ist die rechtliche Verbindlichkeit des Privatheitsprinzips nicht gewährleistet. Dessen Judiziabilität, sei es material, sei es institutionell, ist zu I und II dargelegt.

717 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 282 f f ; H. Lecheler , Das Subsidiaritätsprinzip. Strukturprinzip einer Europäischen Union, 1993, S. 46 ff.; T. Stein , Subsidiarität als Rechtsprinzip, in: D. Merten, Die Subsidiarität Europas, 1993, S. 23 ff. 718 H.J. Papier , Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, 1989, § 154, Rdn. 1 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 361. 719 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 211 f f , 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, II, III, IV. 720 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 109 f f ; ders.,Freiheit in der Republik, 11. Kap, I. 721 Entwurf des Grundgesetzes von Herrenchiemsee, Einleitung; vgl. W. Maihofer , HVerfR, § 12, Rdn. 100, S. 490 f.; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 144.

180

3. Teil Das Privatheitsprinzip

Nach der Betroffenheitslehre Wilhelm Henkes genügt für die Entstehung eines subjektiven öffentlichen Rechts, daß die Verwaltung ein Gesetz verletzt, das die „eigenen Angelegenheiten" eines Einzelnen betrifft 722 . Diese Lehre verengt den Rechtsschutz nicht entgegen den Interessen der Betroffenen und genügt gleichzeitig dem Zweck der Klagebefugnis, Klagen in Angelegenheiten, welche die besonderen Interessen des Klägers nicht berühren (Popularklagen), aus prozeßökonomischen Gründen nicht zuzulassen. Insbesondere entgeht diese Lehre dem Vorwurf, der Rechtsschutz werde willkürlich (praetorisch) zugeteilt 723 . Die Verstaatlichung des Vermessungswesens in Bayern verletzt das Privatheitsprinzip. Die freiberuflichen Vermessungsingenieure sind in ihren eigenen Angelegenheiten und auch in ihren eigenen Interessen betroffen und verletzt. Nach der Betroffenheitslehre ergibt sich aus der Mißachtung des Privatheitsprinzips ein subjektives Recht auf materiale Privatisierung des Vermessungswesens. Republikanisch konzipierter Rechtsschutz setzt kein subjektives Recht im herkömmlichen materiellen Sinne, das ein besonderes Interesse schützt, voraus. Rechtsschutz verdient jeder Bürger in seinem bürgerlichen Interesse auf Achtung aller objektiven Gesetze, weil deren Verletzung seine Freiheit mißachtet. Jedes Unrecht verletzt den allgemeinen Frieden. Daraus erwächst ein formales subjektives Recht auf Gesetzmäßigkeit allen staatlichen und kommunalen Handelns, ein allgemeines Recht auf Recht, auf Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens, das mit Rechtsschutz bewehrt ist und die (sogenannte) Popularklage, die gegen Grundrechtsverletzungen in Bayern möglich ist 724 , rechtfertigt 725. Danach steht den Vermessungsingenieuren fraglos ein klagbares Recht auf Achtung des Privatheitsprinzips zu.

722 W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 57 ff.; ähnlich R. Bartlsperger, Das Dilemma des baulichen Nachbarrechts, VerwA 1969, S. 35 (49); dazu K.A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 51 ff.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 433 f. 723 K.A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 430 ff. 724 725

Art. 98 S. 4 BV, Art. 55 VfGHG.

R. Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat; i.d.S. auch H. Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, VVDStRL 5 (1929), S. 74; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 448 f., auch S. 378 f., 930 ff.; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff., insb. S. 52 ff.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 434 f.

Vierter

Teil

Privatheitswidrige Mischformen L Kapitel

Problemskizze zur Organisationsprivatisierung des Staatlichen und zur Beleihung Privater mit staatlichen Aufgaben Eine Privatisierung des Vermessungswesens in Bayern genügt nur dem Privatheitsprinzip der Grundrechte und der Grundfreiheiten, mithin dem menschenrechtlichen Subsidiaritätsprinzip, wenn die Privatisierung materiell und nicht bloß formell ist. Damit scheidet eine bloße Organisationsprivatisierung der staatlichen Vermessungsämter, welche der Fiskusdoktrin folgt, genauso aus, wie die Beleihung der Vermessungsingenieure mit den vermeintlich staatlichen oder öffentlichen Vermessungsaufgaben und den für die Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen hoheitlichen, also staatlichen Befugnissen. Beide Mischformen zwischen der Staatlichkeit und der Privatheitlichkeit verbieten sich aus jeweils doppeltem Grunde. Die Fikusdoktrin ist, wenn auch ständige Praxis und dementsprechend überwiegende Lehre, mit den Prinzipien eines freiheitlichen Gemeinwesens, also den Prinzipien einer Republik, wie sie das Grundgesetz verfaßt, unvereinbar, und die Organisationsprivatisierung oder auch formelle Privatisierung genügt nicht dem durch das auf allen Ebenen des Gemeinwesens geltenden Subsidiaritätsprinzip begründeten Privatheitsprinzip, das nur durch echte, materiale Privatheitlichkeit verwirklicht werden kann. Die Beleihung Privater mit (sogenannten) öffentlichen, besser: staatlichen Aufgaben und die dazugehörige Ausstattung Privater mit hoheitlichen, besser: mit staatlichen Befugnissen widerspricht ebenfalls den Rechtsprinzipien eines freiheitlichen Gemeinwesens, obwohl auch die Beleihung in großem Umfang praktiziert wird, weil in der Republik nur der Staat staatlich handeln kann und darf; denn nur der Staat ist demokratisch legitimiert. Wenn Aufgaben privatisiert werden, verlieren diese ihren staatlichen Charakter. Die öffentliche Relevanz von Aufgaben aber, die daraus erwächst, daß sie alle angehen, gibt diesen keinen besonderen rechtlichen Status, weil in diesem Sinne fast alle, wenn nicht alle Aufgaben eines Gemeinwesens für die Allgemeinheit bedeutsam sind, also alle angehen, seien sie privatheitlich oder staatlich wahrgenommen. Die staatlichen Befugnisse, die Hoheitsrechte des Staates also, lassen sich schon gar nicht auf Private übertragen. Zum einen benötigen Private keine staatlichen Befugnisse, um handeln zu können (sie können als Menschen handeln), zum ande-

182

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

ren ist die Ausübung staatlicher Befugnisse ausschließlich Sache des Staates; denn nur der Staat, d. h. die Organe des Volkes zur Ausübung der Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG), ist bzw. sind demokratisch legitimiert. Wenn Private handeln, ist die Verbindlichkeit von deren Rechtsakten eine Frage der Legalität, nicht eine Frage der Hoheitlichkeit. Hoheit ist die Gewalt des Volkes, die niemandem übertragen werden kann. Das praktizierte Rechtsinstitut der Beleihung ist republikwidrig und hat keinerlei Rechtfertigungspotential für die Verwaltungsordnung. Im übrigen würde die bloße Beleihung (gemäß der praktizierten Doktrin) das Privatisierungsgebot mißachten, weil die Beliehenen und deren Rechtsakte funktional staatlich, d.h. mittelbare Staatsverwaltung, bleiben würden. Beleihung ist nicht materiale Privatisierung. Demgemäß läßt sich mit einer Beleihung auch nicht rechtfertigen, daß ein Teil der Vermessungsingenieure dadurch diskriminiert wird, daß nur eine Auswahl aus der Berufsgruppe durch die Beleihung privilegiert wird, weil der Staat wegen der vermeintlichen mittelbaren Staatsverwaltung durch die Beliehenen die Organisationshoheit bewahre, also bestimmen dürfe, wie die (vermeintliche) Ämterordnung gestaltet werde. Diese Befugnis hat der Staat fraglos für die staatliche Ämterordnung, ebenso fraglos aber nicht für die Unternehmen und ebenso fraglos nicht für die freien Berufe. Unternehmen und freie Berufe werden nach den Prinzipien des Marktes und des Wettbewerbs ausgeübt, zu denen jeder Zugang hat, der die berufliche Zulassung bzw. die gewerberechtliche Berechtigung zu unternehmerischem Handeln hat. Die freie Wahl des Berufs schützt Art. 12 Abs. 1 GG, die Unternehmensfreiheit Art. 2 Abs. 1 GG (die allgemeine Handlungsfreiheit), soweit nicht auch Art. 12 Abs. 1 GG, die Berufsfreiheit, oder Art. 14 Abs. 1 GG, die Eigentumsgewährleistung, der unternehmerischen Betätigung Grundrechtschutz geben. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verletzung der Berufsfreiheit der beratenden Vermessungsingenieure, die nicht beliehen worden sind, mit der (quasi) Amtlichkeit der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure und der Nähe deren (vermeintlich) staatlich gebundener Berufe zum öffentlichen Dienst zu rechtfertigen versucht 726 , ohne hinreichende Dogmatik. Einen staatlich gebundenen Beruf, der privatheitlich ausgeübt wird, aber dennoch den staatlichen Amtsprinzipien unterworfen werden darf, gibt es in der Republik, wiederum trotz entgegengesetzter Praxis und der dieser folgenden Lehre, nicht, vor allem nicht aus Gründen eines freiheitlich verstandenen demokratischen Prinzips. Art. 33 GG rechtfertigt somit eine Relativierung des Grundrechts auf gleichen Zugang zum freien Beruf oder zum Unternehmen nicht, schon gar nicht ein Landeskinderprivileg. Sowohl die Fiskusdoktrin als auch die Beleihungsdoktrin nutzen einen funktionalen Begriff der Staatsaufgaben, den es nicht gibt. Sie reklamieren funktionalisierte zwitterhafte Institute zwischen dem institutionell Staatlichen und dem institutionell Privaten, welche vor allem mit dem demokratischen Prinzip der

726

BVerfGE 73,301 (315 ff.).

2. Kapitel Privatheitswidrige Organisationsprivatisierung

183

Republik, welche deren Fundamentalprinzip der gleichen Freiheit für alle folgt, unvereinbar sind. Die verfassungsfremden Institute verzerren die freiheitliche Rechtsordnung und dienen als Rechtfertigung für Praktiken, die nicht zu dem Recht einer Republik gefunden haben. Diese Institute sind für die nützlich, die Vorteile aus ihnen ziehen, und schaden denen, die gegen das Recht benachteiligt werden.

2. Kapitel

Privatheitswidrige Organisationsprivatisierung I . K r i t i k der Organisationsprivatisierung 1. Eine Organisationsprivatisierung würde die staatlichen und die kommunalen Vermessungsämter i n Formen des privaten Gesellschaftsrechts, etwa der der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), organisieren. Die Fiskusdoktrin dogmatisiert die Privatheitsfähigkeit des Staates 727 und auch der K o m munen, wenn sie auch Staat und Kommunen einem privatrechtsmodifizierenden Sonderrecht u n t e r w i r f t 7 2 8 . Insbesondere läßt die Praxis es nicht zu, daß der Staat oder die Kommunen sich durch die Organisationsprivatisierung

den

727

BGHZ 35, 311 (312 f.); 36, 91 (95 f.); 37, 1 (16 f.); BVerfGE 27, 364 (374); BVerwGE 7, 180 (181 f.); 38, 281 (283 f.); 39, 329 (337); 39, 364 (374) st. Rspr.; zurückhaltend BVerfG, NJW 1982, 2173 f f ; zur fiskusdogmatischen Staatspraxis KA . Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6 ff. mit Hinweisen. 728

Fast durchgehend werden Sonderregelungen für den vermeintlich privat handelnden Staat angewandt, etwa HJ. Wolff/O. Bachof/R. Stober , Verwaltungsrecht I, § 23 IIa, S. 106 f. (keine Grundrechtsberechtigung, kein Recht, „mit einer Sache nach Belieben zu verfahren"); J. Schmidt-Salzer , Tätigwerden des Staates in zivilrechtlichen Handlungsformen im Bereich der Daseinsvorsorge und des Beschaffungswesen, WiR 1972, 106 ff.; vgl. auch H. H. Rupp y Tätigwerden des Staates in zivilrechtlichen Handlungsformen im Bereich der Daseinsvorsorge und des Beschaffungswesens, JuS 1961, S. 60 f.; ders. y Privateigentum an Staatsfunktionen, 1963, S. 24 in Fn. 42; G. Barbey , Wahrnehmung staatlicher und gemeindlicher Handlungs- und Entscheidungsformen, WuV 1978, 91; K Wenger , Die öffentliche Unternehmung. Ein Beitrag zur Lehre von der Wirtschaftsverwaltung und zur Theorie des Wirtschaftsverwaltungsrechts, 1969, S. 520; gegen die Privatrechtsfähigkeit des Staates schon O. Mayer , Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1924, S. 115 f f , Bd. II, S. 274 ff.; dazu (wohlwollend) W. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, Untersuchungen zum Problem der leistenden Verwaltung, 1967, S. 369 ff. mit Fn. 100. Wenn freilich der Dualismus zwischen öffentlichem und Privatrecht geleugnet wird (etwa G. Rink , Das Wirtschaftsrecht im - abklingenden - Spannungsfeld zwischen öffentlichem und privatem Recht, WiR 1972, S. 5 f f , 9 f f , 16), so wird es gleichgültig, d.h. zur bloßen Rechtswegfrage, ob Staatsrecht oder Privatrecht gilt. Für den Dualismus vehement und richtig J. Burmeister , WiR 1972, S. 34 ff. Für den hier gewählten Begriff „Staatsrecht" Ch. v. Pestalozza , „Formenmißbrauch" des Staates, S. 166 f f , 179, 185; vgl. KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 11 f. mit Fn. 30, S. 19 mit Fn. 57.

184

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Grundrechten entziehen729. Das Verwaltungsrecht, welches das Handeln staatlicher und kommunaler Ämter regelt, wird durch die Organisationsprivatisierung weitgehend durch das Wettbewerbsrecht ersetzt, insbesondere durch § 1 UWG, der auch das Handeln staatlicher Einrichtungen an die Regeln des lauteren Wettbewerbs binden soll, wenn diese in Wettbewerb zu privaten Unternehmen treten 730 . Die Praxis macht die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf (vermeintlich) staatliche Wettbewerber nicht davon abhängig, ob deren Handeln gegenüber den Bürgern öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist (Lehre von der Doppelqualifikation 731 ). Die Fiskusdoktrin ist seit langem Praxis, die sich stetig ausgedehnt hat. Sie nutzt das Privatrechtsregime für mancherlei Vorteile, vor allem scheint sie es zu erlauben, daß die Länder und Kommunen die durch das demokratische Prinzip bestimmten territorialen Befugnisgrenzen überschreiten 732 , daß die von den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums geleiteten Prinzipien des öffentlichen Dienstrechts, insbesondere das enge Besoldungsrecht des öffentlichen Dienstes, unbeachtet bleiben 733 , so daß einträgliche Pfründen, meist für Parteigänger, eingerichtet werden können. Sie nutzt die Haftungsbeschränkungen etwa des Gesellschaftsrechts entgegen Art. 34 GG 7 3 4 , aber auch steuerrechtliche Möglichkeiten, wie die Vorsteuerabzugsmöglichkeiten des Mehrwertsteuerrechts 735, u.a.m. Die Fiskusdoktrin erlaubt auch politische Entlastungen durch die gesellschaftsrechtliche Eigenständigkeit der formell privatisierten staatlichen Einrichtungen, indem sie deren demokratische Einbindung zumindest lockert. All die Nützlichkeiten sind ausnahmslos in der durch die allgemeine Freiheit gekennzeichneten Republik rechtlos. Die Fiskusdoktrin ist in jeder Weise verfassungswidrig, obwohl sie durch fiskusdoktrinäre Novellen selbst in das Grundgesetz eingedrungen ist, etwa in Art. 87d, 87e Abs. 3 und Art. 87f Abs. 2 GG. Privatrechtlichkeit ist

729

K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144 f.; J. Isensee, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, Aussprache, VVDStRL 54 (1995), S. 304; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 18 f. mit Hinweisen. 730 Vgl. W. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18. Aufl. 1995, Einl, Rdn. 245, § 1 UWG, Rdn. 914 ff.; V. Emmerich, in: E.-J. Mestmäcker/U. Immenga, GWB, Kommentar zum Kartellgesetz, 2. Aufl. 1992, Rdn. 5 f f , 39 ff. zu § 98 GWB; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 f f , 25 f f , 31 f f , 281 f f , 438 ff. (ablehnend). 731

BGHZ 37, 1 (16 ff.); 39, 53 (356); 64, 232 (243 f.); 66, 229 (232 f.); 67, 81 (85 ff.); 82, 375 (381 ff.); 102, 280 (285 ff.); dazu mit Hinweisen K.A. Schachtschneider,, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 26 ff.; W. \Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18. Aufl. 1995, § 1 UWG, Rdn. 919. 732 J. Isensee, VVDStRL 54 (1995), S. 304; vgl. i.d.S. D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 315 f f , 392 (ablehnend), S. 93, 339. 733 Dazu K.A. Schachtschneider, Die Einwirkungsrechte des Staates auf seine privatheitlichen Unternehmen, S. 9 f f ; J. Isensee, VVDStRL 54 (1995), S. 303 ff. 734 Vgl. i.d.S. D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 315 f f , 392 (ablehnend). 735 Vgl. i.d.S. D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 315 f f , 392 (ablehnend), 325 ff.

2. Kapitel Privatheitswidrige Organisationsprivatisierung

185

durch die Privatheit der privatrechtlichen Rechtsträger gekennzeichnet736. Der Staat ist weder institutionell noch funktional privatheitlich und darf sich darum nicht als Staat formell privatisieren 737 . Die Fiskusdoktrin entwindet Staat und Kommunen dem für die Staatlichkeit und die Kommunalität entwickelten, ja erkämpften Recht, dem Recht der Republik als dem Recht eines freien Gemeinwesens738. Eine Organisationsprivatisierung läßt sich durch nichts rechtfertigen. Die Kritik der Fiskusdoktrin wird im Folgenden vertieft.

II. Privatheitlichkeit durch materiale Privatisierung Durch eine Organisationsprivatisierung wäre das Privatisierungsgebot nicht verwirklicht. Nach allgemeiner Meinung, der die Praxis entspricht, bleiben organisatorisch privatisierte, also in Organisationsform des Privatrechts umgewandelte Einrichtungen des Staates oder der Kommunen staatlich bzw. kommunal, nämlich mehr oder weniger selbständige Einrichtungen des Staates oder der Kommunen 739 . Sie sind eben nur formell, nicht aber materiell privatisiert; denn Einrichtungen des Staates können nicht Private sein oder werden 740 . Die Privatisierungspflicht ist aber material 741 . Sie soll die bestmögliche Privatheit der Lebensverhältnisse ermöglichen, sei die Privatisierungspflicht grundrechtlich, sei diese gemeinderechtlich oder sei diese gemeinschaftsrechtlich (europarechtlich) begründet 742 . Die Wirtschaft soll nach der freiheitlichen Wirtschaftsverfassung in Deutschland und in der Europäischen Gemeinschaft durch Unternehmen betrieben werden, welche wettbewerblich am Markt agieren, wie das dargelegt ist. Unternehmen sind aber durch die materiale Privatheit definiert 743 .

736

K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 10 f f , 17 f f , 97 f f , 261 f f , auch S. 281 f f , 421 f f , passim. 737 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f , u.ö.; ders , Res publica res populi, S. 51. 738 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 270 f.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 508 ff. 739 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 61 f f , 87 f , 89 f f , 331 f f , 357 f f ; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 74 ff.; L. Osterloh , VVDStRL 54 (1995), S. 210, 215 f f , auch S. 231 ff.; J. Hengstschläger , Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 174 ff.; klar J. Isensee, VVDStRL 54 (1995), S. 303 ff. 740 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f , auch S. 303 f f , 310 f f , 322 f f , 438 ff.; i. d. S. auch W. Löwer , Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 417 f f (440 f f , 444 ff.); J. Isensee, VVDStRL 54(1995), S. 303 ff. 741 Dazu 3.Teil. 742 Vgl. 3. Teil, a , 2. und 3. (III, IV). 743 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 283 f f , 291 f f , 303 f f , 310 f f , 322 ff.; ders , Res publica res populi, S. 394 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI; ders./A. Emmerich-Fr tische, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 65 f.

186

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Nur die materiale Privatheit erlaubt es, die Persönlichkeit frei, also gemäß den allgemeinen Gesetzen, zu entfalten. Nur in materialer Privatheit finden sich die Menschen zu freiheitlichen Vereinigungen zusammen, nur die materiale Privatheit ermöglicht die freiheitliche Beruflichkeit (außerhalb des öffentlichen Dienstes), nur material Private sind Eigentümer, nur in materialer Privatheit sind Dienstleistungen frei im Sinne des Gemeinschaftsrechts. Der staatliche oder kommunale Gesetzesvollzug, der das gemeine Wohl verwirklichen soll 7 4 4 , ist zwar Dienst, nämlich öffentlicher Dienst, aber keine freie Dienstleistung im Sinne des Art. 49 EGV, wie schon Art. 55 i.V.m. Art. 45 EGV erweist, weil auf Tätigkeiten, welche mit der „Ausübung öffentlicher Gewalt" verbunden sind, das Kapitel über die freie Dienstleistung keine Anwendung findet. Es gibt nämlich wesentlich verschiedene Dienste, zum einen private zum anderen staatliche Dienste. Staat oder Kommunen können sich auch nicht niederlassen. Sie sind territorial gebundene Einrichtungen der Menschen und Bürger für die Verwirklichung des gemeinen Wohls, also als Gebietskörperschaften notwendig territorial bestimmte Republiken. Die formelle Privatisierung unterwirft der Praxis nach das staatliche oder kommunale Handeln durchaus gewissen Vorschriften des Privatrechts, wie insbesondere dem Wettbewerbsrecht 745, dem Gesellschaftsrecht und dem Ver-

744 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff.; ders., Res publica res populi, S. 655 ff. 745 Vgl. K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 f f , 281 ff. (kritisch); ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 487 f f , 502 ff. BVerwGE 17, 306 (313); 39, 329 (337); BGHZ 82, 375 (381 f f , 391 ff.) BGH, NJW 1982, 2125 (2126); VGH Mannheim, NJW 1984, 252 f.; allgemein auch BVerfGE 27, 364 (374); F. Rittner, Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, 1979, S. 196; W. Hefer mehl, Wettbewerbsrecht, Einl. Rdn. 201, Rdn. 914 zu § 1 UWG; V. Emmerich u.a., in: Mestmäcker/Immenga, Rdn. 5 f f , 39 ff. zu § 98 GWB; K. A. Bettermann, Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, Berliner Festschrift für E.E. Hirsch, 1968, S. 22; H. Hubmann, Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand, WuV 1982, S. 41 f , 46; P. Ulmer, ZHR 146 (1982), S. 474 f f , mit Hinweisen (mit herber Kritik an BVerwGE 39, 329 f f , a.a.O., S. 470 f.); H.-J. Papier, HVerfR, § 18, Rdn. 44 f f , S. 819 f.; R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 122 ff.; ders., NJW 1974, 781; ders, NJW 1978, 16 f f , 17; ganz in diesem Sinne M. Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, Studium über Sinn und Funktion der Unterscheidung, 1968, S. 81 f f , 101 f f , Theorie vom Wirtschaftsrecht als „Gemeinrecht" mit Hinweisen in Fn. 351 bis 355; ganz grob in diesem Sinne G. Rinck, Das Wirtschaftsrecht im - abklingenden - Spannungsfeld zwischen öffentlichem und privatem Recht, WiR 1972, 5 f f , 9 f , 16 f , insbesondere für das Wirtschaftsrecht gegen den Dualismus, der nur Rechtswegrelevanz habe (das ebnet alle Unterschiede ein); ähnlich schon H. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 125 ff.; auch H.H. Klein, Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 243 f f ; vgl mit ähnlicher Konsequenz Ch.-F. Menger, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, VerwArch 68 (1977), S. 293 f f , 297 ff.; K. Grupp, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand unter dem Grundgesetz, ZHR 140 (1976), 369 f f ; P. Ulmer, Die Anwendung von Wettbewerbs- und Kartellrecht auf die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand beim Angebot von Waren oder Dienstleistungen, ZHR 146 (1982), S. 474 f , 478 f.; K Schmidt, Kartellsverfahrensrecht-Kartellverwaltungsrecht-Bürgerliches Recht. Kar-telRechtspflege nach deutschem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1977,

2. Kapitel Privatheitswidrige Organisationsprivatisierung

187

kehrsrecht. Insbesondere sind die formell privatisierten Unternehmen als öffentliche Unternehmen nach Maßgabe des Art. 86 EGV, also weitestgehend, dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Gemeinschaft verpflichtet 746 . Sie werden aber nicht wirklich privatisiert. Dazu würde nicht nur der uneingeschränkte Marktzugang anderer privater Unternehmen, der gemeinschaftsrechtlich weitestgehend gewährleistet ist, gehören, sondern eine Stellung im Wettbewerb, wie sie die privaten Wettbewerber haben 747 . Ein Grundsatz des Wettbewerbsrechts ist die Gleichheit der Chancen aller Wettbewerber am Markt 7 4 8 . Jede Begünstigung durch den Staat oder die Kommunen muß unterbleiben, wenn diese Wettbewerbsgleichheit gewahrt bleiben soll. Der Staat oder die Kommunen müssen sich völlig von ihren privatisierten Einrichtungen lösen, sie dürfen diese weder wirtschaftlich noch gar rechtlich privilegieren 749 , und auch nicht deren Bestand sichern, obwohl sie doch größtes Interesse an dem Bestand ihrer Unternehmen haben. Es darf weder rechtlichen noch faktischen, weder realen noch potentiellen Bestandsschutz der (sogenannten) öffentlichen Unternehmen durch den Staat oder die Kommune, zu der diese Unternehmen gehören, geben. Sonst verletzen der Staat oder die Kommune nicht nur die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit, sondern auch die grundrechtlich gesicherte Chancengleichheit der Unternehmen und damit die Unternehmensfreiheit, die zumindest durch das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Art. 2 Abs. 1 GG 7 5 0 , aber richtigerweise auch durch die Eigen-

S. 88 f f ; F.O. Kopp , Der Rechtsschutz im Subventionsrecht unter rechtsvergleichender Berücksichtigung der Situation in Österreich, WuV 1978, 175 ff.; O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe zum 25jährigen Bestehen des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, S. 1 f f 746 Dazu P. Badura, Das öffentliche Unternehmen im europäischen Binnenmarkt, ZGR 1997, 291 ff.; //. Bauer , Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 259 ff.; EuGH, Rs. C-18/88 RTT/GB-Inno-BM SA, Slg. 1991 1, 5941 (Rdn. 17 ff.); Rs C-202/88 Frankreich/Kommission, Slg. 1991 I, 1223 (Rdn. 24 ff.); Rs C-260/89 ERT/Pliroforisis und Kouvelas, Slg. 1991 I, 2925 (Rdn. 33 ff.); Rs C179/90 Porto di Genova/Gabrielli, Slg. 1991 I, 5889 (Rdn. 17 ff.); Rs C-41/90 Höfner und Elser/Macrotron, Slg. 1991 I, 1979 (Rdn. 30 ff.). 747 KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 322 f f , insb. S. 329 ff, 332 ff 748 V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Hand, S. 312 ff.; KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 323 ff, mit weiteren Hinweisen; B. Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung. Zur vertragsrechtlichen Relevanz der Ordnungsfunktionen dezentraler Interessenkoordination in einer Wettbewerbswirtschaft, 1978, S. 176 f.; O. v. Nell-Breuning , Können Neoliberalismus und katholische Formellehre sich verständigen?, FS. F. Böhm (80.), 1975, S. 468; W. Brohm , Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 468. 749 E.-J. Mestmäcker , Über das Verhältnis der Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen zum Privatrecht, AcP 168 (1968), S. 240; V. Emmerich , Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 144 ff.; P. Badura , ZHR 146 (1982), S. 458; KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 326 ff. 750 BVerfGE 12, 341 (347); 27, 375 (384); 29, 260 (266 f.); 50, 290 (366); 65, 196 (210); 91, 207 (221); 95, 276 (303); 98, 218 (259).

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

tumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG und auch die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG geschützt ist 7 5 1 . Diese Grundrechte schützen die Unternehmen auch vor der willkürlichen Begünstigung bestimmter Unternehmen, nämlich der Unternehmen des Staates oder der Kommunen, weil die Begünstigung der einen die Benachteiligung der anderen Unternehmer bewirkt 752 . Die notwendige Distanzierung des Staates oder der Kommunen von ihren Unternehmen gelingt nicht 753 . Sie wäre auch staats- bzw. gemeindewidrig, weil die Unternehmen dem gemeinen Wohl zu dienen haben 754 , insbesondere ihrem öffentlichen Zweck genügen müssen (vgl. Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayGO). Die Ungleichheit zwischen dem Staat oder den Kommunen als Unternehmer und den Privaten als eigentlichen Unternehmern ist unüberwindlich 755 . Der Eingriff von Staat oder Kommunen in den Wettbewerb bedarf als rechtliche oder als faktische Grundrechtsbeeinträchtigung gesetzlicher Grundlage, die sich zudem vor dem Privatheitsprinzip, welches das Markt- und Wettbewerbsprinzip schützt, rechtfertigen muß. Ohne hinreichende Rechtfertigung, welche allenfalls ein Gesetz zu leisten vermag, ist es verfassungswidrig, wenn der Staat oder die Kommunen auf den Markt und den Wettbewerb einwirken. Nur das Gesetz kann dem Willkürvorwurf begegnen. Freilich muß das Gesetz den Rechtsprinzipien des Verfassungsgesetzes, insbesondere den Grundrechten, entsprechen. Jede Einwirkung wird zum Eingriff in die Unternehmensfreiheit oder eben in die grundrechtlich geschützte Privatheit der Lebensbewältigung, die jeden verletzt, den das angeht, jedenfalls den, der dadurch Nachteile erleidet. Es gibt keine Gründe, welche eine Privilegierung formell privatisierter Einrichtungen durch den Staat oder die Kommunen rechtfertigen könnten, es sei denn, die Aufgabe, welche diese Einrichtungen wahrnehmen, sollte verstaatlicht werden. Ein solcher Schritt aber muß sich wiederum vor dem Privatheitsprinzip rechtfertigen lassen. Zudem müßte der Staat oder die Kommune, wenn sie eine Aufgabe verstaatlichen, in den Formen des Staatsrechts (des öffentlichen Rechts) agieren 756 . Staat und Kommunen müssen sich somit völlig 751

Entgegen der Praxis und der dieser folgenden herrschenden Lehre, K.A. Schachtschneider(P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW Verbot), in: K.A. Schachtschneider, Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2002, S. 330 f f ; K.A. Schachtschneider, Fallstudie Produktwarnung (Glykol-Skandal), daselbst, S. 113 f f , 186 f f , 200 ff. 75 2 P.-M. Huber, Konkurrenzdruck im Verwaltungsrecht, S. 400 f f , auch S. 402; vgl. K.A. Schachtschneider, Fallstudie Konkurrentenklage, gegen Subventionen, S. 447 ff. 75 3 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 329 ff. 75 4 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 327 f.; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 312, 316 ff. 75 5 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 329 ff. (rechtlich), S. 333 ff. (ökonomisch). 75 6 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f ; a. A. die Praxis und die praxisabhängige Lehre, zum Verwaltungsprivatrecht als öffentlichrechtlich modifiziertem Privatrecht L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 232 f.; vgl. zur Fiskusdoktrin 3. Kapitel mit Fn. 764 f f

2. Kapitel Privatheitswidrige Organisationsprivatisierung

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von der Aufgabe lossagen, wenn sie die Aufgabe nicht als staatliche Aufgabe annehmen wollen oder dürfen. Nur die gänzliche Lösung des Staates und der Kommunen von den Aufgaben genügt dem Privatisierungsgebot. Jede Organisationsprivatisierung mißachtet das Privatisierungsgebot, weil sie die Substanz der Staatlichkeit oder der Kommunalität unverändert läßt. Sie verletzt zudem die Prinzipien staatlichen oder kommunalen Handelns, nämlich die ausschließliche Maßgeblichkeit des spezifischen Staats- bzw. Kommunalrechts 757 . Insbesondere müssen Staat oder Kommunen ihre durch ihre Unternehmensanteile ermöglichten Einflußmöglichkeiten auf die Unternehmen aufgeben. Staat und Kommunen haben im Grundsatz nicht das Recht, Anteile an privaten Unternehmen zu halten. Das Gegenteil regeln die Haushaltsgesetze gemäß § 3 HGrSG, etwa Art. 65 BayHO, aber auch Art. 94, 95 BayGO und Art. 80, 81 BayBezO. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen verletzen die Grundprinzipien eines freiheitlichen Gemeinwesens, insbesondere das demokratische Prinzip 758 . Aber auch Unternehmen, die in Privatrechts form geführt werden, bleiben Staatsunternehmen, wenn der Staat oder die Kommune die Anteile ganz oder überwiegend halten 759 . Art. 86 Nr. 3 BayGO und Art. 72 Nr. 3 BayBezO, die Kommunalunternehmen in Privatrechtsform zulassen, sind mit den Prinzipien des freiheitlichen Rechts nur vereinbar, wenn die Privatrechtsförmigkeit in der Weise nivelliert wird, daß diese Rechtsform als Sonderform öffentlicher Verwaltung gehandhabt wird 7 6 0 . Dieser Argumentation folgen Art. 92 ff. BayGO und Art. 78 ff. BayBezO, welche der Sicherstellung des öffentlichen Zwecks des Unternehmens dienen. Das muß freilich zur gänzlichen Deprivatisierung dieser Unternehmen führen, mit der Konsequenz für die territoriale Beschränkung des Wirkungsbereichs, für die grundrechtsgemäße Haftung, für das staatsoder kommunalgemäße Dienstrecht u.a.m. Die gegenwärtige Praxis der weitgehenden Privatisierung ohne wirkliche Entstaatlichung der Staatsunternehmen und ohne wirkliche Entkommunalisierung der Kommunalunternehmen ist verfassungswidrig. Das kommunale und bezirkliche Unternehmensrecht der Bayerischen Gemeindeordnung muß insoweit genau wie das Staatsunternehmensrecht verfassungskonform interpretiert werden 761 . 75 7

K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff. Dazu D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 9 f., passim VVDStRL (wenig kritisch); K.A. Schachtschneider, Die Einwirkungsrechte des Staates auf seine privatistischen Unternehmen, S. 7 ff. 75 9 H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 604 ff.; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 f f , 253 f f , 283 ff.; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, S. 240 f. 76 0 H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 604 ff.; ders. y ZHR 1979, 157 ff.; B.E. Beck , Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 43 f f , 45 f f , 51 ff.; K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 59 f f , (67). 76 1 K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche , Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 60 f f , 75 ff. 758

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Aus dem Privatheitsprinzip erwächst das subjektive Recht der Wettbewerber darauf, daß der Staat oder die K o m m u n e n jede Einwirkung auf den Wettbewerb unterlassen, also das subjektive Recht auf unverfälschten Wettbewerb, auf eine Chance am Markt, welche nicht v o m Staat oder der Kommune versperrt i s t 7 6 2 . Wenn der Staat oder die Kommunen auf die Unternehmen einwirken, müssen sie das u m der unternehmensrechtlichen Grundrechte w i l l e n auf ein Gesetz stützen können. E i n solches Gesetz muß freilich alle Wettbewerber gleich behandeln (Prinzip der Gesetzlichkeit). Das gemeinschaftsrechtliche

Prinzip

des unverfälschten Wettbewerbs (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. G E G V ) , der vor allem durch das strenge Beihilfenrecht gestützt w i r d 7 6 3 , folgt auch aus dem Privatheitsprinzip des freiheitlichen Gemeinwesens.

3. Kapitel

Kritik der Fiskusdoktrin I . Verfassungsrechtliche Problemskizze der Fiskusdoktrin Der Fiskus i n der gegenwärtigen Staatspraxis ist der Staat als Privatrechtssubjekt, 7 6 4 jedenfalls soweit er nicht öffentliche Aufgaben w a h r n i m m t 7 6 5 . V o r

76 2 K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 39 f f , 57 f f ; ders, Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 423 f f , 487 ff.; i.d.S. OLG Hanau, JZ 1998, 557 ff.; vgl. auch Ch. Sailer, Ist die kommunale Wohnungsvermittlung unzulässig?, BayVBl 1974, 551; a.A. BVerwGE 39, 329 (336); BVerwG, NJW 1978, 1539; wohl auch BayVGH, BayVBl 1959, 90; BayVBl 1976, 628 ff. 763 Dazu S. Hoischen, Die Beihilferegelung in Artikel 92 EWGV, 1989, S. 10 ff.; R. Streinz, Europarecht, Rdn. 844 f f , S. 344 ff. 764 I.d.S. BVerfG, NJW 1976, 667 ff. (für die „öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsversicherer", „die mit Privaten im Wettbewerb stehen und deren Versicherungsverhältnisse ebenfalls dem Privatrecht angehören"); i.d.S. BGHZ 35, 111 (112 f.); 36, 91 (95 f.); 37, 1 (16 f.); 66, 229 (232 ff.); 67, 81 (85); 82, 375 (381 ff.); 102, 280 (283 ff.), OLG Köln, NJW 1974, 802 ff.; BVerwGE 7, 180 (181 f.); 38, 281 (283 f.); 39, 364 (374); 39, 329 (337); BVerfGE 27, 364 (374); u.a.; ganz zurückhaltend BVerfG, NJW 1982, 2173 ff.; vgl. auch BVerfGE 61, 149 (173 ff.); P. Badura, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und die Unternehmenszwecke bei der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, FS Schlochauer, 1981, S. 11 u. 5; K.A. Bettermann, Anmerkungen zu BGH (GrS 2A5) v. 22. 3. 1976, NJW 1976, 1941 f f , in: DVB1 1977, 181, bezeichnet die „Fiskustheorie" zu Recht als „Realität"; G. Böhmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Bd. I, 1950, S. 184 ff.; M. Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 200 ff, 230 f.; ders, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 102; H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 146 f , mit Hinweisen; ganz grob G. Rinck, WiR 1972, 5 f f , 9 f , der der Zweiteilung zwischen öffentlichem und Privatrecht die „innere Berechtigung" abspricht; dagegen eindrucksvoll J. Burmeister, WiR 1972, 311 f f , 347 ff. für den Dualismus; ders, DÖV 1975, 697 f f ; G. Dürig, in:Maunz/Dürig,

3. Kapitel Fiskusdoktrin

191

allem die „privatrechtlichen" Unternehmen in der Hand des Staates, eine Gruppe der Staatsunternehmen 766, werden zum Fiskus gerechnet 767. Eine Fülle von GG, Art. 1 Abs. 3, Rdn. 111, 135 u. Art. 19 Abs. 3, Rdn. 45; H.H. Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen? Eine kritische Untersuchung am Beispiel der Technischen Überwachungsvereine, 1963, S. 24 f. in Fn. 43, S. 27 in Fn. 46; H.H. Klein , Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 47, 150 f , 167 f f , 192 f f , mit Hinweisen; H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 323 ff. mit Hinweisen, kritisch; W. Mallmann, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, VVDStRL 19 (1960), S.165 ff, 194 ff.; E.-J. Mestmäcker , Die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln im Wettbewerbsrecht, NJW 1969, 1, u.ö.; A. v. Mutius , in: Bonner Kommentar, 1974, Zweitbearbeitung, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 170, 173; W. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 370; R. Scholz , ZHR 132 (1969), S. 136, kritisch; H.J. Wolff/O. BachoßR. Stober, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, S. 106 ff.; L. Osterloh , Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 231 ff.; H Bauer , Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 251; M. Burgi; Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 76 f f , 210 f f ; auch Ch. Gramm , Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001, S. 110 f f ; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6 f f ; nach herrschender Meinung gibt es privatrechtliches Handeln des Staates auch außerhalb des fiskalischen Bereichs, nämlich im Verwaltungsprivatrecht, dazu Hinweise in Fn. 819. 76 5 G. Dürig , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 480 ff.; J. Burmeister , DÖV 1975, 700 ff.; ders , WiR 1972, 311 f f , 347; auch K. Stern/J. Burmeister , Die kommunalen Sparkassen, 1972, S. 200; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 250 f. 766 So der richtige Sprachgebrauch von H. Krüger , Das Staatsunternehmen - Ort und Rolle in der Marktwirtschaft, ZBR 1979, 157 ff.; ebenso P. Badura , Das Verwaltungsmonopol, S. 250 mit Fn. 44. 76 7 J. Burmeister , DÖV 1975, 700 ff.; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 480, Dürigs „Faustformel" (a.a.O., Art. 3 Abs. 1 Rdn. 486) für „primär erwerbswirtschaftliche Zwecke" der öffentlichen Hand, die also prinzipiell grundrechtsungebunden, fiskalisch agieren dürfen, ist, daß die Einrichtung nicht auch in „öffentlicher Rechtsform" betrieben werden dürfe, dieses Kriterium liegt nie vor, weil die „Rechtsformen" nach Dürigs eigener Meinung (a.a.O., Rdn. 493) austauschbar, wählbar sind, es zeigt gegen seine Hoffnung, „Abgrenzungsschwierigkeiten" seien „nicht geeignet, die ganze Abgrenzung über Bord zu werfen" (a.a.O., Rdn. 483), daß seine Differenzierung nicht haltbar ist, weil sie an der staatlichen Macht scheitert, prinzipiell jede Aufgabe nach Maßgabe des Staatsrechts zu übernehmen; wenn aber das Gesetz einer staatlichen Einheit bestimmte Aktivitäten nicht zugesteht, verstößt deren „Ertrotzung" über 'privatrechtliche' Aktivitäten gegen das ultra-vires-Verbot, also die begrenzte Kompetenz (Hinweise in Fn. 272, 836); ganz anders als Dürig unterscheidet R. Scholz in demselben Kommentar, Rdn. 402 ff. zu Art. 12 GG die „sozialwirtschaftliche" (Daseinsvorsorge) von der „erwerbswirtschaftlichen (fiskalischen)" Betätigung des Staates, letztere habe keine verfassungsrechtliche Legitimation; ders., Grenzen staatlicher Aktivität unter der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung, in: Duwendag (Hrsg.), Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, 1976; W. Rudolf, VVDStRL 37 (1979), S. 202 f. bezeichnet es als „unproblematisch, daß die reine Fiskalverwaltung, die privatrechtlichen Beschaffungsgeschäfte der öffentlichen Verwaltung sowie die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand nicht Ausübung hoheitlicher Befugnisse sind" (ebenso J. Burmeister, DÖV 1975, S. 700 ff.) und stellt „als einzig sichere Abgrenzungsmöglichkeit auf die Handlungsformen" ab; H.-P. Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 47 rechnet (nur) „die erwerbswirtschaftlichen Unternehmen" (außer der Hilfsmittelbeschaffung) zur „fiskalischen Verwaltung im engeren Sinne"; vgl. auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 323 ff.

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

192

einfachgesetzlichen Fundstellen und seit einiger Zeit auch verfassungsgesetzliche Novellen belegen diese Praxis und geben ihr eine legislative Rechtferti768

gung . Es gab bis in die jüngste Zeit keine Judikate, die diese Staatspraxis und damit die Fiskusdoktrin ernstlich in Frage stellen. Im Gegenteil hat BVerfGE 27, 364 (374) sie mit den folgenden Sätzen gestärkt: „Hat sich die öffentliche Hand, gleichgültig aus welchen Gründen, dafür entschieden, eine öffentliche Aufgabe (sc. der Betrieb der Bergwerksgesellschaft Hibernia AG) mit den Mitteln des Privatrechts wahrzunehmen und insoweit privatwirtschaftlich tätig zu werden, so muß sie auch alle Konsequenzen daraus, auch die ihr unerwünschten, auf sich nehmen. Sie tritt damit auf den Boden des Privat- und Gesellschaftsrechts, nimmt konkurrierend mit anderen Wirtschaftsunternehmen am Wirtschafts- und Erwerbsleben innerhalb der freien Gesellschaft teil und unterwirft sich den Gesetzen des Marktes. Das Wirtschaftsunternehmen, dessen gesamtes Kapital in öffentlicher Hand liegt, lebt ganz nach dem Recht, das für alle Wirtschaftsunternehmen gilt, wird geführt nach den in der Wirtschaft geltenden Grundsätzen, plant und produziert und erwirtschaftet Gewinne und trägt Risiken wie jedes andere Unternehmen am Markt. Erst der Gewinn fließt in Form von Dividenden des Aktionärs in die öffentliche Kasse." Auf diese Erkenntnisse und Beobachtungen hat der Zweite Senat im Januar 1970 die Gleichheit des öffentlichen Unternehmens in Privatrechtsform als Arbeitgeber mit privaten Wirtschaftsunternehmen als Arbeitgebern und die wesentliche Ungleichheit ersterer mit öffentlichen Dienstherrn gegründet. Im Juli 1982 faßt derselbe Senat seine Entscheidung gegen einen eigentumsrechtlichen Grundrechtsschutz von Gemeinden bei wirtschaftlicher Betätigung ohne Bezug zu öffentlichen Aufgaben mit dem Satz zusammen: „Art. 14 als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater", weil die Gemeinden sich nicht in „grundrechtstypischer Gefährdungslage" befänden (BVerfGE 61, 82 (105 f.)). Den Spruch im Jahre 1970 hat das Bundesverfassungsgericht mit 5 gegen 3 Richterstimmen gefällt. Causa non est finita! Ganz im Sinne der Fiskusdoktrin hatte 1972 das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 39, 329 (337)) festgestellt, daß die Gemeinde „im Wettbewerb keine rechtliche Vorzugsstellung genieße"; vielmehr hierbei denselben privatrechtlichen Vorschriften wie die Mitbewerber unterliege. Selbst ins Grundsätzliche gehende Kritiker der Fiskustheorie wie Herbert Krüger, Walter Mallmann und Karl Zeidler scheuen sich, es dem Staat gänzlich

768 Vgl. in diesem Sinne auch klar K Wenger, Die öffentliche Unternehmung, 1969, S. 515 f , der diesen „empirischen" Befund als Rechtfertigung der Fiskusdoktrin genügen läßt; KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6 ff. zu § 1 VwVfG, S. 280 ff. zu § 98 GWB, S. 8 zu § 40 Abs. 1 VwGO, § 13 GVG in Verb, mit § 18 ZPO, § 65 BHO; vgl. Art. 87 d, Art. 87 e Abs. 3 und Art. 87 f Abs. 2 GG; dazu H Bauer, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 264.

3. Kapitel Fiskusdoktrin zu verwehren, sich „privatrechtlich" zu verhalten 7 6 9 . A u c h Christian

193 Pestaloz-

za, der wegen der Besonderheit des Staates alles Recht, das für und gegen den Staat gilt, als Sonderrecht, nämlich als Staatsrecht einstuft, bietet das (allgemeine) Privatrecht als Auffangrecht a n 7 7 0 .

I I . Substantielle Fiskusdoktrin als eigentliches Rechtsproblem E i n verfassungsrechtliches Problem ist allein die substantielle Fiskusdoktrin. M i t der Privatrechtsfähigkeit des Staates geht es dieser i n der Sache u m die Privatheit des Staates 771 . Das vermag der übliche Wortgebrauch v o n der Privatrechtssubjektivität des Staates oder der Privatrechtlichkeit des staatlichen Handelns nicht zu verschleiern 7 7 2 . M i t dem sachgerechten W o r t Privatheit ist die die Privatheit definierende Privatautonomie in den B l i c k gerückt. Die Privatrechtsfähigkeit hängt v o n der Privatheit ab; die Privatheit ist durch das Recht des Privaten zur Autonomie des Willens definiert 7 7 3 (BVerfGE 61, 149 (176): 76 9 H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 328 f.; dazu KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 230 f f , zu W. Mallmann , VVDStRL 19 (1960) S. 218 f f , S. 165 f f , a.a.O., zu K Zeidler , Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, VVDStRL 19 (1960), S. 208; a.a.O., S. 224 ff. 77 0

Ch. v. Pestalozza , „Formenmißbrauch" des Staates, S. 177 f f ; dazu KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 287 f , und S. 181 f. 771 So auch klar H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 323. 772 Dazu die Hinweise in Fn. 764 ff. Die richtige Sprache spricht J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 204 f f , der auch zum richtigen Ergebnis kommt, S. 206, 210; auch G. Dürig in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1, Rdn. 14 spricht von „privaten Rechten" (z.B. das Eigentum des Fiskus); bemerkenswert differenziert BVerfGE 61, 82 (108 f.) zwischen „Privateigentum", das auch Gemeinden innehaben könnten, und dem „Eigentum Privater", zu denen die Gemeinden nicht gehören würden; das war ein großer Schritt in die richtige Richtung. 773 So sehen das Wesen des Privatrechts klar: K Larenz , Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 3. Aufl. 1975, S. 1, auch S. 91 f , 94 f.; H. Lehmann/H. Hübner , Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 16. Aufl. 1966, S. 140; Th. Ramm, Einfuhrung in das Privatrecht. Allgemeiner Teil des BGB, Bd. I, 2. Aufl. 1974, S. 18 f , 31, insb. 36 f. („stat pro ratione voluntas"); W. Flume , Rechtsgeschäft und Privatautonomie, DJT 1960, S.135 f f , 141; ders , Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, 2. Aufl. 1975, S. 1 ff.; H.- M. Pawlowski , Methodenlehre für Juristen, S. 389, Rdn. 684; i.d.S. auch J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 204 f f , 206, 209; H. Krüger , Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, Aussprache, VVDStRL 19 (1960), S. 261;//. Zeidler, VVDStRL 19 (1960), S. 229 mit Hinweisen in Fn. 92; U. Scheuner , Die staatliche Intervention im Bereich der Wirtschaft, Rechtsformen und Rechtsschutz, VVDStRL 11 (1954), S. 17, 47; W. Henke , VVDStRL 28 (1970), S. 155 f.; i.d.S. auch J. Schwabe , Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte. Zur Einwirkung der Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr, 1971, S. 150; V. Emmerich , Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 129; prinzipiell auch H.J. Wolff Verwaltungsrecht I, 3. Aufl. 1959, § 23 IIa, b, S. 106, 108; F. Ossenbühl , VVDStRL 29 (1971), S. 144, sieht zwar den Begriff des Privaten richtig, baut aber den Begriff der Privatrechtssubjektivität nicht darauf auf; richtig B. Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 165 („Privatautonomie" ist „Charakteristikum der Privatrechtsgesellschaft"); vgl. auch E.- J. Mestmäcker , Macht - Recht - Wirtschaftsver-

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

„Bürgerliches Recht" als das „Recht der Privaten"!). „Das Privatrecht ist seiner Idee nach derjenige T e i l der Rechtsordnung, der die Beziehungen der einzelnen zueinander auf der Grundlage ihrer Gleichberechtigung und Selbstbestimmung („Privatautonomie") regelt", lehrt Karl Larenz 114.

Das Wesen des Privatrechts

w i r d verkannt, wenn es nicht i n dieser Privatautonomie gesehen w i r d 7 7 5 und zu einer Privatrechtlichkeit nivelliert wird, die lediglich Funktionsabläufe, etwa des Marktes, regelt und den Menschen i m Gemeinwesen z u m Funktionär i n einem funktionierenden System degradiert. Davor hat schon Herbert

Krüger

gewarnt 7 7 6 . Die Anwendung von Privatrechtsnormen als Regeln für staatliches Handeln entspricht eingeschliffenem Rechtsbewußtsein 7 7 7 , nur impliziert das die von den meisten Anhängern der Fiskusdoktrin geleugnete Privatheitsfähigkeit des Staates 778 . Die private Rechtsfähigkeit setzt Privatheit voraus; denn das Privatrecht ist die Rechtsordnung der Privaten 7 7 9 . Der Begriff des Privaten ist durch das Prinzip der Willensautonomie des Menschen, das zu verwirklichen seine Würde ausmacht 7 8 0 , definiert, daß diese Autonomie des Willens als das fassung, ZHR 137 (1973), 101; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 ff.; 370 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, I, II, III; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 10 f f , 97 f f , 135 f f , 261 f f , auch S. 281 f f , 363 ff.; das ist jetzt für die Ablehnung der Grundrechtsberechtigung der Gemeinden durch BVerfGE 61, 82 (108 f.) entscheidungserheblich geworden; krit. zu diesem Verständnis des Privaten P. Landau, Begrenzung der privatrechtlichen Gestaltungsfreiheit, in: D. Posser/R. Wassermann (Hrsg.), Freiheit in der sozialen Demokratie, 1975, S. 104 f f ; W. Schmidt-Rimpler, Zum Vertragsproblem, in: FS. Raiser, 1974, S. 19; W. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 359, Fn. 182 („Unter Privaten gibt es Willkür und freies Belieben in unserem Staat eben nicht mehr"); J. Gotthold, Neuere Entwicklungen der Wettbewerbstheorie, ZHR 145 (1981), S. 332; E. Schmidt, Von der Privat- zur Sozialautonomie, JZ 1980, 154 ff. 77 4 K Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, S. 1; vgl. auch Th. Ramm, Einführung in das Privatrecht, S. 21; auch V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 129. 775 Hinweis wie in Fn. 773. 776 Allgemeine Staatslehre, S. 480 f.; ebenso warnt H. H. Rupp, Verfassungsrecht und Kartelle, S. 207; auch W. Leisner, Der Gleichheitsstaat, Macht durch Nivellierung, 1980, S. 300; vgl. auch die Kritik an R. Rebe von KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 387 f f , mit Hinweisen. 777 Als Gegenstand der Fiskusdoktrin; vgl. die Hinweise in Fn. 764 ff.; deutlich etwa BGHZ 35, 311 (312 f.); 82, 375 (381 ff.); so insb. H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 IIa, S. 106 („Fiscus iure privato utitur"); auch K. Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, S. 3; sogar BVerfGE 27, 364 (374); BVerwGE 39, 329 (337). 778 Dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f , passim; typisch für viele ignoriert die Privatheit des Privatrechtssubjektes Staat K. Wenger, Die öffentliche Unternehmung, S. 520. 779 Ganz in diesem Sinne BVerfGE 61, 149 (176), im Urteil zum Staatshaftungsgesetz für das „bürgerliche Recht" als dem „Recht der Privaten". 780 Dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 104 f f , 116 ff.; ders., Res publica res populi, S. 211 f f , 370 f f ; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, I; zur Geschichte des Privatrechtsbegriffs insb. M. Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 13 ff.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

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Private sowohl freiheitsrechtlicher als auch demokratierechtlicher Topos i s t 7 8 1 , daß jedoch dem Staat diese Willensautonomie nicht zukommt und der Staat darum weder p r i v a t 7 8 2 noch rechtens Privatrechtssubjekt ist. Wenn dennoch Vorschriften der Rechtsordnung der Privaten auf staatliches Verhalten angewendet werden, verändern sie m i t dem Rechtssubjekt ihr Wesen und werden Staatsrecht 783 , (Sonder-)Recht für den Staat, i m herkömmlichen Sprachgebrauch „öffentliches Recht". Die so als substantiell gekennzeichnete autonomierechtlich erfaßte Fiskusdoktrin ist nicht etwa ein Scheinproblem. Das erweisen schon die zitierten Worte des Bundesverfassungsgerichts 784 . M i t der „freien Gesellschaft", u m nur einen B e g r i f f herauszugreifen, dürfte die private Gesellschaft, die notwendig zugleich Trivatrechtsgesellschaft' 7 8 5 ist, gemeint sein. Die Fragwürdigkeit eines Rechts des Staates zur Willensautonomie, also einer Freiheit des Staates ( i m engeren Sinne), ist längst erkannt. Abstrakt w i r d ein solches Recht überwiegend zurückgewiesen 7 8 6 . Vermeintlich privatrechtliches Handeln des Staates w i r d durch Überlagerung des z u m Maßstab genommenen Privatrechts durch öffentliches R e c h t 7 8 7 oder durch Modifizierung dieser Maßstäbe 7 8 8 relativiert, 781 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 138 f f , 159 f f ; ders., Res publica res populi, S. 275 f f , 325 f f , 410 ff, 494 f f , 519 f f , 637 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2 , 5 , und 7. Kap. 782 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f ; so jetzt klar BVerfGE 61, 82 (108 f.), für Gemeinden; diese Sicht hat sich durchgesetzt, klar etwa Th. Puhl, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 482; W. Löwer, VVDStRL 60 (2001) S. 418 ff.; in der Tendenz auch L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 231 f f , 234 ff. 783 Fast durchgehend werden Sonderregelungen für den vermeintlich privat handelnden Staat angewandt, etwa H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober , Verwaltungsrecht I, § 23 IIa, S. 106 f. (keine Grundrechtsberechtigung, kein Recht, „mit einer Sache nach Belieben zu verfahren"); H.H. Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen, S. 24 in Fn. 42; K. Wenger , Die öffentliche Unternehmung, S. 520; gegen die Privatrechtsfähigkeit des Staates schon O. Mayer , Verwaltungsrecht Bd. I, S. 115 f f , Bd. II, 1926, S. 274 ff.; dazu (wohlwollend) W. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung, S. 369 f. mit Fn. 100, zur Problematik K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6 f f , S. 258 f f ; wenn freilich der Dualismus zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht geleugnet wird, so wird es gleichgültig, d.h. zur bloßen Rechtswegfrage, ob Staatsrecht oder Privatrecht gilt. Für den Dualismus vehement und richtig / Burmeister , WiR 1972, S. 347 ff. Für den hier gewählten Begriff „Staatsrecht" Ch. V. Pestalozza , „Formenmißbrauch" des Staates, S. 166 f f , 179, 185; vgl. i. d. S. L. Osterloh , VVDStRL 54 (1995), S. 232 f. 784 BVerfGE 27, 364 (374). 785 Begriff von F. Böhm, „Privatrechtsgesellschaft und Marktwirtschaft", ORDO X V I I , 1966. 786 Hinweise bei K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht S. 263 in Fn. 132 und S. 269 in Fn. 161; selbst H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober , Verwaltungsrecht I, 423 IIa, S. 106, gestehen nur „durch die Staatszwecke begrenzte Privatautonomie" zu. 787 Hinweise auf die Überlagerungslehre und auch zur These von der Doppelqualifikation bei K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 81, Fn. 319; vgl. Hinweise in Fn. 783, 819.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

wenn nicht in der Sache dem Privatrecht entzogen und dem Staatsrecht unterstellt. Zum einen sind die Versuche, ein staatsadäquates Privatrecht zu schaffen, rechtsstaatlich höchst bedenklich, weil dieses Recht jeder Bestimmtheit ermangelt und angesichts der Vielfältigkeit der regelungsbedürftigen Angelegenheiten ohne Gesetz ermangeln muß. Zum anderen sind die Bemühungen um ein besonderes Privatrecht für den Staat nichts anderes als eine Relativierung der Fiskusdoktrin, welche dieser die Substanz nehmen will. Ein solcher Korrekturversuch verfehlt jedoch den Kern des Problems. Die Anpassung des Privatrechts an die Besonderheiten des Staates läßt dem Staat eine wenn auch disziplinierte Autonomiebefugnis von Privaten, jedenfalls in den Rechtsbereichen, die Handeln regeln, das seinem Wesen nach privat ist, wie es der Bereich der Wettbewerbswirtschaft ist. Es wird nachzuweisen sein, daß wirtschaftlicher Wettbewerb wesensgemäß aus privatem Handeln von Menschen entsteht, zu dem der Staat nicht berechtigt ist und nicht berechtigt sein darf, selbst nicht, wenn scharfe Maßstäbe seinen Wettbewerb für die privaten Konkurrenten erträglich gestalten789. So hat denn der Bundesgerichtshof staatliche Konkurrenz, weil diese den Bestand des Wettbewerbs gefährde, in einem Fall untersagt und das Verbot ausgerechnet auf § 1 UWG gestützt, der den Wettbewerb disziplinieren will, also notwendig voraussetzt 790. Das Gericht hat die wettbewerblichen Lauterkeitsmaßstäbe für die Allgemeinen Ortskrankenkassen derart verschärft, daß deren Selbstabgabe von Brillen an Kassenmitglieder wettbewerbswidrig wurde, obwohl sie privatrechtlich zu beurteilender Wettbewerb blieb, weil doch die Kassenmitglieder die Wahl hatten, die Brillen auch bei den selbständigen Augenoptikern zu kaufen. Diese Modifizierung des Privatrechts bei dessen Anwendung auf den Staat führt sich bereits ad absurdum. Einem privaten Konkurrenten der mittelständischen Augenoptiker hätte mittels § 1 UWG das Geschäft mit den Brillen wohl kaum deswegen untersagt werden dürfen, weil seine Preise den Konkurrenten keine Marktchance lassen und er deswegen den Wettbewerb gefährde, selbst nicht, wenn er die Preise (ohne Vernichtungsabsicht) intern subventioniert. Wenn § 1 UWG in der Weise den Wettbewerb allgemein schützen würde, müßte die entwickelte Konzentration der Wirtschaft wohl als rechtswidrig angesehen werden. Das Recht teilt sich für das Problem der Fiskusdoktrin in drei Gruppen, nämlich in Vorschriften, deren Imperative unabhängig davon gelten, ob Private oder der Staat ihren Tatbestand erfüllen, die also insofern neutral oder allgemein sind, in solche, deren Tatbestände nur von Privaten erfüllt werden kön-

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Dazu Hinweise bei K.A. Schachtschneider, Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 81, Fn. 319; vgl. Hinweise in Fn. 783, 819. 789 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 326; vgl. ders., Res publica res populi, S. 394 f f , 396 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI. 790 BGHZ 82, 375 (381 ff.) (Verbot der Selbstabgabe von Kassenbrillen).

3. Kapitel Fiskusdoktrin

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nen, eben weil sie wesentlich die Willensautonomie der Privaten regeln und damit voraussetzen, das Autonomierecht, und solche, deren Tatbestand allein der Staat erfüllen kann, das reine Staatsrecht. Jede Vorschrift ist daraufhin zu interpretieren, wer ihren Tatbestand zu erfüllen geeignet ist. Die neutralen Vorschriften, etwa § 433 BGB und weite Teile der ersten drei Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuches auf staatliches Verhalten anzuwenden, verdient nicht den Begriff Fiskusdogma. Nach § 433 Abs. 1 BGB ist jeder Verkäufer einer Sache zu deren Übergabe und zur Übertragung seines Rechts an den Käufer verpflichtet und jeder Käufer berechtigt, dies vom Verkäufer zu verlangen, seien Käufer und Verkäufer der Staat oder Private. Freilich ist auch für diese Vorschrift eine Modifikation erforderlich, wenn Käufer der Staat ist. Der Staat nämlich erlangt als Erwerber der Sache eine Sachherrschaft, die nicht Eigentum im Sinne des § 903 BGB ist; denn der Staat darf mit der Sache nicht „nach Belieben" verfahren 791 . Dieser Aspekt nimmt jedoch § 433 Abs. 1 BGB nicht den neutralen oder allgemeinrechtlichen Charakter, zumal das Eigentum auch in der Hand von Privaten ein je unterschiedliches Recht sein kann, etwa Volleigentum oder bloßes Sicherungseigentum. Die augenscheinliche Normalität von Kauf- und Werkverträgen oder auch anderen Vertragstypen im privaten Leben der Menschen beschränkt deren Zweckdienlichkeit nicht auf private Verhältnisse. Sie sind vielmehr rechtliche Handlungsformen von Menschen und stehen darum auch dem Staat als Organisation der Menschen zur Verwirklichung von deren allgemeinen Interessen zur Verfügung. Dafür muß der Staat nicht privat oder auch nur Privatrechtssubjekt werden. Diese Rechtsinstitute dienen sachgerechter Rechtstechnik für typisierte Rechtsvorgänge, an denen der Staat genauso beteiligt sein kann wie Private. Im sogenannten Zivilrecht finden sich also mannigfache Vorschriften des Staatsrechts 792. Weil die allgemeinen oder neutralen Vorschriften Grundlage von Rechten und Pflichten des Staates und von Privaten sein können, sind sie im Sinne einer institutionellen Lehre des Privatrechts wie des öffentlichen Rechts entweder Privatrecht oder öffentliches Recht/Staatsrecht 793. § 1 UWG, eine paradigmatische Vorschrift der substantiellen Fiskusdoktrin, ist gegenüber den Rechtssubjekten Staat und Private nicht neutral. Diese Vorschrift regelt nur privates und nicht staatliches Wettbewerbshandeln 794. Der Neutralitätslehre, die vor allem von Rupert Scholz und neuerdings auch von Utz Schliesky vertreten wird 7 9 5 , kommt auch die Dogmatik des Bundesgerichtshofs

791 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; das gestehen selbst H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 IIa, S. 107 zu. 792 Die bekannteste rein staatsrechtliche Vorschrift ist § 839 BGB, vgl. BVerfGE 61, 149 (173 ff.). 793 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 261 ff. 794 Dazu insb. K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 f f , 281 f f , 363 f f , insb. 443 ff.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

und jetzt die der herrschenden Meinung von der Doppelqualifikation staatlichen Handelns sehr nahe, die auch hoheitliches Handeln als privatrechtlich zu beurteilenden Wettbewerb einzustufen erlaubt 796 . § 1 UWG gehört zum Autonomierecht, paßt also nur auf Privatunternehmen. Es bedarf darum der substantiellen Fiskusdoktrin, wenn diese Vorschrift dem Staat als Unternehmer das Recht geben soll. Das Problem der substantiellen Fiskusdoktrin ist also zweiseitig. Einerseits wird, gerechtfertigt durch eben diese Doktrin, der Staat als Privater behandelt, indem ihm Privatrechtssubjektivität auch insoweit zugestanden wird, als das Privatrecht Autonomierecht ist. Das ist die noch vorherrschende Sicht des Problems. Wolfgang Hefermehl etwa sieht die Wirtschaftsfreiheit durchaus im Sinne des Rechts zur Autonomie als Voraussetzung des Wettbewerbs und damit der Geltung des § 1 UWG, unterstellt aber den Staat uneingeschränkt sogar prinzipiell ohne Modifizierung der Handlungssmaßstäbe dieser Vorschrift 797 . Andererseits wird dem Staat die Willensautonomie von Privaten abgesprochen, sein Handeln aber dennoch nach § 1 UWG beurteilt, weil diese Vorschrift neutral sei und jedes wettbewerbliche Handeln regele, ohne daß dies privates Handeln sein müsse. So begründet vor allem Rupert Scholz, wie schon bemerkt, die Geltung des § 1 UWG für das Handeln von Staatsunternehmen, denen er dann auch einen autonomiegleichen weiten Gestaltungsspielraum einräumt 798 . Darauf läuft, wie auch schon angedeutet, auch die Dogmatik der Praxis von der Doppelqualifikation hoheitlichen Verhaltens hinaus 799 . Verständlicherweise drängt die Anwendung einer freiheitsbegrenzenden Vorschrift auf staatliches Handeln angesichts der kaum bestrittenen Erkenntnis, daß dem Staat keine Freiheit zukommt 800 , zu einer diese Vorschrift neutralisierenden, genauer: ent795 Dazu R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 97 ff.; auch ders., Wettbewerb der öffentlichen Hand, NJW 1974, 781 f.; ders. y Wettbewerbsrechtliche Klagen gegen Hoheitsträger: Zivil- oder Verwaltungsrechtsweg?, NJW 1978, 16 ff.; U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 74 f f , 278 ff.; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 80 f f , insb. Fn. 316. 796 BGHZ (Gr. S.) 66, 229 (232 ff); 67, 81 (85); 82, 375 (381 ff); 102, 280 (283 ff.) folgend BverwG, BayVBl. 1978, 376; BVerwG, NJW 1980, 656; kritisch BSGE 36, 238 (240); W. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Rdn. 166 f.; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 26 ff. mit Zitaten in Fn. 2, Hinweise auch in Fn. 319, S. 81 daselbst. 797 Zu W. Hefermehl K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 41 ff. 798 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 91 f f ; insb. R. Scholz, ZHR 132 (1969), S.135ff.; i.d.S. auch U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 74 f f , 278 ff. 799 Hinweise wie in Fn. 731. 800 Hinweise bei K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 39 f. mit Fn. 59. Zur Grundrechtsunfähigkeit des Staates Hinweise in Fn. 889 f , auch Fn. 92; vgl. etwa BVerfGE 61, 82 (108 f.); H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 140; vgl. U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 112 f f , 171 f f , 189 f f , der dem Staat „Wettbewerbsfreiheit" zugesteht (insb. S. 171 f f , 181 ff.).

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privatisierenden Interpretation. Es fragt sich nur, ob die Tatbestandsmerkmale des § 1 UWG dessen Anwendung auf staatliches Handeln erlauben, ohne dem Staat als Unternehmer wiederum ein Recht zur Willensautonomie zuzugestehen, das nur Privaten zusteht. Zugleich fragt es sich, ob der Staat sich in den wettbewerblichen Konflikt mit Privaten begeben darf, der mittels § 1 UWG befriedet werden soll, ob sich der Staat nicht vielmehr, wenn er zu Privaten in Wettbewerb tritt, zum Privaten macht oder sich zumindest als ein solcher geriert. So sagt das deutlich das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 27, 364 (374). Anders gewendet heißt das, der Staat muß sich als Privater gerieren dürfen, wenn er als Wettbewerber von Privaten gelten können soll. A l l diese Fragen sind zu verneinen 801 . Das Wesen des Privaten, die Privatheitlichkeit, liegt in der Autonomie des Willens, in der Freiheit, die den Menschen und damit deren Privatheit als Teil ihrer Freiheit definiert, wie schon mehrfach gesagt 802 . Die Eigenart des autonomierechtlichen Privatrechts läßt es nicht zu, daß § 1 UWG (auch) dem Staat das Recht gibt, also neutral ist. Wegen der grundgesetzlichen Autonomielehre darf staatliches Handeln nicht als „Handlungen im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbs" verstanden werden und dürfen die „guten Sitten" des § 1 UWG nicht als Maßstab staatlichen Handelns herangezogen werden 803 . Es ist ein Unterschied, ob der Gegenstand der gesetzlichen Regelung spezifisch autonomes Handeln von privaten Unternehmern ist oder unternehmerisches Handeln von Wirtschaftssubjekten. Eine grundgesetzliche Autonomielehre und zugleich Staatslehre ist für die Frage nach der Privatrechtssubjektivität von Staatsunternehmen, paradigmatisch der Frage nach der Relevanz des § 1 UWG für staatsunternehmerisches Handeln, unverzichtbar. Seine Staatslehre hat für diesen Fragenkreis Herbert Krüger zugrundegelegt, dessen Ergebnisse denn auch ganz von den übrigen Auffassungen abweichen 804 . Utz Schliesky ignoriert demgegenüber, wie die meisten Apologeten der Praxis, die republikanische Autonomielehre von der

801

Vgl. KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f , 281 f f , 363 ff.; ders , Res publica res populi, S. 394 f f , 396 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI. 802 Vgl. KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 97 f f , auch S. 135 f f , 281 f f , 363 ff.; ders., Res publica res populi, S. 211 f f , 370 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap. 803 Vgl. KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f , 443 ff.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 502 f f ; a.A. (wie die Praxis und herrschende Lehre, dazu Hinweise in Fn. 764) U. Schliesky , Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 278 f f , 343 ff. 804 Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, 1965, S. 82 f.; ders , Von der reinen Marktwirtschaft zur gemischten Wirtschaftsverfassung, 1966, S. 27; dazu KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 96.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Freiheit 805 und geht den Irrweg zu seinen falschen Ergebnissen vom öffentlichen Wettbewerbsrecht, das § 1 UWG zu einer zentralen Vorschrift für Handeln des Staates macht 806 . Privatheit des Staates, also ein Recht des Staates zur Autonomie des Willens, ist unvereinbar mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der vom Grundgesetz geordneten Republik. I I I . Verfassungswidrigkeit der Fiskusdoktrin Die Fiskusdoktrin und mit ihr die Staatspraxis der Privatrechtssubjektivität der öffentlichen Hand 807 kann nur an den politischen Grundentscheidungen des Grundgesetzes, also an der Verfassung 808, scheitern 809. Die Detailregelungen des Grundgesetzes geben gegen die Fiskusdoktrin nichts her. Für die Sonderregelungen etwa der Finanzmonopole und der Überleitungsbestimmungen für das Reichsvermögen in Art. 134 GG und der Landesvermögen in Art. 135 GG brauchen die bekannten Untersuchungen nicht wiederholt zu werden 810 . Die kontroversen Auffassungen zur kompetenziellen Grundsatznorm des Art. 30 GG spiegeln vornehmlich den Streit um die Fiskusdoktrin wieder 811 . Wenn die Begriffe „staatliche Befugnisse" und „staatliche Aufgaben" Staatsunternehmen in den verschiedenen Rechtsformen einbeziehen, hat Art. 30 GG für die unternehmerische Betätigung des Bundes verheerende Konsequenzen812, weil alle Versuche, eine Bundeskompetenz aus sonstigen Bestimmungen des Grundgesetzes, etwa den Vorschriften über die Gesetzgebungs- und die Ver-

805 Vgl. KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 f f , 325 f f , 410 f f , passim; ders. y Freiheit in der Republik, 2 , 5 , 6 , und 7. Kap, III, passim; ders., schon Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 97 f f , 135 f f , passim. 806 Vgl. K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 278 f f , 343 ff. 807 Hinweise in Fn. 764 ff. 808 Zum Verfassungsbegriff K.A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 f f , 50 ff. 809 Zum Ganzen K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 17 f f , mit jeweils weiteren Belegen. 810 H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 146 f.; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 143, 161; U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 169 ff. 811 Dazu H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 195 f.; W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 389 f. mit Hinweisen; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 161 f f ; U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 138 ff.; BVerfGE 12, 205 (241) -Fernsehurteil- läßt den Wirkungsbereich des Art. 30 GG offen. Gegen die Relevanz des Art. 30 GG für fiskalische Tätigkeiten H.J. Vogel, Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 22, Rdn. 38, S. 1058 f. 812 Ebenso H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaflichen Wettbewerb, S. 195 f , der Art. 30 GG jedoch tatbestandlich nicht als gegeben ansieht (S. 150, 195 f.); so auch mit weiteren Hinweisen G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 161 f f

3. Kapitel Fiskusdoktrin

201

waltungskompetenz, herzuleiten 813 , fehlschlagen 814. Die Überlegungen müssen aber nicht nur allein mit dem Begriff des Staatlichen in Art. 30 GG begründet werden. Es dürfte wenig Überzeugungskraft haben, wenn eine verfassungsnormative Staatslehre allein auf ein Wort gestützt würde. Sicherlich hat der Begriff „staatlich" in Art. 30 GG normative Wirkung und dürfte mit dem wortidentischen Begriff des Staatlichen in Art. 1 Abs. 1 GG, aber auch mit dem Begriff „Staatsgewalt" in Art. 20 Abs. 2 GG übereinstimmen und näher durch die in Art. 1 Abs. 3 GG aufgezählten drei Gewalten des Staates umschrieben sein 815 . Von der Fiskusdoktrin und der fiskalischen Praxis geleitete Änderungen des Grundgesetzes in Art. 87d Abs. 1 GG für die Luftverkehrsverwaltung, für die der Bundesgesetzgeber eine „öffentlich- rechtliche oder privatrechtliche Organisationsform" vorschreiben darf (1992), in Art. 87e GG für die Eisenbahnen des Bundes, die nach Absatz 3 „als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt werden" (1993) und in Art. 87fGG für das Postwesen und die Telekommunikation, deren Dienstleistungen nach Absatz 2 „als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere Anbieter erbracht" werden sollen (außer „Hoheitsaufgaben", 1994) in Verbindung mit der näheren Regelung der Art. 143a und Art. 143b GG, welche die Umwandlung der Bundeseisenbahnen und der Deutschen Bundespost in „private Unternehmen" regeln, scheinen die Fiskusdoktrin zu bestätigen und zu rechtfertigen. Diese Novellen des Verfassungsgesetzes, welche durch die Fiskusdoktrin irregeleitet sind, vermögen die Verfassung der Freiheit, aus der die Kritik der Fiskusdoktrin folgt, nicht zu schwächen. Die Novellen haben nur für den Übergang zur materialen Privatisierung berechtigte Relevanz und sind auch im übrigen als Ausnahmen nicht geeignet, die republikanischen Verfassungsprinzipien zu relativieren, zumal sie staatswidrig sind. Den Übergangscharakter zur materialen

813 H.H. Klein , Die Teilnahme des Staates am wirtschaflichen Wettbewerb, S. 196; ähnlich W. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung, S. 390; auch G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 163, unter Hinweis auf Art. 74 Nr. 15 GG. 814 Dagegen auch H.H. Klein , Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 149 f , 195 f., der sich schließlich auf Art. 17 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes für Österreich (!) - dazu umfassend B. Binder , Der Staat als Träger von Privatrechten, 1980- beruft, um zu belegen, daß die Privatrechte des Bundes von verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsregeln unberührt bleiben. Als Rettungsanker mag der Hinweis auf die Gewohnheit bundesunternehmerischer Betätigung, eben die langjährige Praxis der Fiskusdoktrin, geworfen werden, so etwa F. Ossenbühl , Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 129 f f , 131; freilich war deren Rechtmäßigkeit auch bundesstaatsrechtlich immer kontrovers. 8,5 Auch R. Scholz , ZHR 132 (1969), S. 136 sieht den Fiskus als eine Zuständigkeit der Staatsgewalt; ebenso W. Mallmann , VVDStRL 19 (1961), S. 194 ff.; K Zeidler , VVDStRL 19 (1961), S. 221 ff.; auch Ch. v. Pestalozza , „Formenmißbrauch" des Staates, S. 169; anders etwa J. Burmeister , DÖV 1975, S. 102.

202 Privatisierung b GG816.

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen erweisen

die

Übergangsbestimmungen

der

Art. 143a

und

Die Grundrechte ergeben vordergründig kein Argument gegen die Fiskusdoktrin. Wenn schon der Staat als Subjekt des Privatrechts agieren darf, so ist damit keineswegs entschieden, daß er sich dadurch von der Grundrechtsbindung loszusagen befugt i s t 8 1 7 . Die Fiskalgeltung der Grundrechte ist seit j e umstritten und die strenge Fiskusdoktrin hat sich gegen sie immer gewehrt 8 1 8 . I n den letzten Jahren hat sich die gegenläufige Tendenz verstärkt. So wollen die Überlagerungsdogmatiker den Fiskus wie überhaupt den privatrechtlich agierenden Staat nicht nur dem Privatrecht, sondern auch dem Staatsrecht, vor allem dem Gleichheitssatz, unterwerfen 8 1 9 , weil alles staatliche Handeln entweder

816

I.d.S. auch J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 59 f f , S. 1555 f.; ders., Aussprache, VVDStRL 54 (1995), S. 304; a.A. U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 155 f f , der in diesen Vorschriften seine Dogmatik berechtigter Wirtschaftstätigkeit des Staates, zumal des Bundes, in Privatrechtsform, bestätigt sieht. 817 Wie hier für viele K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144 f.; weitere Hinweise in Fn. 818. 818 Für die Fiskalgeltung der Grundrechte: K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 142 f f , 145; W\ Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 306 f f ; W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 394 f f , mit weiteren Hinweisen in Fn. 216; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 327, 527; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 212 f f , mit Hinweisen, insb. in Fn. 110; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 91 f f , insb. S. 93 f , zurückhaltend auf S. 107 ff.; KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 17 f f , 54 f f , 71 ff. 227 f f , 275 f f , 351 f f , u.ö.; dagegen: KA. Bettermann, Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, FS Hirsch, 1968, S. 11, 19 ff.; E. Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber unter besonderer Berücksichtigung des Bauauftragswesens, 1963, S. 13 ff.; H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 165 f f , ausführlich mit Hinweisen, S. 176 f. (Grundrechte beschränken nur „spezifische Staatsmacht", S. 169, 175, - „wo der Staat nicht herrscht, bedarf es dieser Mäßigung nicht"); weitere Hinweise bei A. v. Mutius, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 82, 126, 145 ff. (zu öffentlichen Unternehmen in Privatrechtsform); G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 475 f f , Rdn. 496 (zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung und Auftragsvergabe). Herrschend wird darauf abgestellt, ob der Staat eine 'öffentliche Aufgabe' wahrnehme und von der 'Rechtsform' des Verhaltens abstrahiert: BGHZ 29, 76 (80); 36, 91 (96 ff.); 52, 325 (328); 65, 284 (287); H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 IIb, S. 108 f.; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rdn. 134, 135, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 45; V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 123, 132, mit weiteren Hinweisen in Fn. 331 (krit.); W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 397 (selbst für die Überlagerungslehre, S. 365 f , 377 f f , 387 ff); J. Burmeister, DÖV 1975, S. 695 ff.; auf das Kriterium der öffentlichen Aufgaben stellt gegen die Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Hand ab BVerfGE 21, 362 (374), ebenso BVerfGE45, 63 (78 ff.); das Kriterium ist in BVerfGE 61, 82 (101 ff.) der Sache nach aufgegeben. 819

R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 132 ff.; W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 365, 378 f f , mit Hinweisen auf S. 381; H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 248 f.; vgl. auch W. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 198 f f ; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 206 („strengste Bedingungen", „daß die privatrechtliche Verkleidung nicht private Autonomie schafft"); vgl. auch L. Osterloh, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben,

3. Kapitel Fiskusdoktrin

203

Gesetzgebung, Rechtsprechung oder eben „vollziehende Gewalt" i m Sinne des Art. 1 Abs. 3 G G sei und der Staat sich der Bindung an die Grundrechte nicht entziehen dürfe 8 2 0 . Die A b w e h r w i r k u n g der Grundrechte gegen den Fiskus hängt auch davon ab, wie dessen Handeln näher eingeschätzt wird. Wenn der Staat als Fiskus privat ist und die Privatautonomie in Anspruch nehmen darf, müßte er sogar mittels Art. 19 Abs. 3 G G grundrechtsberechtigt

sein. Die

Grundrechtsberechtigung des Staates, der als oder besser wie ein Privatrechtssubjekt i n Erscheinung tritt, ist umstritten 8 2 1 . A u c h insoweit geht die Tendenz dahin, das Staatliche des Fiskus i n den Vordergrund zu stellen und nicht das 'Privatrechtliche' seines Handelns 8 2 2 . N u r

VVDStRL 54 (1995), S. 232 f.; zur Parallelproblematik im Verwaltungsprivatrecht vgl. G. Dürig , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 496 u. Art. 1 Abs. 3, Rdn. 136-138, der für den „wirklich fiskalischen Tätigkeitsbereich" nur eine mittelbare Grundrechtswirkung i.S. einer Mißbrauchsabwehr zugesteht; grundlegende Kritik an der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht und an dem Rechtsinstitut des „hoheitlichen Privatrechts" übt überzeugend J. Burmeister , WiR 1972, 311 f f , mit weiteren Hinweisen insb. in Fn. 10, 28, der fiskalischen Verhalten (mit Ausnahme adaptiven Verhaltens, a.a.O., S. 343) einbezieht; BGHZ 36, 91 (95 ff). Die immanente Inkonsequenz dieser Lehre zeigt Ch. v. Pestlozza , „Formenmissbrauch" des Staates, S. 167 f f , auf. 820 So typisch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144 f.; W . Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung, S. 401; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfasungsrecht, S. 217 ff. mit Hinweisen. 821 Dafür: K.A. Bettermann , Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, S. 1 f f ; auch G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 120 f. für die privatrechtlichen Gesellschaften der öffentlichen Hand; E. Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 14; G. Dürig , in: Maunz/Dürig, (l.Aufl.), GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 34, wenn „hinter öffentlich-rechtlichen Organisationsformen in Wahrheit Privatinteressen stehen"; H.H. Klein , Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 234 f f ; auch BVerwG DÖV 1958, 61 f.; dagegen: G. Dürig, Maunz/Dürig (2. Aufl.), GG, Rdn. 36, 40, 45 zu Art. 19 Abs. 3, Rdn. 484 ff. zu Art. 3 Abs. 1 GG mit Nachweisen; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, (1981), GG, Art. 12, Rdn. 101 f f , insb. 105 (1981) mit weiteren Hinweisen; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 210 f f , mit Hinweisen; auch J. Burmeister, DÖV 1975, 700 in Fn. 38 mit weiteren Hinweisen; G. Püttner, a.a.O., S. 93 f , 106 f. für die öffentliche Hand selbst; anders noch 1. Aufl. 1969, S. 148 ff.; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 19 f f , 275 f f , u.ö.; auch U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 171 f f ; zur Diskussion um die Grundrechtsberechtigung des Staates umfassend A. v. Mutius, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 78-147 mit umfangreichen Hinweisen; G. Dürig , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 29 ff. Vgl. insbesondere BVerfGE 21, 362, (369 ff.); 45, 63 (80); 61, 82, (100 ff.) ablehnend. 822

Etwa BVerfGE 21, 362 (370, 374); 35, 263 (271); 38, 175 (184) bei Wahrnehmung „öffentlicher Aufgaben"; BVerfGE 39, 302 (314 f.); 45, 63 (80); jetzt für alles staatliche, konkret gemeindliche, Handeln BVerfGE 61, 82 (101 ff): Gemeinde als Privateigentümer genießt keinen Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG, keine 'grundrechtstypische Gefährdungslage'; anders insb. BVerfGE 27, 364 (374); G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 36, 40, 45 („Primärrechte des Individuums gegen die öffentliche Gewalt"; ablehnend auch für eine Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand); deutlich J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 210 f f , mit Hinweisen; ders , Grundrechte und Demokratie. Die polare Legitimation im grundgesetzlichen Gemeinwesen, in: Der Staat 20, 1981, S. 15 f.

204

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

wenige Stimmen haben sich für die Grundrechtsberechtigung des Staates als Hoheitsträger gemeldet 8 2 3 . Karl

August Bettermann

hat dem Staat sogar die

Gewerbefreiheit aus Art. 12 G G zugesprochen 8 2 4 . Autoren, die das Wettbewerbsrecht auf die wirtschaftliche Betätigung des Staates angewandt wissen wollen, neigen dazu, die Fiskalgeltung der Grundrechte zurückzuweisen 8 2 5 . Grundrechtsschutz würde dem Unternehmer erlauben, staatlicher Konkurrenz die freiheitlichen Prinzipien der Sachlichkeit und der Verhältnismäßigkeit entgegenzuhalten, vorausgesetzt, Staatsunternehmen verengen die grundrechtlich geschützte Freiheit der Privatunternehmer. So wenig bestimmt die genannten Prinzipien sind, sie lassen doch die nicht minder offenen Maßstäbe des Wettbewerbsrechts, insbesondere den der Lauterkeit des Wettbewerbs aus § 1 U W G , als entbehrlich erscheinen. Konkurrenzschutz gegen Staatsunternehmen findet mehr und mehr A n k l a n g 8 2 6 .

823

KA. Bettermann, Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, S. 6 f f , 11, „wenn der Staat wie ein Bürger den allgemeinen Gesetzen unterworfen" sei, also im Subjektionsverhältnis; A. v. Mutius, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 107-118. Ablehnend mit ausfuhrlicher Erörterung G. Dürig, in: Maunz/Dürig, (2. Aufl.), GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 33 ff.; auch R. Scholz, in: Maunz/Dürig, (1981), GG, Art. 12, Rdn. 100 ff. mit Hinweisen; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1. Aufl. 1969, S. 148 ff. mit Hinweisen; (klar a.A. 2. Aufl. 1985, S. 93 f , aber wiederum anders S. 120 f. für die Gesellschaften der öffentlichen Hand in Privatrechtsform) H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 96 f f ; vgl. auch H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 234 ff. mit Hinweisen; umfassende Darstellung des Streitstandes bei A. v. Mutius, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 78 ff.; gegen Bettermann BVerfGE 61, 82 (101 ff.). 824 KA. Bettermann, Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, S. 1 f f ; ihm folgend H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 234 f f ; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 35, 48 sub e, bb; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rdn. 101 zu Art 12 GG, mit weiteren Hinweisen in Fn. 2; dagegen auch G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1. Aufl. 1969, S. 148 f f , mit Hinweisen insb. in Fn. 17, 21, S. 154 f f , auch 2. Aufl. 1985, S. 93 f , 106 f , aber, S. 120 f. 825 Etwa H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 165 f f , 176 (dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 54 ff); V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 120 f f , 132 f , 147 (dazu K.A. Schachtschneider, a.a.O., S. 64 ff.); W. Brohm, Strukturen des Wirtschaftsverwaltung, S. 183 (dazu K.A. Schachtschneider, a.a.O., S. 60 ff.). 826 Vgl. dazu mit Hinweisen R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rdn. 104, 405 ff.; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 286 ff.; vgl. dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 351 f , insb. in Fn. 340; für den Konkurrentenschutz ders./A. Emmerich- Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 57 f f ; ders, Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 423 ff, 487 f f ; J. Hengstschläger, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 188 ff.; W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 444 ff.; P. Selmer, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand und Unternehmergrundrecht, in: R. Stober/K. Vogel, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, 2000, S. 75 ff. (78 ff.); Schutz vor faktischer Grundrechtsbeeinträchtigung durch staatliche Konkurrenz gibt aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. § 1 UWG BGHZ 82, 375 (381 ff.) den Augenoptikern gegen Brillenselbstabgabestellen der gesetzlichen Krankenkassen.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

205

W e n n alle anderen Argumente nicht mehr helfen, w i r d die Privatrechtsfähigkeit des Staates m i t Verfassungsgewohnheitsrecht gerechtfertigt 8 2 7 . Die Gewohnheitsrechtsbildung setzt voraus, daß eine Rechtsüberzeugung nicht nur langdauernd, sondern auch, daß deren Rechtlichkeit i m wesentlichen unwidersprochen geblieben i s t 8 2 8 . Die Fiskusdoktrin ist jedoch seit eh und j e umstritfiOQ OIA ten . Verfassungsgewohnheitsrecht ist sie nicht . Gegen eine Staatslehre, die sich auf die nach Art. 79 Abs. 3 G G unveränderlichen politischen Grundentscheidungen des staatlichen Gemeinwesens stützen kann, darf sich Verfassungsgewohnheitsrecht jedenfalls nicht durchsetzen 8 3 1 . Die dominierende Entscheidung, die in Verbindung mit dem grundrechtlichen Freiheitsprinzip den Charakter der grundgesetzlichen Republik bestimmt, ist die für den demokratischen Bundesstaat, eingebettet i n die Schwesterentscheidungen für den sozialen Rechtsstaat und den föderativen Staatsaufbau 832 . 827 So etwa W. Brohm , Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 183; W. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung, S. 369 ff. mit Hinweisen in Fn. 102; ders , Die Rechtsformen der sozialen Sicherung und das allgemeine Verwaltungsrecht, VVDStRL28 (1970), S. 217; auch G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 81, 85; W. Martens , Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 93; auch W. Reuß, Öffentliche Wirtschaftsverwaltung mit privatrechtlichen Gestaltungsmitteln, in: Staatsbürger und Staatsgewalt II, 1963, S. 265; so argumentiert auch F. Ossenbühl , VVDStRL 29 (1971), S. 162 f , zur Rechtfertigung der Verwaltungshilfe durch Private, ein ebenfalls fiskusdogmatisch beeinflußtes Instrument; ders , a.a.O., mit Hinweisen zum Argumentationstopos „vorverfassungsmässiges Gesamtbild", von dem sich der Verfassungsgeber unzweideutig distanzieren müsse; ganz so auch R. Stober , Die privatrechtlich organisierte Verwaltung. Zur Problematik privarechtlicher Gesellschaften und Beteiligungen der öffentlichen Hand, NJW 1984, 452 („Schweigen der Verfassung"); kritisch dazu Ch.v. Pestalozza , „Formenmißbrauch" des Staates, in Fn. 117, S. 174 f. 828 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 429 f f , mit Hinweisen in Fn. 333, 340. 829 Zur Kritik der Fiskusdoktrin allein die Hinweise bei W '. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, Fn. 100, S. 369 f , der trotzdem eine quasigewohnheitsrechtliche Position der Fiskuslehre vertritt; vgl. auch H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 323 ff.; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 204 ff.; R. Scholz , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rdn. 105 („staatsrechtliche Stellung des Fiskus" „allgemein noch" „ungeklärt"); K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, 1986, passim. 830

K. Zeidler , VVDStRL 19 (1961), S. 231; H.P. Bull , Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 279, für ein Recht des Staates, Wirtschaftsunternehmen zu betreiben; auch J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 204 f f , insb. S. 206, wendet sich dagegen, die Privatautonomie des Fiskus aus der Tradition zu rechtfertigen. 831 R. Herzog , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Rdn. 99; Th. Maunz/G. Dürig , daselbst, Art. 79 Abs. 3, Rdn. 47; auch P. Kirchhof Rechtsquellen und Grundgesetz, Festgabe BVerfG, 1976, S. 50 f f , 92 f. mit Hinweisen. Bedenken gegen Verfassungsgewohnheitsrecht überhaupt äußert C. Tomuschat , Verfassungsgewohnheitsrecht, 1972, S. 132 f f , 147 ff.; gegen Verfassungsgewohnheitsrecht auch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 15; zum ungeschriebenen Verfassungsrecht vgl. BVerfGE 34, 216 (231); 35, 263 (272); 38, 231 (239). 832 BVerfGE 44, 125 (138); R. Herzog , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Rdn. 1, 26, 27, 99; K.A. Schachtschneider , Die Entscheidung des Grundgesetzes für die Demokratie, JA

206

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Die freiheitliche Demokratie, die Republik also, die wesensgemäß freiheitlich ist, und die Freiheitlichkeit, die sich wesensgemäß i m demokratisch verfaßten Gemeinwesen entfalten darf, bilden das einheitliche Verfassungsprinzip 8 3 3 , das sowohl die Privatheit des Menschen als auch die Staatlichkeit des Staates normiert. Unter dem freiheitlich-demokratisch bestimmten B e g r i f f des Privaten vermag der staatliche Fiskus seine Identität genausowenig zu finden wie unter dem freiheitlich definierten B e g r i f f des Staates der fiskalistische Staat 8 3 4 . Der republikanische Staat darf nicht ein Besonderer i m Staat sein. Er verliert seine Staatlichkeit, die durch die Aufgabe, das A l l g e m e i n w o h l zu verwirklichen, charakterisiert ist, wenn er sich i n die Privatheit begibt und Privatrechtssubjekt wird. Er verselbständigt sich dadurch; er agiert über seine demokratische Existenz hinaus, ultra v i r e s 8 3 5 . Die Lehre v o n der bloßen Teilrechtsfähigkeit des Staates i m Rahmen der ihn existenziell begründenden staatsrechtlichen Vorschriften 8 3 6 stößt jedoch weitestgehend auf A b l e h n u n g 8 3 7 7 8 3 8 .

1979, 512 f f , 512?.; ders., Deutschland nach dem Konventsentwurf einer Verfassung für Europa, FS W. Nölling, 2003, S. 279 ff. 833 G. Leibholz, Freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Bonner Grundgesetz, in: Strukturprobleme der modernen Demokratie, 3. Aufl. 1967/1974, S. 137 f f ; R. Thoma, Wesen und Erscheinungsform der modernen Demokratie, in: U. Matz, Grundprobleme der Demokratie, 1973, S. 79; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 1, Rdn. 23; K. Stern, Staatsrecht I, S. 623 f , mit weiteren Hinweisen; W. Kägi, Rechtsstaat und Demokratie, in: U. Matz, Grundprobleme der Demokratie, 1973, S. 107 ff.; K.A. Schachtschneider, JA 1979, 570 f.; ders, Res publica res populi, S. 14 f f , passim; ders, Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, passim; BVerfGE 38, 281 (302 f.); 44, 125 (147 f.); BVerfG, NJW 1979, 705 f. 834

Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f ; ähnlich insb. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 323 ff. 835 Vgl. vor allem BGHZ20, 119 (122 ff.); tendenziell jetzt BVerfGE 61,82 (101 ff.); siehe auch instruktiv BVerfG, NJW 1983, 26 f f , das den Zusammenhang der privatrechtlich begriffenen Amtshaftung des § 839 BGB mit der ultra-vires-Lehre deutlich macht („Der pflichtwidrig handelnde Beamte überschritt nach damaligem Verständnis seine Vollmachten und konnte deshalb den Staat nicht verpflichten"). Im Sinne der ultra-vires-Lehre H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 335 ff. (aus dem Repräsentationsgedanken); P.-H. Naendrup, Privatrechtliche Haftungsbeschränkung und staatliche Verantwortung, S. 94 f f , 102 f f für eine beschränkte Rechtsfähigkeit des Staates auch im Zivilrecht; F. Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 21 f f , insb. S. 103 f f , 108; deutlich J. Isensee, Privatwirtschaftliche Expansion öffentlichrechtlicher Versicherer, DB 1979, 146.; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 265 f f , 270 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 188 f. Die grundsätzlich uneingeschränkte Privatrechtsfähigkeit vertritt die h.M.; für viele H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 136 f f , mit Hinweisen auf S. 151 f.; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 79 ff. (84), in Fn. 38 kritisch, aber nicht überzeugend; H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 135 f f , mit Hinweisen (Vertrauensschutzaspekte). 836 Vgl. die Hinweise in Fn. 835; insb. BGHZ 20, 119 (122ff); P.-H. Naendrup, Privatrechtliche Haftungsbeschränkung und staatliche Verantwortung, S. 94 ff.; F. Fabrici-

3. Kapitel Fiskusdoktrin

207

Der Staat hat ausschließlich eine demokratische Existenz, w e i l „alle Staatsgewalt v o m V o l k e ausgeht" (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). A u c h der fiskalische Staat müßte eine demokratisch begründete Existenz haben, wäre ein T e i l des soeben gekennzeichneten Staatlichen, somit nicht mehr privat und als Privatrechtssubjekt ein Widerspruch i n s i c h 8 3 9 . Grundprinzipien der freiheitsrechtlichen und demokratierechtlichen Überlegungen sind die Prinzipien der Autonomie des Willens als der Essenz der Menschenwürde, die Art. 1 G G als das oberste Konstitutionsprinzip des grundgesetzlichen Gemeinwesens schützt, und der Republikanität (Volks- oder Bürgerstaatlichkeit) aus Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, an denen kein Verfassungsgewohnheitsrecht, keine Verfassungsgesetzänderungen, kein einfaches Recht, keine Rechtsprechung und keine Staatspraxis vorbeiführen dürfen. Die Grundsätzlichkeitdieser

Sätze beeinträchtigt

die Überzeugungskraft

praxisbezogener

Schlußfolgerungen aus ihnen, weil allein das Beharren auf der überkommenen Auffassung, allein die Weigerung, sich überzeugen zu lassen, es ermöglichen, gegen diese Sätze die tradierte Praxis zu bewahren. Die K r i t i k der Fiskusdoktrin n i m m t aber den Kernbereich dieser Prinzipien i n Anspruch und versucht

us, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 103 ff.; Ch. v. Pestalozzi des Staates, S. 75 in Fn. 117. 837

„Formenmißbrauch"

Vgl. die Hinweise in Fn. 835; insb. F. Fabricius , Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 103 ff. und passim; H.H. Klein , Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 151; richtig W. Löwer , VVDStRL 60 (2001), S. 419. 838 § 65 Abs. 1 BHO regelt die Voraussetzungen, unter denen der Bund sich an Unternehmen in der Rechtsform des privaten Rechts beteiligen darf (P. Badura , Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und die Unternehmenszwecke bei der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, FS H.J. Schlochauer, 1981, S. 10 f., weist zurück, daß diese Voraussetzungen ein Subsidiaritätsprinzip aufstellen würden.). Die dritte der Voraussetzungen ist, daß der Bund einen angemessenen Einfluß insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan erhält. Die vom Bund wahrzunehmenden öffentlichen Interessen sollen über den gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluß geltend gemacht werden und sind nicht ohne weiteres Maßstab des unternehmerischen Handelns. Damit ist die weitgehende Privatheit derartiger Unternehmen anerkannt. Für Eigenbetriebe etwa, die unselbständige Einheiten von Gebietskörperschaften sind, bedurfte es einer derartigen Regelung nicht. § 65 Abs. 4 BHO schreibt dem zuständigen Bundesminister vor, darauf hinzuwirken, daß die auf Veranlassung des Bundes gewählten und/oder entsandten Mitglieder der Aufsichtsorgane der Unternehmen bei ihrer Tätigkeit auch die besonderen Interessen des Bundes berücksichtigen (zur Weisungsproblematik gegenüber staatlichen Aufsichtsratsmitgliedern ausführlich mit Hinweisen J. v. Trott zu Solz , Staatlich beeinflußte Aktiengesellschaften als Instrument der öffentlichen Verwaltung, insb. S. 126 f f , 168 ff.; J. Berkemann , Die staatliche Kapitalbeteiligung an Aktiengesellschaften, 1966). Das ist für staatliche Agenden selbstverständlich. Es bedurfte nur einer Erwähnung im Gesetz, weil die Unternehmen privatistisch sind und damit ihren Zweck prinzipiell selber bestimmen (so auch J. v. Trott zu Solz , a.a.O., S. 54 f f , 168 f.). 839 So klar in der Sache H. Krüger , VVDStRL 19 (1961), Aussprache, S. 261; dazu vor allem K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 ff.

208

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

nicht, Rechtssätze in den unsicheren Randzonen derselben unterzubringen. Die Kritik versucht, Verfassungsrecht gegen eine Staatspraxis durchzusetzen 840. IV. Kritik des funktionalistischen Begriffs des Staatlichen Die den grundgesetzlichen Staat kennzeichnende Verfassungsentscheidung ist die für die freiheitliche Demokratie und zugleich für den sozialen Rechtsstaat, die Republik also. Diese Entscheidung ist in Art. 20 GG nicht weniger verankert als in Art. 1 GG; der rechtsstaatliche demokratische und soziale Bürgerstaat folgt notwendig aus der als Recht zur Autonomie des Willens verstandenen Freiheit, die auch in der Realität hinreichend gleich für alle Deutschen sein soll. Letzteres gibt das Sozialprinzip auf, folgt aber auch aus der Eigentumsgewährleistung 84 1 . Die Republik ist die staatliche Lebensform der Freien 842 . „Der Staat ist um der Menschen Willen da, nicht der Mensch um des Staates willen", sollte Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetztes nach dem Entwurf von Herrenchiemsee lauten 843 . Die freiheitlich-demokratische Grundordnung definiert, wie gesagt, die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist der wesentliche Schutzgegenstand der sogenannten Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG, die nicht einmal die Änderung des Grundgesetzes in dessen Art. 1 und 20 zuläßt. Dort stehen die Entscheidungen, die das Autonomieprinzip zur Grundlage der Staats- und Rechtstheorie erheben und damit Ausgangspunkt der Kritik der Fiskusdoktrin sind. Die Frage nach der Fiskusdoktrin ist, um es zu wiederholen, die, ob das Grundgesetz eine Staatlichkeit erlaubt, die ein Recht zur freien Willkür, wie es dem Menschen als Privatem eignet, in Anspruch nimmt. Damit zwingt die Fiskusdoktrin zur Differenzierung staatlichen Handelns in 'hoheitliches' und 'fiskalisches'. Kriterium dafür sollen die vom Staat wahrgenommenen

840 In der Sache schon so J. Burmeister, WiR 1972, 341 („Verwaltungsprivatrecht nicht zu erklären, es sei denn, man verläßt das normative Ordnungsgefüge und argumentiert contra legem et contra constitutionem"), S. 350 („illegale Praxis"), der allerdings seine Position in: Die privatrechtlich organisierte Verwaltung, DÖV 1975, 695 ff, 701 f f , mittels eines verfassungswidrigen Fiskusbegriffs schmerzlich relativiert; scharfe Kritik an der Praxis von W. Leisner, Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, 1970, S. 76 f.; J. Isensee, VVDStRL 54 (1995), S. 303 ff. 841 Dazu K.A. Schachtschneider, Sozialprinzip, S. 56 f f , 61 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; bzw. ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS. W. Leisner, S. 755 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap, III, 2. 842 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 2 , 5 , 7 , und 8. Kap.; ganz in diesem Sinne zuletzt BVerfGE 61, 82 (101 ff.). 843 Auf diese Quelle weist auch W. Maihofer, Rechtsstaat und menschliche Würde, S. 9, 42 f , 44 f f , 56, 109 hin, der Art. 1 GG ebenso interpretiert, a.a.O., passim, und richtig die „freiheitliche, rechts- und sozialstaatliche Demokratie von der Verfassungsgarantie der Menschenwürde" her entfalten will; ebenso ders, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, § 12, Rdn. 100 f f , S. 490 ff.; das ist auch Ausgangspunkt für das Subsidiaritätsprinzip bei J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 271.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

209

Aufgaben oder Funktionen sein. Einer solchen funktionalen Differenzierung des Staatlichen liegt kein tragfähiges Prinzip zugrunde. Die Differenzierungsversuche enden (zum Teil erklärtermaßen) in einem reinen Dezisionismus, der keinerlei Unterscheidungskriterium im Grundgesetz aufzuzeigen vermag. Das kann nicht verwundern, weil es keines gibt. Der autonomierechtliche Staatsbegriff, dem die Begriffe der Staatsaufgaben und des Staatsrechts notwendig folgen, ist einheitlich und läßt es nicht zu, Bereiche staatlicher Betätigung einer anderen Ordnung zu unterstellen, als der aus der freiheitlich-demokratischen, der republikanischen Grundordnung abzuleitenden Staatsrechtsordnung. Dem funktionalen ist darum ein institutioneller Begriff des Staatlichen entgegenzustellen. Der läßt einer (formellen) Privatisierung des Staatlichen keine Rechtsgrundlage 844. Zu wiederholen ist, daß Verfassungsgewohnheitsrecht den Entscheidungen des Grundgesetzes, auf die hier die Kritik der Fiskusdoktrin gestützt wird, schlechterdings nicht entgegengehalten werden kann 845 . Zum einen erfüllt die Fiskusdogmatik nicht die Voraussetzungen von Gewohnheitsrecht, weil sie nie hinreichend unbestritten war, zum anderen und vor allem ist die Tradition der fiskalistischen Staatspraxis monarchisch begründet 846 und darum nicht mit dem Hinweis auf die Tradition in einer Republik transferierbar.

V. Problem eines Wahlrechts des Staates zwischen der Staats- und der Privatrechtsordnung Ein funktionaler wäre geeignet, die Bereiche der Betätigung des Staates als Institution zu trennen in solche, die funktional staatlich sind, und solche, die nicht funktional staatlich, sondern eben privatheitlich oder allgemein/neutral und damit dem 'allgemeinen' Recht, dem Privatrecht, unterworfen, also privatrechtlich sind. Zugleich wäre er geeignet, Betätigungen von Privaten als staatlich einzustufen, weil sie funktional staatlich sind. Das ist der Standpunkt der herrschenden Meinung 847 . Ein Kriterium funktionaler Staatlichkeit existiert jedoch außer dem der institutionellen Staatlichkeit nicht, weil es, wie schon mehrfach hervorgehoben, mit den staatsrechtlichen Grundentscheidungen des Grundgesetzes nicht im Einklang stünde 848 . Allein der institutionelle Begriff von Staatlichkeit, Staatsaufgaben und Staatsrecht ist tragfähig, wenn nicht dem Staat zugestanden werden soll zu wählen, ob sein Verhalten staatlich im ei844

Dazu näher K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 ff. Dazu Hinweise in Fn. 832. 846 Ebenso K. Zeidler , VVDStRL 19 (1961), S. 224 f. mit Fn. 69; auch W. Mallmann , VVDStRL 19(1961), S. 177 f. 847 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6 ff. mit Hinweisen; vgl. Fn. 764 ff.; dazu auch 4. und 5. Kap. 848 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 ff. (Erörterung einschlägiger Literatur). 845

210

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

gentlichen Sinne oder privatheitlich/privatrechtlich ist. E i n solches Wahlrecht ist das Recht zur W a h l der Rechtsordnung, die für den Staat gelten soll. Es ist der Fluchtweg i n das Privatrecht 8 4 9 . Es leuchtet ein, daß die fiskalistisch fundierte Praxis und die dieser folgende Lehre dieses Wahlrecht des Staates anerk e n n t 8 5 0 . Als Symptom der latenten Schwäche der funktionalistischen Staatslehre ist das Wahlrecht aber auch bekämpft. E i n Recht des Staates, zwischen hoheitlichen und privatrechtlichen Handlungsweisen zu changieren, bestätigt eher die These, daß die Verfassung eine Differenzierung staatlichen Handelns nicht vorsieht, die es erlaubt, rechtlich zu entscheiden, ob das Handeln nach dem Staatsrecht oder dem Privatrecht zu beurteilen sei. Die W a h l der Rechtsform ist willkürliche Entscheidung des an sich Rechtsunterworfenen über diese Rechtsunterworfenheit 8 5 1 . Das haben Joachim Burmeister

und Christian

det mehr und mehr A n h ä n g e r

von Pestalozza klargestellt 8 5 2 . Diese K r i t i k fin853

und steht auch hinter dem sogenannten Über-

lagerungsdogma 8 5 4 . Das Recht zur Wahl der Verhaltensordnung wäre ein begrenzter Absolutismus. Der Staat steht aber in keiner seiner Verhaltensweisen

849 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181, mit Hinweisen in Fn. 32 f. 850 RGZ 158, 83 (92 ff); 161,341 f f ; 164, 273 (276 ff); BGHZ 9, 145 (147); 16, 111 (112 f.); deutlich BGHZ 35, 111 (112 f.); auch BGHZ 102, 280 (283), dahin geht auch die Tendenz in BVerfGE 27, 364 (374); H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 237 ff. mit Hinweisen; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 81 f.; W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 102, 104, 312, 353 f f , 364 f.; W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 95, 97; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 182 f f ; letztlich auch L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 231 f f , die die Konsequenzen herunterzuspielen bemüht ist; vgl. auch M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 210 ff.; weitere Hinweise bei K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f. und Fn. 33, 37; zu Recht kritisch B. Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, insb. S. 91 ff 851

Sehr kritisch i.d.S. auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 328; kritisch auch M. Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 102; wie hier auch Ch. v. Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, S. 170 f f , 174 mit Fn. 117, S. 177 (mit konsequenter Sonderrechtstheorie); kritisch auch G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 136; wie hier auch W. Möllmann, VVDStRL 19 (1961), S. 201 f. mit Hinweisen auf „Gros" und „Vorhut" in der Frage staatsrechtlicher Bindung des 'privatrechtlich' handelnden Staates; scharf gegen das Wahlrecht auch J. Burmeister, DÖV 1975, 702 f , grundsätzlich und überzeugend; KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 ff.; B. Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, S. 91 ff.; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 210 f f , plädiert für ein RegelAusnahme-Prinzip zugunsten der öffentlichen Rechtsform. 852 J. Burmeister, WiR 1972, 311 f f , 318, 321 f f , 337, u.ö.; ders., Der Begriff des „Fiskus", DÖV 1975, 697 f f mit Hinweisen in Fn. 14 ff.; Ch. v. Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, S. 170 f f , 174 mit Fn. 117, S. 177, 185 f. 853 Vgl. Fn. 851. 854 Vgl. die Hinweise in Fn. 819; die mangelnde Konsequenz dieser Theorie vom „hoheitlichen Privatrecht", die sich weitgehend auf die Grundrechtsfrage beschränkt, kritisiert zu Recht J. Burmeister, WiR 1972, 311, 346 f.; so sieht das auch Ch. v. Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, S. 166 ff.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

211

über dem Gesetz 855 . Sogar manche Funktionalisten anerkennen dieses Wahlrecht 856 und desavouieren damit potentielle funktionalistische Kriterien des Fiskalischen. Wenn es hoheitliches Verhalten des Staates, das gerade nicht fiskalisch ist, gibt, darf dieses allein nach staatsrechtlichen Maßstäben beurteilt werden. Die Wahl der einen oder anderen Rechtsordnung verböte sich auch für das nicht-hoheitliche, das fiskalische Handeln, das definitionsgemäß privatheitlich/privatrechtlich wäre. Sowohl nach reinem Staatsrecht als auch nach dem vom Staatsrecht überlagerten Privatrecht, also dem besonderen Privatrecht für den Staat, müssen die Rechtsfolgen jedoch dieselben sein. Das Passende zu diesem Wahlrecht hat Herbert Krüger in seiner Allgemeinen Staatslehre gesagt 857 : „Vor der Entscheidung (sc. dieser Wahl) weiß niemand, wie sie ausfallen wird. Nach der Entscheidung bleibt vielfach ungewiß, wie sie ausgefallen ist. Erst durch den Spruch des Gerichts erfahren Amt und Bürger, ob hoheitlich oder fiskalisch gehandelt wurde." Krüger übersieht neben dieser ironischen Bemerkung nicht, daß die Fiskusdoktrin „grundsätzlich verfehlt" ist. Die Menschen dürfen nach ihren Maximen handeln; denn sie sind als Private in ihrer Willkür frei 858 . Für ihre Verhältnisse gilt ausschließlich das Privatrecht. Genausowenig wie die den Staat charakterisierende ausschließliche Geltung des Staatsrechts den Staat definiert, definiert die Geltung des Privatrechts den Privaten. Sätze wie: Wenn das Privatrecht gilt, sind die beteiligten Rechtssubjekte Privatrechtssubjekte (und damit Private), und: Wenn das Staatsrecht gilt, ist der Staat als Staat an dem Rechtsverhältnis beteiligt, vermögen ein materielles Kriterium für die Geltung des Privatrechts oder die des Staatsrechts nicht zu geben. Das wäre anders, wenn es in der Macht der beteiligten Rechts Subjekte stünde, zu bestimmen, ob für ihre Handlungen Privat- oder Staatsrecht anzuwenden sei. Privaten ist diese Macht bislang von niemandem zugestanden worden. Dieses Wahlrecht des Staates zwischen der 'Privatrechtsform 1 und der 'Staatsrechtsform' seines Handelns ist conditio sine qua non der Fiskusdoktrin, wenn und weil es keine materielle Unterscheidung von hoheitlichem und fiskalischem 855 Der Gesetzgeber darf Gesetze aufheben oder ändern; er darf sie aber nicht mißachten. Vgl. für viele KA. Schachtschneider , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 94 f f , 161 ff.; ders., Res publica res populi, S. 279 ff. 303 f f , 494 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, IV, 5. Kap, II, 7. Kap, I. 856 Etwa H.H. Klein , Die Teilnahme des Staates am öffentlichen Wettbewerb, S. 237 ff. mit Hinweisen; G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 81 f.; W. Brohm , Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 182 f f ; W. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung, S. 102, 104, 346 f , vgl. auch S. 360 f , 377 f f , 387 ff.; V. Emmerich , Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 128. 857 S. 328. 858 Vgl. KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 104 f f , S. 238 f.; ders., Res publica res populi, S. 211 ff, 370 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap, II.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Handeln gibt 8 5 9 . Ersatz für diese Maßstablosigkeit ist der Dezisionismus, wie immer, wenn ein Maßstab für eine Differenzierung fehlt, auf die man nicht verzichtet mag. Ein solches Wahlrecht würde es dem Staat erlauben, seine Staatlichkeit gegen eine Privatheit auszutauschen. Das geht über seine Kräfte hinaus, überschreitet seine normative Existenz, die allein durch Rechtsakte, in der Regel Gesetze, begründet ist 8 6 0 . Das Dogma von der allgemeinen Rechtssubjektivität des Staates861, das hinter diesem Wahldogma steht, ist unvereinbar mit den Existenzbedingungen des Staates in der grundgesetzlichen Republik 862 . Das „bürgerliche Recht" ist das „Recht:der Privaten", hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts im Urteil über das Staatshaftungsgesetz erkannt 863 . Christian von Pestalozza kommt mit seiner konsequenten 'Sonderrechtstheorie' zu demselben Verdikt gegen das Wahlrecht 864 , räumt aber ein, daß für staatliches Handeln Privatrecht gelte, wenn „öffentlich-rechtliche Normen hierfür nicht bereitstehen und ... Privatrecht tatsächlich anwendbar ist" 8 6 5 . Diese Ausnahme ist nicht eindeutig definiert, dürfte aber die Rechtsnormen erfassen, die für jedes „beliebige" Rechtssubjekt gelten, also das hier sogenannte 'allgemeine' oder 'neutrale' Recht umfassen. Die Kollisionsnorm, um Pestalozzas Ausgangspunkt 866 zu nutzen, ist die Entscheidung des Grundgesetzes für die freiheitliche Demokratie, die Republik. Sie läßt es nicht zu, auf den Staat anderes Recht anzuwenden als das Staatsrecht 867. Das zeigt zugleich, daß die Frage nach dem Staatsrecht keine nach der Auswahl unter konkurrierenden Rechtsordnungen ist. Mit dem Staatsrecht konkurriert keine andere Rechtsordnung, etwa die Rechtsordnung für Private. Die Privatrechtsordnung gilt nur für Private, die Staatsrechtsordnung gilt nur für den Staat und notwendig insoweit für den Menschen als Bürger, als dessen Rechte oder Pflichten gegenüber dem Staat sich aus diesem Recht für den Staat (mit)ergeben. Der Mensch ist nicht nur Privatrechts-, sondern auch Staatsrechtssubjekt, nämlich Bürger (insoweit auch als Ausländer), der Staat aber ausschließlich Staats- und in keinem Falle Privatrechtssubjekt. Die kollisionsrechtliche Situation ist eine andere, nämlich

859

Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 ff, S. 232 ff. 860 Dazu näher K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff. Hinweise zur ultra-vires-Lehre vor allem in Fn. 271, 835. 861 Belege zur Fiskusdoktrin in Fn. 764 ff. 862 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 ff. mit Hinweisen. 863 BVerfGE 61, 149(176). 864 „Formenmißbrauch" des Staates, S. 166 f f , 170 ff, 185 f. 865 „Formenmißbrauch" des Staates, S. 177 f f , 185 f , Zitat S. 178. 866 „Formenmißbrauch" des Staates, S. 170 f f , 172 f f , der den zwingenden Charakter des öffentlichen Rechts als Sonderrecht des Staates staatstheoretisch nicht näher untersucht. 867 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 261 f f ; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 502 ff.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

213

die, daß eine Rechtsordnung die andere zu verdrängen vermag, daß aber auf den Sachverhalt beide Rechtsordnungen angewandt werden können und dürfen, je nach der kollisionsrechtlichen Entscheidung. Das Privatrecht ist jedoch nicht auf staatliches Handeln, das Staatsrecht ist nicht auf Verhalten unter Privaten anzuwenden. Das Privatrecht ist nicht insgesamt „allgemeines Recht", das dem „Sonderrecht" für den Staat zu weichen hat; es ist vielmehr wesentlich andersartig. Die jeweilige Rechtsordnung ist zugeschnitten auf die Rechtsträger, deren Verhältnisse sie regelt, und sie ist ungeeignet, auf andere Rechtsträger angewandt zu werden. Das Privatrecht gilt darum auch nicht, wie es schon im Begriff „Sonderrecht" anklingt, hilfsweise für den Staat 868 . Wenn sich hinreichende Regelungen für staatliches Handeln der Staatsrechtsordnung einschließlich des allgemeinen/neutralen Rechts für Staat und Private nicht entnehmen lassen, kommt allein eine rechtsschöpferische Entwicklung der staatsrechtlichen Vorschriften durch Umkehrschluß oder Analogie in Betracht. Relevant ist dieses Problem nur für den Bereich des Autonomierechts. Die vielfältigen Verweisungen im Staatsrecht etwa auf das Bereicherungsrecht der §§812 ff. BGB, die dem Bürgerlichen Gesetzbuch entlehnte Rechtssätze in das Staatsrecht übernehmen, zeigen die weitgehende Neutralität dieser Rechtsinstitute, ohne daß hier für das Bereicherungsrecht diese Einschätzung näher ausgeführt werden kann oder auch nur werden muß.

VI. Begriff „Staatsgewalt" als funktionales Differenzierungskriterium Als grundgesetzlicher Ausgangspunkt für eine funktionale Differenzierung des Staatlichen in 'hoheitliches' und 'fiskalisches' Handeln bietet sich der Begriff der „Staatsgewalt" in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG an 869 . Der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG „alle Staatsgewalt" ist sehr weit. Man muß schon das Teilwort „gewalt" restriktiv interpretieren, um das fiskalische Handeln des Staates aus dem Wirkungsbereich dieser Grundsatznorm herauszulösen. Die Argumentation ist durchaus gängig 870 . Die „Staatsgewalt" wird in Satz 2 des Art. 20 Abs. 2 GG durch das Repräsentations- und Gewaltenteilungsprinzip im zweiten Halbsatz genauso exemplifiziert wie in Art. 1 Abs. 3 GG für die staatliche Grundrechtsbindung, nämlich als „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung". Der Fiskus müßte dem Begriff der „vollziehenden Gewalt" unterfallen. Diese sei jedoch nur die hoheitliche Staats868 So aber klingt es bei Ch. v. Pestalozzi „Formenmißbrauch" des Staates, S. 176, 178, 181 („Subsidiär eingreifenden Zivilrechtsnormen"). 869 Dazu näher KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 186 f f , mit weiteren Hinweisen. 870 Etwa H.H. Klein , Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 169 f f , der „staatliche Gewalt" auf den Bereich der „Eigentlichkeit" (?) des Staates meint begrenzen zu können, in dem er „seinen Bürgern" nicht „auf gleicher Ebene" begegne; sonst drohe die „Gleichordnung zur Unterordnung" zu werden.

214

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

tätigkeit, nicht auch die privatrechtliche, fiskalische 8 7 1 . „ G e w a l t " deute auf die Subjektion der Menschen unter den Staat h i n 8 7 2 , während demgegenüber die Privatrechtsverhältnisse

durch gleichgeordnete Koordination gekennzeichnet

seien 8 7 3 . I n Privatrechtsverhältnissen werde keine „ G e w a l t " ausgeübt 8 7 4 . Den staatsrechtlichen Bindungen sei der Staat eben nur als Hoheitsträger ausgesetzt, sei es den Bindungen an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG, sei es demokratierechtlich gemäß Art. 20 Abs. 2 G G oder gewaltenteilungsrechtlich nach Art. 20 Abs. 2 G G oder in anderem Zusammenhang. Diese Reduktion ist vielfach zurückgewiesen w o r d e n 8 7 5 . Eine reine Wortlautinterpretation hat weder i n der einen noch i n der anderen Richtung große Überzeugungskraft. Der verfassungsrechtliche

Begriff der Staatsgewalt spricht vielmehr die

Mächtigkeit des Staates als der Allgemeinheit gegenüber den Menschen als den Einzelnen an, meint die Staatlichkeit als solche. D e m Staat steht prinzipiell Gewalt z u 8 7 6 . Sie ist die Handlungsmöglichkeit des Volkes, die sich i n dessen Sittlichkeit materialisiert 8 7 7 . A u c h die Privaten haben Gewalt; denn sie können handeln; aber die Handlungen der Privaten müssen wie die des Staates legali-

871 H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 169 f f ; ähnlich W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 397 („Macht des Fiskus ist nicht spezifisch staatlich", „da sie gerade auf den Gebrauch der dem Staat vorbehaltenen Mittel der öffentliche Gewalt verzichtet"). 872 I.d.S. H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 170; W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 401, der das für den Gleichheitssatz durchbricht. 873 H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 170; ähnlich W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 397; das ist ständige Praxis der Zivilgerichte: etwa BGHZ 14, 225 (227); 35, 175 (177); 37, 1 (16); 39, 352 (356); GrS 66, 229 (232 ff.); auch BGHZ 66, 182 (186); GrS 67, 81 (85 ff.); 82, 375 (381 f.); 102, 280 (283); für Grundstückskäufe BGHZ 32, 214 (217); 50, 284 (287); BGH, NJW 1969, 787; dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 138 ff.; ders., Res publica res populi, S. 410 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, III, passim. 874 H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 170 ff.; W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 397; ähnlich W. Rudolf VVDStRL 37 (1979), S. 202, der auf das Recht des Staates zu „Befehl und Zwang" für die Zuordnung der Eingriffsverwaltung abhebt; zu dieser fragwürdigen These 4. Teil, 5. Kap. 875 K. Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 225 f f ; W. Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 201 f.; klar K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144; auch G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 93 f , aber S. 120 f.; W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 394 ff. vertritt eine „umfassende Bindung des Fiskus an die Grundprinzipien des öffentlichen Rechts", „zumindest in einem objektiven Sinne". 876

Zum Poblem der Gewalt im Staat: U. Matz, Politik und Gewalt. Zur Theorie des demokratischen Verfassungsstaates un der Revolution, 1975, S. 97 f f ; D. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmomopol, 1975, passim; klar auch J. Isensee, Grundrechte und Demokratie. Die polare Legitimation im grundgesetzlichen Gemeinwesen, Der Staat 80 (1981), S. 25; grundlegend Kant, Metaphysik der Sitten, S. 438 ff. 877 Dazu 4. Teil, 5. Kap.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

215

siert sein 878 . Fiskalische Betätigung läßt sich nicht allein durch Wahlen und Abstimmungen im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG praktizieren. Sie bedarf vielmehr der vermittelnden Ausübungsorgane und muß darum der „vollziehenden Gewalt" zugerechnet werden. Die Kriterien der Subordination und Koordination für Hoheitlichkeit und Fiskalität werden, so hartnäckig sie vor allem die Zivilgerichte und immer noch viele Zivilrechtler behaupten879, von den Staatsrechtlern ebenso beharrlich abgelehnt 880 . Die Staatsrechtslehre folgt heute ganz überwiegend der Subjektslehre Hans-Julius Wolffs m. Ihr hat sich schließlich auch der Gesetzgeber im Verwaltungsverfahrensrecht angeschlossen. Wolffs Subjektslehre liegt die Erkenntnis zugrunde, daß es sowohl im Verhältnis der Menschen zum Staat als auch im Verhältnis der Menschen untereinander wie auch im Verhältnis staatlicher Einheiten zueinander sowohl Subordination als auch Koordination gebe 882 . Ob die Topoi Subordination und Koordination Relevanz für irgendeine unserer Rechtsfragen haben, hängt von den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften ab. Jedenfalls mit den normativen Begriffen „Staatsgewalt" oder „vollziehende Gewalt" sind Verhältnisse der Koordination weder der Willensbildung des Volkes noch der Grundrechtsbindung entzogen883. Sie sind jedenfalls mit diesem Topos aus dem Bereich des eigentlich Staatlichen nicht herauszusondern.

878

Dazu 4. Teil, 5. Kap. Vgl. die Hinweise in Fn. 873; anders etwa T. Ramm, Einführung in das Privatrecht, S. 140; K. Larenz , Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, S. 1 ff.; auch H. Lehmann/H. Hübner , Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 3. 880 Meinungsbestimmend H.J. Wolff, Der Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht, AöR 76 (1950/51), S. 205 f f , der die Fiskusdoktrin unberührt läßt (S. 206), indem er dem „allgemeinen Recht", das jeder Rechtsperson das Recht gebe, das „Sonderrecht" für juristische Personen des öffentlichen Rechts gegenüberstellt; W. Martens , Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 93 f. mit weiteren Hinweisen; Ch.-F. Menger , VerwArch 68 (1977), S. 296; ders , Zum Stand der Meinungen über die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht, FS H.J. Wolff, 1973, S. 149 f f , 162 f. mit weiteren Hinweisen in Fn. 18, S. 153 f.; W. Rüfner , Formen öffentlicher Verwaltung, S. 349 f f ; K. Wenger , Die öffentliche Unternehmung, S. 517 f , der hilfsweise auf die normierte Vorrangigkeit der Allgemeininteressen abstellt; G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 243; kritisch auch Ch. v. Pestalozza , „Formenmißbrauch" des Staates, S. 173 f.; B. Kempen , Formenwahlfreiheit der Verwaltung, S. 29 f f , 112 ff.; KA. Schachtschneider , Grundbegriffe des allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 12 ff.; ders , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 187 f.; ders JA. Emmerich-Fritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 29 f f ; den Dualismus leugnet gänzlich (in Verkennung grundgesetzlicher Staatstheorie) G. Rinck , WiR 1972, 5 f f , 9 f., 16 f. (nur Bedeutung für den Rechtsweg); deutlich dagegen J. Burmeister , WiR 1972, 347 ff. 881 Hinweise in Fn. 880, 882 Ch.-F. Menger , Zum Stand der Meinungen über die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht, FS H.J. Wolff, 1973, S. 153 ff. 883 Das ist die Konsequenz der Subjekts- wie der Sonderrechtstheorie des öffentlichen Rechts/Staatsrechts. 879

216

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Eine Unterscheidung der Staatsaufgaben, die es rechtfertigen würde, hoheitliche Staatsaufgaben von fiskalischen zu trennen, gelingt nicht 884 . Staatsaufgaben lassen sich nach vielfältigen Kriterien differenzieren. Insbesondere entfalten die Grundrechte je nach den Aufgaben des Staates unterschiedliche Wirkung. Kein Ansatzpunkt findet sich jedoch für die Ausdifferenzierung eines staatlichen Aufgabenbereichs, der privatrechtlich zu bewältigen wäre. Dogmatische Systeme, die essentiell auf funktionalen Begriffen hoheitlicher oder fiskalischer Staatsaufgaben aufbauen, bemühen sich nicht um die Differenzierung des Hoheitlichen oder Fiskalischen. Die Richtigkeit derartiger Differenzierungen wäre rechtlich an den grundgesetzlichen Maßstäben zu messen. Sowohl die private als auch die öffentliche Rechtsordnung lassen sich rechtstechnisch als Beurteilungssystem für staatliches Handeln, jedenfalls für das (vermeintlich) unternehmerische, etablieren. Die Relevanz der Fiskusdoktrin ist allein eine Verfassungsfrage. Die Staatspraxis beurteilt das unternehmerische Handeln des Staates weitgehend privatrechtlich. Der Staat kann (rechtstechnisch) Privatrechtssubjekt sein. Er ist es nach vielen Gesetzen. Nach dem Recht darf er es aber nicht sein. Die staatliche Privatrechtssubjektivität widerspricht der staatsrechtlichen Bindung aus den Grundsatznormen in Art. 1 und Art. 20 GG, die das gesamte staatliche Handeln erfaßt. In der Republik darf der Staat nur nach Maßgabe des Staatsrechts agieren 885 . Privatrechtssubjektivität macht den Staat zum Privaten, der durch die Privatheit, das Recht zur freien Willkür, gekennzeichnet ist. Das Bekenntnis zur Fiskusdoktrin stellt wie deren Ablehnung eine Staatslehre dar. Eine jede Staatslehre für Deutschland muß sich jedoch zumindest vor dem Grundgesetz, ja darüber hinaus vor der Verfassung Menschheit des Menschen bewähren. Die Fiskusdoktrin ist unter dem Grundgesetz und im Rahmen einer Verfassung des Rechts nicht tolerierbar. Die Aufgabenlehre hilft nicht weiter. Das war nicht zu erwarten, weil der Aufgabenbereich des Staates nicht vorbestimmt ist. Die Aufgaben können allein normativ durch das Verfassungsgesetz und auf Grund von Ermächtigungen des Verfassungsgesetzes durch die Gesetze festgelegt werden. Die Aufgaben haben keinen den Gesetzen vorgegebenen 'privatrechtlichen' oder 'öffentlich-rechtlichen' Charakter und dürfen nicht einmal vom Gesetzgeber derart qualifiziert werden 886 . Die 'Rechtsformtheorie' wäre richtig, wenn sie rechtmäßig wäre. Weil der Staat ein solches Wahlrecht der 'Rechtsform', das in Wahrheit eine Möglichkeit der Wahl der einen oder anderen Rechtsordnung, nämlich der Rechtsordnung der Privaten oder der Rechtsordnung des Staates ist, nicht hat, ist dieses Kriterium der Praxis nicht spezifisch unbrauchbar, sondern spezifisch rechtswidrig.

884

K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189. Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , S. 268 f f , S. 270; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 502 ff. 886 Dazu 2. Teil, 3. Kapitel. 885

3. Kapitel Fiskusdoktrin

217

V I I . Ausschließliche staatsrechtliche Bindung staatlichen Handelns 1. Ein Recht des Staates zur privatheitlichen Willkür als das Recht des Staates, sich zu privatisieren, begrenzt die staatliche Bindung an das Staatsrecht, die nichts anderes ist als die staatliche Gemeinwohlverpflichtetheit. Die (substantielle) Fiskusdoktrin besteht in der Sache, wie immer wieder hervorgehoben wurde, in dem Dogma, der Staat dürfe ein solches Recht zur privatheitlichen Willkür in Anspruch nehmen. Dieser Bereich der Privatheit ist schon begrifflich dadurch gekennzeichnet, daß dieses Privatrecht als das allem Privatem adäquate Recht gilt und daß das Staatsrecht verdrängt oder zumindest zurückgedrängt ist. In diesem Bereich wäre es dem Staat gestattet, sich so zu entfalten, als wäre er ein Privater, Staatsunternehmen zu betreiben, als wären dies Privatunternehmen, eben auch zu Privaten in Wettbewerb zu treten, diese vom Markt zu verdrängen, usw 8 8 7 . Dieser Fiskuslehre steht jedoch die prinzipiell totale Rechtlichkeit allen staatlichen Handelns entgegen, die nichts anderes ist und sein kann als die Bindung an das staatsadäquate Recht, das Staatsrecht einschließlich des neutralen/allgemeinen Rechts, welches, wenn der Staat das betroffene Rechtssubjekt ist, Teil des Staatsrechts ist 8 8 8 . 2. Verbindliche Gemeinwohlmaterialisierungen erfolgen durch Staatsakte, vor allem durch staatliche Gesetze889. Der Staat hat ausschließlich nach Maßgabe des Rechts, das in Gesetzen materialisiert ist, zu agieren 890 . Alle staatlichen Handlungsweisen sind rechtlich determiniert oder es sind, wenn die materielle, gesetzliche Determinierung nicht sachgerecht ist, Verfahren vorgeschrieben, die gemeinwohlgerechte Entscheidungen, der Sache nach Erkenntnisse des Rechts als des Richtigen für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit 891 , gewährleisten sollen. Für Entscheidungsspielräume gibt es Leitlinien, die ebenfalls die Sachgerechtigkeit und damit die Gemeinwohlorientiertheit der Entscheidungen sicherstellen sollen, wie die Ermessens-, Beurteilungs- und Einschätzungsprinzipien 892 . Dabei ist Sachgerechtigkeit der Entscheidung, was immer im

887

Zur Kritik staatlicher Beteiligung am Wettbewerb K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff. 888 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff. mit weiteren Hinweisen. 889 Vgl. etwa BVerfG, NJW 1981, 1257 f. 890 Für viele R. Marcic , Rechtsphilosophie, S. 258 („Das erste ist die allrechtliche Natur des Staates"); H. Kelsen , Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 76 („Denn das Fallenlassen jener Selbstbeschränkung, die das Prinzip der Legalität darstellt, bedeutet die Selbstauflösung der Demokratie"); K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 519 f f , auch S. 275 f f , 325 f f , 410 f f , 494 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II, 3, 7. Kap, I, III. 891 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 718 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 5. Kap, IV, 7. Kap, I, 3, II, III.

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

218

Einzelfall sachgerecht sein mag, ein Gemeinwohltopos. A l l diese Determinanten, Verfahrenssicherungen und Leitlinien muß sich der Private nicht gefallen lassen. Diese den Privaten etwa i m Sinne irgendeiner Funktionsgerechtigkeit vorzugeben, würde deren Privatheit aufheben und die Menschenwürde verlet^

893

zen

.

Der Staat darf nach Maßgabe der materiellen und prozeduralen Gesetze Ziele setzen. Zur Erreichung dieser Ziele darf er die geeigneten und notwendigen M i t t e l nutzen. Die Ziel-Mittel-Relation muß angemessen sein (Übermaßverbot/Proportionalitätsprinzip). Dieses Verhältnismäßigkeitsprinzip 8 9 4 ist wie das W i l l k ü r v e r b o t 8 9 5 nicht nur eine grundrechtliche Schrankenschranke 896 , sondern eine allgemeine Handlungsmaxime der praktischen Vernunft für den Staat, die verbindliche M a x i m e des rechten Maßes 8 9 7 . Dabei müssen die Ziele und auch die M i t t e l verfassungsgemäß sein 8 9 8 . 3. Gemeinwohl w i r d mehr oder weniger gesetzesgebunden materialisiert. Die Legitimation zur gesetzesoffenen ist weitaus stärker personal als die zur gesetzesgebundenen Erkenntnis 8 9 9 . Jedoch eignet beiden ein dezisionistisches E l e m e n t 9 0 0 , welches ein personales Legitimationsbedürfnis mit sich bringt. Die 892 Dazu F. Ossenbühl, Rechtsquellen und Rechtsbindungen der Verwaltung, in: H.-U. Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 10, 181 ff.; KA. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 54 ff; auf die richtige Sicht der Differenz von „Verwaltungshandeln" und „privater Rechtsausübung" stellt zu Recht ab J. Burmeister, WiR 1972, 348 f. („qualitativ verschiedenartige Kategorien", „elementare und nicht austauschbare Unterschiede"). 893

Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 387 ff. P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht. Zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erfoderlichkeit, 1961, passim; K. Stern, Staatsrecht I, S. 861 ff. mit weiteren Hinweisen; E. Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 98 (1973), S. 568 ff. zur Rspr. des BVerfG; K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 388 f f ; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung, 2000 (umfassend). 894

895 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 f f , 990 f f , auch S. 410 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 372 ff.; Hinweise in Fn. 325, 638, 667, 686. 896 Vgl. G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1, Rdn. 63, auf Art. 19 Abs. 2 GG gestützt. 897 Aristoteles, Nikomachische Ethik, 2. Buch 1106al 1; P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 61 ff.; K Stern, Staatsrecht I, S. 861 ff.; ders, Staatsrecht II 1/2, S. 772, 811; P. Kirchhof HStR, Bd. V, 1992, § 124, Rdn. 161 f f , 250 ff.; dazu E. Grabitz,, AöR 98 (1973), S. 568 f f , 600 ff.; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 362, 557 f , 987; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II; A. EmmerichFritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 50 ff.; so BVerfGE 23, 127 (133); 35, 382 (400); 38, 348 (368), st. Rspr. 898 K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 397. 899 Zum Erkenntnisdiskurs K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 f f , 584 ff. 900 H.-M. Pawlowskiy Methodenlehre für Juristen, S. 171 f f , mit ausführlicher Darstellung des Streitstandes; J. Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung

3. Kapitel Fiskusdoktrin

219

personale Legitimation folgt dem demokratischen Prinzip gemäß aus Wahlen und Berufungen 901 . Bestimmte Amtswalter werden für bestimmte Aufgaben vom Volke oder in Vertretung für das Volk gewählt oder berufen. Bestimmte Menschen werden zu Abgeordneten vornehmlich mit der Aufgabe der Gesetzgebung, die sowohl Materialisierung der Verfassung als auch des Verfassungsgesetzes sein soll, oft aber reine Dezision ist, gewählt. Bestimmte Menschen werden als Richter eingesetzt. Deren Aufgabe ist vorrangig rechtsgebunden (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG), obwohl selbst bei Richtersprüchen die „Erkenntnisse" wegen der Öffentlichkeit der Rechtsbegriffe nicht ohne ein gewisses Maß an „Bekenntnissen" gefunden werden können 902 . Sonst wäre das Prinzip des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) nicht von Nöten. Für den exekutiven Amtswalter mischen sich gesetzesabhängige Erkenntnisund gesetzesunabhängige Entscheidungselemente augenscheinlich. Freiheitlichdemokratische Legalität jeder Gemeinwohlkonkretisierung ergibt sich, wenn der Gesetzesvorrang respektiert ist, aus der Kompetenz- und Verfahrensgerechtigkeit 903 und aus der persönlichen Legitimation des Amtswalters 904 . Diese Kautelen sind strikt einzuhalten, um die Gemeinwohlmaterialisierung, die nicht durch subsumtive Deduktion aus Gesetzen Entscheidungen zu gewinnen vermag, zu legitimieren. 4. Mit der ausnahmslosen Gemeinwohlverpflichtetheit des Staates ist, wie gesagt, die ausnahmslose Geltung des Staatsrechts für alles staatliche Handeln verbunden, weil dieses immer und ausschließlich Gemeinwohlmaterialisierung und/oder Gemeinwohlverwirklichung ist. Konsequenterweise kann der Begriff des Staatsrechts nur institutionell erfaßt werden 905 . Die Frage nach der Fiskus-

des Privatrechts, 3. Aufl. 1974, passim; ders, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1970, passim; deutlich auch BVerfGE 34, 262 (287). 901 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 2, Rdn. 19, 49 bis 54; ders., Allgemeine Staatslehre, S. 210 f f ; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f f , 637 f f , 707 f f , 772 ff. 902 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 388 ff. mit Hinweisen in Fn. 123, 124; ders, Res publica res populi, S. 858 ff. 903 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 2, Rdn. 19, 49 ff.; ders, Allgemeine Staatslehre, S. 210 f f ; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 253 f f ; W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 98; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff. 904 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 2, Rdn. 19, 49 ff.; dazu Hinweise in Fn. 901 f. 905 Zum institutionellen Staatsbegriff näher K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 f f ; dazu 2. Teil, 1. Kap.; W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 93, 97, 99 f , setzt einer solchen „Radikalkur" nur noch „die deutsche Rechtstradition" und die „gegenwärtige Praxis" entgegen und fühlt sich (einfach-) gesetzlich gebunden; H.H. Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen?, S. 24 f. in Fn. 43 hält das für „die vielfältigen Beziehungsstrukturen des Staates" für „inadäquat", ein „subtileres, topisches Verfahren" sei angezeigt. Auch P.-H. Naendrup, Privatrechtliche Haftungsbeschränkung und staatliche Verantwortung, S. 105, Fn. 58, geht diesen Schritt nicht („Purismus"-Vorwurf), obwohl das seinen Ansätzen entspräche.

220

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

doktrin ist notwendig zugleich die Frage nach dem Begriff des Staatsrechts. Die Fiskusdoktrin lebt von dem Dogma, das Staatsrecht gelte nicht für alles staatliche Handeln. Die nicht endende Diskussion um den subjektrechtlichen Begriff des Staatsrechts ist identisch mit der Diskussion um die Privatrechtsfähigkeit des Staates. Staatsrecht ist alles Recht, welches auf Handeln anzuwenden ist, das dem Staat zuzurechnen ist. Staatsrecht ist die Rechtsordnung für das staatliche Handein 906 . Gemeinwohlverpflichtetheit des Staates ist also Geltung des Sonderrechts für den Staat. Das heißt zugleich, jede Einschränkung der Geltung des staatlichen Sonderrechts (einschließlich des neutralen Rechts) für staatliches Handeln bricht mit der Gemeinwohlverpflichtetheit des Staates und verletzt den Grundkonsens der Staatsbildung durch das Volk, daß nämlich der Staat dem Wohle aller, also dem allgemeinen Wohle, dienen solle. In dem Maße, in dem auf staatliches Handeln privatheitliches Willkürrecht angewandt wird und dieses Privatrecht nicht durch staatsrechtsbezogene Modifikation der Sache nach Staatsrecht wird 9 0 7 , begibt sich der Staat seiner Staatlichkeit, wird privat, überschreitet die Vertretungsmacht, die ihm das Volk gegeben hat, handelt nicht mehr gemeinwohlverpflichtet, sondern rechtlich in privater Beliebigkeit, geriert sich, als wäre er ein freier Mensch, obwohl er doch nur die Organisation des Volkes für dessen Allgemeines ist 9 0 8 , maßt er sich eine allgemeine Rechtssubjektivität an, als wäre er Person wie der Mensch 909 , obwohl er nur in den Grenzen seiner Aufgabenzuweisungen rechtsfähig ist 9 1 0 . Das Volk hat den Organen des Staates Vertretungsmacht eingeräumt, weil das Vertragsprinzip sonst nicht hinreichend leistungsfähig wäre 911 . Der grundgesetzliche Staat darf, weil er freiheitliche Demokratie, Republik also, zu sein hat, ebensowenig ultra vires agieren, wie es in den klassischen angelsächsischen Demokratien seit langem anerkannt ist 9 1 2 .

906 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , S. 261 f f , 270 f f ; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 12. 907 Zu dem Überlagerungsdogma vgl. die Hinweise in Fn. 819. 908 Hinweise in Fn. 42; dazu 2. Teil, 1. Kap. 909 Hinweise in Fn. 835; klar etwa W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 180 f. mit Hinweisen. 910 Zur ultra-vires-Lehre Hinweise in Fn. 271, 835; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 265 f f , 270 f f ; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 188 f. 911 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 159 f f , 166 ff.; ders, Res publica res populi, S. 637 ff. 912 Hinweise wie Fn. 910. Ganz wie hier in der Sache P.-H. Naendrup, Privatrechtliche Haftungsbeschränkung und staatliche Verantwortung, S. 106.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

221

Die privatrechtlichen Bindungen der Privatheitlichkeit leisten keinen Ersatz für die staatsrechtlichen Bindungen des Staates in seiner Staatlichkeit 913 . Das ergibt die prinzipielle Erwägung, daß die privatrechtlichen Grenzen des Rechts zur privatheitlichen Willkür letztere im Kern unberührt lassen und lassen müssen. Daran ändert die (notwendige) „Gemeinwohlbezogenheit des Privatrechts", gemeint ist die des staatlichen Privatrechts, nichts 914 . Einen „gemeinrechtlichen" oder „neutralen" Charakter, den Martin Bullinger undifferenziert gerade dem Wirtschaftsrecht beimißt 915 , haben einzelne Vorschriften. Das ist im einzelnen zu analysieren. Pauschal einem Rechtsgebiet Neutralität gegenüber den Rechtsträgern Private und Staat zuzubilligen, akzeptiert und verschleiert die Fiskusdoktrin; denn eine solche Pauschalierung geht davon aus, daß dieses Privatrechtsgebiet kein Wilkürrecht enthalte. Das ist für ein Wirtschaftsrecht, welches wesentlich Recht der Wirtschaftsfreiheit und nicht nur des Wirtschaftens ist, sicher unrichtig. Jedenfalls spricht es dadurch, daß es den privatheitlichen Charakter des Wirtschaftsrechts in dessen wesentlichen Teilen leugnet, der Wirtschaft mit dem Recht zur freien Willkür die freiheitliche Privatheit ab. Die Divergenz der Rechtsträger ist unüberwindlich, solange sich die Existenz und damit das Handeln der Menschen nicht rechtlich legitimieren muß - das im Gegensatz zum Staat. So zwingend das Prinzip ist, daß der Staat in all seinem Handeln gemeinwohlverpflichtet ist, so zwingend folgt aus der Offenheit des Gemeinwohls wegen der Formalität des Gemeinwohlbegriffs 916 , daß das Gemeinwohlprinzip Rechtswirkungen nur nach Maßgabe des Staatsrechts als der allein staatsad-

913 Anders insb. V. Emmerich , Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 129 f f , 144 f , 147; dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 64 f f ; dazu auch skeptisch G. Dürig , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 475, insb. 482 f f , 494. 9,4 K. Schmidt , Kartellverfahrensrecht-Kartellverwaltungsrecht-Bürgerliches Recht, S. 88 f f , 89 f , der richtig den „Ge- und Verbotscharakter, der das spezifisch 'Öffentliche' allen Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen" (a.a.O., S. 91) ausmache, hervorhebt und damit nichts anderes als den staatlichen Charakter dieses Rechts anspricht, der jedoch die Unterscheidung von Privatrecht und Staatsrecht keineswegs erübrigt, wie gerade Schmidts Konsequenzen aus dem Prinzip der Rechtsgewißheit (Bestimmtheit), a.a.O., etwa S. 131 f f , 141 f f , 158 f f , erweisen. Zuzustimmen ist Schmidt darin, daß der Staat nach Zweckmäßigkeit entscheiden darf, ob er den Wettbewerb der privaten Unternehmer privat- oder öffentlich-rechtlichen regelt (a.a.O., S. 89 f.). 915 M. Bullinger , Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 81 f f , 101 f f , („Gemeinrecht"); auch für Bullinger , a.a.O., S. 102 ist das Rechtsformenwahlrecht wichtige Stütze seiner Theorie, nicht anders als die Quasiprivatheit der Staatsunternehmen (a.a.O., S. 102 f f , mit Hinweisen); dem vorsichtig folgend H.P. Bull , Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 147 f.; auch K. Schmidt , Kartellverfahrensrecht-Kartellverwaltungsrecht-Bürgerliches Recht, S. 90. 916 Vgl. K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 f f , 247 ff.; ders., Res publica res populi, S. 286 f f , 402 f f , 574 f f , 656 f f , auch S. 350 f , 996 f.

222

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

äquaten Materialisierung des Gemeinwohls zeigt 917 . Wenn ein Amtswalter mit seinen Entscheidungen eigene, also private, Zwecke verfolgt und nicht ausschließlich das (rechtlich materialisierte) Gemeinwohl im Auge hat, handelt er rechtswidrig. Das folgt schon aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht 918. Es kann allenfalls eine zufällige Übereinstimmung der privaten Zwecke des Amtswalters und der staatlichen allgemeinen Zwecke geben 919 , die rechtlich irrelevant wäre, weil die Staatszwecke nicht mißachtet wären. Die Abgrenzung staatlicher Gemeinwohlmaterialisierung von privater Selbstbestimmung des Amtswalters mag im Einzelfall schwierig sein, sie ist aber leistbar. Der Vorbeugung dient das Recht der Befangenheit, das Amtswalter von der Amtsführung im Einzelfall ausschließt, wenn ihre Neutralität gefährdet ist 9 2 0 . 5. Der Staat kann um bestimmter Wirkungen willen interessiert sein, privates Verhalten zu adaptieren 921, etwa in der Rolle eines Hechts im Karpfenteich, um ein marktförderliches Verhalten der Privatunternehmen zu erzwingen 922 . Dann beurteilt sich sein Handeln rechtlich scheinbar nach Privatrecht. Dieses ist aber Staatsrecht, welches durch die Norm zum Staatsrecht gewandelt wird, die dem Staat das adaptive Handeln erlaubt. Um der adaptiven Wirkung willen handelt der Staat dabei so, als sei er ein Privater. Derartiges staatliches Handeln wird in Ausnahmefällen sachgerecht sein. Herbert Krüger hat derartige Situation skizziert 923 . Ob diese Ausnahmen zugelassen sind, beurteilt sich nach den Grundrechten und nach den Vorschriften, die für die unternehmerische Betätigung des Staates überhaupt maßgeblich sind. Bei der Gemeinwohlmaterialisierung wird der Staat durch das Staatsrecht eingeengt. Allein diese Geltung des Sonderrechts für den Staat, des Staatsrechts, erlaubt es, staatliche Materialisierung des Gemeinwohles von der rechtlichen Beliebigkeit privaten Verhaltens zu unterscheiden. Die ermessensrechtliche Dogmatik, wie sie sich im § 114 VwGO und im § 40 VerwVerfG als Verbot der Ermessensüber- oder -unterschreitung und des zweckwidrigen Ermessensgebrauchs / des Ermessensmißbrauchs darstellt, ergibt folgenreiche Unterschiede zur privaten rechtlichen Beliebigkeit, der freien Willkür der Privaten 924 , weil der Private in dem Bereich, in dem er nicht

917

Klar W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 185. Dazu H.J. Wolff/O. Bachof Verwaltungsrecht I, § 31 II d2, S. 202 (Selbst- und Fremdbegünstigung). 919 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 766 stellt klar, daß Gemeinwohl und Privatwohl wesensgemäß divers sind. 920 Dazu HJ. Wolff/O. Bachof Verwaltungsrecht II, § 73 III c2, S. 38 ff. mit Hinweisen auf das Gesetzesmaterial; auch dies., Verwaltungsrecht III, § 156 III e, S. 311 f f , Rdn. 26 ff. 921 Zur Adaption wirtschaftlichen Verhaltens von Privaten, KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 299 ff. mit Fn. 130. 922 Die Berechtigung solchen Verhaltens soll hier nicht erörtert werden. Vgl. etwa H. Krüger, ZBR 1979, 157 ff. 923 H. Krüger, ZBR 1979, 157 ff. 9,8

3. Kapitel Fiskusdoktrin

223

gesetzlich determiniert ist, jedenfalls die Zwecke, nach denen er sein Handeln ausrichtet, also seine Maximen, selbst bestimmen darf, während die Exekutive sich am Zweck des Gesetzes und an den allgemeinen staatsrechtlichen Prinzipien zu orientieren hat 925 . 6. Wenn der Staat durch die Anwendung von Privatrecht, etwa dem Wettbewerbsrecht 926, zusätzlich zu den staatsrechtlichen Bindungen in seinem Verhalten determiniert wird, ist diese Bindung nicht deswegen gerechtfertigt, weil der Staat, etwa als Konkurrent stärker eingeschnürt werden müsse als private Unternehmer und weil das angesichts seiner ökonomischen Substanz sachgerecht und zumutbar erscheint 927 . Es gibt schlechterdings keine Rechtsvorschrift, die dem Staat vorschriebe, sich vom Wettbewerbsrecht schärfer einschränken zu lassen, sich härteren Maßstäben zu unterwerfen als private Unternehmer. Derartige Vorschläge geben rechtsstaatliche Rechtsanwendungsmethoden auf, weil sie die Maßstabslosigkeit der Handlungsnorm propagieren und die Handlungsnorm zu einer administrativen Ermächtigung für die Wettbewerbsrichter gegen den Staat verändern 928. Wenn staatliches Handeln nach dem Wettbewerbsrecht beurteilt werden soll, wie es der Gesetzgeber durch § 98 Abs. 1 GWB weitgehend für das Kartellrecht angeordnet hat 929 , so normiert das eine analoge Anwendung des privaten Wettbewerbsrechts auf staatliches Handeln und qualifiziert insofern dieses anwendbare Wettbewerbsrecht zu Staatsrecht 930. Freilich muß das für anwendbar erklärte Privatrecht den grundgesetzlichen Prinzipien des Staatsrechts gerecht werden. Das ist für jede einzelne Vorschrift zu untersuchen. § 1 UWG jedenfalls ist als Rechtsnorm staatlichen Handelns nicht tragbar, weil sein Maßstab, die „guten Sitten", ausschließlich autonomierechtlichen, also privatheitlichen 924 Dazu KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 374 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, II. 925 Ganz in diesem Sinne (mit Vorsichtsklausel) BVerfGE 61, 82 (100 ff.). 926 Zur Unanwendbarkeit des Wettbewerbsrechts auf Handeln des Staates K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 26 f f , 31 f f , 281 f f , 326 ff. und Fn. 218 ff.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 502 ff.; zur Gegenposition der Praxis und der ihr folgenden Lehre jüngst U. Schliesky , Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 278 ff.; weitere Hinweise in Fn. 745; insb. BGHZ 66, 229 (235); 121 126 (128 ff.). 927

So V. Emmerich , Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 68, 144 f.; auch H.H. Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen?, S. 24 f. in Fn. 43. Nähere Hinweise zu dieser Maßstabsmodifizierung bei K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 326 in Fn. 217, 218 f f 928

Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 76 f f , 388 f f , 399 f f , insb. S. 445 f f , 449 f f ; zur Assimilierung von Staatsunternehmen an Privatunternehmen näher ders., a.a.O., S. 326 f f , 333 ff, mit Hinweisen. 929 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 285 f f ; auch U. Schliesky , Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 408 ff. 930 Dazu kritisch K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 288 ff.

224

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Normcharakter hat 9 3 1 . Analysen der einzelnen Vorschriften sind unumgänglich, wenn der Gesetzgeber sich der Verweisungstechnik auf privatrechtliches Normgefüge bedient, um dem Staat das Recht zu setzen. Einen anderen Kodifikationsweg zeigt die Regelung des Verwaltungsverfahrensrechts, die die Besonderheiten des Staates in Rechnung stellt. Das Vertrauensschutzprinzip etwa, das durchaus allgemeinrechtlichen Charakter hat, kann jeweils im Interesse der Allgemeinheit zu anderen Rechtsfolgen als im Privatrecht fuhren 932 . Die Doppelbindung des Staates an das Staatsrecht und zusätzlich an das Willkürrecht der Privaten verletzt das Verfassungsrecht des Staates, wie es vom Grundgesetz gegeben ist, weil der Staat sachwidrig bei der Erfüllung seiner Aufgaben gebunden ist. Vorschriften des privatheitlichen Willkürrechts können den Staat als solchen nicht determinieren. Das schließt nicht aus, daß im Privatrecht entwickelte Rechtsprinzipien und damit auch Vorschriften aus typischen Privatrechtsgesetzen wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch in das Staatsrecht transferiert werden und der Bereich des neutralen/allgemeinen Rechts erweitert wird. Die Rezeption des Privatrechts in das Staatsrecht ist in vollem Gange. Die Rechtsinstitute des Privatrechts und des Staatsrechts gleichen sich mehr und mehr an 9 3 3 . Freilich ist das Staatsrecht durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß das Gemeinwohl sich in den Grenzen des Privatheitsprinzips durchsetzen können muß 934 . Das willkürbezogene Privatrecht ist demgegenüber dadurch charakterisiert, daß es die Verhältnisse der Privaten normiert, die außerhalb der Rechtsbindung frei sind, ethisch autonom, also sittlich, aber rechtlich willkürlich zu handeln 935 . Die Quintessenz der Überlegung ist: Der Staat als Privatrechtssubjekt agiert der Sache nach privat, weil der Staat den Privaten, wenn er Privatrecht setzt, Privatheit belassen muß. Privatrechtsfähigkeit nimmt somit Privatheitlichkeit in Anspruch. Die grundgesetzliche Republik als eine freiheitliche Demokratie 931 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 412 f f , S. 421 f f , S. 443 ff. mit Hinweisen. 932 Vgl. etwa §§ 48, 49 VerwVerfG; zum Vertrauensschutzprinzip K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 408 ff. 933 Vgl. dazu auch § 59 Abs. 1, § 62 S. 2 VerwVerfG für das Vertragsrecht. 934 Dazu H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 766. 935 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 104 f f ; ders. y Res publica res populi, S. 211 f f , 374 f f , auch S. 279 f f , 325 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, V, VI, VII, 5. Kap, III, 8. Kap, II, III, VIII; so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Eigentum Privater, 61, 82 (100 ff). Vgl. auch BVerfGE 61, 149 (176) (StHG): „'bürgerliches Recht' als dem „Recht der Privaten", ganz anders, m.E. noch gegenüber der Fiskusdoktrin unkritisch, die wenig stringent begründete Entscheidung zu den öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsversicherern, die in Privatrechtsform handeln und darum der konkurrierenden Bundeskompetenz aus Art. 74 Nr. 11 GG unterliegen, BVerfGE 41, 205 ff.; vgl. dazu K.A. Bettermann, Die Verfassungsmäßigkeit von Versicherungszwang und Versicherungsmonopolen öffentlichrechtlicher Anstalten insbesondere bei der Gebäudeversicherung, WiR 1973, 184 f f , 242 ff.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

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verbietet eine Fiskusdoktrin, die es dem Staat zugesteht, als Privatrechtssubjekt zu agieren, weil der Staat sich in keiner seiner Handlungsweisen von der Geltung des Staatsrechts als der Materialisierung des Gemeinwohls lösen darf.

V I I I . Grundgesetzliches Verbot der (formellen) Privatisierung des Staatlichen 1. Die Fiskusdoktrin als These allgemeiner Privatrechtsfähigkeit des Staates wird zu einem verfassungsrechtlichen Kompetenzproblem, wenn sie dem Staat nicht nur das Privatrecht als Verhaltensnorm, sondern eben auch als Kompetenznorm anbietet und dadurch dem Staat privatheitliche Autonomie bei der Aufgabenbestimmung einräumt, insoweit er (lediglich) Aufgaben auf sich nehme, die auch Private ergreifen dürfen. Das ist die am weitestgehende fiskalistische Position, die der Sache nach den Parlamentsvorbehalt als Schutz des Volkes vor eigenständiger Befugniserweiterung des Staates und zugleich das wesentliche Element rechtsstaatlich-demokratischer Verbindung von Volk und Staat, nämlich die Übertragung von bislang privaten Angelegenheiten auf den Staat durch (verfassungslegitimierten) Parlamentsakt, untergräbt. Wenn diese Position gar mit der Ablehnung der Fiskalgeltung der Grundrechte verbunden ist 9 3 6 , wird der Staat ermächtigt, sich mittels 'privatrechtlicher', vornehmlich unternehmerischer, Betätigung aus eigener Macht und ohne Gesetz zum totalen Staat zu entwickeln, indem er auch die Wirtschaft in seiner Hand konzentriert. Dieser langjährigen Entwicklung war durch die moderne Fiskuslehre der Weg geebnet. Sie ist durch die europäische Integration, die unter dem privatheitlichen Binnenmarktsprinzip steht 937 und die (politisch gewollte) Globalisierung der Unternehmen 938, die auch privatheitlich bestimmt ist, in das Gegenteil verkehrt, zum Teil zum Schaden des Landes. Das Problem einer Verletzung eines staatswirtschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips, des Privatheitsprinzips also 939 , sei hier nur angemerkt. Dem Staat steht die skizzierte allgemeine Privatrechtsfähigkeit, die das grundgesetzliche Verfassungssystem sprengt, nicht zu; der Weg in die (notwendig formelle) Privatheit ist ihm in der freiheitlichen Demokratie der grundgesetzlichen Republik versperrt. 2. Der Mensch als solcher ist rechtsfähig, wie es § 1 BGB vorschreibt und wie es auch ohne diese Vorschrift nach Art. 1 Abs. 1 GG gelten würde; denn der Mensch hat das Recht der Freiheit nicht vom Staat. Diese Freiheit dem Men-

936

Hinweise zur Problematik der Fiskalgeltung der Grundrechte in Fn. 818 ff. Dazu 3. Teil, 2. Kap. 938 Dazu K.A. Schachischneider , Das Eigentum globaler Unternehmen, FS H. Steinmann, 1999, S. 409 ff.; ders , Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: ders, Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 253 ff. 939 Zum Subsidiaritätsprinzip als Privatheitsprinzip, 3.Teil, 1, 2 , 4. Kap. 937

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

sehen zu nehmen, würde seine Menschenwürde verletzen 940 . Der Mensch ist als Person Rechtsträger unabhängig von staatlicher Gesetzgebung941. „Freiheit (Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen, kraft seiner Menschheit, zustehende Recht", stellt Kant in der Einleitung der Rechtslehre als das „einzige angeborene" Recht heraus 942. Die Autonomie als die äußere und innere Freiheit des Menschen 943 ist zunächst einmal seine Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Ein freiheitlich-demokratischer Staat erhält demgegenüber seine Existenz nur durch die Gesetze des Volkes, die seine Existenz zugleich begrenzen 944; denn alle Staatsgewalt und damit alle Staatlichkeit geht vom Volke aus (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Es gibt keinen der Gemeinschaft der Deutschen, also dem deutschen Volke vorgegebenen Staat. Die Begründung und Begrenzung staatlicher Existenz durch die Aufgaben und Befugnisse begründenden Rechtsentscheidungen läßt sich durchaus in Anlehnung an die anglo-amerikanische Staatstheorie als eine ultra-vires-Lehre verstehen, die wegen der herrschenden und praktizierten Fiskusdoktrin in Deutschland nicht Fuß fassen konnte 945 . Rechtsfähigkeit des Staates wird mit Personenhaftigkeit verwechselt. Person ist allein der Mensch, dem allein Autonomiefähigkeit eig-

940 /. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 69; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rdn. 19 mit Hinweisen in Fn. 2; auch Art. 3 Abs. 1, Rdn. 30 ff. daselbst; R. Zippelius, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 1 Abs. 1, Rdn. 9, 35; wesentlich zur Anerkennung des Menschen als „Rechtsperson", der nicht bloß gesetzespositives Rechtssubjekt ist, E. Denninger, Rechtsperson und Solidarität, Ein Beitrag zur Phänomenologie des Rechtsstaates unter besonderer Berücksichtigung der Sozialtheorie Max Schelers, 1967, S. 229 f f , passim. 941

G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rdn. 19 u. Art. 3 Abs. 1, Rdn. 39 f f ; H. Westermann, Person und Persönlichkeit im Zivilrecht, 1957, S. 9; M. Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit. Zum Problem des rechtsphilosophischen und politischen Relativismus, 1963, S. 95 f.; K. Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, S. 83 f. 942 Metaphysik der Sitten, S. 345. 943 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 2. Kap, VI, VII. 944 Hinweise in Fn. 271,835. 945 Hinweise bei K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 22 in Fn. 74 bis 76; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 188 f.; BVerfGE 61, 82 (107), („Rein erwerbswirtschaftliche - fiskalische Unternehmen sind den Gemeinden untersagt. Hinsichtlich anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts besteht auf Grund haushaltsrechtlicher Bestimmungen zumeist eine ähnliche Lage"). Die ultra-vires-Lehre handelt als solche nur von den kompetenziellen Grenzen staatlichen Agierens, aber die allgemeine Rechtsubjektivität realisiert sich spezifisch als Privatrechtssubjektivität, eben ultra vires. Die (fehlerhafte) Rechtsordnung eröffnet Aktionsräume, die dem Staat nicht zugestanden werden dürfen. Vor allem aber ist die Privatrechtsordnung inadäquat, selbst wenn der Staat intra vires agiert; in diesem Sinne J. Burmeister, WiR 1972, 311 ff. gegen das „hoheitliche Privatrecht".

3. Kapitel Fiskusdoktrin

227

net 946 . Der Staat ist nur insoweit rechtsfähig, als er Träger der ihm durch das Verfassungsgesetz und im Rahmen dessen durch die Gesetze zugewiesenen Rechte und Pflichten ist. 3. Das Recht zur Autonomie des Privaten ist nicht spezifisch Kompetenz 947 . Kompetenz gibt nicht spezifisch ein privatheitliches Recht zur Autonomie 948 . Das kompetenzielle Verständnis des Rechts zur Autonomie ist typische Konsequenz funktionalistischer Freiheitsbegrenzung auf bestimmte, nicht selbstgesetzte Zwecke. Die Kontroverse zwischen dem autonomiehaften und dem funktionalistischen, kompetenziellen Begriff der Tarifautonomie beherrscht das kollektive Arbeitsrecht 949 . Staatliche Stellen dürfen um der Fachlichkeit oder/und um der Neutralität willen unabhängig sein. Die Kompetenzzuweisung, die notwendig zugleich eine Aufgabenzuweisung ist, schränkt die Menschen in ihrer verfassungsgeschützten Privatheit ein, weil sie die Lebensbewältigung, soweit diese zur ausschließlich gemeinschaftlichen Bewältigung dem Staat überantwortet ist, nicht mehr privatheitlich vornehmen dürfen und, wenn der Staat nur konkurriert, sich die mehr oder weniger intensive Ingerenz des Staates in ihr freies Schalten und Walten gefallen lassen müssen. Jede Kompetenz- und Aufgabenzuweisung an den Staat durch das Volk mittels des Gesetzes verändert somit die Grenzen des Rechts der Menschen aus Art. 2 Abs. 1 GG zur Privatheit 950 . Das schließt es aus, daß auch der Staat selbst sich auf dieses Recht der Privaten zur Autonomie des Willens aus Art. 2

946

Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 138 ff. Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 263 ff. mit weiteren Belegen; vgl. auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, II, III. 948 Zum Unterschied von Autonomie und Kompetenz vgl. H.-U. Gallwas, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL 29 (1971), S. 223; anders etwa W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 158, 179 ff, 209 ff.; auch B. Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 211 ff.; auf die hegelianische Pflichttheorie als Grundlage des (Miß-)Verständnisses von Autonomie als Kompetenz weist richtig E. Denninger, Rechtsperson und Solidarität, S. 296 f f , 298 hin; richtig / Burmeister, WiR 1972, S. 347 ff. 949 Typisch für die zweite Position F.-J. Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 22 f f , 28 f , der denn auch U. K Preuß, Zum staatsrechtlichen Begriff des Öffentlichen, S. 173, mit dessen Forderung nach „umfassender Politisierung und Demokratisierung der Verbände' 4 für sich zitiert, ausgerechnet einen erklärten Marxisten, obwohl er, Säcker, sein Freiheitsprinzip auf Kant zu gründen meint (S. 22 ff.). Zur genannten Kontroverse (insb. um die Delegationstheorie) mit weiteren Hinweisen, insb. in Fn. 10; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9, Rdn. 301; auch BVerfGE 28, 295 (305); 34,307 (317). 950 Vgl. J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 204 f f , 209; so schon deutl. H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 29 für Kompetenzen des Staates, die nicht das Volk selber wahrnimmt; ganz i.d.S. J. Burmeister, WiR 1972, 343 („sachlich - gegenständliche Verlustquote des privatautonomen Betätigungsbereichs zugunsten der staatlichen Kompetenzexpansion"); dazu i.d.S. zurückhaltend H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 202 f f , dogmatisch unscharf, insb. S. 209 zur Wirtschaftsfreiheit, auch S. 258 f. 947

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Abs. 1 GG berufen darf 951 , um seinen Aufgabenkreis zu erweitern; denn es würde zu einem unlösbaren Autonomie-/ Kompetenzkonflikt zwischen den privaten Menschen und dem Staat führen. Der Staat genießt keine Privatautonomie, weil sein kompetenzielles und aufgabenmäßiges Wirkungsfeld jeweils durch Rechts- (i.d.R. Parlaments-) akt begründet wird und begründet werden muß 952 . Die normativen Kompetenz- und Aufgabenregelungen müssen nicht so dicht sein, daß sie Verwaltungsentscheidungen organisatorischer Art für die Errichtung von staatlichen Stellen erübrigen. Dem Prinzip des Rechtsvorbehalts ist genüge getan, wenn die Ermächtigungen hinreichend bestimmt, eben nicht pauschal sind 953 . Der Vorbehalt schützt nicht nur das Recht zur Willensautonomie der Privaten, sondern verhindert eine Privatautonomie des Staates. Er würde umgangen, wenn Gesetze dem Staat eine Privatautonomie zusprächen, die er nicht nur nicht beanspruchen, sondern die ihm nach dem Grundgesetz auch nicht eingeräumt werden darf. Spezifisch das Zugeständnis von Privatautonomie ist eine demokratierechtswidrige und im übrigen auch rechtsstaatswidrige Pauschalermächtigung zu staatlichem Handeln. Die grundsätzliche Privatheit der Lebensbewältigung im freiheitlichen Gemeinwesen des Grundgesetzes erzwingt zumindest diesen Rechtsvorbehalt für die staatlichen Kompetenzen und Aufgaben 954 , die im übrigen, wie schon gesagt, die verfassungsgesetzlichen Staatszwecke nicht überschreiten dürfen 955 .

951 Klar für viele K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 327 f , 581, 897; klar J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 204 f f , 209 f.; auch K Wenger, Die öffentliche Unternehmung, S. 518 (keine „Privatautonomie im eigentlichen Sinne", aber Privatrechtssubjektivität), S. 520, 541 ff.; so auch W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 358 f f ; inkonsequent auch K.A. Bettermann, Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, S. 2 f.; V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 129, 144 f , 147; wie hier auch D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 179 f , 199, 213 ff.; J. Burmeister, WiR 1972, S. 311 f f , 323, 347 ff.; HP. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 96 f f , mit Hinweisen; weitere Hinweise zur Frage grundrechtsgeschützter Freiheit des Staates in Fn. 818 f f ; dagegen jetzt alles Staatliche umfassend BVerfGE 61, 82 (100 ff.), gerade weil die Gemeinden nicht Private seien; dazu auch KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 270 f f , 272 f f ; anders u.a. auch R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 136 ff. für den Fiskus, dessen Verhaltensermächtigung er der „allgemeinen Verwaltungsaufgabe" des Staates entnimmt, die dem Fiskus eine Gestaltungsfreiheit (im Rahmen spezieller Zweckkompetenzen) gebe, die der privaten nahe- oder gleichkomme, so daß Raum für wettbewerbsrechtliche Reglementierung bestehe. 952 Wie Fn. 951, auch Fn. 973, vgl. auch Fn. 835; so i.S.d. rechtlichen „Allgebundenheit" alles Staatlichen, auch des „Privatwirtschaftlichen" R. Marcic, Rechtsphilosophie, S. 258; zur Kompetenzhaftigkeit der Zwecksetzung für öffentliche Unternehmen insb. K. Wenger, Die öffentliche Unternehmung, S. 543; auch F. Rittner, Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 37 ff, 177 ff. 953 Zur Problematik von Pauschalermächtigungen wesentlich D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 179 f , 199, 213 ff. und passim; auch K Wenger, Die öffentliche Unternehmung, S. 551 f , 565. 954 Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis von Privatheit und Staatlichkeit ist Anliegen jeder liberalen Staatstheorie, vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 247; für den Ge-

3. Kapitel Fiskusdoktrin

229

W e i l die Deutschen i m Rahmen der Staatszwecke prinzipiell alle ihre Angelegenheiten gemeinschaftlich,

d.h. staatlich, erledigen dürfen, vermag die

grundgesetzliche Garantie des Rechts der allgemeinen Handlungsfreiheit als solche nicht mehr als den rechtsstaatlichen Rechtsvorbehalt 9 5 6 , das Konsensp r i n z i p 9 5 7 , zu verankern. Immerhin bewirkt dieser wegen des strengen Bestimmtheitsprinzips 9 5 8 stärkeren Freiheitsschutz 9 5 9 als der demokratische Gesetzesvorbehalt, der durch die unumgängliche parlamentarische Repräsentation der Deutschen i n seiner freiheitlichen Schutzwirkung gemindert i s t 9 6 0 . Die Handlungsmöglichkeiten des Staates sind u m der Privatheit der Deutschen und u m der Demokratie w i l l e n durch Entscheidungen des Volkes bedingt. Diese Rechtsakte bringen den Staat hervor und begrenzen ihn zugleich 9 6 1 . Die Aufgaben- und damit die Kompetenzregelungen müssen i m Rahmen des Verfassungsgesetzes u m der Verfassung der Freiheit w i l l e n das Privatheitsprinzip achten 9 6 2 . 4. Der freiheitlich-demokratische Staat, die Republik, ist die Organisation des Volkes für die Verwirklichung von dessen Allgemeinem, des Gemeinsetzesvorbehalt schon Hobbes, Leviathan II, X X I ; dazu im Sinne des Textes D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 171 f f , klar S. 205 zum demokratischen kompetenziellen Parlamentsvorbehalt im Gegensatz zur Exekutivkompetenz aus dem monarchischen Prinzip, insb. S. 175 für staatliche Leistungen und Begünstigungen; H.P. Bull , Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 202 f f , S. 121 gesteht Bull dem Parlament „bei der Festlegung der Aufgaben" nur „das entscheidende Wort" zu; das ist unscharf, richtig dagegen S. 91: „Es bedarf einer Rechtsänderung, um den Staat neue Aufgaben zuzuweisen" (gegen H. Krügers , Allgemeine Staatslehre, S. 760, vermeintliche Lehre von der Omnikompetenz des Staates); zum Ganzen wesentlich J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 215 f. 955 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 239 ff. 956 In diesem Sinne BVerfGE 6, 32 (41 f.); 8, 71 (76); 8, 274 (325); 25, 371 (407); 40, 237 (249); 41, 231 (243), st. Rspr. 957 Dazu KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 560 f f , 584 ff. 958 Zur Berechenbarkeit der Eingriffe aus der Ermächtigung als Rechtsstaatsgebot BVerfGE 6, 32 (42); 8, 71 (76); 8, 274 (325); 20, 150 (158); st. Rspr.; schon Kant , Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, ed. Weischedel, Bd. 9, S. 39 („genaueste Bestimmung und Sicherung der Grenzen dieser Freiheit"); vor allem D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 218 f f , mit Hinweisen in Fn. 195 f f ; auch E. Grabitz , Freiheit und Verfassungsrecht, S. 52 f f , insb. S. 62 mit Fn. 57; KA. Schachtschneider •, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 308 ff. Das Bestimmtheitsprinzip wird vornehmlich auf Art. 19 Abs. 4 GG gestützt, etwa D. Jesch, a.a.O., S. 224 f , für viele. 959 D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 218 f f , mit Hinweisen. 960 Der freiheitsrechtliche und damit (materiell) rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt und der demokratierechtliche müssen unterschieden werden, weil die Rechtswirkungen unterschiedlich sind; dem letzteren ist bereits durch eine sehr allgemeine parlamentarische Ermächtigung, etwa im Haushalt, genügt; deutlich D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, etwa S. 169 f , 213 ff.; zur Notwendigkeit der Repräsentation K.A. Schachtschneider , Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 163 ff. mit Fn. 88; ders. y Res publica res populi, S. 637 ff. 961 Zur ultra-vires-Lehre vgl. die Hinweise in Fn. 271, 835. 962 Dazu 3. Teil.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

w o h l s 9 6 3 , der nur auf Grund der Rechtsakte der Menschen i m Gemeinwesen existiert, die i h m auftragen, das Gemeinwohl i n dieser oder jener Weise zu v e r w i r k l i c h e n 9 6 4 . Jede Kompetenz und Aufgabe hat der Staat durch mehr oder weniger allgemeine handlungsermächtigende Rechtsakte 9 6 5 . Außerhalb dieser Ermächtigungen hat er keine Handlungsbefugnis 9 6 6 . Wenn der Staat somit unternehmerisch tätig ist, dann zur Verwirklichung spezifischen Gemeinwohlinteresses, das Rechtsakte zu verwirklichen vorschreibt. Jede Regelung gemeinschaftlicher Lebensbewältigung direkt oder indirekt durch das V o l k ist staatsbegründend, staatserweiternd oder staatsbeschränkend. Sie hat als Realisierung des Volkskonsenses durch das Verfassungsgesetz oder durch das (repräsentative) Gesetz zu erfolgen 9 6 7 . A n dieser Stelle ist nicht davon zu handeln, welche Rechtsakte staatliche Kompetenzen begründen dürfen. Diskutabel ist als eine derartige Rechtsgrundlage sogar die denkbar weite Sozialklausel der Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 G G 9 6 8 . Eine weitere Frage ist die, wie diese Staatszielbestimmung zu materialisieren ist, jedenfalls nicht ohne Zwischenschaltung eines Legislativaktes 9 6 9 . Ein schlichter Parlamentsakt genügt diesem

963

In diesem Sinne H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 82; wesentlich H. Heller, Staatslehre, S. 228 ff.; i.d.S. auch W. Maihofer, Rechtsstaat und menschliche Würde, S. 116, der mit Bezug auf Hobbes den Staat als Mittel zur Vollbringung der Zwecke des Menschen charakterisiert, nicht umgekehrt den Menschen als Untertan des Staates zur Vollbringung von Zwecken des Staates. Ebenso R. Marcic, Rechtsphilosophie, S. 213 (unter Bezug auf Aristoteles); K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f f , 193 f f , 211 f f , 275 f f , 303 f f , 340 f f , 346 f f , 410 f f , 519 f f , 617 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, II, III, 5. Kap, II, 7. Kap, III. 964 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144 („Die Verfassung kennt nur konstituierte Staatlichkeit"); H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 335 f f , 760 f.; H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 92 f f , 99 ff.; W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 98 f.; i.d.S. auch J. Burmeister, WiR 1972, 348 ff.; deutlich H. Heller, Staatslehre, S. 189 f f , 234; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 477; so auch, aber seinsrechtlich R. Marcic, Rechtsphilosophie, S. 213 f. 965 H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 118 f.; auch W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 161 ff. 966 Vor allem D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 172, 205; in diesem Sinne auch F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 172 ff. mit Hinweisen, der einen umfassenden organisationsbezogenen Gesetzesvorbehalt für richtig hält; dazu auch E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 56; W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 98; dazu auch die Hinweise in Fn. 143; vorsichtig scheint BVerfGE61, 82 (100 ff.) dahin zu tendieren; zur ultra-vires-Lehre vgl. die Hinweise in Fn. 271,835. 967 In diesem Sinne auch D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 172 f , 196 f , 197 ff, 205 und passim mit Hinweisen; dazu Kant, Zum ewigen Frieden, S. 206 f f , der in nichtrepräsentativer Demokratie „notwendig ein Despotism" sieht, weil auch „wider Einen (der also nicht mit einstimmt)" beschlossen werde, „mithin alle, die doch nicht alle sind, beschließen" usw.; ders., Ober den Gemeinspruch, S. 143 f f , 152, 153 ff. 968

In diesem Sinne G. Barhey, WuV 1978, 79; so insb. K Grupp, ZHR 140 (1976), 367 f f , 381. Zur Problematik der Globalermächtigung für die Leistungsverwaltung D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 179, 199, 213 f f ; dazu U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 132 ff.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

231

Rechtsvorbehalt 9 7 0 . W e i l der Staat somit ohne rechtliche Funktionszuweisung weder Kompetenz noch Aufgabe h a t 9 7 1 , kommt eine privatheitliche Autonomie i m Sinne einer Selbstbestimmung für ihn wesensgemäß nicht i n Betracht 9 7 2 . Darum hat der Staat keine private Existenz, w e i l diese nämlich durch die autonome, selbstbestimmte und selbstverantwortete Verwirklichung der Persönlichkeit definiert i s t 9 7 3 . Wegen des untrennbaren Zusammenhangs von Privatheit und Privatrechtsfähigkeit ist der Staat auch nicht privatrechtsfähig, schon gar nicht unbegrenzt 9 7 4 . Es gibt darum keinen Fiskus i m Sinne des herrschenden Sprachgebrauchs, der den Fiskus als den Staat als Privatrechtssubjekt begreift. Mangels Privatheit kommen für den Staat, i n welcher Tätigkeit auch immer, die rechtlichen Umgrenzungen der Privatheit nicht z u m Tragen. Für den Staat gilt folglich auch prinzipiell das Wettbewerbsrecht nicht, weil dieses das Recht zur Autonomie, die Privatheit, voraussetzt 9 7 5 . A n dieser demokratischen Wesenheit der Republik scheitern auch dessen Gleichheit i n der Wirtschaft mit den Priva-

969 K.A. Schachtschneider , Sozialprinzip, S. 71 mit Hinweisen in Fn. 170, 183; ders , Res publica res populi, S. 234 ff.; ebenso H.P. Bull , Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 118 f f , 128 f f , 163 ff.; vgl. U. Scheuner , Die Funktion des Gesetzes im Sozialstaat, FS Huber, 1973, S. 127 f f , 137 f.; a.A. etwa K Grupp , ZHR 140 (1976), S. 381. 970 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 239 f. 971 R. Herzog , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 2, Rdn. 23; K. Zeidler , VVDStRL 19 (1961), S. 229; G. Barhey , WuV 1978, 79, 91; K.A. Schachtschneider , JA 1979, 516, 569; BVerfGE 2, 1(12); 44, 125 (142/7). 972 Hinweise wie Fn. 951, 973 auch Fn. 818 ff. 973 Vgl. BVerfGE 5, 85 (204 ff.); 27, 1 (6 ff.); 48, 127 (163); 50, 166 (175); dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 104 f f , 116 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, III, auch 8. Kap, IV. 974 Dazu die Hinweise auf die kontroversen Standpunkte bei K.A. Schachtschneider , Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 22, insb. Fn. 74, 75, 76 im 1 .Teil; wie hier etwa W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 390; K Zeidler , VVDStRL 19 (1961), S. 229; in der Sache so auch J. Burmeister , WiR 1972, 311 f f , gegen „hoheitliches Privatrecht", der aber auch im „Privatrecht" „die allein sachadäquaten Handlungsformen" für die Teilnahme des Staates am Wettbewerb liehen Wirtschaftsverkehr sieht, die er aber nur zur „Verfolgung von Verwaltungszwecken" zuläßt (a.a.O., S. 343); dem entspr. die hier vertretene Adaptionstheorie (dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 258 f.); ohne diese Konsequenz etwa F. Ossenbühlj VVDStRL 29 (1971), S. 144, der zwar dem Staat die Privatautonomie verwehrt, nicht aber das Privatrecht; ähnlich fehlt G. Barbey , WuV 1978, 86 f f , die Konsequenz, der Opfer der prozessualistischen Sicht ist, die an den verfehlten Rechtswegformeln nicht vorbeikommt, und die kompetenzielle Ermächtigung zu privatrechtlichem Handeln genügen läßt, womit er seiner Kritik an Wolffs enger Subjektstheorie widerspricht; ähnlich inkonsequent G. Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, S. 84; diese Kritik muß sich auch die Kollisionstheorie von Ch. v. Pestalozzas , „Formenmißbrauch" des Staates, S. 170 ff. gefallen lassen; zur Neutralitätslehre krass anders etwa für viele HJ. Wolff/O Bacho/, Verwaltungsrecht I, § 23 II a,b, S. 106, 108, § 34 I b2, S. 245, gegen unbegrenzte Privatautonomie, aber für unbegrenzte privatrechtliche Rechtsfähigkeit. Das leugnet notwendig die Lehre der Unterschiedslosigkeit von öffentlichem und privatem Recht. 975 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f ; ders , Res publica res populi, S. 396 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI.

232

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

ten und dessen Rivalität zu privaten Unternehmen, so daß der Staat niemals m i t Privaten i n einem Wettbewerbsverhältnis steht 9 7 6 . 5. Der A k t der Staatsverfassung anerkennt, daß die Bürger i n ihrer Freiheit gleichberechtigt s i n d 9 7 7 . Sie haben darum rechtlich gleichen Einfluß auf die Geschicke des Staates 9 7 8 . Die Gleichberechtigung der Freien führt für die staatliche Willensbildung zu deren personaler Allgemeinheit. I n dieser freiheitlichen und demokratischen Republik hat ein Fiskus, verstanden als der Staat als Privatrechtssubjekt, keine Existenzberechtigung. Das folgt nicht nur, jedenfalls nicht spezifisch, daraus, daß der Staat nicht 'frei' ist und damit auch nicht das Recht der Autonomie der Privaten zu beanspruchen hat. Die extreme Position einer Privatautonomie des Staates haben viele A n hänger der Fiskusdoktrin als unhaltbar geräumt 9 7 9 . Die Gründe liegen tiefer. W e i l der Staat eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens die Organisation des Volkes für dessen Allgemeines i s t 9 8 0 , die

976 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f ; diese Ungleichheit hebt auch BVerfGE 61 82 (100 ff.) als Argument gegen eine „vergleichbare Abhängigkeit" der Gemeinden mit der der grundrechtsberechtigten Privaten hervor, also gegen die Annahme einer „grundrechtstypischen Gefährdungslage". 977

Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 138 f f , 143 f f , mit Hinweisen, insb. in Fn. 7, 21; ders, Res publica res populi, S. 275 f f , 325 f f , insb. S. 410 ff. u. ä.; ders, Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, 7. Kap, III; für viele R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 2, Rdn. 6; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 164 zu Art. 3 Abs. 1; wesentlich R. Marcic, Rechtsphilosophie, S. 213 f f , 216 (S. 213: „Der Staat ist eine freie Vereinigung freier und gleicher Menschen"); K Stern, Staatsrecht I, S. 788 ff. mit Hinweisen; H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 1 ff.; wesentlich auch M. Kriele, HVerfR, S. 129 ff. 978 Für viele R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 2 Rdn. 10; R. Marcic, Rechtsphilosophie, S. 213 f f , 216 (Urnorm „Du sollst über Deinen Nächsten nicht herrschen"); K. Stern, Staatsrecht I, S. 789 f.(Freiheit „ein Wesenselement der freiheitlich politischen Ordnung") mit weiteren Hinweisen in Fn. 155; H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 3 („Aus der Annahme, daß wir - in der Idee - gleich seien, kann wohl die Forderung abgeleitet werden, daß einer den anderen nicht beherrschen solle"); K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 f f , 14 f f , 71 f f , 275 f f , 325 f f , 410 f f , 519 f f , 637 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, 5. Kap, II, IV, 7. Kap, III. 979 Vgl. die Hinweise in Fn. 951, 973, vgl. auch Fn. 818 ff.; etwa K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144 ff.; typisch G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 84 (aber S. 120 f.); W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 348, 358 f f , 386, 388, 390, 397, 399. Anders V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 129 ff.; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 182 f.; anders auch im Ergebnis R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 136 f f , der dem Fiskus privatmäßige Gestaltungsfreiheit einräumt, die wettbewerbsrechtlich zu disziplinieren sei; Fiskus und Verwaltung seien nur verschiedene Zuständigkeiten einer einheitlichen Staatsgewalt; H J. Wolff/O. Bachofl Verwaltungsrecht I, § 23 II a 1, S. 106 f. („nur durch Staatszwecke begrenzte Privatautonomie ohne Bindung an die Grundrechte, insb. an das Gleichheitsgebot"; ... „Fiskalische Verwaltung" nicht „vollziehende Gewalt" i.S. des Art. 1 Abs. 3 GG).

3. Kapitel Fiskusdoktrin

233

Organisation der in ihrer Besonderheit und Selbstverwirklichung gleichwertigen und damit gleichberechtigten Menschen für das gemeine Wohl, hat er diese spezifische Besonderheit, genauer das Recht zu dieser Besonderheit, das Recht zur privatheitlichen Autonomie, nicht. Privatautonomie ist das Recht zur Besonderheit, die gerade nicht Zweck des Staates ist. Die Einzigartigkeit des Staates als ein Gebilde des Volkes ist dessen Zweck, das gemeine Wohl des Volkes zu verwirklichen. Dieser Staat kann damit schon begrifflich nur die Organisation der Allgemeinheit, d.h. des gesamten Volkes, sein. Jede Beschränkung auf bestimmte und damit privilegierte Menschen im Gemeinwesen nähme einer von diesen gebildeten Organisation den Charakter eines demokratischen Staates, weil ein solches Gebilde der Gesamtheit des Volkes entgegengestellt wäre 9 8 1 . Der Staat freier und in ihren Freiheitsrechten gleicher Menschen ist notwendig die Organisation aller für ihr Allgemeines. Damit bestimmen alle nach Maßgabe des Verfassungsgesetzes die Materie des staatlichen Allgemeinen. Die personale Allgemeinheit wandelt sich im staatlichen Handeln in die materiale Allgemeinheit. Jedenfalls bewirkt die allgemeine personale Trägerschaft des Staates die Allgemeinheit des staatlichen Handelns genauso wie die Individualität des einzelnen Menschen die Besonderheit seines Verhaltens ausmacht. Das Handeln des Staates als die jeweilige Materialisierung des Allgemeinen des Volkes wird nicht als Besonderes wie das autonome Handeln des Privaten als dessen Selbstverwirklichung durch Art. 2 Abs. 1GG geschützt982. 6. Die vielgeschmähte 'Flucht ins Privatrecht' 983 , die der Sache nach eine Flucht in die Privatheit ist, ist dem Staat verwehrt, wenn er dem Grundprinzip der grundgesetzlichen freiheitlich-demokratischen Verfassung genügen will, seine Staatlichkeit zu respektieren. Das bedeutet vor allem, daß er sich in keiner seiner Handlungsweisen dem Staatsrecht entziehen darf 984 . Der Staat hat schlicht kein Recht zum fiskalischen Handeln und darf sich darum eine solche Befugnis nicht selbst zusprechen. Die Wahl der Organisations- und Rechtsform der juristischen Person des Privatrechts ist verfassungswidrig, wenn sie das Unternehmen des Staates aus der Staatlichkeit entläßt. Die Verselbständigung im Sinne einer Privatisierung von Staatlichkeit löst das Unternehmen des Staates aus den staatsbegründenden und staatsbegrenzenden Legitimations- und

980 Hinw. in Fn. 42; auch W. Maihofer , Rechtsstaat und menschliche Würde, S. 51, 56, u.ö, folgert zu Recht aus Art. 1 GG, daß der Staat nicht Zweck, sondern Mittel ist; ders., HVerfR, § 12, Rdn. 100, S. 490 f.; vgl. auch R. Marcic , Rechtsphilosophie, passim, etwa S. 213, für den Recht und Staat Seinskategorien des Menschlichen sind. 981 R. Herzog , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 2, Rdn. 6, 23. 982 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 275 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, 6. Kap, 7. Kap,I, 1. 983 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181, mit Fn. 32. 984 Dazu KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 270 ff. mit weiteren Belegen; i.d.S. klar J. Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 16 f.; R. Marcic , Rechtsphilosophie, S. 258; Ch.v. Pestalozza , „Formenmißbrauch" des Staates, S. 172 f f , 185 f.

234

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Legalitätszusammenhängen der freiheitlich-demokratischen Verfassung der Republik. 7. Zu Recht hat Walter Mallmann darum das Dogma von einer originären Gewalt der Exekutive angegriffen 985. Richtig ist, daß die Exekutive an der Staatsgewalt teilhat und sich die Staatsgewalt (die Macht) in der von dem Grundgesetz geregelten Weise mit der Legislative und der Judikative zu teilen hat 986 . Mit einem Dogma von der Originarität der exekutiven Gewalt darf die Macht des Staates insgesamt nicht weiter ausgedehnt werden, als sie dem Staat durch Verfassung, Gesetze und gegebenenfalls andere auf das Volk zurückführbare Rechtsakte eingeräumt ist. Ohne Rechtsakte, mittels derer die Staatsgewalt unmittelbar oder mittelbar (im Rahmen der Staatszwecke) vom Volk auf den Staat übertragen wird, hat der Staat keine legale Gewalt. Die staatsbegründenden und zugleich staatsbegrenzenden Rechtsakte vermitteln Volk und Staat. Um verfassungsgemäß zu sein, muß sich Staatsgewalt ohne jede Ausnahme vom Volk her legaliter legitimieren 987 . Privatheitliches Handeln des Staates fragt nicht mehr nach der Legitimation durch das Volk, die essentiell ist für die Legalität staatlichen Verhaltens. Wer dem Staat Privatrechtsfähigkeit zubilligt, beschneidet dem Volk die Staatsgewalt, die Sache des Volkes ist, wenn es sich im Sinne der praktizierten Fiskusdoktrin 988 um Privatrechtsfähigkeit von Substanz handelt, die nicht gänzlich vom Staatsrecht überlagert ist. 8. Diesem Verdikt vermag sich der Staat nicht dadurch zu entziehen, daß er sich gesetzlich die Befugnis zuspricht, sich fiskalisch, also privatautonom zu verhalten. Derartige Gesetze versuchen, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG zu durchbrechen, weil das Volk die Ausübung der Staatsgewalt dem Staat allein nach Maßgabe des Staatsrechtes überträgt 989 . Die Wahlen des Volkes vollziehen sich

985

VVDStRL 19 (1961), S. 184 f f ; deutl. schon H Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 81 („monarchistische Theorie von der Parität, Gleichwertigkeit und Unabhängigkeit der Vollziehung gegenüber der Gesetzgebung"); dazu wesentlich D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 89 f f , 179 f , 213 f f , zum monarchischen Prinzip und dessen Unvereinbarkeit mit dem demokratisches Prinzip; der Sache nach vertritt auch R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 131 f f , 136 das Dogma eigenständiger offener Kompetenz der Exekutive im fiskalischen Bereich („allgemeiner Verwaltungsauftrag" des Fiskus ohne besonderen positivierten Verwaltungszweck). 986 Zur Gewaltenteilung für viele K Stern, Staatsrecht I, S. 792 ff.; N. Ächterberg, Probleme der Funktionslehre, S. 109 f.; G. Zimmer, Funktion, Kompetenz, Legitimation. Gewaltenteilung in der Ordnung des Grundgesetzes. Staatsfunktionen als gegliederte Wirk- und Verantwortungsbereiche. Zu einer verfassungsgemäßen Funktions- und Interpretationslehre, 1979; KA. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 184 f f , 210 f f , 274 f f , auch S. 94 f f , 124 f f , 161 ff. 987 Dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 239 f , S. 263 f f , 265 f f , 271; ders, Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 3, § 4, IV, V. 988 Das sieht klar W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 182 f. 989 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff.; so auch K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144 f , allein für die Grundrechtsbindung; i.d.S. auch J. Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 10 f.

3. Kapitel Fiskusdoktrin

235

nach strengen Regeln. Nichts anderes gilt für die Ausübung der Staatsgewalt durch die besonderen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung, die Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG aufführt. Ein Recht zur Willensautonomie im Sinne der Privatheit will den Staat von der Geltung des Staatsrechts freistellen. Das ist der spezifische Zweck der Fiskusdoktrin. Das Wort „alle" in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG ist eindeutig. Jede Restriktion dieses Begriffs widerspricht zudem dem Prinzip der Republik. Das Recht des Staates, seine Zwecke je nach der Interessenlage der Allgemeinheit zu bestimmen und durchzuführen, wenn er dabei das Staatsrecht strikt einhält, gibt dem Staat nicht das Recht, sich privater Beliebigkeit zu bemächtigen. Diese ist charakterisiert durch die bloße Bindung an das Privatrecht, das um der grundrechtsgeschützten Freiheit des Menschen willen notwendig andere Inhalte hat als das Staatsrecht; denn das freiheitliche Privatrecht soll und muß die sittliche Verwirklichung des Menschen ermöglichen 990 . Das Staatsrecht soll Vollzug allgemeiner Sittlichkeit der Bürgerschaft sein, läßt jedoch dem Staat nicht Raum zu eigenständiger Sittlichkeit im Sinne von Autonomie des Willens und menschlicher Würde. Die Fiskusdoktrin verstößt somit gegen den genannten Rechtsvorbehalt für die Kompetenz- und Aufgabenzuweisung an den Staat. Gegen diese Verletzung dieses Rechtsvorbehalts ist der Bürger zumindest als Bürger rechtlich geschützt 991 , denn sie mißachtet seine Freiheit. Auf die Achtung der Freiheit der Bürger durch ihre Repräsentanten im Staat besteht kein Verlaß, wie gerade die Fiskusdoktrin erweist. Rechtsschutz als Grundrechtsschutz ist unverzichtbar. Ihn gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG. 9. Die Fiskusdoktrin zwingt, wie wiederholt klargestellt, zur Differenzierung der 'eigentlich1 staatlichen (hoheitlichen, 'öffentlich-rechtlichen') von den privaten ('privatrechtlichen') Handlungsweisen des Staates. Davon ist die rechtliche Beurteilung letzterer nach dem Sonderrecht für den Fiskus abhängig. Dies ist das auch von der herrschenden Meinung jedenfalls um eine gewisse Grundrechtsrelevanz modifizierte Privatrecht. Weil nach der Fiskusdoktrin alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts, eingeschränkt auf ihre Kompetenzen, privatrechtsfähig sind, muß eine irgendwie geartete materielle oder funktionale Differenzierung erlauben, bestimmte Handlungsweisen dieser staatlichen Einheiten als fiskalisch zu qualifizieren 992 . Die Lehrmeinungen vermögen

990 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 370 f f , 374 f f ; 378 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap, I, II, III, VIII. 991 Dazu K.A. Schachtschneider , Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, S. 22 f f ; ders , Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 52 f.; a.A. noch ders , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 271 zu Fn. 177. 992 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189, Diskussion der Positionen von F. Ossenbühl , S. 190 f f , H.-U. Gallwas , S. 198 f f , P. Badura , S. 202 f f , 205 f., W. Brohm , S. 208 f f , KP. Bull , S. 213 f f , J. Pietzcker , S. 216 ff, W. Mallmann , S. 218 f f , K. Zeidler , S. 224 f f , H. Krüger , S. 230 f.; Kritik auch bei F.-J. Kunert , Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und öffentliches Recht, S. 72 f f , 77 f f ,

100.

236

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

diese nicht nachzuweisen 9 9 3 . Jede solche Differenzierung ist W i l l k ü r , allenfalls gesetzgeberische D e z i s i o n 9 9 4 . N u r n i m m t die legislatorische Qualität der Dezision dieser nicht den rechtlichen Willkürcharakter. Willkürliche Entscheidungen des Gesetzgebers können gegen das Prinzip der Sachlichkeit verstoßen, das unabhängig v o n allem Grundrechtsschutz

ein Prinzip

verfassungsgemäßer

Staatlichkeit i s t 9 9 5 . Die Willkürlichkeit der Zuordnung von staatlichem Handeln z u m hoheitlichen oder fiskalischen Bereich ist unvereinbar mit der Entscheidung für die Republik, die zugleich der Maßstab der hier relevanten Sachlichkeit ist. 10. Die K r i t i k an der Fiskusdoktrin ist freiheitlich, w e i l sie den Grundsatz der freiheitlichen Lebensbewältigung verteidigt, der z u m einen für die Kompetenz- und Aufgabenübertragung an den Staat den Rechtsvorbehalt und damit zum anderen die grundrechtlichen Schranken aktiviert. Das führt zu einem V o r rang der Privatheit der Lebensbewältigung i m Sinne eines Subsidiaritätsprinzips mit prinzipiellem Verfassungs- und Gesetzesvorbehalt 996 , zum Privatheitsprin-

993

Hinweise in Fn. 992. Dazu die Kritik an dem Dogma eines Rechtsformen Wahlrechts von K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181 ff. 995 Hinweise in Fn. 689; zum Willkürverbot Hinweise in Fn. 325, 638, 667, 686. 996 1.d.S. vor allem die grundlegende Schrift von J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 215 f , 313 ff. („Primat freier Individualität bei der Förderung des Gemeinwohls"), der sich allerdings nicht auf einen Parlaments- oder gar Gesetzesvorbehalt für jede Staatlichkeit festlegt (vgl. a.a.O., S. 215 f.); G. Rinck, WiR 1972, Rdn. 162, 163 („Der Staat darf nicht als wirtschaftlicher Konkurrent auftreten"), Rdn. 164, S. 51 f , 53; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1, Rdn. 52 Art. 19 Abs. 3, Rdn. 48 sub e,bb; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 327 f., 897; E.R. Huber, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 1958, S. 14; W. Reuß, Wirtschaftsverwaltungsrecht!, 1963, S. 84; H.C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 40 f.; K Grupp, ZHR 140 (1976), S. 367, 381, 388; K Wenger, Die öffentliche Unternehmung, S. 550; auch F. Rittner, Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 37 f f , 177 f.; tendenziell auch K Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 238 („'eigenwirtschaftliche' Tätigkeit des Staates im ganzen rechtsstaatlich unerwünscht"). Wie hier tendenziell BVerfGE 28, 245 (248); deutlich in der Tendenz gegen „rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Unternehmen", vor allem der Gemeinden, jetzt BVerfGE 61, 82 (100 ff); ganz i.S.d. Subsidiaritätsprinzips (ohne es zu nennen), hergeleitet aus Art. 12 Abs. 1 GG (insoweit problematisch) argumentiert jetzt BGH, NJW 1982, 2117 (2119 f.) gegen die Brillen-Selbstabgabestellen der gesetzlichen Krankenkassen wegen deren Gefährdung der Existenz der freiberuflichen selbständigen Augenoptiker; Eigenbetriebe seien nur in „Ausnahmefällen" gerechtfertigt; zurückhaltend BVerwGE 39, 329 (337); K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 f f ; ders. y Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV; ders, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 272 ff. mit weiteren Hinweisen in Fn. 184, auch S. 263 ff.; A.A. W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 212 ff. mit Hinweisen und sehr dünnen Argumenten; V Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 108 f.; G.Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 97 f f , der Rechtsschutz nur gegen einer „Übermacht der öffentlichen Wirtschaft" zugesteht; H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 159 f f , 178 f f , 181 mit weiteren Hinweisen 994

3. Kapitel Fiskusdoktrin

237

Die Kritik ist demokratierechtlich, weil sie das Prinzip des Volks- oder Bürgerstaates wahrt, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Das Volk kann dem Staat „Gewalt" mittels des Verfassungsgesetzes und repräsentativ im Rahmen der verfassungsgegebenen Staatszwecke mittels eines Gesetzes überantworten 998 . Eine Verfassungsnorm, die den Staat ermächtigt, seine Staatlichkeit über die grundgesetzlich gezogenen Grenzen hinaus zu erweitern, gibt es nicht. Sie verstieße gegen Art. 20 Abs. 2 S. 1 und Art. 79 Abs. 3 GG. Wenn der Staat sich Kompetenzen und Aufgaben ohne eine legislative Entscheidung des Volkes anmaßt, verselbständigt er sich vom Volk, löst sich von den Bindungen demokratischer Legitimationserfordernisse, wird privat, weil er nicht mehr das Allgemeine des Volkes repräsentiert, das notwendig auf die personale Allgemeinheit des Volkes bezogen sein muß 999 . Dieser Bezug ist verfahrensmäßig und nicht allgemein materiell wie in totalitären Volksdemokratien zu verankern. Bezeichnenderweise formuliert Art. 4 der Verfassung der DDR von 1968 i.d.F. von 1974: „Alle Macht dient dem Wohl des Volkes" und bezieht damit die staatliche Allgemeinheit materiell, aber unbestimmt auf das Volk, wenn sie auch diesem zu dienen verpflichtet ist. Die Verselbständigung des Staates verletzt die politische und privatheitliche Freiheit der Menschen und die Republikanität des Volkes im Kern. Sie ist aber die logische Voraussetzung der Fiskusdoktrin, selbst wenn diese in einfachen Gesetzen oder gar in Sonderbestimmungen des (geänderten) Verfassungsgesetzes verankert ist, solange und soweit diese Gesetze dem Staat mit der Privatrechtsfähigkeit Privatheit zubilligen 1000 und ihn aus den spezifisch staatsrechtlichen Bindungen entlassen. Die kompetenzielle Begrenzung derartiger Privatheit mildert zwar den Verfassungsverstoß; dem Staat bleibt aber im Rahmen der Kompetenz das die Privatheit definierende Recht zur Willensautonomie, das ihm nicht zugestanden werden darf 1001 .

im Sinne des Textes in Fn. 9, S. 160; K.A. Bettermann , Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, S. 11 f f ; mit Einschränkungen auch H.P. Bull , Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 190 f f , 210. 997 Dazu 3. Teil. 998 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 263 ff.; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 3. 999 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 268 f. 1000 Dazu die Analyse des § 98 GWB bei K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 283 f f , insb. S. 285 ff. 1001 Dazu K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 268 f. mit Hinweisen; H. Krüger , VVDStRL 19 (1961), S. 261; durchgehend P.-H. Naendrup , Privatrechtliche Haftungsbeschränkung und staatliche Verantwortung, etwa S. 74 f f , 103; in der Sache so BVerfGE 61, 82 (100 ff.) deutlich (u.a.: „Art. 14 als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater"); Hinweise in Fn. 951, 973, auch Fn. 817 ff.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

4. Kapitel

Privatheitswidrige Beleihung

I. Begriff der Beleihung und Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur als staatlich gebundener Beruf 1. Die Idee der Beleihung stammt aus dem Lehenswesen des Mittelalters und gehörte stets zur Herrschaftsdogmatik 1002. Der gegenwärtige und praktizierte Begriff der Beleihung geht auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Er wurde erstmals von Otto Mayer in seiner Lehre von der „Verleihung eines öffentlichen Unternehmens" beschrieben. Die Mayer'sehe Lehre kann als Ausgangspunkt für diese Institution (wie für manche andere des Verwaltungsrechtes) angesehen werden 1003 . Die wissenschaftliche Entwicklung modifizierte das von Mayer dargestellte Rechtsinstitut der Beleihung. Die folgenden wesentlichen Aspekte der Beleihung sind heute im einschlägigen Schrifttum allgemein anerkannt: Die Herrschaftlichkeit des Staates ist noch immer Charakteristikum des Institus der Beleihung, wie die Lehre von den vom Staat abgeleiteten Hoheitsbefugnissen der Beliehenen erweist; denn Herrschaftsrechte können verliehen werden, Freiheit nicht, denn Freiheit ist mit dem Menschen geboren (Kant) 1 0 0 4 und nicht vom Menschen zu trennen. Ein Beliehener kann jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts sein, die damit betraut ist, öffentliche, besser: staatliche Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen auszuüben, und zu diesem Zweck mit Hoheitsbefugnissen versehen ist 1 0 0 5 . Der Staat, so wird oft gesagt, darf sich dieser Gestaltungsmög1002

Vgl. Rechts-Lexikon, Stichwort „Lehen", Bd. 2, 1987, S. 819. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 2. Aufl. 1917, S. 95, 431; dazu auch H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 103 f. 1004 Metaphysik der Sitten, S. 345; dazu KA. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 1. Kap, 2. Kap, II. 1005 So oder ähnlich BVerwGE 29, 166 (169 f.); 61, 222 (225 ff.); U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 222 ff.; R. Michaelis, Der Beliehene. Ein Beitrag zur Verflechtung von öffentlichem und privatem Recht, 1969, S. 90 f.; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S 133 ff.; F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 147 ff.; U. Gallwas, VVDStRL 29 (1971), S. 211 ff.; H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl. 1987, § 104, Rdn. 2, S. 412 f.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 12 Rdn. 14, S. 249; D. Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht, daselbst, § 1 Rdn. 15, S. 9; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 25 Rdn. 56 f f ; M. Burgi., Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 79 ff.; Ch. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 117 ff. 1003

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lichkeit bedienen, u m die eigene Verwaltung zu entlasten und sich die Sachkunde und Flexibilität privater Personen zunutze zu m a c h e n 1 0 0 6 . Nach der Beleihungslehre ist und bleibt der Beliehene ein eigenständiges Rechtssubjekt, nämlich ein Privatrechtssubjekt, das i n begrenztem Umfang hoheitlich zu handeln befugt i s t 1 0 0 7 . D e m B e l i e h e n e n 1 0 0 8 w i r d (i. S. einer „BefugnisRechtsstellungsdogmatik" 1 0 0 9 )

Hoheitsgewalt,

Hoheitsmacht,

oder

hoheitliche

Rechtsmacht, hoheitliche Gewalt oder Funktionen, Hoheitsrechte, Hoheitskompetenzen oder Hoheitsbefugnisse übertragen oder delegiert. Er w i r d mit diesen ausgestattet, betraut, damit beliehen, gar belehnt oder eben die Hoheit w i r d dem Privaten verliehen und verschafft diesem so die Befugnisse, wie der Staat verbindliche Rechtsakte zu erlassen 1 0 1 0 . Er w i r d der staatlichen Organisation nicht

1006 E.R. Huber , Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. I, S. 533; K. Obermayer , Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 61; R. Michaelis , Der Beliehene, S. 13; HJ. Wolf/O. Bachof/R. Stober , Verwaltungsrecht II, § 104, Rdn. 2, S. 412 f.; H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 105. 1007 H. Maurer , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 56 f f ; weitere Hinweise in Fn. 1005. 1008 M. Kleine-Cosack , Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, insb. S. 77 f f , 95 f f , 135 f f , 211 ff.; dazu Hinweise in Fn. 1005, aber auch in folgenden Fußnoten. 1009 Zu dieser Dogmatik, die vornehmlich für das Institut der Beleihung im Gegensatz zur Aufgabendogmatik entwickelt ist, K. Vogel , Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 60 f f , 81 ff.; W. Brohm , Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 205, 211; H.H. Klein , Zum Begriff der öffentlichen Aufgabe, DÖV 1965, 758; U. Steiner , Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 11, 66 ff.; U. Gallwas , VVDStRL 29 (1971), S. 222; D. Mronz , Körperschaften und Zwangsmitgliedschaften, S. 112, 116 ff.; H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober , Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 104, Rdn. 1 f f , S. 411 ff.; H. Maurer , Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 567 (mit Hoheitsgewalt ausgestattet); M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 81. 1010 E.R. Huber , Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 530; ders., Beliehene Verbände, DVB1 1952, S. 456 ff.; ders. y Selbstverwaltung der Wirtschaft, 1958, S. 15 ff. (S. 40 ff. aber distanziert zur Lehre von der mittelbaren Staatsverwaltung); E. Forsthoff Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 1966, S. 489 ff.; ders , Die Öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931, S. 3; H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 870 ff.; W. Brohm , Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 133 f f , 144 f f , 202 f f , 243 f f , 251 ff. (selbst zurückhaltend); D. Mronz , Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 112 f f , 151 ff. (delegiert ausgestattet); U. Steiner , Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 9, 66 ff. (Beleihung); F. Ossenbühl , VVDStRL 29 (1971), S. 147 ff.; H.U. Gallwas , VVDStRL 29 (1971), S. 211 ff.; W. Rudolf Verwaltungsorganisation, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 701 f. (mit Hoheitsgewalt ausgestattet); auch M. Kleine-Cosack , Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 78 f f , gegen die „Originaritätsthese"; dazu R. Hendler , Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, S. 295 ff.; D. Ehlers , Verwaltung in Privatrechtsform, S. 155, 310, dagegen insb. S. 217, 221 f f ; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 80; Ch. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 117 („einbezogen"); BVerfGE 18, 385 (386 f.); 19, 129 (133 f.); vgl. auch BVerfGE 68, 193 (205 ff.); 70, 1 (17, 19); auch BVerfGE 62, 354 (359); zur dogmatischen Grundlegung der Beleihung durch O. Mayer , Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 1924, S. 95 f , 243 f , und deren Weiterentwicklung durch E.R. Huber , Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 1953 ff.; genau U. Steiner , a.a.O., S. 17 ff. bzw. 31 ff.; vgl.

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

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ein-, sondern nur angegliedert 1011 . Die Beliehenen sind Behörden im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze 1012. Sie übernehmen Behördenfunktionen, soweit sie durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes in den Funktionsbereich des Staates einbezogen und mit einer Rechtsstellung ausgestattet sind, die sie in die Lage versetzt, Hoheitsgewalt Dritten gegenüber auszuüben. In diesem Umfang werden die beliehenen Privaten zur mittelbaren Staatsverwaltung 1013 und somit zum Begriff der „vollziehenden Gewalt" im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG geordnet 1014 . Walter Leisner bezeichnet den Beliehenen auch als „verlängerten Teil der Staatsorganisation" 1015. Zu den Beliehenen zählen u.a. Notare 1016 , Sachverständige bei der Abnahme von Kraftfahrzeugprüfungen 1017, freiberufliche Fleischbeschauer 1018, der Prüfingenieur für Baustatistik 1019 und insbesondere Öffentlich bestellte Vermes1020

sungsingenieure. Die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure sind aus europäischer Sicht eine deutsche Besonderheit, und in allen Bundesländern, außer in Bayern, ein Organ des öffentlichen Vermessungswesens. Das Vermessungswesen und damit das Berufsrecht der Vermessungsingenieure fällt nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 1021 in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. In Bayern sind die „Landvermessung, die Aufstellung, Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters sowie die für die Fortführung und Erneuerung des Liegenschaftskatasters erforderlichenVermessungen Aufgabe des Staates". Das Öffentliche, das Hoheitliche und damit Staatliche, womit die Privaten, die Vermessungsingenieure, beliehen werden, ist nach Angaben des „Bundes für für die Weimarer Zeit auch F. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. 1928/1960/1963, S. 104. 1011 HJ. Wolf/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 104, Rdn. 2, S. 412 f. 1012 H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, Rdn. 14, S. 249; D. Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht, S. 9; F.O. Kopp, VwVfG, § 1 Rdn. 135; H. BorgsMaciejewslei, in: L. Meyer/Borgs (Hrsg.): VwVfG, § 1 Rdn. 25; P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdn. 135; Ch. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 118; so auch BVerwG in BayVBl 1989, 247; OVG NW, NJW 1980, 1406. 1013 D. Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht, S. 119 f , 407; vgl. die Hinweise in Fn. 1154, 1238. 1014 B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdn. 182; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 56 ff. 10.5 W. Leisner, Privatinteressen als öffentliches Interesse, DÖV 1970, S. 219. 10.6 Soweit diese nicht Beamte sind, also etwa im Rahmen der Beurkundungstätigkeit gemäß § 20 BNotO; BVerfGE 16,6 (21 ff.); 73, 280 (292 ff.). 10.7 Gemäß § 11 StVZO. 10.8 BVerwGE 29, 166 (168 ff.). 1019 BVerwGE 57, 55 (58). 1020 OVG Koblenz, NVwZ-RR 1993, S. 23; H.J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 104, Rdn. 2. 1021 BVerwGE 2, 349 (350 f.).

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Öffentliche Vermessungsingenieure" darin zu sehen, daß sie auf Grund des Vermessungsgesetzes und der Berufsordnung in dem jeweiligen Bundesland dazu berufen sind, Tatbestände, die durch vermessungstechnische Ermittlungen an Grund und Boden festgestellt werden, mit öffentlichem Glauben zu beurkunden 1022 . 2. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgesprochen, daß „die Tätigkeit des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs vom vorlegenden Gericht zutreffend als staatlich gebundener Beruf beurteilt worden ist" 1 0 2 3 . Dies ist die konsequente, gleichwohl nicht verfassungsgemäße Schlußfolgerung aus der Annahme, es gebe das Institut des beliehenen Unternehmers, besser: des beliehenen Privaten. Der Begriff des „staatlich gebunden Berufs" läßt sich auf Heinrich Triepel zurückfuhren. Triepel ging 1911 davon aus, daß staatlich gebundene Berufe „nicht amtliche Berufe" seien, deren Angehörige auf Grund öffentlichen Rechts in einem besonderen Verhältnis zum Staat stünden. Dies sei zwar nicht „Staatsdienst, ... aber doch vermöge der Gebundenheit der Berufserfüllung, der Gestaltung der Berufspflichten, der Beaufsichtigung durch den Staat eine in die Augen springende Ähnlichkeit mit dem berufsmäßigen Beamtentum" 1024 . Triepel sah diesen Berufstyp als „ein wesentliches Glied in dem großen System der modernen Selbstverwaltung" und führt u.a. beispielhaft auch den „öffentlich angestellten Gewerbetreibenden" an 1 0 2 5 . Unter dem Grundgesetz hat der Begriff des „staatlich gebundenen Berufs" eine unterschiedliche Rechtsprechung hervorgebracht: Das Bundesverwaltungsgericht versagte in seiner älteren Rechtsprechung den Berufen, die „der öffentlichen Hand" vorbehaltene Aufgaben wahrnehmen, den Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG. Dies geschah mit der wenig aussagekräftigen Begründung, das Grundrecht der freien Berufswahl gelte „seinem Wesen nach nicht für solche Berufe" 1026 . Dem gegenüber vertritt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung 1027, aber auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner neueren Judikatur 1028 die Auffassung, daß Art. 12 Abs. 1 GG durchaus auch auf die staatlich gebundenen Berufe anwendbar sei. Art. 12 Abs. 1 GG erfaßt danach grundsätzlich auch Berufe, die im öffentlichen Dienst ausgeübt werden 1022

www.bdvi.de/BDVI/indexl.htm. BVerfGE 73,301 (316). 1024 H. Triepel , Staatsdienst und staatlich gebundener Beruf, in: FS für K. Binding, Bd. 2, 1911, S. 1 ff.; vgl. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 422 ff. 1025 ^ T r i e p e i^ Staatsdienst und staatlich gebundener Beruf, S. 15, 83. 1026 BVerwGE 2, 85 (86); 4, 250 (254); 6, 72 (74 f.). 1027 BVerfGE 7,377 (397 f.); 11, 30 (39 f.); 16,6(21); 17, 371 (377); 39, 334 (369); 45, 422 (428); 47, 285 (318 f.); 54, 237 (246); 69, 373 (378); 73, 280 (292); 73, 301 (315). 1028 BVerwGE 9, 334 (336); 40, 17 (18 f.); 72, 126 (130). 1023

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

oder durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen staatlich gebunden sind. Gleichzeitig aber betont das Bundesverfassungsgericht im Apothekenurteil, daß „staatlich gebundene" Berufe in mannigfaltiger Gestalt möglich und wirklich seien. Die Grenzziehung „zwischen einem , freien 4 Beruf mit gewissen öffentlich-rechtlichen Auflagen" und Berufen mit völliger Einbeziehung in die unmittelbare Staatsorganisation, hänge von „Eigenart und Gewicht der hier zu erfüllenden öffentlichen Aufgaben ab. Je näher ein Beruf durch öffentlichrechtliche Bindungen und Auflagen an den ,öffentlichen Dienst' herangeführt wurde, um so stärker können Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG die Wirkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG tatsächlich zurückdrängen" 1 0 2 9 . Bestätigung findet diese Rechtsprechung durch das sogenannte Kassenarzturteil, nämlich „daß dort, wo die staatliche Organisationsgewalt bestimmend sein" müsse, „das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht die Freiheit des Zugangs zum Beruf umfassen" könne 1030 . Eine ähnliche Formulierung findet sich in der verfassungsrechtlichen Überprüfung einer Notarordnung. Das Bundesverfassungsgericht spricht auch für die Notare davon, daß die „Sonderregelungen, die die Wirkung des Grundrechts der freien Berufswahl zurückdrängen" können, „um so nachhaltiger seien, je mehr der staatlich gebundene Beruf durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen dem Beruf innerhalb eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses angenähert" sei 1 0 3 1 . Mit dieser Rechtsprechung wird dem Gesetzgeber oder der vollziehenden Gewalt die Befugnis eingeräumt, in Anlehnung an Art. 33 GG die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechte der freien Berufswahl und Berufsausübung zu relativieren. Insbesondere soll es die „Organisationsgewalt" der „zuständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft" rechtfertigen, die Zahl der Stellen festzusetzen und damit die Interessenten, an denen trotz Befähigung und Eignung kein Bedarf besteht, an der Wahl und Ausübung des Berufs zu hindern 1032 . „Subjektive Rechte der Bewerber begründet Art. 12 Abs. 1 GG insoweit nicht. Freiheit der Berufswahl besteht nur nach Maßgabe der vom Staat zur Verfügung gestellten Ämter" (BVerfGE 73, 280 (292) für Notare in Hamburg). Angesichts dessen, daß die Aufgaben auch privatheitlich unter mehr oder weniger engen gesetzlichen Vorschriften bewältigt werden können, so daß jeder, der 1029

BVerfGE 7, 377 (398); darauf bezugnehmend auch BVerwGE 9, 334 (336); 40, 17 (18 f.); 72, 126 (139); vgl. auch BVerfGE 73, 280 (292); 73, 301 (315); auch M. Gubelt> in: I.v. Münch/P.Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 1992, Art. 12 Rdn. 20 f.; H. Sodan, Freie Beruf als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 138 f.; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 423. 1030 BVerfGE 11, 30 (40 f.); 73, 280 (292). 1031 BVerfGE 16, 6 (22); ebenso in der Sache BVerfGE 17, 371 (376 ff.), 47, 285 (319); 54, 237 (246); 69, 373 (378 ff.); insb. BVerfGE 73, 280 (292); auch BVerfGE 80, 257 (267 ff.). 1032 BVerfGE 7, 377 (398); 73 280 (292); vgl. auch BVerfGE 73, 301 (315 ff.).

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befähigt und geeignet ist, den Beruf zu wählen, berechtigt und darin durch die Berufswahlfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist, schiebt diese etatistische Doktrin die Berufswahlfreiheit für weite Bereiche des gemeinsamen Lebens beiseite, zumal wenn die staatliche Organisationsgewalt genügen soll, die Zahl der „Ämter" auch zu begrenzen, wenn Private lediglich mit öffentlichen Aufgaben betraut werden, wie im Falle der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure. Ohne diese Dogmatik müßte der Beruf für alle offen sein, die über die Befähigung und Eignung verfügen. Das Verfassungsgericht stützt eine Pfründenwirtschaft mit dem fragwürdigen Argument, daß eine „öffentliche Aufgabe" wahrzunehmen sei, „die der Gesetzgeber auch dem eigenen Verwaltungsapparat vorbehalten könnte" 1 0 3 3 . Das wäre für alle Aufgaben des gemeinsamen Lebens begründbar. Gerade deswegen muß die Aufgabenverteilung vor dem Privatheitsprinzip gerechtfertigt werden können, damit die gesetzlichen Aufgabenverteilungen nicht zu Willkürakten entarten. Das sieht auch das Bundesverfassungsgericht, aber es bewehrt das Privatheitsprinzip oder auch nur das Sachlichkeitsprinzip nicht mit Rechtsschutz der von der Aufgabenverteilung benachteiligten Interessenten. „Zwar ist der Staat gehalten, sein hier bestehendes Ermessen pflichtgemäß auszuüben; er muß die ordnungsgemäße Erfüllung der den Notaren zugewiesenen staatlichen Aufgaben sicherstellen. Dieser Pflicht korrespondieren aber keine Grundrechte des einzelnen Notarbewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG". Der letzte Satz verweigert gegen fragwürdige Aufgabenverteilung und fragwürdige Ämterordnung den Rechtsschutz, indem er den Tatbestand der Berufsfreiheit soweit reduziert wie er die Organisationsgewalt, d.h. die Aufgabenhoheit von Staat und Kommunen zieht. Die Berufs wahlfreiheit steht somit in der Praxis unter dem nicht judiziablem Vorbehalt der staatlichen und kommunalen Organisationsgewalt. Das sind Dogmen des Obrigkeitsstaates, der den Staat von der Gesellschaft trennt 1034 , nicht aber Rechtslehren einer Republik, in der bestmöglich die Gleichheit aller in der Freiheit verwirklicht 1 0 3 5 und damit bestmöglich Chancengleichheit der Persönlichkeitsentfaltung, auch im Beruf, hergestellt wird. Das Gericht nimmt der Berufsfreiheit die Wirkung gegenüber der Aufgabenverteilung und der dieser folgenden Ämterordnung gänzlich. Das ist mit Art. 1 Abs. 3 GG und mit Art. 19 Abs. 2 GG unvereinbar. Die Beschränkung der Ämter ist ein Eingriff in die Berufswahlfreiheit, sogar ein schwerer Eingriff, weil er bedarfsregelnd ist. Das läßt sich gegebenenfalls begründen, aber die Begründungen müssen vor dem freiheitlichen Privatheitsprinzip gerechtfertigt werden können, also vor allem judiziabel sein. Es gibt in der Republik keine grundrechtlich freie Organisationsgewalt von Staat und Kommunen 1036 .

1033

BVerfGE 73, 301 (315 f.); i.d.S. auch BVerfGE 73, 280 (292 ff.). Dazu kritisch K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff. 1035 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, III. 1036 So aber in der Sache BVerfGE 73, 280 (294). 1034

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Auch in der Literatur haben sich kritische Stimmen gefunden 1037 . Rüdiger Breuer stellt fest, daß „diese Rechtsprechung den untauglichen Versuch (darstellt), das Verhältnis zwischen vorrangigem Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht auf den Kopf zu stellen" 1038 . Auch Walter Leisner hat klargestellt, daß die Grundrechte nicht „unter dem Vorbehalt der staatlichen Organisationsgewalt stehen" 1039 . Der Staat darf sich also nicht dadurch, daß er dem Grundrechtsträger durch Gesetz Bindungen auferlegt, seinen grundrechtlichen Pflichten entziehen 1040 . Diese Kritik hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchaus beeindruckt 1041 . Das Gericht stellt fest, daß zwar die staatlichen Bindungen nicht aus sich selbst heraus gerechtfertigt seien, aber ihre Rechtfertigung in den wahrzunehmenden Funktionen finden könnten. Die „verfassungsrechtliche Einordnung des Berufs, seine Beschränkungen und Bindungen" würden „von der Eigenart der zu erfüllenden Aufgaben" abhängen 1042 . Für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure folgert das Gericht in seinem Beschluß aus dem Jahre 1986, daß es „nicht etwa im freien Belieben des Gesetzgebers (steht), welche Berufstätigkeiten er staatlichen Bindungen unterwerfen will. Für die Beurteilung eines Berufes als staatlich gebunden und für die Zulässigkeit von Sonderregelungen in Anlehnung an den öffentlichen Dienst kann es auch nicht genügen, daß der Gesetzgeber die Ausgestaltung des Berufes dem öffentlichen Dienst nachgebildet hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob diese Ausgestaltung darauf beruht, daß dem Berufsinhaber die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben übertragen worden ist und daß er daher Funktionen ausübt, die der Gesetzgeber auch dem eigenen Verwaltungsapparat vorbehalten könnte" 1 0 4 3 . Damit sei, so das Bundesverfassungsgericht weiter, die Tätigkeit des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs ein „staatlich gebundener Beruf 4 , weil er „einen Teil des öffentlichen Vermessungswesens bildet und in ähnlicher Weise wie die behördlichen Vermessungsstellen typische Hoheitsfunktionen bei der Durchführung und Beurkundung von Vermessungen wahrnimmt (§§ 1 f. BOÖbVI; vgl. ferner § 8 Abs. 1 KatG; § 5 Abs. 1 und 2 AbmG und § 3 Abs. 3 des Gesetzes über die Landesvermessung). Aus diesen Gründen sind für den Beruf des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs ähnlich wie bei dem staatlich

1037 H.H Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit, NJW 1965, S. 995 f.; ders, Das Grundrecht der Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 92 (1967), S. 223 f.; W. Leisner, AöR 93 (1968), S. 179 ff.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 1994, Rdn. 223 zu Art. 12; H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer, S. 138 ff. 1038 HStR, Bd. VI, § 147, Rdn. 51. 1039 Öffentliches Recht und Berufsfreiheit, AöR 93 (1968), S. 179. 1040 H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer, S. 140. 1041 So H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer, S. 141. 1042 BVerfGE 73, 280 (293); 73, 301 (316). 1043 BVerfGE 73, 301 (315 f.); vgl. auch BVerfGE 73, 280 (392 ff.).

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gebundenen Beruf des Notars Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG statthaft" 1044 . Dieses Urteil ebnet fiir den Staat einen „dritten Weg" zwischen zwei Verfassungsbestimmungen, einen Holzweg 1045 . Denn „entweder tritt an die Stelle eines Berufs eine staatliche Aufgabe, dann entsteht ein öffentliches Amt im Sinne des Art. 33 GG, oder es bleibt beim privaten Beruf ..." 1 0 4 6 . Diese Unterscheidung zwischen Amt und Beruf kommt auch deutlich in Art. 55 Abs. 2 und Art. 66 GG zum Ausdruck. Dort ist bestimmt, daß der Bundespräsident, der Bundeskanzler und die Bundesminister „kein anderes besoldetes Amt ... und keinen Beruf ausüben" dürfen. Was das Bundesverfassungsgericht mit der Äußerung „in Anlehnung an Art. 33 GG" regeln will, ist wenig präzise. Art. 33 GG rechtfertigt jedenfalls die Verstaatlichung von Berufstätigkeiten nicht, sondern regelt vielmehr die „Rechtsfolgen einer solchen Vereinnahmung im Hinblick auf die Verleihung und Ausübung öffentlicher Ämter." Der Inhaber eines solchen Amtes übt „anvertraute Staatsgewalt" aus 1047 . Durch gesetzliche Verpflichtungen wird aus einem Privaten kein Beamter oder auch nur Amtswalter, sondern nur durch Ernennung (§5 BRRG) bzw. Anstellung. Staatlich, nämlich gesetzlich, gebunden sind alle Berufe, aber nicht alle Berufe sind öffentlicher Dienst im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG. Das Recht der freien Berufe ist durch den unbeschränkten Zugang zum Beruf für alle, die zu dem Beruf befähigt sind, gekennzeichnet. Diese Berufswahlfreiheit ist der menschenrechtliche Kern des Art. 12 Abs. 1 GG. Für die Ämter des öffentlichen Dienstes gibt es zwar ein Recht auf gleichen Zugang für alle Deutschen (Art. 33 Abs. 2 GG), aber doch nur für die vom Staat oder von den Kommunen eingerichteten Stellen, über die sogar das Parlament entscheidet, wenn es ordentliche Stellen des Staates sind 1 0 4 8 . Der Zugang für alle, die für den öfffentlichen Dienst befähigt und geeignet sind, wäre, zumal wegen der knappen Ressourcen des Haushalts und aus vielen anderen Gründen, staatswidrig. Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG bergen somit Gegensätze. Eine (vermeintliche) Rechtslage dazwischen zu praktizieren, verletzt beide Grundrechte und ist nichts anderes als Mißachtung des Verfassungsgesetzes. Weitere Kritik an der Rechtfertigung der Beleihung im Vermessungswesen wird zu III. vorgetragen. Diese Rechtsprechung hat sich zwar einerseits der zitierten Kritik der Literatur angenommen, d.h. die Anwendung von Art. 12 Abs. 1 GG wird nicht mehr einfach aufgrund der Tatsache, daß sich ein Beruf an den öffentlichen Dienst

1044

BVerfGE 73, 301 (316); für die Notare BVerfGE 16, 6 (22); 42, 285 (319); 54, 237 (246); 69, 373 (378 ff.); 73, 280 (292 ff.); 80, 257 (267 ff.). 1045 Vgl. H. Sodan, Freie Beruf als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 143. 1046 W ; Leisner, AöR 93 (1968), S. 197 f. 1047 R. Breuer , HStR, Bd. VI, § 147, Rdn. 47. 1048 1 Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 24 f., S. 1538 f.

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annähert, zurückgedrängt, aber andererseits übersieht auch diese Rechtsprechung, daß es keine eigentlichen, originären, staatlichen Aufgaben gibt; denn staatlich ist nur die Aufgabe, „die der Staat nach der jeweils geltenden Verfassungsordnung zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt" 1 0 4 9 . Für die Beurteilung dieser Frage, ob eine Aufgabe staatlich oder privat ist, kann Art. 12 Abs. 1 GG, aber auch das Subsidiaritätsprinzip, der Grundsatz des Vorrangs privater Lebensgestaltung, bestimmend sein. Die Vermessungsingenieure in Bayern, die nicht als Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure, sondern in Ämtern vollständig staatlich organisiert sind, bedienen sich der Unterstützung der freiberuflichen Vermessungsingenieure. Diese Regelungen lassen erkennen, daß die Vermessung keine ausschließlich staatliche Befugnis darstellt; denn auch Private dürfen diese Tätigkeit, auch ohne Beleihungsakt ausüben. Die Vermessung stellt somit keinen Bereich dar, der dem Staat vorbehalten ist. Das könnte allenfalls für die dem Vermessungswesen angeschlossenen Katasterverwaltung gelten. Dieses Ergebnis ergibt sich unmittelbar auch aus dem oben erörterten Subsidiaritätsprinzip.

II. Allgemeine Kritik des Organisationsinstituts Beleihung 1. Nach der Praxis übt der Beliehene, der öffentliche Aufgaben ausführt, öffentliche Gewalt aus. Dem Beliehenen werden, so wird diese Praxis dogmatisiert, nicht nur öffentliche Aufgaben überantwortet, sondern ihm werden, damit er die öffentlichen Aufgaben deren Staatlichkeit gemäß erledigen kann, auch Hoheitsbefugnisse übertragen 1050 . Rechtens gibt es jedoch, wie zu II. ausgeführt wird, keine Beleihung, weil staatliche Aufgaben zu privaten Aufgaben werden, wenn sie auf institutionell Private übergeleitet, also privatisiert werden, ganz unabhängig davon, ob die Aufgabenerledigung für die Allgemeinheit, wie meist, bedeutsam ist, ob es sich also um eine im eigentlichen Sinne des Begriffs der Öffentlichkeit 1051 öffentliche Aufgabe handelt. Das ist die Logik der Unterscheidung von Privatheitlichkeit und Staatlichkeit, welche durch die Allgemeinheit des Staatlichen, vor allem aber durch das Prinzip der Legitimation staatlichen Handelns, das demokratische Prinzip, begründet ist. Private haben 1049 F. OssenbühU VVDStRL 29 (1971), S. 153; ders. y Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 22, Fn. 61; S. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 15; ähnlich H.H. Klein, DÖV 1965, S. 758; H. Peters, Öffentliche und staatliche Aufgaben, S. 880; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 157, 161; W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 131; H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52; J. Isensee, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 137; H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer, S. 112 ff., 142; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 41 ff. (61), 48 f f , u.ö.; vgl. Ch. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 56 ff. 1050 Hinweise in Fn. 1005 ff. 1051 J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1962, 9. Aufl. 1978; vgl. i.d.S. auch J. Isensee, VVDStRL 54 (1995), S. 303.

. Kapitel Privatheitswidrige

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ausschließlich private Aufgaben, auch wenn sie durch die Gesetzlichkeit ihres Handelns das Gemeinwohl verwirklichen, ja selbst, wenn sie durch Gesetze zum Handeln verpflichtet sind. Maßgeblich ist die institutionelle Privatheitlichkeit der Privaten, welche den Charakter der Aufgaben bestimmt; denn Private werden nicht dadurch Teil des Staates, daß sie gesetzlich verpflichtet werden, bestimmte Aufgaben zu erledigen. Es gibt keine instiutionell privatheitliche mittelbare Staatsverwaltung. Vielmehr verwirklichen die Privaten durch die Gesetzlichkeit ihrer Aufgabenerledigung das allgemeine Interesse und damit gewissermaßen eine staatliche Funktion; denn jede Art von Gesetzlichkeit verwirklicht funktional das Staatliche, nämlich das Gemeinwohl. Das ist oben dargelegt. Hoheitsbefugnisse können rechtens nicht auf Private übertragen werden. Wiederum vornehmlich wegen des demokratischen Prinzips sind Private nicht befähigt, hoheitlich zu handeln. Der Staat kann ihnen auch diese Befähigung nicht verschaffen. Staatsgewalt darf gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nur von dem Volk selbst, nämlich durch Wahlen und Abstimmungen, und durch besondere Organe des Volkes in der Gesetzgebung, vollziehenden Gewalt und Rechtsprechung ausgeübt werden. Ausübung von Staatsgewalt, also hoheitliches Handeln, ist ausschließlich Handeln des Volkes, entweder unmittelbar oder mittelbar durch Organe, welche das Volk vertreten. Nur das Volk hat Hoheit, nämlich Staatsgewalt. Handeln, das nicht organschaftlich vom Volk, also demokratisch legitimiert ist, ist keine Ausübung von Staatsgewalt, wie Art. 20 Abs. 2 GG beweist, und damit nicht hoheitlich. Hoheitlichkeit läßt sich nicht auf institutionell Private übertragen, weil diese nicht das Volk sind. Die Ausübung der Staatsgewalt, also hoheitliches Handeln, läßt sich nur organisieren. Privates Handeln wird durch die Gesetze legalisiert, auch wenn es, wie eigentlich alles Handeln, durch seine Wirkung nötigt. Entscheidend ist allein, ob die nötigende Wirkung legal oder illegal ist. Alles Handeln hat Wirkung auf andere, ja auf alle anderen. Es verletzt andere nicht in ihrer Freiheit und damit nicht in ihren Rechten, wenn es gesetzlich ist, d.h. auf Gesetzen beruht und die Gesetze achtet; denn die Gesetze verwirklichen die Freiheit aller. Das Rechtsinstitut der Beleihung ist deswegen ein rechtsdogmatischer Mißgriff, wie noch näher dargelegt werden wird. Dieser Mißgriff hat für die einen Vorteile und für die anderen Nachteile. Insbesondere rückt er die beliehenen Privaten in die Nähe des öffentlichen Dienstes, ordnet diese zur mittelbaren Staatsverwaltung, reklamiert und praktiziert demgemäß nicht gänzlich, aber weitgehend Grundrechtsverkürzungen, welche sich aus der (vermeintlichen) Staatlichkeit der beliehenen Unternehmer ergeben sollen 1052 . Nicht nur staatliches Handeln ist nicht grundrechtsgeschützt 1053, sondern auch der Zugang zum öffentlichen Dienst, der staatlich handelt, unterliegt anderen Verfassungsprinzipien als der Zugang zu

1052 1053

Insb. BVerfGE 73, 301 (315 ff.). Weitere Hinweise in Fn. 1005 ff. Hinweise in Fn. 821 f f , auch Fn. 92.

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den privat ausgeübten Berufen, insbesondere zu den freien Berufen und zu den Unternehmen. Es ist richtig, daß der Staat sich nicht auf Grundrechte berufen d a r f 1 0 5 4 . Es ist aber nicht richtig, daß der Grundrechtsschutz Privater mit dem Argument verkürzt wird, die Aufgaben, welche sie wahrnehmen sollen, seien staatlich, also mittelbare Staatsverwaltung. Besonders konsequent und wegen deren Privatheitlichkeit besonders fragwürdig handhabt das die Praxis für die berufsständischen Körperschaften 1 0 5 5 . Der öffentliche Dienst, der Staatsdienst also, findet seine Rechtsprinzipien vor allem i n Art. 33 G G 1 0 5 6 . Dazu gehört wesentlich das Prinzip des gleichen Zugangs zu den öffentlichen Ämtern, welche gemäß Art. 33 Abs. 2 G G nach „Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung" zu besetzen s i n d 1 0 5 7 . Diese Kriterien formulieren das republikanische Personalprinzip der Bestenauslese 1 0 5 8 unter allen Deutschen 1 0 5 9 (Verbot „Landeskinder zu p r i v i l e g i e r e n " 1 0 6 0 ) . Weiter-

1054

BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 35, 263 (271); 39, 302 (314 f.); 45, 63 (78 f.); 61, 82 (101); 62, 354 (369); 68, 163 (206); 70, 1 (15 ff.); 75, 192 (196); 85, 360 (385); G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 33 f f ; H. Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz, S. 61 ff.; W. Rüfner, HStR, Bd. V, § 116, Rdn. 64 ff.; K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 275 ff.; differenzierte, v. Mutius, in: Bonner Kommentar, 1975, Zweitbearbeitung, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 87 f f , 114 ff.; K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 145, auch zu den Ausnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten Universitäten und Kirchen, mit Hinweisen in Fn. 40,41. 1055 K.A. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 145 ff.; BVerfGE 39, 302 (312 f.); 62, 354 (369); 68, 193 (206 ff.); 70, 1 (15 ff.); BVerfG NVwZ 1994, S. 262; vgl. auch BVerfG, NJW 1966, S. 1588 f.; W. Rüfner, HStR, Bd. V, § 116, Rdn. 79; H. Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz, S. 118 f f ; vgl. A. v. Mutius, in: Bonner Kommentar, 1975, Zweitbearbeitung, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 141; schwankend G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3, Rdn. 51, der auf die öffentlich-rechtliche Verfaßtheit abstellen will; differenziert, eher im Sinne der Texte, K. Stern, Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 1149 f f , insb. 1162 f.; differenziert auch P. J. Tettinger, Kammerrecht, S. 100 ff. (Grundrechtsberechtigung bei Interessenvertretung der Mitglieder). 1056 Dazu J. Isensee, HVerfR, § 32, S. 1527 f f , insb. Rdn. 34 f f , S. 1542 ff.; H. Lecheler, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 1 ff. 1057 J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 34 f f , S. 1542 ff.; H. Lecheler, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 17 ff. 1058 BVerwGE 24, 235 (239); J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 35, S. 1543; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG (1991), Art. 33, Rdn. 12. 1059 Den Zugang von Unionsbürgern zum öffentlichen Dienst begrenzt im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Art. 39 Abs. 4 EGV, der vom Europäischen Gerichtshof restriktiv auf bestimmte Bereiche, in denen Hoheitsbefugnisse (in einem nicht definierten und nicht definierbaren engen Sinne) ausgeübt werden, und auch nur soweit die Hoheitsbefugnisse reichen (etwa in den Schulen, nicht Studienräte), begrenzt wird, EuGH, Rs C - 4/91, Slg. 1991 I, 5627 (Rdn. 6 f.); dazu J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 92 f f , S. 1575 f.; kritisch zu Recht, H. Lecheler, Die Integration des Art. 48 Abs. 4 EWGV und ihre Konsequenzen für die Beschäftigung im (nationalen) öffentlichen Dienst, 1990. 1060

J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 41, S. 1545 f.

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hin ist nach Art. 33 Abs. 4 GG die „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen" 1061 . Diesem ebenso republikanischen Prinzip genügt eigentlich nur das Beamtenverhältnis 1062 , welches nach Absatz 5 des Art. 33 GG „unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln" ist 1 0 6 3 . Um ausnahmsweise andere Beschäftigungsverhältnisse zu ermöglichen, weil das Beamtenverhältnis von strengen Zugangsvoraussetzungen, insbesondere grundsätzlich dem der Staatsangehörigkeit, abhängt, hat das Grundgesetz den Passus „in der Regel" in Absatz 4 des Art. 33 GG aufgenommen 1064 . Dieser Passus rechtfertigt keinesfalls, daß der größere Teil des öffentlichen Dienstes in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen tätig ist 1 0 6 5 , wenn diese Arbeitsverhältnisse wirklich privatheitlich sind. Der Sache nach sind sie den vorgeschriebenen Beamtenverhältnissen weitgehend angeglichen 1066 . Noch weniger läßt sich, wie das vielfach vertreten wird, das Rechtsinstitut der Beleihung Privater mit öffentlichen Aufgaben mit hoheitlicher Gewalt auf den Passus „in der Regel" stützen 1067 . Wegen dieses Passus dürfen weder das demokratische Prinzip als ein fundamentales Prinzip der Republik noch die republikanischen Amtsprinzipien, welche ebenfalls in Art. 20 Abs. 1 GG, nämlich in dem Republikprinzip 1 0 6 8 , ihre Verankerung und in Art. 33 GG nur ihre nähere Materialisierung finden, vernachlässigt werden. Die Wirtschaftsverfassung für die privatheitlichen freien Berufe und die privatheitlichen Unternehmen folgt ganz anderen Prinzipien, nämlich dem des Rechts der freien Wahl des Berufs und des Rechts zur Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 G G 1 0 6 9 ) bzw. dem Recht der Gewerbefreiheit (Art. 2 Abs. 1 G G 1 0 7 0 und

1061 J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 51 f f , S. 1550 ff.; H Lecheler , HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 23 ff.; W. Leisner , Grundlagen des Berufsbeamtentums, 1971, S. 29 ff. 1062 I.d.S. W. Leisner , Grundlagen des Berufsbeamtentums, S. 29 ff.; J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 51, S. 1551, der das Recht auf die „Bediensteten des Hoheitsbereichs" begrenzt, hoheitlich aber ist jede Staatstätigkeit. 1063 Dazu J Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 62, S. 1556 ff.; i.d.S. auch H Lecheler , HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 24, 49 ff. 1064 Dazu./. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 53 f f , 56 f f , S. 1551 ff.; H Lecheler , HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 23 f f , insb. Rdn. 33 ff. 1065 So auch 1 Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 53, S. 1551 ff.; i.d.S. auch H. Lecheler , HStR, Bd. III, §72, Rdn. 25. 1066 J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 74, S. 1563 f.; H. Lecheler , HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 16, 82; vgl. BVerfGE 39, 334 (335, 355 f.). 1067 A.A. die h . M , etwa J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 51, 53, 59, S. 1551, 1555 (unsicher und ohne grundsätzliche Dogmatik). 1068 Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 33, 50, 105 f f , 226 ff.; auch W. Henke, Die Republik, HStR, Bd. I, 1987, § 21, Rdn. 1 f f , der die Republikanität der Amtsprinzipien herausstellt, Rdn. 18. 1069 K.A. Schachtschneider(P. Wollenschläger ), Fallstudie Umweltschutz, S. 333 f f ; ders. t Fallstudie Produktwarnung (Glykol-Skandal), S. 113 ff.; BVerfGE 21, 261 (266);

250

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

auch Art. 14 Abs. 1 G G 1 0 7 1 ) , ohne daß eine Bestenauslese für die freien Berufe oder gar für die Gewerbe vorgeschrieben wäre. Es gibt i m allgemeinen Sicherheitsinteresse Berufsvoraussetzungen, insbesondere persönliche Eignungs- und Befähigungskriterien

(berufsfreiheitsrechtlich

subjektive

Zulassungsschran-

k e n 1 0 7 2 ) , aber i n deren Grenzen darf jeder den Beruf ergreifen, den er zu ergreifen gewählt hat. Berufsrechtliche Bedarfsregelungen sind als objektive Zulassungsschranken grundsätzlich berufsfreiheitswidrig

1073

. Erst recht darf jeder

jede A r t von Unternehmen betreiben, welches keine berufsrechtlichen Voraussetzungen stellt. Wenn auch die Gewerbefreiheit als solche nicht i n dem Berufsfreiheitsgrundrecht

des Art. 12 G G verankert i s t 1 0 7 4 , so ist sie doch ein

22, 380 (383); 30, 292 (312); 49, 89 (144); 50, 290 (363); vgl. i.d.S. auch BVerwGE 83, 37 (39) unter Hinweis auf BVerwGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); 71, 183 (189); K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 f f ; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI. 1070 K.A. Schachtschneider (P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz, S. 349 ff.; ders, Fallstudie Produktwarnung (Glykol-Skandal), S. 200 f.; BVerfGE 12, 341 (347); 27, 375 (384); 29, 260 (266 f , mit weiteren Hinweisen); 50, 290 (366); 65, 196 (210); 95, 267 (303). 1071 K.A. Schachtschneider (P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz, S. 338 ff.; ders, Fallstudie Produktwarnung (Glykol-Skandal), S. 186; die Praxis und herrschende Lehre folgert aus dem Privatheitsprinzip des Art. 14 Abs. 1 GG; BVerfGE 24, 367 (390); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 58, 300 (345); 79, 292 (303); 93, 121 (137), u.ö.; grundlegend R. Reinhardt, Wo liegen für den Gesetzgeber die Grenzen, gemäß Art. 14 des Bonner Grundgesetzes über Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, S. 10 f f , 33 f f ; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 171 ff. (kritisch); ders, Eigentum - Grundlage der Freiheit, S. 26, 44; ders, Eigentum, S. 101, 112, 143; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rdn. 366 ff.; P. Badura, Eigentum, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 10, Rdn. 2, 25, S. 330, 342; vgl. K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 f f ; ders, Res publica res populi, S. 1004, 1023 ff.; ders, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 754, nicht die Unternehmensfreiheit als Grundrecht des Unternehmers, das von der Eigentumsgewährleistung geschützt wird; BVerwGE 67, 84 (92); 67, 93 (96); BGHZ 111, 349 (355 f.); BGH, JZ 1996, 1122 (1123); vgl. i.d.S. auch BGHZ 23, 157 (162 f.); 67, 190 (192); 81, 21 (33); 92, 34 (37); offengelassen vom Bundesverfassungsgericht BVerfGE 45, 142 (173); 51, 193 (221 f.); 58, 300 (353); 66, 116 (145); 68, 193 (222 f.); 81, 208 (227 f.); zum Recht, das Eigentum zu nutzen vgl. BVerfGE 28, 119 (142); 30, 292 (335); 45, 142 (173); 45, 272 (296); 51, 193 (222); 65, 196 (209); 68, 193 (222 f.); 74, 129 (148); 81, 208 (227 f.); dazu K.A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 772. 1072

BVerfGE 34, 71 (77); 55, 185 (196); 69, 209 (218); 80, 1 (23 f.), bestandene Prüfung; BVerfGE 39, 344 (370); 46, 34 (54), Verfassungstreue; BVerfGE 19, 330 (337); 34, 71 (77), Sachkundenachweis; BVerfGE 41, 378 (390); 69, 233 (244), Zuverlässigkeit; BVerfGE 73, 301 (316 f.), Praxiserfahrung. 1073 BVerfGE 11, 30 (44 ff.); 12, 144 (147); vgl. auch BVerfGE 7, 377 (397); 11, 168 (178 ff.); 25, 236 (250 f.); 33, 125 (161); 69, 233 (244); 74, 84 (106); 78, 155 (161); 86, 28 (38). 1074 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 ff; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, VI; ders. (P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz, S. 330 f f , mit weiteren Hinweisen in Fn. 166; ders, Fallstudie Produktwarnung (Glykol-Skandal), S. 113 ff.; a.A. H.-J. Papier, HVerfR, § 18, Rdn. 59, 75 f f , S. 825 f , 832 f f ; ders, Un-

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Grundsatz der Wirtschaftsverfassung und mittelbar durch die Berufsfreiheit geschützt, soweit nämlich das Unternehmen berufsfreiheitlichen Schutz genießt, wie das eines Freiberufes 1075 . Diese Gewerbefreiheit ist in § 1 GewO niedergelegt und findet grundrechtlichen Schutz in der allgemeinen Freiheit, die auch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit umfaßt 1076 , aber auch in der Eigentumsgewährleistung, welche auch das Recht schützt, unternehmerisch Eigentum zu schaffen und vor allem unternehmerisch Eigentum zu nutzen 1077 . Freilich ist jeder, der sich beruflich oder unternehmerisch auf den Markt begibt, dem Wettbewerb derer ausgesetzt, welche den gleichen Versuch machen. Im Wettbewerb zeigen sich Erfolg oder Mißerfolg dieses Versuchs. Der Staat hat grundsätzlich kein Recht, diesen Wettbewerb zu verzerren, keinesfalls mit vom (vermeintlichen) Bedarf bestimmten Zugangsregelungen zum Beruf oder zum Unternehmen 1078 . Der Staat oder die Kommunen aber haben schon um der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit willen (vgl. Art. 114 Abs. 2 GG) 1 0 7 9 , aber vor allem um des Prinzips ordentlicher Verwaltung willen die Organisationshoheit für ihren Aufgabenbereich 1080 . Sie bestimmen insbesondere ihre Perternehmen und Unternehmer in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, VVDStRL 35 (1977), S. 99 ff.; R. Scholz , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rdn. 115, 130, 136 f.; K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 353 f f ; wer die Unternehmer„freiheit" aus Art. 12 Abs. 1 GG herauslesen will, verwechselt entgegen Art. 55 Abs. 2 und Art. 66 GG Beruf und Gewerbe; insb. das BVerwG, etwa BayVBl.1992, 504 (505) unter überdehnter Berufung auf BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137f.); Art. 14 Abs. 1 GG regelt im übrigen das Eigentum, nicht das Unternehmen oder ein Recht am Unternehmen (vgl. BVerfGE 51, 193 (221 f.); 66, 166 (144); 68, 193 (222 f.); 77, 84 (118); 84, 212 (232)), wenn auch das gewohnheitsrechtlich anerkannte unterverfassungsgesetzliche Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (BGHZ 45, 296 (307); 67, 190 (192); 81, 21 (33); 86, 152 (156); 92, 34 (37); Staatsunternehmen und Privatrecht, st. Rspr.) für den grundrechtlichen Schutz dieses Rechts spricht, weitgehend BVerfGE 22, 380 (383); das Gericht läßt es in ständiger Praxis offen, ob Art. 14 Abs. 1 GG ein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbe schützt, vgl. BVerfGE 51, 193 (222 f.); 66, 116 (145); 68, 193 (222 f.); 77, 84 (118); 84, 212 (232); in BVerfGE 1, 264 (277 f.) ist dem eingerichteten Gewerbebetrieb, jedenfalls des Eigenunternehmers, noch die Eigentumsqualität zugesprochen worden; vgl. auch BVerfGE 13, 225 (229); vgl. K.A. Schachtschneider , Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik", S. 130. 1075 BVerfGE 21, 261 (266); 22, 380 (383); 30, 292 (312); 41, 205 (228); 50, 290 (363); 65, 196 (209 f.); 74, 129 (148 f.); vgl. i. d. S. auch BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); 97, 228 (252 f.), zum Wettbewerb als Berufsausübung, vgl. K.A. Schachtschneider(P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz, S. 331 ff. 1076 Hinweise in Fn. 1070. 1077 Hinweise in Fn. 1071. 1078 BVerfGE 7, 377 (405 ff.); 11, 30 (38 ff.); 12, 144 (149 ff.); 21, 173 (181); 87, 287 (321). 1079 K. Stern , Staatsrecht II, S. 432 ff.; G. Kisker , Staatshaushalt, HStR, Bd. IV, 1990, § 89, Rdn. 111. 1080 Dazu W. Krebs, Verwaltungsorganisation, HStR, Bd. III, 1988, § 69, Rdn. 5 f f , 58 ff.

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sonalausstattung1081, die freilich die Bewältigung der staatlichen Aufgaben sicherstellen muß, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Ein Wettbewerb der öffentlich Bediensteten mit dem den Wettbewerb kennzeichnenden Ziel, den Wettbewerber vom „Markt" zu verdrängen, ist (trotz allen Geredes vom Wettbewerb im öffentlichen Dienst) abwegig. Kein Beamter darf versuchen, seinen Kollegen aus dem Amt zu drängen. Solch ein „Mobbing" ist dienstwidrig. Mit dem Institut des beliehenen Unternehmers, das mit dem Institut des staatlich gebundenen Berufes, welches noch kritisiert werden wird, verbunden ist, schafft sich die öffentliche Hand eine Teilordnung, welche ihr ermöglicht, den für die freien Berufe und die Unternehmen grundrechtlich gesicherten offenen Berufszugang bzw. Marktzutritt zu steuern, als seien diese Tätigkeiten öffentlicher Dienst 1082 . Das fuhrt zur Privilegierung und zur Diskriminierung und bezweckt diese auch. Beide Rechtsinstitute, sowohl das des beliehenen Unternehmers als auch das des staatlich gebundenen Berufes, benötigen zu ihrer Rechtfertigung die Dogmatik von der Staatlichkeit der Aufgaben und auch die Dogmatik von der Hoheitlichkeit der ausgeübten Gewalt. Beides ist mit Rechtsprinzipien eines freiheitlichen Gemeinwesens, nämlich mit dessen Freiheitsprinzip, und mit dessen Staatsform, nämlich der Republik, unvereinbar. Das Freiheitsprinzip wird durch die Grundrechte gestützt, und die Republik muß demokratisch sein 1083 , wie Art. 1 und Art. 20 GG, die Fundamentalnormen der Verfassung Deutschlands, erweisen. Privilegierungen sind, wie schon angedeutet, republikwidrig 1084 , weil sie notwendig zugleich Diskriminierungen sind. Staatlichkeit, also Hoheitlichkeit beliehener Privater ist demokratiewidrig; denn die beliehenen Unternehmer sind nicht Organe des Volkes. Sie sind nicht vom Volk gewählt, also nicht demokratisch legitimiert. Dieses Defizit kann nicht durch die Gesetzlichkeit ihres (vermeintlich) staatlichen Handelns ausgeglichen werden. Sonst wäre alles Handeln der Bürger, auch das der Privaten, staatliches Handeln, weil alles Handeln gesetzlich geregelt ist und geregelt sein muß. Die Grundrechte wären gänzlich ausgehöhlt. Die Gesetzlichkeit des Handelns der vermeintlich beliehenen Privaten oder der sogenannten staatlich gebundenen Berufe unterscheidet sich durch nichts von der sonstigen Bindung privaten Handelns an die Gesetze. Der öffentliche Dienst ist, wie schon angedeutet, nur republikgemäß, wenn er in den das Republikprinzip materialisierenden Amtsprinzipien des Art. 33 GG wahrgenommen wird. Nicht nur die Wahl rechtfertigt staatliches 1081

J. Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 36, S. 1544; BVerfGE 7, 377 (398); 17, 371 (377); 84,133 (147). 1082 Insb. BVerfGE 73, 301 (315 ff.); auch BVerfGE 7, 377 (397); 17, 371 (377); 47, 285 (319 f.); 54, 237(246). 1083 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f f 1084 E.R. Huber, Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung, HStR, Bd. I, 1987, § 2, Rdn. 5, der das Kaiserreich als Privilegierungsstaat vorstellt, welcher durch die Republik als Verfassungsstaat, als Rechts- und Sozialstaat, 1918 abgelöst wurde.

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oder kommunales Handeln, sondern nur die Wahl in republikgemäße Ämter, wie das durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG definierte Mandat der Abgeordneten, welche als Vertreter des ganzen Volkes durch ihre Unabhängigkeit 1085 (insbesondere von den Parteien 1086 ) und durch ihre Gewissensbindung, welche Aufträge und Weisungen von wem auch immer verbietet 1087 , definiert sind. Ein Parteifunktionär, welcher in das Parlament gewählt ist, ist der Sache nach kein Vertreter des ganzen Volkes, also kein Abgeordneter im Sinne des Grundgesetzes. Der ausgewählte, also berufene Beamte, ist nur demokratisch legitimiert, wenn sein Amt den republikanischen Prinzipien gemäß eingerichtet, also vor allem auf den Gesetzesvollzug beschränkt ist, nicht aber, wenn er mit seiner Amtstätigkeit Gewinn zu erzielen versucht 1088 . Außerdem muß der Amtswalter amtsfähig sein, wie Art. 33 Abs. 2 GG erweist. Der Richter ist nicht schon durch seine Auswahl zur Rechtsprechung legitimiert, sondern durch die Unabhängigkeit seines Richteramtes, dessen Funktion es ist, das Recht zu erkennen und der Rechtskraft fähig (verbindlich) auszusprechen 1089. Das Richteramt setzt die strikte Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 und Art. 27 Abs. 1 GG) voraus 1090 und verlangt essentiell die wirkliche Befähigung der Amtswalter zum Richteramt 1091 . „Im Prinzip Amt verkörpert sich das republikanische Staatsethos, ohne das die freiheitliche Demokratie nicht lebensfähig

1085

H. Hamm-Brücher, Abgeordneter und Fraktion, in: H.-P. Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 678 ff.; C. Arndt, Fraktion und Abgeordnete, in: H.-P. Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 650 ff.; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 662 f f , 707 f f , 714 f f , I I I f f , 799 f f , 802 f f , 810 f f , 1091 f , 1068 f f , 1088 ff. 1086

Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 772 f f , insb. S. 810 f f , auch S. 1060 f f , 1086 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, 2000, S. 141 ff. 1087 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 810 f f , 1080 ff.; freilich wird Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in der Praxis und der apologetischen Lehre parteienstaatlich gebeugt, vgl. etwa/ 5 . Badura , in: Bonner Kommentar, 1997, GG, Art. 38, Rdn. 72 („parteibezogenes" nicht „parteigebundenes" Mandat); D. Grimm , Die politischen Parteien, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 14, Rdn. 18 f f , S. 345 ff.; grundlegend G. Leibholz , Das Wesen der Repäsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im Zwanzigsten Jahrhundert, 1929, 3. Aufl. 1966, S. 226, 228, 262 („Parte i beauftragte"). 1088 Für Beamte gilt das Alimentationsprinzip, vgl. H. Lecheler , HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 54, zum Verbot pekuniärer Leistungsanreize für Beamte als Privatwirtschaft! i ches Mittel der Personalflihrung siehe auch Rdn. 88. 1089 K.A. Bettermann , HStR, Bd. III, §73, Rdn. 17, 19, 27, 39 ff.; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 872 f f , 885 f f , 1137 ff.; vgl. BVerfGE 3, 377 (381); 4, 331 (346); 14, 56 (69); 18, 241 (255); 21, 139 (145 f.); 67, 65 (68). 1090 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 971 ff, 1028 ff.; G. Roellecke, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, VVDStRL 34 (1978), S. 32; vgl. i.d.S. auch BVerfGE 83, 60 (71 f.). 1091 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 867 f f , 938 f f , 971 f f , 974 f f , 1138 ff.

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wäre" (Josef Isensee) mi\ „Demokratie muß republikanisch sein, und Republik muß demokratisch sein, damit in ihr für die Freiheit aller Raum ist, ..." (Wilhelm Henke) 1093. 2. Die institutionelle Entstaatlichung der Vermessungsaufgaben ist keine materiale Privatisierung, wenn damit freiberufliche Vermessungsingenieure beliehen werden, die weiterhin zur mittelbaren Staatsverwaltung gehören und einen staatlich gebundenen Beruf ausüben 1094 . Eine solche Privatisierung ist materiell unvollständig. Sie verstärkt den Verfassungsverstoß, weil zur Staatlichkeit der Aufgabe, die privatheitswidrig ist, und zur (vermeintlichen) Hoheitlichkeit der Gewaltausübung, die republikwidrig, vor allem demokratiewidrig, ja staatswidrig ist, die zusätzlich demokratiewidrige Auswahl der Beliehenen und die demokratiewidrige Gestaltung der Ämter kommt; denn Unternehmen und freiberufliche Büros sind keine Ämter im Sinne des Art. 33 GG 1 0 9 5 . Die Beleihung freiberuflicher Vermessungsingenieure mit den Aufgaben, welche zuvor von staatlichen oder kommunalen Ämtern wahrgenommen wurden, privatisiert institutionell, weil die Privaten institutionell privat sind, aber sie privatisiert nur partiell. Zugleich werden die beliehenen Unternehmer funktional derart in den Staat oder die Kommunen integriert, daß sie zur mittelbaren Staatsverwaltung gerechnet werden 1096 . Damit soll vor allem eine Personalpolitik gerechtfertigt werden 1097 , welche an sich institutionelle Staatlichkeit oder institutionelle Kommunalität voraussetzt. Das institutionell-funktional zwitterhafte, nicht eindeutig zum Privaten und nicht eindeutig zum Staatlichen bzw. Kommunalen zugeordnete Insititut des beliehenen Privaten oder des staatlich gebundenen Berufs, der kein Amt im beamtenrechtlichen Sinne hat 1 0 9 8 , mißachtet unverzichtbare Prinzipien sowohl der Staatlichkeit, insbesondere die republikanische Amtlichkeit und das demokratische Prinzip der Republik, wie unverzichtbare Prinzipien der Privatheitlichkeit eines freiheitlichen Gemeinwesens, vor allem die beruflichen und unternehmerischen Freiheiten, die untrennbar mit der berufsrechtlichen und unternehmensrechtlichen Gleichheitlichkeit verbunden sind 1 0 9 9 ; denn Freiheit in der Republik heißt immer auch Gleichheit in der Republik 1100 . Die Republik ist privilegienfeindlich 1101 . Die Besonderhei1092 HVerfR, § 32, Rdn. 16, S. 1535 unter Hinweis auf W. Leisner, Grundlagen des Berufbeamtentums, 1971, S. 29 ff. 1093 HStR, Bd. I, §21, Rdn. 31. 1094 Dazu 4. Kap, I. 1095 J Isensee, HVerfR, § 32, Rdn. 16 f f , S. 1534 ff. 1096 Hinweise in Fn. 1238, auch Fn. 1154. 1097 Insb. BVerfGE 73, 301 (315 ff.) für Vermessungsingenieure. 1098 HJ. Wolf/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 104, S. 416 (Auftrags- und Treuhandverhältnis). 1099 Vgl. allgemein, K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, passim, insb. 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, passim. 1100 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 f f , auch S. 978 f f , 990 f f ; ders, Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, III, IV, 7. Kap.

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ten des Staatlichen und Kommunalen müssen sich aus den Notwendigkeiten staatlicher oder kommunaler Aufgabenbewältigung rechtfertigen. Diese schließen jede Privatheitlichkeit staatlicher oder kommunaler Aufgabenbewältigung aus, vor allem, wie schon wiederholt betont, aus Gründen der demokratischen Legitimation. Beleihung Privater mit öffentlichen, richtiger: staatlichen Aufgaben und mit hoheitlicher Gewalt ist in der Republik begriffswidrig, weil sie den republikanisch essentiellen Unterschied zwischen Privatheitlichkeit als dem Besonderen und der Staatlichkeit als dem Allgemeinen 1102 einzuebnen versucht und damit das Fundamentalprinzip des Republikanismus aufgibt, nämlich die Hoheitlichkeit des Volkes, welche das Grundgesetz mit dem Satz: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG formuliert, wie zu II. näher dargelegt werden wird. Sie ist zudem keine materiale Privatisierung und darüber hinaus freiheits- und gleichheitswidrig. 3. Zudem mißachtet die Beleihung die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten, nämlich die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit der Art. 43 ff. EGV und Art. 49 ff. EGV, fraglos, weil sie den „Markt" verschließt, nämlich nicht jeden, der (zur Vermessung) befähigt ist, zu beleihen erlaubt. Das ist spezifisch der Zweck der Beleihung: nämlich der Ausschluß eines Teils der befähigten und interessierten Freiberufler, deren berufliche Diskriminierung also, und die Privilegierung eines anderen Teils dieser Berufsgruppe 1103 . Die genannten Grundfreiheiten sind auch für die Vermessungsingenieure einschlägig, wie dargelegt ist (3. Teil, 3. Kap.). Art. 45 EGV vermag trotz seines weiten Wortlauts die Beleihung nicht vom Verbot der Beschränkung der freien Niederlassung und Art. 55 i.V.m. Art. 45 EGV vermag die Beleihung nicht vom Verbot der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs auszunehmen, weil die Tätigkeiten in Deutschland „dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden" seien. In richtiger Dogmatik üben die Beliehenen nicht öffentliche Gewalt aus und ist ihre Tätigkeit auch nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden. Vielmehr legalisieren die Gesetze ihr gemeinwohldienliches privates Handeln, das man als private Gewaltausübung dogmatisieren kann und muß, weil alles Handeln Wirkung auf andere, wenn nicht auf alle hat. Die Legalitätslehre wird zu II. der praktizierten Delegationslehre entgegengestellt werden. Dieses Handeln und damit diese private Gewaltausübung ist allerdings legalisiert, d.h. wie alle Gesetzlichkeit Wille des ganzen Volkes. Der Tatbestand des Art. 45 Abs. 1 EGV greift somit nicht ein.

1.01

Vgl. den Hinweis auf£./?. Huber in Fn. 693. Dazu 2. Teil, 2. und 3. Kapitel. 1103 Typisch BVerfGE 73, 301 (315 ff.) für die Vermessungsingenieure in Hessen, wo sogar das Verbot des „Landeskinderprivilegs" vom Bundesverfassungsgericht mit fadenscheinigen Vorwänden (spezifische Eignung) toleriert wurde; dazu III. 1.02

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Den Tatbestand des Art. 45 Abs. 1 EGV zu bemühen, setzt die irrige Beleihungsdogmatik voraus, welche privatheitliches Handeln, das wegen seiner Gesetzlichkeit das Gemeinwohl verwirklicht (wie prinzipiell alles legale private Handeln 1104 ), als Ausübung öffentlicher Aufgaben unter Nutzung übertragener Hoheitsbefugnisse dogmatisiert. Lediglich der dogmatische Mißgriff, der freilich die Praxis schon lange bestimmt, vermag für die Anwendung der Ausnahmevorschrift als Begründungsversuch zu dienen. Freilich würde diese Ausnahme den Wirkungsbereich der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit erheblich einschränken. Darüber hinaus würde die niederlassungs- und dienstleistungsrechtliche Nichtanwendungsregel der Bereichsausnahme des Art. 45 EGV es den Mitgliedstaaten ermöglichen, bestimmte vor allem freiberufliche Tätigkeiten ohne Änderung der wirklichen Verhältnisse durch bloße Deklarierung privatheitlicher Tätigkeiten als öffentliche oder staatliche Aufgabe in den spezifischen berufs- oder unternehmensrechtlichen Regelungen den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und damit der binnenmarktlichen Integration zu entziehen. Die Anwendung des Art. 45 Abs. 1 EGV bewirkt schlicht eine gemeinschaftswidrige Privilegierung der Vermessungsingenieure, welche mit der (vermeintlich) staatlichen (öffentlichen) Aufgabe beliehen werden, also eine gegen die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit verstoßende Diskriminierung der Vermessungsingenieure aus nichtdeutschen Unionsländern, welche nicht beliehen werden. Das ist mit deren Grundfreiheiten, die ein Gleichheitsprinzip materialisieren 1105 , nicht vereinbar. Wenn auch eine Inländergleichbehandlung 1106 gemeinschaftsrechtlich (noch nicht) anerkannt ist 1 1 0 7 , so hat dieses gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot doch Ausstrahlung auch auf die Inländerdiskriminierung, die insbesondere alle Vermessungsingenieure erleiden, die auch als Deutsche nicht mit den Vermessungsaufgaben, welche die Länder als staatlich deklarieren, beliehen werden. Das im 3. Teil im 2. Kapitel dargelegte Privatheitsprinzip der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten kann nicht durch Beleihung ausgehöhlt werden, indem Art. 45 Abs. 1 EGV herangezogen wird, eben weil es rechtens keine Beleihung gibt und weil die Beleihungsdogmatik material die Sache nicht ändert.

1104

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 f f , 370 f f , insb. S. 374 f f , 378 f f ; ders, Freiheit in der Republik, 8. Kap, III. 1,05 1.d.S. Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 490. 1,06 Inländergleichbehandlung besagt hier, daß Unionsbürger im eigenen Mitgliedstaat, gestützt auf das Gemeinschaftsrecht, vor Gemeinschaftsinstanzen die Gleichbehandlung mit Unionsbürgern eines anderen Mitgliedstaates im eigenen Mitgliedstaat einfordern können, daß somit Inländer und Ausländer aus Mitgliedstaaten in jeder Weise gleichbehandelt werden. Ein anderer Begriff der Inländerbehandlung postuliert, daß ausländische Unionsbürger wie Inländer eines Mitgliedstaates behandelt werden. 1107 Dazu Th. Schilling, Gleichheitssatz und Inländerdiskriminierung, JZ 1994, S. 8 ff.; A. Graser, Eine Wende im Bereich der Inländerdiskriminierung? Zur Entscheidung in der Rechtssache Lancry, EuR 1998, 571 ff.; R. Streinz, Europarecht, Rdn. 682 ff.

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Selbst wenn die Beleihung als Tätigkeit, die mit der Ausübung von öffentlicher Gewalt verbunden ist, gemäß der Praxis in Deutschland begriffen wird 1 1 0 8 , so rechtfertigt sie nicht die Aushöhlung der gleichheitlichen Grundfreiheiten der Art. 43 f f EGV und der Art. 49 ff. EGV. Sie wäre als eine Art der institutionellen Privatisierung einzustufen, welche, abgesehen von ihren sonstigen Rechtsdefiziten (Republikwidrigkeit, Demokratiewidrigkeit, Grundrechtswidrigkeit), derselben Kritik ausgesetzt ist wie die Organisationsprivatisierung 1109. Sie wäre keine wirkliche materiale Privatisierung, sondern eine partielle institutionelle Privatisierung, welche dem grundfreiheitlichen Privatisierungsgebot nicht genügt 1110 . Hinzu kommt, daß nur wenige Mitgliedstaaten die Beleihung als Rechtsinstitut kennen, wie im Folgenden dargelegt wird, so daß deren Akzeptanz als Anwendungshindernis für die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit die Integration der Europäischen Gemeinschaft unbegründet behindern würde. Eine mitgliedstaatliche Unterschiedlichkeit der Rechte zur Niederlassung und der Rechte zur Dienstleistung rechtfertigt das (irrige) Institut der Beleihung keinesfalls. Das Institut der Beleihung verfolgt offen Privilegierungsinteressen, ohne daß die Bevorzugungen rechtlich gerechtfertigt werden können. Sie haben nicht einmal erkennbare sachliche Gründe für sich. Die Beleihungsdogmatik versucht lediglich, die freiheits- und gleichheitswidrige Praxis zu stützen. Sie ist der Sache nach lediglich ein dogmatischer Mißgriff, der viele Rechtfertigungsversuche hervorgerufen hat 1 1 1 1 , wie rechtswidrige Praxis regelmäßig. Den Rechtfertigungsversuchen ist aber keine begründende Argumentation gelungen. Die Praxis der freiberuflichen Vermessung ist nicht zu kritisieren, sie ist vielmehr vom Privatheitsprinzip geboten. Sie ist legal, wenn und soweit sie den Gesetzen entspricht. Die Gesetze müssen freilich dem Recht entsprechen. Soweit allerdings die Beleihung privilegieren will, ist sie nicht nur freiheits- und gleichheitswidrig, sondern auch gemeinschaftswidrig, nämlich mit dem Recht zur freien Niederlassung und dem Recht zum freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar. Lediglich eine fragwürdige Dogmatik, die keinerlei materiale Substanz birgt, wird genutzt, um sonst unbegründbare Privilegierungen und Diskriminierungen zu rechtfertigen, ein Schulbeispiel verirrter Rechtslehre, die für das Verhältnis von Staatlichkeit und Privatheit nicht zur Klarheit finden kann und will, weil die Praxis die Klarheit fürchtet; denn die Erkenntnis der Rechtslage erzwingt Änderungen der Praxis. Die meisten Rechtslehrer sind aber nichts als Apologeten der Praxis, hinter der die Macht steht, die nicht 1108 Andeutungsweise E. Grabitz/M. Hilf EUV/EGV, Rdn. 6 zu Art. 56; A. Bleckmann, Die Ausnahmen der Dienstleistungsfreiheit nach dem EWG-Vertrag, EuR 1987, 28 ff. (45); dazu 3. Teil, 2. Kap. 1109 Demgemäß ordnet M. Burgi , Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfen, S. 79 ff., die Beleihung zur Organisationsprivatisierung. 1110 Vgl. die privatisierungsrechtlichen Argumente gegen die Organisationsprivatisierung im 2. Kapitel. 1111 Vgl. die Hinweise zum Beleihungsbegriff in Fn. 1005 f f ; insb. U. Steiner , Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46 f f , 119 f f , 201 f f , 263 ff.

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als erstes nach dem Recht fragt, sondern nach der Nützlichkeit - wofür und für wen auch immer. I I I . Vermessungsorganisation in ausgewählten Ländern Der Rechtsvergleich mit der Praxis der folgenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union: England, Frankreich, Italien und die Niederlande, soll die Rechtslage in der Gemeinschaft zu klären helfen. Weiterhin soll das Vermessungsrecht in der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika zeigen, ob die Praxis in der Gemeinschaft verallgemeinert werden kann. Vorab ist darauf hinzuweisen, daß in den Vergleichsstaaten das Vermessungswesen zwischen der Katasterführung und der Vermessungstätigkeit selbst unterscheidet. Folgende Tendenz ist festzustellen: Während die Katasterführung im Regelfall als staatliche Aufgabe der Mitgliedstaaten verstanden wird, wird die Staatlichkeit des Vermessungswesens weit zurückgedrängt.

I. Vereinigtes Königreich Im Vereinigten Königreich besteht die Besonderheit, daß nur ganz wenige Liegenschaftsgrenzen in ein amtliches Register eingetragen werden 1112 , weil es Privatangelegenheiten der Parteien von Grundstücksgeschäften seien, den genauen Grenzverlauf zu ermitteln, wenn über Grundstücksgrenzen gestritten werde. Der Staat hat keine Vorschriften über ein amtliches Verzeichnis für die Liegenschaftsvermessung des Grundstücksverkehrs gemacht 1113 . Im Normalfall vermessen nicht Vermessungsingenieure. Der Grundstücks verkehr liegt in den Händen der Juristen. Trotzdem hat sich im Vereinigten Königsreich der Beruf des „surveyor" herausgebildet, der technisch die Vermessung von Gebäuden und Planungsflächen durchführt. Der surveyor ist ein privater Dienstleister 1114 , der keine staatliche Aufgabe wahrnimmt, sondern privat tätig wird. Das Vereinigte Königreich dürfte das Institut des Beliehenen nicht kennen 1115 . Zwar dürfen sich nach der Rechtsprechung die staatlichen Behörden bei schlichten Verwaltungstätigkeiten, wie etwa dem Straßenbau, der Hilfe Privater bedienen, die Gerichte lehnen aber die Delegation von „administrative functions" an Private

1112 Zur Situation in England vgl. H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungswesen (Gutachten, 1995), S. 19 f , 55 f.; A. Allan, Deutsche Vermessung: eine persönliche Wertung aus britischer Sicht, ZFV 12/92, S. 757 ff. 1113 H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungswesen, S. 55. 1114 H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungswesen, S. 56. 1115 So M. Grub, Europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für Private mit hoheitlichen Befugnissen, 1999, S. 167 f.

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ab, sofern damit den Privaten Entscheidungsgewalt gegenüber Dritten übertragen wird 1 1 1 6 . Zusammengefaßt heißt das: Wenn Vermessungsingenieure (überhaupt) vermessen, nehmen sie keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

2. Niederlande Ursprünglich wurden in den Niederlanden sämtliche Vermessungen von staatlichen Katasterämtern durchgeführt 1117 . Durch das Katastergesetz von 1989 (Staatsblad 1989, 186 und 1991, 570) und das Flurbereinigungsgesetz von 1985 (Staatsblad 1985, 299) wurde diese Rechtslage liberalisiert und das Vermessungwesen privatisiert. Jetzt ist nur noch vorgeschrieben, daß die endgültige Bestimmung der Grenze unter Aufsicht eines Katastervermessungsingenieurs vorzunehmen sei. Die technischen Aufgaben der Liegenschaftsvermessung und der Fortführungsvermessung können an privatwirtschaftlich tätige Vermessungsingenieure vergeben werden 1118 . Bei der Vergabe dieser Aufgaben wird auch nicht zwischen sogenannten Beliehenen und Freiberuflern unterschieden. Der Vermessungsmarkt ist nicht in hoheitliche und private Liegenschaftsvermessung gespalten 1119 . Eine Befugnis des beauftragten Vermessungsingenieurs, hoheitlich tätig zu werden, kennt das niederländische Recht nicht 1 1 2 0 . Die Niederlande kennen lediglich eine für alle gleiche Qualitätsprüfung 1121 . Ein Kabinettsbeschluß von 1991 hält ausdrücklich fest, daß die Katasterbehörde sich auf ihren Kernbereich der Führung der Liegenschaftsakten und -bücher sowie der amtlichen Grenzfeststellung zu beschränken habe 1122 . Die Vermessung wird somit in den Niederlanden nicht als hoheitliche Aufgabe verstanden. Vielmehr ist eine der Beleihung in Deutschland vergleichbare Befugnis der beauftragten Freiberufler dem niederländi-

1,16 So M. Grüb , Europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für Private mit hoheitlichen Befugnissen, S. 167. 1117 H. Herrmann , Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungswesen, S. 58. 1118 H. Herrmann , Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungswesen, S. 58.; ders. y Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe: Europäischer Ländervergleich und USA, 1996, S. 240 f. 1119 H. Herrmann , Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe: Europäischer Ländervergleich und USA 1996, S. 241. 1120 H. Herrmann , Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe: Europäischer Ländervergleich und USA, S. 241. 1121 H. Herrmann , Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen, S. 58. 1122 J. Riemersma , Geodätische Vermessung in den Niederlanden, ZFV 1992, 775 ff.

260

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

sehen Recht fremd 1123 . Es gibt auch keinen Berufsverband mit Pflichtmitgliedschaft 1124 . 3. Italien Eine ähnlich weitgehende Privatisierung wie die Niederlande hat Italien bereits vor mehr als 20 Jahren durchgeführt, ohne daß irgendwelche Friktionen des Grundstücksverkehrs bekannt geworden wären. Durch eine Novellierung des Katastergesetzes aus dem Jahre 1972 (Art. 3 A I I DEL D.P.R. 26.10.1972 N. 650) wurde bestimmt, daß Teilungspläne für Grundstücke von folgenden Berufsgruppen erstellt werden können: Ingenieure, Architekten, Agrarwissenschaftler, Geometer, Sachverständige für Hochbau, Sachverständige für das Landwirtschaftswesen oder Sachverständige für Vermessung. Voraussetzung ist allein, daß die genannten Freiberufler ordnungsgemäß in die für sie eingerichtete Berufsliste eingetragen sind. Für die freiberuflich tätigen Geometer besteht die Eintragungspflicht seit Gesetz vom 25. April 1938. Durch Gesetz vom 23. November 1944 wurde hierfür der erfolgreiche Abschluß einer Universitätsausbildung vorausgesetzt. Mit Gesetz vom 7. März 1985 führte der Gesetzgeber ein besonderes Staatsexamen für Geometer ein und machte die Eintragung in die Berufsrolle von einer zweijährigen Praxisausbildung bei einem eingetragenen Geometer abhängig. Die Berufsrollen werden von den Verbänden geführt, die auch weitere Aufgaben der Berufsaufsicht haben" 25 . 4. Frankreich Das französische Rechtssystem kennt das Institut der Beleihung. Unter der Bezeichnung des „établissement privé de service public" führen in Frankreich Private öffentliche Aufgaben (service public) aus. Die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Private erfolgt durch Verwaltungsakt (concessions de service public) 1 1 2 6 . Etablissements privés de service public finden sich beispielsweise bei der Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser und Elektrizität 1127 , nicht jedoch im Vermessungswesen.

1.23 1.24 1125

J. Riemersma, ZFV 1992, 776. H. Herrmann, Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, S. 240. H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen,

S. 58 f. 1126

M. Grüb y Europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für Private mit hoheitlichen Befugnissen, S. 167. 1,27 M. Grub, Europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für Private mit hoheitlichen Befugnissen, S. 167.

4. Kapitel Privatheitswidrige Beleihung

261

Das Vermessungswesen in Frankreich wird vornehmlich durch das Gesetz zur Regulierung des Géomètre Expert vom 8. Mai 1946 (loi 46) geregelt. Dieses Gesetz sieht vor, daß sich als Géomètre Expert nur bezeichnen und betätigen darf, wer als solcher in eine behördliche Berufsliste eingetragen ist 1 1 2 8 . Auf diese Eintragung besteht, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, Anspruch 1129 . Die Eintragung wird beim örtlich zuständigen „conseil régional" beantragt, einer Selbstverwaltungseinrichtung aller eingetragenen Berufsangehörigen 1130 . Als Aufgabenfeld des Géomètre Expert nennt das Gesetz in Art. 1 die topographische Vermessung, die Parzellarvermessung, Grenzfeststellung, Vermessung aus Anlaß von Grundstücksteilungen und -Veränderungen sowie von Grundstücksverkehrsgeschäften. Anerkennungsvoraussetzung des Géomètre Expert ist eine staatliches Diploms (Art. 3 Nr. 1 - 4 loi 46). Der Géomètre Expert ist behördlicher Aufsicht unterstellt 1131 , nimmt aber keine hoheitlichen Aufgaben wahr 1 1 3 2 . Der Berufsstand des Géomètre Expert ist nicht wie in Deutschland in freiberufliche Vermessungsingenieure und öffentlich bestellte Vermessungsingenieure aufgespalten. Zwar unterliegt der Géomètre Expert einer besonderen Berufsordnung (Art. 3 Nr. 5 loi 46), und auch behördliche Aufsicht ist angeordnet, aber dennoch ist der Géomètre Expert selbst nicht mit hoheitlichen Aufgaben betraut 1133 . Das loi 46/87 enthält keine Regelungen über öffentliche Aufgabenübertragungen 1134. Die Katasterverwaltung wird in Frankreich als öffentlich-rechtliche Aufgabe verstanden. Die Vermessung selbst können aber private Vermessungsingenieure vornehmen.

1128 H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungswesen, S. 56 ff.; ders., Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, 1996, S. 138 ff. 1129 H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen, S. 57 (zu den Voraussetzungen S. 56); R. Schwendter-Lipp, Die französische Zivilrechtsgesellschaft der Freiberufler, 1984, S. 122. Zur (möglichen) Eintragung von Antragstellern aus Mitgliedstaaten der EU, //. Herrmann, Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, S. 142. 1130 Art. 12 Abs. 2; Art. 18 Abs. 1 loi 46; dazu H. Herrmann, Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, S. 139. Zu den öffentlichen Aufgaben des Berufsverbandes, H. Herrmann, a.a.O., S. 141. 1131 Vgl. H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungswesen, S. 57. ,132 //. Herrmann, Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen, S. 57.; ders., Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, S. 138 ff. 1133 H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen, S. 57; ders., Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, S. 140. 1134 H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen, S. 57.

262

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

5. Schweiz Das Recht der Schweiz kennt eine Art Beleihung unter dem Begriff „Konzession" 1135 . Die Bestimmung der (im Katasterwesen) öffentlichen Aufgaben obliegt dem Gesetzgeber 1136. Hinsichtlich der VermessungsVerwaltung sieht das schweizerische Zivilgesetzbuch vor, daß die Grundbücher auf amtlichen Liegenschaftsverzeichnissen beruhen müssen 1137 . Die Verzeichnisse werden von den kantonalen Vermessungsämtern geführt und laufend fortgeschrieben. Neben der Führung der Katasterkarten und Zahlenwerke obliegt den kantonalen Vermessungsämtern die Vergabe von Vermessungsarbeiten an freiberuflich tätige Geometer. Nach Art. 44 Abs. 3 der Verordnung über die amtliche Vermessung vom 18. November 1992 1138 erfolgt die Vergabe von Vermessungsarbeiten durch „Vertrag". Dieser Vertrag wird privatrechtlich dogmatisiert und deshalb 1139 die Tätigkeit des Geometers privatrechtlich eingestuft. Auch in der Schweiz ist die Vermessung keine hoheitliche Aufgabe. Bei der Neuregelung der Liegenschaftsvermessung 1992 wurde gerade kein Beleihungsmodell eingeführt. Die Aufgaben von privaten Vermessungsbüros werden auch weiterhin von den kantonalen Vermessungsämtern überwacht, verwaltungsmäßig umgesetzt und gegebenenfalls auch mit anderen Vermessungsvorhaben koordiniert" 4 0 .

6. Vereinigte Staaten von Amerika Vermessungen führen in den USA die „land surveyors" (US-amerikanische Bezeichnung für den Beruf des Vermessungsingenieurs) durch 1141 . Als „land surveyor" darf nur tätig werden, wer von den zuständigen Behörden zugelassen ist 1 1 4 2 . Dieses „licensing"-Modell 1143 entspricht im deutschen Recht dem Ver1135

H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen,

S. 53. 1136

H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen,

S. 55. 1137 H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungs wesen, S. 52 ff.; vgl. auch die Regelungen der Art. 950 ZGB und Art. 38 - 42 des Schlußtitels zum Zivilgesetzbuch; ferner W. Bregenzer, Die Reform der amtlichen Vermessung, RAV in der Schweiz, ZFV 8/9/1992, S. 444 ff. 1138 AS 1992/1, S. 2446 i.V.m. der Verordnung über die Erteilung des eidgenössischen Patents über die Ingenieurgeometer vom 1.1.1993. 1139 So H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der freien Berufe im Vermessungswesen, S. 53. 1140 H. Herrmann, Die rechtliche Stellung der Freien Berufe im Vermessungswesen, S. 53. 1141 H. Herrmann, Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, S. 294. 1142 H. Herrmann, Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, S. 294. 1143 Zu den verschiedenen Organisationsmodellen der freien Berufe in den USA siehe H. Herrmann, Recht der Kammern und Verbände Freier Berufe, S. 272 f f , der zwischen

4. Kapitel Privatheitswidrige Beleihung

263

botsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt 1144 . Ohne Genehmigung darf sich ein Vermesser nicht „land surveyor" nennen. Die Ausübung eines sonstigen Berufs „Vermessungsingenieur" ist unzulässig. Wenn die „Lizenz" erteilt worden ist, darf der „land surveyor" alle Aufgaben der Landvermessung wahrnehmen. Insbesondere ist er berechtigt, Liegenschaftsvermessungen durchzuführen 1145. „Einer besonderen Beleihung bedarf es hier ebensowenig wie in den meisten europäischen Ländern" 1146 . Die Vermessungstätigkeit ist privater Natur. Sie nimmt keine öffentlichen Aufgaben wahr. Die Vereinigten Staaten kennen kerne Berufsverbände mit Pflichtmitgliedschaft 1147.

7. Zusammenfassung des Rechtsvergleichs In den Ländern, in denen Behörden Katasterbücher führen, ist die Katasterbuchführung hoheitliche Aufgabe. In rechts vergleichender Sicht ist die Katasterverwaltung Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 45 Abs. 1 EGV. Das Recht zur Niederlassungsfreiheit findet deshalb für diesen Bereich des Vermessungswesens keine Anwendung. Die Vermessungstätigkeit jedoch als solche war früher in einigen Mitgliedstaaten staatliche Aufgabe. Diese staatliche Aufgabe wurde aber in den letzten Jahrzehnten privatisiert, also entstaatlicht. Regelungen wie Art. 12 Abs. 1 BayVermKatG, welche die Landesvermessung zur Aufgabe des Staates erklären, stellen somit eine völlige Ausnahme im europäischen Vergleich dar. Vermessungen, welche der Führung des Katasters dienen, werden in vielen Mitgliedstaaten privatheilich durchgeführt. Auch in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten ist die Vermessungstätigkeit privater Natur. Die privatheitliche Vermessung dürfte auch zu guten Ergebnissen führen, weil keines der Länder, wie etwa die Niederlande und Italien, welche die Vermessungen privatisiert haben, erwogen hat, die Vermessungstätigkeit wieder zu verstaatlichen.

folgenden drei Systeme unterscheidet: die „registration", die „certification" und das „licensing". Für diejenigen Berufe, die der „registration" unterworfen sind, ist der Freiberufler „nur" verpflichtet, seine Berufstätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Eine Genehmigungspflicht besteht nicht. „Certification" bedeutet, daß die zuständige Behörde eine Bescheinigung über die Zulässigkeit der Berufsbezeichnung vergibt. Diese setzt voraus, daß bestimmte Berufsqualifikationen vorhanden sind und sich die betreffende Person zur Einhaltung der Berufspflichten verpflichtet hat. Das „licensing"Modell entspricht dem deutschen Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt. Ohne die Erlaubnis zur Berufsausübung ist der Marktzugang, und zwar unabhängig von der Berufsbezeichnung, verboten. 1144 1145 1146 1147

H. H. H. H.

Herrmann, Herrmann, Herrmann, Herrmann,

Recht Recht Recht Recht

der der der der

Kammern Kammern Kammern Kammern

und Verbände und Verbände und Verbände und Verbände

Freier Freier Freier Freier

Berufe, Berufe, Berufe, Berufe,

S. 294. S. 295. S. 295. S. 293 f.

264

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Der Rechtsvergleich ergibt deshalb, daß Vermessungen nicht staatliche, hoheitliche Aufgabe der Mitgliedstaaten sind. Vielmehr ist die Privatheitlichkeit der Vermessungstätigkeit der Standard der Europäischen Gemeinschaft. Nicht der Staat vermißt im nicht-bayerischen Europa, sondern freiberuflich tätige Private. Die Beleihung ist außer in Deutschland entweder unbekannt oder wird im Vermessungswesen nicht eingesetzt.

8. Konsequenzen für die Niederlassungsfreiheit Für die Niederlassungsfreiheit ergeben sich aus dieser Summe folgende Konsequenzen: Ausländische Vermessungsingenieure, welche die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, also Unionsbürger sind, können sich auf das Recht der freien Niederlassung berufen und Vermessungsbüros in Deutschland und auch Bayern eröffnen und betreiben. Weil die von ihnen ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit, nämlich das Vermessen, keine Tätigkeit darstellt, die aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht als Ausübung öffentlicher Gewalt zu qualifizieren ist, darf das Niederlassungsrecht nicht auf Grund des Art. 45 Abs. 1 EGV eingeschränkt werden. Dies ist jedoch in Bayern der Fall, wenn und weil Art. 12 Abs. 1 VermKatG vorschreibt, daß Landesvermessungen etc. Aufgaben des Staates sind. Die Vorschrift verstößt somit gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit.

5. Kapitel

Rechtlosigkeit der Beleihung als Organisationsinstitut Die öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit der Rechtsakte der Beliehenen und deren Integration in den Staat im institutionellen Sinne (mittelbare Staatsverwaltung) 1148 ist eine überaus folgenschwere Dogmatik, welche mit den Prinzipien eines freiheitlichen Gemeinwesens, einer Republik, schwerlich übereinstimmt. Gelehrt wird meist, daß den beliehenen Unternehmern 1149 öffentliche Aufgaben 1 1 5 0 und zu deren Bewältigung hoheitliche Befugnisse übertragen seien 1151 . Die Hoheitlichkeit des Staates, der für die grundgesetzliche Republik wenig geklärte 1152 , überaus folgenreiche 1153 Begriff, ist wesentliches Argument der

1148

Vgl. die Hinweise in Fn. 1238, auch Fn. 1154. M. Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, insb. S. 77 f f , 95 f f , 135 f f , 211 ff.; dazu Hinweise in Fn. 1005 ff. 1150 Hinweise in Fn. 1005 ff. 1151 Hinweise in Fn. 1009, 1010. 1149

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

265

Lehre, daß die Beliehenen wie die körperschaftliche Selbstverwaltung jedenfalls der Berufsstände, denen staatliche Hoheitlichkeit übertragen sei, zur mittelbaren Staatsverwaltung gehören 1 1 5 4 . Die K r i t i k an dieser republikwidrigen Dogmatik w i r d i m folgenden unterbreitet.

I . Doktrin der Hoheitlichkeit als Herrschaftlichkeit Das W o r t von der Hoheitlichkeit paßt nicht i n eine Republik, der Begriff aber, den das Grundgesetz nun einmal kennt, muß republikanisch dogmatisiert werden. Die durchgehend dem deutschen Konstitutionalismus 1 1 5 5 verpflichteten Lehren einer Hoheitlichkeit des Staates verstehen diese regelmäßig i m A n schluß an die folgenden Sätze Georg Jellineks

herrschaftlich 1 1 5 6 :

1,52 Dazu W. Martens , Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 82 ff. (aber nur zum Verhältnis der Begriffe zu dem des Öffentlichen Rechts, nicht näher zu den Eigenschaften der Hoheitlichkeit); zu den „hoheitlichen Befugnissen" in Art. 33 Abs. 4 GG; P. Kirchhof, Der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse in Artikel 33 Abs. IV des Grundgesetzes, insb. S. 3 ff. zur Wortbedeutung; vgl. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 45 f , 221 f f , 317 f. (nicht unkritisch); Ch. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 366 ff. (ergebnisabhängig); KA. Schachtschneider , Die Verwaltung 31 (1998), S. 148 ff.; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, §3. 1153 Etwa für die Fiskusdoktrin, dazu KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 f f , 235 f f , 281 ff.; im Gemeinschaftsrecht, u. a. gem. Art. 39 Abs. 4 EGV, dazu EuGH, Rs 148/79 Kommission/Belgien, Slg. 1992, 1845, Rdn. 10 f f , Rs 66/85 Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121, Rdn. 24 f f , Rs C-473/93 Kommission/Luxemburg, Slg 1996 I, 3207, Rdn. 32 ff.; im öffentlichen Dienstrecht gem. Art. 33 Abs. 4 und Abs. 5 GG, dazu P. Kirchhof Der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse in Artikel 33 Abs. IV des Grundgesetzes, 1966. 1154 K Vogel , Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 60 f f , 79 f f , 95 f f , insb. S. 99; H. Peters , Öffentliche und staatliche Aufgaben, S. 894; H.J. Woljf/O. Bachof/R. Stober , Verwaltungsrecht, Bd. 1, 11. Aufl. 1999, S. 532 (nicht recht klar) „Fragen öffentlicher Verwaltung" („hoheitlicher Gewalt"); W. Martens , Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 133 f. (sehr zurückhaltend) „zur Ausübung anvertaute Hoheitsbefugnisse"; H. Mennacher , Begriffsmerkmale und Rechtstellung der mit öffentlicher Gewalt beliehenden Hoheitsträger des Privatrechts, 1963, S. 87 f f , 113 ff.; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 56 f.; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 216; E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 542; vgl. auch die Hinweise in Fn. 1238. 1155 Dazu R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, HStR, Bd. I, 1987, § 1, Rdn. 11 f f , 27 ff.; E.R . Huber, HStR, Bd. I, § 2, Rdn. 26 f f , 55 ff.; KA. Schachtschneider, Der republikanische Freiheitsbegriff, FS M. Kriele, 1997, S. 829 ff. 1156 Kritik der Herrschaftsdoktrin KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap.; Hinweise zu den Herrschaftslehren in Fn. 1165, 1179; E.-W. Böckenförde , Demokratie als Verfassungsprinzip, HStR, Bd. I, 1987, § 22, Rdn. 35 f , 49 ff. („Demokratie vermag daher das Bestehen politischer Herrschaft, von Über- und Unterordnung, Befehl und Gehorsam, mit dem Prinzip individueller Freiheit und Selbstbestimmung zu vermitteln"- Rdn. 36); P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HStR, Bd. I, 1987, §23, Rdn. 27, 34; R. Zippelius, Allgemeine

266

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

„Der Staat hat Herrschaftsgewalt. Herrschaft heißt die Fähigkeit haben, seinen Willen anderem Willen unbedingt zur Erfüllung auferlegen, gegen anderen Willen unbedingt durchsetzen z y ^ n n e n . " „Herrschen heißt unbedingt befehlen und Erfullungszwang üben können" Jellinek hat die konstitutionellen Lehren i n dieser Weise durchaus r i c h t i g 1 1 5 8 zusammengefaßt. Nach wie vor w i r d die Hoheitlichkeit als die Befugnisse des Staates zu Befehl und Zwang plakatiert 1 1 5 9 . Die Herrschaftlichkeit der Staatsgewalt ist geradezu das Paradigma der Lehre von der mittelbaren Staatsverwaltung durch Beliehene, aber auch von deren Praxis, das so gut wie nicht in Frage gestellt w i r d 1 1 6 0 . E i n Beispiel gibt Udo Steiner mit Sätzen, die er 1975 als „geltendes Verwaltungsrecht" vorstellt: „Die Formel 'Einheit der Staatsgewalt' steht - ... - für die Identität von (rechtlicher) Herrschaft und Staatsgewalt. Sie will sagen, daß sich im Gemeinwesen der Gegenwart Ausübung von Herrschaft mit wenigen Ausnahmen auf die Staatsgewalt konzentriert. Äußerungen von Herrschaft außerhalb des Staates sind danach vom Staat abgeleitet Georg Jellinek hat 1913 in der 3. Auflage, S. 430, seines insofern unveränderten Werkes über die Allgemeine Staatslehre von 1905 das Gleiche geschrieben: „Die mit solcher Macht (sc. „Herrschergewalt hingegen ist unwiderstehliche Gewalt", S. 429) ausgerüstete Gewalt ist Herrschergewalt und damit Staatsgewalt. Herrschen ist das Kriterium, das die Staatsgewalt von allen anderen Gewalten unterscheidet. Wo daher Herrschergewalt bei einem dem Staat eingegliederten Verbände oder einem Individuum zu finden ist, da stammt sie aus der Staatsgewalt, ist, selbst wenn sie zum eigenen Rechte des Verbandes geworden ist, nicht ursprüngliche, sondern abgeleitete Gewalt. Dieser Satz entspricht den Verhältnissen des modernen Staates." Diese Herrschaftslehre mag dem Obrigkeitsstaat gerecht geworden sein, obw o h l die Dogmatik der Verbandsgewalt durchaus strittig w a r 1 1 6 2 . Nach 1918 und unter dem Grundgesetz sollten die Dogmen des Obrigkeitsstaates einer Staatslehre, 13. Aufl. 1999, S. 72 f.; weitere Hinweise K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 72, Fn. 4; insb. BVerfGE 83, 37 (52); 83, 60 (72). 1157 Allgemeine Staatslehre, 1. Aufl. 1905, S. 180 bzw. S. 429. 1158 Etwa C.F. v. Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 2. Aufl 1869, S. 1 f f , 21; vgl. P.v. Oertzen, Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, S. 72 ff. 1159 C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928,4. Aufl. 1965, S. 4 f , 204 f f , 224 f f , u.ö.; H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1. Aufl. 1925/1966, S. 10, 98 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 818 f f , insb. S. 838 f , 848 f f , 879 ff.; W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 89 f.; E.-W. Böckenförde, HStR, Bd. I, § 22, Rdn. 36, 49 ff.; P. Badura, HStR, Bd. I, § 23, Rdn. 27, 34 ff.; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 66 f.; weitere Hinweise bei K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 72, Fn. 10. 1160 Vgl. die Hinweise in Fn. 1238, auch Fn. 1154; zur Herrschaftslehre K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 f f ; eine Ausnahme macht G. Haverkate, Verfassungslehre, S. 345 f , 383 ff. 1161 Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 66 f. 1,62 Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 430 Fn. 2 selbst; ders., Das System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905/1963, S. 283 Fn. 1, auch S. 225 f.

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

267

republikanischen Kritik unterzogen werden. Aus dem herrschaftsdogmatischen Begriff der Hoheitlichkeit leitet sich die Dogmatik her, Hoheitlichkeit sei wesentlich (wenn auch nicht nur) die Befugnis, einseitig Verbindlichkeiten, welche auch immer, begründen zu können, eine Befugnis, die ausschließlich dem Staat zukomme und die darum die Staatsgewalt definiere 1163 . Eine solche Dogmatik widerspricht der allgemeinen Freiheit, also dem Republikprinzip 1164 ; denn sie ist Herrschaftsdogmatik. Herrschaft und Freiheit sind unvereinbar 1165 . Die Verbindlichkeiten jedes Bürgers beruhen auf den allgemeinen Gesetzen, also auf dem bürgerschaftlichen Konsens, d.h., vermittelt in repräsentativer Identität, auf dem allgemeinen Willen, also auch auf dem Willen des jeweils betroffenen Bürgers 1166 . Eine herrschaftliche Hoheitlichkeit gibt es in der Republik nicht. Die Worte „Hoheitsrechte" in Art. 23 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 GG, „hoheitsrechtliche Befugnisse" in Art. 33 Abs. 4 GG wie auch „öffentliche Gewalt" in Art. 19 Abs. 4 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und insbesondere „Staatsgewalt" in Art. 20 Abs. 2 GG und „staatliche Gewalt" in Art. 1 Abs. 1 S. 2 G G 1 1 6 7 müssen republikanisch, d.h. freiheitlich, interpretiert werden und können nicht obrigkeitliche Hoheitlichkeit über Untertanen meinen. Sie bezeichnen vielmehr die Handlungs- und damit Wirkungsmöglichkeiten des Staates 1168 , das Vermögen, die Macht, genauer die Kraft des Volkes als Bürgerschaft oder die Gewalt der bürgerschaftlichen Allgemeinheit (der Staat im weiteren Sinne), sowie einzelne Befugnisse derselben. „Gewalt" ist die Gesamtheit des Waltens. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) besagt: Alles Walten des Staates ist Sache des Volkes, oder: Res publica res populi. Hoheit hat die bürgerliche Allgemeinheit, weil sie das Recht

1163 H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 818 f f , insb. S. 827 f f (Staatsgewalt als General- und Blankovollmacht), S. 847 f f (Einseitigkeit der Staatsgewalt), S. 879 f f (Einseitigkeit der Staatsgewalt), S. 940 ff. (Der Untertan und sein Gehorsam); J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 62 f f , 74 ff.; A. Randelzhofer , HStR, Bd. I, § 2, Rdn. 51; AT. Vogel , Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 80; auch P. Bull , Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 101; D. Mronz , Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 114. 1164 Dazu KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 1 f f , 153 f f , 253 f f , 275 f f , 325 f f , 410 f f , 441 f f , passim; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, IV, 7. Kap, III, passim. 1165 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 71 f f , insb. S. 124 f f , 153 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 3. Kap. 1166 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 275 f f , 325 f f , 519 f f , 637 f f , inbs. S. 707 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, VI, 5. Kap, II, IV; ders , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 19 f f , 43 f f , 94 ff. 1167 Zur Übereinstimmung dieser Begriffe W. Martens , Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 82 ff. 1168 I.d.S. H. Heller , Staatslehre, S. 163 f f , 228 f f (Staat als „organisierte Entscheidungs- und Wirkungseinheit"); dazu KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 96, 164 ff.

268

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

durch allgemeine Gesetzlichkeit, notfalls mittels durchgreifenden Zwanges, zu verwirklichen hat 1 1 6 9 .

II. Einseitigkeit der Herrschaftlichkeit, Allseitigkeit der Freiheitlichkeit, Allgemeinheit und Gesetzlichkeit des Staatlichen und privatheitliche Besonderheit 1. Einseitigkeit ist kein specificum des Staatlichen 1170 , genauso wenig wie Zweiseitigkeit eines des Privatheitlichen ist. Das Staatliche ist vielmehr in der Republik funktional durch die Allseitigkeit gekennzeichnet, nämlich durch die allgemeine Gesetzlichkeit 1171 . Der Gesetzes Vollzug durch den Staat im engeren Sinne verwirklicht das allgemeine Gesetz, also das gemeine Wohl, und ist auch insofern allseitig. Er verwirklicht auch das Interesse und den Willen des Betroffenen und kann darum nicht als einseitig dogmatisiert werden. Die Allseitigkeit ist der substantielle Aspekt des Staatlichen und damit der Staatsgewalt unter Freiheitsgesichtspunkten. Die ebenso herrschaftliche Dogmatik, welche die Maßnahmen der (vermeintlichen) Obrigkeit als Befehl, der notfalls mit Zwang durchzusetzen ist, versteht, ignoriert die allgemeine Gesetzlichkeit bürgerlichen Handelns und macht die politische Unfreiheit der (Bürger genannten) Untertanen 1 1 7 2 zum Kriterium des Staatlichen. Diese Untertanen sind nicht der Staat und auch nicht die Gesetzgeber 1173, sondern legitimieren allenfalls demokratisch die Obrigkeit 1174 . Die Moralität der Bürger, deren innere Freiheit als deren innere Legalität, die es dem Bürger gebietet, das allgemeine Gesetz als den allgemeinen (und damit zugleich eigenen) Willen zu achten 1175 , die Würde des Bürgers also, verbietet eine herrschaftliche Befehlsdogmatik. Erst die Einseitigkeitsdogmatik kreiert den Untertanen. Obrigkeitlich jedoch läßt sich der Unterschied zwischen der Staatlichkeit und der Privatheitlichkeit in der Republik nicht dogmatisieren, sondern nur mit dem Unterschied der Allgemeinheit der im Staat zur Verwirklichung des gemeinen Wohls organisierten Bürgerschaft

1169 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 f f , 303 f f , 519 f f , 545 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II, IV, 7. Kap, III. 1.70 So aber (grundlegend) H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 847 f f , 879; ihm folgend A. Randelzhofer, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 35 ff.; J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 74 f f ; weitere Hinweise in Fn. 1177, auch Fn. 1163, 1191. 1.71 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 124 f f , 145 f f , 153 f f , 303 f f , 410 f f , 494 f f , 519 f f , 536 f f , auch S. 637 f f , 978 f f , 990 f f , 1027 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II, IV, 7. Kap, III. 1172 Vgl. zum Untertanenbegriff H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 940 ff. 1173 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 f f , 519 f f , 637 f f , 707 f f , passim; ders, Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, IV, 7. Kap, III. 1174 So U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 67. 1175 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 f f , 279 f f , 494 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII.

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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und der Besonderheit der einzelnen P r i v a t e n 1 1 7 6 und damit m i t dem Freiheitsund dem Friedensprinzip. 2. Das Einseitigkeitsdogma ist nach wie vor dem obrigkeitlichen Subjektionsschema der Trennung des übergeordneten Staates und der untergeordneten Gesellschaft als der Menge der (Bürger genannten) Untertanen 1 1 7 7 verpflichtet, welches für den B e g r i f f des öffentlichen Rechts durch die Subjektslehre 1 1 7 8 überwunden ist. Eine Über- und Unterordnung ( S u b j e k t i o n ) 1 1 7 9 widerspricht der freiheitlichen Gleichheit der Bürger i n der R e p u b l i k 1 1 8 0 . Freiheitliche Gesetzl i c h k e i t 1 1 8 1 bedarf zwar ultima ratio des unwiderstehlichen Z w a n g e s 1 1 8 2 , schafft aber keine Verhältnisse der Subjektion. Der repräsentative Konsens der Gesetzgebung 1 1 8 3 ist freiheitlich und damit gleichheitlich 1 1 8 4 . Der V o l l z u g der allgemeinen Gesetze ist ebenfalls freiheitlich und gleichheitlich, nämlich bürger-

1176 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 211 f f , 370 f f ; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap, I, 11. Kap, I; vgl. 2. Teil, 2. und 3. Kap. 1177 E.-W. Böckenförde , Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: FG W. Hefermehl, 1972, S. 406 („Der Staat ist vielmehr die politische Entscheidungseinheit und Herrschaftsorganisation fiir eine Gesellschaft (oder, wenn man will, 'über' ihr"), S. 411 ff.; E. Forsthoff Der Staat der Industriegesellschaft, S. 11 ff.; Ch. Link, , VVDStRL 48 (1990), S. 16, 19 („Herrschaftsverband Staat"); R. Herzog , Allgemeine Staatslehre, S. 146 f.; H.H. Klein , Die Grundrechte im demokratischen Staat, S. 42; W. Schmitt Glaeser , Die grundrechtliche Freiheit des Bürgers zur Mitwirkung an der Willensbildung, HStR, Bd. II, 1987, § 31, Rdn. 25; W. Henke , Recht und Staat, Grundlagen der Jurisprudenz, 1988, S. 251 ff.; ders , in: Bonner Kommentar, 1991, GG, Drittbearbeitung Art. 21 Rdn. 69 („utopische, herrschaftsfreie, öffentliche Ordnung"); dazu kritisch K. Hesse, Bemerkungen zur heutigen Problematik und Tragweite der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, 1975, in: E.-W. Böckenförde (Hrsg.), Staat und Gesellschaft, 1976, S. 484 ff.; M. Kriele , Einführung in die Staatslehre, 4. Aufl., S. 309 f f ; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff. mit Fn. 79, S. 173; ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap, II; Hinweise zur Trennung von Staat und Gesellschaft auch in Fn. 1308. 1.78

H.J. Wolff Der Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht, AöR 76 (1950/51), S. 205 ff.; weitere Hinweise in Fn. 880. 1.79 Etwa H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 879; J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 74 ff. 1.80 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 1 f f , 275 f f , 325 f f , einschl. S. 410 f f , auch S. 990 f f , passim; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, III, 1, IV, 7. Kap, I, III. 1.81 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 275 f f , 494 f f , 519 f f , u.ö.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II, 3, IV, 7. Kap, I, III. 1182 Kant , Metaphysik der Sitten, S. 338 f , 464, 527; ders , Über den Gemeinspruch, S. 144, 169; dazu W. Kersting , Wohlgeordnete Freiheit, S. 29 ff.; K.A. Schachtschneider, , Res publica res populi, S. 545 f f , insb. S. 553 f f , 1192 f.; vgl. auch die Hinweise in Fn. 1255 ff. 1,83 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 519 f f , 560 f f , 584 f f , 637 f f , 707 f f , auch S. 819 ff. 1184 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 526 f f , ders , Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, 3, III, 7. Kap, I, 2, 3, III.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

lieh. Primär verwirklicht entweder die bürgerliche Legalität, der sogenannte Gesetzesgehorsam 1185, oder, wenn Aufgaben der Lebensbewältigung unmittelbar dem Staat übertragen sind, dessen Handeln die allgemeinen Gesetze und damit das Gemeinwohl. Weil der Staat im Namen des Volkes handelt, ist sein Handeln rechtlich Handeln der Bürgerschaft, also Handeln aller Bürger; „denn was er tut, tun sie selbst" (hat Hobbes für den „Oberherrn" gesagt) 1186 . Wenn die Bürger die allgemeinen Gesetze mißachten, verwirklicht der Staat sekundär notfalls mit durchgreifendem Zwang die Legalität. Die Befugnisse des Staates, Zwang zu üben, gibt ihm zwar das Recht zu nötigen und damit, wenn man so will, das Recht, einseitig zu handeln, aber weder das Recht zu nötigen noch das Recht, einseitig zu handeln, sind specifica der Staatsgewalt. Das Wesentliche dieser Rechte ist die Gesetzlichkeit als Verwirklichung der allgemeinen Freiheit. Insofern unterscheidet sich die Befugnis des Staates, Zwang zu üben, nicht von den Rechten Privater, die auch zur Nötigung anderer und zur Einseitigkeit des Handelns befugen 1187 . Der Private ist nämlich wie der Staat berechtigt, das allgemeine Gesetz durchzusetzen, wenn es ihn betrifft, zumindest wenn es seine Interessen zu schützen bezweckt 1188 . Im übrigen verwirklicht auch der Private durch jedes Handeln das allgemeine Gesetz. Handeln aber nötigt, ja zwingt; denn es wirkt, es waltet. Der Private ist also auch berechtigt, Zwang zu üben, nämlich zu handeln und sich nach Maßgabe der Rechtsordnung durchzusetzen. Das macht gerade sein subjektives Recht aus 1189 . Der Private muß dafür (im Regelfall), wie im übrigen der Staat auch selbst, staatliche Zwangsmaßnahmen in Anspruch nehmen, um seine Rechte gegen andere durchzusetzen,

1185 Dazu Hinweise in Fn. 1255; etwa H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 940 f f ; J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 91 ff.; vgl. auch G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 426; H. Heller, Staatslehre, S. 238 f.; A. Randelzhofer, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 39. 1186 Leviathan, ed. Mayer/Diesselhorst, 1970/80, S. 160; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 707 ff. 1187 Dazu Hinweise in Fn. 1163, auch Fn. 1191. 1.88 Zum Begriff des subjektiven Rechts nach der Schutzzwecklehre BVerfGE 1, 83 (83 f.); 22, 129 (132); 75, 285 (286 ff.); 77, 70 (73); 78, 40 (41); 80, 355 (366 f.); 83, 182 (194 f.); H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 225 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 118 f f , 128; grundlegend G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 41 ff.; O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, S. 9 f f , 21, 223 ff.; O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, GS W. Jellinek, 1955, S. 259, 274 f f ; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 148 ff.; kritisch W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 57 ff, der auf die tatsächliche Betroffenheit abstellt, vgl. auch ders, Das subjektive Recht im System des öffentlichen Rechts, DÖV 1980, 621 f f ; weitergehend KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 566, 931 f. für die Popularklage, vgl. auch S. 378 ff.; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie Konkurrentenklage, S. 49 ff. 1.89 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 378 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, III.

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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welche seine Rechte mißachten. Der Grund dafür ist das Friedensprinzip, welches es gebietet, bestimmte durchgreifende Zwangsmaßnahmen dem Staat als der A l l gemeinheit der Bürger vorzubehalten 1 1 9 0 . Ein Gewaltmonopol des Staates, also eine dem Staat vorbehaltene Befugnis, körperlichen Zwang (vis) zu üben, gibt es nicht. Das Schlagwort v o m staatlichen Gewaltmonopol 1 1 9 1 , eine dogmatische Schablone der herrschaftlichen Staatslehre, verkennt die Wirklichkeit und insbesondere den Begriff der Handlung wie den des Waltens. Die verkürzte Verbalisierung der Befugnis des Staates, durchgreifenden Zwang zu üben, ist ein Stützpfeiler der obrigkeitlichen Staatslehre, die aber mehr noch durch die empirische Ideologie von der Herrschaftlichkeit des Staates getragen i s t 1 1 9 2 . Max Weber hat demgegenüber gelehrt: Der Staat ist „diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gesetzes ... das^onopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht." Wenn der durchaus faszinierende Max Weber etwas definiert hat, wagt sich kaum ein deutscher Staatsrechtslehrer dem zu entziehen 1 1 9 4 , nicht einmal Carl Schmitt.

Webers Versessenheit auf Herrschaft 1 1 9 5 diskreditiert aber seine nur

scheinbar soziologischen, in Wahrheit ideologischen Begriffe für eine freiheitliche Rechts- und Staatslehre.

1.90

H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 1 ff.; zum Friedenszweck des Staates Hobbes, Leviathan, S. 115 f f , 155 f , 160, 162; J. Locke , Über die Regierung, ed. Mayer-Tasch, Reclam, S. 73, 101 ff.; Kant , Metaphysik der Sitten, S. 429 f.; heute: E. Schmidt-Aß mann, HStR, Bd. I, § 24 Rdn. 71; V. Götz , HStR, Bd. III, § 79, Rdn. 6 ff.; A. Randelzhofer , HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 8 f , 40; KA. Bettermann , Der totale Rechtsstaat. Zwei kritische Vorträge, 1986, S. 3 f f , 20 f.; Ch. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 27 f f , Ls 5; G. Ress, daselbst zum nämlichen Thema, S. 83 f f , Ls5; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 9, 545 ff.; vgl. auch BVerfGE 54, 277 (292). 1.91

H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 818 f f , insb. S. 847 ff.; K Stern, Staatsrecht II, S. 513 ff.; M. Kriele, HVerfR, S. 136 f.; J. Isensee, HStR, Bd. I, §13, Rdn. 62 f f , insb. Rdn. 74 ff. (durchaus mit Ansätzen des Zweifels); ders., Die Friedenspflicht des Bürgers und das Gewaltmonopol des Staates, FS K. Eichenberger, 1982, S. 23 ff.; auch H. Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, 1974, S. 199 ff.; A. Randelzhofer, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 35 ff.; U. Matz , Politik und Gewalt, S. 97 ff.; D. Merten, Rechtstaat und Gewaltmonopol, 1975; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 183 f f , 187 ff.; Ch. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 38 f.; vgl. auch W.-D. Narr, Physische Gewaltsamkeit, ihre Eigentümlichkeit und das Monopol des Staates, Leviathan 4 (1980), S. 542 f f ; KA. Schachtschneider, Die Verwaltung 31 (1998), S. 151 f f , auch S. 148 ff.; auch, ders., Res publica res populi, S. 549; kritisch auch V. Götz, HStR, Bd. III, § 79, Rdn. 29 ff. 1192 Dazu die Kritik von KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 71 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap, II. 1193 Wirtschaft und Gesellschaft, 1922/1964, S. 1043. 1194 Auch J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 74, stützt sich auf die zitierte Definition Webers. 1195 D. Sternberger, Max Weber und die Demokratie, in: ders. Herrschaft und Vereinbarung, Schriften Bd. III, 1980, S. 137 ff.; vgl. auch K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 79 ff.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

3. Zwar darf der Staat im Gegensatz zum Privaten den mit Zwang vollstreckbaren Entscheid selbst treffen, sogar durch Verwaltungsakt, während der Private dafür die staatlichen Gerichte in Anspruch nehmen muß, sofern er nicht auf Schiedsgerichte zurückgreift. Aber das privatrechtliche Prinzip der präventiven Rechtsklärung 1196 unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Prinzip der repressiven Rechtsklärung, dem alle Verwaltungsmaßnahmen gemäß Art. 19 Abs. 4 G G 1 1 9 7 unterliegen. Wenn das Recht streitig ist, ist ein Rechtsstreit (Prozeß) 1198 möglich, welchen der Rechtsstaat durch Rechtsklärung 1199 zu entscheiden hat. Der Private erfüllt, wenn er diese, seine Pflichten, anerkennt (und er sie zu erfüllen imstande ist). Der Bürger wehrt sich gegen die Verpflichtung, die ihm die Verwaltung auferlegt, wenn er sie nicht akzeptiert. Substantiell ist, daß immer die Gerichte die verbindliche Entscheidung fällen, wenn Rechte und Pflichten streitig sind. Sonst wirken die einseitigen Maßnahmen selbst, der Verwaltungsakt des Staates zum einen, die Leistungsaufforderung des Privaten zum anderen. Einen substantiellen Unterschied (der das Staatliche vom Privaten wesentlich unterscheidet) macht diese Rechtstechnik nicht aus. Das Gemeinwesen gesteht der vollziehenden Gewalt, durchaus ihrem Begriff gemäß 1 2 0 0 , zu, Verpflichtungen des Bürgers im Sinne der Vollstreckbarkeit verbindlich durch Verwaltungsakte festzustellen, weil die Rechtlichkeit des Verwaltungshandelns (gemäß der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG) mit vielfältigen und aufwendigen Mitteln, vor allem denen des Amtsrechts, gefördert ist. Die Befugnis der Verwaltung, das Recht verbindlich festzustellen 1201, ist jedoch nicht der letzte Rest obrigkeitlicher Gewalt der Verwaltung, sondern ein Prinzip der praktischen Vernunft republikanischer Staatlichkeit, zumal die Gesetzlichkeit der Maßnahme bereits im Namen des Volkes, also allgemeinheitlich und damit in staatlicher Weise, also unparteilich 1202 , festgestellt ist. Aber das Vertrauen in die vollziehende 1196

K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 124 f , 129 f. Dazu E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 1985, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 52 f f , 70 ff. 1198 Zum Begriff des Rechtsstreits und Prozesses K.A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, Diss, 1969, S. 2 ff. 1199 Zur Rechtsprechung als Rechtsklärung K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 872 f f , 885; ders. y Prinzipien des Rechtsstaates, S. 129 f , 142 ff.; vgl. i.d.S. K.A. Bettermann, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 18 f f , 27 f f , 38 ff.; N. Achterberg,, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 92 GG, Rdn. 81 ff. 1200 Dazu P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83, Rdn. 12 f f , 84 ff. 1201 K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 161 ff. 1202 Zum Staatsprinzip der Unparteilichkeit M. Kriele, Die demokratische Weltrevolution. Warum sich die Freiheit durchsetzen wird, 1987, S. 93 ff.; ders. y HVerfR, S. 151; ders. y Menschenrechte und Friedenspolitik, FS K. Carstens, Bd. 2, 1984, S. 671 ff.; J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975, S. 19 f f , 34 f f , 211 f f , 217 f f , 513 ff.; W. Maihofer, Abschließende Äußerungen, HVerfR, 2. Aufl. 1994, Rdn. 15 f f , 38 f f , S. 1703 f f , 1709 („Deformation und Perversion von Prinzipien der Demokratie wie der Republik im Parteienstaat der Gegenwart"), der die Parteien in der westlichen Parteien1197

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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Gewalt ist nicht so groß, daß nicht (uneingeschränkter) Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG gegen ihre Maßnahmen Grundrecht des Bürgers, der befürchtet, in seinem Recht verletzt zu sein, wäre 1203 . Rechtstechnisch ließe sich auch die private Durchsetzung von Rechten derart gestalten, daß die private Aufforderung zur Leistung verbindlich wäre. Die guarantingierten Urkunden der Notare kommen in die Nähe einer solchen Rechtstechnik, wenn auch die Notare als besondere Amtswalter 1204 tätig sind. Eine Zwischenstufe ist durch die Privatheitlichkeit von Urkunden der Urkundenprozeß 1205. Allemal aber sind die privatrechtlichen Gestaltungsakte, wie vor allem die Kündigung, aus sich heraus verbindlich, wenn nicht ausnahmsweise präventiver Rechtsschutz, wie etwa in § 133 HGB für den Fall der Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund, vorgesehen ist 1 2 0 6 . Aus guten Gründen ist das Vertrauen in die Gesetzlichkeit der Privaten nicht so groß, als daß diese Technik in breiterem Umfang genutzt würde. Insbesondere mangelt es den Privaten an einer der Amtlichkeit entsprechenden vertrauenswürdigen vorrangigen Förderung der Gesetzlichkeit der Handlungen. Die Gefahr für die Gesetzlichkeit ist wegen der besonderen Interessiertheit der Privaten, also wegen ihrer Parteilichkeit oder ihres Mangels an Neutralität, selbst für eine nur vorläufige Verbindlichkeit zu groß. Wenn die Sorge empirisch auch keineswegs durchgängig begründet ist, weil zum einen auch die meisten Privaten die Gesetze zu achten pflegen und zum anderen die Verwaltung oft genug die Gesetze bricht, so ist die unterschiedliche Rechtstechnik, welche pauschaliert, doch nicht zu rügen. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß die Rechtstechnik der Republik in der obrigkeitlichen Tradition steht. Das rechtfertigt aber nicht ihre obrigkeitliche Dogmatik. Eine substantielle Einseitigkeit staatlichen Handelns, welche den Begriff der Staatsgewalt definieren könnte, ist somit in der Republik nicht auszumachen. Es sind Begriffe, die früheren Zeiten, sprich dem vorrevolutionären Obrigkeitsstaat, verhaftet sind, welche die Staatsgewalt erfassen wollen und mit dieser dogmatischen Unzeitigkeit weitgehende freiheitswidrige Wirkung entfachen. Vor allem ist es die Vorstellung, die Gesetze seien eine einseitige Verpflichtung der Bürger durch den Staat. Eine solche legislative Einseitigkeit würde die kritisierte konstitutionelle Trennung des obrigkeitlichen Staates von den unter-

demokratie meint, zu Recht; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 167 f f , 1045 f f , 1083 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 40 f. 1203 Dazu E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, 1985, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 7 f f , zur problematischen Begrenzung dieses Grundrechts auf Rechtsschutz bei Rechtsverletzungen durch die vollziehende Gewalt Rdn. 52 f f , 70 f f , 90 f f , insb. Rdn. 93 ff.; K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 149 f f ; so BVerfGE 24, 33 (49); 24, 367 (401); 25, 353 (365); 45, 297 (334). 1204 BVerfGE 73, 280 (292 ff.); 17, 371 (376 ff.). 1205 §§ 592 ff. ZPO; dazu A Baumbach/J. Albers/P. Hartmann, Zivilprozeßordnung, 1996, § 592, Rdn. 7 ff. 1206 Dazu V. Emmerich, in: Heymann, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 1996, § 132, Rdn. 1 ff.

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tänigen Bürgern (der Gesellschaft) voraussetzen. Die Gesetze sind aber der allgemeine Wille der Bürgerschaft, die volonté générale, ohne jede Einseitigkeit und Unterordnung 1207 . Die Dogmatik von der Staatsgewalt darf keine Herrschaftslehre sein. 4. Die Unterschiede zwischen der Staatlichkeit und der Privatheitlichkeit, nicht nur im institutionellen, sondern auch im funktionalen Sinne, folgen aus der Allgemeinheit des Staates und der Besonderheit der Privaten 1208 und damit aus der Einheit des Allgemeinen des Staates gegenüber der Vielheit des Besonderen der Privaten. So muß der Staat, um allgemeinheitlich handeln zu können, zur gleichheitlichen Bestimmtheit der Handlungsmaximen finden. Bereits die Gesetze, welche den Staat zum Handeln ermächtigen, müssen hinreichend bestimmt sein 1209 . Die Gesetze dürfen durch die Gesetze der Exekutive, die Rechtsverordnungen, näher materialisiert werden 1210 . Erkenntnis- und Entscheidungsspielräume der Verwaltung sind jedenfalls bei Maßnahmen gegenüber besonderen Bürgern nur in engen Grenzen verfassungsgemäß 1211. Jedenfalls muß der Staat seine Maximen des Handelns bis zur vollziehbaren Bestimmtheit gleichheitlich materialisieren. Er muß dies um der Allgemeinheit willen, welche er vertritt. Das hat lebensmäßige Unterschiedlichkeit nivellierende Wirkungen 1212 . Diese Wirkung spezifisch staatlicher Lebensbewältigung ist unabhängig davon, ob diese institutionell staatlich oder privat gestaltet ist. Sie ist funktional staatlich. Sie verlangt, wenn sie institutionell privat erfolgen soll, entsprechend bestimmte (enge) Gesetze. So schaffen das soziale Arbeitsrecht und das soziale Mietrecht, die institutionell privatheitlich gestaltet sind, Gleichheitlichkeit der Lebensverhältnisse, wie alles Sozialrecht. Das erweist erneut die funktionale Staatlichkeit derartiger Maximen des Handelns, aber auch die unvermeidliche Sozialität der Staatlichkeit sowie die Gefahr des Sozialismus übermäßiger Staatlichkeit der Lebensbewältigung. Keinesfalls darf

1207 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 f f , 325 ff, 410 f f , 519 f f , 560 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, I, 3, III, 7. Kap, I, 3, III. 1208 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 268 f f , auch S. 421 ff.; ders., Res publica res populi, S. 211 f f , 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, I. 1209 BVerfGE 8, 276 (325 f.); 9, 137 (147 ff.); 20, 150 (157 ff.); K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 308 ff.; ders, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 380, 395 f f , 411 f f , 426 f f , 452 ff.; ders., Res publica res populi, S. 850 f f , 867 f f , 883 ff.; 887 f f , 901 ff. 1210 K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 310 f f 1211 Etwa BVerfGE 3, 235 (243); 9, 137 (147 ff); 11, 168(191 f.); 13, 156 (160 f.); 15, 275 (282); 20, 150 (158); 21, 245 (261); 27, 1 (8); 34, 165 (199 f.); 41, 378 (399); 42, 263 (278); 61, 82 (111); 64, 261 (279); 83, 130 (148); 84, 34 (49 ff.); 84, 59 (77 ff.); vgl. auch BVerwGE 15, 207 (208); 24, 60 (63 f.); 45, 162 (164 ff.); 51, 185 (190 ff.); 72, 300 (316 f.); 79, 208 (213 ff.); 81, 12 (17); 82, 295 (299 ff); 88, 35 (37 ff.); K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 314 f f , 317 ff.; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 54 f f , 59 ff. 12,2 W. Leisner, Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, S. 136 f f

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der Staat sich bei der Materialisierung des gemeinen Wohls von Besonderen (Privaten) bestimmen lassen 1213 . Wenn der Staat nur aufgrund eines Vertrages mit Privaten handeln kann, etwa im Beschaffungswesen, muß er sich deren besonderen Einfluß gefallen lassen, soweit das die Gesetze vorsehen. Das folgt aus dem Vertragsprinzip 1214 . Die allgemeinen Gesetze bestimmen die Handlungen der Privaten aber, wenn sie keine Nivellierungen der lebensmäßigen Unterschiede, also keine Sozialpolitik im Auge haben, nur weit, oder auch nur dispositiv, zum einen, um einen äußeren Rahmen, zum anderen, um eine mangels privater Bestimmung notwendige Regelung der Verhältnisse zu geben. Das ist wegen des bestmöglichen Vorranges der Privatheit der Lebensbewältigung, vor allem im Interesse der Selbständigkeit der Bürger, verfassungsgeboten 1215. Die nähere Materialisierung der Handlungsmaximen muß der Private, um überhaupt handeln zu können, allein vornehmen, wenn die Gesetze sein Handeln nur im weiten Rahmen bestimmen 1216 . Soweit der Private andere Private verpflichten will, bedarf er deren Einverständnis, weil und insoweit diese noch nicht durch die allgemeinen (und dadurch auch eigenen) Gesetze verpflichtet sind. Diese Rechtslage macht den zwei- oder mehrseitigen Vertrag notwendig, weil es am allgemeinen Vertrag und am allgemeinen Gesetz fehlt. Unverzichtbar für die Verpflichtung eines anderen bleibt der Konsens 1217 . Ein hoheitliches specificum der Einseitigkeit ist wiederum nicht zu erkennen. Im übrigen ist auch der Staat auf den zweiseitigen Konsens angewiesen, wenn das allgemeine Gesetz den Privaten nicht verpflichtet, der Staat aber sich ihn zur Leistung verpflichten w i l l 1 2 1 8 . Das Spezifische des Staatlichen und der Staatsgewalt ist somit in der durch die gleiche Freiheit aller bestimmten Republik die Allgemeinheit des Staates im Gegensatz zur Besonderheit des Privaten 1219 . Es versteht sich, daß die Privatheitlichkeit formal, d.h. hinsichtlich der Selbständigkeit oder Personalität,

1213 H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 879 f f , der auch diese staatsspezifische Logik zum Prinzip der Einseitigkeit rechnet. 1214 Dazu H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 908 f f , insb. 911 ff.; KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 337 f f , 345 ff.; vgl. auch ders. y Res publica res populi, S. 404 f f ; ders. y Freiheit in der Republik, 8. Kap, VIII. 1215 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 370 f f , 386 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV; dazu 3. Teil, 1, 2. und 4. Kap. 1216 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 374 f f , 378 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 8. Kap, III, IV. 1217 K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 404 f f , 560 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 5. Kap, III, 1,8. Kap, VIII, 4. 1218 Dazu H. Krüger y Allgemeine Staatslehre, S. 908 ff.; vgl. auch K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 337 ff. 1219 K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 268 ff.; ders. y Res publica res populi, S. 159 f f , 211 f f , 370 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 8. Kap, I; zur fragwürdigen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft.

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

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gleichheitlich zu gestalten ist 1 2 2 0 , so daß die Privaten sich wechselseitig verpflichten können 1221 . Legalisierte Privatheitlichkeit kann somit nicht bewirken, daß die einen Privaten der anderen Privaten Untertanen werden, jedenfalls nicht rechtlich. Die Unterschiede des funktional Staatlichen und des Privaten, nämlich die Allgemeinbestimmtheit und die Alleinbestimmtheit (oder Gruppenbestimmtheit) sind unüberwindbar. Die Allgemeinbestimmtheit hat im demokratischen Prinzip der Republik ihre prozessuale Umsetzung erfahren, die Alleinbestimmtheit in den Grundrechten ihren Schutz. Keinesfalls eignen sich institutionell Private (Besondere) ohne funktional staatliche Bestimmung allgemein für die Verwirklichung des Allgemeinen (Staatlichen) 1222 , also als Organe der Staatsgewalt (mittelbare Staatsverwaltung). Die funktionale Staatlichkeit des institutionell Privaten ist aber, wenn sie auch der Besonderheit (der Maximen) enge Grenzen ziehen kann, keine institutionale Staatlichkeit, nicht staatliche Organschaft. Dementsprechend verbietet sich ein Maß an funktionaler Staatlichkeit der institutionell Privaten, welches diesen die funktionale Privatheit im Übermaß nimmt. Derart bestimmte institutionell Private sind in einem Maß funktional staatlich, daß sie auch institutionell zu verstaatlichen sind, vor allem um dem demokratischen Prinzip zu genügen. Sonst sind die republikanischen Kompetenz- und Verfahrens-, aber auch Dienstprinzipien verletzt. Die Bindung des Privaten durch die allgemeinen Gesetze muß sich somit eine Grenze gefallen lassen.

I I I . Rechtssichernde sittliche Staatsgewalt und die berechtigte Privatgewalt, Legalität und Übertragung von „Hoheitsrechten" 1. Die Ausstattung des Staates mit Befugnissen und Mitteln, die es ihm ermöglichen, das Recht durchzusetzen, das von vielen innere Souveränität genannte 1223 „Zu-Höchst-Sein" 1224 , ist staatsspezifisch und auch substantiell für den Staat. Deren Zweck ist es, die allgemeine Freiheit, also den allgemeinen Frieden, zu verwirklichen 1225 . Diese spezifische Befugnis des Staates, durchaus ein Teil der Staatsgewalt, jedoch charakterisiert nicht die Staatsgewalt allge1220

Zum Gleichheitsprinzip KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 f f , 990 f f , passim; ders. y Freiheit in der Republik, 7. Kap.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 94 f f , 191 ff. 1221 Vgl. zum Prinzip der Wechselseitigkeit Kant, Metaphysik der Sitten, S. 340. 1222 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 270 ff. 1223 J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 62, f f , 87 ff.; A. Randelzhofer, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 35 ff. 1224 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 851 ff.; A. Randelzhofer, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 35. 1225 So auch J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 62 ff.; A. Randelzhofer, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 40; Ch. Starck, Frieden als Staatsziel, FS K. Carstens, 1984, S. 867 ff.; grundlegend Hobbes, Leviathan, S. 155 f f , 160, 193 u.ö.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 9, 545 ff.

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mein und unterscheidet diese nicht allgemein von der Privatgewalt. Dem Privaten sind um der allgemeinen Interessen willen manigfache Handlungs- und damit Wirkungsmöglichkeiten vorenthalten, weil diese wirkungsvoller vom Staat und damit einheitlich wahrgenommen werden können. Die Aufgabenverteilung hat jeweils spezifische Gründe und muß im übrigen wegen des Vorrangs der Privatheit der Lebensbewältigung begründbar sein 1226 . Das gilt auch für die besondere Aufgabe des Staates, das Recht durchzusetzen, wenn es nötig ist. Diese Staatsaufgabe rechtfertigt sich aus dem Friedensprinzip 1227 . Die Staatlichkeit dieser Aufgabe ist ein elementares Staatsprinzip, soweit nicht privater Rechtsschutz in Notfällen (Notwehr, Nothilfe, Selbsthilfe, übergesetzlicher Notstand) unverzichtbar ist 1 2 2 8 . Andernfalls wird verstärkte Rechtlosigkeit befürchtet und wäre zu befürchten. Den allgemeinen Frieden stellt jedoch auch diese Staatsaufgabe nicht sicher, wie die Kriminalität erweist. Dogmatisch wesentlich ist, daß die Staatsgewalt nicht mit dieser einen spezifischen, durchaus substantiellen Aufgabe identifiziert werden kann 1 2 2 9 , weil die Staatsgewalt in vielfältiger Weise differenziert ist, je nachdem, was die Staatsaufgaben an staatlichem Handeln fordern. Auch die Aufgabe der Rechtserzwingung ist staatlich, weil es das Gesetz vorschreibt und von Verfassungs wegen um der allgemeinen Gesetzlichkeit und damit der allgemeinen Freiheit willen vorschreiben muß; denn die allgemeine Gesetzlichkeit ist als Materialisierung und Verwirklichung der allgemeinen Freiheit (wenn sie das Recht wahrt) der Zweck des Staates1230. Das Gesetz ist schon deswegen nötig, weil die private Durchsetzung der jeweiligen privaten Rechte keineswegs unmöglich ist. Es sei an das mittelalterliche Fehderecht 1231 und manche sizilianische oder neapolitanische familia oder die Filme über diese erinnert. Deren Maßnahmen wären private Erzwingung der privaten Rechte. Sie wären nach der Rechtslage nicht legal. Ihre Legalisierung scheint auch nicht ratsam. Dennoch werden die privaten Maßnahmen der Rechtssicherung zunehmend verstärkt, ein Zeichen der

1226 Dazu K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 386 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 8. Kap, IV; vgl. auch ders , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 317 ff.; dazu 3. Teil, 1, 2 , 3. und 4. Kap. 1227 J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 62 ff.; A. Randelzhofer , HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 35 ff.; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 545 f f , 553 ff.; V. Götz , HStR, Bd. III, § 79, Rdn. 1 f f , 7 f f ; Ch. Link und G. Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 7 f f , 27 f f , bzw. S. 56 f f , 83 ff. 1228 Vgl. K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 545 ff.; vgl. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 189. 1229 So auch J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 76 („Die monopolisierte Vis-Gewalt des Staates bildet nur einen schmalen Sektor seiner Potestas-Gewalt."). 1230 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 429 ff.; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 279 f f , 303 f f , 494 f f , 519 f f , auch S. 819 ff.; ders , Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, 7. Kap. 1231 Dazu K. G. von Wächter , Beiträge zur deutschen Geschichte, 1845, S. 41 ff.; H. Brunner , Deutsche Rechtsgeschichte, 2. Aufl. 1928, Bd. 1, S. 221 f f , Bd. 2, S. 527 ff.; R. His , Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920, Bd. 1, S. 2 f f , S. 263 ff.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Schwäche des Staates. Die Privatgewalt kann somit durchaus mit Zwangsbefugnissen ausgestattet sein. Das ist nur weitgehend illegal. Um private Gewalt mit Zwangsbefugnissen zu stärken, bedarf es keinesfalls der Übertragung von Hoheitsbefugnissen, sondern der Legalisierung der privaten Zwangsbefugnisse, abgesehen davon, daß Hoheitsbefugnisse (also staatliche Befugnisse) nicht auf Private übertragbar sind, weil sie dadurch ihre Staatlichkeit (Hoheitlichkeit) einbüßen würden; denn Private sind nicht der Staat (im institutionellen Sinne) 1 2 3 2 . Außerdem ist auch das „Zu-Höchst-Sein" (die innere Souveränität) 1233 nicht nur relativ, sondern illusionär. Zwar vermag sich der Staat gegenüber den meisten einzelnen Privaten durchzusetzen, nicht aber gegenüber allen gemeinsam oder auch nur vielen gemeinsam oder auch nur gegenüber mächtigen Gruppen. Die Erfahrung mit massenhaften Demonstranten erweist das genauso wie die mit der organisierten Kriminalität. Nicht einmal die militaristische und »diktatorische 4 DDR vermochte sich gegen die großen Freiheitsdemonstrationen 1989/1990 zu behaupten und ist wegen dieser (revolutionären) Demonstrationen als staatsähnliches Gebilde untergegangen 1234. Letztlich steht und fällt die Staatlichkeit des Staates, dessen Hoheit, mit der Sittlichkeit der Bürger, welche die Legalität aus Moralität wahren 1235 . Die Staatslehre weiß um die Bedeutung des Gesetzesgehorsams 1236. Die Hoheitlichkeit ist wesentlich die Bürgerlichkeit der Bürger. Gegenüber den unbürgerlichen Bürgern, welche nicht zur Sittlichkeit der Republik finden, muß der Staat das Recht notfalls mittels Zwanges durchsetzen. Dieser Zwang ist zwar eine Notwendigkeit der Freiheit, aber nicht das Wesen des freiheitlichen Staates. Die Moralität, aus der die Sittlichkeit erwächst, ist das Charakteristikum der bürgerlichen Persönlichkeit. Die Vorstellung, daß der Staat Hoheitlichkeit auf die Bürger übertrage, ist in einer Republik absurd, weil der Staat nichts anderes ist als die Allgemeinheit der Bürger in ihrer Bürgerlichkeit oder die allgemeine Sittlichkeit, sei es aus Moralität oder sei es vom Staat erzwungen. 2. Die Hoheitlichkeit soll von der Staatsgewalt abgeleitet sein 1237 . Wegen dieser staatlichen Hoheitlichkeit, die mit der staatlichen (öffentlichen) Aufgabe

1232

Dazu K.A. Schachischneider, Res publica res populi, S. 211 f f , 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap, III; vgl. 2. Teil, 2. Kap. 1233 Hinweise in Fn. 1224. 1234 H. Quaritsch, Wiedervereinigung in Selbstbestimmung, HStR, Bd. VIII, 1995, § 193, Rdn. 42; H. Bethge, Das Staatsgebiet des wiedervereinigten Deutschlands, HStR, Bd. VIII, 1995, § 199, Rdn. 3 f.; K.A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialisitische Schulden nach der Revolution, S. 50 f f , insb. S. 78 ff. 1235 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 f f , 374 f f , 378 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VI, VII, 8. Kap, III. 1236 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 940 ff.; J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 91 ff.; weitere Hinweise in Fn. 1255. 1237 Grundlegend G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 430.

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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verbunden sei, w i r d die körperschaftliche Selbstverwaltung jedenfalls der Berufsstände (insbesondere zu Lasten des Grundrechtsschutzes) ebenso wie die Tätigkeit der Beliehenen als mittelbare Staatsverwaltung dogmatisiert. 1 2 3 8 Das Problem all dieser Lehren ist das Dogma von der vermittelten Hoheitlichkeit oder eben das Dogma von der vermittelten Staatlichkeit dieser berufsständischen Selbstverwaltung und dieser (institutionell) privaten Tätigkeit des Beliehenen oder die Hoheitlichkeit oder die Eingliederung i n die Staatsverwaltung, welche das Bundesverfassungsgericht und die dem Gericht folgende Lehre aus den öffentlichen Aufgaben der Körperschaften schließt 1 2 3 9 . Diese Eingliederung läßt sich jedoch in einer Republik, die demokratisch sein muß, nicht bewirken, unabhängig von der Bewirkungsart. Die Dogmatik der von der Staatsgewalt abgeleiteten Hoheitlichkeit der Beliehenen oder der Selbstverwaltungskörperschaften geht auf die Lehre Georg Jellineks zurück, daß „Herrschergewalt" der „ d e m Staate eingegliederten Verbände" ausschließlich „nicht ursprüngliche, sondern abgeleitete Gewalt" s e i 1 2 4 0 . Eine besondere Dogmatik vertritt Winfried

1238 Prononciert (für Körperschaften im materiellen Sinne) D. Mronz , Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 151 ff.; vgl. K. Stern , Staatsrecht II, S. 791, auch ders , Staatsrecht I, S. 337, 402; meist berufen sich die Vertreter dieses Dogmas auf E. Forsthoff Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931, S. 3, 11; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl. 1966, S. 478, 487 f f , der jedoch die „öffentlichen Körperschaften" aus der „mittelbaren Staatsverwaltung44 ausgeklammert hat; kritisch F. Lerche , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83, S. 25, Fn. 50; E. Becker , Kommunale Selbstverwaltung, in: K.A. Bettermann/H.C. Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. IV, 2, S. 697 ff.; E.R. Huber , Selbstverwaltung der Wirtschaft, S. 40 f.; J. Salzwedel , VVDStRL 22 (1965), S. 223 f f , für die „gesellschaftliche Selbstverwaltung" etwa der Krankenkassen, Handwerkskammern; R. Hendler , Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, S. 295 f f ; für die echte Selbstverwaltung, die auf Freiheit beruhe, auch G. Haverkate , Verfassungslehre, S. 345 f , 383 f f , nicht unkritisch auch M. Kleine-Cosack , Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 56 f f , aber mittelbare Staatsverwaltung, soweit Hoheitsfunktionen (?), nicht bei „reiner Interessenwahrnehmung 44 (?); G.F. Schuppert , Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten - Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung, 1981, S. 99 f f , 106, 162 f f , 182 f , vertritt die „Doppelnatur 44 der „interessenvertretenden Körperschaft 44 zwischen mittelbarer Staatsverwaltung und Interessenverband, ohne dogmatische Schlüsse zu ziehen; ders , a.a.O., S. 99 f f , 162 f f , erörtert (im wesentlichen aus amerikanischen Studien referierend) soziologische Aspekte der berufsständischen Verwaltung als „private government" und stellt eine Tendenz zu „Zunft- und Gildenbildung44 und zu einem „staatlich anerkannten, wenn nicht halbstaatlichen Status44 fest; gestützt auf K. J. Bieback ; Die öffentliche Körperschaft, S. 315 ff.; E.R. Huber , Selbstverwaltung der Wirtschaft, S. 21; (mit Verweis auf Baron: „Kooperationsorgan von Staat und Gesellschaft 44); vgl. auch J. Basedow, Die Industrie- und Handwerkskammern - Selbstverwaltung zwischen Staat und Verbandswesen, BB 1977, 366 ff.; dazu auch M Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 66 ff. 1239

Dazu 2. Teil, 2. und 3. Kapitel, Hinweise in Fn. 1005 ff.; insb. BVerfGE 73, 301

(315 ff.). 1240

Allgemeine Staatslehre, S. 430; ders., System des subjektiven öffentlichen Rechts, S. 283 mit Hinweisen; dazu kritisch, aber unentschieden, M. Kriele , Einführung in die Staatslehre, S. 485 ff.; richtig unterscheidet J. Salzwedel, VVDStRL 22 (1965), S. 223 f , die „wirkliche mittelbare Staatsverwaltung" als „Verwaltung staatlicher Auf-

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

Brohm. Er lehrt, „die öffentlich-rechtliche Rechtsform" beinhalte „die Verleihung einer Hoheitskompetenz", wodurch die Organisation „im funktionalen Sinne" nicht in „einem formal-organisatorischen Sinne" dem Staat „angegliedert" oder „eingegliedert" werde 1241 . Brohms Lehre fuhrt nicht zur institutionellen Staatlichkeit der Körperschaften, sondern hat Nähe zur hier vertretenen funktionalen Staatlichkeit der privatheitlichen Selbstverwaltung wie Handlungen der Privaten überhaupt und damit auch der Handlungen der Beliehenen. 3. Das Grundgesetz kennt die Übertragung von Hoheitsrechten in seiner Integrationsverfassung, nämlich in Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG zur „Verwirklichung eines vereinten Europas" und in Art. 24 GG auf „zwischenstaatliche Einrichtungen" (Abs. 1) und auf „grenznachbarschaftliche Einrichtungen" (Abs. la). Es kennt in Art. 24 Abs. 2 GG die „Beschränkung von Hoheitsrechten", „die eine freiheitliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern". Diese Hoheitsrechte sind Rechte zur Ausübung der Staatsgewalt, also staatliche Befugnisse 1242 , welche mit der Staatsgewalt nicht identifiziert werden dürfen. Die Übertragungsakte durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschafts Verträgen nach Art. 24 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG haben die Integration der gemeinschaftlichen Organe in die Organisationsverfassung Deutschlands und zugleich die Befugnisübertragung auf diese Gemeinschaftsorgane bewirkt 1 2 4 3 . Diese integrationsrechtliche Dogmatik ist streitig 1244 , keinesfalls kann aber die Staatsgewalt selbst übertragen werden; denn diese ist unübertragbar, wie im Folgenden dargelegt wird.

gaben" von der „gesellschaftlichen Selbstverwaltung" als „eigenverantwortlicher Verwaltung eigener öffentlicher Aufgaben". 1241 Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 133 f f , 144 f f , 202 f f , 243 f f , 251 ff. (Zitate S. 155). 1242 KA. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 94 ff.; i.d.S. vgl. BVerfGE 89, 155 (186 f.); vgl. auch E.-W. Böckenförde,, Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 25; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 154 f , 209 f f ; P. Kirchhof Europäische Einigung und der Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland, in: J. Isensee (Hrsg.), Europa als politische Idee und als rechtliche Form, 1993, S. 79. 1243 KASchachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 97 f f , 103; ders., Die Republik der Völker Europas, S. 159 ff.; auch ders./A. Emmerich-Fritsche/Th.C.W. Beyer, JZ 1993, 757 f. 1244 Dazu a.A. BVerfGE 22, 293 (296); 37, 339 (367); nicht eindeutig BVerfGE 89, 155 (175, 190), aber Dogmatik vom „Rechtsanwendungsbefehl", also von einer eigenständigen Gemeinschaftsrechtsordnung; so auch P. Kirchhof HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 45, 69 („anderes Recht"); ders. aber eher im Sinne des Textes, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 44 f , 99, 100 f.; H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 60 f f , 290, 295 f , 736 ff.; ders., Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, 1992, § 181, Rdn. 58 f. („unterschiedliche Rechtsmassen"); G. Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 81 („Nebeneinander zweier Rechtsordnungen"); Th. Oppermann/C. B. Classen, Europäische Union - Erfüllung des Grundgesetzes, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/93, S. 11 f. („nichtdeutsche Hoheitsgewalt").

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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Die Staatsgewalt des Volkes als solche ist nicht übertragbar 1245 ; denn sie wird nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG „vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt." Die Staatsgewalt bleibt somit Sache des Volkes, das sie sogar selbst ausübt, sei es unmittelbar oder mittelbar durch seine Orga-

IV. Staatlichkeit des Volkes als dessen rechtliche Gesetzlichkeit 1. Die Staatsgewalt ist die allgemeine Gewalt der Bürgerschaft 1247 ; denn res publica res populi. Die Staatsgewalt ist nicht von der Bürgerschaft und der Bürgerlichkeit zu trennen. Bürgerlichkeit ist allgemeine Freiheit 1248 . Freiheit ist selbstbestimmtes Handeln, also Handeln in freier Willkür oder Handeln unabhängig von anderer nötigender Willkür, also unabhängig von Herrschaft, ausschließlich bestimmt durch das Sittengesetz1249. Bürgerliche Freiheit als allgemeine Freiheit ist somit allgemein bestimmtes Handeln. Freies Handeln setzt damit allgemeine Gesetze voraus; denn die allgemeinen Gesetze verwirklichen die Freiheit aller 1250 . Bürgerlichkeit heißt somit Handeln in allgemeiner Gesetz-

1245

Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, ed. Brockard, 1986, 2. Band, l . K a p , S. 27; Kant, Metaphysik der Sitten, S. 465; KA. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 95 f.; 105; ders, Die Republik der Völker Europas, S. 161 f f , 165 ff.; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 3, III. 1246 Dazu allgemein K Stern, Staatsrecht I, S. 592 f f , 604 ff.; ders., Staatsrecht II, S. 20 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR, Bd. I, § 22, Rdn. 1 ff.; P. Badura, HStR, Bd. I, § 23, Rdn. 27 f f ; vgl. auch KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 17 f f ; auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 270 ff. 1247 E.-W. Böckenförde, Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 79; P. Häberle, Föderalismus, Regionalismus, Kleinstaaten - in Europa, Die Verwaltung 25 (1992), S. 13; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff.; ders, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 76; ders, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 53 f. 1248

KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 184 f f , 211 f f , auch S. 275 f f , 325 f f , 410 f f , 427 f f , 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, IV, 5. Kap, II, IV, 7. Kap, III. 1249 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 f f , 211 f f , 275 f f , 325 f f , 410 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, V, VI, VII, 5. Kap, II, 2, 8. Kap, II, III. 1250 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 124 f f , 145 f f , 153 f f , 275 f f , 494 f f , 519 f f , 637 f f , 858 f f , 978 f f , 990 f f , 1027 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II, 3, IV, 7. Kap, I, 3; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 19 f f , 25 f f , 98 ff.; i.d.S. auch J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 126 f f , 174 a.E.; P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 146; W. Maihofer, Die Legitimation des Staates aus der Funktion des Rechts, ARSP Beiheft Nr. 15, 1981, S. 22 ff.; ders., HVerfR, § 12, Rdn. 65 f , S. 464 ff.; grundlegend Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 84 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 365 f , 429 f.; ders., Zum ewigen Frieden, S. 203 f f ; ders., Über den Gemeinspruch, S. 143 f f ; Hobbes, Leviathan, S. 151 f f , 155 f , 160; J. Locke, Über die Regierung, S. 74 f f , 101 f.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

lichkeit 1251 . Die Gesetze müssen um der Freiheit willen dem Recht genügen 1252 . Verwirklichte Rechtlichkeit ist die Staatlichkeit 1253 . Diese Rechtsstaatlichkeit aber verwirklicht sich im freien Handeln der Bürgerschaft, im gesetzlichen Handeln aller Bürger als des Staates im weiteren Sinne einschließlich des Staates im engeren Sinne. Die Gesetzlichkeit bürgerlichen Handelns gehört somit zur Staatlichkeit des Staates; denn legales Handeln der Bürger verwirklicht die allgemeine Gesetzlichkeit, also die allgemeine Freiheit und damit das Staatliche, wenn das Recht gewahrt ist 1 2 5 4 . Diese Bürgerlichkeit erübrigt durch den eigenen Gesetzesvollzug der Bürger den Gesetzesvollzug durch die vollziehende Gewalt des Staates. Nach aller Erfahrung kann kein Staat seine wesentliche Aufgabe, die allgemeine Gesetzlichkeit als die allgemeine Freiheit zu verwirklichen, erfüllen, wenn nicht die Bürger durch die Legalität ihres Handelns durch ihren, wie meist gesagt wird, Gesetzesgehorsam, also durch ihre Freiheitlichkeit die Bürgerlichkeit als die Rechtlichkeit herstellen 1255 . Die Legalität, die auf bürgerlicher Moralität gründen sollte (Handle pflichtmäßig, aus Pflicht, Kant 1256), die aber auch der allgemeinen Gesetzlichkeit und der allgemeinen

1251

KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 f f , 370 f f , 378 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, 2, 3, 8. Kap, II, III. 1252 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 f f , 519 f f , 567 f f , 819 f f , auch: S. 978 f f , 990 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, I, 7. Kap, III, M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe; ders. (O.Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 9 ff. (gegen den Rechtspositivismus; dazu: R. Dreier, Der Begriff des Rechts, in: ders, Recht-Staat-Vernunft, 1991, S. 95 ff.); Kant, Metaphysik der Sitten, S. 431, spricht von „Rechtsgesetzen"; i.d.S. auch BVerfGE 34, 269 (287). 1253 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, I. 1254 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 270 f , 378 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, III. 1255 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 837 ff.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 12. Aufl. 1994, S. 47 f , 54; zum Gesetzesgehorsam als Grundpflicht der Bürger H. Hofmann, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, VVDStRL41 (1983), S. 62 f , 66 f.; R. Stober, Grundpflichten und Grundgesetz, 1979, S. 28 ff.; H. Bethge, Grundpflichten als verfassungsmäßige Dimension, NJW 1982, 2150; O. Luchterhandt, Grundpflichten als Verfassungsproblem in Deutschland. Geschichtliche Entwicklung und Grundpflichten unter dem Grundgesetz, 1988, S. 560; Ch. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 27 f f , 31 f , 52; G. Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 83 f f , 90 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 270, 288 f f , auch S. 311 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII; für Kants Pflichtethik etwa, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 22 f f , 26 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 323 f f , 326 f f , 517, 521, 523; dazu R. Dreier, Recht-Moral-Ideologie, Studien zur Rechtstheorie, 1981, S. 293 f , 301 f.; Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 23, 116, Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, ed. Weigand, Reclam 1965, S. 25, 250 ff.; J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 386 f f , 392 ff.; zum Zwangsprinzip des Rechts KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S.545 f f , 553 ff. 1256 Metaphysik der Sitten, S. 521; dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 288 f.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII.

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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Freiheit dient, wenn sie lediglich dem Zwang entgehen w i l l 1 2 5 7 , ist Staatlichkeit bürgerlichen Handelns 1258 , hat also Teil an der Verwirklichung des allgemeinen Willens des Volkes, des Staatlichen also. Als unmittelbare Bürgerlichkeit erübrigt sie den Einsatz von äußerer Gewalt des Staates. Diese Bürgerlichkeit ist entweder Wirkung des Zwanges (der Drohung mit Gewalt, der inneren Gewalt nämlich) oder Wirkung der Moralität. Aus Moralität gehorcht die Legalität der inneren Verbindlichkeit der Freiheit, der Sittlichkeit, dem Selbstzwang also 1259 . Als Vermeidung des äußeren Zwangs ist die Legalität Wirkung der zwangsbewehrten Gesetzlichkeit. Im Selbstzwang wirkt gewissermaßen die innere Gewalt des Bürgers, im äußeren Zwang die äußere Staatsgewalt, welche Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG regelt. Zur Freiheit gehört die innere Freiheit, die Moralität der Sittlichkeit, als guter Wille zur Sittlichkeit, also der Selbstzwang zur Legalität, die innere Gewalt, die nichts anderes ist als die praktische Vernünftigkeit 1260 . Die allgemeine Bürgerlichkeit verwirklicht sich bestmöglich durch diese innere Gewalt, die in der Legalität bürgerlichen Handelns ihre Wirklichkeit hat. Die allgemeine Bürgerlichkeit ist freiheitliche Sittlichkeit 1261 . Sie ist unmittelbare Staatlichkeit der Bürger. Die innere Gewalt ist nicht aus sich heraus gesichert, weil das die allgemeine Moralität voraussetzen würde. Um die Legalität, ohne die es keine äußere Freiheit, nämlich keine Unabhängigkeit von anderer nötigender Willkür (von Herrschaft also) 1262 gibt, sicherzustellen, bedarf es der Drohung mit Zwang und gegebenenfalls des Einsatzes des Zwanges 1263 . Kant lehrt: „Das Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden." 1264 Demgemäß

1257 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 338 f , auch S. 365 f.; ¿ers. Über den Gemeinspruch S. 144 f , 148; so auch Hobbes, Leviathan, S. 151 f f ; Locke, Über die Regierung, S. 103 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 306 f f , 311; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII. 1258 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f , vgl. auch die folgenden Hinweise in Fn. 1252 f f , auch Fn. 210. ]25 9

Kant, Metaphysik der Sitten, S. 318, 508 f f , 515 f f , 519 f f , 572 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 203; dazu R. Dreier, Recht-Moral-Ideologie, S. 301; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 215, 230 f , 306; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII. 1260 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII. 1261 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 f f , 211 f f , 275 f f , 325 f f , 410 f f , 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII. 1262 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345; dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 f f , insb. 290 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, VI, 5. Kap, II, 2. 1263 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 553 ff.; K. Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, 1949, S. 202; W. Maihofer, Die Legitimation des Staates aus der Funktion des Rechts, S. 17 f.; i.d.S. auch G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 430; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 838 f.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 47 f f , 52 ff.; J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 74 ff.; V. Götz, HStR, Bd. III, § 79, Rdn. 29; vgl. auch M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, ed. Johannes Winckelmann, 5. Aufl. 1972, S. 22 f f , 29 f , 31.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

wird vielfach und zu Recht ein Essentiale der Staatsgewalt im Recht zu zwingen gesehen 1265 . 2. Nach Kant liegt es „a priori in der Vernunftidee", in einen „Zustand" zu treten, in dem ein „öffentlich gesetzlicher äußerer Zwang" besteht, der „bürgerliche Zustand", der den „Zustand der Rechtlosigkeit" überwindet 1266 . Dieser Zustand ist der Staat; denn der Staat ist nach Kant „die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen"1267. Rechtsgesetze sind nicht nur durch ihre allgemeine Gesetzlichkeit als allgemeiner Wille der Bürgerschaft gekennzeichnet 1268 , sondern durch ihre Verbindlichkeit, d.h. dadurch, daß die Gesetzlichkeit hinreichend gesichert ist. Erst die Wirklichkeit der allgemeinen Gesetze, die Gesetzlichkeit also, verwirklicht die allgemeine Freiheit. Dementsprechend verfügt die Einrichtung, welche die allgemeine Gesetzlichkeit verwirklicht, jedenfalls verwirklichen soll, der Staat also, über Gewalt, welche die Zwangsmöglichkeit und die Zwangsbefugnis einschließt. Diese Staatsgewalt ist die Gewalt der unter Rechtsgesetzen vereinigten Menge von Menschen, die vereinigte Gewalt der Bürgerschaft, des Volkes also. Die Staatsgewalt geht nicht nur vom Volk aus, wie auch Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verwirrend formuliert, und wird „für das Volk" ausgeübt, eine Herrschaftskonzeption 1269, sondern ist die verfaßte Gewalt des Volkes. Sonst wäre sie vom Volk verselbständigt und könnte nicht, wie das Absatz 2 dieses Artikels in Sinnes des Satzes res publica res populi regelt, vom Volk unmittelbar oder mittelbar durch dessen Organe ausgeübt werden 1270 . Die Staatsgewalt ist (um des Rechts willen) die

1264 Metaphysik der Sitten, S. 338 f , 464, 527; ders., Über den Gemeinspruch, S. 144, 169; J Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 266 f.; W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 29 f f ; J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 45 f f ; auch Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 21; dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 553 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, S. 123 ff. 1265 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 427 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 838 f f ; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 52 f. 1266 Metaphysik der Sitten, S. 430 f. 1267 Metaphysik der Sitten, S. 431; so auch in der Sache Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 210; J. Locke, Über die Regierung, S. 76; W. Maihofer, HVerfR, §12, Rdn. 51, 60, 65, 70, 120, S. 454, 461, 465, 468, 501; ders, Die Legitimation des Staates aus der Funktion des Rechts, S. 22 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff (insb. S. 17), S. 519; ders.(O.Gast) Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 f f , insb. S. 30; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 3, auch § 4,1, III, IV; zu Kants Staatsbegriff W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 258 ff. 1268 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 f f , 637 f f , 707 f f , auch S. 275 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, 2, IV, 1. Kap, III. 1269 Dazu K Stern, Staatsrecht I, S. 592 f f , 604 ff.; ders, Staatsrecht II, S. 20; E.-W. Böckenförde, HStR, Bd. I, § 22, Rdn. 2 f.; P. Badura, HStR, Bd. I, § 23, Rdn. 27 ff.; vgl. auch M. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 53 f f , 59 f.; auch J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 161 ff.; dazu kritisch, KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 18 f f , zur Kritik der Herrschaftslehre, S. 71 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap. 1270 Grundlegend: Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 27 f.; Kant, Metaphysik der Sitten, S. 431 f f ; vgl. K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 17.

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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Gewalt des Volkes, welche als solche nur verfaßt bestehen und nur organisiert ausgeübt werden kann. „Alle jene drei Gewalten sind ... Staatswürden. Sie enthalten das Verhältnis eines allgemeinen Oberhaupts (der nach Freiheitsgesetzen betrachtet, kein anderer als das vereinigte Volks selbst sein kann) zu der vereinzelten Menge eben desselben als Untertans d.i. des Gebietenden (imperans) gegen den Gehorsamenden (subditus)." Kant 121.

Somit ist die Staatsgewalt die Gewalt des durch allgemeine Gesetze des Rechts zur Verwirklichung des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit 1272 verbundenen Volkes, die Gewalt des Volkes, die Gewalt des Volkes nämlich, welches apriorisch durch eine Verfassung der Freiheit verbunden und darum Staat im weiteren Sinne ist 1 2 7 3 . Der Staat im engeren Sinne ist damit die Einrichtung des Volkes (Staat im weiteren Sinne), welche die Verfassung der Freiheit durch das Recht, materialisiert durch allgemeine Gesetze, zu verwirklichen hat und darum auch mit Befugnissen ausgestattet sein muß, die das Recht zu erzwingen erlauben; denn es gibt keine Freiheit ohne Gesetze und unter Menschen keine Gesetzlichkeit ohne Zwang 1 2 7 4 . Um der allgemeinen Gesetzlichkeit willen bedarf es der drei Funktionen des Staates, der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung. Diese drei Funktionen dienen der Verwirklichung der allgemeinen Freiheit 1275 . Sie sind in der Republik nach Kant drei Gewalten oder Würden 1276 oder wegen der Einheitlichkeit der Staatsgewalt des Volkes drei (gewaltenteilige) Funktionen 1 2 7 7 , welche nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG von unterschiedlichen Organen ausgeübt werden. Ausweislich dieser Vorschrift hat die Staatsgewalt die Gesetzlichkeit sicherzustellen, d.h. durch allgemeine Gesetze Recht zu setzen 1278 , 1271 Metaphysik der Sitten, S. 434, vgl. auch 464: „ ... so repräsentiert das vereinigte Volk nicht bloß den Souverän, sondern es ist dieser selbst; denn in ihm (dem Volk) befindet sich ursprünglich die oberste Gewalt, von der alle Rechte der einzelnen , als bloßer Untertanen (allenfalls als Staatsbeamten) abgeleitet werden müssen,..." 1272 Zu diesem Staatszweck Hinweise in Fn. 49, 78. 1273 KA. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 f f , 50 ff. 1274 KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 553 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII; J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 74 ff.; V. Götz , HStR, Bd. III, § 79, Rdn. 29, weitere Hinweise in Fn. 1192 f.; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, in: KA. Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 123 ff. 1275

Kant , Metaphsyik der Sitten, S. 431 ff.; KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 17 f f , näher S. 519 f f , 637 f f , 819 ff. 1276 Metaphysik der Sitten, S. 431 ff. 1277 K. Stern , Staatsrecht I, S. 792 ff.; ders., Staatsrecht II, S. 521 f. mit Fn. 50; R. Zippelius , Allgemeine Staatslehre, S. 299 f f ; K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 168 ff. (170), auch S. 1027 ff.; ders , Prinzipien des Rechtsstaates, S. 9 f f , 23 f f , 35 f f , 45 f f , 54 f f , 66 ff.; schon G. Jellinek , Allgemeine Staatslehre, S. 595 ff. 1278 Zur Rechtsetzung in der Republik K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 519 f f , 560 f f , 584 f f , auch S. 637 f f , 819 ff.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

dieses Recht zu vollziehen, notfalls mit Zwang, 1279 und streitiges Recht verbindlich zu klären 1280 . Diese Funktionen definieren zugleich den Begriff der Staatsgewalt. Weil Zweck der Staatsgewalt die Verwirklichung der allgemeinen Freiheit ist, kann sie nicht als Herrschaft begriffen werden 1281 , obwohl sie des Zwanges nicht entraten kann 1 2 8 2 . Herrschaft und Freiheit sind unvereinbar; denn Herrschaftlichkeit hebt die Bürgerlichkeit der Bürger auf, weil sie schon begrifflich das Gegenteil der Freiheit ist, nämlich nötigende Willkür, somit Gewalt ohne Recht, Despotie 1283 . Herrschaftliche Ordnung ist nicht schon allgemeine Gesetzlichkeit (also Materialisierung von Recht), welche(s) die allgemeine Freiheit verwirklicht 1284 . 3. Gewalt kommt von walten (lateinisch: valere - stark sein, Wirkung haben), wie auch die Worte Verwaltung, Amtswalter u. a. zeigen. Jeder Mensch verfügt über Gewalt; denn er ist frei und kann handeln 1285 . Nur im Handeln ist der Mensch frei. Die Gewalt (ein Rechtsbegriff) des Menschen ist somit nicht spezifisch seine Freiheit, sondern seine Möglichkeit (rechtlich und faktisch) zu handeln, seine Kraft, seine Vermögen, seine Macht. Das Handeln ist Zwecksetzung und Zweckvollzug. Die Maximen der freien Willkür bestimmen mit dem Handlungszweck die Handlung. Die Freiheit ist somit nur eine Kategorie des Handelns. Wer handeln kann, hat Gewalt. Wer handeln darf, hat rechtens Gewalt. Wer handelt, übt Gewalt aus; denn Gewalt üben heißt etwas bewirken. Handeln hat Wirkung, weil es frei ist (d.h. nicht determiniert). Die Gewalt sind die Handlungs- und (damit) Wirkungsmöglichkeiten. Wirkung zwingt, weil sie die Wirklichkeit ändert. Freies Handeln setzt aber notwendig einen Willen, wegen der vernunftphilosophischen (transzendalphilosophischen) Kausalität freien Handelns ein Gesetz, zumindest das moralische Gesetz, das Sittengesetz, voraus; denn Freiheit ist Autonomie des Willens 1 2 8 6 . Die Staatsgewalt als Ge-

1279

Zum Zwangsprinzip des Gesetzesvollzugs K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff.; Hinweise in Fn. 1192 f. 1280 Zur Rechtsklärungsfunktion der Rechtsprechung K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 872 f f , 885 f f ; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 142 f f ; K.A. Bettermann, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 18 f f , 27 f f , 38 ff. 1281 So aber fast die gesamte Staatsrechtslehre in Deutschland, vgl. Fn. 1156, 1163, 1179; dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff. mit Hinweisen in Fn. 4 auf S. 72. 1282 Dazu die Hinweise in Fn. 1190 f. 1283 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 f f , insb. S. 124 f f , S. 153 ff. 1284

K.A. Schachtschneider

(O.Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution,

S. 98. 1285 Dazu und zum Folgenden K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 297 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, II, 5. Kap, II, 6. Kap, II. 1286 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 81, 86, 88 f.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 144 f f ; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 f f , 325 f f , 410 f f , 427 f f , passim; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap, VII;

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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walt des Volkes ist die gemeinschaftliche Gewalt der Bürger, die Gewalt der (ihrem Begriff nach) verfaßten Bürgerschaft. Die gemeinschaftliche Gewalt ist die durch die Gesetze (gemäß der Verfassung und dem Verfassungsgesetz) vergemeinschaftete Gewalt, ohne daß die ganze Gewalt der Bürger vergemeinschaftet wäre; denn die Bürger sind nicht total verstaatlicht, sondern bleiben bestmöglich privat 1 2 8 7 . 4. Die Ausübung der Staatsgewalt des Volkes ist somit Handeln (Walten) des Volkes. Der allgemeine Wille des Volkes, die volonté générale, liegt im allgemeinen Gesetz beschlossen. Dieser allgemeine Wille bedarf des Vollzugs. Zunächst wird der allgemeine Wille durch alles legale, also freie Handeln der Bürger vollzogen 1288 . In diesem Vollzug ist die Ausübung der Staatsgewalt dadurch realisiert, daß alle Bürger in ihrem freien, also legalen Handeln Gewalt üben. Die Bürger üben Staatsgewalt im weiteren und unmittelbaren Sinne, sie handeln in funktionaler Staatlichkeit, vergemeinschaftet in der politischen Willensbildung durch die allgemeinen Gesetze und (notwendig) vereinzelt im Vollzug des allgemeinen Willens, der jeweiligen besonderen Handlung. Soweit die Legalität der Erzwingung des Handelns durch den Staat im engeren Sinne (quasi der staatsorganschaftlichen Ersatzvornahme) bedarf, handelt für den unbürgerlichen Bürger (den ungehorsamen Untertan) der Staat im engeren Sinne, die Allgemeinheit der Bürger durch ihr zuständiges Organ nämlich, die vollziehende Gewalt. Diese Erzwingung geschieht ultima ratio 1 2 8 9 . Der Staat im engeren Sinn vollzieht aber darüber hinaus in weiteren Bereichen die Gesetze selbst, etwa der Lehrer unterrichtet. Der Staat im engeren Sinne handelt im übrigen über den Gesetzes Vollzug hinaus, etwa als Unternehmer, ultra vires 1290 . Dieses Staatshandeln übt institutionell Staatsgewalt aus. Die Staatsgewalt im engeren Sinne ist somit das gesetzliche, also freie, Handeln der Bürgerschaft insgesamt, welches die Bürgerschaft nur durch Vertreter verwirklichen kann. Dabei sind die Willensbildung des Volkes und der Willensvollzug des Volkes aus Gründen des Rechts (gewaltenteilige Funktionenordnung) getrennt 1291 . Rechtlich handeln alle Bürger, wenn der Staat im engeren Sinne handelt und wie bei jedem Handeln Gewalt (aus)übt. Der Wille, der im staatlichen Handeln ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 138 ff.; W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 92 ff. 1287 Zum Privatheitspinzip 3. Teil. 1288 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 f f , 378 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 5. Kap, III, 1, 8. Kap, I, II, III. 1289 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 555; D. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 30 f.; ders, Konstruktionsprinzipien staatlicher Gewalt im Verfassungsstaat der Bundesrepublik, in: A. Randelzhofer/W. Süß (Hrsg.), Konsens und Konflikt: 35 Jahre Grundgesetz, Vorträge und Diskussionen einer Veranstaltung der Freien Universität Berlin vom 6.-8.12.1984, 1986, S. 329 f f , 331 f f , 335. 1290

KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 ff.; ders, Res publica res populi, S. 452.; zur ultra-vires-Lehre Hinweise in Fn. 271, 835. 1291 Hinweisein Fn. 82, 1277.

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

vollzogen wird, ist aber der allgemeine Wille der Bürgerschaft, nämlich das Gesetz 1292 . Staatsgewalt im engeren Sinne wird somit von einzelnen Menschen, von Amtswaltern, stellvertretend als Organwalter des Volkes, als mittelbarer Vollzug der Bürgerschaft (Ausübung der Staatsgewalt) ausgeübt. Diese Amtswalter vollziehen den allgemeinen Willen des Volkes, indem sie vollziehen, was das Volk ausweislich des Gesetzes will. Sie sind vom Volk für diesen Dienst, den Staatsdienst nach den republikanischen Prinzipien des Art. 33 GG berufen. Das schließt ihre persönliche Verantwortlichkeit nicht aus ( § 3 8 1 BRRG). Aber auch das Volk ist für das Handeln seiner Organe verantwortlich (argumentum e Art. 34 GG u.a. 1293 ). V. Hoheitlichkeit als Handlungsmöglichkeiten des zum Staat verfaßten Volkes Der Staat (im engeren Sinne) darf sich nicht vom Volk lösen, wenn nicht die Republik als das Gemeinwesen der allgemeinen Freiheit zerstört und eine Herrschaft von Menschen über Menschen, also eine Despotie, errichtet werden soll 1 2 9 4 . Das Volk und seine staatlichen Organe sind eine untrennbare Einheit 1 2 9 5 , solange nicht die Republik in eine demokratistische Despotie pervertiert ist, wie im Parteienstaat 1296. Die Staatsgewalt kann somit von der Bürgerschaft und der Bürgerlichkeit, organisiert im bürgerlichen Verfassungsgesetz als Materialisierung der Verfassung der Freiheit 1297 , nicht getrennt werden. Sie ist nicht übertragbar, schon gar nicht von den durch das Verfassungsgesetz geschaffenen Organen der Vertretung des ganzen Volkes. Jede Dogmatik, welche die Ausübung der Staatsgewalt durch andere Einrichtungen als den Organen des Volkes im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zu rechtfertigen versucht (auf-

1292 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 f f , 637 f f , 707 ff, insb. 718 f f ; vgl. auch ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap, II, 2, 3, 7. Kap, III. 1293 Dazu W. Rüfner, Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, §48, S. 585 ff. 1294 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff.; vgl. auch ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff. 1295 Einheit setzt Unterschiedlichkeit voraus. Körper und Organe, Volk und Staat (im engeren Sinn) sind nicht identisch, wie die demokratische Ideologie von der Identität von Herrschern und Beherrschten, Regierenden und Regierten, Befehlenden und Gehorchenden suggerieren will (C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 234; kritisch K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 737 f f , auch S. 101 f f , nicht unkritisch E.-W. Böckenförde, HStR Bd. I, § 22, Rdn. 49). 1296 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 45 f , 772 f f , 1045 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 f f ; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 36 f f , 192 ff.; W. Maihofer, Abschließende Äußerungen, HVerfR, Rdn. 7 f f , S. 1701 ff. 1297

K.A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 f f , 50 ff.

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

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grund von Delegation, Verleihung, Beleihung, Ausstattung, Ableitung und wie auch immer), verkennt den Verfassungsstaat, welcher die Einrichtung des Volkes zur Verwirklichung der mit den Menschen geborenen Verfassung der Freiheit ist 1 2 9 8 , die Republik also, von Grund auf, wenn sie lehrt, die Staatsgewalt des Volkes und nicht lediglich staatsgewaltliche Ausübungsbefugnisse (Hoheitsrechte/Kompetenzen) könnten übertragen werden. Die Staatsgewalt läßt sich schon deswegen nicht von der Bürgerschaft trennen, weil in die Staatsgewalt der Wille der Bürgerschaft eingeschlossen ist, der Wille jedes Bürgers also, der sich nicht von seiner Person lösen läßt. Der Staat und die Staatsgewalt sind Eigentum der Bürger, Teil ihrer Personalität, denn: res publica res populi. Hoheit eignet nur dem Volk, Hoheitsrechte können nur Organe des Volkes, die das Volk bei der Staatsgewalt vertreten, also der Staat im engeren Sinne, haben. Das gilt auch für die Organe der Europäischen Union, welche, ermächtigt durch das Grundgesetz, in der Organisation der Staatlichkeit der Völker integriert sind 1 2 9 9 . Die Körperschaften der berufsständischen Selbstverwaltung sind dies jedoch mangels demokratischer Legitimation genausowenig wie die Beliehenen. Die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung, der Staat im engeren Sinne, üben die Staatsgewalt des Volkes lediglich als Organe des Volkes in Vertretung des Volkes aus 1300 . Sie sind nicht die Staatsgewalt und haben diese auch nicht inne. Nicht die Organe der Gesetzgebung etwa schaffen die Verbindlichkeit der Gesetze, sondern der Wille des Volkes 1 3 0 1 , die volonté générale 1302 . Die Gesetzgebungsorgane haben die Materie der Gesetze zu erkennen und zu beschließen. Die Verbindlichkeit der Gesetze folgt ihrer Form 1 3 0 3 , dem allgemeinen Willen des Volkes; denn der Wille 1298 K.A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 f f , 50 ff. 1299 K.A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 f f , insb. S. 92 ff.; ders, Die Republik der Völker Europas, S. 161 f f , 165 f f , auch S. 170 ff.; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 3, III. 1300 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 17 f f , 637 f f , insb. S. 707 ff. 1301 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 707 f f , insb. S. 718 f f , 725 ff.; 730 f f , für die herrschaftliche Dogmatik eines verbindlichen Willens des Parlaments; K Stern, Staatsrecht II, S. 39; H.H. Klein, Aufgaben des Bundestages, HStR, Bd. II, 1987, § 40, Rdn. 2; auch P. Badura, HStR Bd. I, § 23, Rdn. 35 f f , 55 ff.; H. Mayer, Die Stellung der Parlamente in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, in: H.-P. Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 119 ff.; ders, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 38, Rdn. 33, kritisch. 1302

Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 32 f f , 39 f f , 103 f.; so auch C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1923, 4. Aufl. 1969, S. 34, vgl. auch S. 41 ff.; ders, Legalität und Legitimität, 1932, 2. Aufl. 1968, S. 20 ff.; ders, Verfassungslehre, 1928, 4. Aufl. 1965, S. 138 f , insb. S. 156; ders, Der Hüter der Verfassung, 1931, S. 76 f. 1303 Zur Formalität der Ethik als der Lehre von der Freiheit Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 11; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 269 f f .

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4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

gibt die Gesetze, weil der (autonome) W i l l e jedes einzelnen Bürgers keinem der Bürger Unrecht tun kann; denn: volenti non fit i n i u r i a 1 3 0 4 . Wenn die Organe, welche die Staatsgewalt ausüben, die Staatsgewalt auf irgendwelche Einrichtungen

übertragen wollten, müßten sie diese zunächst usurpieren. Das wäre

(dogmatisch) Machtergreifung. Staatsgewalt ist kein Herrschaftsrecht, welches v o m V o l k eingeräumt ist und sich verselbständigt. Herrschaftsrechte können ihrer Eigenart nach v o m Herrscher auf Dritte übertragen werden (weil und soweit das die beherrschten Untertanen nicht verletzt und der Herrscher lediglich seine Rechte schmälert), nicht aber die Staatsgewalt des Volkes, w e i l diese die Bürgerlichkeit der Bürger selbst, deren Handlungsmöglichkeit und Handlungsfreiheit eben, i s t 1 3 0 5 . Die republikanische Organschaftlichkeit des Staates i m engeren Sinne als Vertretung des ganzen V o l k e s 1 3 0 6 widerstreitet der vorrevolutionären (1918) und freiheitswidrigen Herrschaftsdogmatik, welche die Bürger als Untertanen einer Obrigkeit unterwerfen w ü r d e 1 3 0 7 . Die liberalistische Trennung von Staat und Gesellschaft 1 3 0 8 dogmatisiert freilich ein Herrschaftsprinzip, von dem sich der individualistische Liberalismus nicht zu lösen v e r m a g 1 3 0 9 .

286 f f , 318 f f , 332 f f , 356 f f , 410 f f , 509 f f , 978 ff, 990ff, u.ö.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, II, 4. Kap, II, 5. Kap, II, IV. 1304 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432; ders., Zum ewigen Frieden, S. 204 f.; so auch Hobbes, Leviathan, S. 160, 193; ders., De cive, Kap. I-III, in: Hobbes über die Freiheit, edition G. Geismann/K. Herb, 1988, S. 186 f.; Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 35, 40 f f ; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 523, 638 f. u.ö.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 153 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, VI. 1305 I.d.S. schon Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 102 f f , gegen die Vertretung des Volkes als Legislative. 1306 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 707 ff. 1307 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 79 f f , ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap. 1308 Grundlegend Hegel, Rechtsphilosophie, Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Notrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, 1821, §§ 182 f f , S. 192 ff. (dazu M. Riedel, Der Begriff der „bürgerlichen Gesellschaft" und das Problem seines geschichtlichen Ursprungs, 1962/1969, S. 87 ff.); C. Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten, in: ders. Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954, 1958, S. 192; ders., Legalität und Legitimität, S. 27; ders., Hüter der Verfassung, S. 73 f f , 78 f f , 82; E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 21 f.; E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, in FS W. Hefermehl, 1972, S. 395 f f , 407 ff.; ders, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung oder individuelle Freiheit, 1973, S. 32 f.; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 1, Rdn. 45 ff. u. Art. 20 Abs. 2, Rdn. 21; W. Schmitt Glaeser, HStR, Bd. II, § 31, Rdn. 25 ff.; J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 157; ders, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht. Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft, 1968, S. 149 ff.; H. H. Rupp, HStR, Bd. I, §28, Rdn. 27 f.; kritisch K. Hesse, Bemerkungen zur heutigen Problematik und Tragweite der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, S. 493 f.; Ch. Graf v. Krockow, Staat, Gesellschaft und Freiheitswahrung, in: E.-W. Böckenförde (Hrsg.), Staat und Gesellschaft, 1976, S. 460; H. Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 5 f.; ders., „Staat" und „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, 1962, in: E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft,

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut Herbert

291

Krüger hat aus der Einzigkeit der Staatsgewalt den Schluß gezogen,

die Staatsgewalt müsse delegiert werden k ö n n e n 1 3 1 0 . Er hat nicht berücksichtigt, daß es private Gewalt gibt und daß die vermeintliche Hoheitlichkeit Privater der Sache nach eine Frage der Legalität privaten Handelns ist. I m übrigen hat sich auch Herbert

Krüger

von dem Ergebnis, daß es Selbstverwaltung als

mittelbare Staatsverwaltung gebe und darum geben müsse, wie viele, j a die meisten Vertreter der hier kritisierten Dogmatik von der mittelbaren Staatsverwaltung, bestimmen lassen.

V I . Unübertragbarkeit der Staatsgewalt, Übertragbarkeit von „Hoheitsrechten" 1. Übertragbar sind staatliche Kompetenzen 1 3 1 1 . Kompetenzen sind organschaftliche Befugnisse zur Ausübung der Staatsgewalt, also die Hoheitsrechte, welche Art. 23 und Art. 24 G G ansprechen, i m Rahmen insbesondere der Integrationsverfassung Befugnisse zur Gesetzgebung, zur Verwaltung und zur Rechtsprechung 1 3 1 2 . Die Kompetenzübertragung setzt zunächst voraus, daß der Staat die Kompetenz, welche er überträgt, innehat 1 3 1 3 , desweiteren, daß er zu dieser Übertragung ermächtigt i s t 1 3 1 4 , wie etwa durch Art. 23 Abs. 1 S. 2 und Art. 24 Abs. 1 GG. Eine besondere Ermächtigungskompetenz begründet Art.

S. 240 f f , insb. S. 265 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 342 ff.; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 4. Aufl. 1990, S. 309 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 f f ; ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap, II. 1309 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff.; 175 ff.; ders, Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: ders. (Hrsg.), Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch. Festschrift der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nümberg 75 Jahre nach Errichtung der Handelshochschule Nürnberg, 1995, S. 418 ff.; ders, Der republikanische Freiheitsbegriff, S. 829 ff. 1310 Allgemeine Staatslehre, S. 870 ff. 1311 H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht. Eine kritische Studie, 1942, S. 80 f f , u.ö.; für die Delegation U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46 f f , 222 ff. (Beleihung durch Kompetenzübertragung). 1312 Dazu K. Stern, Staatsrecht I, S. 592 f f , 604 ff.; zum Begriff der Kompetenz H.J. Wolff Verwaltungsrecht/2, 3. Aufl. 1970, § 72 I c, S. 14; E.-W. Böckenförde, Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 25 („Hoheitsrechte ... umschreiben die Befugnis (Kompetenz) zur Wahrnehmung einer bestimmten Sachtätigkeit bzw. zur Ordnung und Regelung eines bestimmten Sachbereichs" formuliert für die frühkonstitutionelle Staatslehre) auch S. 300 in Fn. 24; für den Begriff der Hoheitsrechte in Art. 23 und 24 GG i.d.S. auch BVerfGE 89, 155 (184, 186 f.); KA. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 95; Ch. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 24, Rdn. 20 ff.; K. Th. Rauser, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten, 1991, S. 20 f , 72 f. 1313 H. Triepel, Delegation und Mandat, S. 51, 53, 80, für die Delegation; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 47 ff. 1314 H. Triepel, Delegation und Mandat, S. 127, für die Delegation.

292

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

80 GG, der den Bundesgesetzgeber befugt, in gewissen Grenzen die Bundesregierung, einen (oder mehrere) Bundesminister oder eine Landesregierung zu ermächtigen, Rechtsverordnungen zu erlassen 1315 . 2. Der Staat hat die Möglichkeit etwa zur Vermessung nicht und will sich diese, wenn er Vermessungsingenieure bestellt, auch gar nicht schaffen. Diese Möglichkeit haben vielmehr die (freiberuflichen) Vermessungsingenieure. Diese haben kraft ihrer Berufsfreiheit auch die Berechtigung zur Vermessung, nämlich die, ihren berechtigten Beruf auszuüben. Wenn der Staat die Befugnis, Vermessungstätigkeiten auszuüben, an sich zieht, nimmt er sie den (privaten) Vermessungsingenieuren (und verletzt diese in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG 1 3 1 6 ), um diese uno actu mit den Vermessungsaufgaben zu beleihen. Ein solches Gesetz dient ausschließlich der formalen Verstaatlichung des Vermessungswesens, zum verfassungswidrigen Zweck, nämlich die sonst nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Berufsfreiheit zu bewirken, weil dadurch ohne jede substantielle Veränderung die beliehenen Vermessungsingenieure staatlich gebunden werden und ihr Status, insbesondere der Berufszugang, von Art. 33 GG (mit)bestimmt wird 1 3 1 7 . Die Fiktion, daß der Staat Befugnisse in dem Gesetz, durch welches er sie den Beliehenen überträgt, zunächst an sich gezogen habe, um sie zu staatlichen Kompetenzen zu machen und sie uno actu an die Beliehenen zu übertragen, um deren Angelegenheiten es an sich geht 1318 , ist ein absurdes Konstrukt, welches die irrige Dogmatik retten soll. Winfried Brohm dogmatisiert denn auch die öffentlich-rechtliche Rechtsform als eine „Verleihung" einer Hoheitskompetenz 1319 . Diese aber ist nicht möglich, weil Kompetenzen, also Hoheitsrechte des Staates, nur auf das Verfassungsgesetz gestützt werden können. Die Organe des Volkes zur Ausübung der Staatsgewalt (der Staat im engeren Sinne) können (kann) keine Hoheitskompetenzen durch „Verleihung" begründen, weil ihnen (ihm) eine solche Verleihungskompetenz (Lehensmacht) vom Grundgesetz nicht eingeräumt ist. 3. Die Staatsgewalt ist im übrigen nicht übertragbar, ohne daß eine staatliche Aufgabe übertragen wird. Eine Kompetenz ist bereits das spezifisch staatliche

1315 Dazu F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, 1988, § 64, Rdn. 14 ff.; D. Wilke, Bundesverfassungsrecht und Rechtsverordnungen, AöR 98 (1973), S. 196 ff.; zum Delegationscharakter einer solchen Ermächtigung H. Triepel, Delegation und Mandat, S. 95 (Hauptfall der Delegation). 1316 Dazu 3. Teil, 1. Kap., IV. 1317 Dazu 4. Teil, 4. Kap, I. 1318 So in der Tat U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 51; ders., Der beliehene Unternehmer, JuS 1969, 69, 71; vgl. auch H.H. Klein, Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 24 f. 13,9 Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 154 f , vgl. auch S. 210 ff.; ähnlich sieht U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 226, die Beleihung, welche er nicht als Delegationsfall versteht (Fn. 121).

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

293

Hoheitsrecht, welches die staatliche Aufgabe mit der Hoheitlichkeit der Aufgabenbewältigung verbindet. Der Staat verfugt nicht über eine allgemeine aufgabenunabhängige (quasi formale) Hoheitlichkeit (Staatsgewalt)1320. Die Hoheitlichkeit ist als sogenannte innere Souveränität 1321 eine Eigenschaft der Staatsgewalt oder eben des Staates. Der Staat hat seine Aufgaben staatsgemäß zu erfüllen, also hoheitlich, nicht etwa privatheitlich. Die Fiskusdoktrin, welche ihm diese als Privatrechtlichkeit zugesteht, ist verfassungswidrig 1322. Der Staat kann aber seine Eigenschaft als Staat nicht nur nicht ablegen, sondern insbesondere nicht auf Private übertragen. Die Hoheitlichkeit ist keine Eigenschaft der (vermeintlich) staatlichen Aufgabe. Wenn die Aufgabe den Privaten überlassen wird, so können diese die Aufgabe nur noch privatheitlich erledigen. Das Gegenteil dogmatisiert die Praxis, die mit der staatlichen Aufgabe die Staatlichkeit verbindet, auch wenn die Aufgabe auf Private übertragen wird. Sie erklärt dann auch die Privaten zu staatlichen Organen (mittelbare Staatsverwaltung) 1 3 2 3 , wofür den Privaten aber alle wesentlichen Eigenschaften fehlen. Die institutionelle Verstaatlichung der institutionell Privaten ist mit Art. 20 Abs. 2 GG unvereinbar, weil Private mangels demokratischer Legitimation nicht Organe der Staatsgewalt sind und auch nicht dazu gemacht werden dürfen, ja nicht einmal gemacht werden können. Im übrigen mangelt es ihnen an weiteren Qualitäten zum verfassungsmäßigen Vollzug der Gesetze, um den es im wesentlichen geht, insbesondere die des Amtsprinzips des Art. 33 Abs. 4 GG. Der Ausnahmevorbehalt dieser (insoweit allzu zaghaften) Vorschrift trägt die Mißachtung des demokratischen Prinzips keinesfalls, schon gar nicht in der praktizierten Breite. Hoheit, als die Befugnis, auch die Menschen zu verpflichten, die gegebenenfalls um der allgemeinen Freiheit willen zu Handlungen oder Unterlassungen gezwungen werden müssen 1324 , kann nur der Staat haben, weil der Staat als die organisierte Allgemeinheit der Bürger sich gegenüber jedem durchsetzen können muß, wenn der Frieden gesichert sein soll. Dieses Hob-

1320

W. Martens , Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 98 (gegen Herrschaftspotenz); gegen eine reine aufgabenunabhängige Rechtsstellungsdogmatik D. Mronz , Körperschaften und Zwangsmitgliedschaft, S. 116 mit Hinw. in Fn. 37, der freilich im Ergebnis selbst für die Integration der Körperschaft in den Staat auf die Ausstattung mit Hoheitsgewalt, die er nicht zu analysieren unternimmt, abstellt. 1321 A. Randelzhofer , HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 35 ff.; vgl. H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 852 f , 847 f , 879 ff.; KA. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 22; vgl. auch J. Isensee, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 71 ff.; R. Zippelius , Allgemeine Staatslehre, S. 52 ff. (z.T. fragwürdig). 1322 KA. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 f f , passim; dazu 4. Teil, 3. Kap. 1323 Vgl. die Hinweise in Fn. 1154, 1238. 1324 Gemäß der Pflicht jedermanns mit allen, auf die sein Handeln einwirken kann, in eine bürgerliche Verfassung zu treten, Kant, Metaphysik der Sitten, S. 366, auch S. 374 f f , 430; ders., Über den Gemeinspruch, S. 143; ders. y Zum ewigen Frieden, S. 203; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 290 ff.; ders. y Freiheit in der Republik, 2. Kap, III; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 55 ff.

294

4. Teil Privatheitswidrige Mischformen

bes'sche Prinzip nennt Herbert Krüger das der Einzigkeit der Staatsgewalt1325. Eine Beleihung mit Hoheit (unabhängig von der Aufgabenübertragung) wäre herrschaftlich. Der Herr würde einen Untertan an seiner Herrschaft (ihm untergeordnet, aber anderen Untertanen übergeordnet) teilnehmen lassen, also zum Herrn erheben und dadurch mit Herrschaft ausstatten, daß er dessen Herrschaftsakte durchzusetzen verspricht und durchsetzt, in der Geschichte ein bevorzugtes Herrschaftsmittel, nur eben republikwidrig. Das Lehenswesen des Mittelalters sollte eigentlich der Geschichte angehören. 4. Kompetenzen dürfen auf andere als in der Kompetenzordnung vorgesehene Kompetenzträger nur übertragen werden, wenn das in der Kompetenzordnung, insbesondere in dem Verfassungsgesetz, vorgesehen ist. Ein allgemeines Prinzip selbstverwaltungsmäßiger mittelbarer Staatsverwaltung, welches die Übertragung staatlicher Kompetenzen auf die Selbstverwaltungskörperschaften tragen könnte, kennt das Grundgesetz nicht. Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen etwa sind aufgrund des Bundesrechts Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V). Eine Kompetenz ermächtigt in der Republik nicht aus sich heraus zu ihrer Übertragung. Sie ist kein Herrschaftsrecht, welches zu einer Ausübung der Herrschaft zu ermächtigen vermag, wie es dem Herren beliebt, quasi als Eigentum. Wesentlich ist in der Republik, wer die Kompetenz innehat. Insbesondere hat der Gesetzgeber keine allgemeine Ermächtigungskompetenz, wie Art. 80 GG zeigt, der die Ermächtigung der Exekutive zur Rechtsetzung eng regelt. Die Kompetenz-Kompetenz hat das Volk, das seine Kompetenzordnung in dem Verfassungsgesetz gestaltet 1326 . Die Staatsgewalt muß von den Organen ausgeübt werden, welche im Verfassungsgesetz vorgesehen oder doch ermöglicht sind 1 3 2 7 . Der Staat im engeren Sinne ist, wie gesagt, die organschaftliche Vertretung des ganzen Volkes 1 3 2 8 . Vertretungsmacht ist nur übertragbar, wenn der Vertreter von dem Vertretenen ermächtigt ist, die Vertretungsmacht zu übertragen 1329 . Das kann das Volk nur in dem Verfassungsgesetz entscheiden. Selbstverwaltung (im materiellen Sinne) kann somit genausowenig wie die Tätigkeit von Beliehenen (mittelbar) Staatsverwaltung

1325 Allgemeine Staatslehre, S. 879 f.; A. Randelszhofer, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 20 f f , 35 ff.; KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 22. 1326 So prinzipiell E.-W. Böckenförde, Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 33, 35 f , 55 f. 1327 E.-W. Böckenförde, Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 33, 55 f.; O. Spanner, Organisationsgewalt und Organisationsrecht, DÖV 1957, 641 f.; ders., Anm. zu OVG Münster v. 26.6.1957, DÖV 1958, 158 f.; A. Köttgen, Organisationsgewalt, S. 179 ff.; W. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 98 (mit Berufung auf Böckenförde). 1328 KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 17 f f , 637 f f , 707 ff. 1329 Allgemein W. Flume y Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. B d , Das Rechtsgeschäft, 1975, S. 836.

5. Kapitel Beleihung als Organisationsinstitut

295

aufgrund übertragener Kompetenzen sein, wenn das nicht eine verfassungsgesetzliche Grundlage hat. 5. Keinesfalls darf und kann der Gesetzgeber Organe der Ausübung der Staatsgewalt schaffen, die in dem Verfassungsgesetz nicht vorgesehen sind. Wenn er zudem Organe schafft (in welcher Rechtsform auch immer), die nicht demokratisch legitimiert sind 1 3 3 0 , widerspricht das dem demokratischen Prinzip der Republik. Die Staatsgewalt wird vom Volk unmittelbar in Wahlen und Abstimmungen und mittelbar durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die im Grundgesetz und in den Verfassungsgesetzen der Länder vorgesehenen Organe werden durch die Organe der Europäischen Gemeinschaften, die in den verfassungsartigen Gemeinschaftsverträgen 1331 geschaffen wurden, ergänzt, aber der Gesetzgeber ist nicht ermächtigt, die staatliche Organisation umzugestalten, keinesfalls entgegen den Strukturprinzipien des Grundgesetzes, wie dem demokratischen Prinzip.

1330 Die demokratische Legitimation wird im Falle der Selbstverwaltungskörperschaften als Kriterium der Organschaft (mangels institutioneller Lehre vom Staat), wenn sie überhaupt nachgefragt wird, durch die Legitimation durch das vermeintliche Verbandsvolk surrogiert; das erweist den Mangel der demokratischen Legitimation. 1331 I.d.S. EuGH, RS 224/83 (Les Verts/Parlament), Slg. 1986, 1339, 1365; W. Hallstein , Die Europäische Gemeinschaft, 1973, S. 40 ff.; H. Steinberger , Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 18 f.; M. Zuleeg , Der rechtliche Zusammenhalt der Europäisichen Gemeinschaft, S. 23 f. und VII, S. 35; dezidiert a.A. P. Kirchhof Rechtsschutz durch Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof, in: D. Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften unter besonderer Berücksichtigung von Umwelt und Gesundheit, Kultur und Bildung, 1990, S. 118; vgl. auch KA. Schachtschneider , Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 85; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 1, II.

Fünfter ( Wettbewerbsverhältnisse"

Teil

im Vermessungswesen Bayerns

1. Kapitel

Wettbewerbswidrigkeit der Vermessungstätigkeit des Freistaates Bayern und der bayerischen Kommunen Die staatlichen und die kommunalen Vermessungsämter konkurrieren in zweifacher Weise mit den freiberuflichen Vermessungsingenieuren auf dem Vermessungsmarkt. Erstens nehmen sie durch ihre amtliche Vermessungstätigkeit den Vermessungsmarkt in Anspruch und verhindern durch die zum Teil gesetzliche, zum Teil administrative Ausschließlichkeit der Aufgabenzuordnung bei den staatlichen bzw. den kommunalen Vermessungsämtern den Marktzutritt der freiberuflichen Vermessungsingenieure. Zweitens bieten sie neben den privatheitlichen, freiberuflichen Vermessungsingenieuren ihre Vermessungsdienstleistung am Markt an. Das wiederum hat im Vermessungswesen Bayerns zwei Erscheinungsformen. Erstens vermessen die staatlichen Vermessungsämter amtlich (wie man sagt: hoheitlich), obwohl dieselben Vermessungen auch von „Privaten", also freiberuflichen Vermessungsingenieuren, durchgeführt werden können und dürfen. Diesen Fall regelt Art. 8 Abs. 9 VermKatG, der lautet: „Vermessungen von Privatpersonen oder von Stellen, die nicht nach Art. 12 zur Katastervermessung befugt sind, dürfen für das Liegenschaftskataster nur verwertet werden, wenn die das Kataster führende Behörde die Ergebnisse für geeignet erachtet und ein Bedürfnis für die Übernahme besteht."

Diese Vorschrift ist untragbar, wie noch dargelegt werden wird. Zweitens bieten jedenfalls die kommunalen Vermessungsämter ihre Vermessungsdienste auch, wie es heißt, privatwirtschaftlich am Markt an. Sie nutzen dabei ihre vielfältigen Vorteile als (funktionale) Staats-bzw. Kommunalunternehmen. Insofern besteht eine Konkurrenz am Markt, welche fast allgemein als Wettbewerbsverhältnis eingestuft wird, welches am allgemeinen Wettbewerbsrecht, insbesondere an § 1 UWG gemessen wird 1 3 3 2 .

1332 Hinweise in Fn. 745; BGHZ 51, 236 (242); 66, 229 (232 ff.); 67,81 (85); 81,291 (295); 82,375 (381 ff.).

298

5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

Staatliche oder kommunale Monopole sind immer auch ein Wettbewerbsfall. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof die Selbstabgabe von Brillen durch die allgemeinen Ortskrankenkassen als wettbewerbswidrig auf der Grundlage des § 1 UWG untersagt 1333 . Der Europäische Gerichtshof hat sogar das Arbeitsvermittlungsmonopol, jedenfalls für leitende Angestellte, als Mißbrauch staatlicher Marktmacht i.S.d. Art. 86 EWGV (jetzt Art. 82 EGV) und damit als gemeinschaftswidrig angesehen, obwohl die ausschließliche Arbeitsvermittlung durch die Bundesanstalt für Arbeit, das Arbeitsvermittlungsmonopol des Bundes also, nicht nur auf Gesetz (§ 4 AFG) beruhte, sondern vom Bundesverfassungsgericht als „überragendes Gemeinschaftsgut" eingestuft worden war, welches das Verbot privatheitlicher Arbeitsvermittlung und damit die objektive Zulassungsschranke zum Beruf des privaten Arbeitsvermittlers trotz des hohen Ranges der Berufsfreiheit zu rechtfertigen vermochte 1334 . Selbst eine hochrangige Gesetzgebung ist somit am Wettbewerbsprinzip des Gemeinschaftsrechts gemessen worden und mußte hinter dieses Wettbewerbsprinzip zurücktreten. Fraglos nimmt das Wettbewerbsprinzip der Europäischen Gemeinschaft an dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem Recht der Mitgliedsstaaten teil 1 3 3 5 , soweit nicht die Grundprinzipien der Verfassung (insbesondere die Strukturprinzipien, der Wesensgehalt der Grundrechte, aber auch das Subsidiaritätsprinzip) beeinträchtigt werden 1336 . Staatliche oder kommunale Maßnahmen können somit in einer Art Wettbewerbsverhältnis zu privatheitlichen Unternehmungen stehen, ganz unabhängig von ihrer Form 1 3 3 7 . Es können gesetzliche oder auch administrative Maßnahmen sein, letztere können amtlich oder auch privatwirtschaftlich, also unternehmensartige Handlungen, sein. Die (vermeintliche) Wettbewerblichkeit, die soeben skizziert wurde, hat ihre eigentliche Problematik im Kampf um die Aufgabenverteilung zwischen dem Staat und den Kommunen einerseits und den Privaten andererseits. Wenn beide in einem Aufgabenbereich agieren, entsteht unvermeidlich ein Mit- und Gegeneinander, eine Rivalität, welche von der Praxis und der dieser folgenden Lehre im Wettbewerbsrecht als Wettbewerbsverhältnis eingestuft wird, ganz gleich, ob der Staat oder die Kommunen im

1333

BGHZ, 82, 375 (381 f f , 395 ff.). BVerfGE 61, 21, 245 (248 ff.); 61, 261 (266 ff). 1335 BVerfGE 89, 155, (182 f f , 190 f , 197 ff.); K.A. Schachtschneider/A. EmmerichFritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil II, DSWR 1999, 81 f f ; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 5. 1336 BVerfGE 89, 155 (197 f.); vgl. schon BVerfGE 37, 271 (279); 73, 339 (376); K.A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 103 f f ; ders.lA. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil III, DSWR 1999, 116 ff. 1337 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 26 f f , 326 f f , mit Hinweisen in Fn. 218 ff.; dazu Hinweise in Fn. 745, 1345 f f ; dazu 4. Teil, 3. Kap, auch dieser (5.) Teil, 2. Kap. 1334

1. Kapitel Wettbewerbswidrigkeit der Vermessungstätigkeit

299

Verhältnis zu den Dritten, für die sie tätig werden, etwa von den Verwaltungsakten Betroffene oder die Auftraggeber der Vermessungen, amtlich (hoheitlich) oder „privatrechtlich" (privatwirtschaftlich) handeln. Die Dogmatik von der Doppelqualifikation staatlichen oder kommunalen Handelns, beurteilt das Handeln in dem einen, etwa dem verwaltungsrechtlichen Verhältnis, als amtlich (hoheitlich), also staatlich, und in dem anderen Verhältnis zum konkurrierenden Unternehmen als wettbewerblich, nämlich privatrechtlich, besser: privatheitlich. Das ist ständige Praxis der Zivilrechtssprechung 1338, so absurd sie auch ™1339

sei

Es gibt kein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Staat oder den Kommunen einerseits und den durch ihre Privatheit definierten Unternehmen und damit auch den Freiberuflern anderseits. Die wesentlichen Argumente werden im folgenden genannt. Das Verhältnis zwischen dem Staat einschließlich der Kommunen und den Unternehmern und den Freiberuflern, den Privaten also, ist ausschließlich ein staatsrechtliches (öffentlich-rechtliches) Verhältnis des Staates oder der Kommunen zu den Bürgern und deren Vereinigungen (Gesellschaften und Vereine). Das Verhältnis ist durch die Verfassung und das Verfassungsgesetz, das Grundgesetz, durch die einfachen Gesetzeund die Verwaltungsakte (einschließlich der Verwaltungsrechtssätze) bestimmt. Das Verfassungsgesetz muß der Verfassung (der Menschheit des Menschen, insbesondere der Freiheit des Menschen) entsprechen 1340. Die Gesetze müssen der Verfassung und dem Verfassungsgesetz, also dem Recht, genügen, die Verwaltungsakte auch den Gesetzen. A l l die Staatsakte sind vor allem an den Grundrechten, aber auch an den sonstigen Grundsätzen und Prinzipien des Verfassungsgesetzes zu messen. Integriert in diese Rechtsordnung ist das europäische Gemeinschaftsrecht 1341. Das Wettbewerbsrecht ist für das Handeln des Staates oder der Kommunen entgegen der Praxis, welche dem für sie geltenden Recht um mancher Vorteile willen ausweicht, inadäquat. Das maßgebliche Rechtsprinzip, welches die Aufgabenteilung zwischen dem Staat und den Kommunen einerseits und den Privaten andererseits regelt, ist das verfassungsrechtlich, gemeinschaftsrechtlich und kommunalrechtlich begründete Privatheitsprinzip, welches im Teil 3 dargelegt ist. Dieses Pri1338 Vgl. die Hinweise in Fn. 745; vgl. K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 326, Fn. 218 f. 1339 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 f f , 281 f f , 343 f f , passim.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 487 ff.; Hinweise in Fn. 796. 1340 K.A. Schachtschneider ( O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 f f , 50 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 83 ff.. 1341 K.A. Schachtschneider , Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 98 f f ; ders., Die Republik der Völker Europas, S. 161 f f ; ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 3, III; ders./A. Emmerich-Fritsche , Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, 17 f f , 81 f f , 116 ff.

300

5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

vatheitsprinzip postuliert eine klare Trennung staatlicher oder kommunaler und privater Tätigkeiten und Tätigkeitsbereiche; der Staat, der durch Gesetze und Verwaltungsakte für das Gemeinwohl bei der privaten Lebensbewältigung zu sorgen hat, hat eine gänzlich andere Aufgabe als die eines Unternehmens, besser: Verwaltungsunternehmens. Der Staat ist in bestem Sinne Polizei, dessen Sorge ausschließlich dem gemeinen Wohl zu dienen hat. Unternehmerische, notwendig gewinnorientierte Tätigkeiten sind dem Staat wesensfremd 1342. 2. Kapitel

Nicht-wettbewerblicher Verwaltungscharakter staatlicher Unternehmungen Herbert Krüger 1343 hat die Verhältnisse immer klar gesehen und zum Ausdruck gebracht: „Das Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen darf in keinerlei Hinsicht als Wettbewerbsverhältnis mißverstanden, es muß als eine Relation sui generis begriffen werden, die auf der öffentlichen Seite jede erwerbswirtschaftliche Motivation ausschließt". Hieraus folgt wiederum: Wenn die Beziehung ein Wettbewerbsverhältnis nicht ist, dann ist es von vornherein unrichtig, ein Fehlverhalten des öffentlichen Unternehmens innerhalb dieser Relation als „unlauteren Wettbewerb" ansprechen und behandeln zu wollen. Denn: „Für die öffentliche Seite dieses Verhältnisses ist nicht der unlautere, sondern bereits der lautere Wettbewerb eine Verfehlung gegen ratio essendi und Amtsauftrag". „Aber ein Verhalten, das unter solchen Umständen scheinbar wie Wettbewerb aussieht, ist es in Wahrheit nicht, weil ihm auf der öffentlichen Seite alle Merkmale eines echten Wettbewerbs fehlen, insbesondere die Absicht, den Gegner zu vernichten oder auch nur seinen Marktanteil so sehr zu verkleinern, wie nur möglich" 1 3 4 4 . Staatliche Beteiligung an der Wirtschaft, auch die, die konkurrenzmäßiges Handeln adaptiert, ist Verwaltung 1345 . Das schließt Wettbewerbsverhältnisse zu

1342

Dazu 3. Teil, 3. Kap, III; vgl. Fn. 348, 508. Etwa: Die öffentlichen als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, 1965, S. 82 f.; ders. y Von der Reinen Marktwirtschaft zur Gemischten Wirtschaftsverfassung, 1966, S. 27. 1344 Massenmedien, S. 82 f.; ebenso in der Sache, beinahe im Wortlaut übereinstimmend, Marktwirtschaft, S. 27. 1345 Dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f , 357 ff. mit Hinweisen; insb. klar F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 118 mit Hinweisen auf H. Krüger, ZBR 1979, 157 (Das „Staatsunternehmen ist nicht Unternehmen, sondern Staat"); P. Badura, FS H.J. Schlochauer, S. 4 ff.; vgl. ders. y ZHR 146(1982), einerseits S. 452 (nicht Privatwirtschaft), andererseits S. 456 (Wettbewerbsversicherungsunternehmen nicht mittelbare Staatsverwaltung); ders, Verwaltungsmonopol, S. 250 mit Fn. 44; deutlich K Wenger, Öffentliche Unternehmen, S. 545, 553 f.; K Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in 1343

2. Kapitel Verwaltungscharakter staatlicher Unternehmen

301

privaten Unternehmern aus 1346 . Verwaltung ist Gemeinwohlverwirklichung, die sich, weil und insoweit sie gesetz- und rechtmäßig erfolgt, gegenüber den privaten und damit besonderen Interessen durchsetzen können muß 1 3 4 7 . Gemeinwohlverwirklichung umfaßt erforderliche Gemeinwohlmaterialisierung. Das Gemeinwohl findet seine Grenzen prinzipiell nicht an Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs 1348 . Der Maßstab des § 1 UWG, der der „guten Sitten", ist als privater Hand, S. 238 f.; klar J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 206, 704 ff.; klar auch F. Rittner , Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 177 ff.; deutlich P.-H Naendrup , Haftungsbeschränkung, S. 104 f f , 109, 226; ders., VVDStRL 54 (1995), S. 303 ff.; J. Burmeister , WiR 1972, 311 f f , insb. S. 341ff. ; ders. aber a. A , DÖV 1975, 695, 697, 700 f f , wo er den Fiskusbegriff auf Tätigkeiten des Staates begrenzt, die nicht Erfüllung öffentlichen Aufgaben sind, aber dennoch vom Fiskusbegriff Abschied nehmen möchte, ein Zugeständnis des sonst so konsequenten Burmeister an die Praxis?; Die grundsätzliche Zulässigkeit 'unternehmerischer' Tätigkeit des Staates ist so gut wie unstreitig; für viele P. Badura, FS H.J. Schlochauer, S. 19 mit Hinweisen; ders., ZHR 146 (1982), S. 457 f f , 461 f.; F. Ossenbühl , a.a.O., S. 99 ff.; P. Ulmer , ZHR 146 (1982), S. 467 f f , 494 f f , mit weiteren Hinweisen; W. Rüfner , Formen, S. 211 f f ; H.H. Klein , Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 98 ff.; V. Emmerich , Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 107 f f ; R. Scholz , ZHR 132 (1969), S. 101, 105 f f , 136 ff.; ders., Grenzen staatlicher Aktivität, S. 131; J. Burmeister , WiR 1972, 311 f f ; W. Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 213 f.; deutlich H. Krüger, ZBR 1979, 157ff; mit Hinweisen in Fn. 177 (im Rahmen der jeweiligen öffentlichen Aufgaben); vgl. die Hinweise zur Fiskusdoktrin bei KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6, 39 f. in Fn. 1 bzw. 59 zum Recht des Staates auf Teilnahme am Wettbewerb; vgl. auch Fn. 764 ff. zur Fiskusdoktrin. Es geht um die Grenzen und um das Unternehmensrecht für den Staat; R. Stober, ZHR 145 (1981), S. 565 ff. will die gewerbliche Betätigung des Staates als grundsätzlich unerlaubt zurückdrängen, er hält sie nicht für eine „öffentliche Aufgabe" (S. 579 f.); U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, 1997, S. 94 f f , 278 ff.; zur Zulässigkeit der staatliche Beteiligung an juristischen Personen des Privatrechts: W. Zeidler, a.a.O., S. 216 f.; W. Rüfner, Formen, S. 253 ff.; H.H. Klein, a.a.O., S. 237 ff.; R. Scholz, Gemeindliche öffentliche Einrichtungen, S. 27 ff.; Ch. v. Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, S. 22 f f , 35; H.J. Wolff/O. Bachof Verwaltungsrecht, § 73 II a, b, S. 105, 108 f , 112; Hinweise bei C. Degenhardt, Der Durchgriff auf den Staat bei der Beteiligung der öffentlichen Hand an Gesellschaften des privaten Rechts, 1980, S. 1, Fn. 2; auch R. Stober, NJW 1984, 452 f f , mit weiteren Hinweisen. 1346

KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 f f , 322 f f , 333 f f , 357 ff.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 502 f f ; folgend, freilich ohne Referenz W. Löwer , VVDStRL 60 (2001), S. 418 f f , 444 ff.; in der Tendenz, wenn auch vorsichtig F. Rittner , Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 179; für die entgegengesetzte herrschende Meinung und Praxis vgl. KA. Schachtschneider, a.a.O., S. 26 f f , 283 f f , mit Hinweisen und Fn. 218, S. 326; in jüngster Zeit U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, 1997, S. 78 ff. 1347 K.A . Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 343 f , mit Hinweisen in Fn. 307, auch S. 447. 1348 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 443 f f , mit Hinweisen in Fn. 432; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 502 ff.; so an sich (für viele) R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 131 f f , der das Wettbewerbsrecht als allgemeines hinter dem speziellen Zweckzuständigkeitsrecht zurücktreten lassen will, aber (subsidiär) wegen der „Rechtsfolge" „realer Marktteilnahme" § 1 UWG dem Staat gegenüber gelten läßt; H. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 154 ff.; wohl auch H.H. Klein, Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb,

302

5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

Maßstab der Verwaltungsrechtlichkeit

und der Verwaltungsrichtigkeit

adäquat 1 3 4 9 . I m Sinne der Definition Robert

Knöpfles

in-

der tatbestandlichen

Handlung nach § 1 U W G , die bezwecken muß, „den Wirtschaftserfolg eines Gewerbetreibenden zu fördern", ist der Staat weder „Gewerbetreibender", noch soll sein Verhalten den „Wirtschaftserfolg fördern". So klammert Knöpfle, der Staatsunternehmen nicht i m Auge hat, Handlungen aus § 1 U W G aus, die „kirchliche, wissenschaftliche oder sonstige außerwirtschaftliche Ziele verfolgen"1350. Gemeinwohlmaterialisierung ist, selbst wenn Teilziele mit den Zielen privater Unternehmer kongruent sind, wesentlich privater Zielsetzung inkongruent. Zufällige Übereinstimmungen sind irrelevant. Staatliche Gemeinwohlverwirklichung und privates Unternehmertum befinden sich wegen des grundsätzlichen Vorranges des Gemeinwohls vor den Privatinteressen 1 3 5 1 nicht in Rivalität, w e i l das die von der Rechtsprechung konstatierte, u m nicht zu sagen: fingierte, Gleichgeordnetheit voraussetzen w ü r d e 1 3 5 2 . Ohne Rivalität gibt es aber kein Wettbewerbs Verhältnis 1353 .

S. 248 f.; i.d.S. auch P. Ulmer, ZHR 146 (1982), S. 487 f f (Privilegierung im öffentlichen Interesse); ebenso alle Gegner der Anwendbarkeit des UWG auf Staatsunternehmen, aber auch die Vertreter der Überlagerungslehre in unterschiedlicher Abstufung. Einen öffentlichen Zweck für staatliche Unternehmen verlangt BVerfGEöl, 82 (100 ff.); a.A. P. Ulmer, ZHR 146 (1982), S. 484 ff. mit modifizierten Maßstäben (zur Maßstabsmodifizierung Fn. 819, vgl. auch die Hinweise bei K.A. Schachtschneider, a.a.O., S. 326 f f , in Fn. 217, Fn. 218 ff.); a. A. auch H. Hubmann, WuV 1982, 42 f f , wenn auch gänzlich unklar, etwa S. 47: „Besser scheint es, zu sagen, daß eine Wettbewerbsabsicht dann nicht vorliegt, wenn eine Maßnahme der öffentlichen Hand in vollem Umfang durch ihre öffentliche Aufgabe gedeckt ist" (also nie!). „Geht die darüber hinaus" (handelt sie also ultra vires), „so muß sie sich eine Beurteilung nach dem UWG gefallen lassen" (obwohl ihr Verhalten ohnehin rechtswidrig ist), „auch wenn sie dabei öffentliche Interessen verfolgt; denn dann liegt es nahe, daß ihre Handlung nicht von der Absicht, ihre öffentliche Aufgabe zu erfüllen, sondern von Wettbewerbsabsicht geleitet wird", Mit gegenstandslosen Begriffen läßt sich trefflich argumentieren! a.A. wohl auch, wenn auch nicht ganz klar P. Badura, ZHR 146 (1982), S. 449, 461 f.; vgl. K.A. Schachtschneider, a.a.O., S. 39 f f ; fragwürdig U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 112 f f , 189 f f 1349 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 438 ff. 1350 Der Rechtsbegriff „Wettbewerb", S. 87, etwa ein Preisnachlaß aus sozialen Erwägungen, a.a.O., Fn. 12; das entspricht der herrschenden Meinung, vgl. etwa H. Hubmann, WuV 1982, 56; in Fn. 174. In diese Richtung geht auch das Verdikt des BVerfGE 61, 82 (100 ff.), gegen „rein erwerbswirtschaftliche-fiskalische Unternehmen", insbesondere der Gemeinden. 1351 Im Rahmen der rechtlichen Grenzen des Staatlichen; vgl. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 766; R. Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb" und die Realität des Wirtschaftslebens, 1966, S. 55. 1352 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 26 f f , zur wettbewerblichen Gleichheit Hinweise in Fn. 217, 266, 267, S. 326, 334, auch Fn. 57 aufS. 39, a.a.O. 1353 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 304 ff., mit Hinweisen in Fn. 122; auch R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 114 sieht „Wettbewerb als Auf-

2. Kapitel Verwaltungscharakter staatlicher Unternehmen

303

Der Staat ist (grundsätzlich) nicht berechtigt, private Unternehmen unternehmerisch v o m Markt zu verdrängen, es sei denn unter außergewöhnlichen Umständen 1 3 5 4 . Umgekehrt sind die privaten Unternehmer weder i n der Lage noch berechtigt, den Staat als Unternehmer 'vom Markt' zu eliminieren oder auch nur entgegen der Zielsetzung des Staates 'am Markt' zurückzudrängen. Sie sind dazu nicht i n der Lage, w e i l die öffentliche Hand wegen ihrer Übermacht an Ressourcen 'am Markt' stärker i s t 1 3 5 5 . Die privaten Unternehmer dürfen aber den Staat auch nicht 'vom Markt' zu verdrängen suchen, wenn die staatliche Unternehmung rechtmäßig ist. Während für die privaten Unternehmer, abgesehen von den die Unternehmensfreiheit begrenzenden staatlichen Gesetzen, die wirtschaftlichen Marktgesetze essentielle und existenzielle W i r k u n g entfalten, können diese Marktgesetzlichkeiten den staatlichen Unternehmer nicht nur wegen seiner Wirtschaftsmacht, sondern spezifisch wegen seiner Rechtsmacht i n seinem Verhalten nicht b e s t i m m e n 1 3 5 6 . Das Handeln privater Unternehmer kann 'administrativ' sein, wenn diese aufgrund

ihrer

Marktmacht

über

den

vom

Wettbewerbsrecht

gewünschten

Marktgesetzen stehen 1 3 5 7 . Der Staat ist verpflichtet und bemüht, m i t den In-

gabe" „außerhalb staatlicher Zuständigkeit und Verantwortung", unterwirft aber die „Rechtsfolge" staatlicher Marktteilnahme (subsidiär) dem Wettbewerbsrecht. 1354 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 353 f f , mit Hinweisen; vor allem J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 286 f f , mit Hinweisen in Fn. 242, S. 291, weitergehend dahin, daß bereits die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips grundrechtswidrig ist; V. Emmerich , Wirtschaftsrecht der öffentlichen Hand, S. 114 f f , 143, 141 f f , 162 ff.; R. Scholz , WiR 1972, 60 ff.; ders , Konzentrationskontrolle, S. 79 ff. (weitere Hinweise, auf R. Scholz in Fn. 343); allgemein J. Burmeister , WiR 1972, 341, mit Hinweisen in Fn. 76; G. Püttner , Die öffentliche Unternehmen, S. 97 f f , 102 ff. (zurückhaltend); i.d.S. wohl auch F. Rittner , Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 177 ff.; auch P. Ulmer , ZHR 146 (1982), S. 489 f. für den Fall der Preisunterbietung; ebenso P. Badura , ZHR 146 (1982), S. 457 f f , 460 f.; F. Ossenbühl , Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 113 f f , 128; R. Stober , ZHR 145 (1981), S. 579 (noch weitergehend); W. Löwer , VVDStRL 60 (2001), S. 444 ff.; auch BVerwGE 17, 306 (314); 39, 329 (337); BVerwG, NJW 1978, 1540 (Schutz erst gegen behördlich geforderte Monopolstellung); vgl. auch OLG München, NJW 1958, 1298 (1302); LG Hannover, BB 1962, 733; so im Ergebnis auch BGHZ 82, 375 (395 ff.) (Untersagung der Selbstabgabe von Brillen durch die gesetzlichen Kassen). 1355 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 333 f. mit Hinweisen; insb. V. Emmerich , Wirtschaftsrecht der öffentlichen Hand, S. 144 f f , 81 ff.; ders. in: Mestmäcker/Immenga, GWB, Rdn. 81 zu §98; diese „Marktmacht" gesteht „meist", 'häufig' auch P. Ulmer , ZHR 146 (1982), S. 485 zu; zurückhaltend ders. für § 22 GWB, a. a.0, S. 492 f.; i.d.S. BGHZ 82, 375 (381 ff.). 1356 Ganz im Sinne des Textes, H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, etwa S. 604 f f ; ders., ZBR 1979, 157 f f , u.ö. 1357 K. Galbraith , Die moderne Industriegesellschaft, 1970, S. 172 ff.; G. Ackley , A Third Approach to the Analysis and Control of Inflation, 1958, S. 619 f f ; D. Eckstein , A Theory of the Weg-Price Process in the Modern Industry, 1964, S. 267 f f ; G.C. Means, Pricing Power and the Public Interest, 1962, S. 61 f f , 116ff; auch R. Knöpfle , Der Rechtsbegriff „Wettbewerb", S. 212; Zur Machttheorie: E. Heuss, Macht oder ökonomi-

304

5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

strumenten des Wettbewerbsrechts derartige Marktmacht oder wenigstens deren Mißbrauch zu verhindern 1 3 5 8 . Dieser 'administrative' Verhaltenscharakter ist eine wirtschaftswissenschaftliche

Beschreibung 1 3 5 9 . Das Handeln staatlicher

Unternehmer demgegenüber ist staats- und staatsrechtswissenschaftlich administrativ; denn es ist V e r w a l t u n g 1 3 6 0 . Der Staat darf sich den Marktgesetzlichkeiten nicht ausliefern, wenn er seiner Aufgabe, das Gemeinwohl zu verwirklichen, genügen w i l l 1 3 6 1 . Er muß mittels seiner Teilnahme an der Wirtschaft versorgen, steuern, sichern und anderes m e h r 1 3 6 2 . Er muß öffentliche Zwecke verfolgen, deren Verwirklichung sich nicht v o n den Marktgesetzen abhängig machen muß und darf, sondern allein die staatlichen Rechtsgesetze zu beachten hat. Der Staat muß sich gegen Private durchsetzen können, wenn er sich i m Rahmen des Rechts verhält. Private dagegen müssen sich gegenüber Privaten, ihren Konkurrenten, keineswegs behaupten können, selbst wenn sie das Recht nicht verletzen. Der Staat hat sich nicht an Marktdaten zu orientieren, sondern am Gemeinwohl, welches vorrangig durch Gesetze materialisiert ist. Private Unternehmer sind deswegen keinesfalls verpflichtet, i n ihrem Wirtschaftsgebaren auf den Konkurrenten Staat Rücksicht zu nehmen, damit dessen Politik

sches Gesetz, ZgesStW 128 (1972), S. 190; J. Klaus, Inflationstheorie, 1974, S. 66; H. Hofmeister, Untersuchungen zur Lohn- und Preisbildung in der Inflationstheorie, 1974, S. 46, 114; auch U. Teichmann, Grundriß der Konjunkturpolitik, 1976, S. 243 ff.; weitere Hinweise bei KA. Schachtschneider, Imperative Lohnleitlinien unter dem Grundgesetz, Der Staat 16 (1977), S. 498 f. in Fn. 23-28. 1358 Hinweise bei KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 39, Fn. 57, S. 324, Fn. 205. 1359 Vgl. KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, 359 f. mit Hinweisen in Fn. 374. 1360 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 306 ff. mit Hinweisen in Fn. 130; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 59 ff. (67); in diesem Sinne klar H. Krüger, ZBR 1979, 157 ff.: „Kurz gesagt: Das Staatsunternehmen ist nicht Unternehmen, sondern Staat" (S. 157), „also im Vergleich zum bürgerlichen Unternehmen ein absolutes aliud" (Fn. 5 daselbst); ders., schon Allgemeine Staatslehre, etwa S. 604 ff.; so auch F. Rittner, Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 179, der Zweifel hegt, daß Staatsunternehmen im 'Wettbewerb' mit Privatunternehmern ihrer „öffentlichen Aufgabe" gerecht werden können; ähnlich P. Badura, FS H.J. Schlochauer, S. 6: „Die öffentliche Hand als Unternehmer tritt, auch wo sie ihre Leistungen marktwirtschaftlich anbietet, nicht in den Sektor der Privatwirtschaft über"; genauso ders. y ZHR 146 (1982), S. 452; P. Badura zieht daraus aber nicht mit krügerscher Folgerichtigkeit Konsequenzen; ausführlich K. Wenger, Öffentliche Unternehmen, S. 553 ff.; entgegen seiner Tendenz gegen erwerbswirtschaftliche staatliche Betätigung sieht R. Stober, ZHR 145 (1981), S. 579, in dieser keine „öffentliche Aufgabe", wohl auf Grund eines materiellen Begriffs derselben; anders ders, NJW 1984,449 ff.; vgl. auch die Hinweise in Fn. 520; dazu 3. Teil, 3. Kap, VI. 1361 So H. Krüger, ZBR 1979, 160 ff. mit detaillierten Vorschlägen für staatsunternehmerische Ingerenz zur Förderung der Marktwirtschaft; vgl. auch ders. y Allgemeine Staatslehre, S. 604 ff.; kritisch zu H. Krüger E.-J. Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, in: FS Böhm, S. 394 f f ; wie hier vorsichtig F. Rittner, Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 179. 1362 Vgl. H. Krüger, ZBR 1979, 160 ff.; ganz i.d.S. BVerfGE 61, 82 (100 ff.).

2. Kapitel Verwaltungscharakter staatlicher Unternehmen

305

nicht gefährdet werde. Sie bleiben allein verpflichtet, sich an das Recht zu halten, das ihrer wirtschaftlichen Entfaltung Grenzen zieht. Wenn der Staat die wirtschaftliche Situation falsch einschätzt und sich mit einem Verwaltungsunternehmen nicht in geplanter Weise durchsetzt, d.h. mit diesem seine wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen oder sonstigen Ziele nicht erreicht, muß er sein Unternehmen zurückziehen. Das Verwaltungsunternehmen muß staatsmäßig gerechtfertigt werden können. Die Kosten des Staates etwa können zu hoch sein, weil die privaten Unternehmer durch ihre Konkurrenz den Staat zu Investitionen und Ausgaben zwingen, die nach spezifisch staatsrechtlichen Kostenprinzipien, etwa dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip 1363 , das Engagement des Staates als nicht tragfähig ausweisen. Rentabilität eines staatlichen Unternehmens bestimmt sich nach anderen Maßstäben als Rentabilität eines privaten Unternehmens 1364 , nämlich jeweils abhängig von den Unternehmenszwecken, die öffentliche Zwecke sein müssen 1365 . Nur zufällig können die Rentabilitätsgesichtspunkte privater und staatlicher Unternehmen die gleichen sein. Sie sind rechtlich immer divers, weil ihre Bestimmung wesensverschiedenen Prinzipien folgt, zum einen ist sie selbstbestimmt, zum anderen ist sie verfahrensgerechte Gemeinwohlmaterialisierung 1366. Der Staat darf sich seiner Staatlichkeit nicht entkleiden und darf sich nicht (formell) privatisieren. Er darf darum weder wettbewerblich erscheinen, noch so behandelt werden, als sei sein Handeln wettbewerblich. Er müßte dafür das Recht zur Autonomie des Willens in Anspruch nehmen dürfen. Die (substantielle) Fiskusdoktrin widerspricht jedoch der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Republik.

1363

Dazu HJ. Wolff/O. Bachof Veiwaltungsrecht I, § 42 II a 2, S. 309; D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 244 f f (zum Äquivalenzprinzip), S. 271 (zum Kostendeckungsprinzip), die beide nicht ohne weiteres verbindlich sind; vgl. BVerfGE 20, 257 (270); BVerwGE 12, 162 (167); 13, 214 (222 f.); 26, 305 (368 ff.). 1364 Ähnlich G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 63 ff. 1365 Zum staatlichen Unternehmenszweck Gewinn, der prinzipiell und regelmäßig verboten ist, K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 f , 315 f.; ders./A. Emmerich-Pritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 64 f.; auch 3. Teil, 3. Kap, 4. Teil, 3. Kap.; Hinweise in Fn. 348, 508. 1366

Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 237 f f , 247 ff.; klar H. Krüger, VVDStRL 19 (1961), S. 260 f.

306

5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

3. Kapitel

Inadäquanz der wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsmaxime als Maßstab staatsunternehmerischer Wirtschaftspolitik

I. Inadäquanz privater Gesetze als Maßstab des staatlichen Handelns Der Staat ist den „guten Sitten" als privaten Gesetzen 1367 nicht unterworfen. Die privaten Gesetze binden den Staat nicht, weil dieser an der diese, die guten Sitten, kreierenden Übereinkunft der Privaten nicht teilhaben darf. Das verbietet ihm seine totale Gemeinwohlverpflichtetheit 1368 , deretwegen seine Entscheidungen prinzipiell nur in den staatsrechtlich geordneten Verfahren ergehen dürfen 1 3 6 9 . Die Bindung des Staates in seinen Entscheidungsspielräumen 1370 durch rechtsetzende Übereinkünfte mit Privaten wäre, auch weil es dem Staat am privaten Recht zur Autonomie mangelt 1371 , prinzipiell sach- und damit rechtswidrig. Die Entscheidungsspielräume des Staates dienen bestimmter Zweckadäquanz der Entscheidungen1372, keinesfalls aber der Assimilierung des Staates an das Private. Die Übereinstimmung privater besonderer Interessen mit dem allgemeinen Wohl ist zwar durch die Gesetzlichkeit des privaten Handelns gesichert 1373 , aber rechtfertigt wegen der Alleinbestimmtheit keine Ausnahme vom Verbot für den Staat, an privater Rechtsetzung teilzunehmen. Die Unabhängig-

1367 Dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 412 f f , 421 f f , 443 f f ; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, S. 195 ff. 1368 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 193, 204, mit Hinweisen in Fn. 98, 169; vgl. auch daselbst die Hinweise in Fn. 218 ff, S. 326 f f zur Maßstabsmodifizierung des § 1 UWG im öffentlichen Interesse (dazu Fn. 819). 1369 Vgl. KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 f f , mit Hinweisen in Fn. 5, 18 f , 34. 1370 Dazu für viele HJ. Wolff/O. Bachof Verwaltungsrecht I, § 31, S. 185 ff.; R. Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34 (1976), S. 163 ff. mit umfangreichen Hinweisen, der nur den Begriff'Ermessen' für diese verwandten Entscheidungsspielräume belassen will; weitere Hinweise in Fn. 1211. 1371 K.A. Schachtschneider, Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 261 ff. mit Fn. 132, 161, S. 242, mit Hinweisen in Fn. 33-36; Hinweise in Fn. 953, 975; dazu die Kritik der Fiskusdoktrin im 4. Teil, 3. Kap, VI, VII, IX. 1372 H.J. Wolff/O. Bachof Verwaltungsrecht I, § 31 II, S. 194, insb. für das Ermessen; dies./R. Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 1999, § 9-31, S. 416 f f , 426 f f , 438 ff. 1373 K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap, III; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 766. Das schließt nicht aus, daß es dem allgemeinen Wohl entspricht, wenn Private ihre Privatinteressen verfolgen, wie § 1 UWG selbst beweist. Die sozial- und wirtschaftspolitische Aktivität ist weitgehend darauf ausgerichtet, daß Private Privatinteressen wahrnehmen, etwa Investitionsforderungen; zur gesetzlich bestimmten (umgrenzten) Privatheit 2. Teil, 2. und 3. Kap.; auch 3. Teil und 5. Teil, 5. Kap.

3. Kapitel Inadäquanz der wettbewerblichen Lauterkeitsmaxime

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keit staatlicher Politik vom Schutz der Lauterkeit und auch vom Schutz der Freiheit des privaten Wettbewerbs hat sich erst recht gegen „gute Sitten" als privaten Rechtsnormen zu behaupten. Staatliche Rechtsbindung muß sich auf den Konsens des Volkes zurückführen lassen, während die privaten Verträge und Gesetze die Bindung einzelner Menschen in ihrer Besonderheit bedeuten. Daß sowohl private als auch staatliche Rechtsetzung auf dem Konsensprinzip beruhen 1374 , ändert nichts an der grundsätzlichen Besonderheit des Staates, als Organisation des Volkes für dessen Allgemeines nur dem allgemeinen Wohl verpflichtet zu sein und darin die Begrenzung seiner Existenz zu finden 1375 . Einbeziehung in die private Rechtsetzung würde es erfordern, staatliches Verhalten aus dieser Allgemeinverpflichtetheit herauszusondern, staatliche Einheiten trotz ihrer Staatlichkeit zu besonderen Einheiten zu privatisieren. Die Praxis läßt, unterstützt von der herrschenden Meinung, denn auch mit der Privatrechtsfähigkeit des Staates private Einheiten desselben zu, wie insbesondere Gesellschaften des privaten Rechts 1376 . Weil die Verwirklichung des allgemeinen Wohls die Einschränkung der Selbstbestimmbarkeit des Einzelnen unabdingbar erfordert, erheischt sie strikte Einhaltung der Kompetenz- und Verfahrensregeln, die das Grundgesetz gibt oder vorschreibt 1377 . Nur unter dieser Bindung haben die Deutschen sich ihrem Staat als ihrer Organisation für ihr Allgemeines 1378 gefügt. Jede Lösung von den Kompetenz- und Verfahrensregeln verletzt die Freiheiten der Deutschen, die nicht nur durch die Grundrechte geschützt, sondern auch die Essenz des durch die Volksstaatlichkeit (Bürgerschaftlichkeit) charakterisierten demokratischen Prinzips sind 1 3 7 9 . Nur staatliche Rechtsetzung im verfassungsgeregelten Verfahren darf darum den Staat binden 1380 . Damit sind staatliche Vorschriften, 1374 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 53 f f , auch S. 429 ff. mit Hinweisen in Fn. 338, 343; ders., Res publica res populi, S. 275 f f , 325 f f , 494 f f , 519 f f , 617 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, IV, 5. Kap, II. 1375 Zur ultra-vires-Lehre vgl. die Hinweise in Fn. 271, 835; tendenziell i.d.S. BVerfGE 61, 82 (100 ff.) für Gemeinden. 1376 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5, mit Hinweisen in Fn. 1; ders., Die Einwirkungsrechte des Staates auf seine privatistischen Unternehmen, S. 1 f f , 9 ff.; gegen solche Organisationsstruktur staatlicher Agenden überzeugend J. Burmeister , WiR 1972, 311 f f , 342 f f , 350. 1377 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 36, mit Hinweisen in Fn. 45; vgl. R. Herzog , Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, Aussprache, VVDStRL 29 (1971), S. 114 f.; ders , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 2, Rdn. 19, 49 f f ; H. Krüger , Allgemeine Staatslehre, S. 253 ff.; R. Scholz , ZHR 132, 114. 1378

Zu dieser Definition des Staates KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 169 f , mit Hinweisen in Fn. 142; ders , Res publica res populi, S. 14 f f , 519 f f ; Hinweise in Fn. 42; dazu 2. Teil. 1379 Dazu K.A . Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 138 ff.; ders., Res publica res populi, S. 14 f f , 519 f f , 584 f f , auch S. 637 f f , 707 ff. 1380 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , auch S. 159 ff.; ders., Res publica res populi, S. 519 f f , 560 f f , 584 f f , 637 f f , 707 ff.; dazu 4. Teil, 3. Kap, VIII.

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5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

die auf private Rechtsetzung verweisen, ungeeignet, dem Staat das Recht zu geben. Die wesentliche Bestimmung des Handelns geschieht nach solchen Vorschriften privat 1 3 8 1 . Nur wer dem Staat im Sinne der Fiskusdoktrin mit der Privatrechtsfähigkeit 1382 die Privatheit zuspricht, kann und muß zu einem anderen Ergebnis gelangen. Der Staat hat aber keine private Existenz und ist damit durchgehend von den spezifisch privaten Handlungsweisen ausgeschlossen. An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn man die Bewertung der Sitte, einer privaten Norm, als „gut" dem Wettbewerbsrichter überläßt 1383 , weil auch dann die Privatheit der Normsetzung der Anwendung dieser Norm auf staatliches Handeln entgegensteht.

II. Staatsrechtliche Bindung staatsunternehmerischer Gemeinwohlverwirklichung 1. Wenn die „guten Sitten" des § 1 UWG auch durch die Belange der Allgemeinheit materialisiert würden 1384 (und diese Vorschrift nicht als Delegation von wirtschafts- und wettbewerbspolitischer Legislations- und Administrationsbefugnis an den Wettbewerbsrichter verstanden wird 1 3 8 5 ), ergäbe das keinen eigenständigen normativen Gehalt für Staatsunternehmen, weil der Staat bei seinem gesamten Handeln dem Allgemeinwohl verpflichtet ist 1 3 8 6 . Eine admi-

1381 So auch W. Henke, VVDStRL 28 (1970), S. 155; vgl. auch für viele A. Vogt, Bedeutungsgehalt und Funktion der guten Sitten im Wettbewerbsrecht, NJW 1976, 731 f f ; i.d.S. auch M. Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 77 f. 1382 Dazu 4. Teil, 3. Kap, I und II; Hinweise in Fn. 764 ff. 1383 So im Ergebnis alle Erläuterungsversuche zum Begriff der „guten Sitten", außer dem von R. v. Ihering, Der Zweck im Recht, Bd. 2, S. 22, 200; vgl. etwa A. Vogt, NJW 1976, 732 f f , der wie in diesem Satz des Texten differenziert; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 423 f. 1384 So die Praxis und die dieser folgende herrschende Lehre; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 375 ff, 395 f f , mit Hinweisen vor allem in Fn. 55, S. 376. 1385 So vor allem S. Ott, Systemwandel im Wettbewerbsrecht. Die Generalklausel des § 1 UWG und ihre Rückwirkung auf Rechtsprechung und Dogmatik, FS Raiser, 1978, insb. S. 417 ff.; B. Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsrechnung, S. 199 ff.; V Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1982, S. 35 ff.; dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 385 ff. Die Interpretation der „guten Sitten" als Verweisungsblankett auf außertatbestandliche Fakten/Normen, also private Gesetze, scheidet bei diesem Ansatz aus. 1386 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 261 f f , mit Hinweisen in Fn. 98. Darum ist bei Maßstabsmodifizierung der guten Sitten nach Maßgabe der öffentlichen Interessen in der Sache zugestanden, daß § 1 UWG ohne normative Substanz für staatliches Verhalten ist. „Gewinn" bleibt gegebenenfalls die Zuständigkeit der Zivilgerichte. Sonst ist es die Feststellung der Gemeinwohlverpflichtetheit des Staates. Zur Maßstabmodifizierung Hinweis bei K.A. Schachtschneider, a.a.O., S. 326 ff. mit Fn. 218 ff.; P. Ulmer, ZHR 146 (1982), S. 485 ff.

3. Kapitel Inadäquanz der wettbewerblichen Lauterkeitsmaxime

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nistrative Materialisierung des Gemeinwohls, zu der auch die durch die staatlichen Unternehmen gehört, die § 1 UWG zu achten hätten, wäre prinzipiell den Maßstäben ausgesetzt, die das Wettbewerbsrecht für private Unternehmen setzt. Das ist der Standpunkt der wohl noch herrschenden Meinung 1 3 8 7 , die allerdings das hoheitliche Handeln des Staates trotz dessen wettbewerblicher Relevanz nicht der Vorschrift des § 1 UWG (wenn auch nur nachrangig) unterwirft 1 3 8 8 . Die Eigenart des Staatlichen, immer politisch, immer gemeinwohlmaterialisierend oder -verwirklichend zu sein 1389 , schließt es jedoch aus, den Staat bei irgendeinem Handeln der privatunternehmerischen Sittenklausel des § 1 UWG zu verpflichten. 2. Staatlichkeit hat sich, wie hier noch einmal hervorgehoben werden soll, ausschließlich nach Maßgabe des staatlichen Rechts für den Staat zu vollziehen 1 3 9 0 . Auch die unternehmerische Politik des Staates ist an „Gesetz und Recht" gebunden, wie es Art. 20 Abs. 3 GG vorschreibt 1391 . Es gibt keine staatsrechtsfreien Bereiche für staatliches Handeln, auch nicht im Bereich der Wirtschaft 1392 . Der Staat genießt, wie dargelegt, entgegen der Fiskusdoktrin keine Privatautonomie 1393 und ist darum nicht befähigt, wie Private Subjekt des Autonomierechts zu sein. Zum neutralen/allgemeinen Recht gehört § 1 UWG nicht 1 3 9 4 . Die privaten Autonomiebezirke haben nichts mit staatlichen Ent-

1387 Vgl. KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 44, mit Hinweisen in Fn. 82 (Gleichbehandlung des staatlichen und des privaten Unternehmers); etwa H Hubmann, WuV 1982, 146 f.; P. Ulmer , ZHR 146 (1982), S. 485 ff.; skeptisch etwa F. Rittner , Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 174. 1388 K.A . Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 21 f. mit Hinweisen in Fn. 72; vgl. dagegen die Neutralitätsthese, Hinweise in Fn. 555, 795, zur These der Praxis von der Doppelqualifikation Hinweise in Fn. 796, auch in Fn. 783; weitere Hinweise bei K.A. Schachtschneider, a.a.O., S. 80 ff. in Fn. 317, 319, 320; anders insb. H. Hubmann, WuV 1982, 46f, 48 f f , 54; deutlich anders HJ. Wolff/O. Bachof Verwaltungsrecht I, § 23 V c, S. 112, ganz i.S. der Neutralität des Wettbewerbsrechte („... nie darf sie (sc. die öffentl. Verwaltung, unabhängig von der Rechtsform) gegen die allgemeinen Schranken des Wettbewerbs verstoßen"). 1389 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 237 f f , 242 f f , 357; ganz i.d.S. F. Rittner , Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 179; vgl. auch ders.y Der Staat - ein Unternehmer i.S. des Aktiengesetzes?, in: FS W. Flume, Bd. II, 1978, S. 255 f.; dazu 4. Teil, 3. Kap, VIII; dazu Fn. 160. 1390 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 255 ff.; dazu 4. Teil, 3. Kap, III. 1391 Für viele K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 144 f. 1392 Anders (für viele, im Prinzip die Anhänger der Überlagerungslehre und der Spezialitätslehre, die die Neutralitatslehre auch ist) auch R. Scholz , ZHR 132 (1969), 5. 131 f f , der in solchen Bereichen das „allgemeine" Wettbewerbsrecht wirken läßt, dazu näher K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 80 ff.; ebenso H. Hubmann, WuV 1982, 45 f , der befürchtet, der Staat könne mittels der Rechtsordnungswahl den Vorschriften des UWG ausweichen. 1393 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 268 ff.; Hinweise in 951, 973; dazu 4. Teil, 3. Kap, VII. u. IX.

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5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

scheidungsspielräumen gemein. Letztere sind Beurteilungs-, Entscheidungsund Ermessensspielräume 1395, innerhalb derer staatliches Verhalten an mannigfache staatsspezifische Rechtsprinzipien gebunden ist, vor allem an den Gleichheitssatz. Ebenso verpflichtet das Prinzip der Sach- und Zweckgerechtigkeit den Staat unmittelbar, Private aber nur mittels hinreichend bestimmter Gesetze 1396 . Staatliches Handeln ist durch die Staatsrechtsbindung in hohem Maße Staatsrechtsvollzug 1397. Jede staatliche Maßnahme realisiert etwa das Sozialprinzip des Art. 20 Abs. 1 G G 1 3 9 8 und auch die gesamtwirtschaftliche Verpflichtung des Staates aus Art. 109 Abs. 2 GG 1 3 9 9 . Das Recht zur Autonomie der Bürger und der Privaten steht im prinzipiellen Gegensatz zur gesetzlichen Gebundenheit des Staates und (im engeren Sine) in allen seinen Handlungsweisen. Wenn die Bindung staatsunternehmerischen Handelns an die von den (oder/und jedenfalls für die) privaten Unternehmen bestimmten „guten Sitten" i. S. des § 1 UWG mit dem gängigen Argument, der Staat, der sich in die private Wirtschaft begebe, müsse wegen der Chancengleichheit unter den Konkurrenten 1400 denselben Gesetzen unterworfen sein wie jeder Unternehmer sonst, anzuerkennen wäre, so müßte doch der Vorrang des staatlichen Rechts hingenommen werden 1401 . Staatliches Recht steht jedenfalls in seiner Geltung für den Staat 1394

A. A. U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, insb. S. 278 ff.; auch W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 447, inkonsequent, weil er auf S. 418 ff. vertritt, daß der Staat kein Wettbewerber sei. 1395

Dazu genau H.J. Wolff/O. Bachof Verwaltungsrecht I, § 31, S. 185 ff. mit Hinweisen; R. Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 163 ff. mit umfangreichen Hinweisen; K.A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 54 f f ; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 310 f f ; Hinweise in Fn. 1213. 1396 Vgl. dazu BVerfGE 18, 18 (27); 19, 303 (321 f.); 28, 295 (305f.); G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 310, 338; KA. Schachtschneider, Der Staat 16 (1977), S. 504 f.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 308 ff.; HJ. Wolff/O. Bachof Verwaltungsrecht 1, § 30 II b 3, S. 181. 1397 KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 261 f f , vgl. dazu insb. R. Herzog, VVDStRL 24 (1966), S. 190 ff.; auch F. Rittner, Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 177 ff. (Erfüllung öffentlicher Aufgaben); dazu 5. Teil, 3. Kap, VII. 1398 Vgl. i.d.S. auch W. Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 190 ff.; K.A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 71 f f , 75 f f , 82 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; vgl. i.d.S. auch P. Badura, FS H.J. Schlochauer, S. 21; ders., ZHR 146 (1982), S. 459. 1399 Dazu vgl. P. Badura, FS H.J. Schlochauer, S. 20; ders., ZHR 146 (1982), S. 452, 459 (allgemein); K.A. Schachtschneider/W. Hankel/W. Nölling/J Starbatty, Die EuroKlage, S. 200 ff. 1400 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 322 ff. mit Hinweisen in Fn. 218, 219, 220; dazu auch H. Hubmann, WuV 1982, 52 f f , der Modifizierungen mit seiner Interessenabwägung erreicht, mit der er den Richter zum Gesetzgeber macht. 1401 So auch R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 131 f f , dessen Neutralitätstheorie die Spezialität von staatlichem Zweckrecht gegenüber dem „allgemeinen" Wettbewerbsrecht anerkennt, dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht,

3. Kapitel Inadäquanz der wettbewerblichen Lauterkeitsmaxime

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nicht zur Disposition privater Rechtsetzung, unabhängig davon, ob es sich u m allgemeine oder einzelfallbezogene Entscheidungen des Staates handelt, ob es u m Gesetze oder Verwaltungsakte geht. Das folgt aus der eigenständigen Zwecksetzung staatlicher Rechtsakte, nämlich der Verwirklichung des Gemeinwohls, während die Privaten prinzipiell besondere Zwecke, nämlich die jeweils von ihnen autonom bestimmten Zwecke, i m Auge haben und haben dürfen. Es folgt weiterhin aus der Kompetenzlage für die Setzung von Staatsrecht1402. 3. Verbindliche Akte des Staates müssen sich gegenüber privaten Handlungsweisen durchsetzen können. Das macht die Staatlichkeit (Hoheitlichkeit) des Staates a u s 1 4 0 3 . A u c h unternehmerische Betätigung des Staates ist amtliche, staatliche T ä t i g k e i t 1 4 0 4 . Wer freilich dem Staat zugesteht, privat zu sein oder wenigstens wie ein Privater zu handeln, also bei der Fiskusdoktrin verharrt 1 4 0 5 , w i r d konsequent staatliches ( i n der Sprache der Fiskusdoktrin 'hoheitliches') Handeln des Staates von nichtstaatlichem, also privatem, vermeintlich bloß privatrechtlichem, Handeln des Staates abzugrenzen versuchen 1 4 0 6 .

S. 80 ff.; so auch H. Hubmann, WuV 1982, 47; Hinweise zur Überlagerungslehre in Fn. 783,819. 1402 Zur Kompetenzhaftigkeit K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 36 mit Hinweisen in Fn. 45. 1403 Das ist der Rang der Rechtsordnung im Modernen Staat, der sich aus dem Wesen einer demokratischen Verfassung des Staates selbst ergibt; dazu K. Adomeit, Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche. Zur Stellung der Privatautonomie im Rechtssystem, 1969, S. 18, der von einer Ermächtigungskette für die Gültigkeit einer Verhaltensnorm spricht, etwa: „Verfassung-Gesetz-Vertrag". Umgekehrt galt der deutschrechtliche Satz: „Willkür bricht Stadtrecht, Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht", K. Adomeit, a. a. 0 , Fn. 29, S. 18; dazu R. Walter, Der Aufbau der Rechtsordnung - Eine rechtstheoretische Untersuchung auf Grundlage der reinen Rechtslehre, 1964, S. 53 f f ; dazu R. Reinhardt, Privates Unternehmen und öffentliches Interesse, FS A. Hueck, S. 439 ff.; auch R. Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb", S. 55, allerdings mit materiellem Gemeinwohlbegriff; vgl. auch K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap. 1404

Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 f f , 261 f f , auch S. 25 f f ; deutlich etwa F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 118 (ohne hinreichende Konsequenzen); dazu 3. Teil, 3. Kap, II, VI. 1405 Vgl. K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 f f , 25 ff. mit Hinweisen in Fn. 1; vgl. insb. BGHZ 36, 91 (96); G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rdn. 130, 135 u. Art. 19 Abs. 3 Rdn. 45; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83, Rdn. 20; V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 147; G. Rinck, WiR, Rdn. 173; vgl. auch P. Badura, FS H.J. Schlochauer, S. 11, der derartiges Verhalten als fiskalisches neben solches auch öffentlicher Unternehmer stellt, die eine „öffentliche Aufgabe" erfüllen; auch F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 138; dazu 4. Teil, 3. Kap. 1406 Zur Kontroverse zwischen der Subjektions- und der Subjektslehre vgl. K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 186 ff. mit Hinweisen in Fn. 57, 66, auch S. 5 mit Hinweisen in Fn. 1; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 12 f f ; Der Streit um die Fiskusdoktrin wird weitgehend als Frage

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5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

I I I . Inadäquanz wettbewerblicher Lauterkeitsmaximen der Privatunternehmer als Maßstäbe staatlicher (Unternehmens-) Politik Schon weil Zwecke staatlichen Wirtschaftens prinzipiell nicht wettbewerblich, insbesondere nicht privatunternehmerisch sein dürfen 1407 , werden Unternehmensakte des Staates die Maximen wettbewerblicher Lauterkeit nicht einbeziehen dürfen, jedenfalls dies nicht müssen. Wenn staatliches Wirtschaften die in einer etwaigen Ermächtigungsgrundlage gegebenen speziellen Handlungsanweisungen mißachtet, eröffnet das nicht etwa die Kontrolle an dem „allgemein-rechtlichen" § 1 U W G 1 4 0 8 . Wenn es die Spezialvorschriften der konkreten staatlichen Unternehmung und auch die allgemeinen staatsunternehmerischen Rechtsprinzipien beachtet, darf das Handeln des Staatsunternehmens nicht zusätzlich an § 1 UWG gemessen werden, weil dessen Maßstäbe staatsrechtsmäßig verfolgte Unternehmenspolitik zu desavouieren vermöchten. Der Staat würde sein Unternehmens- und damit wirtschaftspolitisches Instrumentarium grundlos beschneiden, wenn er sich verpflichten würde, unternehmerisch seine Zwecke nur im lauteren Wettbewerb nach Maßgabe des § 1 UWG zu verfolgen 1409 Allenfalls in dem Sonderfall, daß der Staat Wirtschaftspolitik durch unternehmerische Teilnahme am Wettbewerb betreibt, etwa um durch Adaption privatwirtschaftlichen Handelns private Monopole oder Oligopole zu brechen, kommt eine Selbstverpflichtung des Staates in Frage, die Prinzipien wettbe-

des Rechtsweges geführt; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 28 f f ; F. Ossenhühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 138, schließt umgekehrt aus der Rechtsform auf Teilnahme des Staates am Wettbewerb oder auf Hoheitsverwaltung; das ist in der Sache Fiskusdoktrin reinsten Wassers; Hinweise in Fn. 882; dazu 4. Teil, 3. Kap, I, II. 1407

H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 461 f , 604 ff.; ders, ZBR 1979, 157 ff.; R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 114; i.d.S. jetzt BVerfG, NJW E 61, 82 (200 ff.), (gegen „rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Unternehmen", insb. der Gemeinden); anders noch BVerfGE 27, 364 (374); dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff.; 3. Teil, 3. Kap, III, IV, V. 1408 Zu diesem Verhältnis des staatlichen Zweckrechts zum Wettbewerbsrecht R. Scholz, ZHR 132 (1969), S. 131ff; dazu die Kritik bei K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 82 ff.; anders als hier insb. H. Hubmann, WuV 1982, 47, bei Mißachtung der öffentliche Aufgabe, sprich Kompetenz, wenn auch im öffentlichem Interesse (?); anders etwa auch F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 141; anders auch U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 94 f f , 278 ff. 1409 So auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 604 f f , 606; R. Scholz, ZHR 132 (1969), 135ff, differenzierend; ganz so auch F. Rittner, Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 179; vgl. auch ders., Der Staat - ein Unternehmer i.S. des Aktiengesetzes?, S. 255 f.; B. Ascher, Faktisches Monopol und öffentliches Recht, LZ 1929, Sp. 1433 ff.; ders, Öffentliches Recht in privater Form, JR 1929, 89 ff.; schon E. Ulmer, Anmerkung zu RG vom 21.6.1932, JW 1933, 1948; dazu G. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 154 f f , 160 ff.; V. Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 64 f.; vgl. auch die Hinweise auf den administrativen Charakter staatlichen Wirtschaftens bei K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 306 f f , 357 ff. mit Hinweisen in Fn. 130, 363, 377.

4. Kapitel Unanwendbarkeit des § 1 UWG auf staatliches Handeln

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werblicher Lauterkeit der Privatunternehmen zu beachten. § 1 UWG darf nicht umgekehrt ein Vorrang privater Rechtsetzung, der „guten Sitten" also, vor Staatlichen Unternehmensrechtsakten entnommen werden. Schon gar nicht hat sich staatliche Wirtschaftspolitik an dem 'Anstandsgefühl des Durchschnittsgewerbetreibenden' zu orientieren, wenn dem Staat hinreichende unternehmerische Handlungsmöglichkeiten bleiben sollen. Gemeinwohlverwirklichung darf nicht in die „guten Sitten" der Kaufleute gezwängt werden. Die wettbewerbliche Lauterkeitsmaxime darf staatliche Politik nicht konterkarieren können. Der Sache nach gestehen das auch die Praxis und die herrschende Lehre zu, die die privatunternehmerischen Maßstäbe lauteren Wettbewerbs für den 'Wettbewerb' von Staatsunternehmen nach Maßgabe der von diesen verfolgten öffentlichen Interessen modifizieren und damit § 1 UWG die eigenständige Normwirkung nehmen 1410 .

4. Kapitel

Unanwendbarkeit des funktionalistisch-kompetenziell interpretierten § 1 U W G auf staatliches Handeln Gegenüber Privaten begegnet das Dogma richterlicher Kompetenz zur Gemeinwohlmaterialisierung (Wettbewerbspolitik) im Bereich bestimmter Wirtschaftspolitiken aus § 1 UWG kompetenziell-rechtsstaatlichen, vor allem aber freiheitsrechtlichen Bedenken 1411 . Gegenüber dem Staat ist eine solche Richterkompetenz nicht akzeptabel. Die Rechtmäßigkeit von exekutivischem Handeln des Staates darf mit Rücksicht auf das Gewaltenteilungsprinzip nicht von nachträglicher Gemeinwohlmaterialisierung abhängig sein. Das ist aus der Dogmatik staatlicher Entscheidungsspielräume hinreichend geläufig 1412 . Auch als Unternehmer betreibt der Staat Wirtschaftspolitik 1413 , und diese seine Politik ist

1410 V. Emmerich , zuletzt in: Mestmäcker/Immenga, GWB, Rdn. 35 zu § 98; ders. schon, Wirtschaftsrecht der öffentlichen Hand, S. 144 ff., 436; P. Ulmer , ZHR 146 (1982), S. 485 ff. mit Hinweisen; H. Hubmann, WuV 1982, 52 f f mit Hinweisen; BGH, NJW 1982, 2117 f f , verschärft den Maßstab des § 1 UWG gegenüber staatlicher „Wettbewerbsteilnahme" bis zum „Wettbewerbs"-verbot hin und führt damit die Anwendung dieser Vorschrift auf staatsunternehmerisches Verhalten ad absurdum. Sehr skeptisch gegenüber den Maßstäben des § 1 UWG, die auf Privatunternehmen abgestellt sind, F. Rittner , Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 174, 179, 197; Hinweise zur Überlagerungslehre in Fn. 783, 819. 1411 KA. Schachtschneider, Staatsuntemehmen und Privatrecht, S. 385 ff. 1412 HJ. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht I, § 431 I c 3, 4, S. 188f, 191 f f , auch § 19 II c, S. 86; vgl. F. Ossenbühl , Tendenzen und Gefahren der neueren Ermessenslehre, DÖV 1968, 619 f f ; ders , Ermessen, Verwaltungspolitik und unbestimmter Rechtsbegriff, DÖV 1970, 84 ff; weitere Hinweise in Fn. 1211. 1413 H.H. Klein , Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 38 f f , 48 ff. mit vielfältigen Hinweisen; H. Krüger , ZBR 1979, 757 ff.; F. Rittner , Wirtschaftsrecht mit Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 174, 179, 197, 301 f.; deutlich etwa F. Os-

314

5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

exekutivische Gemeinwohlmaterialisierung 1414, die der RegierungsVerantwortung und damit der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Richterliche Verantwortung für die Wirtschaftspolitik würde an der richterlichen Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG teilhaben und dem genannten Verantwortlichkeitsund Kontrollsystem entzogen sein. Das widerspräche außer der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung vor allem der demokratischen Entscheidung des Grundgesetzes. Wenn der Staat seine Wirtschaftspolitik kompetenzgemäß bestimmt hat, und zwar sachnah durch die Amtswalter der Unternehmen, darf diese nicht richterlich korrigiert werden, weil deren primäre Bestimmung wegen der Offenheit der Gemeinwohllage, also mangels rechtlichen Maßstabes, nicht rechtswidrig ist. Maßstablose Reformation administrativer Entscheidungen durch Richter gehört nicht in die grundgesetzliche Organisation des Staates. Die Richter dürfen ihrem Staat nicht in dessen unternehmerisch verfolgte Politik hineinregieren, sich nicht in eine wirtschaftspolitische Konkurrenz mit den kompetenten Stellen des Staates begeben. Sie sollen, ganz anders, den Menschen gegen rechtswidrige Eingriffe 1415 des Staates Rechtsschutz als Freiheitsschutz geben (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG). Würde § 1 UWG den Wettbewerbsrichtern die Wettbewerbs- und wirtschaftspolitische Kompetenz delegieren, die diese Vorschrift ihnen nach Ott, Rebe, Hefermehl und Emmerich gegenüber privaten Wettbewerbern geben soll 1 4 1 6 , so wäre der Staat, auf den die so verstandene Vorschrift angewandt würde, bereits wegen der administrativen Funktion der Richter in die Rolle eines privaten Unternehmers gedrängt. § 1 UWG hätte in dieser Interpretation zwar den neutralen/allgemeinen Charakter, der die Praxis rechtfertigen könnte, wäre aber entgegen dem grundgesetzlichen Autonomieprinzip ausgelegt und damit nicht mehr verfassungsgemäß geeignet, den Privatunternehmern das senbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 96 f f , 131 f. 1414 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 357 ff.; dazu oben 3. Kap.; vgl. G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 239 f f , der die „öffentliche Wirtschaft" als „Eingriffs- und Leistungsverwaltung", jedenfalls als „Verwaltung im materiellen Sinne" einstuft; auch W. Rüfner, Formen, S. 145 f f , 147 mit allerdings gänzlich unklarem Gemeinwohlbegriff, wonach private und öffentliche Unternehmen an das Gemeinwohl gebunden seien, letztere nur „ungleich stärker"; zurückhaltend K. Ballerstedt, Zur Frage der Rechtsform gemeindlicher Wirtschaftsunternehmen, DÖV 1951, 451; vgl. auch A. Köttgen, Die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand und das öffentliche Recht, 1982, S. 13 f.; ders, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung, FS DJT I, 1960, S. 600; auch F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 96 f f , insb. S. 118. 1415 Von „Eingriffen" in den „fremden Wettbewerb" pflegt bezeichnenderweise, wenn auch wenig dogmenspezifisch, der Bundesgerichtshof zu sprechen, etwa BGHZ 19, 299 (307). Das leistet in der Sache gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, fälschlich gestützt auf § 1 UWG, BGHZ 82, 375 (381 ff.). 14,6 Siehe den Bericht und die Kritik zur funktionalistischen-kompetenziellen Delegationslehre bei K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 385 ff.

4. Kapitel Unanwendbarkeit des § 1 UWG auf staatliches Handeln

315

Recht zu geben. Als Privatrecht also wäre § 1 UWG in diesem Verständnis freiheitswidrig, als Staatsrecht gewaltenteilungswidrig. Wegen des Wortlauts des § 1 U W G 1 4 1 7 , wegen des Geltungsgrundes von Gesetzen in der freiheitlichen Demokratie, der Republik also 1418 , und wegen der rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen 1419, aber auch wegen eines Zweckverständnisses des § 1 UWG, das die Ordnung des geschäftlichen Verkehrs nach Möglichkeit der Autonomie der Unternehmer beläßt, vermag allein die Interpretation zu überzeugen, die die „guten Sitten'4 als Privatgesetze begreift, als Sitten, deren Güte die beteiligten Kreise selbst bestimmen 1420 . Die Ethik der beteiligten Menschen wird maßgebend, wenn sie konsentieren. Der Richter bleibt von Aufgaben verschont, nämlich zu legeferieren und zu administrieren, die nicht seiner Funktion entsprechen 1421. Schon Adolf Baumbach hat kritisiert, daß die mehr oder weniger strenge Ethik der Richter die Wettbewerbsordnung bestimme, nicht die der reglementierten Menschen und nicht die des Gesetzgebers. Der Streit um den Begriff der „guten Sitten" ist der Sache nach ein Kompetenzstreit, der in der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes im Sinne der Legitimationsprinzipien von Autonomie und Konsens allein zugunsten des privaten und staatlichen Gesetzgebers entschieden werden darf 1422 . § 1 UWG vermag mit seinem Verhaltensmaßstab „gute Sitten" staatliches Verhalten nicht zu binden. Ein Sittenverstoß des Staates scheidet nach dieser

1417 Zur Bedeutung des Wortlauts K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 371 f f ; zur Wortlautfrage auch V. Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1982, S. 38 in unserem Sinne; auch A. Kraft , Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, 1963, S. 109, 114 f f ; zu Recht wird R. v. Iherings , Der Zweck im Recht, Bd. II, S. 1 f f , begriffliche Trennung von Sittlichkeit und Sitte zu Grunde gelegt. 1418 Zur Konsenslehre, die die Geltung von Recht in der freiheitlichen Demokratie erklärt, KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim, S. 153 f f ; ders., Res publica res populi, S. 215 f f , 325 f f , 519 f f , 560 f f , 584 f f , 637 f f , passim; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap, III, 5. Kap, II, III, 1, IV, 1, 7. Kap, I, III; vgl. zur Privatrechtslehre in der grundgesetzlichen Demokratie als allgemeines Problem F. Kühler , Privatrecht und Demokratie. Zur Aktualität gesellschaftstheoretischer Vorstellungen in der Jurisprudenz, FS L. Raiser, 1974, S. 69 ff. 1419 Dazu KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 379 f f , 393 f f , 411 f , 417 f. und passim; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 308 f f ; ders., Res publica res populi, S. 850 f f , 867 f f , 887 f f , 894 ff. 1420 Dazu K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 412 f f , 431 ff. mit weiteren Hinweisen. 1421 Dazu näher die Kritik am Funktionalismus KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 388 f f , 393 f f 1422 Zu den Prinzipien Autonomie und Konsens KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 97 f f , 153 f f , zur Entscheidung des Kompetenzstreits um die Bestimmung des Sittlichen, S. 412 f f , 421 f f ; zu diesem privatrechtlichen Ansatz aus den Prinzipien Freiheit und Gleichheit F. Kübler , Privatrecht und Demokratie, FS L. Raiser, S. 69 f f , 705, 709, 718 f , 720 f.; weitere Hinweise in Fn. 1418.

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5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

Vorschrift schon deswegen aus, weil der Staat nicht durch private Rechtssätze gebunden wird und werden darf Der Maßstab „gute Sitten" ist notwendig ein besonderer Maßstab von Privaten und kein neutraler/allgemeiner, wie er nur durch staatliches Gesetz begründet werden darf Staatliches Handeln darf nur an den staatsrechtlichen Vorschriften gemessen werden, darf nur als staatsrechtswidrig bewertet werden, nicht aber als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Versteht man die „gute Sitten" des § 1 UWG jedoch als richterlich materialisierungsbedürftige Verhaltensvorschriften, so wandelt die Unbestimmtheit eines solchen Rechtssatzes diesen in die Delegation von Kompetenz zu Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik an den Richter. In dieser Interpretation ist der wettbewerbliche Verhaltensmaßstab neutral/allgemein und darf dennoch aus Kompetenzgründen den Staatsunternehmen nicht das Recht geben. Der Staat wäre in seinen politischen Möglichkeiten durch Maßstäbe begrenzt, die dem Mißbrauch privater Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit entgegenwirken sollen und zur Disziplinierung staatlichen Verhaltens inadäquat sind. Diese Interpretation ist im übrigen mit den Prinzipien des freiheitlichen Rechtsstaates nicht vereinbar. Staatliches Handeln ist außerdem nicht wettbewerblich. Gegen ein material-wertethisches Verständnis des Begriffs der „guten Sitten" steht allgemein das Argument der Pluralität der Werte in der freiheitlichen Demokratie. Dieses Argument berücksichtigt die funktionalistische Delegationslehre. Die Anwendung des § 1 UWG auf Staatsunternehmen nach deren eigener Interpretation neutralisiert diese Vorschrift zwar in ihrem Maßstab, scheitert vor allem aber, wie gesagt, an demokratierechtlichen Kompetenzprinzipien. Sie ist darüber hinaus mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsprinzip nicht zu vereinbaren. Jede Anwendung des § 1 UWG auf staatsunternehmerisches Handeln verkennt, daß der Staat im engeren Sinne in keinem Funktionsbereich das Recht zur Autonomie genießt. § 1 UWG dient der wettbewerblichen Verträglichkeit der Autonomie der Unternehmer und erlaubt darum deren rechtsrelevante Begrenzung durch „gute Sitten". Staatsunternehmerische Unabhängigkeit ist zweckbezogen. Die Grenzen des Rechts zur Autonomie der Privaten sind als Regelungen staatsunternehmerischer Zweckgerechtigkeit inadäquat. Wenn sie private autonome Gesetze sind, ergibt sich das aus der demokratiegemäßen Allgemeinheit des Staatsrechts. Wenn sie staatlich gesetzt sind, etwa durch Verweis auf eine material-wertethische Sittlichkeit oder durch einen wettbewerbspolitischen Richtervorbehalt, müssen die freiheitlich-rechtsstaatlichen Garantien gewahrt bleiben, insbesondere muß im Sinne der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsbeschränkung die Autonomiebefugnis nach Möglichkeit geschont werden. Die „guten Sitten" bleiben Privatrecht für Private und sind so als Zweckrecht für den Staat ungeeignet. Die Anwendung des § 1 UWG sowohl auf Privat- als auch auf Staatsunternehmen privatisiert entweder den Staat oder funktionalisiert die Privaten. Beides läßt das Grundgesetz nicht zu.

5. Kapitel „Wettbewerbswidrigkeit

amtlicher Vermessung

317

Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche von Privatunternehmern gegen rechtswidriges staatsunternehmerisches Handeln können sich aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB ergeben, die nicht nur Private, sondern auch den Staat verpflichten. Die Rechtswidrigkeit der staatlichen Beeinträchtigung des privaten Rechts am Unternehmen beurteilt sich dabei ausschließlich nach Staatsrecht. Dem sich aus diesen Vorschriften und deren Anwendung auf staatsunternehmerisches Handeln ergebende Fragenkomplex müssen wir nicht nachgehen, um nachzuweisen, daß Vorschriften, die allein privates Handeln normieren, auf staatliches Handeln unanwendbar sind. Dafür muß nicht ein , alternatives4 Staatsunternehmensrecht entwickelt werden. „Wer" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB kann jedenfalls auch der Staat sein 1423 . Staatshaftungsrechtliche Spezialvorschriften mögen allerdings § 823 BGB verdrängen. Vermerkt sei nur noch, daß die privaten Unternehmer zur Abwehr staatlicher Ingerenz nicht allein auf die Grundrechte, die nur begrenzt Schutz geben, verwiesen sind. 5. Kapitel

„Wettbewerbswidrigkeit" der Vermessungen des Freistaats Bayern und der bayerischen Kommunen aus der Sicht der Gerichtspraxis Vor dem Hintergrund der Kritik der Fiskusdoktrin (dazu 4. Teil, 3. Kapitel), die wegen der Privatheitlichkeit der Wettbewerbsverhältnisse und des Wettbewerbsrechts 1424 unvermeidlich auch eine Kritik der Wettbewerbsfähigkeit von Staat und Kommunen ist, wird im folgenden in aller Kürze bedacht, wie die Praxis auf der Grundlage der Dogmatik von der Doppelqualifikation staatlichen und kommunalen Handelns als Verwaltung und als Teilnahme am Wettbewerb, also der freilich modifizierten 1425 Maßstäblichkeit des Wettbewerbsrechts für staatliches und kommunales Handeln die (vermeintlichen) Konkurrenzverhältnisse der Vermessungsämter des Freistaats Bayern und der bayerischen Kommunen zu den freiberuflichen Vermessungsingenieuren beurteilen würde und beurteilen müßte. Diese Überlegungen können und werden in der Sache nichts anderes zur Geltung bringen als das substantielle Privatheitsprinzip, weil das die (vermeintlich) wettbewerblichen Verhältnisse im Vermessungswesen der Sache nach bestimmt. 1423

RGZ 154, 117 (123); 158, 83 (94); BGHZ 16, 111 (113); 23, 36 (47); 69, 128 (138); H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25, Rdn. 21, S. 626; W. Rüfner, Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen, in: H.U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht 11. Aufl. 1998, § 47, Rdn. 18. 1424 So auch die ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte: BGHZ 36, 91 (93); 37, 1 (16 ff); 66, 229 (232 f.); 67, 81 (85 ff); 80, 375 (381 ff.); BGH GRUR 1976, 600 (601), weitere Hinweise in Fn. 764 ff. 1425 Vgl. K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 326 mit Fn. 217, 218; Hinweise in Fn. 796 zur Lehre von der Doppelqualifikation, Fn. 783, 819 zur das wettbewerbliche Lauterkeitsrecht modifizierenden Überlagerungslehre.

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5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

I. Amtliche Vermessungen der Ämter des Freistaates Bayern im Wettbewerbsrecht 1. Die amtlichen Vermessungen der staatlichen Ämter werden nach der deutschen Praxis nicht an § 1 UWG gemessen, weil sie auf einem Gesetz beruhen, welches dem Staat diese Aufgabe übertragen hat. Obwohl das Aufgabenübertragungsgesetz ein Landesgesetz (Bayerns) ist und § 1 UWG eine Vorschrift des Bundesrechts, ist keine Praxis bekannt, welche landesrechtliche Aufgabenverteilung zwischen dem Staat und den Privaten trotz des Vorrangs des Bundesrechts nach Art. 31 GG gemessen hätte oder gar hätte scheitern lassen. Das Landesvermessungsrecht bewegt sich im Rahmen der föderalistischen Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes (Art. 73 f f GG). Die Aufgabenordnung muß dem Grundgesetz und der Landesverfassung genügen, also dem grundrechtlich begründeten Privatheitsprinzip entsprechen. Sie wird aber nicht, weil sie den privatheitlichen Markt einschränkt, als Mißachtung des wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsgebots des § 1 UWG behandelt. Diese Fragestellung wird nicht einmal erwogen. 2. Gemeinschaftsrechtlich bindet das Markt- und Wettbewerbsprinzip der Art. 81 ff. EGV auch die Mitgliedstaaten. Diese dürfen die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft, welche das Markt- und Wettbewerbsprinzip (unter dem Vorbehalt sozialer Effizienz, Prinzip der marktlichen Sozial Wirtschaft 1426) zum bestimmenden Rechtsprinzip erhoben hat, nicht aushöhlen 1427 . Von diesem Prinzip ist insbesondere Art. 86 EGV bestimmt, der öffentliche Unternehmen bestmöglich dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft unterwirft 1428 und damit den entscheidenden Privatisierungsanstoß erzeugt hat und weiter erzeugt; denn das Wettbewerbsrecht läßt sich nur durch größtmögliche Privatheitlichkeit der Wirtschaft realisieren. Der Europäische Gerichtshof hat aber, wie gesagt, das deutsche „Monopol" der Arbeitsvermittlung an der wettbewerbsrechtlichen Mißbrauchsvorschrift des Art. 86 EWGV, jetzt Art. 82 EGV, scheitern lassen und damit in die mitgliedstaatliche Aufgabenverteilung zwischen dem Staat und den Privaten eingegriffen 1429 . Voraussetzung der Entscheidung des Gerichtshofs war, daß es einen Markt für Arbeitsvermittlung gibt, auf dem ein Wettbewerb zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und den privaten Arbeitsvermittlern (wegen des Ver-

1426 K.A. Schachtschneider/W. Hankel/W\ Nölling/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 200 ff.; ders., Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, S. 279 ff. 1427 Vgl. EuGH, Rs. C-41/90 Höfner, Elser/Macroton, Slg. 1991 I, 1979 (2017); EuGH, Rs. C-260/89 ERT, Slg. 1991 I, 2925 (2962); EuGH, Rs. 267/86 Van Eycke/ASPA, Slg. 1988, 4769 (4791); I. Pernice, in: E. Grabitz, EUV, EGV, Komm, Art. 90 (jetzt Art. 86), Rdn. 3. 1428 Vgl. die folgenden Hinweise; auch /. Pernice, in: E. Grabitz, EUV, EGV, Komm, Art. 90 (jetzt Art. 86), Rdn. 2, 3 mit Hinweisen. 1429 EuGH, Rs C-41/90 Höfner, Elser/Macroton, Slg. 1991 I, 1979 (2015 ff.).

5. Kapitel „Wettbewerbswidrigkeit' 1 amtlicher Vermessung

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bots durch § 4 AFG meist als Unternehmensberater getarnt) bestand 1430 . Den Begriff des Unternehmens bestimmt der Europäische Gerichtshof ausschließlich nach dem Kriterium wirtschaftlicher Tätigkeit, unabhängig von Rechtsform und der Art der Finanzierung 1431 . Insbesondere spricht es nach Auffassung des Gerichts nicht gegen die wirtschaftliche Natur der Tätigkeit, wenn diese normalerweise als staatliche Aufgabe durch Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung erledigt werde 1432 . Art. 86 Abs. 2 EGV (Art. 90 Abs. 2 EWGV), wonach „Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind", durch die Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht in der Erfüllung ihrer Aufgaben behindert werden dürfen, enthebt die Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung, „keine Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit" der Wettbewerbsregeln ausschalten könnten 1433 . Freilich werden wirtschaftliche Tätigkeiten, welche vom Prinzip der Solidarität geleitet sind, wie der gesamte Bereich der Sozialversicherung, aus dem Unternehmensbegriff der Art. 81 ff. EGV (85 ff. EWGV) ausgeklammert 1 4 3 4 . Der Gerichtshof hat festgestellt, daß ein mit einem gesetzlichen Monopol ausgestattetes Unternehmen eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 86 EWGV (Art. 82 EGV) habe 1435 und daß das Gebiet eines Mitgliedstaates, auf das sich dieses Monopol erstrecke, einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen könne 1436 . Das gesetzliche Monopol als solches hat der Gerichtshof allerdings noch nicht als mit Art. 86 EWGV (82 EGV) unvereinbar erachtet, solange das Unternehmen die ihm übertragenen ausschließlichen Rechte nicht mißbräuchlich ausnutze 1437 . Art. 82 Abs. 2 EGV (Art. 86 Abs. 2 EWGV) nennt beispielhaft, aber nicht abschließend (vgl. den Wortlaut „insbesondere") einige Mißbrauchstatbestände. Im Fall der Arbeitsvermittlung hat der Gerichtshof Artikel 86 Abs. 2 Ziff. b EWGV angewandt. Danach besteht ein Mißbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung zum Schaden derjenigen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen. Der Gerichtshof hat hierzu für den Fall des Arbeitsvermittlungsmonopols festgestellt: „Ein Mitgliedstaat schafft eine Lage, in der die Leistung beschränkt wird, wenn das Unternehmen, dem er ein ausschließliches Recht über-

1430

Vgl. EuGH, Rs C-179/90 Porto di Genova, Slg. 1991,5889 (Rdn. 15). EuGH, Rs C-41/90 Höfner, Elser/Macroton, Slg. 1991 I, 1979 (Rdn. 21). 1432 EuGH, Rs C-179/90 Porto di Genova, Slg. 1991, 5889 (Rdn. 22). 1433 EuGH, Rs C-179/90 Porto di Genova, Slg. 1991, 5889 (Rdn. 26); vgl. auch EuGH, Rs 13/77 GB-Inno, Slg. 1977, 2115 (Rdn. 30/35). 1434 EuGH, Rs C-l59/91 und C-160/91 Christian Poucet, Daniel Pistre/Cancava, Slg. 1993, 637, Rdn. 9 f f , 18 ff. 1435 EuGH, Rs C-41/90 Höfner, Elser/Macroton, Slg. 1991 I, 1979 (Rdn. 28); vgl. auch EuGH, Rs 311/84 CBEM, Slg. 1985,3261 (Rdn. 16). 1436 EuGH, Rs C-41/90 Höfner, Elser/Macroton, Slg. 1991 I, 1979 (Rdn. 28); vgl. auch EuGH, Rs 322/81 Michelin, Slg. 1983, 3461 (Rdn. 28). 1437 EuGH, Rs C-41/90 Höfner, Elser/Macroton, Slg. 1991 I, 1979 (Rdn. 29); vgl. auch EuGH, Rs C-179/90 Porto di Genova, Slg. 1991, 5889 (Rdn. 16). 1431

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5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

tragen hat, ... offensichtlich nicht in der Lage ist, die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Leistungen zu befriedigen, und wenn die tatsächliche Ausübung dieser Vermittlungstätigkeiten durch private Personalunternehmen durch die Beibehaltung einer Gesetzesbestimmung unmöglich gemacht wird, die diese Tätigkeiten ... verbietet" 1438 . In seiner Entscheidung „Porto di Genova", in der es um das Wettbewerbs widrige Verhalten einer staatlichen Hafenbetriebsgesellschaft ging, sah er die Mißbrauchstatbestände aus Art. 86 Abs. 2 Ziff. a, b und c EWGV als erfüllt an 1 4 3 9 . Wenn die Dogmatik dieser Rechtsprechung 1440 zu Grunde gelegt wird, ist die Staatlichkeit des Vermessungswesens in Bayern nicht zu verteidigen. Die Tätigkeit ist fraglos wirtschaftlich, und sie hat bis in die einzelnen Vermessungstätigkeiten hinein private „Wettbewerber". Das beweist insbesondere Art. 8 Abs. 9 VermKatG. Diese Vorschrift regelt das „Wettbewerbsverhältnis" zu den privaten Vermessern und befugt ausgerechnet den „Wettbewerber", die staatlichen Vermessungsämter, mit der Entscheidung darüber, ob der private „Wettbewerber" am Vermessungsmarkt mit einer bestimmten Arbeit tätig werden darf und ob seine Vermessungsleistung hinreichend qualifiziert ist, um von der staatlichen Vermessungsverwaltung genutzt werden zu dürfen. Diese Bedürfnisprüfung ist eine mißbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung der Vermessungsämter, weil sie zum Schaden der Leistungsempfänger verhindert, daß diese selbst entscheiden können, wessen Sachverstand, den der privaten Vermessungsingenieure oder den der Vermessungsämter, sie heranziehen wollen. Die Existenz einer solchen Bedürfnisprüfung belegt, daß die Verwaltung allein nicht ausreichend in der Lage ist, die Nachfrage zu befriedigen. Hierdurch wird auch der technische Fortschritt im Vermessungswesen behindert, weil kein hinreichender Wettbewerb um den besten akademischen Sachverstand stattfindet. Das ist mit wettbewerbsrechtlichen Prinzipien (vgl. Art. 82 Abs. 2 Ziff. B EGV) unvereinbar. Nach dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Gemeinschaft ist die Aufgabenverteilung des Art. 12 Abs. 1 VermKatG Bayerns somit Mißbrauch der Marktmacht des staatlichen „Wettbewerbers" (Unternehmens) Freistaat Bayern. Sie ist auch geeignet, den zwischenstaatlichen Handel im Sinne des Art. 82 Abs. 1 EGV zu beeinträchtigen, weil auch private Vermessungsingenieure aus anderen Mitgliedstaaten, die ihre Leistungen in Bayern anbieten wollen, durch diese Regelung betroffen sind. Zudem verletzt die gesetzlich vorgesehene Praxis nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG das Fairnessprinzip des Wettbewerbsrechts, weil ausgerechnet der „Wettbe-

1438

EuGH, Rs C-41/90 Höfner, Elser/Macroton, Slg. 1991 I, 1979 (Rdn. 31). EuGH, Rs C-179/90 Porto di Genova, Slg. 1991, 5889 (Rdn. 18 ff.). 1440 Ebenso EuGH, Rs C-18/88 RTT/GB-Inno-BM SA, Slg. 1991 I, 5941 (Rdn. 16 ff.); Rs C-202/88 Frankreich/Kommission, Slg. 19911, 1223 (Rdn. 34 ff.); Rs C-260/89 ERT, Slg. 1991 I, 2925 (Rdn. 30 ff.); Rs C-320/91 Corbeau, Slg. 1993 I, 2533 (Rdn. 18 f.). 1439

5. Kapitel „Wettbewerbswidrigkeit

amtlicher Vermessung

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werber" die Entscheidung über den Marktzutritt des (privaten) Konkurrenten zu treffen hat. II. Amtliche Vermessungen der Kommunen Bayerns Die kommunale Vermessungstätigkeit, sei sie amtlich oder sei sie nicht amtlich, beruht nicht auf Gesetz, sondern im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 GG, des Art. 11 Abs. 2 BV und des Art. 7 Abs. 2 BayGO auf Einrichtungsakten der (Ober)Bürgermeister. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht kann somit nicht durch ein Gesetz gerechtfertigt werden. Kommunale wird genausowenig wie die staatliche Aufgabenübernahme als solche an § 1 UWG gemessen, sondern vor allem, jedenfalls wenn sie unternehmerisch ist, am gemeinderechtlichen Subsidiaritätsprinzip, in Bayern an Art. 87 Abs. 1 BayGO, Art. 73 Abs. 1 BayBezO (dazu 4. Teil, 3. Kapitel). Wegen der Dogmatik der Doppelqualifikation wird das „wettbewerbliche" Handeln jedoch den Lauterkeitsprinzipien des § 1 UWG unterworfen 1441 . Das führt allerdings in der Praxis auch zur Begrenzung der Aufgaben der Gemeinden. So hat es das OLG Hamm dem Gartenbauamt einer Stadt in Nordrhein-Westfalen, gestützt auf § 1 UWG, untersagt, die unausgelasteten Ressourcen für privatwirtschaftliche Tätigkeiten am Gartenmarkt zu nutzen 1442 . Das ist eine aufgabenrechtliche Konsequenz aus § 1 UWG, welche besser auf das kommunalrechtliche Privatheitsprinzip gestützt worden wäre. Soweit die Betätigung der Gemeinden aber amtlich, also in der üblichen Terminologie hoheitlich, bleibt, wird § 1 UWG für die Aufgabenübernahme nicht herangezogen. Diese Vorschrift soll nicht das „Ob" der wirtschaftlichen Betätigung des Staates regeln, sondern nur das „Wie". 1 4 4 3 Richtigerweise sind die Rechtsfragen der Aufgabenteilung eben nicht privatrechtlich, sondern öffentlich-rechtlich und von den Verwaltungs- und gegebenenfalls von den Verfassungsgerichten zu entscheiden, welche das Privatheitsprinzip zu judizieren haben (3. Teil, 4. Kapitel). Freilich können die Praktiken der kommunalen Vermessungsämter (wie der staatlichen), soweit sie mit den freiberuflichen Vermessern im „Wettbewerb" stehen, an § 1 UWG gemessen werden. Dieser „Wettbewerb" muß nach der Praxis der Zivilgerichte lauter, d.h. fair, bleiben 1 4 4 4 . Gemeinschaftsrechtlich ist die kommunale Vermessungstätigkeit genauso wenig gegen das Wettbewerbsprinzip der Gemeinschaft aus Art. 81 ff. EGV zu verteidigen wie das staatliche Vermessungswesen, soweit es grenzüberschreitende Bezüge aufweisen kann. Die Praxis würde Art. 86 Abs. 1 EGV heranzie-

1441

Hinweise in Fn. 796. OLG Hamm, Urteil v. 23.9.1997, JZ 1998, 577 ff. 1443 RGZ 138, 174 (176); BGHZ 82, 375 (397). 1444 Vgl. K.A. Schachtschneider , Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 ff.; etwa BGHZ 82, 375 (381 ff.). 1442

322

5. Teil Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns

hen, der eine staatliche Gesetzgebung oder Praxis, welche dazu fuhren muß, daß die Kommunen ihre marktbeherrschende Stellung auszunutzen, in Verbindung mit Art. 82 EGV verbietet 1445 . In der Konsequenz bedeutet dies, daß der Gesetzgeber verpflichtet ist, den privaten Wettbewerbern Marktchancen zu geben, die den Vermessungsämtern oder (kommunalen Vermessungsunternehmen) vergleichbar sind. Die privaten Vermessungsingenieure müssen ohne Diskriminierung (jedenfalls bei grenzüberschreitenden Angeboten) Zugang auch zu den Vermessungssachen der Kommunen selbst erhalten. Diese Rechtslage verändert bekanntlich gegenwärtig die kommunalen Verhältnisse mit großer Wirksamkeit. Erinnert sei an die wettbewerbsorientierte Umstrukturierung der kommunalen Energieversorgung. Auf dem allgemeinen Markt ist die gleiche Marktchance ohnehin rechtlich gesichert. Freilich müßten die Kommunen sich aus Gründen des europäischen Wettbewerbsrechts nicht vom Vermessungsmarkt zurückziehen, wie es das Privatheitsprinzip gebietet. Sie dürften am Vermessungswettbewerb als öffentliche Unternehmen, welche die kommunalen Vermessungsämter der Sache nach sind 1 4 4 6 , teilnehmen (wie auch die staatlichen Vermessungsämter), aber sie dürften sich keine unlauteren Vorteile bei der Auftrags vergäbe schaffen (interne Subventionierung usw.). Die Gemeinden müßen schon wegen des gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsrechts ihre Vermessungspraxis grundlegend ändern, weil sie ihre eigenen Vermessungssachen allein zu bearbeiten pflegen, aber dem allgemeinen, unionsweiten Vermessungsmarkt zugänglich machen müssen. Die Gemeinden müßten somit allein wegen des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft ihre Vermessungsämter personell wesentlich reduzieren.

I I I . „Privatwirtschaftliche" Vermessungen Bayerns und der bayerischen Kommunen Die sogenannte privatwirtschaftliche Vermessungstätigkeit der Gemeinden wie des Staates befindet sich nach der Praxis uneingeschränkt im Wettbewerb mit den privaten Vermessern und muß demgemäß das Lauterkeitsprinzip des § 1 UWG achten. Dieses wird krass durch Art. 8 Abs. 9 VermKatG verletzt, der dem „Wettbewerber" erlaubt, seine Konkurrenten am Marktzutritt zu hindern. A m Markt entscheidet der Dienstvertrag, die staatlichen Vermessungsämter dürfen aber nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG so handeln, als seien sie privatheitliche Auftraggeber, die Aufträge nach einem Bedarf hereinnehmen. Das ist unternehmerisches Handeln, nicht aber Verwaltungshandeln. Die Entscheidungen nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG sind Verwaltungsakte, aber die Beamten, die über die Auftragsvergabe zu entscheiden haben, können und dürfen die Aufträge auch selbst übernehmen (und wollen das meist). Sie sind also höchst befan-

1445 1446

EuGH, Rs C-41/90 Höfner, Elser/Macroton, Slg. 1991, 1979 (Rdn. 27, 34). Dazu 3. Teil, 3. Kapitel, II, VI.

5. Kapitel „Wettbewerbswidrigkeit

amtlicher Vermessung

323

gen. Die Zuständigkeits- und Verfahrensregel ist somit alles andere als rechtsstaatlich.

Sechster

Teil

Rechtsschutz des Privatisierungsrechts der freiberuflichen Vermessungsingenieure

1. Kapitel

Klagen gegen die Vermessungsakte der bayerischen Kommunen I. Streitstoff Kommunale Tätigkeit im Vermessungswesen existiert in verschiedenen Formen. Die Unterscheidung dieser Formen ist bedeutsam für die Bestimmung des Rechtswegs: (1) Die Gemeinde kann als gemeindliche Aufgaben nach Art. 6, 7 BayGO vermessen. Voraussetzung ist ein Vermessungsamt, dessen Beamte die Vermessungshandlungen als öffentliche Aufgaben vollziehen. (2) Die Gemeinde kann weiterhin auf ihrem Gemeindegebiet in Wettbewerb zu Privaten Vermessungsleistungen anbieten und durchführen. Hierbei handelt es sich um Leistungen, die keine öffentlichen Aufgaben im Sinne der Art. 6, 7 BayGO sind, sondern die als private Dienstleistung nach gegenwärtiger Gesetzeslage auch schon von Privaten erbracht werden können. Die Gemeinde tritt in diesem Fall als Wettbewerber am Markt auf. (3) Gemeinden können schließlich auf dem Gemeindegebiet einer anderen Gemeinde vermessen. Das sind gleichfalls keine öffentlichen Aufgaben im Sinne der Art. 6, 7 BayGO der vermessenden Gemeinde. Klagen der Vermessungsingenieure können sich zum einen gegen die Übernahme der Aufgaben durch die Gemeinden, also die Errichtung und den Betrieb der Vermessungsämter, richten, zum anderen gegen den Wettbewerb der Gemeinden am Vermessungsmarkt. Letzteres schließt die Vermessung für dritte Gemeinden ein.

326

6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

II. Verwaltungsgerichtliche Klagen

1. Verwaltungsrechtsweg Nach § 40 Abs. 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet. Die Klage der Vermessungsingenieure kann sich gegen die Einrichtung und den Betrieb der von den Oberbürgermeistern bayerischer Städte aufgrund ihrer Organisationsgewalt eingerichteten Vermessungsämtern richten. Die Organisationsgewalt der bayerischen Oberbürgermeister ergibt sich aus Art. 22 Abs. 1 BayGO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 BayGO. Diese Vorschriften gehören zum öffentlichen Recht, weil sie spezifische Befugnisse der Gemeinden (als Körperschaften des öffentlichen Rechts untere staatliche Gebietskörperschaften) regeln. Die Klage der Vermessungsingenieure auf Schließung der Vermessungsämter löst somit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 VwGO aus. Das eröffnet den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten.

2. Anfechtungsklage nach § 42 Abs. I Alt. 1 VwGO Eine Klage muß statthaft sein. Die Statthaftigkeit der Klagen vor Verwaltungsgerichten ergibt sich grundsätzlich aus § 42 und § 43 VwGO. Die Statthaftigkeit bestimmt sich nach dem Klagebegehren, welches dem Streitgegenstand bestimmt. Die Klage der Vermessungsingenieure zielt auf die Verpflichtung der bayerischen Kommunen, die Vermessungstätigkeit zu unterlassen. Sie ist eine Art Konkurrentenklage. Das Ziel der Klage, die Schließung der Vermessungsämter, kann dadurch erreicht werden, daß die Kommunen durch einen Richterspruch verpflichtet werden, den Rechtsakt aufzuheben, auf dem die Einrichtung des Amtes beruht, und demgemäß das Amt zu schließen. Die richtige Klageart ist die Anfechtungsklage.

a) Verwaltungsakt Eine Anfechtungsklage kann nur gegen einen Verwaltungsakt erhoben werden (§ 42 Abs. 1 VwGO). Art. 35 S. 1 BayVwVfG definiert ebenso wie § 35 S. 1 VwVfG den Verwaltungsakt als , jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist" 1 4 4 7 . Die Oberbürgermeister der bayerischen Kommunen sind Behörden; denn jeder von ihnen ist eine Stelle, die Aufgaben

1. Kapitel Klagen gegen staatliche Vermessungsakte

327

der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (Art. 1 Abs. 4 BayVwVfG; § 1 Abs. 4 VwVfG). Die Entscheidung, das Vermessungsamt zu errichten und zu betreiben, regelt einen Einzelfall, nämlich die Einrichtung des Vermessungsamtes. Diese Entscheidung bestimmt sich nach öffentlichem Recht, nämlich nach den Art. 22 Abs. 1 BayGO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 BayGO, welche die Organisationsgewalt des Oberbürgermeisters regeln. Wegen des funktional unternehmerischen Charakters der Vermessungsämter (3. Teil, 4. Kap, II.) sind auch die Art. 86 ff. BayGO Rechtsgrundlagen des Einrichtungsaktes, also ebenfalls öffentliches Recht. Die Einrichtungsentscheidung ist auch auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Sie verbleibt nicht im Innenbereich der Verwaltung 1448 . Zunächst einmal berechtigt sie aus der Gemeindehoheit den Betrieb des Vermessungsamtes gegenüber der Gemeinde, also deren Bürgern, insbesondere gegenüber den Vermessungsingenieuren. Das Vermessungsamt verursacht Kosten und betrifft damit die gesamte Bürgerschaft der Stadt. Zudem beeinträchtigt die Entscheidung die Privatheit der Lebensbewältigung in den Gemeinden, also das Privatheitsprinzip (3. Teil, insb. 4. Kap.). Schon deswegen hat die Einrichtungsentscheidung Rechtswirkung nach außen und ist ein Verwaltungsakt. Diese Umstände würden aber der Praxis nicht genügen, um einen Verwaltungsakt anzunehmen, weil die Praxis die staatliche und kommunale Unternehmespolitik möglichst vom Rechtsschutz abschottet. Man sieht in derartigen Einrichtungsentscheidungen nichtrechtsschutzfähige Organisationsakte 1449. Mit dieser restriktiven Begrifflichkeit will man die Popularklage abwenden, weil im republikanischen Staat jeder Bürger berechtigt wäre, die Einrichtungsentscheidung wegen Verletzung des Privatheitsprinzips anzufechten 1450 (dazu 3. Teil, 4. Kap, III.). Die Restriktion des Rechtschutzes wurzelt im liberalistischen Denken, welches von „zugewiesenen Freiheitssphären, Freiheiten" ausgeht 1451 . Die republikanische Rechtslehre läßt die Popularklage gegen jede Gesetzesverletzung zu, weil jede Gesetzes Verletzung die allgemeine Freiheit, den allgemeinen Konsens über das richtige Gesetz, das Recht, und damit jeden Bürger, ver-

1447 Dazu K.A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 14 f f , 17 f. 1448 Zur verwaltungsaktsrechtlichen Unterscheidung des Innen- und des Außenbereichs H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 259 ff.; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 2. Aufl. 1996, S. 248; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 36 f , 185. 1449 Dazu H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, S. 263 f. 1450 F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 280, 289. 1451 Dazu K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 378 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 6. Kap.; vgl. auch H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, S. 259.

328

6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

letzt; denn alles Handeln hat Wirkung auf alle, so daß das Unrecht alle trifft und betrifft 1452 . Art. 98 S. 4 BV kennt immerhin die Popularklage gegen gesetzgeberische Verletzungen der bayerischen Grundrechte. Richtigerweise ist die Gemeindepolitik Sache jedes Bürgers (res publica res populi). Die immer noch bestimmende obrigkeitliche Sicht des Staates steht aber einer solchen Sorge des Bürgers für das gemeine Wohl entgegen. Entgegen dem demokratischen Prinzip wird der Bürger noch immer als Untertan behandelt 1453 , es sei denn, er hat nach der engen Schutzzweckdogmatik subjektive Rechte 1454 . Die Praxis und die der Praxis folgende Lehre anerkennt (entgegen einer bürgerlichen Lehre vom Bürger 1455 ) eine „Rechtswirkung nach außen" nur, wenn eine Entscheidung den besonderen Rechtskreis von besonderen Einzelnen (natürliche oder juristische Personen) berührt 1456 . Dieser Außenrechtskreis wird nicht allein durch besondere Interessen definiert, sondern durch subjektive Rechte. Die Entscheidung muß somit besondere subjektive Rechte von Personen regeln, also verwirklichen oder verletzen, um ein Verwaltungsakt zu sein. 1457 „Die Maßnahme muß darauf gerichtet sein, Rechte des Betroffenen zu begründen, abzuändern oder verbindlich festzustellen", pflegt das Bundesverwaltungsgericht zu formulieren 1458 . Es kommt also auf den Begriff des subjektiven Rechts an, wenn bestimmt werden soll, ob eine Entscheidung ein Verwaltungsakt ist 1 4 5 9 (obwohl sie eigentlich alle Bürger angeht) 1460 . Weil aber eine Entscheidung, die an einen Bürger (eine Person) adressiert ist, diesem gegenüber eine Regelung trifft, die seine Sache zu Recht oder zu Unrecht regelt, sei es auch nur, daß er durch eine rechtlose Entscheidung belästigt wird, wird jede solche Entscheidung als Verwaltungsakt gegenüber der Person, an den sie adressiert ist, eingestuft (Adressatenlehre) 1461. Das ist schon deswegen richtig,

1452

K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 566. Kritik bei K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 f f , passim. 1454 Dazu im Folgenden. 1455 Dazu KA. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 ff. 1456 H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, S. 259 f.; vgl. auch F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 249, 261; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 36 f , 185. 1457 H.-U, Erichsen, Das Verwaltungshandeln, S. 260. 1458 BVerwGE 55, 280 (285); 60, 144 (145). 1459 I.d.S. H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, S. 259 f.; K.A. Schachtschneider, Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 432 f f ; ders./A. EmmerichFritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 44 ff. 1460 K.A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 14 f f ; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 53; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 428 f.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 130 f f , 136 ff. 1453

1461 F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 52, Rdn. 69; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 281, 282 f.; K.A. Schachtschneider, Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 433 f.

1. Kapitel Klagen gegen staatliche Vermessungsakte

329

weil jeder aus dem Grundrecht der allgemeinen Freiheit Anspruch daraufhat, nicht mit Entscheidungen belastet zu werden, die keine Rechtsgrundlage haben 1 4 6 2 . Die Adressatenlehre entlastet die Praxis (zu Recht) weitgehend von der Klärung subjektiver Rechte des Anfechtungsklägers, die sonst nötig ist, um festzustellen, ob ein Verwaltungsakt angefochten wird. Wenn jedoch die Verwaltungsentscheidung niemandem außerhalb der Verwaltung bekannt gemacht wurde, also an niemanden adressiert wurde, und die allgemeine Bekanntmachung, die Adressierung an die gesamte Bürgerschaft nämlich, wegen der Popularklagephobie nicht als Verwirklichung des Verwaltungsaktsbegriffes akzeptiert wird, kann die Rechtswirkung nach außen schlechterdings nur darin bestehen, daß die Entscheidung den Rechtskreis einer besonderen Person betrifft. Der aber besteht aus deren subjektiven Rechten auf Handeln und Unterlassen. So liegt der Fall der Einrichtung des kommunalen Vermessungsamtes. Den Vermessungsingenieuren ist die Entscheidung des Oberbürgermeisters, ein städtisches Vermessungsamt zu betreiben, nicht eigens bekannt gemacht worden (vgl. § 41 VwVfG, Art. 41 BayVwVfG). Sie haben irgendwie davon erfahren. Die Entscheidung ist somit nur ein Verwaltungsakt, wenn die Vermessungsingenieure durch die Entscheidung in subjektiven Rechten betroffen sind, welche ihnen das Recht geben, daß die Gemeinde keine Vermessungen betreibt. Es würde für den Verwaltungsaktsbegriff genügen, daß die Entscheidung bestimmten anderen Personen als den Vermessungsingenieuren bekannt gemacht worden wäre. Sie wäre dann ein Verwaltungsakt mit Wirkung auf die Vermessungsingenieure (Drittwirkung), welche diesen wegen ihrer subjektiven Rechte die Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erlauben würde (janusköpfiger Verwaltungsakt) 1463 . Die Praxis würde, weil mit der Schließung des Vermessungsamtes schlichtes Verwaltungshandeln, nämlich das Unterlassen realer Handlungen (schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln), der Tätigkeit der Vermessung nämlich, erstrebt wird, die allgemeine Leistungsklage, hier als Unterlassungsklage, für die gebotene Klageart halten 1464 . Diese Klageart ist zwar in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht ausdrücklich aufgelistet, wird aber in § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO erwähnt, d.h. die Verwaltungsgerichtsordnung setzt sie voraus, so daß die Leistungsklage im Verwaltungsprozeß statthaft ist 1 4 6 5 . Die Klagearten der Verwal-

1462 So auch F. Hufen , Verwaltungsprozeßrecht, S. 282; BVerfGE 9, 83 (88); 29, 402 (408); BVerfGE 30, 191 (198). 1463 Dazu K.A. Schachtschneider , Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 17 f.; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 430 ff. 1464 F. Hufen , Verwaltungsprozeßrecht, S. 349 f.; H. Maurer , Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 394. 1465 F. Hufen , Verwaltungsprozeßrecht, S. 349; vgl. BVerwGE 31, 301 (302 ff.).

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6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

tungsgerichtsordnung sind nicht abschließend1466. Im Prozeß läßt sich die Klage von der Anfechtungs- auf die Leistungsklage, oder umgekehrt, umstellen. Verwaltungshandeln beruht aber auf Entscheidungen, also auf Rechtsakten, und soll durchgehend Gesetzesvollzug sein 1467 . Selbst wenn Verwaltungsentscheidungen keine gesetzliche Grundlage haben, sind sie Rechtsakte. Das Vermessungsamt einzurichten, hat der Oberbürgermeister entschieden. Es ist nicht nur durch reales Handeln entstanden. Im übrigen liegt allem Handeln ein Wille zugrunde. Im Handeln erweist sich der Willkürakt und damit ein Rechtsakt. Die praktizierte Lehre vom (bloßen) Realakt verzerrt die Rechtslage, wohl auch, um den Handlungsspielraum der Verwaltung trotz des Fehlens von handlungsermächtigenden Gesetzen oder Satzungen zu erweitern. Die Entscheidung des Oberbürgermeisters, ein kommunales Vermessungsamt einzurichten, welches vermessend tätig wird, ist ein Verwaltungsakt, der angefochten werden kann. Wenn dieser Verwaltungsakt aufgehoben wird, wäre der Vermessungstätigkeit die Rechtsgrundlage entzogen und sie wäre einzustellen (Folgenbeseitigungsanspruch 1468 ).

b) Subjektives Recht Das subjektive öffentliche Recht ist allgemein durch die Möglichkeit gekennzeichnet, kraft objektiven (öffentlichen) Rechts ein Handeln oder Unterlassen des Staates (also einer staatlichen Institution wie dem Bund, einem Land, einer Kommune, einer Körperschaft) gerichtlich durchsetzen zu können 1469 . Subjektive Rechte sind Rechte des einzelnen Menschen (oder einzelner juristischer Personen), die gerade darum die Möglichkeit geben, die Pflichterfüllung, die dem Recht (gemäß dem objektiven Recht, dem allgemeinen Gesetz als dem allgemeinen Willen des Volkes) korrespondiert, mit den Mitteln, die der Staat

1466

Bejahend: BVerfGE 20, 238 (251 ff.); verneinend: BVerwG, NJW 1978, 1870. Dazu K.A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 115 f f , 161 ff.; ders., Res publica res populi, S. 926 ff. 1468 p Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 351; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 774 f f ; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien. Von der unmittelbaren Wirkung bis zum Schadensersatzanspruch, 1999, S. 185 ff. 1469 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 118 f f , 127 f f ; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 987; HJ. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, 1994, S. 564, Rdn. 12; zu den Lehren vom subjektiven Recht kritisch W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, m.N.; K.A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 380 f , 931; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 128 ff. 1467

1. Kapitel Klagen gegen staatliche Vermessungsakte

331

zur Verfügung stellt (dem Rechtsschutz), zu erzwingen 1470 . Das subjektive Recht setzt somit objektives Recht voraus 1471 . Subjektive öffentliche Rechte sind zunächst in den einfachen Gesetzen, aber auch in Rechtsverordnungen, Satzungen usw. zu suchen. Sie können aber auch aus den Verfassungsgesetzen, wie dem Grundgesetz, unmittelbar folgen, etwa die Abwehr- oder auch Schutzansprüche aus den Grundrechten 1472. Aber auch die Verwaltungsrechtsetzung 1473 und die öffentlich-rechtlichen Verträge kommen als Rechtsgrundlage subjektiven öffentlichen Rechts in Betracht. Die Rechtsgrundlagen eines subjektiven Rechts der Vermessungsingenieure, die gemeindliche Vermessungstätigkeit zu beenden, sind im 3. Teil belegt. Es sind: 1. Das verfassungsrechtliche Privatheitsprinzip, gestützt vor allem auf die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit), Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgewährleistung), Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Freiheit) (3. Teil, 1. Kap.). 2. Das Privatheitsprinzip des Binnenmarktes, gestützt vor allem auf die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV und die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV (3. Teil, 2. Kap.). 3. Das Privatheitsprinzip des bayerischen Kommunalrechts, gestützt vor allem auf Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BayGO (3. Teil, 3. Kap.). Aus den Rechtsgrundlagen folgen nach allen Lehren vom subjektiven Recht, nämlich der Schutzzwecklehre, der Betroffenheitslehre und der Bürgerlehre, subjektive Rechte der Vermessungsingenieure auf die Privatisierung der kommunalen Vermessungsämter. Das ist auch im 3. Teil, 4. Kap, III. dargelegt.

c) Klagebefugnis Der individúale Rechtsschutz hängt in Deutschland (anders etwa in Frankreich) davon ab, daß der Kläger in „seinen Rechten" verletzt ist. Für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage macht § 42 Abs. 2 VwGO die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich davon abhängig, daß der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder aber durch dessen Ablehnung oder Unterlassung in

1470

K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 379. K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 378 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 128 ff. 1472 Dazu J. Isensee, HStR, Bd. V, § 111, Rdn. 1 ff. 1473 Etwa durch Verwaltungsvorschriften, dazu F. Ossenbühl , Rechtsquellen und Rechtsbindungen der Verwaltung, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 130 ff. 1471

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6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

seinen Rechten verletzt zu sein (Klagebefugnis) 1474 . Diese Klagebefugnis soll wiederum, wie schon die Begrifflichkeit des Verwaltungsaktes, die Popularklage abwehren 1475 , d.h. das Volk von seinem Recht trennen und damit den Gesetzesvollzug entdemokratisieren. Die Rechtsverletzung muß möglich sein (Möglichkeitslehre) 1476 . Nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO hängt der Erfolg der Anfechtungsklage davon ab, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Entsprechendes gilt nach § 113 Abs. 5 VwGO für die Verpflichtungsklage. Nach Praxis und herrschender Lehre muß der Kläger auch bei der allgemeinen Leistungsklage, obwohl eine entsprechende Regelung fehlt, geltend machen, in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) 1477 . Es genügt also nicht, daß der Kläger lediglich vorträgt, eine staatliche Maßnahme sei rechtswidrig. Für die Klagebefugnis genügt es, substantiiert darzulegen, daß eine Verletzung subjektiver Rechte möglich erscheint 1478 . Es ist nicht ausgeschlossen, daß die städtische Einrichtung der Vermessungsämter gegen das auf den drei Ebenen des Verfassungsrechts, des Gemeinschaftsrechts und des Kommunalrechts dargelegte Privatheitsprinzip verstößt, ganz im Gegenteil: So ist die Rechtslage. Hinzu kommt eine Mißachtung der Verfassung Bayerns. Gegen die Klagebefugnis ist somit nichts einzuwenden.

d) Vorverfahren und Fristen Nach den §§68 ff. VwGO ist vor Erhebung der Anfechtungsklage ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Es ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (nicht der allgemeinen Leistungsklage)1479. Hierbei sieht § 70 Abs. 1 VwGO vor, daß der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt-

1474

Dazu F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 42, Rdn. 59, 65 ff.; R. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 277 f f , 330 ff. 1475 F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 42, Rdn. 59; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 277 f f ; K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 54 ff. 1476 F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 42, Rdn. 65 ff.; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 281; K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 54. 1477 BVerwGE 17, 87 (91); 18, 154 (157); 36, 192 (199); F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 42, Rdn. 62; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 281. 1478 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 42, Rdn. 65 ff. 1479 Vgl. BVerwGE 31, 301 (304 f.); 40, 323 (328); zu den Gründen vgl. OVG Lüneburg, DÖV 1955, S. 89 f.

1. Kapitel Klagen gegen staatliche Vermessungsakte

333

gegeben worden ist, zu erheben ist. Nach § 70 Abs. 2 VwGO gelten die §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 VwGO entsprechend. Die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO hinsichtlich des Verwaltungsaktes „Einrichtung des Vermessungsamtes" greift jedoch nicht. Voraussetzung für diese Frist ist, daß der Verwaltungsakt den Beschwerten bekanntgegeben worden ist. Der Verwaltungsakt „Einrichtung des Vermessungsamtes" wurde jedoch zu keiner Zeit und niemandem außerhalb der kommunalen Verwaltung gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG bekanntgegeben. Deswegen findet auch § 58 Abs. 2 VwGO, der bei unterbliebener oder unrichtig erteilter Rechtsbehelfsbelehrung vorschreibt, daß die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig ist, keine Anwendung; denn von der unterbliebenen oder unrichtig erteilten Rechtsmittelbelehrung sind diejenigen Fälle zu unterscheiden, in denen der Verwaltungsakt überhaupt nicht bekanntgegeben wurde. Gegen nicht bekanntgegebene Verwaltungsakte können auch noch nach Ablauf der Jahresfrist Rechtsbehelfe und Rechtsmittel eingelegt werden 1480 . Diese Rechtsauffassung ist schon deswegen überzeugend, weil der Nachwuchs des freien Berufs schlechterdings keine Gelegenheit hatte, Einrichtungsakte anzufechten, die vor dem Berufsbeginn oder gar vor der Geburt vorgenommen worden sind. Die Rechtsverletzung trifft den Nachwuchs aber auch. Die Anfechtungsklage gegen den Akt, der das jeweilige Vermessungsamt eingerichtet hat, ist statthaft und zulässig. Sie wäre begründet, weil das dreifach begründete Privatheitsprinzip durch die Einrichtung und den Betrieb der kommunalen Vermessungsämter verletzt ist.

3. Normenkontrollklage

nach §47 VwGO

Wenn der Einrichtungsakt des Vermessungsamtes aufgrund einer gemeindlichen Satzung erfolgt sein sollte, wäre die Normenkontrollklage des § 47 VwGO statthaft. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erlaubt die gerichtliche Überprüfung von unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern dies das Landesrecht bestimmt. Art. 5 Abs. 1 S. 1 des bayerischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) bestimmt, daß der bayerische Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von Rechtsvorschriften entscheidet, die im Rang unter dem Landesgesetz stehen, und eröffnet damit die Möglichkeit, kommunale Satzungen gerichtlich überprüfen zu lassen, weil diese im Rang unter den Landesgesetzes stehen. Die Durchführung eines Normenkontrollverfahrens gegenüber einem Einrichtungsakt des Oberbürgermeisters kommt jedoch nicht in Betracht. Er ist keine Satzung. Zum Erlaß von Satzungen ist nach Art. 23, 32 Abs. 2 Nr. 2 1480

So auch F.O. Kopp/ W.-R. Schenke , VwGO, § 58, Rdn. 17.

334

6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

BayGO nur der Gemeinderat zuständig, nicht jedoch der Oberbürgermeister. Die kommunalen Vermessungsämter in Bayern sind nach Information der Stadt Nürnberg aufgrund der Organisationsgewalt der Oberbürgermeister errichtet worden.

I I I . Zivilrechtliche Klagen

1. Zivilrechtsweg Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich danach, ob der geltend gemachte Anspruch, das subjektive Recht, eine Grundlage im öffentlichen oder im privaten Recht hat oder haben kann. Ein Anspruch, die Vermessungstätigkeit der Gemeinden zu unterbinden, könnte auf § 1 UWG gestützt werden. Streitgegenstand wäre vor allem die Vermessungstätigkeit, welche die Gemeinde als Wettbewerber am Markt ausübt, aber auch die gesamte kommunale Vermessungstätigkeit könnte unter bestimmten Gesichtspunkten als unlauterer Wettbewerb angesehen werden.

2. Klageanspruch aus § 1 UWG auf Unterlassung und/oder Schadensersatz Der Bundesgerichtshof hält in Rechtsstreitigkeiten um wettbewerbliches Handeln kommunaler Ämter die Zivilgerichte für zuständig, weil Handeln im Wettbewerb privatrechtlich sei 1 4 8 1 . Die überwiegende Lehre unterscheidet entsprechend der sogenannten Zweistufenlehre danach, ob es um die Befugnis unternehmerischer Betätigung der Gemeinde oder um die Ausübung des wettbewerblichen Handelns geht 1482 . Stehe die Befugnis unternehmerischer Betätigung der Gemeinde in Frage, beurteile sich diese nach den Vorschriften des öffentlichen Rechts. Insoweit sei der Verwaltungsrechtsweg zu begehen 1483 , während für die Streitigkeiten um die Auswirkung der staatlichen Betätigung im „Wett1481 BGHZ 36, 91 (93); 37, 1 (16 ff.); 39, 353 (356); 64, 232 (234 f.); 67, 81 (85 ff.); 82, 375 (381 ff.); BVerwGE 17, 306 (313); 39, 329 (337); vgl. auch BVerfGE 7, 364 (374); dazu m. w. Hinw. KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6 f f , 25 f f ; ders., Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 487 f f ; weitere Hinweise in Fn. 764 f f , 783, 796. 1482 Zur Zweistufenlehre vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 427 ff.; D. Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 4 ff.; HJ. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, S. 214 ff. 1483 BayVGH, BayVBl. 1976, 628; BGH, NJW 2002, 2647 f.; dazu KA. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie Kommunaler Wettbewerb, S. 29 f.

1. Kapitel Klagen gegen staatliche Vermessungsakte

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bewerb" auf die privaten Konkurrenten der Zivilrechtsweg eröffnet sei; denn die Anspruchsgrundlage des § 1 U W G 1 4 8 4 qualifiziere das Verhältnis zum Konkurrenten, selbst wenn das Verwaltungshandeln in einem anderen Verhältnis öffentlich-rechtlich zu beurteilen sei, als Wettbewerbsverhältnis (Lehre von der Doppelqualifikation) 1485 . Im Streitfall geht es den Vermessungsingenieuren zum einen um die Schließung der kommunalen Vermessungsämter, welche sie nach der Zweistufenlehre dadurch erreichen könnten, daß sie die Befugnis zur Errichtung des Amtes überhaupt in Abrede stellen und den Verwaltungsrechtsweg beschreiten (vgl. hierzu die Anfechtungsklage), zum anderen könnten die Vermessungsingenieure die Durchführung der kommunalen Betätigung auf dem Markt als sittenwidrig und verboten kritisieren und den Zivilrechtsweg beschreiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt somit eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 13 GVG vor. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist eröffnet.

3. Klageanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB auf Unterlassung von Vermessungsleistungen der Gemeinden Als weiterer zivilrechtlicher Anspruch der Vermessungsingenieure kommt die Verletzung ihres Rechts an ihrem Unternehmen, 1486 vielfach auch noch als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bezeichnet, in Frage, welches als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. Das Recht am Unternehmen soll den Unternehmer auch gegen diejenigen unmittelbar schädigenden Eingriffe in sein Gewerbe absichern, die nicht von den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen und deliktischen Schutznormen erfaßt sind 1 4 8 7 . Vermessungsingenieure sind auch als Freiberufler im Sinne dieses Rechts am Unternehmen Unternehmer. Ihr Vermessungsbüro ist ihr Unternehmen. In dieses Unternehmen greift die Gemeinde rechtswidrig ein, wenn sie, das Privatheitsprinzip nicht beachtend, als Wettbewerbsteilnehmer am Markt Vermessungsleistungen anbietet und dadurch die Marktchancen der Privaten verringert.

1484 Zu deren Anwendbarkeit BayVGH, BayVBl. 1976, 628; BVerwGE 17, 306 (313); 39, 329 (337); st. Rspr.; BGH, DÖV 1974, 785; BGHZ 66, 232 (234 f.); 67, 81 (85 ff.); 82, 375 (381 ff.); 102, 280 (283 ff.); 123, 157 (160 ff.). 1485 BGHZ 66, 229 (232 ff.); 67, 81 (85); 82, 375 (383 f.); weitere Hinweise in Fn. 796. 1486 Zu diesem Recht am Unternehmen H.-J. Mertens , in: Münchener Kommentar, Schuldrecht besonderer Teil III, 3. Auflage, 1997, § 823, Rdn. 481 ff.; KA. Schachtschneider (P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz, S. 338 f f ; ders , Fallstudie Produktwarnung (Glykol-Skandal), S. 186 ff. 1487 H.-J. Mertens , in: Münchener Kommentar, Schuldrecht besonderer Teil III, § 823, Rdn. 481.

336

6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

Hiergegen können die betroffenen Vermessungsingenieure einen auf § 823 Abs. 1, 1004 BGB gestützten Unterlassungsanspruch geltend machen. Bei Verschulden kommt ein Amtshaftungsanspruch aus §§ 839 BGB, Art. 34 GG in Betracht.

IV. Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG an das Bundesverfassungsgericht Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG können Personen des Privatrechts Verfassungsbeschwerde erheben, wenn sie durch die öffentliche Gewalt in ihren Grundrechten verletzt worden sind. Öffentliche Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG üben auch die Gemeinden aus. 1488 Die Mißachtung des Privatheitsprinzips verletzt die Grundrechte (3. Teil, 1. Kap. und 3. Kap.). Voraussetzung einer zulässigen Verfassungsbeschwerde ist nach § 90 Abs. 2 BVerfGG allerdings die Erschöpfung des Rechtswegs (prozessuales Subsidiaritätsprinzip). Das Bundesverfassungsgericht kann erst bemüht werden, wenn das kommunale Handeln von allen fachgerichtlichen Instanzen gerechtfertigt wurde.

V. Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof

7. Bayerische Verfassungsbeschwerde

nach Art. 66 BV

Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte (insbesondere der Grundrechte) zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof nach Art. 66 BV, Art. 51 ff. VfGHG setzen das Verhalten (Tun/Unterlassen) einer Behörde voraus. Die Gemeinden handeln im Sinne der Vorschrift durch Behörden. Als verletztes verfassungsmäßiges Recht kommen Art. 101 BV, der die allgemeine Freiheit schützt 1489 , Art. 103 BV, die Eigentumsgewährleistung 1490, und Art. 151 Abs. 2 BV, die wirtschaftliche Handlungsfreiheit 1491 , in Betracht. Diese Rechte werden durch das Handeln der Gemeinden verletzt.

1488

G. Sturm, in: Sachs, GG, Art. 93, Rdn. 76. Art. 101 BV lautet: „Jedermann hat das Recht, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet". 1490 Art. 103 BV lautet: „(1) Eigentumsrecht und Erbrecht werden gewährleistet. (2) Eigentumsordnung und Eigentumsgebrauch haben auch dem Gemeinwohl zu dienen". 1489

1. Kapitel Klagen gegen staatliche Vermessungsakte

337

Nach Art. 51 Abs. 2 S. 2 VfGHG beträgt die Klagefrist zwei Monate nach Bekanntgabe der vollständigen letztgerichtlichen Entscheidung an den Beschwerdeführer. Wie bei der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist auch für Verfassungsbeschwerden zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 51 Abs. 2 VfGHG die Rechts wegerschöpfung nachzuweisen. Zuerst ist also Klage vor den zuständigen Fachgerichten zu erheben, bevor der Bayerische Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann.

2. Popularklage nach Art 98 S. 4 BV Die Popularklage nach Art. 98 S. 4 BV ist nur gegen Gesetze und Verordnungen 1492 zulässig. Sie scheidet damit als statthafte Klageart gegen die gemeindlichen Handlungen „Vermessung" und „Einrichtung von Vermessungsämtern" aus, weil diese Handlungen nicht die erforderliche Rechtsaktqualität besitzen (zur Rechtsaktqualität vgl. die Anfechtungsklage). Etwas anderes gilt allerdings für das städtische Vermessungsamt der Stadt München. Nach Art. 12 Abs. 7 VermKatG ist das städtische Vermessungsamt München befugt, innerhalb des Stadtgebiets an Liegenschaften, die im Eigentum der Landeshauptstadt stehen oder von ihr zum Erwerb vorgesehen sind, Katastervermessungen auszuführen. Dieser Ausnahmetatbestand kann aufgrund seiner gesetzlichen Regelung im Vermessungskatastergesetz Gegenstand der Popularklage sein. Die hiergegen gerichtete Popularklage ist zulässig 1493 und auch begründet, weil Art. 12 Abs. 7 VermKatG das Privatheitsprinzip verletzt.

VI. Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Die kommunale Praxis behindert ausländische Vermessungsingenieure, sich in Bayern niederzulassen, um ihren Beruf als Vermessungsingenieur auszuüben und/oder die Dienstleistung Vermessung in Bayern zu erbringen. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV und die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV (3. Teil, 2. Kap.). Dieser Verstoß könnte den 1491

Art. 151 Abs. 2 BV lautet „Innerhalb dieser Zwecke gilt Vertragsfreiheit nach Maßgabe der Gesetze. Die Freiheit der Entwicklung persönlicher Entschlußkraft und die Freiheit der selbständigen Betätigung des einzelnen in der Wirtschaft wird grundsätzlich anerkannt. Die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten und auf die sittlichen Forderungen des Gemeinwohls. Gemeinschädliche und unsittliche Rechtsgeschäfte, insbesondere alle wirtschaftlichen Ausbeutungsverträge sind rechtswidrig und nichtig". 1492 Zu den Voraussetzungen der Popularklage näher 2. Kap, I V , 1. 1493 Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Popularklage 2. Kap, I V , 1.

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6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

Rechtsweg zu den Gerichten der Europäischen Gemeinschaft eröffnen. Unmittelbare Klagen privatrechtlicher Personen zu den europäischen Gerichten sind jedoch nur dann statthaft, wenn ein Organ der Europäischen Gemeinschaft gehandelt hat. Rechtswidriges mitgliedstaatliches Handeln hingegen ist im Rahmen der nationalen Gerichtsbarkeit zu verfolgen. Jedes nationale Gericht ist berechtigt, dem Europäischen Gerichtshof gemeinschaftsrechtliche Fragen vorzulegen (Art. 234 Abs. 2 EGV), nationale Gerichte letzter Instanz sind hierzu verpflichtet (Art. 234 Abs. 3 EGV). In diesem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV entscheidet der Europäische Gerichtshof über die vom nationalen Gericht vorgelegte Frage, wenn diese zur Entscheidung in dem anhängigen Rechtsstreit geklärt werden muß. Unter Hinweis auf die Verletzung der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit sollten deshalb der oder die klagenden Vermessungsingenieur(e) in jedem nationalen Verfahren die Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof anregen. Die Rechtsklärung des Europäischen Gerichtshofs ist für das vorlegende Gericht bindend. 1494

2. Kapitel

Klagen gegen die Vermessungsakte des Freistaates Bayern

I. Streitstoff Als Gegenstand einer Klage kommen folgende Akte der Vermessungsämter des Freistaates Bayern in Betracht: (1) Die Übernahme der Vermessungen und der Katasterung als Aufgabe des Staates durch Art. 12 Abs. 1 VermKatG. (2) Die Nichtvergabe von Vermessungsaufträgen aufgrund des Vermessungskatastergesetzes an inländische und ausländische Vermessungsingenieure. (3) Ablehnungen der Übernahme von Vermessungen von Privatpersonen nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG.

1494 KA. Schachtschneider/A. schen Union, §11.

Emmerich-Fritsche,

Verfassungsrecht der Europäi-

2. Kapitel Klagen gegen Vermessungsakte des Freistaates Bayern

339

I L Verletzte Rechte Die verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen subjektiven Rechte der Vermessungsingenieure gegen den Freistaat Bayern auf Privatisierung des staatlichen Vermesungswesens sind im 3. Teil, 1. und 2. Kap. erörtert. Ein Vermessungsingenieur aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union kann sich auf die Verletzung der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EGV und der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 49 EGV berufen. Inzident kann gegen die Verletzung der Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts aber auch von deutschen Vermessungsingenieuren geklagt werden, wenn diese einen grenzüberschreitenden Bezug darlegen können.

I I I . Verwaltungsgerichtliche Klagen

7. Verwaltungsrechtsweg Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO in „öffentlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art" eröffnet. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich ist, richtet sich danach, ob das streitige Rechtsverhältnis und damit der geltend gemachte Anspruch eine Grundlage im öffentlichen Recht hat. Öffentliches Recht ist „Sonderrecht des Staates" 1 4 9 5 . In Streit sind Vermessungsaufgaben, die der Staat als staatliche Aufgabe gemäß Art. 12 Abs. 1 VermKatG wahrnimmt und welche die Vermessungsingenieure aufgrund des grundrechtlichen und grundfreiheitlichen Privatheitsprinzips als freiberufliche Tätigkeit beanspruchen. Das streitige Rechtsverhältnis und der Anspruch der Vermessungsingenieure sind also nach öffentlichem Recht zu beurteilen. Das gleiche gilt für die Rückfragen nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG. § 1 UWG gibt ein subjektives Recht auf Unterlassung des unlauteren Wettbewerbs, gegebenenfalls Schadensersatz. Ein Unterlassungs- und ein Schadensersatzanspruch folgt auch aus § 823 Abs. 1 BGB (Verletzung des Rechts am Unternehmen), (gegebenenfalls) in Verbindung mit § 839 Abs. 1 BGB (Amtspflichtverletzung), vgl. 5. Teil.

1495 K.A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 179, 190 ff.; dersJA. Emmerich-Fritsche , Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 28 ff. (36 ff.).

340

6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

2. Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO auf Zuteilung von Vermessungsaufgaben Vermessungsingenieure sollten bei den bayerischen Vermessungsämtern die Erteilung von Vermessungsaufträgen insbesondere gemäß Art. 8 Abs. 9 VermKatG beantragen. Gegen die ablehnenden Bescheide ist eine Verpflichtungsklage auf Erteilung von Vermessungsaufträgen statthaft. Gemäß Art. 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO kann mit der Verpflichtungsklage „die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden". Die Ablehnung, Vermessungsaufträge zu erteilen, ist als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 BayVwVfG zu qualifizieren, weil sie eine für den Einzelfall getroffene Entscheidung ist, welche auch Außenwirkung hat; denn sie regelt (in beschränkender Weise) die Rechte der Vermessungsingenieure. Der Vermessungsingenieur ist klagebefugt, weil er gemäß § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen kann, in subjektiven Rechten verletzt zu sein (3. Teil, 1. und 2. Kap, auch 5. Teil). Gemäß § 68 Abs. 2 VwGO muß, wenn der Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes abgelehnt worden ist, ein Vorverfahren nach §§68 ff. VwGO durchgeführt werden. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Vermessungsingenieur bekannt gegeben worden ist, bei dem bayerischen Vermessungsamt, welches den Verwaltungsakt erlassen hat, einzulegen (§ 70 VwGO). Ergeht ein Widerspruchsbescheid, d.h. hilft die Behörde dem Verwaltungsakt nicht ab, so muß binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Verpflichtungsklage vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Die Klage ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen den Freistaat Bayern zu richten. 3. Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO gegen einen einem Dritten gegenüber ergangenen Vermessungsakt Mit der Anfechtungsklage kann nach § 42 Abs. 1 VwGO die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Der Vermessungsingenieur könnte einen beliebigen Vermessungsakt der staatlichen Vermessungsbehörde, der als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG zu qualifizieren ist, angreifen. Jeder vermessungsrechtliche Verwaltungsakt der staatlichen Vermessungsämter ist nämlich mit der inzidenten Entscheidung verbunden, daß das staatliche Vermessungsamt auf Grund des Art. 12 Abs. 1 VermKatG befugt sei, die Vermessung vorzunehmen, obwohl diese Vorschrift wegen des Verstoßes gegen das Privatheitsprinzip verfassungswidrig und nichtig ist. Die jeweilige Vermessungsaufgabe ist rechtens Sache der freiberuflichen Vermessungsinge-

2. Kapitel Klagen gegen Vermessungsakte des Freistaates Bayern

341

nieure, denen ihre beruflichen Wirkungsmöglichkeiten durch jeden Vermessungsakt der staatlichen Vermessungsämter genommen werden. Zudem könnten die privaten Vermessungsingenieure nach Art. 8 Abs. 9 VermKatG tätig werden. Demgemäß hat jede Übernahme einer Vermessungssache Außenwirkung auf die freiberuflichen Vermessungsingenieure und ist darum Verwaltungsakt. Die Praxis würde freilich in der Entscheidung einen uneigentlichen Organisationsakt ohne Außenwirkung im Sinne des Art. 35 BayVwVfG sehen. Auch wenn der Verwaltungsakt nicht an ihn gerichtet ist, ist der Vermessungsingenieur, der als Beauftragter in Frage gekommen wäre, klagebefugt im Sinne des Art. 42 Abs. 2 VwGO. Der staatliche Vermessungsakt verletzt ihn in seinen Rechten auf Privatisierung. Die Beseitigung des staatlichen Vermessungsaktes würde jedoch anders als die Verpflichtungsklage keinen Anspruch auf den Vermessungsauftrag an den Vermessungsingenieur begründen können, weil viele Vermessungsingenieure in Betracht kämen, und würde dem Rechtsschutzbegehren nicht völlig gerecht werden. Für die Anfechtungsklage gelten im wesentlichen die zur Verpflichtungsklage genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen. Abweichend zur Verpflichtungsklage beträgt die Widerspruchsfrist, weil der Vermessungsakt dem Vermessungsingenieur nicht zugestellt worden ist und dieser damit keine Rechtsmittelbelehrung erhalten hat, gemäß § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr.

4. Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 12 Abs. 1 VermKatG Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage „die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses" begehrt werden, „wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat". Praxis und Lehre lehnen eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer Rechtsvorschrift ab, weil es insoweit an einem „Rechtsverhältnis" fehle 1496 . Ebenfalls unzulässig sei eine Feststellungsklage, mit der nur festgestellt werden soll, daß eine Rechtsvorschrift gegenüber dem Kläger keine Wirkung entfaltet. 1497 Hierdurch würde § 47 VwGO umgangen. § 47 VwGO bezieht sich nur auf eine Normenkontrolle von Rechtsvorschriften, die im Rang unter dem Landesgesetz stehen. Daraus könnte geschlossen werden, daß die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nur gegenüber derartigen Vorschriften (insbesondere Satzungen) zulässig ist. Die Einwände gegen die Feststellungsklage als Normenkontrollklage überzeugen nicht. Praxis und Lehre gehen überwiegend davon aus, daß die Klagearten 1496

Siehe F.O. Kopp/W.-R.

Schenke, VwGO, Kommentar, 11. Aufl. 1998, zu § 43,

Rdn. 8. 1497

Vgl. W. Schmitt Glaeser , Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, S. 397.

342

6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

der Verwaltungsgerichtsordnung nicht abschließend geregelt sind 1 4 9 8 . Dies zeigt auch die allgemeine Anerkennung der allgemeinen Leistungsklage 1499 . Auch der Einwand, es fehle an einem Rechtsverhältnis, trifft nicht zu, weil ein Gesetz ein Rechtsverhältnis begründet, es sei denn, es ist nichtig, weil es verfassungswidrig ist. Art. 12 Abs. 1 VermKatG regelt die Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen Vermessungsämtern und den freiberuflichen Vermessungsingenieuren. Ob hier ein Rechtsverhältnis oder ein Scheinrechtsverhältnis, welches keine Rechte und Pflichten zu begründen vermag, besteht, hängt insbesondere von der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift ab. Das Feststellungsinteresse besteht gerade gegenüber dem Schein eines Rechtsverhältnisses. Es soll festgestellt werden, daß ein Rechtsverhältnis bestimmter Art nicht besteht. Im übrigen hätten die freiberuflichen Vermessungsingenieure die Vermessungsaufgaben, wenn sie nicht rechtwirksam dem Staat übertragen wären. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und den Vermessungsingenieuren wäre ein anderes. Insoweit kann die Verfassungswidrigkeit des Art. 12 Abs. 1 VermKatG Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Die Feststellungsklage ist allerdings subsidiär, „soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können". Wie gesagt kann der Vermessungsingenieur Verpflichtungsklage auf Zugang zu Vermessungsaufträgen erheben. Für diejenigen Vermessungsaufgaben, die gemäß Art. 12 Abs. 1 VermKatG ausschließlich dem Staat zugewiesen sind, kann dieser Anspruch nur durchgesetzt werden, wenn inzident die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlage für die Aufgabenzuweisung an den Staat festgestellt wird. Dennoch ist das Klagebegehren, durch Verwaltungsakt Vermessungsaufträge zugeteilt zu bekommen, von dem Begehren auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des VermKatG zu unterscheiden. 1500. Die Feststellungsklage zur geschäftlichen Aufgabenverteilung wäre nicht absorbiert. Der Vermessungsingenieur kann ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung dartun, weil die Rechtslage gerichtlich ungeklärt ist 1 5 0 1 und er geltend machen kann, daß er durch das Gesetz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird.

1498 Vgl. KA. Bettermann, Urteilsanmerkung zu BVerfG, Beschluß v. 11.10.1996-2 BvL 15/64, NJW 1967, 435; BVerwG, Beschluß v. 8.12.1977, NJW 1978, 1870; OVG Münster, Urteil v. 17.12.1976, DVB1. 1978, 150 ff.; H. tiethge, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 1982, S. 187; B. Preusche, Zu den Klagearten für kommunal verfassungsrechtliche Organstreitigkeiten, NVwZ 1987, S. 855; a.A. F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, Kommentar, Vorb. zu § 40, Rdn. 5. 1499 F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, Kommentar, Vorb. zu § 40, Rdn. 4. 1500 Vgl. F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, Kommentar, zu § 43, Rdn. 11,31. 1501 Vgl. F.O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, Kommentar, zu § 43, Rdn. 24.

2. Kapitel Klagen gegen Vermessungsakte des Freistaates Bayern

343

Eine Klagefrist muß nicht eingehalten werden.

IV. Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof

L Popularklage nach Art. 98 S. 4 BVgegen Art. 12 Abs. 1 VermKatG Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Für diese Popularklage ist es nicht erforderlich, daß der Kläger selbst beschwert ist. Durch die Popularklage wird der Bürger als Hüter der Verfassung anerkannt 1502 .

a) Antragsberechtigung Antragsberechtigt ist gemäß Art. 55 Abs. 1 S. 1 VfGHG jedermann (quivis ex populo), somit auch jeder Vermessungsingenieur, vorausgesetzt, er ist parteiund prozeßfähig (Art. 30 Abs. 1 VfGHG i.V.m. § 62 VwGO). Das gilt auch für juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts 1503 . Es kommt weder auf die Staatsangehörigkeit noch auf den Wohnsitz oder den Aufenthalt

b) Gegenstand der Popularklage Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung können alle bayerischen Gesetze und Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts sein 1505 . Das Verwaltungshandeln der staatlichen Vermessungsämter ist mit der Popularklage nicht anfechtbar. Die verfassungsrechtlichen Bedenken zentrieren sich auf Art. 12 Abs. 1 VermKatG. Die Nichtigkeit dieser Regelung macht das gesamte Gesetz hinfällig. Die angefochtene Rechtsvorschrift muß als Prüfungsgegen-

1502 F. Knöpfle , in: H. Nawiasky/C. Leusser/K. Schweiger/H. Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Kommentar (Stand Mai 1992), Art. 98, Rdn. 4; i.d.S. allgemein K.A. Schachtschneider , Res publica res populi, S. 566, 931; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 134 f. 1503 VerfGHE 2, 143 (161); 22, 43 (45); 26, 69 (74); 28, 107 (118); 29, 105 (118). 1504 VerfGHE 7, 66 (73); Th. Meder , Die Verfassung des Freistaates Bayern, Handkommentar, 1992, Art. 98, Rdn. 6b. 1505 Th. Meder , Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98, Rdn. 8.

344

6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

stand genau bezeichnet werden 1506 . Allerdings verstößt auch Art. 8 Abs. 9 VermKatG gegen die Grundrechte der bayerischen Verfassung.

c) Grundrechtsverletzung Die Popularklage muß die angefochtene Rechtsvorschrift und das verletzte Grundrecht oder grundrechtsähnliche 1507 Recht bezeichnen 1508 . Die folgenden in den Fußnoten zitierten Grundrechte der Bayerischen Verfassung sind verletzt: Art. 101 BV (Allgemeine Freiheit) 1509 , Art. 103 BV (Eigentumsgewährleistung) 1510 und Art. 151 Abs. 2 S a t z 2 B V 1 5 1 1 . Nach dieser Vorschrift ist „die Freiheit der selbständigen Betätigung des einzelnen in der Wirtschaft" grundsätzlich grundrechtlich anerkannt. Geschützt ist auch der Zugang zum freien Beruf durch den Selbständigen1512, insbesondere den Freiberufler. Der freie Berufszugang wird vereitelt, wenn der Staat diese Tätigkeiten als staatliche Aufgabe wahrnimmt. Nach Art. 153 BV sind „die selbständigen Kleinbetriebe und Mittelstandsbetriebe in der Gesetzgebung und Verwaltung zu fordern und gegen Überlastung und Aufsaugung zu schützen". Dies muß auch für die Aufsaugung durch die staatliche Verwaltung gelten. Art. 153 BV enthält die zentrale Aussage der Bayerischen Verfassung über die unternehmerische Struktur der Wirtschaft 1513 . Dennoch wird diese Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof nicht als unmittelbares Recht und damit nicht als Grundrecht angesehen, das im Rahmen der Popularklage, auch nicht in Verbindung mit anderen Grundrechten, geltend ge-

1506 p K n öpfle, in: H. Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98, Rdn. 7. 1507 F. Knöpfte, in: H. Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98, Rdn. 10. 1508 p K n ö p f l e ^ i n ; h . Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 9 8 , Rdn. 7. 1509 Art. 103 BV lautet: „(1) Eigentumsrecht und Erbrecht werden gewährleistet. (2) Eigentumsordnung und Eigentumsgebrauch haben auch dem Gemeinwohl zu dienen". 1510 Art. 101 BV lautet: „Jedermann hat das Recht, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet". 1511 Art. 151 Abs. 2 S. 2 BV lautet „Die Freiheit der Entwicklung persönlicher Entschlußkraft und die Freiheit der selbständigen Betätigung des einzelnen in der Wirtschaft wird grundsätzlich anerkannt". 1512 H. Nawiasky, in: H. Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 151, Rdn. 7. 1513 H. Nawiasky, in: H. Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 153, Rdn. 2.

2. Kapitel Klagen gegen Vermessungsakte des Freistaates Bayern

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macht werden könne 1514 . In dieser Bestimmung kommt jedoch das Subsidiaritätsprinzip als Privatheitsprinzip deutlich zum Ausdruck. Das Privatheitsprinzip der Bayerischen Verfassung ist mit den gleichen Argumenten wie das Privatheitsprinzip des Grundgesetzes zu begründen (3. Teil, 1. Kap.). Der Bayerische Verfassungsgerichtshof praktiziert das Willkürverbot, das er entgegen einer in der Lehre vertretenen (richtigen) Auffassung 1515 nicht im Rechtsstaatsprinzip, sondern im grundrechtlichen Gleichheitssatz verwurzelt sieht, einen grundrechtlichen Schutz des Bürgers gegenüber willkürlichen Gesetzesakten1516. Auch grundrechtsähnliche Rechte können Gegenstand der Popularklage sein. Das Rechtsstaatsprinzip und daraus deduziert auch das Subsidiaritäts-prinzip kämen als grundrechtsgleiche Rechte in Frage. Die Ableitung des Subsidiaritätsgrundsatzes aus dem Rechtsstaatsprinzip ist strittig 1517 . Im übrigen wird das Rechtsstaatsprinzip nicht als grundrechtsgleiches Recht angesehen1518, zu Unrecht, weil es untrennbar mit dem Prinzip der allgemeinen Freiheit (Art. 101 BV) verbunden ist.

2. Richtervorlagen

nach Art. 65 i. V.m. Art. 92 BV t Art. 50 VfGHG

Die Richtervorlage führt zu einem Inzidentverfahren, weil ein Kläger nicht selbst den Bayerischen Verfassungsgerichtshof anrufen kann, sondern die Vorlage durch ein Gericht erfolgt. Der Richter, der über die oben erörterten verwaltungsgerichtlichen Klagen zu entscheiden hat, muß prüfen, ob die Rechtsvorschrift, die er anwenden will, namentlich Art. 12 Abs. 1 VermKatG, mit der Bayerischen Verfassung in Einklang steht. Jeder Verfahrensbeteiligte kann die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift im Rechtsstreit geltend machen. Der Richter ist aber an dahingehende Anträge nicht gebunden. Der Einzelne hat kein subjektives Recht auf die richterliche Vorlage 1519 . Wird sie allerdings willkürlich verletzt, kann darin ein Verstoß ge15,4

VerfGHE 20, 171 (18); 21, 1 (10); 76, 82 f. K. Schweiger, in: H. Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 3, Rdn. 4d; i.d.S. auch K.A. Schachtschneider , Res publika res populi, S. 978 f f , 990 f f ; ders , Freiheit in der Republik, 7. Kap, I, 2, II; ders. y Prinzipien des Rechtsstaates, S. 369 ff. 1516 VerfGHE 24, 181 ( LS 2, 191 f.); 25, 129 (LS 3, 138). 1517 Bejahend: K. Schweiger , in: H. Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 3, Rdn. 4d; verneinend: Th. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 3, Rdn. 20. 1518 F. Knöpfle , in: H. Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, vor Art. 98 Rdn. 11. 1519 Th. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, zu Art. 92, Rdn. 1. 1515

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6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

gen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter liegen 1520 . Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß der Richter nur vorlegen soll und muß, wenn er von der Verfassungswidrigkeit der Rechtsvorschrift überzeugt ist 1 5 2 1 . Art. 12 Abs. 1 VermKatG ist eine Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts, die wegen der Verletzung bayerischer Grundrechte verfassungswidrig ist. Darum sind streitbefaßte Gerichte verpflichtet, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift herbeizuführen. Das gilt auch für Art. 8 Abs. 9 VermKatG.

3. Bayerische Verfassungsbeschwerde

nach Art. 66 BV

Verfassungsbeschwerden zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof nach Art. 66 BV, Art. 51 ff. VfGHG greifen das Verhalten (Tun/Unterlassen) einer Behörde an. Art. 12 Abs. 1 VermKatG selbst kann somit nicht Gegegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein. Es ist eine hoheitliche Maßnahme herbeizuführen, in welchem etwa die Vergabe von Vermessungsaufträgen an Private mit dem Hinweis abgelehnt wird, daß es sich um staatliche Aufgaben handele. Hiergegen ist aber zunächst die oben erörterte Verpflichtungsklage zu erheben; denn nach Art. 51 Abs. 2 VfGHG ist die Rechtswegerschöpfung nachzuweisen (verfassungsrechtliches Subsidiaritätsprinzip). Die Zweimonatsfrist des Art. 51 Abs. 2 S. 2 VfGHG ist zu beachten.

V. Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht

1. Konkrete Normenkontrolle

nach Art. 100 Abs. 1 GG

Nach Art. 100 Abs. 1 GG muß ein Gericht, das „ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig" hält, das Verfahren aussetzen. Handelt es sich um die Verletzung der Bayerischen Verfassung, muß es die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs herbeiführen. Geht es um die Verletzung des Grundgesetzes, ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet auch, wenn das Grundgesetz durch ein Landesgesetz verletzt wird (Art. 100 Abs. 1 S. 2 GG).

1520 1521

VerfGHE 29, 61; vgl. BVerfGE 18, 441 (447); 64, 1 (12 f.). VerfGHE 25, 27 (34); 28, 43 (51).

2. Kapitel Klagen gegen Vermessungsakte des Freistaates Bayern

347

Nach dem Wortlaut des Art. 100 Abs. 1 GG kommt es für die Vorlage auf die Überzeugung des Gerichts, nicht auf den Antrag der Prozeßparteien an. Weil Art. 12 Abs. 1 VermKatG die Grundrechte verletzt, welche das Privatheitsprinzip begründen, ist vom entscheidenden Gericht das Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuleiten.

2. Verfassungsbeschwerde

nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V.m. §§13 Nr. 8a, 90, 92-95 BVerfGG

Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf 1522 und gehört nicht zum Rechtsweg gemäß Art. 19 Abs. 4 GG 1 5 2 3 . Sie verdrängt nicht den grundrechtlichen Rechtsschutz durch die Fachgerichte, sondern ist diesem gegenüber subsidiär. Die Verfassungsbeschwerde kann daher nur nach Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) erhoben werden.

a) Beschwerdefähigkeit Die Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 93 Abs. 1, Nr. 4a GG, §90 Abs. 1 BVerfGG »jedermann", der Träger der in diesen Bestimmungen genannten Grundrechte ist, also jeder Vermessungsingenieur erheben. Juristischen Personen des Inlandes erlaubt Art. 19 Abs. 3 GG die Verfassungsbeschwerde, wenn sie in Grundrechten verletzt sind.

b) Beschwerdegegenstand Zulässige Gegenstände der Verfassungsbeschwerde sind alle Akte öffentlicher Gewalt, die nach außen rechtlich wirksam sind. Das kann Art. 12 Abs. 1 VermKatG (Gesetzesverfassungsbeschwerde) oder aber auch eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung sein, welche die Klage eines Vermessungsingenieurs auf Privatisierung ablehnt (UrteilsVerfassungsbeschwerde). Gegen Verwaltungsakte sind grundsätzlich zunächst die Fachgerichte zu bemühen.

1522 1523

BVerfGE 18,315 (325). BVerfGE 79, 365 (367 f.).

348

6. Teil Rechtsschutz des Privatisierungsrechts

c) Beschwerdebefiignis Der beschwerdeführende Vermessungsingenieur muß substantiiert behaupten, durch Art. 12 Abs.l VermKatG oder durch einen Akt der staatlichen Vermessungsbehörde, etwa auf Grund des Art. 8 Abs. 9 VermKatG in Grundrechten des Grundgesetzes verletzt zu sein, soweit diese subjektive Rechte verbürgen. Die subjektiven Grundrechte der Vermessungsingenieure sind im 3. Teil, 1. und 6. Kap. III. dargelegt.

d) Rechtsschutzinteresse Der Beschwerdeführer muß insbesondere bei der Gesetzesverfassungsbeschwerde dartun, daß er durch die Vorschrift selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist 1 5 2 4 . Nach der Praxis kann nur der einzelne Vermessungsingenieur Verfassungsbeschwerde erheben, nicht der Verband der Vermessungsingenieure 1525. Gegenwärtig ist die Beschwer, wenn die behauptete Grundrechtsverletzung schon besteht, wenn die Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Art. 12 Abs. 1 VermKatG ist in Kraft und betrifft die Vermessungsingenieure somit gegenwärtig. Wird die Rechtswirkung eines Gesetzes gegenüber den Betroffenen erst durch einen Vollzugsakt vermittelt, fehlt es an der unmittelbaren Beschwer. Der Betroffene muß sich dann zunächst gegen den Vollzugsakt gerichtlich zur Wehr setzen. Im Falle der Vermessungsingenieure wirkt sich bereits Art. 12 Abs. 1 VermKatG, wie dargestellt, unmittelbar auf ihre Grundrechte aus. Der dort geregelte staatliche Vorbehalt der meisten Vermessungsaufgaben mindert unmittelbar ihre grundrechtlich geschützten freiberuflichen Entfaltungsmöglichkeiten (3. Teil, 1. Kap, IV.), aber auch das Privatheitsprinzip allgemein, das ein subjektives Recht auf Privatisierung gibt (3. Teil, 1 und 6. Kap.).

e) Frist Für Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen beträgt die Frist einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung (§ 93 Abs. 1 BVerfGG). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, gilt eine Beschwerdefrist von einem Jahr nach dessen Inkrafttreten (§ 93 Abs. 3 BVerfGG). Für

1524 1525

BVerfGE 1, 97 (101); 89, 155 (171/ BVerfGE 2, 292 (294); 11, 30 (35); 13, 54 (89 f.); 16, 147 (158).

2. Kapitel Klagen gegen Vermessungsakte des Freistaates Bayern

349

eine Verfassungsbeschwerde gegen Art. 12 Abs. 1 VermKatG ist die Jahresfrist abgelaufen. Eine Gesetzesverfassungsbeschwerde wäre daher nicht zulässig. Zunächst müssen somit Entscheidungen der Fachgerichte herbeigeführt werden.

VI. Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof

7. Unmittelbare Klagen Klagen Einzelner zum Europäischen Gerichtshof sind nur gegen Entscheidungen und unter bestimmten Voraussetzungen gegen Verordnungen der Gemeinschaft zulässig (Art. 230 Abs. 4 EGV). Klagen gegen Mitgliedstaaten, in diesem Fall Deutschland, kann nur die Kommission gemäß Art. 226 EGV oder ein anderer Mitgliedstaat nach Art. 227 EGV erheben 1526 . Die Aufsichtsklage der Kommission könnte allerdings durch eine Mitteilung über die Situation der Vermessungsingenieure informell initiiert werden.

2. Vorabentscheidungsverfahren

nach Art 234 EGV

Der Gerichtshof entscheidet im Wege der Vorabentscheidung u. a. „über die Auslegung dieses Vertrags", wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats ihm eine solche Frage vorlegt. Das nationale Gericht kann (Art. 234 Abs. 1 EGV), das letztinstanzliche Gericht 1527 muß (Art. 234 Abs. 2 EGV) vorlegen, wenn es eine Entscheidung über die Frage für entscheidungserheblich zum Erlaß seines Urteils hält und „eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaates gestellt" wird. Ob eine Frage „gestellt wird", entscheidet nach richtiger, dem Wortlaut entsprechender Lesweise nicht der Richter, sondern hängt von einem entsprechenden Antrag der Parteien ab 1 5 2 8 . Unter Hinweis auf die Verletzung der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit sollte in den verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Verfahren die Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof beantragt werden.

1526 Dazu K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Pritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, in: K.A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2000, Lehrstuhl § 11. 1527 Das ist auch der Fall, wenn gegen die Entscheidung dieses Gerichts kein Rechtsmittel statthaft ist. Dazu K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Pritsche , Verfassungsrecht der Europäischen Union, §11. 1528 Dazu K.A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Verfassungsrecht der Europäischen Union, §11.

Zusammenfassung in Thesen

1. T e i l

Bestand des Bayerischen Vermessungswesens 1. In Bayern gibt es staatliche und kommunale Vermessungsämter. Diese vermessen amtlich und privatwirtschaftlich. Die Staatlichkeit des Vermessungswesens ist in Art. 12 Abs. 1 VermKatG geregelt. Die kommunalen Vermessungsverwaltungen haben keine besondere Rechtsgrundlage, sondern beruhen auf Verwaltungsakten der (Ober)Bürgermeister. Die freiberuflichen (beratenden) Vermessungsingenieure werden von den staatlichen und den kommunalen Vermessungsämtern zu Hilfsdiensten herangezogen. Die staatlichen und kommunalen Vermessungsämter treten mit privatwirtschaftlichen Vermessungen in Wettbewerb zu den freiberuflichen Vermessungsbüros. Letztere streben die weitestmögliche Privatisierung der staatlichen Vermessungsverwaltung an und haben ein Recht darauf (1. Teil).

2.

Teil

Staatlichkeit, Privatheitlichkeit und öffentliche Aufgaben 2. Der institutionelle Begriff des Staates umfaßt die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden, sowie alle juristischen Personen, deren Träger diese Gebietskörperschaften sind, unabhängig davon, ob diese öffentlichrechtlich oder privatrechtlich organisiert sind. Nicht zum Staat gehören die juristischen Personen (Vereinigungen im weiteren Sinne), deren unmittelbare oder mittelbare Träger natürliche Personen in ihrer Besonderheit sind. Der Staat im engeren Sinne sind die Organe des Volkes zur Ausübung der Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Institutionen, welche nicht demokratisch legitimiert sein können, gehören nicht zum Staat; denn sie sind nicht Organe der Vertretung des ganzen Volkes. Eine mittelbare Staatsverwaltung, die dadurch begründet wäre, daß privatheitlichen Rechtssubjekten öffentliche Aufgaben übertragen sind, läßt die Verfassung der Freiheit, das Grundgesetz also, nicht zu (2. Teil, 1. Kap.).

352

Zusammenfassung

3. Die Staatlichkeit ist durch die Verwirklichung der allgemeinen Interessen, also der Allgemeinheitlichkeit, gekennzeichnet. Alles Handeln des institutionellen Staates ist funktional staatlich. Der Begriff der funktionalen Staatlichkeit ist formal. Die Staatlichkeit ergibt sich nicht aus der Eigenart der Aufgaben. Das Privatheitliche ist durch die Besonderheit (Individualität) des oder der handelnden Menschen gekennzeichnet (2. Teil, 2. Kap, I.). 4. Die institutionell Privaten, also die Menschen und deren Vereinigungen (in welcher Rechtsform auch immer) entfalten ihre Privatheitlichkeit im Rahmen der staatlichen Gesetze. Die allgemeinen Gesetze verwirklichen das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit (wenn sie praktisch vernünftig sind). Die Gesetzlichkeit ist die funktionale Staatlichkeit der institutionell Privaten; denn die Privaten verwirklichen durch die Gesetzlichkeit das allgemeine Wohl und damit den eigentlichen Zweck der Staatlichkeit (2. Teil, 2. Kap, II.). 5. Das Privatheitliche ist als funktionale Staatlichkeit allgemein durch die Gesetze und allein durch die Maximen des Privaten, nämlich die Grundsätze, nach denen er zu handeln pflegt, etwa die Gewinnmaxime, bestimmt. Die Privatheitlichkeit ist dadurch freiheitlich, daß die allgemeinen Gesetze als die Gesetze aller beachtet werden. Die Republik ist als ein Gemeinwesen der Freiheit durch eine Gesetzlichkeit aufgrund von Gesetzen gekennzeichnet, welche im repräsentativen Konsens aller Bürger erkannt und beschlossen werden. Es wird niemand in seiner Freiheit und in seinem Eigentum verletzt, wenn diese allgemeinen Gesetze von allen beachtet werden. Handlungen im Rahmen der Gesetze sind wegen der Gesetzlichkeit als allgemeinverträglich anerkannt und verwirklichen in ihrer Privatheitlichkeit das gemeine Wohl (2. Teil, 2. Kap, III.). 6. Staatsaufgaben sind die Aufgaben, welche der institutionelle Staat wahrnimmt. Staatsaufgaben lassen sich nicht material vom Gegenstand der Aufgaben bestimmen, wenn es auch notwendige Staatsaufgaben gibt. Letztere können nur durch die Verfassung oder durch Gesetze, welche die Verfassung etwa aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflichten fordert, bestimmt sein. Die Organisationsform der Einrichtungen, etwa die der Körperschaft des öffentlichen Rechts, erweist nicht schon die Staatlichkeit der Aufgaben, weil derartige Organisationen wegen der sozialen Personalität der Mitgliedschaft privatheitlich sein können. Die Organisationsform ist allenfalls ein Indiz für die Staatlichkeit der Einrichtung. Einrichtungen sind nur staatlich, wenn sie ihrem Prinzip nach demokratisch legitimiert sein müssen und auch sein können; denn es darf in der Republik nur Staatlichkeit geben, die vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Wenn die demokratische Legitimation mißlingt, ist sie zu verwirklichen oder die Einrichtung muß aufgegeben werden. Die substantielle Privatheitlichkeit einer Einrichtung schließt es aus, daß diese unmittelbar oder mittelbar zum institutionellen Staat gerechnet wird. Demgemäß sind Private, welche mit (vermeintlichen) öffentlichen Aufgaben beliehen sind, nicht Teil der Staatsverwaltung. Die Aufgaben zwischen dem Staat und den Privaten ist Sache der Gesetzgebung, welche das Privatheitsprinzip zu respektieren hat (2. Teil, 3. Kap, I.).

Zusammenfassung

7. Der Staat im institutionellen Sinne agiert ausschließlich in funktionaler Staatlichkeit. Rechtens gibt es keine Privatheitlichkeit oder auch nur Privatrechtlichkeit des institutionellen Staates. Wenn der Staat in Privatrechtsform organisiert ist oder in Privatrechtsform handelt, so gehören die einschlägigen Rechtsvorschriften des Bürgerlichen Rechts zum öffentlichen Recht, zumal sie durch spezifische Prinzipien, Grundsätze und Vorschriften für die Staatlichkeit modifiziert sind (2. Teil, 3. Kap., II.). 8. Die Privatheitlichkeit ist grundrechtsfest. Der Staat darf den Grundrechtsschutz der Privaten nicht dadurch relativieren, daß er Private mit (vermeintlich) öffentlichen Aufgaben betraut und sie dadurch als mittelbare Staatsverwaltung in die Staatlichkeit einbezieht. Alle Privaten haben nämlich öffentliche Aufgaben; denn sie müssen den allgemeinen Gesetzen folgen. Wenn Grundrechtsschutz von der Öffentlichkeit der Aufgaben abhinge, gäbe es keinen Grundrechtsschutz der Menschen (2. Teil, 2. Kap., II.). 9. Die formelle Privatisierung des Staatlichen in Organisationsformen des Privatrechts (AG, GmbH u.a.) ist eine material- und organisationsrechtliche Fehlform, welche vor allem mit dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes unvereinbar ist (2. Teil, 3. Kap., II.). 10. Die materiale Verstaatlichung (institutionell) Privater, nämlich die (vermeintliche) Beleihung Privater mit „öffentlichen", besser: staatlichen Aufgaben und „öffentlichen", besser: staatlichen Befugnissen, welche diese als mittelbare Staatsverwaltung in die Staatlichkeit integrieren soll, ist ebenso eine materialund organisationsrechtliche Fehlform, die dem demokratischen Prinzip, dem Privatheitsprinzip der Grundrechte, insbesondere dem der Berufsfreiheit, aber auch den Amtsprinzipien der Republik widerspricht (2. Teil, 3. Kap., III.). 11. Die Praxis beurteilt die Privatheitlichkeit und die Staatlichkeit danach, ob der Private oder der Staat öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Sie reklamiert damit unvermeidlich einen materialen Begriff öffentlicher Aufgaben, den es nicht gibt, weil der Staat von der Sache her alle Aufgaben übernehmen kann, welche auch Private bewältigen können; denn der Staat ist, nicht anders als die privaten Vereinigungen, eine Vereinigung von Menschen, nämlich nach Kant , die „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen". Das Praxiskriterium „legitime öffentliche Aufgaben" bestimmt die Organisations- und die Grundrechtsdogmatik zu Lasten der Bürgerlichkeit der Bürger, zumal zu Lasten der Privatheitlichkeit der Lebensbewältigung. Dieses Kriterium ist nicht nur ohne Aussagekraft, sondern auch (deswegen) verfassungswidrig (2. Teil, 3. Kap., IV.).

354

Zusammenfassung

3.

Teil

Das Privatheitsprinzip 12. Das gemeinsame Leben der Menschen ist durch die Verfassung der Freiheit bestimmt. Diese Verfassung der Freiheit und die Verfassungsgesetze in Deutschland und in Bayern, welche die Verfassung der Freiheit materialisieren, sind durch das Privatheitsprinzip, dem Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung, bestimmt. Es gibt keine Freiheit ohne bestmögliche Privatheit. Das Privatheitsprinzip ist durch die Grundrechte geschützt, vor allem durch die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG, die Vereinigungsund Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG, die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und die allgemeine (Handlungs-) Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Diese Grundrechte stellen die Menschenrechte unter den Schutz des Staates, vor allem unter den Schutz der Gerichte. Das Privatheitsprinzip ist als (menschenrechtliches) Subsidiaritätsprinzip anerkannt (3. Teil, 1. Kap.). 13. Privatheit ist das Recht zur freien Willkür. Der Staat unterliegt demgegenüber einem uneingeschränkten Willkürverbot. Die Willkür ist frei, wenn der Private sein Handeln von dem Sittengesetz (Kants kategorischer Imperativ) bestimmen läßt; denn mit der äußeren Freiheit als der „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür" (Kant) ist untrennbar die innere Freiheit als die Sittlichkeit verbunden. Das Grundgesetz schützt ausweislich des Wortlauts des Art. 2 Abs. 1 GG die Freiheit nur nach Maßgabe dieses kantianischen Sittengesetzes (3. Teil, 1. Kap, I.). 14. Die Privatheit besteht in subjektiven Rechten, das Handeln nach eigenen Maximen allein zu bestimmen. Diese subjektiven Rechte sind durch das Grundgesetz und die einfachen Gesetze, welche dem Grundgesetz genügen müssen, gewährleistet. Die Gesetzlichkeit sichert mit der Legalität des Handelns dessen Allgemeinverträglichkeit; denn (dem Prinzip nach) haben alle Bürger allen Gesetzen (durch die Vertreter des ganzen Volkes, die Abgeordneten) zugestimmt. Privates Handeln, welches den Gesetzen entspricht, ist legal und sittlich nicht vorwerfbar. Die innere Sittlichkeit, also die Achtung des kategorischen Imperativs, unterliegt nicht dem äußeren Zwang, sondern ist ausschließlich eine Sache des persönlichen Gewissens (3. Teil, 1. Kap, II.). 15. Die Privatheit entlastet das gemeinsame Leben, weil die Lebensbewältigung durch ein Übermaß an Staatlichkeit nach aller Erfahrung mißlingt. Der Staat wäre überfordert, wenn er die Vielfalt des gemeinsamen Lebens gestalten wollte. Wesentlich ist, daß die Privatheit zur Menschheit des Menschen gehört, wie sein Menschenrecht auf Eigentum, nämlich auf Schutz des Eigenen, aber auch sein Menschenrecht auf Eigentum; denn ohne Eigentum ist der Mensch nicht selbständig und ohne Selbständigkeit ist er nicht frei. Eigen-

Zusammenfassung

tum besteht aus subjektiven Rechten der Privaten. Nur durch Privatheit vermag der Mensch sein eigenes Glück zu finden. Die Staatlichkeit durch Gesetzlichkeit ist nur insoweit berechtigt, als die allgemeine Freiheit der Sicherung bedarf. Dafür leben die Menschen in einem Staat, dessen Zweck es ist, daß gute Leben aller in allgemeiner Freiheit zu verwirklichen, insbesondere zu unterbinden, daß der eine dem anderen schadet. Der Maßstab des Schadens wird wiederum durch die Gesetze bestimmt (3. Teil, 1. Kap., II.). 16. Wesentliches Prinzip der Verfassung der Freiheit ist der Grundsatz und Vorrang privater Lebensgestaltung, also das Privatheitsprinzip. Der Staat darf die Lebensbewältigung nur insoweit in seine Hand nehmen, als das für das allgemeine Wohl notwendig ist. Die Formalität der Staatlichkeit wird durch das materiale Privatheitsprinzip wie überhaupt durch die materialen Leitentscheidungen des Verfassungsgesetzes, insbesondere der Grundrechte, überlagert. Nur die bestmögliche Privatheit sichert das allgemeine Recht zum eigenen Glück. Wenn der Staat den Menschen vorzuschreiben versucht, wie sie glücklich zu sein haben, ist er eine Despotie (Kant). Als Subsidiaritätsprinzip ist dieses Privatheitsprinzip ein Grundsatz jeder freiheitlichen Verfassung, seit langem vom Liberalismus gefordert (3. Teil, 1. Kap. III.). 17. Ein besonderes Privatheitsprinzip enthält das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG. Die Verstaatlichung von Aufgaben schließt eine privatheitliche Beruflichkeit aus, wie es auch die Fehlform der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure zeigt. Die Verstaatlichung eines Berufs führt zu einer objektiven Zulassungsschranke, weil der Staat aufgrund der Haushaltsprinzipien nur eine begrenzte Zahl von Amtsstellen einzurichten vermag. Wer nicht in ein öffentliches Amt berufen wird, kann seinen Beruf nicht ausüben, jedenfalls nicht in den dem Staat vorbehaltenen Aufgaben. Die Verstaatlichung von Aufgaben bewirkt somit eine berufsrechtliche Privilegierung, welche nach der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum berufsfreiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip nur durch „überragende Gemeinschaftsgüter" gerechtfertigt werden kann. Die Berufsfreiheit ist eine wesentliche Grundlage des berufsrechtlichen Privatheitsprinzips (3. Teil, 1. Kap., IV.). 18. Das Privatheitsprinzip folgt auch aus dem Binnenmarktprinzip der Europäischen Gemeinschaft. Der Binnenmarkt ist durch die Verwirklichung der Grundfreiheiten der Unionsbürger definiert. Dazu gehören auch das Recht der freien Niederlassung und die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs. Die Grundfreiheiten binden die Mitgliedstaaten und die Europäische Gemeinschaft selbst. Der Europäische Gerichtshof praktiziert die Grundfreiheiten als Grundrechte und als objektive Rechtsprinzipien. Die Grundfreiheiten entfalten sich bestmöglich in Privatheit der Unionsbürger und deren Vereinigungen und Gesellschaften. Mit dem Binnenmarktprinzip ist der europarechtliche Grundsatz des offenen Marktes mit freiem Wettbewerb verbunden. Marktlichkeit und Wettbewerb-

356

Zusammenfassung

lichkeit basieren ebenfalls auf der Privatheitlichkeit unternehmerischer Tätigkeit. Das Gemeinschaftsrecht hat somit eine durch das Privatheitsprinzip gekennzeichnete Wirtschaftsverfassung der marktlichen Sozialwirtschaft, welche die Verwirklichung des sozialen Prinzips vornehmlich der privatheitlichen Lebensbewältigung überantwortet (3. Teil, 2. Kap., I.). 19. Der Anwendbarkeit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit steht die Bereichsausnahme des Art. 45 Abs. 1 EGV nicht entgegen, wonach diese Grundfreiheiten und subjektiven Rechte „auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Anwendung finden". Diese Bereichsausnahme wird vom Europäischen Gerichtshof restriktiv interpretiert. Sie kommt nur zur Geltung, wenn die staatlichen Interessen, welche durch Ausübung öffentlicher Gewalt verwirklicht werden sollen, derart unverzichtbar sind, daß das Gemeinschaftsinteresse an der Verwirklichung der Grundfreiheiten, welches auch ein mitgliedstaatliches Interesse ist, demgegenüber zurückzutreten hat. Gemeinschaftsrechtlich setzt sich das durch die Grundfreiheiten und damit durch das Privatheitsprinzip bestimmte Gemeinschaftsinteresse durch. Jedenfalls wird vom Europäischen Gerichtshof verantwortet, ob es notwendig war, daß ein Mitgliedstaat die Bereichsausnahme in Anspruch genommen hat (3. Teil, 2. Kap., I.). 20. Sowohl das Recht der freien Niederlassung als auch die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs der Unionsbürger wird durch die Verstaatlichung und Kommunalisierung des Vermessungswesens beeinträchtigt, weil die Unionsbürger deswegen ihre Dienste im bayerischen Vermessungswesen nur in dem schmalen privatwirtschaftlichen Bereich anbieten können und weil die Niederlassung von Vermessungsingenieuren in Bayern wegen des geringen privatwirtschaftlichen Aufgabenbereichs nicht lohnt. Vermessungsingenieure aus anderen Mitgliedstaaten können sich allenfalls aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit um Beschäftigung in den staatlichen und kommunalen Vermessungsämtern bemühen. Das läßt ihnen in Bayern wenig berufliche Chancen. Die Bereichsausnahme des Art. 45 EGV rechtfertigt die Verstaatlichung und Kommunalisierung des Vermessungswesens in Bayern nicht. (3. Teil, 2. Kap, II.). 21. Auch das bayerische Kommunalrecht enthält als gemeinderechtliches Subsidiaritätsprinzip das Privatheitsprinzip. Es ist im Recht der kommunalen Unternehmen in Art. 87 Abs. 1 BayGO und Art. 73 Abs. 1 BayBezO geregelt. Kommunale Unternehmen müssen für einen öffentlichen Zweck erforderlich sein. Dieses Zweckerfordernis ist bereits das Privatheitsprinzip; denn es respektiert den Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung. Dieses Subsidiaritätsprinzip wird ausdrücklich in Absatz 1 Nummer 4 der genannten Vorschriften wiederholt, soll aber nach dem Text dieser Vorschriften nicht für die Daseinsvorsorge gelten. Soweit bestehen gegen das gemeinderechtliche Subsidiaritätsprinzip in Bayern verfassungsrechtliche Bedenken. Alle Aufgaben

Zusammenfassung

des Staates dienen der Daseinsvorsorge, so daß der Begriff der Daseinsvorsorge keine differenzierende Kraft hat. Diesen Begriff als Tatbestandsmerkmal zu nutzen, verletzt das Willkürverbot. Aber auch das Prinzip der republikanischen Staatlichkeit ist dadurch verletzt, zumal die Subsidiaritätsregel des bayerischen Gemeinderechts unbestimmt ist (3. Teil, 3. Kap., I. und V.). 22. Die staatlichen und kommunalen Vermessungsämter in Bayern sind zwar Verwaltungen, welche nicht in der Form von Kommunalunternehmen organisiert sind. Der Funktion nach aber sind sie Kommunalunternehmen und unterliegen dem gemeinderechtlichen Subsidiaritätsprinzip oder Privatheitsprinzip. Die genannten Vorschriften sind zumindest analog anwendbar (3. Teil, 3. Kap., VI.). 23. Das Privatheitsprinzip ist material judiziabel. Die Gerichte haben lange Jahre die Judiziabilität des Subsidiaritätsprinzips zurückgewiesen, weil dieses allzu offen und es deswegen Sache des Gesetzgebers sei, das Subsidiaritätsprinzip zu verwirklichen. Das Subsidiaritätsprinzip ist durch die europarechtliche Entwicklung, insbesondere durch den Maastricht-Vertrag, wesentlich gefordert und auch bundesstaatsrechtlich ist die Judiziabilität des Subsidiaritätsprinzips gestärkt worden. Beide Subsidiaritätsprinzipien sind zwar kompetenziell, aber ihre Praktizierung strahlt auf die Relevanz des privatheitsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips aus. Die neue Rechtsprechung tendiert zu dessen Judiziabilität. Die Judiziabilität folgt aus der Materialität des Privatheitsprinzips. Dieses ist nicht weniger bestimmt als andere offene Prinzipien, wie das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Willkürverbot, welches gebietet, daß Sachverhalte, die sich nicht wesentlich unterscheiden, nicht ohne hinreichende Begründung unterschiedlich geregelt werden (3. Teil, 4. Kap., I.). 24. Vor allem ist das Subsidiaritätsprinzip institutionell judiziabel. Institutionelle Judiziabiltität heißt, daß formale Rechtsprinzipien nicht wegen ihrer Formalität (weil sie also keine Materialität haben) keine Verbindlichkeit haben, welche von den Gerichten zu verwirklichen wäre. Eine Verweigerung des Rechtsschutzes würde den zentralen Bestimmungen des Grundgesetzes, nämlich erstens, daß die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG), und zweitens, daß die Grundrechte in ihrem Wesensgehalt unantastbar sind (Art. 19 Abs. 2 GG), aber drittens auch der durch die abstrakte und die konkrete Normenkontrolle geförderten Rechtlichkeit der Gesetze widersprechen. Der Staat ist nicht nur an die Gesetze, sondern auch und vor allem an das Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Wesentliche Prinzipien des Grundgesetzes sind formal, wie vor allem das Freiheitsprinzip, und binden dennoch den Staat. Sie werden auch von den Gerichten beachtet. Die Gerichte als Verfassungsgerichte sind die Hüter der Rechtlichkeit der Gesetze. Sie haben das Recht zu erkennen, auch wenn es nicht im Verfassungsgesetz materialisiert ist. Die Erkenntnis des Rechts ist ein Akt der Sittlichkeit, der Moralität erfordert. Wenn der Gesetzgeber es nach Er-

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Zusammenfassung

kenntnis der Gerichte an Sittlichkeit hat fehlen lassen, sind die Gerichte berechtigt und verpflichtet, stellvertretend Sittlichkeit für das Volk in Verwirklichung der formalen und materialen Prinzipien das Recht zu materialisieren, d.h. sie haben ihre Erkenntnis vom Recht an die Stelle der irrigen Erkenntnis des Gesetzgebers verbindlich zu machen. Ohne eine solche Dogmatik findet der Staat des Rechts als der Staat der Freiheit keine Wirklichkeit. Das Sittengesetz ist insofern Rechtsprinzip. Das Privatheitsprinzip teilt die institutionelle Judiziabilität des Freiheitsprinzips. Es ist ein Prinzip der praktischen Vernunft, nicht anders als das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Willkürverbot. Dem Privatheitsprinzip geht es um die rechte Aufgabenteilung zwischen dem Staat einschließlich der Kommunen und den Privaten (3. Teil, 4. Kap, II.). 25. Das justiziable Privatheitsprinzip gibt den Bürgern ein subjektives Recht auf Privatisierung nicht begründeter Staatlichkeit oder der Kommunalität von Aufgaben. Dieses subjektive Recht hat, republikanisch konzipiert, jeder Bürger; weil jede Rechtsverletzung seine Freiheit mißachtet. Jedenfalls haben alle, welche durch die Staatlichkeit oder die Kommunalität bestimmter Aufgaben in ihren Interessen betroffen sind, ein subjektives Recht auf die Privatisierung. Nach der engen Schutzzwecklehre vom subjektiven Recht haben jedenfalls die Vermessungsingenieure ein subjektives Recht auf Privatisierung des Vermessungswesens, weil das verfassungsrechtliche, gemeinschaftsrechtliche und kommunalrechtliche Privatheitsprinzip sie in ihrem Recht auf Privatheitlichkeit der Lebensbewältigung zu schützen bezweckt; denn Zweck der Freiheit, zu der die Privatheit gehört, ist der Schutz der Menschen vor den anderen Menschen, insbesondere aber der Schutz vor dem versagenden Staat (3. Teil, 4. Kap, III.).

4.

T e i l

Privatheitswidrige Mischformen 26. In der Praxis haben sich Mischformen zwischen der institutionellen Staatlichkeit und der funktionalen Privatheit wie auch der institutionellen Privatheit und der funktionalen Staatlichkeit entwickelt. Sie sind ausnahmslos ebenso privatheitswidrige wie staatswidrige Fehlformen. Es sind vor allem die Organisationsprivatisierung des Staatlichen und die Beleihung Privater mit (vermeintlich) staatlichen Aufgaben (4. Teil, 1. Kap.).

Zusammenfassung

27. Die Organisationsprivatisierung, welche institutionell staatliche Einrichtungen in Formen, welche für private Unternehmen geschaffen sind (etwa GmbH, AG), pervertiert die Staatlichkeit, vor allem aber das Recht des Staates, welches durch die Verfassung begründet und in die Verfassung, das Grundgesetz, geschrieben ist. Diese formelle Privatisierung changiert mit der Privatrechtlichkeit in die Privatheitlichkeit und wird als Fiskusdoktrin mit dem kläglichen Argument, daß diese Praxis schon immer bestanden habe, gerechtfertigt. Die Organisationsprivatisierung mißachtet zum einen das demokratische Legitimationsprinzip, weil die Organe der privatrechtlichen Einrichtungen des Staates nicht oder kaum noch demokratisch legitimiert sind und diese Einrichtungen über die jeweiligen territorialen Legitimationsgrenzen hinaus agieren, mißachtet zum anderen insbesondere das republikanische Dienstrecht und die republikanischen Amtsprinzipien des Art. 33 GG, mißachtet (trotz gewisser Regelungen im Haushaltsrecht das Finanz- und Haushaltsrecht des Staates, mißachtet des weiteren weitgehend den Grundrechtsschutz der Bürger, vor allem durch die unternehmerische Ingerenz dieser privatistischen Einrichtungen in die privatheitlichen Unternehmungen, mißachtet also insgesamt sowohl die Staatlichkeit des Staates als auch die Privatheitlichkeit der Privaten (4. Teil, 2. Kap., I.). 28. Das Privatheitsprinzip postuliert die materiale Privatisierung der Aufgaben und damit der Lebensbewältigung und ist durch die formelle Organisationsprivatisierung nicht verwirklicht. Nur die materiale Privatisierung überläßt den Aufgabenbereich der ebenso grundgesetzlichen wie gemeinschaftsrechtlichen Wirtschaftsverfassung der Martklichkeit und der Wettbewerblichkeit; denn nur die materiale Privatheitlichkeit gibt allen, die geeignet und befähigt sind, den unternehmensfreiheitsrechtlichen oder berufsfreiheitsrechtlichen Zugang zum Markt oder zum Beruf (4. Teil, 2. Kap. II.). 29. Die Fiskusdoktrin, welche die Privatrechtsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen apologisiert, widerspricht den republikanischen Verfassungsprinzipien, also dem Prinzip der Freiheit, und dem aus dem Freiheitsprinzip folgenden Grundsätzen. Die substantielle Fiskusdoktrin gesteht dem Staat Privatheitlichkeit zu und kaschiert das als bloße Privatrechtlichkeit. Die Vorschriften des Privatrechts werden freilich durch unverzichtbare Prinzipien des Verfassungsrechts überlagert. Viele Vorschriften des Bürgerlichen Rechts sind neutrale Vorschriften, welche sowohl auf Private als auch auf den Staat und die Kommunen anwendbar sind. Es gibt aber auch Vorschriften, welche das Recht zur freien Willkür, also die Privatheit, voraussetzen. Diese, vor allem § 1 UWG, werden nach der Fiskusdoktrin auch auf staatliches Handeln angewandt, so daß sich der Staat seiner Staatlichkeit begibt und zu einem Wettbewerber am Markt der Privaten wird. Das ist zumindest seit der Republikanisierung der Lebensverhältnisse verfassungswidrig, aber wegen des materialen Interesses der öffentlichen Hand und ihrer Bediensteten, vor allem aber wegen der parteienstaatlichen Pfründenwirtschaft, nicht nur aufrechterhalten, sondern ständig ausgebaut

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Zusammenfassung

worden. Grundlage der Fiskusdoktrin ist der funktionalistische Begriff des Staatlichen, der das Staatliche und das Private von den jeweiligen Aufgaben abhängig macht. Auch insoweit ist die Eigenart der Aufgaben irrelevant, weil diese weder die Privatheitlichkeit noch die Staatlichkeit an sich haben. Auch die Möglichkeit der Aufgabenerledigung für das Wohl der Allgemeinheit ist für die Zuordnung der Aufgaben zum Staatlichen oder zum Privaten irrelevant, weil fraglos die private Aufgabenbewältigung von allgemeinem Interesse ist. Dem Staat wird zugestanden, zwischen der Staats- und der Privatrechtsordnung zu wählen, wenn er eine Einrichtung organisiert oder wenn er seine Handelsweise bestimmt. Dieses Rechtsformwahlrecht ermöglicht dem Staat die „Flucht in das Privatrecht", mittels derer er der Bindung an die Verfassung und das Verfassungsgesetz zu entgehen vermag. Das ist mit der ausschließlichen Bindung des Staates an das Staatsrecht, d.h. an das Grundgesetz und die diesem zugrunde liegenden Verfassungsprinzipien, schlechterdings unvereinbar. Der Begriff der „Staatsgewalt" ist kein funktionales Differenzierungskriterium zwischen dem Staatlichen und dem Privaten, weil er nichts anderes besagt, als daß der Staat handeln darf, wenn er demokratisch legitimiert ist. Der Staat darf somit seiner materialen Privatisierungspflicht nicht dadurch zu entgehen versuchen, daß er die staatliche oder kommunale Vermessungsverwaltung lediglich formell privatisiert (4. Teil, 3. Kap, I. bis IX.). 30. Staat und Kommunen nutzen seit langem und für immer mehr Aufgabenbereiche das Organisationsinstitut der Beleihung Privater mit (sogenannten) öffentlichen Aufgaben. Die Beliehenen werden zugleich mit (vermeintlich) hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Durch diese Beleihung sollen die Privaten als mittelbare Staatsverwaltung in den Staat integriert werden. Sie dürfen nach dieser Praxis in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts handeln, etwa durch Verwaltungsakte, als wären sie der Staat. Sie sind grundrechtsverpflichtet und unterliegen der staatlichen Aufsicht. Die Beliehenen üben, wenn sie Freiberufler sind, nach der Beleihungsdoktrin einen „staatlich gebundenen Beruf 4 aus. Diese Mischform zwischen privatheitlicher durch die Berufsfreiheit des Abs. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruflichkeit und dem von den Amts- und Dienstprinzipien des Art. 33 GG bestimmten öffentlichen Dienst löst die Verbindlichkeit sowohl der berufsrechtlichen wie der amts- und dienstrechtlichen Verfassungsprinzipien auf und hat den betroffenen Berufsgruppen den Grundrechtsschutz weitestgehend genommen. Insbesondere können sich die Berufsbewerber wegen dieser rechtlosen Dogmatik nicht gegen eine Beschränkung des Berufszugangs durch eine Begrenzung der (vermeintlichen) Amtsstellen wehren, weil ihnen der starke Schutz der Berufsfreiheit versagt wird. Diese staatliche Beschränkung des Berufszugangs ist eine objektive Zulassungsschranke, welche nur zum Schutze „überragender Gemeinschaftsgüter" gerechtfertigt werden könnte. Für eine solche Grundrechtsbeschneidung der freiberuflichen Vermessungsingenieure durch die Verstaatlichung oder die Kommunalisierung des Vermessungswesens gibt es keine tragfähigen Gründe (4. Teil, 4. Kap, I.).

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31. Beliehene sind in der Praxis auch die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure. Ihr Beruf wird als typisch „staatlich gebundener Beruf 4 behandelt. Diese Dogmatik ermöglicht der Praxis die Ausgrenzung der beratenden Vermessungsingenieure von weiten Bereichen des Vermessungswesens. Sie privilegiert die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure und ist nicht nur deswegen, sondern auch wegen der Verletzung des Privatheitsprinzips, aber auch wegen der Mißachtung der Wirtschaftsverfassung, der Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit, vor allem aber wegen des Verstoßes gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig (4. Teil, 4. Kap., I.). 32. Das Institut der Beleihung Privater mit öffentlichen Aufgaben ist als Mischform wiederum eine Fehlform des Organistationsrechts. Mittels dieser Dogmatik werden wesentliche Grundrechtsprinzipien ausgehöhlt, insbesondere die genannte Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, genauso aber die Dienstund Amtsprinzipien des Art. 33 GG. Selbst das Verbot des Landeskinderprivilegs aus Art. 33 Abs. 2 GG wird mißachtet. Vor allem aber ist die Beleihungsdoktrin mit demokratischen Prinzipien unvereinbar, weil die beliehenen Privaten schlechterdings nicht demokratisch legitimiert sein können. Sie sind nämlich weder das Volk noch dessen gewählte Vertreter, sondern Menschen, die ihrem gewähltem Beruf weitestgehend privatheitlich (unternehmerisch) nachgeben (4. Teil, 4. Kap., II.). 33. Das (verfassungswidrige) Organisationsinstitut der Beleihung ist den meisten Ländern der Europäischen Gemeinschaft, aber auch ausgewählten Ländern (Schweiz, USA) außerhalb der Europäischen Gemeinschaft nicht bekannt. Jedenfalls wird es im Vermessungwesen nicht eingesetzt. Die (sogenannte) fünfte Interpretationsmethode des Rechtsvergleichs unter den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bekräftigt, daß das Institut der Beleihung in der europäischen Integrationsentwicklung nicht verteidigt werden kann, weil es die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit und damit das Binnenmarktprinzip unterläuft. Die europäische Wirtschaftsverfassung, die durch Privatheitlichkeit, Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit gekennzeichnet ist, gebietet eine bestmögliche Entstaatlichung und Entkommunalisierung der Aufgaben der Lebensbewältigung (4. Teil, 4. Kap., III.). 34. Die Praxis und die dieser folgende Lehre versteht die „Hoheitlichkeit" des Staates als dessen Herrschaftlichkeit. Der republikanische Staat ist aber ein freiheitliches Gemeinwesen, welches durch Freiheitlichkeit und Rechtlichkeit gekennzeichnet ist. Er ist die Organisation freier Menschen für die Verwirklichung des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit. Herrschaftlichkeit und Freiheitlichkeit sind ein unüberwindbarer Widerspruch. Hoheitlichkeit ist die allgemeine Freiheitlichkeit des Volkes. In ihrer Bürgerlichkeit achten die Bürger die Gesetze aus Moralität. Diese ihre Sittlichkeit ist die eigentliche Hoheit des Volkes. Freilich kann auch die Republik nicht ohne Zwang auskommen, wenn ihre Gesetze mißachtet werden. Der Zwang ist aber die „Behinderung ei-

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nes Hindernisses der Freiheit" (Kant), also Verwirklichung der Freiheit. Hoheitlichkeit erweist sich als Gesetzlichkeit der Bürgerschaft oder als die Sittlichkeit derselben (4. Teil, 5. Kap, I.). 35. Die Herrschaftlichkeit ist durch die Einseitigkeit von „Befehl und Zwang" definiert. Dem gegenüber ist die Freiheit allseitig. Sie ist die Allgemeinheit und Gesetzlichkeit des Staatlichen, während die Privatheitlichkeit durch die Besonderheit der Privaten gekennzeichnet ist (4. Teil, 5. Kap, II.). 36. Die Staatsgewalt sichert die Rechtlichkeit des Gemeinwesens und damit die (subjektiven) Rechte der Menschen. Sie ist, wenn die Gesetze in Sittlichkeit (praktischer Vernunft) erkannt und beschlossen sind als sittliche Staatsgewalt der allgemeine gute Wille der Bürger, welche in allgemeiner Freiheit miteinander leben wollen. Den Menschen bleibt die private Gewalt, die ihnen niemand nehmen kann; denn jeder Mensch kann handeln. Handeln aber ist gewissermaßen Ausübung von Gewalt, weil Handeln, freiheitlich konzipiert, wegen seiner Kausalität Wirkung, nämlich Wirkung auf alle, entfaltet. Es gibt Handeln des Staates, also Staatsgewalt, und es gibt Handeln der Privaten, also Privatgewalt. Es gibt kein Gewaltmonopol des Staates. Private werden nicht dadurch zum Handeln befähigt, daß der Staat sie mit der Ausübung seiner Gewalt befiigt. Private haben Gewalt, weil sie handeln können. Weil Menschen mit Menschen zusammen leben, die alle frei sein wollen, ist das private Handeln und damit die Ausübung privater Gewalt eine Frage der allgemeinen Freiheitlichkeit und damit eine Frage der Legalität. Die Gesetze erlauben oder verbieten die Ausübung privater Gewalt. Es bedarf keiner Übertragung von „Hoheitsrechten" auf Private. Eine solche ist darum auch im Verfassungsgesetz nicht vorgesehen. Hoheitsrechte können etwa auf die Europäische Union übertragen werden, nicht aber auf Private. Der Staat vertritt das Volk in seinen allgemeinen Angelegenheiten oder eben in seiner Sittlichkeit. Diese Vertretungsmacht darf er nur übertragen, wenn dies das Verfassungsgesetz vorsieht. Die Delegationslehre verharrt in der Herrschaftsdoktrin staatlichen Handelns. Republikanisch ist allein die Legalitätslehre, welche erkennt, daß privates Handeln, welches unvermeidlich Wirkung auf andere hat und damit Gewaltausübung ist, berechtigt ist, wenn es von der Allgemeinheit durch die allgemeinen Gesetze anerkannt ist (4. Teil, 5. Kap, III.). 37. Staatlichkeit des Volkes ist dessen rechtliche Gesetzlichkeit. Nicht allein die bloße Gesetzlichkeit verwirklicht die allgemeine Freiheit, zu deren Verwirklichung das Volk als die Menge der Bürger sich zu einem Staat verfaßt, sondern nur eine Gesetzlichkeit, welche die Verfassung der Freiheit und damit das Prinzip Recht achtet und verwirklicht. In einem Gemeinwesen der Freiheit, auf der alles Recht gründet, gibt es keine berechtigte Herrschaft von Menschen über Menschen, sondern nur die allgemeine Gesetzlichkeit als die Wirklichkeit der allgemeinen Freiheit. Die Hoheit des Volkes ist somit dessen allgemeine Freiheit (4. Teil, 5. Kap, IV. und V.).

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38. Die Staatsgewalt ist als allgemeine Freiheit der Bürger eines Volkes schlechterdings unübertragbar. Die Freiheit ist Persönlichkeit des Menschen und nicht von ihm zu trennen. „Hoheitsrechte" sind übertragbar, wenn das das Verfassungsgesetz ermöglicht. Die Beleihung Privater mit „Hoheitsrechten" sieht das Grundgesetz nicht vor. Diese Befugnis ist auch dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 4 GG („in der Regel") nicht zu entnehmen. Sie wird von der Praxis und Lehre in diese Vorschrift hineingelesen, um dem verfassungswidrigen Institut der Beleihung einen rechtlichen Status zu verschaffen (4. Teil, 5. Kap., VI.). 39. Das Organistationsinstitut der Beleihung ist rechtlos; denn es verletzt die Staatlichkeit des Staates, insbesondere das demokratische Prinzip der Republik, weil die beliehenen Privaten nicht demokratisch legitimiert sind und die republikanischen Amtsprinzipien, aber auch das Privatheitsprinzip der Grundrechte und der Grundfreiheiten, zumal die Berufsfreiheit der nicht mit (vermeintlich) staatlichen Aufgaben beliehenen Außenseiter eines weitgehend „staatlich gebundenen" freien Berufs (5. Teil, 5. Kap.).

5.

Teil

Die „Wettbewerbsverhältnisse" im Vermessungswesen Bayerns 40. In der Praxis werden Handlungen den Staates oder der Kommunen, wenn sie gewissermaßen im Wettbewerb mit Handlungen von Privaten stehen, nach dem Wettbewerbsrecht, insbesondere nach § 1 UWG, beurteilt. Unabhängig davon, ob die Handlungen im Drittverhältnis amtliche Verwaltungshandlungen sind oder nicht. Das ist die Dogmatik von der Doppelqualifikation staatlichen oder kommunalen Handelns als amtlich und als wettbewerblich. Nach den Maßstäben des wettbewerblichen Lauterkeitsrechts sind die Vermessungstätigkeiten des Freistaates Bayern und der bayerischen Kommunen wettbewerbswidrig, weil diese zum einen durch die weitgehende (quasi) Monopolisierung des Vermessungswesens mittels eines Gesetzes und zum anderen durch die (unternehmerischen) Vorteile der öffentlichen Hand, welche diese durch ihre haushaltlichen, administrativen und (Partei) politischen Möglichkeiten hat, den privatheitlichen Wettbewerbern keine faire Chance lassen. Die Praxis beurteilt freilich das „Ob" der staatlichen und kommunalen Tätigkeit nicht nach dem Wettbewerbsrecht, sondern vor allem das „Wie". Freilich ist es nach den Maßstäben des § 1 UWG sittenwidrig, daß die staatlichen Vermessungsämter zu entscheiden haben, ob die beratenden Vermessungsingenieure von der Vermessungsverwaltung für Hilfsdienste bei den amtlichen Vermessungen herangezogen werden, und daß zudem die konkurrierenden Amtswalter in den staatlichen Vermessungsämtern die Vermessungsergebnisse der beratenden Vermessungsingenieure als „geeignet" und das „Bedürfnis für die Übernahme" derselben beurteilen dürfen. Art. 8 Abs. 9 VermKatG Bayerns ist sowohl nach staatsrechtli-

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chen als auch nach wettbewerbsrechtlichen Kriterien, die jeweils Bundesrecht oder gar Gemeinschaftsrecht sind, rechtswidrig. Jedenfalls die (sogenannten) privatwirtschaftlichen Vermessungen des Staates und der Kommunen verletzen das Lauterkeitsprinzip des § 1 UWG und müssen, weil sie schlechterdings Wettbewerbsprinzipien nicht entsprechen können, auch nach den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts unterlassen werden. Die Rechtsprechung hat sogar die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb überhaupt als Verstoß gegen die wettbewerbliche Lauterkeit untersagt (5. Teil, 1. Kap.). 41. Staatliche Verwaltung, zu denen dem Verfassungsrecht nach auch die staatlichen Unternehmungen gehören, sind nach dem Recht eines freiheitlichen Gemeinwesens in keinem Fall wettbewerblich und darum nicht am Wettbewerbsrecht zu messen. Der Wettbewerb setzt Privatheit, also Unternehmen im eigentlichen Sinne, voraus. Nur unter Privaten gibt es Wettbewerb im Rechtssinne. Der Staat darf die unternehmerische Privatheitlichkeit nicht adaptieren. Die Praxis, staatliches Handeln am Wettbewerbsrecht zu messen, ist verfassungswidrig, insbesondere die Dogmatik von der Doppelqualifikation (5. Teil, 2. Kap.). 42. Die wettbewerbsrechtliche Lauterkeitsmaxime, deren Maßstab die guten Sitten sind, ist inadäquat, unternehmerischer Verwaltung des Staates das Recht zu geben. Wenn auch die Lauterkeitsprinzipien in der Praxis nichts anderes sind als die Maßstäbe der Richter für wettbewerbsgerechtes Handeln, welche für das staatliche Handeln angepaßt werden können (Delegationslehre), so bleibt es doch eine Fehlentwicklung der Praxis, daß Handeln des Staates, welches ausschließlich Gesetzgebung, vollziehende Gewalt oder Rechtsprechung ist, an dem privatheitlichen Wettbewerbsrecht zu messen und nicht nur an den Rechtsprinzipien und Rechtsgrundsätzen, welche für staatliches Handeln geschaffen sind, nämlich an den Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes, insbesondere an den Grundrechten (5. Teil, 3. Kap.). 43. Die guten Sitten sind richtigerweise Gesetze der Privaten, welche sich durch den Konsens aller an bestimmten Lebensverhältnissen beteiligten Kreise entwickeln. Diese privaten Gesetze haben Nähe zum Gewohnheitsrecht. Sie vermögen dem Staat, dessen Handeln von der Verfassung, dem Verfassungsgesetz und den einfachen Gesetzen bestimmt ist, nicht das Recht zu geben. Die Gemeinwohlverwirklichung, zu der der Staat in jeder seiner Handlung verpflichtet ist, ist nichts anderes als die Bindung des Staates an das Staatsrecht. Eine Bindung des Staates an Rechtsvorschriften, welche nicht in den staatsadäquaten Verfahren, vor allem demokratisch legitimiert, gebildet wurden, ist staatswidrig (5. Teil, 3. Kap, I. und II.). 44. Die wettbewerblichen Lauterkeitsprinzipien sind für staatliches Handeln, wenn dies (quasi) unternehmerisch ist, ungeeignet, weil sie auf privatheitliches Handeln, insbesondere auf die Berechtigung, Gewinn anzustreben und den

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Wettbewerbern Marktanteile abzuringen, abgestellt sind. Der Staat ist aber nicht befugt, zu handeln, um Gewinn zu erwirtschaften. Vielmehr hat er ausschließlich dem gesetzlich bestimmten Gemeinwohl zu dienen. Zudem ist es staatswidrig, wenn staatliche Gemeinwohlverwirklichung der Insolvenzgefahr ausgesetzt wird, die für die Wettbewerblichkeit und Marktlichkeit systembestimmend ist. Es gibt keine Gleichheit des Staates oder der Kommunen mit den Privaten, welche Voraussetzung der wettbewerblichen Marktteilnahme wäre (5. Teil, 3. Kap., in.). 45. Auch wenn § 1 UWG, wie das die Rechtsprechung praktiziert, funktionalistisch-kompetentiell dafür genutzt wird, Vorschriften für staatliches Handeln zu entwickeln, welche der Besonderheit des staatlichen „Wettbewerbs" gerecht werden, ist diese Vorschrift für staatliches Handeln unanwendbar, weil das privatheitliche Wettbewerbsrecht nicht das für den Staat geschaffene Recht verdrängen darf. Die Praxis der Gerichte, das Wettbewerbsrecht für staatliches Handeln zu verändern, verletzt das Rechtsstaatsprinzip, mißachtet insbesondere die gewaltenteilige Funktionenordnung und das demokratische Prinzip, weil die Richter sich nicht von Gesetzen abhängig machen, sondern selbst die Gesetze geben. Insgesamt unterläuft diese Praxis die Staatlichkeit des Staates (5. Teil, 4. Kap.). 46. Wenn jedoch die Vermessungen des Freistaates Bayern und der bayerischen Kommunen am Wettbewerbsrecht gemessen werden, sind sie aus der Sicht der Gerichtspraxis wettbewerbswidrig. Die amtlichen Vermessungen der Ämter des Freistaates Bayern würden, wenn nicht dem bundesrechtlichen Wettbewerbsrecht, so doch dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Gemeinschaft unterliegen, das nach Art. 86 EGV bestmöglich zur Geltung gebracht werden soll. Der Europäische Gerichtshof stuft auch staatliche Verwaltungen als öffentliche Unternehmen ein, wenn diese wie die bayerischen Vermessungsämter der Sache nach unternehmerisch tätig sind. Das macht der Gerichtshof von der Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit abhängig, welche er darin zu sehen pflegt, daß die amtlichen Tätigkeiten am Markt auch privatwirtschaftlich angeboten werden. Der Staat darf seine Marktmacht nicht mißbrauchen. Das verbietet ihm Art. 82 EGV. Die staatlichen Vermessungsämter in Bayern sind aber geradezu ermächtigt, ihre Marktposition zu mißbrauchen; denn sie haben zu entscheiden, ob ihre Wettbewerber ihre Dienste überhaupt in den Markt einbringen dürfen (Art. 8 Abs. 9 VermKatG). Die vergleichbare Praxis des Arbeitsvermittlungsmonopols in Deutschland ist vom Europäischen Gerichtshof als Mißbrauch von Marktmacht unterbunden worden (5. Teil, 5. Kap., I.). 47. Die amtlichen Vermessungen der bayerischen Kommunen, welche nicht durch Gesetz geregelt sind, sondern auf Entscheidungen der Kommunen, wohl der (Ober)Bürgermeister beruhen, sind genausowenig mit dem Wirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft vereinbar, weil sie die administrativen und finanziellen Vorteile der Kommunen nutzen. Keinesfalls ist es wettbewerbsrecht-

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lieh hinnehmbar, daß die Kommunen trotz ihrer Wettbewerbsvorteile mit den privatheitlichen Vermessungsingenieuren im (sogenannten) privatwirtschaftlichen Bereich konkurrieren (5. Teil, 5. Kap, II. und III.).

6.

T e i l

Rechtsschutz des Privatisierungsrechts der freiberuflichen Vermessungsingenieure 48. Die subjektiven Privatisierungsrechte der freiberuflichen Vermessungsingenieure finden in verschiedenen Rechtswegen mit verschiedenen Klagemöglichkeiten Rechtsschutz. Gegen die kommunalen Vermessungsakte können im Verwaltungsrechtsweg Anfechtungsklagen nach § 42 Abs. 1 VwGO, aber auch Normkontrollklagen nach § 47 VwGO erhoben werden. Wegen der Praxis der Wettbewerbsgerichte, das Wettbewerbsrecht auf staatliche kommunale Handlungen anzuwenden, kommt im Zivilrechtsweg die Unterlassungsklage und gegebenenfalls auch die Schadensersatzklage nach § 1 UWG in Betracht. Das wettbewerbswidrige Handeln der Kommunen verletzt das Recht der freiberuflichen Vermessungsingenieure am Unternehmen, so daß auch Unterlassungsklagen, welche auf §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB gestützt sind, erhoben werden können. Verfassungsbeschwerden nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG an das Bundesverfassungsgericht wegen der Verletzung des grundrechtlich geschützen Privatheitsprinzips sind wegen des verfassungsprozessualen Subsidiaritätsprinzips erst möglich, wenn Rechtsschutz vor den Fachgerichten gesucht wurde. In Betracht kommt auch die bayerische Verfassungsbeschwerde und die Popularklage nach Art. 98 S. 4 BV. Der Europäische Gerichtshof kann (und muß von einer nationalen letzten Gerichtsinstanz) sowohl im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV zur Klärung des gemeinschaftsrechtlichen Privatheitsprinzips als auch des gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsprinzips durch die angerufenen Fachgerichte und auch durch das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet werden. Unmittelbar kann Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof nicht beantragt werden (6. Teil, 1. Kap.). 49. Gegen die Vermessungsakte des Freistaates Bayern kommen wiederum im Verwaltungsrechtsweg die Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte, welche Dritten gegenüber erlassen wurden, und die Verpflichtungsklage auf Zuteilung von Vermessungsaufgaben, jeweils nach § 42 Abs. 1 VwGO, in Betracht. Desweiteren kann nach § 143 Abs. 1 VwGO auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 12 Abs. 1 VermKatG geklagt werden. Möglich ist die Popularklage nach Art. 98 S. 4 BV wegen Verletzung des Privatheitsprinzips der Bayerischen Verfassung durch Art. 12 Abs. 1 VermKatG vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. In fachgerichtlichen Streitigkeiten kann es auch zur Richtervorlage wegen der Verfassungswidrigkeit des bayerischen Vermes-

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sungswesens nach Art. 65 i.V.m. Art. 92 BV, Art. 50 VfGHG kommen. Auch die bayerische Verfassungsbeschwerde nach Art. 66 BV ist geeignet, um den Verstoß gegen das Bayerische Verfassungsgesetz klären zu lassen. Wenn ein Fachgericht Art. 12 Abs. 1 VermKatG wegen Verletzung des Privatheitsprinzips für grundgesetzwidrig hält, kann und muß es die verfassungsrechtliche Klärung durch das Bundesverfassungsgericht im Verfahren der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG bewirken. Die Vermessungsingenieure können auch die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8 a, 90, 92 bis 95 BVerfGG mit dem Vorwurf erheben, daß die weitgehende Verstaatlichung und Kommunalisierung des Vermessungswesens in Bayern gegen das grundrechtsgeschützte Privatheitsprinzip verstößt. Die Verfassungsbeschwerde ist erst nach Erschöpfung des Rechtswegs zulässig. Unmittelbare Klagen gegen die bayerische Verfassungpraxis vor dem Europäischen Gerichtshof sind nicht möglich. In Betracht kommt wiederum das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV, wenn sich ein Fachgericht von der Relevanz der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfragen für die Entscheidung eines Rechtsstreits um das Vermessungswesen in Bayern überzeugt (6. Teil, 2. Kap.).

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Sachwortverzeichnis* Abgeordnete 219 - a l s Vertreter des ganzen Volkes 253 - Gewissensbindung 253 - Mandat 253 Ableitung 289 Absolutismus, begrenzter 210 Abstimmung 215 Abwägung 175 Abwehrrechte - grundrechtliche 71 - subjektive 72 Adaption - privaten Verhaltens 222 - privatwirtschaftlichen Handelns 312 Administration 223 Administrationsbefugnis 308 Adressatenlehre 328 Alleinbestimmtheit 68, 276, 306 - als Willensautonomie 44 Allgemeinbestimmtheit 276 - durch Gesetzlichkeit, privatheitliche 44 - nach Maximen, privatheitliche 44 Allgemeinheit - des Staatlichen 36, 246, 268 - des Staatsrechts 316 - materiale 233 - personale 233, 237 Allgemeinheitsprinzip, freiheitsrechtlich 153 Allgemeinverträglichkeit 44, 81 - der Privatheit 69 Allgemeinwohl 61, 143, 206 Allseitigkeit - der Freiheitlichkeit 268 - des Staatlichen 268 Allzuständigkeit 132, 150 - der Gemeinde 143

Ämter 242, 246 - staatlich beliehene 90 Ämterordnung 182, 243 Ämterverteilung 89 Amtlichkeit 273 Amtshaftungsanspruch 336 Amtsprinzip 91, 252, 293 - der Republik 53 - staatliches 182 Amtsrecht 272 Amtsverfassung 90, 91 Amtswalter 219, 222, 245, 288 - des Staatlichen 43 Anfechtungsklage 326, 340 Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft 131 Äquivalenzprinzip 305 - formelles 103 - materiales 103 Arbeitnehmerfreizügigkeit 110 Arbeitsrecht - kollektives 227 - soziales 274 Arbeitsverhältnis 79 Arbeitsvermittlung, privatheitliche 298 Arbeitsvermittlungsmonopol 90, 298 Art. 30 GG 200 Ärzte 60 Aufgaben - des eigenen Wirkungskreises 140 - legitime, öffentliche 57, 62 - öffentliche 33, 46, 89, 246, 264 - originäre, staatliche 246 - private 246 - staatliche 53, 228, 246 Aufgabenbegriff, formal 98 Aufgabenbewältigung, staatliche 157

* Die kursiv gesetzten Zahlen weisen auf fortfolgende Seiten hin.

398

arverzeichnis

Aufgabenlehre - funktionalistisch 65 - materiale 57 Aufgabenteilung 321 Aufgabenübernahme - kommunale 321 - staatliche 321 Aufgabenverteilung 243 - durch Gesetz 45 - landesrechtliche 318 Auslegung 115 - rechtsvergleichend 115 Auslegungsmethoden, klassische 115 Außenrechtskreis 328 Ausstattung 289 Ausübung - hoheitsrechtlicher Befugnisse 249 - öffentlicher Gewalt 114, 186 - privater Gewalt 255 - von Staatsgewalt 247, 288 Ausübungsbefugnisse, staatsgewaltliche 289 Autonomie - als die äußere und innere Freiheit 226 - der Bürger 131 - des Willens 43, 68, 69, 103, 154, 165, 176,193, 194, 227 - privatheitliche 225 Autonomiebefugnis 316 - von Privaten 196 Autonomiebezirke, private 309 Autonomiefähigkeit 226 Autonomie-Kompetenzkonflikt 228 Autonomielehre - grundgesetzlich 199 - republikanisch 199 Autonomieprinzip 40, 175, 208 Autonomierecht 39, 197 Bankunternehmen 133 Bayerische Verfassungsbeschwerde 346 Bayerisches Landesvermessungsamt 27 Beamtentum, berufsmäßiges 241 Beamtenverhältnis 53, 249 Beamter 245 Bedarfsregelungen 243 - berufsrechtliche 250 Bedürfnis, freiberuflicher Vermessung 29 Bedürfnisprüfung 126, 320

Befähigung 243 - zum Richteramt 253 Befähigungsnachweis, deutscher 125 Befehl und Zwang 266 Befugnis zu zwingen 283 Befugnisdogmatik 239 Befugniserweiterung - eigenständige, des Staates 225 Befugnisgrenzen, territoriale 184 Befugnisse - des Staates 276 - hoheitliche 58,181, 264 - hoheitsrechtliche 53, 267 - staatliche 58,181 Begriff - der Privatheit 40 - der Staatlichkeit, funktional 209 - des Staates 104, 221 - des Staates, institutionell 39 - des Staatlichen - formal 136 - funktionalistisch 39, 208 - institutionell 209 begünstigte Gesellschaften 122 Beleihung 52,56, 126, 238, 246, 289 - als Organisationsinstitut 264 - Privater mit staatlichen Aufgaben 181 Beleihungslehre 182, 239 Beliebigkeit, private 235 Beliehene 39, 238, 246, 268, 289, 292 - als Behörden 240 - als Private 240 Bereichsausnahme 114, 126, 129 - des Art. 45 EGV 255 Beruf - freier 91 - staatlich gebundener 60, 61, 92, 182, 252 Berufsausübung 249 Berufsbeamtentum, hergebrachte Grundsätze 91, 184, 249 Berufsfreiheit 89, 242, 292 Berufswahl - freie 182,241,249 Berufswahlfreiheit 243 Berufswahlrisiko 91 Berufszugang 292 Berufszulassungsschranke, objektive 90 Berufungen 219

S ach wort Verzeichnis Beschaffungswesen 105, 275 Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung 111 Besitzstandswahrung 85 Bestandsschutz der (sogenannten) öffentlichen Unternehmen 187 Bestenauslese 248 Bestimmtheit 70, 77, 274 Bestimmtheitsprinzip 149, 229 - rechtsstaatliches 315, 316 Betroffenheitslehre 331 - vom subjektiven öffentlichen Recht 180 Beurkundung von Vermessungen 95, 244 Beurteilungsprinzipien 217 Bindung, staatsrechtliche staatlichen Handelns 277 Bindungswirkung 172 Binnenmarkt 101, 107, 148 Binnenmarktprinzip 151 - gemeinschaftsrechtliches 100 - privatheitliches 225 bonum commune 143 Brüderlichkeit 69 Bruttoinlandsprodukt 87 Bundesrepublik Deutschland 33 Bundesstaat 34 - demokratischer 205 Bundesverfassungsgericht 160, 165 - politische Funktion 168 - politische Verantwortung 84 Bürger 64,165, 212 - als Hüter der Verfassung 343 - als staatliche Persönlichkeit 40 - als Untertan 161,328 - Bürgerlichkeit der 278, 290 - staatliche Persönlichkeit des 41 - unbürgerliche 278 Bürgerklage 180 Bürgerlehre 331 Bürgerlichkeit 281, 288 - als Handeln in allgemeiner Gesetzlichkeit 281 - als Rechtlichkeit 282 Bürgerschaft 43,49, 103, 131, 268, 281, 288 Bürgerschaftlichkeit 307 Bürgerstaat 207, 208, 237 Bürokratismus 75

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Cassis-de-Dijon-Philosophie 109 Chancengleichheit 187 - der Persönlichkeitsentfaltung 243 Daseinsvorsorge 136,142, 155 - kommunale 133,142, 149,151 DDR 278 Delegation 239, 289, 308 - von Kompetenz zu Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik 316 Delegationslehre 255 Delegationstheorie, funktionalistische 316 Demokratie, freiheitliche 206, 208, 220, 315 demokratiewidrige - Auswahl der Beliehenen 254 - Gestaltung der Ämter 254 demokratisches Prinzip 52, 307 - der Republik 56, 276, 295 Demonstranten, massenhafte 278 Deregulierung 85, 158 Despotie 288 - demokratische 288 Deutsche Bahn 55 Deutsche Bundespost 55 Dezision 219 - gesetzgeberische 236 Dezisionismus 209, 212, 218 Dienst - öffentlicher 53, 90, 94, 182, 186, 241, 247 - öffentlicher, in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen 249 - Zugang zum öffentlichen 247 Dienst- und Treueverhältnis, öffentlichrechtliches 53,249 Dienstleistung - kommunale 135 - positive 128 Dienstleistungsfreiheit 110, 112, 127, 187, 255, 337 - negative 128 - personenunabhängige 128 Dienstrecht, öffentliches 184 Differenzierung, funktionale 209 Diplome 125 Diskriminierung 108, 252, 322 - aus Gründen der Staatsangehörigkeit 124 Diskriminierungsverbot 107 Diskurs 165

400

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Doppelqualifikation 184, 299, 321, 335 - staatlichen Handelns 198 - staatlichen und kommunalen Handelns 317 Drittwirkung 329 Durchgriffslehre 65 Effizienzprinzip - Ressourceneinsatz 80 - wohlfahrtsstaatliches 80 Eigenbetrieb 35, 123, 134 Eigentum 48, 70, 197 - Privater 60, 192 Eigentumsgewährleistung 145, 336 Eignung 243 Eignungs- und Befähigungskriterien 250 Einheit des Allgemeinen 274 Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts 115 Einschätzungsprinzipien 217 Einseitigkeit der Herrschaftlichkeit 268 Einseitigkeitsdogma 269 Einung 174 Energieversorgung, kommunale 322 England 258 Entdemokratisierung 156 Entfaltung der Persönlichkeit, freie 69 Entgelt 127 Entscheidungsspielräume 217, 274, 306, 313 - staatliche 310 Entsozialisierung 156 Entstaatlichung 85, 147 - institutionelle 254 Erforderlichkeit 141, 157 Erkennen 167 Erkenntnis - der Rechtslage 257 - des Rechts 165, 171,2X1 - des Richtigen 162 - republikanische 170 Erkenntnisspielräume 274 Ermächtigungen 228 Ermächtigungskompetenz, allgemeine 294 Ermessen 222 Ermessensprinzipien 217 Ersatzvornahme, staatsorganschaftliche 287 Erzwingbarkeit, äußere Verbindlichkeit als 41

Ethik der Richter 315 Ethos 68 Euro-Beschluß 161 Ewigkeitsklausel 208 Exekutive 234 - originäre Gewalt der 234 Existenz, als Person 179 fair 166 familia 277 Feststellungsklage 341 - als Normenkontrolle 341 - subsidiär 342 Fiskalgeltung der Grundrechte 202 fiskalisch 136 Fiskus 191, 231 - als Privatrechtssubjekt 231 - als verfassungsrechtliche Problemskizze 190 Fiskusdoktrin 39, 46, 54, 106, 123, 146, 181, 183, 190, 225, 232, 293, 309, 311, 317 - extreme 132 - substantielle 193 - Verfassungswidrigkeit 200 Fleischbeschauer 240 Flexibilität 239 Folgenbeseitigungsanspruch 330 Form 289 formal 68 Formalität - der Freiheit 42,48,166, 173 - der Privatheitlichkeit als der Besonderheit 40 - der Staatlichkeit als der Allgemeinheitlichkeit 40 - des Staatlichen 42 Formalverstaatlichung 50 Fortführungsvermessungsdienst 24, 27 Fraktionsprinzip, parteienstaatliches 166 Frankreich 258, 260 Freiberufler 142, 299, 344 Freiheit 153, 226, 238, 281, 286, 327 - aller als Gesetzlichkeit 247 - allgemeine 47, 68, 70, 251,267, 276, 327, 336 - als angeborenes Recht 226

Sachworterzeichnis - als Autonomie des Willens 68, 88, 161, 286 - als Recht auf Recht 70, 177 - als Zweck des Rechts 179 - als Zweck des Staates 179 - äußere 44, 68, 163, 167, 283 - bürgerliche 166, 281 - des Staates 195 - formal 159 - innere 44, 67, 163, 767,268 - negative 163 - politische 47, 81,161 - praktisch konzipiert 77 - Räume 160 - unantastbarer Bereich 159 - uneindringlicher Raum 160 Freiheit und Würde 225 Freiheiten 74 Freiheitlichkeit 247 Freiheitsbegrenzung, funktionalistische 227 Freiheitsprinzip 153,174, 205, 252 - allgemeines 159 - formal 166 - Wesensgehalt 165 Freiheitsrechte - individualistische 76 - unbenannte 81, 160 Freiheitssphäre 70, 76, 327 Freiwilligkeit, der Vereinigung 51 Frieden - allgemeiner 276 - innerer 51 Friedensinteresse 71 Friedensprinzip 269, 277 Fristen 332, 348 Funktionen, des Staates 285 Funktionenordnung 166 - gewaltenteilige 48, 287 Funktionsgerechtigkeit 218 Funktionszuweisung 231 Gebietskörperschaften 34, 50 Geeignetheit 157 Gefährdungslage, grundrechtstypische 192 Geltung 158 Gemeinde - als Wettbewerber 325, 334

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- unternehmerische Wirtschaftstätigkeit 132 Gemeindegebiet 133 Gemeindehoheit 327 Gemeinsamer Markt 148 Gemeinschaftlichkeit der Lebensverhältnisse 158 Gemeinschaftsgüter, überragende 90 Gemeinschaftsrecht, europäisches 53, 299 Gemeinschafts Verträge, verfassungsartige 295 Gemeinverträglichkeit 69 Gemeinwesen, freiheitliches 33 Gemeinwohl 38, 138, 151, 169, 217, 230, 247, 301 Gemeinwohlbegriff - Formalität 221 - Offenheit 221 Gemeinwohlmaterialisierung 217, 222, 301 Gemeinwohlverpflichtetheit 277, 306 Gemeinwohlverwirklichung 301 - staatsunternehmerische 308 Gerechtigkeit 176 Gerichtshof 158 Gesellschaft 37 Gesellschaften 727 Gesetz und Recht 154,169, 309 Gesetz, richtiges 166 Gesetze 299 - allgemeine 41,44, 68, 153, 267, 330 - als allgemeiner Wille des Volkes bestimmt 168 - objektive 70 - positive 73 - Verbindlichkeit der 289 Gesetzesgebundenheit 102 Gesetzesgehorsam 270, 278, 282 Gesetzesverfassungsbeschwerde 347 Gesetzesvollzug 253, 268, 282 - staatlicher 47 Gesetzesvorbehalt - demokratischer 229 - der Grundrechte 119 - rechtsstaatlicher 149 Gesetzesvorrang 219 Gesetzgeber, legislativ 172 Gesetzgebung 68 - alleinbestimmte 69

402

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- der Bürgerschaft, allgemeine 47 - der Verfassungsgerichte, funktionale 174 - unmittelbar konsensuale 162 Gesetzgebungsfunktion des Bundesverfassungsgerichts 173, 175 Gesetzgebungsstaat 162, 163 Gesetzlichkeit 43, 104,153, 282 - allgemeine 44, 51, 52, 72, 161, 268, 277 - als funktionale Staatlichkeit der institutionellen Privatheit 43 - als Verwirklichung der allgemeinen Freiheit 54 - bürgerlichen Handelns 282 - des Rechts 42 - des Staates 226 - des Staatlichen 268 - freiheitliche 269 - ohne Zwang, keine 285 - rechtliche 281 Gesetzlichkeit und Rechtlichkeit 166 Gesetzlichkeitsprinzip kommmunaler Selbstverwaltung 130 Gestaltungsakte, privatrechtliche 273 Gewalt 214, 286 - des Staates, äußere 283 - höchste 42,48 - innere 283 - öffentliche 151, 267 - ohne Recht, Despotie 286 - private 291 - staatliche 267 - vollziehende 213 Gewaltenteilungsprinzip 213, 313 Gewaltmonopol 41 - des Staates 271 Gewerbefreiheit 249 - des Staates 204 Gewinnmaxime 101, 105,135, 137 Gewissen 170 Glaube, öffentlicher 241 Gleichberichtigung in der Freiheit 232 Gleichgeordneten 302 Gleichheit - bürgerliche 76 - freiheitliche 269 - in der Freiheit 92, 243 - Zugang im öffentlichen Amt 98 Gleichheitlichkeit

- der Lebensverhältnisse 274 - unternehmensrechtliche 254 Gleichheitsjudikatur 175 Gleichheitssatz 105,174, 310 Gleichwertigkeit 125 Globalisierung der Unternehmen 225 Glück 74, 153 Glückseligkeit, fremde 74 Grundentscheidungen des Grundgesetzes 200 Grundfreiheiten 92,100, 106,108 - als Deregulierungsprinzipien 156 - als Entstaatlichungsprinzipien 156 - als Grundrechte 154 - als grundrechtsgleiche subjektive Rechte

112, 120 - als Grundsätze des Gemeinschaftsrechts 155 - der Unionsbürger im Vermessungswesen 120 - gemeinschaftsrechtliche 255 - grundrechtsgleiche 179 - integrationistische 108 - objektive Dimension der 113 Grundordnung, freiheitlich-demokratisch 208, 305 Grundrechte 76 - als Leitentscheidungen des gemeinsamen Lebens 82 - als negative Kompetenzen 82 - auf den gesetzlichen Richter 346 - bayerische 328 - des Staates, keine 49 - Fiskalgeltung der 225 - Leerlauf der 119 - objektive Dimension der 77 - subjektive Dimension der 77 Grundrechtsbeeinträchtigung, faktische 188 Grundrechtsberechtigung 60 - des Staates als Hoheitsträger 204 Grundrechtsbestimmtheit 84 Grundrechtsbindung 90 Grundrechtsfestigkeit, der Privatheitlichkeit 53 Grundrechtsschutz 56, 65 - der Beliehenen 62 - der Selbstverwaltungseinrichtungen 62 - öffentlicher Unternehmen 35

Sachworterzeichnis - von Gemeinden 192 Grundrechtssubjekte 45 Grundrechtsunfähigkeit des Staates 58 Grundrechtsverkürzungen 247 Grundrechtsverletzung 344 Grundsatz - der Sparsamkeit 251 - der Verhältnismäßigkeit 157 - der Wirtschaftlichkeit 251 - einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb 79, 101, 105, 107, 123, 148 - privater Lebensbewältigung 74, 75 - und Vorrang der privaten Lebensbewältigung 147 gutes Leben aller in allgemeiner Freiheit 40, 47, 82, 87, 94, 131, 143,217 - auf der Grundlage der Wahrheit 162, 165 gute Sitten 199, 223, 301, 306, 308, 310 - als private Gesetze 306 Haftungsbeschränkungen 184 Handeln 286 - als Rechtsakt 330 - als Zwecksetzung und Zweckvollzug 286 - fiskalisches 213 - hoheitliches 198, 213, 247 Handelnsform 54 Handelnsprivatisierung 106 Handlungsfreiheit - allgemeine 81,160, 175 - materiale allgemeine 173 - wirtschaftliche 251, 336 Hauptgrundrecht, formelles 179 Haushaltsgesetze 189 Hecht im Karpfenteich 222 Herrschaft 77, 163, 167, 266, 281 - als nötigende Willkür 286 Herrschaftlichkeit 266 - des Staates 238 Herrschaftsdogmatik 238 - vorrevolutionäre 290 Herrschaftskonzeption 284 Herrschaftsrechte 238, 290 Hochschulen 50 Hoheit 289 - als Gewalt des Volkes 182 Hoheitlichkeit 39, 89, 115, 247, 266 - abgeleitete 278

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-

als allgemeine Freiheitlichkeit 288 als Herrschaftlichkeit 265 als innere Souveränität 293 als Sittlichkeit 278 aufgabenunabhängige (quasi formale) 293 - des Staates 264, 311 - des Volkes 42 - Privater 291 Hoheitsbefugnisse 238, 246 - der Beliehenen 238 Hoheitsgewalt 239 Hoheitsrechte 239, 267, 289, 291 - als Rechte zur Ausübung der Staatsgewalt 280 - des Staates 181 - Übertragung 276, 280, 291 Hoheitsträger 214 Hüter - der praktischen Vernunft 169, 171 - der Rechtlichkeit der Gesetze 165 - der Sittlichkeit 169 - der Verfassung 63, 84, 169 - des Rechts 73, 165,172, 175 Inadäquanz wettbewerblicher Lauterkeitsmaximen 312 Individualität 76 Industrie- und Handelskammern 61 Inländerbehandlung 120 Inländergleichbehandlung 124, 256 Insolvenzrisiko 146 Institutionalität 84 Integration 34 - binnenmarktliche 256 - europäische 225 Integrationismus 156 Integrationsprinzip 101, 108, 110, 156 Integrationsverfassung 280 Interessen 71 - besondere 62 - mitgliedstaatliche 108 Interessenausgleich 170 Intimbereich 83 Irrtum 167 - der Vertreter des Volkes 87 Italien 258, 260

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Judikative 234 Judiziabilität 84, 153 - des Privatheitsprinzips 153 - institutionelle 159 juristische Personen 34 - des Inlandes 347 - des öffentlichen Rechts 34 - des privaten Rechts 34 Kampf aller gegen alle 69 Kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen 60, 92,294 Kassenarzturteil 242 Katasterführung 258 Katastervermessung 26, 297 Katasterverwaltung 116, 246 Katasterwesen 32 kategorischer Imperativ 44, 68, 103, 154, 173 Käufer 197 Kaufrecht 103 Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung 131 Kirchen 50 Klagebefugnis 331 Klagen - gegen die Vermessungsakte der bayerischen Kommunen 325 - gegen die Vermessungsakte des Freistaates Bayern 338 Koalitionsfreiheit 92 Kollisionsnorm 212 Kommunalisierung 130 - der Aufgaben 154, 179 - der Lebensbewältigung 92 Kommunalunternehmen 297 - des öffentlichen Rechts, selbständige 130 kommunalunternehmensrechtliche Zweckerfordernis 140 Kompetenz 311 Kompetenzen 227 - als organschaftliche Befugnisse des Staates, negative 71 - kein Eigentum 294 - negative 54 - staatliche 291 - und Aufgaben 227 - zur Ausübung der Staatsgewalt 291

Kompetenzgerechtigkeit 219 Kompetenz-Kompetenz 294 Kompetenzprinzipien, demokratierechtliche 316 Kompetenzregeln 307 Kompetenzübertragung 291 - vom Staat an Private 52 Konkurrentenklage 326 Konkurrenz - private 196 - staatliche 196 Konkurrenzschutz, gegen Staatsunternehmen 204 Konsens 11,275 - bürgerschaftlicher 267 - des Volkes 307 Konsensprinzip 229, 307 Konsensualität - plebiszitäre 68 - repräsentative 68 Konstitutionalismus, deutscher 265 Kontrolle, parlamentarische 314 Konzentration der Wirtschaft 196 Konzession 262 Koordination 214 Körperschaft - der berufsständischen Selbstverwaltung 289 - öffentlich-rechtliche 49, 56 Körperschaftsform - öffentlich-rechtliche 51 Korruption 105 Kostendeckung 139 Kostendeckungsprinzip 305 Kriminalität, organisierte 278 Kunst 82 Lage 41, 157 land surveyor 263 Landeskinderprivileg 97 Landesvermessung 26 Landesvermessungsrecht 318 Lauterkeitsmaßstäbe, wettbewerbliche 196 Lauterkeitsprinzipien des § 1 UWG 321 Lebensbewältigung - freiheitliche 236 - gemeinschaftliche 230 - private 64

Sachworterzeichnis - staatliche 64 Legalität 182, 247, 276, 282 - aus Moralität 278 - berechtigter Privatheit 70 - bürgerliche 270 - ethische, innere 73 - freiheitlich-demokratische 219 - innere 268 - juridische 44 - juridische, äußere 73 - privaten Handelns 291 Legalitätslehre 255 Legislationsbefugnis 308 Legislative 234 legitim 63 Legitimation 218 - demokratische 110,181, 246, 293 - durch das Volk 234 - personale 219 Legitimität der öffenlichen Aufgaben 63 Lehensmacht 292 Lehenswesen des Mittelalters 294 Lehre - des öffentlichen Rechts, institutionelle 197 - des Privatrechts, institutionelle 197 Leistung 105 Leistungsfunktionen, verwaltungspolitische 118 Leistungsklage - allgemeine 329, 332, 342 Leitentscheidung 119, 170 - grundrechtliche 81 Leitungsaufgaben, staatliche 111 letztes Wort 166 Liberalismus - des Bürgerlichen Gesetzbuches 75 - individualistisch 161, 290 liberalistische Trennung von Staat und Gesellschaft 290 Liebesprinzip 69 Liegenschaftskataster 23, 240, 297 Machtergreifung 290 Markt 101, 105, 303 Markt und Wettbewerb 182 Markt- und Wettbewerbsprinzip 78, 91, 151, 188

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- der Art. 81 ff. EGV 318 marktbeherrschende Stellung 322 Marktchancen, gleiche 322 Marktgesetze 303 marktliche Sozial Wirtschaft 80, 148 Marktlichkeit 79, 105 - normative 69 - und Wettbewerblichkeit 148 Marktmacht 304 Marktverdrängung 303 Marktwirtschaft, soziale 80 Marktzutritt 187, 252, 321, 322 Maßstäbe staatlicher (Unternehmens-) Politik 312 materiale Prinzipien der Menschheit - des Menschen 48 Materialisierung 68 - der allgemeinen Freiheit 48 - der formalen Freiheit 161 - der Sittlichkeit 171 - des Allgemeinen des Volkes 233 - des Rechts 52 Materialität 158 - der Freiheit 166 - des Rechts 161 Maximen 68, 102 - der freien Willkür 286 - der Sittlichkeit 169 - des Handelns 41,43 - solipsistische 86 Mehrheitsherrschaft 87 Mehrwertsteuerrecht 184 Mein und Dein 44, 74 Menschen, als Bürger 36 Menschenrechte 71 Menschenwürde 77, 159, 218, 235 Menschenwürdeprinzip 81 Menschheit des Menschen 74, 162, 179 Mietrecht, soziales 274 Minderheitenschutz 86 Mischverwaltung 35 Mißbrauch - der Marktmacht 320 - staatlicher Marktmacht 94 Mißbrauchstatbestände 319 Mobbing 252 Modell des totalen Staates 43 Möglichkeitslehre 332

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Monarchie, konstitutionelle 36 Monismus, umgekehrter 42 Monopol der Arbeitsvermittlung 318 Monopole - kommunale 298 - staatliche 298 Moralität 68, 163, 171, 283 - der Abgeordneten 82, 166, 174 Motor der Integration 158 Naturrecht 162 Neutralität 222, 273 - der Aufgaben 56 - wirtschaftspolitische 80 Neutralitätslehre 197 nicht-wettbewerbliche Verwaltungscharakter staatlicher Unternehmungen 300 Niederlande 258, 259 Niederlassungsfreiheit 110, 112, 121, 187, 255, 264, 337 - als Beschränkungsverbot 125 Normenkontrolle, konkrete 346 Normenkontrollklage nach § 47 VwGO 333 Notare 89, 240 Nötigung, anderer 270 Notwendigkeit 157 Novellierungsvorschlag 73 Objektivitätsgebot 63 Obrigkeit 268, 290 Obrigkeitsstaat 179, 243, 266 - vorrevolutionärer 273 Offenheit - der Begriffe 158 - der Gemeinwohllage 314 - der Grundrechte 161 Öffentlichkeit 246 - der staatlichen und privater Aufgaben 60 Opportunität des Staates 178 Organe - der Europäischen Union 289 - des Volkes 247, 284 - Gesamtverantwortung der 164 Organisation - der Staatlichkeit 289 - staatliche 239 Organisationsakte 341 - nichtrechtsschutzfähige 327

Organisationsermessen 89 Organisationsform 45, 54, 57, 151 Organisationsgewalt 91, 326, 334 - staatliche 242 Organisationshoheit 182, 251 Organisationsmonopol 90 Organisationsprivatisierung 50, 106, 257 - des Staatlichen 181 Organisationsverfassung Deutschlands 280 Organisations vorbehält 89 Organschaft, staatliche 276 Organwalter 288 Ortskrankenkassen 298 Parlamentsakt 225 - schlichter 230 Parlamentsvorbehalt 225 Parteienstaat 84, 174, 288 - entwickelter 167 Parteilichkeit 273 Pauschalermächtigung 228 Personalausstattung 252 Personalität - des Menschen 225 - individúale des Menschen 36 - jedes Menschen als Bürger 163 - soziale 59 Personalpolitik 254 Personalunternehmen, private 322 Personenhaftigkeit des Staates 226 Persönlichkeit 68, 231 Persönlichkeitsentfaltung 78, 153 Pflichterfüllung 71 Pflichtmitgliedschaft 51, 62 Pfründen Wirtschaft 91, 243 Pluralität der Werte 316 Politik, material 168 Politiker 165 politische Klasse 166 Popularklage 180,327, 337, 343 Positivismus 166 praktische Vernunft 63, 67, 76, 86, 103, 161, 163, 165, 175, 272, 283 Prinzip - demokratisches 189,219,246 - der allgemeinen Gesetzlichkeit als Grundrecht 162 - der Gesetzlichkeit 190

S ach wort Verzeichnis - der marktlichen Sozialwirtschaft 318 - der praktischen Vernunft, formales 172 - der Privatheit, objektives 81 - der Sachlichkeit 237 - der Solidarität 319 - des Demokratischen 131 - des rechten Maßes 175 - des Rechts 42 - konstitutionelles 159 - ordentlicher Verwaltung 251 - republikanischer Staatlichkeit 146 Privatautonomie 193, 227, 309 - des Staates 232 Private 246 - beliehene241 - institutionelle 246 Private, das 40 Privateigentum 192 Privater, materiale Verstaatlichung institutionell 53 Privatgewalt 277 - berechtigte 276 Privatheit 43, 70, 75, 193, 227 - als Freiheit 179 - der Lebensbewältigung 48, 69, 119 - der Wettbewerber 105 - des Bürgers, institutionelle 40 - des Staates 43,193 - Flucht in die 233 - freiheitliche 68 - funktionale - institutionelle 43, 44 - materiale 185 - unternehmerischer Wirtschaft 79 Privatheitlichkeit 33, 43, 56, 60, 147, 199, 246, 293 - als das Besondere 255, 268 - als Unternehmenskriterium 137 - der Grundfreiheiten 107 - der Lebensbewältigung 101 - der Privaten, institutionelle 247 - der Selbstverwaltungskörperschaften 59 - der Unternehmen 148,298 - der Wirtschaft 318 - des Wettbewerbs 106 - durch materiale Privatisierung 185 - formal 275 - legalisiert 276

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- öffentlicher Aufgaben 45 Privatheitsprinzip 48, 57, 60, 121, 140, 144, 147, 150, 153, 158, 159, 177, 181, 225, 236, 243, 300, 321, 327 - als Rechtsprinzip 153 - berufsfreiheitsrechtliches 89 - des Binnenmarktes 100 - gemeinschaftsrechtliches 101, 129, 256 - kommunalrechtliches 130, 132, 321 - subsidiaritätsrechtliche 151 - substantielle 317 privatheitswidrige - Beleihung 238 - Mischformen 181 - Organisationsprivatisierung 183 Privatisierung 225 - des Vermessungswesen 31 - Fehlformen der formellen 53 - formelle 181, 186 - formelle, des Staates 106 - materiale 85, 107,181, 254 Privatisierungspflicht 185 - binnenmarktliche 126 - materiale 107 Privatnützigkeitsprinzip 78 Privatrecht 194 - als Kompetenznorm 225 - als Verhaltensnorm 225 - Flucht in das 233 - staatsadäquates 196 Privatrechtlichkeit 39 Privatrechtsfähigkeit des Staates 46, 193, 225, 231,307 Privatrechtsform 50 Privatrechtsförmigkeit 189 Privatrechtsgesellschaft 195 - der öffentlichen Hände 34 Privatrechtssubjekt 239 - staatliches 34 Privatrechtssubjektivität der öffentlichen Hand 200 Privatsphäre 70 Privatunternehmen 217 privatwirtschaftlich(e) 136 - Tätigkeiten 201 - Vermessung der bayerischen Kommunen 28 - Vermessung des Freistaats Bayern 28

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- Vermessungen Bayerns 322 Privilegierung 252 - der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure 89 Prozeduralismus 165 Prüfingenieure 240 Prüfungszeugnis 125 Realakt 330 Realisation 157 Recht 73 - allgemeines 213, 217, 224 - als materialisierte Sittlichkeit 171 - als Wirklichkeit der allgemeinen Freiheit 47 - als Zweck des Staates 88 - am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 335 - am Unternehmen 335 - auf ermessensfehlerfreie Bescheidung 178 - auf freie Meinungsäußerung 71 - auf Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens 178 - auf Gleichheit 71 - auf Recht 71 - bürgerliches 212 - neutrales 39,197, 212, 217, 224, 309 - objektives 72, 331 - objektives öffentliches 777 - öffentliches 103 - öffentliches, als Sonderrecht des Staates 339 - subjektives 177, 334 - subjektives öffentliches 177, 330 - zur freien Willkür 75, 105,167 Recht auf Recht 164 Recht jedes Menschen auf einen Staat 42 Recht zur Autonomie 308, 316 Recht zur freien Willkür 69 Rechte - der Privatheit, subjektive 81 - grundrechtsähnliche 345 - subjektive 44, 70, 114, 328, 330 - subjektive auf Privatisierung 177 - subjektive der Privatheit 70, 161 rechte Maß 157, 218

rechtliche Beliebigkeit privaten Verhaltens 222 Rechtlichkeit 71,161 - als Staatlichkeit 282 - der Gesetze 159, 167 Rechtlosigkeit, Zustand der 284 Rechtneutrales 312 Rechtsbegriff, dynamisch 158 Rechtsbehelfsbelehrung 333 Rechtserkenntnis 165 Rechtsetzung, private 305 Rechtsfähigkeit 225 Rechtsform 49 Rechtsformen - des öffentlichen Rechts 50 - des Privatrechts 134 Rechtsformenwahlrecht 49, 54, 151, 233 Rechtsformtheorie 216 Rechtsfrieden 118 Rechtsgesetze 284 Rechtsgrundsätze 115 Rechtsklärung 273 - präventive 272 - repressive 272 Rechtslehrer, als Apologeten der Praxis 257 Rechtsmacht, staatliche 303 Rechtsprechung, als verbindliche Klärung des Rechts 47 Rechtsregime - privatheitsmäßiges 58 Rechtsschutz 177, 273, 331 - als Freiheitsschutz 314 - als Grundrechtsschutz 235 - des Privatisierungsrechts 325 - durch den Europäischen Gerichtshof 349 - in Notfällen, privater 277 - individuell 72 - präventiver 273 Rechtssprüche der Verfassungsgerichte 171 Rechtsstaat 52, 71, 89, 323 - bürgerlicher 76 - sozialer 205, 208 Rechtsstaatsprinzip 345 - als Willkürverbot 176 Rechtsstellungsdogmatik 239 Rechtsstreit 272 Rechtssubjekte, staatliche 34

Sachworterzeichnis Rechtssubjektivität - allgemeine 220 - des Staates 212 Rechtstechnik 197 Rechtsvergleich 116, 263 Rechtsverhältnis 342 Rechtsverordnungen 274, 292 Rechtsvorbehalt 228 - rechtsstaatliche 229 Rechts Wirkung nach außen 327 Regel-Ausnahme-Prinzip 75 Regiebetrieben 134 Regierungsverantwortung 314 Rentabilität 305 Repräsentation 163 Repräsentationsprinzip 213 repräsentative(r) - Identität 267 - Konsens 269 - Republik 87 Repräsentativität der Gesetzgebung 163 Republik 33, 52,71, 208 - als das Gemeinwesen der allgemeinen Freiheit 288 - als freiheitliche Demokratie 38 - privilegiefeindliche 254 republikanische(s) Amtsprinzip 249 - Organschaftlichkeit des Staates 290 - Staatsethos 253 - republikanische(s) Freiheitsprinzip 72 - Staatsprinzip 91 Republikanismus 131 Republikanität des Volkes 237 Republikprinzip 249, 267 res publica res populi 64, 328 Rezeption des Privatrechts in das Staatsrecht 224 Richter 219, 253 - gesetzliche 219 Richteramt 253 richterliche - Kompetenz zur Gemeinwohlmaterialisierung 313 - Unabhängigkeit 314 Richtervorbehalt, wettbewerbspolitischer 316 Richtervorlagen 345 Richtigkeit 169, 173

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Risiko der Insolvenz 136 Rivalität 302 Rundfunkanstalten, öffentlich-rechtliche 50 Sachgerechtigkeit 310 Sachherrschaft 197 Sachkunde 239 Sachlichkeit 104 - als der materialen Allgemeinheit 103 - formales Prinzip 161 Sachlichkeitsprinzip 173, 175, 243 salus publica 61 Satzungen 131, 154 Schadensersatzanspruch 317 Schrankendogmatik 175 Schrankenschranke, grundrechtliche 218 Schutznormen - deliktische 335 Schutzpflichten 47, 54, 60, 63 Schutzzwecklehre 177, 178, 328, 331 Schweiz 258, 262 selbst, gegenwärtig und unmittelbar 348 selbständige - Erwerbstätigkeit 124 - Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts 35 Selbständigkeit 103 - der Bürger 161,275 Selbstbestimmbarkeit des Einzelnen 307 Selbstverwaltung 131 - als mittelbare Staatsverwaltung 291 - berufsständische 59 - der Hochschulen 50 - körperschaftliche 265, 279 Selbstverwaltungskörperschaften 294 Selbstverwaltungsprinzip 59 Selbstzwang 283 Selbstzweckhaftigkeit 163 Sicht der Gerichtspraxis 317 Sittengesetz 68, 104, 153, 161, 167, 171, 281 - als Rechtsprinzip 171 - formal 171 Sitten verstoß des Staates 315 Sittlichkeit 44, 103,164, 175, 283 - allgemein 166 - allgemeine 235 - berechtigter Privatheit 70

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- der Bürger 235, 268, 278 - der Gesetzgebung 82 - des Gerichts 167 - des Gesetzgebers 166, 173, 175 - des privaten Handelns 68 - material-wertethische 316 - private 69 Sonderrecht - für den Fiskus 235 - für den Staat 193, 213 - privatrechtsmodifizierendes 183 Sonderrechtsformen 35 Sonderrechtstheorie 212 Souveränität, innere 278 Sozialisierung 80 Sozialismus 274 - realer 75 Sozialklausel 230 Sozialpflichtigkeit des Eigentums 78 Sozialpolitik 275 Sozialprinzip 80, 310 Sozialrecht 274 Sparkassen 134 Sparkassen wesen 133 Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit 139 Staat 33 - als Einrichtung aller Bürger zur Verwirklichung der allgemeinen Freiheit 52 - als Organisation der Menschen 34, 197 - als Organisation des Volkes für dessen Allgemeines 39, 220, 229, 232, 307 - als organisierte Allgemeinheit der Bürger 293 - als Polizei 300 - als Privatrechtssubjekt 190, 231 - als Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen 36, 47, 284 - der Ämter 49 - freiheitlich-demokratischer 226 - im engeren Sinne 42, 49, 53, 287, 288, 292 - im institutionellen Sinne 53 - im weiteren Sinne 49 - institutioneller Begriff 33 - kein Marktteilnehmer 102, 105 - kein Wettbewerber 105 - keine private Existenz 231 - Privatheitlichkeit 183

- Privatheitsfähigkeit 183 - totaler 69, 88, 225 - um der Menschen Willen 179 - unternehmensartige Handlungen 298 - unternehmerische Verwaltung 104 Staat und Gesellschaft 36, 246 Staatenverbund 115 Staatlichkeit 33, 43, 60, 104, 206, 246,309 - als das Allgemeine 255 - der Aufgaben 53, 157 - der Aufgabenbewältigung 110 - der beliehenen Unternehmer 247 - der Lebensbewältigung 83 - der privatheitlichen Selbstverwaltung, funktionale 280 - des Bürgers, funktionale 40 - des Staates 278, 282,311 - des Staates, funktionale 53 - des Volkes 281 - funktionale 43, 69, 247, 287 - grundrechtsdogmatische 45 - institutionelle 45, 209 - öffentlicher Aufgaben 45 - repräsentative 164 - totale, der Lebensbewältigung 82 Staatsangehörigkeit 249 Staatsaufbau, föderativer 205 Staatsaufgaben 45,216 - funktionaler Begriff der 182 - materiale 52 - originäre 89, 95 Staatsdienst 90, 241,288 staatsfreie Sphäre 88 Staatsfunktionen 47 - formale 48 Staatsgewalt 33, 201, 213, 226, 234, 247, 267, 276, 284, 289 - als gemeinschaftliche Gewalt der Bürger

281, 286

- anvertraute 245 - des Volkes 289 - Einheit der 266 - Einzigkeit der 291, 294 - kein Herrschaftsrecht 290 - nicht übertragbare 281 - Organisation der Ausübung der 58, 295 - rechtssichernde, sittliche 276 Staatslehre, herrschaftliche 271

Sachworterzeichnis Staatsorganisation, unmittelbare 242 Staatsrecht, Formen des 188 Staatsrechtbegriff 220 Staatsrechtsbindung 310 Staatsrechtssubjekt 212 Staatsrechtsvollzug 310 Staatsunternehmen 34, 189, 191, 217, 297, 308, 312 - in Privatrechtsform 51 Staatsunternehmensrecht 317 staatsunternehmerische Unabhängigkeit 316 - Wirtschaftspolitik 306 Staatsverwaltung - Eingliederung in die 279 - mittelbare 45, 57, 58, 65, 90, 182, 240, 247, 264, 279, 293 Staatszweck des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit 169 Staatszweckbegrenzung 87 Staatszwecke 228 Stadtvermessungsamt 25 Steuermittel der kommunalen Allgemeinheit 136 Streitigkeit, öffentlich-rechtliche 334 Strukturprinzipien 298 - des Grundgesetzes 295 Stufenlehre 90 Subjekthaftigkeit des Einzelnen 178 Subjektion 214, 269 Subjektionsschema - obrigkeitliche 270 Subjektivierung der objektiven Dimension 113 Subjektslehre 270 - institutionell 65 Subordination 215 Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde 347 Subsidiaritätsprinzip 30, 84, 144, 147, 149, 150, 153,177, 236, 246, 298 - als Privatheitsprinzip 345 - bundesstaatsrechtlich 156 - föderalistisch 85 - gemeinderechtlich 321 - gemeindeunternehmensrechtlich 141 - gemeindewirtschaftsrechtlich 85 - gemeinschaftsrechtlich 85, 156

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- kommunalunternehmensrechtlich 142, 155 - kompetentiell 156 - menschenrechtlich 76, 181 - menschheitlich 154 - prozessual 336 - staatswirtschaftsrechtlich 225 - verfassungsrechtlich 346 Subsidiaritätsregelungen, kommunale 132 substantielle Fiskusdoktrin 305 subsumibel 84 Subventionierung, interne 322 surveyor 258 Tarifautonomie 227 Tarifverträge 79 Teilnahme am Wirtschaftsleben 135 Teilrechtsfähigkeit des Staates 207 Territorialität 110, 186 Theorien, bestmögliche 170 Toleranz 75 Trennung von Staat und Gesellschaft 87, 269 Über- und Unterordnung 269 Übereinkünfte, rechtsetzende mit Privaten 306 Überlagerungsdogma 195, 202, 210 Übermaßverbot 218 Überwachungsämter 96 ultra-vires-Lehre 34, 58, 88, 131, 206, 220, 226, 287 Umwelt 44 Unabhängigkeit von den Anderen 74 Unanwendbarkeit des funktionalistischkompetenziell interpretierten § 1 UWG auf staatliches Handeln 313 Unfreiheit, politische 268 unparteilich 272 Unrecht der Unvernunft 63 Unterlassung 71 Unterlassungsanspruch 72, 317 Unterlassungsklage 329 Unterlassungsrechte, subjektive 72 Unternehmen - beliehene 39, 106, 113, 126, 129, 264 - definiert durch die materiale Privatheit 185

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-

des Staates in Privatrechtsform 34 funktionale 130 gemischtwirtschaftliche 35, 189 öffentliche 106, 123, 136,146, 187, 318 rein erwerbs- wirtschaftlich-fiskalische 137 - staatliche 300 - staatliche, als Verwaltung 139 - staatliche, als Widerspruch 139 - Verstaatlichung der 123 Unternehmensbegriff 101, 104, 134 - funktional 135 - gesetzesimmanent 137 - materiell 135 Unternehmensform, privatrechtlich 79 Unternehmensformen, privatrechtlich 201 Unternehmensfreiheit 84, 182, 187, 303 Unternehmer, private 142 Unterschiedslosigkeit - gemeinschaftsweite 109 Untertanen 179, 267, 290 - ungehorsamer 287 Unübertragbarkeit der Staatsgewalt 291 UnVorwerfbarkeit des Irrtums 173 Unvorwerfbarkeit, ethische 173 Unzeitigkeit, dogmatische 273 Unzumutbarkeit 158 Urkunden, guarantingierte 273 Urkundenprozeß 273 Urteilsverfassungsbeschwerde 347 Verbandsgewalt 266 Verbot - der (formellen) Privatisierung des Staatlichen 225 - der Gewinnmaxime 147 Vereinigte Staaten von Amerika 258, 262 Vereinigtes Königreich 258 Verfahren 217 - vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof 343 - vor dem Bundesverfassungsgericht 346 Verfahrensgerechtigkeit 219 Verfahrensregeln 307 Verfassung 299 - der Freiheit 42, 89, 229, 285, 288 - der größtmöglichen Privatheit 78 - des Marktes in der Gemeinschaft 79

- freiheitlich-demokratische 233 - Menschheit des Menschen 216 Verfassungsbeschwerde 336, 347 - bayerische 336 Verfassungsgesetz 33, 58, 299 - bürgerliche 288 Verfassungsgewohnheitsrecht 205, 209 Verfassungsrecht 172 Verfassungsrichter 171 Verfassungsstaat 171, 289 Verhältnismäßigkeitsprinzip 63, 109, 141, 171,174, 218,316 - Formalität 171 Verhältnismäßigkeitsrechtsprechung 168 Verkäufer 197 Verleihung 289, 292 Vermessung - als öffentliche Aufgabe 62 - amtliche 26, 318 - der Kommunen Bayerns, amtliche 321 Vermessungs- und Katastergesetz 23 Vermessungsamt der Stadt München 337 Vermessungsämter - als Kommunalunternehmnen 150 - kommunale 130, 297, 321 - staatliche 27,130, 297 Vermessungsaufgaben der freiberuflichen Vermessungsingenieure 29 Vermessungsfall Hessen 89, 97 Vermessungsingenieure 293 - freiberufliche 29, 112, 126,297 - öffentlich bestellte 32,182, 238 Vermessungsmarkt 297, 320, 323 Vermessungsorganisation in ausgewählten Ländern 258 Vermessungstätigkeit - amtliche 297 - kommunale 23, 321 - staatliche 23 - technische 32 Vermessungswesen 258 - formale Verstaatlichung 292 - in Bayern 23 - öffentliches 240 Vermessungswettbewerb 322 Vernunftprinzip 87 Verpflichtung des Staates, gesamtwirtschaftliche 310

Sachworterzeichnis Verpflichtungsklage 332, 340 Verschlankung des Staates 31 Verselbständigung des Staates 237 Verstaatlichung 116, 130 - der Aufgaben 154, 179 - der Lebensbewältigung 92 - institutionelle 293 Verteilungslehre - liberalistische 76 - zwischen Staatlichkeit und Nichtstaatlichkeit 76 Verträge - des Staates 102 - öffentlich-rechtliche 331 Vertraglichkeit 101 Vertrags(zahn)ärzte 92 Vertragsfreiheit 75 Vertragsprinzip 88, 220, 275 Vertragsschluß 73 Vertrauensschutzprinzip 224 Vertreter des Volkes 73, 82 Vertretung des Volkes 68, 289 Vertretung in der Gesetzgebung 163 Vertretungsmacht 220 - Übertragbarkeit der 294 Verwaltung - als Gemeinwohl Verwirklichung 301 - öffentliche, Sonderformen 189 Verwaltungsakt 272, 299, 326 - janusköpfiger 329 Verwaltungsaufgaben, staatliche 238 Verwaltungsgerichtliche Klagen 326, 339 Verwaltungshandeln, schlicht hoheitliches 329 Verwaltungsrechtsetzung 331 Verwaltungsrechtssätze 299 Verwaltungsrechtsweg 326, 339 Verwaltungsunternehmen 300, 305 Verwaltungsverfahrensrecht 224 Verwirklichung, sittliche des Menschen 235 Vielheit des Besonderen 274 volenti non fit iniuria 73, 290 Volk 33, 49, 285 - als Staat im weiteren Sinne 43, 285 - staatsrechtlicher Begriff 38 Volksdemokratien, totalitäre 237 Volkskonsens 230 Volksstaat 237

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Volksstaatlichkeit 307 vollziehende Gewalt 240, 272 volonté générale 88, 274, 287, 289 Vorabentscheidungsverfahren 338, 349 Vorbehalt sozialer Effizienz 318 Vorrang - der Privatheit der Lebensbewältigung 75, 236, 275, 277 - des Bundesrechts 318 Vorschriften, neutrale 147 Vorverfahren 332 Wächter - der Republik 169 - des Rechts 169, 173 Wahl 215, 219, 252 - in republikgemäße Ämter 253 Wahlen des Volkes 234 Wahlen und Abstimmungen 247 Wahlrecht des Staates zwischen der Staatsund der Privatheitsordnung 209 Wahrheitlichkeit 169, 173 Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen 51 walten 286 Waren verkehrsfreiheit 109 - Ausnahmen 109 Wechselwirkung 119 Wechselwirkungslehre 120 Wesensgehalt 159 - der allgemeinen Freiheit 159 - der Grundrechte 154,159, 298 - des Art. 2 Abs. 1 GG 172, 174 Wesensgehaltsgarantie, als Verhältnismäßigkeitsprinzip 160 Wettbewerb 91, 105, 133, 196, 217, 251 - der öffentlich Bediensteten 252 - des Staates mit Privaten 146, 150, 232 - lauterer 301, 312 - öffentlicher und privater Unternehmen 184 - staatlicher 150 - unlauterer 300, 334 - unverfälschter 101, 190 Wettbewerber, staatlicher 184 Wettbewerblichkeit 79, 106 Wettbewerbspolitik 313 Wettbewerbsprinzip 120, 298

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Wettbewerbsrecht 184, 204, 223 - allgemeines 297 - als Staatsrecht 223 - der Europäischen Gemeinschaft 187 wettbewerbsrechtliches Lauterkeitsgebot 306,318 Wettbewerbsrichter 223, 308 Wettbewerbsverhältnis 297, 300, 335 Wettbewerbswidrigkeit 297 - der Vermessungen 317 Wettbewerbswirtschaft 196 Widerspruch 340 Widerspruchsbescheid 340 Widerspruchsverfahren 332 Widerstand 84 Wille 289 - allgemeiner 154, 267 - autonomer 40 - des Volkes \1\,287, 289 - des Volkes, allgemeiner 103, 289 Willensbildung, politische 287 Willkür 67, 102,149, 165, 236 - freie 67, 102, 154,216,281 - privatheitliche 221 Willkürrecht 224 - privatheitliches 220 Willkürrechtsprechung 168 Willkürverbot 63, 67, 102, 104, 123, 145, 157, 163,171, 174, 345 Wirksamkeit 158 Wirtschaftlichkeit 135, 136 - und Sparsamkeit 135

Wirtschaftsrecht 221 Wirtschaftsverfassung, freiheitlich 185 Wissenschaftlichkeit 68 Würde des Bürgers 268 Zahnärzte 60 Ziel-Mittel-Relation 218 Zivilrechtliche Klagen 334 Zivilrechtsweg 334 Zu-Höchst-Sein des Staates 276 Zulassungsschranken - berufsfreiheitsrechtlich subjektive 96, 250 - objektive 250 Zurückhaltung 91, 155,166, 175 Zustand, bürgerlicher 71, 284 Zwang 164, 271, 283 - äußerer 283 - unwiderstehlicher 269, 278 Zwangsbefugnis - Legalisierung der privaten 278 - private 278 Zwangsmöglichkeit, des subjektiv Berechtigten 71 Zweck - der Staatsgewalt 286 - des Staates 40 - gemeinwirtschaftlicher 136 - öffentlicher 133, 140 Zweckgerechtigkeit 310 Zweckmäßigkeit 171, 175 Zweistufenlehre 334