Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht 9783161539473, 9783161539084

Artikel 6 Abs. 1-2 Rom II-Verordnung enthält erstmals einheitliche europäische Kollisionsnormen für außervertragliche Sc

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Teil 1: Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes der „außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“
A. Ziel der Arbeit
B. Vorverständnisse des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs
I. Der Begriff des unlauteren Wettbewerbs im Sachrecht der Mitgliedstaaten
II. Der Begriff des unlauteren Wettbewerbs im deutschen Kollisionsrecht
III. Der Einfluss der nationalen Vorverständnisse auf das Gesetzgebungsverfahren zur Verordnung Rom II
C. Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes unter Art. 6 Abs. 1 Rom II
I. Autonome Auslegung oder Auslegung nach der lex fori?
II. Systematischer Kontext
1. Harmonisiertes Sachrecht
2. Staatsverträge
3. Rechtsvergleichende Betrachtung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen
4. Unverbindliche Dokumente internationaler Arbeitsgruppen
5. EuGVVO
III. Teleologische Auslegung
IV. Ergebnis
Teil 2: Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts
A. Das Marktortprinzip
I. Das Marktortprinzip im deutschen IPR
1. Verständnis des Marktortprinzips
a) Entwicklung vom Internationalen Deliktsrecht her
b) Konkretisierung: Werbemarkt und Absatzmarkt
c) Einschränkungen bei sog. multistate-Verstößen
2. Verhältnis zu anderen Anknüpfungspunkten des Internationalen Deliktsrechts
a) Rechtswahl
b) Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt
c) Wesentlich engere Verbindung
3. Zusammenfassung
II. Das Marktortprinzip unter Art. 6 Abs. 1 Rom II
1. Terminologische Fragen
2. Ziele der Marktortanknüpfung
a) Marktwirtschaftliche Ziele
aa) Materielle Vorstellungen vom Wettbewerbsablauf
bb) Chancengleichheit
b) Schutz der Interessen der Verbraucher
c) Schutz der Interessen der Wettbewerber
aa) Chancengleichheit
bb) Rechtssicherheit
3. Verhältnis der Marktortanknüpfung zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht
a) Verhältnis zu Art. 4 Abs. 2–3, Art. 14 Rom II
aa) Ausschluss der Rechtswahl (Art. 6 Abs. 4 Rom II)
bb) Ausschluss von Art. 4 Abs. 2–3 Rom II
b) Verhältnis zu Art. 4 Abs. 1 Rom II
c) Verhältnis zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO
4. Verhältnis der in Art. 6 Abs. 1 Rom II genannten Anknüpfungspunkte zueinander
a) Meinungsstand
aa) Einheitlicher Anknüpfungspunkt
bb) Unterschiedliche Anknüpfungspunkte
b) Stellungnahme
aa) Lokalisierung der Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen
bb) Lokalisierung der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen
cc) Ergebnis
5. Multistate-Verstöße
a) Mosaikbetrachtung
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
b) Kollisionsrechtliche Spürbarkeitsprüfung?
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
6. Ergebnis
B. Internationalkartellrechtliche Anknüpfungspunkte im Internationalen Lauterkeitsrecht?
I. Das Auswirkungsprinzip
1. Dogmatischer Hintergrund
2. Inhaltliche Ausgestaltung
3. Stellungnahme
II. Das lex fori-Prinzip
1. Meinungsstand
2. Stellungnahme
C. Das Herkunftslandprinzip
D. Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße
I. Bilaterale Wettbewerbsverstöße im deutschen Recht
1. Rechtsprechung bis zur Verordnung Rom II
2. Literatur und spätere Rechtsprechung
II. Bilaterale Wettbewerbsverstöße nach Art. 6 Abs. 2 Rom II
1. Ermittlung des Ortes des Schadenseintritts nach Art. 4 Abs. 1 Rom II
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
2. Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art. 4 Abs. 2 Rom II
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
3. Möglichkeit einer Rechtswahl nach Art. 14 Rom II
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
4. Ergebnis
Teil 3: Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Rom II
A. Bestimmung des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Rom II
I. Ausgangspunkt: „Geschäftspraktiken“ i. S. v. Art. 2 lit. d UGP-RL
II. Modifikationen in persönlicher Hinsicht
1. Erweiterung auf Verhaltensweisen von Nachfragern
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
2. Erweiterung auf Verhaltensweisen zwischen Unternehmern
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
3. Aufgabe jeglicher Relevanz der Kriterien „Verbraucher“ und „Unternehmer“
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
III. Modifikationen in sachlicher Hinsicht: Besonderer Wettbewerbsbezug?
1. Voraussetzung bestehenden Wettbewerbs?
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
2. Geschädigter außerhalb von Wettbewerbsbeziehungen?
3. Erfordernis eines Wettbewerbszwecks?
IV. Ergebnis
B. Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten
I. Wettbewerbsverhalten unmittelbar gegenüber Wettbewerbern
1. Ansatz
2. Einzelfragen
a) „Abwerbung von Angestellten“
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
b) „Industriespionage“ und „Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen“
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
c) Verleitung zum Vertragsbruch
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
d) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
3. Ergebnis
II. Vorbereitungshandlungen
1. Meinungsstand
2. Stellungnahme
a) Schadenseintritt vor der Markteinwirkung
b) Schadenseintritt durch die Markteinwirkung
c) Ergebnis
C. Grenzen der Leistungsfähigkeit des Tatbestandsmerkmals des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Rom II
Teil 4: Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Rom II
A. Unlauterkeit im Sinne des materiellen Rechts?
I. Meinungsstand
II. Stellungnahme
B. Voraussetzung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen oder der kollektiven Verbraucherinteressen
I. Ansätze
1. Abgrenzung zum allgemeinen Deliktsstatut
2. Abgrenzung zu Art. 6 Abs. 2 Rom II
3. Unterschiede im Einzelnen
II. Stellungnahme
C. Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias
I. Meinungsstand
1. Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias
2. Ablehnung der Schutzzwecktrias
II. Stellungnahme
1. Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias allgemein für Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Rom II?
2. Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias speziell für Art. 6 Abs. 1 Rom II?
3. Ergebnis
D. Qualifikation nach der Schutzzweckalternative
I. Lösung der Probleme der untersuchten Ansätze
II. Gesonderte Betrachtung der Schutzzwecke
III. Gesonderte Betrachtung von Verhaltens- und Sanktionsnormen
E. Ergebnis
Teil 5: Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen
A. Bedeutung von Verhaltensnormen für die Qualifikation
B. Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher
I. Abgrenzung in persönlicher Hinsicht
1. Abgrenzung zu individuellen Verbraucherinteressen
2. Erweiterung auf kommerzielle Kunden
II. Geschützte Interessen in sachlicher Hinsicht
1. Entscheidungsfreiheit
a) Bedeutung
b) Einzelfragen
aa) Presserecht
bb) Sonderveranstaltungen und Rabattgewährung
(1) Meinungsstand
(2) Stellungnahme
2. Gesundheit
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
3. Belästigungsfälle
a) Problematik und Meinungsstand
b) Stellungnahme
III. Ergebnis
C. Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen
I. Ausgangspunkt
II. Typischer Kernbestand und Fallgruppen
III. Verhältnis zu anderen konkurrentenschützenden Anknüpfungsgegenständen
1. Abgrenzung zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht
a) Keine Begrenzung auf formale Sonderregeln
b) Eingrenzung auf Fälle der Anspruchsberechtigung mehrerer Personen?
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
c) Ausnahme für allgemein geschützte Rechtsgüter?
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
d) Ausnahme für Regeln ohne wettbewerbsbezogenes Ziel?
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
e) Schutz vor Reaktionen der Marktgegenseite
aa) Abgrenzungskriterium
bb) Einzelfälle
(1) Namensrecht
(2) Kreditgefährdung
(3) Unmittelbare Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter
2. Abgrenzung zum Internationalen Persönlichkeitsdeliktsrecht
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
aa) Verhältnis im Allgemeinen
bb) Sonderfall: Redaktioneller Teil von Medien
cc) Ergebnis
3. Verhältnis zum Internationalen Immaterialgüterrecht
a) Problem
b) Unterschiede bei der Anknüpfung
c) Begründung des Schutzlandprinzips
d) Abgrenzung
aa) Abgrenzung im Sachrecht der Mitgliedstaaten
bb) Abgrenzung im europäischen Kollisionsrecht
(1) Meinungsstand
(2) Stellungnahme
cc) Einzelfragen
(1) Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(2) Geografische Herkunftsangaben
(a) Meinungsstand
(b) Stellungnahme
e) Ergebnis
D. Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft
I. Verhältnis zum Internationalen Kartelldeliktsrecht
1. Bedeutung
2. Abgrenzung
a) Ausgangspunkt: Erwägungsgrund 23 Rom II
b) Inhaltliche Abgrenzungskriterien
c) Einzelfragen
aa) Sonderregeln für einseitige Verhaltensweisen
bb) Boykottaufrufe
cc) Schutz des Wettbewerbsbestandes vor Verdrängung von Wettbewerbern
(1) Problem
(2) Meinungsstand
(3) Stellungnahme
dd) Unionsrechtliches Beihilferecht
(1) Meinungsstand
(2) Stellungnahme
3. Ergebnis
II. Abgrenzung zu Eingriffsnormen i. S. v. Art. 16 Rom II
1. Meinungsstand: Verhältnis von Art. 16 Rom II zu Art. 6 Abs. 1 Rom II
2. Meinungsstand: Verhältnis der Eingriffsnormen zu allseitigen Kollisionsnormen im Allgemeinen
3. Stellungnahme
a) Lauterkeitsrecht und Tatbestandsmerkmale des Art. 9 Rom I
b) Interessenlage unter Zugrundelegung der verschiedenen Ansätze
aa) Alleinige Anwendung von Eingriffsnormen der lex fori
bb) Zusätzliche Anwendung von Eingriffsnormen der lex causae
cc) Zusätzliche Anwendung drittstaatlicher Eingriffsnormen
c) Ergebnis
E. Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen
I. Arzneimittelpreisrecht
1. Meinungsstand
2. Stellungnahme
a) Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Rom II
b) Verhältnis zu einseitigen Kollisionsnormen
II. Sonstige Interessen der Allgemeinheit
III. Ergebnis
Teil 6: Von Art. 6 Abs. 1 Rom II erfasste Sanktionierung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen
A. Sanktionierung durch Mitbewerber
I. Schadensersatzansprüche
1. Allgemein
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
2. Sonderfall: Dreifache Schadensberechnung
a) Problem
b) Bedeutung
c) Meinungsstand
d) Stellungnahme
II. Sanktionierung durch Abmahnungen
B. Sanktionierung durch die Marktgegenseite
I. Vertragstypische Sanktionierung
1. Meinungsstand im Allgemeinen
2. Sanktion der Unverbindlichkeit
3. Sanktion der Verbindlichkeit eines Versprechens, insbesondere Gewinnzusage
a) Problem
b) Nationale Qualifikation und Bedeutung für das europäische IPR
c) Qualifikation unter der EuGVVO
d) Übertragbarkeit auf das IPR?
aa) Sachrechtlicher Mechanismus von Angebot und Annahme?
bb) Unterschiede beim engen Zusammenhang zum Vertrag?
cc) Besondere Bedeutung der Verhaltensnormen für das Kollisionsrecht?
(1) Interessen des handelnden Wettbewerbers
(2) Weitere Interessen
(3) Systematik
dd) Zwischenergebnis
4. Ergebnis
II. Sanktionierung mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen
1. Problem
2. Meinungsstand
3. Stellungnahme
a) Vorliegen eines außervertraglichen Schuldverhältnisses
b) Einordnung innerhalb der Verordnung Rom II
III. Ergebnis
C. Sanktionierung durch Verbände
I. Unterlassungsansprüche
II. Gewinnabschöpfungsansprüche
III. Ergebnis
D. Sanktionierung durch Behörden
I. Behördliche Klagerechte
II. Durchsetzung mit Verwaltungsakten
1. Meinungsstand
2. Stellungnahme
III. Ergebnis
E. Nichtigkeitssanktion für auf unlauteres Wettbewerbsverhalten gerichtete Verträge
Teil 7: Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen
A. Ausgangspunkt
B. Abgrenzung anhand der nationalen Gesetzessystematik?
C. Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien
I. Schutz der Wettbewerbsbeziehungen durch Sanktionsnormen
1. Verständnis eines Schutzes der Wettbewerbsbeziehungen durch Sanktionsnormen
2. Kollisionsrechtliche Interessenlage
II. Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen durch Sanktionsnormen
1. Verständnis eines Schutzes kollektiver Verbraucherinteressen durch Sanktionsnormen
a) Charakteristika von Sanktionsnormen im kollektiven Interesse der Verbraucher
b) Abgrenzung zu sog. kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren
c) Schutzzwecke deutscher und europäischer Sachnormen
2. Kollisionsrechtliche Beurteilung
a) Vorliegen eines außervertraglichen Schuldverhältnisses
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
b) Einordnung innerhalb der Verordnung Rom II
aa) Meinungsstand
(1) Allgemeindeliktische Qualifikation
(2) Lauterkeitsrechtliche Qualifikation
bb) Stellungnahme
(1) Vorausgesetztes Verständnis der Sachnormen
(2) Kollisionsrechtliche Beurteilung
3. Ergebnis
D. Nicht lauterkeitsspezifische Verhaltensnormen im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche
I. Ansätze
II. Untersuchung
1. Prinzipielle Zulässigkeit einer gesonderten Vorfragenanknüpfung für Verhaltensnormen
2. Vorfragenanknüpfung allein aufgrund formaler sachrechtlicher Regelungsprinzipien?
a) Verweisung im Sachrecht
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
b) Systematik im Anspruchsgrundlagensystem im Sachrecht
aa) Ansatz des BGH
bb) Stellungnahme
3. Gesonderte Anknüpfung aufgrund des Inhalts der Sachnormen und der kollisionsrechtlichen Interessenlage
a) Individualschützende, insbesondere vertragsrechtliche Verhaltensnormen
aa) Vorliegen einer gesondert anzuknüpfenden vertragsrechtlichen Vorfrage
(1) Meinungsstand
(2) Diskussion der Interessenlage
(a) Ausgangspunkt
(b) Interessen des Verwenders
(c) Wettbewerbsgleichheit
(d) Schutz der Verbraucher vor der Unangemessenheit der Klauseln
(e) Schutz der Verbraucher vor der Unwirksamkeit der Klauseln
(f) Lückenloser Verbraucherschutz?
(g) Ergebnis
bb) Selbständige oder unselbständige Anknüpfung?
cc) Individualrechtliche Anknüpfungspunkte im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche
(1) Meinungsstand
(a) „Abstrakte Anknüpfung“
(b) „Konkrete Anknüpfung“
(2) Stellungnahme
dd) Ergebnis
b) Im öffentlichen Interesse liegende Verhaltensnormen
aa) Vorliegen einer gesondert anzuknüpfenden öffentlich-rechtlichen Vorfrage?
bb) Sonderanknüpfung als Eingriffsnorm?
cc) Ergebnis
III. Ergebnis
Teil 8: Zusammenfassung der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
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Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht
 9783161539473, 9783161539084

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 342 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Thomas Bauermann

Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht

Mohr Siebeck

Thomas Bauermann, geboren 1984; Studium der Rechtswissenschaft an der WWU Münster und der Universitat de Barcelona; wissenschaftliche Hilfskraft bzw. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht, Lehrstuhl für Internationales Privatrecht und Bürgerliches Recht, der WWU Münster; LL.M.-Studium „Versicherungsrecht“ in Münster; 2014 Promotion; seit August 2013 Rechtsreferendar des Landes Nordrhein-Westfalen.

e-ISBN PDF 978-3-16-153947-3 ISBN 978-3-16-153908-4 ISSN  0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­biblio­ graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de ab­r ufbar. © 2015  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­t ung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­t ronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meiner Mutter Regina

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Jahr 2014 von der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Ich habe sie während meiner dreijährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft bzw. wissenschaftlicher Mitarbeit am Lehrstuhl meines Doktorvaters Prof. Dr. Heinrich Dörner im Zeitraum von 2010 bis 2013 verfasst. Ich danke Herrn Prof. Dr. Heinrich Dörner für die sehr gute Betreuung der Dissertation unter weitreichender Gewährung wissenschaftlicher Freiheiten und für die äußerst interessante und anregende Lehrstuhltätigkeit. Stets gelang es ihm, mir mit seiner ehrlichen fachlichen Begeiste­ rung einen neuen Motivationsschub mit auf den Weg zu geben. Herrn Prof. Dr. Ingo Saenger danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ich danke meinen Lehrstuhlkolleginnen und -kollegen Frau Johanna Brock-Wenzek, Frau Eva-Lotta Lühning, Frau Maria Najdenova, Frau Maike Regener, Frau Dr. Stefanie Sendmeyer, Frau Marta Stepien, Frau Nicole Strack, Herrn Pascal Brockmann, Herrn Sebastian Grootens, Herrn Andreas Keller, Herrn Dr. Daniel Lübcke, Herrn Dr. Christoph Maaßen, Herrn Dr. Timo Nehne und Herrn Christian Rüsing für die angenehme Zusammenarbeit und die zahlreichen, stets sehr gewinnbringenden juristischen Diskussionen. Wegen der hilfreichen Fachdiskussionen danke ich ebenso Frau Dr. Susanna Suelmann-Kinz. Weiter habe ich meiner Schwester Viola Bauermann und meiner Großmutter Doris Bauermann für die zeitaufwändige sprachliche Korrektur des ihnen fachfremden Textes zu danken. Namentlich danken möchte ich weiter Frau Dr. Jana Dittmer, Frau Dr. Tanja Rodiek und Frau Lucia Henrich. Besonderen Dank verdient hat auch meine verstorbene Mutter Regina Bauermann für ihre volle Unterstützung während meiner Schulausbildung. Ihr widme ich diese Arbeit. Danke sage ich auch meinem Vater Dr. Ralf Bauermann, nicht zuletzt für seine Ermunterung und seinen Zuspruch in den schwierigen Phasen der Anfertigung der Dissertation. Brüssel, im Juli 2015

Thomas Bauermann

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes der „außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 A. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 B. Vorverständnisse des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs . . . . . 5 C. Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes unter Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 A. Das Marktortprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 B. Internationalkartellrechtliche Anknüpfungspunkte im Internationalen Lauterkeitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 C. Das Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 D. Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . 81 A. Bestimmung des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 B. Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten . . . . . . . . . . . . . . . 95 C. Grenzen der Leistungsfähigkeit des Tatbestandsmerkmals des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . 116

X

Inhaltsübersicht

Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 A. Unlauterkeit im Sinne des materiellen Rechts? . . . . . . . . . . . 118 B. Voraussetzung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen oder der kollektiven Verbraucherinteressen . . . . . . . . . . . . . 121 C. Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias . . . . . . 127 D. Qualifikation nach der Schutzzweckalternative . . . . . . . . . . . 136 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen 140 A. Bedeutung von Verhaltensnormen für die Qualifikation . . . . . . . 140 B. Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 C. Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen . . . . . 156 D. Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft . . 192 E. Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen . . . . . . . . . . . . 213

Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 A. Sanktionierung durch Mitbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Sanktionierung durch die Marktgegenseite . . . . . . . . . . . . . 233 C. Sanktionierung durch Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 D. Sanktionierung durch Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 E. Nichtigkeitssanktion für auf unlauteres Wettbewerbsverhalten gerichtete Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen . 268 A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 B. Abgrenzung anhand der nationalen Gesetzessystematik? . . . . . . 268 C. Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien . . . . . . . . . . . . . . 270 D. Nicht lauterkeitsspezifische Verhaltensnormen im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Teil 8:  Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes der „außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ . . . . . . 4 A. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 B. Vorverständnisse des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs . . . . . . . 5 I. Der Begriff des unlauteren Wettbewerbs im Sachrecht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Der Begriff des unlauteren Wettbewerbs im deutschen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Der Einfluss der nationalen Vorverständnisse auf das Gesetzgebungsverfahren zur Verordnung Rom II . . . . . . . . . . . 9

C. Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes unter Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Autonome Auslegung oder Auslegung nach der lex fori? . . . . . . . . 13 II. Systematischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Harmonisiertes Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Rechtsvergleichende Betrachtung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4. Unverbindliche Dokumente internationaler Arbeitsgruppen . . . . 19 5. EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

XII

Inhaltsverzeichnis

Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 A. Das Marktortprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Das Marktortprinzip im deutschen IPR . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Verständnis des Marktortprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 a) Entwicklung vom Internationalen Deliktsrecht her . . . . . . . 23 b) Konkretisierung: Werbemarkt und Absatzmarkt . . . . . . . . . 24 c) Einschränkungen bei sog. multistate-Verstößen . . . . . . . . . 25 2. Verhältnis zu anderen Anknüpfungspunkten des Internationalen Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . 28 c) Wesentlich engere Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Das Marktortprinzip unter Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . 29 1. Terminologische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Ziele der Marktortanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Marktwirtschaftliche Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 aa) Materielle Vorstellungen vom Wettbewerbsablauf . . . . . . 31 bb) Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Schutz der Interessen der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . 33 c) Schutz der Interessen der Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 bb) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Verhältnis der Marktortanknüpfung zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Verhältnis zu Art.  4 Abs.  2–3, Art.  14 Rom II . . . . . . . . . . 35 aa) Ausschluss der Rechtswahl (Art.  6 Abs.  4 Rom II) . . . . . . 35 bb) Ausschluss von Art.  4 Abs.  2–3 Rom II . . . . . . . . . . . 37 b) Verhältnis zu Art.  4 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Verhältnis zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Verhältnis der in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Anknüpfungspunkte zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Einheitlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Unterschiedliche Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . 44 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Lokalisierung der Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Lokalisierung der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5. Multistate-Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Inhaltsverzeichnis

XIII

a) Mosaikbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Kollisionsrechtliche Spürbarkeitsprüfung? . . . . . . . . . . . . 52 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

B. Internationalkartellrechtliche Anknüpfungspunkte im Internationalen Lauterkeitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Das Auswirkungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Dogmatischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Inhaltliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Das lex fori-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

C. Das Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 D. Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Bilaterale Wettbewerbsverstöße im deutschen Recht . . . . . . . . . 68 1. Rechtsprechung bis zur Verordnung Rom II . . . . . . . . . . . . 68 2. Literatur und spätere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . 70 II. Bilaterale Wettbewerbsverstöße nach Art.  6 Abs.  2 Rom II . . . . . . . 71 1. Ermittlung des Ortes des Schadenseintritts nach Art.  4 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  4 Abs.  2 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Möglichkeit einer Rechtswahl nach Art.  14 Rom II . . . . . . . . . 77 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

XIV

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . 81 A. Bestimmung des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Ausgangspunkt: „Geschäftspraktiken“ i. S. v. Art.  2 lit.  d UGP-RL . . . 81 II. Modifikationen in persönlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Erweiterung auf Verhaltensweisen von Nachfragern . . . . . . . . 83 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Erweiterung auf Verhaltensweisen zwischen Unternehmern . . . . 85 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Aufgabe jeglicher Relevanz der Kriterien „Verbraucher“ und „Unternehmer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 III. Modifikationen in sachlicher Hinsicht: Besonderer Wettbewerbsbezug? 89 1. Voraussetzung bestehenden Wettbewerbs? . . . . . . . . . . . . . 89 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Geschädigter außerhalb von Wettbewerbsbeziehungen? . . . . . . 91 3. Erfordernis eines Wettbewerbszwecks? . . . . . . . . . . . . . . . 93 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

B. Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Wettbewerbsverhalten unmittelbar gegenüber Wettbewerbern . . . . . 95 1. Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) „Abwerbung von Angestellten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) „Industriespionage“ und „Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen“ 102 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Verleitung zum Vertragsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 d) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen . . . . . . . . . . . . 107 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Vorbereitungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

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XV

2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Schadenseintritt vor der Markteinwirkung . . . . . . . . . . . . 111 b) Schadenseintritt durch die Markteinwirkung . . . . . . . . . . 113 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

C. Grenzen der Leistungsfähigkeit des Tatbestandsmerkmals des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . 116

Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 A. Unlauterkeit im Sinne des materiellen Rechts? . . . . . . . . . . . . . 118 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

B. Voraussetzung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen oder der kollektiven Verbraucherinteressen . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Abgrenzung zum allgemeinen Deliktsstatut . . . . . . . . . . . . 122 2. Abgrenzung zu Art.  6 Abs.  2 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Unterschiede im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

C. Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias . . . . . . . . 127 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Ablehnung der Schutzzwecktrias . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias allgemein für Art.  6 Abs.  1 und Abs.  2 Rom II? . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias speziell für Art.  6 Abs.  1 Rom II? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

D. Qualifikation nach der Schutzzweckalternative . . . . . . . . . . . . . 136 I. Lösung der Probleme der untersuchten Ansätze . . . . . . . . . . . . 136 II. Gesonderte Betrachtung der Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Gesonderte Betrachtung von Verhaltens- und Sanktionsnormen . . . . 138

E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

XVI

Inhaltsverzeichnis

Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 A. Bedeutung von Verhaltensnormen für die Qualifikation . . . . . . . . . 140 B. Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher 142 I. Abgrenzung in persönlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Abgrenzung zu individuellen Verbraucherinteressen . . . . . . . . 142 2. Erweiterung auf kommerzielle Kunden . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Geschützte Interessen in sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Presserecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Sonderveranstaltungen und Rabattgewährung . . . . . . . . 147 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Belästigungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Problematik und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

C. Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen . . . . . . . . 156 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Typischer Kernbestand und Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Verhältnis zu anderen konkurrentenschützenden Anknüpfungsgegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Abgrenzung zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht . . . . 160 a) Keine Begrenzung auf formale Sonderregeln . . . . . . . . . . 160 b) Eingrenzung auf Fälle der Anspruchsberechtigung mehrerer Personen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Ausnahme für allgemein geschützte Rechtsgüter? . . . . . . . . 165 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 d) Ausnahme für Regeln ohne wettbewerbsbezogenes Ziel? . . . . 167 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 e) Schutz vor Reaktionen der Marktgegenseite . . . . . . . . . . . 169 aa) Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Inhaltsverzeichnis

XVII

bb) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Namensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Kreditgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (3) Unmittelbare Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter 172 2. Abgrenzung zum Internationalen Persönlichkeitsdeliktsrecht . . . 172 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Verhältnis im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Sonderfall: Redaktioneller Teil von Medien . . . . . . . . . 176 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Verhältnis zum Internationalen Immaterialgüterrecht . . . . . . . . 178 a) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Unterschiede bei der Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Begründung des Schutzlandprinzips . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Abgrenzung im Sachrecht der Mitgliedstaaten . . . . . . . 181 bb) Abgrenzung im europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . 183 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 cc) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (1) Schutz von Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . 187 (2) Geografische Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . 187 (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

D. Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft . . . . 192 I. Verhältnis zum Internationalen Kartelldeliktsrecht . . . . . . . . . . 192 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Ausgangspunkt: Erwägungsgrund 23 Rom II . . . . . . . . . . 193 b) Inhaltliche Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 aa) Sonderregeln für einseitige Verhaltensweisen . . . . . . . . 195 bb) Boykottaufrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Schutz des Wettbewerbsbestandes vor Verdrängung von Wettbewerbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (2) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 dd) Unionsrechtliches Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . 202 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 II. Abgrenzung zu Eingriffsnormen i. S. v. Art.  16 Rom II . . . . . . . . . 205

XVIII

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1. Meinungsstand: Verhältnis von Art.  16 Rom II zu Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Meinungsstand: Verhältnis der Eingriffsnormen zu allseitigen Kollisionsnormen im Allgemeinen . . . . . . . . . . 207 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Lauterkeitsrecht und Tatbestandsmerkmale des Art.  9 Rom I . . 208 b) Interessenlage unter Zugrundelegung der verschiedenen Ansätze 290 aa) Alleinige Anwendung von Eingriffsnormen der lex fori . . . 210 bb) Zusätzliche Anwendung von Eingriffsnormen der lex causae 212 cc) Zusätzliche Anwendung drittstaatlicher Eingriffsnormen . . 212 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

E. Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Arzneimittelpreisrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Anwendbarkeit von Art.  6 Abs.  1 Rom II . . . . . . . . . . . . 215 b) Verhältnis zu einseitigen Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . 218 II. Sonstige Interessen der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 A. Sanktionierung durch Mitbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Sonderfall: Dreifache Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . 226 a) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Sanktionierung durch Abmahnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

B. Sanktionierung durch die Marktgegenseite . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Vertragstypische Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Meinungsstand im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Sanktion der Unverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 3. Sanktion der Verbindlichkeit eines Versprechens, insbesondere Gewinnzusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Inhaltsverzeichnis

XIX

b) Nationale Qualifikation und Bedeutung für das europäische IPR 238 c) Qualifikation unter der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . 239 d) Übertragbarkeit auf das IPR? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Sachrechtlicher Mechanismus von Angebot und Annahme? . 241 bb) Unterschiede beim engen Zusammenhang zum Vertrag? . . 244 cc) Besondere Bedeutung der Verhaltensnormen für das Kollisionsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (1) Interessen des handelnden Wettbewerbers . . . . . . . . 247 (2) Weitere Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (3) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 II. Sanktionierung mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen . . 251 1. Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Vorliegen eines außervertraglichen Schuldverhältnisses . . . . . 252 b) Einordnung innerhalb der Verordnung Rom II . . . . . . . . . . 253 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

C. Sanktionierung durch Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Unterlassungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Gewinnabschöpfungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

D. Sanktionierung durch Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Behördliche Klagerechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. Durchsetzung mit Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

E. Nichtigkeitssanktion für auf unlauteres Wettbewerbsverhalten gerichtete Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen . 268 A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 B. Abgrenzung anhand der nationalen Gesetzessystematik? . . . . . . . . 268 C. Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Schutz der Wettbewerbsbeziehungen durch Sanktionsnormen . . . . . 270

XX

Inhaltsverzeichnis

1. Verständnis eines Schutzes der Wettbewerbsbeziehungen durch Sanktionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Kollisionsrechtliche Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 II. Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen durch Sanktionsnormen 273 1. Verständnis eines Schutzes kollektiver Verbraucherinteressen durch Sanktionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Charakteristika von Sanktionsnormen im kollektiven Interesse der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 b) Abgrenzung zu sog. kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren . 274 c) Schutzzwecke deutscher und europäischer Sachnormen . . . . . 277 2. Kollisionsrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Vorliegen eines außervertraglichen Schuldverhältnisses . . . . . 280 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Einordnung innerhalb der Verordnung Rom II . . . . . . . . . . 283 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (1) Allgemeindeliktische Qualifikation . . . . . . . . . . . 283 (2) Lauterkeitsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . 284 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (1) Vorausgesetztes Verständnis der Sachnormen . . . . . . 285 (2) Kollisionsrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . 286 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

D. Nicht lauterkeitsspezifische Verhaltensnormen im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 II. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Prinzipielle Zulässigkeit einer gesonderten Vorfragenanknüpfung für Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Vorfragenanknüpfung allein aufgrund formaler sachrechtlicher Regelungsprinzipien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Verweisung im Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Systematik im Anspruchsgrundlagensystem im Sachrecht . . . 294 aa) Ansatz des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 3. Gesonderte Anknüpfung aufgrund des Inhalts der Sachnormen und der kollisionsrechtlichen Interessenlage . . . . . . . . . . . . 295 a) Individualschützende, insbesondere vertragsrechtliche Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 aa) Vorliegen einer gesondert anzuknüpfenden vertragsrechtlichen Vorfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (2) Diskussion der Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . 296

Inhaltsverzeichnis

XXI

(a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (b) Interessen des Verwenders . . . . . . . . . . . . . . 298 (c) Wettbewerbsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (d) Schutz der Verbraucher vor der Unangemessenheit der Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (e) Schutz der Verbraucher vor der Unwirksamkeit der Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (f) Lückenloser Verbraucherschutz? . . . . . . . . . . . 302 (g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 bb) Selbständige oder unselbständige Anknüpfung? . . . . . . . 303 cc) Individualrechtliche Anknüpfungspunkte im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 304 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (a) „Abstrakte Anknüpfung“ . . . . . . . . . . . . . . 304 (b) „Konkrete Anknüpfung“ . . . . . . . . . . . . . . 305 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Im öffentlichen Interesse liegende Verhaltensnormen . . . . . . 308 aa) Vorliegen einer gesondert anzuknüpfenden öffentlichrechtlichen Vorfrage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 bb) Sonderanknüpfung als Eingriffsnorm? . . . . . . . . . . . . 309 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

Teil 8:  Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AEDIPr Anuario Español de Derecho Internacional Privado AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alter Fassung AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen AMG Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln Arzneimittelpreisverordnung vom 14. November 1980 AMPreisV AnwBl Anwaltsblatt A&R Arzneimittel und Recht Art. Artikel BB Betriebs-Berater BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BSG Bundessozialgericht BT-Drucks. Bundestagsdrucksache CISG Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf, BGBl. 1989 II, S.  588 ff. CJQ Civil Justice Quarterly EBLR European Business Law Review EdinLR Edinburgh Law Review EG Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EIPR European Intellectual Property Review EuGH Europäischer Gerichtshof EuGVÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, S.  774 ff., zuletzt geändert in BGBl. 1998 II, S.  1411 ff. Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 EuGVVO über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 12 vom 16.01.2001, S.  1 ff. EuLF The European Legal Forum EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVÜ Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980, konsolidierte Fassung, ABl. C 27 vom 26. Januar 1998, S.  34 ff.

XXIV EWiR FernabsatzRL

Abkürzungsverzeichnis

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 04.06.1997, S.  19 ff. G/L/E Hdb. Gloy, Wolfgang (Begr.) / Loschelder, Michael / Erdmann, Willi   WettbewerbsR (Hrsg.): Handbuch des Wettbewerbsrechts Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes GmS-OGB GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil GRUR Int. GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hk-BGB Schulze, Reiner (Schriftleitung): Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar h.M. herrschende Meinung ICLQ International & Comparative Law Quarterly IPR Internationales Privatrecht IPRG CH Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (Schweiz) im Sinne (von) i. S.(v.) in Verbindung mit i. V. m. IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht JCP E La Semaine Juridique – Édition Entreprise et Affaires JIBLR Journal of International Banking Law and Regulation JIPLP Journal of Intellectual Property Law & Practice J. Priv. Int. L. The Journal of Private International Law JURA Juristische Ausbildung jurisPK-BGB juris Praxiskommentar BGB, Herberger, Maximilian u. a. (Gesamtherausgeber) Juristische Schulung JuS JZ Juristenzeitung KBB Koziol, Helmut / Bydlinski, Peter / Bollenberger, Raimund (Hrsg.): Kurzkommentar zum ABGB – Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, Ehegesetz, Konsumentenschutzgesetz, IPR-Gesetz, Rom I- und II-VO KlauselRL Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 95 vom 21.04.1993, S.  29 ff. LMK Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung MedR Medizinrecht MMR MultiMedia und Recht MünchKommBGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Säcker, Franz Jürgen u. a. (Hrsg.) MünchKommEuWettbR Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) – Kartellrecht – Missbrauchskontrolle und Fusionskontrolle, Hirsch, Günter u. a. (Hrsg.) MünchKommUWG Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, Heermann, Peter W. / Hirsch, Günter (Hrsg.)

Abkürzungsverzeichnis

MünchKommZPO

XXV

Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung – mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, Rauscher, Thomas u. a. (Hrsg.) m. w. N. mit weiteren Nachweisen NIPR Nederlands Internationaal Privaatrecht OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (Österreich) öIPRG OLG Oberlandesgericht öUWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Österreich) Pharma Recht PharmR PVÜ Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, in Stockholm revidierte Fassung vom 14.07.1967, BGBl. II 1970, S. 391 ff. PWW Prütting, Hanns / Wegen, Gerhard / Weinreich, Gerd (Hrsg.): BGB – Kommentar Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales RabelsZ Privatrecht R.D.C. Revue de Droit Commercial Belge RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und Rom I des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. L 177 vom 04.07.2008, S.  6 ff. Rom II Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. L 199 vom 31.07.2007, S.  40 ff. Das Standesamt StaZ T.H.B. Tijdschrift voor Belgisch Handelsrecht Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des TRIPS geistigen Eigentums (TRIPS), BGBl. II 1994, S.  1730 ff. Tul. L. Rev. Tulane Law Review UAbs. Unterabsatz UGP-RL Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), ABl. L 149 vom 11.06.2005, S.  22 ff. Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des UKlaRL Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (kodifizierte Fassung), ABl. L 110 vom 01.05.2009, S.  30 ff. UKlaG Unterlassungsklagengesetz

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

Ullmann jurisPK-UWG Ullmann, Eike (Hrsg.): juris PraxisKommentar UWG – Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom UWG CH 19. Dezember 1986 (Schweiz) VersR Versicherungsrecht Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 des Europäischen Parlaments VO 2006/2004 und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden („Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz“), ABl. L 364 vom 09.12.2004, S.  1 ff. VO-E 2006 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2006) 83 endgültig – 2003/0168 (COD), vom 21.02.2006, S.  6, 16; zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter: VO-VorE 2002 Vorentwurf eines Vorschlags für eine Verordnung des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, vom 03.05. 20021, in englischer Sprache abgedruckt bei Dickinson, EBLR 2002, 369 (382 ff.), in deutscher Sprache zuletzt am 31.07.2013 abgerufen auf der Internetseite von Stephan Lorenz unter: VSchDG EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz VuR Verbraucher und Recht wbl Wirtschaftsrechtliche Blätter WerbeRL Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), ABl. L 376 vom 27.12.2006, S.  21 ff. WIPO Weltorganisation für geistiges Eigentum WTO Welthandelsorganisation YBPrIL Yearbook of Private International Law Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEuP ZfRV Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZVglRWiss ZZP Zeitschrift für Zivilprozess ZZP Int Zeitschrift für Zivilprozess International

1 

Datumsangabe nach Dickinson, EBLR 2002, 369 (369).

Einleitung „Was soll der Anknüpfungsgegenstand des (europäischen) Internationalen Wett­ bewerbsrechts sein?“ lautet der Titel eines Aufsatzes1 von Mankowski noch aus der Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung Rom II2. Der Titel macht bereits auf eine zentrale Problematik des europäischen Internationalen Lauterkeitsrechts aufmerk­ sam, wie es heute in Art.  6 Abs.  1–2 Rom II vorliegt. Unsicherheiten bei der Qualifikation hatten bereits im Vorfeld des Erlasses der Verordnung Rom II im Gesetzgebungsverfahren und in der Literatur zu einer Diskussion geführt, ob eine eigene Kollisionsnorm für unlauteres Wettbewerbsverhalten sinnvoll sei oder ob die hiermit einhergehenden Abgrenzungsfragen zu viele Qualifikationsprobleme und damit Rechtsunsicherheit erzeugten. Während sich etwa die deutsche und italienische Literatur für eine derartige Norm aussprach3, stieß diese im Ausland bei britischen Autoren4, dem House of Lords5, den Regierungen des Vereinigten Königreichs6, Finnlands7 und Zyperns8 und der Berichterstatterin des Rechtsausschusses des Europäisches Parlaments9 auf Kri­ 1 

Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 ff. Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. L 199 vom 31.07.2007, S.  40 ff. 3  Zu Deutschland Buchner, GRUR Int. 2005, 1004 (1005); Hamburg Group, RabelsZ 67 (2003), 1 (19); Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636); zu Italien Honorati, in: Malatesta, S.  127 (157 f.). 4  Carruthers/Crawford, EdinLR 2005, 238 (256); Dickinson, EBLR 2002, 369 (376), der eine Präzisierung forderte; Petch, JIBLR 2006, 509 (510). 5  House of Lords, European Union Committee, 8th Report of Session 2003–04, The Rome II Regulation – Report with Evidence, Rn.  108 f., zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter ; vgl. insbesondere auch die dort wiedergegebenen Auffassungen englischer Rechtsexperten. 6  Ratsdokument 9009/04 ADD 15 vom 26.05.2004, JUSTCIV 71 CODEC 645, S.  3, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 7  Ratsdokument, 9009/04 ADD 5 vom 07.05.2004, S.  2 , zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 8  Ratsdokument, 9009/04 ADD 6 vom 07.05.2004, S.  2 , zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 9  Europäisches Parlament: Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom“) (KOM(2003)0427 – C5-0338/2003 – 2003/0168(COD), vom 27.06.2005, endgültig A60211/2005, S.  23, 42 ff., zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter: S.  23, 42, die für eine Streichung und hilfsweise für eine Definition des Begriffs „unlauterer Wett­ bewerb“ plädierte. 2 

2

Einleitung

tik.10 Insbesondere wurde angeführt, dass der Begriff „unlauterer Wettbewerb“ in den Rechtsordnungen im Vereinigten Königreich nicht existiere, was die Qualifika­ tion stark erschweren müsse.11 In Frankreich hat die Literatur ebenfalls auf Unsi­ cherheiten bei der Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes des Internationalen Lauterkeitsrechts hingewiesen.12 Auch in Deutschland hatten sich Rechtsprechung und Literatur zum Internationalen Lauterkeitsrecht bisher ganz überwiegend mit Fragen des Anknüpfungspunktes beschäftigt, der Abgrenzung des Anknüpfungs­ gegenstands hingegen kaum Beachtung geschenkt13. Doch wurde hier die Gefahr von Qualifikationsschwierigkeiten eher gering eingeschätzt.14 Gleichwohl sind unter der Geltung der Verordnung Rom II in der gerichtlichen Praxis tatsächlich Qualifikationsprobleme aufgetreten. Der Bundesgerichtshof hat in der kurzen Zeit seit Inkrafttreten von Art.  6 Abs.  1–2 Rom II bereits in drei Ent­ scheidungen erhebliche Unsicherheiten bei der Statutenabgrenzung erkennen las­ sen: Schon in seiner ersten Entscheidung zur Verordnung Rom II stellten sich dem BGH im Rahmen einer Verbandsklage auf Unterlassung der Verwendung bestimm­ ter AGB derartige Qualifikationsfragen. Hierbei qualifizierte er den Unterlassungs­ anspruch des Verbraucherschutzverbandes in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung15 nicht mehr vertragsrechtlich.16 Er ließ vielmehr dahinstehen, ob für diese Frage das europäische Internationale Lauterkeitsrecht und das europäische allgemeine Internationale Deliktsrecht einschlägig sei.17 In einer zweiten Entschei­ dung18 meinte der BGH, nach Inkrafttreten der Verordnung Rom II seine bisherige Rechtsprechung zur Fallgruppe sog. bilateralen Wettbewerbsverhaltens nicht mehr fortführen zu können, die besonderen Anknüpfungsregeln folgte. Er änderte daher (auch) unter Berücksichtigung von Art.  6 Abs.  1 Rom II einerseits und Art.  6 Abs.  2 Rom II andererseits seine Rechtsprechung zum deutschen Internationalen Lauter­ keitsrecht. In einem dritten Fall19 rief der BGH den Gemeinsamen Senat der obers­ ten Gerichtshöfe des Bundes an, um den Internationalen Anwendungsbereich des deutschen Arzneimittelpreisrechts beim Arzneimittelversandhandel klären zu las­ 10 Ähnlich

Plender/Wilderspin, Rn.  20-003. of Lords, European Union Committee, 8th Report of Session 2003-04, The Rome II Regulation – Report with Evidence, Rn.  108 f.; Ratsdokument 9009/04 ADD 15 vom 26.05.2004, S.  3; Carruthers/Crawford, EdinLR 2005, 238 (256); Plender/Wilderspin, Rn.  20-007; zum engli­ schen Recht auch Petch, JIBLR 2006, 509 (510); Wadlow, JIPLP 2009, 789; MünchKommBGB/ Drexl, IntUnlWettbR Rn.  102. 12  Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (20); Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7 f.). 13  Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (635); kritisch zu fehlenden Definitionen auch HenningBodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (9). 14  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  25; ebenso aus italienischer Sicht Honorati, in: Malatesta, S.  127 (141). 15  Wohl BGH v. 12.10.1989 – VII ZR 339/88, BGHZ 109, 29 (36). 16  BGH v. 09.07.2009 – Xa ZR 19/08, BGHZ 182, 24 (29). 17  BGH v. 09.07.2009 – Xa ZR 19/08, BGHZ 182, 24 (30). 18  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (70 ff.) – „Ausschreibung in Bulgarien“. 19  BGH v. 09.09.2010 – I ZR 72/08, GRUR 2010, 1130 ff. – „Sparen Sie beim Medikamenten­ kauf!“. 11  House

Einleitung

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sen: Während sich der BGH unter anderem auf Art.  6 Abs.  1 Rom II berief20, quali­ fizierte der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes diese Regeln eingriffsrechtlich.21 Bereits die angesprochenen Entscheidungen zeigen exemplarisch, dass Anwen­ dungsbereich und Anknüpfungsgegenstand des europäischen Internationalen Lau­ terkeitsrechts näher erforscht werden müssen. Vor diesem Hintergrund soll diese Arbeit einen Beitrag zu dem als „anspruchsvoll“22 bezeichneten Unterfangen leis­ ten, den Anknüpfungsgegenstand der „außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ zu definieren und das Verhältnis zu anderen Kollisionsnormen zu klären.

20  BGH v. 09.09.2010 – I ZR 72/08, GRUR 2010, 1130 (1131) – „Sparen Sie beim Medikamen­ tenkauf!“. 21  GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (418), allerdings im Ergebnis nahe der BGH-Entscheidung. 22  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  89: „anspruchsvolle Aufgabe“ (Hervorhebung im Ori­ ginal durch Fettdruck).

Teil 1

Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes der „außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ A.  Ziel der Arbeit In dieser Arbeit soll der Anknüpfungsgegenstand der außervertraglichen Schuld­ verhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten in der Verordnung Rom II näher untersucht werden. In der einschlägigen Literatur finden sich bisher häufig eher Umschreibungen als Definitionen zum Anknüpfungsgegenstand des europäischen Internationalen Lauterkeitsrechts.1 Man findet dabei wiederkehrende Aspekte, de­ ren Konkretisierung und Verhältnis zueinander aber selten weiter geklärt wird. Ge­ rade das soll hier geschehen. Der Meinungsstand zur Definition des Anknüpfungsgegenstandes des Internati­ onalen Lauterkeitsrechts ist zudem unübersichtlich: Ein Teil der Autoren geht näm­ lich von einem Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens aus, der zunächst sowohl unter Art.  6 Abs.  1 Rom II als auch unter Art.  6 Abs.  2 Rom II fallende Rechtsfragen gemeinsam erfassen soll2 , wohingegen eine andere Auffassung3 von vornherein nur den in Art.  6 Abs.  1 Rom II beschriebenen Anknüpfungsgegenstand in den Blick nehmen will. Es ist daher vorwegzunehmen, dass in dieser Arbeit Art.  6 Abs.  1 Rom II im Vordergrund der Untersuchung stehen wird. Vorläufig mag als Begründung hierfür der Hinweis genügen, dass bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes nur Art.  6 Abs.  1 Rom II eine spezifisch lauterkeitsrechtliche Kollisions­ norm enthält, wohingegen Art.  6 Abs.  2 Rom II schlicht auf das allgemeine Interna­ tionale Deliktsrecht verweist.4 Allerdings steht der Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Lauterkeitsrechts in Art.  6 Abs.  1 Rom II auch nicht „isoliert“ neben anderen Vorschriften der Verordnung Rom II, sondern muss vielmehr in das Ge­ samtsystem der Verordnung eingeordnet werden. Zum Zwecke der Abgrenzung zu Art.  6 Abs.  2 Rom II wird daher auch der Anwendungsbereich der letztgenannten

1  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  10 spricht von „key elements“, bietet aber selbst auch eine abstrakte Definition. 2  Deutlich etwa KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2. 3 So Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636) zu Art.  5 VO-E 2003. 4  Ausführlich Teil 2 D. II.

B.  Vorverständnisse des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs

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Norm zu klären sein.5 Ebenso bedarf es auch einer Klärung des Verhältnisses zu anderen Kollisionsnormen innerhalb der Verordnung Rom II.6 Der Anknüpfungsgegenstand der außervertraglichen Schuldverhältnisse aus un­ lauterem Wettbewerbsverhalten kann nicht weiter reichen als der Anwendungsbe­ reich der Verordnung Rom II. Dieser umfasst nach Art.  1 Abs.  1 Rom II – von in Art.  1 Abs.  2 Rom II enumerierten Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich alle au­ ßervertraglichen Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen. Der Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses definiert hierbei die Grenze zur Verord­ nung Rom I, im Übrigen beschreibt die Definition des Anwendungsbereichs das Verhältnis zum nationalen Kollisionsrecht.7 Damit muss für die Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II immer wieder die vorgeschaltete8 und nicht immer einfache Frage geklärt werden, ob der Anwendungsbereich der außervertraglichen Schuld­ verhältnisse in Zivil- und Handelssachen eröffnet ist und keine Ausnahme nach Art.  1 Abs.  2 Rom II eingreift.9

B.  Vorverständnisse des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs I.  Der Begriff des unlauteren Wettbewerbs im Sachrecht der Mitgliedstaaten Dem Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens, auf den Art.  6 Abs.  1–2 Rom II zurückgreift, liegt kein einheitliches Verständnis in den nationalen Rechtsordnun­ gen der Mitgliedstaaten zu Grunde. Unterschiede ergeben sich bereits hinsichtlich der gesetzlichen Regelungstechni­ ken.10 So kennen manche Rechtsordnungen, wie die deutsche, die griechische11, die österreichische12 , die spanische13 und die ungarische14 ein UWG und damit ein Son­ dergesetz, welches das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb regelt.15 In Italien finden sich die besonderen Regeln über den unlauteren Wettbewerb in der allgemein­ zivilrechtlichen Kodifikation des Codice Civile.16 Demgegenüber wird etwa in Frankreich das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb nur als besondere Fallgruppe 5  Dickinson, Rome II, Rn.  6.26 beschreibt die Nichteinschlägigkeit des Art.  6 Abs.  2 Rom II treffend als einen der „(negative) aspects“ des hier zu untersuchenden Anknüpfungsgegenstandes. 6  Dickinson, Rome II, Rn.  6.26; Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  89. 7  Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (41 ff.). 8  Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (41) spricht von „Meta-Kollisionsrecht“. 9  Ausdrücklich zum Internationalen Vertragsrecht Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  89. 10  Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (16 f.). 11  Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (325 f.). 12  Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (433). 13  García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (635). 14  Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (682). 15  Diesen nationalen Ausgangspunkt betont für Deutschland und Österreich im Gegensatz zum Vereinigten Königreich auch Beater, 2011, Rn.  725. 16  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (361).

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Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

der allgemeindeliktischen Anspruchsgrundlage verstanden.17 In den Mitgliedstaaten existiert darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Regelungstechniken für das Lauter­ keitsrecht, etwa im HGB, im Zusammenhang mit gewerblichem Rechtsschutz oder Kartellrecht.18 In den Rechtsordnungen des Vereinigten Königreichs existiert der Be­ griff des unlauteren Wettbewerbs dagegen nicht.19 Hier können allenfalls die Tatbe­ stände bestimmter torts zum Zuge kommen.20 Es zeigt sich folglich, dass das Lauter­ keitsrecht keineswegs eine gesetzessystematisch derart klar und übersichtlich abge­ grenzte Materie darstellen muss, wie man es aus deutscher Sicht gewohnt sein mag. Zu diesen Unterschieden in der Regelungstechnik kommen erhebliche inhaltliche Unterschiede beim Verständnis dessen, was begrifflich zum Recht gegen den unlau­ teren Wettbewerb gehört.21 Nach der in Deutschland in §  1 S.  1–2 UWG verankerten sog. Schutzzwecktrias „dient [das UWG] dem Schutz der Mitbewerber, der Ver­ braucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer“ und dem „Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb“. Damit dient das UWG insbesondere auch dem Verbraucherschutz – ein Ziel, das etwa auch Ös­ terreich 22 , Griechenland 23, Spanien 24, Ungarn 25 und wohl in gewissem Umfang Est­ land 26 mit dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb assoziieren und welches für das portugiesische Recht immerhin in Erwägung gezogen wird 27. Hiermit stimmt es überein, wenn die Umsetzung der verbraucherschützenden Richtlinie über unlaute­ re Geschäftspraktiken 28 (im Folgenden: UGP-RL) zumindest in Deutschland 29 und in Österreich30 im jeweiligen UWG erfolgt ist. 17  Pironon, Liber amicorum Gaudemet-Tallon, S.  545 (546 f.) zum französischen Recht, die al­ lerdings auf S.  550 auch auf andere Rechtsquellen hinweist. 18  Henning-Bodewig, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (17). 19  House of Lords, European Union Committee, 8th Report of Session 2003–04, The Rome II Regulation – Report with Evidence, Rn.  108 f.; Ratsdokument 9009/04 ADD 15 vom 26.05.2004, S.  3; Carruthers/Crawford, EdinLR 2005, 238 (256); Plender/Wilderspin, Rn.  20-007; zum engli­ schen Recht auch Petch, JIBLR 2006, 509 (510); Wadlow, JIPLP 2009, 789; MünchKommBGB/ Drexl, IntUnlWettbR Rn.  102. 20  Petch, JIBLR 2006, 509 (510). 21  Ausführliche Darstellung bei Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, S.  341 ff. 22  Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (433). 23  Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (328). 24  García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (636). 25  Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (683). 26  Käerdi, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  217 (218) zu Estland. 27  Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (558 f.). 28  Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/ EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Ge­ schäftspraktiken), ABl. L 149 vom 11.06.2005, S.  22 ff. 29  Vgl. zu den darin umgesetzten Richtlinien nur den vorangestellten amtlichen Hinweis. 30  Vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, Einleitung Rn.  4.17.

B.  Vorverständnisse des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs

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Demgegenüber bringen andere Rechtsordnungen das Ziel des Verbraucherschut­ zes nicht mit dem Lauterkeitsrecht in Verbindung. Insbesondere in diesen Staaten ist dann die Umsetzung zur UGP-RL auch regelungstechnisch nicht im Zusammen­ hang mit dem unlauteren Wettbewerb zu finden: Sie findet sich dort vielmehr in ei­ nem Verbraucherschutzgesetz (so Frankreich31, Italien32 , aber etwa auch Griechen­ land 33) oder in einem sonstigen eigenständigen Gesetz (so Portugal34, aber etwa auch Ungarn35). Insbesondere nach französischer Rechtsvorstellung sind das allein als konkurrentenschützend verstandene Recht gegen den unlauteren Wettbewerb und das Verbraucherschutzgesetzbuch, in dem sich die Umsetzungen der UGP-RL finden, inhaltlich klar unterscheidbare Rechtsgebiete.36 Der italienische Gesetzge­ ber hat sogar den Begriff der unlauteren Geschäftspraktiken aus der UGP-RL in der nationalen Umsetzung durch denjenigen der „unkorrekten Geschäftspraktiken“ er­ setzt, um Assoziationen zum Recht gegen den unlauteren Wettbewerb gar nicht erst aufkommen zu lassen.37 Dem vergleichbar ist es, dass in England der Schutz der Konkurrenten durch das tort law und das auf der UGP-Richtlinie beruhende Ver­ braucherschutzrecht nichts miteinander zu tun haben.38 Hinzu kommt, dass sich die vorgenannten Unterschiede zum Verständnis des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb nicht im Begrifflichen erschöpfen, son­ dern inhaltliche Diskrepanzen widerspiegeln. Das unterschiedlich weite Verständ­ nis des Lauterkeitsrechts wirkt sich nämlich regelmäßig auf die Art der Sanktionie­ rung aus: In Frankreich etwa wird das Verbraucherschutzgesetz (Code de la consommation) vor allem strafrechtlich durchgesetzt, was sich klar vom dem zivilrechtlichen konkurrentenschützenden Deliktstatbestand des unlauteren Wett­ bewerbs (concurrence déloyale) unterscheidet39. Das italienische Recht kennt eben­ falls unterschiedliche Sanktionen: Während Verstöße gegen das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb vor allem von Wettbewerbern und gewerblichen Verbänden geltend gemacht werden können, sind Normen des Verbraucherschutzgesetzes zu­ sätzlich durch Verbraucherschutzverbände und Verbraucher sanktionierbar und un­ terliegen auch behördlicher Aufsicht.40 Ähnlich wird auch in England das Verbrau­ cherschutzrecht mit Mitteln des Strafrechts und des öffentlichen Rechts durchge­ setzt.41 31 

Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (237 f., 242). Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (365). 33  Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (325 f.). 34  Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (582 f.) 35  Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (717). 36  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (243). 37  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (365, dort Fn.  50) mit der hier wiedergegebe­ nen Übersetzung des Begriffs. 38  S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (163 f.). 39  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (237 f., 242). 40  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (361 ff., 376 f., 399). 41  S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (163 f., 180). 32 

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Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

Diese Unterschiede in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zeigen, dass die Bestimmung dessen, was dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb zuzuordnen ist, schon im Ausgangspunkt nicht einfach ist. II.  Der Begriff des unlauteren Wettbewerbs im deutschen Kollisionsrecht Obwohl das Internationale Lauterkeitsrecht in Deutschland bereits lange als beson­ dere kollisionsrechtliche Fallgruppe bekannt ist und sich gerade das deutsche Schrifttum für die Aufnahme einer eigenen Kollisionsnorm für das Internationale Lauterkeitsrecht in die Verordnung Rom II aussprach, hat der Anknüpfungsgegen­ stand in der kollisionsrechtlichen Literatur bisher ein Schattendasein geführt.42 Das Schrifttum hat meist nur fragmentarisch bestimmte Phänomene des deut­ schen Sachrechts auf ihren lauterkeitsrechtlichen Charakter untersucht. Eine um­ fassende Untersuchung des Anknüpfungsgegenstandes des Internationalen Lauter­ keitsrechts unter deutschem IPR ist dagegen nicht ersichtlich. Die, soweit ersicht­ lich, umfassendste inhaltliche Definition des Anknüpfungsgegenstandes des Internationalen Lauterkeitsrechts im deutschen Internationalen Privatrecht findet sich immer noch in der Einleitung eines Aufsatzes aus dem Jahre 1954.43 Zu der insgesamt geringen Beachtung des Anknüpfungsgegenstandes des Inter­ nationalen Lauterkeitsrechts dürfte die in der Rechtsprechung eingenommene Sichtweise auf das Internationale Lauterkeitsrecht beigetragen haben: Von Anfang an versuchte die Rechtsprechung nämlich, den Begriff des Begehungsortes aus dem Internationalen Deliktsrecht für das Lauterkeitsrecht mit Inhalt zu füllen und den dort geltenden Besonderheiten anzupassen, und hatte damit allein den Anknüp­ fungspunkt im Fokus.44 Gleichwohl gab es im Internationalen Lauterkeitsrecht wei­ tere Besonderheiten im Vergleich zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht, sodass in der Sache eine besondere internationalprivatrechtliche Norm bestand45, die folglich auch einen besonderen Anknüpfungsgegenstand aufwies.46 Im Übrigen ist anzunehmen, dass Eigenheiten des deutschen materiellen Lauter­ keitsrechts einer ausführlichen Erörterung des Anknüpfungsgegenstandes entge­ gengewirkt haben. So mag dem geringen Diskussionsstand des Anknüpfungsge­ genstandes unausgesprochen die Annahme zu Grunde gelegen haben, dass die Re­ 42  Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (635); kritisch zu fehlenden Definitionen auch HenningBode­wig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (9); vgl. auch bereits van Meenen, S.  117. 43  Wengler, RabelsZ 19 (1954), 401 (401); danach gehörten zum Internationalen Lauterkeits­ recht „nicht in einem Rechtsgeschäft enthaltene Sätze des Privatrechts, welche Handlungen, die direkt oder indirekt zum Zwecke der Förderung des Absatzes von Waren oder Leistungen vorge­ nommen werden sollen, verbieten bzw. beschränken, und die bei Verstößen gegen diese Vorschrif­ ten anderen Personen, insbesondere den geschäftlichen Konkurrenten, privatrechtliche Ansprü­ che, vor allem solche auf Schadensersatz und Unterlassung, gewähren“. 44  Van Meenen, S.  117; ausführlich dazu Teil 2 A. I.; ähnlich ging auch die Literatur in Italien vor, vgl. Honorati, in: Malatesta, S.  127 (151). 45  Koch, JZ 1991, 1039 (1040). 46  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  264.

B.  Vorverständnisse des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs

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gelungen des UWG als Sondergesetz auch maßgeblich für die Abgrenzung des Anknüpfungsgegenstandes seien und man daher den Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Lauterkeitsrechts eher formell bestimmen könne.47 Die inhaltlichen Aspekte des Wettbewerbsrechts bedurften bei so einer Sichtweise dann weniger der Untersuchung, jedenfalls solange es um die Anwendbarkeit des deutschen Lauter­ keitsrechts ging. Soweit die Literatur das Problem allerdings ausdrücklich themati­ sierte, lehnte sie die Maßgeblichkeit des Sondergesetzcharakters gleichwohl ab und wollte etwa auch bestimmte auf allgemeindeliktische Normen gestützte Ansprüche dem Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Lauterkeitsrechts unterwerfen, „soweit sie in der Rechtsanwendung wettbewerbsrechtlichen Charakter angenom­ men haben“.48 Die Anerkennung der sog. Schutzzwecktrias im deutschen Recht49 fügte dem materiellen Lauterkeitsrecht eine inhaltliche Eigenart hinzu, die sodann von der Literatur auf den Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Lauterkeitsrechts übertragen wurde. Danach sollten dem Anknüpfungsgegenstand gerade solche Sachnormen unterfallen, die den Schutz aller drei in §  1 UWG genannten Personen­ kreise bezweckten.50 Soweit ersichtlich, wurde aber auch das Kriterium der Schutzzwecktrias kaum zur Lösung konkreter Qualifikationsfragen herangezogen und hinsichtlich seiner Tauglichkeit zur Definition des Anknüpfungsgegenstandes nicht näher untersucht. Insgesamt darf der Anknüpfungsgegenstand des deutschen Internationalen Lau­ terkeitsrechts als weitgehend unerforscht bezeichnet werden. Die jeweils punktuel­ len Ansätze zur Abgrenzung des Anknüpfungsgegenstandes und die Abgrenzung anhand der Schutzzwecktrias werden allerdings noch näher zu betrachten und je­ weils auf ihre Tauglichkeit zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes des Internationalen Lauterkeitsrechts im Rahmen der Verordnung Rom II zu untersu­ chen sein. III.  Der Einfluss der nationalen Vorverständnisse auf das Gesetzgebungsverfahren zur Verordnung Rom II Angesichts der unterschiedlichen Verständnisse des unlauteren Wettbewerbs kann es nicht überraschen, dass der Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Lauter­ keitsrechts schon im Gesetzgebungsverfahren zur Verordnung Rom II umstritten 47  So erklären sich Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  87; Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (635) die fehlende Diskussion; vgl. auch das Vorgehen bei van Meenen, S.  118 ff. 48  Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  7 f.; ähnlich für das allgemeine Deliktsrecht Sack, GRUR Int. 1988, 320 (330). 49  Die Schutzzwecktrias findet sich seit dem Jahr 2004 ausdrücklich in §  1 UWG, war aber bereits vorher in Deutschland anerkannt; siehe dazu Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238 (239). 50  Für die Schutzzwecktrias etwa MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  11; Staudin­ ger/Fezer/Koos, 12.  Aufl., IntWirtschR Rn.  355; vorsichtig auch MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  226, 238; wohl auch Staudinger/von Hoffmann (2001), Art.  40 EGB­ GB Rn.  318.

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Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

war51. Unsicherheiten bei seiner Bestimmung führten zu erheblichen Zweifeln an der rechtspolitischen Legitimation einer lauterkeitsrechtlichen Kollisionsnorm und zu unterschiedlichsten Formulierungen des Anknüpfungsgegenstandes. Auch gab es verschiedene Ansätze, das Verhältnis zum allgemeinen Internationalen Delikts­ recht klarzustellen. Der Vorentwurf eines Vorschlags für eine Verordnung des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht aus dem Jahre 2002 enthielt erstmals eine eigene Kollisionsnorm52 , die im Wesentlichen dem heutigen Art.  6 Abs.  1 Rom II entsprach, allerdings terminologisch von „unlauterem Wettbe­ werb oder unlauteren Praktiken“ sprach. Eine eigenständige Norm für Wettbe­ werbsverhalten, das ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers beeinträchtigt, fand sich damals noch nicht. Im ersten Verordnungsvorschlag der Kommission aus dem Jahre 200353 änderte sich die Terminologie für den Anknüpfungsgegenstand insoweit, als hier „außer­ vertragliche Schuldverhältnisse, die aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden sind“, geregelt wurden. Zugleich war „Wettbewerbsverhalten“, das „aus­ schließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers beeinträchtigt […]“, erstmals in einem eigenen Absatz normiert: Hierfür wurde im Wege einer Verwei­ sung die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt und an eine offensichtlich engere Verbindung nach dem allgemeinen Deliktsstatut für anwend­

51  Vgl. zur folgenden Gesetzgebungsgeschichte der Norm Plender/Wilderspin, Rn.  20-001 ff.; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  102; ausführlich MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  19 ff. (auf dem Stand bis zum geänderten Vorschlag von 2006); Staudinger/Fezer/ Koos, IntWirtschR Rn.  430 ff. 52  Vorentwurf eines Vorschlags für eine Verordnung des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 03.05.2002 (Datumsangabe nach Dickinson, EBLR 2002, 369 (369)), in englischer Sprache abgedruckt bei Dickinson, EBLR 2002, 369 (382 ff.), in deutscher Sprache zuletzt am 31.07.2013 abgerufen auf der Internetseite von Stephan Lorenz unter: : „Artikel 6 – Unlauterer Wettbewerb und unlautere Praktiken Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis in Folge von unlauterem Wettbewerb oder unlau­ teren Praktiken findet das Recht des Staates Anwendung, in dem der unlautere Wettbewerb oder die unlauteren Praktiken die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Verbraucherinteressen beeinträchtigt bzw. beeinträchtigen.“ 53  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2003) 427 endg., S.  38, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter , enthielt folgende Fassung: „Artikel 5 – Unlauterer Wettbewerb 1. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden sind, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbezie­ hungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden könnten. 2. Beeinträchtigt ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ausschließlich die Interessen eines be­ stimmten Wettbewerbers, ist Artikel 3 Absätze 2 und 3 anwendbar.“

B.  Vorverständnisse des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs

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bar erklärt. Ohne genauer zwischen den beiden Absätzen zu differenzieren, gab die Kommission zudem folgende Erläuterung zum Anknüpfungsgegenstand54: „Die Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb sollen einen fairen Wettbewerb sicher­ stellen, indem für alle Wettbewerber dieselben Regeln gelten. Geahndet werden u. a. Hand­ lungen, die auf die Nachfrage Einfluss zu nehmen trachten (z. B. Täuschung und Zwang), Handlungen, die das Angebot von Wettbewerbern behindern sollen (z. B. Störung der Zulie­ ferung, Abwerbung von Angestellten oder Boykott), oder Handlungen, mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden (z. B. Schaffung einer Verwechslungsgefahr oder Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades). Das moderne Wettbewerbsrecht zielt sowohl auf den Schutz der Wettbewerber (horizontale Ebene) als auch der Verbraucher und der breiten Öffentlichkeit (vertikale Ebene). Diese dreifache Funktion des Wettbewerbsrechts muss sich in einem modernen Kollisionsrecht widerspiegeln.“

Bei der Berichterstatterin des Europäischen Parlaments Diana Wallis stieß diese Kollisionsnorm trotzdem auf Ablehnung.55 Es sei unverständlich, welche Verhal­ tensweisen mit dem Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens gemeint seien. Daher sollte schlicht die allgemeindeliktische Kollisionsnorm zum Zuge kommen. Wenn die lauterkeitsrechtliche Kollisionsnorm beibehalten werden sollte, bedürfe es jedenfalls unbedingt einer Definition des Anknüpfungsgegenstandes des unlau­ teren Wettbewerbsverhaltens. Die Europäische Kommission hielt im geänderten Vorschlag56 gleichwohl im Wesentlichen57 an ihrem ursprünglichen Entwurf fest. Sie kam den Vorstellungen des Parlaments aber insoweit entgegen, als die Kollisionsnorm als Verweisung auf den Ort des Schadenseintritts im Sinne des allgemeinen Deliktsrechts ausgestaltet wurde. Zugleich wurde konkretisiert, dies sei „der Staat, in dessen Gebiet die Wett­ 54  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2003) 427 endg., S.  17. 55  Hierzu und zum Folgenden: Europäisches Parlament: Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuld­ verhältnisse anzuwendende Recht („Rom“) (KOM(2003)0427 – C5-0338/2003 – 2003/0168(COD), vom 27.06.2005, endgültig A6-0211/2005, S.  23, 42 ff., zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter: . 56  Auch zum Folgenden: Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parla­ ments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2006) 83 endgültig – 2003/0168 (COD), vom 21.02.2006, S.  6, 16; zuletzt am 31.07.2013 ab­ gerufen unter: . 57  Die Vorschrift lautete wie folgt (in der ursprünglichen Formatierung vorhandene Fettdrucke und Streichungen sind hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht wiedergegeben): „Artikel 7 – Unlautere Geschäftspraktiken 1. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus unlauteren Geschäftspraktiken entstanden sind, ist das nach Artikel 5 Absatz 1 bezeichnete Recht anzuwenden. Der Staat, in dem der Scha­ den eintritt oder einzutreten droht, ist der Staat, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden könnten. 2. Beeinträchtigt ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ausschließlich die Interessen eines be­ stimmten Wettbewerbers, ist Artikel 5 Absätze 2 und 3 ebenfalls anwendbar.“

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Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

bewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden könnten.“ Zugleich war in der Kollisionsnorm von „unlauteren Geschäftspraktiken“ die Rede, was terminologisch an die damals neue UGP-RL anknüpfte. Hiermit bezweckte die Kommission eine Eingrenzung des Anknüpfungsgegenstandes und wollte das Missverständnis ausräumen, die Kollisionsnorm könne auch kartellrechtliche Rege­ lungen erfassen. Gleichwohl sollte der Begriff der Geschäftspraktiken umfassender sein als der in der UGP-RL verwendete. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates im September 200658 führte sodann zu der heute bekannten Fassung des Art.  6 Rom II, die sich von den oberflächlichen Zugeständnissen entfernte, die die Kommissionsfassung an das Parlament gemacht hatte. Diese Version enthielt nun wieder den Begriff des unlauteren Wettbewerbs­ verhaltens. Auch wurde der Anknüpfungspunkt wieder ohne Verweis auf das allge­ meine Deliktsrecht definiert. Gleichwohl wies Erwägungsgrund 19 S.  1 (heute: 21 S.  1) darauf hin, dass Art.  6 Rom II die Regelung des Art.  4 Abs.  1 Rom II nur prä­ zisieren sollte. Demgegenüber wurde die Regelung in Art.  6 Abs.  2 Rom II über unlauteres Wettbewerbsverhalten, das ausschließlich die Interessen eines bestimm­ ten Wettbewerbers betrifft, dem allgemeinen Internationalen Deliktsrecht noch weiter angenähert: Diese Regel verwies nun erstmals vollständig auf die allgemein­ deliktische Anknüpfung nach Art.  4 Rom II. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren regte das Parlament zwar wiederum die Streichung von Art.  6 Rom II an59, konnte sich damit aber letztlich nicht durchset­ zen. Auch der ursprünglichen Forderung der Berichterstatterin Diana Wallis, we­ nigstens eine Definition des Begriffs der außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten aufzunehmen, kam man letztlich nicht nach.60

58  Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr.  22/2006, vom Rat festgelegt am 25. September 2006 im Hinblick auf die Annahme der Verordnung (EG) Nr. …/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („ROM II“), ABl. C 289E vom 18.11.2006, S.  68 ff., zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 59  Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in zweiter Lesung am 18. Januar 2007 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EG) Nr. …/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („ROM II“), EPPE_TC2-COD(2003)0168, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 60  Kritisch hierzu Handig, GRUR Int. 2008, 24 (25, 26).

C.  Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

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C.  Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes unter Art.  6 Abs.  1 Rom II I.  Autonome Auslegung oder Auslegung nach der lex fori? Wie bereits aufgezeigt wurde, ist das Verständnis des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten uneinheitlich. Nahezu allgemein anerkannt ist, dass der Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens in der Verordnung Rom II gleichwohl nicht mehr einer nationalen Rechtsordnung entnommen werden kann, sondern vielmehr im Sinne der mit der Norm angestrebten Rechtsvereinheitlichung einer unionsrecht­ lich autonomen Auslegung zu unterziehen ist61, sodass der Anknüpfungsgegenstand in allen Mitgliedstaaten identisch interpretiert wird62. Abweichend davon wird aber auch vereinzelt63 eine Qualifikation nach der nationalen lex fori vorgeschlagen: Da­ nach soll der Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens aus systematischen Gründen nur insoweit einer autonomen Qualifikation zugänglich sein, als das Lau­ terkeitsrecht auch materiellrechtlich durch das Unionsrecht harmonisiert ist. Im Üb­ rigen soll es in Ermangelung eines einheitlichen Verständnisses des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb bei einer Qualifikation nach der nationalen lex fori ver­ bleiben. Sollte der letztgenannte Ansatz richtig sein, so würden sich die Fragen zur richti­ gen Auslegung des Begriffs des unlauteren Wettbewerbsverhaltens in der Verord­ nung Rom II nicht stellen; letztlich handelte es sich um Fragen der Auslegung der jeweiligen lex fori. Insbesondere in Deutschland könnten möglicherweise der An­ wendungsbereich des UWG und auch das Kriterium der Schutzzwecktrias ohne Weiteres ihre maßgebliche Bedeutung für die Bestimmung des lauterkeitsrechtli­ chen Anknüpfungsgegenstandes behalten. Eine Auffassung, die schlicht auf die nationale lex fori rekurriert, widerspricht aber bereits allgemeinen Auslegungsgrundsätzen im Unionsrechts: Es entspricht der Jurisprudenz des EuGH, dass die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Einheit der Unionsrechtsordnung grundsätzlich verlangen, dass Ausdrücken in Uni­ onsrechtsakten in allen Staaten dieselbe Bedeutung beigemessen wird, es sei denn, der Rechtsakt nimmt zur Definition explizit auf nationales Recht Bezug.64 Da es für das Internationale Lauterkeitsrecht an einer derartigen Verweisung fehlt, ist eine Übernahme der Definition der jeweiligen lex fori mit diesem Grundsatz nicht in Einklang zu bringen. Ein solches Vorgehen widerspräche auch im Besonderen den 61 Etwa Handig, GRUR Int. 2008, 24 (26); Hellner, YBPrIL 2007, 49 (67); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  4; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (731); MünchKommBGB/Drexl, In­ tUnlWettbR Rn.  103; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17; Wadlow, EIPR 2008, 309 (310); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (503). 62  Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (503). 63  Auch zum Folgenden Coureault, S.  117, 121. 64  Etwa EuGH v. 03.07.2012 – C-128/11, EuZW 2012, 658 (659) – UsedSoft m. w. N.; für eine Heranziehung entsprechender EuGH-Rechtsprechung auch Handig, GRUR Int. 2008, 24 (25).

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Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

Zielen der Vereinheitlichung des IPR, wie sie in Erwägungsgrund 6 Rom II genannt werden: Danach „[müssen, u]m den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten vorhersehba­ rer zu machen und die Sicherheit in Bezug auf das anzuwendende Recht sowie den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen zu fördern, […] die in den Mitglied­ staaten geltenden Kollisionsnormen im Interesse eines reibungslos funktionieren­ den Binnenmarkts unabhängig von dem Staat, in dem sich das Gericht befindet, bei dem der Anspruch geltend gemacht wird, dieselben Verweisungen zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts vorsehen.“ Wird der Anknüpfungsgegenstand nach der lex fori bestimmt, so bestehen nicht dieselben Verweisungen. Auch erscheint eine europäisch-autonome Auslegung des kollisionsrechtlichen Begriffs des unlauteren Wettbewerbsverhaltens gerade erforderlich, soweit eine sachrechtliche Vereinheitlichung im Unionsrecht noch fehlt. Denn die im Erwä­ gungsgrund angesprochene Gefahr uneinheitlicher Entscheidungen innerhalb der Union und damit ein Verlangen nach einheitlichen Kollisionsnormen bestehen re­ gelmäßig in besonderem Maße, soweit das materielle Recht überhaupt nicht angenä­ hert ist.65 Eine uneinheitliche Auslegung der Kollisionsnorm in den einzelnen Mit­ gliedstaaten muss dann letztlich dem forum shopping Vorschub leisten.66 Die Qualifikation anhand der nationalen lex fori ist daher abzulehnen. Vielmehr ist unabhängig vom Stand der Harmonisierung auf der Ebene des Sachrechts eine europäisch-autonome Auslegung des Begriffs des unlauteren Wettbewerbsverhal­ tens i. S. v. Art.  6 Abs.  1–2 Rom II vorzunehmen, die nicht mehr vom jeweiligen nationalen Lauterkeitsrecht abgeleitet ist. Auf die Stellung der Regelung im nationa­ len Recht kommt es daher nicht an.67 II.  Systematischer Kontext Einer europäisch-autonomen Bestimmung des Begriffs der außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten fehlt der systematische Hintergrund eines bestimmten nationalen materiellen Lauterkeitsrechts. Gleich­ wohl steht auch der Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens in der Verord­ nung Rom II nicht außerhalb jedes europäischen und internationalen Zusammen­ hangs. Welchen Rechtsquellen Bedeutung als systematischer Kontext für die Be­ stimmung europäisch-autonomer Rechtsbegriffe zukommt, lässt sich insbesondere der Rechtsprechung des EuGH zum Internationalen Zivilverfahrensrecht, also dem EuGVÜ68 und der EuGVVO69, entnehmen. 65 

Ahrens, in: FS Tilmann, S.  739 (739); ähnlich Baetzgen, S.  14 f. Dies sieht auch Coureault, S.  192. 67 Vgl. Henning-Bodewig, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (18); MünchKommBGB/Drexl, In­ tUnlWettbR Rn.  115. 68  Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Ent­ scheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, S.  774 ff., zuletzt geändert in BGBl. 1998 II, S.  1411 ff. 69  Verordnung (EG) Nr.  4 4/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zu­ 66 

C.  Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

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1.  Harmonisiertes Sachrecht Zur Klärung von Qualifikationsfragen greift der EuGH insbesondere auf die Syste­ matik im materiellen Unionsrecht zurück.70 Auch im Bereich des Lauterkeitsrechts hält das Unionsrecht sachrechtliche Regeln bereit. So sind die Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern in der Richtlinie über unlau­ tere Geschäftspraktiken71 (im Folgenden: UGP-RL) abschließend angeglichen, so­ weit sie den Verbraucherschutz betreffen.72 Zudem enthält die Richtlinie über irre­ führende und vergleichende Werbung73 eine Vollharmonisierung im Bereich der vergleichenden Werbung und eine Mindestharmonisierung bezüglich des Schutzes vor irreführender Werbung.74 Es erscheint daher naheliegend, die genannten lauter­ keitsrechtlichen Richtlinien für die Ermittlung des Begriffs des unlauteren Wettbe­ werbsverhaltens in Art.  6 Rom II heranzuziehen.75 Die Zulässigkeit einer derartigen systematischen Auslegung wird in Bezug auf die UGP-RL allerdings zum Teil bezweifelt, weil die Verordnung Rom II den in der UGP-RL verwendeten Begriff der „Geschäftspraktiken“ im Gegensatz zu Erwä­ gungsgrund 13 und Art.  7 des geänderten Entwurfs von 200676 nicht mehr er­ wähnt.77 ständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssa­ chen, ABl. L 12 vom 16.01.2001, S.  1 ff. 70  Vgl. die Heranziehung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zur Klärung der Frage der kauf­ rechtlichen Qualifikation von Werklieferungsverträgen in EuGH v. 25.02.2010 – C-381/08, Slg. 2010, I-1268 (I-1281) – Car Trim. 71  Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/ EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Ge­ schäftspraktiken), ABl. L 149 vom 11.06.2005, S.  22 ff. 72  EuGH v. 23.04.2009 – C-261/07, C-299/07, Slg. 2009, I-2993 (I-3020) – VTB-VAB und Gala­ tea; EuGH v. 14.01.2010 – C-304/08, GRUR Int. 2010, 221 (225) Rn.  50 – Plus Warenhandelsgesell­ schaft; EuGH v. 09.11.2010 – C-540/08, GRUR Int. 2011, 46 (49) – Mediaprint Zeitungs- und Zeit­ schriftenverlag. 73  Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), ABl. L 376 vom 27.12.2006, S.  21 ff. 74  Beater, 2011, Rn.  687, 692. 75  Etwa Huber/Illmer, Art.  6 Abs.  5, 6; Joubert, in: Corneloup/Joubert, S.  55 (67 f.); Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7); nur die UGP-RL explizit anführend MünchKommBGB/Junker, 4.  Aufl., Art.  42 Anh. Rn.  46; Handig, GRUR Int. 2008, 24 (26); ders., wbl 2008, 1 (7). 76  Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2006) 83 endgültig – 2003/0168 (COD), vom 21.02.2006, S.  16; zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter: . 77  Plender/Wilderspin, Rn.  20-025; unsicher auch Dickinson, Rome II, Rn.  6.23; Petch, JIBLR 2006, 509 (510); vgl. auch im Ergebnis Coureault, S.  121 einerseits; S.  300 f. andererseits, die wohl nur auf den ersten Blick unlautere Geschäftspraktiken ganz aus dem Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II herausnehmen will.

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Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

Diese fehlende Bezugnahme lässt sich aber erklären: Aus den Gesetzgebungsma­ terialien78 ergibt sich, dass die Kommission mit dem Begriff der „unlauteren Ge­ schäftspraktiken“ im Entwurf von 2006 einen eindeutigen Gegenbegriff zum Kar­ tellrecht liefern wollte79, welches zuvor unter den Begriff des unlauteren Wettbe­ werbsverhaltens i. S. des VO-E 2003 subsumiert worden war80. Die damals von der Kommission beabsichtigte Differenzierung ist heute bereits eindeutig durch die Absätze von Art.  6 Rom II vorgegeben, sodass es des klarstellenden Begriffs der Geschäftspraktiken nicht mehr bedarf. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass die Bezugnahme auf den Begriff der Geschäftspraktiken ihrerseits unklar war: Sie hätte so verstanden werden können, dass eine materielle Unlauterkeit i. S. der UGP-RL erst den Anknüpfungsgegen­ stand eröffnet hätte81 oder dass der Regelungsgegenstand der UGP-RL mit dem An­ knüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II gleichzusetzen sei82. Das hier beste­ hende Potential für Missverständnisse wird erst deutlich, wenn man sich noch ein­ mal die Rechtslage außerhalb Deutschlands vergegenwärtigt: Dort ist die Umsetzung der UGP-RL vielfach gerade nicht in einen lauterkeitsrechtlichen Kontext eingebet­ tet worden und in Italien ist sogar versucht worden, die Materie sprachlich klar vom Lauterkeitsrecht abzugrenzen. Daher wäre der Schluss vom Begriff der unlauteren Geschäftspraktiken auf das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb wohl nicht für alle Mitgliedstaaten so naheliegend gewesen, wie man aus deutscher Perspektive vor dem Hintergrund der Umsetzung der UGP-RL ins UWG zunächst meinen könn­ te. Vielmehr hätte der Begriff der unlauteren Geschäftspraktiken das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb mancher Mitgliedstaaten gar nicht erfassen können. Wohl in demselben Sinne hatte die Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der noch im VO-E 2006 verwendete Terminus der unlauteren Geschäftsprakti­ ken im kollisionsrechtlichen Sinne umfassender sein könne als seine Entsprechung im Sachrecht der Union.83 Letztlich ist es daher nachvollziehbar, dass die jetzige

78  Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2006) 83 endgültig – 2003/0168 (COD), vom 21.02.2006, S.  6, 16; zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 79  Darauf hinweisend etwa Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (112). 80  Etwa House of Lords, European Union Committee, 8th Report of Session 2003-04, The Rome II Regulation – Report with Evidence, Rn.  107; zum etwas anders formulierten VO-VorE 2002 auch Mankowski, RIW 2008, 177 (178). 81  Petch, JIBLR 2006, 509 (510). 82  So wohl MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  13a. 83  Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2006) 83 endgültig – 2003/0168 (COD), vom 21.02.2006, S.  6; zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter (in der deutschen Sprachfas­ sung unverständlich); den französischen Wortlaut zitiert in diesem Zusammenhang Pironon, Eu­ rope 2008, n° 2, 6 (7).

C.  Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

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Fassung von Art.  6 Abs.  1 Rom II den Begriff der unlauteren Geschäftspraktiken nicht verwendet. Gleichwohl ließe sich angesichts der scharfen begrifflichen Trennung von „unlau­ terem Wettbewerb“ und „unlauteren Geschäftspraktiken“ in manchen Mitgliedstaa­ ten die Frage stellen, ob nicht die Verwendung des Begriffs des unlauteren Wettbe­ werbs dafür sprechen könnte, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II mit dem Recht der Ge­ schäftspraktiken, wie es in der UGP-RL normiert ist, nichts zu tun hat.84 Jedoch folgt der unionsrechtliche Begriff des unlauteren Wettbewerbs in Art.  6 Abs.  1 Rom II ersichtlich nicht einem engen und rein konkurrentenschützenden Verständ­ nis des unlauteren Wettbewerbs.85 Dass unlauterer Wettbewerb i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II vielmehr auch Verbraucherschutzrecht erfasst, wird dadurch deutlich, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II selbst die kollektiven Interessen der Verbraucher ausdrücklich erwähnt86 und die Interessen der Verbraucher in Erwägungsgrund 21 S.  1 genannt werden87. Im Hinblick auf den Verbraucherschutz im Bereich der Geschäftsprakti­ ken ist die UGP-RL, wie dargelegt, grundsätzlich abschließend. Dies spricht dafür, dass die verbraucherschützende Komponente, die Art.  6 Abs.  1 Rom II innewohnt, gerade sachrechtliche Regeln wie die UGP-RL im Blick haben muss. Folglich ist ein systematischer Rückgriff auf die UGP-RL nicht wegen der unter­ schiedlichen Terminologie unzulässig. Die UGP-RL bezeichnet vielmehr, wie die WerbeRL, einen Teilbereich der lauterkeitsrechtlichen Regeln der Union. Da die WerbeRL und die UGP-RL von der Unionsrechtsordnung dem Lauterkeitsrecht zu­ geordnet werden, sollten ihre Normen auch im Internationalen Privatrecht lauter­ keitsrechtlich i. S. v. Art.  6 Abs.  1–2 Rom II qualifiziert werden.88 Um den Anknüp­ fungsgegenstand zu definieren, kann daher zur Orientierung auf die in diesen Rechtsakten getroffenen materiellen Regelungen zurückgegriffen werden. Für die Zwecke dieser systematischen Auslegung können die Regeln des Richtli­ nienrechts auch über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus weitergedacht werden: So hat der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung bei Qualifikations­ fragen unter der EuGVVO bestimmte unionsrechtliche Verbraucherschutzregelun­ gen auch für Konstellationen außerhalb ihres verbraucherrechtlichen Anwendungs­ bereichs berücksichtigt.89 Vor diesem Hintergrund erscheint es für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes des Internationalen Lauterkeitsrechts prinzipiell

84  Ähnlich die Frage aufwerfend, aber ebenfalls verneinend Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (504). 85  Plender/Wilderspin, Rn.  20-025; Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (504 f.). 86  Plender/Wilderspin, Rn.  20-025; Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (504 f.). 87  Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (504 f.). 88  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  5, 6; für die UGP-RL auch Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (116). 89  Siehe zur Heranziehung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zur Frage der kaufvertragsrecht­ lichen Qualifikation von zwischen Unternehmern geschlossenen Werklieferungsverträgen EuGH v. 25.02.2010 – C-381/08, Slg. 2010, I-1268 (I-1281) – Car Trim.

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Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

möglich, die Regeln der UGP-RL auch für Fallgestaltungen heranzuziehen, die nicht ihrem verbraucherschützenden Anwendungsbereich unterfallen.90 2. Staatsverträge Der EuGH greift zur Klärung von Qualifikationsfragen auch auf internationale Staatsverträge zurück, selbst wenn diese nicht in allen Staaten der Union gelten und keinen besonderen Bezug zur Unionsrechtsordnung haben.91 Eine vergleichbare Heranziehung staatsvertraglicher Regelungen muss daher erst recht möglich sein, wenn die Verträge für alle Mitgliedstaaten oder sogar die Europäische Union als solche von Bedeutung sind: Das betrifft für das Lauterkeitsrecht insbesondere den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb nach Art.  10bis Pariser Verbandsüberein­ kunft92 (im Folgenden: PVÜ), die für alle Mitgliedstaaten der Union völkerrechtlich verbindlich ist93. Zudem ist die Europäische Union Mitglied der Welthandelsorgani­ sation (WTO).94 Zur Rechtsordnung der Europäischen Union gehört daher auch das im Zusammenhang mit der Gründung der WTO abgeschlossene Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS)95.96 Dieses verweist in seinem Art.  2 Abs.  1 ebenfalls auf Art.  10bis PVÜ97 und konkre­ tisiert diese Norm in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse in Art.  39 TRIPS weiter.98 Aber auch unabhängig hiervon ist die Bedeutung von Art.  10bis PVÜ für die Uni­ onsrechtsordnung vom EuGH bereits lange anerkannt: So hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten bereits im Zusammenhang mit dem Recht­ fertigungsgrund der Lauterkeit des Handelsverkehrs auf Art.  10bis PVÜ zurückge­ griffen.99

90 

Siehe dazu Teil 3 A. II. zur Heranziehung des Übereinkommens über die Verjährung beim internationalen Warenkauf und des CISG zur Frage der kaufvertragsrechtlichen Qualifikation von Werkliefe­ rungsverträgen EuGH v. 25.02.2010 – C-381/08, Slg. 2010, I-1268 (I-1281) – Car Trim. 92  Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, in Stockholm revi­ dierte Fassung vom 14.07.1967, BGBl. II 1970, S.  391 ff. 93  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  9; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR, dort Fn.  61; Plender/ Wilderspin, Rn.  20-009; vgl. , zu­ letzt am 31.07.2013 abgerufen. 94  Vgl. Beschluss 94/800/EG, Beschluss des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche, ABl. L 336 vom 23.12.1994, S.  1 f. 95 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), BGBl. II 1994, S.  1730 ff. 96  EuGH v. 15.03.2012 − C-135/10, EuZW 2012, 715 (716) – SCF: „integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung”. 97  Im Einzelnen ist die Bedeutung dieser Regel umstritten, vgl. Pflüger, in: Hilty/Henning-Bo­ dewig, S.  65 (71). 98  Plender/Wilderspin, Rn.  20-010. 99  EuGH v. 02.03.1982 – 6/81, Slg. 1982, 707 (717) – Industrie Diensten Groep / Beele. 91  Siehe

C.  Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

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Für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes des unlauteren Wettbe­ werbsverhaltens ist daher Art.  10bis PVÜ ebenso heranzuziehen wie seine Konkre­ tisierung in Art.  39 TRIPS.100 3.  Rechtsvergleichende Betrachtung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen Darüber hinaus stellt der EuGH zur Lösung von Qualifikationsfragen auch rechts­ vergleichende Betrachtungen zum Recht der Mitgliedstaaten an.101 Demgemäß kann auch eine Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes des Begriffs des unlau­ teren Wettbewerbsverhaltens nicht außer Betracht lassen, was in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb zugeordnet wird.102 4.  Unverbindliche Dokumente internationaler Arbeitsgruppen Zudem kann für die Klärung von Qualifikationsfragen auf unverbindliche Doku­ mente internationaler Arbeitsgruppen zurückgegriffen werden103: Im Lauterkeits­ recht betrifft dies die WIPO Model Provisions on Protection Against Unfair Competition104 aus dem Jahre 1994. Diese beruhen auf Ergebnissen der Rechtsverglei­ chung105 und können daher einen Anhaltspunkt dafür geben, was auf internationaler Ebene als Recht gegen den unlauteren Wettbewerb verstanden wird, und so eine Orientierung zur Bestimmung des Begriffs des unlauteren Wettbewerbsverhaltens geben.106 Auch hat das Institute of International Law in seiner Cambridge-Resoluti­ on aus dem Jahre 1983107 Kollisionsnormen für das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb entworfen, die gleichfalls internationale Vorstellungen über das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb widerspiegeln und daher für die Bestimmung des Begriffs des unlauteren Wettbewerbsverhaltens im Blick zu behalten sind.108 100  Plender/Wilderspin, Rn.  20-009, 20-010; für Art.  10bis PVÜ etwa auch Hellner, YBPrIL 2007, 49 (68); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  9. 101  Vgl. etwa EuGH v. 17.06.1992 – C-26/91, Slg. 1992, I-3990 (I-3995) – Handte. 102  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (732); Handig, wbl 2008, 1 (7); Harte/ Henning/Glöckner, Einl C Rn, 89; Hellner, YBPrIL 2007, 49 (67); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  4; Plender/Wilderspin, Rn.  20-011 ff.; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436); gegen ein rechtsverglei­ chendes Vorgehen nur Coureault, S.  82. 103  Zu Qualifikationsfragen unter der EuGVVO vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 11.09.2008 – C-180/06, Slg. 2009, I-3961 (3984 f.) – Ilsinger (Heranziehung des Draft Common Frame of Reference und der Principles of European Contract Law zur Konkretisierung der Anforderungen an einen Vertragsschluss). 104  World Intellectual Property Organisation, Model Provisions on Protection against Unfair Competition – Articles and Notes, WIPO Publication No. 832(E), Genf 1996. 105 Vgl. WIPO Model Provisions, S.  3 (Vorwort). 106  Für eine Heranziehung Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  9; Plender/Widerspin, Rn.  20-010. 107  The Conflict-of-Laws Rules on Unfair Competition, Yearbook/Institute of International Law, Session of Cambridge – 1983, Vol. 60 Tome II, 292 ff.; online abrufbar unter (zuletzt am 31.07.2013 abgerufen). 108  Für eine Heranziehung etwa Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  9; Hellner, YBPrIL 2007, 49 (68).

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Teil 1:  Vorüberlegungen für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

Auch wenn diese Quellen Indizien dafür liefern, wie der Begriff des Rechts ge­ gen den unlauteren Wettbewerb international verstanden wird, und daher im Rah­ men der Wortlautauslegung der Art.  6 Abs.  1–2 Rom II eine Orientierung bieten, ist doch stets zu beachten, dass sie keinen Anspruch auf Verbindlichkeit erheben. Da­ her können diese beiden genannten Dokumente nur ergänzend herangezogen wer­ den. 5. EuGVVO Die Verordnung Rom II soll „in Einklang“ mit den Regeln der EuGVVO ausgelegt werden (Erwägungsgrund 7 Rom II).109 Daher spielt auch die Rechtsprechung zur EuGVVO eine Rolle für das Verständnis des Begriffs des Internationalen Lauter­ keitsrechts in Art.  6 Abs.  1–2 Rom II. Zwar enthält die EuGVVO keinen entspre­ chenden Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens. Gleichwohl können die in der Rechtsprechung zur EuGVVO zu anderen Systembegriffen bereits gefundenen Definitionen und Ergebnisse dabei helfen, eine Abgrenzung zum Begriff der außer­ vertraglichen Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten vorzuneh­ men und den Anwendungsbereich der Verordnung Rom II zu klären.110 III.  Teleologische Auslegung Für die europäisch-autonome Auslegung einer Norm ist auch der Sinn und Zweck der maßgeblichen Vorschrift zu beachten.111 Der Sinn und Zweck einer Kollisions­ norm besteht darin, dass sie bestimmte kollisionsrechtliche Interessen in bestimm­ ter Weise zu einem Ausgleich bringen soll.112 Dieser jeweilige Telos einer Kollisi­ onsnorm passt immer nur zu bestimmten sachrechtlichen Phänomenen: Nur diese können daher dem Anknüpfungsgegenstand der Kollisionsnorm unterfallen.113 Hiermit hängt eng zusammen, dass eine Kollisionsnorm typischerweise nur Sach­ normen berufen kann, die jeweils eine bestimmte Art von sachrechtlichem Interes­ senwiderstreit zu einem Ausgleich bringen, sprich dieselbe Funktion erfüllen (sog. funktionale Qualifikation114).115 Für die Bestimmung des Begriffs des Anknüpfungsgegenstandes in Art.  6 Abs.  1 Rom II folgt daraus, dass eine teleologische Auslegung auch in Abgrenzung zu an­ 109  Hierzu ausführlich Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 ff.; für eine einheitliche Interpreta­ tion etwa auch Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtR Rn.  440. 110  Siehe Teil 6 B. I. und Teil 7 C. II. 2. a). 111 Näher Riesenhuber, in: Riesenhuber, §  11 Rn.  40 ff. 112  Kegel/Schurig/Schurig, S.  355. 113  Kegel/Schurig/Schurig, S.  355 f.; anders aber MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn.  499. 114  Zur funktionalen Qualifikation etwa MünchKommBGB/Sonnenberger, IPR Einl. Rn.  501 ff.; speziell im Internationalen Lauterkeitsrecht hierfür MünchKommBGB/Drexl, IntUnl­ WettbR Rn.  115. 115  Für ein Zusammenspiel dieser Qualifikationsmethoden Dörner, StaZ 1988, 345 (352).

C.  Methoden zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes

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deren Kollisionsnormen zunächst eine genaue Klärung der Funktionsweise der Kol­ lisionsnorm und der darin gefundenen Interessenbewertung voraussetzt.116 Das macht eine ausführliche Betrachtung ihrer Anknüpfungspunkte unentbehrlich. Zu Zwecken der Abgrenzung wird auch auf die Anknüpfungspunkte und damit den kollisionsrechtlichen Interessenausgleich in Art.  6 Abs.  2 Rom II einzugehen sein. Die Anknüpfungspunkte der Art.  6 Abs.  1–2, 4 Rom II werden daher ausführlich zu untersuchen sein. IV. Ergebnis Der Anknüpfungsgegenstand des außervertraglichen Schuldverhältnisses aus un­ lauterem Wettbewerbsverhalten ist, unabhängig vom Stand der materiellrechtlichen Harmonisierung, vollkommen autonom zu bestimmen: Vor allem ist auf Systematik und Sinn und Zweck der Norm des Art.  6 Abs.1 Rom II zurückzugreifen. Es kann zur systematischen Auslegung auf die WerbeRL und die UGP-RL als unionsrecht­ liche Rechtsakte zurückgegriffen werden. Weiterhin ist ein Rückgriff auf internati­ onale Rechtsakte, insbesondere Art.  10bis PVÜ, möglich. Auch die unverbindlichen Konkretisierungen des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs in den WIPO Model Provisions und in der Cambrige-Resolution des Institute of International Law sind als Hinweise darauf, wie der Begriff des unlauteren Wettbewerbs auf internationa­ ler Ebene verstanden wird, zu berücksichtigen. Für die Abgrenzung ebenfalls von Bedeutung sind die vom EuGH im Rahmen der EuGVVO gefundenen Definitionen. Für die teleologische Auslegung sind zudem die Funktionsweise der Anknüpfungs­ punkte und die dahinter stehenden Interessenbewertungen zu beachten.

116  Für die Berücksichtigung der maßgeblichen Interessenbewertung zur Ermittlung des An­ knüpfungsgegenstands des Internationalen Lauterkeitsrechts auch MünchKommBGB/Drexl, In­ tUnlWettbR Rn.  109.

Teil 2

Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts Eine autonome Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes des Internationalen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb kann, wie dargestellt, die hiermit verbun­ denen Anknüpfungspunkte als Elemente derselben Kollisionsnormen aus teleologi­ schen Gründen nicht außer Betracht lassen. Der Anknüpfungspunkt des Internatio­ nalen Lauterkeitsrechts ist im Übrigen in der Literatur wesentlich besser erforscht und hat auch in der Rechtsprechung zum deutschen IPR deutlich mehr Beachtung gefunden als der Anknüpfungsgegenstand. Die Wirkungsweise der Anknüpfungs­ punkte und die hinter ihnen stehende Interessenlage, die die Diskussion des Interna­ tionalen Lauterkeitsrechts bisher beherrscht haben, bilden damit eine Ausgangsbasis, auf der die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes aufbauen muss. Zu berück­ sichtigen ist auch, dass die Auslegung der Anknüpfungspunkte und ihre systemati­ sche Stellung keineswegs unumstritten sind. Daher ist es notwendig, das bei der Un­ tersuchung des Anknüpfungsgegenstandes zu Grunde gelegte Verständnis der An­ knüpfungspunkte offenzulegen. Die Diskussion von Art.  6 Abs.  1 Rom II ist in Deutschland maßgeblich von der Entwicklung des Lauterkeitsrechts unter deutschem IPR geprägt, sodass auch eine Betrachtung der Entwicklung der Anknüpfungspunk­ te im Rahmen des deutschen Internationalen Lauterkeitsrechts erforderlich ist.

A.  Das Marktortprinzip I.  Das Marktortprinzip im deutschen IPR Unter Geltung des deutschen IPR wurde das Internationale Lauterkeitsrecht über­ wiegend als Spezialfall des Internationalen Deliktsrechts eingeordnet.1 In der Pra­ xis folgte das Internationale Lauterkeitsrecht aber gegenüber dem allgemeinen In­ ternationalen Deliktsrecht mit der sog. Marktortanknüpfung eigenen Regeln.2 Die Literatur plädierte daher zum Teil dafür, die Existenz einer eigenen Regel des Inter­ nationalen Privatrechts offenzulegen.3 1  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.4; Lindacher, in: FS Piper, S.  355 (356); Sack, WRP 2000, 269 (270, 272). 2  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  95. 3  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  63 ff.; Koch, JZ 1991, 1339 (1040).

A.  Das Marktortprinzip

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1.  Verständnis des Marktortprinzips a)  Entwicklung vom Internationalen Deliktsrecht her Wesentlicher noch heute relevanter Ausgangspunkt4 war die Kindersaugflaschen-Entscheidung5 aus dem Jahre 1961.6 In dieser Entscheidung sah sich der BGH im Vergleich zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht mit der Eigentümlich­ keit konfrontiert, dass es im Lauterkeitsrecht nicht um den Schutz absoluter Rechts­ positionen gehe, die universell anerkannt seien. Daher vermochte der BGH für eine Anknüpfung an den Handlungsort keine Rechtfertigung zu finden; einen echten „Verletzungserfolg“7 konnte er aber auch nicht erkennen. In Anbetracht dieses Di­ lemmas griff er auf die Beeinträchtigung der Interessen der Konkurrenten zurück und entwickelte damit die Marktortregel zur Konkretisierung des damaligen delik­ tischen Anknüpfungspunktes des Begehungsortes, die auch als „Ort wettbewerbli­ cher Interessenüberschneidung“8 bezeichnet wurde. Anders als im allgemeinen De­ liktsrecht, in dem das Ubiquitätsprinzip galt und daher alternativ eine Anknüpfung an den Handlungs- oder Erfolgsort zulässig war9, wurde damit der Marktort als einziger Anknüpfungspunkt für maßgeblich gehalten.10 Wurde der Anknüpfungspunkt in der ersten Entscheidung noch vor allem mit der Chancengleichheit im Verhältnis von Anspruchsgläubiger und ‑schuldner begrün­ det11, so bezog der BGH dieses Erfordernis der Gleichbehandlung in der Entschei­ dung Stahlexport auf das Verhältnis aller Wettbewerber am Markt zueinander.12 Damit konnte der BGH den Grundsatz aufstellen, dass auch deutsche Wettbewerber sich auf ausländischen Märkten nicht nach dem gemeinsamen inländischen Perso­ nalstatut richten mussten, sondern es auch hier bei der Marktortregel verblieb.13 Spätestens ab dieser Entscheidung zeigte sich, dass das Internationale Lauterkeits­ recht nicht nur eine besondere Auslegung des Begehungsortes mit sich brachte, son­ dern sich vom allgemeinen Internationalen Deliktsrecht wegentwickelte. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs änderte sich auch nicht nach der Re­ form des Internationalen Deliktsrechts im Jahre 1999 durch den deutschen Gesetz­ geber14: Auch nach Einführung von Art.  40 Abs.  1 S.  1 EGBGB, der an sich grund­ 4  Zur Rechtslage vor der Kindersaugflaschen-Entscheidung vgl. etwa Fezer/Hausmann/Ober­ gfell, Einleitung I Rn.  67, 183 ff.; G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  7 ff. 5  Hierzu und zum Folgenden: BGH v. 30.06.1961 – I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (333 ff.) – „Kin­ dersaugflaschen“. 6  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  186; Lindacher, WRP 1996, 645 (645). 7  BGH v. 30.06.1961 – I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (333) – „Kindersaugflaschen“. 8  BGH v. 30.06.1961 – I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (334) – „Kindersaugflaschen“; BGH v. 04.06.1987 – I ZR 109/85, NJW 1988, 644 (645) – „Ein Champagner unter den Mineralwässern“. 9  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  77. 10  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  79; Lindacher, WRP 1996, 645 (647). 11  BGH v. 30.06.1961 – I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (332) – „Kindersaugflaschen“. 12  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (396 f.) – „Stahlexport“. 13  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (395 ff.) – „Stahlexport“. 14  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  80.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

sätzlich das Recht am Handlungsort im Internationalen Deliktsrecht für maßgeblich erklärt und in Art.  40 Abs.  1 S.  2 EGBGB dem Geschädigten das Recht zur Bestim­ mung des Rechts am Erfolgsort gibt, praktizierte der BGH weiterhin die Marktort­ anknüpfung.15 Über die dogmatische Herleitung dieses von der Literatur geteilten Ergebnisses bestand allerdings keine Einigkeit16: In Betracht kam eine wesentlich engere Verbindung i. S. v. Art.  41 Abs.  1 EGBGB.17 Zum Teil wurde eine teleologi­ sche Reduktion von Art.  40 EGBGB vorgeschlagen.18 Andere waren der Auffas­ sung, dass im Internationalen Lauterkeitsrecht Handlungs-, Erfolgs- und Marktort identisch seien.19 Schließlich fand sich die Ansicht, das Marktortprinzip habe mit dem Deliktsrecht nichts zu tun.20 Auch hinsichtlich des Verweisungsmodus führte das Internationale Lauterkeits­ recht nach umstrittener Ansicht21 ein Eigenleben: Im Gegensatz zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht, das im Normalfall eine Gesamtverweisung enthielt, sollte die Marktortanknüpfung aufgrund des Sinns der Verweisung gemäß Art.  4 Abs.  1 S.  1 a. E. EGBGB eine Sachnormverweisung enthalten.22 b)  Konkretisierung: Werbemarkt und Absatzmarkt Ausgehend vom anerkannten Marktortprinzip blieb in der Diskussion, wie dieser Ort zu konkretisieren war, wenn in einem Staat Werbung für ein Produkt gemacht wurde, das die Kunden erst in einem anderen Staat beziehen sollten. Diese Diskus­ sion um den richtigen Anknüpfungspunkt war durch die Schlagwörter „Werbe­

15  BGH v. 13.05.2004 – I ZR 264/00, GRUR 2004, 1035 (1036) – „Rotpreis-Revolution“; BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (100) – „Arzneimittelwerbung im Internet“; BGH v. 05.10.2006 – I ZR 7/04, GRUR 2007, 245 (245) – „Schulden Hulp“; BGH v. 29.03.2007 – I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 (1080) – „Bundesdruckerei“; BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (69) – „Ausschreibung in Bulgarien“; vgl. zur Darstellung Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  80. 16  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.6. 17  Baetzgen, S.  88; Dörner, LMK 2007, 236752; Fetsch, RIW 2002, 936 (938); Staudinger/von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  326; unklar Ullmann jurisPK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  96. 18  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.6. 19  Ehrich, S.  42; Löffler, WRP 2001, 379 (379); Mankowski, GRUR Int. 1999, 909 (910), aller­ dings sehr zurückhaltend; ders., GRUR Int. 2006, 609 (611); MünchKommUWG/Mankowski, Int­ WettbR Rn.  275a f.; Sack, WRP 2000, 269 (272, 276 f.); auch Baetzgen, S.  88, der Art.  40 Abs.  1 EGBGB aber für nicht anwendbar hielt. 20  So etwa Höder, S.  104 ff.; Samson, S.  37 ff.; und die noch zu erwähnenden Vertreter der Aus­ wirkungslehre, siehe Teil 2 B. I. 21  Für eine Prüfung des Renvoi MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  380. 22  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  11; MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  239; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (329); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  628.

A.  Das Marktortprinzip

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markt“ und „Absatzmarkt“ gekennzeichnet23, wobei die exakte Definition des Be­ griffs „Absatzmarkt“ allerdings zweifelhaft war24. Der BGH entschied nicht einheitlich 25: Während die frühere Rechtsprechung da­ rauf abstellte, wo der Wettbewerb um den Absatz des Produkts erfolgte26, stellte die Entscheidung Kauf im Ausland klar, dass allein die Einwirkung auf die Kunden durch die Werbung maßgeblich sei, und erklärte demgegenüber die Wirkungen auf den Absatz zu kollisionsrechtlich irrelevanten Auswirkungen.27 Später wurde für den Fall einer Werbung im Inland für Sonderveranstaltungen im Ausland, bei der sich die Unlauterkeit der Werbung allein aus der Unzulässigkeit der Sonderveran­ staltung ergeben konnte, immerhin anerkannt, dass auch dem Ort des Absatzvor­ gangs Bedeutung für die Beurteilung der Werbung zukommen müsse.28 Die Literatur differenzierte danach, ob eine Werbehandlung oder eine Absatz­ handlung in ihrer Lauterkeit beurteilt werden sollte: Für die Beurteilung von Wer­ bung war an den Werbemarkt anzuknüpfen, für die Beurteilung von Absatzmaß­ nahmen an den Absatzmarkt.29 Der Anknüpfungspunkt wurde daher zum Teil auch einheitlich als Einwirkungsort aufgefasst.30 c)  Einschränkungen bei sog. multistate-Verstößen Besondere Beachtung erfuhren sog. multistate-Verstöße, d. h. Fälle eines einheitli­ chen Wettbewerbsverhaltens, das auf mehr als einen Markt einwirkte.31 Hierbei sollte im Prinzip für jeden angesprochenen Markt eine gesonderte kollisionsrechtli­ che Beurteilung stattfinden; soweit die streitige Wettbewerbshandlung allerdings unteilbar war, sollte mit einer Unterlassungsklage die Wettbewerbshandlung bereits dann im praktischen Ergebnis insgesamt verboten werden können, wenn sie auch

23  Etwa Ullmann jurisPK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  97 f.; kritisch zur Terminologie Lindacher, WRP 1996, 645 (648). 24  Bernhard, GRUR Int. 1992, 366 (369 ff.). 25  Ehrich, S.  42 ff. mit der hier wiedergegebenen Differenzierung der Rechtsprechung. 26  BGH v. 13.05.1977 – I ZR 115/75, GRUR 1977, 672 (673 f.) – „Weltweit-Club“ (in der Argu­ mentation); abweichende Interpretation Sack, GRUR Int. 1988, 320 (323). 27  BGH v. 15.11.1990 – I ZR 22/89, BGHZ 113, 11 (15) – „Kauf im Ausland“. 28  BGH v. 13.05.2004 – I ZR 264/00, GRUR 2004, 1035 (1036 f.) – „Rotpreis-Revolution“, dog­ matisch unklar. 29  Sack, GRUR Int. 1988, 320 (324); Staudinger/von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  314; Ullmann jurisPK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  97 f.; wohl auch Lindacher, WRP 1996, 645 (648); für Werbung auch Bernhard, GRUR Int. 1992, 366 (369); Mankowski, GRUR Int. 1999, 909 (911); MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  241, vgl. aber Rn.  245; Paefgen, WRP 1991, 447 (455); Sack, WRP 2000, 269 (272, 276 f.). 30  Sack, GRUR Int. 1988, 320 (324); MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  241. 31  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  286; ausführlicher zur Terminologie Höder, S.  5 ff.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

nur nach einer der anwendbaren Rechtsordnungen unzulässig war.32 Schadensersat­ zansprüche waren dagegen für jeden Staat gesondert zu beurteilen.33 Diese Regeln unterlagen aber Einschränkungen jedenfalls für Konstellationen, in denen über grenzüberschreitend verbreitete Medien eine Werbung im Ausland zur Kenntnis genommen wurde. Der BGH entschied für den Fall von Zeitschriften, dass es auf den „regelmäßigen Geschäftsbetrieb“ ankomme, und maß demgegen­ über vereinzelten Grenzüberschreitungen beim Zeitschriftenverkauf keine kollisi­ onsrechtliche Bedeutung bei: Eine Werbung für Damenbinden, die in einer auch Deutschland regulär erhältlichen schweizerischen Zeitschrift erschienen war, unter­ lag daher deutschem Recht.34 Besonders ab Beginn des Internetzeitalters verschärften sich diese Schwierigkei­ ten, da Websites in aller Regel in jedem Staat abrufbar sind und oft auch tatsächlich abgerufen werden.35 Der BGH schränkte hier über das Kriterium der „bestim­ mungsgemäßen“ Auswirkungen36 die anwendbaren Rechtsordnungen ein.37 Ge­ prüft wurden etwa die auf der Website zu findenden Währungsangaben und die verwendete Sprache.38 Auch sog. Disclaimer i. S. v. Verlautbarungen, dass die Er­ bringung von Leistungen in bestimmten Staaten ausgeschlossen sei, sollten eine derart begrenzende Wirkung entfalten.39 Dies stand allerdings unter der Vorausset­ zung, dass der Disclaimer so zu verstehen war, dass er wirklich beachtet werde, und auch wirklich beachtet wurde.40 Die Literatur verfolgte ähnliche Ansätze zur Einschränkung des Anknüpfungs­ punktes. Manche verlangten zumindest potentiellen Wettbewerb am Einwirkungs­ ort41 bzw. fragten danach, ob die am Einwirkungsort angesprochenen Kunden die angepriesene Leistung überhaupt in Anspruch nehmen konnten42. Auch sollte zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Spürbarkeitsschwelle zur Anwendung kommen, die verhinderte, dass nicht jede leichteste Interessenbeein­ 32  Dethloff, Europäisierung, S.  124 ff.; dies. NJW 1998; 1596 (1601, 1602); dies., JZ 2000, 179 (182); Lindacher, WRP 1996, 645 (648); MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 Rn.  248; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (328); ders., WRP 2000, 269 (274); Staudinger/von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  342; Wengler, RabelsZ 19 (1954), 401 (417). 33  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.8; MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 Rn.  248. 34  BGH v. 23.10.1970 – I ZR 86/69, GRUR 1971, 153 (154) – „Tampax“. 35  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  155; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  286 ff. 36  BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (100) – „Arzneimittelwerbung im Internet“. 37  BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (99 f.) – „Arzneimittelwerbung im Internet“; BGH v. 05.10.2006 – I ZR 7/04, GRUR 2007, 245 (245) – „Schulden Hulp“. 38  BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (99 f.) – „Arzneimittelwerbung im Internet“. 39  BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (99 f.) – „Arzneimittelwerbung im Internet“. 40  BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (99 f.) – „Arzneimittelwerbung im Internet“. 41  Höder, S.  33, der dies nicht als Eingrenzung verstanden wissen will. 42  Höder, S.  34; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.7; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909 (911).

A.  Das Marktortprinzip

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trächtigung in einem Staat zur Anwendbarkeit der dortigen Rechtsordnung führte43: Die genauen Kriterien in diesem Zusammenhang waren uneinheitlich und kombi­ nierten verschiedene Aspekte44: Zum einen wurde quantitativ darauf abgestellt, ob zumindest „ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung“45 von der Wettbewerbs­ handlung beeinflusst wurde. Zum anderen wurde entweder auf die subjektive Ab­ sicht des Handelnden abgestellt 46 oder aber eine „verobjektivierte Zielrichtung“47 ermittelt, ohne dem inneren Willen eine Bedeutung beizumessen48. Demgegenüber sollten Kriterien des Kartellrechts, in dem die Spürbarkeit anhand von Marktantei­ len beurteilt wird, nicht zu übernehmen sein.49 Im praktischen Ergebnis liefen diese Ansätze im Wesentlichen ebenfalls darauf hinaus, dass insbesondere die Sprache und die angegebene Währung auf Internet­ seiten die anwendbaren Rechtsordnungen einschränkten.50 Auch bezüglich der an Disclaimer zu stellenden Anforderungen stand die Literatur im Wesentlichen mit der Rechtsprechung im Einklang.51 2.  Verhältnis zu anderen Anknüpfungspunkten des Internationalen Deliktsrechts Andere Anknüpfungspunkte des Internationalen Deliktsrechts spielten demgegen­ über im deutschen Internationalen Lauterkeitsrecht eine wesentlich geringere Rolle.

43 von Czettritz, PharmR 1997, 88 (91); Dethloff, Europäisierung, S.  90 ff., insb. S.  92; 99 ff.; 114 ff.; dies., NJW 1998, 1596 (1598 f.); GroßKommUWG/Schricker, Einl F Rn.  206; Höder, S.  60 ff.; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.8; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909 (915 ff.); ders.; GRUR Int. 2006, 609 (611 f.); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  210 ff.; Sack, WRP 2000, 269 (274 f.); Schricker, GRUR Int. 1982, 720 (724); Ullmann jurisPK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  101. 44  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  303 ff. 45  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.7; ähnlich Kort, GRUR Int. 1994, 594 (599); Sack, GRUR Int. 1988, 320 (328); ders., WRP 2000, 269 (274); Schricker, GRUR Int. 1982, 720 (724). 46  Dethloff, NJW 1998, 1596 (1600); Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.8; Staudin­ ger/von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  342. 47  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  294 (im Original in Fettdruck). 48  Ehrich, S.  87 ff.; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  294; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909 (917); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  219; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (328); ders., WRP 2000, 269 (278); für ein objektives Verständnis der Spürbarkeit auch Höder, S.  60 ff. 49  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  294; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909 (916). 50  Dethloff, NJW 1998, 1596 (1600); Harte/Henning/Glöckner, 2.  Aufl., Einl C Rn.  168, 169; Höder, S.  70, 75; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.8; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  164 ff., 210 ff.; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909 (916 ff.); für Sprache auch Kort, GRUR Int. 1994, 594 (599) im Ergebnis und Sack, WRP 2000, 269 (274); ähnliche Kriterien noch ohne Überlegungen zum Internet GroßKommUWG/Schricker, Einl F Rn.  206. 51  Harte/Henning/Glöckner, 2.  Aufl., Einl C Rn.  166; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  305; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.8; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909 (919 f.); ders., GRUR Int. 2006, 609 (610); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  207; a. A. in Bezug auf die tatsächliche Beachtung nur Höder, S.  76.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

a) Rechtswahl Die h. M.52 hielt eine Rechtswahl nach Art.  42 EGBGB für unzulässig. Insbesonde­ re der mit der Marktortanknüpfung verfolgte Zweck der Wettbewerbsgleichheit wurde dagegen angeführt.53 Auch wurde darauf hingewiesen, dass anderenfalls dasselbe Verhalten gegenüber verschiedenen Anspruchstellern unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen könne.54 Darüber hinaus komme dem klagenden Wettbewerber die Aufgabe zu, Interessen Dritter, insbesondere solche der übrigen Mitbewerber und der Konsumenten sowie öffentliche Interessen, wahrzunehmen.55 Andere wollten eine Rechtswahl zulassen.56 Die Wettbewerbsgleichheit sei da­ nach aufgrund des immer weiter verbreiteten unionsrechtlichen Herkunftslandprin­ zips geringer zu gewichten.57 Außerdem sei es, wie auch sonst bei der deliktischen Rechtswahl, eine von der Rechtsordnung gemäß Art.  42 S.  2 EGBGB akzeptierte Gefahr, dass die Rechtswahl im Verhältnis zu Dritten keine Wirkung entfalte und damit im Ergebnis für eine der Parteien nachteilig sein könne; der Schädiger habe es selbst in der Hand, durch die Verweigerung des Abschlusses der Rechtswahlver­ einbarung seine Interessen zu wahren.58 b)  Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt Die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  40 Abs.  2 EGBGB wurde zum Schutz der Chancengleichheit der Wettbewerber im Grundsatz im Internationalen Lauterkeitsrecht von Literatur und Rechtsprechung ausgeschlossen.59 Anderes galt nur für den Spezialfall der sog. bilateralen Wettbe­ werbsverstöße.60

52  Baetzgen, S.  84; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  13 ff.; Mook, S.  52 f.; Münch­ KommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  249; MünchKommUWG/Mankowski, IntWett­ bR Rn.  290 ff.; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (329); ders., WRP 2000, 269 (285); Staudinger/Fezer/ Koos, IntWirtschR Rn.  629. 53  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  14. 54  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  14, wo dies aber ebenfalls als Frage der Chan­ cengleichheit angesehen wird; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (329 f.); ders. WRP 2000, 269 (285). 55  Mook, S.  52 f.; Sack, WRP 2000, 269 (285). 56  KG v. 13.08.1993 – 5 U 2661/93, WRP 1994, 185 (187); Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.19; grundsätzlich auch Staudinger/von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  346. 57  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.19. 58  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.19. 59  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (69) – „Ausschreibung in Bulgarien“; Harte/ Henning/Glöckner, Einl C Rn.  124 mit etwas anderer Begründung; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  281 ff.; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  635, 664 f.; grundlegend be­ reits BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (396 f.) – „Stahlexport“. 60  Siehe dazu Teil 2 D. I.

A.  Das Marktortprinzip

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c)  Wesentlich engere Verbindung Ob abweichend von der Marktortanknüpfung auch nach Art.  41 EGBGB über den Anknüpfungspunkt der wesentlich engeren Verbindung ein anderes Recht berufen werden konnte, wurde in der Rechtsprechung des BGH nie entschieden und in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wurde die Anwendung dieses Anknüp­ fungspunktes „denklogisch ausgeschlossen“61, weil der Marktort gerade der Ort der engsten Verbindung sei.62 Andere hielten sie für möglich.63 Diskutiert wurden ins­ besondere die sog. Gran-Canaria-Fälle, d. h. Fälle, in denen Angebote im Ausland nach ihrer Sprache, der Art ihrer Abwicklung und des zu deckenden Bedarfs ein­ deutig allein auf deutsche Urlauber zugeschnitten waren.64 Überwiegend wurde in diesen Fällen eine wesentlich engere Verbindung aber abgelehnt.65 Diskutiert wurde sie auch für den allerdings nie praktisch entschiedenen Fall, dass der Unternehmer deutsche Kunden selbst absichtlich ins Ausland befördert hatte.66 Auch für den Fall, dass „gezielt“ mit einer geschäftlichen Handlung ein inländisches Unternehmen auf Märkten in mehreren Staaten von einem weiteren Inländer geschädigt wurde, wurde für den gesamten Schaden eine einheitliche Beurteilung aufgrund einer wesentlich engeren Verbindung zum deutschen Recht nach Art.  41 Abs.  1 EGBGB diskutiert.67 3. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Marktortprinzip das deutsche In­ ternationale Lauterkeitsrecht beherrschte. Andere Anknüpfungspunkte des Interna­ tionalen Deliktsrechts hatten kaum praktische Bedeutung, wurden seltener disku­ tiert und überwiegend abgelehnt. II.  Das Marktortprinzip unter Art.  6 Abs.  1 Rom II Nach Art.  6 Abs.  1 Rom II ist „[a]uf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlau­ terem Wettbewerbsverhalten […] das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Ge­ biet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher 61 

Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  253. Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  253; für ausgeschlossen haltend auch Staudin­ ger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  631; sehr restriktiv auch Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  128; Löffler, WRP 2001, 379 (380); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  289. 63  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.20; MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 Rn.  253. 64  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.20; MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 Rn.  248; dagegen halten Koch, ZZP 2000, 413 (439); Fezer/Hausmann/Obergfell, Einlei­ tung I Rn.  254; Lindacher, WRP 1996, 645 (648) dies für eine Frage der Marktortbestimmung. 65  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.20; Lindacher, WRP 1996, 645 (648, 649); Mook, S.  64. 66  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.20; für inländischen Marktort Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  283; Lindacher, WRP 1996, 645 (648). 67  Dafür Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.20; angesprochen, aber nicht entschieden von BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (73) – „Ausschreibung in Bulgarien“. 62 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden“. Ungeachtet dieser neuartigen Formulierung wird unter Geltung von Art.  6 Abs.  1 Rom II jeden­ falls in der Sache unstreitig von einer Fortgeltung des Marktortprinzips ausgegan­ gen.68 In der Literatur werden Differenzen zum deutschen Recht kaum gesehen.69 1.  Terminologische Fragen Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass über den Begriff des Marktortes in diesem Zusammenhang sprachlich keine Einigkeit besteht.70 Es findet sich die Auffassung, man solle diesen Begriff überhaupt nicht mehr im Internationalen Lauterkeitsrecht verwenden: Er passe nicht für Wettbewerbsverhalten nach dem Abschluss eines Ge­ schäfts, obwohl derartiges Verhalten seit der UGP-RL ebenfalls dem Lauterkeits­ recht zuzuordnen sei.71 Von anderen wird der Begriff des Marktortes mit einer der bisherigen deutschen Rechtsprechung vergleichbaren Anknüpfung in Verbindung gebracht und mit der von den Vertretern des sog. Auswirkungsprinzips befürwor­ teten Heranziehung der Anknüpfungsprinzipien des Internationalen Kartellrechts kontrastiert.72 Das Gesetz selbst verwendet den Begriff des Marktes demgegenüber nur in Art.  6 Abs.  3 Rom II, also gerade im Internationalen Kartellrecht. Zum Teil wird auch vertreten, dass der Begriff des Marktortes auch für Art.  6 Abs.  1 Rom II tauge und nichts darüber aussage, ob den kartellrechtlichen Prinzipien oder dem bisherigen von der deutschen Rechtsprechung verfolgten Einwirkungsprinzip zu folgen sei.73 Hier wird dem letztgenannten Ansatz gefolgt und der Begriff des Marktortes im weiteren Sinne gebraucht. Dafür spricht, dass die Kommission in der Begründung zum Verordnungsentwurf 200374 die Anknüpfungspunkte ebenfalls mit dem „Markt“ gleichsetzte und der „Markort“ damit als ein neutraler unionsrechtlicher, nicht mit nationalem Verständnis vorbelasteter Begriff angesehen werden kann. Es erscheint ohnehin fraglich, ob eine Einengung des Begriffs des Marktortes bei aus­ ländischen Juristen die hiermit in der deutschen Diskussion verbundenen Assozia­ tionen an die bisherige BGH-Rechtsprechung wecken könnte oder nicht vielmehr 68  GmS-OGB v. 22.08.2012, GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (418); Benecke, RIW 2003, 830 (834) zum Entwurf von 2003; Brand, NJW 2012, 127 (130); Erman/Hohloch, Anh Art 42 EGBGB, VO Rom II Art.  6 Rn.  2; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  158; Handig, GRUR Int. 2008, 24 (26); von Hein, ZEuP 2009, 6 (29); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  37; Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (454 f.); Micklitz, in: Weatherill/Bernitz, S.  235 (243); Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  15; Plender/Wilderspin, Rn.  20-050; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 69  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  179, 248, Gebauer/Wiedmann/A. Staudinger, Kap.  38 Rn.  46; Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  6; Ullmann jurisPK-UWG/Ullmann, Einlei­ tung Rn.  107. 70  Begriffliche Uneinigkeit sieht auch Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  37. 71  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.33. 72  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  247, 248. 73  Explizit Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  470; zum Auswirkungsprinzip siehe Teil 2 B. I. 74  KOM(2003) 427 endg., S.  18; darauf hinweisend Plender/Wilderspin, Rn.  20-048.

A.  Das Marktortprinzip

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dazu geeignet ist, Missverständnisse hervorzurufen. Auch ist bisher kein Verständ­ nis von Art.  6 Abs.  1 Rom II ersichtlich, das sich nicht im Wesentlichen sprachlich zutreffend mit dem Begriff des Marktes beschreiben ließe.75 Insbesondere erscheint es sprachlich noch möglich, auch bereits angeworbene Kunden einem „Markt“ zu­ zuordnen, sodass dieser Terminus auch ein Verhalten nach Vertragsschluss noch zu erfassen vermag.76 Damit bieten die Begriffe des Marktes oder des Marktortes eine griffige Kurzfor­ mel für die in Art.  6 Abs.  1 Rom II beschriebenen Anknüpfungspunkte, an der es sonst fehlte. In diesem Sinne werden die Begriffe im Folgenden verwendet. 2.  Ziele der Marktortanknüpfung Die Marktortanknüpfung soll mehrere in Erwägungsgrund 21 S.  1 genannte Perso­ nengruppen schützen, nämlich „die Wettbewerber, die Verbraucher und die Öffent­ lichkeit […] und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft.“ Sie weist damit die Besonderheit auf, dass neben den Interessen der Beteiligten des eigentli­ chen außervertraglichen Schuldverhältnisses auch Interessen dritter Personen und der Allgemeinheit zu beachten sind.77 Es geht dabei im Lauterkeitsrecht darum, ei­ ner Beeinträchtigung dieser geschützten Interessen von vornherein vorzubeugen, weniger um die Kompensation der Geschädigten.78 a)  Marktwirtschaftliche Ziele aa)  Materielle Vorstellungen vom Wettbewerbsablauf Zum einen soll die Marktortanknüpfung dem staatlichen Interesse daran Rechnung tragen, den Ablauf des Wettbewerbsprozesses nach seinen Vorstellungen regeln zu können, um damit die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft sicherstellen zu kön­ nen.79 Dieses Ziel erreicht der Gesetzgeber dadurch, dass er die auf seinem Staats­ gebiet zulässigen und unzulässigen Aktionsmöglichkeiten der Unternehmer durch Verhaltensnormen definiert.80 75  Für das Einwirkungs- und Auswirkungsprinzip Koos, WRP 2006, 499 (501); Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  470. 76 In sachrechtlichem Kontext Beater, 2011, Rn.  906: „lässt sich […] durchaus als Teil des Marktverhaltens begreifen“. 77  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  220. 78  So etwa Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  220; Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (6); Staudinger/von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  304, 311. 79  Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  159; Coureault, S.  144 f.; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (737); MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  5; Pazdan/ Szpunar, in: Nuyts, 129 (134 f.); ähnlich Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (6); MünchKommUWG/ Mankowski, IntWettbR Rn.  137, der die politische Dimension des Lauterkeitsrecht unterstreicht; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II Rn.  16; ausdrücklich als staatliches Interesse heraus­ stellend Symeonides, in: FS Jayme, Band I, S.  935 (938). 80  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  5; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II Rn.  16.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Es wird zwar vertreten, die Staaten könnten aufgrund der wirtschaftspolitischen Bedeutung des Lauterkeitsrechts auch ohne Art.  6 Abs.  1 Rom II bei Betroffenheit ihres inländischen Marktes ihr eigenes Recht als Eingriffsnorm anwenden.81 Um aber eine einheitliche Anknüpfung im Bereich des Lauterkeitsrechts sicherzustel­ len, die nicht regelmäßig über die Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen unter­ laufen wird, ist es sinnvoll, unabhängig vom Kriterium der Eingriffsnorm von vorn­ herein allgemein an den Marktort anzuknüpfen.82 So kann auch eine allseitige An­ knüpfung der Lauterkeitsnormen erreicht werden, was bei einer Sonderanknüpfung als Eingriffsrecht nach dem einseitig formulierten Wortlaut des Art.  16 Rom II je­ denfalls zweifelhaft wäre.83 Damit kann Art.  6 Abs.  1 Rom II möglicherweise auch dazu beitragen, Urteile zu vermeiden, die zwingende Normen des Lauterkeitsrechts anderer Staaten missachten und die wegen der wirtschaftlichen Zielsetzung dieser Vorschriften dort ggf. aufgrund einer ordre public-Kontrolle nicht anerkannt wür­ den.84 Umgekehrt kann Art.  6 Abs.  1 Rom-II die Anwendung deutschen Rechts auf Marktgeschehen im Ausland zurückdrängen und damit auch dem Interesse an der Förderung grenzüberschreitender Wettbewerbstätigkeit Rechnung tragen.85 bb) Chancengleichheit Neben dieser Sicherstellung der Verwirklichung konkreter materiellrechtlicher Vor­ stellungen vom Wettbewerb soll die Kollisionsnorm auch abstrakter ihrerseits eine Grundvoraussetzung für Wettbewerb herstellen, dem die Kommission besondere Bedeutung beigemessen hat,86 nämlich die Chancengleichheit87 oder „Waffengleich­ heit der Mitbewerber“88, die sog. par conditio concurrentium89 oder das „level play­ ing field“90. Durch die starre Anwendung einer einheitlichen Rechtsordnung über die Marktortanknüpfung soll gewährleistet werden, dass der Korridor zulässiger Verhaltensweisen für jedermann gleich weit ist.91 Erst unter diesen Umständen kann der Wettbewerb seine volkswirtschaftlichen Aufgaben erfüllen.92 81 So Pironon, in: Liber amicorum Gaudemet-Tallon, S.  545 (555); ähnlich dies., Europe 2008, n° 2, 6 (7). 82  Pironon, in: Liber amicorum Gaudemet-Tallon, S.  545 (555) scheint den Zweck der Anknüp­ fung ebenfalls im Sinne eines solchen Gleichlaufs zu sehen. 83  Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (22); Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7). 84  Eine solche Lösung hielte aber Petch, JIBLR 2006, 509 (511) für vorzugswürdig. 85  Vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  26. 86  KOM(2003) 427 endgültig, S.  18: „vor allem“. 87 Etwa Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (734). 88  Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  16; Sack, WRP 2008, 845 (847). 89  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  42; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  5. 90  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  42. 91  Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  159; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schub­ mehl, S.  719 (734); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  42; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  5; G. Wagner, IPRax 2008, 1 (8). 92  Stone, EuLF 2004, 213 (227).

A.  Das Marktortprinzip

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b)  Schutz der Interessen der Verbraucher Nach Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II werden auch die Verbraucher geschützt, wo­ bei Art.  6 Abs.  1 Rom II noch präziser von den kollektiven Interessen der Verbrau­ cher spricht. Hierbei geht es um spezifische Nachteile, die die Verbraucher als Marktgegenseite etwa im Wege einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen „Entscheidungsfreiheit“93 erleiden. Daneben gewährleistet das Marktortrecht für die Verbraucher auch einen Ver­ trauensschutz94: Der Verbraucher kann nämlich davon ausgehen, dass das ihm ge­ genüber vorgenommene Wettbewerbsverhalten hinsichtlich seiner Zulässigkeit ein­ heitlich nach dem Marktortrecht beurteilt wird. Die Frage, wie kritisch Verbraucher einer bestimmten Geschäftspraxis wie einer Werbung gegenüberstehen, kann näm­ lich davon abhängen, welche Art von Werbung sie in ihrer rechtlichen Umwelt sonst als üblich und rechtlich zulässig erleben.95 Die Verbraucher dürfen also darauf ver­ trauen, dass ein Wettbewerbsverhalten eines ausländischen Anbieters am Marktort ebenso strenger rechtlicher Kontrolle unterliegt wie das Verhalten einheimischer Unternehmen. Damit denkt Art.  6 Abs.  1 Rom II die materielle Erwägung weiter, dass für die Beurteilung der Lauterkeit eines Verhaltens die Gepflogenheiten am Marktort von Bedeutung sind.96 Über die Unlauterkeit sollte das Recht am Marktort entscheiden, weil es durch die Ausgestaltung und Formulierung der Sachnormen die dortigen Wertvorstellungen und tatsächlichen, z. B. sprachlichen Besonderhei­ ten am besten beachten kann.97 c)  Schutz der Interessen der Wettbewerber Der etwas pauschale Begriff „die Wettbewerber“ ist differenziert zu betrachten: Er umfasst zum einen die Interessen des handelnden und potentiell schädigenden Wettbewerbers, zum anderen die Interessen der geschädigten Mitbewerber. aa) Chancengleichheit Der bereits oben genannte Aspekt der Chancengleichheit dürfte letztlich auch im Interesse aller Wettbewerber98 – des handelnden Wettbewerbers, des Anspruchstel­ lers sowie Dritter – bestehen, da ein Wettbewerb, bei dem für die Wettbewerber

93  So zum Sachrecht nach der UGP-RL MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  7, 134 (Hervorhebung im Original durch Fettdruck). 94  Zum Vertrauensschutz nach deutschem Internationalen Lauterkeitsrecht Höder, S.  216 f. mit den hier genannten Gedanken. 95  G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  33. 96  Ähnlich zum deutschen IPR Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  47. 97  Henning-Bodewig, GRUR Int. 2003, 926 (929). 98 So wohl auch Löffler, WRP 2001, 379 (380); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  136.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

unterschiedliche Spielregeln gelten, schlicht als unfair anzusehen ist und ein – wohl auch grundrechtlich relevantes99 – Gleichheitsproblem betrifft. bb) Rechtssicherheit Die unflexible Anknüpfung an den Marktort unter Ausschluss von Auflockerun­ gen100 dient aber auch dem Gedanken der Rechtssicherheit, und zwar auch speziell im Interesse des schädigenden Wettbewerbers.101 Im Internationalen Lauterkeits­ recht besteht für diesen nämlich ein im Vergleich zum allgemeinen Deliktsrecht erhöhtes Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Hinblick auf die Verhaltensanforde­ rungen102: Das liegt zum einen darin begründet, dass das Lauterkeitsrecht von sei­ ner materiellen Funktion her eher auf Verhaltenslenkung als auf Kompensation ge­ richtet ist.103 Diese im Vergleich zum allgemeinen Deliktsrecht erhöhte Bedeutung der Präventionsfunktion im materiellen Recht muss daher sinnvollerweise auch kollisionsrechtlich durch eine erhöhte Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts abgesichert werden.104 Zum anderen möchte zwar auch das allgemeine Deliktsrecht im Wege der Verhaltenssteuerung den potentiellen Schädiger dazu anhalten, Schä­ den anderer Personen zu vermeiden; es kann dieses materielle Ziel aber auch bei flexibleren Anknüpfungspunkten und damit geringerer Vorhersehbarkeit noch hin­ reichend erreichen.105 Ist man nämlich bereit, eine unzweifelhaft erhebliche Verein­ fachung zu akzeptieren, so lässt sich sagen, dass das Ziel der Schadensvermeidung einen vergleichsweise einheitlichen Verhaltensmaßstab bietet und in vielen Fällen auch ohne Kenntnis der anwendbaren Rechtsordnung jedermann ein hinreichendes intuitives Verständnis dafür geben dürfte, welches Verhalten verboten ist und eine Haftung begründen kann, sodass er sein Verhalten daran ausrichten kann.106 Dage­ gen kann im Wettbewerbsrecht das Ziel der Vermeidung von Schäden keinen derar­ tigen „natürlichen“ Maßstab zur Ausrichtung des eigenen Verhaltens bieten: Denn im Wettbewerb ist die Schädigung von Konkurrenten notwendige Folge des Wett­ bewerbs und als solche nicht einmal dann missbilligt, wenn sie vorsätzlich erfolgt.107 Die Verhaltensanforderungen hängen damit in höherem Maße vom berufenen ma­ 99 

Höder, S.  121 ff. Dazu sogleich Teil 2 A. II. 3. a) bb). 101  Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  59. 102  Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  27, 40. 103  So wird etwa häufig darauf verwiesen, dass Schadenersatzansprüche gegenüber Unterlas­ sungsansprüchen im Lauterkeitsrecht nur eine untergeordnete Bedeutung haben, etwa Dethloff, Europäisierung, S.  72; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  397. 104  Auf den Zusammenhang von Verhaltenslenkung und Vorhersehbarkeit hinweisend Dethloff, Europäisierung, S.  137, dies., JZ 2000, 179 (181); Kadner Graziano, Europäisches Internatio­ nales Deliktsrecht, S.  98. 105  Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  40; ähnlich Beitzke, JuS 1966, 139 (143). 106  Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  40; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  137. 107  Deutsch, JZ 1971, 732 (733); ders., Wettbewerbstatbestände, S.  40; MünchKommUWG/ Mankowski, IntWettbR Rn.  137. 100 

A.  Das Marktortprinzip

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teriellen Recht ab, sodass das Interesse an dessen Vorhersehbarkeit auch deshalb an Gewicht gewinnt.108 Der handelnde Wettbewerber zielt typischerweise gerade auf einen bestimmten Markt ab, sodass dieser sich unter dem Aspekt der Vorhersehbar­ keit für ihn als Anknüpfungspunkt eignet.109 Im Lauterkeitsrecht besteht zudem oftmals eine Vielzahl potentiell Aktivlegiti­ mierter, die gegen ein bestimmtes Verhalten mit Unterlassungsansprüchen vorge­ hen können: Daher besteht ein besonderes Interesse daran, einander widerspre­ chende Entscheidungen im Verhältnis zu unterschiedlichen Anspruchstellern zu verhindern.110 Der handelnde Wettbewerber muss davor bewahrt werden, dass die Zulässigkeit ein und desselben Verhaltens kollisionsrechtlich im Verhältnis zu ver­ schiedenen Anspruchstellern nach unterschiedlichen Rechtsordnungen beurteilt wird.111 Daher ist eine Anknüpfung des Verhaltens an den Marktort vorzunehmen, die von den Besonderheiten des konkret geschädigten Anspruchstellers unabhän­ gig ist.112 Der Marktort ist zudem für die anderen am Wettbewerbsgeschehen Beteiligten ein klar erkennbarer Anknüpfungspunkt.113 In diesem Sinne lässt sich auch vertre­ ten, dass die Opfer eines Lauterkeitsverstoßes auf die Anwendbarkeit des Marktort­ rechts berechtigterweise vertrauen dürften.114 3.  Verhältnis der Marktortanknüpfung zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht a)  Verhältnis zu Art.  4 Abs.  2–3, Art.  14 Rom II aa)  Ausschluss der Rechtswahl (Art.  6 Abs.  4 Rom II) Die genannten Erwägungen rechtfertigen zugleich auch den Ausschluss der Rechts­ wahl nach Art.  6 Abs.  4 Rom II. Denn die Interessen Dritter – das der Allgemein­ heit an der Durchsetzung der staatlichen Wirtschaftsordnung, das der Allgemein­ heit und der Wettbewerber an der Chancengleichheit sowie die kollektiven Verbrau­ cherinteressen – müssen eine allein an bilateralen Parteiinteressen ausgerichtete 108 

Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  40; ähnlich Beitzke, JuS 1966, 139 (143). Deutsch, JZ 1971, 732 (733); ders., Wettbewerbstatbestände, S.  40. 110  So MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  238; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einlei­ tung I Rn.  14, 257; zum deutschen IPR MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 Rn.  249; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (329 f.); ders., WRP 2000, 269 (285); jeweils im Zusammenhang mit der Rechtswahl. 111  Zum deutschen IPR BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (396 f.) – „Stahlex­ port“; vgl. auch bereits Teil 2 A. I. 2. a). 112  Siehe hierzu näher Teil 2 A. II. 3. a). 113 Für alle Marktteilnehmer Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  159; MünchKomm­ UWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  139 114  Vgl. KOM(2003) 427 endgültig, S.  18, wonach die Anknüpfung durch die „Erwartungen der Geschädigten“ gerechtfertigt sein soll; dem folgend Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom IIVO Rn.  16. 109 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Rechtswahl zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner ausschließen.115 An sich würde zwar bereits Art.  14 Abs.  1 UAbs.  2 a. E. Rom II sicherstellen, dass Rechte Dritter unberührt bleiben.116 Darüber geht Art.  6 Abs.  4 Rom II mit dem Ausschluss der Rechtswahl hinaus.117 Das ist damit zu begründen, dass im Lauter­ keitsrecht oft geschützte Personenkreise, insbesondere Verbraucher, keine eigenen Ansprüche haben, die über Art.  14 Abs.  1 UAbs.  2 a. E. Rom II erhalten bleiben könnten, und die Personen daher auf die Verwirklichung des Lauterkeitsrechts durch die übrigen anspruchsberechtigten Rechtssubjekte angewiesen sind.118 Selbst wenn man davon ausgeht, dass Art.  14 Abs.  1 UAbs.  2 a. E. Rom II die Rechtswahl­ möglichkeiten des Anspruchsinhabers einschränken könnte, bestünde immerhin die Gefahr von dépeçage und Rechtunsicherheit, weil das materielle Lauterkeits­ recht in seine drittschützenden und nichtdrittschützenden Elemente aufgeteilt wer­ den müsste.119 Es sprechen auch gute Argumente dafür, dass ohne Art.  6 Abs.  4 Rom II das Regelungsinteresse eines Staates zudem eine Berufung des nationalen Lauterkeitsrecht als Eingriffsnorm erfordern könnte, was eine Rechtswahl de facto hinfällig machen würde.120 Ausgehend von der Marktortanknüpfung ist daher der Ausschluss der Rechts­ wahl letztlich nur konsequent. In der Literatur wird aufgrund des Effektivitäts­ grundsatzes diese Einschränkung der Rechtswahlfreiheit über den Wortlaut des Art.  6 Abs.  4 Rom II hinaus zu Recht auch auf prozessrechtliche Mittel des nationa­ len Rechts ausgedehnt, mit denen die Parteien im Ergebnis das Recht „wählen“ können.121 Andere in der Literatur vorgebrachte Argumente für den Ausschluss der Rechts­ wahl erscheinen demgegenüber eher zweifelhaft: So wird in Art.  6 Abs.  4 Rom II teils auch eine kartellrechtliche Schutzrichtung gesehen.122 Es erscheint allerdings fragwürdig, ob Art.  6 Abs.  4 Rom II ein spezielles Kartellverbot darstellen kann. Die allgemeinen Kartellrechtsnormen wie Art.  101 AEUV sind ggf. daneben anzu­ 115  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  14, Rn.  37, 257; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.46; Kreuzer, in: Malatesta, S.  45 (55). 116  Siehe dazu Buermeyer, in: Liber Amicorum Rauscher, S.  15 (24); Heiss/Loacker, JBl 2007, 613 (631); Leible, RIW 2008, 257 (259); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (730); alle daher zumin­ dest mit Zweifeln an der Erforderlichkeit des ausdrücklichen Ausschlusses der Rechtswahl; auch Rühl, in: FS Kropholler, 187 (202) bringt Art.  6 Abs.  4 mit dem Telos des Art.  14 Abs.  1 UAbs.  2 Rom II in Verbindung; für eine Regelung über den Ausschluss der Rechtswahl Kreuzer, in: Mala­ testa, S.  45 (55); Sonnentag, ZVglRWiss 2006, 256 (288). 117  Rühl, in: FS Kropholler, 187 (202). 118  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  13; MünchKommUWG/Mankowski, IntWett­ bR Rn.  291; Sack, WRP 2000, 269 (285) jeweils zum deutschen IPR. 119  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  14 zum deutschen Recht. 120  Siehe dazu Teil 2 A. II. 2. a) und Teil 5 D. II. 121  Coureault, S.  167 ff., insb. 177 f.; G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  71; Illmer, CJQ 2009, 28 (2), 237 (259). 122  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  257; MünchKommUWG/Mankowski, IntWett­ bR Rn.  238; Sonnentag, ZVglRWiss 2006, 256 (288); zum deutschen IPR Sack, GRUR Int. 1988, 320 (329); ders., WRP 2000, 269 (285).

A.  Das Marktortprinzip

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wenden und können unzweifelhaft eine Rechtswahlvereinbarung im Internationa­ len Lauterkeitsrecht nichtig machen, wenn die Voraussetzungen dieser Verbote er­ füllt sind.123 Unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten bedarf es daher einer beson­ deren Einschränkung der Rechtswahlmöglichkeiten nicht. Gegen eine Deutung der Norm als Kartellverbot spricht auch, dass sie sich auf die Anordnung der Unzuläs­ sigkeit einer Rechtswahl beschränkt, aber andere typische kartellrechtliche Sankti­ onen wie deliktische Ansprüche oder eine behördliche Durchsetzung nicht vorsieht. Auch dürfte entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung124 der Aus­ schluss der Rechtswahl nach Art.  6 Abs.  4 Rom II nicht auf der Erwägung beruhen, dass dasselbe Verhalten eines Wettbewerbers nicht im Verhältnis zu verschiedenen Konkurrenten nach verschiedenen Rechtsordnungen beurteilt werden sollte: Denn jeder handelnde Wettbewerber hat die freie Wahl, ob er einer Rechtswahl zustimmt, sodass die sich hieraus ergebende Unsicherheit von ihm hinzunehmen ist.125 bb)  Ausschluss von Art.  4 Abs.  2–3 Rom II Die in Art.  4 Abs.  2–3 Rom II genannten objektiven Anknüpfungspunkte können neben dem Marktortprinzip des Art.  6 Abs.  1 Rom II nach ganz herrschender Auf­ fassung ebenfalls nicht angewendet werden.126 Vereinzelt wird demgegenüber aus Erwägungsgrund 21 S.  1 hergeleitet, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II nur die Funktion habe, Art.  4 Abs.  1 Rom II zu konkretisieren, sodass daher Art.  4 Abs.  2–3 Rom II anwendbar bleiben sollen.127 Gegen die Anwendbarkeit der Art.  4 Abs.  2–3 Rom II spricht schon ein Umkehr­ schluss zu Art.  6 Abs.  2 Rom II, der auf den gesamten Art.  4 Rom II verweist.128 123 

Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG Einl Rn.  5.19. So MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  238; Fezer/Hausmann/Obergfell, Ein­ leitung I Rn.  14, 257; zum deutschen IPR MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 Rn.  249; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (329 f.); ders., WRP 2000, 269 (285). 125  Zum deutschen Recht Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.19; vgl. hierzu bereits Teil 2 A. I. 2. a). 126  OGH v. 09.08.2011 – 17 Ob 6/11y, GRUR Int. 2012, 464 (466) – „alcom-international.at“; OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (474) – „HOBAS-Rohre – Rohrprodukte“; OGH v. 28.11.2012 – 4 Ob 202/12b, GRUR Int. 2013, 580 (582) – „Erster klimaneutraler Stempel“; Dickinson, Rome II, Rn.  6.13; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (750); Harte/ Henning/Glöckner, Einl C Rn.  126; von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (498); Hellner, YBPrIL 2007, 49 (57); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  3; Junker, NJW 2007, 3675 (3679); KBB/Neumayr, Art.  6 Rom IIVO Rn.  2; Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (455); Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (22); Ofner, ZfRV 2008, 13 (18); Plender/Wilderspin, Rn.  20-051; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  255; Verschraegen, Rn.  942; Sack, WRP 2008, 845 (847); grundsätzlich auch Piper/Ohly/Sos­ nitza/Ohly, Einf B Rn.  28, 29. 127  Ausdrücklich zu Art.  4 Abs.  2 Rom II Nordemann, Rn.  30; für eine Auflockerung auch Cal­ liess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  1, 18; für einen Spezialfall in Erwägung ziehend Piper/Ohly/ Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  29; einen Umkehrschluss zu Art.  6 Abs.  4 Rom II in Erwägung ziehend, aber im Ergebnis ablehnend Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  125 f. 128  Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  30; vgl. zu VO-E 2006 MünchKomm­ UWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  255. 124 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Bekräftigt wird dies durch einen Vergleich mit Art.  5 Rom II129: Nach dessen Abs.  1 bleibt die Anwendung von Art.  4 Abs.  2 Rom II vorbehalten, und es findet sich in dessen Abs.  2 eine Art.  4 Abs.  3 Rom II entsprechende Regelung. Erhärtet wird die­ ses Ergebnis im Wege einer historischen Auslegung durch die Begründung der Kommission zum Verordnungsentwurf 2003130, nach der für das Internationale Lauterkeitsrecht die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt und die Anwendung der Ausweichklausel grundsätzlich nicht sachgerecht sein soll­ ten.131 In der Sache sind es überwiegend dieselben Gründe, die für die Marktortan­ knüpfung und gegen eine Rechtswahl sprechen132: So rechtfertigt insbesondere der Gedanke der Wettbewerbsgleichheit den Ausschluss einer Anknüpfung an den ge­ meinsamen gewöhnlichen Aufenthalt je zweier Wettbewerber.133 Auch aufgrund des Ziels der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts muss eine Anknüpfung ins­ besondere an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  4 Abs.  2 Rom II ausscheiden: Denn das Ziel, ein Wettbewerbsverhalten im Verhältnis zu allen Betei­ ligten nach ein und derselben Rechtsordnung zu beurteilen, um dem handelnden Wettbewerber Rechtssicherheit bei der Vornahme seiner Wettbewerbshandlung zu gewähren, würde sonst gefährdet.134 Im Ergebnis ist es daher richtig, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht durch die An­ knüpfungsregeln der Art.  4 Abs.  2–3 Rom II verdrängt werden kann. Damit ist die schon zum deutschen Recht tendenziell sehr zurückhaltende Auffassung gegenüber den weiteren deliktischen Anknüpfungspunkten im Bereich des Internationalen Lauterkeitsrechts und die alleinige Anknüpfung an den Marktort durch den europä­ ischen Gesetzgeber bestätigt worden. b)  Verhältnis zu Art.  4 Abs.  1 Rom II Art.  6 Abs.  1 Rom II unterscheidet sich, wie erwähnt, von den allgemeinen Anknüp­ fungsregeln zunächst einmal dadurch, dass die in Art.  4 Abs.  2–3, 14 Rom II ge­ nannten Anknüpfungspunkte im Internationalen Lauterkeitsrecht keine Rolle spie­ len. Im Hinblick auf Art.  4 Abs.  1 Rom II ist Art.  6 Rom II gemäß Erwägungsgrund 21 S.  1 demgegenüber nicht als Ausnahme, sondern als Präzisierung zu verstehen. Gemäß Art.  4 Abs.  1 Rom II ist an den Ort des Schadenseintritts und nicht an den­ jenigen des schädigenden Ereignisses oder der indirekten Schadensfolgen anzu­

129 

So überzeugend Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  36 mit der hier genannten Erklärung. KOM(2003) 427 endg., S.  18. 131  Hierauf weisen Dickinson, Rome II, Rn.  6.12; Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  126 hin. 132  So eine Parallele zieht auch Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  54 Rom II. 133  Grundlegend zum deutschen IPR BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (397 f.) – „Stahlexport“; für das europäische IPR etwa von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (498). 134  Grundlegend zum deutschen IPR BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (396 f.) – „Stahlexport“. 130 

A.  Das Marktortprinzip

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knüpfen. Der Begriff des Schadenseintritts entspricht dabei dem, was unter Geltung des deutschen IPR bisher als „Erfolgsort“ bezeichnet wurde.135 Dass Art.  6 Abs.  1 Rom II eine Präzisierung von Art.  4 Abs.  1 Rom II darstellen soll, wird von Teilen der Literatur allerdings aus unterschiedlichen Gründen be­ zweifelt.136 Diesen Bedenken muss nachgegangen werden, weil die Annehmbarkeit des in Erwägungsgrund 21 S.  1 benannten Präzisierungsgedankens erhebliche Aus­ wirkungen auf die Möglichkeiten einer systematischen Interpretation des Art.  6 Abs.  1 Rom II im Lichte von Art.  4 Abs.  1 Rom II und, worauf noch einzugehen sein wird, auch Art.  5 Nr.  3 EuGVVO hat. Es wird die These aufgestellt, Erwägungsgrund 21 S.  1 solle nur bewirken, dass Art.  6 Rom II nicht systematisch als Ausnahmevorschrift verstanden und infolge­ dessen restriktiv gehandhabt werde.137 Doch ist dies nicht schlüssig, weil Art.  6 Abs.  1 Rom II erkennbar und auch dem Wortlaut nach lediglich eine Präzisierung zu Art.  4 Abs.  1 Rom II (Hervorhebung durch den Verfasser) darstellt.138 In Bezug auf die Anwendbarkeit anderer Anknüpfungspunkte kann man Art.  6 Rom II sehr wohl Ausnahmecharakter beimessen. Zudem wird spekuliert, dass der von Art.  4 Abs.  1 Rom II gewählte Begriff der Beeinträchtigung in Art.  6 Abs.  1 Rom II gewählt worden sei, um einen gewisser­ maßen abgeschwächten Schadensbegriff zu beschreiben, weil es in manchen Rechts­ ordnungen wie der deutschen für die Gewährung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche nicht auf den Eintritt eines Schadens ankomme.139 Gegen eine derartige Differen­ zierung spricht aber zum einen die niederländische Sprachfassung, die in beiden Vorschriften denselben Wortstamm verwendet (vgl. Art.  4 Abs.  1: „schade“, Art.  6 Abs.  1 Rom II „geschaad“). Zum anderen wird der Begriff des Schadens i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II in der Literatur ohnehin über die Beeinträchtigung von Interessen definiert.140 Wenn Art.  6 Abs.  1 Rom II bestimmte Interessen ausdrücklich benennt, spricht nichts dagegen, hier von einem echten Schadenseintritt auszugehen.141 Daher war auch ein in der Begründung zum Verordnungsvorschlag von 2003 vertretenes Verständnis142 jedenfalls zweifelhaft, nach dem der Ort des Schadenseintritts im

135  von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (475); Heiss/Loacker, JBl 2007, 613 (624 f.); Ofner, ZfRV 2008, 13 (16); Sonnentag, ZVglRWiss 2006, 256 (265). 136  Coureault, S.  149; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  65; Hellner, YBPrIL 2007, 49 (52); Wadlow, EIPR 2008, 309 (310, 315); G. Wagner, IPRax 2006, 372 (381). 137  Wadlow, EIPR 2008, 309 (310). 138  Ebenso die Hervorhebung bei Sack, WRP 2008, 845 (847); im Ergebnis auch Plender/Wilderspin, Rn.  20-045. 139  In Erwägung gezogen von Wadlow, JIPLP 2009, 789 (793). 140  Kreuzer, in: Malatesta, S.  45 (69); G. Wagner, IPRax 2008, 1 (4); vgl. zu Art.  5 Nr.  3 EuGV­ VO BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (28). 141  So bereits zum deutschen IPR Lindacher, WRP 1996, 645 (646 f.) mit der dort üblichen Terminologie „Erfolgsort“. 142  KOM(2003) 427 endg., S.  18.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Sinne des heutigen Art.  4 Abs.  1 Rom II nicht mit dem durch die lauterkeitsspezifi­ schen Anknüpfungspunkte bezeichneten Ort identisch sein sollte.143 Zum Teil wird eine Präzisierung deshalb verneint, weil Art.  6 Abs.  1 Rom II sonst überflüssig wäre.144 Wiederum behält Art.  6 Abs.  1 Rom II aber schon deshalb ei­ genständige Bedeutung, weil er einen Rückgriff auf andere Anknüpfungspunkte ausschließt.145 Zudem erscheint das Präzisierungsanliegen des Art.  6 Abs.  1 Rom II nur allzu berechtigt: Art.  6 Abs.  1 Rom II stellt klar, welche von mehreren vom Lau­ terkeitsrecht typischerweise geschützten Interessen bei der autonomen Bestimmung des Ortes des Schadenseintritts in den Vordergrund rücken146, und entbindet die Rechtsprechung von der Lösung dieses Problems147. Dies ist wichtig, weil in den nationalen Rechtsordnungen in dieser Frage kein Konsens bestand148: In Frankreich hat die Rechtsprechung zum nationalen IPR bisher die klassische Tatortregel auch im Lauterkeitsrecht unmodifiziert angewandt und nicht die Marktortregel verwen­ det.149 In der italienischen Literatur wurden die lauterkeitsrechtlichen Tatbestände für die Zwecke des Kollisionsrechts vor allem als eine unmittelbare Beeinträchti­ gung der Interessen Einzelner aufgefasst.150 Art.  6 Abs.  1 Rom II erteilt einer Aus­ legung dahingehend, dass es auf den Schadenseintritt bei einem einzelnen Wettbe­ werber ankomme, nunmehr eindeutig eine Absage151 und sorgt damit für Rechtssi­ cherheit152. Eine Ablehnung des in Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II genannten Präzisierungs­ gedankens ist aber naheliegend, wenn das Internationale Lauterkeitsrecht sich sys­ tematisch nicht als Spezialfall des Internationalen Deliktsrechts begreifen lässt. So ist eine dogmatische Loslösung des Internationalen Lauterkeitsrechts vom Interna­ tionalen Deliktsrecht auch unter Geltung der Verordnung Rom II befürwortet wor­ den.153 Ein interessengerechtes Verständnis der in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Anknüpfungspunkte, das subjektive Elemente völlig außer Betracht lassen müsse, entferne sich weit von deliktischen Anknüpfungspunkten.154 Der Begriff des Scha­ denseintritts in Art.  4 Abs.  1 Rom II wird allerdings, wie dargelegt, allein durch den 143 

Plender/Wilderspin, Rn.  20-047. G. Wagner, IPRax 2006, 372 (381) zum VO-E 2003. 145  Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (142) zum VO-E 2003; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  140. 146  Honorati, in: Malatesta, S.  127 (151 f.). 147  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  24, 140. 148  Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (141) zum VO-E 2003. 149  Vgl. die Nachweise bei Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (119). 150  So die Darstellung von Honorati, in: Malatesta, S.  127 (153) mit Nachweisen zur italieni­ schen Literatur. 151  So im Ergebnis auch Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (752); vgl. auch bereits Honorati, in: Malatesta, S.  127 (151 ff.). 152  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  24. 153  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  37, 225. 154  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  225; zum deutschen Recht Höder, S.  112, der aber auf S.  123 auf europäischer Ebene einen Anwendungsfall von Art.  5 Abs.  3 EuGVVO bejaht. 144 

A.  Das Marktortprinzip

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Eintritt der Beeinträchtigung des geschützten Interesses definiert. Ihm wohnen kei­ ne subjektiven Elemente inne. Daher bestehen auch unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken, Art.  6 Abs.  1 Rom II als Konkretisierung des deliktischen Art.  4 Abs.  1 Rom II zu begreifen. Art.  6 Abs.  1 Rom II passt damit reibungslos zum An­ knüpfungsansatz des Art.  4 Abs.  1 Rom II.155 Auch Kritik156, dass das Lauterkeits­ recht keine absoluten Rechte von Individuen schütze und daher nicht deliktisch einzuordnen sei, ist jedenfalls heute – anders als möglicherweise im deutschen Recht – nicht mehr zutreffend, will man nicht in den europäischen Begriff der uner­ laubten Handlung Implikationen hineinlesen, die einen dogmatischen Widerspruch zum Internationalen Lauterkeitsrecht überhaupt erst begründen könnten. So be­ zeichnet der Begriff der unerlaubten Handlung nach der Rechtsprechung zu Art.  5 Abs.  3 EuGVVO im europäischen Recht schlicht „eine Schadenshaftung“, welche „nicht an einen ‚Vertrag‘ anknüpf[t]“157, worunter man Ansprüche aufgrund unlau­ teren Wettbewerbsverhaltens zwanglos subsumieren kann.158 Die Einordnung in das Internationale Deliktsrecht ergibt sich im Übrigen aus der systematischen Stel­ lung innerhalb der Verordnung Rom II159 und entsprach jedenfalls der h. M. in den nationalen Rechtsordnungen160. Daher ist Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II im Ergebnis ernst zu nehmen.161 Art.  6 Abs.  1 Rom II muss damit denselben Kriterien folgen wie Art.  4 Abs.  1 Rom II. Ins­ besondere darf der Begriff der Beeinträchtigung mit demjenigen des Schadensein­ tritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II gleichgesetzt werden.162 Demgegenüber kann den indirekten Schadensfolgen i. S. v. Art.  4 Abs.  1 a. E. Rom II auch im Anwendungs­ bereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II keine Bedeutung zukommen.163 c)  Verhältnis zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO Nach Erwägungsgrund 7 Rom II „sollten“ zudem „die Bestimmungen dieser Ver­ ordnung […] mit der [EuGVVO] […] in Einklang stehen“. Das legt eine systemati­ sche Auslegung im Hinblick auf die beiden Verordnungen nahe.164 Nach der euro­ päischen Rechtsprechung zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO besteht ein die Internationale 155 

Ebenso MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  133a. Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  225; wohl noch berechtigterweise zum deut­ schen IPR Höder, S.  104 ff.; zum Verordnungsvorschlag von 2006 Koos, EuLF 2006, II-73 (II-76); ähnlich wohl auch Coureault, S.  150. 157  Etwa EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8139) – Henkel. 158  So wohl im Ergebnis auch Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  98. 159  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  9 f. 160  Kadner Graziano, Europäisches Internationales Deliktsrecht, S.  91. 161  Dies tun Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  159 f.; KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  1; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn 133a; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  3; Sack, WRP 2008, 845 (847). 162  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32. 163  Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  30; Sack, WRP 2008, 845 (847). 164  Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (35): „übergreifende Auslegung als eine Spielart der systematischen Interpretation“; MünchKommBGB/Junker, Vor Art.  1 Rom II-VO Rn.  33. 156 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Zuständigkeit begründender „Ort[…], an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“, sowohl am Handlungsort als auch am Ort des Schaden­ seintritts.165 Wenn gemäß Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II Art.  6 Abs.  1 Rom II nur einen Spezialfall des Ortes des Schadenseintritts beschreibt, sollte diese Norm auf­ grund des systematischen Zusammenhangs mit Art.  5 Nr.  3 EuGVVO im Zweifels­ fall so ausgelegt werden, dass der Marktort gleichzeitig als Ort des Schadensein­ tritts im zivilprozessrechtlichen Sinne und damit als ein Ort des schädigenden Er­ eignisses i. S. v. Art.  5 Nr.  3 EuGVVO angesehen werden kann.166 Eine solche einheitliche Auslegung erreicht, dass im Anwendungsbereich der EuGVVO stets Gerichte angerufen werden können, für die das nach Art.  6 Abs.  1 Rom II bezeich­ nete Wettbewerbsrecht die lex fori ist, was die mit der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts verbundenen Nachteile vermeidet.167 Im Übrigen kann der Marktort regelmäßig die im Zivilprozessrecht angestrebte „Sach- oder Beweisnä­ he“168 bieten.169 Daher können im Wege einer systematischen Auslegung170 auch internationalzivilprozessrechtliche Erwägungen bei der Bestimmung des Marktor­ tes i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II Berücksichtigung finden.171 4.  Verhältnis der in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Anknüpfungspunkte zueinander Besinnt man sich auf den Wortlaut des Art.  6 Abs.  1 Rom II zurück, so ist festzu­ stellen, dass hiernach sprachlich nicht alle Interessen gemeinsam an einem Mark­ tort geschützt sind, sondern die Wettbewerbsbeziehungen und die kollektiven Inte­ ressen der Verbraucher einzeln aufgezählt werden. Die Tatsache, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II seinem Wortlaut nach zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte bereit­ 165 Etwa von Hein, ZVglRWiss 2003, 528 (543); grundlegendes Urteil noch zum EuGVÜ EuGH v. 30.11.1976 – 21/76, Slg. 1976, 1735 (1746 f.) – Bier / Mines de Potasse d’Alsace. 166  Eine solche einheitliche Auslegung hält auch Dickinson, Rome II, Rn.  6.14 für möglich; dafür auch Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (62); Harte/Henning/Glöckner, Einleitung D Rn.  19 ff.; Heinze, IPRax 2009, 231 (233); weitgehend auch Graf-Schimek, in: Beig u. a., S.  17 (31); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  805; im Bereich des Kartellrechts geht BGH v. 01.02.2011 – KZR 8/10, GRUR 2011, 554 (556) – „Trägermaterial für Kartenformulare“ bereits von einer einheitlichen Auslegung von Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II und Art.  5 Nr.  3 EuGVVO aus; vgl. zu einer einheitlichen Behandlung von IZVR und IPR im Bereich des Lauterkeitsrechts bereits BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (98 ff.) – „Arzneimittelwerbung im Internet“. 167  Für eine weitgehende Parallele von Zuständigkeit und anwendbarem Recht im Deliktsrecht Fuchs, GPR 2003-04, 100 (102); G. Wagner, IPRax 2006, 372 (375); wohl im selben Sinne spezi­ fisch im lauterkeitsrechtlichen Kontext Harte/Henning/Glöckner, Einleitung D Rn.  20; Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  824; gegen eine solche Argumentation aber MünchKommUWG/ Mankowski, IntWettbR Rn.  423. 168  Harte/Henning/Glöckner, Einleitung D Rn.  40 zum nationalen Recht; Einleitung D Rn.  20 im selben Sinne zum europäischen Recht. 169  Harte/Henning/Glöckner, Einleitung D Rn.  20. 170  Vgl. etwa Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (35): „übergreifende Auslegung als Spielart der systematischen Interpretation“ m. w. N. 171  Ähnlich allgemein für die Rom II-VO G. Wagner, IPRax 2006, 372 (375) zum VO-E 2003.

A.  Das Marktortprinzip

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hält, wirft Fragen zu deren Verhältnis auf. Dies ist auch für den Anknüpfungsge­ genstand relevant: Sollten beide Anknüpfungspunkte zu unterscheiden sein, könnte dies darauf hinauslaufen, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II auch zwei zu unterscheidende Anknüpfungsgegenstände zu Grunde liegen, die jeweils unterschiedliche wettbe­ werbliche Interessen erfassen.172 Folglich ist zu untersuchen, wie die Anknüpfungs­ punkte sich zueinander verhalten. a) Meinungsstand aa)  Einheitlicher Anknüpfungspunkt Zum Teil wird davon ausgegangen, dass beide Anknüpfungspunkte in Art.  6 Abs.  1 Rom II nebeneinander anwendbar seien, aber im Regelfall denselben Ort bezeich­ neten173 oder sogar nie auseinanderfallen könnten174. Ebenso ist es wohl zu verste­ hen, wenn in Anlehnung an Erwägungsgrund 21 S.  1 der Marktort als der Ort ange­ sehen wird, an dem die Konkurrenten, die Verbraucher und auch das Funktionieren der Volkswirtschaft einen Schaden erleiden.175 Der Vorteil der expliziten Auflistung der kollektiven Verbraucherinteressen ne­ ben den Wettbewerbsbeziehungen wird in der Sicherstellung eines Anknüpfungs­ punktes für den Fall gesehen, dass nur eines der beiden Interessen verletzt sei176, insbesondere dass kein Wettbewerb herrsche und damit die Anknüpfung an die Wettbewerbsbeziehungen versage177. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs zum deutschen IPR hat die betroffenen unterschiedlichen Interessen ebenfalls an demselben Ort lokalisiert.178 Zu einem einheitlichen Anknüpfungs­ punkt könnten daher auch Auffassungen gelangen, die zumindest in der Sache eine Fortgeltung des Einwirkungsprinzips annehmen179, das bisher der BGH vertrat.

172  Siehe zu solchen Ansätzen unter deutschem IPR Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  47 ff.; MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  243 ff. 173  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  108; Rn.  138; Wadlow, JIPLP 2009, 789 (793). 174  Plender/Wilderspin, Rn.  20-050; wohl auch de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (154). 175  Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (21). 176  Plender/Wilderspin, Rn.  20-050. 177  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32. 178  BGH v. 15.11.1990 – I ZR 22/89, BGHZ 113, 11 (15) – „Kauf im Ausland“; zuletzt BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (72) – „Ausschreibung in Bulgarien“; auf diese Gemein­ samkeit zur BGH-Rechtsprechung weist Sack, WRP 2008, 845 (846) hin; ebenso zur Lokalisie­ rung der Interessen Dethloff, Europäisierung, S.  65; Lindacher, WRP 1996, 645 (647). 179  Wohl BGH v. 09.07.2009 – Xa ZR 19/08, BGHZ 182, 24 (30); OLG Hamm v. 01.02.2011 – I-4 U 196/10, MMR 2011, 523 (524); Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  17 ff.; Fezer/Hausmann/ Obergfell, Einleitung I Rn.  231, 247; Heinze, IPRax 2009, 231 (234); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  38; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.33; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  15, 133; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  157 ff.; Nordemann, Rn.  30; Piper/Ohly/Sos­ nitza/Ohly, Einf B Rn.  15; Sack, WRP 2008, 845 (846).

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

bb)  Unterschiedliche Anknüpfungspunkte Andere Auffassungen nehmen an, die beiden Anknüpfungspunkte bezeichneten unterschiedliche Orte und stünden in einem echten Alternativverhältnis: Teils wird in Betracht gezogen, dass die kollektiven Verbraucherinteressen den Werbemarkt und die Wettbewerbsbeziehungen den Absatzmarkt bezeichnen könnten.180 Danach soll zunächst eine Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen am Wer­ bemarkt maßgeblich sein. Nur wo eine solche fehle, würden die Wettbewerbsbezie­ hungen am Absatzmarkt relevant. Wo die Interessen der Verbraucher nicht berührt seien, ergebe sich eine fassbare Interessenbeeinträchtigung nämlich erst durch die Absatztätigkeit zu Lasten der Konkurrenten. Wo aber bereits zunächst die Entschei­ dungsfreiheit der Verbraucher beeinträchtigt werde, sei hieran anzuknüpfen. Die sich ergebenden Nachteile zu Lasten der Wettbewerber seien dann als zu mittelbar und damit kollisionsrechtlich irrelevant anzusehen. Nach anderer Auffassung kann an die kollektiven Verbraucherinteressen schon dann angeknüpft werden, wenn die Lokalisierung der Wettbewerbsbeziehungen Schwierigkeiten bereitet.181 Zum Teil besteht auch schlicht Unsicherheit in Bezug auf die Frage, wie mit einem Auseinanderfallen der beiden Anknüpfungspunkte umzugehen ist.182 b) Stellungnahme Zur Klärung des Verhältnisses der beiden in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten An­ knüpfungspunkte bedarf es einer Konkretisierung des Ortes der Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen und desjenigen der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen. aa)  Lokalisierung der Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen Bei der Konkretisierung des mit Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgten Anknüpfungs­ punktes der Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen liegt eine sys­ tematische Betrachtungsweise nahe: Wenn man davon ausgeht, dass die UGP-RL und Art.  6 Abs.  1 Rom II in systematischem Zusammenhang stehen, so bietet sich ein Blick auf die UGP-RL an183: Nach Art.  5 UGP-RL setzt die Unlauterkeit einer 180  Ehrich, S.  103 ff. mit der hier wiedergegebenen Argumentation; in diese Richtung auch das Beispiel von G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  20; vgl. auch bereits früher differenzie­ rend MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 Rn.  243 ff.; eine Differenzierung nach der Art des Wettbewerbsverstoßes nehmen auch Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  395, 646 an, konkretisieren aber nicht, wo genau die Interessen belegen sind, und sehen kaum Unterschiede im Ergebnis. 181  G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  20; wohl auch Staudinger/Fezer/Koos, IntWirt­ schR Rn.  413. 182  Wadlow, JIPLP 2009, 789 (793). 183  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  395, 646 bringen diesen Anknüpfungspunkt mit der UGP-RL in Zusammenhang.

A.  Das Marktortprinzip

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Geschäftspraxis voraus, dass diese den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt wi­ derspricht (lit.  a) und sie das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrau­ chers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen (lit.  b). Die letztgenannte Voraussetzung setzt sich nach Art.  2 lit.  e UGP-RL zu­ sammen aus einer spürbaren Beeinträchtigung der Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, und der Veranlassung des Verbrauchers zum Treffen einer geschäftlichen Entscheidung, die er andernfalls nicht getroffen hät­ te.184 Es geht also in einem ersten Schritt um eine Beeinträchtigung der Willensbil­ dung beim Treffen einer geschäftlichen Entscheidung und in einem zweiten Schritt um die wirtschaftliche Beeinträchtigung, die aus der fehlerhaft getroffenen ge­ schäftlichen Entscheidung resultiert.185 Beide Aspekte kommen prinzipiell als Orte der Beeinträchtigung der kollektiven Interessen der Verbraucher in Betracht: Man könnte zum einen auf den Ort abstel­ len, an dem die Willensbildung beeinflusst wird. Das dürfte mit dem übereinstim­ men, was gemeinhin als Einwirkungsort bezeichnet wird.186 Zum anderen könnte man aber auch darauf abstellen, wo die wirtschaftliche geschäftliche Entscheidung getroffen wird, oder aber darauf, wo diese Entscheidung realisiert wird. Im Spezial­ fall, dass die im Streit stehende Geschäftspraxis eine Werbung ist, mag man den erstgenannten Ort auch als Werbemarkt und den zweitgenannten als Absatzmarkt bezeichnen.187 Viel spricht dafür, den Ort für maßgeblich zu halten, an dem durch die Geschäfts­ praxis die geschäftliche Entscheidung der Marktgegenseite beeinflusst wird. So er­ wähnt die Kommission in ihrer Begründung den „Markt, auf dem sich die Wettbe­ werber um die Verbraucher bemühen“188. Sprachlich verweist diese Formulierung am ehesten auf den Ort der Einwirkung auf die Verbraucher durch ebendiese Bemü­ hungen.189 Auch liegt bereits im allgemeinen Deliktsrecht der Ort des Schadensein­ tritts i. S. v. Art.  4 Rom II dort, wo zum ersten Mal in einen rechtlich geschützten Bereich in negativer Weise eingewirkt wird.190 184  Speziell für irreführende und aggressive Geschäftspraktiken finden sich in Art.  6, 8 UGPRL vergleichbare Regelungen; vgl. näher zur gesamten Gesetzessystematik Fezer, WRP 2010, 677 (680 f.). 185  Für diese Prüfungsschritte Fezer, WRP 2010, 677 (681); vgl. bereits die Formulierungen in BGH v. 15.11.1990 – I ZR 22/89, BGHZ 113, 11 (15) – „Kauf im Ausland“; BGH v. 13.05.2004 – I ZR 264/00, GRUR 2004, 1035 (1036) – „Rotpreis-Revolution“. 186  So der Ansatz von MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  135: „auf die Entschei­ dungsfreiheit […] eingewirkt wird“. 187  Vgl. MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  160. 188  Begründung zum Verordnungsvorschlag 2003, KOM(2003), 427 endg. S.  17 f. 189  So Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  235 gegen das Auswirkungsprinzip. 190 Zum deutschen IPR spricht Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  32 von „(Erst-) Eingriff“ und sieht diesen am Marktort; ähnlich für die Irrelevanz des Absatzmarktes Bernhard, GRUR Int. 1992, 366 (370), der dort den „Ort des Schadenseintritts“ wohl verstanden als indirekte Schadensfolgen im Sinne heutiger Terminologie erblickte; ähnlich wie hier MünchKommBGB/ Drexl, IntUnlWettbR Rn.  135.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Im Übrigen ist der Ort, an dem die Geschäftspraxis den Kunden erreicht, jeden­ falls im Regelfall leichter zu bestimmen. Zu bedenken ist etwa, dass es nach dem materiellrechtlichen Tatbestand bereits ausreicht, dass voraussichtlich eine fehler­ behaftete geschäftliche Fehlentscheidung getroffen wird. Soweit noch keine solche Entscheidung getroffen wurde, muss der Auswahl des Ortes, an dem sich diese Ent­ scheidung voraussichtlich realisiert, eine Unsicherheit anhaften, die kollisionsrecht­ lich unbefriedigend ist. Sie bringt Rechtsunsicherheit für den handelnden Wettbe­ werber.191 Die geschäftlichen Entscheidungen, die aus einer Beeinflussung durch eine Geschäftspraxis resultieren, können zudem sehr vielfältig sein: Selbst wenn man den Begriff eng auf (vertrags-)rechtlich erhebliche Handlungen beschränken will, kann sich eine Entscheidung für den Erwerb eines bestimmten Produktes und gegen den Erwerb eines oder mehrerer anderer Produkte auf unterschiedliche Orte beziehen. Das Problem verschärft sich, wenn man weitergehend auch etwa den Ent­ schluss des Verbrauchers, nur tatsächlich einen Verkaufsort aufzusuchen, als eigene geschäftliche Entscheidung einordnen will192. Das führt zu einer unnötigen Verviel­ fältigung der anwendbaren Rechtsordnungen. Es bedürfte daher einer Einschränkung der relevanten Orte einer geschäftlichen Entscheidung. Dies gestaltet sich aber schwierig: Stellte man nur auf den Ort ab, an dem sich die Entscheidung der Verbraucher realisiert hat, gerade bei einem be­ stimmten Konkurrenten ein Produkt nicht zu kaufen, so wäre dies nicht damit zu vereinbaren, dass es auf den Ort des Vermögensnachteils für den einzelnen geschä­ digten Wettbewerber bei Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht ankommen soll.193 Das wird auch durch die Erwägung erhärtet, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II der Chancengleichheit besonderen Wert beimisst, was eine Anknüpfung an den Sitz des geschädigten Un­ ternehmens ausschließen muss194. Stellte man hingegen auf den Ort ab, auf den sich die (potentielle) Entscheidung bezieht, ein Produkt beim Schädiger zu erwerben, so würde der Schädiger im Widerspruch zum Prinzip der par conditio concurrentium ungerechtfertigt bevorzugt oder benachteiligt, weil er nach dem Recht seiner Ver­ kaufsstätten werben dürfte und müsste, während für seine Konkurrenten ein ande­ res Recht gelten würde.195 Daher ist die Anwendung des Ortes der Einwirkung durch die Geschäftspraxis neutraler und in sich stimmiger. Sofern ein Gleichlauf von Art.  6 Abs.  1 Rom II mit dem Ort des Schadenseintritts nach Art.  5 Nr.  3 EuGVVO angestrebt wird, spricht ebenfalls mehr für die Anknüp­ fung an den Ort der Beeinflussung der Verbraucher. Denn die von Art.  5 Nr.  3 EuG­ 191 Auch Kadner Graziano, Europäisches Internationales Deliktsrecht, S.  98 bringt den Werbe­ markt mit mehr Rechtssicherheit in Verbindung. 192  So Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 03.12.2009, SEK(2009) 1666, S.  26. 193  Dickinson, Rome II, Rn.  6.57. 194  Ähnlich zum deutschen IPR Sack, GRUR Int. 1988, 320 (326 f.). 195  Zum deutschen IPR Sack, GRUR Int. 1988, 320 (324, 326 f.).

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VVO angestrebte „Beweisnähe“196 besteht am ehesten zu dem Ort, an dem eine bestimmte Geschäftspraxis wie eine Werbung durchgeführt worden sein soll. Dort kann am ehesten eine Inaugenscheinnahme der Werbung erfolgen und es werden sich am ehesten Zeugen finden lassen, die die entsprechende Werbung wahrgenom­ men haben. Vergleichbare zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geschäftspra­ xis relevante Beweismittel sind an den Orten, an denen sich bloß geschäftliche Ent­ scheidungen realisieren können, nicht vorhanden. Dieser Befund ist auf lauterkeitsrechtliche Konstellationen außerhalb des An­ wendungsbereichs der UGP-RL übertragbar. So sieht Erwägungsgrund 5 S.  4 -5 UGP-RL vor, dass die Mitgliedstaaten „in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäfts­ praktiken aus Gründen des Anstands und der guten Sitten verbieten können, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.“ So­ weit man derartige Geschäftspraktiken unter den Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II subsumiert, ist eine Festlegung auf den Ort der Beeinflussung der Verbraucher besonders naheliegend. Denn hier scheidet eine Anknüpfung an die geschäftliche Entscheidung, verstanden als Schädigung durch eine wirtschaftliche Fehlentscheidung, von vornherein aus, weil die wirtschaftliche Entscheidungsfrei­ heit definitionsgemäß nicht beeinträchtigt wird. Der Anstand und die guten Sitten werden dagegen dort verletzt, wo die Geschäftspraxis auf den Verbraucher trifft. Diese Anknüpfung legt auch bereits der Wortlaut des genannten Erwägungsgrun­ des „in ihrem Hoheitsgebiet“ nahe. Es spricht daher alles dafür, die Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherin­ teressen an dem Ort anzunehmen, an dem die Beeinflussung ihrer Willensbildung eintritt. Das ist in der Sache der Ort der Einwirkung im Sinne der bisherigen Recht­ sprechung zum deutschen IPR. bb)  Lokalisierung der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen Bedenkenswert ist sodann, wo sich der Ort befindet, an dem die Wettbewerbsbezie­ hungen beeinträchtigt werden. Der Begriff der Wettbewerbsbeziehungen soll eine Anknüpfung an den Eintritt des individuellen Vermögensschadens beim geschädigten Wettbewerber ausschlie­ ßen.197 Käme es für die Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen jedoch auf den Ort an, an dem sich die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers realisiert, beim geschädigten Konkurrenten nicht zu kaufen, so würde sich die Anknüpfung gerade wieder dem Ort des individuellen Schadenseintritts annähern.198 Auch ist zu bedenken, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II mit dem Schutz der Wettbewerbsbeziehungen primär das Interesse an der Chancengleichheit im Wettbewerb sicherstellen soll. 196  Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (37): „Sach- und Beweisnähe“; in der Sache grundle­ gend EuGH v. 30.11.1976 – 21/76, Slg. 1976, 1735 (1746) – Bier / Mines de Potasse d’Alsace. 197  Siehe bereits Teil 2 A. II. 3. b). 198  Dickinson, Rome II, Rn.  6.57.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Diese Chancengleichheit bezieht sich ihrerseits darauf, Einfluss auf den Kunden nehmen zu dürfen.199 Bereits die Beeinträchtigung dieser Chancengleichheit durch eine unzulässige Einflussnahme muss daher als Beeinträchtigung der Wettbewerbs­ beziehungen angesehen werden.200 Ein Unterschied zum Ort der Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen ergibt sich dann nicht. Auch der Blick auf Art.  5 Nr.  3 EuGVVO bestätigt die Maßgeblichkeit der Ein­ wirkung am Werbemarkt: Wiederum sind nur dort entsprechende Beweismittel wie Werbematerialien verfügbar. Soweit man auch Verletzungen der Geschäftsehre un­ ter Art.  6 Abs.  1 Rom II subsumiert, liegt die Anknüpfung an den Ort der Einwir­ kung auf den Kunden in Anbetracht der bisherigen Rechtsprechung zum EuGVVO besonders nahe. Denn der Ort, an dem die Wahrnehmbarkeit einer Äußerung für Dritte und damit in der Sache eine Einwirkung vorliegt, wurde – allerdings nicht im lauterkeitsrechtlichen Zusammenhang – bereits im Rahmen von Art.  5 Nr.  3 EuG­ VÜ / EuGVVO als Ort des Schadenseintritts für Persönlichkeitsverletzungen aufge­ fasst.201 An diese Rechtsprechung kann die Anknüpfung an den Einwirkungsort im Lauterkeitsrecht anschließen.202 Daher ist auch der Ort der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen im Sinne eines Einwirkungsortes der bisherigen BGH-Rechtsprechung zu verstehen. cc) Ergebnis Die beiden in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Anknüpfungspunkte sind an demsel­ ben Ort – dem Einwirkungsort im Sinne der bisherigen BGH-Rechtsprechung – zu lokalisieren. Das spricht dafür, bei Art.  6 Abs.  1 Rom II von einer einheitlichen Kol­ lisionsnorm auszugehen, der folglich auch ein einheitlicher Anknüpfungsgegen­ stand zu Grunde liegt. 5. Multistate-Verstöße a) Mosaikbetrachtung aa) Meinungsstand Bei multistate-Verstößen ist nach ganz h. M.203 die sog. Mosaikbetrachtung anzu­ wenden: Das bedeutet, dass Anspruchsvoraussetzungen und -inhalt stets auf das 199 

Zum deutschen Recht Höder, S.  35 f. Honorati, in: Malatesta, S.  127 (151). 201  EuGH v. 07.03.1995 – C-68/93, Slg. 1995, I-450 (I-461) – Shevill u. a.; weiterentwickelt in EuGH v. 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10, GRUR Int. 2012, 47 (52) – eDate Advertising und Mar­ tinez. 202  Im IZVR für eine Übertragung der EuGH-Rechtsprechung auf eine unlautere Herabsetzung OGH v. 10.07.2012 – 4 Ob 33/12z, GRUR Int. 2013, 292 (294) – „Winterreifen“. 203  Etwa OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (474) – „HOBAS-Rohre – Rohrprodukte“; OGH v. 28.11.2012 – 4 Ob 202/12b, GRUR Int. 2013, 580 (582) – „Erster klimaneu­ traler Stempel“; Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  161; Erman/Hohloch, Anh Art 42 EGB­ 200 Vgl.

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Staatsgebiet begrenzt sind, in dem die entsprechende Interessenbeeinträchtigung stattgefunden hat.204 Für die allgemeine deliktische Anknüpfung kann dieser An­ satz der Begründung zum Kommissionsvorschlag von 2003 entnommen werden.205 Dieser Ansatz gilt nach h. M. dogmatisch gesehen auch für den Unterlassungsan­ spruch 206, doch ist anerkannt, dass bei unteilbaren Handlungen mit dem Unterlas­ sungsanspruch tatsächlich gesehen eine weitergehende Unterlassungspflicht des Schädigers über ein Staatsgebiet hinaus verbunden ist.207 Eine Mindermeinung insbesondere außerhalb Deutschlands hegt dagegen Zwei­ fel an der Anwendbarkeit der Mosaikbetrachtung.208 So wird die internationalver­ fahrensrechtliche Rechtsprechung des EuGH zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO, welche die Mosaikbetrachtung praktiziert209, für nicht auf das IPR übertragbar gehalten: Bei Art.  5 Nr.  3 EuGVVO führe die Mosaikbetrachtung zu einer Beschränkung der Ko­ gnitionsbefugnis und damit einer Verringerung des Prüfungsprogramms des Ge­ richts. Gerade das Gegenteil geschehe bei der Mosaikbetrachtung im IPR, wenn dem Gericht eine Prüfung nach einer Vielzahl von Rechtsordnungen aufgegeben werde.210 Auch könnten Anspruchsteller Schwierigkeiten haben, wenn sie ihren Schaden nach einer Vielzahl von Rechtsordnungen geltend machen müssten.211 Um­ gekehrt könne es für Unternehmen als potentielle Anspruchsgegner schwierig sein, insbesondere im Internet Rechtssicherheit zu erlangen, weil die Mosaikbetrachtung hier aufgrund der jederorts gegebenen Aufrufbarkeit von Internetseiten und des GB; VO Rom II Art.  6 Rn.  6; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (744); Harte/ Henning/Glöckner, Einl C Rn.  154a; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  55; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  20; KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.39 ff.; Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (455); Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (22); de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (178 f., 187); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  227; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  161; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  20; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (439); Wadlow, JIPLP 2009, 789 (791). 204  OGH v. 09.08.2011 – 17 Ob 6/11y, GRUR Int. 2012, 464 (466) – „alcom-international.at“; OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (474) – „HOBAS-Rohre – Rohrprodukte“; Handig, wbl 2008, 1 (6); Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (455); Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn. 20. 205  Begründung zu Art.  3 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 end­ gültig, S.  12; hierauf weist etwa Wadlow, EIPR 2008, 309 (313) hin. 206  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (744); Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (455); Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn. 20. 207  OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (474) – „HOBAS-Rohre – Rohrpro­ dukte“; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (771 f.); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  61; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  21; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  231; Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (455); Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO; Sack, WRP 2008, 845 (852). 208  Petch, JIBLR 2006, 509 (511); Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (9); Vitellino, in: Malatesta, S.  271 (299); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (511); rechtspolitische Kritik auch bei G. Wagner, IPRax 2006, 372 (381); überhaupt kritisch zur Mosaikbetrachtung im Internationalen Deliktsrecht Huber/Bach, IPRax 2005, 73 (79). 209  Grundlegend EuGH v. 07.03.1995 – C-68/93, Slg. 1995, I-450 (I-462) – Shevill u. a. 210  So wohl Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (9). 211  Dreher/Lange, in: BGH EWiR Art.  40 EGBGB 1/10, 635 (636).

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damit verbundenen Einwirkungspotentials im Prinzip zur Anwendung jeder Rechtsordnung führen könne: So viele Rechtsordnungen könne niemand überbli­ cken, und selbst wenn man es könnte, könnten sie einander widersprechende Ver­ haltensanforderungen enthalten.212 Auch wird angeführt, dass eine solche Betrach­ tungsweise zu einer Aufsplitterung des ökonomischen Marktes führe und damit das Ziel des Art.  6 Abs.  1 Rom II verfehlen müsse.213 In eine ähnliche Richtung geht eine Auffassung, die ebenfalls die ökonomischen Ziele des Art.  6 Abs.  1 Rom II hervorhebt und die zunächst den gesamten Schaden für den jeweiligen wirtschaftlichen Markt ermitteln will, der dann anhand ökono­ mischer Kriterien – wie Marktanteilen – wieder auf die einzelnen Staaten verteilt werden soll.214 Diese spezielle Mosaikbildung soll sich daraus ergeben, dass nicht nur die Interessen der Wettbewerber, sondern auch der Verbraucher und der Allge­ meinheit von Art.  6 Abs.  1 Rom II geschützt seien.215 bb) Stellungnahme Die Vervielfachung der anwendbaren Rechtsordnungen durch die Mosaikbetrach­ tung ist keineswegs unbedenklich. Das gilt vor allem aus Sicht des potentiellen Schädigers216: Der materiellrechtlichen Wertung, dass im Grundsatz Wettbewerbs­ freiheit herrscht, die durch die lauterkeitsrechtlichen Verbote nur ausnahmsweise eingeschränkt wird 217, wird eine kollisionsrechtliche Summierung weltweiter Ver­ botstatbestände kaum gerecht.218 Das gilt ganz besonders für die grenzüberschrei­ tende wirtschaftliche Tätigkeit innerhalb der Union, da hierbei auch die Ausübung der primärrechtlichen Grundfreiheiten betroffen ist.219 Das Ziel der Wettbewerbs­ gleichheit wird im Ergebnis ebenfalls verfehlt, da der auf mehreren Märkten tätige potentielle Schädiger bei einer unteilbaren Wettbewerbshandlung doch de facto mehr Rechtsordnungen und damit materielle Rechtsvorschriften zu beachten hat als ein Wettbewerber, der seine Aktivitäten auf einen Markt beschränkt.220 Doch ist eine andere mit der Systematik und der Gesetzgebungsgeschichte ver­ einbare Betrachtungsweise nicht ersichtlich.221 Eine Übereinstimmung mit den Re­ geln des Internationalen Zivilprozessrechts (Shevill-Doktrin) ist zudem nicht fern­ 212  213 

Handig, GRUR Int. 2008, 24 (28, dort auch Fn.  78), ders., wbl 2008, 1 (8, dort auch Fn.  17). Petch, JIBLR 2006, 509 (511); ähnlich Baetzgen, S.  211 ff.; Vitellino, in: Malatesta, S.  271

(299). 214  Dickinson, Rome II, Rn.  6.57; ablehnend Plender/Wilderspin, Rn.  20-051. 215  Dickinson, Rome II, Rn.  6.57. 216  Dethloff, NJW 1998, 1596 (1602); zum allgemeinen Deliktsrecht Sonnentag, ZVglRWiss 2006, 256 (269), der dieses Interesse dort aber gering gewichtet. 217 Dazu Beater, 2011, 789 ff. 218  Vgl. zu positiven Erlaubnissätzen Wengler, RabelsZ 19 (1954), 401 (422 ff.). 219  Dethloff, JZ 2000, 179 (183); Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (153 ff.). 220 Vgl. Mook, S.  66 ff., der daher eine Abwägung verschiedener Gleichheitsinteressen vor­ schlug. 221 Vgl. Dickinson, Rome II, Rn.  6.57 f., der sich auch auf den Wortlaut beruft.

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liegend, sondern vielmehr angebracht, um einen weitgehenden Gleichlauf von an­ wendbarem Recht und Internationaler Zuständigkeit zu sichern.222 Eine Ablehnung der Mosaikbetrachtung speziell im Lauterkeitsrecht wäre auch mit dem Präzisie­ rungsgedanken nicht zu vereinbaren, weil die Mosaikbetrachtung im allgemeinen Deliktsrecht jedenfalls dem historischen Willen des Gesetzgebers entspricht. Wo innerhalb der Europäischen Union die wirtschaftliche Freiheit durch die Mosaikbe­ trachtung zu stark eingeschränkt wird, kann immerhin über sekundär- und primär­ rechtliche Herkunftslandprinzipien Abhilfe verschafft werden.223 Auch der besondere wirtschaftliche Kontext des Internationalen Lauterkeits­ rechts rechtfertigt keine andere Beurteilung. Bereits der Wortlaut zahlreicher Sprachfassungen – deutsch: „in dessen Gebiet“, französisch: „sur le territoire du­ quel“, italienisch: „sul cui territorio“, spanisch: „en cuyo territorio“ – belegt, dass eine Aufteilung des Schadens nur nach staatlich-territorialen Gesichtspunkten er­ folgen kann.224 In manchen Sprachfassungen mag diese Territorialität weniger be­ tont zum Ausdruck kommen 225, doch legen auch diese keine andere Auslegung nahe. Aber auch Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Fragestellungen außerhalb des IPR macht deutlich, dass ein einheitlicher wirtschaftlicher Markt einer separa­ ten rechtlichen Beurteilung je nach Staatsgebiet nicht entgegensteht.226 Dann muss dies im Bereich des Art.  6 Abs.  1 Rom II erst recht gelten, wo, soweit ersichtlich, keine Sprachfassung den Begriff des Marktes überhaupt verwendet227 und dem in der Diskussion verwendeten Begriff des Marktes vor allem die Rolle eines Kürzels für die in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Anknüpfungspunkte zukommt. Der Ansatz, der ökonomische Abgrenzungskriterien bei der Anwendung der Mo­ saikbetrachtung heranzieht, kann zudem die Einheitlichkeit des Marktes ebenfalls nicht wahren, sondern spaltet ihn nur anders auf. Wieso es den geschützten Interes­ sen dienen soll, hier eine Zuweisung der Schäden zu Staaten über im Einzelnen ungewisse abstrakte ökonomische Kriterien herzustellen, erschließt sich nicht. Im Übrigen ließe sich ein „ökonomischerer“ Ansatz, insbesondere soweit er auf Markt­ anteile der verschiedenen Staaten abstellt, nur schwerlich auf Art.  5 Nr.  3 EuGVVO übertragen. Er wäre dort mit Sinn und Zweck der Norm, eine besondere Beweisnähe herzustellen, nicht in Einklang zu bringen. Denn zwischen den abstrakt ermittelten Marktanteilen der Beteiligten und dem typischen Belegenheitsort von Beweismit­ 222 

Siehe dazu Teil 2 A. II. 3. c). Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (155). 224  Anderes Ergebnis Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-85): „a market, not […] a territo­ ry“. 225  Etwa englisch: „the country where“, niederländisch: „het land waar“, portugiesisch: „do país em que“. 226  Vgl. EuGH v. 14. Februar 2012 – C‑17/10, Rn.  97 ff., – Toshiba Corporation u. a., zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter zum ne bis in idem-Grundsatz im Hinblick auf kartellrechtliche Bußgeldverfahren, wo bei einem einheitlichen Markt nach den Auswirkungen auf das Gebiet einzelner Staaten differenziert wird. 227  Ähnliche Argumentation Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (510). 223 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

teln zur Beurteilung eines konkreten Wettbewerbsverhaltens besteht kein erkennba­ rer Zusammenhang. Im Ergebnis ist der Mosaikbetrachtung in ihrer staatlich-territorialen Spielart zu folgen. b)  Kollisionsrechtliche Spürbarkeitsprüfung? Umstritten ist, ob im Falle von multistate-Delikten der Anknüpfungspunkt des Art.  6 Abs.  1 Rom II die Anknüpfung an einen bestimmten Markt dessen spürbare Betroffenheit voraussetzt, wie sie zum deutschen IPR vertreten wurde. aa) Meinungsstand Eine verbreitete Auffassung228 hält eine Prüfung der Spürbarkeit auf kollisions­ rechtlicher Ebene für notwendig. Für Internetfälle sind dabei vor allem weiterhin die Kriterien Sprache, Disclaimer und Währung relevant.229 Ähnlich wird – oftmals nicht klar hiervon getrennt – die Auffassung vertreten, dass die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der beworbenen Leistungen bestehen müsse, damit ein Anknüp­ fungspunkt nach Art.  6 Abs.  1 Rom II einschlägig sein könne.230 In vergleichbarer Weise ist angedacht worden, die Anknüpfungskriterien des Ausrichtens aus Art.  15 EuGVVO und Art.  6 Abs.  1 lit.  b Rom I auf Art.  6 Abs.  1 Rom II zu übertragen.231 Nach anderer Auffassung sind auf kollisionsrechtlicher Ebene derartige Einschrän­ kungen nicht zulässig, sondern betreffen die Auslegung des materiellen Rechts.232 Bisweilen offen ausgesprochener Hauptgrund der angesprochenen Einschrän­ kungen ist die Begrenzung der anwendbaren Rechtsordnungen in grenzüberschrei­ tenden Fällen.233 Auch wird angeführt, dass sonst unterschiedliche Maßstäbe für 228  Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  22 ff.; G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  27, allerdings sehr zurückhaltend; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (753 ff.); Har­ te/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  114; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  22; Leible/ Lehmann, RIW 2007, 721 (729); de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (179 ff.); Münch­ KommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  173; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (437); Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  643; Ullmann jurisPK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  109; unsicher Handig, GRUR Int. 2008, 24 (28). 229  Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  22 ff.; Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  166 ff.; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  169, 171. 230  Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  37; Sack, WRP 2008, 845 (852); spezi­ ell für Disclaimer auch Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.43; ablehnend aber Piper/ Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  15. 231  In Erwägung gezogen von Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (9); in der Sache sehr ähnlich zum deutschen IPR Dethloff, Europäisierung, S.  90 ff. 232  Erman/Hohloch, Anh Art 42 EGBGB; VO Rom II Art.  6 Rn.  6, 14, der allerdings schon bei der Ermittlung des Marktortes Kriterien in diese Richtung berücksichtigt; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  50, 51; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.41; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  26; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  38; Sack, WRP 2008, 845 (854); offen­ bar auch OLG Hamm v. 01.02.2011 – I-4 U 196/10, MMR 2011, 523 (524). 233  Handig, GRUR Int. 2008, 24 (28).

A.  Das Marktortprinzip

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die Anwendbarkeit der verschiedenen Rechtsordnungen gelten würden, weil jedes Sachrecht die Spürbarkeitsgrenze anders oder gar nicht definieren könnte.234 Daher könne eine fixe kollisionsrechtliche Spürbarkeitsschwelle die Rechtsanwendung vorhersehbarer machen.235 Das Kriterium der Spürbarkeit soll sich im Wege der Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbezie­ hungen oder der kollektiven Verbraucherinteressen begründen lassen.236 Es sei zu­ dem ein spezifisch kollisionsrechtliches Problem festzustellen, ob ein hinreichender Anknüpfungspunkt zu einem bestimmten Staat bestehe.237 bb) Stellungnahme Die unterschiedlichen Verständnisse zu der Frage, ob der Anknüpfungspunkt des Art.  6 Abs.  1 Rom II eine Prüfung der Spürbarkeit voraussetzt, haben Relevanz für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes. Eine kollisionsrechtliche Spürbar­ keitsschwelle, die sich auf die Verfügbarkeit des Produkts oder die Ausrichtung der Werbung bezieht, ist nämlich für reine Belästigungstatbestände nicht angebracht.238 Denn es ist nicht verständlich, weshalb etwa Verbraucher nicht vor belästigender E-Mail-Werbung geschützt werden sollten, wenn sie die beworbene Leistung nicht einmal in Anspruch nehmen können. Soweit die Literatur die Untauglichkeit der Kriterien der Spürbarkeitsprüfung für die Fallgruppe der Belästigung sieht, wandelt sie diese hierfür ab.239 Es liegt dann aber nicht mehr ein einheitliches Lauterkeits­ statut mit einer starren Anknüpfung an den Marktort vor, sondern es muss vielmehr in Bezug auf jedes beeinträchtigte Interesse der maßgebliche Anknüpfungspunkt – jedenfalls in Bezug auf die Spürbarkeit der Interessenbeeinträchtigung – gesondert ermittelt werden. Das aber hebt das in Erwägungsgrund 21 S.  1 genannte Ziel der Präzisierung – und damit der einheitlichen Fixierung – des Ortes des Schadensein­ tritts auf. Sollte Art.  6 Abs.  1 Rom II eine Spürbarkeitsgrenze zu Grunde liegen, müsste man daher wohl konsequenterweise Belästigungstatbestände schon aus die­ sem Grunde vom Anknüpfungsgegenstand von vornherein ausnehmen.240 Es be­ darf folglich schon deshalb einer Klärung, ob Art.  6 Abs.  1 Rom II überhaupt eine Prüfung der Spürbarkeit kennt. Auf den ersten Blick erscheint dem Kriterium der Spürbarkeit ein hohes Maß an Praktikabilität zuzukommen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die ins Auge gefassten Vereinfachungen der Rechtsanwendung in der ökonomischen Realität 234 

MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  173. Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (753 ff.). 236  Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  24; Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  152; de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (179); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  643, 652; Ul­ lmann jurisPK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  109. 237  Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  25. 238  Dies anerkennend Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  733. 239  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  733 ff. 240  Siehe zu dieser Qualifikationsfrage Teil 5 B. II. 3. 235 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

doch ihrerseits recht kompliziert werden. So wird etwa zu Recht darauf hingewie­ sen 241, dass eine Werbung für ein eigenes Produkt oftmals in ihren Wirkungen auch als Förderung fremden Wettbewerbs interpretierbar sein kann. Das verlangt nach Modifikationen des Begriffs der Spürbarkeit, soll es bei den regelmäßig als maßgeb­ lich betrachteten Kriterien wie insbesondere Disclaimern und Währungsangaben auf Internetseiten verbleiben, obwohl diese die Möglichkeit eines Warenbezugs von dritter Seite und damit die Förderung fremden Wettbewerbs nicht ausschließen kön­ nen.242 Die Handhabung des Spürbarkeitskriteriums ist daher schon theoretisch nicht einfach. Auch erscheint die Spürbarkeitsprüfung vor allem dann reizvoll, wenn der Sach­ verhalt im Tatsächlichen hinsichtlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge fest­ steht und nur die ausländischen Rechtsordnungen unbekannt sind. Das muss aber nicht so sein und wird es meist auch nicht. Zu denken ist nur an das mögliche Zu­ sammenspiel mehrerer Marketingmaßnahmen des Schädigers, an die Wirkung von Werbung für das Image des Wettbewerbers243 sowie an die bereits angesprochene Möglichkeit der Förderung fremden Wettbewerbs. Man muss also bedenken, dass die Ungewissheit und Unüberschaubarkeit der anwendbaren Rechtsordnungen durch ein Kriterium eingeschränkt wird, das seinerseits mit den Ungewissheiten und Unüberschaubarkeiten der wirtschaftlichen Zusammenhänge behaftet ist.244 Die in der Literatur in anderem Zusammenhang aufgestellte These, dass die zügige Beurteilung einer einzelnen Geschäftspraktik eine Loslösung von einer aufwändi­ gen Prüfung wirtschaftlicher Zusammenhänge im Rahmen des Kollisionsrechts erfordere245, muss deshalb ebenso gegen das Spürbarkeitskriterium sprechen. Ob man zudem über alle diese Zusammenhänge wirklich Beweis erheben sollte, er­ scheint zweifelhaft246: Geht man davon aus, dass in Internetfällen ohne die Spürbar­ keitsprüfung die Rechtsordnungen aller Staaten anwendbar seien, so müssten kon­ sequenterweise auch beim Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit für jeden Markt der Welt die jeweiligen wirtschaftlichen Zusammenhänge durchgeprüft werden. In den Fällen, in denen letztlich das Kriterium der Spürbarkeit doch erfüllt ist, ergibt sich überdies ein – im konkreten Fall – nutzlos gebliebener erheblicher Mehraufwand. Wer überhaupt die Spürbarkeit bzw. deren Fehlen zu beweisen hätte, bleibt eine andere, selten erörterte Frage.247 Zu Recht wird jedenfalls darauf hingewiesen, dass

241 

Höder, S.  76 ff.; ähnlich Sack, WRP 2000, 269 (274 f.) jeweils zum deutschen Recht. Höder, S.  76 ff. zum deutschen IPR, der allerdings im Ergebnis davon ausgeht, dass Disclaimer und angebotene Zahlungsmodi Einfluss auf den entstehenden „Substitutions­ druck“ haben könnten. 243  Diese beiden Kriterien nennt Löffler, WRP 2001, 379 (382). 244  Kritisch zu einer Spürbarkeitsprüfung unter deutschem Recht daher Löffler, WRP 2001, 379 (382). 245 So Höder, S.  115 gegen das Auswirkungsprinzip. 246  Ehrich, S.  89; Löffler, WRP 2001, 379 (382). 247  Das Problem sieht etwa Ehrich, S.  81, dort Fn.  205; allgemein für eine Beweislast der eine 242 Ausführlich

A.  Das Marktortprinzip

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der Gläubiger typischerweise die wirtschaftlichen Aktivitäten und Beziehungen des Schuldners nicht überschauen kann.248 In den wohl praktisch kritischsten Fällen kann die Spürbarkeitsgrenze zudem das Ziel der Einschränkung der Rechtsordnungen nicht erreichen, nämlich dann, wenn ein Unternehmen tatsächlich in mehreren Staaten oder gar weltweit tätig ist. Es bedarf daher, insbesondere bei einer Tätigkeit im Internet, anderer Regeln, um zu akzeptablen Ergebnissen zu gelangen, weil sich diese mit Art.  6 Abs.  1 Rom II, sei es mit oder ohne Spürbarkeitsprüfung, nicht finden lassen.249 Der schwerwiegendste Kritikpunkt ist aber ein anderer. Er besteht darin, dass das Spürbarkeitskriterium im Kollisionsrecht zu dogmatisch fragwürdigen Ergebnissen führt.250 In Wahrheit versuchen nämlich die Vertreter des Spürbarkeitsprinzips nicht, Wettbewerbsverhalten auf nicht spürbar betroffenen Märkten überhaupt noch einem Sachrecht zuzuordnen, sondern verlagern es in einen rechtsfreien Raum, der von Verboten frei ist.251 Damit werden die am Marktort geltenden Wertungen zur Frage, welcher Grad an Beeinträchtigung von Interessen ein Verbot rechtfertigen kann, vom Kollisionsrecht vorweggenommen.252 Die sich hieraus ergebenden Fol­ gen sind unklar: Wie etwa die Begründetheit einer Klage in Bezug auf ein Verhalten behandelt werden kann, das sich in einem keinem materiellen Recht unterworfenen Bereich abspielt, wird nicht erörtert. Es bleibt zum Beispiel im Dunkeln, ob und nach welchen Kriterien ggf. einer negativen Feststellungsklage stattzugeben wäre, die sich darauf stützt, in einem bestimmten Staat überhaupt keine oder nur eine nicht spürbare Beeinträchtigung herbeigeführt zu haben. Denn die Frage, ob eine negative Feststellungsklage begründet ist, ist an sich eine Frage des anwendbaren materiellen Rechts253, an dem es aber bei fehlender Spürbarkeit gerade fehlen müss­ te. Das Spürbarkeitskriterium kann daher als wenig überzeugende Übertragung früher unilateral ausgestalteter Kollisionsnormen des (insbesondere behördlichen) Kartellrechts angesehen werden, in denen das „kollisionsrechtliche“ Spürbarkeits­ kriterium die räumliche Begrenzung der Verbotsnormen bewirkt und damit dort wesentlich stimmiger wirkt.254 Im europäischen Kollisionsrecht haben all diese Bedenken an Gewicht gewon­ nen. bestimmte Rechtsordnung für einschlägig haltenden Partei Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  858; wohl auch Löffler, WRP 2001, 379 (382). 248  Ehrich, S.  89 mit weiteren Überlegungen; Löffler, WRP 2001, 379 (381). 249  Diese unterschiedliche Interessenlage sieht wohl auch Ehrich, S.  156. 250  Das erkennt auch Handig, GRUR Int. 2008, 24 (28, dort Fn.  75) an; vgl. auch de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (179). 251  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  26 im Anschluss an Löffler, WRP 2001, 379 (383). 252  Zum deutschen Recht Löffler, WRP 2001, 379 (383, 384), der daher „Vertrauen auf die Rich­ tigkeit der berufenen Rechtsordnung“ verlangt; zum europäischen Recht Piper/Ohly/Sosnitza/ Ohly, Einf B Rn.  26. 253  Calliess/Halfmeier, Art.  1 Rome II Rn.  71; Halfmeier, S.  288. 254  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  26.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Dass die Spürbarkeitsprüfung speziell im europäischen Kollisionsrecht nur ein­ seitig funktioniert, zeigt Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II: Denn auch hierbei geht es in der Sache um eine unilaterale Kollisionsnorm zur Anwendung der lex fori. Dem Wort­ laut nach ist nur hierfür eine wesentliche Beeinträchtigung des Marktes erforder­ lich.255 Im Übrigen verweist Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II bei Fehlen der Wesentlich­ keit nicht in den rechtsfreien Raum, sondern belässt es bei der Anwendbarkeit der durch Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II bezeichneten Rechtsordnungen 256. Ein strukturell vergleichbares Problem ergibt sich auch für die Auffassung, die das Kriterium des Ausrichtens i. S. des Internationalen Verbrauchervertragsrechts heranziehen will: So erfolgt auch im Bereich des Internationalen Vertragsrechts gemäß Art.  6 Abs.  3 Rom I der Rückgriff auf die allgemeinen Kollisionsnormen der Art.  3, 4 Rom I, wenn es am Merkmal des Ausrichtens fehlt. Eine entsprechende subsidiäre Kollisi­ onsnorm fehlt aber im Internationalen Lauterkeitsrecht. Das materiellrechtliche Verständnis der Spürbarkeitsgrenze wird für das europä­ ische Kollisionsrecht durch die Gesetzgebungsgeschichte erhärtet: Der Wortlaut von Art.  5 Abs.  1 des Verordnungsvorschlags von 2003257 enthielt noch ausdrück­ lich die Einschränkung „unmittelbar und wesentlich“.258 Die Literatur befand hier­ zu, dass ohne diesen Passus die Annahme einer Spürbarkeitsgrenze nicht zum Wortlaut der Norm gepasst hätte.259 Im Gesetzgebungsverfahren regte die österrei­ chische Delegation später die Streichung dieser Wörter an, weil es sich um Proble­ me des Sachrechts handle und auch für die Beurteilung unwesentlicher Beeinträch­ tigungen eine Kollisionsnorm vorhanden sein müsse.260 Ähnlich missfiel es der li­ tauischen Delegation, dass die Gerichte die Anwendung eines an sich einschlägigen Sachrechts aufgrund dieser kollisionsrechtlichen Tatbestandsmerkmale verweigern könnten.261 Daher sollte man die offenbar im Gesetzgebungsverfahren bewusst vor­ genommenen Änderungen nicht unterlaufen. Letztlich deuten auch aktuelle Tendenzen im Bereich des Internationalen Zivil­ prozessrechts an, dass die europäische Rechtsprechung die vom BGH eingeschlage­ nen Wege zum Problem der Spürbarkeit nicht nachvollzieht. Der BGH befürwortete in seiner Entscheidung Hotel Maritime die Auffassung, die Internationale Zustän­ 255  Den unterschiedlichen Wortlaut sehend und ihm folgend Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  38 f., 69; zurückhaltender Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (640 f.); anders Hellner, YBPrIL 2007, 49 (61 f.), die beiden letztgenannten zum Kartellrecht. 256  Rodríguez Pineau, J. Priv. Int. L. 2009, 311 (325). 257  KOM(2003), 427 endgültig, S.  38. 258  Hiermit argumentierend Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  38; Sack, WRP 2008, 845 (854). 259  Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (136). 260  Ratsdokument 9009/04 ADD 1 vom 03.05.2004, S.  2 , zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter ; hierauf weist Dickinson, Rome II, Rn.  6.54 hin. 261  Ratsdokument 9009/04 ADD 14; S.  3; zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter ; hierauf weist Dickinson, Rome II, Rn.  6.54 hin.

A.  Das Marktortprinzip

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digkeit nach Art.  5 Nr.  3 EuGVVO setze im Falle einer behaupteten Markenrechts­ verletzung voraus, dass die Website auf den Staat des angerufenen Gerichts abziele und dort eine „Interessenkollision“262 hervorrufe.263 Diese Entscheidung musste später ohne nähere Begründung als Präzedenzfall für das Lauterkeitsrecht herhal­ ten, wo Internationale Zuständigkeit und IPR dann parallel behandelt wurden.264 Demgegenüber lehnt der EuGH bei Internetfällen für das Markenrecht und das Per­ sönlichkeitsrecht eine derartige besondere Einschränkung des Ortes des Schaden­ seintritts im Rahmen des Art.  5 Nr.  3 EuGVVO ab265 und weist die entsprechende Prüfung der beeinträchtigten Interessen ausdrücklich allein dem Sachrecht zu.266 Es ist daher nur konsequent, wenn Kriterien „bestimmungsgemäßer Abrufbar­ keit“267 bzw. der Spürbarkeit auch im Bereich des Lauterkeitsrechts in IZVR 268 und IPR 269 keine Bedeutung zukommt. Entgegen in der Literatur vertretenen Bedenken ist in der Sache eine materiell­ rechtliche Spürbarkeitsprüfung auch im Anwendungsbereich der UGP-RL möglich. Zwar ist die These aufgestellt worden, dass das Sachrecht der UGP-RL keine „quan­ titative Spürbarkeit“ verlange und daher zur Lösung des multistate-Problems unge­ eignet sei.270 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Begriffe, welche die Voraussetzungen für die Unlauterkeit in Art.  5 Abs.  2 lit.  a und b UGP-RL beschrei­ ben, genügend Raum lassen, um eine Unlauterkeit bei fehlender Spürbarkeit zu ver­ neinen.271 So ist nach Art.  5 Abs.  2 lit.  b UGP-RL maßgeblich auf die Eignung zur Beeinflussung einer wirtschaftlichen Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers abzustellen, „den die geschäftliche Handlung erreicht oder an den sie sich richtet“. Der letztgenannte Passus scheint in multistate-Fällen erhebliche Auslegungsspiel­ räume zu eröffnen. Im Übrigen bietet immer noch das Merkmal des Widerspruchs zur beruflichen Sorgfalt nach Art.  5 lit.  a Rom II genügend Raum, um auf die Be­ sonderheiten von multistate-Fällen flexibel zu reagieren. Soweit im Übrigen eine einschränkende Auslegung des eigenen Sachrechts für derartige multistate-Fälle 262 

BGH v. 13.10.2004 – I ZR 163/02, GRUR 2005, 431 (432) – „Hotel Maritime“. BGH v. 13.10.2004 – I ZR 163/02, GRUR 2005, 431 (432) – „Hotel Maritime“, allerdings offenlassend. 264  BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (98 ff., insb. 100) –„Arzneimittelwerbung im Internet“; für parallele Behandlung der Bestimmung des Marktortes unter Berücksichtigung einer Spürbarkeitsprüfung etwa auch Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  805. 265  Für das Persönlichkeitsrecht EuGH v. 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10, GRUR Int. 2012, 47 (52) – eDate Advertising und Martinez; für das Markenrecht EuGH v. 19.04.2012 – C-523/10, GRUR 2012, 654 (655) – Wintersteiger. 266  EuGH v. 19.04.2012 – C-523/10, GRUR 2012, 654 (655) – Wintersteiger. 267  So der Terminus bei OGH v. 10.07.2012 – 4 Ob 33/12z, GRUR Int. 2013, 292 (294) – „Win­ terreifen“, mit der hier gezogenen Schlussfolgerung. 268  Auf eine unlautere Herabsetzung übertragend OGH v. 10.07.2012 – 4 Ob 33/12z, GRUR Int. 2013, 292 (294) – „Winterreifen“. 269  Vgl. bereits zu früherer EuGH-Rechtsprechung jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  22, im Ergebnis aber gegen Übernahme der dortigen Kriterien. 270  Handig, wbl 2008, 1 (8); ebenso ders., GRUR Int. 2008, 24 (28). 271 Anders Handig., GRUR Int. 2008, 24 (28). 263 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

nicht möglich sein sollte, kann es jedenfalls nicht Aufgabe des Kollisionsrechts sein, diesen weitgehenden sachrechtlichen Rechtsgüterschutz zu unterlaufen.272 Wo fremdes Sachrecht bereits bei einer äußerst leichten Gefahr einer Interessenbeein­ trächtigung auf seinem Gebiet seine Verbotsnormen in vollem Umfang anwenden möchte, muss man diese besonders restriktive Wertung hinnehmen und ggf. im Extremfall mit einer ordre public-Kontrolle arbeiten 273. Im Ergebnis ist eine kollisionsrechtliche Spürbarkeitsprüfung unter Geltung des europäischen Kollisionsrechts in Art.  6 Abs.  1 Rom II daher abzulehnen. Das be­ deutet auch, dass jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt Belästigungstatbestände nicht vom Anwendungsbereich des Art.  6 Abs.  1 Rom II zwingend ausgeschlossen sind. 6.  Ergebnis Die in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Orte der Beeinträchtigung der Wettbewerbs­ beziehungen und der kollektiven Interessen der Verbraucher können unter dem Be­ griff des Marktortes zusammengefasst werden. Die sprachlich getrennten Anknüp­ fungspunkte sind einheitlich am Punkt der Einwirkung zu lokalisieren. Im Bereich von multistate-Verstößen gilt die sog. Mosaikbetrachtung. Dabei ist die Aufteilung des Schadens auf die einzelnen Staatsgebiete anhand der dort eingetretenen Einwir­ kungen vorzunehmen. Anders als nach der Rechtsprechung zum deutschen IPR be­ darf die Marktortanknüpfung auch bei multistate-Delikten keiner Einschränkung wie einer Spürbarkeitsprüfung.

B.  Internationalkartellrechtliche Anknüpfungspunkte im Internationalen Lauterkeitsrecht? Die Marktortanknüpfung, wie sie in Art.  6 Abs.  1 Rom II vorliegt, wird in der Lite­ ratur unterschiedlich im Hinblick auf das Verhältnis zum Internationalen Kartellde­ liktsrecht beurteilt, welches in Art.  6 Abs.  3 Rom II normiert ist. Der Streit bedarf näherer Untersuchung, weil er auf den ersten Blick die grundlegende systematische Positionierung des Internationalen Lauterkeitsrechts im Verhältnis zu den Nachbar­ gebieten des Internationalen Kartellrechts und des allgemeinen Internationalen De­ liktsrechts betrifft.

272  Auf die Gefahr derartiger Wertungswidersprüche hinweisend MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  167, allerdings noch zum nationalen IPR. 273  Diesen Ausweg sieht auch de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (180).

B.  Internationalkartellrechtliche Anknüpfungspunkte

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I.  Das Auswirkungsprinzip Ein erheblicher Teil der Literatur sowohl zum deutschen als auch zum europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht wählt einen anderen Ausgangspunkt für die Be­ stimmung des Anknüpfungspunktes des Internationalen Lauterkeitsrechts und möchte in Anlehnung an das Internationale Kartellrecht an die Auswirkungen an­ knüpfen. Andere Teile der Literatur274 sind gegen eine Anwendung des Auswir­ kungsprinzips im Internationalen Lauterkeitsrecht. 1.  Dogmatischer Hintergrund Die erheblichen Schwierigkeiten bei der Einordnung der Marktortanknüpfung in das Internationale Deliktsrecht riefen bereits in Deutschland die Vertreter des sog. Auswirkungsprinzips275 auf den Plan. Diese betonten die Funktion des Lauterkeits­ rechts zur Herstellung wirksamen Wettbewerbs im öffentlichen Interesse und woll­ ten sich daher ganz von dem an privaten Interessen ausgerichteten Internationalen Deliktsrecht abwenden.276 Vielmehr sollte normativ an das in §  130 II GWB für das Internationale Kartellrecht festgeschriebene Auswirkungsprinzip angeknüpft wer­ den, um so einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt im Internationalen Wirtschafts­ recht zu verwenden.277 Diese Auffassung konnte sich auch darauf berufen, dass zum einen mittlerweile das Kartellrecht immer mehr Schadensersatzforderungen einzelner Wettbewerber vorsah und die beiden Rechtsgebiete damit nun auch hin­ sichtlich ihrer zivilrechtlichen Rechtsfolgen gleichförmiger verliefen 278 und zum anderen das Lauterkeitsrecht nach der Schutzzwecktrias i. S. v. §  1 UWG nun auch mehr Allgemeininteressen diente.279 Hinzu kam, dass die in Österreich für unlaute­ ren Wettbewerb bestehende Kollisionsnorm in §  48 Abs.  2 öIPRG a. F. sprachlich ebenfalls auf die Auswirkungen abstellte.280 Zudem wurde das Einwirkungsprinzip mit subjektiven Elementen und Verschuldensfragen assoziiert, die in Verbindung

274  Baetzgen, S.  97 ff.; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  31, 231; Köhler/Born­ kamm/Köhler, UWG Einl Rn.  5.6; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  134; Münch­ Komm­U WG/Mankowski, IntWettbR Rn.  142 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  23; gegen eine Gleichsetzung mit kartellrechtlichen Anknüpfungspunkten auch Courneault, S.  80; Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (122). 275  GroßKommUWG/Schricker, Einl F Rn.  165 (zurückhaltend); Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  104; Koos, WRP 2006, 499 (499 ff.); ders., IPRax 2007, 414 (414 f.); Kort, GRUR Int. 1994, 594 (598 ff.); Schricker, GRUR Int. 1982, 720 (724); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  392 ff.; Wengler, RabelsZ 19 (1954), 401 (416); ähnliche Ansätze Beater, 2002, §  31 Rn.  11 ff; Sandrock, GRUR Int. 1985, 507 (517 f.) Weber, GRUR Int. 1983, 26 (30). 276  Koos, WRP 2006, 499 (508 f. et passim); Kort, GRUR Int. 1994, 594 (598). 277  Koos, WRP 2006, 499 (508 f.); Kort, GRUR Int. 1994, 594 (598 ff.), Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  394. 278  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  104. 279  Koos, WRP 2006, 499 (500). 280  Koos, EuLF 2006, II-73 (II-74 f.).

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

mit dem Internationalen Deliktsrecht stehen und nicht zum Internationalen Lauter­ keitsrecht als Teil des Internationalen Wirtschaftsrechts passen sollten.281 Von allen Seiten wurde betont, dass all dies vor allem die dogmatische Herleitung und weniger das Resultat betreffe282 und eine schematische Übertragung der Maß­ stäbe des Internationalen Kartellrechts auf das Internationale Lauterkeitsrecht nicht gewollt sei283: Insbesondere gingen auch die Vertreter des Auswirkungsprinzips davon aus, dass der Spürbarkeitsprüfung nicht die Kriterien des Internationalen Kartellrechts zu Grunde lägen, da die Marktposition der Beteiligten hierbei im In­ ternationalen Lauterkeitsrecht außer Betracht zu bleiben habe284 oder ihr jedenfalls nicht dieselbe Bedeutung wie im Internationalen Kartellrecht zukomme285. Eine verbreitete Auffassung286 – darunter insbesondere die meisten 287 bisherigen Vertreter des Auswirkungsprinzips in Deutschland sowie die österreichische Lite­ ratur und Rechtsprechung – will den Anknüpfungspunkt der Auswirkungen auch für Art.  6 Abs.  1 Rom II übernehmen. Die Anhänger dieser Ansicht verfolgen dabei verschiedene Argumentationsansätze: Zum Teil wollen sie sich im Wege der histo­ rischen Auslegung auf die Gesetzgebungsmaterialien berufen, in denen sich der Ausdruck der „Auswirkungen auf diesen Markt“288 findet.289 Auch wird auf die in Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II genannte Präzisierungsfunktion zurückgegriffen: Da Art.  6 Abs.  1 Rom II nur eine Präzisierung von Art.  4 Abs.  1 Rom II sei, müsse bei Art.  6 Abs.  1 Rom II auf den Ort des Schadenseintritts, also den Erfolgsort, und nicht auf den Ort des schadensbegründenden Ereignisses, also den Handlungsort, abgestellt werden: Die Einwirkung sei aber lediglich eine Handlung, erst die Aus­ wirkung begründe durch die Veränderung der Wettbewerbsbedingungen einen

281  Koos, WRP 2006, 499 (505 f.), ders., IPRax 2007, 414 (415); Staudinger/Fezer/Koos, Int­ WirtschR Rn.  456. 282  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 230; Handig, GRUR Int. 2008, 24 (29); Harte/ Henning/Glöckner, Einl C Rn.  103; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  40; Koos, WRP 2006, 499 (508); Mook, S.  52; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  23. 283  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  105; Koos, WRP 2006, 499 (508); Staudinger/Fezer/ Koos, IntWirtschR Rn.  504, 524. 284  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  150 ff.; Kort, GRUR Int. 1994, 594 (599). 285  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  530. 286  OGH v. 09.08.2011 – 17 Ob 6/11y, GRUR Int. 2012, 464 (466 f.) – alcom-international.at; OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (474) – „HOBAS-Rohre – Rohrprodukte“; OGH v. 28.11.2012 – 4 Ob 202/12b, GRUR Int. 2013, 580 (582) – „Erster klimaneutraler Stempel“; Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  6 Rom II-VO Rn.  4; Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, S.  295 ff.; Grubinger, in: Beig u. a. S.  55 (57); Handig, GRUR Int. 2008, 24 (28, 29); ders., wbl 2008, 1 (8); Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  106 ff.; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  29; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  641 ff., insb. 644; Wiebe/G. Kodek/Handig, Rn.  279 f., vgl. auch Hamburg Group, RabelsZ 67 (2003), 1 (19), die ebenfalls einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt im Internationalen Lauterkeits- und Kartellrecht befürworteten. 287 Bei Beater, 2011, Rn.  722 ff. ist eine derartige Übertragung allerdings nicht ersichtlich. 288  Begründung zum Verordnungsvorschlag 2003, KOM(2003), 427 endg. S.  18. 289 So Handig, GRUR Int. 2008, 24 (29).

B.  Internationalkartellrechtliche Anknüpfungspunkte

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Schaden.290 Zugleich steht diese Ansicht allerdings der Einordnung des Internatio­ nalen Lauterkeitsrechts in das Internationale Deliktsrecht weiterhin ablehnend ge­ genüber und folgert auch daraus die Maßgeblichkeit des Auswirkungsprinzips.291 Zudem ergebe sich aus Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II sowie den Gesetzgebungs­ materialien, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II den Schutz der Volkswirtschaft im öffentli­ chen Interesse bezwecke.292 Der Begriff der Einwirkung wird zudem zum Teil wei­ terhin in Zusammenhang mit subjektiven Anknüpfungselementen gebracht, die nicht in das Regelungskonzept des Art.  6 Abs.  1 Rom II passten.293 Auch seien die Anknüpfungspunkte in Art.  6 Abs.  1 und Abs.  3 vom Wortlaut her ähnlich 294 und daher im Ergebnis in gleicher Weise auszulegen.295 Zudem folgten diese Vorschrif­ ten mit der systematischen Einbettung in denselben Artikel und dem gemeinsamen Art.  6 Abs.  4 Rom II einem einheitlichen Anknüpfungssystem.296 2.  Inhaltliche Ausgestaltung Terminologisch sollen nach dem Auswirkungsprinzip – im Gegensatz zur Recht­ sprechung des BGH zum deutschen IPR 297 – bereits bloße Auswirkungen einen An­ knüpfungspunkt im Internationalen Lauterkeitsrecht darstellen.298 Zum einen wird dieser Unterschied aber durch zahlreiche Einschränkungen wieder eingeebnet.299 Zum anderen ist auch zweifelhaft, ob damit wirklich stets das gemeint ist, was die BGH-Rechtsprechung unter dem Begriff der Auswirkungen verstand.300 Die inhaltliche Ausgestaltung des Auswirkungsprinzips wird nicht einheitlich vorgenommen: Zum Teil erschöpft sie sich in sehr abstrakten Formulierungen, die an eine Anknüpfung an die engste Verbindung erinnern.301 Das Erfordernis einer näheren Präzisierung wird zum Teil sogar anerkannt.302 Zum Teil halten Vertreter 290  Handig, GRUR Int. 2008, 24 (29); Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  111; Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  644. 291  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  639. 292  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  108, 109. 293  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  109; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  6 43. 294  Handig, GRUR Int. 2008, 24 (29). 295  Handig, GRUR Int. 2008, 24 (29); ders., wbl 2008, 1 (9). 296  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  110. 297  Gegen Anknüpfung an den als Auswirkungsort angesehenen Ort des Absatzes BGH v. 15.11.1990 – I ZR 22/89, BGHZ 113, 11 (15 f.) – „Kauf im Ausland“; BGH v. 26.11.1997 – I ZR 148/95, NJW 1998, 1227 (1228) – „Gewinnspiel im Ausland “; OLG Karlsruhe v. 02.04.1998 – 4 U 117/97, GRUR 1999, 354 (356) – „Pflanzenschutzmittelverkauf im Ausland”. 298 So Koos, WRP 2006, 499 (504). 299  Koos, WRP 2006, 499 (508). 300  Vgl. Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  142, der bei einem aus der BGH-Rechtsprechung gewählten Beispiel ersichtlich nicht an das anknüpft, was die Rechtsprechung als Auswirkungen bezeichnete, und letztlich zum selben Ergebnis kommt wie der BGH. 301  Koos, WRP 2006, 499 (507): „eine wertende und an einem kollisionsrechtlichen Verhältnis­ mäßigkeitsgedanken orientierte Gesamtabwägung“; ebenso Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  530, vgl. auch Rn.  507. 302  Koos, WRP 2006, 499 (508 f.); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  480.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

des Auswirkungsprinzips dieses ausdrücklich mit dem Abstellen auf die objektive Einwirkung für kompatibel303, sogar eindeutig im Sinne der Einwirkung auf den Werbemarkt304. Viele lassen immerhin offen, ob bei Werbemaßnahmen das Aus­ wirkungsprinzip durch den Werbemarkt oder den Absatzmarkt zu konkretisieren ist305, oder halten beide Orte für relevant306. Manche folgern dagegen aus dem Aus­ wirkungsprinzip die Maßgeblichkeit des Absatzmarktes im Gegensatz zum Werbe­ markt.307 Aus dem Zusammenspiel mit Art.  4 Abs.  1 Rom II wird zum Teil auch hergeleitet, dass nur an unmittelbare und nicht an indirekte Auswirkungen ange­ knüpft werden könne.308 3. Stellungnahme Als Verdienst der Vertreter der Auswirkungstheorie ist es anzuerkennen, zum deut­ schen IPR einen normativen Ansatzpunkt gefunden zu haben, mit dem sich die Marktortanknüpfung wesentlich einfacher erklären ließ als mit einer Auslegung der internationaldeliktsrechtlichen Normen des EGBGB, die mit dem Wortlaut letztlich wenig zu tun hatte309. Die sich immer mehr annähernden Schutzzwecke des Lauter­ keits- und Kartellrechts ließen es als gut vertretbar erscheinen, das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb kollisionsrechtlich in eine Reihe mit dem Kartellrecht und nicht mit dem (allgemeinen) Deliktsrecht zu stellen.310 Insofern mag auch der ge­ wählte Weg, vom Auswirkungsprinzip als solchem auszugehen und dieses für das Lauterkeitsrecht nach Bedarf zu präzisieren, nachvollziehbar gewesen sein. Diese Fragen der normativen Begründung der unstreitig als sachgerecht empfun­ denen Marktortanknüpfung sind aber mit Schaffung der eigenen Kollisionsnorm in Art.  6 Abs.  1 Rom II gegenstandslos geworden.311 Damit stellt sich die Frage, was der Streit um das Ein- und Auswirkungsprinzip unter der europäischen Rechtslage noch zu leisten vermag, insbesondere was er zur Klärung des Verhältnisses des Lauterkeitsrechts zum Internationalen Kartellrecht und zum Internationalen De­ liktsrecht beizutragen vermag. 303  Koos, EuLF 2006, II-73 (II-74) zur schweizerischen Rechtslage; Staudinger/Fezer/Koos, Int­ WirtschR Rn.  479. 304  OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (474) – „HOBAS-Rohre – Rohrpro­ dukte“; OGH v. 28.11.2012 – 4 Ob 202/12b, GRUR Int. 2013, 580 (582) – „Erster klimaneutraler Stempel“; GroßKommUWG/Schricker, Einl F Rn.  203; ebenso beim Ansatz von Beater, 2002, §  31 Rn.  36. 305  Grubinger, in: Beig u. a. S.  55 (57); Handig, GRUR Int. 2008, 24 (28); ders., wbl 2008, 1 (8); Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  29; Wiebe/G. Kodek/Handig, Einleitung Rn.  280. 306  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  508. 307  Wohl Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  6 Rom II-VO Rn.  4; so bereits Wengler, RabelsZ 19 (1954), 401 (417). 308  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  650, 701. 309  Kritisch zum Verhältnis zum Wortlaut Benecke, RIW 2003, 830 (834 f.). 310  Insoweit überzeugend Koos, EuLF 2006, II-73 (II-73). 311  So auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  36.

B.  Internationalkartellrechtliche Anknüpfungspunkte

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Die Idee, das gesamte Internationale Wirtschaftsrecht – Lauterkeits- wie Kartell­ recht – einem einheitlichen Statut zu unterstellen, kann spätestens unter Geltung der Verordnung Rom II ohnehin nicht mehr überzeugen. Eine (nur scheinbare) Gegen­ auffassung312 geht weiterhin von einem absoluten Gleichlauf von Internationalem Kartell- und Lauterkeitsrecht aus. Wäre dieser Ansatz richtig, wäre auch die Ab­ grenzung von Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  6 Abs.  3 Rom II ohne jede praktische Bedeutung und könnte vernachlässigt werden.313 Es läge dann möglicherweise nahe, schlicht einen einheitlichen Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Wirtschaftsrechts zu untersuchen.314 Doch ist eine solche Sicht der Dinge unter der Verordnung Rom II nicht nahelie­ gend: So sieht das Kartellstatut nach Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II eine Anknüpfung auch an die lex fori vor, die sich im Lauterkeitsrecht nach Art.  6 Abs.  1–2 Rom II nicht findet.315 Das spricht dafür, dass allenfalls eine gleiche Auslegung der Kollisi­ onsnormen in Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II in Betracht kommt. Aber selbst das wird nicht durchgehalten, da Vertreter des Auswirkungs­ prinzips jedenfalls im Hinblick auf die Frage einer Spürbarkeit im Kartellrecht und im Lauterkeitsrecht unterschiedliche Kriterien anwenden wollen.316 Eine strikte Orientierung an der kartellrechtlichen Anknüpfung kommt damit im Lauterkeits­ recht unstreitig nicht in Betracht. Will man im Internationalen Lauterkeitsrecht aber etwas anderes unter dem Be­ griff der Auswirkungen verstehen als im Internationalen Kartellrecht, droht der diskutierte Begriff der Auswirkungen zu verschwimmen.317 Wird der Begriff der Auswirkung in dem Sinne verstanden, dass der Richter letztlich im Wege einer Gesamtschau die maßgeblichen Rechtsordnungen auswählt, die hinreichend betrof­ fen sind, so nähert sich der Begriff letztlich an eine Generalklausel an, die dem Richter weites Ermessen einräumt.318 Das aber ist nicht damit zu vereinbaren, dass die Generalklausel des Art.  4 Abs.  3 Rom II im Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II gerade keine Anwendung finden soll und Art.  6 Abs.  1 Rom II darü­ ber hinaus sogar noch eine Präzisierung des Art.  4 Abs.  1 Rom II bewirken soll. Das von der Kommission erstrebte Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit im Interna­ tionalen Lauterkeitsrecht, das in diesem Bereich besonders wichtig ist, kann mit so einer Auslegung von Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht erreicht werden.319 Einem solchen

312 

Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  92. Vgl. Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  524. 314  So wohl der Ausgangspunkt von Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  392. 315  Zur Frage der analogen Anwendung der Norm siehe Teil 2 B. II. 316  Auch Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  103, 105, 151. 317  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  23; ähnlich bereits Höder, S.  111; für unbestimmt hält den Terminus der Einwirkung aber Koos, WRP 2006, 499 (502). 318 Ähnlich Höder, S.  114. 319  Zu Recht kritisch zur fehlenden Vorhersehbarkeit beim Auswirkungsprinzip auch Ehrich, S.  68 ff. 313 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

flexiblen inhaltlichen Verständnis der Auswirkungen kann daher nicht gefolgt wer­ den. Die Auffassungen, die ohnehin auch das Einwirkungsprinzip mit dem Auswir­ kungsprinzip für vereinbar halten, verfolgen demgegenüber keine vom hier vertre­ tenen Verständnis in der Sache abweichenden Anknüpfungspunkte. Gegen die An­ sicht, es komme auf den Absatzmarkt an, ist auf die Ausführungen oben320 zu ver­ weisen. Jedenfalls hat der Streit um das Auswirkungs- oder Einwirkungsprinzip für sich genommen keinen Einfluss auf den Inhalt der Anknüpfungspunkte.321 Damit reduziert sich das Problem auf ein terminologisches.322 Der Begriff der „Auswirkung“ ist als Anknüpfungspunkt nicht unmissverständlich: Er weckt Asso­ ziationen an den sehr weiten Auswirkungsbegriff des Kartellrechts323 sowie, zu­ mindest aus deutscher Sicht, an diejenigen Folgen eines Wettbewerbsverhaltens, denen in der Rechtsprechung des BGH zum deutschen IPR als Auswirkungen eine kollisionsrechtliche Bedeutung gerade abgesprochen wurde. Andererseits ist es aber zumindest nachvollziehbar, wenn die österreichische Rechtsprechung – erkennbar ohne inhaltlichen Unterschied 324 – weiterhin in Fortführung der bisherigen Termi­ nologie ihres IPR in §  48 Abs.  2 öIPRG a. F. an Auswirkungen anknüpft, die sie al­ lerdings wiederum mit der Einwirkung gleichsetzt. Dieses Vorgehen und die Viel­ falt der weiteren vorgeschlagenen Konkretisierungen des Begriffs der Auswirkung zeigen, dass sich die Auslegungsfragen, die sich im Zusammenhang mit den An­ knüpfungspunkten des Art.  6 Abs.  1 Rom II stellen, sprachlich mit der Differenzie­ rung von Auswirkung und Einwirkung nicht erfassen lassen.325 Auch die von manchem Vertreter des Auswirkungsprinzips vertretene Kernthe­ se, dass subjektive Elemente und das Ziel der Wettbewerbshandlung bei der An­ knüpfung keine Rolle spielten, lässt sich terminologisch nicht dem Begriff der „Auswirkung“ zuweisen. Die bisherige Verwendung dieses Begriffs in der Recht­ sprechung steht dem entgegen. Wo es etwa dem BGH überhaupt auf die Auswirkun­ gen ankam, nämlich als Einschränkung der durch den Einwirkungsort ermittelten Rechtsordnungen, hat ihn gerade die bestimmungsgemäße Auswirkung interes­

320 

Teil 2 A. II. 4. b). Ähnlich Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  230, 131; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  145; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  523. 322  Dies zugestehend, aber für wichtig haltend Koos, WRP 2006, 499 (508 f.); Staudinger/Fezer/ Koos, IntWirtschR Rn.  523. 323  So auch die Kritik von Staudinger/von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  313. 324  Deutlich etwa OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (474) – „HO­ BAS-Rohre – Rohrprodukte“; OGH v. 28.11.2012 – 4 Ob 202/12b, GRUR Int. 2013, 580 (582) – „Erster klimaneutraler Stempel“; bereits zum nationalen IPR sah Dethloff, Europäisierung, S.  66 beim Einwirkungsprinzip der deutschen Rechtsprechung und dem Auswirkungsprinzip der öster­ reichischen Rechtsprechung „keine nennenswerten Unterschiede“. 325  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  231 angesichts der häufigen Gleichsetzung von Ein- und Auswirkung. 321 

B.  Internationalkartellrechtliche Anknüpfungspunkte

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siert.326 Auch haben österreichische Gerichte327, die bisher gemäß §  48 Abs.  2 öIPRG a.F von vornherein sprachlich an die Auswirkung anknüpften, den Begriff der Auswirkung mit subjektiven Einschränkungen in Verbindung gebracht.328 Um­ gekehrt kann der Begriff der Einwirkung in einem rein objektiven Sinne verwendet werden329. Es erscheint auch zweifelhaft, ob der Begriff der Auswirkung, wie es zum Teil angestrebt wird, auf europäischer Ebene sinnvollerweise eine Distanz zum allge­ meinen Deliktsrecht zu benennen vermag. So hat der EuGH zu Art.  5 Nr.  3 EUGV­ VO auch in Fällen „klassischer“ Delikte den Ort des Schadenseintritts sprachlich gerade über die „schädigenden Auswirkungen“ definiert.330 Zudem besteht nach hier vertretener Auffassung unter europäischem Lauterkeitsrecht aber auch keine solche inhaltliche Distanz zwischen dem Internationalen Lauterkeitsrecht und dem allgemeinen Internationalen Deliktsrecht, da der Ort des Schadenseintritts in Art.  4 Abs.  1 Rom II ebenso objektiv zu verstehen ist wie die in Art.  6 Abs.  1 Rom II ge­ nannten Anknüpfungspunkte. Zur Begründung einer Marktortanknüpfung unter europäischer Rechtslage be­ darf es des Auswirkungsprinzips nicht mehr. Der Streit um das Auswirkungs- und Einwirkungsprinzip weist letztlich auch keine hinreichenden Konturen auf, um un­ terschiedliche Anknüpfungspunkte zu benennen. Das Auswirkungsprinzip vermag auch keinen Unterschied hinsichtlich der systematischen Stellung des Internationa­ len Lauterkeitsrechts zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht einerseits und zum Internationalen Kartelldeliktsrecht andererseits mehr zu verdeutlichen. Der Streit um das Auswirkungsprinzip ist damit spätestens unter Geltung von Art.  6 Abs.  1 Rom II unergiebig geworden.331 Festzuhalten ist, dass dem Internationalen Lauterkeitsrecht (Art.  6 Abs.  1 Rom II) und dem Internationalen Kartellrecht (Art.  6 Abs.  3 Rom II) unterschiedliche Anknüpfungspunkte zu Grunde liegen und die bei­ den Materien daher auch nicht als ein einheitlicher Anknüpfungsgegenstand ver­ standen werden können. Im Folgenden wird aus Gründen der Klarheit der Begriff des Auswirkungsprinzips nur für die Anknüpfung im Internationalen Kartellrecht verwendet.

326  BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (100) – „Arzneimittelwerbung im Internet“: „bestimmungsgemäß […] ausgewirkt“. 327  Vgl. die bei OGH v. 14.03.2005 – 4 Ob 255/04, GRUR Int. 2006, 351 (353) – „Sportwetten im Internet“ wiedergegebene, vom OGH nicht beanstandete Auffassung der Vorinstanz. 328  Auf die Entscheidung weist Koos, EuLF 2006, II-73 (II-74 f.) hin, scheint sie aber für unzu­ treffend zu halten; weitere Beispiele zum österreichischen Recht bei Staudinger/Fezer/Koos, Int­ WirtschR Rn.  482 ff. 329  Etwa Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  225. 330  EuGH v. 07.03.1995 – C-68/93, Slg. 1995, I-450 (I-461) – Shevill u. a., im Falle einer Persön­ lichkeitsrechtsverletzung. 331  Für eine Aufgabe des Meinungsstreits wohl auch Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schub­ mehl, S.  719 (737 f.).

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

II.  Das lex fori-Prinzip 1. Meinungsstand Vereinzelt wird auch im Internationalen Lauterkeitsrecht eine Anknüpfung an die lex fori analog Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II unter den in dieser Norm genannten Vor­ aussetzungen befürwortet.332 So wird der prozessökonomische Vorteil betont, eine Parallele zwischen anwendbarem Recht und Internationaler Zuständigkeit herzu­ stellen. Auch werde effektiver Rechtsschutz für den Geschädigten gewährleistet und die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts erleichtert, wobei die in Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II genannten Tatbestandsmerkmale auch die Belange des Schädigers hin­ reichend wahrten. Die meisten lehnen eine derartige Analogie demgegenüber ab.333 Nach seiner sprachlichen Formulierung und seiner Einbettung in Absatz 3 beziehe sich Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II eindeutig nur auf das Kartelldeliktsrecht.334 Eine Analogie wi­ derspreche auch dem Ausnahmecharakter dieser Norm, die sich nicht in das allge­ meine Regelungskonzept der Verordnung Rom II einfüge.335 2. Stellungnahme Die Frage, ob Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II analog auf das Lauterkeitsrecht anwendbar ist, ist von besonderer Bedeutung für die Systematik der Anknüpfungsgegenstände. Wäre dies der Fall, so wäre das Internationale Lauterkeitsrecht dem Internationalen Kartellrecht deutlich angenähert. Für eine Analogie bedürfte es aber einer planwidrigen Regelungslücke.336 Es trifft zu, dass dem Unionsgesetzgeber eine solche angesichts der deutlichen Zuord­ nung der Norm zum Kartellrecht nicht unterstellt werden kann. Die Norm überlässt dem Kläger zudem die Wahl des anwendbaren Rechts in Abhängigkeit vom gewähl­ ten Gerichtsstand und führt damit zu forum shopping.337 Sie passt daher nicht zur Grundidee der Verordnung Rom II, die den internationalen Entscheidungseinklang

332 So G. Wagner, IPRax 2008, 1 (8) mit den hier wiedergegebenen Argumenten; die unter­ schiedliche Behandlung von Kartell- und Lauterkeitsrecht durch Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II leuchtet auch Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (23) nicht ein. 333  Gegen Analogie Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  55; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  20; Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (456); Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  34; für nicht anwendbar halten die Vorschrift auch Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  154a; Plender/Wilderspin, Rn.  20-051; Wadlow, EIPR 2008, 309 (315). 334  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  55; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  20. 335 Wohl Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (456); ein anderes Konzept sieht auch Rodríguez Pineau, AEDIPr 2007, 447 (455). 336  jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  20, der eine solche verneint. 337  Rodríguez Pineau, AEDIPr 2007, 447 (459).

C.  Das Herkunftslandprinzip

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in der Union wahren will.338 Daher ist nicht ersichtlich, dass dem Gesetzgeber eine planwidrige Regelungslücke unterlaufen ist.339 Darüber hinaus fehlt es an einer mit dem Kartellprivatrecht vergleichbaren Inte­ ressenlage. Die Vorschrift verfolgt nämlich primär das Ziel, die unionsrechtlich ge­ botene private Rechtsdurchsetzung im Bereich des Kartellrechts340 zu erleichtern.341 Dagegen verlangt das Unionsrecht im Bereich des Lauterkeitsrechts ausweislich des Wortlauts von Erwägungsgrund 9 S.  1 UGP-RL gerade nicht, dass Geschädigte mit Schadensersatzansprüchen den unionsrechtlichen Regeln zur Durchsetzung verhel­ fen können. Ist eine privatrechtliche Rechtsdurchsetzung mit Schadensersatzan­ sprüchen im unionsrechtlichen Lauterkeitsrecht schon materiellrechtlich nicht ge­ boten342 , bedarf es auch keiner besonderen kollisionsrechtlichen Erleichterung bei der Durchsetzung derartiger Ansprüche. Letztlich spricht alles dafür, Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II nicht analog im Internati­ onalen Lauterkeitsrecht anzuwenden.

C.  Das Herkunftslandprinzip Die Diskussion des Internationalen Lauterkeitsrechts hat in den letzten Jahren dem im Unionsrecht verankerten Herkunftslandprinzip besondere Beachtung ge­ schenkt.343 Bei der Betrachtung des Anknüpfungsgegenstands des Internationalen Lauterkeitsrechts in der Verordnung Rom II ist es dagegen nicht sinnvoll, dieses Problem näher zu erörtern. Anders als zum Teil in der Literatur angeregt344, folgt Art.  6 Abs.  1–2 Rom II dem Herkunftslandprinzip nämlich nicht.345 Diejenigen Rechtsakte des Unionsrechts, die das Herkunftslandprinzip vorsehen, sind zudem in ihren Regelungsmaterien nicht lauterkeitsspezifisch, sondern haben vielmehr ih­ ren eigenen, vom Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Lauterkeitsrechts 338 Vgl. Rodríguez Pineau, AEDIPr 2007, 447 (455): „más ‚comunitaria‘ que internacional pri­ vatística”. 339  jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  20. 340  Grundlegend EuGH v. 20.09.2001, C-453/99, Slg. 2001, I-6314 (I-6323 ff.) – Courage und Crehan; zuletzt EuGH v. 06.06.2013, C-536/11, EuZW 2013, 586 (587 ff.) – Donau Chemie u. a. 341  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  6 4; Plender/Wilderspin, Rn.  20-072; Rodríguez Pineau, AEDIPr 2007, 447 (448 ff.); dies; J. Priv. Int. L. 2009, 311 (326). 342 Anderes hält allerdings Twigg-Flesner/Parry, in: Weatherill/Bernitz, S.  215 (230 f.) für möglich; von einer Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu kartellrechtlichen Schadensersatzan­ sprüchen geht wohl auch G. Wagner, IPRax 2008, 1 (8) aus. 343  Vgl. zur äußerst umfangreichen Literatur zu diesem Problem etwa die Monografien von Baetzgen, insb. S.  234 ff., S.  273 ff.; Dethloff, Europäisierung, S.  284 ff. et passim; Höder, S.  139 ff.; Grandpierre, insb. S.  169 ff.; Thünken, insb. S.  101 ff. 344  Dethloff, Europäisierung, S.  284 ff.; Hamburg Group, RabelsZ 67 (2003), 1 (20) für Binnen­ marktsachverhalte; für Unterlassungsansprüche auch G. Wagner, IPRax 2006, 372 (381). 345  Positiv bewertend von Hein, ZEuP 2009, 6 (9); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (721 f.); Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (454); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  31.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

losgelösten, Anwendungsbereich.346 Für die wohl wichtigste Regelung des Her­ kunftslandprinzips in Art.  3 Abs.  2 E-Commerce-Richtlinie347 ist mittlerweile ver­ bindlich entschieden, dass das hierin enthaltene Herkunftslandprinzip keine beson­ dere Kollisionsnorm, sondern vielmehr nur eine sachrechtliche Berücksichtigung vorschreibt.348 Das Herkunftslandprinzip spielt aus all diesen Gründen für die Be­ stimmung des Anknüpfungsgegenstands des Internationalen Lauterkeitsrechts un­ ter der Verordnung Rom II keine Rolle.

D.  Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße Abweichungen von der bisher untersuchten Marktortanknüpfung galten und gelten auch unter der Verordnung Rom II dagegen für sog. bilaterale Wettbewerbsverstö­ ße. I.  Bilaterale Wettbewerbsverstöße im deutschen Recht 1.  Rechtsprechung bis zur Verordnung Rom II In der deutschen Rechtsprechung finden sich die bilateralen Wettbewerbsverstöße der Sache nach zum ersten Mal in der Stahlexport-Entscheidung349 aus dem Jahre 1963. Hierbei ging es um die Frage, ob für deutsche Unternehmer im Verhältnis zueinander auch auf ausländischen Märkten das deutsche Lauterkeitsrecht gilt.350 Der BGH schloss eine solche Anknüpfung im Grundsatz aus.351 Hiergegen sprach nämlich aus Sicht des BGH das Interesse des Schädigers an der Vorhersehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung: Es könne zum einen unüberschaubar sein, ob auch irgendein deutscher Mitbewerber auf dem Auslandsmarkt tätig sei und damit das eigene Auslandsverhalten folglich (auch) nach deutschem Recht zu beurteilen sei.352 Zum anderen bestehe das Problem, dass jederzeit unvorhergesehen ein deut­ scher Mitbewerber auf den ausländischen Markt eintreten könne und die für längere Zeit geplanten, bisher rechtmäßigen Marketingmaßnahmen dadurch rechtswidrig

346 

Zur E-Commerce-Richtlinie Harte/Henning/Glöckner, Einl C, dort Fn.  140. Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektro­ nischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsver­ kehr“), ABl. L 178 vom 17.07.2000, S.  1 ff. 348  EuGH v. 25.10.2011 – C-509/09, C-161/10, GRUR Int. 2012, 47 (51 f.) – eDate Advertising und Martinez. 349  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 ff. – „Stahlexport“. 350  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (395 ff.) – „Stahlexport“. 351  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (395) – „Stahlexport“. 352  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (396 f.) – „Stahlexport“. 347 

D.  Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße

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würden.353 Daneben nannte der BGH den „Grundsatz der Waffengleichheit der Mit­ bewerber“, mit dem sich die Anwendung deutschen Rechts im Verhältnis der deut­ schen Unternehmen untereinander nicht vertrage.354 Der BGH ließ aber ausnahmsweise eine Beurteilung nach deutschem Recht dann zu, wenn auf dem ausländischen Markt nur deutsche Wettbewerber existierten oder wenn sich das Wettbewerbsverhalten in besonderer Weise gegen Interessen eines deutschen Konkurrenten wandte.355 Hierbei argumentierte er mit den Interessen der Beteiligten: So betonte er das Interesse des geschädigten Mitbewerbers an Individu­ alschutz.356 Der Schädiger hingegen schaffe selbst durch die Ausrichtung seines Angriffs auf den deutschen Wettbewerber den hinreichenden Bezug zur deutschen Rechtsordnung.357 Daher sei in einem derartigen Fall die Anwendung deutschen Rechts für ihn auch vorhersehbar.358 Ob die Interessen Dritter auch in Fällen derar­ tiger Wettbewerbsverstöße die Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts verbie­ ten könnten, ließ der BGH zunächst offen.359 Jedenfalls wenn alleine oder haupt­ sächlich die Interessen des deutschen Mitbewerbers beeinträchtigt seien, waren diese Drittinteressen nach Auffassung des BGH nicht ausschlaggebend.360 Diese sollten selbst bei einer möglichen Irreführung der Abnehmer im Falle einer Rufaus­ beutung und Schädigung der Geschäftsehre nicht relevant sein.361 In einer späteren Entscheidung schloss der BGH dann konsequenterweise die Anwendung des ge­ meinsamen deutschen Heimatrechts für Fälle aus, in denen nach seiner Auffassung der Schutz der ausländischen Verbraucher im Vordergrund stand.362 Trotz dieser Interessenanalyse wollte der BGH die Entscheidung für das gemein­ same Heimatrecht nicht auf die Anwendung eines gemeinsamen ausländischen Heimatrechts übertragen: Eine Übernahme der Stahlexport-Maßstäbe auf die Situ­ ation, in der derartige bilaterale Wettbewerbsverstöße zwischen ausländischen Un­ ternehmern auf dem deutschen Markt begangen wurden, wurde in der Entscheidung Ein Champagner unter den Mineralwässern abgelehnt.363 In der Sache handelte es sich also um eine unilateral ausgestaltete Kollisionsnorm.364

353 

BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (396 f.) – „Stahlexport“. BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (397) – „Stahlexport“. 355  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (397) – „Stahlexport“. 356  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (397, 399) – „Stahlexport“. 357  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (397) – „Stahlexport“. 358  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (397) – „Stahlexport“. 359  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (399) – „Stahlexport“. 360  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (399) – „Stahlexport“. 361  BGH v. 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (398 f.) – „Stahlexport“. 362  BGH v. 11.03.1982 – I ZR 39/78, GRUR Int. 1982, 495 (498) – „Domgarten-Brand”. 363  BGH v. 04.06.1987 – I ZR 109/85, NJW 1988, 644 (645) – „Ein Champagner unter den Mi­ neralwässern“; ohne IPR-Probleme anzusprechen bereits BGH v. 06.12.1963 – Ib ZR 37/62, BGHZ 41, 55 (55 ff.). – „Klemmbausteine I“. 364  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  478: „einseitige Kollisionsregel“ (Hervorhebung im Original durch Fettdruck). 354 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Nach dieser Rechtsprechung bestanden also der Sache nach drei voneinander zu unterscheidende Kollisionsnormen: Erstens gab es das Lauterkeitsstatut mit der Marktortanknüpfung unter Ausschluss der Anknüpfung an das gemeinsame Hei­ matrecht. Zweitens gab es für die als bilateral angesehenen Lauterkeitsverstöße eine Regelung, die den Regeln des Lauterkeitsstatuts weitestgehend folgte, mit der einzi­ gen Ausnahme, dass sie die Anknüpfung an das gemeinsame deutsche Heimatrecht zuließ.365 Drittens366 folgte das allgemeine Deliktsstatut insbesondere mit dem Ubi­ quitätsprinzip bzw. ab der EGBGB-Reform von 1999 der Anknüpfung an den Handlungsort mit Optionsmöglichkeit des Geschädigten für den Erfolgsort wieder­ um anderen Regeln.367 2.  Literatur und spätere Rechtsprechung In der Literatur wurde diese Dreiteilung allerdings selten368 vorgenommen. Worauf sich die mit der Stahlexport-Entscheidung begründete Rechtsprechung dogmatisch stützen ließ, hielt die Literatur für fragwürdig.369 Auch wurde für zweifelhaft gehal­ ten, warum die entsprechenden Kollisionsregeln nur einseitig anzuwenden waren, und dabei insbesondere die Vereinbarkeit mit dem fremdenrechtlichen Gleichbe­ handlungsgrundsatz nach Art.  2 PVÜ in Zweifel gezogen.370 Diese Einseitigkeit wurde auch mit dem Ziel des internationalen Entscheidungseinklangs für nicht kompatibel gehalten.371 Im Übrigen wurde kritisiert, dass der Anknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht eine nicht vorhersehbare Abwägung der betroffenen Inte­ ressen der Marktbeteiligten zu Grunde liege.372 Auch wurde bestritten, dass die Anwendung deutschen Rechts auf Auslandsmärkten im Verhältnis deutscher Wett­ bewerber untereinander mit dem Ziel der Waffengleichheit der Wettbewerber ver­ einbar sei.373 Die Ausnahme für den Auslandswettbewerb allein unter Inländern unterlag wei­ terer Kritik 374: So komme es für die Feststellung, ob ein ausschließlich unter Inlän­ 365 

MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  139. Auch MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  140 betont, dass das allgemeine Delikts­ statut und bilaterale Wettbewerbsbeziehungen nicht vermischt werden dürften, und misst dieser Unterscheidung auch weiterhin Bedeutung bei. 367  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  77 ff. 368  Ahrens, in: FS Tilmann, S.  739 (750), der möglicherweise aber auch nur die Rechtsprechung wiedergibt; Dethloff, Europäisierung, S.  74, dort Fn.  137 lässt offen, ob bilaterale Wettbewerbsver­ stöße anderen Regeln folgen als das allgemeine Internationale Deliktsrecht. 369 Zuletzt Ehrich, S.  60 f. 370  Sack, GRUR Int. 1988, 320 (326); ders., WRP 2000, 269 (280). 371  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  285; Weber, GRUR Int. 1983, 26 (28 f.). 372  Dethloff, Europäisierung, S.  73. 373  Beitzke, JuS 1966, 130 (144); Bernhard, GRUR Int. 1992, 366 (372); Dethloff, Europäisie­ rung, S.  73; Kort, GRUR Int. 1994, 594 (596); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  282; Weber, GRUR Int. 1983, 26 (28); Sack, GRUR Int. 1988, 320 (326); Sack, WRP 2000, 269 (280). 374  Lindacher, WRP 1996, 645 (648 f.); kritisch auch Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  498. 366 

D.  Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße

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dern ablaufender Auslandswettbewerb vorliege, darauf an, wie weit das Gericht im Einzelfall den maßgeblichen Produktmarkt verstehe.375 Durch die stets bestehende Möglichkeit, dass Wettbewerber den Markt verlassen oder in den Markt eintreten, drohe auch die Gefahr eines unerkannten Statutenwechsels.376 Da nur deutsche, nicht aber ausländische Unternehmen mit dieser Rechtsunsicherheit belastet wür­ den, verstoße die Kollisionsnorm auch hier gegen den Grundsatz der Chancen­ gleichheit der Wettbewerber.377 Diese Ausnahme sei zudem in der wirtschaftlichen Realität immer bedeutungsloser.378 In der Literatur wurde die Fallgruppe der bilateralen Wettbewerbsverstöße zum Teil allein dem allgemeinen Deliktsstatut379, zum Teil dem (allgemeinen) Lauter­ keitsstatut380 zugeschlagen. Eine differenzierende Auffassung381 unterschied da­ nach, ob eine Einwirkung i. S. der Einwirkungstheorie vorlag, und wandte nur in diesen Fällen das Lauterkeitsstatut, im Übrigen das allgemeine Deliktsstatut, an. Der BGH schloss sich diesem Differenzierungskriterium nach Inkrafttreten der Verordnung Rom II auch für das deutsche Internationale Lauterkeitsrecht an, ohne allerdings das Verhältnis der bilateralen Wettbewerbsverstöße zum allgemeinen In­ ternationalen Deliktsrecht zu erörtern.382 II.  Bilaterale Wettbewerbsverstöße nach Art.  6 Abs.  2 Rom II Art.  6 Abs.  2 verweist für Wettbewerbsverhalten, das „ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers beeinträchtigt“, auf die allgemeine Kollisions­ norm des Art.  4 Rom II. Um den Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II sinnvoll abgrenzen zu können, gilt es, Klarheit darüber zu erlangen, ob auch Art.  6 Abs.  2 Rom II, wie es zumindest die ältere BGH-Rechtsprechung zum deutschen IPR annahm, neben dem allgemeinen Deliktsstatut und dem allgemeinen Lauter­ keitsstatut eine dritte Spur bereithält383 oder aber ob Art.  6 Abs.  2 Rom II vielmehr – ähnlich dem Ansatz der überwiegenden Literatur zum deutschen IPR – nur be­ 375 

Dethloff, Europäisierung, S.  77. Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 251; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (326); ohne auf das Problem der Erkennbarkeit einzugehen, bereits Beitzke, JuS 1966, 139 (143 f.). 377  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 251. 378  Dethloff, Europäisierung, S.  77; Ehrich, S.  77 f.; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (326); Weber, GRUR Int. 1983, 26 (28). 379  Baetzgen, S.  90 ff.; Höder, S.  36; Lindacher, WRP 1996, 645 (649); Piper/Ohly/Sosnitza/ Ohly, Einf B Rn.  14. 380  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  281 ff.; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirt­ schR Rn.  635. 381  Dethloff, Europäisierung, S.  73 ff.; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.14, 5.15; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (330); ders., WRP 2000, 269 (280); Staudinger/von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  315 ff.; ähnlich MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  235 f., 247. 382  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (70 ff.) – „Ausschreibung in Bulgarien“. 383  So besonders deutlich MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  140. 376 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

stimmte Fälle dem allgemeinen Deliktsstatut zuordnet384. Dazu muss untersucht werden, ob im Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  2 Rom II andere Anknüpfungs­ punkte maßgeblich sind, als sie das allgemeine Deliktsstatut vorsieht.385 In der Lite­ ratur sind mögliche Unterschiede bei der Bestimmung des Ortes des Schadensein­ tritts, der Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt und der Möglichkeit einer Rechtswahl nach Art.  14 Rom II in Betracht gezogen worden.386 1.  Ermittlung des Ortes des Schadenseintritts nach Art.  4 Abs.  1 Rom II Unsicherheit besteht im Hinblick auf die Frage, wie der Anknüpfungspunkt des Schadenseintritts in Art.  6 Abs.  2 Rom II i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II auszulegen ist. a) Meinungsstand Zum Teil wird davon ausgegangen, dass Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II denselben Anknüpfungspunkt wie Art.  6 Abs.  1 Rom II und damit den Marktort bezeichne.387 Nach einer anderen Auffassung388 ist bei bilateralen Wettbewerbsver­ hältnissen der Ort des Schadenseintritts derjenige am Sitz des geschädigten Wettbe­ werbers. Eine Variante dieser Ansicht will noch nach dem jeweiligen „Betrieb oder Betriebsteil“ differenzieren.389 Nach einer dritten Meinung lassen sich keine allge­ meingültigen Aussagen über den Ort des Schadenseintritts treffen; vielmehr soll hiernach maßgeblich sein, wo sich eine erstmalige Beeinträchtigung des jeweils geschützten Rechtsguts oder Interesses des betroffenen Wettbewerbers ereignet hat.390 384 

So besonders deutlich Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (142). Ähnlich das Vorgehen von Sack, GRUR Int. 2012, 601 (601 ff.), wenn auch mit anderen Er­ gebnissen. 386  Aufbau der folgenden Untersuchung der einzelnen Anknüpfungspunkte parellel zu Sack, GRUR Int. 2012, 601 (601 ff.). 387  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  119; Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (21); Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  662; Wadlow, JIPLP 2009, 789 (794); für den Regelfall auch Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-86); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (511 f.). 388  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  157; Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (123); weitgehend auch Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (761); de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (163); ohne sich festzulegen dafür argumentierend auch Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (458); unklar Coureault, S.  278 einerseits, S.  292 andererseits. 389  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (602); ebenso Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  10. 390  Ausdrücklich dazu tendierend OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (472) – „HOBAS-Rohre – Rohrprodukte“; Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  161 f. (wohl implizit in einem Beispiel); Erman/Hohloch, Anh Art 42 EGBGB, VO Rom II Art.  6 Rn.  8; Hellner, YBPrIL 2007, 49 (57); Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  18; wohl auch G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  51 ff. mit Differenzierungen nach Fallgruppen; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  46, die nur regelmäßig von der Anknüpfung an den Sitz aus­ gehen; gegen Marktort auch KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (62). 385 

D.  Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße

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b) Stellungnahme Gegen eine Anknüpfung an den Marktort im Rahmen von Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II spricht in systematischer Hinsicht, dass Art.  6 Abs.  2 Rom II gerade auf den gesamten Art.  4 Rom II verweist.391 Das spricht dafür, dass auch der darin enthaltene Verweis auf Art.  4 Abs.  1 Rom II einen anderen Anknüpfungs­ punkt als Art.  6 Abs.  1 Rom II bezeichnen soll.392 Wäre anderes gewollt gewesen, hätte allein eine Verweisung auf Art.  4 Abs.  2–3 Rom II näher gelegen.393 Eine sol­ che Verweisung allein auf die Auflockerungstatbestände war in Art.  5 Abs.  2 VO-E 2003 und Art.  7 Abs.  2 VO-E 2006 auch zunächst vorgesehen. Sie ist aber nach Kritik in der Literatur394 nicht so in Art.  6 Abs.  2 Rom II übernommen worden. Daher spricht die historische Auslegung dafür, dass Art.  6 Abs.  2 Rom II i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II jedenfalls nicht stets auf den Marktort verweist.395 Ein Argument für eine Anknüpfung an den Marktort soll Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II sein: Die Tatsache, dass hiernach Art.  6 Abs.  1 Rom II nur eine Präzi­ sierung des Art.  4 Abs.  1 Rom II ist, soll eine Gleichbehandlung von Art.  6 Abs.  1 und Art.  4 Abs.  1 Rom II nahelegen.396 Ein Widerspruch zu Erwägungsgrund 21 S.  1 besteht aber entgegen dieser Argumentation397 auch gerade dann nicht, wenn man Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II nicht im Sinne einer Marktortan­ knüpfung auslegt: Denn Art.  6 Abs.  1 Rom II präzisiert nur den Ort des unmittelba­ ren Schadenseintritts. Werden aber außerhalb des Marktgeschehens Rechtsgüter verletzt – eine Konstellation, für die Art.  6 Abs.  2 Rom II völlig unstreitig398 ein­ schlägig ist –, so liegt es nahe, dass der Ort des unmittelbaren Schadenseintritts ein anderer als der in Art.  6 Abs.  1 Rom II bezeichnete Marktort sein muss.399 Daher ist die Gleichsetzung von Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II mit dem Marktort jedenfalls nicht allgemein richtig. Für den Unternehmenssitz als festen Anknüpfungspunkt soll die Rechtssicherheit sprechen.400 Er soll für das Opfer den „Mittelpunkt seiner Vermögensinteressen“ darstellen.401 Zudem führe eine andere Auslegung des Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II zu Ergebnissen, die dem mit Art.  6 Abs.  2 Rom II bezweckten erhöh­ 391 

Hellner, YBPrIL 2007, 49 (57). Hellner, YBPrIL 2007, 49 (57). 393  OGH v. 09.08.2011 – 17 Ob 6/11y, GRUR Int. 2012, 464 (466) – „alcom-international.at“; Hellner, YBPrIL 2007, 49 (57). 394  Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (12); Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (142); MünchKomm­ UWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  31a; G. Wagner, IPRax 2006, 372 (380). 395 Ebenso Hellner, YBPrIL 2007, 49 (57). 396 Etwa Hellner, YBPrIL 2007, 49 (57); das Argument akzeptierend OGH v. 09.08.2011 – 17 Ob 6/11y, GRUR Int. 2012, 464 (466) – „alcom-international.at“. 397  Hellner, YBPrIL 2007, 49 (57) hält deshalb Erwägungsgrund 21 S.  1 für unzutreffend. 398  Siehe Teil 3 B. I. 399 Für unpassend hält eine Marktortanknüpfung in dieser Konstellation im Ergebnis auch MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  243. 400  Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (457). 401  Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (123): „centre de ses intérêts patrimoniaux“. 392 

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

ten Individualschutz weniger gerecht würden.402 Der Vorteil einer derartigen An­ knüpfung für den Geschädigten wird zum einen in der Anwendung seines Heimat­ rechts, zum anderen darin gesehen, dass der Anspruch auf weltweite Unterlassung oder Ersatz aller weltweit entstandenen Schäden nach einer einzigen Rechtsord­ nung beurteilt werden kann, ohne dass die Mosaikbetrachtung einschlägig wäre.403 Für eine Maßgeblichkeit des Sitzes wird auf eine entsprechende ausdrückliche Re­ gelung in Art.  136 Abs.  2 IPRG CH und in der Cambridge-Resolution verwiesen.404 Gegen eine pauschale Gleichsetzung mit dem Ort des Unternehmenssitzes spricht aber, dass der Kommission Art.  136 Abs.  2 IPRG CH bekannt war405. In Art.  136 Abs.  2 IPRG CH wird für bilaterale Wettbewerbsverstöße aber nicht auf das allge­ meine Deliktsstatut verwiesen, sondern ausdrücklich auf den Ort der betroffenen Niederlassung abgestellt. Eine solche Sonderregelung ist nicht in Art.  6 Abs.  2 Rom II übernommen worden406, obwohl eine entsprechende Regelung im Gesetzge­ bungsverfahren von französischer Seite durchaus angeregt worden war407. Gerade vor diesem Hintergrund liegt es näher, dass der Ort des Schadenseintritts nach den allgemeinen Regeln bestimmt werden muss. Vor allem aber kann eine pauschale Anknüpfung an den Sitz des geschädigten Unternehmens systematisch nicht überzeugen. Hierbei soll nämlich auf die Defini­ tion des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art.  23 Rom II zurückgegriffen werden.408 Wäre aber schon in Fällen von Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II der ge­ wöhnliche Aufenthalt des Geschädigten der maßgebliche Anknüpfungspunkt, wür­ de die Unterscheidung zwischen Art.  4 Abs.  1 und Abs.  2 Rom II eingeebnet409: Beide Vorschriften bezeichneten dann den gewöhnlichen Aufenthalt des Geschä­ digten.410 Das Erfordernis des Art.  4 Abs.  2 Rom II, dass der Schädiger seinen ge­ wöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben muss, wäre ausgehebelt.411 Zu beachten ist auch der systematische Zusammenhang zum Internationalen Zi­ vilverfahrensrecht: Die Zuordnung des Ortes des Schadenseintritts zum Sitz des geschädigten Unternehmens müsste bei bilateralen Wettbewerbsverhältnissen auch auf Art.  5 Nr.  3 EuGVVO übertragbar sein, wenn eine einheitliche Auslegung ge­ wahrt werden soll.412 In seiner bisherigen Rechtsprechung, die allerdings nicht das Lauterkeitsrecht betraf, hat sich der EuGH bei Vermögensschäden gegen eine pau­ 402 

Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (458). Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (458). 404 So Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (123). 405  Vgl. Begründung zu Art.  5 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 endgültig, S.  18. 406  Auf diesen Unterschied weist auch Hellner, YBPrIL 2007, 49 (56) hin. 407  Ratsdokument 9009/04 ADD 12 vom 24.05.2004, S.  2; zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 408  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  157. 409  Als Vorteil sieht dies MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  158. 410  Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (458). 411 Unkritisch Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (458). 412  Von einer Gleichbehandlung geht auch Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (458) aus. 403 

D.  Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße

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schale Verortung des Schadenseintritts am Ort des Unternehmenssitzes ausgespro­ chen.413 Manche übertragen dies auf Art.  6 Abs.  2 Rom II und sehen dementspre­ chend am Ort des Unternehmenssitzes nur indirekte Schadensfolgen.414 Zum Teil wird demgegenüber versucht, für die Fälle des Art.  6 Abs.  2 Rom II eine Abwei­ chung von der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zu begründen: Im Unterschied zu den bisher entschiedenen Fällen sei in Fällen des Art.  6 Abs.  2 Rom II das maßgeb­ liche wirtschaftliche Interesse von vornherein am Sitz des Unternehmens belegen, sodass erst dort überhaupt ein unmittelbarer Schaden eintrete.415 Dass dies in allen Fällen von Art.  6 Abs.  2 Rom II zutreffen soll, erscheint aber nicht überzeugend. Zuzugeben ist, dass der Schadenseintritt tatsächlich in vielen Fällen am Ort des Sitzes oder der Niederlassung erfolgen kann und wird.416 Eine Anknüpfung an den betroffenen Teil des Unternehmens dürfte sich sogar noch weitergehend mit der konkretisierten allgemeinen Anknüpfung decken. Das gilt dann, wenn, wie meist, das rechtlich geschützte Interesse sich innerhalb der räumlichen Sphäre des Unter­ nehmens befindet und daher die Interessenbeeinträchtigung an einem Unterneh­ mensteil verortet werden kann. Dennoch sind Fälle möglich, in denen das geschütz­ te Interesse außerhalb der betrieblichen Sphäre liegt: Zu denken wäre beispiels­ weise an Sabotageakte an Arbeitsmitteln eines Mitbewerbers, während diese im Außendienst verwendet werden. In derartigen Fällen muss es bei der allgemeinen Anknüpfung an den Ort des Schadenseintritts verstanden als Ort einer Interessen­ beeinträchtigung bleiben und im Beispielsfall also etwa an den Belegenheitsort der Arbeitsmittel im Zeitpunkt des Sabotageakts angeknüpft werden. Dass Zweifel bei der Konkretisierung des Schadenseintritts im Einzelfall verblei­ ben, ist zuzugestehen.417 Diese Unsicherheit liegt aber darin begründet, dass der Begriff des Schadenseintritts in Art.  4 Abs.  1 Rom II abstrakt gefasst ist und der Ort des Schadenseintritts stets erst im Lichte der jeweils konkret geschützten Interessen genau lokalisiert werden kann418. Das ist ein Charakteristikum der Kollisionsnorm des Art.  4 Abs.  1 Rom II und kann nicht für den Spezialfall bilateraler Wettbe­ werbsverstöße im Wege einer Pauschallösung korrigiert werden.

413  EuGH v. 19.09.1995 – C-364/93, Slg. 1995, I-2733 (I-2739) – Marinari; EuGH v. 10.06.2004, C-168/02, Slg. 2004, I-6022 (I-6029 ff.) – Kronhofer; auf diese EuGH-Rechtsprechung in diesem Zusammenhang hinweisend OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (472) – „HO­ BAS-Rohre – Rohrprodukte“; Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (21). 414  OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (472) – „HOBAS-Rohre – Rohrpro­ dukte“; Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (21); ohne die EuGH-Rechtsprechung anzuführen ebenso Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  118; Sack, GRUR Int. 2012, 601 (602); Staudinger/Fezer/ Koos, IntWirtschR Rn.  66. 415 So Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (761). 416  So auch Heinze, IPrax 2009, 231 (236); Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (12); Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  18. 417  Diese sieht etwa G. Wagner, IPRax 2006, 372 (380). 418  Vgl. in diesem Sinne zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO Harte/Henning/Glöckner, Einleitung D Rn.  21.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

Letztlich ist der Begriff des Schadenseintritts in Art.  6 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II daher ebenso wie derjenige des allgemeinen Deliktsrechts immer unter Be­ rücksichtigung der konkreten Interessenbeeinträchtigung aufzubereiten, wobei eine „allgemeine“ Präzisierung nicht möglich ist. 2.  Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  4 Abs.  2 Rom II a) Meinungsstand In der Literatur ist zudem die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Auf­ enthalt nach Art.  4 Abs.  2 auf Kritik gestoßen.419 Diese Norm gefährde die Chan­ cengleichheit der Wettbewerber.420 Daher ist vereinzelt421 vorgeschlagen worden, Art.  4 Abs.  3 Rom II „wettbewerbsadäquat“422 in einer Weise zu interpretieren, nach der im Normalfall eine offensichtlich engere Verbindung zum Recht des ge­ schädigten „Betrieb[s] oder Betriebsteil[s]“423 bestehen soll. Im Lauterkeitsrecht sei nämlich der Schutz vor „Wettbewerbsverzerrungen“424 in die Bewertung der kolli­ sionsrechtlichen Belange nach Art.  4 Abs.  3 Rom II besonders einzustellen, sodass Art.  4 Abs.  2 Rom II letztlich nicht zum Zuge kommen soll. b) Stellungnahme Der Ansatz, der Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  3 Rom II regelmäßig Vorrang vor Art.  6 Abs.  2 i. V. m. 4 Abs.  2 Rom II einräumen will, überzeugt nicht. Schon die Systematik erweckt Zweifel. Art.  4 Abs.  3 Rom II hat Ausnahmecha­ rakter425: Ihm für eine ganze Fallgruppe durchschlagende Bedeutung beizumessen geht sehr weit, insbesondere falls der Gesetzgeber diese Fallgruppe als solche in Art.  6 Abs.  2 Rom II klar gesehen und es schlicht bei der Anwendung des gesamten Art.  4 Rom II belassen hat. Die vorgeschlagene Auslegung würde de facto Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  2 Rom II leerlaufen lassen.426 Dieses „gesetzeskorrigierende“ Ergebnis im Rahmen der Auslegung des Begriffs der „offensichtlich engeren Verbindung“ wäre allenfalls dann plausibel, wenn der 419  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  252 sprechen sich – möglicherweise aber nur rechtspolitisch – deutlich gegen eine Anknüpfung gegen den gemeinsamen gewöhnlichen Aufent­ halt aus. 420  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (602 f.). 421  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (602 f.) auch zum Folgenden; anders noch Sack, WRP 2008, 845 (851); für Anwendbarkeit von Art.  4 Abs.  2 Rom II etwa auch Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  663. 422  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603). 423  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (602). 424  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603). 425  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603), der allerdings derartige Ausnahmefälle insoweit gerade annehmen will. 426  Offenbar gewollt von Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603).

D.  Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße

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Gesetzgeber sich über die Verweisung auf Art.  4 Abs.  2 Rom II nicht im Klaren gewesen wäre. Die historische Auslegung lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Aufnahme von Art.  4 Abs.  2 Rom II in die Verweisung nicht auf einem Versehen beruhen kann, sondern vielmehr als Kern des Art.  6 Abs.  2 Rom II anzusehen ist: So enthielt der Entwurf von Art.  5 Abs.  2 VO-E 2003 noch ausdrücklich eine Ver­ weisung (allein) auf die (heutigen) Art.  4 Abs.  2 und 3 Rom II.427 Die Kommission erläuterte dazu, dass die Norm u. a. an die deutsche Entscheidungspraxis und die schweizerische Rechtslage unter Art.  136 Abs.  2 IPRG CH anknüpfe.428 Die deut­ schen Entscheidungen zu bilateralen Wettbewerbsverhaltensweisen betrafen aus­ schließlich die Anknüpfung an den gemeinsamen deutschen Unternehmenssitz.429 Der von der Kommission zitierte Art.  136 Abs.  2 IPRG CH knüpft sogar stets an die „betroffene Niederlassung“ „des Geschädigten“ an. Das schließt aus, dass die An­ knüpfung an den gemeinsamen Niederlassungsstaat nicht von der Verweisung er­ fasst sein sollte. Das von dieser Ansicht verfolgte Ziel der Erreichung von Chancengleichheit ist zudem zweifelhaft: Denn die von dieser Ansicht angeführten Wettbewerbsbezie­ hungen sind in Art.  6 Abs.  1 Rom II ausdrücklich als Anknüpfungspunkt benannt und vom Gesetzgeber offensichtlich für bilaterale Wettbewerbsbeziehungen nicht in gleicher Weise für maßgeblich gehalten worden. Diesem Aspekt kann auch deshalb in der Abwägung nach Art.  4 Abs.  3 Rom II kein besonderes Gewicht zukommen. Zudem ist zu bedenken, dass das Ziel der Erreichung der Chancengleichheit auch speziell über die Ausschaltung des Art.  4 Abs.  2 Rom II nicht erreicht wird: Schon die Anknüpfung an den Ort des Schadenseintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II führt nämlich zu unterschiedlichen anwendbaren Rechtsordnungen, wenn sich die Rechtsgüter der Konkurrenten in verschiedenen Staaten befinden. Im Ergebnis ist daher an der Anwendbarkeit von Art.  4 Abs.  2 Rom II im Anwen­ dungsbereich von Art.  6 Abs.  2 Rom II festzuhalten. 3.  Möglichkeit einer Rechtswahl nach Art.  14 Rom II a) Meinungsstand Nach herrschender Auffassung430 unterscheidet sich die Anknüpfung der bilatera­ len Wettbewerbsbeziehungen von der allgemeindeliktischen Anknüpfung nicht hin­ 427  KOM(2003) 427 endgültig, S.  38; dies sieht auch Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603, dort Fn.  1). 428  KOM(2003) 427 endgültig, S.  18. 429  Vgl. Teil 2 D. I. 1. 430  Baetzgen, S.  91; Coureault, S.  158; Dickinson, Rome II, Rn.  6.75; Erman/Hohloch, Anh Art 42 EGBGB, VO Rom II Art.  6 Rn.  8; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (763); Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-82); Hk-BGB/Dörner, Art.  6 Rom II-VO Rn.  7; Gebauer/ Wiedmann/A. Staudinger, Kap.  38 Rn.  47, allerdings zurückhaltend; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  54; Joubert, in: Corneloup/Joubert, S.  55 (69); jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  36; KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (730 f.); Leible, RIW

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

sichtlich der Möglichkeit einer Rechtswahl: Auch bei bilateralen Wettbewerbsbezie­ hungen sind die Parteien demnach nicht daran gehindert, im Wege einer Rechtswahl das anwendbare Recht selbst zu bestimmen. Die Gegenauffassung431 verneint dem­ gegenüber die Möglichkeit einer Rechtswahl bei bilateralen Wettbewerbsverstößen. Dabei beruft sie sich auf den Wortlaut des Art.  6 Abs.  4 Rom II, nach dem Art.  6 Abs.  4 Rom II für den gesamten Art.  6 Rom II gelte.432 Im Übrigen sei bei einer Zulassung der Rechtswahl nicht verständlich, weshalb in Art.  6 Abs.  2 Rom II ein eigener Anknüpfungsgegenstand normiert sei, wenn dessen Anknüpfungspunkte sich nicht von den allgemeinen Regeln der Art.  4, 14 Rom II unterschieden.433 Zu­ dem stößt die Sonderbehandlung bilateralen Wettbewerbsverhaltens bei manchen Autoren ohnehin auf rechtspolitische Bedenken434; eine noch weitere Loslösung dieser Fallgruppe von den allgemeinen Regeln des Internationalen Lauterkeitsrechts durch Zulassung einer Rechtswahl wird daher aus diesem Blickwinkel kritisch ge­ sehen.435 In teleologischer Hinsicht wird gegen eine Rechtswahl insbesondere mit den vom Lauterkeitsrecht geschützten Interessen argumentiert: Auch ein bilateraler Wettbewerbsverstoß beeinträchtige die Interessen der Konkurrenten und das Inter­ esse am reibungslosen Funktionieren der Marktwirtschaft.436 Die anwendbare Rechtsordnung dürfe daher nicht der Parteiautonomie unterliegen.437 b) Stellungnahme Der Wortlaut von Art.  6 Abs.  4 Rom II scheint sich bei erster Lektüre in der Tat auf den gesamten Art.  6 Rom II zu beziehen.438 Dieses Problem wird von den Befür­ wortern einer Rechtwahl oftmals im Wege einer teleologischen Reduktion des 2008, 257 (259); Nishitani, YBPrIL 2007, 175 (190, dort Fn.  80); Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (124); Plender/Wilderspin, Rn.  20-053; PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  6; Rauscher/ Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  48 f.; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (438); wohl auch Rühl, in: FS Kropholler, S.  187 (202); Thorn, in: Kieninger/Remien, S.  139 (154); Wadlow, EIPR 2008, 309 (312, dort Fn.  36); ders., JIPLP 2009, 789 (797); G. Wagner, IPRax 2008, 1 (8). 431  Beater, 2011, Rn.  746, allerdings mit rechtspolitischer Kritik; de Boer, YBPrIL 2007, 19 (24 f.) ebenfalls mit (wohl nur) rechtspolitischer Kritik; Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  161; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  17, 167, 258; Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  20; von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (500); ders., Tul. L. Rev. 2008, 1663 (1701 f.); ders., ZEuP 2009, 6 (23); Kindler, S.  146; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  160; Sack, WRP 2008, 845 (851); ders., GRUR Int. 2012, 601 (603 f.); Schacherreiter, in: Beig u. a., S.  1 (8); Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  670; Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (508), ebenfalls mit rechts­ politischer Kritik; unsicher Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  30. 432  von Hein, Tul. L. Rev. 2008, 1663 (1701); ders., ZEuP 2009, 6 (23); Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (508). 433  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  160. 434  von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (500), der dies auch offen als Argument angibt; ders., ZVglRWiss 2003, 528 (556); MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  143 ff. 435  von Hein, ZEuP 2009, 6 (23); ders., RabelsZ 73 (2009), 461 (500). 436  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603 f.); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  671. 437  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  671. 438 Ebenso Plender/Wilderspin, Rn.  20-035.

D.  Ausnahme von der Marktortanknüpfung: Bilaterale Wettbewerbsverstöße

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Art.  6 Abs.  4 Rom II439 oder aber dadurch gelöst, dass Art.  6 Abs.  2 Rom II als voll­ ständiger Verweis auf das allgemeine Internationale Deliktsrechts i. S. v. Art.  4, 14 Rom II gelesen wird440. Genau betrachtet ist der Wortlaut des Art.  6 Abs.  4 Rom II aber schon gar nicht so eindeutig441: Er schließt eine Abweichung von „dem nach diesem Artikel [= Artikel 6] anzuwendenden Recht“ durch Rechtswahl aus. Dage­ gen ist nach dem Wortlaut von Art.  6 Abs.  2 Rom II für den dort genannten Fall gerade „Artikel 4 anwendbar“. Das kann man so verstehen, dass Art.  6 Abs.  2 Rom II lediglich den Anwendungsbereich der Spezialvorschrift des Art.  6 Abs.  1 Rom II zu Gunsten von Art.  4 Rom II einschränken will, ohne aber eine eigenstän­ dige Kollisionsnorm zu begründen.442 Das spräche dann dafür, hier schon keinen Fall eines nach Art.  6 Rom II anzuwendenden Rechts anzunehmen.443 Dieses Er­ gebnis legt auch die Systematik nahe. Art.  6 Abs.  4 Rom II weist Ausnahmecharak­ ter im Verhältnis zu Art.  14 Rom II auf, was ein enges Verständnis von Art.  6 Abs.  4 Rom II rechtfertigt.444 Die teleologische Argumentation, dass auch bei bilateralen Wettbewerbsbezie­ hungen stets auch die Interessen von Verbrauchern, der Allgemeinheit und anderer Konkurrenten berührt seien, ist von vornherein mit dem Blickwinkel, den Art.  6 Abs.  2 Rom II gerade auf die ausschließliche Beeinträchtigung der Interessen eines bestimmten Wettbewerbers richtet, schwer zu vereinbaren.445 Das Argument, dass sonstige beeinträchtigte Interessen nicht vollständig ausgeblendet werden könn­ ten446, greift im Übrigen aber auch zu kurz. Dieser Einwand gegen eine Rechtswahl kann nämlich allenfalls dann überzeugen, wenn ein bestimmtes Interesse der Allge­ meinheit oder der Mitbewerber durch die Rechtswahl beeinträchtigt wird, das durch die objektive Anknüpfung besser gewahrt werden kann. Das könnte der Fall sein, wenn die objektive Anknüpfung einen Schutz der kolli­ sionsrechtlichen Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit gewährleisten 439  Hk-BGB/Dörner, Art.  6 Rom II-VO Rn.  7; Thorn: in: Kieninger/Remien, S.  139 (154); G. Wagner, IPRax 2008, 1 (8). 440  PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  6. 441  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  17 halten beide Wortlautauslegungen für mög­ lich; anders Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603): „unmissverständlich“. 442  Vgl. MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  246. 443 Ebenso Dickinson, Rome II, Rn.  6.75; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (730 f.); Leible, RIW 2008, 257 (259); Plender/Wilderspin, Rn.  20-053; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  30; Rau­ scher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II Rn.  49; Rühl, in: FS Kropholler, S.  187 (202); ähnlich Wadlow, EIPR 2008, 309 (312, dort Fn.  36); ablehnend gegenüber dieser Argumentation aber Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (763); von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (500); ders., Tul. L. Rev. 2008, 1663 (1701). 444  Huber/Illmer, Art.  6 Rn. 54; Plender/Wildersprin, Rn.  20-053. 445  Erman/Hohloch, Anh Art 42 EGBGB; VO Rom II Art.  6 Rn.  8; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  54; PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  6; Plender/Wilderspin, Rn.  20-053; Piper/Ohly/Sosnitza/ Ohly, Einf B Rn.  30; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436); Rühl, in: FS Kropholler, S.  187 (202); Wadlow, EIPR 2008, 309 (312, dort Fn.  36); anders Sack, GRUR Int. 2012, 601 (603 f.), der meint, der Wortlaut könne über die Interessenlage „nicht hinwegtäuschen“. 446  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  671.

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Teil 2:  Verständnis der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts

sollte. Dazu müsste Art.  6 Abs.  2 Rom II solche Interessen besonders berücksichti­ gen. Dagegen spricht aber schon der Wortlaut des Art.  6 Abs.  2 Rom II. Zudem nimmt Art.  6 Abs.  2 Rom II schlicht auf Art.  4 Rom II Bezug, der gerade dem Aus­ gleich von Individualinteressen dient.447 Insbesondere wird bei der Anwendung von Art.  4 Abs.  2–3 Rom II den Interessen Dritter keine Bedeutung beigemessen.448 Der Marktortanknüpfung folgt Art.  6 Abs.  2 Rom II gerade nicht. Werden aber in Ab­ weichung von der Marktortanknüpfung bei der objektiven Anknüpfung nach Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Rom II die kollisionsrechtlichen Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit nicht geschützt, braucht das hiernach gefundene Ergebnis auch nicht gegen eine Rechtswahl abgesichert zu werden.449 Zutreffend ist daher die Auffassung, die im Falle bilateralen Wettbewerbsverhal­ tens eine Rechtswahl nach Maßgabe von Art.  14 Rom II zulässt. 4. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Art.  6 Abs.  2 Rom II auf das allgemeine Delikts­ statut verweist, ohne dass sich Unterschiede ergäben.450 Einer näheren Differenzie­ rung zwischen dem allgemeinen Deliktsstatut und bilateralen Wettbewerbsverstö­ ßen bedarf es daher nicht.451 Die Verordnung Rom II unterscheidet rechtsfolgen­ technisch nur zwischen der Marktortanknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II und der allgemeinen deliktischen Anknüpfung nach (Art.  6 Abs.  2 i. V. m.) Art.  4, 14 Rom II. Diese Zweigleisigkeit soll im Folgenden der Abgrenzung der Anknüpfungsgegen­ stände zu Grunde gelegt werden.

447 

Ähnlich PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  6. Dies meint wohl auch Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  54 Rom II, wenn er betont, dem Ausschluss der Rechtswahl und der Ausweichklauseln im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II liege derselbe Gedanke zu Grunde. 449  In diese Richtung KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  6. 450  So auch Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  52. 451  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17: „keine praktische Bedeutung“. 448 

Teil 3

Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II Nähert man sich dem Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II vom Wort­ laut her, so bedarf es zunächst eines Wettbewerbsverhaltens, welches sodann unlau­ ter sein und ein außervertragliches Schuldverhältnis begründet haben muss. Aus­ gangspunkt der Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes des Internationalen Lauterkeitsrechts muss somit der Begriff des Wettbewerbsverhaltens sein. Von den meisten Autoren wird dementsprechend ein verhaltensbezogenes Element ange­ sprochen: Der Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Lauterkeitsrechts soll auf eine abgrenzbare Gruppe von Verhaltensweisen beschränkt sein, die einen be­ stimmten Bezug zum Wettbewerb aufweisen.1 Um Missverständnissen vorzubeugen, ist klarzustellen, dass die folgenden Erwä­ gungen nur den Begriff des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II be­ treffen und für Art.  6 Abs.  2 Rom II keine Geltung zu beanspruchen. Auf das Ver­ hältnis zu anderen Verhaltensweisen, insbesondere zu Wettbewerbsverhalten, das unter Art.  6 Abs.  2 Rom II fällt, wird anschließend gesondert einzugehen sein.

A.  Bestimmung des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II I.  Ausgangspunkt: „Geschäftspraktiken“ i. S. v. Art.  2 lit.  d UGP-RL Zur Konkretisierung des Begriffs des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II wird in systematischer Hinsicht vor allem ein Rückgriff auf den Begriff der Geschäftspraktiken i. S. v. Art.  2 lit.  d UGP-RL vorgeschlagen 2 , der wie folgt lautet: Artikel 2 UGP-RL Definitionen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck […] 1 Etwa Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (731); Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  88, die dies wie hier im Wortlaut am Begriff des Wettbewerbsverhaltens festmachen; in der Sache auch Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (21); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  10; Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  13. 2  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (731); jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  5; Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636) zu Art.  5 VO-E 2003.

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

d) „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern“ (nachstehend auch „Geschäftspraktiken“ genannt) jede Handlung, Unterlassung, Verhal­ tensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marke­ ting eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt; […]

Diesen Begriff der Geschäftspraktiken als Ausgangspunkt zu nehmen, bietet sich nicht nur deshalb an, weil er der Begriff im materiellen Unionsrecht ist, der dem des Wettbewerbsverhaltens am ehesten entspricht. Er erfasst insbesondere auch die Werbung im Sinne der Werberichtlinie, da Werbung nur ein Spezialfall von Ge­ schäftspraktiken darstellt3, sodass er im Grundsatz geeignet ist, das gesamte Lau­ terkeitsrecht der Union zu erfassen. Rechtfertigen lässt sich die Übernahme auch damit, dass mit diesem Begriff immerhin überhaupt eine unionsweit annehmbare und handhabbare Definition gefunden wird.4 Auch ist der Begriff der Geschäfts­ praktiken ohnehin extensiv auszulegen5 und erscheint daher geeignet, unterschied­ lichste Arten von „Wettbewerbsverhalten“ erfassen zu können. Wichtiger aber erscheint, dass auch materiellrechtlich die Grenze zu anderen Re­ gelungskomplexen anhand dieses Kriteriums verläuft. So überprüft der EuGH nati­ onale Regelungen dann auf ihre Übereinstimmung mit den in der UGP-RL festge­ legten Anforderungen, wenn die nationalen Regeln eine Geschäftspraxis betreffen.6 Man wird daher annehmen dürfen, dass beliebige nationale Regelungen, die keine Geschäftspraxis betreffen, von der UGP-RL nicht beeinflusst werden und daneben Bestand haben. Demnach stellen Vorschriften über Geschäftspraktiken ein in sich geschlossenes und von anderen Normen prinzipiell unabhängiges Regelungsregime dar. Zeigt das materielle Recht ein derart deutliches Kriterium auf, anhand dessen es bestimmte Rechtsfragen zusammenfasst und von anderen trennt, liegt es nahe, dies auch auf den grenzüberschreitenden Bereich und damit auf das Kollisionsrecht zu übertragen. Wie bereits angesprochen7, ist der Begriff des Wettbewerbsverhaltens in Art.  6 Abs.  1 Rom II aber nicht mit dem der Geschäftspraxis aus der UGP-RL identisch. Begründen lässt sich diese sprachliche Abweichung damit, dass der Begriff des Wettbewerbsverhalten in Art.  6 Abs.  1 Rom II weiter ist als der in der UGP-RL vor­

3 

Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (30). So die Argumentation von Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636). 5  EuGH v. 09.11.2010 – C-540/08, GRUR Int. 2011, 46 (49) – Mediaprint Zeitungs- und Zeit­ schriftenverlag. 6  EuGH v. 23.04.2009 – C-261/07, C-299/07, Slg. 2009, I-2993 (I-3019) – VTB-VAB und Gala­ tea; EuGH v. 14.01.2010 – C-304/08, GRUR Int. 2010, 221 (224) – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH v. 09.11.2010 – C-540/08, GRUR Int. 2011, 46 (49) – Mediaprint Zeitungs- und Zeitschrif­ tenverlag. 7  Teil 1 C. II. 1. 4 

A.  Bestimmung des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

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gesehene, sodass der dortige Begriff der Geschäftspraktiken einiger Modifikatio­ nen bedarf.8 Auf diese soll im Folgenden eingegangen werden. II.  Modifikationen in persönlicher Hinsicht Darüber, dass eine vollständige Übertragung des Begriffs der Geschäftspraktiken auf das Internationale Lauterkeitsrecht nicht möglich ist, besteht Einigkeit. 1.  Erweiterung auf Verhaltensweisen von Nachfragern a) Meinungsstand Der Begriff der Geschäftspraxis i. S. der UGP-RL erfasst das Wettbewerbsverhalten eines Nachfragers grundsätzlich nicht.9 Im Kollisionsrecht wird dagegen meist an­ genommen, dass auch allgemein das Verhalten von Abnehmern gegenüber ihren Lieferanten in Art.  6 Abs.  1 Rom II einbezogen sein soll.10 Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH zum deutschen Internationalen Lauterkeitsrecht.11 Allerdings finden sich auch Argumentationen, die möglicherweise andeuten, dass Art.  6 Rom II einen reinen Kundenschutz bezwecke.12 So wird auf die Ver­ gleichbarkeit von Verbrauchern und gewerblichen Kunden hinsichtlich ihrer wirt­ schaftlichen Rolle als Nachfrager hingewiesen, in der sie gleich schutzbedürftig seien.13 b) Stellungnahme Es ist schwer auszumachen, worin die besondere Schutzbedürftigkeit gerade des Kunden bestehen könnte, die eine Differenzierung hinsichtlich der kollisionsrecht­ lichen Behandlung von Anbieter- und Nachfragerverhalten rechtfertigen könnte. Allenfalls ließe sich sagen, dass der konkrete Inhalt einer Dienst- oder Sachleistung vor der Inanspruchnahme dem Anbieter besser bekannt ist als dem Kunden und

8  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  7; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  13a, jeweils unter Hinweis auf die Einschränkung des Begriffs der Geschäftspraxis auf den Bereich zwischen Ver­ brauchern und Unternehmern; ähnlich de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (165). 9  Hierzu und zu einem Grenzfall Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 03.12.2009, SEK(2009) 1666, S.  10. 10  Handig, GRUR Int. 2008, 24 (26); ders., wbl 2008, 1 (6); Henning-Bodewig; in: Hilty/Hen­ ning-Bodewig, S.  9 (21); jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  5; Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636); Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II Rn.  21; Sack, GRUR Int. 2012, 601 (604); Wiebe/G. Kodek/Handig, Einleitung Rn.  272; wohl auch Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-85). 11  BGH v. 14.07.1988 – I ZR 184/86, GRUR 1988, 916 (917) – „PKW-Schleichbezug”; dem fol­ gend etwa MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  240. 12  Im Ergebnis unklar Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  4 4. 13  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  4 4.

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dieser daher ein besonderes Interesse an richtiger Information hat.14 Demgegenüber ist eine Geldleistung auch vor ihrer Inanspruchnahme inhaltlich transparent.15 Gleichwohl besteht natürlich auch dann aus Sicht des Gläubigers der Geldleistung ein Interesse am Schutz vor Fehlinformationen, etwa in Bezug auf die Zahlungsfä­ higkeit des Kunden. Der Nachfrager kann zudem seinerseits in bestimmten Fällen von vornherein besser über das abzunehmende Produkt informiert sein als der An­ bieter.16 Erst recht lässt sich bei aggressiven Geschäftspraktiken, wie sie in Art.  8 UGP-RL beschrieben werden, vor allem bei der Anwendung körperlicher Gewalt, nicht erkennen, warum Anbieter und Nachfrager nicht gleich schutzbedürftig sein sollten. Die mit dem Anknüpfungsort der Marktortanknüpfung verfolgten Interessen, wie sie in Erwägungsgrund 21 S.  1 angesprochen werden, lassen eine unterschiedli­ che Interessenlage ebenso wenig erkennen17: Auch mehrere Abnehmer können in Wettbewerb um eine Ware treten. Die Chancengleichheit im Interesse der Wettbe­ werber und der Allgemeinheit kann dann ebenso beeinträchtigt werden wie bei ei­ nem Anbieterwettbewerb. Das wirtschaftspolitische Ziel des Staates, den Wirt­ schaftsablauf in seinem Territorium nach seinen Vorstellungen regeln zu können, ist ebenso wenig abhängig davon berührt, ob Anbieter oder Nachfrager tätig sind. Schließlich ist auch das Interesse des Nachfragers, bei seinem Wettbewerbsverhal­ ten einer klar definierten und im Verhältnis zu allen Mitbewerbern einheitlich zu bestimmenden Rechtsordnung zu unterliegen, strukturell parallel zum Fall des An­ bieterwettbewerbs. Die Interessenlage erscheint folglich identisch. Daher lassen sich im Hinblick auf die Interessen der Marktgegenseite keine durchgreifenden Unterschiede feststellen, die gegen eine Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II auf Nachfragerverhalten sprä­ chen. Damit trifft es zu, dass es für die Qualifikation irrelevant ist, ob das streitige Wettbewerbsverhalten in der Rolle als Nachfrager oder als Anbieter vorgenommen wird.

14 

Vgl. zum Sachrecht Harte/Henning/Schünemann, 2.  Aufl., §  1 Rn.  69. Vgl. aber auch Harte/Henning/Schünemann, 2.  Aufl., §  1 Rn.  70. 16  Vgl. das Beispiel in Consumer protection from unfair trading – Guidance on the UK Regula­ tions (May 2008) implementing the Unfair Commercial Practices Directive – Office of Fair Tra­ ding/ Department for Business Enterprise and Regulatory Reform, Part 1 S.  15, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter : Ein Keramikhändler sagt dem Verbraucher, von dem er eine echte Ming-Vase ersteht, wider besseres Wissen, die Vase sei unecht; hierauf hinweisend Arbeitspapier der Kommissionsdienst­ stellen – Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Ge­ schäftspraktiken vom 03.12.2009, SEK(2009) 1666, S.  10. 17  Handig, GRUR Int. 2008, 24 (26) verweist auf die dort genannte Schutzzwecktrias. 15 

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2.  Erweiterung auf Verhaltensweisen zwischen Unternehmern a) Meinungsstand Die Definition aus Art.  2 lit.  d UGP-RL erfasst zudem nur Verhaltensweisen eines Gewerbetreibenden gegenüber Verbrauchern. Nach wohl allgemeiner Auffassung kann diese Einschränkung des Anwendungsbereichs in persönlicher Hinsicht nicht auf Art.  6 Abs.  1 Rom II übertragen werden: Vielmehr sollen – jedenfalls im Wege einer Analogie – auch Verhaltensweisen allein unter Unternehmern (sog. B2B-Ver­ hältnisse) dem Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II zuzuordnen sein.18 b) Stellungnahme Auf den ersten Blick mag man annehmen, dass der auf Beziehungen zwischen Un­ ternehmer und Verbraucher ausgelegte Begriff der Geschäftspraktiken keiner Mo­ difikationen in persönlicher Hinsicht bedarf. Auch Art.  6 Abs.  1 Rom II scheint nämlich vor allem dem Verbraucherschutz zu dienen.19 So wird durch die ausdrück­ liche Erwähnung der kollektiven Interessen der Verbraucher dem Verbraucher­ schutz eine hervorgehobene Stellung beigemessen.20 Auch Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II erwähnt als kollisionsrechtlich geschützte Interessen nur „die Wettbewer­ ber, die Verbraucher und die Öffentlichkeit und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft“. Dies überrascht, weil etwa in §  1 S.  1 UWG über den Begriff der „sonstigen Marktteilnehmer“ auch andere Kunden als Verbraucher in persönlicher Hinsicht einbezogen worden sind.21 Diese scheinen in Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II zu fehlen. Ein Blick in andere Sprachfassungen führt aber zu der Erkenntnis, dass Erwä­ gungsgrund 21 S.  2 Rom II mit der „Öffentlichkeit“ nicht die Interessen der Allge­ meinheit22 , sondern die der sonstigen Kunden meint. Denn sowohl die französische als auch die englische Sprachfassung verwenden mit dem Ausdruck „public“ den Terminus, mit dem in Art.  10bis Abs.  3 Nr.  3 PVÜ ebenso wie in Art.  4 WIPO Model Provisions („Misleading the Public“) die Kunden (in der deutschen Übersetzung 18  Für unmittelbare Anwendung jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  5; Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636); MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  111; Piper/Ohly/Sosni­ tza/Ohly, Einf B Rn.  17; ähnlich PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; für eine extensive Ausle­ gung des Verbrauchergriffs Dickinson, Rome II, Rn.  6.49; für eine analoge Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32; ähnlich Nordemann, Rn.  29: „zu­ mindest analog“. 19  Vgl. auch Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436), die einen Rückgriff auf die UGP-RL zur Auslegung von Art.  6 Abs.  1 Rom II gerade wegen des gemeinsamen Ziels des Verbraucher­ schutzes für möglich halten. 20  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  111; Wadlow, JIPLP 2009, 789 (792). 21  Vgl. aber Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  69, der den Begriff der sonstigen Marktteilnehmer in §  1 UWG für überflüssig hält. 22  So verwenden den Begriff wohl Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  18.

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des PVÜ: „das Publikum“) bezeichnet werden.23 Der französische Wortlaut des Er­ wägungsgrundes „les consommateurs et le public en général“ legt auch nahe, dass der Schutz der Interessen der Verbraucher nur ein Spezialfall des Schutzes der Kun­ den ist. Im Übrigen bestehen durchaus Parallelen in der materiellrechtlichen Behand­ lung, und zwar sowohl im Unionsrecht als auch im nationalen Recht: So nennt etwa Art.  1 WerbeRL gerade den Schutz der Gewerbetreibenden, was man im Sinne des Schutzes der gewerblichen Kunden verstehen kann 24.25 Zudem wird jedenfalls tra­ ditionell im nationalen materiellen Lauterkeitsrecht der Mitgliedstaaten verbreitet nicht zwischen Verbraucher- und Unternehmerkunden differenziert.26 Die Kom­ mission nimmt auch an, dass die in der UGP-RL für das Verhältnis zwischen Ver­ braucher und Unternehmer verbindlich vorgegebenen Maßstäbe in den nationalen Rechtsordnungen auf das Verhältnis zwischen Unternehmern übertragen werden können.27 Diese weitgehende sachrechtliche Gleichbehandlung spricht dafür, dass auch Verhaltensweisen gegenüber gewerblichen Kunden unter den Anknüpfungsge­ genstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen. Bestätigt wird das Ergebnis auch durch das in Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II genannte Ziel des reibungslosen Funktionierens der Marktwirtschaft: Denn Schä­ den für die Marktwirtschaft können auch durch Verhaltensweisen unter Unterneh­ mern entstehen.28 Ein Ausschluss von Wettbewerbsverhalten gegenüber Unterneh­ mern würde auch dazu führen, dass hierfür die allgemeine deliktische Kollisions­ norm einschlägig wäre29: Diese kann die einschlägigen Interessen aber nicht richtig erfassen.30 Dass Art.  6 Abs.  1 Rom II in besonderer Weise den Schutz der kollektiven Ver­ braucherinteressen erwähnt, hat seinen Grund darin, dass auch Klagen von Ver­ braucherschutzverbänden zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen können.31 Bei derartigen Klagen kann die Anknüpfung 23 Auch Wadlow, JIPLP 2009, 789 (792) scheint den Begriff „public“ in diesem Zusammenhang im Sinne der Interessen der Marktgegenseite zu verwenden. 24  So MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  3. 25 Für eine Parallele zur Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung in die­sem Zusammenhang auch Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  44; MünchKommBGB/Drexl, IntUnl­WettbR Rn.  111. 26  Henning-Bodewig, GRUR Int. 2003, 926 (926 f.) zum Stand von 2003 vor der Umsetzung der UGP-RL. 27  Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 03.12.2009, SEK(2009) 1666, S.  16. 28  Mit diesem Argument für eine unmittelbare Anwendung des Art.  6 Abs.  1 Rom II auf Ver­ haltensweisen gegenüber Gewerbetreibenden Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  44. 29  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  13a. 30  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  13a. 31  Vgl. Begründung zu Art.  5 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 endgültig, S.  17.

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an die Wettbewerbsbeziehungen versagen, wenn kein Wettbewerb besteht.32 Daher ist die gesonderte Erwähnung der kollektiven Interessen der Verbraucher sinnvoll. Eine entsprechende Verbandsklage zum Schutz der kollektiven Interessen gewerb­ licher Kunden kennt das materielle Unionsrecht, soweit ersichtlich, nicht in der Wei­ se, wie sie etwa in der UKlaRL33 für Klagen von Verbraucherschutzverbänden vor­ gesehen sind. Das erklärt, warum Art.  6 Abs.  1 Rom II auf die gewerblichen Kun­ den nicht besonders eingeht. Daher ist die wohl allgemein vertretene Auffassung zutreffend, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II auch bei Verhaltensweisen allein unter Unternehmern anwendbar ist. Dabei ist in aller Regel eine unmittelbare Anwendung möglich: Es dürfte meist keine Re­ gelungslücke geben, weil an den Ort der Beeinträchtigungen der Wettbewerbsbezie­ hungen angeknüpft werden kann. Nur soweit es an Wettbewerb und damit an Wett­ bewerbsverhältnissen fehlt und nur die Interessen gewerblicher Kunden beeinträch­ tigt werden, bietet Art.  6 Abs.  1 Rom II ausnahmsweise seinem Wortlaut nach keinen Anknüpfungspunkt mehr. Für diesen Fall wird man in Analogie zu Art.  6 Abs.  1, 2. Alt. Rom II auf den Ort der Beeinträchtigung der kollektiven Kundenin­ teressen abstellen müssen. In der Sache bleibt es aber stets beim Marktort, verstan­ den als Ort der Einwirkung. 3.  Aufgabe jeglicher Relevanz der Kriterien „Verbraucher“ und „Unternehmer“ a) Meinungsstand Noch weitergehend wird von manchem der Frage nach der Abgrenzung von Ver­ brauchern und Gewerbetreibenden für Art.  6 Abs.  1 Rom II jegliche Bedeutung ab­ gesprochen: Erfasst sind dann auch Geschäfte von Verbrauchern untereinander, der Absatz von Waren durch Verbraucher an Gewerbetreibende bzw. die Förderung des Absatzes eines Gewerbetreibenden durch einen Verbraucher bzw. eines Verbrau­ chers durch einen Unternehmer.34 Andere, die das Phänomen unlauteren Wettbe­ werbs beschreiben, sind hingegen der Auffassung, dass Anspruchsgegner stets ein Unternehmer sei35, oder dass die streitige Verhaltensweise jedenfalls einen Bezug zum Produktabsatz durch einen Unternehmer haben müsse36.

32 

Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32. Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (kodifizierte Fassung), ABl. L 110 vom 01.05.2009, S.  30 ff.; auf diese nimmt die Kommission in KOM(2003) 427 endgültig, S.  17 ausdrücklich Bezug. 34  In diesem Sinne wohl Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  33, allerdings ohne ausdrückliche Aufzäh­ lung. 35  Pazdan/Szpunar, in: Nuyts, S.  131 (132); ähnlich Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bo­ dewig, S.  9 (21). 36  Bydlinski, S.  601. 33 

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b) Stellungnahme Die Anwendung des Art.  6 Abs.  1 Rom II auf Verhaltensweisen von Verbrauchern kann deshalb fraglich sein, weil sich diese Konstellationen derzeit, soweit ersicht­ lich, nicht im materiellen Unionsrecht wiederfindet. Auch ist für Verbraucher gera­ de typisch, dass sie wirtschaftliche Transaktionen einer bestimmten Art nicht in demselben Umfang und mit derselben Häufigkeit abschließen, wie es ein Gewerbe­ treibender tut, der dadurch typischerweise seinen Lebensunterhalt verdienen muss37: Da sich die Bedeutung des wirtschaftlichen Handelns eines einzelnen Ver­ brauchers folglich auf einzelne Transaktionen beschränkt, fehlt es folglich beim Handeln von Verbrauchern an einem sog. „Multiplikatoreffekt“.38 Damit liegt aber auch eine Beeinträchtigung von kollektiven Interessen der Marktgegenseite oder von Wettbewerbsbeziehungen, wie sie in Art.  6 Abs.  1 Rom II angesprochen sind, weniger nahe. Auch Art.  1 Abs.  1 lit.  a WIPO Model Provisions beschränkt den Be­ griff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens auf Verhaltensweisen „im Rahmen ge­ werblicher oder geschäftlicher Tätigkeiten“.39 Allerdings geht etwa die Kommission davon aus, dass die Mitgliedstaaten die Anforderungen der UGP-RL auch auf Rechtsbeziehungen zwischen Konsumenten übertragen könnten.40 Sollten Mitgliedstaaten sich dazu entschließen, so erscheint es vorteilhaft, wenn das Kollisionsrecht dies nachvollziehen könnte. Gleichwohl darf man aus oben genannten Gründen wohl daran zweifeln, ob es materiellrecht­ lich wirklich zu einer solchen Einebnung des Verbraucher- und des Unternehmerbe­ griffs auf nationaler Ebene kommen kann, wie es die Kommission für möglich hält.41 Gewichtiger erscheint demgegenüber, dass die genaue Grenzziehung des Be­ griffs des Verbrauchers und des Gewerbetreibenden dem jeweiligen Sachrecht vor­ behalten sein muss. Die Interessenlage ist hier nicht mit dem Internationalen Ver­ tragsrecht vergleichbar, wo in Art.  6 Abs.  1 Rom I die Begriffe des Verbrauchers und des Unternehmers kollisionsrechtlich autonom definiert werden können. Das Ziel des Art.  6 Abs.  1 Rom I, zum Schutze des Verbrauchers als schwächerer Partei zu einer für ihn günstigen kollisionsrechtlichen Anknüpfung zu kommen42 , kann unabhängig von den Wertentscheidungen des berufenen Sachrechts verwirklicht werden. 37 Vgl.

Beater, 2011, Rn.  953; Bydlinski, S.  609 f., jeweils zum Sachrecht. Bydlinski, S.  609 und ihm folgend Beater, 2011, Rn.  953 zum Sachrecht, die den Begriff „Multiplikatoreffekt“ (Hervorhebung im Original durch Fettdruck) verwenden. 39  „[…] in the course of industrial or commercial activities […]“. 40  Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 03.12.2009, SEK(2009) 1666, S.  16. 41 Vgl. aber Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (555) zum portugiesischen Recht. 42  Vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art.  6 Rom I-VO Rn.  1 ff. 38 So

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Das ist bei Art.  6 Abs.  1 Rom II anders: Würde das Kollisionsrecht schon selbst ein Wettbewerbsverhalten eines Gewerbetreibenden i. S. v. Art.  2 lit.  b UGP-RL oder eines Unternehmers i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom I fordern, würden Rechtsmateri­ en in Rechtsordnungen, die den entsprechenden Begriff des Gewerbetreibenden oder Unternehmers und damit den Anwendungsbereich des materiellen Lauterkeits­ rechts etwas großzügiger handhaben, kollisionsrechtlich auseinandergerissen, ohne dass es nachvollziehbare Gründe dafür gäbe: Insbesondere dürfte das von Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Ziel der Chancengleichheit im Verhältnis aller Wettbewer­ ber unabhängig davon Geltung beanspruchen, ob diese die Anforderungen an den europäischen Begriff des Unternehmers oder des Gewerbetreibenden genau erfül­ len. Das dürfte nämlich nichts daran ändern, dass die beteiligten Personen nach der zu berufenden Rechtsordnung einem einheitlichen lauterkeitsrechtlichen Rege­ lungsregime unterfallen sollen.43 Daher erscheint es sinnvoll, der Unterscheidung von Unternehmer und Verbraucher im Kollisionsrecht keine Bedeutung beizumes­ sen und Art.  6 Abs.  1 Rom II auch bei Wettbewerbsverhalten eines Verbrauchers zunächst einmal für anwendbar zu halten. Das ist unschädlich, weil mit dem Merk­ mal der Unlauterkeit in Art.  6 Abs.  1 Rom II ein weiterer Filter zur Verfügung steht, der dafür sorgen kann, dass Wettbewerbsverhalten von Verbrauchern nicht in jeder Hinsicht nach Art.  6 Abs.  1 Rom II beurteilt wird. Sprachlich ist die hier gefundene Auslegung mit Art.  6 Abs.  1 Rom II vereinbar. Denn die Begriffe „Wettbewerber“, „Wettbewerbsbeziehungen“ und „kollektive Verbraucherinteressen“ in Art.  6 Abs.  1 Rom II hängen nicht davon ab, ob der han­ delnde Wettbewerber Verbraucher ist. Damit kann für die Qualifikation die Rolle der beteiligten Parteien als Verbraucher oder Unternehmer außer Betracht bleiben. III.  Modifikationen in sachlicher Hinsicht: Besonderer Wettbewerbsbezug? Der Begriff des Wettbewerbsverhaltens in Art.  6 Abs.  1 Rom II könnte allerdings auch in gewisser Hinsicht enger sein als derjenige der Geschäftspraktiken. Die Be­ griffe „Wettbewerbsverhalten“ und „Wettbewerbsbeziehungen“ in Art.  6 Abs.  1 Rom II könnten nämlich sprachlich nahelegen, dass das zu beurteilende Verhalten über die vorgenannten Merkmale hinaus einen besonderen Bezug zum Wettbewerb erfordert.44 1.  Voraussetzung bestehenden Wettbewerbs? a) Meinungsstand So ließe sich erwägen, dass der Begriff des Wettbewerbsverhaltens voraussetzen könnte, dass überhaupt Wettbewerb auf dem Markt besteht, auf den eingewirkt 43  Ohne nähere Erläuterung verweist auch Huber/Illmer, Art.  6 Rome II Rn.  33 auf die ge­ schützten Interessen. 44  Vgl. Note 1.06 WIPO Model Provisions.

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wird. Entsprechend wird der Begriff des unlauteren Wettbewerbs von manchen über die Teilnahme an „tatsächlichem Wettbewerb“ definiert.45 Zum Teil wird ver­ treten, es müsse zumindest prinzipiell Wettbewerb möglich sein und es müsse daher eine Marktwirtschaft im Gegensatz zu einer Planwirtschaft vorliegen.46 Eine ande­ re Auffassung47 hält hingegen auch in Fällen, in denen der Schädiger ein Monopol innehat und keinerlei Konkurrenz ausgesetzt ist, Art.  6 Abs.  1 Rom II für anwend­ bar. b) Stellungnahme Für die erstgenannte Auffassung ließe sich anführen, dass sich der Wortlaut in Art.  6 Abs.  1 Rom II von dem Begriff der Geschäftspraktiken der UGP-RL unter­ scheidet und mit dem Begriff „Wettbewerbsverhalten“ das Bestehen von Wettbe­ werb nahe legt. Wollte man das Vorliegen von Wettbewerb zur Voraussetzung für eine Anknüp­ fung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II machen, würde die Bestimmung des Anknüpfungs­ gegenstandes allerdings mit einer aufwändigen Überprüfung der Marktstruktur belastet. Auch steht einer derartigen Differenzierung nach der Wettbewerbslage das mit Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Ziel der Rechtssicherheit für den Handelnden entgegen.48 Dass eine Differenzierung nach der tatsächlich bestehenden Wettbe­ werbslage erhebliche Rechtsunsicherheit zu schaffen vermag, ist bereits im Zusam­ menhang mit der Stahlexport-Rechtsprechung erörtert worden49: Insbesondere ist daran zu erinnern, dass die Wettbewerbslage sich stets ändern kann und daher der­ jenige, der eine Geschäftspraxis vornimmt, stets damit rechnen müsste, dass sich die für die Rechtmäßigkeit seines Handelns maßgebliche Rechtsordnung aufgrund eines Statutenwechsels ändert.50 Auch das Ziel des Schutzes der kollektiven Verbraucherinteressen spricht gegen eine Differenzierung nach der Wettbewerbslage51: So soll, wie bereits dargelegt, dem Anknüpfungspunkt der kollektiven Verbraucherinteressen in Art.  6 Abs.  1 Rom II gerade dann eigenständige Bedeutung zukommen, wenn der Anknüpfungs­ punkt der Wettbewerbsbeziehungen mangels Wettbewerbs keine Resultate liefern kann.52 Eine solche Differenzierung stünde auch nicht mit den sachrechtlichen Anwen­ dungsbereichen von europäischem und teilweise auch rein nationalem Lauterkeits­ 45 

Pazdan/Szpunar, in: Nuyts, S.  131 (132 f.): „actual competition“. Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (21), wobei nicht ganz klar ist, ob sich diese Aussage auch auf die kollisionsrechtliche Qualifikation bezieht. 47  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32; für das deutsche Recht Höder, S.  33, der aber für den Anknüpfungspunkt potentiellen Wettbewerb verlangt. 48  Höder, S.  33 zum Anknüpfungspunkt unter deutschem Recht. 49  Auf diese Parallele zur deutschen Rechtsprechung verweist auch Höder, S.  33. 50  Siehe dazu Teil 2 D. I. 2. 51  Ebenso zum Anknüpfungspunkt Höder, S.  34. 52  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32. 46 

A.  Bestimmung des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

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recht in Einklang. Da etwa die UGP-RL vor allem den Interessen der Konsumenten dienen soll, ist das Merkmal des Bestehens von Wettbewerb sachrechtlich für die Anwendbarkeit dieser Richtlinie irrelevant.53 Ebenso machten manche nationale Rechtsordnungen – bereits unabhängig von der UGL-RL – die Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts nicht vom Bestehen von Wettbewerb abhängig (etwa das belgi­ sche, dänische und schwedische Lauterkeitsrecht54). Käme es kollisionsrechtlich auf das Bestehen von Wettbewerb an, so wäre dieselbe sachrechtliche Materie je nach Wettbewerbssituation unterschiedlich anzuknüpfen. Das hier gefundene Ergebnis steht mit dem Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 Rom II unter Berücksichtigung der internationalen Verwendung des Begriffs des „unlaute­ ren Wettbewerbsverhaltens“ in Einklang: Zu berücksichtigen sind dabei die WIPO Model Provisions, die bei der Definition desselben Begriffs des unlauteren Wettbe­ werbsverhalten in ihrem Art.  1 Abs.  1 lit.  a bewusst auf ein Merkmal des Handelns im Wettbewerb verzichten, u. a. um die selbständige Bedeutung des Verbraucher­ schutzes zu betonen.55 Schließlich dürfte für den kollisionsrechtlichen Begriff des unlauteren Wettbe­ werbs keine Voraussetzung sein, dass das Recht einer Marktwirtschaft im Gegen­ satz zu einer Planwirtschaft berufen wird. So haben auch manche Planwirtschaften ein Recht gegen den unlauteren Wettbewerb gekannt (etwa DDR 56, Ungarn57). Es bedürfte jedenfalls für das Kollisionsrecht näherer Begründung, warum die Interes­ senlage im Hinblick auf das Lauterkeitsrecht in einer Planwirtschaft eine andere kollisionsrechtliche Anknüpfung rechtfertigen soll. Die praktische Bedeutung einer Differenzierung nach Plan- und Marktwirtschaft dürfte heutzutage aber ohnehin gering sein. Eine Überprüfung des Vorliegens von Wettbewerb ist zur Ermittlung des Vorlie­ gens eines Wettbewerbsverhaltens nicht vorzunehmen. 2.  Geschädigter außerhalb von Wettbewerbsbeziehungen? Eine hiervon unabhängige Frage ist, ob der Anknüpfungsgegenstand des unlauteren Wettbewerbsverhalten auch einen Anspruch zu erfassen vermag, der von einem ge­ schädigten Unternehmer geltend gemacht wird, der nicht im Wettbewerb zum Schä­ diger steht, also in Fällen, in denen Schädiger und Geschädigter auf unterschiedli­ chen Märkten tätig sind.58 In der Literatur ist in Zweifel gezogen worden, ob derar­ tige Ansprüche dem Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen.59 53 

In diesem Sinne wohl Beater, 2011, Rn.  29. Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1368). 55  Note 1.06 WIPO Model Provisions. 56  Beater, 2011, Rn.  326 ff. 57  Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (680). 58  Vgl. zum Sachrecht Beater, 2011, Rn.  1681, 1696, der den Begriff des Mitbewerbers aber weiter fasst. 59  Wadlow, JIPLP 2009, 789 (793). 54 

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

Das Sachrecht in den Staaten der Union vermag zur Lösung der Frage keine ein­ deutige Antwort geben: Einerseits verlangt etwa die materielle Rechtslage in Frank­ reich60 und Spanien61 kein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner lauterkeitsrechtlicher Ansprüche. Ähnlich verlangt auch das engli­ sche Recht für das im Geschäftsverkehr vor Verwechslungen schützende tort des passing off kein „common field of activity“62 zwischen Anspruchsteller und An­ spruchsgegner.63 Andererseits ist nach deutschem Recht das Wettbewerbsrecht – von Unterlassungsklagen von Verbänden u.Ä. abgesehen – auf Ansprüche von Mit­ bewerbern beschränkt (vgl. §  8 Abs.  3 Nr.  3 UWG; §  9 S.  1 UWG). Insbesondere setzt die Eigenschaft als Mitbewerber nach §  2 Abs.  1 Nr.  3 UWG ein konkretes Wettbewerbsverhältnis voraus. Allerdings ist der Begriff des Mitbewerbers durch die Rechtsprechung extensiv ausgelegt worden und eine Erweiterung des Kläger­ kreises auf Personen außerhalb konkreter Wettbewerbsverhältnisse wird zum Teil in der Literatur befürwortet.64 Das Erfordernis einer im Einzelnen mehr oder weni­ ger eng verstandenen Wettbewerbsbeziehung für Ansprüche aus unlauterem Wett­ bewerb besteht ebenso etwa in Estland65, Griechenland66, Italien67 oder Portugal68. Die WIPO Model Provisions wiederum wollen mit dem Aussparen eines Tatbe­ standsmerkmals des Handelns im Wettbewerb auch Ansprüche zwischen nicht im Wettbewerb stehenden Unternehmern dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb zuordnen.69 Sie nennen als Beispiel den Fall, dass der Handelnde rechtswidrig eine Marke verwendet, ohne Mitbewerber des Markeninhabers zu sein.70 Auch wenn man von dem Problem der Abgrenzung zum Internationalen Imma­ terialgüterrecht zunächst absieht, bleibt diese Konstellation in ihrer kollisionsrecht­ lichen Beurteilung schwierig: Der Anknüpfungspunkt in Art.  6 Abs.  1 Rom II setzt offenbar ein Bestehen von „Wettbewerbsbeziehungen“ voraus. Dieser Begriff weckt wiederum Assoziationen zum konkreten Wettbewerbsverhältnis, wie es der deut­ sche Mitbewerberbegriff gemäß §  2 Abs.  1 Nr.  3 UWG verlangt. Fehlt es daran, scheint der Anknüpfungspunkt zu versagen. Da es bei der Schädigung von Teilneh­ mern auf anderen Märkten auch nicht um die Beeinträchtigung der kollektiven In­ 60  G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Schulte-Beckhausen/Maaßen, §  13 Rn.  2; Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (247); differenzierter Ehrich, S.  32. 61  García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (638). 62  S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (169) (Hervorhebung im Original) mit Nachweisen zur englischen Rechtsprechung. 63  S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (169). 64  Beater, 2011, Rn.  1704 ff.; Einschätzung wie hier Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1368). 65  Käerdi, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  217 (218). 66  Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (331). 67  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (362 ff.). 68  Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (564). 69  Note 1.06 WIPO Model Provisions. 70  Note 1.06 WIPO Model Provisions; wohl auch ein typisch lauterkeitsrechtlicher Fall etwa nach französischem Recht, vgl. Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (258).

A.  Bestimmung des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

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teressen der Verbraucher geht, scheint Art.  6 Abs.  1 Rom II für die hier interessie­ rende Fallgestaltung keinen tauglichen Anknüpfungspunkt zu liefern. Das könnte dafür sprechen, dass von vornherein der Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht einschlägig ist, sondern die Normen des allgemeinen Internationalen Deliktsrechts Anwendung finden. Andererseits bestimmt gemäß Art.  15 lit.  f Rom II erst das berufene Sachrecht „die Personen, die Anspruch auf Ersatz eines persön­ lich erlittenen Schadens haben“. Es erscheint hiermit schwer vereinbar, wenn Art.  6 Abs.  1 Rom II über den Begriff der Wettbewerbsbeziehungen eine Art „Voraus­ wahl“ über den Kreis der Personen treffen könnte, denen das Lauterkeitsstatut An­ sprüche einräumen kann. Entscheidend muss sein, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II dem handelnden Unternehmer Rechtssicherheit bei der Tätigkeit auf seinem Markt bieten will: Er soll im Rahmen des Kollisionsrechts nicht mit den indirekten Wirkungen seines Handelns belastet werden und die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens soll im Verhältnis zu jedem An­ spruchsteller nach derselben Rechtsordnung beurteilt werden. Diese Ziele würden durch eine Anwendung des allgemeinen Deliktsstatuts auf Ansprüche von Nicht­ mitbewerbern gefährdet. Daher kann der kollisionsrechtlich relevante Anknüp­ fungspunkt allein der Ort der Einwirkung auf die eigene Marktgegenseite sein, und auch der Kreis der potentiellen Anspruchsteller kann sich allein hiernach beurtei­ len. Dieses Ergebnis ist mit dem Wortlaut, der auf die Beeinträchtigung der Wettbe­ werbsbeziehungen abstellt, noch zu vereinbaren: So weisen die Erläuterungen zu den WIPO Model Provisions darauf hin, dass die Wettbewerbsbeziehungen auch in einem solchen Fall auf dem Markt des Handelnden beeinträchtigt werden, weil hier die Chancengleichheit gegenüber den rechtmäßig handelnden Konkurrenten beein­ trächtigt wird.71 Darauf, dass hier nicht die Wettbewerbsbeziehungen des An­ spruchstellers beeinträchtigt werden, kommt es dann nicht an. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Wettbewerbsbeziehung nicht in dem Sinne bestehen muss, dass Geschädigter und Handelnder auf demselben Markt tätig sind. Anknüpfungspunkt bleibt der Ort, auf den der Handelnde auf den Markt eingewirkt hat. 3.  Erfordernis eines Wettbewerbszwecks? In der Literatur wird zum Teil offenbar davon ausgegangen, dass Art.  6 Rom II nur ein Verhalten erfasse, das „Wettbewerbszwecken dient“72. Dieses Kriterium ist al­ lerdings nicht näher ausgeführt worden. Ein solches Abgrenzungskriterium des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb existiert in manchen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Union (etwa Spani­ 71 

Note 1.06 WIPO Model Provisions. MünchKomm/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  110 (Hervorhebung im Original durch Fettdruck); speziell in Bezug auf unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen auch Sack, WRP 2008, 845 (851), ders., GRUR Int. 2012, 601 (607). 72 

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

en73). Die UGP-RL kennt ein solches Kriterium dagegen nicht.74 Auch Art.  2 lit.  a WerbeRL benennt bei der Definition von Werbung lediglich das Ziel der Absatzför­ derung, hat also keinen spezifischen Bezug zum Wettbewerb.75 Auch ist bereits 2001 rechtsvergleichend im Recht der Mitgliedstaaten eine Tendenz festgestellt worden, keinen besonderen Wettbewerbszweck mehr zu verlangen.76 Daher sollte man diesem in der Literatur zu findenden Begriff jedenfalls keine Bedeutung hin­ sichtlich eines besonderen Bezugs gerade zum Wettbewerb entnehmen und bei der Definition des Wettbewerbsverhaltens über den vorgenannten objektiven Zusam­ menhang mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts bleiben.77 Im Ergebnis ist ein „Wettbewerbszweck“ nicht eigenständig zu prüfen. IV. Ergebnis Der Begriff der Geschäftspraktiken kann für die Bestimmung des Wettbewerbsver­ haltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II nur unter der Modifikation übernommen werden, dass es auf die Rolle als Verbraucher oder Unternehmer bzw. als Anbieter oder Nachfrager nicht ankommt. Dagegen bedarf es für ein Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II keines besonderen Wettbewerbsbezugs. Demnach kann man im Ausgangspunkt das Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II in enger Orientierung an Art.  2 lit.  d UGP-RL definieren als jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Anbieters, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Ver­ kauf oder der Lieferung eines Produkts an einen potentiellen Abnehmer zusammen­ hängt, oder aber eine Verhaltensweise eines Abnehmers, die unmittelbar mit der Förderung des Bezugs eines Produkts zusammenhängt.78 Das ist jede Verhaltens­ weise, die unmittelbar gegenüber einem (potentiellen) Vertragspartner im Rahmen der Hinwirkung auf einen Vertrag, des Kontrahierens oder der Erfüllung der Ver­ tragspflichten vorgenommen wird.79 Dieses Verständnis entspricht damit in der Sa­ 73 

García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (637). Siehe näher auch zur Entwicklung in Deutschland Köhler/Bornkamm/Köhler, §  2 UWG Rn.  3 ff. 75  Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1368). 76  Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1368, 1380), die dies daher auch für die wei­ tere Harmonisierung im Sachrecht nicht verlangen wollten. 77 Auch Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (21) meint, einer „Wettbewerbs­ handlung” bedürfe es nicht, es komme auf den „Marktbezug” an. 78  Folgende sehr ähnliche an Art.  2 lit.  d UGP-RL angelehnte Definition schlug bereits Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636) vor: „Außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden sind, betreffen alle Handlungen, Unterlassungen, Verhaltensweisen oder Erklärungen, kommerziellen Mitteilungen einschließlich Werbung und Marketing, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung von Leistungen oder mit der Nachfrage nach Leistungen zusammenhängen.”(Kursivschrift im Original). 79  In der Sache Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  47 f.; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.33; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  129, 130; siehe zum Sachrecht Bydlinski, S.  609: „ge­ 74 

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten

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che letztlich wieder demjenigen der Einwirkung aus der Diskussion zum Anknüp­ fungspunkt.80

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten Die oben genannte Definition, die auf den Kontakt mit der Marktgegenseite abstellt, bietet im Ansatz eine Abgrenzung gegenüber zwei anderen Arten von Verhaltens­ weisen. Zum einen schließt diese Definition Verhaltensweisen aus, mit denen allein potentielle Konkurrenten unmittelbaren Kontakt haben. Zum anderen ist das Wett­ bewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II damit grundsätzlich gegenüber Ver­ haltensweisen abgrenzbar, die sich allein im internen Bereich eines Wettbewerbers abspielen und mit denen weder potentielle Vertragspartner noch Konkurrenten un­ mittelbar in Berührung kommen.81 I.  Wettbewerbsverhalten unmittelbar gegenüber Wettbewerbern 1. Ansatz Die bisweilen als „Markteinwirkungstheorie“82 bezeichnete herrschende Auffas­ sung83 nimmt die Abgrenzung zwischen Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  6 Abs.  2 Rom II in der Weise vor, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II nur für sog „marktvermittelte“84

schäftliche Tätigkeit […], die die Anbahnung, den Abschluß oder die Abwicklung rechtsgeschäft­ licher Kontakte einschließt.“ 80  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (604); siehe auch etwa die Formulierung in BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (73) – „Ausschreibung in Bulgarien“: „unmittelbar marktvermittelte Einwirkung“. 81  Vgl. zum Sachrecht Köhler/Bornkamm/Köhler, §  2 UWG Rn.  36. 82  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (605). 83  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (71 ff.) – „Ausschreibung in Bulgarien“: „unmittelbar marktvermittelte Einwirkung“; Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  158, 160; Glöckner, WRP 2011, 137 (139); von Hein, ZVglRWiss 2003, 528 (556); Hellner, YBPrIL 2007, 39 (56); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  3; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  25; KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (164); Leistner, in: Base­ dow u. a., S.  129 (149 f.); Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  16; Sack, WRP 2008, 845 (850); ders.; GRUR Int. 2012, 601 (604); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  756; wohl auch Cal­ liess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  11; ähnlich Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (759 f.); im Ergebnis auch G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  24, Rn.  51 f.; der allerdings zum Teil über eine Anknüpfung nach Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  3 Rom II zum Recht am Marktort kommt; in Erwägung gezogen auch von Honorati, in: Malatesta, S.  127 (157); unklar Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.44; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  110, 150, 156, die jeweils einerseits die Markteinwirkung für das entscheidende Kriterium halten, aber andererseits eine Überprüfung der berührten Interessen im konkreten Fall befürworten, vgl. hier­ zu auch die Kritik bei Sack, GRUR Int. 2012, 601 (605). 84  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (73) – „Ausschreibung in Bulgarien“: „un­ mittelbar marktvermittelte Einwirkung“.

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

oder „marktbezogene“85 Verhaltensweisen einschlägig sein soll. Das sind Fälle, die einen „unmittelbaren Marktbezug“86 in dem Sinne aufweisen, dass der Schädiger auf seine Kunden und Lieferanten einwirkt und damit deren Verhalten beeinflusst.87 Entscheidend ist demnach „die unmittelbar marktvermittelte Einwirkung auf die geschäftlichen Entscheidungen der […] Marktgegenseite“88. Dagegen soll eine di­ rekte Schädigung eines Konkurrenten ohne Zwischenschaltung der Marktgegensei­ te, sog. „betriebsbezogene Wettbewerbshandlungen“89, nicht unter Art.  6 Abs.  1 Rom II, sondern unter Art.  6 Abs.  2 Rom II fallen.90 Auch wenn in der Literatur zum Teil andere Kriterien für die Abgrenzung von Art.  6 Abs.  1 Rom II und Abs.  2 Rom II vorgeschlagen werden, ist letztlich jeden­ falls das Resultat unstreitig, dass die unmittelbare Einwirkung auf den Markt zu­ mindest eine notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art.  6 Abs.  1 Rom II ist.91 Daher ist auf die mit diesen Auffassungen verbundenen weiteren Ein­ schränkungen des Art.  6 Abs.  1 Rom II erst später einzugehen. Für die genannte Differenzierung nach der Einwirkung auf den Markt wird an­ geführt, dass der Sinn der Verweisung in Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II gerade darin bestehe, solche Fälle zu erfassen, in denen der Anknüpfungspunkt aus Art.  6 Abs.  1 Rom II versage und daher nur auf den allgemeinen Begriff des Schadenseintritts zurückgegriffen werden könne.92 Fehle es bei dem Verhalten an der unmittelbaren Einwirkung auf den Markt, so sei der Grund für die Anknüp­ fung nach Art.  6 Abs.  2 Rom II, dass der Marktort noch nicht hinreichend be­ stimmt sei93 und eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen letztlich auf einer Vielzahl von Märkten eintreten könne94. Auch weise eine solche Beeinträch­ tigung bereits existierender und zugeordneter Rechtspositionen „eine andere Qua­ lität“95 auf als eine Beeinträchtigung von „Marktchancen“96. Dem ist im Wesentlichen zuzustimmen: Derartige Fallkonstellationen hängen nicht „unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an [die Marktgegenseite] zusammen“ (Hervorhebung durch den Verfas­ 85 Zuletzt Sack, GRUR Int. 2012, 601 (605 f.) „marktbezogenes […] Wettbewerbsverhalten“ (Hervorhebung im Original) mit Diskussion der Begrifflichkeiten. 86  Sack, WRP 2008, 845 (850) (Hervorhebung im Original durch Fettdruck). 87  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (71 f.) – „Ausschreibung in Bulgarien“; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (748). 88  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (73) – „Ausschreibung in Bulgarien“. 89  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (606). 90  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (748); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  3; Sack, GRUR Int. 2012, 601 (604). 91  Für unumstritten hält diese Konstellation auch Beater, 2011, Rn.  736. 92  Glöckner, WRP 2009, 137 (139); MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  141; ähnlich Sack, GRUR Int. 2012, 601 (601). 93  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (758); MünchKommBGB/Drexl, Int­ UnlWettbR Rn.  141. 94  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (758). 95  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  253. 96  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  253.

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten

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ser).97 Die Absatzförderung erfolgt nur mittelbar dadurch, dass zunächst ein Kon­ kurrent geschädigt wird.98 Diese mittelbare Absatzförderung mag es rechtfertigen, dass das Gesetz hier ebenfalls den Begriff „Wettbewerbsverhalten“ verwendet.99 Doch entfernt sich eine solche bloß mittelbare Absatzförderung von den lauterkeits­ rechtlichen Bahnen, die durch die UGP-RL materiellrechtlich vorgezeichnet sind. Derartige Fallgestaltungen passen eher in die Nachbarschaft des klassischen De­ liktsrechts.100 Die einheitliche Terminologie des Wettbewerbsverhaltens in Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  6 Abs.  2 Rom II darf nicht den Blick darauf verstellen, dass hier insoweit unterschiedliche Verhaltensweisen bezeichnet werden. Die Abgrenzung nach dem Kriterium der Marktvermittlung fügt sich aber nicht nur in den materiellrechtlichen Rahmen der UGP-RL, sondern auch in die Systema­ tik der Verordnung Rom II ein: Soll nach Erwägungsgrund 21 S.  1 die Regelung des Art.  6 Abs.  1 Rom II eine Präzisierung bieten, so muss die Struktur des Art.  4 Abs.  1 Rom II im Übrigen übernommen werden.101 Wie bereits dargelegt, ist auch im Rah­ men von Art.  6 Abs.  1 Rom II die Differenzierung zwischen dem unmittelbaren Schadenseintritt und den indirekten Schadensfolgen wesentlich102: So kann Art.  6 Abs.  1 Rom II nur dann eingreifen, wenn der Marktort als Ort des unmittelbaren Schadenseintritts angesehen werden kann und die weiteren Nachteile für den Kon­ kurrenten indirekte Schadensfolgen i. S. v. Art.  4 Abs.  1 a. E. Rom II sind. Insoweit ist es auch richtig, wenn gesagt wird, Art.  6 Abs.  2 Rom II solle in Fällen eingreifen, in denen Art.  6 Abs.  1 Rom II wegen der fehlenden Einwirkung auf den Markt als Anknüpfungspunkt versage.103 Ist nämlich ein abgrenzbarer Schaden schon vor der Markteinwirkung gegeben, so handelt es sich eben nur bei diesem um den unmittel­ baren Schadenseintritt104, weitere Wirkungen auf den Markt sind dann bloß indirek­ te Schadensfolgen. Ein Schaden, der unmittelbar bei einem Wettbewerber und da­ mit vor der Markteinwirkung eintritt, kann folglich nicht nach Art.  6 Abs.  1 Rom II angeknüpft werden. Als Beispiel ist an Fälle zu denken, in denen ein Gewerbetreibender Produktions­ mittel oder Produkte eines Konkurrenten unbrauchbar macht, um sich selbst einen

97  Vgl. zum entsprechenden Begriff der geschäftlichen Handlung im deutschen Sachrecht Köh­ ler/Bornkamm/Köhler, §  2 UWG Rn.  53; davon, dass die hier diskutierten Verhaltensweisen nicht dem an der UGP-RL orientierten Begriff des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen, geht auch Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636 f.) aus. 98  Vgl. zum entsprechenden Begriff der geschäftlichen Handlung im deutschen Sachrecht Köh­ ler/Bornkamm/Köhler, §  2 UWG Rn.  53. 99  Ausgehend vom Begriff des Wettbewerbszwecks so MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWett­ bR Rn.  110; vgl. zum entsprechenden Begriff der geschäftlichen Handlung im deutschen Sachrecht Köhler/Bornkamm/Köhler, §  2 UWG Rn.  53. 100  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  243. 101  Siehe ausführlich Teil 2 A. II. 3. b). 102  Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  30; Sack, WRP 2008, 845 (847). 103  Glöckner, WRP 2009, 137 (139). 104  So wohl zum deutschen IPR Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  43.

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.105 Hier liegt bereits im Sachschaden i. S. v. Er­ wägungsgrund 17 S.  2 Rom II ein unmittelbarer Schadenseintritt. Wenn sich für den Geschädigten infolge des Sachschadens weitere Schäden – wie etwa eine Ver­ ringerung von Ansehen oder Kundschaft106 oder entgangener Gewinn – ergeben, bleibt dies als bloße indirekte Schadensfolge ohne Bedeutung, auch wenn sich der Markt in einem anderen Staat als dem des Belegenheitsorts der Ware oder Produk­ tionsanlage befindet. Dasselbe gilt nach der Struktur der Verordnung Rom II aber auch, soweit sich auf dem Markt Nachteile für eine andere Person als den unmittelbar Geschädigten er­ geben. Das können mittelbare Beeinträchtigungen der kollektiven Verbraucherinte­ ressen oder der Interessen der Mitbewerber107 oder der Allgemeinheit108 sein.109 In einem Fall der Vernichtung von Waren eines Konkurrenten ist es etwa vorstellbar, dass infolge der Verknappung des Angebots die Nachfrage der Verbraucher am Marktort nur noch in geringerem Umfang befriedigt werden kann und daher die Preise zu Lasten der Verbraucher steigen. Gleichzeitig kann man erwägen, dass hierdurch die Chancengleichheit der Wettbewerber in dem Staat beeinträchtigt ist, auf dessen Markt das Produkt verkauft werden sollte. Davon wäre auch das öffent­ liche Interesse an funktionierendem Wettbewerb betroffen. Dass es hier in persön­ licher Hinsicht um andere Rechtsgutsträger als den unmittelbar geschädigten Wett­ bewerber geht, ändert an der Anknüpfung nichts. Dies ergibt sich aus Art.  15 lit.  f Rom II. Hiernach ist die berufene Rechtsordnung auch maßgeblich für die Perso­ nen, die Anspruch auf Ersatz eines persönlich erlittenen Schadens haben. Diese Vorschrift ist vom Wortlaut her schwer verständlich.110 Eine historische Auslegung unter Berücksichtigung der Begründung zum Verordnungsvorschlag von 2003 zeigt aber, dass der Verordnungsgeber hiermit Ansprüche indirekt geschädigter Dritter gemeint hat.111 Namentlich erwähnt die Begründung als Beispiele die Vermögensund Nichtvermögensschäden Hinterbliebener nach einem Todesfall infolge eines 105  Als Beispiel für Art.  6 Abs.  2 Rom II genannt von Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.44. 106  Dem „Verlust von Kundschaft“ („perte de clientèle“) im Bereich des Art.  6 Abs.  2 Rom II mehr Bedeutung beimessend Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (21). 107  Die Mittelbarkeit der Wirkungen auf dritte Mitbewerber nennt MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  242. 108  Die Mittelbarkeit derartiger Beeinträchtigungen in Fällen des Art.  6 Abs.  2 Rom II richtig hervorhebend juris-PK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  36. 109  Vgl. Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  656 mit anderen Beispielen, allerdings ohne zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden zu differenzieren. 110  Kritisch zur Formulierung auch MünchKomm-BGB/Junker, Art.  15 Rom II-VO Rn.  22; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  4 Rom II-VO Rn.  56. 111  Ausdrücklich KOM(2003) 427 endgültig, S.  26, diesen Gesetzgebungsmaterialien folgend Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-90); Huber/Bach, Art.  4 Rn.  107; im Ergebnis auch Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (31 ff.); MünchKommBGB/Junker, Art.  15 Rom II-VO Rn.  22; Rauscher/Jakob/Picht, Art.  15 Rom II-VO Rn.  15; a. A. Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  4 Rom II-VO Rn.  58; einschränkend auch Plender/Wilderspin, Rn.  18-012, 18-013.

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten

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Delikts.112 Gemeint ist also, dass Schäden, die nicht in der Person des direkt Ge­ schädigten eintreten, ein Spezialfall indirekter Schadensfolgen sind, welche für die kollisionsrechtliche Anknüpfung gemäß Art.  4 Abs.  1 a. E. Rom II unbeachtlich sind.113 Übertragen auf das Lauterkeitsrecht ist es systematisch nur konsequent, mittelbare Nachteile für Dritte auf dem Markt bei der Anknüpfung nicht als rele­ vante (unmittelbare) Interessenbeeinträchtigung anzusehen.114 Berücksichtigt man dies, relativiert sich der häufig gegen die Formulierung von Art.  6 Abs.  2 Rom II erhobene Vorwurf115, dass durch unlauteres Wettbewerbsver­ halten stets die Interessen anderer Wettbewerber, der Öffentlichkeit und der Ver­ braucher beeinträchtigt seien und im buchstäblichen Sinne kein Wettbewerbsver­ halten existiere, das ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers beeinträchtige. Denn diese Kritik übersieht die grundlegende Differenzierung zwi­ schen dem Schadenseintritt und den indirekten Schadensfolgen i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II. Aus all diesen Gründen erscheint es zutreffend, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II jeden­ falls eine Einwirkung auf den Markt voraussetzt, eine unmittelbare Schädigung der Mitbewerber hingegen unter Art.  6 Abs.  2 Rom II zu fassen ist. 2. Einzelfragen Darf man davon ausgehen, dass im Grundsatz Einigkeit darüber besteht, dass eine unmittelbare Markteinwirkung jedenfalls eine notwendige Voraussetzung für die Maßgeblichkeit von Art.  6 Abs.  1 Rom II ist und im Falle ihres Fehlens nur Art.  6 Abs.  2 Rom II eingreifen kann, so bestehen bei der Anwendung dieses Abgren­ zungskriteriums auf konkrete lauterkeitsrechtliche Phänomene doch erhebliche Meinungsdifferenzen. Nach der Kommissionsbegründung erfasst Art.  6 Abs.  2 Rom II „Fälle, in denen ein unlauteres Wettbewerbsverhalten auf einen bestimmten Wettbewerber abzielt, etwa bei der Abwerbung von Angestellten, bei Bestechung, Industriespionage, Preisgabe eines Geschäftsgeheimnisses oder einer Anstiftung zum Vertrags­ bruch“.116 Kaum einer der vorgenannten Fälle ist allerdings hinsichtlich des erfor­ derlichen unmittelbaren Marktbezugs unzweifelhaft. Daneben wird auch bei unbe­ 112  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2003) 427 endgül­ tig, S.  26. 113  Ebenso Huber/Bach, Art.  4 Rn.  107 ff. 114  Im Ergebnis wie hier wohl von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (495): „from a technical point of view, not ‘affected’“. 115 Etwa Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (457); Glöckner, WRP 2011, 137 (139, dort Fn.  21); Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  17; Sack, GRUR Int. 2012, 601 (604); Staudinger/Fezer/ Koos, IntWirtschR Rn.  666; vorsichtiger die Kommissionsbegründung KOM(2003) 427 endgültig, S.  18. 116  KOM(2003) 427 endg., S.  18; dem folgend etwa Verschraegen, Rn.  942.

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

rechtigten Schutzrechtsverwarnungen der notwendige Marktbezug differenziert betrachtet. a)  „Abwerbung von Angestellten“ aa) Meinungsstand Die Literatur ist der Kommissionsbegründung überwiegend dahingehend gefolgt, dass die Fallgruppe der „Abwerbung von Angestellten“ unter Art.  6 Abs.  2 Rom II falle, da einem solchen Verhalten der für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderliche Markt­ bezug fehle.117 Dagegen ist vertreten worden, dass als relevanter Markt zwar nicht der Markt anzusehen sei, auf dem die betroffenen Unternehmen ihre Waren oder sonstigen Leistungen anbieten, wohl aber der Arbeitsmarkt, was eine Anknüpfung an den Ort der Einwirkung auf den Arbeitnehmer gemäß Art.  6 Abs.  1 Rom II recht­ fertige.118 Insbesondere sei die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  4 Abs.  2 Rom II nicht interessengerecht.119 bb) Stellungnahme Die Interessenlage bei der Frage der Zulässigkeit der Abwerbung von Angestellten ist differenziert zu betrachten. Ein solches Verhalten ist häufig nicht aus Gründen verboten, die sich auf den Arbeitsmarkt beziehen. So schränkt etwa die deutsche Rechtsprechung die Zuläs­ sigkeit von Telefonaten durch Headhunter an der Arbeitsstelle ein. Sie berücksich­ tigt u. a., dass das Telefonat den angesprochenen Mitarbeiter bei der Arbeit behin­ dert, derartige Telefonate für „Unruhe“ im Unternehmen sorgen können, der anru­ fende Headhunter die vom Arbeitgeber vorgehaltenen Telekommunikationsmittel entgegen dessen Interesse ausnutze und dass der Angestellte über seinen bisherigen Arbeitnehmer ausgefragt werden könnte.120 Es geht insoweit um Nachteile, die die Geschäftspraxis bereits für sich genommen auf die unternehmerische Sphäre des bisherigen Arbeitgebers hat; in dieser Konstellation geht es dagegen nicht um die Interessen des bisherigen Konkurrenten am Arbeitsmarkt.121

117  Für Art.  6 Abs.  2: Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  160; Hellner, YBPrIL 2007, 49 (56); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  364; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  16; G. Wagner, IPRax 2008, 1 (8); Sack, WRP 2008, 845 (851); ders., GRUR Int. 2012, 601 (606); ohne den hier genannten Ausgangspunkt auch G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  24; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (759); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (512); zum deutschen IPR etwa bereits Dethloff, Europäisierung, S.  75. 118  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  151; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  391. 119  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  151. 120  BGH v. 04.03.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174 (183 f.) – „Direktansprache am Arbeits­ platz“. 121  Beater, 2011, Rn.  1820.

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten

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In anderen Konstellationen sollen demgegenüber Nachteile vermieden werden, die sich nicht aus dem Anruf an sich, sondern vielmehr erst aus einem möglichen Wechsel des Arbeitsplatzes durch den Arbeitnehmer ergeben können, gleichwohl aber den Arbeitgeber nicht in seiner Rolle als Teilnehmer des Arbeitsmarktes be­ treffen. So kann es etwa um den Schutz vor einer Mitnahme der bestehenden Kun­ denbeziehungen am Produktmarkt gehen.122 Ebenso können Aspekte des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen in die Interessenbewertung einfließen.123 Wiederum andere Verbote der Abwerbung von Mitarbeitern betreffen dagegen die Beteiligten in ihrer Rolle als Teilnehmer auf dem Arbeitsmarkt: So ist etwa in der deutschen Literatur zum Sachrecht das Interesse des bisherigen Arbeitgebers herausgestellt worden, am Wettbewerb um den Arbeitnehmer weiterhin teilnehmen zu können.124 Dies betrifft originär das Interesse des früheren Arbeitgebers an Chancengleichheit als Wettbewerber am Arbeitsmarkt. Ebenso existieren in man­ chen Staaten zum Schutze der Arbeitnehmer Irreführungsverbote wie im Bereich der Produktwerbung.125 Schließlich berücksichtigt die Rechtsprechung des BGH zu Headhuntern nicht nur die Interessen des Arbeitgebers, sondern auch das der Mitar­ beiter vor Belästigung.126 Jedenfalls bei den erstgenannten Verbotsgründen geht es nicht um den Schutz der Wettbewerber im Hinblick auf den Arbeitsmarkt, vielmehr wird ein mittelbarer Schutz für den Produktmarkt angestrebt. Insoweit zeigt diese Fallgruppe eine Nähe zu Fällen ohne direkte Markteinwirkung, was eine Anwendung von Art.  6 Abs.  2 Rom II nahelegen könnte. Demgegenüber erscheint in den zuletzt genannten Kons­ tellationen, insbesondere den Irreführungsfällen, eine Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II unausweichlich. Die Interessenlage ist nicht anders als in anderen Fällen der Irreführung. Hier sind die Arbeitnehmer in ihrer Rolle als Marktgegen­ seite am Arbeitsmarkt ebenso betroffen, wie es sonst bei irregeführten Verbrau­ chern der Fall ist. Daher könnte man entweder eine nach Verbotsgrund differenzierende Lösung an­ nehmen oder sich an der Stelle vollständig von der Kommissionsbegründung lösen und mit der Mindermeinung auf Art.  6 Abs.  1 Rom II zurückgreifen. Für letzteres sprechen mehrere Gesichtspunkte: Zunächst führt in dieser Konstellation Art.  6 Abs.  2 Rom II i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II ebenfalls zum Ort der Einwirkung auf den potentiell abzuwerbenden Arbeitnehmer, weil hier in einen rechtlich geschütz­ ten Bereich eingedrungen wird.127 Eine differenzierende Lösung müsste die Rechts­ 122 Vgl.

Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (348 f.) zum griechischen Recht. Beater, 2011, Rn.  1816. 124  Beater, 2011, Rn.  1811. 125  Etwa im spanischen Recht García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (660); zum österreichischen Recht vgl. Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (502). 126  BGH v. 04.03.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174 (184 f.) – „Direktansprache am Arbeits­ platz“. 127  Identische Anknüpfungspunkte nehmen für den Regelfall auch an MünchKommBGB/ 123 

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

sicherheit beeinträchtigen, weil die einzelnen Verbote oft nicht klar getrennt sind, sondern einer umfassenden Beurteilung der Interessenlage im Einzelfall unterlie­ gen128. Das zeigt, dass eine Aufspaltung der geschützten Interessen schwierig wäre. Es wäre auch schwer nachzuvollziehen, dass ein einheitliches Verhalten zugleich ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers i. S. v. Art.  6 Abs.  2 Rom II beeinträchtigen soll, aber eben auch andere Interessen betreffen und damit unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen kann. Auch muss im Ergebnis jede Regelung, die das Abwerben von Mitbewerbern betrifft, die Chancengleichheit auf dem Arbeits­ markt berühren, was für die einheitliche Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II spricht.129 Es erscheint daher richtig, sich von der Kommissionsbegründung zu lösen: Bei der Fallgruppe des Abwerbens von Angestellten ist Art.  6 Abs.  1 Rom II anwendbar. b)  „Industriespionage“ und „Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen“ aa) Meinungsstand Auch im Zusammenhang mit der Industriespionage und der Preisgabe von Ge­ schäftsgeheimnissen besteht in der Literatur Uneinigkeit über das Vorliegen der für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderlichen Markteinwirkung. Oftmals wird pauschal der Marktbezug verneint130, vereinzelt wohl aber auch bejaht.131 Zum Teil wird diffe­ renziert: Art.  6 Abs.  2 Rom II wird angewandt, soweit es um die Erlangung des Geschäftsgeheimnisses geht; Art.  6 Abs.  1 Rom II soll dagegen eingreifen, soweit die Verwertung, sei es im Wege des Verkaufs der geheimen Information selbst132 , oder über den Verkauf der auf Grundlage des Geheimnisses entwickelten Produk­ te133, im Streit steht.134 Danach soll in den Verwertungshandlungen eine Einwir­ Drexl, IntUnlWettbR Rn.  151; Sack, GRUR Int. 2012, 601 (606); vgl. allgemein zum Anknüp­ fungspunkt des Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II Teil 2 D. II. 1. 128  Deutlich zum Sachrecht BGH v. 04.03.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174 (180) – „Direkt­ ansprache am Arbeitsplatz“; vgl. allgemeiner zu einem solchen Problem bei der Rechtwahl . 129  So wohl MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  151, allerdings ohne nach Verbots­ gründen aufzuschlüsseln. 130  Hellner, YBPrIL 2007, 49 (56, 58); MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  154 (aller­ dings aufgrund der Erwägung, dass eine Anknüpfung an den „Lizenzmarkt“ nach Art.  6 Abs.  1 Rom II kein anderes Ergebnis liefere); im Ergebnis für Art.  6 Abs.  2 Rom II bei der zur Industri­ spionage auch Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  24; G. Wagner, IPRax 2008, 1 (8); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (512); i.E. – auch für Verwertungshandlungen – für Art.  6 Abs.  2 Rom II OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (472) – „HOBAS-Rohre – Rohrprodukte“; Wadlow, EIPR 2008, 309 (311, 313, 314). 131  Für Art.  6 Abs.  1 Rom II Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 327 allerdings auf­ grund des Interesses der Chancengleichheit der rechtstreu handelnden Konkurrenten. 132  Sack, WRP 2008, 850 (851); ders., GRUR Int. 2012, 601 (606); für den Verkauf des Geheim­ nisses nimmt auch Wadlow, EIPR 2008, 309 (313) den Schadenseintritt am Marktort an. 133  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (606). 134  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  363; Sack, WRP 2008, 850 (851); ders., GRUR Int. 2012, 601 (606) mit dem hier genannten Argument.

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kung auf die Marktgegenseite vorliegen, die bei der bloßen Erlangung der geheimen Information fehle. bb) Stellungnahme Die in der Literatur angedachte Differenzierung ist nachvollziehbar. Sie berücksich­ tigt aber nicht hinreichend die Differenzierung zwischen dem Ort des Schadensein­ tritts und dem der indirekten Schadensfolgen i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II. Der öster­ reichische OGH hat es für naheliegend gehalten, dass auch für die Beurteilung der Verwertung allein der Ort der Entwendung des Geheimnisses als Ort des Schaden­ seintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II anzusehen sei.135 Aus dieser Perspektive stellt die Verwertung des Geheimnisses nur eine indirekte Schadensfolge dar, an die ge­ mäß Art.  4 Abs.  1 a. E. Rom II nicht angeknüpft werden kann. Eine einheitliche Anknüpfung an den Ort der Erlangung bzw. Offenbarung des Geschäftsgeheimnisses erscheint vorzugswürdig: Die bloße unrechtmäßige Erlan­ gung einer Information ohne anschließende Nutzung dürfte kaum einmal einen messbaren Schaden begründen. Vielmehr ist die sich ergebende Nutzung die typi­ sche und eigentlich schädigende Folge aus der unrechtmäßigen Erlangung der ge­ heimen Information. Dieser Umstand legt eine einheitliche Anknüpfung von Erlan­ gung und Verwertung von Geheimnissen nahe. Er könnte allerdings auch dafür sprechen, dass möglicherweise die unrechtmäßige Erlangung von Informationen noch gar keinen kollisionsrechtlich relevanten Schadenseintritt darstellt.136 Hierge­ gen sprechen aber telelogische Argumente: So verliert der Inhaber eines Geschäfts­ geheimnisses seine ausschließliche Herrschaft über das Geschäftsgeheimnis bereits an dem Punkt, an dem ein anderer es rechtswidrig erlangt.137 Die Anknüpfung an den Ort des Schadenseintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II dürfte darauf beruhen, dass es in der Kontrolle des Opfers liegt, in welchem Staatsgebiet und damit unter welcher Rechtsordnung es seine Interessen und Rechtsgüter „aufbewahrt“. Jeden­ falls aber sollen für den Geschädigten die potentiell anwendbaren Rechtsordnungen von vornherein erkennbar sein.138 Der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses verliert aber jede Kontrolle über dieses, sobald es an eine unbefugte Person gelangt ist. Wäre die Verwertung in einem solchen Fall nach Art.  6 Abs.  1 Rom II gesondert anzuknüpfen, wäre die Rechtsordnung daher für das Opfer nicht mehr vorherseh­ bar. Dabei ist auch zu bedenken, dass nach hier vertretener Auffassung Art.  6 Abs.  1 Rom II auch zu einem Marktort führen kann, an dem nur der Täter, nicht aber das 135  Dahin tendierend, aber offen lassend OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (472) – „HOBAS-Rohre – Rohrprodukte“. 136  Zu einer solchen Sichtweise Wadlow, EIPR 2008, 309 (314) vor dem Hintergrund englischer Rechtsprechung zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO, im Ergebnis offen lassend; ausdrücklich anders Münch­ KommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  154. 137  In diesem Sinne wohl Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  391, allerdings nicht mit der hier gezogenen Schlussfolgerung. 138  Huber/Bach, Art.  4 Rom II Rn.  16.

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Opfer, also der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses, wirtschaftlich tätig ist.139 Eine gesonderte Anknüpfung der Verwertung könnte im schlimmsten Fall zu einer Rechtsordnung führen, die eine effektive Sanktionierung der Verletzung des Ge­ schäftsgeheimnisses ausschließt, ohne dass das Opfer hierauf Einfluss hätte. Das träfe den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses besonders hart, da das Geschäftsge­ heimnis nach seiner kommerziellen Verwertung im schlimmsten Fall weltweite Be­ kanntheit erlangen und seine Eigenschaft als solches verlieren kann.140 Spiegelbild­ lich könnte die gesonderte Anknüpfung der Verwertung aus Sicht potentieller Schä­ diger Anreize zur unrechtmäßigen Beschaffung von Geschäftsgeheimnissen bieten. Eine isolierte Anknüpfung der Verwertung wird dagegen vorzunehmen sein, wenn der Täter der Verwertungshandlung das Geheimnis rechtmäßig erlangt hat und sich die Unrechtmäßigkeit auf die Verwertung beschränkt. Hier hat sich das Opfer typischerweise der tatsächlichen Verfügungsmacht über das Geheimnis frei­ willig begeben, sodass es mit dem Risiko rechnen muss, dass die eingeweihten Per­ sonen es an verschiedenen Orten und damit unter verschiedenen Rechtsordnungen verwenden. Der Ort des Schadenseintritts, wie er in Art.  4 Abs.  1 Rom II genannt ist, wird sich mangels einer vorgelagerten schädigenden Einwirkung auf die „Rechtssphäre“141 des Geheimnisträgers auch nur am Marktort ausmachen lassen. Das spricht dafür, dass hier ein jedenfalls entsprechender Marktbezug gegeben ist. Im Ergebnis ist daher die für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderliche Markteinwirkung nur anzunehmen, soweit es allein um die kommerzielle Nutzung eines rechtmäßig erlangten Geschäftsgeheimnisses geht. c)  Verleitung zum Vertragsbruch aa) Meinungsstand Weitere Unsicherheit bereitet die von der Kommission angesprochene Fallgruppe der Anstiftung zum Vertragsbruch. Die Literatur ist sich in ihrer Bewertung unei­ nig, ob diese Fallgruppe den für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderlichen unmittelbaren Marktbezug aufweist.142 Zum Teil wird danach differenziert, ob die Beschäftigten oder die Marktgegenseite auf dem Markt für Waren und Dienstleistungen zum Ver­ tragsbruch angestiftet werden sollen.143

139 

Vgl. dazu Teil 3 A. III. 2. Auf diese Gefahren weist Wadlow, EIPR 2008, 309 (314) hin. 141  Auf eine solche abstellend OGH v. 20.09.2011 – 4 Ob 12/11k, GRUR Int. 2012, 468 (472) – „HOBAS-Rohre – Rohrprodukte“. 142  Für Marktvermittlung Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (145); MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  152; gegen Marktvermittlung Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  160; Hellner, YBPrIL 2007, 49 (56), Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  756; differenzierend Sack, GRUR Int. 2012, 601 (604, 606 f.). 143  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (606 f.); bereits zum deutschen IPR Dethloff, Europäisierung, S.  75. 140 

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bb) Stellungnahme In der Tat muss stets geklärt werden, wer in der diskutierten Fallgruppe zu einem Vertragsbruch angestiftet werden soll. In den Sachrechten der Mitgliedstaaten kann die Verleitung zum Vertragsbruch nämlich unterschiedliche Konstellationen er­ fassen. So wird die Verleitung zum Vertragsbruch in den WIPO Model Provisions nur an einer Stelle in Art.  6 Abs.  2 Nr. ii, iv WIPO als ein Beispiel dafür genannt, wie Ge­ schäftsgeheimnisse veröffentlicht, erworben oder verwendet werden können.144 Diese Fallgruppe der Verleitung zum Vertragsbruch ist in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten etwa dem deutschen145, dem französischen146 oder österreichi­ schen147 Lauterkeitsrecht bekannt. Das englische Recht enthält mit dem tort des inducement of breach of contract eine vergleichbare Regelung.148 Für diese Fallgrup­ pe müssen inhaltlich die oben angeführten Erörterungen zu Geschäftsgeheimnissen gelten. Weiterhin kennen mehrere Rechtsordnungen, etwa die deutsche149, die engli­ sche150, die französische151 und die spanische152 , den Begriff im Zusammenhang mit der Abwerbung von Arbeitskräften. Dabei sind die hierfür entwickelten Überle­ gungen153 maßgeblich, sodass eine entsprechende Einwirkung auf den Arbeitsmarkt anzunehmen ist.154 In anderen Konstellationen betrifft die Fallgruppe der Anstiftung die Marktge­ genseite am eigentlichen Markt für Waren und Dienstleistungen.155 Die Anstiftung der Kunden zum Vertragsbruch wird etwa im deutschen156, englischen157, österrei­ chischen158 und spanischen159 Recht sanktioniert. Daneben werden in der deutschen kollisionsrechtlichen Literatur vor allem Anstiftungen gegenüber Anbietern zum Bruch von Vertriebsbindungssystemen diskutiert.160 In beiden Fallgruppen ist der 144  „Disclosure, acquisition or use of secret information […] may, in particular, result from […] (ii) breach of contract; […] (iv) inducement to commit any of the acts referred to in items (i) to (iv)”. 145  Etwa G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Harte-Bavendamm, §  77 Rn.  65. 146  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (279 ff.). 147  Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (497 ff.). 148  Vgl. hierzu S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (207 f.). 149  Etwa Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, §  4 UWG Rn.  10.28. 150  S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (207 f.). 151  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (279 ff.). 152  García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (658). 153  Teil 3 B. I. 2. a) bb). 154  Für eine Parallele im Ergebnis auch Sack, GRUR Int. 2012, 601 (606 f.), der allerdings in beiden Fällen den Marktbezug gerade verneint. 155  Diese Konstellation hat MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  152 vor Augen. 156  Etwa Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, §  4 UWG Rn.  10.56. 157 Vgl. S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (207 f.). 158  Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (497 ff.) zur österrei­ chischen Rechtslage. 159  García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (658). 160  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  335 f.; MünchKommUWG/Mankowski, Int­

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für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderliche Marktbezug meist unzweifelhaft gegeben, da eine Einwirkung auf den (potentiellen) Geschäftspartner erfolgt161 und die Hand­ lung regelmäßig zugleich unmittelbar mit der Förderung des Absatzes bzw. des Be­ zugs des Handelnden zusammenhängt.162 Die Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II erscheint schon deshalb interessengerecht, weil das weniger an Gleichheitsinteres­ sen ausgerichtete allgemeine Internationale Deliktsrecht dazu führen könnte, dass Wettbewerber im Verhältnis zueinander einen unterschiedlichen starken „Schutz“ in Bezug auf die bereits bestehenden Kundenbeziehungen haben. Sieht man damit in der Anstiftungshandlung selbst die für den Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderliche Einwirkung auf die Marktgegenseite, kann sodann kon­ sequenterweise – entgegen zahlreicher anders lautender Literaturstimmen163 – auch im Rahmen des Anknüpfungspunktes nur an ebendiese Anstiftungseinwirkung an­ geknüpft werden. Wie in der Literatur zum Teil angedacht164, fehlt es an einem erforderlichen Marktbezug ausnahmsweise in dem Spezialfall, dass der handelnde Wettbewerber nicht selbst einen Vertragsschluss mit dem vertragsbrüchigen Personenkreis herbei­ führen und vielmehr nur die Durchführung der vom Konkurrenten geschlossenen Verträge behindern will. Dieses Verhalten entfernt sich nämlich stark von der lau­ terkeitsrechtlich im Prinzip gebilligten „Schädigung“ durch das Werben um die Marktgegenseite und hat eine rein mittelbare Förderung der eigenen Wettbewerbs­ position zum Ziel. Dagegen wird zwar eingewandt, ein Abstellen auf Art.  6 Abs.  2 Rom II könne die Belange des zum Vertragsbruch Angestifteten vernachlässigen.165 Es bedürfte allerdings näherer Konkretisierung, welche Interessen das sein sollen. Der angestiftete Kunde bzw. Nachfrager behält es stets in der Hand, seine Verträge nicht zu brechen, sodass es zumindest ungewöhnlich erschiene, wenn er selbst vor der Anstiftung geschützt werden müsste. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Anstiftung zum Vertragsbruch nur selten der erforderliche Marktbezug fehlt. Das ist dann der Fall, wenn die Anstiftung nicht darauf abzielt, dass der Anstifter selbst einen Vertrag mit dem Vertragsbrüchigen abschließt.

WettbR Rn.  341 ff.; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  77; beide Konstellationen nennt etwa Sack, GRUR Int. 2012, 601 (606). 161  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (607). 162  In diesem Sinne wohl MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  152. 163  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  152: Ort des Abschlusses des gebrochenen Vertrages; Sack, GRUR Int. 2012, 601 (607): „gewerbliche Niederlassung“ der angesprochenen Marktgegenseite; für den Spezialfall des Bruchs von Vertriebsbindungssystemen MünchKomm­ UWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  342: „Absatzmarkt“ (Hervorhebung im Original durch Fett­ druck); ebenso Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  335 f.; ähnlich Staudinger/Fezer/ Koos, IntWirtschR Rn.  776. 164  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  152, im Ergebnis allerdings ablehnend. 165  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  152.

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d)  Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen aa) Meinungsstand Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen liegen in einem Grenzfeld von Art.  4, Art.  6 Abs.  1, 2 und Art.  8 Rom II. Der im deutschen materiellen Recht vorgenom­ menen Einstufung als Anspruch aus der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§  823 Abs.  1 BGB) wird in der Literatur jedoch keine Bedeutung beigemessen.166 Es wird, soweit ersichtlich, unstreitig Art.  6 Rom II und auch nicht etwa Art.  8 Rom II für anwendbar gehalten167, wobei es allerdings als Vorfrage anzusehen sein soll, ob dem Verwarnenden ein entspre­ chendes Schutzrecht zusteht168. Dabei wird innerhalb von Art.  6 Rom II meist wei­ ter danach unterschieden, ob eine sog. Herstellerverwarnung oder aber eine sog. Abnehmerverwarnung vorliegt.169 Bei der Herstellerverwarnung geht es um eine Verwarnung gegenüber dem (angeblichen) Rechtsverletzer, bei der Abnehmerver­ warnung dagegen um eine Verwarnung gegenüber dessen Kunden.170 Bei der Her­ stellerverwarnung soll Art.  6 Abs.  2 Rom II eingreifen, weil es an einem Wettbewerbsverhalten gegenüber dem Markt fehle. Wo hingegen die Abnehmer ver­ warnt würden, sei die erforderliche Einwirkung auf den Markt gegeben, sodass Art.  6 Abs.  1 Rom II anzuwenden sei. bb) Stellungnahme Die vorgenannte Differenzierung leuchtet ein, soweit es im Falle um eine Verwar­ nung gegenüber dem Abnehmer geht: Denn in diesem Fall liegt der Schaden für den Wettbewerber darin, dass in Folge der unberechtigten Verwarnung die Kunden in Zukunft einen anderen Vertragspartner wählen werden.171 Es liegt ein typisch lau­ terkeitsrechtlicher Interessenkonflikt vor. Für eine Beurteilung als lauterkeitsrecht­ liche Frage lässt sich auch anführen, dass etwa in Italien, Österreich und in Frank­ reich die Äußerung gegenüber Abnehmern, ein Mitbewerber verletze ein Immateri­ algüterrecht, einen Anwendungsfall des lauterkeitsrechtlichen Verbots der 166  MünchKomm/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17; Sack, WRP 2008, 845 (851); ders., GRUR Int. 2012, 601 (607). 167  MünchKomm/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115 „soweit diese Wettbewerbszwecken dient“; Pi­ per/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (437); Sack, WRP 2008, 845 (851); ders., GRUR Int. 2012, 601 (607). 168  Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (437); ähnlich im Bereich des Art.  8 Rom II aber ohne­ hin etwa de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (158); Ofner, ZfRV 2008, 13 (19); Schack, in: Leible/Ohly, S.  79 (80 f.). 169  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  367 ff.; Sack, WRP 2008, 845 (851); ders., GRUR Int. 2012, 601 (607); nach Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  656 soll „jedenfalls“ die Abnehmerverwarnung unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen; zum deutschen IPR bereits so abgren­ zend Dethloff, Europäisierung, S.  75; alle jeweils mit der im Folgenden wiedergegebenen Zuord­ nung zu den Anknüpfungsgegenständen. 170  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (607). 171  Vgl. zum Sachrecht Fezer/Götting, §  4 –10 UWG Rn.  73.

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

Anschwärzung darstellt172. Auch die WIPO Model Provisions ordnen diese Frage dem Lauterkeitsrecht zu.173 Dagegen scheidet eine Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II bei der sog. Herstel­ lerverwarnung in der Tat aus: Es fehlt am Wettbewerbsverhalten gegenüber der Marktgegenseite, wie es Art.  6 Abs.  1 Rom II verlangt. Eine Anwendung von Art.  6 Abs.  2 Rom II erscheint prinzipiell denkbar. Allerdings ist zu bedenken, dass eine Rechtsordnung die Folgen einer Fehleinschätzung des Umfangs eines Immaterial­ güterrechts regeln sollte. Das muss ebenso für die Einschätzung des Verwarnten gelten, das beanstandete Verhalten sei zulässig, wie für die Einschätzung des Ver­ warners, dieses Verhalten sei unzulässig.174 Die nach einer Verwarnung bestehen­ den Risiken, die sich für die Parteien daraus ergeben können, dass einerseits diese Verwarnung zu Recht oder zu Unrecht ausgesprochen wurde und andererseits der Verwarnte ihr zu Recht oder zu Unrecht nachgekommen oder nicht nachgekommen ist, sollte eine Rechtsordnung zu einem angemessenen Ausgleich bringen. Anderen­ falls drohen Ungleichgewichte, die etwa dazu führen könnten, dass jemand mit ei­ ner Verwarnung nur ein geringes Risiko eingeht, der Verwarnte dagegen ein hohes Haftungsrisiko eingeht, wenn er der Verwarnung nicht nachkommt. Eine solche ungleiche Verteilung der Haftungssituation könnte damit auch zu einer de facto-Er­ weiterung des immaterialgüterrechtlichen Schutzes führen, weil es wirtschaftlich tendenziell sinnvoll werden könnte, Schutzrechtsverwarnungen im Zweifel unab­ hängig von ihrer Berechtigung zu befolgen. Umgekehrt könnten prohibitiv hohe Haftungsrisiken im Falle einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung dazu füh­ ren, dass das Immaterialgüterrecht nur noch eingeschränkt ausgeübt werden kann.175 Daher muss ein Gleichlauf mit dem Immaterialgüterrecht hergestellt wer­ den. Dies belegt auch Art.  13 Rom II, der im Bereich der ungerechtfertigten Berei­ cherung das Schutzlandprinzip anordnet und so verdeutlicht, dass sich auch die Folgen des Nichtbestehens eines bestimmten Immaterialgüterrechts nach den Re­ geln des Art.  8 Rom II beurteilen. Zum Teil wird vorgeschlagen, dieses Ergebnis über die Auslegung des Begriffs des Schadenseintritts in Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.1 Rom II zu erreichen und diesen am Ort des behaupteten Immaterialgüterrechtsverstoßes zu lokalisieren.176 Da es aber bei der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung gerade auf den Schaden ankommen muss, welchen die Verwarnung ihrerseits unmittelbar auslöst, erscheint es zweifelhaft, auf den Ort der Immaterialgüterrechtsverletzung abzustellen. Das gewünschte Ergebnis lässt sich daher über Art.  6 Abs.  2 Rom II i. V. m. Art.  4 Abs.  3 172  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (392) zu Italien; Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (273) zu Frankreich; Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (483 f.) zu Österreich. 173  Note 4.03 WIPO Model Provisions, wo dies als Spezialfall einer Irreführung angesehen wird. 174  Vgl. zum sachrechtlichen Interessenkonflikt Fezer/Götting, §  4 –10 UWG Rn.  73. 175  Vgl. zum Sachrecht Fezer/Götting, §  4 –10 UWG Rn.  73. 176  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (607).

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten

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Rom II erreichen oder aber über eine unmittelbare Anwendung von Art.  8 Abs.  1 Rom II. Etwas mehr spricht für den letztgenannten Weg: So zeigt Art.  13 Rom II, dass der Gesetzgeber das Immaterialgüterrecht umfassend unmittelbar dem Schutz­ landprinzip unterstellen wollte und sich nicht darauf verlassen hat, dass die Gerich­ te aufgrund einer Einzelfallprüfung über den Weg der offensichtlich engeren Ver­ bindung zu den vom Schutzlandprinzip erzielten Ergebnissen kommen. Zudem ge­ währleistet nur die unmittelbare Anwendung des Art.  8 Rom II, dass für den Bereich des Immaterialgüterrechts konsequent die Rechtswahl ausgeschlossen werden kann. Mit dem Wortlaut des Art.  8 Rom II ist ein solches – zugegeben extensives – Verständnis des Immaterialgüterrechts vereinbar: So sind etwa im englischen Recht entsprechende Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung in den immaterialgüterrechtlichen Sondergesetzen normiert.177 Letztlich sollte daher bei unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen differen­ ziert werden: Geht es um sog. Herstellerverwarnungen, greift Art.  8 Rom II. Geht es dagegen um eine sog. Abnehmerverwarnung, ist Art.  6 Abs.  1 Rom II anzuwen­ den. 3. Ergebnis Bei dem in der Kommissionsbegründung zu Art.  6 Abs.  2 Rom II genannten Bei­ spiel der Abwerbung von Angestellten liegt der für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderli­ che unmittelbare Marktbezug vor. Bei den Beispielen der Preisgabe von Geschäfts­ geheimnissen und Industriespionage ist der Marktbezug nur gegeben, wenn das Geheimnis auf dem Markt verwertet wird und nicht zuvor rechtswidrig erlangt wur­ de. Soweit die Fallgruppe der Anstiftung zum Vertragsbruch die Anstiftung der Marktgegenseite betrifft, besteht der Marktbezug dann, wenn – wie regelmäßig – das Wettbewerbsverhalten die Marktgegenseite dazu bringen soll, einen neuen Ver­ trag mit dem Schädiger abzuschließen. Bei den unberechtigten Schutzrechtsver­ warnungen ist nur bei der sog. Abnehmerverwarnung ein für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderlicher unmittelbarer Marktbezug gegeben. II. Vorbereitungshandlungen 1. Meinungsstand Eine weitere Frage ist, ob auch Handlungen, die zeitlich vor der Markteinwirkung liegen, sog. „Vorbereitungshandlungen“178, dem Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen können. Weitgehend anerkannt ist, dass derartigen Hand­ lungen, die vor der Einwirkung auf die Marktgegenseite liegen, für die Bestimmung

177 Vgl. 178 

S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (206 f.). MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  116.

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

des Anknüpfungspunktes keine Relevanz zukommt, wenn der Anknüpfungsgegen­ stand des Art.  6 Abs.  1 Rom II eingreift.179 Doch ist bereits zum deutschen Lauterkeitsrecht vertreten worden, dass das Lau­ terkeitsstatut mit seiner Marktortanknüpfung von vornherein nicht einschlägig sei, soweit es um sachrechtliche Regelungen gehe, die Verhalten vor der Markteinwir­ kung verböten; hierbei sei vielmehr das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Vorbereitungshandlung erfolge.180 Diese Differenzierung wird nun zum Teil in der Sache auf die europäische Rechtslage übertragen: Es findet sich etwa die Auffas­ sung, dass sich die Beurteilung derartiger Vorbereitungshandlungen selbst nicht nach Art.  6 Abs.  1 Rom II richte, sondern vielmehr unmittelbar181 oder über Art.  6 Abs.  2 Rom II182 nach den allgemeinen deliktischen Regeln. Das stützt sich darauf, dass diese Maßnahmen nicht auf den Markt einwirkten und daher entweder nicht als Wettbewerbsverhalten interpretierbar seien183 bzw. aufgrund des zeitlich nachgela­ gerten und damit fehlenden unmittelbaren Bezugs zur Absatzförderung nur unter den Begriff des Wettbewerbsverhalten in Art.  6 Abs.  2 Rom II fallen könnten184. 2. Stellungnahme Die Frage, ob die Produktion eines Gutes selbst ein Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II darstellt, betrifft nach dem hier vertretenen Ansatz, der sich an den Begriff der Geschäftspraktiken anlehnt, die Frage, ob eine derartige Maßnahme „unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Pro­ dukts an [die Marktgegenseite] zusammenhängt“. Dies ist im Prinzip zu verneinen. Denn der Begriff der Unmittelbarkeit muss wohl auch im Sinne einer unmittelbaren „Außenwirkung“185 der Handlung gegenüber der Marktgegenseite gedeutet werden: Ein reines geschäftliches Internum kann dieses Merkmal an sich nicht erfüllen.186 Bei diesem Befund sollte man aber nicht stehen bleiben. Nach dem Ansatz der funktionalen Qualifikation kommt es nämlich vor allem darauf an, welche Aufgabe 179  Etwa jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  17; MünchKommBGB/Drexl, IntUnl­ WettbR Rn.  116; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  277; Sack, WRP 2008, 845 (847); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  699; zum deutschen Recht: BGH v. 30.06.1961, I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (334 ff.) – „Kindersaugflaschen“; Ahrens, in: FS Tilmann, S.  739 (750, 752) mit der Ausnahme der Vorbereitung eines Betrugs; Sack, GRUR Int. 1998, 320 (325). 180  Kegel/Schurig/Kegel, S.  726 f.; Sack, GRUR Int. 1988, 320 (324); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  278. 181  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (731 f.); möglicherweise auch Piper/ Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  18. 182  Dies zieht MünchKomm/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  117 in Erwägung; für lauterkeitsrechtli­ chen Leistungssschutz auch Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609). 183 So Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (731 f., 760). 184  So wohl Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609). 185  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  2 UWG Rn.  36. 186  Vgl. zum sachrechtlichen Begriff der geschäftlichen Handlung Köhler/Bornkamm/Köhler, §  2 UWG Rn.  36.

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten

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einer Sachnorm in ihrer Rechtsordnung zukommt.187 Soll das Verbot der Vorberei­ tungshandlung nur ein nachgelagertes nach außen wirkendes Marktverhalten effek­ tiv verhindern, so hat die Vorschrift dieselbe Funktion wie eine Sachnorm, die erst das Marktverhalten unmittelbar regelt. Anders kann dies dagegen sein, wenn mit der Untersagung von Vorbereitungshandlungen bereits andersartige eigenständige Schutzzwecke verfolgt werden. Diese Differenzierung ergibt sich auch daraus, dass zwischen der Definition des Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II und dem Ort des Schadenseintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II ein enger Zusammenhang besteht. Die Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II kann daher nicht ausgeschlossen werden, wenn die Beeinträchtigung der maßgeblichen Rechtsgüter erst am Marktort und gerade nicht vorgelagert erfolgt. a)  Schadenseintritt vor der Markteinwirkung Zunächst zu betrachten ist der Fall, dass eine rechtlich relevante Rechtsguts- oder Interessenbeeinträchtigung bereits vor der Markteinwirkung eingetreten ist. Zu denken ist etwa an die Verletzung von Arbeitsschutzbedingungen im Rahmen der Warenproduktion und damit vor dem eigentlichen Wettbewerbsverhalten. Gegen eine solche können Mitbewerber zwar nicht nach deutschem Recht188, wohl aber etwa nach schweizerischem Recht (Art.  7 UWG CH) vorgehen. Nicht zu verwech­ seln ist dies allerdings mit dem Fall, dass sich ein Wettbewerber allein gegen den Verkauf eines Produkts infolge der Verletzung bestimmter Produktionsbedingun­ gen, ggf. zu einem bestimmten Preis, wehrt.189 In diesen Fällen ist die eigentlich beanstandete Verhaltensweise ohne Weiteres unmittelbar auf den Markt gerichtet: Dementsprechend ist hier Art.  6 Abs.  1 Rom II anwendbar.190 Dies ist anders, wenn bestimmte Verhaltensweisen im Produktionsablauf als solche angegriffen werden können. Unzweifelhaft ist zunächst, dass sich die Regeln über den Arbeitsschutz selbst nicht nach dem Marktortrecht richten können.191 Für die Mitbewerber auf einem Markt können damit unterschiedliche Verhaltensstandards gelten, sodass die Errei­ chung des mit der Marktortanknüpfung angestrebten Ziels der Chancengleichheit deutlich abgeschwächt ist. Um die Verwirklichung von Wettbewerbsgleichheit am Marktort geht es in dieser Konstellation daher nicht.192 187 

Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn.  507. Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  11.38. 189  Vgl. zum deutschen IPR Mook, S.  114, 149, der anhand früher Rechtsprechung aufzeigte, dass nur das eigentliche Ausnutzen eines Rechtsverstoßes, etwa eine durch den Rechtsverstoß er­ möglichte niedrige Preispolitik, lauterkeitsrechtlich verboten werden konnte, und diese Sichtweise auch für die kollisionsrechtliche Beurteilung des Rechtsbruchs in den Vordergrund stellte. 190  In dieser Konstellation für das Marktortprinzip unter deutschem IPR BGH v. 09.05.1980 – I ZR 76/78, GRUR 1980, 858 (860) – „Asbestimporte“ (implizit); Katzenberger, IPRax 1981, 7 (8). 191  Vgl. zum deutschen IPR Katzenberger, IPRax 1981, 7 (8). 192  Vgl. aber die Diskussion zur „Ausnutzung des internationalen Rechtsgefälles“ bei BGH v. 09.05.1980 – I ZR 76/78, GRUR 1980, 858 (860) – „Asbestimporte“. 188 

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

Wollte man gleichwohl die Marktortanknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II her­ anziehen, bestünde die Möglichkeit, dass durch die Teilnahme auf einem bestimm­ ten Markt auch alle vor der Markttätigkeit liegenden Handlungen, wie die Einhal­ tung von Arbeitsschutzmaßnahmen, durch Mitbewerber einer lauterkeitsrechtlichen Prüfung nach dem Marktortrecht zugeführt werden könnten. Dies dürfte eine böse Überraschung etwa für deutsche Wettbewerber sein, die auf dem Auslandsmarkt tätig werden und nach ihrem Heimatrecht nicht damit rechnen müssen, dass Kon­ kurrenten eine gerichtliche Kontrolle der Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften anstrengen und damit ein Gerichtsverfahren mit Auswirkungen für den gesamten Produktionsprozess einleiten können. Hier verliert der Einwirkungsort als Anknüp­ fungspunkt insoweit für den handelnden Wettbewerber seine „Warnfunktion“: Denn hier ist eben nicht irgendeine bestimmte Einwirkung auf die Marktgegenseite unzulässig. Der missbilligte Vorteil liegt vielmehr bereits vor der Markttätigkeit im Rechtsverstoß begründet.193 Daher vermag die Anknüpfung an den Marktort die hier entstehende Interessenbeeinträchtigung nicht recht zu erfassen. Der Rechtsver­ stoß kann nicht gedanklich auf eine konkrete Markteinwirkung bezogen werden. Es besteht daher in der Tat eine Nähe zu Art.  6 Abs.  2 Rom II, nach dem bloß mittelba­ re Nachteile für den Markt gerade nicht nach Art.  6 Abs.  1 Rom II, sondern nach dem allgemeinen Deliktsstatut angeknüpft werden. Die relevante Chancengleichheit kann in derartigen Konstellationen auch ohne­ hin sachrechtlich nur zwischen Unternehmen angestrebt werden, die einheitlichen Anforderungen vor dem Marktverhalten, wie Arbeitsschutzmaßnahmen, unterlie­ gen194. Das legt nahe, auch kollisionsrechtlich an den Ort der gemeinsamen Nieder­ lassung gemäß Art.  4 Abs.  2 Rom II anzuknüpfen. Denn so kann die für die Chan­ cengleichheit relevante materiellrechtliche Vergleichsgruppe kollisionsrechtlich nachgebildet werden: Einheitliche Arbeitsschutzvorschriften bestehen nämlich vor allem zwischen Wettbewerbern mit gewöhnlichem Aufenthalt in demselben Staat. Fehlt es hieran, so sollte als Ort des Schadenseintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II der Ort gewählt werden, an dem die Zuwiderhandlung stattgefunden hat und damit die Chancengleichheit verletzt wurde. Bereits in anderem Zusammenhang hat der EuGH anerkannt, dass „Angriffe auf die Rechtsordnung“195 relevante Schäden sein können. Dies sollte auch in dieser Konstellation gelten. Denn sie zeichnet sich da­ durch aus, dass der Ort der Interessenverletzung bereits am Produktionsort liegt, weil hier die Arbeitsschutznormen verletzt werden und zugleich bereits dadurch auch ein missbilligter Wettbewerbsvorteil erreicht wird.

193  In diesem Sinne allgemein zum Rechtsbruch Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  43: „un­ mittelbarer Vorsprung“. 194  Vgl. Art.  7 UWG CH „wer Arbeitsbedingungen nicht einhält, die durch Rechtssatz oder Vertrag auch dem Mitbewerber auferlegt, oder berufs- oder ortsüblich sind“. 195  EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8141) – Henkel.

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten

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b)  Schadenseintritt durch die Markteinwirkung Hiervon zu unterscheiden sind Fälle, in denen eine Vorbereitungshandlung – wie die Herstellung eines Produkts – nur verboten wird, um den Eintritt eines missbil­ ligten Erfolgs auf dem Markt möglichst effizient zu unterbinden, ohne dass eine eigenständige Interessenbeeinträchtigung der Markttätigkeit vorgelagert wäre. Es handelt sich dann um „abstrakte Gefährdungsdelikte“196. Wenig Beachtung findet die Frage, wie der Ort des Schadenseintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II bei Vorbereitungshandlungen zu bestimmen ist. Möglicherweise soll hierbei an den Ort der Vorbereitungshandlung selbst angeknüpft werden. Zum deut­ schen Recht ist – allerdings unter dem Anknüpfungspunkt des Handlungsortes – angenommen worden, eine Anknüpfung an den Ort der Vorbereitungshandlung müsse möglich sein, wenn diese Handlung bereits an sich sachrechtlich verboten sei, um so die Vorverlagerung des Verbots durch den Sachrechtsgebers nicht kolli­ sionsrechtlich zu konterkarieren.197 Ähnlich enthält Art. V der Cambridge Resoluti­ on eine Sonderkollisionsnorm, die es erlaubt, auf Vorbereitungshandlungen auch das Recht des Ortes der Vorbereitung anzuwenden. Gerechtfertigt wurde diese Vor­ schrift damit, dass jedem Staat daran gelegen sei, der in seinem Staat entspringen­ den Gefahr unlauteren Wettbewerbsverhaltens entgegenzuwirken.198 Allerdings sollte diese Kollisionsnorm nach der Anmerkung nicht stets eingreifen und es teils bei der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Anknüpfung verbleiben.199 Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung soll die Anwendung von Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  1 Rom II in dieser Fallkonstellation zwar zum be­ einträchtigten „Betrieb oder Betriebsteil“200 führen.201 Allerdings will diese An­ sicht über Art.  4 Abs.  3 Rom II zum Ort der Produktion gelangen.202 Dabei wird darauf hingewiesen, dass so insbesondere in Fällen lauterkeitsrechtlichen Leis­ tungsschutzes ein Gleichlauf mit Art.  8 Abs.  1 Rom II erreicht werden könne, bei dem Vorbereitungshandlungen ebenfalls gesondert sachrechtlich verboten und auch kollisionsrechtlich gesondert angeknüpft werden könnten.203 Richtigerweise ist zunächst zu fragen, wo überhaupt das beeinträchtigte Interesse belegen ist, das den Ort des Schadenseintritts ausmacht.204 An sich liegt es nahe, den Ort des Schadenseintritts mit dem in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Marktort gleichzusetzen: Da wohl anerkannt wird, dass auch die Verbote von Vorbereitungs­ 196  So MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  278 (Hervorhebung im Original durch Fettdruck). 197  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  278; ähnlich Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609). 198  Art. V Note Cambridge Resolution. 199  Art. V Note Cambridge Resolution. 200  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609). 201  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609). 202  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609). 203  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609). 204  Im Ausgangspunkt zutreffend daher Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609).

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

handlungen den für das Lauterkeitsrecht typischen in Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II genannten Interessen dienen können 205, ist nicht ersichtlich, warum der Ort des Schadenseintritts ein anderer sein könnte als der in Art.  6 Abs.  1 Rom II be­ schriebene Marktort.206 Denn die in Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II genannten Interessen können erst beeinträchtigt werden, sobald das entsprechende Verhalten ihnen gegenüber Außenwirkung erlangt. Der Gesetzgeber verbietet ggf. eine be­ stimmte Herstellung von Produkten oder die Erstellung von Werbematerial gerade deshalb, weil er damit im Ergebnis unlauteren Wettbewerb auf dem Markt verhin­ dern will. Die Tatsache, dass der Sachnormgesetzgeber die sachrechtlichen Tatbestände vorverlagert, ändert nicht die in Blick genommenen geschützten Interessen, son­ dern betrifft allein den Grad der Interessengefährdung, welcher den Haftungstatbe­ stand auslöst. Dieser ist aber kollisionsrechtlich für den Anknüpfungspunkt irrele­ vant. Jede andere Sichtweise widerspricht dem mit Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgten Ziel, den Ort des Schadenseintritts einheitlich zu fixieren. Die Anwendung dieser Kollisionsnorm kann nicht davon abhängen, dass der vom Sachnormgesetzgeber vorgesehene Punkt der Verwirklichung des materiellrechtlichen Verbotstatbestan­ des jeweils exakt mit dem kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkt übereinstimmt. Forderte man Anderes, müsste dies das vorgegebene kollisionsrechtliche „Koordi­ natensystem“ sprengen und die Rechtssicherheit beeinträchtigen. Das hier vertrete­ ne Ergebnis legt auch das Urteil Marinari zu Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ nahe, nach dem unabhängig von dem konkreten Zeitpunkt der Erfüllung des Haftungstatbestands unter dem anwendbaren Sachrecht der Ort des Schadenseintritts im Interesse der Rechtssicherheit einheitlich und autonom zu bestimmen ist.207 Ist aber der Ort des Schadenseintritts mit dem Marktort nach Art.  6 Abs.  1 Rom II identisch, ergeben sich die einzigen Unterschiede zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht sodann nur aus der Möglichkeit der Anwendung der in Art.  4 Abs.  2–3, Art.  14 Rom II genannten Anknüpfungspunkte. Hierauf kommt es jedenfalls Sack gerade an: Die Ausweichklausel des Art.  4 Abs.  3 Rom II soll zum Recht am Ort der Produktion führen.208 Es gehe darum, sicherzustellen, dass ein materiellrechtliches Produktionsverbot nicht kollisionsrechtlich konterkariert werde, insbesondere wenn die Produkte nur für die Ausfuhr bestimmt seien. Art.  6 Abs.  1 Rom II liegt aber gerade die Vorstellung zu Grunde, dass jeder Staat sich um „seinen“ Markt kümmern soll und daher auf seinem Markt sein Recht An­ wendung findet. Unter diesem Blickwinkel können Staaten die Produktion von Wa­ ren (nur) verbieten, um ihren eigenen Markt zu schützen. Wenn Staaten sich dazu 205  In diesem Sinne wohl Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (760): „nicht Individualinteressen betreffende Vorbereitungshandlungen“. 206  In die Richtung wohl auch MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  116 f., ohne daraus aber Konsequenzen für den Anknüpfungsgegenstand zu ziehen. 207  EuGH v. 19.09.1995 – C-364/93, Slg. 1995, I-2733 (2740 f.) – Marinari. 208  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609 f.) auch zum Folgenden.

B.  Abgrenzung zu anderen Verhaltensarten

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entscheiden könnten, ohne Betroffenheit ihres eigenen Marktes auch sonstige ir­ gendwie von ihrem Staatsgebiet ausgehenden wirtschaftlich relevanten Aktivitäten zu regulieren, würde der mit Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Vereinheitlichungs­ zweck gefährdet. Wenn schon der Handlungsort im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht kollisionsrechtlich relevant werden kann und es einem Staat damit im Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht möglich ist, von seinem Staats­ gebiet ausgehende Wettbewerbsverstöße zu verbieten, wäre es nicht schlüssig, wenn Vorbereitungshandlungen und damit ein von der Marktätigkeit noch weiter entfern­ tes Verhalten wieder gesondert angeknüpft werden könnten.209 Auch im Übrigen ist die Interessenlage hier nicht anders als in Fällen, die unstrei­ tig unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen. So darf etwa über die geschützten Interessen Dritter nicht durch Rechtswahl verfügt werden. Auch könnte insbesondere die An­ wendung des Rechts am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von Anspruchstel­ ler und Geschädigtem in einzelnen Rechtsbeziehungen zur Anwendung einer ande­ ren Rechtsordnung als der des Marktortes (und des Herstellungsortes) führen. Zu­ dem erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit, dass nicht eine an sich auf dem Markt vollkommen zulässige Geschäftspraxis über den Umweg der Untersagung der Vorbereitungsmaßnahmen nach einem anderen Recht verboten werden kann.210 Das wäre auch kaum mit dem berechtigten Vertrauen des Werbenden zu vereinba­ ren, der sich nach den Wertungen von Art.  6 Abs.  1 Rom II darüber zu informieren hat, ob die von ihm beabsichtigte Wettbewerbshandlung am Marktort zulässig ist. Das hiermit angestrebte Ziel der Rechtssicherheit würde gefährdet, wenn das Wett­ bewerbsverhalten letztlich doch noch über Art.  4 Abs.  2, 3 Rom II einer anderen Rechtsordnung unterworfen werden könnte. Auch werden Verbote von Vorberei­ tungshandlungen und eigentlichem Marktverhalten regelmäßig aufeinander abge­ stimmt sein, sodass eine Aufspaltung auf verschiedene Anknüpfungsgegenstände Wertungswidersprüche provoziert. Der Vergleich zum Immaterialgüterrecht ist ebenfalls zweifelhaft: Das Internati­ onale Lauterkeits- und das Internationale Immaterialgüterrecht sind kollisions­ rechtlich in unterschiedlichen Artikeln normiert. Art.  6 Abs.  1 Rom II sieht als sein Schutzgut u. a. die Wettbewerbsbeziehungen, Art.  8 Abs.  1 Rom II dagegen ein Recht des geistigen Eigentums an. Die Wettbewerbsbeziehungen, die vor einer be­ stimmten Markteinwirkung geschützt werden sollen, können nur beeinträchtigt werden, wo diese Wettbewerbsbeziehungen sich befinden, was bei Rechten des geis­ tigen Eigentums naturgemäß anders sein mag.211 Hier stellen sich zwar schwierige Qualifikationsfragen. Das kann aber nicht ohne weiteres dazu führen, die von den Kollisionsnormen vorgegebenen Differenzen schlicht einzuebnen. 209 

Ähnlich zum Anknüpfungspunkt MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  116. gegen die Anknüpfung an Vorbereitungshandlungen im Rahmen des Anknüp­ fungspunktes etwa Sack, GRUR Int. 1988, 320 (325). 211  Siehe Teil 5 C. III. 3. b). 210 Ähnlich

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Teil 3:  Das „Wettbewerbsverhalten“ i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

Letztlich ist festzuhalten, dass Regelungen über Vorbereitungshandlungen eben­ falls dem Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen, soweit sie im Ergebnis – wie „normale“ lauterkeitsrechtliche Regeln – am Marktort belegene Interessen vor einem Wettbewerbsverhalten schützen. c) Ergebnis Bei Verboten von Vorbereitungshandlungen ist zu differenzieren: Soll mit dem Ver­ bot einer missbilligten Markttätigkeit lediglich bereits präventiv begegnet werden und sind die sachrechtlich geschützten Interessen am Marktort belegen, ist ein für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderliches marktbezogenes Wettbewerbsverhalten anzu­ nehmen. Ist dagegen die Vorbereitungshandlung deshalb verboten, weil sie selbst unmittelbar eine Interessenbeeinträchtigung mit sich bringt, erfüllt das streitige Verhalten nicht die Anforderungen, die Art.  6 Abs.  1 Rom II an ein marktbezogenes Wettbewerbsverhalten stellt. Insoweit ist daher auf das allgemeine Internationale Deliktsrecht nach Art.  4, 14 Rom II zurückzugreifen.

C.  Grenzen der Leistungsfähigkeit des Tatbestandsmerkmals des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II In der Literatur ist das hier als „Wettbewerbsverhalten“ bezeichnete verhaltensbezo­ gene Element des Art.  6 Abs.  1 Rom II zum Teil besonders betont worden: Mit der Begründung, dass das Vorliegen eines derartigen marktbezogenen Wettbewerbs­ verhaltens unschwer feststellbar sei, ist die Gefahr von Qualifikationsschwierigkei­ ten als gering eingeschätzt worden.212 Es ist sogar vertreten worden, eine aus Art.  2 lit.  d UGP-RL entwickelte Definition des Wettbewerbsverhaltens könne auch eine Abgrenzung zum Internationalen Vertragsrecht leisten.213 Ein Ansatz, der das Lauterkeitsrecht vom Vertragsrecht über die geregelten Ver­ haltensweisen abgrenzte, mag im deutschen Sach- und Kollisionsrecht zutreffend gewesen sein.214 Denn nach herkömmlicher nationaler Vorstellung betrafen Wettbe­ werbshandlungen allein Verhaltensweisen bis zum Vertragsschluss, sodass sich Wettbewerbsrecht und Vertragsrecht kaum überschneiden konnten.215 Dadurch, dass der Begriff der Geschäftspraktiken und damit auch derjenige des Wettbe­ werbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II auch Handlungen beim und nach dem 212  Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636 f.) zu Art.  5 VO-E 2003, der zwar auch auf die Schutzzwecke der ggf. zu berufenden Sachnormen eingeht, das Verhältnis zum verhaltensbezoge­ nen Element aber nicht klärt; ähnlich Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (58), anders aber auf S.  63, wo er dem Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit eigenständige Bedeutung beimisst. 213  Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  13. 214  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  129 f. 215  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  129 f.; vgl. zum Sachrecht Köhler/Bornkamm/ Köhler, §  2 UWG Rn.  70.

C.  Grenzen der Leistungsfähigkeit1

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Vertragsschluss erfassen, kann eine Differenzierung nicht mehr in zeitlicher Hin­ sicht danach erfolgen, ob ein bestimmtes Vertragsverhältnis bereits entstanden oder angebahnt worden ist.216 Im Gegenteil ist die Definition des Wettbewerbsverhaltens in starkem Maße vertragsbezogen.217 Die unter das Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II fallenden Verhaltensweisen überschneiden sich in erheblichem Umfang mit solchen, die vertragsrechtlich 218 oder jedenfalls durch das Rechtsinsti­ tut der culpa in contrahendo geregelt sind. Wenn ein unmittelbar marktgerichtetes Wettbewerbsverhalten im oben beschriebenen Sinne vorliegt, so folgt daraus alleine also nicht, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II die maßgebliche Kollisionsnorm wäre. Viel­ mehr beurteilt das nach Art.  6 Abs.  1 Rom II berufene Recht das Wettbewerbsver­ halten nur im Hinblick auf bestimmte Rechtsfragen 219, worauf im Folgenden einzu­ gehen ist.

216  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  129, 130; ähnlich Köhler/Bornkamm/Köhler, Rn.  5.33 ff. 217  Harte/Henning/Glöckner Einl B Rn.  269, bereits vor der UPG-RL zu Österreich Bydlinski, S.  609 f.; 622 f. 218  Vgl. MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  130. 219  Vgl. MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  113.

Teil 4

Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II Der Anknüpfungsgegenstand des unlauteren Wettbewerbsverhaltens muss also über das oben beschriebene verhaltensbezogene (= marktbezogene) Element hinaus weiter eingegrenzt werden. Nachdem das verhaltensbezogene Element im Wortlaut dem „Wettbewerbsverhalten“ zugeordnet wurde, bietet es sich an, dieses näher ein­ grenzende Tatbestandsmerkmal im Wortlaut des Art.  6 Abs.  1 Rom II am Begriff der Unlauterkeit festzumachen.1 Unstreitig ist wohl, dass der Begriff der Unlauter­ keit auf die Möglichkeit einer Haftung wegen rechtswidrigen Verhaltens verweist.2 Die Frage, wie genau der Begriff der Unlauterkeit in Art.  6 Abs.  1 Rom II auszufül­ len ist, bereitet allerdings Probleme.3

A.  Unlauterkeit im Sinne des materiellen Rechts? I. Meinungsstand Vielfach findet sich eine starke Orientierung an materiellrechtliche Kriterien: Eine Auffassung geht prinzipiell davon aus, dass der Begriff der Unlauterkeit kaum ein­ zugrenzen sei, weil das Verdikt der Unlauterkeit nur anhand des materiellen Rechts getroffen werden könne.4 Andere wählen den Weg, sich an staatsvertraglichen sach­ rechtlichen5 Regelungen zu orientieren: So ist verschiedentlich eine Übernahme von Art.  10 Abs.  2–3 PVÜ vorgeschlagen worden6, der wie folgt lautet:

1  So gehen auch Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (731 f.), MünchKommB­ GB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  113 vor. 2  Pazdan /Szpunar, in: Nuyts, S.  131 (132). 3  Etwa Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  88. 4  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  88. 5  Die PVÜ stellt keine IPR-Regeln auf, s. Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  17; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  45; Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  75; Wiebe/G. Kodek/ Handig, Einleitung Rn.  254. 6  Dickinson, Rome II, Rn.  6.9; Honorati, in: Malatesta, S.  127 (142); Sympathie hierfür auch bei Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II Rn.  22; in Anlehnung an Art.  10 bis Abs.  2 PVÜ definiert Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  9, 10 den Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens, hält die Definition aber selbst für wenig aussagekräftig; die Norm erwähnt auch Honorati, in: Malatesta, S.  127 (142); bereits früher Dutoit, in: Liber Amicorum Droz, S.  51 (64).

A.  Unlauterkeit im Sinne des materiellen Rechts?

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Artikel 10bis PVÜ Schutz gegen unlauteren Wettbewerb (1) Die Verbandsländer sind gehalten, den Verbandsangehörigen einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb zu sichern. (2) Unlauterer Wettbewerb ist jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogen­ heiten in Gewerbe oder Handel zuwiderläuft. (3) Insbesondere sind zu untersagen: 1. alle Handlungen, die geeignet sind, auf irgendeine Weise eine Verwechslung mit der Niederlassung, den Erzeugnissen oder der gewerblichen oder kaufmännischen Tätig­ keit eines Wettbewerbers hervorzurufen; 2. die falschen Behauptungen im geschäftlichen Verkehr, die geeignet sind, den Ruf der Niederlassung, der Erzeugnisse oder der gewerblichen oder kaufmännischen Tätigkeit eines Wettbewerbers herabzusetzen; 3. A ngaben oder Behauptungen, deren Verwendung im geschäftlichen Verkehr geeignet ist, das Publikum über die Beschaffenheit, die Art der Herstellung, die wesentlichen Eigenschaften, die Brauchbarkeit oder die Menge der Waren irrezuführen.

Wohl in einem ähnlichen Sinne wird vorgeschlagen, die „Unehrlichkeit und/oder Irreführung“ durch das Verhalten als ein relevantes Kriterium zur Festlegung der Unlauterkeit einzustufen.7 Manche versuchen sich an den Tatbeständen des europä­ ischen Rechts zu orientieren und denken vor allem an die Verbote der UGP-RL8. Andere lehnen eine Qualifikation anhand von Art.  10bis PVÜ9 oder der UGP-RL ab10. II. Stellungnahme Der Begriff der Unlauterkeit stiftet in diesem Zusammenhang offenbar Verwirrung. Hier wird dieser aus dem Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 Rom II stammende Terminus verwendet, um den Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II über das ver­ haltensbezogene Tatbestandsmerkmal des Wettbewerbsverhaltens hinaus weiter einzugrenzen. Zu betonen ist daher, dass der Begriff der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht mit der Frage der materiellen Unlauterkeit nach der lex causae verwechselt werden darf. Das nach dem Lauterkeitsstatut bestimmte materielle Recht soll vielmehr abschließend festlegen, ob ein bestimmtes Wettbewerbsverhal­ ten unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig oder unzulässig ist.11 Ggf. kann das gemäß Art.  6 Abs.  1 Rom II anwendbare Sachrecht also auch zu dem Er­ gebnis kommen, dass das fragliche Verhalten vollkommen lauter ist.12 Das bedeutet 7  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  10: „dishonest and/or misrepresenting nature“ neben anderen Krite­ rien. 8  Honorati, in: Malatesta, S.  127 (140, 142), der aber auch anderen Rechtsakten Bedeutung beimisst. 9  Coureault, S.  117. 10  Dickinson, Rome II, Rn.  6.23. 11  Buchner, GRUR Int. 2005, 1004 (1008); Dutoit, in: Liber Amicorum Droz, S.  55 (64). Münch­ KommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  113. 12  Das sieht auch Dutoit, in: Liber Amicorum Droz, S.  55 (64).

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Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

dann nicht, dass damit mangels Unlauterkeit der Anknüpfungsgegenstand nach Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht eröffnet wäre und sich subsidiär die Beurteilung der Zu­ lässigkeit nach dem allgemeinen Deliktsstatut nach Art.  4, 14 Rom II richtete.13 In­ sofern kann dem Gedanken nicht zugestimmt werden, dass die Unlauterkeit, ver­ standen als Tatbestandsmerkmal der Kollisionsnorm, nur anhand materiellrechtli­ cher Kategorien zu ermitteln sei. Es ist aber durchaus zutreffend, dass man unter den Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II solche Regeln fassen kann, die nach rechtsvergleichender Be­ trachtung in den Mitgliedstaaten materiellrechtlich als Verbote unlauteren Wettbe­ werbsverhaltens eingestuft werden.14 Für die äußersten Grenzen der Wortlautausle­ gung dürfte dies zwingend sein: Denn der Wortlaut des unlauteren Wettbewerbs­ verhaltens kann nichts erfassen, was in keiner der Rechtsordnungen der Union oder der Mitgliedstaaten – jedenfalls dem groben Rechtsgedanken nach – als unlauteres Wettbewerbsverhalten bezeichnet werden kann.15 Umgekehrt wird das, was alle Mitgliedstaaten als unlauteres Wettbewerbsverhalten bezeichnen, am ehesten unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen.16 Daher ist vor allem die staatsvertragliche Regelung in Art.  10bis PVÜ im Ansatz ein durchaus anerkennenswerter Ausgangspunkt dessen, was den Begriff der Unlauterkeit in Art.  6 Abs.  1 Rom II ausmacht.17 Der praktische Nutzen einer an Art.  10bis PVÜ angelehnten Definition darf aber nicht überschätzt werden: So wird in der Rechtsprechung mancher Staaten der Norm von vornherein eigenständige sachrechtliche Bedeutung abgesprochen.18 Auch wenn man in Art.  10bis PVÜ immerhin einen sachrechtlichen Minimalstandard für das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb entnimmt19, so kann danach zumindest keine abschließende Definition der Unlauterkeit mithilfe dieser Norm vorgenommen werden. Auch ist die Definition aus Art.  10bis Abs.  2 PVÜ aufgrund des unbestimm­ ten Rechtsbegriffs der „anständigen Gepflogenheiten“ für Zweifelsfälle kaum wei­ terführend.20 Konkreter sind zwar die Beispiele aus Art.  10bis Abs.  3 PVÜ. Ob die­ se aber hilfreich zur Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes sind 21, ist fraglich, 13  Vgl. die Überlegungen in diese Richtung bei Petch, JIBLR 2006, 509 (510) zu früheren For­ mulierungen des Anknüpfungsgegenstandes. 14  Siehe bereits Teil 1 C. II. 3. 15  Dem Verständnis der nationalen Rechte noch mehr Bedeutung beimessend Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (10). 16  Joubert, in: Corneloup/Joubert, S.  55 (68). 17  Dickinson, Rome II, Rn.  6.19: „common ground“; ähnlich im Hinblick auf die Harmonisie­ rung des Sachrechts Schricker/Henning-Bodewig, EIRP 2002, 271 (272), die zutreffend vom „common heritage“ sprechen. 18  Pflüger, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  65 (67) mit Nachweisen zur Rechtsprechung in den common law-Staaten. 19 So Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  9; Pflüger, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  65 (69); Schricker/Henning-Bodewig, EIRP 2002, 271 (271). 20  Zur Unbestimmtheit Henning-Bodewig, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (11); Pflüger, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  65 (79). 21  So Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  22.

B.  Voraussetzung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen

121

weil die dort genannten Fälle ohnehin besonders typische Fallgestaltungen unlaute­ ren Wettbewerbs darstellen 22. Für Qualifikationsfragen bietet auch diese Vorschrift daher kaum eine Orientierung. Im Übrigen ist zweifelhaft, ob der Begriff des unlau­ teren Wettbewerbs in Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht weiter sein muss als derjenige des PVÜ. So hat Art.  10bis PÜV selbst nur die Belange der Wettbewerber im Blick 23 und schreibt damit eher den dogmatischen Stand des Lauterkeitsrechts vergangener Zei­ ten fest.24 Demgegenüber misst die Norm dem kollektiven Verbraucherschutz keine eigenständige Bedeutung bei.25 All das spricht dafür, dass Art.  10bis PVÜ jedenfalls keine abschließende Bedeutung zukommen kann. Auch eine Anlehnung an die europäischen materiellrechtlichen Vorschriften des Lauterkeitsrechts ist zwar grundsätzlich möglich. Sie kann vor allem in dem Sinne Bedeutung erlangen, dass materiellrechtliche Regeln der WerbeRL und der UGPRL ein positiver Aussagegehalt dahingehend zukommt, dass diese Regelungen dem Lauterkeitsstatut unterfallen sollen.26 Im Gegensatz zu diesem positiven Aussage­ gehalt wird man demgegenüber dem materiellen europäischen Lauterkeitsrecht nur schwerlich eine negative Aussage dazu entnehmen können, welche Rechtsfragen nicht zum Lauterkeitsstatut nach Art.  6 Abs.  1 Rom II gehören, weil nämlich das materielle Lauterkeitsrecht auf europäischer Ebene nur ausschnittsweise geregelt ist.27 Folglich bleibt das materielle europäische Lauterkeitsrecht zwar für die Ausle­ gung von Art.  6 Abs.  1 Rom II wichtig, ist aber keine abschließende Erkenntnis­ quelle. Im Ergebnis kann den genannten Ansätzen, die sich an Kategorien materiellen Rechts orientieren, daher zugestimmt werden, soweit sie nicht den Begriff der Un­ lauterkeit im kollisionsrechtlichen Sinne mit irgendeiner materiellen Unlauterkeit verwechseln, sondern lediglich versuchen, einen Konsens innerhalb der Mitglied­ staaten darüber festzustellen, welche Fragen zum Recht gegen den unlauteren Wett­ bewerb gehören. Eine an abstrakten Abgrenzungskriterien orientierte Qualifikation kann dies jedoch nicht ersetzen.

B.  Voraussetzung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen oder der kollektiven Verbraucherinteressen Abweichend von den oben genannten engen Ansätzen, die die Unlauterkeit einer Sachrechtsordnung entnehmen wollen, will eine andere Auffassung bereits vorgela­ 22 

Beater, 2011, Rn.  366 spricht von „Archetypen“. Coureault, S.  24 f.; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  28; Pflüger, in: Hilty/Hen­ ning-Bodewig, S.  65 (87 ff.). 24  Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (11). 25  Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (11); Pflüger, in: Hilty/Henning-Bode­ wig, S.  65 (88) mit Nachweisen auch zur Gegenauffassung. 26  Siehe bereits Teil 1 C. II. 1. 27  Dickinson, Rome II, Rn.  6.23. 23 

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Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

gert auf kollisionsrechtlicher Ebene untersuchen, welche Interessen in einem kon­ kreten Fall beeinträchtigt werden, um anhand dessen den Anknüpfungsgegenstand Art.  6 Abs.  1 Rom II vom allgemeinen Deliktsstatut abzugrenzen. I. Ansätze 1.  Abgrenzung zum allgemeinen Deliktsstatut So lehnt sich etwa eine in England vertretene Auffassung an die Anknüpfungs­ punkte in Art.  6 Abs.  1 Rom II an und setzt für die Einschlägigkeit des Anknüp­ fungsgegenstandes des Art.  6 Abs.  1 Rom II in Abgrenzung zum allgemeinen De­ liktsstatut voraus, dass die Wettbewerbsbeziehungen – verstanden als Interessen der Wettbewerber – oder die kollektiven Verbraucherinteressen berührt werden.28 Hier­ bei soll auf kollisionsrechtlicher Ebene offenbar allein anhand des konkreten tat­ sächlichen Sachverhalts eine autonome Prüfung erfolgen, ob eine (wahrscheinliche) Beeinträchtigung solcher Interessen durch das Wettbewerbsverhalten vorliegt.29 Demnach soll die Zulässigkeit einer Irreführung, die nur gegenüber einem Abneh­ mer vorgenommen wird, nach einem anderen Statut zu beurteilen sein, als wenn diese Irreführung eine ganze Marketingstrategie umfassen würde.30 Wo nach der Fallkonstellation nur Interessen einzelner betroffen sind, sollen Art.  4, 14 Rom II anwendbar sein. Uneinigkeit besteht innerhalb dieser Auffassung nur darüber, ob der erforderliche Grad an Beeinträchtigung der in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Interessen mit dem Kriterium der Spürbarkeit31 oder als Bagatellgrenze32 beschrieben werden sollte. Dabei ist zu betonen, dass diese Auffassung sich die Frage stellt, inwiefern für den Anknüpfungsgegenstand – in Abgrenzung zum allgemeinen Deliktsrecht – ein be­ stimmter Grad an Beeinträchtigung lauterkeitsrechtlicher Interessen zu verlangen ist. Dies ist von der bereits erörterten Frage33 zu trennen, welchen Grad an Interes­ senbeeinträchtigung im Sinne einer Spürbarkeitsprüfung der Anknüpfungspunkt verlangt.34 Diesem Ansatz ähnlich sind möglicherweise auch in Deutschland vertretene Auf­ fassungen zu verstehen, die an die Definition der „Kollektivinteressen der Verbrau­ cher“ aus Art.  3 lit.  k VO 2006/200435 anknüpfen: Nach der dortigen Legaldefinition 28  Dickinson, Rome II, Rn.  6.24; Plender/Wilderspin, Rn.  20-031; 20-032; ähnlich wohl Stau­ dinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  400. 29  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  400: „lauterkeitsrechtliche Relevanz des Gesamt­ sachverhalts“. 30  Plender/Wilderspin, Rn.  20-031 mit der hier wiedergegebenen Schlussfolgerung. 31 So Dickinson, Rome II, Rn.  6.24: „some (appreciable) effect“. 32 So Plender/Wilderspin, Rn.  20-032: „a more than de minimis effect“. 33  Siehe Teil 2 A. II. 5. b). 34  Anders wohl Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  50, dort Fn.  111. 35  Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Okto­ ber 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzge­

B.  Voraussetzung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen

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bezeichnet dieser Terminus „die Interessen mehrerer Verbraucher, die durch einen Verstoß geschädigt worden sind oder geschädigt werden könnten“.36 So wird – aller­ dings im Zusammenhang mit dem Anknüpfungspunkt – Art.  6 Abs.  1 Rom II auf solche Verhaltensweisen beschränkt, die für das wirtschaftliche Verhalten zahlrei­ cher Verbraucher von Relevanz sind, wobei bei der Beurteilung dieser Frage auch Schwere und Planmäßigkeit des strittigen Verhaltens eine Rolle spielen sollen.37 Vergleichbar soll nach diesem Ansatz eine Verschlechterung der Chancen anderer Wettbewerber eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen bewirken.38 2.  Abgrenzung zu Art.  6 Abs.  2 Rom II Es finden sich daneben Ansätze, die in vergleichbarer Weise entscheiden wollen, ob die Kollisionsnorm des Art.  6 Abs.  1 Rom II oder aber die des Art.  6 Abs.  2 Rom II einschlägig ist: Danach muss in jedem konkreten Fall geprüft werden, ob das Wett­ bewerbsverhalten allein die Belange eines einzelnen Wettbewerbers oder aber auch solche der Marktgegenseite oder weiterer Konkurrenten berührt hat.39 Auch hierbei geht es ersichtlich nicht darum, welche Schutzzwecke die berufenen Sachnormen verfolgen40, vielmehr handelt es sich auch hierbei allein um eine Untersuchung des tatsächlichen Sachverhalts. Das belegen Beispiele, die diese Auffassung anführt: So sollen etwa auch Anschwärzungskonstellationen unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen41, wohingegen die deutschen sachrechtlichen Regeln zur Anschwärzung in §  4 Nr.  8 UWG nach dieser Auffassung gerade allein den Interessen des angeschwärzten Konkurrenten dienen42. Das erscheint konsequent, wenn man berücksichtigt, dass nach dieser Ansicht in Anschwärzungskonstellationen normalerweise auch die Kunden irregeführt werden.43 Andere beschränken noch deutlicher die Anwendbar­ setze zuständigen nationalen Behörden („Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucher­ schutz“), ABl. L 364 vom 09.12.2004, S.  1 ff. 36  Auf diese Definition weisen Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (741 f., dort Fn.  121); Hellner, YBPrIL 2007, 49 (55) hin. 37  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schub­ mehl, S.  719 (741 f.). 38  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schub­ mehl, S.  719 (748). 39  Dickinson, Rome II, Rn.  6.29; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  178; Nordemann, Rn.  31; Plender/Wilderspin, Rn.  20-031, 20-035; in der Sache auch Wadlow, JIPLP 2009, 789 (792 f.); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (511 f.); möglicherweise in diese Richtung Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (21): „différence de degré et non de nature“, unklar Köhler/Bornkamm/ Köhler, Einl UWG Rn.  5.44; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  110, 150, 156 die jeweils einerseits die Markteinwirkung für das entscheidende Kriterium halten, aber andererseits eine Überprüfung der Interessenbeeinträchtigung im konkreten Fall befürworten. 40  Deutlich zum deutschen Internationalen Lauterkeitsrecht Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.16, wohl auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 323 f., anders möglicher­ weise bei Rn.  178. 41  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.44. 42  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  8.2. 43  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  8.24.

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Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

keit von Art.  6 Abs.  1 Rom II auf den Fall, dass tatsächlich eine Irreführung der Kunden gegeben ist.44 Der österreichische OGH folgt wohl einer vergleichbaren Linie: So hält er im Falle des Domain-Grabbings normalerweise nur die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers für beeinträchtigt, hat jedoch für den Fall, dass in der Verwendung des in Anspruch genommen Domainnamens zugleich eine Irre­ führung liegt, die Anwendbarkeit des Art.  6 Abs.  1 Rom II in Betracht gezogen.45 3.  Unterschiede im Einzelnen Im Einzelnen gibt es verschiedene Schattierungen der Auffassung, die die für den Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderliche Interessenbeein­ trächtigung anhand des tatsächlichen Sachverhalts ermitteln will: Während manche es für möglich halten, fallgruppenweise zu entscheiden46, scheinen andere dem ab­ lehnend gegenüberzustehen47.48 Manche Ausführungen in der Literatur49 scheinen der sachverhaltsbezogenen Prüfung der betroffenen Belange sogar keine eigenstän­ dige Bedeutung neben der Feststellung des auf den Markt einwirkenden Wettbe­ werbsverhaltens einzuräumen, während in anderen Ausführungen50 diese beiden Abgrenzungskriterien gerade einander gegenübergestellt werden. Ebenso wird in der Literatur auch erörtert, wie es sich auswirkt, wenn nicht nur ein bestimmter Wettbewerber, sondern mehrere bestimmte Wettbewerber im Ein­ zelfall betroffen sind. Zum Teil wird vertreten, dass bei der Verletzung der Interes­ sen mehrerer Konkurrenten nicht Art.  6 Abs.  2 Rom II, sondern vielmehr Art.  6 Abs.  1 Rom II anwendbar sei.51 Diese Auffassung muss selbst zugestehen, dass sich hierbei oftmals Zufälligkeiten ergeben können.52 Auf derselben Prämisse dürfte es beruhen, wenn überlegt wird, ob ein aus mehreren Gesellschaften bestehender Kon­ zern als ein Wettbewerber i. S. v. Art.  6 Abs.  2 Rom II angesehen werden kann.53 Eine Gegenauffassung lässt auch bei einer Mehrzahl betroffener Wettbewerber die Anwendung von Art.  6 Abs.  2 Rom II zu, wenn nur die einzelnen betroffenen Kon­ kurrenten identifiziert werden können.54

44  Nordemann, Rn.  31; ähnlich zum deutschen Recht Lindacher, WRP 1996, 645 (650), der al­ lerdings die Zwecke aller einschlägigen Sachnormen untersuchte. 45  OGH v. 09.08.2011 – 17 Ob 6/11y, GRUR Int. 2012, 464 (467) – „alcom-international.at“, im Ergebnis offen lassend. 46  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  156. 47  Dickinson, Rome II, Rn.  6.29 „sensitive to the particular facts of the case“. 48  Unsicher zu dieser Frage Wadlow, JIPLP 2009, 789 (793). 49  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.44. 50  Leistner, in: Mankowski u. a., S.  129 (144 ff.). 51  Petch, JIBLR 2006, 509 (511); dazu neigend auch Wadlow, JIPLP 2009, 789 (792). 52  Petch, JIBLR 2006, 509 (511). 53  I.E. bejahend Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (512). 54  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (760).

B.  Voraussetzung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen

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II. Stellungnahme Für Verhaltensweisen, die nicht die in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Rechtsgüter (wahrscheinlich) beeinträchtigen, ist nach den vorgenannten Ansätzen Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht einschlägig. Das erscheint auf den ersten Blick schlüssig: Soweit kol­ lektive Verbraucherinteressen und Wettbewerbsbeziehungen nicht beeinträchtigt sind, bedarf es scheinbar auch nicht der Anknüpfung an den Ort einer solchen Be­ einträchtigung. Es bleibt aber zweifelhaft, welchen Prüfungsmaßstab der Rechtsan­ wender für die Bewertung der beeinträchtigten Interessen überhaupt zu Grunde le­ gen kann55: Es müsste sich wohl um einen eigenen „kollisionsrechtlich“-autonomen Maßstab handeln. Zuzugeben ist zwar, dass die zum Teil angedachte Übernahme von Art.  3 lit.  k VO 2006/2004 für die Frage des Vorliegens einer Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen einen abstrakten, aber doch der Unionsrechtsordnung be­ kannten und damit immerhin greifbaren Maßstab liefert. Für das Kollisionsrecht ist er dennoch zweifelhaft: So kann das materielle Recht seinerseits den Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen weiter oder enger fassen, als es die Prüfung der beeinträchtigten Interessen auf kollisionsrechtlicher Ebene ergibt.56 Probleme erge­ ben sich bereits im Hinblick auf das Sachrecht der Union. So liegt etwa dem Kern­ stück des materiellen Lauterkeitsrechts der Union, der UGP-RL, keine „quantitati­ ve“57 Anwendungsvoraussetzung zu Grunde.58 Am deutlichsten wird dies bei sach­ rechtlichen per-se-Verboten der schwarzen Liste im Anhang zur UGP-RL, die eine Einzelfallbetrachtung nicht zulassen (vgl. Erwägungsgrund 17 S.  3 der UGP-RL), auf die es kollisionsrechtlich aber anscheinend gerade ankommen soll. Derartige Diskrepanzen können zur Folge haben, dass das sachrechtlich verfolgte Ziel des kollektiven Verbraucherschutzes in der kollisionsrechtlichen Anknüpfung nicht nachvollzogen wird. Problematisch ist auch die Konsequenz, dass ein Verhalten, das nach kollisions­ rechtlicher Sichtweise die in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Interessen nicht ver­ letzt, gemäß (Art.  6 Abs.  2 Rom II i. V. m.) Art.  4, 14 Rom II nach dem allgemeinen Deliktsstatut beurteilt wird. So würde, je nach „kollisionsrechtlicher“ Beurteilung des Vorliegens einer Beeinträchtigung der in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Inter­ essen, entweder das allgemeine Deliktsstatut oder aber das Lauterkeitsstatut für dieselben Verhaltensregeln eingreifen,59 und zwar unabhängig davon, ob das Sach­ recht eine derartige Differenzierung kennt. Dies ist mit Rechtsunsicherheit verbun­ 55 

Sack, GRUR Int. 2012, 601 (605); vgl. bereits Weber, GRUR Int. 1983, 26 (28). Ähnlich gegen eine Übernahme der materiellrechtlichen Prüfungsmaßstäbe der lex fori be­ reits Weber, GRUR Int. 1983, 26 (28). 57  Zu Fragen der Spürbarkeit Handig, GRUR Int. 2008, 24 (28); Wiebe/G. Kodek/Handig, Ein­ leitung Rn.  289. 58  Zu Fragen der Spürbarkeit Handig, GRUR Int. 2008, 24 (28); Wiebe/G. Kodek/Handig, Ein­ leitung Rn.  289. 59  Plender/Wilderspin, Rn.  20-031. 56 

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Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

den, weil nicht leicht einzuschätzen ist, ob eine solche Beeinträchtigung im Sinne des Art.  6 Abs.  1 Rom II im Einzelfall vorliegt.60 Denn bei einem Verhalten auf dem Markt werden de facto stets mehrere Interessen beeinträchtigt, sodass es letztlich einer Wertung bedarf, welchen Interessen das Schwergewicht zukommt.61 Diese Rechtsunsicherheit muss im Bereich des Lauterkeitsrechts besonders schwer wie­ gen, wenn man bedenkt, dass es eine seiner wesentlichen Funktionen ist, das Wett­ bewerbsverhalten in bestimmte Bahnen zu leiten.62 Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Marktteilnehmer überhaupt wissen können, welchen Regeln sie unterliegen und dies nicht von den im Einzelfall eingetretenen Beeinträchtigungen abhängig gemacht wird.63 Das ausdrücklich von der Kommission angestrebte Ziel, mit Art.  6 Abs.  1 Rom II im Bereich des Lauterkeitsrechts Rechtssicherheit in der Union zu schaffen64, dürfte hiermit verfehlt werden. Auch der Wortlaut „ausschließ­ lich“ in Art.  6 Abs.  2 Rom II spricht dagegen, zur Abgrenzung von Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  6 Abs.  2 Rom II eine rechtsunsichere Abwägung mehrerer betrof­ fener Interessen vorzunehmen.65 Besonders schwer wiegt auch, dass sich aus der Maßgeblichkeit unterschiedlicher Kollisionsnormen erhebliche Wertungswidersprüche ergeben könnten, wenn Lau­ terkeitsstatut und allgemeines Deliktsstatut unterschiedliche Rechtsordnungen be­ rufen: Wettbewerbsverhalten, das im Kleinen – beurteilt nach dem allgemeinen Deliktsstatut – strikt verboten wäre, könnte eingesetzt im großen Stile unter Beein­ trächtigung kollektiver Verbraucherinteressen – beurteilt nach dem Lauterkeitssta­ tut – nicht zu beanstanden sein. Die Problematik, dass materiellen Wertungen vorgegriffen und damit auch die kollisionsrechtliche Beurteilung zweifelhaft wird, belegt, dass eine am Sachverhalt orientierte Überprüfung der Beeinträchtigung lauterkeitsrechtlicher Interessen sich nicht dazu eignet, um den Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II zu definieren.66 Daran ändert es nichts, wenn man mit einer Bagatellgrenze den Grad der erforderlichen Beeinträchtigung niedrig ansetzt. Das Grundproblem, dass eine sachrechtliche Wertung vorweggenommen wird, sowie die hiermit verbundenen Folgeprobleme und Wertungswidersprüche bleiben bestehen.67 Der Widerspruch 60  Dieses Problem sehen auch Plender/Wilderspin, Rn.  20-031; kritisch daher auch Honorati, in: Malatesta, S.  127 (157) „very broad discretionary power“; Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (143, 148): „rather unpredictable“. 61  Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (148). 62  Siehe hierzu schon Teil 2 A. II. 2., insbesondere Teil 2 A. II. 2. a) und Teil 2 A. II. 2. c) bb). 63  Vgl. auch Coureault, S.  70 ff., insb. 72, die allgemeiner betont, dass es Ziel der mit der Ver­ ordnung Rom II angestrebten Rechtssicherheit sei, dass die Personen ihr Verhalten hiernach aus­ richten können. 64  Begründung zu Art.  5 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 endgül­ tig, S.  17. 65  Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (144). 66 Zu einer Spürbarkeitsgrenze für den Anknüpfungsgegenstand selbst Plender/Wilderspin, Rn.  20-032: „not appropriate at the stage of determining the applicable law“. 67  Die Bagatellgrenze ebenfalls ablehnend Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  50, dort Fn.  111.

C.  Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias

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zwischen Anknüpfungsgegenstand und anwendbarem Sachrecht wird dadurch her­ vorgerufen, dass diese Auffassung für die Qualifikation nicht danach fragt, wel­ chem Interessenausgleich die zu berufenden Sachnormen dienen sollen. Die Auf­ fassung entfernt sich damit letztlich vom Ansatz einer funktionalen Qualifikation. Um die aufgezeigten Widersprüche zu vermeiden, bedarf es folglich eines Ansat­ zes, der im Sinne einer funktionalen Qualifikation die vorgenannten Aspekte be­ denkt.68

C.  Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias I. Meinungsstand 1.  Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias Der Anknüpfungsgegenstand des unlauteren Wettbewerbsverhaltens ist nach einer weiteren verbreiteten Auffassung nach dem persönlichen Schutzzweck der berufe­ nen Sachnormen zu ermitteln: Demnach werden solche Rechtsnormen berufen, bei denen der geschützte Personenkreis sich sowohl auf die Verbraucher, die Konkur­ renten als auch die Allgemeinheit erstreckt (sog. Schutzzwecktrias).69 Für die Maß­ geblichkeit der Schutzzwecktrias im Rahmen der Qualifikation berufen sich die Anhänger dieser Ansicht zum einen auf Ergebnisse der Rechtvergleichung70, zum anderen darauf, dass diese Schutzzwecke in Erwägungsgrund 21 S.  271 und in der Begründung zum ersten Verordnungsvorschlag der Kommission genannt werden72. Dabei müssen nach dieser Ansicht diese Zwecke von der fraglichen Sachnorm zu­ gleich verfolgt werden.73 Unschädlich soll es aber sein, wenn eine Schutzrichtung gegenüber den anderen überwiegt oder nur indirekt verfolgt wird.74 Während die meisten Vertreter die Schutzzwecktrias mit Art.  6 Abs.  1–2 Rom II assoziieren75, 68  Ohne zu vertiefen auch Honorati, in: Malatesta, S.  127 (141), die meint, die Qualifikation müsse nach Sinn und Zweck der Kollisionsnormen und der Sachnormen erfolgen. 69  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  7, 176; die dies ausdrücklich als funktionale Qualifikation verstehen; KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (635 f.); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  11; Paland/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  2; Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7); PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; Staudinger/Fezer/ Koos, IntWirtschR Rn.  390. 70 So Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (635 f.); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  11. 71  Hierauf abstellend Palandt/Thorn, Art. 6 Rom II (IPR) Rn.  2; PWW/Schaub, Art.  6 Rom IIVO Rn.  2. 72  KOM(2003) 427 endg., S.  17; Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7). 73  Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636); wohl auch Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  2: „integrierte Modell“. 74  Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (635); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  390. 75  KBB/Neumayr, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2; Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  2; PWW/ Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2.

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will eine engere Auffassung76 die Schutzzwecktrias nur im Zusammenhang mit Art.  6 Abs.  1 Rom II sehen. 2.  Ablehnung der Schutzzwecktrias Der Maßgeblichkeit der so verstandenen Schutzzwecktrias ist der BGH, zwar ohne auf den Begriff einzugehen, aber in der Sache deutlich am Beispiel der Anschwär­ zung in der Entscheidung Ausschreibung in Bulgarien entgegengetreten: Obwohl die deutschen materiellrechtlichen Regeln hierzu nach seiner Auffassung allein den Interessen des angeschwärzten Konkurrenten dienen, soll dies nicht gegen eine Ein­ schlägigkeit von Art.  6 Abs.  1 Rom II sprechen.77 Hiermit ist die Maßgeblichkeit die Schutzzwecktrias, verstanden als dreifache Schutzrichtung der einzelnen Sach­ norm, nicht vereinbar. Der Ansatz des BGH wird in der Literatur zum Teil geteilt78, andererseits hat die Entscheidung des BGH aber auch in der der Schutzzwecktrias folgenden Literatur zu Verunsicherung geführt79. II. Stellungnahme 1.  Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias allgemein für Art.  6 Abs.  1 und Abs.  2 Rom II? Richtig ist, dass Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II eine Schutzzwecktrias anspricht80, die an §  1 UWG erinnert.81 In diesem Erwägungsgrund geht es um den Sinn und Zweck der Kollisionsnorm, allen dort genannten Interessen gerecht zu werden.82 Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Anwendung der Kollisionsnorm nach ihrem Sinn und Zweck voraussetzt, dass auch die berufenen Sachnormen allen Zie­ len der Schutzzwecktrias dienen müssten. Auch wenn Art.  6 Abs.  1 Rom II Sach­ normen beruft, die nur entweder die kollektiven Interessen der Verbraucher oder die Wettbewerbsbeziehungen schützen, behält die Kollisionsnorm dennoch ihren Sinn.83

76 So Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (635 f.) zum Verordnungsvorschlag von 2003; wohl auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  176. 77  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (72) – „Ausschreibung in Bulgarien“ zur Abgrenzung von Art.  6 Abs.  2 Rom II; vgl. auch die Definition bei MünchKommBGB/Drexl, In­ tUnlWettbR Rn.  114. 78  Glöckner, WRP 2011, 137 (139 f.); Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.16 zum deut­ schen Recht; vorsichtig in diese Richtung bereits Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  16; ohne auf den hier relevanten Aspekt einzugehen auch Dreher/Lange, in: EWiR Art.  40 EGBGB 1/10, 635 (636). 79  Vgl. PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  5. 80  Handig, wbl 2008, 1 (6). 81  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  112; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17. 82  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  112; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 83  Zu einem solchen Ansatz siehe Teil 4 D.

C.  Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias

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Man könnte aber dann von der allgemeinen Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias – verstanden als dreifacher Schutzrichtung der einzelnen Sachnormen – ausgehen, wenn die Schutzzwecktrias ein oder vielleicht sogar das Spezifikum des materiellen Lauterkeitsrechts ist. Das deutsche Sachrecht ist jedenfalls in jüngerer Zeit von dem Konzept der Schutzzwecktrias geprägt gewesen.84 Dieser „integrierte Ansatz“85 stützt sich auf die Vorstellung, dass die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs im Interesse sowohl der Mitbewerber, der Verbraucher als auch der Allgemeinheit liege und somit die Interessen aller Beteiligten stets unauflöslich miteinander verknüpft seien. Er wird regelmäßig, auch unter Berufung auf den Wortlaut von §  1 UWG86, so verstanden, dass alle Normen des UWG allen der Schutzzwecktrias angehörigen Personen dienten.87 Dieser Ansatz ist allerdings nicht zwingend. Durch ein unlauteres Wettbewerbs­ verhalten mögen aufgrund der Interaktionen im Wettbewerbsgeschehen stets die Belange aller Marktteilnehmer irgendwie tatsächlich betroffen sein.88 Dieser fakti­ sche Befund sagt allerdings nicht notwendigerweise etwas darüber aus, wen einzel­ ne Sachnormen schützen sollen.89 Der Schutzzweck einer Norm muss von bloßen Rechtsreflexen abgegrenzt werden.90 Das zeigt sich auch darin, dass selbst in Deutschland die Schutzzwecktrias nicht seit jeher Grundlage des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb war und das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb viel­ mehr zunächst als nur den Interessen der Wettbewerber dienend verstanden wurde.91 In der Unionsrechtsordnung sprach allerdings der Wortlaut von Art.  1 WerbeRL a. F.92 , der den Schutz der Verbraucher, der Gewerbetreibenden und der Allgemein­ heit ausdrücklich nannte, zunächst durchaus auch für eine Verankerung der 84 Vgl.

Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238 (239). Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238 (238 ff.) mit dem hier wiedergegebenen Normver­

85 Etwa

ständnis. 86  So EuGH v. 14.01.2010 – C-304/08, GRUR Int. 2010, 221 (224) Rn.  40 – „Plus Warenhandels­ gesellschaft“; Köhler/Bornkamm/Köhler, §  1 UWG Rn.  7. 87  So Köhler/Bornkamm/Köhler, §  1 UWG Rn.  7; abweichend aber etwa zur Anschwärzung bei §  4 UWG Rn.  8.2; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  4; Staudinger/Fezer/Koos, Int­ WirtschR Rn.  688; die Zulässigkeit eines Schlusses von §  1 UWG auf den Schutzzweck eines ein­ zelnen Verbots hält für „ganz offensichtlich“ EuGH v. 14.01.2010 – C-304/08, GRUR Int. 2010, 221 (224) Rn.  40 – „Plus Warenhandelsgesellschaft“; gegen eine Bedeutung im Anwendungsbereich der UGP-RL aber Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  28. 88  Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  25; Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (53); vgl. für die Qualifikation unter Art.  6 Abs.  2 Rom II Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  17; Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  688. 89  So auch Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  25; Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (53). 90  Vgl. etwa Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  8.2, der beim Anschwärzungstatbestand den Verbraucherschutz nicht vom Telos der Norm umfasst hält, auch wenn er de facto bei Anwen­ dung der Norm erreicht werden könne; vgl. auch Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (22), die aber wohl diese beiden Kategorien nicht wie hier trennt. 91  Beater, 2011, Rn.  1071; Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238 (239). 92  Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19.09.1984, S.  17 ff.; geän­ dert durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober

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Schutzzwecktrias im materiellen Lauterkeitsrecht.93 Mit der UGP-RL hat sich das europäische materielle Lauterkeitsrecht aber von der Idee der Schutzzwecktrias ab­ gewandt, sodass jetzt die einzelnen lauterkeitsrechtlichen Normen in persönlicher Hinsicht nur noch bestimmten Interessen dienen.94 Diese bewusste Abkehr zeigt sich darin, dass Art.  14 UGP-RL den Wortlaut von Art.  1 WerbeRL dahingehend abwandelte, dass nun nur noch der Schutz der Gewerbetreibenden dort angeführt wird.95 Ist das Interesse der Allgemeinheit noch in Art.  5 Abs.  3 WerbeRL ge­ nannt,96 finden die Interessen der Verbraucher keinerlei Erwähnung mehr.97 Ob Art.  1 WerbeRL n. F. den Schutz der Konkurrenten98 oder aber den der gewerbli­ chen Kunden99 bezweckt, mag dahinstehen. Jedenfalls offenbart sich mangels einer Benennung des Verbraucherschutzes aus dem Wortlaut der Richtlinie keine Schutzzwecktrias mehr.100 Auch im Anhang I zur UKlaRL findet sich die WerbeRL nicht, was gegen eine verbraucherschützende Funktion des letztgenannten Rechtsak­ tes spricht. Die UGP-RL betrifft demgegenüber nach ihrem Erwägungsgrund 6 S.  1 (ähnlich Erwägungsgrund 8 S.  1–2) „Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Wer­ bung […], die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und da­ durch die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber mittel­ bar schädigen.“ Die UGP-RL selbst dient zwar wohl primär dem Verbraucher­ schutz,101 mag aber angesichts dieses Erwägungsgrundes selbst noch im Sinne einer Schutzzwecktrias verstanden werden102 , auch wenn sich das Interesse am reibungs­ losen Funktionieren der Volkswirtschaft nicht in der Richtlinie findet. Die UGP-RL lässt aber auch erkennen, dass der Unionsgesetzgeber jedenfalls auch von der Existenz lauterkeitsrechtlicher Normen ausgeht, die gerade nicht der Schutzzwecktrias dienen. So erlaubt Erwägungsgrund 6 S.  4 HS 1, 1. Alt UGP-RL 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABl. L 290 vom 23.10.1997, S.  18 ff. 93  Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  12, 50; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2003, 926 (927); Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (133). 94  Deutlich Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  13; diese Entwicklung kritisierten schon am Richtlinien­ vorschlag Henning-Bodewig, GRUR Int. 2003, 926 (927); Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (156 f.). 95  Dies sieht auch Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  13, 50. 96  Hierauf weist Köhler/Bornkamm/Köhler, §  1 UWG Rn.  8 hin; dagegen misst Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (32 f.) der Löschung dieses Interesses aus dem Art.  1 WerbeRL mehr Bedeutung zu. 97  Auch Köhler/Bornkamm/Köhler, §  1 UWG Rn.  8 erwähnt in diesem Zusammenhang den Verbraucherschutz nicht. 98  So Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  13. 99  In diese Richtung MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  3. 100  Offenbar der Richtlinie keinen Verbraucherschutz beimessend auch Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  13; Köhler/Bornkamm/Köhler, §  1 UWG Rn.  7. 101  Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  13; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2003, 926 (927). 102 So Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7); in diese Richtung wohl auch Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  395; dagegen Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  13.

C.  Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias

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den Mitgliedstaaten den Erlass von „nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mit­ bewerbern schädigen“. Hier geht es also um Fälle, in denen sich die Unlauterkeit nach Vorstellung des Unionsgesetzgebers allein unter dem Gesichtspunkt des Kon­ kurrentenschutzes ergibt.103 Im Hinblick auf „Geschäftspraktiken […], die die wirt­ schaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und dadurch die wirtschaftli­ chen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber mittelbar schädigen“ (Erwä­ gungsgrund 6 S.  1 UGP-RL), ist demgegenüber die UGP-RL gemäß ihrem Art.  4 abschließend.104 Dementsprechend differenziert der EuGH in seiner Rechtspre­ chung streng zwischen den persönlichen Schutzzielen von Lauterkeitsnormen: So ist eine über die Anforderungen der UGP-RL hinausgehende nationale Regelung, die Mitbewerber schützen soll, gemäß Art.  4 UGP-RL unzulässig, wenn sie auch den Schutz von Verbrauchern bezweckt.105 Bei diesem Befund kann dem europäischen Sachrecht nicht das zum deutschen Recht vertretene integrierte Verständnis der Schutzzwecke aller Lauterkeitsnormen zu Grunde liegen.106 Es ist denn auch zweifelhaft, ob eine solche Betrachtungsweise in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten überhaupt noch Bestand haben kann.107 So müsste bei Zugrundelegung der Schutzzwecktrias etwa der An­ schwärzungstatbestand auch den Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit dienen. Diese Konsequenz wird aber zum Teil selbst von Vertretern der Schutzzweck­ trias nicht gezogen.108 Möglicherweise steht im Hintergrund gerade die unions­ rechtliche Differenzierung der Schutzzwecke: Wollte man der Anschwärzung näm­ lich auch Verbraucherschutzziele beimessen, könnte dies im Widerspruch zur Voll­ harmonisierung des Verbraucherschutzes gemäß Erwägungsgrund 6 S.  1, Art.  4 UGP-RL stehen. Dient die Regelung demgegenüber lediglich den wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern i. S. v. Erwägungsgrund 6 S.  4 UGP-RL, ist sie weiter­ hin zulässig.109

103  Vgl. Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  25, 26, der allerdings in diesem Bereich dem Schutz der Konkurrenten wohl nur Priorität einräumt. 104  EuGH v. 23.04.2009 – C-261/07, C-299/07, Slg. 2009, I-2993 (3020) – VTB-VAB und Gala­ tea; EuGH v. 14.01.2010 – C-304/08, GRUR Int. 2010, 221 (225) – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH v. 09.11.2010 – C-540/08, GRUR Int. 2011, 46 (49) – Mediaprint Zeitungs- und Zeitschrif­ tenverlag. 105  EuGH v. 09.11.2010 – C-540/08, GRUR Int. 2011, 46 (49) – Mediaprint Zeitungs- und Zeit­ schriftenverlag. 106  Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (32 ff.). 107  Ablehnend Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  26; Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (52); zweifelnd auch Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (22). 108  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  8.2. 109  So zur Anschwärzung Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  8.2; im Hinblick auf den Herabsetzungstatbestand verneinen den Anwendungsbereich der UGP-RL mit dieser Begründung etwa BGH v. 19.05.2011 – I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 (77) – „Coaching-Newsletter“; Köhler/ Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  7.2.

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Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

Ob man wenigstens rechtsvergleichend betrachtet noch eine besondere Bedeu­ tung der Schutzzwecktrias annehmen kann110, erscheint ebenfalls zweifelhaft. In vielen Staaten der Europäischen Union war die Schutzzwecktrias nie bekannt.111 Auch ergibt eine Durchsicht aktueller Darstellungen der heutigen Rechtslage in den EU-Staaten, dass sich eine Trennung von Konkurrentenschutz einerseits und dem auf der UGP-RL beruhenden Verbraucherschutzrecht andererseits wie ein roter Fa­ den durch die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zieht: Insbesondere ist noch einmal daran zu erinnern112 , dass nach der Systematik zahlreichen Rechtsordnun­ gen – wie Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Ungarn – das verbrau­ cherschützende Recht der UGP-RL nicht im Zusammenhang mit dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb steht, welches insbesondere in Frankreich als allein im Interesse der Mitbewerber liegend verstanden wird. Vergleichbar stellt sich das Ver­ hältnis des Schutzes der Konkurrenten durch das tort law zum Verbraucherschutz­ recht in England dar. Auch ist daran zu erinnern, dass etwa die Regel zum Schutz des lauteren Wettbewerbs in Art.  10bis PVÜ allein von den schutzwürdigen Belan­ gen der Wettbewerber ausgeht.113 Selbst in Staaten, in denen das verbraucherschützende und das konkurrenten­ schützende Lauterkeitsrecht enger miteinander verbunden sind, findet sich bei ge­ nauerer Betrachtung die in anderen Staaten anzutreffende Unterscheidung von kon­ kurrentenschützendem und verbraucherschützendem Lauterkeitsrecht im Wesentli­ chen wieder: Während etwa das Wettbewerbsgesetz in Estland zwar der Schutzzwecktrias dienen soll, sind nach ihm gleichwohl allein Konkurrenten akti­ vlegitimiert, während das dortige Verbraucherschutzgesetz auch verwaltungsrecht­ lich durchgesetzt wird.114 In Portugal ist die Bedeutung der Schutzzwecktrias für das – dort gesetzestechnisch von der Umsetzung zur UGP-RL zu trennende – Recht gegen den unlauteren Wettbewerb dogmatisch umstritten, gleichwohl können je­ denfalls Verbraucherschutzverbände Verstöße hiergegen wohl nicht rügen.115 Auch bei bestimmten Tatbeständen des UWG in Deutschland und Österreich wird die Aktivlegitimation auf einen bestimmten geschädigten Konkurrenten beschränkt116, sodass die in den anderen Rechtsordnungen bestehende Differenzierung der 110 So Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  11; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (438). 111  Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1368, 1378, 1379 f.); wiesen bereits darauf hin, dass in Belgien, Finnland, Frankreich, Italien und Portugal Verbraucher- und Konkurrenten­ schutz in getrennten Vorschriften normiert seien; nach Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, S.  358 haben die an der Schutzzwecktrias orientierten Rechtsordnungen sogar „eine relative Son­ derstellung im europäischen Rahmen“. 112  Siehe zur Regelung in den einzelnen Mitgliedstaaten bereits Teil 1 B. I. 113  Coureault, S.  24 f.; Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (11); Pflüger, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  65 (87 ff.); MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  28. 114  Käerdi, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  217 (218 ff.). 115  Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (558). 116  Zum deutschen Recht Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, §  8 UWG Rn.  88 m. w. N.; zum österreichi­

C.  Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias

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Schutzzwecke der Sache nach auch hier existiert117. Auch in Ungarn, das ebenfalls ein UWG mit mehreren Schutzrichtungen kennt, ist der Durchsetzungsmechanis­ mus je nach Schutzzweck der Verbotsnorm ein anderer: Während Verstöße gegen konkurrentenschützende Normen von Mitbewerbern vor die Zivilgerichte gebracht werden können, sind für Verstöße gegen verbraucherschützende Normen des UWG Verwaltungs- und Bußgeldverfahren vorgesehen, die verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung unterliegen.118 Nach alledem lässt sich nicht sagen, dass gerade der Vereinigung aller Schutzzwe­ cke der Schutzzwecktrias das Charakteristikum des Lauterkeitsrechts in der Europä­ ischen Union darstellt. Vielmehr lassen sich im Wesentlichen gerade ein konkurren­ tenschützendes und ein verbraucherschützendes Lauterkeitsrecht unterscheiden.119 2.  Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias speziell für Art.  6 Abs.  1 Rom II? Das bis hierher gefundene Ergebnis besagt aber nur, dass nach europäischer Sicht­ weise lauterkeitsrechtliche Normen existieren, die nicht die dreifache Schutzrich­ tung im Sinne der Schutzzwecktrias aufweisen. Damit könnte ein Ansatz richtig sein, nach dem für Vorschriften, die der Schutzzwecktrias dienen, Art.  6 Abs.  1 Rom II einschlägig ist, während andere lauterkeitsrechtliche Normen über Art.  6 Abs.  2 Rom II berufen werden.120 Dies wäre insbesondere in der Weise vorstellbar, dass alle allein konkurrentenschützenden Sachnormen Art.  6 Abs.  2 Rom II unter­ fallen.121 Art.  6 Abs.  1 Rom II unterscheidet allerdings zwischen der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen einerseits und der Beeinträchtigung der kollektiven Ver­ braucherinteressen andererseits. Würden daher nur der Schutzzwecktrias dienende Normen unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen, wäre die Anknüpfung an den Ort der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen überflüssig, weil stets ohne inhalt­ liche Abweichung an die Beeinträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen angeknüpft werden könnte. Zwar lässt sich noch leicht vorstellen, dass die Verlet­ zung einer im Prinzip der Schutzzwecktrias dienenden Vorschrift im konkreten Fall die Interessen von Mitbewerbern nicht berührt, nämlich dann, wenn auf dem Markt ausnahmsweise keine Mitbewerber tätig sind.122 Umgekehrt ist es aber schwer vor­ schen Recht vgl. das Beispiel bei Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (482). 117  Vor dem Hintergrund der UGP-RL im Ergebnis auch deutlich zum deutschen Recht Fezer/ Fezer, §  1 UWG Rn.  26: „als zwei zu unterscheidende Gesetze zu denken“. 118  Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (716 f.). 119  Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  26 zum deutschen Recht. 120  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  176; Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636) zu Art.  5 VO-E 2003. 121  In diese Richtung Pironon, in: Liber amicorum Gaudemet-Tallon, S.  545 (554 f.); ähnlich Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  176. 122 Vgl. zum Sachrecht Beater, 2011, Rn.  807; zum Anknüpfungspunkt Köhler/Bornkamm/ Köhler, Einl UWG Rn.  5.32.

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Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

stellbar, wie die Verletzung einer Norm, die ihrer Prämisse nach auch dem Verbrau­ cherschutz dient, im Einzelfall keine Verbraucherinteressen berühren könnte. Schon daher muss dem Konkurrentenschutz im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II eigen­ ständige Bedeutung zukommen. Vor allem enthält Art.  6 Abs.  2 Rom II seinem Wortlaut nach eine Sondernorm für Wettbewerbsverhalten, das „ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers [beeinträchtigt]“. Diese sprachliche Fassung zeigt, dass auch der rei­ ne Konkurrentenschutz nicht stets ein Fall des Art.  6 Abs.  2 Rom II ist, sondern eben nur dann, wenn allein die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers betrof­ fen sind. Im Umkehrschluss müssen dann im Allgemeinen aber auch rein konkur­ rentenschützende Normen unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen. Das widerspricht der Annahme, der Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II sei über die Schutzzwecktrias definiert. Im Übrigen sprechen auch historische Aspekte gegen die Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II. So ist zu bedenken, dass das Lauterkeitsrecht traditionell allein dem Mitbewerberschutz diente.123 In der Li­ teratur wird die erste Anerkennung des Verbraucherschutzes als Schutzzweck des deutschen Lauterkeitsrechts auf das Jahr 1965 datiert.124 In der Geburtsstunde des modernen Internationalen Lauterkeitsrechts in Deutschland in der Kindersaugflaschen-Entscheidung aus dem Jahr 1961 wurde die Marktortanknüpfung folglich auch nur unter den Gesichtspunkten der Chancengleichheit von Anspruchsteller und Anspruchsgegner125 und der materiellrechtlich geschützten Belange der Kon­ kurrenten126 entwickelt.127 Die Interessen der Marktgegenseite fanden demgegen­ über ohne erkennbare Bedeutung für die Argumentation nur an einer Stelle128 Er­ wähnung bei der Erläuterung des Anknüpfungspunktes. An der Erkenntnis, dass die Marktortanknüpfung zum Schutz der Interessen der Mitbewerber, insbesondere der Chancengleichheit, sinnvoll ist, hat sich seit dieser Entscheidung aber nichts geändert.129 Es wäre daher überraschend, wenn rein konkurrentenschützende Nor­ men nicht mehr unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen könnten. Außerdem lässt sich über den Schutzzweck vieler Sachnormen streiten. So kann die Feststellung, ob auch das öffentliche Interesse durch die Normen mit geschützt 123 

Beater, 2011, Rn.  1071; Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238 (239). Beater, 2011, Rn.  1071; etwas anders wohl Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238 (239). 125  BGH v. 30.06.1961 – I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (332) – „Kindersaugflaschen“. 126  BGH v. 30.06.1961 – I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (333) – „Kindersaugflaschen“. 127  Wie hier die Interpretation bei MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  3; a. A. wohl Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  14. 128  BGH v. 30.06.1961 – I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (336) – „Kindersaugflaschen“ spricht vom „Interesse der Allgemeinheit, vor Täuschung bewahrt zu bleiben“; mehr Bedeutung misst dieser Stelle Höder, S.  34 bei. 129  Anders MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  4, der bei der alleinigen Betroffenheit von Individualinteressen der Wettbewerber die allgemeine deliktsrechtliche Anknüpfung für pas­ send halten würde. 124 

C.  Qualifikation nach dem Kriterium der Schutzzwecktrias

135

ist, erhebliche Schwierigkeiten bereiten: Selbst zum deutschen Sachrecht, das in §  1 UWG das Interesse der Allgemeinheit immerhin ausdrücklich erwähnt, wird eine eigenständige Schutzrichtung des Lauterkeitsrechts zu Gunsten der Allgemeinheit neben den anderen Schutzzwecken zum Teil abgelehnt.130 In anderen Rechtsord­ nungen, die diese Schutzrichtung nicht ausdrücklich normieren und auch sonst öf­ fentliche Interessen nicht eng mit dem Lauterkeitsrecht verbinden, ist die Prüfung noch schwieriger.131 In Frankreich wird offenbar in Betracht gezogen, sich daran zu orientieren, ob die zu qualifizierenden Normen auch strafrechtlich sanktioniert sind, um ermitteln zu können, ob sie dem Interesse der Allgemeinheit dienen132. Nach anderer Auffassung133, die allerdings die Kriterien für eine lauterkeitsrechtli­ che Qualifikation nicht offen legt, soll demgegenüber umgekehrt eine strafrechtli­ che Sanktionierung gerade für eine Behandlung nach allgemeinem Internationalen Deliktsrecht sprechen. Hier droht folglich erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Qualifikation nach der Schutzzwecktrias führt auch zu dem wenig nahelie­ genden Ergebnis, dass für Rechtsordnungen, die die Schutzzwecktrias nicht ken­ nen, Art.  6 Abs.  1 Rom II einen sehr engen Anwendungsbereich hat: So könnte für die meisten Fälle der französischen concurrence déloyale, einschließlich von Kla­ gen gewerblicher Verbände, Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht eingreifen.134 Diese Unsicherheiten zeigen zudem, dass vergleichbare sachrechtliche Regelun­ gen in den verschiedenen Rechtsordnungen im Einzelnen unterschiedlich entweder allein mit dem Konkurrentenschutz oder auch mit anderen Interessen begründet werden können.135 Würde etwa der Schutzzweck des Verbots der Anschwärzung in einem Staat mit der Schutzzwecktrias136, in einem anderen Staat, wie von der deut­ schen Rechtsprechung, allein mit dem Konkurrentenschutz in Verbindung ge­ bracht137, müsste das Kriterium der Schutzzwecktrias zu einer unterschiedlichen Qualifikation solcher Regeln kommen. Dies könnte leicht zu Normenhäufung oder Normenmangel führen. Das würde zu Rechtsunsicherheit und zu einer Einengung der wirtschaftlichen Handlungsspielräume führen. Das Ergebnis wäre aber auch materiell nicht stimmig: Ein der Schutzzwecktrias dienendes Verbot der Anschwär­ zung bezieht die Interessen der betroffenen Konkurrenten abschließend ein und lässt somit keinen Raum für einen daneben tretenden, allein dem Konkurrentenschutz 130 

Nordemann, Rn.  4, 48. Zu ähnlichen hieraus resultierenden Problemen noch unter der Stahlexport-Rechtsprechung Weber, GRUR Int. 1983, 26 (28). 132  So wohl die Argumentation von Coureault, S.  118 zu einer bestimmten Fallgruppe. 133  G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  53 zur Bestechung. 134  So in der Tat Coureault, S.  119 f., die jedenfalls Kriterien ähnlich der Schutzzwecktrias zu folgen scheint. 135  Bereits zum deutschen IPR Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  4 4 f., 52 f., 68; möglicher­ weise in diese Richtung auch MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  3. 136  Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7) scheint die Schutzzwecke des Verbots der Anschwärzung hiermit zu assoziieren, wenn sie von der Prämisse der Maßgeblichkeit der Schutzzwecktrias aus­ geht und die Anschwärzung daher Art.  6 Abs.  1 Rom II zuordnen will. 137  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (72) – „Ausschreibung in Bulgarien“. 131 

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Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

dienendes Verbot. Der zu einem vergleichbaren Problem im deutschen Internationa­ len Lauterkeitsrecht angestellte Versuch, derartigen Schwierigkeiten zu entgehen, indem schlicht auch „ein […] potentieller Schutzzweck“138 der Sachnormen für be­ achtlich erklärt wird, würde auf eine reine Fiktion hinauslaufen. Ein solches Vorge­ hen würde nur noch einmal verdeutlichen, dass die Schutzzwecktrias in Wahrheit gerade nicht die maßgebliche Gemeinsamkeit lauterkeitsrechtlicher Sachnormen ist. 3. Ergebnis Aus alledem folgt, dass sich auch der Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht über die Schutzzwecktrias definieren lässt. Es ist festzuhalten, dass eine derartige Verschmelzung unterschiedlicher Schutzzwecke in der zu qualifizie­ renden Sachnorm keine Voraussetzung für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation sein kann.

D.  Qualifikation nach der Schutzzweckalternative I.  Lösung der Probleme der untersuchten Ansätze Der Ansatz, welcher die Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen oder der kollektiven Interessen der Verbraucher überprüfen möchte, hat für sich, dass er be­ reits aus dem Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 Rom II bestimmte Interessenbeeinträchti­ gungen dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb zuordnen kann. Mit der Be­ stimmung der beeinträchtigten Interessen anhand des tatsächlichen Sachverhalts verliert diese Auffassung aber die Funktion der zu berufenden Sachnormen aus dem Blick. Die Vertreter der Schutzzwecktrias berücksichtigen zwar wiederum die Funktion der Sachnormen, wählen aber letztlich mit der Kombination der drei Schutzrichtungen einen untauglichen Maßstab. Die Probleme beider Ansätze lassen sich in der Weise auflösen, dass einerseits zwar Funktion und Schutzrichtung der Sachnorm in den Vordergrund gerückt wer­ den, dabei aber andererseits nicht auf die Schutzzwecktrias, sondern entsprechend der Formulierung des Anknüpfungspunktes in Art.  6 Abs.  1 Rom II schlicht darauf abgestellt wird, ob die Sachnorm alternativ entweder vor einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen oder einer Beeinträchtigung der kollektiven Interessen der Verbraucher schützen soll.139 Diese Anlehnung an die Formulierung des An­ 138 So

Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  68. In der Sache einerseits in Anlehnung an den Wortlaut ausdrücklich für eine solche Alterna­ tive, andererseits ausdrücklich für ein Festhalten an der Schutzzwecktrias Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  390, 395, 501; siehe auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  7; Rau­ scher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  18, die zwar für Art.  6 Abs.  1–2 Rom II von der Schutzzwecktrias sprechen, die Schutzzwecke sprachlich aber mit der Konjunktion „oder“ verbin­ den; allerdings schränken zumindest Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  167 den Art.  6 Abs.  1 Rom II wohl wieder auf Fälle der kumulativ verstandenen Schutzzwecktrias ein. 139 

D.  Qualifikation nach der Schutzzweckalternative

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knüpfungspunktes lässt sich auf Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II stützen: Hiernach sollen die in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Anknüpfungspunkte nur eine Präzisie­ rung des in Art.  4 Abs.  1 Rom II bezeichneten Anknüpfungspunktes des Ortes des Schadenseintritts darstellen. Der Ort des Schadenseintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II bezeichnet aber gerade den Ort, an dem die von der Sachnorm geschützten Rechtspositionen beeinträchtigt werden.140 Wenn nun Art.  6 Abs.  1 Rom II die Be­ einträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen oder der kollektiven Interessen der Verbraucher als Fälle des Schadenseintritts konkretisiert, dann müssen gerade diese Rechtsgüter von den berufenen Sachnormen geschützt sein.141 Daraus folgt, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II nur solche Sachnormen berufen kann, die die Wettbewerbsbe­ ziehungen oder die kollektiven Verbraucherinteressen schützen. Es muss hierbei ausreichen, dass die fragliche materiellrechtliche Norm nur einem dieser beiden Ziele und dem anderen – im Extremfall – überhaupt nicht dienen soll. Man kann insoweit von einer „Schutzzweckalternative“ sprechen. Es ist einem Missverständnis vorzubeugen, das die hier und von den Vertretern der Schutzzwecktrias verwendete Terminologie hervorrufen könnte, wenn die Sachnormen jeweils auf ihre Schutzzwecke untersucht werden. Es könnte der irrige Eindruck entstehen, als müsse die jeweilige Sachnorm abstrakt auf ihre Schutzzwe­ cke untersucht werden, um sie sodann – abstrakt gesehen und für alle Fälle – lauter­ keitsrechtlich zu qualifizieren oder nicht. Richtig ist demgegenüber, dass eine be­ stimmte Sachnorm lauterkeitsrechtlich zu qualifizieren ist, soweit sie Antwort auf die Rechtsfrage gibt, ob und in welcher Weise den Wettbewerbsbeziehungen oder den kollektiven Interessen der Verbraucher Schutz vor einem bestimmten unmittel­ bar marktbezogenen Wettbewerbsverhalten zu bieten ist.142 Es ist daher nicht so, dass eine Sachnorm für sich genommen zwingend ein für alle Mal lauterkeitsrecht­ lich oder nicht lauterkeitsrechtlich qualifiziert werden könnte.143 Das leuchtet un­ mittelbar ein, wenn man bedenkt, dass das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb in Frankreich schlicht Bestandteil der allgemeinen deliktischen Generalklausel ist, die in anderen Zusammenhängen sicherlich Rechtsfragen des allgemeinen Delikts­ statuts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II beantwortet.144 Nur in diesem Sinne wird im Folgenden von der Qualifikation bestimmter Rechtsnormen anhand ihres Schutz­ zweckes gesprochen. 140  MünchKommBGB/Junker, Art.  40 EGBGB Rn.  31 m. w. N.; auf die dort genannte Definiti­ on bezieht sich im Zusammenhang mit Art.  6 Abs.  1 Rom II Hellner, YBPrIL 2007, 49 (54); im selben Sinne zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO Harte/Henning/Glöckner, Einleitung D Rn.  21; anders aber MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  425 zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO. 141  Hellner, YBPrIL 2007, 49 (54) im Zusammenhang mit der Frage, ob der Anknüpfungspunkt in Art.  6 Abs.  1 Rom II eine Präzisierung des Ortes des Schadenseintritts darstellt. 142  Ähnlich die Schutzrichtung der Sachnorm mit „soweit“ differenzierend MünchKommBGB/ Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115; in der Sache auch Massing, S.  171. 143  In der Sache etwa MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115. 144  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115; parallel zum englischen Sachrecht Massing, S.  171; Petch, JIBLR 2006, 509 (510).

138

Teil 4:  Ansätze zur Bestimmung der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II

II.  Gesonderte Betrachtung der Schutzzwecke In der Literatur wird allerdings vertreten, dass eine Aufspaltung des Lauterkeits­ rechts nach Schutzzwecken im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht hilfreich sei.145 Dies ist insoweit richtig, als die Zuordnung zum Schutzzweck der kollektiven Verbraucherinteressen einerseits und der Wettbewerbsbeziehungen andererseits im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II ohne Bedeutung ist.146 Auch ist anzuerkennen, dass es jedenfalls Grauzonen im Grenzbereich zwischen beiden Schutzzwecken und möglicherweise einen Überschneidungsbereich gibt, sodass die Abgrenzung schwierig ist.147 Auf die genaue Abgrenzung der Schutzzwecke innerhalb des Anknüpfungsge­ genstandes Art.  6 Abs.  1 Rom II kommt es aber auch weniger an. Will man Art.  6 Abs.  1 Rom II allerdings zu anderen Anknüpfungsgegenständen in der Verordnung abgrenzen und geht man davon aus, dass die beiden Schutzzwecke alternativ für die Qualifikation im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II von Bedeutung sind, so bietet sich eine getrennte Untersuchung und Konkretisierung der Schutzzwecke an, damit festgestellt werden kann, ob eine Sachnorm wenigstens eines der beiden in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Interessen schützt. Dieses Vorgehen liegt auch besonders nahe, weil auch das materielle europäische Lauterkeitsrecht die unterschiedlichen Schutzrichtungen klar differenziert.148 Im Folgenden wird daher davon ausgegangen, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II ein ein­ heitlich zu bestimmender Anknüpfungsgegenstand zu Grunde liegt, der Normen beruft, die dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen oder der Wettbe­ werbsbeziehungen dienen. III.  Gesonderte Betrachtung von Verhaltens- und Sanktionsnormen Muss es daher im Wege einer funktionalen Qualifikation – ähnlich wie es auch die Anhänger der Schutzzwecktrias vertreten – darauf ankommen, ob die jeweiligen Sachnormen den Schutz der Wettbewerbsbeziehungen oder der kollektiven Ver­ braucherinteressen bezwecken, so ist genauer danach zu fragen, welche Art von Normen hiermit überhaupt gemeint ist. Das materielle Lauterkeitsrecht beruht näm­ lich, ebenso wie das allgemeine Deliktsrecht, auf einem Zusammenwirken von Ver­ haltensnormen und Sanktionsnormen.149 Verhaltensnormen verbieten ein bestimm­ tes Verhalten oder schreiben es vor.150 Sanktionsnormen knüpfen bestimmte 145  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  688; zum deutschen IPR Dethloff, Europäisierung, S.  64 f. 146  Zum deutschen IPR deshalb bereits ausdrücklich gegen eine nähere Fallgruppenbildung Dethloff, Europäisierung, S.  65; zur Identität der Anknüpfungspunkte siehe Teil 2 A. II. 4. 147  Nicht für durchführbar haltend Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  688. 148  Dies anerkennend Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  688. 149  Zum allgemeinen Deliktsrecht deutlich ausgesprochen bei Dörner, in: FS Stoll, 491 (497); zum Bereich des Lauterkeitsrecht regelmäßig vorausgesetzt vgl. nur Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  52. 150  Dörner, in: FS Stoll, 491 (497).

D.  Qualifikation nach der Schutzzweckalternative

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Rechtsfolgen, wie Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche, an die Zuwider­ handlung gegen Verhaltensnormen.151 Auf beide Arten von Normen kann der Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen und der Wettbewerbsbeziehungen bezogen sein.152 Ob es für die Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II auf den Schutzzweck der Verhaltensnormen oder aber der Sanktionsnormen ankommt, wird, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich erörtert. Diese Frage müsste sich auch Anhängern der Qualifikation nach der Schutzzwecktrias stellen. Bei Ver­ tretern dieser Theorie findet sich lediglich die Aussage, ihr Abgrenzungskriterium sei auf „Tatbestands- wie […] Rechtsfolgenseite“153 maßgeblich. Damit ist mögli­ cherweise die hier angesprochene Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Sank­ tionsnormen gemeint. Wie sich aber das Zusammenspiel von Verhaltens- und Sank­ tionsnormen im Einzelnen auf die Frage einer lauterkeitsrechtlichen Qualifikation auswirkt, wird nicht erläutert. Hierauf wird im Einzelnen einzugehen sein.

E. Ergebnis Das Merkmal der Unlauterkeit im Rahmen der Beschreibung des Anknüpfungsge­ genstandes kann nicht mit der Wertung der Unlauterkeit nach der lex causae oder nach europäischem Sachrecht gleichgesetzt werden. Ebenso wenig kann dieses Tat­ bestandsmerkmal losgelöst vom Sachrecht eine Überprüfung verlangen, ob die in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Interessen berührt sind. Richtigerweise muss der Schutzzweck der zu berufenden Sachnormen berücksichtigt werden. Für eine lau­ terkeitsrechtliche Qualifikation ist hierbei nicht erforderlich, dass die zu berufende Sachnorm den Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit ku­ mulativ verfolgt. Eine Sachnorm kann vielmehr im Ausgangspunkt dem Anknüp­ fungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II zugeordnet werden, soweit sie alternativ entweder dem Schutz der kollektiven Interessen der Verbraucher oder der Wettbe­ werbsbeziehungen dient. Es bedarf allerdings näherer Untersuchung, wie sich im Einzelnen das Zusammenspiel von Verhaltens- und Sanktionsnormen auf die lau­ terkeitsrechtliche Qualifikation auswirkt.

151  Dörner, in: FS Stoll, 491 (497), ohne ausdrückliche Berücksichtigung von Unterlassungs­ ansprüchen. 152  Vgl. etwa Beater, 2011, Rn.  76 ff. 153  Mankowski, GRUR Int. 2005, 634 (636).

Teil 5

Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen A.  Bedeutung von Verhaltensnormen für die Qualifikation Zunächst ist zu klären, welche Bedeutung den Verhaltensnormen für die Bestim­ mung des Anknüpfungsgegenstandes des Art.  6 Abs.  1 Rom II zukommt. In der Literatur findet sich, soweit ersichtlich, zwar keine ausdrückliche Stellungnahme dahingehend, dass ausschließlich Verhaltensnormen im Gegensatz zu Sanktions­ normen für die lauterkeitsrechtliche Qualifikation maßgeblich wären. Allerdings wird das Internationale Lauterkeitsrecht dennoch oft in sehr engem Zusammenhang mit den einschlägigen Verhaltensnormen gesehen. So wird zum Teil aus dem Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens in Art.  6 Abs.  1 Rom II gefolgert, dass der Anknüpfungsgegenstand durch Verhaltens­ normen charakterisiert werde.1 In eine ähnliche Richtung geht es, wenn die Funkti­ on des Internationalen Lauterkeitsrechts darin gesehen wird, die Rechtsordnung zu bestimmen, die festlegt, ob ein Wettbewerbsverhalten erlaubt oder verboten ist.2 Häufig findet sich in diesem Zusammenhang der Terminus „Marktordnungsrecht“3: Er soll deutlich machen, dass die eigentliche Funktion des Lauterkeitsrechts nach dieser Auffassung nicht in der Verschaffung individueller Ansprüche, sondern in der Aufstellung von Verhaltensstandards liegt.4 Wohl in diesem Sinne geht auch die Kommission davon aus, dass im Bereich des Lauterkeitsrechts „Schadenersatzkla­ gen […] rein akzessorisch [seien] und […] von einem allgemeinen Urteil über das Funktionieren des Marktes abhängen [müssten].“5 Bisweilen ist der Anwendungsbereich des deutschen Internationalen Lauterkeits­ rechts in der Literatur spezifisch mit den Verhaltensnormen in Verbindung gebracht 1 

MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  113. Buchner, GRUR Int. 2005, 1004 (1008); Dutoit, in: Liber Amicorum Droz, S.  55 (64). Münch­ KommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  113. 3  Etwa bei MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  112; ähnliche Terminologie etwa bei Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (735); Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-85); besonders deutlich Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  21: „Marktverhaltensrecht“ (Hervorhebung im Original durch Fettdruck). 4  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  112; in der Sache auch MünchKommUWG/ Mankowski, IntWettbR Rn.  7, 136; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 5  KOM(2003) 427 endgültig, S.  18; dem folgend MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  112. 2 

A.  Bedeutung von Verhaltensnormen für die Qualifikation

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worden: Älteren deutschen Entscheidungen ist in der Literatur entnommen worden, dass das Lauterkeitsstatut allein Verhaltensnormen berufe.6 Ähnlich ist für eine – heute überholte – Spezialfrage vertreten worden, dass das Lauterkeitsstatut nicht zwingend einzugreifen brauche, soweit es nicht um die Frage der rechtlichen Zuläs­ sigkeit des Wettbewerbsverhaltens gehe.7 Auch die sachrechtliche Literatur hat das Lauterkeitsrecht besonders mit Verhaltensnormen in Zusammenhang gebracht.8 Es lässt sich sagen, dass die Literatur das Lauterkeitsrecht mit Verhaltensnormen besonders stark assoziiert und hiermit einen engen Zusammenhang zum Anknüp­ fungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II sieht. Dieser Ansatz liegt auch sprachlich nahe, weil der Begriff der Unlauterkeit auf einen Maßstab zur Beurteilung des Wettbewerbsverhaltens verweist.9 Auf die lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen sind auch die im Zusammenhang mit dem Anknüpfungspunkt genannten teleologi­ schen Erwägungen in besonderer Weise zugeschnitten:10 Der Staat, der einen be­ stimmten Ablauf des Wettbewerbsgeschehens sicherstellen will, erreicht dies durch die Definition rechtmäßigen und rechtswidrigen Wettbewerbsverhaltens.11 Auch die Chancengleichheit der Wettbewerber wird vor allem durch die einschlägigen Ver­ haltensregeln bestimmt12: Ist auf das Verhalten eines Wettbewerbers eine andere Rechtsordnung anwendbar als auf das Verhalten eines anderen, so ist bereits da­ durch eine Gleichbehandlung der Wettbewerber nicht mehr gewährleistet. Für Wett­ bewerbsgleichheit ist Gleichheit hinsichtlich der anwendbaren Verhaltensnormen daher jedenfalls eine notwendige Bedingung. Aber auch bei der Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes kommt es zentral darauf an, welche Wettbewerbs­ verhaltensweisen erlaubt und welche verboten sein sollen: Wenn man davon aus­ geht, dass der Verbraucher auf einen bestimmten Schutzstandard – etwa in der Wer­ bung – vertrauen darf, geht es in erster Linie um ein Vertrauen in die Anwendbar­ keit bestimmter Verhaltensregeln.13 Letztlich geht es beim Ziel der Rechtssicherheit bei der Beurteilung von Wettbewerbsverhalten primär darum, dass der Handelnde von vornherein die Zulässigkeit seines Verhaltens beurteilen kann.14 Das spricht dafür, dass prinzipiell die Verhaltensnormen für sich genommen eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation rechtfertigen können. Es bedarf daher einer Un­ 6  Kohler, S.  144, 152 zu BGH v. 11.03.1982 – I ZR 39/78, GRUR 1982, 495 (497) – „Domgar­ ten-Brand”, was aber jedenfalls insofern ungenau ist, als der BGH dort auch die Fragen der Haf­ tung von Teilnehmern dem Lauterkeitsstatut unterwirft. 7  Lindacher, in: FS Piper, S.  355 (357) zur Anwendbarkeit des sog. privilegium germanicum nach Art.  38 EGBGB a. F. 8  Bydlinski, S.  609, siehe allerdings auch zum Rechtsbruch S.  621, 623. 9  So wohl das Argument bei MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  113; vgl. zu Art.  10bis PVÜ Corneault, S.  7. 10  Siehe hierzu und zum Folgenden bereits Teil 2 A. II. 2. 11  Deutlich etwa MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  5. 12  Deutlich etwa MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  112. 13  Vorausgesetzt von Höder, S.  216 f. 14  Deutsch, JZ 1971, 732 (733); ders., Wettbewerbstatbestände, S.  40; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  137.

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

tersuchung, was Verhaltensnormen ausmacht, die die kollektiven Interessen der Verbraucher oder die Wettbewerbsbeziehungen schützen sollen. Im Folgenden wer­ den abweichend von der Reihenfolge im Gesetz zunächst die kollektiven Verbrau­ cherinteressen betrachtet, da diese im Unionsrecht bereits klarer umrissen sind.

B.  Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher I.  Abgrenzung in persönlicher Hinsicht 1.  Abgrenzung zu individuellen Verbraucherinteressen Der Begriff der kollektiven Interessen der Verbraucher steht nach der Begründung zum Verordnungsvorschlag von 2003 „im Gegensatz zu den Einzelinteressen eines bestimmten Verbrauchers“15. Nähere Erläuterungen dazu, wie sich ermitteln lässt, ob eine Sachnorm ihrer Funktion nach dem Schutz der kollektiven oder der indivi­ duellen Interessen der Verbraucher dient, finden sich in der kollisionsrechtlichen Literatur allerdings nicht. In der Literatur zum deutschen und österreichischen Sachrecht wird der Schutz von Kollektivinteressen mit einem eigenen Prüfungsmaßstab in Verbindung ge­ bracht, der daran anknüpft, dass der Unternehmer eine bestimmte Geschäftspraktik gegenüber einer Vielzahl von Kunden bei einer Vielzahl von Geschäften anwendet (sog. „Multiplikatoreffekt“16). Dieser Prüfungsmaßstab müsse nicht damit überein­ stimmen, ob die Rechtsordnung die fragliche Geschäftspraxis dem einzelnen Ver­ braucher gegenüber für zumutbar erachte.17 Dahinter steht offenbar die Vorstellung, dass der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen nicht wegen eines Nachteils für die einzelnen geschädigten Verbraucher verbietet, sondern nur wegen der Nachteile, die das Kollektiv von Verbrauchern insgesamt erleidet.18 Dabei kommt es solchen Verhaltensnormen auch auf den Nachteil, den eine einzelne Geschäftspraxis für einen einzelnen Verbraucher auslöst, nicht an.19 Sie lassen auch außer Betracht, wie individuelle Verbraucher ein Wettbewerbsverhalten, wie eine Werbung, interpretie­ ren mögen, und können die Zulässigkeit des Wettbewerbsverhaltens nur im Verhält­ nis zum gesamten Verbraucherkollektiv einheitlich beurteilen, etwa im Unionsrecht anhand des Leitbildes des sog. Durchschnittsverbrauchers.20 Dem stehen individu­ alschützende Normen, insbesondere des Vertragsrechts, gegenüber, die auch dann 15  Begründung zu Art.  5 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 endgül­ tig, S.  17. 16 So Bydlinski, S.  609 und ihm folgend Beater, 2011, Rn.  80, 953 zum Sachrecht, die jeweils den Begriff „Multiplikatoreffekt“ verwenden (bei letzterem in Fettdruck). 17  Beater, 2011, Rn.  80. 18  Beater, 2001, Rn.  80 bezeichnet dieses Verhalten als „schädlicher“. 19  Beater, 2011, Rn.  87, 1380. 20  Beater, 2011, Rn.  1380 zum Irreführungstatbestand.

B.  Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher

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eingreifen können, wenn nach kollektiven Maßstäben ein Wettbewerbsverhalten nicht zu beanstanden ist.21 Diese Differenzierung zwischen Verhaltensnormen im individuellen und kollek­ tiven Verbraucherinteresse ist im materiellen Unionsrecht fest verankert. Die UGPRL ist etwa klar kollektivschützend 22: Der Unionsgesetzgeber räumt dem einzelnen geschädigten Verbraucher für Fälle der Verletzung der UGP-RL gemäß Erwägungs­ grund 9 S.  1 UGP-RL selbst keine Rechte ein.23 Auch wird durch die Richtlinie ge­ mäß Art.  3 Abs.  2 UGP-RL das Vertragsrecht einschließlich Fragen der Wirksam­ keit nicht berührt. Wenn der einzelne Verbraucher keine Rechte aus der Richtlinie herleiten kann, ist dies ein starker Anhaltspunkt dafür, dass die UGP-RL auch kei­ nen Maßstab dafür liefern möchte, ob die nach ihr zulässigen oder unzulässigen Geschäftspraktiken vom einzelnen Verbraucher hingenommen werden müssen.24 Anders liegt es dagegen bei den Verhaltensnormen der KlauselRL25. So werden die Regeln, die die Unangemessenheit bestimmter Klauseln festlegen und damit deren Verwendung missbilligen, soweit ersichtlich, nicht damit begründet, dass infolge der mehrfachen Verwendung der AGB eine Vielzahl von Kunden geschädigt würde und allgemeine Geschäftsbedingungen gerade aus diesem Grunde gegenüber Indi­ vidualvereinbarungen besonders streng zu beurteilen seien. Vielmehr geht es dar­ um, dass Beeinträchtigungen der Vertragsparität ausgeglichen werden sollen, die dadurch entstehen, dass eine Partei ihre Bedingungen vorformulieren und damit tatsächlich gesehen eine vom Willen des Vertragspartners weitgehend unabhängige vertragliche Regelung schaffen kann.26 Damit geht es hierbei der Verhaltensnorm nach nicht um kollektiven Verbraucherschutz.27 Jedenfalls im Allgemeinen dienen AGB-Regeln im Übrigen auch nicht dem Interesse der Allgemeinheit am reibungs­ losen Funktionieren der Marktwirtschaft.28 Dementsprechend trennt auch der EuGH in seiner Rechtsprechung der Sache nach den individuellen vertragsrechtlichen Verbraucherschutz vom kollektiven lau­ terkeitsrechtlichen Schutz: Ist die Verwendung einer Vertragsklausel unlauter im Sinne der UGP-RL, kann dies zwar bei der Beurteilung der AGB-rechtlichen Wirk­ samkeit der Klausel nach Art.  6 Abs.  1 KlauselRL Berücksichtigung finden, führt aber nach unionsrechtlichen Maßstäben nicht schon per se zur Unwirksamkeit der 21 

Beater, 2011, Rn.  87; Ehrich, S.  26. Harte/Henning/Glöckner, Einl B Rn.  271; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  3. 23  Harte/Henning/Glöckner, Einl B Rn.  271. 24  Harte/Henning/Glöckner, Einl B Rn.  271; vgl. allgemeiner zum Zusammenhang zur Sankti­ onierung im deutschen Lauterkeitsrecht Beater, 2011, Rn.  1087 ff. 25  Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Ver­ braucherverträgen, ABl. L 95 vom 21.04.1993, S.  29 ff. 26  Ulmer/Brandner/Hensen/P. Ulmer/M. Habersack,, Einl. Rn.  5, 48 zum deutschen AGBRecht. 27  So aber Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (20). 28  BGH v. 20.05.2010 – Xa ZR 68/09, BGHZ 185, 24 (35) sieht öffentliche Interessen nicht vom Schutzzweck des AGB-Rechts erfasst. 22 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Klausel.29 Weitergehend wird sogar vertreten, dass Art.  3 Abs.  2 UGP-RL auch dem nationalen Gesetzgeber verbiete, unlautere Vertragsklauseln ohne Weiteres für nichtig zu erklären.30 Demnach müsste auch das nationale Recht die im Unionsrecht vorgesehenen individual- und kollektivrechtlichen verbraucherschützenden Prü­ fungsmaßstäbe strikt getrennt halten. Im Ergebnis geht Art.  6 Abs.  1 Rom II von der Annahme aus, dass es getrennte Maßstäbe für individuellen und kollektiven Verbraucherschutz gibt. Eine Verhal­ tensnorm dient den kollektiven Interessen der Verbraucher, wenn sie ein Verhalten nicht zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der Interessen des einzelnen Verbrau­ chers verbietet, sondern im Hinblick auf die Interessenbeeinträchtigungen des ge­ samten Verbraucherkollektivs. Diese Differenzierung passt in gewissem Sinne auch zur Definition aus Art.  3 lit.  k VO 2006/2004, die mit dem Begriff der kollektiven Verbraucherinteressen in Art.  6 Abs.  1 Rom II in Verbindung gebracht wird 31: Erst die kollektiven Interessen der Verbraucher, verstanden als „die Interessen mehrerer Verbraucher, die durch einen Verstoß geschädigt worden sind oder geschädigt wer­ den könnten“, rechtfertigen nämlich die Existenz der fraglichen Verbotsnormen. 2.  Erweiterung auf kommerzielle Kunden Wenn man davon ausgeht, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II auf Wettbewerbsverhalten ge­ genüber kommerziellen Kunden ebenso Anwendung findet wie auf Wettbewerbs­ verhalten gegenüber privaten Verbrauchern, so muss man konsequenterweise auch entsprechend den Personenkreis erweitern, der lauterkeitsrechtlich geschützt sein kann. Das bereitet konzeptionell keine Schwierigkeiten, weil kollektive Beurtei­ lungsmaßstäbe für das Verhalten gegenüber kommerziellen Kunden in gleicher Weise vorstellbar sind. Insbesondere haben die Mitgliedstaaten zum Teil die UGPRL überschießend auch für Verhaltensweisen gegenüber gewerblichen Kunden um­ gesetzt.32 Hierfür sollte Art.  6 Abs.  1 Rom II ebenfalls anwendbar sein. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass zur WerbeRL, die Werbung ins­ besondere gegenüber kommerziellen Kunden regelt, umstritten ist, ob diese dem Schutz der Kunden33 oder der Konkurrenten34 dient. Dieser Frage kommt aber für das Kollisionsrecht geringe Bedeutung zu. Je nach Verständnis des Schutzzwecks der sachrechtlichen Regeln wird man entweder über den Schutz der kollektiven

29 

EuGH v. 15.03.2012 – C-453/10, EuZW 2012, 302 (304) – Pereničová und Perenič. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak v. 29.11.2011 – C-453/10, Rn.  111 – Pereničová und Perenič, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 31  Die Norm erwähnen im Zusammenhang mit Art.  6 Abs.  1 Rom II Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (741 f., dort Fn.  123); Hellner, YBPrIL 2007, 49 (55). 32  So jedenfalls in Österreich Köhler/Bornkamm/Köhler, Einleitung I Rn.  4.17. 33  In diese Richtung MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  3. 34  So Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  13. 30 

B.  Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher

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Kundeninteressen oder aber der Wettbewerbsbeziehungen zu einer lauterkeitsrecht­ lichen Qualifikation kommen. II.  Geschützte Interessen in sachlicher Hinsicht Von dieser Differenzierung individual- und kollektivschützender Normen ist die Frage zu unterscheiden, welche kollektiven Interessen der Verbraucher bzw. Kun­ den in sachlicher Hinsicht von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasst sein können. 1. Entscheidungsfreiheit a) Bedeutung Unstreitig umfasst Art.  6 Abs.  1 Rom II das, was in der Literatur zum Teil treffend als „kollektive Entscheidungsfreiheit”35 bezeichnet wird. Es geht um den „Schutz der Entscheidungsgrundlage“ oder den „Schutz des Entscheidungsprozesses“36. In der Kommisionsbegründung wird dasselbe ausgedrückt mit der Bezeichnung „Handlungen, die auf die Nachfrage Einfluss zu nehmen trachten (z. B. Täuschung und Zwang)“.37 In demselben Sinne ist in Art.  1 lit.  e UGP-RL von der Beeinträch­ tigung der „Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen“, die Rede. Eng hiermit verknüpft ist, dass der Verbraucher im Wettbewerb als eine Art „Schiedsrichter“ zwischen den Angeboten der Wettbewerber tätig wird, der sich bei seiner Entscheidung primär an seinen eigenen Interessen orientieren soll38, und eine „Auslesefunktion“39 erfüllt. Diese Art der kollektiven Verbraucherinteres­ sen hat somit einen engen Bezug zum Ablauf des Wettbewerbs.40 Im Sachrecht der Union ist der Schutz der Verbraucher vor einer derartigen Be­ einträchtigung der Entscheidungsfreiheit abschließend in der UGP-RL erfolgt. Da­ her liegt für die kollisionsrechtliche Betrachtung eine Orientierung an der UGP-RL für die Bestimmung des Schutzzwecks der kollektiven Verbraucherinteressen nahe. Es ist allerdings bereits darauf hingewiesen worden, dass für die Qualifikation als unlauteres Wettbewerbsverhalten nicht maßgeblich sein kann, ob die UGP-RL das in Frage stehende Verhalten verbietet oder nicht.41 Es bietet sich aber an, darauf abzustellen, ob die fragliche Regelung innerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-RL liegen würde. Da das verbraucherschützende Lauterkeitsrecht mit der UGP-RL vollharmonisiert ist, sind in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fal­ 35 

Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (20) (Hervorhebung im Original). So die Begriffe bei Beater, 2011, Rn.  1174 ff., Rn.  1567 ff. zum Sachrecht. 37  KOM(2003) 427 endg., S.  17, hierauf hinweisend etwa Verschraegen, Rn.  941. 38  Die Schiedrichterfunktion des Verbrauchers betonend Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  524; zur Schiedsrichterfunktion Beater, 2011, Rn.  991. 39  So der Begriff bei Mook, S.  165. 40  Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (43); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  395. 41  Siehe dazu Teil 4. A. 36 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

lende nationale Regeln, die von der UGP-RL abweichen, unionsrechtswidrig.42 Die UGP-RL bildet somit einen einheitlichen abgeschlossenen Regelungskomplex. Die­ ser sollte auch kollisionsrechtlich nicht auseinandergerissen werden. Anderenfalls könnte es passieren, dass neben bestimmten mitgliedstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der UGP-RL auch drittstaatliche Normen berufen werden, die mit dem abschließenden Charakter der UGP-RL unvereinbar sind. Dieses Problem kann von vornherein vermieden werden, wenn alle in den Anwendungsbereich der UGP-RL unterfallenden Regeln dem Anknüpfungsgegenstand nach Art.  6 Abs.  1 Rom II zu­ geordnet werden. Damit können nationale verbraucherschützende Regeln dem An­ knüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II auch dann zugeordnet werden, wenn sie in der UGP-RL zwar keine unmittelbare Entsprechung finden, aber dennoch in ihrem Anwendungsbereich liegen. Man wird dafür insbesondere die Rechtsprechung des EuGH zum Anwendungs­ bereich der UGP-RL im Blick behalten müssen. Hiernach ist der Anwendungsbe­ reich etwa bei Sonderregeln eröffnet, die Verbraucher vor aleatorischen Anreizen, insbesondere Gewinnspielen schützen sollen.43 Ebenso fallen Verbote von Kopp­ lungsangeboten im Verbraucherinteresse in den Anwendungsbereich der UGP-RL44 und damit unter Art.  6 Abs.  1 Rom II. Dasselbe gilt für Zugabenverbote.45 Die Rechtsprechung zur UGP-RL macht auch deutlich, dass der Anwendungsbereich der UGP-RL und damit nach unionsrechtlicher Vorstellung das verbraucherschüt­ zende Lauterkeitsrecht weit sind.46 So fallen auch sehr gebietsspezifische Regeln, etwa im Bereich der Telekommunikation, in den Anwendungsbereich der UGPRL.47 Ebenfalls ist es unschädlich, wenn neben dem Verbraucherschutz weitere Zie­ le, wie der Schutz der Medienvielfalt, verfolgt werden.48 Dies sollte im Kollisions­ recht parallel gehandhabt werden, sodass auch hier der Anknüpfungsgegenstand im Hinblick auf die kollektiven Interessen der Verbraucher großzügig auszulegen ist.

42 

tea.

EuGH v. 23.04.2009 – C-261/07, C-299/07, Slg. 2009, I-2993 (I-3020) – VTB-VAB und Gala­

43  Vgl. zum deutschen Recht EuGH v. 14.01.2010 – C-304/08, GRUR Int. 2010, 221 (224 f.) – Plus Warenhandelsgesellschaft; zum französischen Recht Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/ Schubmehl, S.  237 (308). 44  EuGH v. 23.04.2009 – C-261/07, C-299/07, Slg. 2009, I-2993 (I-3020) – VTB-VAB und Gala­ tea; EuGH v. 11.03.2010 – C-522/08, Slg. 2010, I-2079 (I-2096) – Telekommunikacja Polska. 45  Zur UGP-RL EuGH v. 09.11.2010 – C-540/08, GRUR Int. 2011, 46 (48 ff.) – Mediaprint Zei­ tungs- und Zeitschriftenverlag. 46  Vgl. im Hinblick auf das erfasste Verhalten bereits Teil 3 A. I. 47  Vgl. EuGH v. 11.03.2010 – C-522/08, Slg. 2010, I-2079 (I-2096) – Telekommunikacja Polska. 48  EuGH v. 09.11.2010 – C-540/08, GRUR Int. 2011, 46 (49) – Mediaprint Zeitungs- und Zeit­ schriftenverlag.

B.  Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher

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b) Einzelfragen Zum Teil ist noch ungeklärt, wo genau die Grenze des Anwendungsbereichs der UGP-RL verläuft bzw. welche Materien dem kollektiven Verbraucherschutz i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II zugeordnet werden können. aa) Presserecht So beschäftigt den BGH die Frage, ob spezifisch presserechtliche Regeln, die die Verwendung des Wortes „Anzeige“ bei Anzeigen in Presseerzeugnissen vorschrei­ ben, neben die vollharmonisierten Regeln der UGP-RL treten können.49 Der BGH geht offenbar davon aus, dass diese Frage für alle Fälle einheitlich zu beantworten ist und die UGP-RL daher ggf. entsprechenden presserechtlichen Normen auch dann entgegenstünde, wenn sie gar keine geschäftliche Entscheidung des Verbrau­ chers schützen sollen.50 Nach hier vertretener Auffassung51 muss für die Qualifikation unter Art.  6 Abs.  1 Rom II dagegen gerade untersucht werden, welche Funktion einer Regelung in concreto zukommt.52 Geht es etwa in einem Einzelfall, wie vom BGH angedacht53, nur um den Schutz einer politischen Entscheidung des Verbrauchers, so dient die pres­ serechtliche Norm insoweit einem anderen Interesse: Hier liegt nämlich schon gar keine Geschäftspraxis i. S. der UGP-RL oder ein marktbezogenes Wettbewerbsver­ halten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II vor. Ist ein solches Verhalten dagegen gegeben und kommt der presserechtlichen Regelung in concreto die Funktion zu, vor einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbraucherkollektivs durch ver­ steckte Werbung zu schützen, dürfte der Anwendungsbereich der UGP-RL eröffnet und zugleich kollisionsrechtlich Art.  6 Abs.  1 Rom II die richtige Kollisionsnorm sein. bb)  Sonderveranstaltungen und Rabattgewährung (1) Meinungsstand Weitere Unsicherheit besteht bei der Qualifikation von Verhaltensregeln, die Son­ derveranstaltungen oder Rabatte verbieten. Manche Autoren sprechen sich für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation aus.54 Dagegen wird zum Teil vertreten, dass Re­ 49 

BGH v. 19.07.2012 − I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 ff. – „GOOD NEWS“. BGH v. 19.07.2012 − I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 (1058) – „GOOD NEWS“. 51  Vgl. Teil 4 D. I. 52  Zum Anwendungsbereich der UGP-RL jetzt wie hier im Folgenden argumentierend und dif­ ferenzierend Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 11.07.2013, C‑391/12, Rn.  34 ff. – RLvS, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 53  BGH v. 19.07.2012 − I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 (1058) – „GOOD NEWS“. 54  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (154); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR 50 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

geln über Sonderveranstaltungen oder Preisrabatte nicht echte lauterkeitsrechtliche Normen, sondern „Regelungen der Marktordnung“ seien: Für deren Beurteilung gelte nicht das Marktortprinzip, sondern der Ort der Lokalität, an dem die Sonder­ veranstaltung durchgeführt bzw. der Rabatt gewährt wird.55 Hierbei denkt diese Ansicht an eine ganz bestimmte Konstellation, in der diese Orte auseinanderfallen: Wenn ein Wettbewerber in einem Staat eine rechtmäßige Sonderveranstaltung durchführt und dafür in einem anderen Staat Werbung macht, so soll dies zulässig sein, unabhängig davon, ob auch im Staat des Werbemarktes die Durchführung der Sonderveranstaltung selbst oder Werbung hierfür verboten ist.56 (2) Stellungnahme Der Begriff „Regelungen der Marktordnung“ mag zunächst einen gewissen Beiklang haben, dass hier besondere öffentliche Interessen im Vordergrund stün­ den.57 Zum Teil ist darauf hingewiesen worden, dass derartige Normen eher den Markt als solchen und damit das Interesse der Allgemeinheit und weniger die Ver­ braucher und Mitbewerber schützten.58 Da aber nach Erwägungsgrund 21 S.  1 mit der Kollisionsnorm des Art.  6 Abs.  1 Rom II auch die Marktwirtschaft geschützt werden soll, kann dieser Umstand den Ausschluss einer lauterkeitsrechtlichen Qua­ lifikation nicht rechtfertigen.59 Der Terminus der Marktordnung wird im Übrigen auch typischerweise im Zusammenhang mit dem Lauterkeitsrecht verwendet und kann daher sprachlich nicht klarstellen, was die Besonderheiten von Sonderveran­ staltung und Rabattgewährung sind. Warum die lauterkeitsrechtliche Anknüpfung nicht maßgeblich sein soll, erschließt sich daher nicht.60 Selbst wenn man eine ein­ griffsrechtliche Qualifikation annähme, bedürfte es angesichts des Verweises von Art.  16 Rom II auf die lex fori jedenfalls näherer Darlegung, wie im Einzelnen stets die Anwendung des Rechts des Veranstaltungsortes sichergestellt werden könnte. Eine andere besondere Kollisionsnorm, über die dieses Ergebnis erreicht werden könnte, lässt sich in der Verordnung Rom II nicht finden. Rn.  324, 332 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWirtschR Rn.  390, 737 ff. für Zugaben und Rabatte; zum deutschen IPR Dethloff, Europäisierung, S.  66; Sack, GRUR Int. 1998, 320 (339); Staudinger/ von Hoffmann, 2001, Art.  40 EGBGB Rn.  3136; vgl. aber auch MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  235, 246, der für Regeln über Zugaben und Rabatte eine Doppelqua­ lifikation vorschlug. 55  G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  48. 56  G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  48. 57  Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  58 nahm zwar besondere „wirtschaftspolitische“ Inter­ essen an, blieb aber bei der Marktortanknüpfung; Wengler, RabelsZ 19 (1954), 401 (420 f.) erwog aufgrund dieser Interessen entsprechende ausländische Regeln gar nicht anzuwenden. 58  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (154); MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl. Art.  38 EGBGB Rn.  246. 59  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (154). 60  Siehe auch MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  332 zu Sonderveranstaltungen: „typisches Marktordnungsrecht“, im selben Sinne zu Rabatten Rn.  389.

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Einer derartigen besonderen Kollisionsnorm bedarf es aber auch nicht, um das Ziel zu erreichen, die Ankündigung von Aktionen, die am Veranstaltungsort zuläs­ sig sind, in einem anderen Staat nicht zu verbieten. Es ist eine Frage der Auslegung der sachrechtlichen Normen des Werbemarktes, unter welchen Voraussetzungen die Werbung mit der Durchführung ausländischer Sonderveranstaltungen bzw. der Ge­ währung von Rabatten erlaubt bzw. verboten sein soll: Hängt nach den Wertungen des Sachrechts die Zulässigkeit der Werbung mit einer Sonderveranstaltung von der Zulässigkeit der Sonderveranstaltung selbst ab, so liegt nur insoweit eine – ebenfalls gemäß Art.  6 Abs.  1 Rom II – besonders anzuknüpfende Vorfrage vor.61 Ist Wer­ bung für Veranstaltungen im Ausland von vornherein nicht verboten, so ist dies als Einschränkung auf sachrechtlicher Ebene zu begreifen.62 Die Orientierung am Anwendungsbereich der UGP-RL führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass derartige Normen lauterkeitsrechtlich zu qualifizieren sind. So sind etwa Zugabenverbote, die, wie im österreichischen Recht, eine rationale Entschei­ dung des Verbrauchers gewährleisten sollen, aufgrund der Vollharmonisierung der UGP-RL unionsrechtswidrig.63 Auch Regeln, die die Ankündigung von Sonderver­ anstaltungen einschränken, um den Verbraucher vor dem hiervon ausgehenden be­ sonders starken Anreiz zum Kauf zu schützen, fallen in den Anwendungsbereich der UGP-RL.64 Auch das spricht dafür, dass es sich um Normen handelt, die den kollektiven Verbraucherinteressen i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II dienen. Derartige Materien sind in den Mitgliedstaaten teilweise im Zusammenhang mit dem ver­ braucherschützenden Lauterkeitsrecht geregelt65, sodass sich auch nicht etwa sagen ließe, dass derartige Normen schon sprachlich nicht als Lauterkeitsrecht begriffen werden könnten. Regeln über die Durchführung von Sonderveranstaltungen oder die Gewährung von Rabatten sind daher vom Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasst. 2. Gesundheit Unklar ist, inwieweit Art.  6 Abs.  1 Rom II über den Anwendungsbereich der UGPRL hinaus auch weitere kollektive Interessen der Verbraucher erfasst. Zu denken ist etwa an das Heilmittelwerberecht, bei dem spezifisch gesundheitspolitische Fragen 61  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  334 zu Sonderveranstaltungen; zum deut­ schen IPR Bernhard, GRUR Int. 1992, 366 (369 ff.). 62  MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  246; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  334 zu Sonderveranstaltungen; Sack, GRUR Int. 1998, 320 (339 f.), der sich einer derart restriktiven Auslegung aber nicht ohne Weiteres anschloss. 63  Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (519, 528 f.). 64  Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak v. 06.09.2012 – C‑206/11, Rn.  37 ff. – Köck, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 65  Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (452) für Sonderveran­ staltungen nach österreichischem Recht.

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im Vordergrund stehen. Bei solchen Regeln geht es nicht um „die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher“ i. S. v. Erwägungsgrund 6 S.  1 UGP, und solche Nor­ men fallen nach Art.  3 Abs.  3 Rom II als „Gesundheits[…]aspekte von Produkten“ nicht in den Anwendungsbereich der UGP-RL. Gleichwohl erscheint es möglich, dass der Anknüpfungsgegenstand in Art.  6 Abs.  1 Rom II einschlägig ist. a) Meinungsstand Unter Geltung des deutschen IPR haben der BGH und Teile der Literatur ohne Wei­ teres heilmittelwerberechtliche Fragen dem Lauterkeitsstatut zugeschlagen.66 Eben­ so spricht sich ein Teil der Literatur dafür aus, auch nach europäischer Sichtweise bei gesundheitsbezogenen Regeln das Lauterkeitsstatut für maßgeblich zu halten.67 Hierzu wird auf Anhang I Nr.  17 UGP-RL („Falsche Behauptung, ein Produkt kön­ ne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen“) hingewiesen, der hier vor allem das Interesse der Gesundheit bewahren solle.68 Nach einer anderen Auffassung kann dagegen jedenfalls das deutsche Heilmittel­ werberecht nicht unter das Lauterkeitsstatut subsumiert werden, sondern muss als Eingriffsnorm begriffen werden.69 Diese Auffassung nimmt allerdings trotz der ge­ schützten Sonderinteressen im Ergebnis regelmäßig eine Marktortanknüpfung an.70 Ähnlich wird zum Teil – ohne weitere Ausdifferenzierung – schlicht auch für der­ artige besondere Werberegeln das Marktortprinzip als Kollisionsnorm benannt.71 b) Stellungnahme Für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation der heilmittelwerberechtlichen Regeln spricht, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II seinem Wortlaut nach keine Einschränkung auf wirtschaftliche Interessen der Verbraucher enthält. Insoweit unterscheidet sich die Norm systematisch von der UGP-RL, die sich ausdrücklich auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen beschränkt. Wenn Art.  169 AEUV zum Verbraucherschutz neben den wirtschaftlichen Interessen auch den „Schutz der Gesundheit“ zählt, spricht dies dafür, dass der Begriff der kollektiven Verbraucherinteressen auch die­ ses Interesse zu erfassen vermag.72 Damit muss der Gesundheitsschutz, anders als

66  BGH v. 30.03.2006 – I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 (100) – „Arzneimittelwerbung im Internet“; von Czettritz, PharmR 1997, 88 (91); Koenig/Müller, WRP 2000, 1366 (1366 f.). 67 Dafür Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (58, 60), allerdings ohne ausdrücklich auf das besondere Heilmittelwerberecht einzugehen. 68  Peukert, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  27 (46). 69  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  386; zum deutschen IPR bereits ders., MMR 2001, 251 (252); ders., MMR 2001, 754 (756); ders., GRUR Int. 2006, 609 (612). 70  Mankowski, GRUR Int. 2006, 609 (612); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  387. 71  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (154 f.). 72  Vgl. zum Sachrecht Beater, 2011, Rn.  469.

B.  Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher

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möglicherweise zum deutschen IPR73, nicht zwingend und ausschließlich dem Ein­ griffsrecht zugeordnet werden. Dem Wortlaut nach lässt sich das Heilmittelwerberecht als Regelung unlauteren Wettbewerbs im Sinne des Wortlauts von Art.  6 Abs.  1 Rom II begreifen. Zwar sind derartige Normen typischerweise in den Mitgliedstaaten nicht im eigentlichen Lau­ terkeitsrecht geregelt.74 Andererseits ist ein Schutz derartiger gesundheitlicher Inte­ ressen auch nicht klar vom übrigen Lauterkeitsrecht ausgegrenzt.75 Dies zeigt etwa der bereits angesprochene Anhang I Nr.  17 UGP-RL („Falsche Behauptung, ein Pro­ dukt könne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen“). In ver­ gleichbarer Weise sehen auch die WIPO Model Provisions jedenfalls im Hinblick auf Irreführungsschutz vor Gesundheitsgefahren der angebotenen Leistung einen lauterkeitsrechtlichen Schutz vor.76 Das weite Verständnis des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb wird auch durch die Rechtsprechung des BGH zum deut­ schen IPR bestätigt, die das Internationale Lauterkeitsrecht auf das Heilmittelwer­ berecht angewandt hat. In Anbetracht dieser Rechtsprechung erfährt der Begriff des unlauteren Wettbewerbs durch eine Auslegung, die das Heilmittelwerberecht er­ fasst, keine Ausdehnung auf Bereiche, die nach mitgliedstaatlicher Vorstellung nicht dem Lauterkeitsrecht zugeordnet werden können. Angesichts dieser Überlegungen ist es schwer einzusehen, warum Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht angewandt werden sollte, wenn letztlich die Marktortanknüpfung un­ streitig sachgerecht ist. Eine Qualifikation ausschließlich als Eingriffsnorm müsste demgegenüber jedenfalls unter Geltung der Verordnung Rom II Probleme hervorru­ fen: Denn Art.  16 Rom II lässt seinem Wortlaut nach ausschließlich die Anwendung von Eingriffsnormen der lex fori zu.77 Eine Anwendung ausländischen Heilmittel­ werberechts wäre demnach von vornherein nicht möglich. Gründe dafür erschlie­ ßen sich nicht. Nicht unterschlagen werden soll, dass es auch verschiedenste Ansät­ ze gibt, die trotz des recht eindeutigen Wortlauts von Art.  16 Rom II auch die An­ wendung78 oder Berücksichtigung79 drittstaatlicher Eingriffsnormen zulassen wollen. Es mag hier dahinstehen, ob dieses Anliegen in gewissem Umfang berech­ tigt ist. Offenbar hat der Unionsgesetzgeber jedenfalls für den Regelfall dies nicht angedacht und ist davon ausgegangen, dass das Zusammenspiel von allgemeinen 73 

Vgl. die Argumentation bei Mankowski, MMR 2001, 251 (252). Käerdi, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  217 (234) zu Estland; Paiser/Kusznier/ Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (506) zu Österreich. 75  Beater, 2011, Rn.  474. 76  Note 4.10 WIPO Model Provisions. 77 Dem Wortlaut folgend Arif, ZfRV 2011, 258 (263); Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  16 Rom II-VO Rn.  4; Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-90); Gebauer/Wiedmann/A. Staudinger, Kap.  38 Rn.  83; Ofner, ZfRV 2008, 13 (23); Junker, NJW 2007, 3675 (3680 f.); Pironon, Euro­ pe 2008, n° 2, 6 (7, 9); G. Wagner, IPRax 2008, 1 (15). 78  Als eine Frage des nationalen Rechts ansehend Leible, RIW 2008, 257 (263); MünchKomm/ Junker, Art.  16 Rom II-VO Rn.  25; Rühl, in: FS Kropholler, S.  187 (206 f.). 79  von Hein, VersR 2007, 440 (446); ders., RabelsZ 73 (2009), 461 (506); Heiss/Loacker, JBl 2007, 613 (644); 74 Etwa

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

allseitigen Kollisionsnormen und Art.  16 Rom II zu sachgerechten Ergebnissen führt.80 Das spricht dafür, nach Möglichkeit bereits die allgemeinen Kollisionsnor­ men in einer Weise auszulegen, die etwaige Lücken im Bereich von Art.  16 Rom II von vornherein vermeidet. Zwingende Gründe gegen eine lauterkeitsrechtliche und für eine (ausschließlich) eingriffsrechtliche Qualifikation gibt es nicht mehr: Eine zum deutschen IPR ver­ tretene Erwägung, nach der das Heilmittelwerberecht nicht in erster Linie Regeln für den Wettbewerb aufstellen solle81, verliert angesichts der heute eigenständigen, vom Bestehen von Wettbewerb unabhängigen Bedeutung der kollektiven Verbrau­ cherinteressen in Art.  6 Abs.  1 Rom II an Gewicht. Ebenso überholt ist es, wenn zum deutschen IPR das Arzneimittelwerberecht aufgrund der mit ihm verfolgten öffentlichen Interessen den privaten Interessen im Lauterkeitsrecht gegenüberge­ stellt wurde.82 Denn aus Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II ergibt sich, dass auch Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht nur private Interessen ins Auge fasst. Auch die Erwä­ gung, dass das Heilmittelwerberecht nicht in einem „Relativverhältnis“83 gelte, führt nicht weiter. Denn dies ist nichts, was diese Materie von anderen lauterkeits­ rechtlichen Verhaltensnormen unterscheiden könnte; vielmehr strebt Art.  6 Abs.  1 Rom II im Regelfall gerade die allgemeine Geltung einheitlicher Verhaltensregeln unabhängig vom Entstehen konkreter außervertraglicher Schuldverhältnisse an.84 Im Ergebnis ist daher auch das Heilmittelwerberecht unter Art.  6 Abs.  1 Rom II zu fassen. Die Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II ist nicht auf wirtschaftliche Kollektivinteressen der Verbraucher beschränkt. Auch gesundheitliche Kollektivin­ teressen der Verbraucher können daher eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation rechtfertigen. 3. Belästigungsfälle a)  Problematik und Meinungsstand Die vorgenannten als lauterkeitsrechtlich zu qualifizierenden Regeln haben zum Ziel, den Verbraucher vor den wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Nachteilen seiner geschäftlichen Entscheidung zu schützen. Daneben enthält das Lauterkeits­ recht der Mitgliedstaaten aber auch Tatbestände, die den Verbraucher allein vor Be­ lästigungen schützen sollen, ohne dass es auf die Beeinflussung seiner Entschei­ dung ankäme. Derartige Verbotsnormen liegen außerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-RL.85

80 

Vgl. Palandt/Thorn, Art.  16 Rom II (IPR) Rn.  5; G. Wagner, IPRax 2008, 1 (15). Mankowski, MMR 2001, 251 (252). 82  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  386; ders.; MMR 2001, 251 (252). 83  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  386; ders.; MMR 2001, 251 (252). 84  Siehe selbst MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  257. 85  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.31. 81 

B.  Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher

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Auf Unionsebene sind reine Belästigungstatbestände vereinzelt normiert. So fin­ det sich ein Verbot für „Unerbetene Nachrichten“ etwa in Art.  13 der Datenschutz­ richtlinie für elektronische Kommunikation86.87 Aus diesem datenschutzrechtlichen Zusammenhang wird zum Teil in systematischer Hinsicht geschlossen, dass in der Unionsrechtsordnung Belästigungsverbote nicht dem Lauterkeitsrecht, sondern vielmehr dem Schutz der Privatsphäre zuzuordnen seien.88 Demnach sei die Aus­ nahme vom Anwendungsbereich gemäß Art.  1 lit.  g Rom II für diese Tatbestände des Schutzes der Privatsphäre einschlägig.89 Nach h. M. greift demgegenüber das Lauterkeitsstatut vielmehr auch für derartige reine Belästigungstatbestände ein.90 Hierbei wird in systematischer Hinsicht auf Erwägungsgrund 7 S.  3-5 UGP-RL ver­ wiesen, in denen den Mitgliedstaaten explizit die Regelung von Belästigungstatbe­ ständen aus Gründen der guten Sitten und des Anstands erlaubt werde.91 b) Stellungnahme Zunächst ist zu klären, ob in der Fallgestaltung der belästigenden Werbung die Aus­ nahme vom Anwendungsbereich i. S. v. Art.  1 Abs.  2 lit.  g Rom II einschlägig ist. Nach ihrem Wortlaut „außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre“ passt die Vorschrift auch etwa auf derartige unerwünschte Beein­ trächtigungen der Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten. Als Ausnahmevor­ schrift muss diese Norm aber eng verstanden werden.92 Sie soll nach ihrem Sinn und Zweck die Gewährleistung des Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit nach dem nationalen Verfassungsrecht gegenüber Einschränkungen zum Schutz der Privatsphäre absichern.93 Sie beabsichtigt damit, dem nationalen Kollisionsrecht die Auflösung eines verfassungsrechtlich sensiblen Interessenkonflikts zu überantwor­ ten, um den es in Fällen unerbetener Nachrichten nicht geht. Daher bleibt insoweit der Anwendungsbereich der Verordnung Rom II eröffnet. Sodann ist zu untersuchen, welche Kollisionsnorm innerhalb der Verordnung in derartigen Belästigungsfällen einschlägig ist. Gegen eine Qualifikation als unlaute­ res Wettbewerbsverhalten könnte zunächst sprechen, dass Belästigungsverbote kei­ 86  Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201 vom 31.07.2002, S.  37 ff. 87  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17. 88  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17. 89  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17. 90  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 274; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.31, der dies aber nicht für unproblematisch hält; Nordemann, Rn.  29; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 91  Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.31. 92  Huber/Bach, Art.  1 Rn.  59. 93  Bogdan, in: Liber Amicorum Siehr, 375 (386); Heiss/Loacker, JBl 2007, 613 (620); kritischer dagegen Junker, NJW 2007, 3675 (3677); Thorn, in: Kieninger/Remien, S.  139 (147).

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

nen spezifischen Zusammenhang zum Wettbewerb haben: Insbesondere verfolgen sie nicht das Ziel der Sicherstellung des reibungslosen Funktionierens der Markt­ wirtschaft.94 Da dem Verbraucherschutz aber ohnehin unabhängig vom Bestehen von Wettbewerb eigenständige Bedeutung zukommt, ist dieser Umstand gering zu gewichten. Die Tatsache, dass Erwägungsgrund 7 S.  3-5 UGP-RL auf derartige Belästi­ gungstatbestände Bezug nimmt, spricht noch nicht für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation. Denn mit dieser Norm wird lediglich der Anwendungsbereich der UGP-RL abgegrenzt. Ebenso nimmt etwa Art.  3 Abs.  2 UGP-RL zur Abgrenzung auf das Vertragsrecht Bezug, das damit unzweifelhaft nicht zu einer lauterkeits­ rechtlichen Materie wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber der Wort­ laut von Erwägungsgrund 7 S.  3-5 UGP-RL: Die hier erwähnten Verbote erfolgen aus „Gründen der guten Sitten und des Anstands“. Diese sprachliche Nähe zur De­ finition unlauteren Wettbewerbs in Artikel 10bis Abs.  2 PVÜ („anständigen Gepflo­ genheiten“) spricht dafür, solche Verbotstatbestände ebenfalls dem Lauterkeitsrecht zuzuordnen. Diese Fälle weisen auch eine gewisse Nähe zu anderen lauterkeits­ rechtlichen Fallgestaltungen auf, weil auch hier eine bestimmte Beeinflussung des Verbrauchers in dessen Interesse verboten wird.95 Auch ist noch einmal darauf hin­ zuweisen, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II sprachlich nicht auf wirtschaftliche Interessen der Verbraucher beschränkt ist. Auch ist bereits darauf hingewiesen worden, dass nach Erwägungsgrund 5 S.  4 -5 UGP-RL die Mitgliedstaaten „in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen des Anstands und der guten Sitten verbieten können, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.“96 Gerade die Formulierung „in ihrem Hoheitsgebiet“ legt eine recht starke staatliche Territoriali­ tät nahe, die die Anknüpfung an den Marktort nach Art.  6 Abs.  1 Rom II besser gewährleistet als etwa das allgemeine Deliktsstatut. Die Anwendung des allgemei­ nen Deliktsstatuts passt auch deshalb weniger, weil sie dem Wettbewerber nicht die gleiche Rechtssicherheit zu bieten vermag. Wenn es für Belästigungen einen ein­ heitlichen an kollektiven Verbraucherinteressen ausgerichteten Beurteilungsmaß­ stab gibt, muss dieser einheitlich angeknüpft werden können, ohne dass die dem allgemeinen Deliktsstatut immanenten Auflockerungen und Rechtswahlmöglich­ keiten dies verhindern. Allerdings muss es bei den einschlägigen Verbotsnormen auch gerade um den Schutz kollektiver – im Gegensatz zum Schutz individueller – Verbraucherinteres­ sen gehen. Man wird daher bei Belästigungstatbeständen differenzieren müssen: Ein wichtiges Indiz für die Abgrenzung der kollektiven von einer individuellen Ver­ 94  Beater, 2011, Rn.  2376 spricht von „wettbewerbsfremden Gründen“ (Hervorhebung im Ori­ ginal durch Fettdruck). 95 Vgl. Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1364 (1390). 96  Siehe Teil 2 A. II. 4. b) aa).

B.  Schutzrichtung zu Gunsten der kollektiven Interessen der Verbraucher

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braucherschutzfunktion wird regelmäßig sein, ob die Verletzung der Verbotsnorm Rechte individueller Verbraucher begründen kann.97 Dabei müssen schon die Regeln im Sachrecht der Union kollisionsrechtlich unter­ schiedlich beurteilt werden. Das in Art.  10 FernabsatzRL98 vorgesehene Erfordernis der Zustimmung zu Fax- und Voice-to-Mail-Werbung und das Verbot der Verwen­ dung bestimmter vom Verbraucher offenkundig abgelehnter Kommunikationstech­ niken, sind als rein kollektivschützend einzuordnen. Denn in Art.  11 FernabsatzRL wird der einzelne Verbraucher nicht bei den Personen genannt, denen Rechtsbehelfe zustehen müssen. Anders liegt es, soweit vor allem datenschutzrechtliche Aspekte – wie bei Regelungen über unerbetene Nachrichten i. S. v. Art.  13 der Datenschutz­ richtlinie für elektronische Kommunikation – in den Vordergrund rücken. Denn hier gibt Art.  15 Abs.  2 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation i. V. m. Art.  22, 23 Richtlinie 95/46/EG99 den betroffenen individuellen Personen Ansprüche und damit eigene Rechte. Dasselbe gilt für die Verbote von Fax- und Voice-to-Mail-Werbung nach Art.  12 Richtlinie 97/66/EG100, da auch hier die Nor­ men in datenschutzrechtlichen Kontext eingefügt und ihre Verletzung nach Art.  14 Abs.  2 Richtlinie 97/66/EG i. V. m. Art.  22, 23 Richtlinie 95/46/EG individuelle An­ sprüche auslösen soll. Das spricht dafür, dass auch der eigentliche Verbotsgrund eher im Schutz individueller und weniger im Schutz kollektiver Verbraucherinteres­ sen besteht. In Deutschland ist die Umsetzung dieser Regelungen zwar in §  7 UWG erfolgt.101 Angesichts der im Hintergrund stehenden Richtlinie sollte dies bei der kollisionsrechtlichen Qualifikation an dem individualschützenden Charakter der Verbotsnorm nichts ändern. Daher führt die formal lauterkeitsrechtliche Umset­ zung nicht zu einer lauterkeitsrechtlichen Qualifikation im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II. Damit ist festzuhalten, dass eine Einschränkung allein auf die kollektive Ent­ scheidungsfreiheit nicht geboten ist, sondern der Begriff der kollektiven Verbrau­ cherinteressen in Art.  6 Abs.  1 Rom II vielmehr auch den Schutz vor Belästigung zu erfassen vermag. Allerdings sind auch nicht alle Belästigungsverbote, die im Zu­ sammenhang mit Wettbewerbsverhalten stehen, lauterkeitsrechtlich zu qualifizie­ ren. Vielmehr muss stets geprüft werden, ob die Verhaltensnorm gerade einen kol­ lektiven im Gegensatz zu einem individuellen Verbraucherschutz bezweckt.

97 

Vgl. zur UGP-RL Harte/Henning/Glöckner, Einl B Rn.  271. Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 04.06.1997, S.  19 ff. 99  Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Da­ tenverkehr, ABl. L 281 vom 23.11.1995, S.  31 ff. 100  Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation, ABl. L 24 vom 30.1.1998, S.  1 ff. 101  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  7 UWG Rn.  8. 98 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

III. Ergebnis Verhaltensnormen im kollektiven Interesse der Verbraucher zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Beurteilungsmaßstab liefern, der darauf abstellt, ob die Nachtei­ le für das Verbraucherkollektiv als Ganzes so groß sind, dass sie ein bestimmtes Verbot rechtfertigen können. Ein wichtiges Indiz zur Feststellung, ob eine Norm im kollektiven oder individuellen Interesse besteht, ist, ob die Verletzung der einschlä­ gigen Norm dem individuellen Verbraucher Rechte verleiht oder nicht. Ist dies nicht der Fall, spricht dies für eine kollektive Schutzrichtung der Verhaltensnormen. Ent­ sprechendes gilt, wenn die in Frage stehenden Sachnormen zwar nicht kollektive Interessen privater Verbraucher, wohl aber kollektive Interessen gewerblicher Kun­ den schützen. Hauptanwendungsfall des Schutzes kollektiver Verbraucherinteressen sind Nor­ men, die die kollektive Entscheidungsfreiheit und dabei wirtschaftliche Interessen schützen. Aber auch Normen, die wie das Heilmittelwerberecht einen Schutz der gesundheitlichen Interessen der Verbraucher anstreben oder aber einen Schutz vor Belästigungen durch Wettbewerbsverhalten gewährleisten wollen, sind als Verhal­ tensnormen anzusehen, die die kollektiven Interessen der Verbraucher schützen. Auch bei derartigen Normen ist prinzipiell eine Qualifikation als unlauteres Wett­ bewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II gerechtfertigt.

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen I. Ausgangspunkt Auch das Schutzgut der Wettbewerbsbeziehungen grenzt das Internationale Lauter­ keitsrecht vom allgemeinen Deliktsrecht ab. Bei diesem Schutzgut fällt eine Formu­ lierung des Inhalts schwerer als bei den kollektiven Verbraucherinteressen. Aus Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II lässt sich folgern, dass hiermit zum einen der Schutz der Wettbewerber und/oder zum anderen das Interesse der Allgemeinheit am reibungslosen Funktionieren der Marktwirtschaft angesprochen sein muss. Wie bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Schutzzwecktrias festgestellt102 , ist das Interesse der Allgemeinheit am Funktionieren der Marktwirtschaft jedoch schwer fassbar und nicht im Lauterkeitsrecht aller Rechtsordnungen bekannt. Viel­ mehr kennen viele Rechtsordnungen gerade ein konkurrentenschützendes Lauter­ keitsrecht. Das zeigt, dass es für die lauterkeitsrechtliche Qualifikation ausreichend ist, dass die betreffenden Normen rein konkurrentenschützend sind. Daher ist im Folgenden dieser lauterkeitsrechtliche Schutz der Wettbewerber näher zu untersu­

102 

Siehe zum Ganzen bereits Teil 4 C. II. 1.

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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chen.103 Das konkurrentenschützende Lauterkeitsrecht ist dabei von anderen Sys­ tembereichen abzugrenzen, die ebenfalls dem Konkurrenten Schutz bieten können. II.  Typischer Kernbestand und Fallgruppen Insgesamt ergibt sich aus der Gesamtschau der Rechtsordnungen der Union ein Kernbestand104 an typischen lauterkeitsrechtlichen Normen, die spezifisch im Inte­ resse der Wettbewerber bestehen. Dabei lohnt vor allem ein Blick in Rechtsordnun­ gen wie die französische, die das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb als rein konkurrentenschützend verstehen.105 In der französischen Rechtsordnung lassen sich im Wesentlichen vier Fallgruppen unterscheiden106, die sich – unter Inkaufnah­ me gewisser Vergröberungen und Abweichungen in der Fallgruppenbildung im Einzelnen – in den meisten Rechtsordnungen wiederfinden. Erstens gehört zum konkurrentenschützenden Lauterkeitsrecht der Schutz vor Beeinträchtigung durch Herabsetzung und Anschwärzung (französische Fallgruppe des „dénigrement“).107 In Frankreich werden auch unberechtigte Schutzrechtsver­ warnungen gegenüber Abnehmern dieser Fallgruppe zugerechnet.108 Traditionell werden auch Verbote vergleichender Werbung hierunter gefasst.109 Ein entspre­ chender Konkurrentenschutz vor Anschwärzungen und Herabsetzungen ist in den Rechtsordnungen weit verbreitet: So werden auch die deutschen Verbote in §  4 Nr.  7 UWG und §  4 Nr.  8 UWG als konkurrentenschützend ohne Verbraucherschutzkom­ ponente verstanden.110 Vergleichbare lauterkeitsrechtlich verstandene Regeln finden sich auch im belgischen, dänischen, estnischen, finnischen, griechischen, italieni­ schen, niederländischen, luxemburgischen, österreichischen, portugiesischen, spa­ nischen und ungarischen Recht.111 Auch in Art.  3 Abs.  1 WIPO Model Provisions sowie in Art.  1 Nr.  4 Cambridge Resolution werden Beeinträchtigungen des Rufes 103 Auch Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (748) assoziiert den Begriff der Wettbewerbsbeziehungen mit dem Konkurrentenschutz. 104  Die nachgenannten Fallgruppen bezeichnet auch Henning-Bodewig, in: Hilty/Henning-Bo­ dewig, S.  9 (19) als „Kern“ des französischen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb. 105 Vgl. Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (237 f., 247 ff.). 106  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (247). 107  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (269 ff.). 108  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (273 ff.). 109  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (274 ff.). 110  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (72) – „Ausschreibung in Bulgarien“ zu §  4 Nr.  8 UWG; BGH v. 19.05.2011 – I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 (77) – „Coaching-Newsletter“ zu §  4 Nr.  7 UWG; Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  7.2; 8.2. 111  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (390 ff.) zu Italien; García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (657) zu Spanien; Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (341) zu Griechenland; Käerdi, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  217 (229 ff.) zu Estland; Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (570) zu Portugal; Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (479 ff.) zu Öster­ reich; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1384) zu Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal und Spanien; Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (693 ff.) zu Ungarn.

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

eines Unternehmens dem Lauterkeitsrecht zuordnet. Ähnlich verbietet für verglei­ chende Werbung auf Unionsebene Art.  4 lit.  d WerbeRL eine Herabsetzung oder Verunglimpflichung u. a. der Tätigkeiten und der Verhältnisse des Mitbewerbers. An einem solchen spezifisch lauterkeitsrechtlich verstandenen Schutz fehlt es, so­ weit ersichtlich, nur in Rechtsordnungen, die ein Recht gegen den unlauteren Wett­ bewerb überhaupt nicht kennen: Allerdings gewährt etwa das englische Recht Mit­ bewerbern über die allgemeinen torts der malicious falsehood und der defamation vergleichbaren Schutz.112 Zweitens ist typischerweise die Schaffung von Verwechslungen mit Mitbewer­ bern verboten (französische Fallgruppe der „confusion“).113 Die Kommissionbe­ gründung findet hierfür die Formulierung „Handlungen, mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden (z. B. Schaffung einer Verwechslungsgefahr […])“.114 Die vergleichbare Regelung in §  4 Nr.  9 lit.  a UWG, der Schutz vor Nach­ ahmungen bietet, die „eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betrieb­ liche Herkunft“ begründen, wird in der deutschen Literatur ebenfalls als rein kon­ kurrentenschützend verstanden.115 Ein derartiger lauterkeitsrechtlicher Schutz vor Verwechslungen besteht namentlich auch im estnischen, französischen, griechi­ schen, portugiesischen, italienischen, spanischen und ungarischen Recht.116 Ähn­ lich kann nach englischer und irischer Vorstellung außerhalb immaterialgüterrecht­ licher Tatbestände das tort des passing off Schutz vor Verwechslungen bieten.117 Für vergleichende Werbung enthält auch das materielle Unionsrecht in Art.  4 lit.  h Wer­ beRL ein Verbot der Schaffung einer Verwechslungsgefahr. Drittens kann die „Ausbeutung fremder Leistung (parasitisme)“118 unter be­ stimmten Umständen unlauter sein.119 In der Kommissionsbegründung entspricht dem die Formulierung „Handlungen, mit denen Vorteile eines Wettbewerbers miss­ braucht werden (z. B. […] Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades)“.120 In Deutsch­ land ist ebenfalls der gesamte Leistungsschutz nach §  4 Nr.  9 UWG als allein kon­ kurrentenschützend zu begreifen.121 Ein lauterkeitsrechtlicher Schutz vor der Aus­ 112 

S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (172 ff.). Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (247, 249 ff.). 114  KOM(2003) 427 endg., S.  17. 115  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, §  8 UWG Rn.  88. 116  García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (646) zu Spanien; Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (333 ff., insb. 336) zu Griechenland; Käerdi, in: Schmidt-Kes­ sel/Schubmehl, S.  217 (225) zu Estland; Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (258, 264) zu Frankreich; Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/ Schubmehl, S.  531 (561 f.) zu Portugal; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1380 f.) zum dänischen, griechischen, italienischen, luxemburgischen, österreichischen, portugiesischen und spanischen Recht; Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (702 ff.) zu Ungarn. 117  Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1381 f.); S. Müller, in: Schmidt-Kessel/ Schubmehl, S.  163 (166) zu England. 118  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (247, 258 ff.). 119  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (247, 260 ff.). 120  KOM(2003) 427 endg., S.  17. 121  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, §  8 UWG Rn.  88. 113 

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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nutzung der Wertschätzung fremder Leistungen findet sich auch im belgischen, griechischen, italienischen, österreichischen, portugiesischen, spanischen und un­ garischen Recht, wird allerdings in England und Irland nicht gewährt, wo derartige Ansprüche allein eine immaterialgüterrechtliche Grundlage haben können.122 Ver­ gleichbare lauterkeitsrechtliche Regeln finden sich im Unionsrecht im Hinblick auf vergleichende Werbung in den Anforderungen von Art.  4 lit.  f WerbeRL, den Ruf einer Marke etc. nicht unlauter auszunutzen123, und in dem Verbot nach Art.  4 lit.  g WerbeRL, das beworbene Produkt als Imitation oder Nachahmung darzustellen124. Viertens ist in gewissen Fällen die Behinderung von Mitbewerbern verboten (französische Fallgruppe der „désorganisation“125). Das betrifft etwa das Abwer­ ben von Mitarbeitern126, den Verstoß gegen Vertriebsbindungssysteme127 oder auch den Schutz von „Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“128. In Deutschland ist aner­ kannt, dass das Verbot der gezielten Behinderung von Mitbewerbern nach §  4 Nr.  10 UWG allein Ansprüche des behinderten Mitbewerbers und insbesondere nicht An­ sprüche von Verbraucherschutzverbänden auszulösen vermag.129 Dieser Fallgruppe entspricht in der Begründung zum Verordnungsentwurf die Formulierung „Hand­ lungen, die das Angebot von Wettbewerbern behindern sollen (z. B. Störung der Zulieferung, Abwerbung von Angestellten oder Boykott)“130. Folglich wird man hierunter die in vielen Mitgliedstaaten existierenden lauterkeitsrechtlichen Verbote von Boykotten (etwa in Deutschland, Griechenland, Italien, Österreich und Un­ garn)131 fassen können. Die letztgenannte Fallgruppe der Behinderung betrifft allerdings häufig gerade nicht marktunmittelbare Verhaltensweisen. Daher müssen solche Verhaltensweisen von Art.  6 Abs.  1 Rom II „abgezogen“ werden, die nicht direkt gegenüber der 122  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (382, 388 f.) zu Italien; García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (646) zu Spanien; Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (333); S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (170 ff.) zu England; Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (453, 468) zu Österreich; Pinto Monteiro/ Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (566) zu Portugal; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1382) zum belgischen, englischen, französischen, iri­ schen, italienischen und spanischen Recht; Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (702 ff.) zu Ungarn. 123  Hierauf hinweisend de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (138). 124  Vgl. zum Schutzzweck von Art.  4 lit.  g WerbeRL Fezer/Koos, §  6 UWG Rn.  274. 125  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (278 ff.). 126  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (279 ff.). 127  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (282 ff.). 128  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (267). 129  BGH v. 02.10.2008 – I ZR 48/06, GRUR 2009, 416 (418) – „Küchentiefstpreis-Garantie“; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, §  8 UWG Rn.  88. 130  KOM(2003) 427 endg., S.  17. 131  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (396 f.) zu Italien; Gouga, in: Schmidt-Kes­ sel/Schubmehl, S.  323 (345 ff.) zu Griechenland; Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  10.116 ff. zu Deutschland; Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (493) zu Ös­ terreich; Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (701 f.) zu Ungarn.

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Marktgegenseite vorgenommen werden. Diese müssen, wie bereits dargestellt, Art.  6 Abs.  2 Rom II zugeordnet werden.132 Zahlreiche Anwendungsfälle der Fall­ gruppe der désorganisation bzw. der gezielten Behinderung gehören daher nicht zu Art.  6 Abs.  1 Rom II. Nicht verschwiegen werden soll, dass es auch über die genannten Fallgruppen hinaus lauterkeitsrechtliche Normen gibt, denen aber nur in manchen Rechtsord­ nungen eine besondere konkurrentenschützende Funktion zugeschrieben wird. So werden Verbote des Verkaufs unter Einstandspreis teils133 in konkurrentenschüt­ zendem, teils134 dagegen in verbraucherschützendem Kontext gesehen. Im Rahmen der Qualifikation von Art.  6 Rom II kommt dem aber keine praktische Bedeutung zu, da es ausreicht, dass die zu berufende Norm entweder die kollektiven Interessen der Verbraucher oder die Wettbewerbsbeziehungen schützt.135 Die vorgenannten Fallgruppen können ein Gefühl dafür vermitteln, welche Kon­ stellationen dem konkurrentenschützenden Wettbewerbsrecht zuzuordnen ist.136 Sie verdeutlichen auch, warum etwa die torts des passing off und unter bestimmten Umständen der defamation und malicious falsehood dem Recht gegen den unlaute­ ren Wettbewerb i. S. v. Art.  6 Rom II zugeordnet werden.137 Sie erklären aber noch nicht, wo im Einzelnen die Grenze zu anderen Anknüpfungsgegenständen zu zie­ hen ist, die einem Konkurrenten Schutz bieten können. III.  Verhältnis zu anderen konkurrentenschützenden Anknüpfungsgegenständen 1.  Abgrenzung zum allgemeinen Internationalen Deliktsrecht Es bedarf einer Abgrenzung zum Internationalen allgemeinen Deliktsrecht, aus dem Wettbewerber möglicherweise ebenfalls Ansprüche herleiten können, wenn sie sich gegen ein unmittelbar marktgerichtetes Wettbewerbsverhalten eines Konkur­ renten wehren wollen. a)  Keine Begrenzung auf formale Sonderregeln Die hier beschriebene Abgrenzung zwischen konkurrentenschützendem Lauter­ keits- und Deliktsrecht ist streng genommen nicht neu und bestand auch unter deut­ schem IPR.138 Unter deutschem IPR haben aber möglicherweise eine formelle Ori­ entierung am deutschen Sondergesetz des UWG139 oder eine inhaltliche Orientie­ 132 

Siehe dazu Teil 3 B. I. Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (396 f.) zu Italien. 134  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (305) zu Frankreich. 135  Zu anderen Qualifikationsfragen hierbei siehe Teil 5 D. I. , Teil 5 D. I. 2. c) cc). 136  Ähnlich wie hier möchte Pironon, in: Corneloup/Joubert, S.  111 (117) etwa die französi­ schen Fallgruppen der confusion und des dénigrement aufgund der Kommissionsbegründung dem Lauterkeitsstatut nach Art.  6 Rom II zuschlagen. 137 So Cheshire/North/Fawcett, S.  809. 138  Keine großen Diskrepanzen sieht etwa MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115. 139  Keine Bedeutung beimessend aber MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115. 133 

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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rung an der Kategorie der Schutzzwecktrias eine ausführliche Diskussion verhindert.140 Dagegen muss Art.  6 Abs.  1 Rom II Regeln erfassen können, die in der verwiese­ nen Rechtsordnung nicht in spezifisch lauterkeitsrechtlichem, sondern allgemeinde­ liktischem Zusammenhang normiert sind.141 Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass in den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten das konkurrentenschützende Recht gegen den unlauteren Wettbewerb zum Teil als Fallgruppe der allgemeinen deliktischen Anspruchsgrundlage verstanden wird142 oder dass im englischen Recht allenfalls bestimmte torts einschlägig sein können143. Darüber hinaus ist noch ein­ mal an die Vielzahl weiterer Regelungstechniken der Mitgliedstaaten zu erin­ nern.144 Müsste sich die Norm zudem in einem spezifischen lauterkeitsrechtlichen Son­ dergesetz finden, wäre eine solche Qualifikation nur schwerlich mit Erwägungs­ grund 13 Rom II zu vereinbaren: Hiernach „[sind] Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zwischen Wettbewerbern aus der Gemeinschaft […] vermeidbar, wenn einheitliche Bestimmungen unabhängig von dem durch sie bezeichneten Recht an­ gewandt werden“. Darauf, ob die lex causae selbst die fraglichen Normen formal dem Lauterkeitsrecht zuordnet, kann es also nicht ankommen.145 Es bedarf folglich inhaltlicher Abgrenzungskriterien für die Bestimmung von Normen, die ihrer Funktion nach den Mitbewerbern einen Schutz der „Wettbe­ werbsbeziehungen“ vermitteln und zwar im Gegensatz zu Normen, die Mitbewer­ bern allgemeindeliktischen Schutz bieten. Letztere Vorschriften sind kollisions­ rechtlich vielmehr unmittelbar oder über die Verweisung in Art.  6 Abs.  2 Rom II nach den Kollisionsnormen in Art.  4, 14 Rom II zu beurteilen. b)  Eingrenzung auf Fälle der Anspruchsberechtigung mehrerer Personen? aa) Meinungsstand Nach einer Auffassung146 sollen nur solche konkurrentenschützende Normen Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen, deren Verletzung nicht nur Ansprüche eines bestimmten Wettbewerbers, sondern auch solche weiterer Gläubiger wie anderer Konkurrenten 140 

Siehe Teil 1 B. II. Massing, S.  171; MünchKomm/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115, 119; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  400; für Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen nach §  823 BGB auch Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17; Sack, WRP 2008, 845 (846); unklar nur Ull­ mann jurisPK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  113, dort Fn.  155. 142  MünchKomm/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115; Pironon, in: Liber amicorum Gaudemet-Tal­ lon, S.  545 (546 f.) zum französischen Recht, die allerdings auf S.  550 auch auf andere Rechtsquel­ len hinweist. 143  Massing, S.  171; Petch, JIBLR 2006, 509 (510). 144  Zu den Unterschieden bereits Teil 1 B. I. 145  Im Ergebnis ebenso Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (733). 146  Beater, 2011, Rn.  737 auch zum Folgenden; zum deutschen IPR Lindacher, WRP 1996, 645 (649 f.); MünchKommBGB/Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Rn.  247. 141 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

oder von Verbänden auslösen kann. Demgegenüber soll Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Rom II eingreifen, wenn materiellrechtlich nur ein bestimmter Wettbewerber An­ sprüche wegen des beanstandeten Verhaltens geltend machen kann. Dabei wird von der individuellen Anspruchsberechtigung auch darauf geschlossen, dass die ent­ sprechenden Verbotsnormen nur jeweils bestimmte Wettbewerber schützen sollen. Beispiele für Art.  6 Abs.  2 Rom II sollen daher etwa die Anschwärzung und der lauterkeitsrechtliche Leistungsschutz – auch der Schutz von Geschäftsgeheimnis­ sen – sein. Der BGH und weite Teile der Literatur verfolgen diesen Ansatz dagegen insbe­ sondere im Hinblick auf die Anschwärzung nicht.147 Dabei wird vor allem auf die betroffenen Drittinteressen – insbesondere Allgemeinheitsinteressen – hingewie­ sen.148 bb) Stellungnahme Der nach dem Kreis der Aktivlegitimation differenzierende Ansatz passt auf den ersten Blick zum Wortlaut von Art.  6 Abs.  2 Rom II: Denn wenn die Interessen nur eines einzelnen Wettbewerbers durch eine Sachnorm geschützt werden, dürfte die Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift auch nur die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers i. S. v. Art.  6 Abs.  2 Rom II berühren. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass er ein klares Kriterium aufweist, anhand dessen der Rechtsanwender entschei­ den kann, wer von den einzelnen Normen geschützt sein soll. Auch lässt eine solche Auslegung sich mit dem Ziel des Art.  6 Abs.  1 Rom II vereinbaren, ein und dasselbe konkrete Wettbewerbsverhalten im Verhältnis zu allen Wettbewerbern einheitlich zu beurteilen.149 Denn wenn hiermit sich widersprechenden Verhaltensanforderun­ gen und damit letztlich einander widersprechende Entscheidungen vermieden wer­ den sollen, so greift dieser Zweck nur dann, wenn es überhaupt mehrere potentielle Anspruchsteller gibt. Wo das materielle Recht demgegenüber nur einem einzelnen Wettbewerber Ansprüche zugesteht, stellt sich diese Problematik von vornherein nicht. Die Anwendung der nach Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Rom II einschlägigen Anknüpfungspunkte erscheint unter diesem Gesichtspunkt unproblematisch. Die Überzeugungskraft dieser Auffassung hängt aber davon ab, inwieweit man bereit ist, an dieser Stelle vom Kreis der möglichen Anspruchsteller und damit der Sanktionsseite auf die zu Grunde liegenden Schutzzwecke der Verhaltensnormen zu schließen. Dabei muss man sich verdeutlichen, welchen Zweck der materielle 147  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (72) – „Ausschreibung in Bulgarien“ zur Abgrenzung von Art.  6 Abs.  2 Rom II; Huber/Bach, Art.  1 Rn.  59; im Ergebnis auch Calliess/ Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  20; Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  158; Sack, WRP 2008, 845 (850); ders., GRUR Int. 2012, 601 (608); MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  247, 372; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  656; für Art.  6 Abs.  1 und 2 Rom II je nach Konstel­ lation Calliess/Halfmeier, Art.  1 Rome II Rn.  58. 148  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  656. 149  Siehe zu diesem Zweck Teil 2 A. II. 2. c) bb).

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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Gesetzgeber damit verfolgt, wenn er lauterkeitsrechtliche Verhaltensvorschriften erlässt, deren Verletzung nur ein bestimmter Wettbewerber geltend machen kann: Nimmt man an, dass hiermit tatsächlich „ausschließlich“ oder ganz überwiegend ein Schutz des individuellen Wettbewerbers bezweckt wird, so passen die kollisi­ onsrechtlichen Zwecke des Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht und man sollte zum allgemei­ nen Internationalen Deliktsrecht gelangen. Näher liegt es aber, dass auch hier, wie sonst auch, Verhaltensnormen geschaffen werden, die die Chancengleichheit mit in den Blick nehmen.150 Deren Einhaltung kann zwar nicht von jedem x-beliebigen Wettbewerber erzwungen werden. Gleich­ wohl sollen aber auch solche Regeln als einheitlicher Ordnungsrahmen wirken: Das Anschwärzungsverbot etwa ist eine abstrakte Regel, welche die Grenzen festlegt, innerhalb derer der Entscheidungsprozess des Verbrauchers zulässigerweise beein­ flusst werden darf.151 Sie erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn sie gleichmäßig zu Gunsten und zu Lasten aller Wettbewerber Anwendung finden kann. Droht eine konkrete Anschwärzung oder ist diese bereits erfolgt, so ist es zwar richtig, dass der Schutz des konkret Angeschwärzten in den Vordergrund rückt und es seine Sache ist, sich gegen die ihm entstehenden Nachteile zu wehren. Dass Gerichte stets nur über den Anschwärzungstatbestand entscheiden können, wenn ein zu Lasten eines ganz bestimmten Mitbewerbers konkretisierter Anwendungsfall dieser Norm vor­ liegt, darf nicht den Blick auf die Bedeutung verstellen, die einer solchen Verhal­ tensnorm zunächst einmal „im Hintergrund“ als abstrakt-genereller Regel für den Wettbewerb zukommt. Diese Chancengleichheit in Bezug auf die Aktivitäten am Markt soll aber gerade durch die Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II gewahrt werden.152 Wendet man dagegen Art.  6 Abs.  2 Rom II an, wird kollisionsrechtlich über die materiellrechtli­ chen Differenzierungen bei der Aktivlegitimation hinaus eine ungleichmäßige Ver­ haltensordnung geschaffen: Denn die Anwendung von (Art.  6 Abs.  2 Rom II i. V. m.) Art.  4 Rom II kann dazu führen, dass sich auf demselben Markt verschiedene Un­ ternehmer im Verhältnis zueinander nach unterschiedlichen Rechtsordnungen rich­ ten müssen, insbesondere im Falle der Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhn­ lichen Aufenthalt nach Art.  4 Abs.  2 Rom II.153 Dieser Schritt scheint aber eine sehr weitgehende kollisionsrechtliche Reaktion auf die sachrechtliche Entscheidung zu sein, den Kreis der Anspruchsberechtigten zu begrenzen. 150  Die Literatur verkürzt die hier angestellten Überlegungen darauf, dass die Nichtanwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II die Chancengleichheit beeinträchtige, ohne sich aber in diesem Zusam­ menhang mit der genauen Funktion der Sachnorm auseinanderzusetzen, vgl. etwa Sack, GRUR Int. 2013, 601 (604 f.). 151  Vgl. MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  112, der Art.  6 Abs.  1 Rom II stets für anwendbar hält, soweit es um „Marktordnungsrecht“ geht, und anhand dieses Kriteriums die Grenzziehung zu Art.  6 Abs.  2 Rom II erklärt. 152  Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (149). 153  Sack, GRUR Int. 2012, 601 (605).

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Noch bedenklicher erscheint, dass auch der lauterkeitsrechtliche Nachahmungs­ schutz nach allgemeinem Internationalen Deliktsrecht zu beurteilen sein soll. Das kann dazu führen, dass manche Wettbewerber ein Produkt ohne Weiteres in einer bestimmten Weise nachahmen dürfen, während dies anderen verboten ist, was ei­ nen ganz erheblichen Eingriff in die Wettbewerbsgleichheit begründet.154 Zudem kann eine Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II hier Abgrenzungsschwierigkeiten zu Art.  8 Rom II weitgehend vermeiden155, weil beide meist dieselbe Rechtsordnung bezeichnen156. Art.  6 Abs.  2 Rom II dagegen kann zum Recht am gemeinsamen ge­ wöhnlichen Aufenthalt führen, sodass der Leistungsschutz – abweichend von den nach Art.  8 Rom II maßgeblichen Grundsätzen – gewissermaßen ins Ausland ex­ portiert werden könnte.157 Zweifelhaft erscheint auch das Ergebnis, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II allenfalls noch in äußerst engen Grenzen konkurrentenschützende Normen erfassen könnte: Denn gerade die typisch konkurrentenschützenden Fallgruppen der Anschwärzung und Herabsetzung, des Schutzes vor Verwechslungen und der Ausnutzung von Leistungen und auch der individuellen Behinderung überlassen es, jedenfalls nach deutschem Sachrecht, dem einzelnen Wettbewerber, sich gegen dieses Verhalten zu wehren.158 Es mag Ausnahmekonstellationen geben, wie die sog. Anmaßung von Vorzügen im italienischen Recht, die sich kollektiv auf die Angehörigen eines be­ stimmten Berufs beziehen kann159, oder ein neben den verbraucherschützenden Ir­ reführungstatbestand tretendes eigenständiges Irreführungsverbot, das mit dem Schutz der kollektiven Mitbewerberinteressen gerechtfertigt wird160. Ebenso ist an die sog. Kollektivanschwärzung nach französischem Recht zu denken.161 Doch er­ scheint es fraglich, wenn der konkurrentenschützende Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II auf derart „exotische“ Fallkonstellationen beschränkt ist. Denn die Ausdrucksweise des Art.  6 Abs.  2 Rom II, nach dem ausschließlich die Interes­ sen eines bestimmten Wettbewerbers betroffen sein dürfen, legt ein restriktives Ver­ ständnis dieser Norm und einen vergleichsweise weiten Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II nahe.162

154  In diesem Sinne Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (149); de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (164). 155  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (165). 156  Näher dazu Teil 5 C. III. 3. b). 157 Abstimmungsschwierigkeiten sieht hier auch de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (164), der daher Art.  6 Abs.  1 Rom II anwenden will; anders aber Plender/Wilderspin, Rn.  22-021. 158  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, §  8 UWG Rn.  88. 159  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (382, 399). 160  Strittig für Portgual vgl. Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kes­ sel/Schubmehl, S.  531 (548, 558 f.). 161 Hierzu Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (272). 162  Ebenfalls für ein restriktives Verständnis aufgrund dieser Formulierung MünchKommB­ GB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  149.

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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Letztlich kann daher der Schutz der Wettbewerbsbeziehungen in Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht auf Fälle beschränkt sein, in denen es mehrere Aktivlegitimierte geben kann. c)  Ausnahme für allgemein geschützte Rechtsgüter? aa) Meinungsstand Eine andere Auffassung163 geht davon aus, die Abgrenzung zwischen Art.  6 Abs.  1 Rom II und dem über Art.  6 Abs.  2 Rom II anwendbaren allgemeinen Deliktsstatut bestimme sich nach dem geschützten Rechtsgut: Würden Rechtsgüter betroffen, die bereits nach allgemeinen Regeln unter dem Schutz der Rechtsordnung stünden, so solle das Opfer nicht schlechter stehen, nur weil die Schädigung im Wettbewerb erfolge.164 Für diese Fälle soll daher Art.  6 Abs.  2 Rom II zum allgemeinen Delikts­ statut führen. Unter Art.  6 Abs.  2 Rom II sollen daher nach dieser Auffassung ins­ besondere Beeinträchtigungen der „Geschäftsehre“165, also wohl Fälle der An­ schwärzung und Herabsetzung, fallen.166 bb) Stellungnahme Für den Ansatz, der danach differenziert, ob ein allgemein geschütztes Rechtsgut von der Sachnorm verfolgt wird, lässt sich anführen, dass in Fällen, in denen allge­ meiner Rechtsgüterschutz gewährt wird, typischerweise nur der Rechtsgutsinhaber aktivlegitimiert ist. Eine solche Abgrenzung kann daher die Vorzüge für sich in Anspruch nehmen, die auch der Abgrenzung über das Kriterium der Anspruchsbe­ rechtigung zukommen. Die Abgrenzung nach dem Kriterium des allgemeinen oder besonderen geschütz­ ten Rechtsgut lässt sich mit der Argumentation in der Kindersaugflaschen-Ent­ scheidung vereinbaren: Die Entwicklung der Marktortregel beruhte gerade auf der Überlegung, dass es im Lauterkeitsrecht an allgemein akzeptierten Rechtsgütern wie im allgemeinen Deliktsrecht fehle.167 Auch wenn diese Entscheidung lange zu­ rückliegt, kann man sich durchaus die Frage stellen, weshalb es denn einer beson­ deren Marktortanknüpfung bedarf, wenn die allgemeine Anknüpfung an den Ort des Schadenseintritts bereits klare Ergebnisse liefert und damit nicht die Sachzwän­ ge durchgreifen, unter denen die Marktortregel entwickelt wurde. Diese Frage stellt 163  Erman/Hohloch, Anh Art.  42 EGBGB Art.  6 VO Rom II Rn.  8; Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (457); Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  17; PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  5; Rau­ scher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  44. 164  Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (457). 165  Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (457); Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  17; Rau­ scher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  44, in der Sache auch Erman/Hohloch, Anh Art.  42 EGBGB Art.  6 VO Rom II Rn.  8. 166  Das scheint auch für Sack, GRUR Int. 2012, 601 (605) die relevanteste Folge dieser Ansicht zu sein. 167  BGH v. 30.06.1961, I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (333) – „Kindersaugflaschen“.

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

sich auch, weil nach Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II die in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Anknüpfungspunkte nur eine Präzisierung von Art.  4 Abs.  1 Rom II bie­ ten wollen. Man könnte erwägen, dass in den hier fraglichen Fällen ein Präzisie­ rungseffekt gerade fehlt. Die Idee, dass der geschädigte Unternehmer bei allgemein geschützten Rechtsgü­ tern nicht schlechter stehen dürfe, wenn die Verletzung im Wettbewerb erfolgt, klingt auf den ersten Blick schlüssig, ist aber bei Lichte besehen nicht stichhaltig: Sie entfernt sich nämlich zu stark von den materiellrechtlichen Wertungen. So wird etwa die Legitimation für das deutsche konkurrentenschützende Lauterkeitssach­ recht darin gesehen, dass hier aufgrund von Besonderheiten im Wettbewerb die in Frage stehenden Interessen anders abgewogen werden müssten als nach den Regeln des allgemeinen Deliktsrechts.168 Daher kann es gerade einer materiellrechtlichen Wertung des Lauterkeitsrechts entsprechen, dass die Interessenabwägung hier zu Gunsten der Wettbewerbsfreiheit und, möglicherweise anders als es nach allgemei­ nen Deliktsregeln der Fall wäre, zu Lasten des Opferschutzes ausfällt. Will man demgegenüber kollisionsrechtlich einen ungeschmälerten Opferschutz über die An­ wendung von Art.  4 Rom II erreichen, sind Wertungswidersprüche unvermeidbar: Das materielle Ziel des Lauterkeitsrechts, auf die Besonderheiten des Wettbewerbs zu reagieren, würde kollisionsrechtlich weitgehend entwertet, weil das allgemeine Deliktsstatut hier ganz andere Regeln als die des Marktortes berufen könnte.169 Abgesehen von diesen drohenden Wertungswidersprüchen würde eine solche Qualifikation auch den kollisionsrechtlichen Zielen von Art.  6 Abs.  1 Rom II wider­ sprechen. So muss jede Anwendung des allgemeinen Deliktsstatuts die Durchset­ zung des Lauterkeitsrechts als staatlicher Marktregel hindern.170 Das von Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Ziel zur Erreichung der Chancengleichheit auf dem Markt­ geschehen verlangt zudem eine restriktive Auslegung von Art.  6 Abs.  2 Rom II.171 Insbesondere die Anknüpfung an das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Auf­ enthalts Art.  6 Abs.  2 Rom II im Art.  4 Abs.  2 Rom II kann die Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Wettbewerbern unterschiedlichen Rechtsordnungen zuord­ nen.172 Das Ziel der Chancengleichheit würde erheblich verkürzt, wenn die Verlet­ zung jedes Rechtsguts, das auch außerhalb des Lauterkeitsrechts existiert, dem An­ wendungsbereich des Art.  6 Abs.  1 Rom II entzogen wäre. Vor allem aber würde das von Art.  6 Abs.  1 Rom II bezweckte Ziel der Erreichung von Rechtssicherheit für den Handelnden stark eingeschränkt, wenn er sich nicht auf die Anwendung des nach Art.  6 Abs.  1 Rom II bestimmten Marktortrechts verlassen könnte.

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Beater, 2011, Rn.  81. Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  91; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  119. 170  Dies allgemein gegen Abweichungen von Art.  6 Abs.  1 Rom II durch Art.  6 Abs.  2 Rom II anführend Wadlow, JIPLP 2009, 789 (792). 171  Leistner, in: Basedow u. a., S.  129 (149); von Hein, ZEuP 2009, 6 (23, dort Fn.  103). 172  Kritisch daher zu Art.  6 Abs.  2 Rom II Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  664, 666. 169 

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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Auch könnte die Beurteilung der Frage, ob die geschützten Rechtsgüter mit denen des allgemeinen Deliktsrechts deckungsgleich sind, leicht zusätzliche Unsicherheit schaffen.173 Diese Untersuchung, ob eine Norm (nur) bereits unabhängig vom Lau­ terkeitsrecht bestehende Rechtsgüter betrifft, könnte wieder zu der Frage führen, ob eine bestimmte lauterkeitsrechtliche Norm nicht neben den Interessen des einzelnen Wettbewerbers eben doch auch noch Interessen Dritter, insbesondere der Allge­ meinheit, schützt. So wird etwa zum Tatbestand der Herabsetzung gemäß §  4 Nr.  7 UWG in Deutschland vertreten, er regle vor allem den Wettbewerbsablauf im Inte­ resse der Mitbewerber und der Allgemeinheit und überhaupt nicht oder nur sekun­ där die „Geschäftsehre“.174 Die hiermit verbundenen Unsicherheiten sprechen eben­ falls gegen einen Ansatz, der danach differenziert, ob das Rechtsgut bereits im Allgemeinen den Schutz der Rechtsordnung genießt. Im Ergebnis kann Art.  6 Abs.  1 Rom II daher auch Regeln erfassen, die Rechts­ güter betreffen, die bereits das allgemeine Deliktsrecht schützt. d)  Ausnahme für Regeln ohne wettbewerbsbezogenes Ziel? aa) Meinungsstand Häufig wird auch Art.  6 Abs.  1 Rom II schlicht schon für anwendbar gehalten, wenn ein Wettbewerbsverhalten unmittelbar gegenüber dem Markt vorliegt, was eine vollständige Verdrängung des allgemeinen Deliktsstatuts durch Art.  6 Abs.  1 Rom II nahezulegen scheint.175 Sodann wird dieser Ansatz aber wiederum einge­ schränkt: Demnach soll eine unmittelbare Anwendung des allgemeinen Deliktssta­ tuts möglich sein, soweit die maßgeblichen Sachnormen Interessen unabhängig vom Wettbewerbsablauf schützen sollen. Die Wertungen des Lauterkeitsstatuts sei­ en nur im Hinblick auf die wettbewerbsmäßigen Interessen einschlägig. Gehe es um andere Interessen, treffe das Wettbewerbsrecht für diesen Bereich keine Wertent­ scheidungen. Ein und dasselbe Verhalten könne dann je nach verletztem Interesse getrennt nach dem allgemeinen Deliktsstatut bzw. dem Lauterkeitsstatut beurteilt werden.176

173 Auch Sack, GRUR Int. 2012, 601 (605) scheint je nach Begründung divergierende Ergebnis­ se für möglich zu halten. 174  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  7.2. 175  Hierzu mit der folgenden Differenzierung und den folgenden Argumenten MünchKommB­ GB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  119 f.; im Ansatz ebenso differenzierend Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  13; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  400 f.; sehr zurückhaltend in diese Richtung auch Harte/ Henning/Glöckner, Einl C Rn.  91 f., dort Fn.  196, wohl keine Einschränkungen vom Lauterkeits­ statut zulassend aber Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  38. 176  Zurückhaltend gegenüber diesem Ergebnis aber Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  401.

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Danach sollen etwa Fälle der Kreditgefährdung nach §  824 BGB177 ebenso wie Beeinträchtigungen von Eigentumsrechten178 dem allgemeinen Deliktsstatut unter­ fallen. Demgegenüber werden Art.  6 Abs.  1 Rom II die Störung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs179 und die sittenwidrige Schädigung180 zugeord­ net.181 Dagegen sind sich die Vertreter dieser Ansicht uneins in Bezug auf die Ein­ ordnung von Ansprüchen wegen der Verletzung von Namensrechten.182 bb) Stellungnahme Der vorgenannte Ansatz erscheint plausibel: Soweit das Lauterkeitsrecht bereits ir­ gendeine besondere Abwägung zwischen den Belangen der Marktteilnehmer vor­ genommen hat, ist kein Raum mehr für eine parallele Anwendung des allgemeinen Deliktsstatuts und möglicherweise einer anderen Rechtsordnung, die dieselben In­ teressen noch einmal nach allgemeinen Regeln mit einem anderen Ergebnis abwägt: Die Vorstellungen des berufenen Lauterkeitsrechts vom Wettbewerbsablauf könn­ ten sonst wiederum durch das allgemeine Deliktsrecht konterkariert werden.183 Die­ se Probleme gilt es zu vermeiden. Letztlich bleibt diese Auffassung aber, soweit sie nicht der hier abgelehnten Schutzzwecktrias folgt184, eine präzise Antwort auf die Frage schuldig, was es genau bedeutet, dass eine Norm wettbewerbsrechtlichen In­ teressen dient bzw. „Marktordnungsrecht“185 darstellt und wie genau folglich der Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II abgegrenzt werden muss. Zwar wird vertreten, dass die Sachnorm die Effekte auf das Wettbewerbsgeschehen und dabei die Belange der Marktteilnehmer bewerten müsse186, was bereits in eine greifbare Richtung weist. Erforderlich ist aber eine nähere Konkretisierung dieser Abgren­ zungskriterien.

177 

Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 327. Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  13; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  120; Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  401. 179  Für Art.  6 Abs.  1 Rom II Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  38; Harte/Henning/ Glöckner, Einl C Rn.  91. 180  Für Art.  6 Abs.  1 Rom II Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  91. 181  Anders aber, ohne Offenlegung des maßgeblichen Abgrenzungskriteriums Ullmann juris­ PK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  113, dort Fn.  155. 182  Für Art.  6 Abs.  1 Rom II Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  91; für Art.  6 Abs.  2 Rom II; für allgemeines Deliktsstatut Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  13; MünchKomm/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  120. 183  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  91; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115, 119. 184  Siehe dazu Harte/Henning/Glöckner, Einl C, dort Fn.  196. 185  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  115. 186  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  119. 178 

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

169

e)  Schutz vor Reaktionen der Marktgegenseite aa) Abgrenzungskriterium Es bedarf einer näheren Umschreibung, was einen spezifisch lauterkeitsrechtlichen Konkurrentenschutz i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II ausmacht. Wie bereits festgestellt, muss die Norm einen inneren Bezug zum Anknüpfungs­ punkt der Einwirkung auf die Marktgegenseite und damit auch zum Wettbewerbs­ verhalten geben. Sie muss dieses Verhalten aber auch gerade im Interesse der Wett­ bewerbsbeziehungen verbieten. Dieses Merkmal sollte sich in Anlehnung an die Funktionsweise der UGP-RL konkretisieren lassen: Die UGP-RL betrifft zum einen die „Geschäftspraxis“, sprich das marktbezogene Wettbewerbsverhaltens als Akti­ on des Schädigers. Zum anderen geht es aber auch um die „geschäftliche Entschei­ dung“ als hierauf folgende Reaktion des Verbrauchers (siehe Art 5 Abs.  2 lit.  b i. V. m. Art.  2 lit.  e, k UGP-RL).187 Um diese Struktur nachzuvollziehen, sollte man von Normen, die Wettbewerbsbeziehungen schützen, verlangen, dass sie in ver­ gleichbarer Weise das Verhalten der beeinflussten Marktgegenseite steuern wollen. Das muss weit verstanden werden: Es reicht aus, dass die Verhaltensnorm im kon­ kreten Fall188 die Funktion erfüllt, eine bestimmte geschäftliche Entscheidung der Verbraucher zu Lasten der Mitbewerber zu vermeiden.189 Für diesen Ansatz spricht auch, dass all solche Regeln eine Ausnahme von dem Grundsatz bedeuten, nach dem ein Wettbewerber einen anderen durch Beeinflus­ sung der Marktgegenseite schädigen darf und dies sogar positiv bewertet wird.190 Dieser Ansatz scheint zudem der „gemeinsame Nenner“ zu sein, der den klassi­ schen anerkannten Fallgruppen des konkurrentenschützenden Lauterkeitsrechts zu Grunde liegt. Angedeutet wird dieser Ansatz im Übrigen bereits durch die aner­ kannte verhaltensbezogene Abgrenzung zu Art.  6 Abs.  2 Rom II, nach der Art.  6 Abs.  1 Rom II eine „unmittelbar marktvermittelte Einwirkung auf die geschäftli­ chen Entscheidungen der […] Marktgegenseite“191 voraussetzt. Während dieses Merkmal allerdings im Hinblick auf das von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Wettbe­ werbsverhalten wohl eher tatsächlich und verhaltensbezogen aufgefasst wird, kommt es für das Merkmal des Schutzes der Wettbewerbsbeziehungen darauf an, dass die Verhaltensnorm auch inhaltlich gerade die besagte Marktvermittlung miss­ billigt, also einen schädigenden Ablauf, der aus der Beeinflussung der Entscheidung der Kunden oder Anbieter und deren hieraus resultierenden geschäftlichen Ent­ scheidungen herrührt.192 187 

Siehe näher Fezer, WRP 2010, 677 (680 f.). Massing, S.  171 kommt es auf die Funktion an, die die Norm in concreto erfüllt. 189  Möglicherweise wie hier zum deutschen Recht van Meenen, S.  122 f. 190  Siehe zum hieraus resultierenden Bedürfnis nach Rechtssicherheit Teil 2 A. II. 2. c). 191  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 (73) – „Ausschreibung in Bulgarien“. 192  Möglicherweise wie hier zum deutschen Recht van Meenen, S.  122 f., wo zwar dieser As­ pekt nicht ausdrücklich auf die Verhaltensnormen bezogen wird, aber in engem Zusammenhang zu diesen genannt wird. 188 Auch

170

Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Im Gegensatz hierzu stehen Regeln, die zwar ebenfalls ein bestimmtes unmittel­ bar marktgerichtetes Wettbewerbsverhalten verbieten und damit vor ihm Schutz bieten, dabei aber nicht die aus der Einwirkung resultierenden geschäftlichen Ent­ scheidungen missbilligen und somit nicht dem Schutz der Wettbewerbsbeziehun­ gen, sondern dem Schutz anderer Rechtsgüter dienen. Maßgeblich sollte sein, ob die Sachnormen im streitigen Fall gerade das Verhalten der Marktgegenseite mitbe­ denkt und dadurch entstehende Schäden abdeckt. Da letztlich die Abgrenzung zum allgemeinen Deliktsstatut Wertungswidersprüche vermeiden soll, wird man dabei ergänzend berücksichtigen können, ob die Sachnorm ihrer Art nach im konkreten Fall geeignet wäre, Wertungen „klassischer“ lauterkeitsrechtlicher Fallgruppen zu unterlaufen. Dass die zu qualifizierende Sachnorm im Übrigen einen viel allgemei­ neren Anwendungsbereich hat, muss hierfür irrelevant sein. Als spezifisch lauterkeitsrechtliche Regeln, die den Schutz der Mitbewerber und damit der Wettbewerbsbeziehungen bezwecken, sind folglich solche Normen zu verstehen, die einen Mitbewerber vor solchen Schäden durch ein Wettbewerbsver­ halten bewahren sollen, die erst durch die Reaktion der Marktgegenseite auf das Wettbewerbsverhalten eintreten. bb) Einzelfälle Ausgehend von diesem Grundsatz ist auf einige in der Literatur diskutierte Einzel­ fälle einzugehen. (1) Namensrecht Es ist umstritten, ob die Beurteilung von Wettbewerbsverhalten nicht unter Art.  6 Abs.  1 Rom II, sondern unter Art.  4 Rom II fällt, soweit eine Beeinträchtigung des Namensrechts in Rede steht.193 Nach den hier gewählten Abgrenzungskriterien ist vor allem entscheidend, dass die Verletzung des Namensrechts dem Namensinhaber auch Ansprüche auf Ersatz des Schadens gewährt, der durch die hervorgerufenen Reaktionen der Marktgegen­ seite entsteht. So schützt etwa das deutsche materielle Namensrecht insbesondere vor einer sog. „Zuordnungsverwirrung“, also davor, dass durch die Verwendung eines Namens Produkte mit dem Namensträger in Verbindung gebracht werden, zu dem eine solche Verbindung in Wahrheit nicht besteht.194 Die Frage, ob eine derar­ tige Verwirrung – auch wegen einer Namensverwendung – besteht, ist eine Überle­ gung, die auch und gerade das Lauterkeitsrecht anstellen muss.195 Dem entspricht die anerkannte Fallgruppe der confusion bzw. des Schutzes vor Verwechslungsge­ 193  Für Art.  6 Abs.  1 Rom II Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  91; für allgemeines Delikts­ statut Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  13; MünchKomm/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  120. 194  Etwa BGH v. 28.9.2011 – I ZR 188/09, GRUR 2012, 534 (535) – „Landgut Borsig”. 195 Vgl. Nordemann, Rn.  1002.

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

171

fahr.196 Dass es sich um eine typisch lauterkeitsrechtliche Konstellation handelt, zeigt auch Art.  10bis Abs.  3 Nr.  1 PVÜ: Unter „alle Handlungen, die geeignet sind, auf irgendeine Weise eine Verwechslung mit der Niederlassung, den Erzeugnissen oder der gewerblichen oder kaufmännischen Tätigkeit eines Wettbewerbers hervor­ zurufen“, wird man auch die „Zuordnungsverwirrung“ aufgrund einer Namensver­ wendung fassen können. Art.  2 Abs.  2 Nr. ii WIPO Model Provisions erwähnen so­ gar den „Handelsnamen“197 ausdrücklich. Den engen Zusammenhang von Namens­ schutz und Lauterkeitsrecht bestätigt auch ein Blick ins schweizerische IPR: Nach Art.  157 Abs.  2 IPRG CH richtet sich für nicht im schweizerischen Handelsregister eingetragene Gesellschaften der Namensschutz u. a. nach dem Internationalen Lau­ terkeitsrecht. Dem Ziel, über Art.  6 Abs.  1 Rom II gleiche Wettbewerbsbedingun­ gen und auch Rechtssicherheit zu schaffen, liefe es zuwider, wenn über die allge­ meindeliktische Anknüpfung letztlich noch ein anderer Maßstab zur Beurteilung der Frage der Verwechslungsgefahr berufen würde und damit einzelne Wettbewer­ ber einen besonderen Verwechslungsschutz für sich in Anspruch nehmen könn­ ten.198 Der Gesetzgeber des Sachrechts wird zudem sinnvollerweise den lauterkeits­ rechtlichen Schutz auf den allgemeindeliktischen Namensschutz abstimmen, sodass beide Materien nicht auseinandergerissen werden sollten. Daher ist auch der allgemeine Namensschutz Art.  6 Abs.  1 Rom II zuzuordnen, soweit er Schutz vor den Reaktionen der Marktgegenseite auf ein bestimmtes Wett­ bewerbsverhalten gewähren soll. Das kann insbesondere bei Konstellationen der Verwechslungsgefahr der Fall sein. (2) Kreditgefährdung Ähnlich ist der Tatbestand der Kreditgefährdung nach §  824 BGB zu beurteilen. Die Norm des §  824 BGB erfasst weitgehend ökonomische Belange des Geschädig­ ten, die durch ein Verhalten der Marktgegenseite beeinträchtigt werden.199 Delikti­ sche Regeln über die Kreditgefährdung könnten zudem leicht mit den Wertungen der Regeln über die Anschwärzung – einer anerkannten lauterkeitsrechtlichen Fall­ gruppe – in Widerspruch treten.200 In Fällen, in denen es darum geht, dass die Kun­ den das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit des geschädigten Mitbewerbers verlie­ ren und daher die Entscheidung treffen, nicht mehr mit diesem zu kontrahieren, ist Art.  6 Abs.  1 Rom II anwendbar.

196 

Hierunter auch den Namen fassend etwa Harte/Henning/Dreyer, §  5 UWG, J Rn.  23. „trade name“. 198  Siehe bereits Teil 5 C. III. 1. b). 199  Palandt/Sprau, §  824 BGB Rn.  8. 200  Vgl. zum materiellen Verhältnis Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  8.9. 197 

172

Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

(3)  Unmittelbare Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter Hiervon abweichend als allgemeindeliktisch zu beurteilen sind dagegen Fälle, in denen ein schädigendes Handeln gewissermaßen nur „bei Gelegenheit“ des Wettbe­ werbs eintritt, der letztendlich entscheidende Nachteil also eben gerade nicht ver­ mittelt durch eine Entscheidung der Marktgegenseite erfolgt. Werden etwa, was zugegeben schwer vorstellbar ist, Rechtsgüter wie Leib, Leben oder Freiheit eines Wettbewerbers unmittelbar durch das Marktverhalten geschä­ digt, so ist Art.  6 Abs.  1 Rom II hierfür nicht einschlägig. Dafür spricht auch, dass die einseitige Inanspruchnahme derartiger fremder Rechtsgüter auch unter beson­ derer Berücksichtigung der Wettbewerbsfreiheit kaum einmal erlaubt sein wird und die parallele Anwendung von Verbotsnormen des allgemeinen Deliktsstatuts daher insoweit nicht in das Regelungskonzept des Gesetzgebers am Marktort eingreift. Die Beeinträchtigung solcher Rechtsgüter im Rahmen von Wettbewerbsverhalten ist so untypisch, dass von einer abschließenden Interessenabwägung durch das nach Art.  6 Abs.  1 Rom II berufene materielle Lauterkeitsrecht im Hinblick gerade auch auf diese Rechtsgüter nicht ausgegangen werden kann. Parallel ist der Schutz des allgemeinen Eigentumsrechts zu beurteilen. Doch sind dies meist ohnehin Fälle, in denen der Schaden in der Sphäre des Wettbewerbers eintritt und erst nachgelagerte Auswirkungen auf das Marktgeschehen hat, sodass hierfür Art.  6 Abs.  2 Rom II einschlägig ist.201 Das betrifft selbst die Vernichtung von bereits am Marktort angeschlagenen Werbeanzeigen des Konkurrenten 202 , weil auch hier zunächst eine Einwirkung auf den rechtlich geschützten Bereich des Mit­ bewerbers und erst zeitlich nachgelagert hierdurch die Marktgegenseite beeinflusst wird bzw. ihre Beeinflussung gerade unterbleibt. 2.  Abgrenzung zum Internationalen Persönlichkeitsdeliktsrecht Besonders schwierig zu bestimmen ist allerdings, ob die konkurrentenschützende Fallgruppe der Anschwärzung oder der Herabsetzung (französische Fallgruppe des dénigrement) unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen kann. Zwar erfüllt auch diese die Anforderungen an Normen, die Konkurrenten vor für sie nachteiligen geschäftli­ chen Entscheidungen schützen sollen. Doch wirft diese Fallgruppe Fragen zum Ver­ hältnis des Internationalen Rechts der Verletzungen der Privatsphäre und des Per­ sönlichkeitsrechts auf, das nach Art.  1 lit.  g Rom II nicht von der Verordnung erfasst ist, sondern weiterhin durch nationales Kollisionsrecht geregelt wird.

201  In diesem Sinne allgemein zum Verhältnis von Art.  6 Abs.  2 Rom II und der direkten An­ wendung Art.  4 Rom II Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  13. 202  Beispiel für Art.  6 Abs.  2 Rom II nach G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  51 mit etwas abweichender Begründung.

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

173

a) Meinungsstand Unstreitig in Bezug auf das Verhältnis von Art.  1 lit.  g Rom II und Art.  6 Abs.  1 Rom II ist lediglich, dass die Rom II-Verordnung nicht einem früheren zum materi­ ellen Lauterkeitsrecht vertretenen Ansatz203 folgen kann, nach dem das gesamte Lauterkeitsrecht einen Schutz der Persönlichkeit von Unternehmern bezwecken soll.204 Dies folgt bereits daraus, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II sonst gegenstandslos wäre.205 Die problematische Fallgruppe der Anschwärzung und Herabsetzung, die einen wesentlich stärkeren Bezug zum Internationalen Persönlichkeitsdeliktsrecht auf­ weisen 206, ist dagegen umstritten. Erwogen werden drei Lösungsmöglichkeiten. Nach einer wohl überwiegenden Auffassung207 soll es auf Art.  1 lit.  g Rom II im Lauterkeitsrecht nicht ankommen und Art.  6 Abs.  1 Rom II eingreifen. Eine zweite Ansicht208 geht davon aus, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen auch im Bereich des Lauterkeitsrechts von der Verordnung Rom II ausgenommen seien. Eine dritte Auffassung209 geht in den entsprechenden Fällen davon aus, dass die Geschäftsehre ein allgemein geschütztes Rechtsgut sei bzw. nur im Individualinteresse der Wett­ bewerber bestehe und die Verletzung – über Art.  6 Abs.  2 Rom II – nach der allge­ meinen Kollisionsnorm des Art.  4 Rom II zu beurteilen sei. b) Stellungnahme aa)  Verhältnis im Allgemeinen Nach den hier für maßgeblich gehaltenen Abgrenzungskriterien erfüllt auch die Fallgruppe der Herabsetzung und Anschwärzung im Prinzip die Anforderungen an eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation. So schützt auch diese Fallgruppe vor einer Beeinflussung der Marktgegenseite und vor den durch eine geschäftliche Entschei­ dung der Marktgegenseite entstehenden Schäden. Für die Anwendung von Art.  6 203 

Vgl. zu diesen früheren Rechtsvorstellungen Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  39. Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  84. 205  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  84. 206  Vgl. Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  84. 207  Dickinson, Rome II, Rn.  3.227; Huber/Bach, Art.  1 Rn.  59; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  11; im Ergebnis auch Calvo Caravaca/Carrascosa González, S.  158; Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  20; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  6 Sack, WRP 2008, 845 (850); ders., GRUR Int. 2012, 601 (607 f.); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtR Rn.  419; zu Art.  7 VO-E 2006 MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  247, 372; für Art.  6 Abs.  1 und 2 Rom II je nach Konstellation Calliess/Halfmeier, Art.  1 Rome II Rn.  58. 208  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  155; die allerdings wenig konsequent bei Rn.  327 trotzdem die Frage diskutieren, ob die Anschwärzung unter Art.  6 Abs.  1 oder Abs.  2 Rom II zu subsumieren ist; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (721, dort Fn.  10); Wiebe/G. Kodek/Handig, Einleitung Rn.  274. 209  Siehe dazu bereits die unter Teil 5 C. III. 1. b) ,Teil 5 C. III. 1. c) und Teil 5 C. III. 1. c) ge­ nannten Ansätze; im Ergebnis ebenso für Art.  6 Abs.  2 Rom II Cheshire/North/Fawcett, S.  810; G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  58; Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (512). 204 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Abs.  1 Rom II spricht auch, dass es keineswegs untypisch ist, dass die Interessen des Persönlichkeitsrechts und der Meinungsfreiheit im Lauterkeitsrecht zu einem anderen Ausgleich gebracht werden als im allgemeinen Deliktsrecht. So schränkt jedenfalls nach der Rechtsprechung des BGH das Recht gegen den unlauteren Wett­ bewerb die Meinungsfreiheit im Vergleich zu den sonstigen Regeln über unerlaubte Handlungen noch weiter ein, weil Meinungsäußerungen zur Förderung der eigenen geschäftlichen Interessen bei der vorzunehmenden Abwägung geringere Bedeutung zukomme als Meinungsbeiträgen im öffentlichen Interesse.210 Andererseits lässt sich umgekehrt argumentieren, dass die Ehrverletzung von Unternehmern, die häu­ fig Gesellschaften sind, weniger schwer zu gewichten sei als die Beeinträchtigung der Ehre von Privatpersonen.211 Diese Besonderheiten der Interessenlage sprechen dafür, wie auch bei den anderen Rechtsgütern Art.  6 Abs.  1 Rom II hinsichtlich der Regeln über die Zulässigkeit der Beeinträchtigung im Wettbewerb für maßgeblich zu halten. Zweifelhaft ist nur, ob sich dies mit Art.  1 lit.  g Rom II vereinbaren lässt. Diese Norm bestimmt bereits den Anwendungsbereich der Verordnung Rom II und ist damit der Frage des Anknüpfungsgegenstandes von Art.  6 Abs.  1 Rom II im Prinzip vorgelagert.212 Angesichts dessen, dass es nicht mehr Stand der Dogmatik ist, das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb stets ein Spezialfall des Persönlichkeits­ schutzes zu sehen, überzeugt es nicht, Art.  6 Abs.  1 Rom II im Verhältnis zu Art.  1 lit.  g Rom II als Spezialvorschrift einzuordnen.213 Eine solche Sicht könnte allen­ falls aus dem Blickwinkel der Vertreter der Schutzzwecktrias ein gangbarer Weg sein, da hiernach eine lauterkeitsrechtliche Norm definitionsgemäß neben dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und der Privatsphäre – als Interessen eines Mitbe­ werbers – jedenfalls auch zusätzlichen Zwecken dienen muss, was möglicherweise eine Spezialität des Internationalen Lauterkeitsrechts im Verhältnis zu Art.  1 lit.  g Rom II begründen könnte.214 Nicht möglich ist es wohl auch, von vornherein rein begrifflich eine Überschnei­ dung von Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  1 lit.  g Rom II zu vermeiden. Zwar versucht ein Teil der Literatur, die in Art.  1 lit.  g Rom II genannten Begriffe der Persönlich­ keit und Privatsphäre auf Ehrverletzungen im privaten Bereich zu beschränken und vom lauterkeitsrechtlich relevanten geschäftlichen Bereich abzugrenzen.215 Doch ist bereits fraglich, ob das Lauterkeitsrecht wirklich nur eine geschäftliche Sphäre des Persönlichkeitsrechts erfassen kann. Dies erscheint zweifelhaft, wenn eine Rechts­ ordnung, wie §  16 Abs.  2 öUWG, bei Verletzung lauterkeitsrechtlicher Normen, „ei­ 210 

So BGH v. 19.05.2011 – I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 (78) – „Coaching-Newsletter“. Beater, 2011, Rn.  82. 212  So die allerdings im Ergebnis nicht für durchschlagend gehaltene Erwägung bei Harte/Hen­ ning/Glöckner, Einl C Rn.  85. 213  Dies tun im Ergebnis Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  85; Staudinger/Fezer/Koos, Int­ WirtR Rn.  419. 214  In diese Richtung Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  85. 215  So Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  11; ähnlich Calliess/Halfmeier, Art.  1 Rome II Rn.  58. 211 So

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

175

nen angemessenen Geldbetrag als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile“ gewährt und hierunter u. a. psychische oder somatische Zu­ stände fassen will216, sodass offenbar auch der private Bereich der Persönlichkeit lauterkeitsrechtlich geschützt sein kann. Auch folgt eine derart enge Auslegung des Begriffs der Persönlichkeitsrechte jedenfalls nicht aus Sinn und Zweck von Art.  1 lit.  g Rom II. Die Norm dient nach der Gesetzgebungsgeschichte nämlich vor allem dem Schutz der Boulevard-Presse vor für sie ungünstigen Kollisionsnormen.217 Die Norm schützt in der Sache das Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit, ggf. auch nach dem nationalen Verfassungsrecht218, nicht aber liegt es der Norm an ei­ nem besonderen Schutz der Privatsphäre. Gerade dann, wenn – wie in der deutschen Rechtsprechung – das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb die Meinungsfrei­ heit besonders stark einschränkt, spricht dies an sich eher dafür, hier Art.  1 lit.  g Rom II für einschlägig zu halten. Auch dass Art.  1 lit.  g Rom II nach seiner Gesetzgebungsgeschichte vor allem Delikte durch Medien erfassen soll, spricht ebenfalls nicht dafür, Fälle unlauteren Wettbewerbs von Art.  1 lit.  g Rom II auszunehmen.219 Zum einen ist die Norm nach ihrem Wortlaut nicht auf diese Konstellation beschränkt.220 Zum anderen werden werbende Unternehmer in vielen Fällen zwar keine Presseorgane sein und auch nicht unter den Schutz der Pressefreiheit fallen. Oft wird aber die Presse bzw. ein anderes Medium für ehrverletzende Werbeaussagen als Störer haften, sodass die von Art.  1 lit.  g Rom II gesehene Gefahr der Beeinträchtigung der Pressefreiheit sich letztlich doch verwirklichen kann: In diesem Sinne ist auch schon früh zur Behandlung lauterkeitsrechtlicher multistate-Fälle in der deutschen Rechtsprechung kritisch angemerkt worden, dass sie die grenzüberschreitende Tätigkeit der Presse beschneide.221 Ein starkes Indiz für die Anwendbarkeit von Art.  6 Abs.  1 Rom II ist allerdings, dass in den meisten Rechtsordnungen 222 derartige Delikte nicht (nur) als (allgemei­ ne) Persönlichkeitsrechtverletzungen, sondern vielmehr spezifisch als Fälle unlau­ teren Wettbewerbs angesehen werden.223 Das spricht dafür, im europäischen Kolli­ sionsrecht den Bereich des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb nicht eng zu ziehen. Zudem normiert Art.  1 lit.  g Rom II eine Ausnahme vom Anwendungsbe­ reich der Verordnung. Auch dieser Ausnahmecharakter und das mit der Verordnung

216 Hierzu

Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (445). Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  85; kritisch hierzu G. Wagner, IPRax 2008, 1 (10). 218  Bogdan, in: Liber Amicorum Siehr, 375 (386); Heiss/Loacker, JBl 2007, 613 (620). 219  So aber Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  11; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  6. 220  Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-81) nimmt daher keine Beschränkung auf Medien­ delikte an. 221  Deutsch, JZ 1971, 732 (733). 222  Siehe dazu bereits Teil 5 C. II. 223  Cheshire/North/Fawcett, S.  785 mit der hier gegebenen Schlussfolgerung. 217 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

verfolgte Ziel der Rechtsvereinheitlichung sprechen daher für ein restriktives Ver­ ständnis von Art.  1 lit.  g Rom II.224 Zudem legt eine Gesamtschau der Systematik der Verordnung nahe, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht durch Art.  1 lit.  g Rom II eingeschränkt wird. Zu bedenken ist nämlich, dass Art.  1 Abs.  2 lit.  g Rom II seinem Wortlaut nach Sachnormen, die die Pressefreiheit beeinträchtigen können, nicht allgemein vom Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt. Der besondere Schutz der Presse durch für sie günstige nationale Kollisionsnormen ist folglich nur dem Schutz der Privatsphäre, nicht aber den mit Art.  6 Abs.  1 Rom II vor allem verfolgten Zielen wie der Chancengleichheit im Wettbewerb prinzipiell übergeordnet. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass im Falle von marktbezogenem Wettbewerbsverhalten nach hier vertretenem systematischem Verständnis Art.  6 Abs.  1 Rom II gerade klarstellt, dass es bei der Anknüpfung im Lauterkeitsrecht nicht auf die Rechtsgutsbeeinträchtigung beim in­ dividuellen Konkurrenten, sondern vielmehr auf den für die Chancengleichheit re­ levanten Marktort ankommt.225 Die Individualinteressen der Wettbewerber treten also gegenüber dem Schutz spezifisch wettbewerbsrechtlicher Interessen in den Hintergrund. Damit besteht konsequenterweise auch im Fall einer Anschwärzung der für das Kollisionsrecht maßgebliche Interessenkonflikt vor allem zwischen der Pressefreiheit einerseits und den durch Art.  6 Abs.  1 Rom II geschützten spezifi­ schen Wettbewerbsinteressen, insbesondere der Chancengleichheit, andererseits. Dieser Interessenwiderstreit unterfällt schon nicht dem Wortlaut des Art.  1 lit.  g Rom II und ist damit nicht der Auflösung durch nationales Kollisionsrecht vorbe­ halten. Im Ergebnis sprechen daher die etwas besseren Argumente dafür, dass Art.  1 lit.  g Rom II den Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II für Fälle der Ge­ schäftsehrverletzung nicht einzuschränken vermag. bb)  Sonderfall: Redaktioneller Teil von Medien Damit ist aber nicht gesagt, ob auch Aussagen von Medien im redaktionellen Teil dem Anknüpfungsgegenstand nach Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen. Sachrechtlich bestehen hier Besonderheiten aufgrund der Pressefreiheit.226 Nach den WIPO Model Provisions soll ein entsprechender lauterkeitsrechtlicher Schutz gegen Aussagen in Medien im Prinzip zu bejahen sein, doch wird angenommen, dass sich aus den nationalen Rechtsordnungen Einschränkungen lauterkeitsrechtli­ cher Ansprüche gegenüber Medien ergeben werden.227 Der im deutschen Recht bis­ her eher praktizierte Ansatz lehnt demgegenüber bereits das Vorliegen einer Wett­

224 

jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  6. Zu dieser Präzisierung Teil 2 A. II. 31. b). 226  Beater, 2011, Rn.  936. 227  Notes 4.01, 5.05 WIPO Model Provisions. 225 

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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bewerbshandlung o.Ä. ab, wenn es um den redaktionellen Teil in Medien geht.228 Beide Vorgehensweisen dienen aber demselben Ziel, ein für Medien günstigeres Regelungsregime zu berufen, sei es dadurch, dass die lauterkeitsrechtlichen Anfor­ derungen abgesenkt werden, sei es dadurch, dass von vornherein nur die milderen allgemein-deliktischen Haftungsregeln berufen werden.229 Dieses Nebeneinander zweier unterschiedlicher Regelungsregime findet sich in ähnlicher Weise kollisionsrechtlich in der Verordnung Rom II wieder: Es gibt zum einen Art.  1 lit.  g Rom II, der die Anwendbarkeit der Verordnung Rom II im Ergeb­ nis zu Gunsten nationaler pressefreundlicher Kollisionsnormen einschränkt, zum anderen Art.  6 Abs.  1 Rom II, der das Recht des Marktortes bzw. ggf. mehrerer Marktorte beruft und damit leicht zur Anwendbarkeit einer Vielzahl von Rechtsord­ nungen führen kann. Ob hier ein „Wettbewerbsverhalten“ bzw. eine „Geschäftspraxis“ vorliegt, er­ scheint insbesondere unter Berücksichtigung der WIPO Model Provisions nicht zweifelsfrei. Sollte der EuGH den Weg wählen, den Begriff der Geschäftspraxis so zu definieren, dass der redaktionelle Teil in Presseerzeugnissen hiervon nicht er­ fasst ist, fehlt es – nach der hier gewählten Anlehnung an den Begriff der Geschäfts­ praxis – dann auch an einem Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II, sodass diese Kollisionsnorm schon aus diesem Grunde nicht anwendbar ist. Wenn man – ähnlich dem Ansatz der WIPO Model Provisions – dagegen anneh­ men wollte, dass auch bei redaktioneller Tätigkeit von Medien ohne Weiteres ein Wettbewerbsverhalten vorliegen kann, sollte immerhin Art.  1 lit.  g Rom II eingrei­ fen. Das rechtfertigt sich aus dem Sinn und Zweck von Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  1 lit.  g Rom II. Den Zielen von Art.  6 Abs.  1 Rom II kommt in dieser Konstel­ lation nur abgeschwächte Bedeutung zu: Dem besonders in den Blick genommenen Aspekt der Chancengleichheit der Wettbewerber ist geringeres Gewicht beizumes­ sen, wenn nicht die Handlungen unter Wettbewerbern beurteilt werden, sondern die Aktivitäten von prinzipiell außerhalb der betroffenen Wettbewerbsbeziehungen stehenden Presseorganen. Der mit Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Zweck, für den Handelnden Rechtssicherheit zu schaffen, würde zudem in sein Gegenteil verkehrt: Die mit Art.  1 lit.  g Rom II verbundene Privilegierung, die Medien eine besondere Sicherheit nach nationalem Kollisionsrecht vermitteln soll, würde hiermit nämlich weitgehend konterkariert. Presseorgane müssten beim Verfassen ihrer Artikel über Unternehmer oder deren Produkte stets auch die lauterkeitsrechtliche Haftung nach dem Recht des Marktortes in Betracht ziehen, ohne auf den Schutz des Art.  1 lit.  g Rom II vertrauen zu können. Daher spricht viel dafür, die Privilegierung des Art.  1 lit.  g Rom II stets auf den redaktionellen Teil von Medien anzuwenden.

228  Beater, 2011, Rn.  930, 936, aber auch zur Möglichkeit zur Berücksichtigung der Pressefrei­ heit im Lauterkeitsrecht. 229  Beater, 2011, Rn.  930.

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Das bedeutet aber andererseits auch nicht, dass der (scheinbar) redaktionelle Teil von Medien nicht nach dem Lauterkeitsstatut zu beurteilen sein kann. Bei getarnter Werbung greift Art.  6 Abs.  1 Rom II ein: Materiellrechtlich handelt es sich jeden­ falls um eine lauterkeitsrechtliche Frage, und zwar sowohl im Unionsrecht (vgl. Art.  7 Abs.  2 UGP-RL: „wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht“) als auch traditionell im Recht der Mitgliedstaaten 230. Zu­ dem unterfällt dieser Fall auch dem von Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgten Ziel des Schutzes der Chancengleichheit der Wettbewerber. Denn typischerweise wird ge­ tarnte Werbung von Mitbewerbern veranlasst.231 cc) Ergebnis Auch auf die Fallgruppe der Herabsetzung und Anschwärzung ist Art.  6 Abs.  1 Rom II und nicht etwa Art.  1 lit.  g Rom II anzuwenden. Anderes sollte nur gelten, soweit es um die Beurteilung des redaktionellen Teils von Medien geht. 3.  Verhältnis zum Internationalen Immaterialgüterrecht a) Problem Die Konstellationen, die sich in etwa den französischen Fallgruppen der „confu­ sion“ und des „parasitisme“ oder in Deutschland dem lauterkeitsrechtlichen Leis­ tungsschutz zurechnen lassen, bereiten Abgrenzungsschwierigkeiten zu Art.  8 Rom II. Denn Schutz vor „Handlungen, mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden (z. B. Schaffung einer Verwechslungsgefahr oder Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades)“232 , welchen die Kommissionsbegründung Art.  6 Rom II zuschlägt, bieten typischerweise auch und gerade Rechte des geistigen Ei­ gentums i. S. v. Art.  8 Rom II.233 Während die Vertreter der Schutzzwecktrias jeden­ falls formal eine Abgrenzung schlicht danach vornehmen können, ob nur die priva­ ten Interessen eines einzelnen Wettbewerbers oder aber die Belange aller Marktteil­ nehmer durch die Sachnorm geschützt sind 234, bedarf es nach dem hier vertretenen Ansatz der Schutzzweckalternative anderer Abgrenzungskriterien. Wohl nicht weiter fraglich ist zwar, dass Normen zum Schutz vor einer Irrefüh­ rung im kollektiven Verbraucherinteresse lauterkeitsrechtlich zu qualifizieren sind: Derartige Normen sind nämlich nicht dem Konkurrentenschutz, sondern dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen zuzuordnen und schützen vorrangig 230 Vgl.

Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1387 f.). diesem Sinne wohl Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1388), wenn sie auf das Entgelt für das Presseorgan abstellen. 232  KOM(2003) 427 endg., S.  17. 233 Nach Dickinson, Rome II, Rn.  6.26 ist die Nichteinschlägigkeit von Art.  8 Rom II einer der „(negative) aspects“ des Anknüpfungsgegenstandes des Art.  6 Abs.  1 Rom II. 234  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  8. 231  In

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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einen ganz anderen Personenkreis als den Inhaber des Immaterialgüterrechts.235 Abgrenzungsfragen zum Immaterialgüterrecht stellen sich hier prinzipiell nicht. Entsprechend werden in der Literatur zur Abgrenzung von Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  8 Rom II verbraucherschützende Normen auch selten explizit genannt oder dis­ kutiert.236 Die Frage der Abgrenzung des Internationalen Immaterialgüterrechts gegenüber dem konkurrentenschützenden Lauterkeitsrecht stellt sich dagegen mit aller Schärfe. Denn beide Rechtsgebiete bieten typischerweise Schutz jeweils im Interesse derjenigen Person, der die Leistung durch die Rechtsordnung in bestimm­ ter Weise zugeordnet ist.237 b)  Unterschiede bei der Anknüpfung Art.  8 Abs.  1 Rom II folgt nicht dem Marktortprinzip, sondern der Anknüpfung an „das Recht des Staates […], für den Schutz beansprucht wird“, also dem Schutzland­ prinzip238 bzw. der lex loci protectionis239. Danach soll es ausreichen, wenn der Kläger seinen Anspruch auf eine bestimmte Rechtsordnung stützt und sodann auf sachrechtlicher Ebene jeweils entschieden wird, wann die haftungsbegründenden Merkmale des Rechts des Schutzstaates erfüllt sind.240 Von mehreren Autoren wird dieser Ort im Ergebnis mit dem Handlungsort gleichgesetzt241, zum Teil wird an dem Ort der beeinträchtigenden Handlung auch ein Erfolgseintritt gesehen 242. Im praktischen Ergebnis bezeichnen Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  8 Abs.  1 Rom II allerdings wohl nach einhelliger Auffassung in aller Regel dieselbe Rechts­ ordnung.243 Das ist aber wohl anders bei Vorbereitungshandlungen: So kann über Art.  8 Abs.  1 Rom II das Sachrecht am Ort dieser Vorbereitungshandlung ange­ wandt und gegebenenfalls die Vorbereitungshandlung hiernach verboten werden, und zwar unabhängig davon, für welchen Markt die Produkte bestimmt sind.244 Das 235 Ähnlich

Sack, WRP 2008, 845 (861 f.). allerdings von de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (138, 159); Sack, WRP 2008, 845 (861); allerdings entstehen Qualifikationsprobleme daraus, dass der persönliche Schutzzweck einer Norm umstritten sein kann; vgl. zu geografischen Herkunftsangaben Teil 5 C. III. 3. d) cc) (2). 237 Ähnlich Sack, WRP 2008, 845 (861 f.). 238  Graf-Schimek, in: Beig u. a., S.  17 (33): „Schutzland- und Territorialitätsprinzip“ (Hervor­ hebung im Original in Fettdruck). 239  Benecke, RIW 2003, 830 (835). 240  MünchKommBGB/Drexl, IntImmGR Rn.  12. 241  Buchner, GRUR Int. 2005, 1004 (1006): Grubinger, in: Beig u. a. S.  55 (65); Hamburg Group, RabelsZ 67 (2003), 1 (22), Handig, wbl 2008, 1 (10); zum deutschen IPR etwa Sack, WRP 2000, 269 (271). 242  Graf-Schimek, in: Beig u. a., S.  17 (34); von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (493 ff.); zum deutschen IPR Sack, WRP 2000, 269 (271). 243  Handig, wbl 2008, 1 (7, dort Fn.  89); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  16; de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (166 f.); Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  22; Plender/Wilderspin, Rn.  22021; eine häufige Übereinstimmung mit dem Ort des Schadenseintritts sieht auch Bogdan, in: Li­ ber Amicorum Siehr, S.  375 (384). 244  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (166); Sack, WRP 2008, 845 (859 f.). 236  Erwähnt

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

weicht von den Regeln des Internationalen Lauterkeitsrechts ab, weil nach hier ver­ tretener Auffassung Vorbereitungshandlungen in aller Regel Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen und damit allein nach dem Recht am Marktort beurteilt werden.245 Wei­ tere Unterschiede könnten sich in Bezug auf das auf eine ungerechtfertigte Berei­ cherung anzuwendende Recht ergeben, da Art.  13 Rom II hier auf das Schutzland­ prinzip verweist, für den Bereich des Lauterkeitsrechts dagegen auf die allgemeine Kollisionsnorm für ungerechtfertigte Bereicherungen in Art.  10 Rom II zurückge­ griffen werden muss.246 c)  Begründung des Schutzlandprinzips Über die genaue Begründung für das Schutzlandprinzip im Internationalen Imma­ terialgüterrecht besteht in der Literatur keine Einigkeit. So wird das Schutzland­ prinzip weitgehend damit legitimiert, dass Rechte des geistigen Eigentums durch einen Hoheitsakt, insbesondere die Eintragung in nationalen Registern, begründet werden und damit ebenso wie der verleihende Hoheitsakt auf ein Staatsgebiet be­ schränkt sein müssten.247 Da diese Rechtfertigung allerdings beim Urheberrecht nicht passt248, kann dies nicht der alleinige Sinn und Zweck des Schutzlandprinzips sein. So finden sich Erklärungsansätze, nach denen der Staat eine hoheitsrechtlich begründete Monopolstellung verschaffe, die auf ein Staatsterritorium beschränkt sein müsse.249 Speziell im Urheberrecht setzen internationale Konventionen das Schutzlandprinzip jedenfalls voraus.250 Zum Teil wird das Schutzlandprinzip auch schlicht für ein hergebrachtes, von der Interessenlage her nicht mehr gerechtfertig­ tes Anknüpfungskriterium gehalten.251 d) Abgrenzung Gemäß Erwägungsgrund 26 S.  2 Rom II gehören zu den Rechten des geistigen Ei­ gentums „beispielsweise Urheberrechte, verwandte Schutzrechte, das Schutzrecht sui generis für Datenbanken und gewerbliche Schutzrechte“. Insoweit ist die Quali­ fikation unzweifelhaft.252 Die Abgrenzung von konkurrentenschützendem Lauter­ 245  Siehe bereits Teil 3 B. II.; auf diesen Unterschied weisen de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (166); Sack, WRP 2008, 845 (847, 850, 859 f.) hin; für eine unterschiedslose Auslegung jetzt aber Sack, GRUR Int. 2012, 601 (608); vgl. auch den Ansatz von Plender/Wilderspin, Rn.  22-025. 246  Siehe aber die hier gewählte Lösung unter Teil 6 A. I. 2. 247  Buchner, GRUR Int. 2005, 1004 (1005), Hamburg Group, RabelsZ 67 (2003), 1 (21); Grubinger, in: Beig u. a. S.  55 (64); Wadlow, EIPR 2008, 309 (313) sieht ebenfalls den Zusammenhang mit der staatlichen Souveränität. 248  Buchner, GRUR Int. 2005, 1004 (1005), der die Anknüpfung des Urheberrechts daher kriti­ siert. 249  Baetzgen, S.  66; zu Patenten auch Hamburg Group, RabelsZ 67 (2003), 1 (21). 250  Hamburg Group, RabelsZ 67 (2003), 1 (23). 251  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  406. 252  Dem folgend etwa Handig, GRUR Int. 2008, 24 (27).

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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keitsrecht und Immaterialgüterrecht bereitet im Übrigen erhebliche Schwierigkei­ ten. aa)  Abgrenzung im Sachrecht der Mitgliedstaaten Die vorgenannten Abgrenzungsprobleme liegen darin begründet, dass unterschied­ liche Rechtsordnungen Schutz vor ein und derselben Beeinträchtigung entweder durch Gewährung eines Rechts des geistigen Eigentums oder aber durch Aufstel­ lung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen gewähren können.253 Zwar kennen alle Rechtsordnungen neben den Immaterialgüterrecht auch einen lauterkeitsrecht­ lichen Schutz (bzw. in England das vom Immaterialgüterrecht unabhängige tort des passing off ).254 Doch bestehen im Einzelnen ganz erhebliche Unterschiede bei der Zuordnung zu den beiden Regelungsbereichen.255 Zur Verdeutlichung der Unterschiede seien einige Beispiele genannt. So variiert etwa die Art, wie Schutz für Marken gewährt wird, die nicht eingetragen sind, je nach Rechtsordnung.256 Marken, die nur im Ausland eingetragen sind, werden etwa in Estland und Griechenland lauterkeitsrechtlich geschützt257, wohingegen sie in Italien als inländische Marken behandelt werden 258. Betriebs- und Geschäftsge­ heimnisse sind in Italien Immaterialgüterrechte, demgegenüber wird nach traditio­ neller italienischer Rechtsvorstellung ebenso wie nach deutschem, estnischem, französischem, griechischem, portugiesischem, österreichischem, spanischem und ungarischem Rechtsverständnis Schutz durch Lauterkeitsrecht gewährt.259 Geogra­ fische Herkunftsangaben sind etwa in England keine Immaterialgüterrechte, son­ dern es wird Verwechslungsschutz über das tort des passing off gewährt260, dagegen werden nach französischem Rechtsverständnis klassischerweise Herkunftsangaben als Fallgruppe des Immaterialgüterrechts begriffen.261 Wird ein Anspruch wegen 253 

Beater, 2011, Rn.  90 ff. auch zum Folgenden. Siehe bereits Teil 5 C. II. 255  So wohl auch die Beurteilung von de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (138, 165). 256  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (139). 257  Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (340 f.) zu Griechenland; Käerdi, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  217 (224) zu Estland. 258  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (385). 259  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (384) zu Italien; García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (656) zu Spanien; Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (338) zu Griechenland; G/L/E/Harte-Bavendamm, §  77 Rn.  4 ff. zu den Rechtsquellen im deutschen Recht; Käerdi, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  217 (226 f.) zu Estland; Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (267 f.) zu Frankreich; Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (450, 465 ff.) zu Österreich; Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (562) zu Portugal; Vida, in: Schmidt-Kes­ sel/Schubmehl, S.  679 (696 ff.) zu Ungarn; allgemein auf eine unterschiedliche Behandlung hin­ weisend de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (138). 260  Plender/Wilderspin, Rn.  22-018 zu England, der dies als Argument für eine lauterkeits­ rechtliche Qualifikation sieht. 261  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (298 ff.); vgl. auch Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (379) zu Italien. 254 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Verletzung einer Marke durch eine Person, die kein Mitbewerber ist, geltend ge­ macht, ist in Italien mangels Wettbewerbsverhältnisses Schutz nur über das Mar­ kenrecht gegeben 262 , während die französische Rechtsprechung umgekehrt nur lau­ terkeitsrechtlichen Schutz gewährt263. Das englische Recht kennt außerhalb des Immaterialgüterrechts und dem Schutz vor Verwechslungen durch das tort des passing off kein Verbot der Ausbeutung von Leistungen, gewährleistet dagegen aber durch das extensive Verständnis des copyright einen vergleichbaren Schutz wie der ergänzende lauterkeitsrechtliche Schutz in anderen Rechtsordnungen.264 Ebenso soll der Schutz von Datenbanken und Tonaufzeichnungen in unterschiedlichen Rechtsordnungen entweder über das Lauterkeits- oder aber über das Immaterialgü­ terrecht gewährleistet sein.265 Inwieweit neben immaterialgüterrechtlichen Ansprüchen solche aus dem Lauter­ keitsrecht treten können, wird ebenfalls nicht einheitlich gesehen.266 So geht Art.  1 Abs.  2 WIPO Model Provisions von einem lauterkeitsrechtlichen Schutz aus, der neben dem Schutz aus den Immaterialgüterrechten bestehen kann.267 Denselben Ansatz verfolgen für Verwechslungen das griechische268, das ungarische269 und möglicherweise das italienische270 Recht. Ähnlich kann nach englischer und iri­ scher Vorstellung im Falle der Irreführung das tort des passing off neben den imma­ terialgüterrechtlichen Sondergesetzen eingreifen.271 In anderen Mitgliedstaaten wie Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich und Spanien besteht dagegen ein Grundsatz, nach dem das Immaterialgüterrecht als abschließende Sondermaterie gegenüber dem Lauterkeitsrecht verstanden wird.272 Insgesamt zeigt sich damit in den nationalen Rechtsordnungen ein sehr heteroge­ nes Bild bei der Beurteilung der Frage, wann Schutz über das Immaterialgüterrecht oder Lauterkeitsrecht gewährt wird.273 Hinzu kommt, dass im Laufe der Zeit auch in ein und derselben Rechtsordnung der Regelungsstandort einer bestimmten Mate­

262 

Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (382). Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (258). 264  Beater, 2011, Rn.  92; S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (198 f.). 265 So de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (138). 266  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (139). 267  Darauf hinweisend Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1381). 268  Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (333 ff., insb. 336). 269  Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (685). 270  Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1381) m. w. N.; unsicher zur aktuellen Rechtslage Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (379 ff.). 271  Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1381 f.) m. w. N.; zum englischen Recht auch S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (166). 272  García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (647) zu Spanien; Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (264) zu Frankreich; Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (453) zu Österreich; zum deutschen und belgischen Recht Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1381). 273  So auch die Beurteilung von de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (165 f.). 263 

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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rie im Lauterkeits- oder Immaterialgüterrecht starken Veränderungen ausgesetzt ist.274 bb)  Abgrenzung im europäischen Kollisionsrecht (1) Meinungsstand Die Zuordnung des lauterkeitsrechtlichen und des immaterialgüterrechtlichen Schutzes zu Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  8 Abs.  1 Rom II wird in der Literatur nicht einheitlich gehandhabt. Überwiegend wird vertreten, dass Art.  8 Abs.  1 Rom II den Schutz durch Gewäh­ rung eines absoluten Rechts voraussetze.275 Zum Teil wird dabei argumentiert, einer „Qualifikation nach der lex fori im herkömmlichen Sinne“ bedürfe es im Internati­ onalen Immaterialgüterrecht gar nicht.276 Das wird damit begründet, dass zum ei­ nen aufgrund der identischen Funktion von Leistungsschutz durch das Lauterkeitsund das Immaterialgüterrecht hierüber eine Abgrenzung nicht möglich sei.277 Zum anderen verhinderten die großen Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen, im Wege der Rechtsvergleichung Abgrenzungskriterien zu entwickeln.278 Manche dehnen dagegen implizit den Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II gegenüber Art.  8 Rom II deutlich aus: So wird die Auffassung279 vertreten, nicht eingetragene Immaterialgüterrechte, etwa im Falle nicht eingetragener Mar­ ken, unterfielen nicht Art.  8 Rom II. Ähnlich wird argumentiert, nur wenn eine Ein­ tragung durch eine Verwaltungsbehörde erfolge, könne überhaupt der Gedanke durchgreifen, dass das Recht kraft Hoheitsakt verliehen werde.280 Demgegenüber halten andere auch bei nicht eingetragenen Schutzrechten Art.  8 Rom II für maß­ geblich.281

274 

Beater, 2011, Rn.  91 mit Beispielen zum deutschen Sachrecht. Für die Maßgeblichkeit von „absoluten Rechten“ Ehrich, S.  62 (zum deutschen IPR); Henning-Bodewig; in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (19); in der Sache auch Pflüger, in: Hilty/Hen­ ning-Bodewig, S.  65 (86) außerhalb des IPR-Kontexts, vgl. auch de Miguel Asensio, in: Leible/ Ohly, S.  137 (140): „exclusive rights“; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  125: „ausschließlichen Rechtsgüterschutz“ (Hervorhebung im Original durch Fettdruck); Sack, WRP 2008, 845 (860): „subjektive Ausschließlichkeitsrechte“; Sack, GRUR Int. 2012, 601 (608): „Ausschließ­ lichkeitsrechte“; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  406; ähnlich Dickinson, Rome II, Rn.  8.13; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  8. 276  Baetzgen, S.  48; ähnlich de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (165) ); anders für euro­ päisch-autonomes Verständnis MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  124. 277  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (165 f.). 278  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (165 f.). 279  Handig, wbl 2008, 1 (7); Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 280  Schack, in: Leible/Ohly, S.  79 (89 f.), der nichteingetragene Schutzrechte allerdings nicht explizit mit Art.  6 Abs.  1 Rom II in Verbindung bringt. 281  Für nicht eingetragene geografische Herkunftsangaben etwa MünchKommBGB/Drexl, Int­ UnlWettbR Rn.  125; Sack, WRP 2008, 845 (861). 275 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Eine dritte Auffassung möchte dagegen Art.  8 Abs.  1 Rom II gegenüber Art.  6 Abs.  1 Rom II besonders weit fassen.282 Da der immaterialgüterrechtliche und der ergänzende Leistungsschutz aufeinander abgestimmt seien, drohe die Gefahr von Wertungsunstimmigkeiten, wenn beide kollisionsrechtlich unterschiedlich behan­ delt würden, sodass einheitlich Art.  8 Rom II anzuwenden sei.283 Auch sei die Ab­ grenzung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.284 Von der ganz h. M. wird dagegen für den sachrechtlich lauterkeitsrechtlich verstandenen Leistungsschutz auch kollisionsrechtlich eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation vorgenommen.285 Dafür wird zum Teil EuGH-Rechtsprechung zu Grundfreiheiten und Art.  10bis PVÜ herangezogen.286 Auch soll der Wortlaut von Art.  8 Abs.  1 Rom II „Rechten“ gegen eine Anwendung von Art.  8 Rom II sprechen, da der lauterkeitsrechtliche Schutz allein Verhaltensanforderungen aufstelle.287 (2) Stellungnahme Gegen das extensive Verständnis, das Art.  8 Rom II unter Verdrängung von Art.  6 Abs.  1 Rom II für jeden Leistungsschutz heranziehen will, spricht, dass es dem übereinstimmenden Rechtsverständnis in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaa­ ten widerspricht, wonach der Schutz der Leistungen vor Verwechslungen und Aus­ beutung eine typisch lauterkeitsrechtliche Materie ist.288 Die Unionsrechtsordnung teilt dieses Rechtsverständnis: Der EuGH hat nämlich in seiner Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten den Schutz vor Verwechslungsgefahren durch sklavische Nachahmungen den Rechtfertigungsgründen des Verbraucherschutzes und der Lau­ terkeit des Handelsverkehrs, nicht aber dem kommerziellen und gewerblichen Ei­ gentum 289, zugeordnet und zudem unter den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb i. S. v. Art.  10bis PVÜ subsumiert.290 Das zeigt, dass auf Unionsebene der lauter­ 282 

Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  35. Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  35; dieser Zusammenhang wird auch von der h. M. gesehen: Baetzgen, S.  101; G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn.  34; 59; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  18. 284  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  35. 285  Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  8; G/L/E Hdb. WettbewerbsR/Wilde, §  10 Rn. 59; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  17; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  9; Leistner, in: Base­ dow u. a., S.  129 (129) et passim; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  22; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (437); Sack, WRP 2008, 845 (859); ders., GRUR Int. 2012, 601 (608 ff.); Staudin­ ger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  871; vorausgesetzt bei Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (505); zum deutschen Internationalen Lauterkeitsrecht BGH v. 30.06.1961, I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (334 ff.) – „Kindersaugflaschen“; BGH v. 04.06.1987 – I ZR 109/85, NJW 1988, 644 (645) – „Ein Champagner unter den Mineralwässern“. 286  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  22. 287  Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  8; Sack, WRP 2008, 845 (859). 288  Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  22. 289  So der Vorschlag der UK-Regierung bei EuGH v. 02.03.1982 – 6/81, Slg. 1982, 707 (712) – Industrie Diensten Groep/Beele; auf die Entscheidung im hier maßgeblichen Zusammenhang hin­ weisend Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  22. 290  EuGH v. 02.03.1982 – 6/81, Slg. 1982, 707 (717) – Industrie Diensten Groep /Beele. 283 

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keitsrechtliche Leistungsschutz dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb unter­ fällt. Die in der Gesetzesbegründung genannten Fallgruppen der „Handlungen, mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden (z. B. Schaffung einer Ver­ wechslungsgefahr oder Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades)“291 würden sonst im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II auch leerlaufen.292 Zwar ist zuzugeben, dass ein ergänzender Leistungsschutz auf die Rechte geisti­ gen Eigentums abgestimmt sein wird. Doch sind die sich ergebenden Unterschiede in der kollisionsrechtlichen Anknüpfung nicht so groß, dass mit erheblichen Anpas­ sungsproblemen zu rechnen wäre.293 Da sich die Anknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  8 Abs.  1 Rom II praktisch am ehesten in Bezug auf Vorbereitungs­ handlungen unterscheidet, besteht nur ein kleiner Bereich, in dem es überhaupt zu Diskrepanzen kommen könnte.294 Dieser ist zudem wenig bedeutsam, wenn wie nach deutschem Sachrecht, die Produktion der Ware materiellrechtlich von vornher­ ein nicht über den ergänzenden Leistungsschutz verboten werden kann 295, sodass Anpassungsprobleme ausgeschlossen sind. In Anbetracht dessen, dass der ergänzen­ de Leistungsschutz international als ein lauterkeitsrechtlicher Schutz begriffen wird und die Unterschiede zwischen Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  8 Abs.  1 Rom II gering sind, spricht daher nicht genug dafür, ohne Unterschied Art.  8 Rom II anzuwenden. Der enge Ansatz, der Art.  8 Abs.  1 Rom II auf eingetragene Schutzrechte be­ schränken will, erscheint zwar zunächst plausibel. Er kann aber nicht erklären, wa­ rum das typischerweise nicht registrierte Urheberrecht nach Erwägungsgrund 26 S.  2 Rom II ebenfalls diesem Anknüpfungsgegenstand unterfallen soll.296 Im Übri­ gen hatten die Staaten bisher die Regeln des Internationalen Immaterialgüterrechts überwiegend ohne Differenzierung nach dem Kriterium der Eintragung ange­ wandt.297 Art.  8 Abs.  1 Rom II „bestätigt“ aber ausweislich der Begründung zum Verordnungsentwurf gerade das Schutzlandprinzip, das zuvor im Recht der Mit­ gliedstaaten bestand.298 Das spricht dagegen, dieses Prinzip anders und insbesonde­ re enger zu verstehen, als es bisher in den Mitgliedstaaten der Fall war. Angesichts dessen bleibt es dabei, dass der Anknüpfungsgegenstand des Art.  8 Rom II nur so verstanden werden kann, dass er eingreift, wenn Leistungen über ein absolutes Recht mit Ausschlussfunktion geschützt werden. Wenn in der Literatur der Eindruck entstehen kann, hiermit erfolge eine Qualifikation nach der lex causae, so ist dies missverständlich. Es kommt nicht darauf an, wie die lex causae den Schutz einer bestimmten Leistung selbst qualifiziert. Doch muss für eine immateri­ 291 

KOM(2003) 427 endg., S.  17. jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  9. 293  Huber/Illmer, Art.  6 Rome II Rn.  18; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  302. 294  Noch weitergehend MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  302. 295  Siehe BGH v. 30.06.1961, I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (334) – „Kindersaugflaschen“; für eine Erweiterung aber möglicherweise Sack, GRUR Int. 2012, 601 (609). 296  Grubinger, in: Beig u. a., S.  55 (63). 297  Schack, in: Leible/Ohly, S.  79 (91). 298  KOM(2003) 427 endg., S.  23. 292 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

algüterrechtliche Qualifikation die Regelung gerade die Anforderungen erfüllen, die an geistiges Eigentum i. S. v. Art.  8 Rom II zu stellen sind.299 Das setzt voraus, dass nach der lex causae rechtstechnisch ein Ausschließlichkeitsrecht gewährt wird und der Anspruch auch gerade aus diesem Recht folgt.300 Im Gegensatz zu diesen absoluten Rechten stehen reine „Verhaltensregeln“301. Für diesen letztgenannten Fall greift Art.  6 Abs.  1 Rom II ein.302 Diese Abgrenzung anhand formaler Kriterien passt zu der aktuellen EuGH-Recht­ sprechung zum Markenrecht, nach der, wie zum Teil bereits von der Literatur ver­ treten303, das Schutzlandprinzip offenbar dem Ort des Schadenseintritts entspricht: Hiernach wird für die Zwecke des Art.  5 Nr.  3 EuGVVO als Ort des Schadenser­ folgs das Land angesehen, „in dem das fragliche Recht geschützt ist“304. Davon ausgehend kann man auch Art.  8 Abs.  1 Rom II als Konkretisierung des Ortes des Schadenseintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II begreifen.305 Dass diese Konkretisie­ rung etwas anders als bei Art.  6 Abs.  1 Rom II erfolgt, lässt sich gut mit der unter­ schiedlichen rechtstechnischen Konstruktion erklären, über die Schutz gewährt wird: Wird jemandem nämlich ein absolutes Recht zugewiesen, das ihm eine be­ stimmte Handlung ausschließlich vorbehält, so kann bereits eine Handlung als sol­ che als eine „Verletzung“306, nämlich der rechtlich geschützten Ausschlussfunktion, verstanden werden. Daher kann etwa die Herstellung bestimmter Waren gemäß Art.  8 Abs.  1 Rom II eigenständig nach dem Recht am Ort der Vorbereitungshand­ lung verboten werden, wenn das Ausschließlichkeitsrecht sich hierauf erstreckt. Wird dagegen rechtstechnisch kein absolutes Recht mit Ausschlussfunktion ge­ währt, kann auch die kollisionsrechtlich relevante Interessenbeeinträchtigung erst in der nachgelagerten Einwirkung auf die Marktgegenseite liegen, wo sich dann zum ersten Mal ein geschütztes Interesse befindet.307 Es ist daher stets zu prüfen, wie der gewährte Schutz in der jeweiligen lex causae rechtstechnisch gewährt wird. Wird er über reine Verhaltensnormen gewährleistet, ist Art.  6 Abs.  1 Rom II einschlägig. Wird er über eine bestimmte absolute Rechts­ position mit einer Ausschlussfunktion konstruiert, greift Art.  8 Abs.  1 Rom II ein. Diese rechtstechnische Unterscheidung verbietet es damit auch, den Schutz für eine bestimmte Art von Leistung pauschal dem Lauterkeits- oder Immaterialgüterrecht 299 

MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  124 f. MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  122, 125. 301  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (140): „rules of conduct“. 302  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (140). 303  Bereits vorher de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (148); gegen eine Gleichsetzung mit dem Schadensort Plender/Wilderspin, Rn.  22-023, die allerdings auf den Ort der Rechtsverlet­ zung („infringement“) abstellen, sodass in der Sache wohl kein Unterschied besteht. 304  EuGH v. 19.04.2012 – C-523/10, GRUR 2012, 654 (655) – Wintersteiger. 305  Dagegen Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  864. 306  EuGH v. 19.04.2012 – C-523/10, GRUR 2012, 654 (655) – Wintersteiger. 307  Siehe zur Bedeutung des Ortes des Schadenseintritts für die Anknüpfung von Vorberei­ tungshandlungen Teil 3 B. II. 300 

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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zuzuordnen. Insgesamt ist das hier vertretene Abgrenzungskriterium daher nicht mit der Qualifikation nach der lex causae identisch, wird einer solchen aber im Er­ gebnis oftmals nahekommen. cc) Einzelfragen (1)  Schutz von Geschäftsgeheimnissen Umstritten ist in der Literatur die Qualifikation des Schutzes von Geschäftsgeheim­ nissen. Überwiegend 308 wird in der Literatur das Lauterkeitsstatut für maßgeblich gehalten. Dafür werden die Gesetzesbegründung und die Stellung in den nationalen Rechtsordnungen argumentativ herangezogen.309 Zum Teil wird dies allerdings un­ ter Verweis auf Art.  39 TRIPS zu Gunsten einer immaterialgüterrechtlichen Quali­ fikation in Zweifel gezogen.310 Von anderer Seite wird auch hier in Erwägung gezo­ gen, danach zu differenzieren, ob der Schutz auf einem absoluten Recht beruht.311 Die Existenz eines lauterkeitsrechtlich zu qualifizierenden Geheimnisschutzes ist anzuerkennen. Dies ergibt sich aus der Begründung der Kommission 312 und der weiten Verbreitung des lauterkeitsrechtlichen Geheimnisschutzes in den Rechtsord­ nungen313. Aus Art.  39 TRIPS ergibt sich kein Argument gegen eine lauterkeits­ rechtliche Qualifikation: Der Wortlaut dieser Norm verweist nämlich gerade auf die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs nach Art.  10bis PVÜ.314 Spezifisch unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fällt der Schutz von Geschäftsgeheimnissen aber nur, soweit er vor einem unmittelbar marktgerichteten Verhalten schützt.315 Es spricht aber im Einzelfall nichts gegen eine immaterialgüterrechtliche Qualifi­ kation, wenn eine Rechtsordnung, wie offenbar die italienische, rechtstechnisch ein absolutes Recht mit Ausschlussfunktion hieran gewährt. Es ist nichts dafür ersicht­ lich, dass speziell Geschäftsgeheimnisse einheitlich qualifiziert werden müssten. (2)  Geografische Herkunftsangaben Einer weiteren Abgrenzung bedarf es im Hinblick auf geografische Herkunftsanga­ ben. Probleme kann hier zum einen die Frage bereiten, ob gerade „geistiges“ Eigen­ tum vorliegt. Zum anderen kann es problematisch sein, ob es sich in der nationalen Rechtsordnung um ein absolutes Recht handelt. 308  Für Lauterkeitsstatut etwa: Dickinson, Rome II, Rn.  6.34; Plender/Wilderspin, Rn.  22-020; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  22; Wadlow, EIPR 2008, 309 (310). 309  Etwa Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  22; für Rechtsvergleichung auch Wadlow, EIPR 2008, 309 (319), Unsicherheit aber auf S.  311. 310  Plender/Wilderspin, Rn.  22-020, die dies aber im Ergebnis nicht für durchschlagend halten. 311  jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  8 Rom II-VO Rn.  10. 312  KOM(2003), 427 endg., S.  18; hierauf abstellend jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  8 Rom II-VO Rn.  10. 313  Dies vermutet Wadlow, EIPR 2008, 309 (319), Unsicherheit aber auf S.  311. 314  So schon selbst Plender/Wilderspin, Rn.  20-010. 315  Vgl. Teil 3 B. I. 2. d).

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

(a) Meinungsstand Die ganz h. M.316 hält hier Art.  8 Rom II für einschlägig. Dabei wird vor allem in systematischer Hinsicht darauf hingewiesen, dass in anderen Zusammenhängen geografische Herkunftsangaben dem Immaterialgüterrecht zugeordnet würden. So wird auf Rechtsprechung zu Art.  36 AEUV317, auf Art.  2 Abs.  1 lit.  c iv Produktpi­ raterie-Verordnung318, Art.  1 Abs.  2 i. V. m. 22 ff. TRIPS319, Art.  1 S.  2 Durchset­ zungsrichtlinie320 und Art.  1 Abs.  2, 10 PVÜ321 verwiesen. Die Rechtsdurchsetzung erfolge in einer für Eigentumsrechte typischen Weise322. Teils wird ausdrücklich danach differenziert, ob der geltend gemachte Anspruch rechtstechnisch gerade aus einem Ausschließlichkeitsrecht – im Gegensatz zu lau­ terkeitsrechtlichen Anspruchsgrundlagen – folgt323, während andere324 auch An­ sprüche wegen Irreführung über geografische Herkunftsangaben nach §  5 UWG oder wegen einer Rufausbeutung dem Art.  8 Rom II zuordnen wollen. Nach anderer Auffassung greift stets Art.  6 Abs.  1 Rom II ein.325 Geografische Herkunftsangaben entfernten sich von den Rechten des geistigen Eigentums, weil ihnen kein geistiger „Schöpfungsakt“326 zu Grunde liege.327 Die Inhaberschaft ste­ he nicht einer Einzelperson exklusiv zu.328 Anders als Rechte geistigen Eigentums 316  Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  8; Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  285, 346; Grubinger, in: Beig u. a. S.  55 (61); Handig, GRUR Int. 2008, 24 (27); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  19 ff; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  22; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436 f.); Sack, WRP 2008, 845 (860); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  875; Wiebe/G. Kodek/Handig, Einleitung Rn.  265. 317  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  19; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  124; Plender/Wilderspin, Rn.  22-018; Sack, WRP 2008, 845 (860); vgl. etwa EuGH v. 20.05.2003 – C-469/00, Slg. 2003, I-5085 (I-5103) – Ravil. 318  Verordnung (EG) Nr.  1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbe­ hörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, ABl. L 196 vom 02.08.2003, S.  7 ff.; hierauf hinweisend Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  19; MünchKommBGB/ Drexl, IntUnlWettbR Rn.  124; Sack, WRP 2008, 845 (860). 319  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  124. 320  Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. L 157 vom 30.04.2004, S.  45 ff.; hierauf hinweisend Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  19; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  124 mit Ver­ weis auf die deutsche Umsetzung; Sack, WRP 2008, 845 (860). 321  Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  8 (zu Art.  1 Abs.  2 PVÜ); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  19; Sack, WRP 2008, 845 (860). 322  In der Sache MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  125, 126. 323  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  124, 127; Sack, WRP 2008, 845 (861 f.). 324  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  875; zur Irreführung Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  285. 325  Plender/Wilderspin, Rn.  20-043, 22-019, „albeit with considerable hesitation“. 326  Plender/Wilderspin Rn.  22-018: „act of creation“. 327  Plender/Wilderspin, Rn.  20-035, Rn.  22-018. 328  Plender/Wilderspin, Rn.  22-018; dies anerkennend MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWett­ bR Rn.  125.

C.  Schutzrichtung zu Gunsten der Wettbewerbsbeziehungen

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seien die geografischen Herkunftsangaben zudem unveräußerlich und über ihre Verwendung könnten keine Lizenzen erteilt werden.329 (b) Stellungnahme Geht es um den Schutz der geografischen Herkunftsangabe als absoluter Rechtspo­ sition, so kommt prinzipiell sowohl eine lauterkeitsrechtliche als auch eine immate­ rialgüterrechtliche Lösung in Betracht. Man könnte erwägen, dass ein Recht des geistigen Eigentums dem Wortlaut nach voraussetzt, dass dem Recht irgendein „Schöpfungsakt“330 vorausgeht.331 Hieran dürfte es geografischen Herkunftsanga­ ben in der Tat fehlen. Andererseits ist auf die zahlreichen internationalen und euro­ päischen Rechtsquellen zu verweisen, in denen geografische Herkunftsangaben wie oder als geistiges Eigentum verstanden werden. Angesichts der häufigen Zuordnung geografischer Herkunftsangaben zum Recht des geistigen Eigentums sowohl im in­ ternationalen, europäischen und nationalen Recht braucht der Begriff des „geistigen Eigentums“ keineswegs so eng verstanden zu werden, dass er geografische Her­ kunftsbezeichnungen nicht erfassen könnte.332 Für diese Frage kann zudem bereits die Rechtsprechung des EuGH aus der Zeit vor Erlass der Verordnung Rom II Klärung bringen: Ein starkes Indiz für eine Zu­ ordnung zum Immaterialgüterrecht ist, dass der EuGH in einer Entscheidung aus­ drücklich von der Geltung des Territorialitätsprinzips in Bezug auf geografische Herkunftsangaben ausgeht.333 Wenn Art.  8 Rom II nach der Gesetzgebungsge­ schichte das bisher anerkannte Territorialitätsprinzip bekräftigen soll, spricht dies dafür, dass unter der Verordnung Rom II die bisherige Rechtsprechung fortge­ schrieben werden soll. Wo die einschlägigen Normen allerdings im kollektiven Verbraucherinteresse be­ stehen, sollte unzweifelhaft das Lauterkeitsstatut maßgeblich sein: Eine Irrefüh­ rung über die geografische Herkunft, wie sie in Art.  6 Abs.  1 lit.  b UGP-RL ange­ sprochen wird, gehört zum Lauterkeitsrecht, was auch schon die systematische Stel­ lung dieser Norm nahelegt und sich aus dem vor allem verbraucherschützenden Schutzzweck der UGP-RL ergibt.334 Gleiches muss auch für eine nationale Umset­ zungsnorm in §  5 Abs.  1 S.  2 Nr.  1 UWG gelten.335 Zwar wird vorgebracht, dass bei der letztgenannten Norm „das Interesse an der ungestörten Vermarktung unter der 329 

Plender/Wilderspin, Rn.  22-018. Plender/Wilderspin Rn.  22-018: „act of creation“. 331  In der Sache Dickinson, Rome II, Rn.  8.13; vgl. auch Sack, WRP 2008, 845 (860), der den Wortlaut des Art.  8 Rom II in Bezug auf geografische Herkunftsangaben für unpassend hält. 332  Sack, WRP 2008, 845 (860 f.). 333  EuGH v. 10.11.1992 – C-3/91, Slg. 1992, I-5553 (I-5557 f.) – Exportur; auf die Bedeutung dieser Entscheidung in diesem Zusammenhang weist Sack, WRP 2008, 845 (861) hin. 334  Für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation dieser Norm auch Sack, WRP 2008, 845 (860); Huber/Illmer, Art.  6 Rome II Rn.  20. 335  Für die verbraucherschützende Funktion dieser Norm auch Sack, WRP 2008, 845 (861 f.). 330 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

geschützten Herkunftsbezeichnung überwieg[e]“336. Dass damit aber in der Sache gerade ein Aspekt des Konkurrentenschutzes in den Vordergrund treten soll, ver­ mag angesichts der im Hintergrund stehenden primär verbraucherschützenden UGP-RL nicht recht einzuleuchten.337 Schon aufgrund der persönlichen Schutzrich­ tung von §  5 Abs.  1 S.  2 Nr.  1 UWG sollte folglich ein immaterialgüterrechtlicher Charakter dieser Norm ausscheiden.338 Vergleichbares gilt, wenn Normen eingreifen, welche geografische Herkunftsan­ gaben im Interesse von Wettbewerbern schützen, ohne dass es auf den Charakter als Ausschließlichkeitsrecht ankäme: Zu denken ist an die erwähnten konkurren­ tenschützenden Tatbestände der Rufausbeutung und der Schaffung einer Verwechs­ lungsgefahr.339 Auch gewähren die WIPO Model Provisions in Art.  4 Abs.  2 Nr. iv auch einen allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Schutz unabhängig davon, ob sie die Anforderungen an geografische Herkunftsangaben nach den besonderen Gesetzen nicht erfüllen.340 Hier liegt der Fall nicht anders als im Falle jeder anderen Ver­ wechslung oder Rufausbeutung. Der Schutz folgt nicht spezifisch aus einer aus­ schließlichen Rechtsposition an der geografischen Herkunftsangabe, sondern wird in vergleichbarer Weise an einem nicht absolut geschützten Merkmal eines Kon­ kurrenten gewährt werden.341 Damit besteht ein rein verhaltensnormmäßig zu be­ greifender Schutz und es fehlt an Ansprüchen aus geistigem „Eigentum“ i. S. v. Art.  8 Rom II.342 In der Literatur wird zum Teil noch weiter eingeschränkt, entsprechende Ansprü­ che könnten zudem von vornherein nur unter Art.  8 Rom II fallen, soweit ein be­ rechtigter Benutzer sie geltend mache.343 Nur soweit der Anspruchsteller der be­ rechtigte Benutzer sei, stehe diesem nämlich die geografische Herkunftsangabe wie Eigentum zu, sodass Art.  8 Rom II einschlägig sei.344 Im Hinblick auf andere An­ spruchsteller, insbesondere Verbände, wie in §  128 Abs.  1 S.  1 MarkenG i. V. m. §  8 Abs.  3 UWG vorgesehen, soll demgegenüber von vornherein nur Art.  6 Abs.  1 Rom II eingreifen können.345 Nach der Gesamtkonzeption der Verordnung spricht aber mehr dafür, dass irrelevant ist, ob gerade dem Anspruchsteller selbst das ver­ letzte Recht zugewiesen ist. Art.  15 lit.  f Rom II ist aufgrund der Gesetzgebungsma­ terialien dahingehend auszulegen, dass die Ansprüche mittelbar Geschädigter hin­ sichtlich ihrer Anknüpfung das Schicksal der Ansprüche des primär Geschädigten

336 

Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  875. Sack, WRP 2008, 845 (861 f.). 338  Sack, WRP 2008, 845 (861 f.). 339  Sack, WRP 2008, 845 (861 f.). 340  Note 4.11 WIPO Model Provisions. 341  So wohl die Argumentation von Sack, WRP 2008, 845 (861 f.). 342  Sack, WRP 2008, 845 (861 f.), nach dem es am Merkmal „Rechte“ fehlt. 343  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  125. 344  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  125. 345  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  127. 337 Vgl.

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teilen.346 Dem dürfte der allgemeine Rechtsgedanke zu Grunde liegen, dass die aus der Verletzung einer bestimmten Rechtsposition resultierenden Ansprüche einem einheitlichen Statut unterfallen. Daher können Ansprüche wegen der Verletzung geografischer Herkunftsangaben prinzipiell Art.  8 Rom II unabhängig davon unter­ fallen, wer die Verletzung geltend macht.347 Speziell zu den geografischen Herkunftsangaben i. S. v. §  126 MarkenG ist aller­ dings zweifelhaft, ob diese Normen überhaupt ein absolutes Recht mit Ausschluss­ funktion begründen, wie es für Art.  8 Rom II verlangt wird, oder sie vielmehr einen rein lauterkeitsrechtlichen Schutz gewähren.348 Der BGH hat unter deutschem IPR den fraglichen Regeln zunächst lauterkeitsrechtlichen Charakter bescheinigt und das Marktortprinzip angewandt.349 Dagegen hat er später das Schutzlandprinzip des Immaterialgüterrechts auch auf diese Normen angewandt350, was in der Literatur Zustimmung gefunden hat351. Dafür spricht, dass die geografische Herkunftsangabe ein in §  127 MarkenG inhaltlich klar definiertes Recht darstellt, was immerhin ein starkes Indiz dafür sein kann, dass die geografische Herkunftsangabe auch die An­ forderungen an ein Recht des geistigen Eigentums i. S. v. Art.  8 Rom II erfüllt.352 e) Ergebnis Die Abgrenzung zwischen dem Internationalen Lauterkeitsrecht nach Art.  6 Abs.  1 Rom II und dem Internationalen Immaterialgüterrecht nach Art.  8 Rom II erfolgt danach, wie der Schutz für eine bestimmte geistige Leistung im betreffenden Sach­ recht rechtstechnisch gewährt wird. Wird er über ein absolutes Recht mit Aus­ schlussfunktion gewährt und ergibt sich der Anspruch gerade hieraus, so liegt ein Recht des geistigen Eigentums i. S. v. Art.  8 Rom II vor. Ist dagegen nur ein Schutz durch Verhaltensnormen gegeben, ist Art.  6 Abs.  1 Rom II einschlägig. Diese Ab­ grenzungskriterien sollten auch im Falle von Geschäftsgeheimnissen und geografi­ schen Herkunftsangaben angewandt werden, und zwar auch dann, wenn der An­ spruchsteller ein Verein ist, dem die betroffene Rechtsposition nicht selbst wie Ei­ gentum zusteht.

346  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2003) 427 endgül­ tig, S.  26; näher zum Meinungsstand Teil 3, Fn. 111. 347  Ohne Differenzierung auch Sack, WRP 2008, 845 (860 f.). 348  Sack, WRP 2008, 845 (860 f.) mit ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung. 349  BGH v. 17.01.2002 – I ZR 290/99, GRUR 2002, 426 (427) – „Champagner bekommen, Sekt bezahlen“; BGH v. 05.10.2006 – I ZR 229/03, GRUR Int. 2007, 342 (343) – „Pietra di Soln“. 350  BGH v. 28.07.2007 – I ZR 49/04, BGHZ 173, 57 (65) – „Cambridge Institute“. 351  Sack, WRP 2008, 845 (860 f.). 352  So die Argumentation von MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  125.

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D.  Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft Sowohl das verbraucherschützende als auch das konkurrentenschützende Lauter­ keitsrecht können zugleich das in Erwägungsgrund 21 S.  1 genannte Interesse am reibungslosen Funktionieren der Marktwirtschaft verfolgen. Dies ist zwar, wie be­ reits dargelegt, kein konstitutives Merkmal für die Bestimmung dessen, was unlau­ teres Wettbewerbsverhalten ausmacht. Gleichwohl dienen viele Normen eben oft­ mals auch dem Interesse am Funktionieren der Marktwirtschaft. Es stellen sich hierbei Abgrenzungsfragen zu anderen Vorschriften, die mit dem öffentlichen Inte­ resse am Funktionieren der Marktwirtschaft assoziiert werden können, nämlich zum einen den Regeln des Internationalen Kartelldeliktsrechts i. S. v. Art.  6 Abs.  3 Rom II353 und zum anderen den Eingriffsnormen i. S. v. Art.  16 Rom II. I.  Verhältnis zum Internationalen Kartelldeliktsrecht 1. Bedeutung Das Internationale Kartellrecht nach Art.  6 Abs.  3 Rom II unterscheidet sich in sei­ ner Anknüpfung von den Regeln des Internationalen Lauterkeitsrechts in zweierlei Hinsicht. Zum einen geht es um die eher weniger gewichtige Unterscheidung bei der Ermittlung des Marktes, an den nach Art.  6 Abs.  1 lit.  a Rom II angeknüpft wird. Wie sich insbesondere aus Erwägungsgrund 22 Rom II ergibt, bezeichnet Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II das bereits zuvor im Internationalen Kartellrecht anerkannte Auswirkungsprinzip.354 Dieses erlaubt es prinzipiell, an „jede Veränderung der Wettbewerbssituation“355 anzuknüpfen. Demgegenüber ist nach hier vertretener Auffassung der Anknüpfungspunkt im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II viel be­ grenzter und erlaubt nur eine Anknüpfung an den Ort, an dem die Marktgegenseite mit der Wettbewerbshandlung in Kontakt kommt („Einwirkung“). Selbst wer termi­ nologisch das Auswirkungsprinzip auch im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom II an­ wendet, macht doch in der Sache vergleichbare Unterschiede bei der Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II.356 Wichtig ist die Frage der Qualifikation aber vor allem auch deshalb, weil nach Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II un­ ter bestimmten Voraussetzungen auch die Anwendung der lex fori möglich ist, was im Lauterkeitsrecht nach hier vertretener Auffassung ausgeschlossen ist.357

353 Nach Dickinson, Rome II, Rn.  6.26 ist die Nichteinschlägigkeit von Art.  6 Abs.  3 Rom II einer der „(negative) aspects“ des Anknüpfungsgegenstandes des Art.  6 Abs.  1 Rom II. 354 Etwa Massing, S.  172; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131. 355  Mankowski, RIW 2008, 177 (185) m. w. N. zur Literatur vor Rom II; ihm folgend Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  94. 356  Siehe Teil 2 B. I. 357  Siehe Teil 2 B. II. 2.

D.  Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft

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2. Abgrenzung a)  Ausgangspunkt: Erwägungsgrund 23 Rom II Ausgangspunkt für die kartellrechtliche Qualifikation ist Erwägungsgrund 23 Rom II. Die Formulierung dieses Erwägungsgrundes kann leicht zu Fehlinterpre­ tationen führen.358 Anders als es der letzte Halbsatz („sofern solche Vereinbarun­ gen, Beschlüsse, abgestimmte Verhaltensweisen oder Missbräuche nach den Arti­ keln 81 und 82 des Vertrags oder dem Recht eines Mitgliedstaats verboten sind“) glauben machen könnte, kann es nicht darauf ankommen, ob das fragliche Verhal­ ten tatsächlich nach den dort genannten Regeln verboten ist: Dies ist nämlich erst eine Frage, die das berufene Sachrecht zu beantworten hat.359 Wie im Lauterkeits­ recht muss auch hier die Möglichkeit bestehen, dass das berufene Recht das Ver­ halten unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten für zulässig hält. Eine solche Wer­ tung ist zu akzeptieren und rechtfertigt nicht etwa den Rückgriff auf andere Kolli­ sionsnormen. Ebenso unglücklich formuliert ist es, wenn der Erwägungsgrund sprachlich den Eindruck erweckt, als könnte über Art.  6 Abs.  3 Rom II nur das Recht der Europäi­ schen Union oder eines ihrer Mitgliedstaaten, nicht aber das von Drittstaaten beru­ fen werden.360 Man könnte daher auf die Idee kommen, dass drittstaatliches Kar­ tellrecht über andere Kollisionsnormen, etwa über das allgemeine Internationale Deliktsrecht oder das Internationale Lauterkeitsrecht,361 oder aber gar nicht berufen werden könnte362. Dass dem aber nicht so ist, ergibt sich aus Art.  3 Rom II, der die Geltung der Rom II als loi uniforme anordnet.363 Den Wortlaut des Erwägungsgrun­ des 23 „sollten […] erfassen“ muss man daher so deuten, dass er nur beschreibt, was auf jeden Fall unter Art.  6 Abs.  3 Rom II fallen soll, ohne aber den Anknüpfungsge­ genstand definitiv festzulegen.364 Damit erfasst Art.  6 Abs.  1 Rom II unzweifelhaft Regeln des Art.  81 EG (heute Art.  101 AEUV) und Art.  82 EG (heute Art.  102 AEUV) und entsprechende natio­ nale Regeln. Wie die Charakteristika derartiger Regeln zu beschreiben und folglich

358 

Mankowski, IPRax 2010, 389 (398). Dies klarstellend Mankowski, RIW 2008, 177 (182); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  70. 360  Dickinson, Rome II, Rn.  6.33; Mankowski, IPRax 2010, 389 (396); Rodríguez Pineau, J. Priv. Int. L. 2009, 311 (320); Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (637); Scholz/Rixen, EuZW 2008, 327 (330); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (505). 361  In Erwägung gezogen, aber abgelehnt von Dickinson, Rome II, Rn.  6.33; ähnlich Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (643). 362  So möglicherweise Immenga, in: FS Kühne, S.  725 (731); unsicher auch Mankowski, RIW 2008, 177 (187 f.). 363  Mankowski, IPRax 2010, 389 (396); Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (637); Scholz/Rixen, EuZW 2008, 327 (330); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (505 f.). 364  Dickinson, Rome II, Rn.  6.33; Gebauer/Wiedmann/A. Staudinger, Kap.  38 Rn.  48; Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (64); Mankowski, RIW 2008, 177 (179); ders., IPRax 2010, 389 (396); Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (638). 359 

194

Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

eine Abgrenzung zum Internationalen Lauterkeitsrecht vorzunehmen ist, bedarf allerdings näherer Untersuchung. b)  Inhaltliche Abgrenzungskriterien Zur Abgrenzung wird vorgeschlagen, dass der Tatbestand einer kartellrechtlichen Verbotsnorm einen Nachteil für den Wettbewerb verlangen müsse.365 Dies ist in dieser Allgemeinheit allerdings ein untaugliches Abgrenzungskriterium, wenn man annimmt, dass auch lauterkeitsrechtliche Normen eine solche Voraussetzung auf­ stellen366 oder zumindest aufstellen können. Ähnlich wird mit dem Internationalen Kartellrecht der Schutz eines „makroöko­ nomischen Interesses [am] Funktionieren des Wettbewerbs des Marktes“367 oder auch „das Funktionieren der Marktwirtschaft“368 assoziiert. Doch sind diese Krite­ rien jedenfalls zur Abgrenzung zum Internationalen Lauterkeitsrecht ungeeignet: Nach der Begründung der Kommission dient auch das Lauterkeitsrecht „einem ma­ kroökonomischen Ziel“369 und das „Funktionieren der Marktwirtschaft“ wird in Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II ausdrücklich als Schutzzweck des Lauterkeits­ rechts benannt. Andere assoziieren mit dem Internationalen Kartellrecht „den Wettbewerbspro­ zess, die Offenheit der Märkte und die marktrelevante Handlungsfreiheit der Unter­ nehmen“.370 Ähnlich wird danach abgegrenzt, ob das Schutzgut der Erhalt von Kon­ kurrenz auf Märkten ist.371 Im Gegensatz dazu soll es stehen, wenn Verhaltensnor­ men für den Markt aufgestellt werden372 , also bestimmte Mittel des Wettbewerbs ausgegrenzt werden sollen373. Dieser letztgenannten Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Richtigerwei­ se kommt es wiederum auf das von den sachrechtlichen Normen geschützte Interes­ se an. Im Internationalen Kartelldeliktsrecht geschützt ist der Bestand von Wettbe­ werb, der vor Einschränkungen bewahrt werden soll. Die Missbrauchskontrolle im Rahmen von Art.  102 AEUV schützt allerdings nicht nur vor einer (weiteren) Ein­ 365  Wohl MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131, der allerdings von der „Rechtsfol­ genseite“ spricht. 366  Widersprüchlich daher MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  28 einerseits, Rn.  131 andererseits. 367  Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (507): „objectif macro-économique, celui d’assurer le fonctionnement concurrentiel du marché”. 368  Mankowski, RIW 2008, 177 (179), wo sich allerdings auch eine präzisere Abgrenzung zum Lauterkeitsrecht findet. 369  Begründung zu Art.  5 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 end­ gültig, S.  18. 370 So Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (644). 371 Vgl. Immenga, in: FS Kühne, S.  725 (732); Mankowski, RIW 2008, 177 (179) Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  56; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 372  Mankowski, RIW 2008, 177 (179); Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  56; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 373  Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (507): „contre l’ulisation de moyens déloyaux”.

D.  Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft

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schränkung des Wettbewerbs, sondern auch unabhängig hiervon vor einer Benach­ teiligung der Marktgegenseite aufgrund der Handlungsspielräume, die einem Un­ ternehmen aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung eröffnet sind.374 Damit Art.  6 Abs.  3 Rom II die Regeln der Missbrauchskontrolle vollständig erfassen kann, muss es daher auch ausreichen, dass die fraglichen Sachnormen bereits beste­ hende Beeinträchtigungen des Wettbewerbsbestandes kompensieren sollen 375. Im Ergebnis ist daher das Internationale Kartellrecht gemäß Art.  6 Abs.  3 Rom II einschlägig, soweit es darum geht, Beeinträchtigungen im Bestand des Wettbe­ werbs zu unterbinden oder zu kompensieren. c) Einzelfragen Die vorgenannten Kriterien bereiten gleichwohl in ihrer Anwendung auf konkrete sachrechtliche Phänomene Schwierigkeiten. Auf einige davon ist im Folgenden ein­ zugehen. aa)  Sonderregeln für einseitige Verhaltensweisen Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen Verbote einseitiger Verhaltensweisen unter Art.  6 Abs.  3 Rom II fallen. Hier finden sich nämlich häufiger Verbote, die entweder kartellrechtlich oder lauterkeitsrechtlich geregelt sein können. In der Lite­ ratur werden als problematische Fälle ausdrücklich Verbote von Boykotten 376, be­ stimmter als missbräuchlich empfundener Preisgestaltungen377, der Diskriminie­ rung von Abnehmern378 und der Verweigerung von Vertragsschlüssen379 genannt. Es handelt sich aber um ein allgemeines Problem.380 Bei nationalen Normen, die speziell an eine marktbeherrschende Stellung an­ knüpfen, kann aufgrund der Parallele zu Art.  102 AEUV ohne Weiteres eine kartell­ rechtliche Qualifikation angenommen werden.381 Das gilt unabhängig davon, ob die Anspruchsgrundlage im lauterkeitsrechtlichen Zusammenhang normiert ist.382 Demgegenüber sind Regelungen, die auch das Verhalten nur marktstarker Unter­ nehmen Sonderbestimmungen unterwerfen, dem Unionsrecht unbekannt.383 Die Literatur unterscheidet hier danach, ob das Verbot unterschiedslos für alle Markt­ 374 

MünchKommEuWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  5, 6. diesem Sinne zur Funktion der Missbrauchskontrolle im Sachrecht Bydlinski, S.  600; MünchKommEuWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  5. 376  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  22. 377  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  9; Hellner, YBPrIL 2007, 49 (69). 378  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  22. 379  Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (507). 380  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  22: „in particular“. 381  Etwa MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131. 382  Vgl. MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131; zu Recht insoweit an einer lauter­ keitsrechtlichen Qualifikation zweifelnd auch Handig, wbl 2008, 1 (7, dort Fn.  17). 383  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  72; Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (644). 375  In

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

teilnehmer oder aber erst ab Erlangung eines gesetzlichen festgelegten Umfangs von „Marktmacht“ gilt.384 Das führt im Ergebnis dazu, dass ein auf den ersten Blick ähnliches Verbot wie dasjenige des Verkaufs unter Einstandspreis entweder lauter­ keitsrechtlich oder kartellrechtlich zu qualifizieren sein können, je nachdem, ob es wie in der deutschen Rechtsordnung gemäß §  20 Abs.  4 Nr.  1–2 GWB an die Markt­ macht anknüpft oder aber wie in der französischen Rechtsordnung hiervon unab­ hängig ist.385 Diese Auffassung steht im Einklang mit Art.  1 Abs.  2 Nr.  5 Abs.  3 der Cambridge Resolution, wonach der „Verkauf unter Kosten“386 dem Internationalen Lauterkeitsrecht zuzuschlagen sein soll, soweit es sich nicht um „Sondergesetze betreffend beschränkende oder monopolistische Praktiken“387 handelt. Soweit Sonderregeln marktstarker Unternehmen stets kartellrechtlich qualifiziert werden, überzeugt dieser Ansatz: Es ist Sache des Sachnormgesetzgebers zu beur­ teilen, ab welchem Grad an Beeinträchtigung des Wettbewerbsbestandes es kom­ pensierender Sonderregeln bedarf. Dass die Messlatte hierfür niedriger angesetzt wird als im Unionsrecht, ändert an Schutzgut und Struktur dieser Normen nichts.388 Dieser Zusammenhang wird erhärtet durch Art.  3 Abs.  2 S.  2 VO 1/2003, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, „in ihrem Hoheitsgebiet strengere innerstaatliche Vor­ schriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unterneh­ men zu erlassen oder anzuwenden“, und worunter die Missbrauchskontrolle in Be­ zug auf marktstarke Unternehmen gefasst wird.389 Gilt eine Regel des Sachrechts dagegen stets für alle Marktteilnehmer, ist die Ablehnung einer kartellrechtlichen Qualifikation unter dem Aspekt des Miss­ brauchs von Marktmacht nicht unproblematisch: Zwar scheint bei solchen allge­ mein geltenden Regeln wieder der Aspekt der Chancengleichheit beim Werben um die Kunden in den Vordergrund zu rücken, wofür Art.  6 Abs.  1 Rom II die richtige Kollisionsnorm bietet.390 Eine Rechtsordnung, die ein bestimmtes Verhalten schon allgemein verbietet, hat allerdings keine Veranlassung, es noch einmal speziell für marktstarke Unternehmen zu verbieten.391 Eine Wertung, dass ein solches Verhal­ ten unter dem Aspekt der Ausnutzung von Marktmacht „kartellrechtlich“ unbe­ 384  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131: „von einem bestimmten Maß von Marktmacht abhängt“ (Hervorhebung im Original durch Fettdruck); jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  16; Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  72; ähnlich aus französischer Sicht zwischen Markt­ beherrschung und allgemeinem Verbot abgrenzend Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (8); im Ergebnis wohl ebenso für Art.  6 Abs.  3 Rom II Calliess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  33; Roth, in: FS Krop­ holler, S.  623 (644), Scholz/Rixen, EuZW 2008, 327 (332). 385  jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  16; MünchKommBGB/Drexl, IntUnl­ WettbR Rn.  131. 386  „selling below cost“. 387  „special legislation concerning restrictive or monopolistic practices“. 388  So zum Schutzgut auch jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  16. 389  So für das hier angesprochene Qualifikationsproblem Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (644). 390  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131. 391  Gegen eine mehrfache Anordnung solcher Verbote, allerdings im Zweifel für eine kartell­ rechtliche Regelung Schricker/Henning-Bodewig, EIPR 2002, 271 (272).

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denklich ist, liegt im Verzicht auf eine solche Sonderregelung daher nicht. Auch kann die Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II zu einer Wertungsdiskrepanz zwi­ schen Kollisionsrecht und Sachrecht führen. Denn sachrechtlich kann ein besonders hoher Schutz vor einem missbilligten Verhalten erreicht werden, wenn dieses pau­ schal und ohne Notwendigkeit der Bestimmung der Marktmacht beteiligter Unter­ nehmen verboten wird. Dagegen bietet gerade die kartellrechtliche Kollisionsnorm gemäß Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II mit ihrem extensiv verstandenen Anknüpfungs­ punkt des Marktes im Sinne des Auswirkungsprinzips und der lex fori nach Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II einen besonders hohen Schutz vor der Beeinträchtigung des Wettbewerbsbestandes. Andererseits muss eine Abgrenzung zwischen den Anknüpfungsgegenständen des Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  6 Abs.  3 Rom II erfolgen. Daher müssen in gewis­ sem Umfang derartige Abstimmungsschwierigkeiten hingenommen werden, wenn Art.  6 Abs.  3 Rom II den Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung erfassen soll. Das Kriterium, ob das Verbot tatbestandlich besondere Marktmacht voraussetzt, erscheint im Regelfall für eine solche Abgrenzung geeig­ net. Allerdings sollte stets umfassend gewürdigt werden, ob die fragliche Norm ih­ rer Wertung nach besonderen Schutz vor Marktmacht bieten soll: Es bedarf dann letztlich einer abwägenden Prüfung, ob die lauterkeitsrechtliche oder die kartell­ rechtliche Funktion der zu qualifizierenden Norm überwiegt.392 Das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis in Frankreich ist daher in seiner Qualifikation schwierig. Für eine kartellrechtliche Qualifikation spricht etwa, dass der Gesetzge­ ber in Frankreich entsprechende Normen erlassen hat, um derartigen Preispraktiken großer Supermärkte zu Lasten weniger marktstarker Mitbewerber ein Ende zu set­ zen.393 Daher scheinen Überlegungen zur Marktmacht sehr wohl hinter dieser Norm zu stecken. Andererseits bleibt die missbilligte Qualifikation gleichwohl auch kate­ gorisch Unternehmen mit geringerer Marktstärke verboten. Eine kartellrechtliche Qualifikation sollte erst eingreifen, wenn klar ersichtlich wäre, dass der Gesetzge­ ber auf eine Marktmachtschwelle deshalb verzichtet hat, weil er der Auffassung war, ein nicht marktmächtiges Unternehmen könnte in der Praxis die Verbotsnorm ohnehin nicht erfüllen, sodass die Spielräume von schwächeren Unternehmen durch die Norm nicht eingeschränkt, sondern diese Unternehmen durch die Norm viel­ mehr nur geschützt würden. Steht das nicht fest, sollte man bei Art.  6 Abs.  1 Rom II bleiben. Im praktischen Ergebnis dürften sich daher kaum Unterschiede zur herr­ schenden Literaturauffassung ergeben. Im Ergebnis ist richtig, dass es darauf ankommt, ob nach der Wertung des Sach­ normgesetzgebers ein Verhalten kategorisch verboten werden soll oder aber das

392  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  23; allgemeiner auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  32; Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 393  Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (309).

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Verbot nur Unternehmen ab einem gewissen Grad an Marktmacht treffen soll. Letz­ teres muss nicht zwingend im Tatbestand der Sachnorm zum Ausdruck kommen. bb) Boykottaufrufe Weitere Abgrenzungsprobleme entstehen in Fällen des Verbots eines Boykottauf­ rufs. Ein solches kann zunächst einmal dazu dienen, sicherzustellen, dass Unter­ nehmen sich weiterhin unabhängig voneinander verhalten. Hierzu soll etwa das Verbot zum Aufruf von Boykotten aus §  21 Abs.  1 GWB gehören394: Deutet man dieses Verbot so, dass damit einem abgestimmten Verhalten der sich am Boykott beteiligenden Wettbewerber vorgebeugt werden soll, so dürfte die Norm dieselbe Zielrichtung wie Art.  101 AEUV haben.395 Der in der Literatur angenommenen kar­ tellrechtlichen Qualifikation396 einer solchen Regelung ist daher zuzustimmen. Dagegen existieren aber vielfach auch Verbote von Boykottaufrufen, die dem Lauterkeitsrecht zugeordnet werden können. Sie nehmen in den Blick, dass sich derjenige, der einem Boykottaufruf folgt, seinem Handeln aus wettbewerblicher Sicht sachfremde Motive zu Grunde legt.397 Solche Regeln existieren im Lauter­ keitsrecht zahlreicher Mitgliedstaaten wie Deutschland, Griechenland, Italien, Ös­ terreich und Ungarn.398 Diese Boykottverbote unterfallen ohne Weiteres Art.  6 Abs.  1 Rom II.399 Im Einzelnen wird nur eine Auslegung der sachrechtlichen Normen zeigen kön­ nen, welcher der vorgenannten Schutzzwecke hinter einem Verbot zum Aufruf zu Boykotten steht. Rechtssichere „formale“ Abgrenzungskriterien werden sich nicht finden lassen. cc)  Schutz des Wettbewerbsbestandes vor Verdrängung von Wettbewerbern (1) Problem Fraglich ist auch die Qualifikation von Normen, die einerseits zunächst das Zwi­ schenziel haben, den Verbraucher in seiner wirtschaftlichen Entscheidung zu beein­ flussen, andererseits aber zugleich das Endziel verfolgen, den Bestand des Wettbe­ werbs für die Zukunft zu sichern, indem einer Verdrängung von Konkurrenten entgegengewirkt wird.

394 

MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131. MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131. 396  MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  131. 397 Deutlich Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (345) zum griechischen Recht. 398  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (397) zu Italien; Gouga, in: Schmidt-Kes­ sel/Schubmehl, S.  323 (345) zu Griechenland; Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  10.118 ff. zu Deutschland; Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (493) zu Ös­ terreich; Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (701 f.) zu Ungarn. 399  Im Ergebnis auch Sack, WRP 2008, 845 (850); Sack, GRUR Int. 2012, 601 (607 f.). 395 

D.  Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft

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Hier ist etwa an den im deutschen Recht anerkannten Tatbestand der allgemeinen Marktstörung zu denken: Dieser greift ein, wenn die streitige Geschäftspraxis nicht per se unlauter, allerdings doch lauterkeitsrechtlich „bedenklich[… ]“ ist und sie das Risiko mit sich bringt, den Bestand des Wettbewerbs „in erheblichem Maße“ zu beeinträchtigen.400 Daneben ist vor allem an Regeln über das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis zu denken, die in manchen Staaten im UWG zu finden sind401. Denn auch solche Normen können letztlich dem Erhalt des Bestands von Wettbe­ werb dienen.402 (2) Meinungsstand Soweit ersichtlich, wird der deutsche Tatbestand der allgemeinen Marktstörung in der Diskussion zwar stets Art.  6 Abs.  1 Rom II zugeordnet.403 Zum Teil wird aber für die Marktstörung doch eine Ermittlung des Marktortes nach den Kriterien des Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II vorgeschlagen, weil der Bestand des Wettbewerbs im Vor­ dergrund stehe.404 Eine andere Auffassung lehnt demgegenüber jedenfalls in ihren Ausführungen zum deutschen IPR eine solche Anlehnung an das Internationale Kartellrecht ab.405 (3) Stellungnahme Die Qualifikation derartiger Normen ist besonders schwierig. Der Meinungsstreit ist nicht ohne jede Bedeutung: Zwar findet sich auch die Theorie, dass eine Anknüp­ fung an den Absatzmarkt dieselben Rechtsordnungen bezeichne wie das Auswir­ kungsprinzip des Kartellrechts.406 Das erscheint aber nicht zwingend: Wenn der ökonomische Markt die Gebiete mehrerer Staaten umfasst und etwa in einem Staat bestimmte Produkte kostenlos verteilt werden, kann dies dazu führen, dass Kon­ kurrenten auch jenseits der Staatsgrenze Nachteile erleiden. Hier könnten die An­ knüpfung an den Ort des Absatzmarkt, verstanden als Einwirkung auf die Marktge­ genseite durch den handelnden Wettbewerber im Wege der Produktabgabe, und das

400 

Zuletzt BGH v. 29.10.2009 - I ZR 180/07, GRUR 2010, 455 (457) – „Stumme Verkäufer II“. Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (396 f.) zu Italien; García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (643, 662 f.) zu Spanien. 402  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (396 f.) zu Italien. 403  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 321; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/ Schubmehl, S.  719 (750); Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436); Sack, WRP 2008, 845 (850); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  749; 750 753; zum unlauteren Preiswettbewerb auch Cal­ liess/Buchner, Art.  6 Rome II Rn.  19. 404  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 321; zum deutschen IPR GroßKommUWG/ Schricker, Einl F Rn.  209; ähnlich argumentierend Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  749, wobei letztere allerdings stets von der Anwendung des Auswirkungsprinzips im Lauterkeitsrechts ausgehen. 405  So MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  306. 406  So MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  306. 401 

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umfassende „jede Veränderung der Wettbewerbssituation“407 erfassende Auswir­ kungsprinzip des Internationalen Kartellrechts divergierende kollisionsrechtliche Folgen haben. Nicht weiterführend dürfte es sein, als Abgrenzungskriterium die Schutzzweck­ trias heranzuziehen und daher eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation derartiger Regeln zu bejahen408: Selbst wenn man über alle gegen dieses Abgrenzungskriteri­ um vorgebrachten Bedenken hinwegsehen wollte, ist zu beachten, dass auch und gerade kartellrechtliche Normen die Anforderungen der Schutzzwecktrias typi­ scherweise erfüllen.409 Zweifel an einer lauterkeitsrechtlichen Qualifikation könnte in systematischer Hinsicht Erwägungsgrund 9 S.  4 –5 VO 1/2003410 wecken, in dem „unlautere Han­ delspraktiken“ als Normen verstanden werden, die „ein spezielles Ziel [verfolgen], das die tatsächlichen oder vermuteten Wirkungen solcher Handlungen auf den Wettbewerb auf dem Markt unberücksichtigt lässt“. Der Tatbestand der allgemeinen Marktstörung und vergleichbare Regelungen berücksichtigen aber gerade derartige Auswirkungen auf den Markt. Hiervon ausgehend könnte man eher eine kartell­ rechtliche als eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation annehmen wollen. Zu bedenken ist aber, dass das Unionsrecht, soweit ersichtlich, im Prinzip dem nicht kritisch gegenübersteht, wenn ein Marktteilnehmer mit einseitigen Maßnah­ men Mitbewerber verdrängt und eine marktbeherrschende Stellung erlangt, son­ dern dies vielmehr im Grundsatz gerade als die gewollte Wirkungsweise des Wett­ bewerbs versteht.411 Normen, die ähnlich dem Tatbestand der allgemeinen Markt­ störung den Bestand des Wettbewerbs vor Verdrängung von Konkurrenten schützen, sind auf Ebene des Unionsrechts nicht ersichtlich. Soweit sich die Unzulässigkeit nicht aus dem Missbrauch von Marktmacht ergibt, dürfte daher die Lauterkeit der angewandten Mittel der alleinige Maßstab zur Beurteilung der wettbewerbsrechtli­ chen Zulässigkeit der Ausschaltung der Konkurrenz durch einseitige Verhaltens­ weisen sein.412 Das spricht aber letztlich gegen eine kartellrechtliche Qualifikation der hier be­ trachteten Verbote: Ist es nämlich nach unionsrechtlicher Vorstellung einem Wett­ 407  Mankowski, RIW 2008, 177 (185) m. w. N. zur Literatur vor Rom II; ihm folgend Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  94. 408  In diese Richtung aber MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  306. 409  Vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  6.13. 410  Verordnung (EG) Nr.  1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. L 1 vom 04.01.2003, S.  1 ff., zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr.  487/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Luftverkehr (kodifizierte Fassung), ABl. L 148 vom 11.06.2009, S.  1 ff. 411  Massing, S.  165 ff.; vgl. zu Art.  82 EG (heute Art.  102 AEUV) EuGH v. 27.03.2012 – C-209/10, GRUR Int. 2012, 922 (923 f.) – Post Danmark. 412 Vgl. auch zum Kollisionsrecht die Formulierung bei Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (507): „contre l’ulisation de moyens déloyaux”.

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bewerber sachrechtlich erlaubt, Wettbewerbsmaßnahmen ohne Rücksicht auf den Bestand des zurückbleibenden Wettbewerbs vorzunehmen, so wäre es ungereimt, im Rahmen des Kollisionsrechts von ihm zu verlangen, dass er sich bei der Vornah­ me eines Wettbewerbsverhaltens darüber Gedanken machen soll, in welchen Staaten die Auswirkungen seines Verhaltens den Bestand des Wettbewerbs beeinträchtigen könnten.413 Um derartige Wertungswidersprüche zwischen Kollisions- und Sach­ recht zu vermeiden, erscheint es konsequent, auf den Einwirkungsort nach Art.  6 Abs.  1 Rom II und nicht den kartellrechtlichen Auswirkungsort nach Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II abzustellen. Da es Normen wie die Marktstörung, soweit ersichtlich, in der Unionsrechtsordnung nicht gibt, wäre zudem auch eine Anwendbarkeit von Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II nicht sinnvoll, weil diese Norm in erster Linie der Ver­ wirklichung des Unionskartellrechts dienen soll. Da diese Vorschrift auch das Ziel einheitlicher Entscheidungen innerhalb der Union beeinträchtigt414, sollte die kar­ tellrechtliche Qualifikation im Zweifel eng gehalten werden.415 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die fraglichen Sachnormen auch in den Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten, soweit ersichtlich, lauterkeitsrechtlichen Charakter ha­ ben.416 Auch der Sache nach ist etwa das deutsche Verbot der allgemeinen Marktstö­ rung klar mit lauterkeitsrechtlichen Elementen behaftet, weil es nach der Rechtspre­ chung eben nicht allein daran anknüpft, dass der Bestand des Wettbewerbs gefährdet wird, sondern zusätzlich auch eine lauterkeitsrechtliche Bedenklichkeit verlangt.417 Eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation ist auch systematisch mit der UGP-RL eher zu vereinbaren: So hat der EuGH etwa Sonderregelungen über Gewinnspiele, die neben dem Verbraucherschutz der „Medienvielfalt“ und damit ebenfalls in ei­ nem bestimmten Bereich dem Ziel des Erhalts einer bestimmten Marktstruktur die­ nen, unter den Anwendungsbereich der UGP-RL gefasst.418 Das bestätigt, dass Nor­ men, die den Bestand des Wettbewerbs vor der Verdrängung von Konkurrenten schützen, nach unionsrechtlicher Vorstellung jedenfalls nicht zwingend und aus­ schließlich kartellrechtlich verstanden werden können. Im Ergebnis spricht daher unter Geltung unionsrechtlichen Kollisionsrechts mehr für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation von Verbotsnormen, die ein Wettbe­ werbsverhalten deshalb verbieten, weil es den Wettbewerber verdrängen und da­ durch den Bestand des Wettbewerbs beeinträchtigen könnte.

413  Für eine Anlehnung an die Maßstäbe des Unionssachrechts in dieser Frage offenbar auch Massing, S.  165 ff. 414  Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (646); Rodríguez Pineau, J. Priv. Int. L. 2009, 311 (328); Scholz/Rixen, EuZW 2008, 327 (331). 415  Für eine enge Auslegung wegen des Erwägungsgrundes 23 auch Coureault, S.  112. 416 Zum Ausland Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (396 f.) zu Italien; García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (643, 662 f.) zu Spanien. 417  BGH v. 29.10.2009 – I ZR 180/07, GRUR 2010, 455 (457) – „Stumme Verkäufer II“. 418  EuGH v. 09.11.2010 – C-540/08, GRUR Int. 2011, 46 (49) – Mediaprint Zeitungs- und Zeit­ schriftenverlag.

202

Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

dd)  Unionsrechtliches Beihilferecht Eine weitere Fallgruppe, in der die Abgrenzung zu Art.  6 Abs.  3 Rom II der Diskus­ sion bedarf, ist diejenige des Beihilferechts i. S. v. Art.  108 AEUV. (1) Meinungsstand Zum Teil wurden Ansprüche gegenüber dem die Beihilfe gewährenden Staat bisher nicht unter den Begriff der Zivil- und Handelssache gefasst, was jedes Qualifikati­ onsproblem unter der Verordnung Rom II gegenstandslos machen würde.419 Im Üb­ rigen werden Ansprüche, die aus einem Verstoß gegen diese beihilferechtlichen Normen herrühren, in der kollisionsrechtlichen Literatur kartellrechtlich i. S. v. Art.  6 Abs.  3 Rom II eingestuft.420 So wird zum einen eine den kartellrechtlichen Regeln vergleichbare Schutzrichtung gesehen.421 Zum anderen wird auf die syste­ matische Stellung im selben Kapitel des AEUV hingewiesen.422 Zum Sachrecht hat der BGH demgegenüber einen Anspruch eines Konkurrenten gegen den Beihilfege­ ber auf Rückforderung einer entgegen dem Durchführungsverbot des Art.  108 Abs.  3 S.  3 AEUV gewährten Beihilfe als Fall des Rechtsbruchs gemäß §  4 Nr.  11 UWG und als Verletzung eines Schutzgesetzes i. S. v. §  823 Abs.  2 BGB eingeord­ net.423 (2) Stellungnahme Das Verständnis, nach dem das unionsrechtliche Beihilferecht außerhalb des Be­ reichs einer Zivil- und Handelssache liegt, erscheint in dieser Allgemeinheit zwei­ felhaft: Das Tatbestandsmerkmal der Zivil- und Handelssache ist nach der im Grundsatz übertragbaren424 Rechtsprechung des EuGH zu Art.  1 Abs.  1 S.  1 EuGV­ VO425 nur dann nicht erfüllt, wenn ein Hoheitsträger am Prozess beteiligt ist und eine auf hoheitliches Sonderrecht gestützte Tätigkeit im Streit steht. Im Bereich des unionsrechtlichen Beihilferechts kann der „staatliche“ Anspruchsgegner in privat­ rechtlicher Form organisiert sein und es können Beihilfeleistungen ohne Einsatz spezifisch hoheitlicher Mittel gewährt werden. So hatte der BGH426 außerhalb des 419 

Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  74; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  11. Hellner, YBPrIL 2007, 49 (69); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  74; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  6 Rom II-VO Rn.  11; Plender/Wilderspin, Rn.  20-039. 421  Hellner, YBPrIL 2007, 49 (69); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  74. 422  Hellner, YBPrIL 2007, 49 (69); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  74. 423  BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (330 ff., 341 ff.) – „Flughafen Frank­ furt-Hahn“. 424  Für eine Übernahme der Definition etwa Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (8); Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-80); Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  10; von Hein, ZEuP 2009, 6 (12); G. Wagner, IPRax 2008, 1 (2). 425  Etwa EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8136 f.) – Henkel. 426  BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (327 f.) – „Flughafen Frankfurt-Hahn“ zum wiedergegebenen Sachverhalt. 420 

D.  Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft

203

IPR-Kontexts über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Fluggesellschaft von einer Flughafenbetreiberin – einer Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand – die Rückfor­ derung einer an einen Konkurrenten erbrachten Beihilfeleistung verlangte. Letztere bestand darin, dass die Flughafenbetreiberin von der anderen Fluggesellschaft zu geringe Gegenleistungen für die Inanspruchnahme der Leistungen des Flughafens verlangt hatte. In diesem Beispielsfall war weder der Anspruchsgegner seiner Orga­ nisationsform nach hoheitlich verfasst, noch war das streitige Verlangen zu geringer Entgelte mit einem besonderen Hoheitsrecht verknüpft. Der Fall belegt, dass ein Streit über das unionsrechtliche Beihilferecht die Merkmale einer Zivil- und Han­ delssache erfüllen kann. Allein die Tatsache, dass der Anspruch im Falle der Verletzung von Beihilfere­ geln maßgeblich auf Sonderregeln für den Staat beruht, muss irrelevant sein: Dies legt die historische Auslegung nahe, denn ein zunächst in Art.  1 Abs.  2 VO-VorE 2002 vorgesehener allgemeiner Ausschluss für „die Haftung für Akte der Staatsge­ walt“ ist in die Verordnung nicht übernommen worden.427 Wenn in Art.  1 Abs.  1 S.  2 Rom II zudem ausdrücklich vom Anwendungsbereich sog. acta iure imperii ausgeschlossen werden, so sind im Umkehrschluss acta iure gestionis vom Anwen­ dungsbereich der Verordnung auch dann erfasst, wenn die Vorschriften, aus denen sich die Haftung des Staates ergibt, Sonderregeln gegenüber dem allgemeinen Pri­ vatrecht aufweisen.428 Gleiches muss erst recht für vom Staat gehaltene Gesell­ schaften in privatrechtlicher Rechtsform gelten. Daher bedarf es in der Tat einer Einordnung des unionsrechtlichen Beihilferechts unter Art.  6 Abs.  1 Rom II oder Art.  6 Abs.  3 Rom II. Dabei ist zu beachten, dass die nach hier vertretener Auffassung notwendigen Merkmale einer lauterkeitsrechtli­ chen Norm schon nicht erfüllt sind. Zwar kann man in der Beihilfegewährung ein für Art.  6 Abs.  1 Rom II erforderliches „Wettbewerbsverhalten“ des Beihilfegebers gegenüber dem Beihilfeempfänger als seiner Marktgegenseite annehmen.429 Das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit im kollisionsrechtlichen Sinne erfüllt ein Verbot der Durchführung von Beihilfen aber nicht. Dazu müsste es nach hier ver­ tretener Auffassung nämlich gerade vor den Schäden schützen, die aus einer ge­ schäftlichen Entscheidung der Marktgegenseite entstehen. Es geht aber nicht dar­ um, dass die geschäftliche Entscheidung des Beihilfeempfängers zum Kontrahieren mit dem Beihilfegeber ein schützenswertes Interesse verletzt. Die Beihilfe wird vielmehr deshalb verboten, weil sich erst nachgelagert aus der Subventionierung Verfälschungen auf dem Produktmarkt des Beihilfeempfängers und dessen Kon­

427 

Huber/Bach, IPRax 2005, 73 (74, dort Fn.  15). den Bereich des Staatshaftungsrechts Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-80); Thorn, in: Kieninger/Remien, S.  139 (148 f.); anders wohl Heiss/Loacker, JBl 2007, 613 (619); Schacherreiter, in: Beig u. a., S.1 (2). 429  So im Hinblick auf eine geschäftliche Handlung i. S. v. §  2 Abs.  1 Nr.  1 UWG BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (341) – „Flughafen Frankfurt-Hahn“. 428 Für

204

Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

kurrenten ergeben können430, also durch ein nachgelagertes Marktverhalten des Beihilfeempfängers gegenüber seinen Kunden. Die eigentlich missbilligte Beein­ trächtigung der Chancengleichheit besteht nämlich erst in der „Nutzung“431 der er­ haltenen Vergünstigung.432 Diese Schäden lassen sich nicht mit der vorgelagerten Gewährung und damit Einwirkung auf den Beihilfeempfänger gleichsetzen. Ande­ renfalls könnten auch Beihilfegeber und Beihilfeempfänger durch die Wahl des Or­ tes der Beihilfegewährung und damit der maßgeblichen Einwirkung das anwendba­ re Recht bestimmen. Dass dieses Ergebnis nicht einzuleuchten vermag, verdeut­ licht, dass die maßgebliche Interessenbeeinträchtigung nicht am Ort der Gewährung der Beihilfe lokalisiert werden kann. Der Ort der Einwirkung i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II erscheint daher als Anknüp­ fungspunkt auch nicht interessengerecht. Passender ist hier die Anwendung des weitergehenden Auswirkungsprinzips, das die nachteiligen Effekte der Subventio­ nierung auf das Marktgeschehen einzufangen vermag. Es erscheint daher konse­ quent, das Auswirkungsprinzip und damit Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II heranzuzie­ hen. Da zudem der Anspruch auf Rückforderung der Beihilfe seine Grundlage im primären Unionsrecht hat, der durch mitgliedstaatliche Anspruchsmodalitäten aus­ gefüllt wird433, besteht auch eine Vergleichbarkeit zu grenzüberschreitenden kar­ tellrechtlichen Fällen im Binnenmarkt, sodass auch die Anwendung des Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II Sinn ergibt. Die sachrechtliche Qualifikation durch den BGH als Anspruch aus unlauterem Wettbewerbsverhalten wegen Rechtsbruchs nach §  4 Nr.  11 UWG i. V. m. Art.  108 Abs.  3 S.  3 und als Verletzung eines Schutzgesetzes nach §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. Art.  108 Abs.  3 S.  3 AEUV434 steht dazu nicht im Widerspruch. Sie ist nur darin begründet, dass im deutschen Sachrecht §  33 GWB für die hier interessierende Fall­ konstellation nicht eingreift435, und beruht daher nicht auf einem auf das Kollisions­ recht übertragbaren Gedanken. Auch ist es für die Maßgeblichkeit von Art.  6 Abs.  3 Rom II insbesondere ohne Bedeutung, wenn Regeln, die in der Sache kartellrechtli­ chen Zwecken dienen, im nationalen Recht regelungstechnisch über den Umweg lauterkeitsrechtlicher Haftungsnormen anwendbar werden.436

430  Ähnlich BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (335) – „Flughafen Frank­ furt-Hahn“. 431  BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (335) – „Flughafen Frankfurt-Hahn“. 432  BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (335) – „Flughafen Frankfurt-Hahn“. 433  BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (333 f.) – „Flughafen Frankfurt-Hahn“. 434  So BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (330 ff., 341 ff.) – „Flughafen Frank­ furt-Hahn“. 435  So wohl BGH v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 (337 f.) – „Flughafen Frank­ furt-Hahn“. 436 Vgl. Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (507 f.) zum belgischen Recht, wo dies anscheinend eine häufigere Konstellation ist.

D.  Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft

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3. Ergebnis Die Abgrenzung zum Internationalen Kartelldeliktsrecht erfolgt anhand des Krite­ riums, ob die einschlägigen Normen dem Bestand des Wettbewerbs dienen oder entsprechende bereits existierende Schwächen kompensieren. Im Hinblick auf ein­ seitige Verhaltensweisen ist zu differenzieren: Grundsätzlich ist das Lauterkeitssta­ tut maßgebend. Soweit Sonderregeln für marktmächtige oder marktstarke Unter­ nehmen eingreifen, ist eine kartellrechtliche Qualifikation angezeigt. Gleiches gilt, wenn sich deutlich ergibt, dass eine besondere kartellrechtliche Normierung nur deshalb unterblieben ist, weil der Gesetzgeber mit dem Eingreifen eines gleichlau­ tenden allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Verbots rechnet und marktschwache Un­ ternehmen im praktischen Ergebnis nicht von der Regelung erfasst sieht. Ebenso kartellrechtlich zu qualifizieren sind Verbotsnormen wie Boykottverbote, wenn sie ein Verhalten deshalb verbieten, weil es im Ergebnis zu einer Verhaltensabstim­ mung führen kann. Dagegen sind Verbotsnormen, die nur das Ziel verfolgen, die Ausschaltung von Konkurrenten durch einseitige Maßnahmen zu verhindern und dadurch den Wettbewerb zu erhalten, lauterkeitsrechtlich zu qualifizieren. Normen des Beihilferechts schützen nicht vor unlauterem Wettbewerbsverhalten, wie es Art.  6 Abs.  1 Rom II verlangt, und sind daher Art.  6 Abs.  3 Rom II zuzuordnen. II.  Abgrenzung zu Eingriffsnormen i. S. v. Art.  16 Rom II Da der in Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II genannte lauterkeitsrechtliche Schutzzweck des reibungslosen Funktionierens der Marktwirtschaft ein Interesse der Allgemeinheit betrifft, stellt sich außerdem die Frage der Abgrenzung zu Ein­ griffsnormen, die ebenfalls typischerweise öffentlichen Interessen dienen. Fraglich ist, ob die öffentlichen Interessen am Funktionieren der Marktwirtschaft auch eine Qualifikation als Eingriffsnormen i. S. v. Art.  16 Rom II rechtfertigen können und wie das Verhältnis zu Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  16 Rom II zu verstehen ist. Zur Bestimmung des Vorliegens einer Eingriffsnorm i. S. v. Art.  16 Rom II kann die Legaldefinition aus Art.  9 Abs.  1 Rom I übernommen werden.437 „Eine Ein­ griffsnorm ist“ danach „eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbeson­ dere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung […] anzuwenden­ den Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen.“

437  Arif, ZfRV 2011, 258 (260); PWW/Remien, Art.  16 Rom II-VO Rn.  2; von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (506); ders., ZEuP 2009, 6 (24).

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

1.  Meinungsstand: Verhältnis von Art.  16 Rom II zu Art.  6 Abs.  1 Rom II Bei der Klärung des Verhältnisses von Eingriffsnormen zum Internationalen Lau­ terkeitsrecht besteht zunächst Uneinigkeit, ob lauterkeitsrechtliche Normen über­ haupt die Anforderungen an Eingriffsnormen i. S. v. Art.  16 Rom II, Art.  9 Abs.  1 Rom I erfüllen. Nach einer zum französischen Sachrecht vertretenen Auffassung sollen die auf der deliktischen Generalklausel beruhenden Tatbestände concurrence déloyale allein Individualinteressen der Wettbewerber schützen und schon aus die­ sem Grunde nicht die Voraussetzungen an eine Eingriffsnorm erfüllen können.438 Ähnlich soll auch der mit dem französischen Verbraucherschutzgesetzbuch verfolg­ te Verbraucherschutz grundsätzlich nicht ausreichend sein, um das Vorliegen einer Eingriffsnorm zu rechtfertigen.439 Hierbei wird darauf verwiesen, dass auch im In­ ternationalen Vertragsrecht das Ziel des Verbraucherschutzes allenfalls eine beson­ dere Anknüpfung gemäß Art.  6 Rom I rechtfertige, aber keine Eingriffsnorm be­ gründe. Auch im Hinblick auf das deutsche materielle Lauterkeitsrecht wird das Vorliegen von Eingriffsnormen verneint440: Die in der Schutzzwecktrias vorgesehe­ ne marktwirtschaftliche Zielsetzung des deutschen Lauterkeitsrechts wird zwar ge­ sehen, sie bestehe vergleichbar aber etwa auch im Vertragsrecht und sei zu schwach, um eine Qualifikation als Eingriffsnorm anzunehmen.441 Das charakteristische Ziel von Eingriffsnormen, die Privaten zustehende Gestaltungsfreiheit ihrer Rechtsbe­ ziehungen im öffentlichen Interesse zu begrenzen, verfolge das Lauterkeitsrecht zudem nicht.442 Nach einer anderen in Frankreich vertretenen Auffassung sollen lauterkeitsrecht­ liche Normen typischerweise die Voraussetzungen an eine Eingriffsnorm erfül­ len.443 Ähnlich ist unter Geltung des deutschen IPR eine Anwendung des Lauter­ keitsrechts als Eingriffsnorm über die Marktortanknüpfung hinaus in Erwägung gezogen worden.444 Manche Autoren nehmen restriktiver eine Qualifikation als Eingriffsnorm unter besonderen Voraussetzungen an: So will mancher eine Eingriffsnorm vor allem dann annehmen, wenn die Verhaltensnorm mit Mitteln des Strafrechts durchgesetzt

438 So

Coureault, S.  29 f. Coureault, S.  341 f. mit der hier wiedergegebenen Argumentation, die nur die schwarze Lis­ te der UGP-RL für Eingriffsnormen hält. 440  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  383 ff. 441  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  384 f. 442  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  383, 385. 443  Pironon, in: Liber amicorum Gaudemet-Tallon, S.  545 (551); dies., Europe 2008, n° 2, 6 (7, 8); speziell zur UGP-RL in Erwägung gezogen von Dickinson, Rome II, Rn.  6.41, 15.19; Micklitz, in: Weatherill/Bernitz, S.  235 (240); demgegenüber gerade zum nicht vereinheitlichten Recht für möglich gehalten von Handig, GRUR Int. 2008, 24 (29). 444  Weber, GRUR Int. 1983, 26 (30). 439 

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wird.445 Ebenso haben sich Teile der Literatur446 dafür ausgesprochen, die per-se-Verbote der schwarzen Liste im Anhang der UGP-RL als Eingriffsnormen aufzufassen. Andere versuchen statt einer Subsumtion unter Art.  16 Rom II eher, das systema­ tische Verhältnis von Art.  6 Abs.  1 Rom II und Art.  16 Rom II zu klären. Eine Auf­ fassung geht davon aus, dass Lauterkeitsnormen jedenfalls im Normalfall keine Eingriffsnormen seien, weil Art.  6 Abs.  1 Rom II sonst überflüssig wäre.447 Ähnlich wird vertreten, Art.  6 Abs.  1 Rom II dürfe nicht durch eine extensive Anwendung des Lauterkeitsrecht der lex fori als Eingriffsnorm unterlaufen werden448: Dabei wird auf die bisher in der belgischen Rechtsprechung herrschende Praxis hingewie­ sen, nach der bereits die Verwirklichung bloßer Teile einer Wettbewerbshandlung in Belgien oder auch nur ein Sitz des geschädigten Unternehmers in Belgien die An­ wendbarkeit belgischen Lauterkeitsrecht als loi d’application immédiate begründe­ te. Mit der Schaffung einer allseitigen lauterkeitsrechtlichen Kollisionsnorm des IPR auf europäischer Ebene sei eine Fortführung der bisherigen Konzeption des belgischen Rechts unter Art.  16 Rom II unvereinbar. Eine andere Sichtweise müsse dazu führen, dass das von Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Ziel der Erreichung von Rechtssicherheit in Bezug auf das anwendbare Recht verfehlt werde. Zudem werde sie der Art.  6 Abs.  1 Rom II zu Grunde liegenden Vorstellung einer „Gleichwertig­ keit“449 der lauterkeitsrechtlichen Regeln verschiedener Staaten nicht gerecht. Es könne daher nicht pauschal das gesamte Lauterkeitsrecht, sondern allenfalls einzel­ ne Normen als Eingriffsnormen eingeordnet werden. Noch weitergehend findet sich die Auffassung, Art.  6 Rom II sei letztlich eine allseitig erweiterte Regelung über bestimmte Eingriffsnormen, die Art.  16 Rom II völlig verdränge.450 2.  Meinungsstand: Verhältnis der Eingriffsnormen zu allseitigen Kollisionsnormen im Allgemeinen Die Frage, welcher dieser Auffassungen der Vorzug gebührt, kann nur beantwortet werden, wenn die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen betrachtet werden. Dazu bedarf es einer Klärung des Verhältnisses der Eingriffsnormen i. S. v. Art.  16 Rom II zu den übrigen Kollisionsnormen der Verordnung Rom II im Allgemeinen. 445  Wiebe/G. Kodek/Handig, Einleitung Rn.  292; siehe auch die Überlegungen zum französi­ schen Recht bei Ehrich, S.  95; allgemein zur Problematik vor Rom II von Hoffmann, in: FS Hen­ rich, S.  283 (285 ff.), der eine solche Anknüpfung ablehnte; dafür aber im Grundsatz Wengler, RabelsZ 19 (1954), 401 (412). 446  Coureault, S.  341 ff. 447  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 259; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  675. 448  Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (509 f.) mit der hier wiedergegebenen Argumentation. 449  Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (509): „équivalence“. 450  Ehrich, S.  111 ff. zum VO-E 2003; zur Rechtslage vor Rom II von Hoffmann, in: FS Henrich, S.  283 (284).

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

Nach einer Auffassung stehen die Anknüpfung von Eingriffsnormen und die all­ gemeinen Anknüpfungsregeln in einem Ausschließlichkeitsverhältnis.451 Für Ein­ griffsnormen ist nach dieser Meinung nur Art.  16 Rom II einschlägig. Die lex causae erfasst Eingriffsnormen nicht. Es findet sich aber auch die Ansicht, dass Art.  16 Rom II lediglich erlaubt, Nor­ men einer Rechtsordnung anzuwenden, die nicht schon nach den allgemeinen Kol­ lisionsnormen berufen ist.452 Art.  16 Rom II ist nach dieser Meinung somit in Bezug auf Eingriffsnormen nicht abschließend. Vielmehr sollen die Eingriffsnormen der nach den Art.  4 ff. Rom II berufenen lex causae ohnehin anzuwenden sein.453 Inso­ fern ist es konsequent vorauszusetzen, dass Art.  16 Rom II nur eingreifen kann, wenn die lex fori nicht schon nach den allgemeinen Kollisionsnormen berufen ist.454 Daneben wird aber auch diskutiert, ob – anders als es der Wortlaut von Art.  16 Rom II nahe legt – auch Eingriffsnormen von Drittstaaten, also nicht der lex fori und nicht der lex causae, angewandt werden können. Oftmals wird dies zwar abge­ lehnt.455 Manche meinen aber, die Frage, ob drittstaatliche Eingriffsnormen ange­ wandt werden dürften, müsse vom nationalen Recht456, möglicherweise verstanden als lex fori, geregelt werden. Andere lassen immerhin eine sachrechtliche Berück­ sichtigung innerhalb der Grenzen der lex causae zu.457 3. Stellungnahme a)  Lauterkeitsrecht und Tatbestandsmerkmale des Art.  9 Rom I Es fällt schwer, im Bereich des Lauterkeitsrechts danach zu differenzieren, ob pri­ vate oder öffentliche Interessen im Vordergrund stehen. Wenn auch die Verquickung öffentlicher und privater Interessen nach hier vertretener Auffassung nicht begriffs­ notwendig für lauterkeitsrechtliche Regelungen ist, so ist diese doch gleichwohl kei­ neswegs untypisch. Denn Normen gegen den unlauteren Wettbewerb dienen viel­ 451  Auch zum Folgenden MünchKomm/Junker, Art.  16 Rom II-VO Rn.  19; „grundsätzlich“ auch Arif, ZfRV 2011, 258 (263); im praktischen Ergebnis auch Rauscher/Jakob/Picht, Art.  16 Rom II-VO Rn.  10. 452  Auch zum Folgenden Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  16 Rom II-VO Rn.  1; Palandt/Thorn, Art.  16 Rom II (IPR) Rn.  1; PWW/Remien, Art.  16 Rom II-VO Rn.  4; G. Wagner, IPRax 2008, 1 (15). 453  Deutlich Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  16 Rom II-VO Rn.  1; PWW/Remien, Art.  16 Rom II-VO Rn.  4; nur vom Ansatz her, allerdings nicht im praktischen Ergebnis auch Rauscher/ Jakob/Picht, Art.  16 Rom II-VO Rn.  10. 454  So Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  16 Rom II-VO Rn.  1. 455 Dem Wortlaut folgend Arif, ZfRV 2011, 258 (263); Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  16 Rom II-VO Rn.  4; Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-90); Gebauer/Wiedmann/A. Staudinger, Kap.  38 Rn.  83; Ofner, ZfRV 2008, 13 (23); Junker, NJW 2007, 3675 (3680 f.); Pironon, Euro­ pe 2008, n° 2, 6 (7, 9); G. Wagner, IPRax 2008, 1 (15). 456  Leible, RIW 2008, 257 (263); MünchKommBGB/Junker, Art.  16 Rom II-VO Rn.  25; Rühl, in: FS Kropholler, S.  187 (206 f.). 457  von Hein, VersR 2007, 440 (446); ders., RabelsZ 73 (2009), 461 (506); Heiss/Loacker, JBl 2007, 613 (644); ablehnend aber Arif, ZfRV 2011, 258 (263).

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mehr häufig auch dem in Erwägungsgrund 21 S.  2 genannten Interesse der Allge­ meinheit am reibungslosen Funktionieren der Marktwirtschaft und damit auch gerade der Wahrung der wirtschaftlichen Organisation, die in Art.  9 Abs.  1 Rom I besonders genannt ist. Es drohen damit erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Insbesondere erscheint es im Hinblick auf die allgemeine Systematik der Verord­ nung – auch außerhalb des Internationalen Lauterkeitsrechts – fragwürdig, zur Fest­ stellung einer öffentlichen Schutzrichtung darauf abzustellen, ob die Verhaltens­ weise strafbewährt ist. Eine automatische Übernahme der Regeln des nationalen Internationalen Strafrechts über Art.  16 Rom II wäre problematisch, weil sie die Wertungen des Internationalen Deliktsrechts mit seinen allseitigen Kollisionsnor­ men weitgehend aushebeln würde.458 Besonders zu berücksichtigen ist dabei, dass zahlreiche deliktische Verhaltensweisen, die individuelle Rechtsgüter wie Freiheit, Leib, Leben oder Eigentum betreffen, ganz typischerweise strafbewährt sind, so­ dass die Überschneidung zwischen europäischem Internationalen Privatrecht und nationalem Internationalen Strafrecht keineswegs nur ein punktuelles Problem ist.459 Die Übernahme der nationalen Regeln des Internationalen Strafrechts über Art.  16 Rom II würde daher den mit dem europäischen IPR erstrebten Vereinheitli­ chungseffekt weitgehend aufheben. Die Orientierung am Kriterium der Strafbe­ währtheit sollte daher im Allgemeinen für die Anwendbarkeit von Art.  16 Rom II nicht maßgeblich sein. Dafür, dass dies gerade im Internationalen Lauterkeitsrecht anders sein sollte, spricht nichts. Daher fehlt es im Internationalen Lauterkeitsrecht an geeigneten Maßstäben zur Abgrenzung von eingriffsrechtlichen und „einfachen“ lauterkeitsrechtlichen Re­ geln. Bereits das lässt Zweifel daran aufkommen, ob Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht in seinem Anwendungsbereich als grundsätzlich abschließend angesehen werden soll­ te. Gleichwohl soll noch näher untersucht werden, wie sich die Anwendung von Lauterkeitsrecht über Art.  16 Rom II auf die im Internationalen Lauterkeitsrecht relevanten Interessen auswirkt. b)  Interessenlage unter Zugrundelegung der verschiedenen Ansätze Ist der inländische Markt betroffen, wird der Abgrenzung zwischen lauterkeits­ rechtlicher und eingriffsrechtlicher Qualifikation nur geringe Bedeutung zukom­ men: Denn hier wird meist sowohl über Art.  6 Rom II als auch über Art.  16 Rom II das Marktortrecht berufen werden.460 Soweit ausländische Märkte betroffen sind, könnte hingegen Art.  16 Rom II zu abweichenden Ergebnissen führen. Bei der Ana­

458  Kritisch daher zu einer solchen Übernahme unter deutschem IPR bereits Beitzke, JuS 1966, 139 (141); von Hoffmann, in: FS Henrich, S.  283 (287). 459  Dem entspricht es, wenn Beitzke, JuS 1966, 139 (141) die Übernahme internationalstraf­ rechtlicher Kriterien allgemein für das Internationale Deliktsrechts diskutiert. 460  Zu einem Spezialfall Dickinson, Rome II Supplement, Rn.  6.25.

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

lyse sollen die unterschiedlichen Prämissen des Verhältnisses von Eingriffsnormen zu den allgemeinen Kollisionsnormen gesondert betrachtet werden. aa)  Alleinige Anwendung von Eingriffsnormen der lex fori Nimmt man an, dass ausländische Eingriffsnormen weder nach der allgemein be­ stimmten lex causae noch auf andere Weise berufen werden können, so ergibt sich eine Lücke bei Tätigkeit auf ausländischen Märkten, soweit das dortige Lauterkeits­ recht eingriffsrechtlich zu qualifizieren sein sollte. In diesem Fall nämlich könnte das ausländische Lauterkeitsrecht aufgrund seines eingriffsrechtlichen Charakters nicht dem Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen; es könnte aber auch nicht über Art.  16 Rom II zur Anwendung gebracht werden, weil dieser Artikel nur Eingriffsnormen der lex fori erfasst. Der Sinn dieser Lücke erschließt sich nicht. Zudem setzt die Qualifikation einer Sachvorschrift als Eingriffsnorm nach der Legaldefinition in Art.  9 Abs.  1 Rom I voraus, dass sie „von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses […] angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwen­ denden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbe­ reich fallen.“ Dies würde zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass eine Norm, die prinzipiell alle Voraussetzungen für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation erfüllt, von ausländischen Gerichten nicht angewandt werden dürfte, nur weil sie in ihrer Rechtsordnung als besonders wichtig eingestuft wird. Andererseits kann nach diesem Ansatz auch auf ausländischen Märkten über Art.  16 Rom II möglicherweise inländisches Lauterkeitsrecht zur Anwendung ge­ langen, soweit dieses eingriffsrechtlichen Charakter hat. Zwar wird zum Teil461 schon als europarechtliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art.  16 Rom II eine genügende Verbindung zum Forumstaat verlangt; doch ist unklar, wie stark diese sein muss.462 Verlangt man auch im Zusammenhang mit dieser Norm eine Betroffenheit des inländischen Marktes, ergeben sich zwar keine Unterschiede zu Art.  6 Abs.  1 Rom II. Lässt man dagegen auch recht schwache Verbindungen ausrei­ chen, wie nach bisheriger belgischer Rechtslage den Handlungsort oder den Unter­ nehmenssitz, so kann es zu einer Anwendung inländischen Lauterkeitsrechts auf ausländischen Märkten kommen. Im Ergebnis könnte damit, abhängig vom Ver­ ständnis der einzelnen Normen als Eingriffsrecht, die lex fori über Art.  16 Rom II die nach Art.  6 Abs.  1 Rom II bestimmte lex causae überlagern. Damit führt eine solche Qualifikation zu Problemen, die denjenigen ähneln, die bereits an der weitgehenden Anwendung der lex fori im Bereich bilateraler Wettbe­

461  Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  9 Rom I-VO Rn.  16; MünchKommBGB/Junker, Art.  16 Rom II-VO Rn.  20. 462  Vgl. etwa Arif, ZfRV 2011, 258 (261), der diesem Merkmal jede einschränkende Wirkung abspricht.

D.  Grenzfälle zu anderen Regeln zum Schutze der Marktwirtschaft

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werbsbeziehungen unter deutschem IPR kritisiert wurden.463 So würde das mit der Verordnung Rom II verfolgte Ziel des Internationalen Entscheidungseinklangs stark gefährdet, soweit lauterkeitsrechtliche Vorschriften der lex fori als Eingriffs­ normen bevorzugt angewandt würden. Ebenso ist der Literatur zuzustimmen, dass das Ziel der Rechtssicherheit nach Art.  6 Abs.  1 Rom II konterkariert würde, wenn über Art.  16 Rom II lauterkeitsrechtliche Normen der lex fori zur Anwendung ge­ bracht werden könnten. Denn nach Art.  6 Abs.  1 Rom II soll der Handelnde sich nach dem Recht des Marktortes ausrichten. Käme stattdessen oder daneben noch die Anwendung der jeweiligen lex fori in Betracht, wäre das verfolgte Ziel der Rechtssicherheit über die Anknüpfung an den Marktort entwertet. Weil allenfalls ein schmaler, letztlich undefinierbarer Grat zwischen Lauterkeitsrecht und markt­ wirtschaftsschützendem Eingriffsrecht bestünde, wäre der Handelnde de facto doch gezwungen, sich mit weiteren Rechtsordnungen auseinanderzusetzen. Das Ziel der Chancengleichheit am Marktort wird ebenfalls erheblich gefährdet, wenn zusätz­ lich lauterkeitsrechtliche Verhaltensregeln eines anderen Staates auf das dortige Verhalten angewandt werden. Aber auch über den Aspekt der Wettbewerbsgleichheit hinaus wären die Interes­ sen des Staates am Marktort gefährdet. Dies folgt zum einen aus der potentiellen Lücke, die dadurch entstehen könnte, dass ausländisches Lauterkeitsrecht nicht mehr berufen werden kann, soweit ihm ein eingriffsrechtlicher Charakter zuge­ schrieben wird. Zum anderen folgt sie aus der Überlagerung des Marktortrechts durch lauterkeitsrechtliche Regeln der lex fori: Durch eine solche parallele Anwen­ dung lauterkeitsrechtlicher Regeln der lex causae und der lex fori würden die Wer­ tentscheidungen über die Grenzen zulässigen und unzulässigen Verhaltens am Marktort unterminiert. Das widerspräche dem Art.  6 Abs.  1 Rom II zu Grunde lie­ genden Konzept, nach dem die Anwendungsbereiche der Lauterkeitsrechtsordnun­ gen und damit auch die wirtschaftlichen Interessenbereiche der einzelnen Staaten klar über die Marktortanknüpfung abgegrenzt werden. Eine Sonderanknüpfung des Lauterkeitsrechts der lex fori ist daher inkonsequent, wenn man Art.  6 Abs.  1 Rom II die Wertung entnimmt, dass jeder Staat für seinen eigenen Markt „zuständig“ ist. Vielmehr liegt es dann nahe, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II alle marktwirtschaftlichen Interessen bereits hinreichend mit bedenkt.464 Eine weite Ausdehnung der lex fori im Lauterkeitsrecht über Art.  16 Rom II er­ scheint im Übrigen systematisch unpassend. So enthält Art.  6 Abs.  1 Rom II für das Internationale Lauterkeitsrecht – anders als Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II für das Inter­ nationale Kartellrecht – gerade keine Möglichkeit für das Opfer, die lex fori auch für Schäden auf ausländischen Märkten zu wählen. Obwohl Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II gerade die Rechtsdurchsetzung für den Kläger vereinfachen will465, ist 463 

Siehe zu den hier relevanten Wertungen Teil 2 D. I. 2. G. Wagner, IPRax 2008, 1 (15); noch zum deutschen IPR Fetsch, RIW 2002, 936 (939). 465  Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-86 f.). 464 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

selbst im Rahmen dieser Kollisionsnorm die Anwendung der lex fori nur innerhalb enger Grenzen möglich: Die Vorschrift setzt nicht nur eine Betroffenheit des inlän­ dischen Marktes voraus. Vielmehr muss der Markt des Gerichtsstaats „unmittelbar und wesentlich […] beeinträchtigt“ sein. Hinzu kommt, dass diese klägerfreundli­ che Kollisionsnorm mit einem internationalzivilprozessrechtlichen Schutz des Be­ klagten einhergeht, dem die Anwendung der lex fori grundsätzlich nur im Mitglied­ staat seines Wohnsitzes zugemutet wird.466 Auch wird die lex fori nicht schon von Amts wegen zur Anwendung gebracht, sondern muss vom Kläger gewählt wer­ den.467 Im Vergleich dazu kann es schwerlich überzeugen, lauterkeitsrechtliche Normen der lex fori schlicht über Art.  16 Rom II ohne jede Einschränkung anzu­ wenden. bb)  Zusätzliche Anwendung von Eingriffsnormen der lex causae Nimmt man an, dass auch ausländische Eingriffsnormen der lex causae angewandt werden können, ändert sich an den Problemen im Hinblick auf die Tätigkeit auf Auslandsmärkten wenig. Zwar ist dann nicht die Gefahr gegeben, dass das dortige Marktortrecht aufgrund seines eingriffsrechtlichen Charakters nicht angewendet werden kann. Gleichwohl bleibt es dabei, dass das Lauterkeitsrecht der nationalen lex fori zusätzlich zu den Regeln am Marktort zur Anwendung gelangen könnte. Auch dies würde zu einer Überlagerung der Regeln der lex cause führen, durch die wesentliche von Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgten Ziele, insbesondere die Chancen­ gleichheit am Marktort und die Abgrenzung staatlicher Regelungsbereiche, nicht mehr gewahrt werden könnten. cc)  Zusätzliche Anwendung drittstaatlicher Eingriffsnormen Da die Befürworter der Anwendung drittstaatlichen Eingriffsrechts keine klaren Kriterien nennen, anhand deren dieses Recht angewandt wird, sind die sich hieraus konkret ergebenden Folgen für das Lauterkeitsrecht zweifelhaft. Bereits die hiermit verbundene Rechtsunsicherheit spricht aber dafür, dass jedenfalls im Bereich des Lauterkeitsrechts die Anwendung drittstaatlicher Regeln als Eingriffsrecht unpas­ send ist. Es mag dahinstehen, ob nicht bereits der Verzicht auf die Anwendung dritt­ staatlicher Eingriffsnormen im Rahmen der Verordnung Rom II stets aus Gründen der Rechtssicherheit gerechtfertigt ist.468 Jedenfalls im Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II kommt der Rechtssicherheit besondere Bedeutung zu, da der Gesetzgeber hier bewusst eine starre Anknüpfung gewählt hat, damit der Handeln­ de auf die Geltung des Marktortrechts vertrauen kann. Diese Wertung des Art.  6 466 

Mankowski, RIW 2008, 177 (190). Mankowski, RIW 2008, 177 (190). 468 So Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-90); daher noch weitergehend gegen jede Rege­ lung über Eingriffsnormen im Internationalen Deliktsrecht Stone, EuLF 2004, 213 (224). 467 

E.  Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen

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Abs.  1 Rom II ist mit einer rechtsunsicheren Anwendung drittstaatlichen Eingriffs­ rechts unvereinbar. Die Tatsache, dass Art.  16 Rom II gerade keine Anwendung von drittstaatlichen Eingriffsnormen vorsieht, legt zudem nahe, dass nach der Systematik der Verord­ nung Rom II im Prinzip kein Bedarf für drittstaatliche Eingriffsnormen besteht.469 Dem entspricht es, wenn das praktische Anwendungsfeld des Art.  16 Rom II als eng eingeschätzt wird, weil öffentliche Interessen bereits in den allgemeinen Anknüp­ fungsregeln nach Art.  4 ff. Rom II berücksichtigt seien.470 Ob es möglicherweise Interessen und Konstellationen gibt, die der Gesetzgeber übersehen hat und welche die Anwendung drittstaatlichen Eingriffsrechts ausnahmsweise rechtfertigen könn­ ten, braucht hier nicht abschließend beurteilt zu werden. Jedenfalls im Hinblick auf den lauterkeitsrechtlichen Schutz der Marktwirtschaft ist dies nicht der Fall, weil Art.  6 Abs.  1 Rom II gerade das Interesse am Schutz der Marktwirtschaft hinrei­ chend berücksichtigt.471 Jedenfalls im Bereich des Internationalen Lauterkeitsrechts sollte man auf die Anwendung drittstaatlicher Eingriffsnormen verzichten und auch insoweit Art.  6 Abs.  1 Rom II für abschließend halten. c) Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass unabhängig davon, wie man das Verhältnis von Eingriffsnormen i. S. v. Art.  16 Rom II zu den allgemeinen Kollisionsnormen der Verordnung Rom II bewertet, eine Anwendung des Lauterkeitsrechts über Art.  16 Rom II als Eingriffsrecht aufgrund seiner marktwirtschaftlichen Zielrichtung abzu­ lehnen ist. Sie würde den in Art.  6 Abs.  1 Rom II gefundenen Interessenausgleich erheblich stören und ist zur Wahrung marktwirtschaftlicher Interessen nicht erfor­ derlich, sondern vielmehr hinderlich. Art.  6 Abs.  1 Rom II ist insoweit als abschlie­ ßende Regelung für die bei lauterkeitsrechtlichen Fällen typischerweise betroffenen öffentlichen marktwirtschaftlichen Interessen zu verstehen.

E.  Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen Manche Verhaltensnormen regeln zwar ebenfalls Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II, verfolgen aber statt marktwirtschaftlicher andere besondere öffentliche Zwecke. Dies kann im Einzelfall Zweifel daran wecken, ob diese Regeln

469  Einen solchen Bedarf verneinend auch de Boer, YBPrIL 2007, 19 (23, dort Fn.  18); Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-90). 470  Palandt/Thorn, Art.  16 Rom II (IPR) Rn.  5; G. Wagner, IPRax 2008, 1 (15), die von staatli­ chen „Steuerungsinteressen“ sprechen. 471  In diesem Sinne G. Wagner, IPRax 2008, 1 (15).

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

dem Anknüpfungsgegenstand des Internationalen Lauterkeitsrechts zuzuordnen sind. I. Arzneimittelpreisrecht So ist insbesondere das Arzneimittelpreisrecht in die Diskussion geraten: Nach §  78 Abs.  2 S.  2 AMG i. V. m. der AMPreisV wird „[e]in einheitlicher Apothekenabgabe­ preis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, […] gewährleiste[t]“. Diese Vorschrift soll zusammen mit anderen Regeln des Arzneimittelpreisrechts insbesondere die Verfügbarkeit von Arzneimitteln auf ho­ hem Niveau und allerorts gewährleisten.472 Zudem soll der einheitliche Abgabepreis den Kunden vor hohen Preisen bewahren.473 Damit verfolgt das Arzneimittelpreis­ recht einen besonderen gesundheitspolitischen öffentlichen Zweck, der nicht mit dem allgemeinen Interesse der Allgemeinheit am reibungslosen Funktionieren der Marktwirtschaft aus Erwägungsgrund 21 S.  2 Rom II identisch ist. 1. Meinungsstand Das Bundessozialgericht hat in einem Fall, der allerdings unzweifelhaft keine lau­ terkeitsrechtliche Fallkonstellation betraf474, die Auffassung vertreten, dass das Arzneimittelpreisrecht „klassisches hoheitliches Eingriffsrecht“ darstelle und nach dem – völkerrechtlich gebotenen – Territorialitätsgrundsatz zu behandeln sei.475 Nach dem Verständnis des BSG bedeutet dies, dass im Ausland belegene Arznei­ mittel nicht dem deutschen Arzneimittelpreisrecht unterfallen können. Daher sollen Internetapotheken, die aus dem Ausland Arzneimittel an Verbraucher in Deutsch­ land senden, nicht das deutsche Arzneimittelpreisrecht zu beachten haben. Der BGH hat die Auffassung des BSG in einem Fall nicht geteilt, in dem ein Mit­ bewerber gegen eine im Ausland niedergelassene Internetapotheke einen Verstoß gegen das deutsche Arzneimittelpreisrecht als Rechtsbruch i. S. v. §  4 Nr.  11 UWG geltend machte.476 Nach Auffassung des BGH richtet sich die Anwendbarkeit des Arzneimittelpreisrechts nach dem Marktortprinzip. Dafür beruft sich der BGH auf Art.  6 Abs.  1 Rom II, sagt allerdings nicht deutlich, ob, wie es in der Literatur ver­ treten wird477, Art.  6 Abs.  1 Rom II unmittelbar Anwendung finden soll oder ob er

472  BSG v. 28.07.2008 – B 1 KR 4/08 R, BSGE 101, 161 (164) unter Berufung auf Gesetzge­ bungsmaterialien; Mand, PharmR 2008, 582 (585). 473  Dettling, PharmR 2003, 401 (403). 474  Es ging um die Klage einer Apotheke mit Sitz in den Niederlanden gegen eine gesetzliche Krankenkasse auf Erstattung eines Herstellerrabatts. 475  BSG v. 28.07.2008 – B 1 KR 4/08 R, BSGE 101, 161 (166 f.) auch zum Folgenden. 476  BGH v. 09.09.2010 – I ZR 72/08, NJW 2010, 3724 (3724 ff.) – „Sparen Sie beim Medikamen­ tenkauf“ auch zum Folgenden; dem folgend auch Möllers/Poppele, LMK 2010, 310439. 477  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 259; MünchKommUWG/Mankowski, IntWett­ bR Rn.  388, der sich aber möglicherweise nur mit den Regeln zu Preisangaben beschäftigt; Spick­

E.  Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen

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mit dem Verweis auf Art.  6 Rom II nur das enge Verständnis des Territorialitäts­ prinzips widerlegen möchte. Aufgrund dieser Meinungsdivergenz wurde die Frage nach der Anwendbarkeit des Arzneimittelpreisrechts auf vom Ausland nach Deutschland verschickte Arz­ neimittel dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorge­ legt.478 Dieser geht offenbar davon aus, dass die Regeln des Arzneimittelpreisrechts selbst keinen lauterkeitsrechtlichen, sondern eingriffsrechtlichen Charakter aufwei­ sen: Wird innerhalb eines lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs die Verlet­ zung dieser Regeln geltend gemacht, so soll sich zwar die Anwendbarkeit der deut­ schen wettbewerbsrechtlichen Regeln nach Art.  6 Abs.  1 Rom II richten479, die arz­ neimittelpreisrechtlichen Regeln sollen dagegen nach eingriffsrechtlichen Kriterien angeknüpft werden, wobei letztlich ebenfalls die Einwirkungen auf den deutschen Markt für relevant gehalten werden480. Dies entspricht einer Literaturauffassung, die eine Anknüpfung nach öffentlich-rechtlichen Kriterien im Sinne des Territoria­ litätsprinzips annimmt, dieses aber weiter versteht als das BSG und damit im Er­ gebnis zu einer Anknüpfung an den Marktort gelangt481 und eine Qualifikation als Eingriffsnorm annimmt482. Dabei werden die Besonderheiten des Verhältnisses von Art.  6 Abs.  1 Rom II zum Eingriffsrecht von den Autoren, soweit ersichtlich, jedoch nicht thematisiert. 2. Stellungnahme a)  Anwendbarkeit von Art.  6 Abs.  1 Rom II Angesichts dessen, dass verbreitet von der Anwendbarkeit von Regeln des Interna­ tionalen öffentlichen Rechts auf das Arzneimittelpreisrecht ausgegangen wird, könnte man auf den ersten Blick daran zweifeln, ob diese Materie überhaupt etwas mit dem Internationalen Privatrecht nach der Verordnung Rom II zu tun hat. Das entscheidende Abgrenzungskriterium ist das Merkmal der Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 Rom II. Dieses Tatbestandsmerkmal ist aber nur dann nicht er­ füllt, wenn eine Partei eine hoheitliche Stelle ist und eine auf Hoheitsrechte gestütz­ te Tätigkeit im Streit steht.483 Davon kann im Falle eines Streits zwischen zwei pri­ hoff/Fritzsche, Vorbemerkungen UWG Rn.  2, bei dem dies aber möglicherweise nicht aus dem Charakter der Verhaltensnorm folgt. 478  BGH v. 09.09.2010 – I ZR 72/08, NJW 2010, 3724 (3724 ff.) – „Sparen Sie beim Medikamen­ tenkauf“. 479  GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (417 f.). 480  GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (418). 481  Dettling, PharmR 2003, 401 (407); ders., A&R 2008, 204 (207 f.); Mand, PharmR 2008, 582 (585 ff.) et passim; ders., NJW 2010, 3681 (3685); ders., MedR 2011, 432 (433); Meeser, PharmR 2011, 113 (114). 482  Für Eingriffsnorm zu Art.  34 EGBGB a. F. Dettling, PharmR 2003, 401 (403), ders., A&R 2008, 204 (209); zu Art.  16 Rom II und Art.  9 Rom I bejahend Mand, NJW 2010, 3681 (3685); ders., MedR 2011, 432 (432 f.). 483  Etwa EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8138) – Henkel.

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

vaten Konkurrenten, wie er im BGH-Fall vorlag, keine Rede sein, sodass ein ent­ sprechender Anspruch nicht per se den (nationalen) Kollisionsnormen des Internationalen öffentlichen Rechts unterfallen kann. Die Tatsache alleine, dass die streitentscheidenden Verhaltensnormen des Arzneimittelpreisrechts nicht nur oder nicht primär privatrechtliche Folgen haben, sondern vor allem behördlich sanktio­ niert werden484, spricht noch nicht gegen das Vorliegen einer Zivil- und Handelssa­ che: Dies ergibt sich daraus, dass insbesondere das Kartellrecht und in manchen Staaten auch das „normale“ Lauterkeitsrecht zwar vor allem behördlicher Sanktio­ nierung485 unterliegen, hinsichtlich der zivilrechtlichen Rechtsfolgen aber unter Art.  6 Rom II und damit auch in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen müssen.486 Unzweifelhaft ist allerdings, dass die Normen über den einheitlichen Apotheken­ abgabepreis vor allem nichtmarktwirtschaftliche öffentliche Interessen verfolgen. Ein über den Schutz der Marktwirtschaft hinausgehendes öffentliches Interesse, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung, wird zum Teil als Argument für eine Qualifikation als Eingriffsnorm anerkannt487, sodass eine Qua­ lifikation als Eingriffsnorm durchaus in Betracht kommt. An einer lauterkeitsrechtlichen Qualifikation könnte man auch deshalb zweifeln, weil die Vorschriften einen „ruinösen Preiswettbewerb“488 verhindern sollen.489 Diese Verhinderung von Wettbewerb entfernt sich von der Vorstellung, dass das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft gewährleistet werden soll. Um eine weitreichende Versorgung durch Apotheken zu erhalten, wird das beim reibungslo­ sen Funktionieren der Marktwirtschaft typische Ausscheiden solcher Anbieter, die weniger kostengünstig anbieten können als andere, gerade ausgeschaltet. Es geht also nicht um den Schutz des Wettbewerbs, sondern um den Schutz vor Wettbe­ werb490, was für das Lauterkeitsrecht untypisch ist491. Gleichwohl spricht nach Sinn und Zweck viel für eine lauterkeitsrechtliche Qua­ lifikation. Letztlich legt der Gesetzgeber auch hier fest, wie er sich den erwünsch­ ten Ablauf des Wettbewerbs vorstellt492: Es wird wie in typischen lauterkeitsrecht­ lichen Fällen gesetzlich eingegrenzt, mit welchen Mitteln der Kunde zulässigerwei­ se zu einer bestimmten geschäftlichen Entscheidung bewogen werden darf. Ein 484 

Meeser, PharmR 2011, 113 (117). Für das Kartellrecht in der EU etwa Rodríguez Pineau, J. Priv. Int. L. 2009, 311 (314). 486  Vgl. zum Kartellrecht Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (627 f.) 487  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn. 259; allerdings gerade nicht für das Arznei­ mittelpreisrecht; für das Heilmittelwerberecht auch Mankowski, GRUR Int. 2006, 609 (612). 488  Mand, PharmR 2008, 582 (585). 489  Mand, PharmR 2008, 582 (585). 490 Ähnlich Mand, PharmR 2008, 582 (585). 491  Beater, 2002, S.  481 lehnt einen „Schutz vor Konkurrenz“ im Lauterkeitsrecht ab; vgl. aber auch Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (512), nach dem ein solcher Schutzzweck eine lauterkeits­ rechtliche Qualifikation nicht in Frage stellt. 492  Mand, PharmR 2008, 582 (585). 485 

E.  Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen

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bestimmter Aspekt, nämlich der Preis, soll vor dem Verbraucher als Schiedsrichter beim Treffen seiner geschäftlichen Entscheidung keine Berücksichtigung finden. Dabei kann das Ziel der Verhinderung von Preiswettbewerb nur erreicht werden, wenn dieses Verbot für alle Marktteilnehmer in gleicher Weise gilt.493 Gilt es auch nur für einzelne Marktteilnehmer nicht, so droht sogar die Gefahr eines besonders verheerenden Preiswettbewerbs, weil die preisrechtlich gebundenen Apotheken auf ihre preisrechtlich nicht gebundene und möglicherweise günstigere Konkurrenz nicht reagieren könnten.494 Damit berührt die Frage der Einhaltung der Preisbin­ dung die Chancengleichheit und damit in besonderem Maße die Interessen der Konkurrenten. Nimmt man zudem an, dass die Preisbindung die Verbraucher auch vor zu hohen Kosten bewahren soll, so werden auch in diesem Bereich die wirtschaftlichen Inte­ ressen des Verbrauchers geschützt, was eine Beeinträchtigung der kollektiven Ver­ braucherinteressen jedenfalls dann nahe legt, wenn der Verstoß darin besteht, dass ein höherer Preis als der rechtlich zulässige verlangt wird.495 Auch dass der Ver­ braucher sich nicht über die unterschiedlichen Preise informieren muss, mag man – zugegebenermaßen großzügig – als einen Schutzzweck im kollektiven Verbrau­ cherinteresse ansehen.496 Ein Schutzzweck zu Gunsten der Marktwirtschaft, den man hier wohl vergeblich suchen würde, ist, wie bereits dargelegt, ohnehin kein konstitutives Merkmal für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation. Dass die materiellrechtlich besonders ge­ schützten Interessen des Gesundheitssystems eine von Art.  6 Abs.  1 Rom II abwei­ chende Qualifikation rechtfertigen könnten, erscheint ebenfalls zweifelhaft. Eine Qualifikation derartiger Verhaltensregeln als Eingriffsnorm könnte nämlich zu den­ selben Problemen führen, die einer eingriffsrechtlichen Qualifikation bei einer marktwirtschaftlichen Schutzrichtung des Lauterkeitsrechts entgegenstehen. So könnten Lücken im System entstehen, soweit es um ausländisches Arzneimittel­ preisrecht geht, das weder über Art.  6 Abs.  1 Rom II noch über Art.  16 Rom II beru­ fen werden könnte. Auch eine Überlagerung des Marktortrechts durch die Regeln der lex fori wäre möglich. Damit würden die aufgezeigten, jedenfalls ebenfalls be­ rührten lauterkeitsrechtlichen Interessen der Wettbewerber und der Verbraucher vernachlässigt. Dies wäre allenfalls hinnehmbar, wenn die vom Arzneimittelpreis­ recht geschützten öffentlichen Interessen eine von Art.  6 Abs.  1 Rom II abweichen­ de Anknüpfung rechtfertigten. Es besteht aber weitgehend Einvernehmen darüber, dass gerade die Marktortanknüpfung auch insoweit interessengerecht ist. Das dürf­ te kein Zufall sein, sondern seinen Grund darin haben, dass auch die Normen des Arzneimittelpreisrechts die Wettbewerbsbeziehungen in der Weise regeln, dass durch die Festlegung der zulässigen Verhaltensweisen und vermittelt über die damit 493 

Mand, NJW 2010, 3681 (3685). Mand, PharmR 2008, 582 (585). 495  In diesem Sinne Mand, PharmR 2008, 582 (585). 496 So Mand, PharmR 2008, 582 (585) für eine Marktortanknüpfung. 494 

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Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

verbundenen Reaktionen der Kunden bestimmte vom Gesetzgeber angestrebte Zie­ le erreicht werden sollen. Daher spricht nichts dagegen, Art.  6 Abs.  1 Rom II insoweit anzuwenden. Im Er­ gebnis können daher Normen mit besonderem gesundheitspolitischem Einschlag wie die Regeln des Arzneimittelpreisrechts nach Art.  6 Abs.  1 Rom II eine lauter­ keitsrechtliche Qualifikation rechtfertigen. b)  Verhältnis zu einseitigen Kollisionsnormen Eine andere Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist allerdings, ob aus der Anwendbarkeit von Art.  6 Abs.  1 Rom II auf Regeln des Arzneimittelpreisrechts auch unmittelbar folgt, dass bei einer Betroffenheit des deutschen Marktes zwin­ gend die Verhaltensregeln des deutschen Arzneimittelpreisrechts anwendbar sein müssen, oder ob das nationale Recht vielmehr seine Verbotsnormen für den Fall des grenzüberschreitenden Arzneimittelhandels für unanwendbar erklären kann. Dabei geht es um eine einseitige Begrenzung des Anwendungsbereichs von Normen, was auch als sog. einseitige Kollisionsnorm bezeichnet wird497. Die Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend davon ab, ob man meint, dass die Verordnung Rom II auch diese sog. einseitigen Kollisionsnormen des nationalen Rechts verdrängt. Das ist zum Teil bejaht worden.498 Demgegenüber findet sich auch die Auffassung, dass bewusst einseitige Beschränkungen des räumlichen Anwen­ dungsbereichs von Sachnormen stets beachtlich seien.499 Im Anwendungsbereich des Internationalen Kartelldeliktsrechts nach Art.  6 Abs.  3 Rom II wird diese Auf­ fassung jedenfalls in Bezug auf Verhaltensnormen500 sogar recht weitgehend vertre­ ten.501 Zum deutschen Internationalen Lauterkeitsrecht ist ebenfalls eine Prüfung derartiger Beschränkungen der lex causae befürwortet worden.502 Speziell zur AM­ PreisV ist, ohne den Begriff des Kollisionsrechts zu verwenden, auch vertreten wor­ den, dass diese eine materiellrechtliche Beschränkung des räumlichen Anwen­ dungsbereichs enthalte.503 Den letztgenannten Ansätzen ist im Ergebnis zuzustimmen: Entgegen Überle­ gungen zum deutschen IPR 504 hat die Berücksichtigung einseitiger Kollisionsnor­ men mit einem – nach Art.  24 Rom II unzulässigen – Renvoi nicht viel zu tun.505 497 

Etwa zum Arzneimittelpreisrecht Dettling, PharmR 2003, 401 (403). Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (453); wohl auch MünchKommUWG/Mankowski, IntWett­ bR Rn.  2; zum deutschen IPR Höder, S.  97 f. einerseits, S.  100 andererseits. 499 So Dickinson, Rome II, Rn.  3.42. 500  Wohl hierauf beschränkend Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (636). 501 Etwa Hellner, YBPrIL 2007, 49 (62); Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  103; Rodríguez Pineau, AE­ DIPr 2007, 447 (454); dies., J. Priv. Int. L. 2009, 311 (322); Scholz/Rixen, EuZW 2008, 327 (330, 331). 502  Wengler, RabelsZ 19 (1954), 401 (423 f.); ähnlich Dethloff, Europäisierung, S.  278. 503  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  388. 504  Höder, S.  100. 505  Gegen das Vorliegen eines Renvoi bei Beachtung einseitiger Kollisionsnormen auch Di498 

E.  Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen

219

Zwar könnte man meinen, dass der mit dem Ausschluss des Renvoi nach Art.  24 Rom II verfolgte Zweck hier ebenfalls einschlägig sei: So soll die Vorschrift die Rechtsanwendung dadurch vereinfachen, dass nicht noch zusätzliche Anknüp­ fungsmomente neben denen der Verordnung Rom II geprüft werden müssen.506 Sol­ che zusätzliche Anknüpfungsmomente sind naturgemäß auch in einseitig ausgestal­ tete Beschränkungen des räumlichen Anwendungsbereichs enthalten. Allerdings spricht schon der Wortlaut der Überschrift des Art.  24 Rom II, der nur eine Rück- und Weiterverweisung ausschließt, dagegen, dass auch einseitige Kolli­ sionsnormen der lex causae nicht berücksichtigt werden dürften.507 Zudem verfol­ gen derartige Kollisionsnormen ganz andere Wertungen als ein Renvoi: Während beim Renvoi die Entscheidung über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Verhal­ tens dem Recht eines anderen Staates überlassen wird, geht es bei den einseitigen Beschränkungen des Anwendungsbereichs darum, die Interessen der Beteiligten – unter Einschluss der Besonderheiten des Auslandssachverhalts – abzuwägen und daraus herzuleiten, ob ein Verbot für das beanstandete Verhalten zum Schutze ei­ nes bestimmten Rechtsguts gelten soll. Wenn eine einseitige Kollisionsnorm ge­ schaffen wird, so tut der Erlassstaat dies nicht in der Vorstellung, dass das Recht eines anderen Staates zur Regulierung dieses Verhaltens berufen sein soll,508 son­ dern aufgrund der materiellrechtlichen Wertung, dass die Beeinträchtigung eines bestimmten Rechtsguts ein Verbot bei bestimmten Auslandssachverhalten nicht zu rechtfertigen vermag. Ob diese Wertung als Frage des Sachrechts oder einer einsei­ tigen Kollisionsnorm ausgegeben wird, scheint eher terminologischen Charakter zu haben und sollte daher für das Verhältnis zur Verordnung Rom II keine weitere Rolle spielen.509 Der Sachrechtsgesetzgeber wird bei dieser Wertung, ob ein Verbot eingreifen soll, zwar Umstände berücksichtigen, die auch kollisionsrechtlich bedeutsam sind: Die bereits zum Kollisionsrecht genannten Argumente – insbesondere der Aspekt der Chancengleichheit – können etwa dafür sprechen, dass diese Regeln auch mate­ riellrechtlich einheitlich anzuwenden sind.510 Dieser Aspekt muss aber vom Sach­ rechtsgesetzgeber nicht zwingend für durchschlagend gehalten werden: Es können Gründe dafür sprechen, dass das anwendbare Recht das Verhalten bei Auslands­ sachverhalten gerade erlauben sollte. Dass die lex causae zulässigerweise auf das Vorliegen eines Auslandssachverhalts reagieren kann, wird von der Rom II-Verord­ nung vorausgesetzt. Sie ergibt sich etwa aus der Möglichkeit der Berücksichtigung ausländischen Sachrechts nach Art.  17 Rom II. Diese stellt eine besondere Ausprä­ ckinson, Rome II, Rn.  3.42; Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (641); Scholz/Rixen, EuZW 2008, 327 (330). 506 So Handig, GRUR Int. 2008, 24 (30) zu Art.  24 Rom II im Allgemeinen. 507  Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (641). 508  Dickinson, Rome II, Rn.  3.42. 509  Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (641): „funktional äquivalent“; siehe auch Mook, S.  145, der einseitigen Kollisionsnormen einen „sachentscheidenden Teil“ entnehmen will. 510  Dettling, A&R 2008, 204 (209) unter Zitierung der Gesetzgebungsmaterialien.

220

Teil 5:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Verhaltensnormen

gung der Berücksichtigung des Auslandssachverhalts dar.511 Ein vergleichbarer Fall ist die weitgehend anerkannte Beschränkung des Anwendungsbereichs sachrechtli­ cher Verbotsnormen durch ein materielles Spürbarkeitskriterium.512 Daher erscheint es jedenfalls im Normalfall unbedenklich, wenn der Gesetzgeber der lex causae den räumlichen Anwendungsbereich seiner Sachnormen einseitig einschränken kann. Wenn das BSG im Zusammenhang mit dem Arzneimittelpreisrecht also etwa die Systematik des AMG näher analysiert und etwa einen engen Zusammenhang zwi­ schen der Preisbindung und der Tatsache sieht, dass einer ausländischen Internet­ apotheke grundsätzlich von den deutschen gesetzlichen Krankenkassen keine sog. Herstellerrabatte gewährt werden513, so scheinen dies Überlegungen zu sein, die auf sachrechtlicher Ebene angesiedelt sind. Angesichts dessen, dass das BSG derartige materiellrechtlichen Aspekte in seiner Argumentation verwendet hat, war es rich­ tig, dass die Frage vom Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes und nicht vom EuGH entschieden wurde514: Denn die Frage nach der Anwendbar­ keit des deutschen Arzneimittelpreisrechts ist – auch für Wettbewerbsstreitigkeiten – in Wirklichkeit vor allem ein sachrechtliches Problem und damit keines, das sich im Wege der Auslegung des Art.  6 Abs.  1 Rom II durch den EuGH hätte klären lassen. II.  Sonstige Interessen der Allgemeinheit Insgesamt ist damit nach hier vertretener Ansicht eine extensive Auslegung des Art.  6 Abs.  1 Rom II angezeigt, um nach Möglichkeit die Regeln des Marktverhal­ tens interessengerecht anzuknüpfen. Das ist jedenfalls insoweit zu befürworten, als bestimmte Ziele durch Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen der Marktge­ genseite und damit durch den Ablauf des Marktgeschehens erreicht werden sollen. Denn derartige Normen zielen jedenfalls typischerweise auf die Herstellung ein­ heitlicher Wettbewerbsbedingungen und auf die Chancengleichheit im Wettbewerb und betreffen schon deshalb jedenfalls auch die Interessen der Wettbewerber. Zu­ gleich stellen sie eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass eine Schädigung von Wettbewerbern durch Beeinflussung der Entscheidung von Kunden erlaubt ist. Ent­ gegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung515 werden daher etwa auch Wer­ beverbote für besondere Berufsgruppen je nach Verbotsgrund lauterkeitsrechtli­ chen Charakter aufweisen.

511 

Palandt/Thorn, Art.  17 Rom II (IPR) Rn.  2. Wohl in diesem Sinne zum Kartellrecht Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (641). 513  BSG v. 28.07.2008 – B 1 KR 4/08 R, BSGE 101, 161 (170), wobei dort gegen den Anspruch auf Gewährung des Herstellerrabatts argumentiert wird. 514  So auch, allerdings im Hinblick auf andere europarechtliche Gesichtspunkte Mand, NJW 2010, 3681 (3685 f.). 515  Gegen Lauterkeitsrecht und für Eingriffsnorm MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  360. 512 

E.  Grenzfälle zu anderen öffentlichen Interessen

221

Es ergibt sich die Frage, ob Art.  6 Abs.  1 Rom II auch die Anknüpfung von Ver­ haltensregeln betrifft, die zwar eine Einwirkung auf die Marktgegenseite regeln, allerdings nicht spezifisch vor einer Schädigung durch eine geschäftliche Entscheidung der Marktgegenseite schützen sollen. Das Problem dürfte etwa Normen des öffentlichen Baurechts betreffen: Für Fälle, in denen ein Konkurrent, wie in Öster­ reich, auf die Einhaltung baurechtlicher Normen klagen kann, wird hier eine lauter­ keitsrechtliche Qualifikation in der Literatur denn auch in Zweifel gezogen.516 Dies erscheint plausibel, da derartige Normen – etwa betreffend die baurechtliche Zuläs­ sigkeit bestimmter Nutzungen – zum einen nicht die geschäftliche Entscheidung der Marktgegenseite betreffen und zum anderen baurechtliche Verhaltensnormen wohl regelmäßig nicht zu dem Zweck erlassen werden, einheitliche Wettbewerbsbedin­ gungen zu schaffen517. Zudem dürften sie in den nationalen Rechtsordnungen nicht als lauterkeitsrechtliche Materien begriffen werden. Methodenehrlich ist es daher, hinter derartigen Verhaltensnormen kein lauter­ keitsrechtlich geschütztes Interesse i. S. v. Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II mehr anzunehmen. Die Bedeutung der Qualifikation darf in diesem Bereich allerdings nicht überschätzt werden, da zum einen, wie im Bereich des Arzneimittelpreis­ rechts gesehen, öffentlich-rechtliche Anknüpfungsregeln häufig zu vergleichbaren Ergebnissen führen, jedenfalls soweit es um Normen der lex fori geht, und zum anderen bei lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen stets darüber nachzudenken ist, ob eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation über den Sanktionsmechanismus gerecht­ fertigt werden kann.518 Abweichungen im praktischen Ergebnis dürften in diesem Bereich daher selten vorkommen. Eine lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung einer Sachnorm scheidet im Ergebnis aus, soweit eine Norm zwar im öffentlichen Interesse Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II regelt, dabei aber nicht vor einem bestimmten Verhalten der Marktgegenseite Schutz gewähren will. III. Ergebnis Auch Verhaltensnormen, die besonderen öffentlichen Interessen außerhalb des Ziels des Funktionierens der Marktwirtschaft dienen, können unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fallen. Vorzugswürdig ist es aber, auch dies auf Konstellationen zu be­ schränken, in denen gerade Schäden als Folge einer geschäftlichen Entscheidung der Marktgegenseite verhindert werden sollen. Dies trifft etwa auf das Arzneimit­ telpreisrecht zu, wird dagegen etwa bei baurechtlichen Normen regelmäßig nicht der Fall sein.

516 

Handig, wbl 2008, 1 (7, dort Fn.  87). Zu den sachrechtlichen Schutzzwecken und dem Lauterkeitsrecht Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  11.48. 518  Siehe dazu Teil 7 D. II. 3. b). 517 

Teil 6

Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen Liegt nach den bisher untersuchten Kriterien ein unlauteres Wettbewerbsverhalten vor, so ist damit noch nicht gesagt, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II stets die maßgebliche Kollisionsnorm ist. Denn Art.  6 Abs.  1 Rom II setzt voraus, dass „aus [dem] unlau­ teren Wettbewerbsverhalten“ gerade „außervertragliche Schuldverhältnisse“ entste­ hen, und zwar gemäß Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II solche „in Zivil- und Handelssa­ chen“. Art.  6 Abs.  1 Rom II ist daher nur maßgeblich, wenn das unlautere Wettbe­ werbsverhalten bestimmte Rechtsfolgen auslöst. Entscheidend ist daher nicht nur, dass ein marktbezogenes Wettbewerbsverhalten vorliegt, das einen Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche Verhaltensnormen begründen soll, sondern es kommt zusätz­ lich entscheidend darauf an, welche Art der Sanktionierung hiermit verbunden ist. Zudem ist zu diskutieren, ob die Sanktionen, die Art.  6 Abs.  1 Rom II zu erfassen vermag, noch in weiterer Hinsicht eingeschränkt sind: So ist Art.  6 Abs.  1 Rom II in der Verordnung im „Kapitel II: Unerlaubte Handlungen“, der Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche betrifft, angesiedelt. Es erscheint daher diskussionswür­ dig, ob zu anderen Kapiteln der Verordnung Rom II, und zwar insbesondere dem in Kapitel III geregelten Recht ungerechtfertigte Bereicherung gemäß Art.  10 Rom II, abzugrenzen ist. Außerdem ist in unterschiedlicher Weise vertreten worden, dass aus unlauterem Wettbewerbsverhalten resultierende Schadensersatzansprüche ge­ rade auf den Schutz der individuellen Interessen des Anspruchstellers gerichtet sei­ en, was Zweifel an der Interessengerechtigkeit der Anknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II aufgeworfen hat. Da die Diskussion in der Regel maßgeblich durch die Besonderheiten geprägt ist, die sich aus der Rechtsnatur des einzelnen Anspruchstellers oder seiner Beziehung zum unlauter handelnden Wettbewerber ergeben, soll dabei nacheinander auf die einzelnen Gruppen potentieller Anspruchsteller oder sonstiger sanktionsberechtig­ ter Stellen eingegangen werden.

A.  Sanktionierung durch Mitbewerber Einzugehen ist zunächst auf die unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten einzel­ ner Mitbewerber. Die Sanktionierung unlauteren Wettbewerbsverhaltens durch Un­ terlassungsansprüche von Mitbewerbern dürfte den Paradefall lauterkeitsrechtli­

A.  Sanktionierung durch Mitbewerber

223

cher Ansprüche darstellen. Es überrascht daher nicht, dass Zweifel an der Maßgeb­ lichkeit der Kollisionsnorm des Art.  6 Abs.  1 Rom II insoweit nicht ersichtlich sind. Zu diskutieren ist aber, inwieweit Art.  6 Abs.  1 Rom II für andere Arten der Sankti­ onierung eine sachgerechte Kollisionsnorm bietet. Dazu werden im Folgenden Schadensersatzansprüche sowie Abmahnungen untersucht. I. Schadensersatzansprüche 1. Allgemein a) Meinungsstand Zum deutschen IPR ist vereinzelt vertreten worden, dass Schadensersatzansprüche stets allein dem finanziellen Individualinteresse des anspruchstellenden Mitbewer­ bers dienten, sodass insoweit die Regeln des allgemeinen Internationalen Delikts­ rechts anzuwenden seien.1 Dabei war diese Auffassung wohl so zu verstehen, dass sowohl die Verhaltens- als auch die Sanktionsnormen sich in diesen Fällen nach dem allgemeinen Deliktsstatut richten sollten. Dieses äußerst restriktive Verständnis, das Schadensersatzansprüche vollständig aus dem Internationalen Lauterkeitsrecht ausklammern wollte, ist zwar für Art.  6 Abs.  1 Rom II aufgegeben worden.2 Jedoch denken Teile der Literatur – jedenfalls rechtspolitisch – im Hinblick auf lauterkeitsrechtliche Schadensersatzansprüche über eine unterschiedliche kollisionsrechtliche Anknüpfung von Verhaltensnormen einerseits und Sanktionsnormen andererseits nach: Diese Vertreter der Literatur ha­ ben zwar Verständnis für die Anknüpfung der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnor­ men an den Marktort; sie halten aber für begründungsbedürftig, dass auch die scha­ densersatzrechtlichen Sanktionsnormen selbst nach Art.  6 Abs.  1 Rom II ange­ knüpft werden sollen3: Bei den Art.  6 Abs.  1 Rom II zu Grunde liegenden Erwägungen spielten nämlich die für den Schadensersatz selbst maßgeblichen Ge­ danken der Kompensation keine Rolle.4 Es stehe den Parteien auch frei, über den Schadensersatzanspruch materiellrechtliche Vereinbarungen zu treffen; das lege nahe, dass auch eine kollisionsrechtliche Rechtswahl für diese Frage zulässig sein müsse.5 Zum Teil wird daher die Anknüpfung an den Marktort damit begründet, dass wohl nach Vorstellung des Unionsgesetzgebers dem Schadensersatzanspruch im Lauterkeitsrecht über die individuelle Kompensationsfunktion hinaus auch eine Funktion im öffentlichen Interesse – vergleichbar der Abschreckungsfunktion im 1  Beater, 2002, S.  820; speziell unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit einer Rechtswahl auch Laufkötter, S.  136 ff. 2  Beater, 2011, Rn.  735 ff. 3  Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (22 f.); de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (186 f.); Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7). 4  Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (22 f.). 5  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (186).

224

Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

Kartellrecht – zukommen müsse.6 Teils werden auch die Abstimmungsschwierig­ keiten bei einem Auseinanderfallen von Verhaltens- und Sanktionsnormen hervor­ gehoben.7 b) Stellungnahme Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasst unzweifelhaft auch lauterkeitsrechtliche Schadensersatz­ ansprüche von Konkurrenten. Hätte der Verordnungsgeber Schadensersatzansprü­ che vom Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Rom II ausschließen und nur Unter­ lassungsansprüche erfassen wollen, hätte er in der Formulierung des Anknüpfungs­ punktes nicht die Formulierung „beeinträchtigt worden sind“ aufgenommen, sondern sich auf die Formulierung für Unterlassungsansprüche typische Formulie­ rung „wahrscheinlich beeinträchtigt werden“ beschränken können. Dass sich auch die Schadensersatzsanktion selbst nach der Kollisionsnorm des Art.  6 Abs.  1 Rom II richtet, ergibt sich daraus, dass der Geltungsbereich des Internationalen Lauter­ keitsrechts nach der Regelung des Art.  15 lit.  a Rom II „insbesondere […] den Grund und den Umfang der Haftung“ erfasst. Daher ist es richtig, dass de lege lata Art.  6 Abs.  1 Rom II auch Schadensersatzansprüche hinsichtlich Verhaltens- und Sank­ tions­normen erfasst. Es stellt sich daher nur die Frage der rechtspolitischen Berechtigung dieser Lö­ sung. Eine pauschale Behandlung von Schadensersatzansprüchen nach dem allgemei­ nen Internationalen Deliktsrecht, wie sie zum deutschen IPR angedacht wurde, wäre rechtspolitisch bedenklich: Das von Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Ziel der Schaffung eines einheitlichen Rahmens an Verhaltensregeln würde unterlaufen, wenn dieser im Bereich von Schadensersatzansprüchen nicht anwendbar wäre. Denn dann müsste jeder Wettbewerber sein Verhalten nicht nur nach dem Recht am Marktort, sondern vorsichtshalber auch nach allen über das allgemeine Deliktssta­ tut ermittelten Rechtsordnungen ausrichten, um eine zivilrechtliche Haftung zu vermeiden. Zu diskutieren ist daher nur der Sinn und Zweck dieser Regelung, soweit er aus­ schließt, dass der Umfang der Haftung nach allgemeindeliktischen Regeln ange­ knüpft wird. Es dürften hierfür weitgehend Erwägungen maßgeblich sein, die auch für die Anknüpfung der Verhaltensnormen gelten. So dürfte es richtig sein, dass dem Schadensersatzanspruch selbst eine verhaltenslenkende Funktion zukommt, die bei der Anknüpfung durchaus mitberücksichtigt werden kann.8 Insbesondere ist zu bedenken, dass die Höhe des Schadensersatzes dafür Bedeutung erlangen kann, ob sich unlauteres Wettbewerbsverhalten „lohnt“, ob es also für den Wettbewerber ökonomisch sinnvoll ist, die lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen einzuhalten 6 

Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (23). de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (186 f.). 8  In diesem Sinne wohl Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-86). 7 

A.  Sanktionierung durch Mitbewerber

225

oder aber ihnen zuwiderzuhandeln. Daher sollte sinnvollerweise gerade der Staat, der mit dem Lauterkeitsrecht das Marktverhalten in seinem Territorium steuern will, die Voraussetzungen der Haftung und die Kriterien der Berechnung des Scha­ densersatzes festlegen können. Auch unter dem Gesichtspunkt der von Art.  6 Abs.  1 Rom II angestrebten Chancengleichheit erscheint es konsequent, nicht dabei stehen zu bleiben, auf alle Marktteilnehmer identische Verhaltensnormen anzuwenden, sondern darüber hinaus auch die weiteren Voraussetzungen und Folgen der Haftung ein und derselben Rechtsordnung zu unterwerfen. Anderenfalls könnte ein Un­ gleichgewicht entstehen, wenn Wettbewerber auf ein und demselben Markt – insbe­ sondere über die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt – auf­ grund desselben Wettbewerbsverstoßes unterschiedlich bemessene Schadenser­ satzforderungen zu befürchten hätten. Aber auch typisch kompensatorische Gesichtspunkte sprechen eher für als gegen eine Anknüpfung des Schadensersatzes nach Art.  6 Abs.  1 Rom II. Zwar nimmt die Literatur häufig an, dass dem Gedanken der Schadenskompensation bei der An­ knüpfung im Internationalen Lauterkeitsrecht praktisch keine Bedeutung zukom­ me.9 Gleichwohl besteht aber auch unter Kompensationsgesichtspunkten ein hinrei­ chender Bezug zum Marktort: So kann man annehmen, dass Nachteile für den ge­ schädigten Konkurrenten hierzu eine enge wirtschaftliche Verbindung aufweisen.10 Ebenso heißt es in der Kommissionsbegründung, dass „die Vorschrift grundsätzlich das Recht bezeichnet, das ihre [=der Geschädigten] wirtschaftlichen Beziehungen regelt“.11 Denn die durch unlauteren Wettbewerb resultierende Verringerung der Kundenbeziehungen des geschädigten Konkurrenten vollzieht sich am Marktort.12 Auch passt insbesondere die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Auf­ enthalt nach Art.  4 Abs.  2 Rom II unter Kompensationsgesichtspunkten im Lauter­ keitsrecht weniger als im allgemeinen Deliktsrecht.13 Art.  4 Abs.  2 Rom II liegt nämlich der Gedanke zu Grunde, dass Geschädigter und Schädiger wirtschaftlich dauerhaft mit den Konsequenzen des Delikts am Ort ihres gewöhnlichen Aufent­ halts leben müssen und insbesondere eine kurz andauernde Begegnung im Ausland dann für die Anknüpfung an Bedeutung verliert.14 Zudem soll Art.  4 Abs.  2 Rom II unerwartete Anknüpfungsergebnisse vermeiden und damit Rechtssicherheit schaf­ fen.15 Beide Gedanken scheinen auf die Tätigkeit von Wettbewerbern am Marktort kaum übertragbar, weil diese mit ihrer Markttätigkeit typischerweise auf Dauer und

9  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  220; Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (6); zum deutschen Recht Höder, S.  11. 10 Ähnlich de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (153). 11  KOM(2003) 427 endgültig, S.  18. 12  Luciani, JCP E 2008, n° 48, 18 (21). 13  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  664. 14  Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1 (18). 15  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  664.

226

Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

gezielt eine Aktivität im Ausland ausüben16. Letztlich spricht für die gemeinsame Anknüpfung von Verhaltens- und Sanktionsnormen der allgemein in Art.  15 Rom II zum Ausdruck kommenden Gedanke17, dass die im Zusammenhang mit einem au­ ßervertraglichen Schuldverhältnis stehenden Rechtsfragen zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit möglichst weitgehend nach ein und derselben Rechtsordnung zu beurteilen sind.18 Aus all diesen Gründen ist es auch rechtspolitisch sinnvoll, dass im Rahmen von lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzansprüchen nicht nur die Verhaltens-, sondern auch die Sanktionsnormen nach Art.  6 Abs.  1 Rom II angeknüpft werden. 2.  Sonderfall: Dreifache Schadensberechnung a) Problem Ist im Grundsatz eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation von Schadensersatzan­ sprüchen hinsichtlich Sanktions- und Verhaltensnorm zu bejahen, so können sich Zweifel an der lauterkeitsrechtlichen Qualifikation in dem Spezialfall ergeben, dass der Schadensersatz nach der sog. dreifachen Schadensberechnung ermittelt wird. Vor allem relevant ist diese nach deutschem Sachrecht in den dem Immaterialgüter­ recht nahestehenden Fällen des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen und des Leis­ tungsschutzes.19 Hier kann nämlich neben dem tatsächlich entstandenen Schaden Ersatz auch in der Form verlangt werden, dass der erlangte Gewinn des Schädigers oder eine angemessene Lizenzgebühr bezahlt wird.20 Diese Ansprüche berücksich­ tigen damit weniger die Vermögensverringerung beim Anspruchsteller als vielmehr den Vermögenszuwachs beim Anspruchsgegner. Es besteht folglich eine Verwandt­ schaft zum Recht der ungerechtfertigten Bereicherung.21 Ohne spezifischen Bezug zu dem hier interessierenden Problem wird auch der unionsrechtliche Begriff der ungerechtfertigten Bereicherung in Art.  10 Rom II darüber definiert, dass sich der Anspruchsinhalt nach der Veränderung der Vermögenslage des Anspruchsgegners bemisst.22 Eine bereicherungsrechtliche Qualifikation erscheint auch rechtsvergleichend be­ trachtet nicht fernliegend. Zwar gibt es auch andere Rechtsordnungen, die im Rah­ men des Lauterkeitsrechts eine dreifache Schadensberechnung23 oder immerhin 16  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  664 zu dem Zweck der Vermeidung überraschen­ der Anknüpfungsergebnisse. 17 Vgl. Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-89): „principle of unity of the applicable law“; MünchKommBGB/Junker, Art.  15 Rom II-VO Rn.  5. 18 Vgl. de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (186 f.). 19  Vgl. zu den Anwendungsfällen Fezer/Koos, §  9 Rn.  28. 20  G/L/E/Melullis, §  80 Rn.  62. 21  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  798. 22  Palandt/Thorn, Art.  10 Rom II (IPR) Rn.  2. 23  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (373 f.) zu Italien, mit Unsicherheit zur aktu­ ellen Rechtslage.

A.  Sanktionierung durch Mitbewerber

227

eine Haftung auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie24 zulas­ sen. Dagegen werden in anderen Rechtsordnungen in Europa offenbar vergleichbare Ansprüche bislang nur auf bereicherungsrechtlicher Grundlage gewährt.25 Auch in Deutschland bestehen zudem echte bereicherungsrechtliche Ansprüche neben den lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzansprüchen.26 b) Bedeutung Die Relevanz des hier interessierenden Problems hängt davon ab, ob eine bereiche­ rungsrechtliche Qualifikation zu anderen Anknüpfungsergebnissen führt als ein lauterkeitsrechtliches Verständnis der Ansprüche. Es wird vertreten, dass für berei­ cherungsrechtliche Ansprüche aufgrund unlauteren Wettbewerbs über die Akzes­ sorietätsklausel in Art.  10 Abs.  1 Rom II dieselbe Anknüpfung wie nach Art.  6 Abs.  1 Rom II erreicht werde.27 Wäre dies richtig, so wäre die Bedeutung des Qualifikationsproblems gering: Im Rahmen der objektiven Anknüpfung würden über Art.  10 Abs.  1 Rom II und Art.  6 Abs.  11 Rom II identische Ergebnisse erreicht. Die Qualifikation könnte nur für die Frage der Zulässigkeit einer Rechtswahl i. S. v. Art.  14 Rom II relevant werden: Während Art.  6 Abs.  4 Rom II bei lauterkeitsrechtlicher Qualifikation eine Rechts­ wahl ausschließt, ist eine solche nach Art.  14 Rom II im Internationalen Bereiche­ rungsrecht ohne Weiteres möglich. Gleichwohl ist fraglich, ob über Art.  10 Abs.  1 Rom II für Fälle unlauteren Wett­ bewerbsverhaltens akzessorisch an das nach Art.  6 Abs.  1 Rom II bestimmte Mark­ tortrecht angeknüpft werden kann. Art.  10 Abs.  1 Rom II setzt „ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis – wie […] eine unerlaubte Handlung“ voraus. Zwar besteht kein Zweifel daran, dass auch unlauterer Wettbewerb eine unerlaubte Handlung im Sinne dieser Bestimmung sein kann. Der Wortlaut, der explizit auf ein „bestehendes“ Rechtsverhältnis abstellt, kann jedoch nicht so verstanden werden, dass es ausreichen könnte, dass die ungerechtfertigte Bereicherung und die uner­ laubte Handlung zeitlich zusammenfallen.28 Gerade das ist aber der Fall, wenn aus ein und derselben Verletzung einer lauterkeitsrechtlichen Norm sowohl Schadenser­ satz- als auch Bereicherungsansprüche resultieren. Daher greift die Akzessorietäts­ klausel in Art.  10 Abs.  1 Rom II regelmäßig nicht ein; es ist vielmehr Art.  10 Abs.  2–4 Rom II anzuwenden. Es erscheint aber zweifelhaft, ob Art.  10 Abs.  2–4 Rom II einen Gleichlauf mit der Marktortanknüpfung herbeiführen kann. Mag es eine Interpretationsfrage sein, 24 

Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (707) zu Ungarn. Gouga, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  323 (332, 352 ff.) zur griechischen Rechtspre­ chung; Käerdi, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  217 (220, 225) zu Estland. 26  G/L/E/Melullis, §  80 Rn.  99. 27  Wadlow, EIPR 2008, 309 (318). 28  Huber/Bach, IPRax 2005, 73 (81); anders allerdings unter Berufung auf die Gesetzgebungs­ geschichte Schacherreiter, in: Beig u. a., S.  69 (73). 25 

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

ob der Ort des Eintritts der ungerechtfertigten Bereicherung i. S. v. Art.  10 Abs.  3 Rom II dem Marktort entspricht, so kann jedenfalls die hierzu vorrangige Anknüp­ fung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  10 Abs.  2 Rom II zu Abweichungen von der Marktortanknüpfung führen. In diesem Falle ließe sich ein Gleichlauf zu Art.  6 Abs.  1 Rom II nur über das Anknüpfungsmoment der offen­ sichtlich engeren Verbindung nach Art.  10 Abs.  3 Rom II erreichen. Da diese Norm jedoch eine Ausnahmevorschrift darstellt und offenbar eine einzelfallbezogene Prü­ fung der „Gesamtheit der Umstände“ voraussetzt, erscheint es zweifelhaft, ob sie letztlich zur allgemeinen Begründung der Marktortanknüpfung für bereicherungs­ rechtliche Ansprüche dienen kann, die aus der Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen resultieren.29 Aus diesem Grunde ist die Frage der lauterkeitsrechtlichen oder bereicherungs­ rechtlichen Qualifikation von Ansprüchen auf Herausgabe des Gewinns und einer fiktiven Lizenzgebühr nicht nur für die Frage der Zulässigkeit der Rechtswahl und damit für die subjektive Anknüpfung, sondern vielmehr auch für die objektive An­ knüpfung von Bedeutung. c) Meinungsstand Ausdrücklich wird die Qualifikation der genannten Ansprüche, soweit ersichtlich, nur für das Internationale Zivilprozessrecht unter Art.  5 Nr.  3 EuGVVO diskutiert. Nach einer Auffassung sind entsprechende Ansprüche, die nach der Lizenzanalogie oder der Herausgabe des Verletzergewinns berechnet werden, in ihrem Charakter bereicherungsrechtlich und unterfallen daher nicht nach Art.  5 Nr.  3 EuGVVO dem besonderen Gerichtsstand für „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“, selbst wenn sie im nationalen Recht als Schadensersatzanspruch verstanden werden.30 Denn diese Ansprüche setzten im Ergebnis überhaupt keinen Schaden beim Anspruchsteller voraus und ließen sich daher auch nicht mehr als Schadensersatzansprüche begreifen. Eine andere Auffassung differenziert dagegen danach, ob der Anspruch auf be­ reicherungsrechtlicher Anspruchsgrundlage beruht oder ob die Herausgabe des Verletzergewinns bzw. der hypothetischen Lizenzgebühr lediglich als Methoden der Bestimmung des Haftungsumfangs im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs verstanden werden.31 Zwar soll es im Rahmen der Qualifikation nicht auf die Stel­ lung im nationalen Recht ankommen.32 Maßgeblich für die Qualifikation sei die 29  Siehe zum vergleichbaren Problem der Begründung des Marktortprinzips im deutschen In­ ternationalen Deliktsrecht über Art.  41 Abs.  1 EGBGB etwa MünchKommUWG/Mankowski, Int­ WettbR Rn.  274 m. w. N. 30  Kubis, S.  107 ff. mit dem hier genannten Argument. 31  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  384 ff.; MünchKommZPO/Gottwald, Art.  5 EuGVO Rn.  56 (zum Immaterialgüterrecht); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  797 f. 32  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  384 ff.

A.  Sanktionierung durch Mitbewerber

229

Funktion der Norm und weniger die Berechnungsmethode für den Anspruch.33 Hierbei wird in der Literatur in diesem Zusammenhang auf die deliktstypische Auf­ gabe der Prävention hingewiesen, die der dreifachen Schadensberechnung zukom­ me.34 Zudem wird die dreifache Schadensberechnung mit einer normativen Scha­ densberechnung verglichen und darauf hingewiesen, dass sie Probleme kompensie­ ren soll, die beim Nachweis des tatsächlich entstandenen Schadens eintreten.35 Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach deutschem Recht erfüllten dagegen nicht die Funktion des Schadensausgleichs.36 Zum Kollisionsrecht findet sich keine vergleichbare Diskussion. Allenfalls wird implizit vorausgesetzt, dass für Schadensersatzansprüche, die nach der Lizenzana­ logie oder dem Verletzergewinn berechnet werden, die lauterkeitsrechtliche Mark­ tortanknüpfung maßgeblich sei.37 d) Stellungnahme Art.  6 Abs.  1 Rom II stellt die Einhaltung einer Verhaltensordnung in den Vorder­ grund.38 Die Anknüpfung an den Marktort soll den Wettbewerbern einen vorher­ sehbaren Anknüpfungspunkt bieten und Rechtssicherheit bei ihrer Tätigkeit auf dem Markt schaffen. Das Lauterkeitsrecht soll zudem die par conditio concurrentium wahren. Wollte man bestimmte Ansprüche aufgrund unlauteren Wettbewerbsverhaltens bereicherungsrechtlich qualifizieren und Art.  10 Rom II anwenden, würden die Zie­ le des Art.  6 Abs.  1 Rom II gefährdet. So würde die bereicherungsrechtliche Kolli­ sionsnorm nicht das eng mit dem Ziel der Verhaltenssteuerung verknüpfte erhöhte Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit erfüllen, dem durch eine starre Anknüpfung an den Marktort nach Art.  6 Abs.  1 Rom II Rechnung getragen werden soll. Die mit Art.  6 Abs.  1 Rom II angestrebte Garantie für den Wettbewerber, sich nur nach dem Marktortrecht richten zu müssen, wäre ausgehöhlt. Um eine bereicherungsrechtli­ che Haftung zu vermeiden, müsste er neben dem Marktortrecht stets auch die berei­ cherungsrechtliche Anknüpfung überprüfen und sich gegebenenfalls sowohl nach den lauterkeitsrechtlichen Verhaltensregeln des Marktortes als auch nach denen des Bereicherungsstatuts richten. Dieses Statut ist zudem nicht einheitlich zu bestim­ men, sondern führt etwa über die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  10 Abs.  2 Rom II dazu, dass unterschiedliche Wettbewerber auf demselben Markt im Verhältnis zueinander unterschiedlichen Regeln unterlie­ gen. Eine solche Anknüpfung ist aber – im Bereich des Lauterkeitsdeliktsrechts – 33 

Wohl Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  796 ff. Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  798. 35  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  384 ff.; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  798. 36  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  384 ff. 37  Zum deutschen IPR etwa Dethloff, Europäisierung, S.  128. 38  Siehe zu all diesen Zwecken bereits Teil 2 A. II. 2. 34 

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

bereits zu Recht zum deutschen IPR kritisiert wurden.39 Denn sie schafft Probleme für die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts und führt im Widerspruch zum Grundsatz der Chancengleichheit dazu, dass Wettbewerber unterschiedlicher Hei­ matstaaten unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen. Zu berücksichtigen ist auch das Interesse an einer effektiven und gleichen Sank­ tionierung der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensregeln. Das Interesse des Staates des Marktortes daran, zu verhindern, dass sich unlauterer Wettbewerb im Ergebnis lohnt, spricht für eine Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II auf alle Sanktionen, unabhängig davon, ob diese nach dem entstandenen Schaden berechnet werden. Eine einheitliche Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II auf alle Ansprüche, unab­ hängig von der Art der Schadensberechnung, nähert sich damit dem wertungsmäßig nahestehenden Immaterialgüterrecht an, für das Art.  13 Rom II einen Gleichlauf von Delikts- und Bereicherungsrecht anordnet und damit einer Aufspaltung des Im­ materialgüterrechtsstatuts entgegenwirkt. Gründe dafür, dass die Ansprüche auf­ grund der Verletzung von Immaterialgüterrechten und lauterkeitsrechtlichem Leis­ tungsschutz grundlegend verschieden behandelt werden sollten, sind nicht zu er­ kennen. All diese Gesichtspunkte gelten unabhängig davon, ob der Anspruch in der nati­ onalen Rechtsordnung formal bereicherungsrechtlichen oder deliktischen Charak­ ter hat. Dass eine unterschiedliche sachrechtlich-dogmatische Einordnung der An­ sprüche in den nationalen Rechtsordnungen eine unterschiedliche Qualifikation im Rahmen der vereinheitlichten europäischen IPR nach sich ziehen sollte, will nicht recht einleuchten. Dass entsprechende Ansprüche bei unterschiedlicher formaler Anspruchsgrundlage funktionsverwandt sind, wird in der Literatur auch gesehen.40 Unter teleologischen Gesichtspunkten vorzugswürdig ist daher eine einheitliche Qualifikation als Schadensersatzanspruch, damit die Anwendung der Marktortan­ knüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II möglich ist. Die Abgrenzungen nach der Art der Berechnung der Haftung oder die Frage, ob die Anspruchsnorm einen Schadensausgleich bewirken soll, mögen im IZVR ange­ bracht sein. Eine Einengung des Art.  5 Nr.  3 EuGVVO vermag die Steuerungsfunk­ tion des Lauterkeitsrechts nämlich nicht zu beeinträchtigen. Auch im Anwendungs­ bereich der Verordnung Rom II mögen derartige Überlegungen, die nach der Be­ rechnungsweise des Anspruchsinhalts abgrenzen, grundsätzlich passend sein, insbesondere im allgemeinen Internationalen Deliktsrecht, in dem Kompensations­ gedanken eher im Vordergrund stehen als im Lauterkeitsrecht. Eine Unterscheidung nach der Berechnung des Anspruchsinhalts kann für die Zwecke der allgemeinde­ liktischen Qualifikation möglicherweise diejenigen Normen ermitteln, die eine ent­ sprechende Kompensationsfunktion in ihrer Rechtsordnung erfüllen. Demgegen­ über muss aber der vor allem auf Verhaltensregeln fokussierte Art.  6 Abs.  1 Rom II, 39 

40 

Vgl. Teil 2 D. I. 2. Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  798.

A.  Sanktionierung durch Mitbewerber

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bei dem nach Vorstellung der Kommission „Schadenersatzklagen […] rein akzesso­ risch [sind] und […] von einem allgemeinen Urteil über das Funktionieren des Marktes abhängen [müssen]“41, die einschlägigen Verbotsnormen prinzipiell ab­ schließend festlegen. Dieser Anknüpfungsgegenstand muss daher nach Kriterien bestimmt werden, welche die lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen herausfil­ tern, ohne dass der Frage der Kompensation durch den geltend gemachten Anspruch maßgebliche Bedeutung zukäme. Ein solches Verständnis der hier diskutierten Forderungen als Ansprüche aus un­ erlaubter Handlung i. S. v. Kapitel III Rom II und damit als Schadensersatzansprü­ che ist mit dem nationalen, europäischen und internationalen Sprachgebrauch zu vereinbaren. Zu bedenken ist, dass die fraglichen Ansprüche jedenfalls teilweise in den Mitgliedstaaten als Berechnungsmethoden im Rahmen von Schadensersatzan­ sprüchen verstanden werden. Der Unionsrechtsordnung ist das Verständnis ver­ gleichbarer Ansprüche als Schadensersatzansprüche ebenfalls nicht fremd. Das Unionsrecht kennt die Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie und dem Ver­ letzergewinn nur, aber immerhin in Art.  13 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a und Abs.  2 der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums42.43 Das spricht dafür, im Bereich des vergleichbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes das­ selbe Schadensverständnis zu Grunde zu legen. Ebenso soll der Begriff des Scha­ dens im Sinne der WIPO Model Provisions ausdrücklich auch eine ungerechtfertig­ te Bereicherung bezeichnen.44 Daher können lauterkeitsrechtliche Ansprüche auf Herausgabe des Verletzergewinns bzw. einer fiktiven Lizenzgebühr noch als Scha­ densersatzansprüche und damit als Ansprüche aus unerlaubter Handlung i. S. v. Ka­ pitel III Rom II verstanden werden. II.  Sanktionierung durch Abmahnungen Soweit ersichtlich, ist die internationalprivatrechtliche Behandlung von Abmahnun­ gen, wie sie in §  12 Abs.  1 UWG vorgesehen sind, bisher kaum diskutiert worden. Im Wesentlichen ist Art.  6 Abs.  1 Rom II auch für das „Abmahnverhältnis“45 pas­ send. Doch ist jeweils für die einzelnen aus der Abmahnung resultierenden Rechts­ folgen zu klären, ob diese vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasst sind. Das gilt zunächst für den Aufwendungsersatzanspruch, wie er gemäß §  12 Abs.  2 S.  2 UWG im Falle einer berechtigten Abmahnung gegeben ist. Eine Einordnung als Frage des Verfahrens i. S. v. Art.  1 Abs.  3 Rom II, wie es bei einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch nahe liegen würde, scheidet aus.46 Zum einen wird der 41 

KOM (2003) 427 endgültig, S.  18. Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. L 157 vom 30.4.2004, S.  45 ff. 43  Oskierski, S.  118 f. 44  Note 1.08 WIPO Model Provisions. 45  So der Ausdruck bei Beater, 2011, Rn.  2829 (dort als Überschrift in Fettdruck). 46  Auch in der sachrechtlichen Literatur wird der Anspruch trotz seiner gesetzessystemati­ 42 

232

Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

Tatbestand des §  12 Abs.  1 S.  2 UWG bereits vor der Anrufung eines Gerichts und damit außerprozessual voll verwirklicht. Zum anderen ist der Anspruch aus §  12 Abs.  1 S.  2 UWG selbständig einklagbar und hängt damit nicht vom prozessualen Schicksal einer Unterlassungsklage ab. Entgegen früherem Verständnis zum deut­ schen Sachrecht47 kommt eine Qualifikation eines solchen Anspruchs als Fall einer Geschäftsführung ohne Auftrag wohl aus unionsrechtlich-autonomer Sicht nicht in Betracht: Denn die Geschäftsführung ohne Auftrag erfasst hiernach die Wahrneh­ mung fremder Angelegenheiten mit dem Ziel der Förderung fremder Interessen.48 In der Sache wird durch die Abmahnung dagegen ein bereits begründeter Unterlas­ sungsanspruch vom Gläubiger gegenüber dem Schuldner außergerichtlich geltend gemacht.49 Es ist sachrechtlich auch ohne Belang, ob die Abmahnung vom Willen oder Interesse des Abgemahnten gedeckt ist.50 Daher geht es aus unionsrechtlicher Sicht wohl schlicht um „das Vorliegen, die Art und die Bemessung des Schadens oder der geforderten Wiedergutmachung“ i. S. v. Art.  15 lit.  c Rom II und damit um die Frage eines Schadensersatzanspruchs: Denn die entsprechenden Abmahnungs­ kosten sind eine Vermögenseinbuße, die kausal auf einem unlauteren Wettbewerbs­ verhalten beruht.51 Wollte man doch eine Geschäftsführung ohne Auftrag anneh­ men, käme man im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen: Denn die Geschäfts­ führung ohne Auftrag knüpft in diesen Konstellationen jedenfalls i. S. v. Art.  11 Abs.  1 Rom II an ein bestehendes Rechtsverhältnis aus unerlaubter Handlung, näm­ lich den lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch, an. Der einzige Unterschied dürfte darin bestehen, dass bei der Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag eine Rechtswahl nach Art.  14 Rom II möglich ist, die bei einer Einordnung als lau­ terkeitsrechtlicher Schadensersatzanspruch gemäß Art.  6 Abs.  4 Rom II ausge­ schlossen ist. Aber auch andere Fragen aus dem Abmahnverhältnis lassen sich unproblema­ tisch unter Art.  6 Abs.  1 Rom II fassen. Die Kollisionsnorm führt dazu, dass ein Dreiecksverhältnis einheitlichen Regeln unterworfen werden kann, wenn mehrere Konkurrenten eine Abmahnung schicken. Das gilt etwa hinsichtlich der Verpflich­ tung des Verletzers, einen zweiten Abmahner über eine zeitlich früher erteilte Un­ terwerfungserklärung aufgrund desselben Lauterkeitsverstoßes zu benachrichti­ gen.52 Ähnlich erscheint auch für das Verhältnis zwischen mehreren Abmahnern schen Einordnung in das Kapitel 3 „Verfahrensvorschriften“ materiellrechtlich verstanden, etwa G/L/E/Loschelder, §  92 Rn.  3. 47  Vgl. zur früheren Rechtsprechung die Nachweise bei Beater, 2011, Rn.  2834. 48  Palandt/Thorn, Art.  11 Rom II (IPR) Rn.  2. 49  Fezer/Büscher, §  12 UWG Rn.  3. 50  G/L/E/Loschelder, §  92 Rn.  6. 51 Nach Beater, 2011, Rn.  2834 war auch im deutschen Sachrecht zunächst eine Einordnung als Posten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs bejaht worden; heute noch für die Möglichkeit einer schadensersatzrechtlichen Erstattung etwa Fezer/Büscher, §  12 UWG Rn.  62. 52  Zum deutschen Sachrecht BGH v. 19.06.1986 – I ZR 65/84, NJW-RR 1987, 225 (226) – „Aufklärungspflicht des Abgemahnten”; Beater, 2011, Rn.  2830.

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

233

untereinander die Anwendung des Art.  6 Abs.  1 Rom II praktikabel: Das gilt insbe­ sondere für das Recht des zweiten Abmahners gegenüber dem ersten Abmahner, über die Details einer früheren strafbewährten Unterlassungserklärung informiert zu werden53. Hinsichtlich mancher Rechtsfragen ist dagegen das Lauterkeitsstatut nach Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht einschlägig: So sind etwa die kostenrechtlichen Folgen, die sich daraus ergeben können, dass ein Unterlassungsanspruch ohne vorherige Abmah­ nung eingeklagt wird, als Fragen der Prozesskosten und damit als Verfahrensfrage i. S. v. Art.  1 Abs.  3 Rom II einzuordnen. Nach einer Literaturauffassung soll hinsichtlich der Frage der Formwirksamkeit einer Unterwerfungserklärung des Schädigers Art.  21 Rom II i. V. m. Art.  6 Abs.  1 Rom II anwendbar sein.54 Dem kann nur eingeschränkt zugestimmt werden. Geht es etwa um die Rechtsfrage, ob durch die Abgabe einer Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr weggefallen ist, und wird angenommen, dass diese Frage sich im Sachrecht allein nach der Wirksamkeit des mit der Unterlassungserklärung an­ gestrebten Vertragsschlusses richte55, so handelt es sich bei der Frage der Formwirk­ samkeit der Unterwerfungserklärung allein um eine vertragsrechtliche Vorfrage im Rahmen des lauterkeitsrechtlichen Anspruchs. Die Formwirksamkeit des Vertrages richtet sich dann nach Art.  11 Rom I-VO. Daher kann für Art.  21 Rom II nur dann Raum bleiben, soweit die lex causae über die Formwirksamkeit des Vertrages hin­ aus zusätzliche Formerfordernisse für eine bestimmte lauterkeitsrechtliche Rechts­ folge aufstellt: So kann man es etwa auffassen, wenn der BGH zum deutschen Recht für den Wegfall der Wiederholungsgefahr verlangt, dass der Unterwerfer gewillt sein müsse, seine Unterwerfungserklärung zur Erleichterung der Nachweisbarkeit in Schriftform zu bestätigen.56

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite Eine Sanktion für ein bestimmtes Wettbewerbsverhalten kann auch durch die Marktgegenseite, also die potentiellen oder tatsächlichen Kunden, erfolgen. Dieses „Vertikalverhältnis“57 wird jedoch, jedenfalls nach deutscher Vorstellung, ganz ty­ pischerweise durch das Vertragsrecht58 bzw. im Vorfeld des Vertrages durch das Recht der culpa in contrahendo geregelt. Diese Rechtsregeln betreffen typischer­ 53 

So ein Recht nimmt Beater, 2011, Rn.  2831 an. Nordemann, Rn.  32. 55  So zum deutschen Recht Teplitzky, 8. Kapitel Rn.  4, der daher den Charakter des Vertrags untersucht. 56  BGH v. 08.03.1990 – I ZR 116/88, GRUR 1990, 530 (532) – „Unterwerfung durch Fernschrei­ ben“, dort allerdings sachrechtlich nicht als Formfrage verstanden. 57  Beater, 2011, Rn.  87 (Hervorhebung im Original durch Fettdruck). 58  Beater, 2011, Rn.  87. 54 

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

weise die individuellen, nicht aber die kollektiven Interessen der Marktgegenseite.59 Sie bilden damit in der Regel keine Sanktion, die an die Unlauterkeit eines Wettbe­ werbsverhaltens anknüpft oder Wettbewerbsverhalten im Interesse des kollektiven Verbraucherschutzes lenken soll.60 Für die typischen Fälle besteht prinzipiell nur ein sehr geringes Überschneidungspotential zum Recht gegen den unlauteren Wett­ bewerb.61 Diese Konstellationen lassen sich damit grundsätzlich klar gegenüber dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II abgrenzen. Abweichend von diesem Normalfall ist es aber auch möglich, dass eine sach­ rechtliche Regelung zwar eine Sanktion im Vertikalverhältnis, also durch den individuellen Kunden vorsieht, damit aber eine Verhaltensregelung durchgesetzt wer­ den soll, die im kollektiven Verbraucherinteresse besteht. Diese Verquickung indi­ vidueller Verbraucherrechte auf der Sanktionsseite und des Ziels kollektiven Verbraucherschutzes auf der Verhaltensnormseite bereitet erhebliche Schwierigkei­ ten bei der Bestimmung der maßgeblichen Kollisionsnorm. I.  Vertragstypische Sanktionierung Ein an sich lauterkeitsrechtliches Verbot, insbesondere ein Verbot irreführender Werbung, kann in der Weise durchgesetzt werden, dass der Schädiger im Verhältnis zu seinen individuellen Kunden an seinen falschen Aussagen festgehalten wird oder, umgekehrt, der Verbraucher, dessen geschäftliche Entscheidung zum Ver­ tragsschluss durch eine unlautere Geschäftspraktik hervorgerufen wurde, nicht weiter an diesen Vertrag gebunden ist.62 Wird mit derartigen typisch vertragsrecht­ lichen Mechanismen die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts erreicht, so fragt sich, ob auch insoweit der Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II oder viel­ mehr das Internationale Vertragsrecht nach der Verordnung Rom I einschlägig ist. 1.  Meinungsstand im Allgemeinen Allgemeine Aussagen zur Qualifikation vertragstypischer Sanktionen für unlaute­ res Wettbewerbsverhalten sind selten. Zum Teil wird ohne nähere Begründung da­ von ausgegangen, dass bereits das Vorliegen unlauteren Wettbewerbsverhaltens dazu führe, dass ein hieran anknüpfendes Schuldverhältnis als außervertraglich zu qualifizieren sei.63 Man wird dies möglicherweise so verstehen können, dass der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnorm bei der Qualifikation der Vorrang einge­ räumt wird.64 Nach einer anderen Auffassung setzt sich demgegenüber bei der Qua­ lifikation die vertragsrechtliche Sanktion gegenüber der lauterkeitsrechtlichen Ver­ 59 

Beater, 2011, Rn.  87 zum Vertragsrecht. Beater, 2011, Rn.  1088. 61  Beater, 2011, Rn.  87 in sachrechtlichem Kontext. 62  Beater, 2011, Rn.  1089 f. 63  Cheshire/North/Fawcett, S.  809. 64  Vgl. auch die Argumentation bei Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  410. 60 Vgl.

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

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haltensnorm durch.65 Es wird dabei ausdrücklich hingenommen, dass nationale Umsetzungsnormen zu ein und derselben Richtliniennorm bei unterschiedlicher Sanktionierung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich qualifiziert werden könnten.66 2.  Sanktion der Unverbindlichkeit Die Sanktion für unlauteres Verhalten kann darin bestehen, dass der Gesetzgeber die Unverbindlichkeit eines durch unlauteres Wettbewerbsverhalten zustande ge­ kommenen Vertrages anordnet. Dafür kommen verschiedene Regelungstechniken in Betracht wie Rücktrittsrechte (etwa nach dem früheren §  13 UWG a. F.67), die Anordnung der Unwirksamkeit68, Anfechtungsrechte69 oder die Modifikation des Vertragsschlusses etwa in Fällen des §  241a BGB bzw. der zu Grunde liegenden Richtliniennorm des Art.  9 Spiegelstrich 2 FernabsatzRL.70 Derartige auf die Un­ verbindlichkeit eines Vertrages hinauslaufende Regeln sind unzweifelhaft dem In­ ternationalen Vertragsrecht zuzuordnen.71 Denn hier werden die Regeln über den Vertragsschluss bzw. die Wirksamkeit modifiziert.72 Wenn Vertragsschluss und Wirksamkeit aber gemäß Art.  10, 12 Rom I Fragen des Vertragsstatuts sind, so muss eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation ausscheiden.73 Das gilt unabhängig davon, dass auch in diesen Fällen das Ziel wettbewerbsrechtlicher Chancengleichheit durch die Sanktion der vertraglichen Unverbindlichkeit erreicht werden soll.74 Auch die sachrechtlichen Wertungen der UGP-RL sprechen für dieses Ergebnis. Denn die „Richtlinie lässt das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags unberührt“ (Art.  3 Abs.  2 UGP-RL). Es mag hier dahinstehen, ob die Mitgliedstaa­ ten wenigstens im nationalen Recht an die Unlauterkeit nach der UGP-RL eine ver­ tragsrechtliche Nichtigkeitsfolge knüpfen dürfen.75 In der Vorstellung des Unions­ 65 

MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  130. MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  130. 67 Vgl. Beater, 2002, S.  740 ff. 68 So für aufgrund aggressiver Geschäftspraktiken geschlossene Verträge das französische Recht, vgl. Lucas-Schloetter, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  237 (242). 69 Vgl. zum portugiesischen Recht Pinto Monteiro/Nogueira Serens/Maia/Herzog, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  531 (583, dort Fn.  207). 70 Siehe Dörner, in: FS Kollhosser, Band 2, S.  75 (81), mit ähnlicher Aufzählung auch zu außer­ vertraglichen Sanktionen. 71  Für unzweifelhaft hält derartige Konstellationen auch Dörner, in: FS Kollhosser, Band 2, S.  75 (81); im Ergebnis ebenso Ehrich, S.  106; MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  130; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  415. 72  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  415. 73  So MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  130. 74 Ähnlich Dörner, in: FS Kollhosser, Band 2, S.  75 (81). 75  Dagegen Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak v. 29.11.2011 – C-453/10, Rn. 111 – Pereničová und Perenič, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter . 66 

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gesetzgebers sind jedenfalls die Fragen, ob ein Verhalten lauterkeitsrechtlich verbo­ ten ist und ob ein wirksamer Vertragsschluss vorliegt, gemäß Art.  3 Abs.  2 UGP-RL zunächst einmal voneinander unabhängig. Folglich erscheint es konsequent, auch die kollisionsrechtliche Abgrenzung der Anknüpfungsgegenstände anhand dersel­ ben Trennlinie vorzunehmen. Dem lauterkeitsrechtlichen Zweck derartiger vertragstypischer Sanktionen kann aber wohl durch eine Anwendung als Eingriffsnormen der lex fori Rechnung getra­ gen werden. Nach Art.  9 Abs.  2 Rom I sollten die meisten dieser Vorschriften stets im Inland Anwendung finden. Es wird sich meist um Normen handeln, die die Vor­ aussetzungen der Legaldefinition des Art.  9 Abs.  1 Rom I erfüllen. So dienen diese Normen dem öffentlichen Interesse im Sinne der „wirtschaftlichen Organisation“, weil diese Normen lauterkeitsrechtlichen Zwecken und damit letztlich auch dem Interesse am reibungslosen Funktionieren der Marktwirtschaft dienen sollen. Sie dürften daher auch in der Regel nach dem Willen des Erlassstaates zwingend auf alle Sachverhalte anzuwenden sein, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Letzte­ rer dürfte wegen der lauterkeitsrechtlichen Zielsetzung de facto häufig mit dem Marktort im Sinne der Anknüpfungspunkte des Art.  6 Abs.  1 Rom II übereinstim­ men.76 Insoweit ist ein Gleichlauf mit Art.  6 Abs.  1 Rom II auch bei einer vertragli­ chen Qualifikation derartiger Regeln weitgehend gewahrt. Dagegen kann den hier beschriebenen auf den Vertragsmechanismus einwirken­ den Vorschriften nicht nach Art.  9 Abs.  3 S.  1 Rom I als drittstaatlichen Eingriffs­ normen Wirkung verliehen werden: Denn nach Art.  9 Abs.  3 S.  1 Rom I kann nur Eingriffsnormen des Erfüllungsortes „Wirkung verliehen werden, soweit diese Ein­ griffsnormen die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen“.77 Hier wird aber die Unverbindlichkeit nicht angeordnet, weil die Erfüllung des Vertrages un­ rechtmäßig wäre78, sondern weil die Art und Weise seiner Anbahnung oder Begrün­ dung unzulässig ist. Entsprechend passt auch die in Art.  9 Abs.  3 S.  1, 1. HS Rom I vorgesehene Maßgeblichkeit der Normen des Erfüllungsortes nicht. Wird eine lauterkeitsrechtliche Verhaltensnorm vertragsrechtlich in der Weise sanktioniert, dass die Unverbindlichkeit eines Vertrages mit der Marktgegenseite angeordnet wird, greift somit nicht Art.  6 Abs.  1 Rom II ein, sondern es sind viel­ mehr die Regeln der Verordnung Rom I einschlägig.

76  So unstreitig etwa das Vorgehen im Kartellrecht, vgl. MünchKommBGB/Martiny, Art.  9 Rom I-VO Rn.  133 (auch zum „Wettbewerbsrecht“). 77  Hierauf eingrenzend wohl auch Arif, ZfRV 2011, 256 (263). 78  Die Norm auf derartige Fälle beschränkend MünchKommBGB/Martiny, Art.  9 Rom I-VO Rn.  117, allerdings mit einer darüber hinausgehenden Möglichkeit, die Normen im Sachrecht zu berücksichtigen.

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3.  Sanktion der Verbindlichkeit eines Versprechens, insbesondere Gewinnzusage a) Problem Umgekehrt kann der Gesetzgeber sich aber auch entschließen, aus lauterkeitsrechtli­ chen Erwägungen die Verbindlichkeit eines Leistungsversprechens anzuordnen, wo nach allgemeinen Regeln des Vertragsrechts noch keine Leistungspflicht begründet wäre.79 In der Literatur und der Rechtsprechung des EuGH zur EuGVVO sind insbe­ sondere Fälle ins Blickfeld geraten, in denen Preise aufgrund sog. Gewinnzusagen geltend gemacht werden, wie sie in §  661a BGB normiert sind. Nach §  661a BGB „[hat] [e]in Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck er­ weckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, […] dem Verbraucher diesen Preis zu leisten.“ Die Vorschrift soll einem unlauteren Wettbewerbsverhalten Ein­ halt gebieten, bei dem ein Unternehmer dem Verbraucher Gewinne verspricht, die er nicht zu leisten bereit ist.80 Der Gesetzgeber handelte dabei in der Erwägung, dass die typische lauterkeitsrechtliche Sanktionierung diesem Verhalten kein Ende haben setzen können, was die Schaffung von §  661a BGB notwendig mache.81 Die Norm hat damit auch „generalpräventiven Charakter“82.83 Angesichts dieser Zielsetzung des Gesetzgebers kann die Haftung für Gewinnzusagen als eine Sanktion für ein Verhalten angesehen werden, das aus Gründen des kollektiven Verbraucherschut­ zes84 und damit aus lauterkeitsrechtlichen Gründen verboten ist.85 Unter Geltung der UGP-RL handelt es sich gemäß Nr.  31 Anhang I nun auch aus Sicht des Unionsrechts bei den von §  661a BGB in den Blick genommenen Konstel­ lationen regelmäßig um ein unter allen Umständen unlauteres Verhalten.86 Letztlich wird eine vom einzelnen Verbraucher durchzusetzende Sanktion in den Dienst des 79  Treffend zur Gewinnzusage Piekenbrock/Schulze, IPRax 2003, 328 (332): „den Einwand der Unverbindlichkeit aus Gründen des Wettbewerbs und des Verbraucherschutzes abzuschneiden“. 80  Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro – Drucksache 14/2658 –, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2920, S.  15; dem folgend BGH v. 28.11.2002 – III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 (90). 81  Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro – Drucksache 14/2658 –, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2920, S.  15; ähnlich wie hier wiedergegeben bei Felke/Jordans, IPRax 2004, 409 (411). 82  Felke/Jordans, IPRax 2004, 409 (411). 83  So auch Lorenz, IPRax 2002, 192 (192, 195); Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (413); A. Staudinger, JZ 2003, 852 (855). 84  Vgl. OGH v. 29.03.2006 – 3 Ob 230/05b, EuLF 2006, II-61 (II-62), der ausdrücklich das vorrangige Ziel nicht im Individualschutz des Verbrauchers sieht; anders aber MünchKommBGB/ Martiny, Art.  9 Rom I-VO Rn.  93. 85  BGH v. 01.12.2005 - III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 (181) spricht von einer „lauterkeitsrecht­ lichen und sozialpolitischen Zielsetzung“; ähnlich OGH v. 29.03.2006 – 3 Ob 230/05b, EuLF 2006, II-61 (II-62). 86  Hierauf weist Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (413) hin.

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kollektiven Verbraucherschutzes gestellt.87 Für die Bestimmung des Anknüpfungs­ gegenstandes von Art.  6 Rom II kommt es damit auch hier entscheidend darauf an, ob der Verbotszweck oder der Sanktionsmechanismus für die Qualifikation ent­ scheidend sind.88 b)  Nationale Qualifikation und Bedeutung für das europäische IPR Im nationalen Recht ist die genaue dogmatische Konstruktion der Gewinnzusage umstritten: Nach der von einem Teil der Literatur geteilten Auffassung des BGH geht es um geschäftsähnliche Handlungen89. Nach anderen Auffassungen liegt ein einseitiges Rechtsgeschäft90, eine Rechtscheinshaftung91 oder eine Norm des De­ liktsrechts92 , „eine zivilrechtliche Norm mit Strafcharakter“93 oder eine besondere Formvorschrift für einen Schenkungsvertrag94 vor. Diese dogmatische Einordnung mag im bisherigen nationalen Recht eine Bedeutung für die Frage der international­ privatrechtlichen Qualifikation gehabt haben.95 Denn man kann grundsätzlich an­ nehmen, dass die systematische Einordnung des nationalen Sachrechts und des na­ tionalen IPR einander entsprechen.96 Für das europäische Kollisionsrecht ist die Einordnung im nationalen Recht we­ niger ergiebig, weil die Begriffe des europäischen Kollisionsrechts europäisch-auto­ nom auszulegen sind.97 Bei der europäisch-autonomen Qualifikation ist zu beach­ ten, dass die Abgrenzung zwischen den einzelnen Systembegriffen im europäischen Kollisionsrecht einerseits und im nationalen Sachrecht andererseits nicht zwingend einheitlichen Maßstäben folgen wird. Im nationalen IPR mag man möglicherweise annehmen, dass aufgrund der grundsätzlichen Übereinstimmung der Systembe­ griffe ein einheitliches von einer Sachnorm geregeltes Rechtsinstitut auch kollisi­ onsrechtlich nicht in zwei Anknüpfungsgegenstände auseinandergerissen werden kann. Im europäischen Kollisionsrecht kann es eine derartige Annahme von vorn­ herein nicht geben. Denn die Rechtsfragen des europäischen Kollisionsrechts und die „Rechtsantworten“ des jeweiligen nationalen Sachrechts wurden nicht mit ei­ 87  OGH v. 29.03.2006 – 3 Ob 230/05b, EuLF 2006, II-61 (II-62): „lediglich Mittel zum Zweck der Durchsetzung“; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  410: „zu wettbewerbsrechtlichen Zwecken […] gleichsam instrumentalisiert“; Leible, IPRax 2003, 28 (30). 88  Ähnlich MünchKommBGB/Junker, 4.  Aufl., Art.  42 Anh. 15: „Zielsetzung oder Technik der Vorschriften“. 89  BGH v. 01.12.2005 - III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 (179); Lorenz, NJW 2000, 3305 (3307); Lorenz/Unberath, IPRax 2005, 219 (221); Lorenz, NJW 2006, 472 (474). 90 So Dörner, in: FS Kollhosser, Band 2, S.  75 (76). 91 So Lorenz, NJW 2000, 3305 (3308); ders., IPRax 2002, 192 (193); Timme, JuS 2003, 638 (641). 92  A. Staudinger, JZ 2003, 852 (857). 93  Schäfer, JZ 2006, 522 (523); in der Sache auch Schneider, BB 2002, 1653 (1656 ff.). 94  Kühl, S.  61 ff. 95 So Dörner, in: FS Kollhosser, Band 2, S.  75 (85). 96  So die „Faustregel“ (Hervorhebung im Original) von Kegel/Schurig/Schurig, S.  350. 97  Zum IZVR ebenso A. Staudinger, ZEuP 2004, 766 (776).

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nem systematischen Bezug zueinander erlassen und sind nicht aufeinander abge­ stimmt. Folglich muss man sich klar machen, dass es eine jedenfalls ungenaue Fra­ gestellung ist, wenn versucht wird, die Gewinnzusage abstrakt zu qualifizieren, und der Eindruck entstehen könnte, als läge das methodisch richtige Vorgehen darin, etwa die Norm des §  661a BGB abstrakt und für alle Fälle mit einem bestimmten Anknüpfungsgegenstand der Verordnung Rom II in Verbindung zu bringen.98 Viel­ mehr geht es auch hier darum, welche Funktion der Norm im Einzelfall jeweils zukommt.99 c)  Qualifikation unter der EuGVVO „Ausgangspunkt“100 der autonomen internationalprivatrechtlichen Qualifikation muss beim heutigen Stand die Rechtsprechung des EuGH zur Beurteilung von Ge­ winnzusagen nach der EuGVVO sein. Die Rechtsprechung zur EuGVVO verlangt für einen „Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat“, i. S. v. Art.  15 EuGVVO auf­ grund des Wortlauts einen echten Vertragsschluss.101 Dabei fordert der EuGH im Falle einer Gewinnzusage, dass diese selbst als „ein rechtsverbindliches Angebot“ aufzufassen ist, an das der Unternehmer „im Falle der Annahme gebunden […] sein“ will.102 Dass die Annahme tatsächlich erfolgt, wird nicht ausdrücklich ver­ langt.103 Sie ist aber im Regelfall gegeben, da der Verbraucher gewisse Handlungen vornehmen muss, um den Preis in Anspruch nehmen zu können, und diese Hand­ lungen als Annahme verstanden werden können.104 Der erforderliche Vertrags­ schluss soll aber auch dann vorliegen, wenn die Gewinnzusage, die die Vorausset­ zungen an ein solches Angebot nicht erfüllt, zum Abschluss eines Vertrages im Sinne einer „Warenbestellung“ 105 geführt hat.106 Insofern soll ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen der Gewinnzusage und dem abgeschlossenen Vertrag be­ stehen.107 Liegen die Voraussetzungen an einen solchen Vertragsschluss nicht vor, kann nach Auffassung des EuGH dennoch ein Vertrag i. S. v. Art.  5 Nr.  1 EuGVVO gege­ 98  Zum IZVR Schlussanträge des Generalanwalts Jacob v. 13.07.2002 – C-96/00, Slg. 2002, I-6369 (I-6376) – Gabriel. 99  Zum IZVR Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak, v. 11.09.2008 – C-180/06, Slg. 2009, I-3964 (I-3990) – Ilsinger. 100  Auch der BGH greift zur Definition des vertraglichen Schuldverhältnisses i. S. v. Art.  27 ff. EGBGB a. F. auf die Rechtsprechung des EuGH zu EuGVÜ und EuGVVO „als Ausgangspunkt“ zurück, etwa BGH v. 19.07.2011 – VI ZR 217/10, BGHZ 190, 301 (310 f.). 101  EuGH v. 14.05.2009 – C-180/06, Slg. 2009, I-3961 (I-4016) – Ilsinger. 102  EuGH v. 14.05.2009 – C-180/06, Slg. 2009, I-3961 (I-4017) – Ilsinger. 103  EuGH v. 14.05.2009 – C-180/06, Slg. 2009, I-3961 (I-4017 ff.) – Ilsinger; Felke/Jordans, IPRax 2004, 409 (411) gehen allerdings davon aus, dass eine Annahme erforderlich sei. 104  In diesem Sinne wohl Feuchtmeyer, NJW 2002, 3598 (3599). 105  EuGH v. 14.05.2009 – C-180/06, Slg. 2009, I-3961 (I-4018) – Ilsinger. 106  EuGH v. 14.05.2009 – C-180/06, Slg. 2009, I-3961 (I-4018) – Ilsinger. 107  EuGH v. 11.07.2002 – C-96/00, Slg. 2002, I-6369 (I-6403) – Gabriel.

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ben sein.108 Ein Vertragsschluss wird nach der sprachlichen Formulierung dieser Norm nicht vorausgesetzt.109 Daher ist ein Vertrag nur dann ausgeschlossen, wenn es „an einer […] freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt“110. Eine solche nimmt der EuGH aber bereits aufgrund dessen an, dass der Unternehmer aus freien Stücken die Gewinnzusage an nach seinem Willen ausgesuchte Verbraucher auf dem von ihm gewählten Wege versandt hat.111 In der Literatur wird ergänzt, dass auch der Inhalt der Gewinnzusage dem freien Willen des Unternehmers unter­ liegt.112 Zudem wird darauf abgestellt, dass der Erklärungsempfänger die Mittei­ lung so verstehen darf, dass der Gewinn an ihn geleistet werden wird.113 In aller Regel dürfte damit im Sinne des IZVR jedenfalls ein Vertrag i. S. v. Art.  5 Nr.  1 EuGVVO vorliegen, nicht aber eine unerlaubte Handlung i. S. v. Art.  5 Nr.  3 EuGVVO.114 d)  Übertragbarkeit auf das IPR? Erwägungsgrund 7 Rom II legt nahe, dass die Rechtsprechung zur EuGVVO auf das europäische IPR grundsätzlich übertragbar ist.115 Ein systematisch einheitliches Vorgehen trägt vor allem dazu bei, die Rechtssicherheit zu fördern116, ein Ziel, das sowohl den Verordnungen Rom I und Rom II als auch der EuGVVO gemein ist117. Eine derart einheitliche Auslegung ist allerdings nicht unter allen Umständen zwin­ gend.118 Wenn die unter der EuGVVO gefundenen Ergebnisse allerdings nicht auf das europäische Kollisionsrecht übertragen werden sollen, bedarf es dafür jedoch einer Begründung, die aufgrund abweichender Wertungen im Kollisionsrecht eine unterschiedliche Qualifikation im IZVR und im IPR rechtfertigt.119 Es erscheint daher angebracht, auf den Meinungsstand zur Übertragbarkeit der EuGH-Recht­ sprechung unter Berücksichtigung dieses – allerdings möglicherweise nicht immer geteilten – Ausgangspunktes einzugehen. 108 

EuGH v. 14.05.2009 – C-180/06, Slg. 2009, I-3961 (I-4017) – Ilsinger. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak, v. 11.09.2008 – C-180/06, Slg. 2009, I-3964 (I-3983) – Ilsinger; EuGH v. 20.01.2005, C-27/02, Slg. 2005, I-481 (I-516) – Engler, zum EuGVÜ, wo allerdings auf S. I-519 das Vorliegen einer Verpflichtung „[z]umindest“ ab der Annahme gese­ hen wird; dem folgend BGH v. 01.12.2005 – III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 (178). 110  EuGH v. 20.01.2005, C-27/02, Slg. 2005, I-481 (I-517) – Engler. 111  EuGH v. 20.01.2005, C-27/02, Slg. 2005, I-481 (I-518) – Engler. 112  Mörsdorf-Schulte, JZ 2005, 770 (775); Piekenbrock/Schulze, IPRax 2003, 328 (331). 113  EuGH v. 20.01.2005, C-27/02, Slg. 2005, I-481 (I-518) – Engler; dies um Zurechnungsge­ sichtspunkte ergänzend Leible, NJW 2005, 796 (797). 114  Etwa Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  157. 115  Vgl. näher Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (34). 116  Zum Verhältnis von IZVR und Sachrecht bereits Dörner, in: FS Kollhosser, Band 2, S.  75 (82). 117  Auf diese parallele Zielsetzung weist Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (41) hin. 118  Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (34) unter Berufung auf den Wortlaut „sollten“ in den Erwägungsgründen. 119  MünchKommBGB/Junker, 4.  Aufl., Art.  42 Anh. Rn.  16; ähnlich Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (35, 38). 109 

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Die Übertragbarkeit der internationalzivilprozessrechtlichen EuGH-Rechtspre­ chung von Gewinnzusagen auf das IPR ist in Literatur und Rechtsprechung umstrit­ ten. Viele Autoren in der Literatur sprechen sich im Anschluss an die Rechtspre­ chung des EuGH für eine vertragliche Qualifikation aus.120 Auch der österreichi­ sche OGH hat bereits zum EVÜ121, dem Vorgänger der Verordnung Rom I, die zum IZVR ergangene Rechtsprechung des EuGH zu Gewinnzusagen für übertragbar gehalten und diese daher vertraglich qualifiziert.122 Demgegenüber hat insbesonde­ re der BGH unter Geltung des EVÜ eine vertragsrechtliche Qualifikation zwar ab­ gelehnt, allerdings – nicht ohne einen gewissen Widerspruch hierzu123 – eine Ein­ griffsnorm nach dem damaligen Art.  34 EGBGB angenommen, welcher seinerseits dem EVÜ entstammte.124 Auch in der Literatur wird zum Teil kein vertragliches Schuldverhältnis angenommen: So wird entweder eine culpa in contrahendo i. S. v. Art.  12 Rom II125 oder eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II126 angenommen. Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Argumentationsstränge unterscheiden: Erstens wird das Vorliegen eines vertraglichen Schuldverhältnisses bestritten und damit gewissermaßen die hier aufgestellte Prämisse einer vertragsrechtlichen Sank­ tion in Abrede gestellt. Zweitens wird auf Parallelen zur culpa in contrahendo hin­ gewiesen. Drittens wird die lauterkeitsrechtliche Verhaltensnorm in den Vorder­ grund gerückt und ihr die maßgebliche Bedeutung für die Qualifikation zugewiesen. aa)  Sachrechtlicher Mechanismus von Angebot und Annahme? Von manchen wird für den Begriff des vertraglichen Schuldverhältnisses in Art.  1 Abs.  1 UAbs. 1 Rom I bzw. dem EVÜ – anders als für Art.  5 Nr.  3 EuGVVO – der Abschluss eines Vertrages durch Angebot und Annahme, ähnlich wie nach Art.  15 120  Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  4 Rom I-VO Rn.  63; Beig, in: Beig u. a., S.  37 (40, 50 ff.); Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  157; von Hein, VersR 2007, 440 (442); Huber/Bach, Art.  1 Rome II Rn.  30; Kindler, S.  192; Lorenz, NJW 2006, 472 (474) zum EVÜ; MünchKommB­ GB/Junker, Art.  1 Rom II-VO Rn.  21; MünchKommBGB/Martiny, Art.  1 Rom I-VO Rn.  14; Art.  4 Rom I-VO Rn.  241 ff.; Art.  6 Rom I-VO Rn.  14; MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  330; Palandt/Thorn, Art.  1 Rom II (IPR) Rn.  4; Schäfer, JZ 2006, 522 (523); Rauscher/Pabst, GPR 2007, 244 (246) zum EVÜ; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  410; Thorn, in: Kienin­ ger/Remien, S.  139 (144); G. Wagner/Potsch, JURA 2006, 401 (409 f.); schon vorher für eine ver­ tragliche Qualifikation Lorenz, IPRax 2002, 192 (193). 121 Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980, konsolidierte Fassung, ABl. Nr. C 27 vom 26. Januar 1998, S.  34 ff. 122  OGH v. 29.03.2006 – 3 Ob 230/05b, EuLF 2006, II-61 (II-61). 123  Auf diesen hinweisend etwa Rauscher/Pabst, GPR 2007, 244 (246, dort Fn.  30). 124  BGH v. 01.12.2005 – III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 (179 ff.). 125  PWW/Schaub, Art.  2 Rom II-VO Rn.  1. 126  Heute noch Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (418 f.); dafür argumentierend auch Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  410; zu Verordnungsentwürfen und dem deutschen IPR Leible, IPRax 2003, 28 (33 f.); A. Staudinger, JZ 2003, 852 (857 f.), der allerdings offen lässt, ob das allge­ meine Deliktsstatut oder das Lauterkeitsstatut einschlägig ist; zum deutschen IPR auch Felke/ Jordans, IPRax 2004, 409 (411).

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EuGVVO, verlangt. Dabei wird allerdings – anders als in der EuGH-Rechtspre­ chung – nicht nur der tatsächliche Sachverhalt auf die Elemente von Angebot und Annahme untersucht. Vielmehr wird in der Sache verlangt, dass der Vertragsab­ schluss im Wege von Angebot und Annahme auch gerade den sachrechtlichen Me­ chanismus zur Begründung der Verpflichtung darstellt.127 Gewinnzusagen seien deshalb außervertraglich zu qualifizieren, weil die Haftung wegen Gewinnzusagen nicht dem Willen des Erklärenden dienen solle und Gewinnzusagen nach §  661a BGB keiner Annahme bedürften.128 Hierfür beruft sich die Literatur auf das Urteil des EuGH in der Sache Ilsinger, in dem von Angebot und Annahme die Rede ist.129 Doch spricht der EuGH von diesen Voraussetzungen nur im Zusammenhang mit Art.  15 EuGVVO, derartige Voraus­ setzungen werden aber beim Vertragsbegriff aus Art.  5 Nr.  1 EuGVVO gerade nicht verlangt.130 Dem entspricht es, auch im europäischen IPR allenfalls dann einen ech­ ten Vertragsschluss zu verlangen, wo der Wortlaut einen solchen benennt, insbeson­ dere beim kollisionsrechtlichen Pendant zu Art.  15 EuGVVO in Art.  6 Rom I.131 Im Übrigen liegt es nahe, wie bei Art.  5 Nr.  1 EuGVVO danach abzugrenzen, ob eine Partei aus freien Stücken eine Verbindlichkeit auf sich genommen hat.132 Die Frage, ob ein zweiseitiger Abschluss eines Vertrages vorliegt, sollte danach also nicht schon bei der Frage des Anwendungsbereichs von Art.  1 Abs.  1 UAbs. 1 S.  1 Rom I und Art.  1 Abs.  1 Rom II Bedeutung erlangen. Für das engere Verständnis des Vertragsbegriffs mögen sich zwar möglicherwei­ se auch rechtsvergleichende Betrachtungen zum materiellen Vertragsrecht in Euro­ pa anführen lassen.133 Ob diese weiterhelfen, ist aber fraglich, da umgekehrt auch nicht ersichtlich ist, dass gerade die Verordnung Rom II ihrerseits Begriffe aufwie­ se, unter die sich die Haftung aus einer Gewinnzusage rechtsvergleichend unprob­ lematisch subsumieren ließe. Dieser Ansatz erklärt – außer für den Spezialfall der Gewinnzusage – auch nicht, wie genau durch einseitiges Rechtsgeschäft begründe­ te Schuldverhältnisse nach den Kollisionsnormen der Verordnung Rom II zu behan­ deln sein sollen, während man bei Übernahme der Kriterien des EuGH zur EuGV­ VO hierfür zwanglos das Internationale Vertragsrecht für einschlägig halten kann, 127  Äußerst auffällig aus der Zeit vor Rom II BGH v. 01.12.2005 – III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 (177 ff.) einerseits zum IZVR und S.  179 andererseits zum IPR; Huber/Bach, IPRax 2005, 73 (74); Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (411 f.); vgl. auch Thorn, in: Kieninger/Remien, S.  139 (144), der einen solchen Mechanismus aber im Falle der Gewinnzusage annimmt. 128  BGH v. 01.12.2005 – III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 (179) zur Rechtslage vor Rom II; Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (413). 129 So Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (412). 130 Anders Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (420, dort Fn.  90), der dies „[a]llenfalls als obiter dictum“ ansieht. 131  So zu Art.  6 Rom I MünchKommBGB/Martiny, Art.  6 Rom I-VO Rn.  14. 132  Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (67); MünchKommBGB/Martiny, Art.  1 Rom I-VO Rn.  7, wobei letzterer allerdings Abweichungen von der EuGVVO für möglich hält. 133 So Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (412).

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

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ohne dass sich Lücken ergeben.134 Die Unterschiede in der genauen dogmatischen Konstruktion zur Begründung von Rechtsgeschäften sind überdies in den einzelnen Sachrechten häufig zufällig, was dafür spricht, sie für die Fragen der Qualifikation außer Betracht zu lassen.135 Gerade dieser Aspekt muss dem entgegenstehen, den genauen sachrechtlichen Mechanismus der Begründung der Leistungspflicht für die Qualifikation zu stark in den Vordergrund zu rücken. Zum Teil wird gegen ein vertragsrechtliches Verständnis auch angeführt, der „Erfüllungsanspruch“136 wegen einer Gewinnzusage müsse als Schadensersatzan­ spruch im Sinne der Verordnung Rom II, vergleichbar einem „Strafschadensersatz“, eingeordnet werden.137 Es erscheint aber zweifelhaft, ob dem vertragsrechtlichen Charakter der Sanktion über ein Verständnis als Strafschadensersatzforderung aus­ gewichen werden kann138: Schon der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff „Erfüllungsanspruch“ für die Haftung aus einer Gewinnzusage weist darauf hin, dass es hier doch um eine freiwillig übernommene Verpflichtung geht: Denn mit dem Begriff der „Erfüllung“ kann hier nicht gemeint sein, dass der Anspruch letzt­ lich erfüllt werden soll, denn das ist jedem Anspruch immanent.139 Vielmehr kann sich der Begriff „Erfüllung“ nur darauf beziehen, dass ein abgegebenes Verspre­ chen erfüllt werden soll.140 Das ist aber gerade das Charakteristikum des Vertrags­ rechts141; demgegenüber erscheint es für gesetzliche Schadensersatzansprüche cha­ rakteristisch, dass hier der Leistungsumfang inhaltlich mit den geschädigten Rechtspositionen oder, insbesondere beim Strafschadensersatz, mit dem verwirk­ lichten Unrecht korrespondiert, nicht aber mit einem primären Leistungsverspre­ chen.142 Letztlich weichen die einen Vertragsabschluss im Wege von Angebot und An­ nahme fordernden Meinungen daher erheblich von der Rechtsprechung des EuGH 134 Daher für eine „möglichst lückenlose Abgrenzung zwischen Rom I und Rom II“ durch Übernahme des zum IZVR entwickelten Vertragsbegriffs Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (47); für eine vertragliche Qualifikation einseitiger Rechtsgeschäfte Lorenz, IPRax 2002, 192 (195); bereits früher für eine im nationalen Recht begründete analoge Anwendung Dörner, in: FS Kollhosser, Band 2, S.  75 (85 f.). 135  Lorenz/Unberath, IPRax 2005, 219 (222). 136 Etwa A. Staudinger, JZ 2003, 852 (856); Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (418). 137  Im Zusammenhang mit Rom II Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (418); davor bereits A. Staudinger, JZ 2003, 852 (857): „Strafschadensersatz“; Fetsch, RIW 2006, 936 (938); vgl. auch BGH v. 28.11.2002 – III ZR 102/02, BGH 153, 82 (91); aufgegeben in BGH v. 01.12.2005 - III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 (180). 138  Ablehnend auch Lorenz, IPRax 2002, 192 (195). 139  Leible, IPRax 2003, 28 (31). 140  Entsprechende Überlegungen bei Leible, IPRax 2003, 28 (31), der den Begriff nicht für hilfreich hält; ähnlich spricht auch Beig, in: Beig u. a., S.  37 (51 f.) von der „Erfüllung seines Ver­ sprechens“. 141  Für eine solche Bedeutung des Vorliegens eines Versprechens auch Beig, in: Beig u. a., S.  37 (51 f.); Lorenz, IPRax 2002, 192 (193) zum IZVR; G. Wagner/Potsch, JURA 2006, 401 (410). 142  Zum IZVR Schlussanträge des Generalanwalts Jacob v. 08.07.2004 – C-27/02, Slg. 2005, I-484 (I-496 f.) – Engler.

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

zur EuGVVO und zum EVÜ ab. Eine auf spezifisch internationalprivatrechtlichen und verfahrensrechtlichen Erwägungen beruhende Begründung ist hierfür nicht er­ sichtlich.143 Auch die zu anderen Fragestellungen mittlerweile ergangene Recht­ sprechung des EuGH zum EVÜ, dem Vorgänger zu Rom I, legt nahe, dass es für das Vorliegen eines vertraglichen Schuldverhältnisses nicht zwingend auf die Begrün­ dung einer Verpflichtung im Wege eines Vertragsschlusses durch Angebot und An­ nahme ankommen kann.144 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass für den hier interessierenden Zusam­ menhang der Begriff des Vertrages aus Art.  5 Nr.  1 EuGVVO auf das IPR übertrag­ bar erscheint. Daher sollte zumindest nicht in Abrede stehen, dass bei der Haftung auf Erfüllung einer Gewinnzusage der Sanktionsmechanismus prinzipiell vertrags­ rechtlichen Charakter hat. bb)  Unterschiede beim engen Zusammenhang zum Vertrag? Für eine außervertragliche Qualifikation speziell unter der Verordnung Rom II wird von manchen allerdings eine Parallele zur Behandlung der culpa in contrahendo in der Verordnung Rom II gezogen. So wird darauf verwiesen, dass die culpa in contrahendo gemäß Art.  12 Rom II als außervertragliches Schuldverhältnis anzusehen sei, und diese Wertung auf die Gewinnzusage übertragen, sodass letztere aufgrund der Verwandtschaft zur culpa in contrahendo wie eine solche zu qualifizieren sei145. Auch wird unter Berücksichtigung der Nähe zur Gewinnzusage zur culpa in contrahendo erwogen, nach Art.  1 Abs.  2 lit.  i Rom I („Schuldverhältnisse aus Verhand­ lungen vor Abschluss eines Vertrags“) allein den engen Zusammenhang zu einem später begründeten Vertragsverhältnis für eine vertragsrechtliche Qualifikation der Gewinnzusage im IPR nicht ausreichen zu lassen.146 Diesen Überlegungen ist zuzugeben, dass zum einen immerhin die nationale Rechtsprechung Parallelen zwischen der Behandlung der culpa in contrahendo und der Gewinnzusage gesehen hat und es zum anderen nicht fernliegt, dass der Begriff der außervertraglichen Schuldverhältnisse in Art.  1 Abs.  1 Rom II weiter sein könn­ te, als es der Vertragsbegriff zum IZVR nahelegen würde. So qualifiziert der BGH unter Berufung auf die EuGH-Rechtsprechung zur Haftung für Gewinnzusagen auch eine Haftung aus culpa in contrahendo vertragsrechtlich, wenn es nachträg­ 143 Auch Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (46) versteht den zum IZVR entwickelten Ver­ tragsbegriff „nicht [als] Ausdruck spezifisch internationalverfahrensrechtlicher Interessen“. 144  Vgl. EuGH v. 15.12.2011 – C-384/10, EuZW 2012, 61 (63) – Voogsgeerd, wo dem „Ab­ schluss des Arbeitsvertrages“ gleichwertig „beim faktischen Arbeitsverhältnis […] das Entstehen des Arbeitsverhältnisses“ gegenübergestellt wird. 145  PWW/Schaub, Art.  2 Rom II-VO Rn.  1. 146  So möglicherweise Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (416), allerdings wohl nur für den Fall der Annahme einer culpa in contrahendo, vgl. auch zum IZVR Leible, IPRax, 2003, 28 (31 f.), der eine vertragsakzessorische Behandlung der Gewinnzusage von einer vertragsrechtlichen Qualifi­ kation unterschied.

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

245

lich tatsächlich zu einem Vertragsschluss kommt.147 Demgegenüber erfasst Art.  12 Rom II seinem Wortlaut nach die Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlun­ gen, „unabhängig davon, ob der Vertrag tatsächlich geschlossen wurde oder nicht“. Es folgt daraus, dass auch für die Konstellation eines nachträglichen Vertrags­ schlusses der Anwendungsbereich der Verordnung Rom II eröffnet sein kann. Das bedeutet, dass hier der Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses in Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II weiter sein muss, als wenn man dem vom BGH zum IZVR ver­ tretenen Vertragsbegriff folgen würde. Angesichts dieser Diskrepanz des Vertragsbegriffs im Zusammenhang mit der culpa in contrahendo könnte man zunächst erwägen, dass auch die Gewinnzusage abweichend vom IZVR zu behandeln sein könnte und speziell im IPR keinen ver­ tragsrechtlichen Charakter haben könnte. Gleichwohl gibt es einen erheblichen Un­ terschied zwischen der Haftung für Gewinnzusagen und der culpa in contrahendo. Bei der Gewinnzusage kommt es nämlich auf eine akzessorische Anknüpfung an einen nachfolgenden Kaufvertrag o.Ä. für die Abgrenzung der Anwendungsberei­ che der Verordnungen Rom I und Rom II nicht an.148 Die Gewinnzusage selbst kann nach der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH zum IZVR nämlich bereits für sich eine aus eigenem Willen begründete Leistungspflicht darstellen, sodass auch unabhängig von der nachträglichen Warenbestellung in aller Regel ein vertrags­ rechtlicher Anspruch vorliegt. Hierin unterscheidet sich die Problematik der Ge­ winnzusage von derjenigen der culpa in contrahendo. Denn letztere erfüllt für sich genommen nach der Rechtsprechung des EuGH zum IZVR gerade nicht die Erfor­ dernisse einer vertraglichen Qualifikation149 und unterscheidet sich damit bereits im Ausgangspunkt von der Gewinnzusage.150 Damit fügt sich auch Art.  12 Rom II weitgehend in die Linie der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zum IZVR ein151 und sollte auch deshalb nicht als Argument für eine Abkehr von der Qualifikation nach der EuGVVO herhalten.

147  In diesem Sinne zum Lugano-Übereinkommen BGH v. 31.05.2011 – VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 (28, 38 f.), insbesondere im Leitsatz, allerdings bei einem auf §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  32 KWG gestützten Anspruch. 148  OGH v. 29.03.2006 – 3 Ob 230/05b, EuLF 2006, II-61 (II-61) zum EVÜ; vorsichtig in diese Richtung auch Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  410; anders zum IZVR die beim damali­ gen Stand der EuGH-Rechtsprechung noch nachvollziehbaren Überlegungen von Leible, IPRax, 2003, 28 (31 f.). 149  EuGH v. 17.09.2002 – C-334/00, Slg. 2002, I-7383 (I-7393 f.) – Tacconi. 150 Auch von Hein, VersR 2007, 440 (442) sieht aufgrund der Rechtsprechung des EuGH keine Parallele zwischen culpa in contrahendo und Gewinnzusage unter der Verordnung Rom II; ebenso Beig, in: Beig u. a., S.  37 (51 f.), für die, wie hier, die Haftung für ein Versprechen das maßgebliche Abgrenzungskriterium ist. 151  Graf-Schimek, in: Beig u. a., S.  17 (19); von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461 (500 f.); Ofner, ZfRV 2008, 13 (21); A. Staudinger, AnwBl 2008, 8 (12 f.); bereits vor Einfügung des heutigen Art.  12 Rom II für eine kollisionsrechtliche Beurteilung der culpa in contrahendo nach dem VO-E 2003 Rom II von Hein, ZVglRWiss 2003, 528 (540).

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

In Anbetracht dessen lässt sich der Systematik des IPR – auch unter Berücksich­ tigung der Kollisionsnormen für die culpa in contrahendo – kein Argument entneh­ men, das es rechtfertigen könnte, von der internationalzivilprozessrechtlichen Rechtsprechung des EuGH zum Vertragsbegriff abzuweichen. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Gewinnzusage von ihrer Sanktionsseite her in praktisch allen Fällen die Voraussetzungen erfüllt, die an ein vertragliches Schuld­ verhältnis i. S. v. Art.  1 Abs.  1 UAbs.  1 Rom II zu stellen sind. cc)  Besondere Bedeutung der Verhaltensnormen für das Kollisionsrecht? Ein weiterer Argumentationsstrang stellt vor allem die lauterkeitsrechtliche Funkti­ on der Verhaltensnormen in den Vordergrund, welche letztlich für die Qualifikati­ on maßgeblich sein und dazu führen soll, dass der Anspruch lauterkeitsrechtlich qualifiziert wird.152 Stimmen in der Literatur sehen dementsprechend bei §  661a BGB einen erheblichen Unterschied zu dem vom Internationalen Vertragsrecht in Betracht genommenen „billigenswerten vertraglichen Leistungsaustausch der Par­ teien“153. In seiner Rechtsprechung zur EuGVVO hat der EuGH diesen im Hintergrund stehenden Zielen der Verhaltenslenkung dagegen keine Bedeutung beigemessen154: Insbesondere in seiner letzten einschlägigen Entscheidung zur EuGVVO kann dem EuGH nach den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak155 auch nicht ent­ gangen sein, dass die Haftung wegen der Gewinnzusage regelmäßig eine Sanktion für ein nach Nr.  31 Anhang I UGP-RL unter allen Umständen unlauteres Verhalten ist156. Wenn der EuGH trotzdem je nach Fallkonstellation Art.  15 EuGVVO und Art.  5 Nr.  1 EuGVVO für die richtigen Zuständigkeitsnormen hält, kann man davon ausgehen, dass der EuGH im Rahmen des IZVR die vertragsrechtlichen Sanktions­ mechanismen nicht durch die im Hintergrund stehenden lauterkeitsrechtlichen Ver­ botsnormen überlagert sieht. Zu überlegen ist, ob speziell kollisionsrechtliche Überlegungen zu einer Abwei­ chung von diesem Ansatz zwingen. Dies ließe sich deshalb erwägen, weil Art.  6 Abs.  1 Rom II die lauterkeitsrechtlichen Verhaltensregeln und Sanktionen typi­ scherweise abschließend festlegen soll. So ist insbesondere bei der Untersuchung der Haftung auf eine ungerechtfertigte Bereicherung festgestellt worden, dass im Rahmen jener besonderen Art der Sanktionierung die Interessenlage aller Beteilig­ ten sich nicht von der in Art.  6 Abs.  1 Rom II in den Blick genommenen unterschei­ 152  In diese Richtung etwa Huber/Bach, IPRax 2005, 73 (74): „einen nicht unerheblichen wett­ bewerbsrechtlichen Aspekt“; auf der Betonung der Verhaltensnormen baut auch das Verständnis der Vertreter einer Einordnung als Strafschadensersatz in der Sache auf. 153 So Felke/Jordans, IPRax 2004, 409 (411). 154  Kritisch deshalb Fetsch, RIW 2002, 936 (943). 155  Diese weist in ihren Schlussanträgen v. 11.09.2008 – C-180/06, I-3964 (3993) – Ilsinger auf das Verbot nach der UGP-RL hin. 156  Auf diese Vorschrift verweist auch Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (413).

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

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det.157 Die Anwendung einer anderen Kollisionsnorm auf einen aus einem Lauter­ keitsverstoß resultierenden Anspruch würde dort, wie dargelegt, wichtige Funktio­ nen von Art.  6 Abs.  1 Rom II unterlaufen. Vergleichbares könnte auch bei der Haftung auf Erfüllung einer Gewinnzusage der Fall sein. (1)  Interessen des handelnden Wettbewerbers In Bezug auf die Interessenlage des handelnden Unternehmers ergeben sich jedoch Unterschiede zu den bisher untersuchten Fällen der Sanktionierung unlauteren Wettbewerbsverhaltens. Erstens ist die Frage der Haftung für Gewinnzusagen gegenüber Verbrauchern ein ganz punktuelles Abgrenzungsproblem. Anders als im Bereich der Haftung auf­ grund einer ungerechtfertigten Bereicherung führt daher die Nichtanwendung des Art.  6 Abs.  1 Rom II hier nicht dazu, dass neben den lauterkeitsrechtlichen Verhal­ tensregeln des Marktortes zugleich prinzipiell alle lauterkeitsrechtlichen Verhal­ tensregeln einer anderen Rechtsordnung Anwendung finden könnten. Damit wird das Ziel von Art.  6 Abs.  1 Rom II, dem Unternehmer Rechtssicherheit in Bezug auf die anwendbaren lauterkeitsrechtlichen Regeln zu geben, nicht erheblich beein­ trächtigt. Zweitens ist die Frage einer besonderen Haftung für Gewinnzusagen derart eng mit der Frage der Haftung nach allgemeinen vertragsrechtlichen Regeln verbunden, dass eine Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II auf die Frage einer besonderen Haf­ tung für Gewinnzusagen für sich genommen dem Unternehmer hier keinen mess­ baren Zugewinn an Rechtssicherheit bieten könnte. Denn die Voraussetzungen ei­ ner „klassischen“ vertraglichen Haftung gegenüber dem Verbraucher, wie sie im Falle von Gewinnzusagen etwa in Italien diskutiert wird158, muss ein Unternehmer, der Gewinnzusagen verschickt, ohnehin nach dem Vertragsstatut überprüfen. Zu­ dem bestehen sachrechtliche Verknüpfungen zwischen dem klassischen Vertrags­ recht und der Haftung für Gewinnzusagen. Es ist zu bedenken, dass die Existenz einer besonders kollektivrechtlich motivierten Anspruchsgrundlage für Gewinnzu­ sagen auch eng damit zusammenhängt, ob bereits nach allgemeinen Vertragsregeln ein verbindlicher vertraglicher Anspruch begründet wird. So ist darauf hingewiesen worden, dass es der Schaffung des §  661a BGB im deutschen Recht praktisch nur bedurfte, weil vorher die Rechtsverbindlichkeit von Versprechen in Gewinnzusagen wegen Verstoßes gegen Formvorschriften für Schenkungen und der Unklagbarkeit von Spiel und Wette ausgehebelt war.159 Eine kollisionsrechtliche Aufspaltung der „klassischen“ allgemeinen vertragsrechtlichen Haftung und der Haftung für Ge­

157 

Siehe Teil 6 A. I. 2. Kühl, S.  60, 63 m. w. N. 159  Wagner/Potsch, JURA 2006, 401 (401); besonders weitgehend die Konsequenz von Kühl, S.  64, in der Norm eine reine Formvorschrift zu sehen. 158 Vgl.

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

winnzusagen kann hier leicht zu einem Normenmangel oder einer Normenhäufung führen. Drittens müssten anderenfalls zur Feststellung, ob jemand für ein von ihm ge­ machtes Leistungsversprechen haftet160, nicht nur das Vertragsstatut nach der Ver­ ordnung Rom I, sondern daneben, wie dargelegt, auch stets das Lauterkeitsstatut nach Art.  6 Abs.  1 Rom II und möglicherweise sogar noch weitere Kollisionsnor­ men untersucht werden. Denn aus jedem Statut könnte sich die Verbindlichkeit ei­ nes Versprechens aufgrund besonderer Erwägungen ergeben. Dies beeinträchtigt die Rechtssicherheit. Zudem hinge die Qualifikation damit jeweils von der im Ein­ zelnen äußerst diffizilen Frage ab, welche Erwägungen genau den Gesetzgeber dazu bewogen haben mögen, festzulegen, dass jemand sein Versprechen halten muss. Damit ist die einheitlich vertragsrechtliche Qualifikation aller Möglichkeiten einer Haftung für ein Versprechen und damit auch für Gewinnzusagen ein rechtssicherer Weg, der im Sachrecht zusammengehörende Fragen nicht auseinanderreißt. Viertens ist zu bedenken, dass die Haftung für Gewinnzusagen nach §  661a BGB auch in dem Fall eingreift, in dem der Unternehmer in lauterer Weise Gewinnzusa­ gen verschickt hat, insbesondere weil er von vornherein bereit und in der Lage war, den Gewinn tatsächlich auszuzahlen.161 An dem Ziel des kollektiven Verbraucher­ schutzes der Norm dürfte dies zwar nichts ändern. Eine einheitliche Beurteilung der lauteren und der unlauteren Gewinnzusage nach Art.  6 Abs.  1 Rom II erscheint aber problematisch. Schon der Wortlaut „Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbe­ werbsverhalten” (Hervorhebung durch den Verfasser) weckt Zweifel daran, ob Art.  6 Abs.  1 Rom II auch im Falle der lauteren Gewinnzusage eingreifen kann. Dies wäre für Art.  6 Rom II untypisch, weil das von Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Ziel der Chancengleichheit vor allem auf die Erlaubtheit bzw. Verbotenheit eines bestimmten Marktverhaltens bezogen ist und der Anknüpfungsgegenstand daher typischerweise maßgeblich auch über die einschlägigen Verbotsnormen definiert wird. Jedenfalls ist eine lauterkeitsrechtlich verstandene Haftung für rechtmäßiges Verhalten den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, soweit ersichtlich, unbe­ kannt162 , was dagegen spricht, Art.  6 Abs.  1 Rom II auf derartige Fallkonstellationen auszudehnen. Prinzipiell könnte man folglich allenfalls daran denken, die Haftung für Gewinnzusagen insoweit dem Anknüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II zuzuordnen, als es sich um unlautere Gewinnzusagen handelt und die Normen da­ her als Sanktion für spezifisch unlauteres Wettbewerbsverhalten verstanden werden können. Das würde bedeuten, dass die Frage der Haftung für rechtmäßige Gewinn­ 160 Auch Beig, in: Beig u. a., S.  37 (52); Lorenz, IPRax 2002, 192 (193) zum IZVR; G. Wagner/ Potsch, JURA 2006, 401 (410) ordnen in diesem Zusammenhang die Haftung für ein Versprechen dem Vertragsrecht zu. 161  Die fehlende Abhängigkeit von der Unlauterkeit gegen eine lauterkeitsrechtliche Qualifika­ tion anführend Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  410. 162 Vgl. Pazdan/Szpunar, in: Nuyts, S.  131 (132), nach denen unter den Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens nur eine Haftung wegen unrechtmäßigen Verhaltens fallen kann.

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

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zusagen vertragsrechtlich, die für unlautere Gewinnzusagen demgegenüber lauter­ keitsrechtlich zu qualifizieren wäre. Jedoch würde diese Spaltung dazu führen, dass der Unternehmer für die einheitliche Frage der Haftung gegenüber dem Verbraucher nach einer Norm wie §  661a BGB zwei unterschiedliche Statuten untersuchen müss­ te. Auch müsste zum Auffinden des richtigen Anknüpfungsgegenstandes eine auf­ wendige vorgelagerte Überprüfung der Lauterkeit nach sachrechtlichen Kriterien erfolgen. Dieses Vorgehen würde das Finden der anwendbaren Rechtsordnung er­ schweren und Rechtsunsicherheit verursachen. Eine derartige materiellrechtliche Beurteilung der Lauterkeit der Gewinnzusage zur Ermittlung der anwendbaren Rechtsordnung erscheint umso zweifelhafter, als sachrechtlich die Haftung für die Gewinnzusage gerade nicht von der Lauterkeit der Gewinnzusage abhängt. Insge­ samt erscheint damit die einheitliche vertragsrechtliche Qualifikation der Gewinn­ zusage unter diesem Gesichtspunkt als rechtssicherste und konsequenteste Lösung. Im Hinblick auf das Interesse des die Gewinnzusage verschickenden Unterneh­ mers an Rechtssicherheit erscheint die Anwendung des Internationalen Vertrags­ rechts folglich vorzugswürdig. (2)  Weitere Interessen Auch im Hinblick auf die weiteren von Art.  6 Abs.  1 Rom II geschützten Interessen ist die Anwendung dieser Kollisionsnorm hier nicht zwingend erforderlich. Eine Sanktionierung mit lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen durch Wettbewerber und Verbraucherschutzverbände, die lauterkeitsrechtlich angeknüpft werden163, bleibt nämlich möglich. Damit sind die Interessen der Konkurrenten auf dem Markt weit­ gehend gewahrt. Auch das Ziel des kollektiven Verbraucherschutzes wird bei einer vertragsrecht­ lichen Qualifikation nicht in inakzeptabler Weise beeinträchtigt: Dabei ist wieder­ um zu berücksichtigen, dass Klagen von Verbänden und Konkurrenten weiterhin Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfallen. Der mit der Gewinnzusage beabsichtigte Abschre­ ckungseffekt tritt aber vor allem auch deshalb ein, weil in dem Staat, in den die Gewinnzusagen versandt werden, häufig für die dort ansässigen Verbraucher Art.  6 Rom I und damit das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts einschlägig sein wird, sodass damit im Normalfall im praktischen Ergebnis ebenfalls das Marktortrecht zur Anwendung kommt.164 Ein Unternehmer, der Gewinnzusagen in einen be­ stimmten Staat verschickt, muss daher letztlich mit der Haftung für die Gewinnzu­ sagen nach dem Marktortrecht rechnen. Bereits dies zeigt, dass die internationalvertragsrechtliche Anknüpfung nicht in­ teressenwidrig ist. Kommt es dem Forumstaat besonders auf die marktwirtschaftli­ che Schutzrichtung an, so kann dieser, wie bereits nach bisheriger Rechtsprechung 163 

164 

MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  331. Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  409.

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

des BGH und OGH, über eine Qualifikation als Eingriffsnorm i. S. v. Art.  9 Abs.  1 Rom I noch hinreichend Rechnung getragen werden.165 (3) Systematik In systematischer Hinsicht ist auch zu bedenken, dass Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II den Anwendungsbereich dieser Verordnung auf außervertragliche Schuldverhältnisse beschränkt. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II ist Art.  6 Abs.  1 Rom II systematisch vorgela­ gert und muss daher zuerst erfüllt sein.166 Dies wird noch einmal dadurch bestätigt, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II selbst den Begriff „außervertragliche Schuldverhältnisse“ verwendet. Wollte man in dieser Konstellation Art.  6 Abs.  1 Rom II unabhängig von der Frage anwenden, ob das Schuldverhältnis durch eine willentliche Begründung einer Rechtspflicht entstanden ist, wäre dieses Tatbestandsmerkmal ausgehebelt. Die Anwendung der Verordnung Rom I ist auch letztlich konsequent, wenn man bedenkt, dass spiegelbildlich die Frage, ob ein bestimmtes Versprechen aufgrund lauterkeitsrechtlicher Wertungen für vertragsrechtlich unverbindlich erklärt werden muss, unzweifelhaft vertragsrechtlich qualifiziert wird.167 dd) Zwischenergebnis Die internationalprivatrechtliche Interessenlage verlangt folglich nicht, dass die Ge­ winnzusage abweichend von der Rechtsprechung des EuGH zum IZVR außerver­ traglich qualifiziert wird. 4. Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich die vertragsrechtliche Sanktion gegenüber der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnorm durchsetzt. Denn im Falle einer vertrag­ lichen Sanktionierung ist eben aus dem unlauteren Wettbewerbsverhalten kein au­ ßervertragliches Schuldverhältnis i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II entstanden. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Sanktion in der Anordnung der Verbindlichkeit und der Unverbindlichkeit eines Versprechens besteht. Dabei ergeben sich Unterschiede zur Anknüpfung aus Art.  6 Rom II, praktisch kann aber über die Anwendung von Eingriffsnormen der lex fori und den verbraucherschützenden Kollisionsnormen in Art.  6 Rom I häufig ebenfalls das Marktortrecht berufen werden. 165  BGH v. 01.12.2005 – III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 (181 f.); OGH v. 29.03.2006 – 3 Ob 230/05b, EuLF 2006, II-61 (II-62 f.); Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  4 Rom I-VO Rn.  63; Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (419) allerdings zu Art.  16 Rom II; für eine Eingriffsnorm auch Lorenz, IPRax 2002,192 (196); Lorenz/Unberath, IPRax 2005, 219 (223); Felke/Jordans, IPRax 2004, 409 (411); Schäfer, JZ 2006, 522 (523); G. Wagner/Potsch, JURA 2006, 401 (409); ablehnend Münch­ KommBGB/Martiny, Art.  9 Rom I-VO Rn.  93. 166  Vgl. allgemein Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (41), der Art.  1 der Verordnungen als „Meta-Kollisionsrecht“ versteht. 167  Diese Parallele zieht Dörner, in: FS Kollhosser, Band 2, S.  75 (81) heran.

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

251

II.  Sanktionierung mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen Weniger geklärt sind Fälle, in denen der Verbraucher einen Schadensersatzanspruch oder einen Unterlassungsanspruch geltend macht. Es geht um Konstellationen, in denen dem einzelnen Verbraucher ein Anspruch aufgrund der Verletzung von Ver­ haltensnormen mit lauterkeitsrechtlicher Schutzrichtung, insbesondere dem Ziel des kollektiven Verbraucherschutzes, zusteht.168 1. Problem Diese Fallkonstellation ist in Deutschland bisher nicht praktisch geworden, weil das deutsche UWG nach h. M. grundsätzlich dem einzelnen Verbraucher keine Ansprü­ che zukommen lässt, insbesondere die Vorschriften des UWG grundsätzlich nicht als Schutzgesetze i. S. v. §  823 Abs.  2 BGB zu Gunsten individueller Verbraucher interpretiert werden.169 Aber auch im deutschen Recht ist jedenfalls bei den Straf­ normen der §§  16-19 UWG anerkannt, dass diese Schutzgesetze i. S. v. §  823 Abs.  2 BGB sind, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch für den individuellen Verbraucher begründen kann.170 Weitergehend wird von einer Mindermeinung171 aber auch allgemein die Schutzgesetzeigenschaft jedenfalls der verbraucherschüt­ zenden UWG-Normen bejaht. Wendet man den Blick von der deutschen Rechtsordnung ab, verschärft sich das Problem: In Italien können Verbraucher Schadensersatzansprüche bei Verletzung der Normen des Verbrauchergesetzbuches geltend machen.172 In der Schweiz wer­ den individuellen Verbrauchern Ansprüche nach Art.  10 Abs.  1 UWG CH einge­ räumt. Es wird zum Teil für möglich gehalten, dass auch dem individuellen Ver­ braucher Schadensersatzansprüche nach der UGP-RL zustehen müssen.173 Auch die Anmerkungen zu den WIPO Model Provisions fordern, dass den Verbrauchern die Rechte zustehen sollen, die die Wettbewerber haben.174 2. Meinungsstand In der bisher überschaubaren Diskussion des Problems in der Literatur sind vier Ansätze erkennbar. Zum Teil wird ohne nähere Erörterung der hier interessierenden 168  Ähnlich zu den betroffenen Interessen Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  396, 647, ohne allerdings zwischen dem Schutzzweck der Verhaltensnorm und der Sanktion zu differenzie­ ren. 169  Etwa Köhler/Bornkamm/Köhler, §  1 UWG Rn.  39; Ullmann jurisPK-UWG/Ullmann, Ein­ leitung Rn.  129 f. 170  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  1 UWG Rn.  39; Ullmann jurisPK-UWG/Ullmann, Einleitung Rn.  131. 171  Fezer/Fezer, §  1 UWG Rn.  56. 172  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (400 f.) zu Italien. 173  Twigg-Flesner/Parry, in: Weatherill/Bernitz, S.  215 (230 f.); offen gelassen von Pironon, Europe 2008, n° 2, 6 (7). 174  Note 1.10 WIPO Model Provisions.

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

Fallkonstellation offenbar davon ausgegangen, dass auf Ansprüche im Vertikalver­ hältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern das Internationale Vertrags­ recht, nicht aber das Internationale Lauterkeitsrecht anzuwenden sei.175 Soweit die hier fragliche Konstellation ausdrücklich gesehen wird, wird dagegen die Verord­ nung Rom II angewandt. Manche kommen dabei weitgehend zu vertragsakzessori­ schen Anknüpfungen. So wird zum Teil für die entsprechenden Ansprüche einzel­ ner Verbraucher eine Charakterisierung als culpa in contrahendo nach Art.  12 Rom II für richtig gehalten.176 Manchmal wird offenbar davon ausgegangen, dass auf Ansprüche individueller Kunden Art.  6 Abs.  2 Rom II anzuwenden sei, sodass über Art.  4 Abs.  3 Rom II ein Gleichlauf mit eventuellen vertraglichen Ansprüchen hergestellt werden könne.177 Andere halten dagegen auch bei Ansprüchen im Verti­ kalverhältnis Art.  6 Abs.  1 Rom II für die richtige Kollisionsnorm.178 Dabei wird betont, dass es zwar um individuellen Verbraucherschutz gehe, doch soll maßgeb­ lich sein, dass der Verbraucher spezifisch zur Sicherung seiner Rolle im Wettbe­ werbsgeschehen Ansprüche erhalte.179 3. Stellungnahme a)  Vorliegen eines außervertraglichen Schuldverhältnisses Zunächst stellt sich die Frage, ob und unter welchen Umständen auch Schadenser­ satzansprüche bzw. Unterlassungsansprüche vertragsrechtlich zu qualifizieren sein können und schon deshalb dem Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom II ent­ zogen sind. Wie bereits bei der Diskussion der Qualifikation einer Haftung für Ge­ winnzusagen deutlich geworden ist, kommt es darauf an, wie eng einerseits der Bezug des Anspruchs zu der Erfüllung eines bestimmten freiwillig abgegebenen Leistungsversprechens und andererseits zur Einhaltung bestimmter lauterkeits­ rechtlicher Verhaltensnormen ist. Da verschiedene Ausgestaltungen von Schadens­ ersatz- und Unterlassungsansprüchen von Verbrauchern vorstellbar sind, sollen im Folgenden lediglich einige Kriterien genannt werden, die bei der Frage des Vorlie­ gens eines vertraglichen oder außervertraglichen Schuldverhältnisses zu berück­ sichtigen sein werden. Meist wird das Wettbewerbsverhalten im Vorfeld eines Vertragsschlusses statt­ finden, sodass schon deshalb die Anwendung der Verordnung Rom II naheliegt und jedenfalls dann zwingend erscheint, wenn es tatsächlich zu keinem Vertragsschluss gekommen ist. 175 

So wohl Handig, wbl 2008, 1 (7). Coureault, S.  121, 294 ff., die die Qualifikation als culpa in contrahendo sogar auf nachver­ tragliche Geschäftspraktiken erstreckt. 177  Hellner, YBPrIL 2007, 49 (58). 178  de Miguel Asensio, in: Leible/Ohly, S.  137 (152 f.); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  395; zum deutschen IPR Koos, EuLF 2006, II-73 (II-74). 179  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  395 f. 176 

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

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Bei Unterlassungsansprüchen des Verbrauchers ist eine vertragliche Qualifikati­ on jedenfalls auch dann ausgeschlossen, wenn der Verbraucher nicht nur gegenüber sich selbst die Unterlassung der Geschäftspraktik, sondern auch gegenüber einer unbestimmten Vielzahl anderer Verbraucher, sprich dem Verbraucherkollektiv, ver­ langen kann. Ansprüche mit derart weitgehendem kollektiven Anspruchsinhalt ent­ stammen typischerweise nicht dem Vertragsverhältnis zwischen einem einzelnen Verbraucher und einem Unternehmer, sodass regelmäßig eine vertragliche Qualifi­ kation ausscheidet.180 Aber auch im Übrigen dürften Ansprüche auf Unterlassung eines bestimmten Wettbewerbsverhaltens sich kaum einmal aus einem bestimmten Leistungsversprechen des Unternehmers an den Verbraucher ergeben. Soweit der Verbraucher Schadensersatzforderungen wegen der Verletzung einer lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnorm geltend machen kann, wird grundsätzlich ebenfalls kein vertraglicher Anspruch vorliegen. Insbesondere soweit der Anspruch einem lauterkeitsrechtlich zu qualifizierenden Unterlassungsanspruch korrespon­ diert, ist diese Auslegung aufgrund der einheitlichen Behandlung von Schadenser­ satz- und Unterlassungsansprüchen unter der Verordnung Rom II (vgl. insbesonde­ re Art.  2 Abs.  2 Rom II181) geboten. Anders mag es dagegen sein, falls der Verbrau­ cher einen Erfüllungsschaden, also ein positives Interesse, geltend machen kann und der Unternehmer damit zur Einhaltung von ihm gemachter Versprechen ge­ zwungen wird. Nach hier vertretener Auffassung ist die Verpflichtung zur Einhal­ tung eines Leistungsversprechens das Charakteristikum eines vertraglichen An­ spruchs182 und kann nicht außervertraglich qualifiziert werden. Derartige Fälle sollten demnach ebenso wie die Gewinnzusage vertragsrechtlich und damit nach der Verordnung Rom I zu behandeln sein. b)  Einordnung innerhalb der Verordnung Rom II Im Anwendungsbereich der Verordnung Rom II stellt sich sodann die Frage der Abgrenzung zwischen Art.  12, Art.  6 Abs.  1 und 2 Rom II. Art.  6 Abs.  2 Rom II spricht davon, dass ausschließlich die Interessen eines be­ stimmten Wettbewerbers betroffen sind. Dieser Wortlaut erfasst den Fall, dass ein geschädigter Kunde Ansprüche geltend macht, nicht. Auch meint Art.  6 Abs.  2 Rom II eine andere Art von Wettbewerbsverhalten: Denn diese Norm erfasst nach hier vertretener Auffassung nur nicht unmittelbar marktgerichtete Verhaltenswei­ sen. Die hier interessierende Konstellation, dass den einzelnen Kunden Ansprüche zustehen, dürfte demgegenüber gerade voraussetzen, dass der Wettbewerber gegen­ über ebendiesen Kunden als Marktgegenseite tätig geworden ist. Der einzige mög­ liche Vorzug einer Zuordnung zu Art.  6 Abs.  2 Rom II besteht zudem in einer ver­ 180 Vgl. Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (111) zu einer ähnlichen Problematik im Hinblick auf die sog. kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren. 181  Hierzu etwa MünchKommBGB/Junker, Art.  2 VO Rom II-VO Rn.  7 ff. 182  Zur Gewinnzusage Beig, in: Beig u. a., S.  37 (51 f.).

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

tragsakzessorischen Anknüpfung über Art.  6 Abs.  2 i. V. m. Art.  4 Abs.  3 Rom II. Dieses Anknüpfungsergebnis lässt sich aber ebenso bei einer Einordnung als culpa in contrahendo über Art.  12 Abs.  1 Rom I erreichen. Daher bleibt im Folgenden nur zu prüfen, ob die Qualifikation als culpa in contrahendo i. S. v. Art.  12 Abs.  1 Rom II oder als Anspruch aus unlauterem Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II vorzugswürdig ist. Zum Teil wird für eine Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II angeführt, bei be­ stimmten Wettbewerbsverhaltensweisen sei der Vertrag noch nicht hinreichend konkretisiert für eine vertragsakzessorische Anknüpfung nach Art.  12 Abs.  1 Rom II.183 Dieses Argument gegen eine Qualifikation als culpa in contrahendo ist deshalb zweifelhaft, weil Art.  12 Abs.  2 Rom II ersichtlich auch Fälle erfassen will, in denen der in Aussicht gestellte Vertrag noch zu unbestimmt ist, um dessen Statut zu ermitteln. Das spricht für einen relativen weiten Anwendungsbereich der culpa in contrahendo vor Vertragsschluss. Jedenfalls erfassen sowohl Art.  12 Abs.  1 Rom II als auch Art.  6 Abs.  1 Rom II Verhaltensweisen unmittelbar vor Vertrags­ schluss, sodass der zeitliche Abstand zum in Aussicht genommenen Vertrag als Abgrenzungskriterium ungeeignet erscheint. Die Abgrenzung wird man, entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffas­ sung184, auch nicht so treffen können, dass die culpa in contrahendo solche Normen erfasst, die sicherstellen sollen, dass ein Vertragspartner nicht aufgrund von Fehlin­ formationen kontrahiert. Denn ebendieses Ziel des Schutzes der Entscheidungsfrei­ heit verfolgt auch das europäische Lauterkeitsrecht, wie es in der UGP-RL normiert ist, was sich bereits aus dem in Art.  2 lit.  j UGP-RL genannten Begriff der „infor­ mierten Entscheidung“ ergibt. Für eine Qualifikation als culpa in contrahendo spricht jedoch in teleologischer Hinsicht, dass eine Anwendung von Art.  12 Rom II weitere Abgrenzungsfragen zum (sonstigen) Recht der culpa in contrahendo und über die vertragsakzessorische Anknüpfung gemäß Art.  12 Abs.  1 Rom II auch zum Vertragsstatut vermeiden könnte. Dieser Vorzug ist nicht zu vernachlässigen: So wird zum deutschen Sach­ recht etwa ausgeführt, dass die auf individuelle Anspruchsteller zugeschnittenen vertragsrechtlichen Regeln und die kollektivschützenden lauterkeitsrechtlichen Re­ geln im Sachrecht sinnvoll koordiniert sein müssten, was insbesondere im deut­ schen Sachrecht die Anwendung lauterkeitsrechtlicher Regeln neben dem Vertrags­ recht verbieten soll.185 Auf kollisionsrechtlicher Ebene ließe sich dieser Zusammen­ hang im Grundsatz am besten über eine vertragsakzessorische Anknüpfung gewährleisten. Gleichwohl sprechen Sinn und Zweck des Art.  6 Abs.  1 Rom II eher für eine lau­ terkeitsrechtliche Qualifikation.186 Das Ziel dieser Norm, für alle Wettbewerber in 183 So

Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (417) zur Gewinnzusage. Schwartze, in: FS Koziol, S.  407 (414). 185  Beater, 2001, Rn.  2622. 186  Siehe zu den Zwecken bereits Teil 2 A. II. 2. 184 

B.  Sanktionierung durch die Marktgegenseite

255

einer die Rechtssicherheit und Chancengleichheit wahrenden Weise die anwendba­ ren Verhaltensregeln zu bestimmen, würde gefährdet, wenn die anwendbaren Ver­ haltensregeln gemäß Art.  12 Rom II und damit nach anderen Maßstäben bestimmt würden, nur weil ein individueller Kunde die Ansprüche erhebt. Gerade die Proble­ matik, dass ein und dasselbe Wettbewerbsverhalten je nach Anspruchsteller nach einer anderen Rechtsordnung beurteilt werden könnte, ist ein wichtiger Grund da­ für, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II auf Auflockerungen und insbesondere eine Anknüp­ fung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt verzichtet. Dieser Zweck von Art.  6 Abs.  1 Rom II verbietet es ebenso, die lauterkeitsrechtlichen Verhaltensregeln im Verhältnis zu den einzelnen anspruchstellenden Verbrauchern auf einem einheit­ lichen Markt zu fragmentieren, wie es bei einer Anwendung von Art.  12 Abs.  1 Rom II auf Ansprüche im Vertikalverhältnis geschehen könnte. Die einheitliche Behandlung aller potentiellen Anspruchsteller passt auch besser in die allgemeine Systematik der Verordnung Rom II: So ist zu bedenken, dass gemäß Art.  15 lit.  f Rom II die Bestimmung der „Personen, die Anspruch auf Ersatz eines persönlich erlittenen Schadens haben“, jeweils einheitlich zum Geltungsbereich eines nach der Verordnung Rom II bestimmten Statuts gehört. Das spricht dagegen, dass der Be­ reich des Lauterkeitsstatuts verlassen wird, nur weil ein individueller Verbraucher Ansprüche geltend macht. Die Interessenlage unterscheidet sich dabei aus Sicht des Unternehmers auch von derjenigen bei der Gewinnzusage, bei der nach hier vertretener Auffassung Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht zur Anwendung kommt. Erstens betrifft die Haftung für Ge­ winnzusagen ein punktuelles Abgrenzungsproblem zwischen Vertrags- und Lau­ terkeitsrecht. Es geht bei der Gewinnzusage darum, dass ein nach allgemeinen Re­ geln unverbindliches Versprechen aufgrund lauterkeitsrechtlicher Erwägungen ver­ bindlich wird. Diese Sanktion passt aber von vornherein nur für eine begrenzte Form von Wettbewerbsverhaltensweisen, bei denen sich zudem die Frage nach der Begründung einer vertraglichen Verpflichtung ohnehin stellen wird. Dagegen kann die Sanktionierung mit Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen prinzipiell an jeden Lauterkeitsverstoß gegenüber dem Verbraucher anknüpfen. Daher würden die Ziele des Art.  6 Abs.  1 Rom II ungleich stärker eingeschränkt, wenn diese Norm keine Anwendung fände. Zweitens ist bei Unterlassungs- und Schadensersatzan­ sprüchen der Verbraucher der Bezug zu den im Fokus von Art.  6 Abs.  1 Rom II stehenden lauterkeitsrechtlichen Verhaltensregeln wesentlich enger: Denn eine Haf­ tung auf Erfüllung einer Gewinnzusage kann auch für die lautere Versendung einer Gewinnzusage eintreten. Der Bezug zu den von Art.  6 Abs.  1 Rom II in den Blick genommenen Verhaltensnormen ist daher abgeschwächt: Auch wer sich nach den Maßstäben des Marktortrechts rechtmäßig verhält, kann die Haftung für eine Ge­ winnzusage nicht sicher vermeiden. Demgegenüber ist eine lauterkeitsrechtlich mo­ tivierte Haftung gegenüber dem Verbraucher auf Schadensersatz oder Unterlas­ sung, soweit ersichtlich, auf Fälle beschränkt, in denen der Unternehmer unlauter im Sinne des Marktortrechts gehandelt hat.

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

Die Interessen des anspruchstellenden individuellen Verbrauchers rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die maßgeblichen Verhaltensnormen sollen schon der Prämisse nach weniger dem individuellen als vielmehr dem kollektiven Verbrau­ cherschutz dienen. Damit werden auch die Ansprüche der individuellen Verbrau­ cher ähnlich wie bei der Gewinnzusage – primär oder zumindest auch – zur Durch­ setzung kollektiver Interessen gewährt. Insofern ist es von der Konzeption her kon­ sequent, wenn auch kollisionsrechtlich die individuellen Interessen nicht berücksichtigt werden. Selbst wenn etwa Schadensersatzansprüche auch das Ver­ mögen des einzelnen Verbrauchers schützen sollen, so ist zu bedenken, dass auch in anderen Fällen eine „mitschwingende“ individuelle, insbesondere kompensatori­ sche Schutzrichtung eines Anspruchs selbst nichts an der lauterkeitsrechtlichen Qualifikation ändert, wenn nur die verletzte Verhaltensnorm einen Schutz der kol­ lektiven Verbraucherinteressen und der Wettbewerbsbeziehungen sicherstellen soll.187 Wie dargelegt, weisen nämlich Schadensersatzansprüche von Wettbewerbern, mit denen ein individuell entstandener Schaden ausgeglichen werden soll, nach heute einhelliger Auffassung keine Besonderheiten auf, die eine von Art.  6 Abs.  1 Rom II abweichende Anknüpfung rechtfertigen würden. Das spricht dafür, auch Schadensersatzansprüche individueller Verbraucher nicht anders zu behan­ deln.188 Es ist auch zu bedenken, dass aufgrund der marktwirtschaftlichen Zielsetzung in diesen Fällen auch eine eingriffsrechtliche Qualifikation denkbar ist, was die An­ knüpfung nach Art.  12 Rom II häufig unterlaufen würde. Zuzugeben ist zwar, dass im Anwendungsbereich der Verordnung Rom I die eingriffsrechtliche Sonderan­ knüpfung lauterkeitsrechtlicher Normen neben dem eigentlichen Vertragsstatut hin­ genommen wird. Im Anwendungsbereich der Verordnung Rom II existiert aber mit Art.  6 Abs.  1 Rom II eine auf die lauterkeitsrechtliche Interessenlage spezieller zu­ geschnittene Norm189: Sie ist insbesondere allseitig ausgestaltet und kann über das Kriterium des betroffenen Marktes die wirtschaftspolitischen Handlungsbereiche der Staaten gegeneinander abgrenzen. Das spricht dafür, Art.  6 Abs.  1 Rom II von vornherein anzuwenden und nicht Art.  16 Rom II heranzuziehen. Entsprechende Ansprüche der Verbraucher lassen sich auch sprachlich unproble­ matisch als außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsver­ halten begreifen. Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die entsprechende An­ sprüche vorsehen, sehen diese, soweit ersichtlich, ebenfalls stets in systematisch engem Zusammenhang zum Lauterkeitsrecht. Daher ist innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung Rom II Art.  6 Abs.  1 Rom II als maßgebliche Kollisionsnorm für Schadensersatz- und Unterlas­ sungsansprüche einzelner Verbraucher anzusehen. 187 

Anders wohl Coureault, S.  116. Diese Parallele ziehen Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  396. 189  Siehe hierzu bereits Teil 5 D. II. 188 

C.  Sanktionierung durch Verbände

257

III. Ergebnis Werden Ansprüche im Vertikalverhältnis, also Ansprüche einzelner Verbraucher oder gewerblicher Kunden, aufgrund eines unlauteren Wettbewerbsverhaltens gel­ tend gemacht, so ist für die kollisionsrechtliche Beurteilung zu differenzieren. Soweit die maßgebliche Sanktionsnorm die Verbindlichkeit oder Unverbindlich­ keit eines Leistungsversprechens anordnet, liegt ein vertragliches Schuldverhältnis vor, das in den Anwendungsbereich der Verordnung Rom I fällt. Art.  6 Abs.  1 Rom II ist dann nicht einschlägig. Der lauterkeitsrechtlichen Zielsetzung kann al­ lenfalls im Wege einer Qualifikation als Eingriffsnorm und damit im Rahmen von Art.  9 Rom I Rechnung getragen werden. Das betrifft insbesondere die Haftung auf Erfüllung einer Gewinnzusage. Bei Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen eines einzelnen Verbrauchers aufgrund der Zuwiderhandlung gegen lauterkeitsrechtliche Verhaltensnormen ist ebenfalls zunächst zu prüfen, ob derartige Ansprüche als vertragliche Schuldver­ hältnisse in den Anwendungsbereich der Verordnung Rom I oder aber als außerver­ tragliche Schuldverhältnisse in den Anwendungsbereich der Verordnung Rom II fallen. Das hängt davon ab, wie eng diese Ansprüche mit der Erfüllung eines abge­ gebenen Leistungsversprechens zusammenhängen. Soweit der Anspruch außerver­ traglich zu qualifizieren ist, ist sodann Art.  6 Abs.  1 Rom II die richtige Kollisions­ norm. Nicht einschlägig sind hingegen die in der Literatur zum Teil herangezogenen Art.  12 Rom II (culpa in contrahendo) und Art.  6 Abs.  2 Rom II (bilaterale Wettbe­ werbsbeziehungen).

C.  Sanktionierung durch Verbände Eine weitere Gruppe von Anspruchstellern im Lauterkeitsrecht sind privatrechtli­ che Verbände (etwa §  8 Abs.  1 Nr.  2–3 UWG). Hier stellen sich Abgrenzungsfragen im Zusammenhang mit dem Begriff der Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Verbandsklage die Merkmale einer Zivil- und Handelssache erfüllt, ist nach der Art des geltend gemachten Anspruchs zu differenzieren. I. Unterlassungsansprüche Ausgangspunkt der Überlegung für das Vorliegen einer Zivil- und Handelssache im Falle von Unterlassungsklagen von Verbraucherschutzverbänden sollte die Recht­ sprechung des EuGH zum IZVR sein. Danach liegt eine Zivil- und Handelssache vor, wenn ein Verbraucherschutzverband auf Unterlassung klagt.190 Dem hiergegen 190 

seln.

EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (8138) – Henkel, in Bezug auf AGB-Klau­

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

vorgebrachten Argument, der Verband nehme die Aufgabe der Rechtsdurchsetzung und damit ein Hoheitsrecht wahr, hat sich der EuGH nicht angeschlossen.191 Es ist nicht ersichtlich, dass Klagen gewerblicher Verbände abweichend zu beurteilen wä­ ren.192 Eine Zivil- und Handelssache liegt daher in allen Konstellationen vor, in denen ein privater Verband Unterlassungsansprüche geltend macht.193 II. Gewinnabschöpfungsansprüche Zweifel am Vorliegen einer Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II und damit an der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung Rom II kann man allerdings in Konstellationen haben, in denen Verbände eine Gewinnabschöp­ fungsklage wie nach §  10 UWG erheben, die darauf gerichtet ist, dass der Schuldner den durch einen Wettbewerbsverstoß erzielten Gewinn an den Bundeshaushalt ab­ führt. Meist setzt die Literatur das Vorliegen einer Zivil- und Handelssache still­ schweigend voraus.194 Demgegenüber wird vereinzelt eine Zivil- und Handelssache abgelehnt.195 Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt keine Zivil- und Handelssache vor, wenn ein Hoheitsträger am Prozess beteiligt ist und eine auf hoheitliches Sonder­ recht gestützte Tätigkeit im Streit steht.196 An sich könnte man nach der Definition des EuGH meinen, dass eine Zivil- und Handelssache schon deshalb vorliegen müs­ se, weil kein Hoheitsträger am Rechtsstreit beteiligt ist. Dass dieses Kriterium aber nicht immer allein maßgeblich sein kann, zeigt sich insbesondere bei Privatklage­ verfahren im Bereich des Strafrechts: Diese Art des Strafverfahrens wird zwar von Privatpersonen betrieben, aber eindeutig nicht als Zivil- und Handelssache verstan­ den.197 Im Schlosserbericht198 zum EuGVÜ wird daher zur Abgrenzung vorge­ schlagen, dass eine Zivil- und Handelssache immer dann ausscheiden solle, wenn eine Geldsanktion nicht an einen Privaten, sondern an den Staat zu leisten sei. Ob die Sanktion formell strafrechtlichen Charakter hat, soll dagegen ohne Bedeutung 191 

EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (8336 f.) – Henkel. Von einer parallelen Behandlung geht etwa auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  356 aus (zum IZVR). 193  Vorausgesetzt etwa bei Palandt/Thorn, Art.  6 Rom II (IPR) Rn.  11. 194  Jeweils zum IZVR Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  387 ff.; Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (771); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  792 ff.; für eine wohl vergleichbare Situation trotz Leistung an den Staat eine Zivil- und Handelssache annehmend Kohler, S.  114 f. 195  Ehrich, S.  98 f, 105. 196  Etwa EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8137) – Henkel. 197  Zum EuGVÜ Schlosser, Bericht zu dem Übereinkommen des Königreichs Dänemark, Ir­ lands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über den Beitritt zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entschei­ dungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Über­ einkommens durch den Gerichtshof (unterzeichnet in Luxemburg am 9. Oktober 1978), ABl. C 59 vom 05.03.1979, S.  71 (84), Rn.  29. 198  Schlosser-Bericht, ABl. C 59 vom 05.03.1979, S.  71 (84), Rn.  29. 192 

C.  Sanktionierung durch Verbände

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sein.199 Wendet man diese Kriterien auf die Gewinnabschöpfungsklage an, bei der die geforderte Geldzahlung gegebenenfalls an den Bundeshaushalt zu erfolgen hat200, so fehlt es demnach an einer Zivil- und Handelssache. Im Rahmen der Verordnung der Rom II spricht für eine derartige Abgrenzung, dass die in der Verordnung enthaltenen Kollisionsnormen Leistungen an den Staat wie im Falle der Gewinnabschöpfungsklage nicht recht erfassen können: Derartige Leistungen lassen sich nicht als Schadensersatzansprüche begreifen.201 Denn ihr Umfang bemisst sich nicht, wie es für Schadensersatzansprüche typisch ist202 , nach der Höhe des entstandenen Schadens oder angerichteten Unrechts. Er richtet sich nicht danach, was ein Geschädigter zu wenig hat, sondern danach, was der Gläubi­ ger zu viel hat.203 Anders als im Falle der dreifachen Schadensberechnung ist auch nicht ersichtlich, dass die Gewinnabschöpfung dabei als Methode der Schadensbe­ rechnung begriffen werden kann. Vor allem erfolgt die Geldleistung eben nicht an einen Geschädigten, sondern schlicht an den Staat.204 Eine Geschäftsführung ohne Auftrag scheidet ebenfalls aus205: Denn es fehlt schon an der Führung eines fremden Geschäfts, sei es eines Geschäfts der Verbrau­ cher, des Verbraucherschutzverbandes oder des Staates. Die Ansprüche lassen sich aber auch nicht als Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung206 interpretie­ ren: Zwar wird der unionsrechtliche Begriff der ungerechtfertigten Bereicherung zum Teil darüber definiert, dass sich der Anspruchsinhalt nach der Vermögenslage des Anspruchsgegners bemisst.207 Doch ist dies wohl auf Fälle zu begrenzen, in denen sich der Anspruch darauf gründet, dass im weitesten Sinne irgendeine Verla­ gerung vom Vermögen des Gläubigers in das Vermögen des Schuldners stattgefun­ den hat.208 Eine Regelung, die einen rechtswidrig erlangten Vermögensüberschuss aber schlicht dem Staat zuführt, entfernt sich weit von derartigen bereicherungs­ rechtlichen 209 und damit auch den zivil- und handelsrechtlichen Grundsätzen, weil sich eine solche Zuweisung des erlangten Gewinns an den Staat nur noch mit dessen hoheitlicher Sonderrechtsstellung erklären lässt.210 199 

Schlosser-Bericht, ABl. C 59 vom 05.03.1979, S.  71 (84), Rn.  29. Diesem Umstand messen demgegenüber Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  800 kei­ ne Relevanz bei. 201  Unsicher zu Art.  5 Nr.  3 EuGVVO auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  387; für Anwendbarkeit von Art.  5 Nr.  3 EuGVVO aber Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (771); Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschaftR Rn.  800. 202  Zum IZVR Schlussanträge des Generalanwalts Jacob v. 08.07.2004 – C-27/02, Slg. 2005, I-484 (I-496 f.) – Engler. 203  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  387. 204  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  387. 205  Vgl. aber zum IZVR Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  387. 206  In diese Richtung zum IZVR aber Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  387. 207  Palandt/Thorn, Art.  10 Rom II (IPR) Rn.  2. 208  Siehe die Definition von Bamberger/Roth/Spickhoff, Art.  10 Rom II-VO Rn. 1. 209  Ehrich, S.  98, dort Fn.  14 meint, der Staat habe im Zweifel über die Mehrwertsteuer sogar mitverdient. 210  Aus diesem Grund gegen eine Zivil- und Handelssache Ehrich, S.  98. 200 

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

Gegen die hier in Betracht gezogene Abgrenzung nach dem Leistungsempfänger der Sanktion spricht nicht, dass der EuGH dieses Kriterium in einer neueren Ent­ scheidung zur EuGVVO – entgegen der Auffassung des Generalanwalts211 – in Be­ zug auf die Qualifikation eines Ordnungsgeldes nicht angewandt hat.212 Denn diese Entscheidung betrifft eine Sanktion im Vollstreckungsrecht und ist maßgeblich von der Überlegung geprägt, dass das Ordnungsgeld ein Urteil vollstrecken soll, das seinerseits eine Zivil- und Handelssache betrifft. Dabei soll es insbesondere auf die „Natur des subjektiven Rechts“ ankommen, das durchgesetzt werden soll213. Dem ist daher keine allgemeine Abkehr vom Kriterium des Leistungsempfängers zu ent­ nehmen. Folglich sollte man am Abgrenzungskriterium des Empfängers der Sanktion fest­ halten. Damit erfüllt eine Gewinnabschöpfungsklage nicht die Anforderungen, die an eine Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II zu stellen sind. In Fällen einer Gewinnabschöpfungsklage ist daher weiterhin nationales Kollisions­ recht anzuwenden. III. Ergebnis Wird ein Verstoß gegen eine lauterkeitsrechtliche Verhaltensnorm dadurch sanktio­ niert, dass privatrechtliche Verbände Ansprüche auf Unterlassung geltend machen können, so liegt eine Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II vor. Bei Gewinnabschöpfungsansprüchen, bei denen die Sanktion dagegen an den Staat zu leisten ist, fehlt es an der Voraussetzung einer Zivil- und Handelssache.

D.  Sanktionierung durch Behörden In vielen Staaten wird das Lauterkeitsrecht – auch oder ausschließlich – von Behör­ den durchgesetzt. Für innergemeinschaftliche Sachverhalte müssen aufgrund Art.  4 Abs.  1 Verordnung 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz so­ gar in allen EU-Staaten Behörden existieren, die u. a. die UGP-RL und die Wer­ beRL durchsetzen können, wohingegen für rein innerstaatliche Sachverhalte das Unionsrecht eine Durchsetzung speziell durch Behörden nicht zwingend verlangt.214 Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob in diesen Konstellationen ei­ ner behördlichen Durchsetzung ebenfalls Art.  6 Abs.  1 Rom II anwendbar ist. Das 211  Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi v. 05.04.2011, C-406/09, Rn.  67 f. – Realche­ mie Nederland, zuletzt am 31.07.2013 abgerufen unter ; ebenso Maurer, S.  11. 212  EuGH v. 18.10.2011 – C-406/09, NJW 2011, 3568 (3569) – Realchemie Nederland; ebenso etwa Lindacher, GRUR Int. 2008, 453 (456) m. w. N. 213  EuGH v. 18.10.2011 – C-406/09, NJW 2011, 3568 (3569) – Realchemie Nederland. 214  Leistner, ZEuP 2009, 56 (79); Micklitz, in: Weatherill/Bernitz, S.  235 (247 f.).

D.  Sanktionierung durch Behörden

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hängt davon ab, wie der Begriff der Zivil- und Handelssache in Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II auszulegen ist. Dies ist differenziert zu betrachten. I.  Behördliche Klagerechte In manchen Staaten hat die Behörde die Möglichkeit, die Durchsetzung lauterkeits­ rechtlicher Verhaltensregeln im Wege eines Gerichtsverfahrens zu erreichen. Dies betrifft insbesondere das Office of Fair Trading in England, das gegenüber dem einzelnen Wettbewerber die Einhaltung der nationalen Umsetzungsregeln der UGPRL und der WerbeRL im Wege einer Klage durch vom Gericht zu verhängende enforcement orders erzwingen kann.215 Ob eine solche Klage einer Behörde die Voraussetzungen an eine Zivil- und Handelssache erfüllt, ist umstritten. Nach einer Auffassung216 sollen derartige Klagen von Behörden nicht die Voraussetzungen ei­ ner Zivil- und Handelssache erfüllen. Die wohl h. M.217 sieht dagegen das Merkmal der Zivil- und Handelssache als gegeben an. Entscheidend ist, ob die Kriterien für das Vorliegen einer Zivil- und Handelssa­ che gegeben sind, wie sie in der Rechtsprechung des EuGH Bedeutung erlangt ha­ ben. Abzustellen ist wiederum auf die Entscheidung Henkel zum IZVR, in der eine Zivil- und Handelssache bei Klagen eines Verbraucherschutzverbandes bejaht wur­ de. In dieser Entscheidung wurden hierfür drei Argumente genannt, nämlich dass der Verbraucherschutzverband eine Person des Privat- und nicht des öffentlichen Rechts sei218, dass zivilrechtliche Rechtsbeziehungen, im konkreten Fall AGB-Klau­ seln, zum Gegenstand einer Überprüfung gemacht würden 219 und dass der Verband keine Sonderrechte gegenüber privatrechtlichen Regeln ausübe220. Das erste Argument greift im Falle der Klage einer Behörde nicht ein: Denn ein Verbraucherschutzverband unterscheidet sich hinsichtlich seiner Rechtsnatur von einer staatlichen Behörde.221 Dass keine Privatperson, sondern ein Hoheitsträger gehandelt hat, schließt für sich genommen das Vorliegen einer Zivil- und Handels­ sache aber nicht aus.222 Daher ist auch die Tatsache, dass das Unionsrecht in Art.  11 Abs.  1 UAbs. 2 lit.  b UGP-RL im Zusammenhang mit dem behördlichen Klagerecht 215 

S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (182 f.; 213). Mankowski, RIW 2008, 177 (181); Wadlow, JIPLP 2009, 789 (796); zum IZVR Maurer, S.  4. 217  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Micklitz/Rott, 29. EL, A 25, Art.  2 Rn.  58; Rott, in: Micklitz/Rott/ Docekal/Kolba, S.  265 (278); Rott/von der Ropp, ZZPInt 2004, 3 (8); vorausgesetzt von Micklitz, in: Weatherill/Bernitz, S.  235 (243); zur EuGVVO ebenso Dauses/Rott, 21. EL; H.V. Rn.  707; Fe­ zer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  356; Kohler, S.  113 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  6. 218  EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8138) – Henkel; diesem Aspekt wollen Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  356 keine Bedeutung beimessen. 219  EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8138) – Henkel; diesen Aspekt betonen Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  356. 220  EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8138) – Henkel. 221  Insoweit richtig Dickinson, Rome II, Rn.  3.266. 222  Dickinson, Rome II, Rn.  3.264. 216 

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Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

von einer „Verwaltungsbehörde“ spricht, entgegen anders lautenden Stimmen 223 kein aussagekräftiges Argument gegen das Vorliegen einer Zivil- und Handelssa­ che. Denn dieser Wortlaut bestätigt nicht mehr als den unstreitigen Befund, dass es möglich ist, dass die Klage von einer echten Behörde, also einer nichtprivatrechtlich verfassten Einrichtung, erhoben werden kann. Um eine Zivil- und Handelssache auszuschließen, muss jedoch hinzukommen, dass es in dem Verfahren um ein auf Hoheitsrechte gestütztes Verhalten geht.224 Das ist nicht der Fall, wenn ein bestimmtes Verhalten in gleicher Weise von einer Privat­ person vorgenommen werden kann.225 Unzweifelhaft ist, dass das Gericht bei einer lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsklage nur ein privatwirtschaftliches Handeln des einzelnen Wettbewerbers und damit nicht etwa ein hoheitliches Handeln kon­ trolliert. Daher kann auch das überprüfte Verhalten das Vorliegen einer Zivil- und Handelssache nicht ausschließen. Gleichwohl könnte die Führung des Prozesses ein hoheitliches Handeln der Be­ hörde begründen. Dies wird teils für den Fall angenommen, dass ein entsprechen­ des Klagerecht nach der lex causae, wie angeblich nach englischem Recht, allein der Behörde vorbehalten ist, woraus folgen soll, dass die Behörde mit der Klagerhe­ bung hoheitliche Befugnisse ausübe.226 Doch kann nicht entscheidend sein, ob die einzelne nationale Rechtsordnung ein Monopol der Behörde zur Einleitung eines Verfahrens vorsieht.227 Eine solche Argumentation gewichtet nämlich nicht hinrei­ chend, dass die Frage der Qualifikation als Zivil- und Handelssache autonom und damit für alle Mitgliedstaaten einheitlich zu erfolgen hat: Die Frage, ob ein hoheit­ liches Sonderrecht betroffen ist, kann mithin nicht im Hinblick auf die Qualifikation in einer bestimmten Rechtsordnung beantwortet werden, sondern ist vielmehr auch unter Berücksichtigung des Rechtsverständnisses in anderen Mitgliedstaaten zu er­ mitteln.228 Mit der Erhebung einer Unterlassungsklage nimmt eine Behörde keine anderen Rechte wahr, als sie in anderen Staaten Verbraucherschutzverbänden zuste­ hen können.229 Sowohl bei Behörden als auch bei Verbraucherschutzverbänden 223 

Wadlow, JIPLP 2009, 789 (796). Dickinson, Rome II, Rn.  3.264. 225  Zum IZVR etwa EuGH v. 21.04.1993 – C-172/91, Slg. 1993, I-1990 (I-1997) – Sonntag; die Kriterien für Rom II übernehmend MünchKommBGB/Junker, Art.  1 Rom II-VO Rn.  11; speziell für Verbandsklagen heranziehend Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  356. 226 So Wadlow, JIPLP 2009, 789 (796); der Ausgangspunkt der Argumentation erscheint zwei­ felhaft, denn nach Section 218 Abs.  5 Enterprise Act 2002 können bei innergemeinschaftlichen Verstößen auch ausländische im Verzeichnis der Kommission gelistete qualifizierte Einrichtun­ gen, d. h. also auch Verbraucherschutzverbände, als sog. community enforcers entsprechende Ge­ richtsverfahren anstrengen; vgl. dazu S. Müller, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  163 (213); Kohler, S.  32 f., 115. 227  Ähnlich Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  356. 228  Vgl. zum IZVR EuGH v. 21.04.1993 – C-172/91, Slg. 1993, I-1990 (I-1997) – Sonntag; dieser Entscheidung, wie hier, für die hier interessierende Fragestellung folgend Fezer/Hausmann/ Obergfell, Einleitung I Rn.  356. 229  Dauses/Rott, 21. EL; H.V. Rn.  707; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Micklitz/Rott, 29. EL, A 25, Art.  2 Rn.  31; Rott, in: Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S.  265 (278). 224 

D.  Sanktionierung durch Behörden

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kann es sich jeweils um eine „qualifizierte Einrichtung“ i. S. v. Art.  3 UKlaRL han­ deln, was unterstreicht, dass sie aus unionsrechtlicher Sicht identische Aufgaben wahrnehmen.230 Macht eine Behörde klageweise einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht gel­ tend, so liegt daher eine Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 Rom II vor. II.  Durchsetzung mit Verwaltungsakten In anderen Staaten können Behörden demgegenüber mit Verwaltungsakten gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten vorgehen: Derartige Rechtsdurchsetzungsmecha­ nismen sind vor allem in skandinavischen Ländern wie Schweden verbreitet231, existieren aber etwa auch Italien bei Verstößen gegen das Verbraucherschutzgesetz­ buch 232. Auch in Deutschland gibt es in §  5 Abs.  1 VSchDG233 derartige Befugnisse. Es fragt sich, ob auch in diesen Fällen noch von einer Zivil- und Handelssache aus­ gegangen werden kann. 1. Meinungsstand Die seltenen Stellungnahmen zu dieser Frage im Bereich des Lauterkeitsrechts leh­ nen eine Zivil- und Handelssache ab.234 Damit übereinstimmen dürfte es, wenn davon ausgegangen wird, dass Behörden bei einer derartigen Durchsetzung des Lauterkeitsrechts stets das Recht ihres Staates anwenden.235 Für ähnliche Rechtsge­ biete ist Vergleichbares vertreten worden: So ist früher die Maßgeblichkeit der lex fori auch für eine behördliche Durchsetzung von Normen des AGB-Rechts vertre­ ten worden, weil auch insoweit die Behörde eine „Marktordnung“ durchsetze.236 Auch im Bereich des behördlichen Kartellrechts wird das Vorliegen einer Zivil- und Handelssache allgemein abgelehnt.237 Demgegenüber ist in der Gesetzesbegründung zum deutschen VSchDG die An­ sicht vertreten worden, die Behörde wende privatrechtliche Normen an und müsse die jeweils einschlägige Rechtsordnung ermitteln.238

230  In diesem Sinne auch Baetge, ZZP 1999, 329 (336): „völlig gleichwertig“; speziell im Zu­ sammenhang der Zivil- und Handelssache heranziehend Kohler, S.  115: „funktionsäquivalent“. 231  Pazdan /Szpunar, in: Nuyts, S.  131 (132). 232  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (376 f.). 233  EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz vom 21. Dezember 2006, BGBl. I 2006, S.  3367 ff. 234  Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (729). 235  Pazdan /Szpunar, in: Nuyts, S.  131 (132). 236  Mankowski, IPRax 1991, 305 (307). 237  Huber/Illmer, Art.  6 Rn.  66; Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-86); Gebauer/Wied­ mann/A. Staudinger, Kap.  38 Rn.  48; Immenga, in: FS Kühne, S.  725 (727); Mankowski, IPRax 2010, 389 (395); Massing, S.  148; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  6 Rom II-VO Rn.  64 ff.; Rodríguez Pineau, J. Priv. Int. L. 2009, 311 (319); Rosenkranz/Rohde, NIPR 2008, 435 (436). 238  BT-Drucks. 16/2930, S.  15 f.

264

Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

2. Stellungnahme Zutreffend ist, dass eine Behörde bei Erlass eines Verwaltungsaktes hoheitliche Be­ fugnisse ausübt. Eine derartige einseitige Regelungsbefugnis dürfte der Paradefall der Ausübung eines hoheitlichen Sonderrechts sein. Entsprechende Rechte können einem Privaten nicht zustehen. Das ergibt sich auch aus Art.  2 UKlaRL, Art.  11 Abs.  1 UAbs. 2 lit.  b, 1. Alt, Abs.  2 UGP-RL: Die hier normierten Rechte zur Anord­ nung der Einstellung oder eines Verbots einer unlauteren Geschäftspraktik werden nämlich, anders als die oben diskutierten Klagerechte, nur in Verbindung mit Ver­ waltungsbehörden (und Gerichten) genannt. Auf die Frage, mit welchen hoheitli­ chen Mitteln eine Behörde einen Lauterkeitsverstoß sanktionieren kann, kann nur ihr eigenes Recht Anwendung finden. Schwieriger zu beantworten ist demgegenüber die Frage, ob die Behörde hin­ sichtlich der einschlägigen Verhaltensnormen in der Sache Privatrecht anwendet, das gesondert anzuknüpfen ist. Angesichts der in Deutschland üblichen Einordnung des UWG als Teilbereich des Privatrechts mag es unter Geltung deutschen IPR na­ hegelegen haben, die Ermittlung der maßgeblichen lauterkeitsrechtlichen Verhal­ tensregeln als privatrechtliche Vorfrage anzusehen. Die Kategorie der privatrechtlichen Vorfrage ist für das europäische IPR, soweit ersichtlich, bisher nicht weiter erörtert worden: Allerdings erscheint es auch hier durchaus denkbar, dass, ebenso wie sich innerhalb einer Zivil- und Handelssache hoheitsrechtliche Vorfragen stellen können 239, sich umgekehrt auch im Rahmen ei­ nes behördlichen Verfahrens zivil- und handelsrechtliche Vorfragen stellen könn­ ten.240 Doch ist zu beachten, dass europäisch-autonom zu bestimmen ist, ob eine solche privatrechtliche Vorfrage vorliegt. Dabei ist zu bedenken, dass in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb nicht einheitlich als privatrechtliche Mate­ rie begriffen wird und auch das europäische Recht eine rein behördliche Sanktionie­ rung seiner lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen zulässt. Damit der Begriff der Zivil- und Handelssache nicht völlig konturenlos wird, darf er nicht so weit verstan­ den werden, dass er eine Rechtsfrage – wie die nach der lauterkeitsrechtlichen Zu­ lässigkeit eines Verhaltens – schon allein deshalb erfasst, weil sich dieselbe Frage auch in einem privatrechtlichen Zusammenhang stellen könnte. Dies steht in einem Spannungsverhältnis zu einem Interesse daran, dass in behördlichen „hoheitlichen“ und gerichtlichen „zivil- und handelsrechtlichen“ Durchsetzungsverfahren mög­ lichst keine sich widersprechenden Entscheidungen aufgrund unterschiedlicher kol­ lisionsrechtlicher Regeln ergehen sollten.

239 

Huber/Bach, Art.  1 Rn.  14. Huber/Bach, Art.  1 Rn.  14 nennt diesen Fall zwar nicht ausdrücklich, geht aber davon aus, dass im Hinblick auf die jeweilige Rechtsfrage zu klären ist, ob der zivil- und handelsrechtliche Anwendungsbereich der Verordnung Rom II eröffnet ist. 240 

D.  Sanktionierung durch Behörden

265

Im Bereich des Lauterkeitsrechts bedarf es zur Vermeidung einander widerspre­ chender privatrechtlicher und behördlicher Entscheidungen aber letztlich keiner ge­ sonderten Anknüpfung der Verhaltensnormen nach der Verordnung Rom II: Denn grundsätzlich schützen Behörden ihren eigenen nationalen Markt, sodass die An­ wendung ihres eigenes Rechts ohnehin mit dem in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Recht übereinstimmt.241 Wird die Behörde dagegen nach Maßgabe der Verordnung 2006/2004 und eines Gesetzes wie dem deutschen VSchDG auch zum Schutz aus­ ländischer Märkte tätig, so setzt sie nur die im Anhang der Verordnung 2006/2004 unionsrechtlichen Rechtsakte bzw. deren Umsetzungen durch. Sie wendet daher Normen an, die unionsrechtlich vereinheitlicht sind. Das interessengerechte und mit der Behandlung im Internationalen Kartellrecht übereinstimmende Ergebnis, dass im behördlichen Verfahren die lauterkeitsrechtli­ chen Verhaltensregeln nicht als privatrechtliche Vorfragen zu behandeln sind, lässt sich anhand der Kategorie der Zivil- und Handelssache am einfachsten in der Weise erklären, dass die Behörde sich nicht mit privatrechtlichen Rechtsbeziehungen an sich befasst, sondern nur bestimmte Verhaltensnormen durchsetzt, die aber, ähnlich wie im Kartellrecht242 , für sich genommen weder spezifisch privatrechtlich noch hoheitsrechtlich verstanden werden können. Damit unterscheidet sich die Interessenlage möglicherweise von der Durchset­ zung anderer Verhaltensregeln im Rahmen des VSchDG, für welche die Annahmen zur Gesetzesbegründung des VSchDG möglicherweise weiterhin Geltung bean­ spruchen können. Das betrifft etwa die in Nr.  6 Anhang VO 2006/2004 genannten KlauselRL. Denn auf dem inländischen Markt können auch missbräuchliche Klau­ seln verwendet werden, die ausländischem Recht unterliegen, sodass der Schutz des eigenen Marktes und das anwendbare Recht auseinanderfallen können. Auch soweit im Hinblick auf ausländische Märkte unionsrechtlich vereinheitlichtes Richtlinien­ recht durchgesetzt werden soll, ist zu beachten, dass das Richtlinienrecht seinerseits eine umfassende Beurteilung anhand der Normen der kollisionsrechtlich berufenen nationalen Rechtsordnung verlangt.243 Zudem geht es bei der AGB-Prüfung nach der Rechtsprechung des EuGH darum, „Rechtsverhältnisse des Privatrechts einer […] Kontrolle zu unterwerfen“244. Daher mögen die Verhaltensregeln in einem sol­ chen Fall eher einen klar zivilrechtlichen Charakter haben und gesondert nach inter­ nationalprivatrechtlichen Regeln anzuknüpfen sein. Für den Bereich des Lauterkeitsrechts ist Folgendes festzuhalten: Geht eine Be­ hörde mit Verwaltungsakten gegen Zuwiderhandlungen gegen lauterkeitsrechtliche 241 

Siehe bereits Mankowski, IPRax 1991, 305 (307). diesem Sinne allgemein zu Normen im öffentlichen Interesse von Bar/Mankowski, §  4 Rn.  55 f., S.  234 f. mit besonderem Verweis auf das Kartellrecht; wohl im selben Sinne zum Kar­ tellrecht Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (627). 243  Vgl. EuGH v. 01.04.2004, C-237/02, Slg. 2004, I-3412 (I-3422) – Freiburger Kommunalbau­ ten. 244  Für die AGB-Verbandsklage EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8138) – Henkel. 242  In

266

Teil 6:  Von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfasste Sanktionierung

Verhaltensregeln vor, so fehlt es im Hinblick auf die maßgeblichen Verhaltensnor­ men an einer Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 Rom II. Die Verordnung findet auch auf die Frage der anwendbaren Verhaltensnormen keine Anwendung. III. Ergebnis Setzt eine Behörde lauterkeitsrechtliche Verhaltensnormen durch, so ist zu unter­ scheiden: Soweit sie sich im Wege einer Klage gegen unlauteres Wettbewerbsver­ halten wendet, liegt eine Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 Rom II vor. Art.  6 Abs.  1 Rom II ist hier die einschlägige Kollisionsnorm. Unterbindet die Be­ hörde unlauteres Wettbewerbsverhalten dagegen mit Verwaltungsakten, fehlt es an einer Zivil- und Handelssache.

E.  Nichtigkeitssanktion für auf unlauteres Wettbewerbsverhalten gerichtete Verträge Eine Sanktionierung unlauteren Wettbewerbsverhaltens kann schließlich auch in der Weise erfolgen, dass Verträge, die auf die Vornahme unlauteren Wettbewerbs­ verhaltens gerichtet sind, als gesetzeswidrig und damit als unwirksam behandelt werden.245 Unter Geltung des deutschen IPR ist auch in diesem Zusammenhang ohne weitere Diskussion die Rechtsprechung zur Marktortanknüpfung, die für au­ ßervertragliche Schuldverhältnisse entwickelt worden war, herangezogen worden.246 Unter Geltung der Rom-Verordnungen wird man dagegen nicht mehr dieselbe Kollisionsnorm anwenden können. Denn in den hier einschlägigen Fällen steht ein außervertragliches Schuldverhältnis i. S. v. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II gar nicht zur Diskussion. Vielmehr geht es um die Wirksamkeit eines vertraglichen Schuldver­ hältnisses i. S. v. Art.  1 Abs.  1 UAbs.  1 Rom I. Man sollte sich an den Regeln des Internationalen Kartellrechts orientieren, bei denen die Frage der Wirksamkeit der Verträge ebenfalls ein vertragsrechtliches Problem ist, wohingegen außervertragli­ che Ansprüche nach Art.  6 Abs.  3 Rom II zu behandeln sind.247 Im Anwendungsbe­ reich der Verordnung Rom I kann der überindividuellen Schutzrichtung des Kar­ tellrechts nur über die Kategorie der Eingriffsnorm i. S. v. Art.  9 Rom I Rechnung getragen werden.248 Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass auch das Lau­ terkeitsrecht oftmals eine wirtschaftspolitische Funktion aufweist, spricht alles da­ 245 

Vgl. BGH v. 14.05.1998 – I ZR 10/96, GRUR 1998, 945 (947) – „Co-Verlagsvereinbarung“. BGH v. 14.05.1998 – I ZR 10/96, GRUR 1998, 945 (946) – „Co-Verlagsvereinbarung“. 247  So zum Internationalen Kartellrecht Mankowski, IPRax 2010, 389 (397); Rodríguez Pineau, J. Priv. Int. L. 2009, 311 (319); Wautelet, R.D.C./T.H.B. 2008, 502 (506). 248  Mankowski, RIW 2008, 177 (182); MünchKommBGB/Martiny, Art.  9 VO (EG) 593/2008 Rn.  72; Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (648, 649) mit Nachweisen zum schweizerischen Recht, die eine parallele Auslegung der entsprechenden schweizerischen Normen verlangen. 246 

E.  Nichtigkeitssanktion für auf unlauteres Wettbewerbsverhalten gerichtete Verträge 267

für, dass auch lauterkeitsrechtliche Normen als Eingriffsnormen i. S. v. Art.  9 Abs.  1 Rom I in Betracht kommen. Dabei dürften sich im Ergebnis Unterschiede zur Marktortanknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II kaum ergeben: Denn als Eingriffsnorm der lex fori nach Art.  9 Abs.  2 Rom I werden lauterkeitsrechtliche Normen häufig dann Anwendung finden, wenn der inländische Markt betroffen ist. Nur wo die lex fori den Anwendungsbe­ reich ihres Lauterkeitsrechts besonders weit zieht, sind Abweichungen zur Mark­ tortanknüpfung i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II vorstellbar. Auch im Falle drittstaatlicher Eingriffsnormen dürfte ein Gleichlauf mit der Marktortanknüpfung bestehen. Denn nach Art.  9 Abs.  3 Rom I kann nur den Ein­ griffsnormen des Erfüllungsortes „Wirkung verliehen werden“. Versteht man den Begriff des Erfüllungsortes technisch, könnte man zwar durchaus zu Abweichun­ gen vom Marktort kommen.249 Doch ist dieses Verständnis wenig einleuchtend: Wenn die Anwendung von Eingriffsrecht insbesondere der Parteiautonomie Gren­ zen setzen soll, so wäre es ungereimt, wenn nach Art.  9 Abs.  3 Rom I die anwend­ baren Eingriffsnormen durch die materiellrechtliche Parteivereinbarung über den Erfüllungsort beeinflusst werden könnten.250 Die Norm ist vielmehr nach ihrem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass es auf den Ort ankommt, an dem die ver­ traglich geschuldete Leistung de facto erbracht wird oder werden soll und an dem sie in Konflikt mit einer verbindlichen Anordnung eines Drittstaates geraten kann.251 Daher wird man lauterkeitsrechtliche Verbote über Art.  9 Abs.  3 Rom I „Wirkung verleihen“ können, wenn die geschuldete Leistung, unabhängig von der genauen vertragsrechtlichen Ausgestaltung, de facto in einem Wettbewerbsverhal­ ten besteht, das auf einen bestimmten Marktort in einer Weise einwirkt, die nach den lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen am Marktort verboten ist.252 Im Ergebnis, nicht aber in der Begründung, bleibt es daher unter Geltung der Rom-Verordnungen weitgehend beim Recht des Marktortes, soweit es um die Nich­ tigkeit von Verträgen geht, die ein unlauteres Wettbewerbsverhalten vereinbaren.

249 

So zum Kartellrecht Roth, in: FS Kropholler, S.  623 (648, 649), allerdings sehr kritisch. MünchKommBGB/Martiny, Art.  9 VO (EG) 593/2008 Rn.  125. 251  Palandt/Thorn, Art.  9 Rom I (IPR) Rn.  12; ähnlich MünchKommBGB/Martiny, Art.  9 VO (EG) 593/2008 Rn.  125. 252  MünchKommBGB/Martiny, Art.  9 VO (EG) 593/2008 Rn.  133 will im Bereich des „Kar­ tell- und Wettbewerbsrechts“ auf die Auswirkung abstellen. 250 

Teil 7

Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen A. Ausgangspunkt Art.  6 Abs.  1 Rom II soll Normen berufen, welche die Frage beantworten, ob und wie die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Verbraucherinteressen vor einem bestimmten unmittelbar marktbezogenen Wettbewerbsverhalten zu schützen sind. Bereits untersucht worden ist, unter welchen Voraussetzungen eine Verhaltensnorm so ausgestaltet ist, dass sie einen derartigen Schutz vermittelt. Daneben stellt sich aber auch die Frage, ob auch dann, wenn lauterkeitsfremde Verhaltensnor­ men durchgesetzt werden, die Sanktionsnorm für sich genommen derart ausgestal­ tet sein kann, dass sie die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Verbrau­ cherinteressen schützt und damit ebenfalls von Art.  6 Abs.  1 Rom II berufen wer­ den kann. Im deutschen Sachrecht betrifft dies zum einen die Fallgruppe des Rechtsbruchs i. S. v. §  4 Nr.  11 UWG. Zum anderen ist auch an die Unterlassungskla­ gen nach dem UKlaG zu denken. Speziell in der letztgenannten Fallgruppe ist die Frage der richtigen Qualifikation des Unterlassungsanspruchs in den Blickpunkt von Rechtsprechung und Literatur gerückt, ohne abschließend geklärt worden zu sein.

B.  Abgrenzung anhand der nationalen Gesetzessystematik? Rechtsprechung und Literatur haben bisher nicht explizit an die eigenständige Funktion der Sanktionsnorm im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Qualifikation gedacht. Trotz der regelmäßigen Betonung der Bedeutung der Verhaltensnormen für das Lauterkeitsrecht ist, soweit ersichtlich, aber auch nicht vertreten worden, dass ausschließlich die Funktion der Verhaltensnormen eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation rechtfertigen könne. Insbesondere hinsichtlich solcher Ansprüche, die sich auf den Tatbestand des Rechtsbruchs nach dem deutschen UWG stützen, ist die Maßgeblichkeit des Lauterkeitsstatuts, soweit ersichtlich, nie ernsthaft bezweifelt worden.1 Dagegen ist die Frage der lauterkeitsrechtlichen Qualifikation der Ver­ 1  Zuletzt für eingriffsrechtlich qualifizierte Verhaltensnormen unter Art.  6 Abs.  1 Rom II GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (417 f.); zum deutschen IPR für ver­ tragsrechtliche Verhaltensnormen etwa BGH v. 15.11.1990 – I ZR 22/89, BGHZ 113, 11 (14 ff.) –

B.  Abgrenzung anhand der nationalen Gesetzessystematik?

269

bandsklage nach dem früheren AGBG und dem späteren UKlaG stets, auch unter Geltung des deutschen IPR, wesentlich umstrittener gewesen. Dieser Ausgangsbefund kann im Hinblick auf das deutsche IPR nicht überra­ schen: Angesichts der Orientierungsfunktion, welche dem UWG als Sondergesetz auch für die kollisionsrechtliche Qualifikation nach der nationalen lex fori zukam, lag es nicht fern, außerhalb dieses Gesetzes liegende Regelungen tendenziell nicht dem Lauterkeitsrecht zuzuordnen.2 Der Aspekt der nationalen Gesetzessystematik hat jedoch, wie bereits festgestellt, im Rahmen der europäisch-autonomen Qualifi­ kation unter der Geltung von Art.  6 Abs.  1 Rom II an Bedeutung verloren. Die Stel­ lung im einzelnen nationalen Sachrecht ist für die Qualifikation unter Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht maßgeblich.3 Daher kann auch die Fallgruppe des Rechtsbruchs nicht allein deshalb lauterkeitsrechtlich qualifiziert werden, weil sie sich in Deutschland im UWG befindet. Allerdings lässt sich feststellen, dass rechtsvergleichend betrachtet der Tatbe­ stand des Rechtsbruchs in zahlreichen Mitgliedstaaten anerkannt ist: Er existiert zumindest im deutschen, belgischen, italienischen, griechischen, niederländischen, österreichischen, spanischen und ungarischen Lauterkeitsrecht 4. Das gibt immerhin einen Fingerzeig darauf, dass der unionsrechtlich autonome Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht schon dem Wortlaut nach zwingend auf Ansprüche wegen Verstößen gegen typisch lauterkeitsrechtliche Ver­ haltensnormen beschränkt sein muss, sondern weit genug ist, um auch Ansprüche wegen der Verletzung an sich lauterkeitsfremder Verhaltensnormen erfassen zu können. Die genaue Zuordnung einzelner Probleme lässt sich anhand dieses Befundes aber nicht vornehmen. Insbesondere soweit es um die umstrittene Einordnung von Materien geht, die, wie im Bereich der Unterlassungsklagen nach dem UKlaG, in der nationalen Gesetzessystematik gerade nicht als lauterkeitsrechtlicher Fall des Rechtsbruchs verstanden werden, bleiben erhebliche Unsicherheiten bestehen. Me­ thodisch denkbar wäre es in diesem Fall zwar, die Gesetzessystematik des europäi­ schen Sachrechts heranzuziehen, da etwa das UKlaG auf der europäischen UKlaRL beruht. Doch ist auch dies nicht ergiebig: Einerseits ist nämlich nicht ersichtlich, dass die europäische UKlaRL im europäischen Sachrecht spezifisch lauterkeits­ rechtlich verstanden würde. Andererseits gibt es aber auch keinen anderen Anknüp­ „Kauf im Ausland“; Koch, JZ 1991, 1039 (1040); Maurer, S.  87 ff.; Problembewusstsein allerdings bei Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17. 2  Sich für die Einordnung der Verbandsklage hieran orientierend Koch, JZ 1991, 1039 (1040). 3 Vgl. Henning-Bodewig, in: Hilty/Henning-Bodewig, S.  9 (18). 4  Bastian, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  355 (396) zu Italien; García Pérez, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  633 (663 f.) zum spanischen Recht; Gouga, in: Schmidt-Kessel/ Schubmehl, S.  323 (347 f.) zu Griechenland; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1405) zum Stand von 2001 zum deutschen, belgischen, niederländischen, österreichischen und spani­ schen Recht; Vida, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  679 (691 f.) zu Ungarn.

270

Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

fungsgegenstand, dem sich der Bereich der UKlaG von vornherein eindeutig zuord­ nen ließe. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass allein aus der systematischen Einordnung im Sachrecht zum Recht gegen den unlauteren Wettbewerb nicht zwingend darauf geschlossen werden kann, dass auch kollisionsrechtlich eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation mit der damit einhergehenden Marktortanknüpfung gemäß Art.  6 Abs.  1 Rom II sachgerecht ist. Daher muss auch in der hier interessierenden Kons­ tellation, wie auch sonst, untersucht werden, ob und wann die in Frage stehenden Sachnormen inhaltlich eine solche Funktion erfüllen, dass eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II interessengerecht erscheint.

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien Ausgehend von der Annahme, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II auf Sachnormen verweist, die die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Verbraucherinteressen schüt­ zen, bedarf es zunächst einer Klarstellung, unter welchen Umständen sich sagen lässt, dass eine sachrechtliche Sanktionsnorm dem Schutz der Wettbewerbsbezie­ hungen oder der kollektiven Verbraucherinteressen dient.5 Sodann ist jeweils zu klären, ob für eine derartige Sanktionierung die Anknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II tatsächlich auch den maßgeblichen kollisionsrechtlichen Interessen gerecht wird. Dabei sollen zunächst die Sanktionsnormen zum Schutze der Wettbewerbsbe­ ziehungen und sodann diejenigen zum Schutze der kollektiven Verbraucherinteres­ sen untersucht werden. I.  Schutz der Wettbewerbsbeziehungen durch Sanktionsnormen 1.  Verständnis eines Schutzes der Wettbewerbsbeziehungen durch Sanktionsnormen Der Schutz der Wettbewerbsbeziehungen erfasst vor allem den Schutz der Chancen­ gleichheit.6 Auf die Herstellung dieses Ziels kann eine Sanktionsnorm gerichtet sein, ohne dass es auf den Inhalt der verletzten Verhaltensnorm ankäme. Denn an sich besteht eine Ungleichheit bei jedem Rechtsbruch durch Geschäftspraktiken ei­ nes Wettbewerbers7: Die Mitbewerber dürfen nämlich nicht in gleicher Weise am Markt tätig werden, ohne auch selbst rechtswidrig zu handeln.8 Um daher die Chan­ 5  Bei Berührung dieser Interessen will auch Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Einf B Rn.  17 den Rechtsbruch dem Art.  6 Abs.  1 Rom II zuweisen, sagt aber nicht dazu, nach welchem Kriterium dies ermittelt wird. 6  Hierauf beschränkend wohl Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (748); Köh­ ler/Bornkamm/Köhler, Einl UWG Rn.  5.32. 7  Deutsch, Wettbewerbstatbestände, S.  63. 8  Ähnlich Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  329, die meinen, die Unlauterkeit erge­

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

271

cengleichheit effektiv in rechtmäßiger Weise herstellen zu können, können den Konkurrenten insbesondere Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche zur Ver­ fügung gestellt werden. Regelungstechnisch erfolgt dies regelmäßig über die Schaf­ fung des Tatbestands des Rechtsbruchs im UWG und damit über eine Einbettung in die Sanktionsmöglichkeiten des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb.9 Der Schutz lauterkeitsrechtlicher Interessen, insbesondere der Wettbewerbs­ gleichheit, liegt in diesen Konstellationen – sowohl beim Unterlassungs- als auch beim Schadensersatzanspruch – erst dem Durchsetzungsmechanismus, nicht aber bereits den durchzusetzenden Verhaltensnormen selbst zu Grunde.10 Eine Rechts­ ordnung kann Verstöße gegen jede Art von Verhaltensnormen als Rechtsbruch für lauterkeitsrechtlich angreifbar erklären11, wie es etwa in Belgien und Österreich offenbar auch tatsächlich der Fall ist.12 In Deutschland verlangt zwar der Tatbestand des Rechtsbruchs gemäß §  4 Nr.  11 UWG, dass die „gesetzliche Vorschrift […] auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu re­ geln“. Auch das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die verletzten Verhal­ tensnormen nicht unbedingt hauptsächlich einem lauterkeitsrechtlichen Ziel die­ nen:13 So wird etwa in der Gesetzesbegründung zu §  4 Nr.  11 UWG bereits „eine sekundäre Schutzfunktion zu Gunsten des Wettbewerbs“14 für ausreichend gehal­ ten. Derartige Verhaltensnormen haben daher in erster Linie eine andere Funktion. Sie können deshalb für sich betrachtet eher unter einen anderen Anknüpfungsge­ genstand als den des Internationalen Lauterkeitsrechts fallen.15 Zu denken wäre ins­ besondere an Ansprüche auf Einhaltung von Verhaltensnormen, die, ohne selbst lauterkeitsrechtlichen Charakter aufzuweisen, öffentlichen Interessen dienen oder, insbesondere im Falle der Durchsetzung vertragsrechtlicher Regeln, im Individual­ interesse der Verbraucher bestehen. 2.  Kollisionsrechtliche Interessenlage Erfolgt eine Sanktionierung im Interesse der Chancengleichheit der Wettbewerber, passt die Kollisionsnorm aus Art.  6 Abs.  1 Rom II mit der Anknüpfung an den Marktort und dem Ausschluss auflockernder Anknüpfungspunkte.

be sich in diesem Fall nur aus dem durch die Rechtsverletzung resultierenden „Wettbewerbsvor­ sprung“, allerdings nur für sog. „wertneutrale Normen“. 9  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 Nr.  11 UWG Rn.  11.6; MünchKommUWG/Mankowski, Int­ WettbR Rn.  310. 10  MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  310. 11  Vgl. die Kritik an der deutschen Rechtsprechung bei Beater, 2011, Rn.  2491. 12  Paiser/Kusznier/Pöchhacker, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  433 (499) zu Österreich; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (1405) zu Belgien. 13  Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  11.33 unter Hinweis auf den Wortlaut „auch“. 14  BT-Drucks. 15/1487, S.  19; hierauf weisen Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  329 hin. 15  Vorausgesetzt etwa bei Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (764).

272

Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

Die Marktortanknüpfung kann nämlich sicherstellen, dass alle Teilnehmer am Marktgeschehen prinzipiell dieselben Möglichkeiten haben, sich gegen bestimmte Arten von Rechtsbruch zu wehren. Es wäre etwa mit der Chancengleichheit der Wettbewerber schwerlich vereinbar, wenn die Möglichkeit, Ansprüche auf einen Rechtsbruch zu stützen, etwa an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  4 Abs.  2 Rom II angeknüpft werden könnte. Denn dann könnten sich Wettbe­ werber mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland untereinander nur unter den engen Voraussetzungen des §  4 Nr.  11 UWG gegen Rechtsverstöße wehren, wäh­ rend möglicherweise das Marktortrecht, etwa in Österreich, im Übrigen den Kon­ kurrenten weitergehend erlauben könnte, Rechtsbrüche geltend zu machen. Die Rechtsschutzmöglichkeiten zwischen den Wettbewerbern am Marktort könnten sich dann unter Verstoß gegen die Wettbewerbsgleichheit erheblich unterscheiden. Das Interesse an Wettbewerbsgleichheit spricht folglich in dieser Konstellation für die Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II. Der Gesetzgeber am Marktort hat zudem ein Interesse daran, festzulegen, welche Verstöße gegen außerwettbewerbliche Normen die Wettbewerbsgleichheit und da­ mit die Marktwirtschaft in einer solchen Weise beeinträchtigen, dass eine Einord­ nung als Rechtsbruch und damit eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung möglich ist. Dieses Interesse kann durch die Marktortanknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II am ehesten gewahrt werden. In gleicher Weise liegt es im Interesse dieses Markt­ staates zu definieren, wer als Mitbewerber angesehen werden und damit entspre­ chende Ansprüche stellen kann. Auch in Bezug auf Schadensersatzansprüche ist die Marktortanknüpfung sach­ gerecht. Denn die kollisionsrechtliche Herstellung einheitlicher Voraussetzungen und Berechnungsmethoden von Schadensersatzansprüchen trägt zur Chancen­ gleichheit der Wettbewerber in dem Sinne bei, dass jeder Wettbewerber bei etwai­ gen Rechtsverstößen mit gleichartigen Sanktionen zu rechnen hat. Zudem können die Regelungen betreffend die Voraussetzungen und Berechnungsmethoden von Schadensersatzansprüchen ebenfalls verhaltenslenkend wirken und die Beeinträch­ tigungen der Chancengleichheit durch Rechtsverletzungen von vornherein unat­ traktiv machen. Das Interesse des Marktstaates mit der Regelung der Schwere der Sanktionen festzulegen, ob sich unlauterer Wettbewerb lohnt, ist damit genauso betroffen wie im Fall, dass typisch lauterkeitsrechtliche Verhaltensregeln verletzt wurden.16 Im Hinblick auf Ansprüche, die im Interesse der Chancengleichheit der Wettbe­ werber gewährt werden, ist folglich Art.  6 Abs.  1 Rom II interessengerecht. Eine hiervon zu trennende und noch zu untersuchende Frage ist es, ob im Hinblick auf die durchgesetzten Verhaltensnormen eine abweichende Anknüpfung vorzuneh­ men ist.17 16  17 

Dazu Teil 6 A. I. Dazu Teil 7 D.

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

273

II.  Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen durch Sanktionsnormen 1.  Verständnis eines Schutzes kollektiver Verbraucherinteressen durch Sanktionsnormen a)  Charakteristika von Sanktionsnormen im kollektiven Interesse der Verbraucher Eine spezifisch im kollektiven Interesse der Verbraucher liegende Sanktionierung ist ebenfalls vorstellbar: Ein Wettbewerbsverhalten mag die individuellen Verbrau­ cherinteressen in einem solchen Ausmaß beeinträchtigen, dass dieses Verhalten zwar von einer Rechtsordnung nicht mehr hingenommen und folglich nach indivi­ dualrechtlichen – also insbesondere vertragsrechtlichen – Maßstäben für unzulässig gehalten wird. Doch kann der Grad der Interessenbeeinträchtigung gleichwohl un­ terhalb der Schwelle bleiben, die dem einzelnen Verbraucher einen hinreichenden Anreiz geben könnte, auch tatsächlich gegen das Wettbewerbsverhalten rechtlich vorzugehen.18 Wenn der Gesetzgeber den durch die Rechtsverletzung dem Verbrau­ cherkollektiv insgesamt entstehenden Schaden für nicht mehr hinnehmbar erachtet, bedarf es folglich weiterer Durchsetzungsmechanismen wie Verbandsklagen, mit denen Unterlassungsansprüche zu Gunsten der Verbraucher geltend gemacht wer­ den können.19 In der Unionsrechtsordnung sind derartige Klagen in einzelnen bereichsspezifi­ schen Verbraucherschutzrichtlinien und für grenzüberschreitende Konstellationen in der UKlaRL vorgesehen.20 Darauf, dass diese Art der Sanktionierung gerade im kollektiven Verbraucherinteresse liegt, deutet in systematischer Hinsicht vor allem Art.  1 Abs.  2 der UKlaRL: Danach „[ist] [e]in Verstoß im Sinne dieser Richtlinie […] jede Handlung, die den in Anhang I aufgeführten Richtlinien in der in die in­ nerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten umgesetzten Form zuwiderläuft und die in Absatz 1 genannten Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträch­ tigt.“21 Gleichwohl betreffen die im Anhang I genannten Richtlinien als maßge­b­ liche Verhaltensnormen meist das Vertragsrecht, das typischerweise Individual­ interessen schützt.22 Beispielhaft ist der auch in der Kommissionsbegründung zur Rom II-Verordnung23 ausdrücklich erwähnte Fall einer Verbandsklage gegen miss­ bräuchliche Klauseln zu nennen. Dass das Ziel dieser Sanktionierung spezifisch in einem kollektiven Verbraucher­ schutz besteht, zeigt sich auch am charakteristischen Inhalt der genannten Unterlas­ 18 

Baetge, ZZP 1999, 329 (330); Kohler, S.  16 ff. Baetge, ZZP 1999, 329 (330); Säcker, S.  46 f. 20  Kohler, S.  27 f.; Säcker, S.  47. 21  Kohler, S.  27; die Kommission verweist zur Definition des Begriffs der kollektiven Verbrau­ cherinteressen in Art.  6 Abs.  1 Rom II denn auch auf diese Richtlinie, s. Begründung zu Art.  5 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 endgültig, S.  17. 22  Siehe hierzu bereits Teil 5 B. I. 1. 23  Begründung zu Art.  5 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 endgül­ tig, S.  17. 19 

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

sungsansprüche, der häufig durch den Begriff der „Breitenwirkung“24 charakteri­ siert wird. Verletztes Interesse und Anspruchsinhalt sind nämlich aufeinander abge­ stimmt.25 Der Anspruch ist nicht auf Unterlassung gegenüber Einzelpersonen, sondern auf Unterlassung eines bestimmten Wettbewerbsverhaltens gegenüber der Marktgegenseite, also dem gesamten Kollektiv der Verbraucher, gerichtet.26 Der Unterlassungsanspruch kann damit auf eine Beeinträchtigung der Kollektivinteres­ sen der Verbraucher abstellen.27 Insgesamt ist ein solcher Anspruchsinhalt, der ein bestimmtes Wettbewerbsverhalten gegenüber der Marktgegenseite vollständig ver­ bietet, seiner Struktur nach identisch mit Fällen, in denen ein Unterlassungsan­ spruch die Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen sanktionieren soll.28 Diese Charakteristika des Anspruchsinhalts lassen daher eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation diskutabel erscheinen. b)  Abgrenzung zu sog. kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren Die im kollektiven Verbraucherinteresse bestehenden Unterlassungsansprüche von Verbraucherschutzverbänden müssen zu anderen oft ebenfalls „kollektiv“ genann­ ten Durchsetzungsmechanismen abgegrenzt werden, die aber unstreitig29 nicht lau­ terkeits-, sondern vertragsrechtlich zu qualifizieren sind, soweit sie vertragsrechtli­ che Regeln durchsetzen. Die letztgenannten Durchsetzungsregeln sind wesentlich enger mit dem individualschützenden Vertragsrecht verknüpft. Als normativer Ausgangspunkt der Abgrenzung bietet sich Erwägungsgrund 3 S.  2 UKlaRL an, in dem „Kollektivinteressen“ negativ definiert werden als „Inter­ essen […], bei denen es sich nicht um eine Kumulierung von Interessen durch einen Verstoß geschädigter Personen handelt“.30 Eine Vielzahl individueller Interessen fällt demnach nicht unter den Begriff der Kollektivinteressen i. S. v. Erwägungs­ grund 3 S.  2 UKlaRL.31 Das spricht dafür, dass eine Vielzahl individueller Interes­ sen von vornherein keine Kollektivinteressen i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II begrün­ 24 Etwa

Kohler, S.  18; Säcker, S.  47. Kohler, S.  1, Säcker, S.  46 f. für verbraucherschützende Verbandsklagen. 26  Säcker, S.  47 für verbraucherschützende Verbandsklagen. 27  Im Hinblick auf den Verbraucherschutz Säcker, S.  47, allerdings mit rechtspolitischer Kritik. 28  In diesem Sinne wohl Säcker, S.  46 f. 29  Auch wenn die EU-Kommission im Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfah­ ren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM(2008) 794 endgültig, S.  8 den Begriff der unlauteren Geschäftspraktiken in diesem Zusammenhang en passant erwähnt, so misst sie dem doch auf S.  17 ersichtlich keine kollisionsrechtliche Bedeutung für die im Grünbuch besprochenen Mecha­ nismen bei. 30  Die Definition übernimmt für Art.  6 Abs.  1 Rom II etwa Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/ Schubmehl, S.  719 (741, dort Fn.  121) im Anschluss an die Verweisung auf diese Richtlinie in der Begründung zu Art.  5 des Verordnungsvorschlags vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 endg., S.  17. 31  Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM(2008) 794 endgültig, S.  14; im Sinne der hier vorgenommenen Unterscheidung wird diese Definition auch von Säcker, S.  75 verstanden; zur Verbandsklage nach deutschem Recht bereits Koch, ZZP 2000, 413 (419). 25 

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

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den kann. Dem Schutz einer Vielzahl individueller Interessen dienen dagegen Durchsetzungsmechanismen, wie sie im Grünbuch über kollektive Rechtsdurchset­ zungsverfahren für Verbraucher32 auf Unionsebene erörtert werden33: Dabei han­ delt es sich um besondere Regeln, die die Durchsetzung individueller Ansprüche erleichtern sollen.34 Hier stehen insbesondere der Höhe nach geringe Zahlungs­ ansprüche auf Schadensersatz von individuellen Verbrauchern im Blickfeld.35 Zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung werden Sammelklagen, Musterverfahren oder die Geltendmachung der Ansprüche durch Verbraucherschutzverbände in Be­ tracht gezogen36. Der Schadensersatzanspruch selbst ist hiervon aber jeweils unab­ hängig und wird dem einzelnen Verbraucher von der Rechtsordnung im Individua­ linteresse zuerkannt.37 Zu diesen Ansätzen weisen die in der UKlaRL festgelegten Unterlassungsansprü­ che, für die eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation in Betracht kommt, grundlegen­ de Differenzen auf.38 Sie sind nämlich von den einzelnen Individualrechten weitge­ hend verselbständigt.39 Das betrifft etwa die Loslösung der prozessrechtlichen Beziehungen vom einzel­ nen Verbraucher. Bei den in Frage stehenden Unterlassungsansprüchen nach der UKlaRL ist Prozesspartei nicht der Verbraucher, sondern es ist der Verbraucher­ schutzverband selbst.40 Bei Sammelklagen und Musterverfahren verlaufen demge­ genüber die entsprechenden prozessrechtlichen Beziehungen zwischen individuel­ len Verbrauchern und dem Vertragspartner.41 Bei den sog. kollektiven Rechtsdurch­ setzungsmechanismen bleibt die gerichtliche Geltendmachung stets auch vom Willen dieses individuellen Verbrauchers – bei Sammelklagen jedenfalls von der

32  Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM(2008) 794 endgültig, S.  14; die undatierte Empfehlung der Kommission „Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten“, C(2013) 3539 S.  5 f., zuletzt abgerufen am 31.07.2013 unter , trennt die ge­ nannten Aspekte nicht mehr mit der gleichen Deutlichkeit, was sich aber wohl daraus erklärt, dass sich die Empfehlung weder mit dem Kollisionsrecht noch mit dem Verhältnis zur rechtsverbindli­ chen UKlaRL befasst. 33  Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (101): „combines separate consumer claims“. 34  Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (101); deutlich auch die Regelung über Sammelklagen im ita­ lienischen Recht in Art.  140bis Abs.  1 Codice del Consumo: „diritti individuali omogenei“ („gleichartige individuelle Rechte“). 35  Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM(2008) 794 endgültig, S.  4, 14. 36  Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM(2008) 794 endgültig, S.  10. 37  Säcker, S.  75. 38  Kohler, S.  6, 15; Säcker, S.  75. 39  Kohler, S.  15 spricht von einer „Klage aus ‚eigenem Recht‘“. 40  Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (109 f.). 41  Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (108).

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

Nichtausübung einer opt out-Möglichkeit42 , bei der Geltendmachung des Anspruchs durch Verbände von einer Bevollmächtigung43 – abhängig. Im Gegensatz dazu gibt es bei Unterlassungsklagen nach UKlaRL, UKlaG und UWG für den einzelnen Verbraucher keine Möglichkeit, auf den Unterlassungsanspruch zu verzichten: Die Geltendmachung des Anspruchs ist damit vom Willen der betroffenen individuellen Verbraucher unabhängig.44 Dem korrespondiert auch eine unterschiedlich weit gehende Bindungswirkung an Urteile. In manchen Rechtsordnungen, wie der deutschen, kann sich ein indivi­ dueller Verbraucher immerhin im Spezialfall der Verwendung unzulässiger AGB gemäß §  11 S.  1 UKlaG zu seinen Gunsten auf das im Verbandsklageverfahren er­ strittene Urteil berufen.45 In den meisten Mitgliedstaaten entfalten Entscheidungen nach der UKlaRL dagegen überhaupt nur inter partes im Verhältnis zwischen den Prozessparteien Wirkung, dagegen aber nicht im Verhältnis zu den am Prozess un­ beteiligten einzelnen Verbrauchern.46 Demgegenüber sind die an einer Sammelkla­ ge beteiligten Verbraucher an die erstrittenen Urteile vollumfänglich gebunden.47 Ebenso ergeben sich tiefgreifende Unterschiede in materieller Hinsicht. So schlie­ ßen sich die Rechte einzelner Verbraucher und der kollektive Unterlassungsan­ spruch eines Verbraucherschutzverbandes nicht gegenseitig aus und sind insoweit materiell voneinander unabhängig.48 Vor allem aber braucht der Anspruchsinhalt auf Unterlassung mit keinem individuellen Recht der einzelnen Verbraucher zu kor­ respondieren, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Verband mit einer Unterlassungsklage bestimmte den einzelnen Verbrauchern zustehende Rech­ te geltend macht.49 Auch ist bei kollektiven Unterlassungsansprüchen der An­ spruchsinhalt nicht auf Unterlassung gegenüber bestimmten individuellen Verbrau­ chern, sondern der Sache nach auf Unterlassung gegenüber den Verbrauchern als einem offenen Personenkreis und damit als Kollektiv gerichtet.50 Gerade diese po­ tentielle Offenheit des mit dem Anspruch geschützten Personenkreises, der in sei­ 42  Jedenfalls diese sind stets vorgesehen im Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungs­ verfahren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM(2008) 794 endgültig, S.  16. 43  Säcker, S.  75. 44  Kohler, S.  19; Säcker, S.  74 f. 45  Ähnlich offenbar im polnischen, ungarischen, österreichischen und slowenischen Recht, vgl. Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parla­ ments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, KOM(2008) 756 endgültig, S.  9; darauf, dass auch diese Wirkung des Urteils nicht mit dem titulierten allgemei­ nen Unterlassungsanspruch übereinstimmt, weist Kohler, S.  109 hin. 46  Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, KOM(2008) 756 endgültig, S.  8. 47  Auf dieses Charakteristikum hinweisend Baetge, ZZP 1999, 329 (337); Koch, ZZP 2000, 413 (415, 424). 48  Kohler, S.  19. 49  Halfmeier, S.  271; Huber/Bach, Art.  1 Rn.  29. 50  Wohl im selben Sinne spricht Koch, ZZP 2000, 413 (418) von einer „mit den Konzepten der subjektiven Rechtskraft nur unvollkommen zu erfassenden Breitenwirkung“.

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

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ner genauen „Zusammensetzung“ aus individuellen Verbrauchern stets Änderun­ gen unterworfen ist, verdeutlicht die Loslösung von den individuellen Verbraucher­ rechten. Hiermit im Einklang steht es, wenn der EuGH zur AGB-Verbandsklage anerkennt, dass der Verbraucherschutzverband eine ihm selbst kraft Gesetzes zuste­ hende Rechtsposition geltend macht51, und sich damit der in Erwägung gezogenen Konstruktion52 , den Verbraucherschutzverband lediglich als eine Art Stellvertreter für die geschützten Konsumenten zu qualifizieren, nicht anschließt. Das Ver­ bandsklagerecht ist daher seiner Rechtsnatur nach ein aliud im Verhältnis zu den Individualrechten der Verbraucher. Die Kumulierung der Ansprüche mehrerer Verbraucher, insbesondere im Wege der Sammelklage, bewirkt demgegenüber keine Modifikation der Qualität der ein­ zelnen Rechtsbeziehungen.53 Es ist damit völlig zutreffend, wenn die Kommission offensichtlich annimmt, dass für individuelle Ansprüche derzeit kollisionsrechtlich keine Besonderheiten bestehen, wenn sie im Wege einer Sammelklage o. ä. kumu­ liert werden: Jede individuelle Rechtsbeziehung ist getrennt anzuknüpfen, wofür häufig die vertragsrechtlichen Kollisionsnormen der Verordnung Rom I einschlägig sind, was zur Folge hat, dass die Ansprüche nicht notwendigerweise einer einheitli­ chen Rechtsordnung unterliegen.54 Aufgrund der fehlenden Loslösung von den individuellen Verbraucherrechten liegt bei den vorgenannten Mechanismen, die Rechte einzelner Verbraucher und damit Individualinteressen zusammenführen55, kein Schutz von kollektiven Inter­ essen der Verbraucher i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II vor, bei dem eine lauterkeitsrecht­ liche Qualifikation zur Debatte stehen könnte. Darin unterscheiden sie sich von den Unterlassungsansprüchen von Verbraucherschutzverbänden, über deren lauterkeits­ rechtliche Qualifikation weiter nachzudenken ist. c)  Schutzzwecke deutscher und europäischer Sachnormen Im deutschen Sachrecht finden sich entsprechende im kollektiven Verbraucherinte­ resse bestehende Unterlassungsansprüche im UKlaG, das die UKlaRL umsetzt. Daneben ist es aber auch möglich, dass Wettbewerber und Verbraucherschutzver­ bände über den Tatbestand des Rechtsbruchs gemäß §  4 Nr.  11 UWG Unterlassungs­ ansprüche wegen der Verletzung individualschützender Verhaltensnormen geltend machen. Verbände können ihre Unterlassungsansprüche oftmals konkurrierend auf §§  1, 2, 4a UKlaG einerseits und §  8 Abs.  1 S.  1 UWG i. V. m. §  4 Nr.  11 UWG ande­ 51 

Zu Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8140) – Henkel. Argumentation des OGH, wiedergegeben in den Schlussanträgen des Generalanwalts Jacobs vom 14.03.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8113 (I-8116) – Henkel; dagegen Halfmeier, S.  275. 53  Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (108, 110). 54  Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM(2008) 794 endgültig, S.  17. 55  Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (108); ähnlich Säcker, S.  75. 52 

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rerseits stützen.56 Bei der letztgenannten Normenkette nach dem UWG dürfte ein Überschneidungsbereich zu dem Ziel des Schutzes der Chancengleichheit der Wett­ bewerber bestehen.57 Daher mag es hier naheliegen, schon wegen des Zieles der Wettbewerbsgleichheit eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation vorzunehmen und damit die Fallgruppe des Rechtsbruchs i. S. v. §  4 Nr.  11 UWG einheitlich dem Inter­ nationalen Lauterkeitsrecht zuzuschlagen. Ob aber auch die Normen aus UKlaRL bzw. UKlaG zugleich dem Mitbewerber­ schutz an Wettbewerbsgleichheit dienen, ist dagegen zweifelhaft: Zwar sind im deutschen UKlaG Ansprüche der Mitbewerber nicht vorgesehen (vgl. §  3 Abs.  1 UKlaG). Demgegenüber wurde das Interesse des Konkurrentenschutzes vom natio­ nalen Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Schaffung von §  4a UKlaG benannt58 und wird zum Teil auch von der Literatur59 mit dem UKlaG in Verbindung gebracht. Auf Unionsebene sind die geschützten Interessen nicht eindeutig: So wird der Schutz der Interessen der Mitbewerber in der UKlaRL nicht erwähnt. Das spricht dagegen, dass der Unionsgesetzgeber im Bereich der Unterlassungsklagen an einen Mitbewerberschutz gedacht hat.60 Anderes kann etwa im Bereich der AGB-Kontrol­ le gelten, denn hier verlangt Art.  7 Abs.  1 KlauselRL, „daß im Interesse der Ver­ braucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung mißbräuchlicher Klauseln durch ei­ nen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Andere vertragsrechtliche Richtlinien, wie die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, erwähnen dagegen einen Schutz der Konkurrenten nicht.61 Die Frage, inwieweit welches Schutzzweckverständnis speziell zum deutschen und europäischen Sachrecht zutrifft, soll hier nicht geklärt werden. Selbst wenn das UKlaG auch dem Konkurrentenschutz dienen sollte, liegt es nahe, dass es durchaus ausländische Rechtsordnungen geben kann, die Unterlassungsklagen allein mit den kollektiven Verbraucherinteressen in Verbindung bringen. Daher ändert sich nichts an der abstrakten unionsrechtlichen Auslegungsfrage, ob das europäische Internati­ onale Lauterkeitsrecht derartige nicht konkurrentenschützende, sondern allein dem Verbraucherkollektiv dienende Sanktionsnormen erfassen kann. Um diese Frage am Beispiel konkreter Sachnormen klären zu können, sei im Folgenden unterstellt, dass UKlaRL und UKlaG nicht dem Konkurrentenschutz dienen. 56  Vgl. BGH v. 09.06.2011 – I ZR 17/10, GRUR 2012, 188 (192) – „Computer-Bild“; im IPR-Kon­ text auf das Problem hinweisend bereits Koch, JZ 1991, 1039 (1040). 57  Vgl. BGH v. 09.06.2011 – I ZR 17/10, GRUR 2012, 188 (192) – „Computer-Bild“; wo aller­ dings nur die beeinträchtigten Interessen der Verbraucher näher konkretisiert werden. 58  BT-Drucks. 16/2930, S.  16. 59  A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376). 60  Gegen einen Mitbewerberschutz durch die UKlaRL, mit rechtspolitischer Kritik, auch Koch, ZZP 1999, 329 (338 ff.). 61 Daher kritisch zur Möglichkeit der Durchsetzung dieser Normen durch Mitbewerber im deutschen Lauterkeitsrecht Beater, 2011, Rn.  2519.

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

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2.  Kollisionsrechtliche Beurteilung Es stellt sich sodann die Frage, ob es interessengerecht ist, allein im kollektiven Verbraucherinteresse bestehende Unterlassungsklagen lauterkeitsrechtlich zu quali­ fizieren und gemäß Art.  6 Abs.  1 Rom II anzuknüpfen. Zum deutschen IPR wurde früher vertreten, dass die lauterkeitsrechtliche An­ knüpfung etwa bei der AGB-Verbandsklage unpassend sei, da die von der Recht­ sprechung gewählte Formulierung der Anknüpfungspunkte des Internationalen Lauterkeitsrechts nur zum Konkurrentenschutz passten.62 Diese Auffassung lehnte damit eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation bei fehlendem Mitbewerberschutz der Sachnorm ab.63 Die damalige Argumentation dürfte so zwar nicht mehr ohne Wei­ teres auf Art.  6 Abs.  1 Rom II übertragbar sein, nennt doch Art.  6 Abs.  1, 2. Alt. Rom II explizit den Ort der Beeinträchtigung der kollektiven Interessen der Ver­ braucher als Anknüpfungspunkt.64 Allerdings müssten jedenfalls die Vertreter der Schutzzwecktrias konsequenterweise weiterhin eine lauterkeitsrechtliche Qualifi­ kation ablehnen, soweit die zu qualifizierenden Sachnormen nicht auch dem Schutz der Wettbewerber dienen.65 Nach hier vertretener Auffassung ist zwar dem Ansatz der Schutzzwecktrias grundsätzlich nicht zu folgen. Gleichwohl besteht Anlass, die Interessenlage in der hier fraglichen Konstellation besonders zu durchdenken: Denn die Chancengleich­ heit der Wettbewerber ist das Ziel, das mit Art.  6 Abs.  1 Rom II hauptsächlich in Verbindung gebracht wird.66 Sind aber die fraglichen Sachnormen nicht ihrerseits auf dieses Ziel bezogen, so ist besonders zu prüfen, ob die kollisionsrechtliche Inte­ ressenlage gleichwohl eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation gebieten kann. Im Hinblick auf diese Problematik unterscheidet sich der Unterlassungsanspruch im kollektiven Verbraucherinteresse von allen bisher betrachteten Konstellationen: In den bisher betrachteten Fallgestaltungen diente jeweils entweder die Sachnorm un­ mittelbar den Interessen der Wettbewerber oder aber, im Falle der Verhaltensnor­ men im kollektiven Verbraucherinteresse, war jedenfalls ein mittelbarer Schutz der Wettbewerber anzuerkennen (vgl. Erwägungsgrund 6, S.  1 UGP-RL). Die hier in Frage stehende Konstellation ist damit gleichsam die Nagelprobe dafür, ob tatsäch­ lich auch der Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen allein die Marktortan­ knüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II rechtfertigen kann und sich damit die Schutzzweckalternative wirklich als Kriterium für die lauterkeitsrechtliche Quali­ fikation eignet oder ob vielmehr dem Begriff des unlauteren Wettbewerbsverhal­ 62 

Maidl, S.  263; ähnlich Kohler, S.  154. Recht deutlich Kohler, S.  154. 64  Kohler, S.  195. 65  Möglicherweise implizit PWW/Schaub, Art.  4 Rom II-VO Rn.  19; Art.  6 Rom II-VO Rn.  2. 66  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom  II“) vom 22.07.2003, KOM(2003) 427 endgültig, S.  17. 63 

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

tens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II unabdingbar ein konkurrentenschützendes Element innewohnt67. a)  Vorliegen eines außervertraglichen Schuldverhältnisses Angesichts des häufig vertragsrechtlichen Charakters der im Verbandsklageverfah­ ren durchzusetzenden Verhaltensnormen stellt sich zunächst die Frage, ob ein auf Durchsetzung vertragsrechtlicher Regeln gerichteter Unterlassungsanspruch hier­ bei seinerseits als vertragliches oder aber als außervertragliches Schuldverhältnis zu begreifen ist. aa) Meinungsstand Eine ältere Auffassung in Deutschland68 ging davon aus, dass auch ein entsprechen­ der Unterlassungsanspruch, der auf das frühere AGBG bzw. das spätere UKlaG gestützt wurde, vertragsrechtlich zu qualifizieren sei: So sollte auf einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung bestimmter AGB das Recht anwendbar sein, wel­ chem der Vertrag unterliegt, in dem die Klauseln verwendet werden. Soweit man diesem Ansatz folgen wollte, wären entsprechende Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung bestimmter AGB also als vertragliche Schuldverhältnisse i. S. v. Art.  1 Abs.  1 UAbs.  1 Rom I und nicht etwa als außervertragliche Schuldverhältnisse i. S. v. Art.  1 S.  1 Rom II anzusehen. Nach dem Urteil Henkel des EuGH zu Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ ist demgegenüber maßgeblich, dass es im Verhältnis zwischen dem Verbraucherschutzverband und dem Verwender der AGB an einem Vertrag fehlt, sodass es sich nicht um ein ver­ tragliches Schuldverhältnis, sondern um „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ i. S. v. Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ handelt.69 Spätestens seit dieser Entscheidung wird auch für das Internati­ onale Privatrecht, soweit ersichtlich, nur noch die schon vorher verbreitete Auffas­ sung vertreten, dass ein derartiger Anspruch außervertraglich zu qualifizieren sei.70 67  In die letztgenannte Richtung MünchKommBGB/Drexl, IntUnlWettbR Rn.  114; Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  501. 68  BGH v. 12.10.1989 – VII ZR 339/88, BGHZ 109, 29 (36); Koch, JZ 1991, 1039 (1040), prak­ tisch aufgegeben in ders., ZZP 2000, 413 (438 f.); Lüderitz, IPRax 1990, 216 (217); Maurer, S.  89 ff; Reinel, S.  145 f.; unklar BGH v. 19.09.1990 – VIII ZR 239/89, BGHZ 112, 204 (209), wo einerseits allein das Vertragsstatut erwähnt wird, andererseits die Frage der Passivlegitimation sich aber er­ kennbar nicht nach diesem richten soll, kritisch hierzu Maurer, S.  88; für unklar haltend auch Kohler, S.  143 f.; das Problem nicht ansprechend BGH v. 09.07.1992 – VII ZR 7/92, BGHZ 119, 152 (157 f.). 69  So v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8140) – Henkel. 70  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (29); BGH v. 11.02.2010 – I ZR 178/08, NJW 2010, 2661 (2662) – „Half-Life 2“; BGH v. 29.04.2010 – Xa ZR 5/09, EuZW 2010, 557 (558); BGH v. 20.05.2010 – Xa ZR 68/09, BGHZ 185, 359 (361 f.); Huber/Bach, Art.  1 Rn.  29; Kohler, S.  165; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Micklitz/Rott, 29. EL, A 25, Art.  2 Rn.  57 ff.; Hk-BGB/Dörner, Art.  4 Rom II-VO Rn.  3; Rott: in: Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S.  265 (275); Rott/von der Ropp, ZZPInt

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

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bb) Stellungnahme Erwägungsgrund 7 Rom II legt systematisch eine einheitliche Auslegung der Be­ griffe der Verordnung Rom II und der EuGVVO nahe, was für eine Übernahme des Henkel-Urteils in das europäische Kollisionsrecht spricht.71 Daher könnte allenfalls eine abweichende Interessenlage im Internationalen Zivilprozessrecht und im Kol­ lisionsrecht Anlass dazu geben, für die Zwecke der Rom-Verordnungen von dieser Rechtsprechung abzuweichen.72 So wird für die Qualifikation nach Art.  5 Nr.  3 EuGVVO im Urteil Henkel ange­ führt, dass über die Gewährung des zusätzlichen Gerichtsstandes nach Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ die Effektivität der UKlaRL gewährleistet werden solle.73 Es wird berück­ sichtigt, dass eine vertragsrechtliche Qualifikation nach Art.  5 Nr.  1 EuGVÜ in der Praxis dazu führe, dass oftmals nur die Gerichte im Sitzstaat des Verwenders für die Unterlassungsklagen international zuständig wären.74 Dieses Argument für eine außervertragliche Qualifikation findet im Rahmen des IPR zunächst keine Entsprechung. Hier könnte man vielmehr darüber nachdenken, ob die Wirksamkeit der UKlaRL dann am besten gewahrt wird, wenn jeweils eine von ihr in Bezug genommene Richtlinie mit bestimmten verbraucherschützenden Verhaltensnormen (bzw. genau genommen: eine jeweilige nationale Umsetzungs­ norm) anwendbar ist. Damit würde der Unterlassungsanspruch aus der UKlaRL mit den anwendbaren Verhaltensnormen parallel laufen. In einem ähnlichen Sinne ist zum deutschen Recht bereits früh vertreten worden, die deutsche AGB-Verbandskla­ ge habe dienenden Charakter zur Absicherung der deutschen Sachnormen zur AGB-Kontrolle und müsse daher der vertragsrechtlichen Qualifikation folgen.75 In Bezug auf diese sollten die Schwächen des jeweiligen Individualrechtsschutzes kompensiert werden.76 Der Gedanke, dass das kollektive Verbraucherschutzrecht sachrechtlich den indi­ viduellen Verbraucherschutz ergänzen soll, ist zwar grundsätzlich richtig. Eine ein­ heitliche kollisionsrechtliche Anknüpfung ist damit aber nicht zwingend verbunden. Das ergibt sich bereits daraus, dass Art.  6 Abs.  1 Rom II die kollisionsrechtliche Anknüpfung des kollektiven Verbraucherschutzes nicht mit dem vertragsrechtli­ chen individuellen Verbraucherschutz nach der Verordnung Rom I synchronisiert. Eine Trennbarkeit von kollektivem und individuellem Verbraucherschutz wird von den Rom-Verordnungen damit vorausgesetzt. Ausgehend von diesem Grundsatz ist 2004, 3 (9); Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  9; Stadler, VuR 2010, 83 (87); zum deutschen Recht etwa bereits Halfmeier, S.  285; Maidl, S.  263; Staudinger/Schlosser, §  1 UKlaG Rn.  4; zumindest im praktischen Ergebnis auch Koch, ZZP 2000, 438 (439); dahin tendierend auch Sonnenberger, in: FS Ferid, S.  377 (385 f.). 71  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (29); ähnlich Kohler, S.  165. 72  Vgl. zu einem solchen Vorgehen bereits Teil 6 B. I. 3. d). 73  EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8141) – Henkel. 74  EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8141) – Henkel. 75  Reinel, S.  145. 76  Reinel, S.  146.

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

gleichwohl zu berücksichtigen, dass die Sanktionierung vertragsrechtswidrigen Verhaltens insoweit einen Sonderfall betrifft, als hier die Durchsetzung einer im Individualinteresse bestehenden Verhaltensnorm einen besonders engen Bezug zum individualschützenden Vertragsrecht herstellt. Es bedarf folglich einer Prü­ fung, ob dieser Bezug es rechtfertigt, insgesamt eine vertragsrechtliche Qualifikati­ on des Anspruchs vorzunehmen. So wurde zum deutschen Recht die Ansicht vertreten, es seien die Interessen derjenigen Rechtsordnung berührt, von der ggf. durch AGB in unzulässiger Weise abgewichen werde.77 Diese Vorstellung ist aber dem europäischen Recht – jeden­ falls im Zusammenhang mit AGB-Verbandsklagen – fremd. So hat der EuGH im Bereich des Internationalen Zivilprozessrechts den Ort des schädigenden Ereignis­ ses in Form von „Angriffe[n] auf die Rechtsordnung“ ersichtlich dort lokalisiert, wo die AGB im Rahmen eines Vertragsschlusses gegenüber dem Vertragspartner zur Anwendung gekommen sind78, und damit nicht auf die kollisionsrechtlich berufene Vertragsrechtsordnung abgestellt79. Auch liegt etwa Art.  4 Abs.  1 S.  1 UKlaRL er­ kennbar der Gedanke zu Grunde, dass der jeweilige Verbraucherschutzverband die kollektiven Interessen der Verbraucher eines bestimmten Staates vertritt.80 Dass der Unionsgesetzgeber den Tätigkeitsbereich eines Verbraucherschutzverbandes durch die berührten Kollektivinteressen in einem bestimmten Staat und nicht durch das anwendbare materiellen (Vertrags-)Recht definiert81, spricht dafür, dass es eher mit der Systematik der UKlaRL im Einklang steht, auch den Unterlassungsanspruch von den verletzten kollektiven Verbraucherinteressen abhängig zu machen und da­ mit jedenfalls keine vertragliche Qualifikation des Anspruchs vorzunehmen. Darü­ ber hinaus geht der Unionsgesetzgeber in Art.  2 Abs.  2 UKlaRL davon aus, „dass normalerweise entweder das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Verstoß seinen Ursprung hat, oder das Recht des Mitgliedstaats, in dem sich der Verstoß auswirkt, angewendet wird“. Diese Anknüpfungspunkte entstammen dem Internationalen Deliktsrecht und nicht dem Internationalen Vertragsrecht, was gegen eine vertrags­ rechtliche Qualifikation spricht.82 Damit legt die Systematik der UKlaRL auch für das Internationale Privatrecht eine Qualifikation als außervertragliches Schuldver­ hältnis nahe. In der Literatur zum deutschen IPR ist allerdings für eine vertragsrechtliche Qua­ lifikation ein weiterer Aspekt angeführt worden, der im Internationalen Prozess­ recht keine Entsprechung findet, nämlich dass zur Vermeidung einander widerspre­ chender Entscheidungen bei der AGB-Kontrolle im Verbandsklageverfahren einer­ 77 

Reinel, S.  145. EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8141) – Henkel. 79  Noch deutlicher BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (27 f.); Kohler, S.  123 f. 80  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Micklitz/Rott, 29. EL, A 25, Art.  2 Rn.  58; Rott, in: Micklitz/Rott/ Docekal/Kolba, S.  265 (280). 81  Davon geht auch Greger, NJW 2000, 2457 (2460) aus. 82  Kohler, S.  166 f. 78 

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

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seits und im Individualklageverfahren andererseits dieselbe Rechtsordnung anwendbar sein müsse.83 Dieses Argument hat einiges für sich und wird noch näher zu behandeln sein. Soweit diese Argumentation daraus allerdings eine vertrags­ rechtliche Qualifikation des Anspruchs des Verbraucherschutzverbandes insgesamt ableitet, übersieht sie die von der h. M. heute vertretene, noch zu erörternde Mög­ lichkeit, für die Frage der vertragsrechtlichen Zulässigkeit eines Verhaltens wie der Verwendung bestimmter AGB eine abweichende Anknüpfung vorzunehmen.84 Das Problem der Anknüpfung derartiger Verhaltensregeln stellt sich auch im Bereich des Rechtsbruchs nach dem UWG. Daher ist nicht ersichtlich, warum dieser Aspekt Besonderheiten gerade im Bereich der Verbandsklage nach dem UKlaG begründen könnte. Vielmehr liegt es nahe, in dieser Hinsicht eine Parallelbehandlung zu den Ansprüchen nach dem UWG zu erreichen.85 Daher spricht im Ergebnis alles dafür, die vom EuGH in der Rechtssache Henkel vorgenommene außervertragliche Qualifikation auf das Internationale Privatrecht zu übertragen. Nach alledem kann davon ausgegangen werden, dass Unterlassungs­ ansprüche eines Verbraucherschutzverbandes als außervertragliche Schuldverhält­ nisse i. S. v. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II anzusehen sind, auch wenn sie vertragsrecht­ liche Normen durchsetzen. b)  Einordnung innerhalb der Verordnung Rom II Innerhalb der Verordnung Rom II stellt sich sodann die Frage, ob Art.  4 oder Art.  6 Rom II die maßgebliche Kollisionsnorm ist. Dies ist in Literatur und Rechtspre­ chung umstritten. aa) Meinungsstand (1)  Allgemeindeliktische Qualifikation Die Rechtsprechung in Deutschland neigt für die AGB-Verbandsklage nach dem UKlaG offenbar einer allgemeindeliktischen Qualifikation zu: Zwar ließ der BGH in einer Urteilsbegründung dahinstehen, ob Art.  6 Abs.  1 Rom II oder Art.  4 Abs.  1 Rom II einschlägig sei.86 Maßgeblicher Ort des Schadenseintritts sei jedenfalls dort, wo die kollektiven Verbraucherinteressen durch die Benutzung der AGB be­ einträchtigt worden seien.87 In späteren Entscheidungen88 hat die Rechtsprechung 83 

Maurer, S.  90 ff. Kohler, S.  166 f. 85 Die Vorzüge einer Gleichbehandlung derartiger Ansprüche selbst sehend etwa Maurer, S.  88. 86  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (30). 87  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (29). 88  BGH v. 11.02.2010 – I ZR 178/08, NJW 2010, 2661 (2662) – „Half-Life 2“, BGH v. 29.04.2010 – Xa ZR 5/09, EuZW 2010, 557 (558); BGH v. 20.05.2010 – Xa ZR 68/09, BGHZ 185, 359 (361 f.); OLG Frankfurt v. 28.02.2013 – 16 U 86/12, BeckRS 2013, 04769 Rn.  19. 84 Ebenso

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

aber nur noch die allgemeine Kollisionsnorm des Art.  4 Rom II genannt. Auch geht die jüngere Rechtsprechung zum deutschen IPR ersichtlich nicht von einer lauter­ keitsrechtlichen, sondern von einer allgemeindeliktischen Qualifikation aus.89 In der Literatur hat die Auffassung, dass Art.  4 Rom II einschlägig sei, teilweise Zustimmung gefunden.90 Welche für die lauterkeitsrechtliche Qualifikation aus­ schlaggebenden Gesichtspunkte aber bei einer AGB-Verbandsklage fehlen, wird, soweit ersichtlich, nicht näher erörtert. Es findet sich lediglich die Begründung, dass Art.  6 Rom II eher „genuin lauterkeitsrechtliche Konstellationen“ erfassen wolle.91 Soweit diese Auffassung von der Qualifikation nach der Schutzzwecktrias im Lau­ terkeitsrecht ausgeht92 , mag man vermuten, dass hinter den Bedenken gegen eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation der fehlende Konkurrentenschutz derartiger Ver­ bandsklagen stehen könnte. (2)  Lauterkeitsrechtliche Qualifikation Nach in der Literatur h. M.93 sind demgegenüber AGB-Verbandsklagen lauterkeits­ rechtlich zu qualifizieren. Hierfür wird angeführt, dass in den Gesetzgebungsmate­ rialien94 zum Internationalen Lauterkeitsrecht auf die AGB-Verbandsklage und das Urteil Henkel verwiesen wird.95 Soweit sich teleologische Begründungen finden, werden besondere Schutzzwecke der AGB-Verbandsklage genannt, die sie inhalt­ lich in die Nähe anderer Lauterkeitsfälle rücken.

89  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (31), wo abweichend von den Regeln des In­ ternationalen Lauterkeitsrechts von der grundsätzlichen Anknüpfung an den Handlungsort nach Art.  40 Abs.  1 S.  2 EGBGB ausgegangen wird; vom allgemeinen Deliktsstatut ausgehend auch die Vorinstanz KG v. 17.12.2007 – 23 U 65/07, BeckRS 2009, 24853 in den Gründen unter II. 2. c) aa), allerdings mit einer vertragsakzessorischen Anknüpfung. 90  Harte/Henning/Glöckner, Einl C Rn.  86; Hk-BGB/Dörner, Art.  4 Rom II-VO Rn.  3; PWW/ Schaub, Art.  4 Rom II-VO Rn.  19; zum deutschen IPR bereits Maidl, S.  263. 91  PWW/Schaub, Art.  4 Rom II-VO Rn.  19. 92  PWW/Schaub, Art.  6 Rom II-VO Rn.  2. 93  Speziell zur AGB-Verbandsklage Dickinson, Rome II, Rn.  6.24 (allerdings ausgehend von einem anderen Qualifikationsansatz); Lindacher, in: FS von Hoffmann, S.  258 (264); Huber/Bach, Art.  1 Rn.  29; Art.  4 Rn.  111; A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376); Ulmer/Brandner/ Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  9; wohl auch Erman/Hohloch, Anh Art 42 EGBGB; VO Rom II Art.  6 Rn.  14, dessen Belege auf Rechtsprechung zur AGB-Verbandsklage nach dem UKlaG ver­ weisen; für alle unter die UKlaRL fallenden Ansprüche Handig, GRUR Int. 2008, 24 (27, dort Fn.  68); Grabitz/Hilf/Nettesheim/Micklitz/Rott, 29. EL, A 25, Art.  2 Rn.  59 ff.; Kohler, S.  195; Rott: in: Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S.  265 (275); Rott/von der Ropp, ZZPInt 2004, 3 (9); zum deut­ schen Recht der AGB-Verbandsklage BT-Drucks. 14/6857, S.  72, worauf Kohler, S.  172 hinweist; dogmatisch offenlassend, aber im praktischen Ergebnis ebenso Koch, ZZP 2000, 413 (438 f.); im praktischen Ergebnis auch Staudinger/Schlosser, §  1 UKlaG Rn.  4. 94  KOM(2003) 427 endgültig, S.  17. 95  A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376); Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  9.

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

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bb) Stellungnahme (1)  Vorausgesetztes Verständnis der Sachnormen Manche Vertreter einer lauterkeitsrechtlichen Qualifikation gehen von Prämissen in Bezug auf die AGB-Verbandsklage aus, die hier nicht geteilt werden und daher au­ ßer Betracht bleiben sollen. Bisweilen wird etwa angeführt, dass die Verbandsklage nach dem UKlaG auch den Zweck verfolge, Konkurrenten des Verwenders zu schützen.96 Nimmt man dies an, so liegt wegen des konkurrentenschützenden Ziels der AGB-Verbandsklage und des mit Art.  6 Abs.  1 Rom II verbundenen Ziels der Chancengleichheit eine lauter­ keitsrechtliche Qualifikation, wohl insbesondere auch aus der Sicht der Vertreter der Schutzzwecktrias, nahe. Angesichts der Umstrittenheit dieses Schutzzwecks im Rahmen von UKlaG und UKlaRL soll hier aber gerade überlegt werden, wie die Verbandsklage zu qualifizieren ist, wenn ein solcher Konkurrentenschutz nicht be­ zweckt ist. Zum Teil wurde die AGB-Verbandsklage ohne weitere Erklärung als Bestandteil der „Marktordnung“ angesehen.97 Sollte dies dahingehend zu verstehen sein, dass die durchzusetzenden Verhaltensnormen im Interesse der Wettbewerbsbeziehungen oder der kollektiven Verbraucherinteressen bestehen, so ist eine lauterkeitsrechtli­ che Qualifikation natürlich konsequent. Es ist allerdings mit dem hier vertretenen Verständnis, nach dem die Normen über die AGB-rechtliche Zulässigkeit als indivi­ dualschützendes Vertragsrecht zu begreifen sind, unvereinbar. Auch die Rechtspre­ chung sieht die Regeln des AGB-Rechts offenbar nicht als ein spezifisch marktwirt­ schaftlich orientiertes Regelungsregime. Insbesondere wird den Verhaltensregeln des AGB-Rechts nicht der Schutz öffentlicher Interessen beigemessen.98 Ein Ver­ ständnis, das den AGB-Verhaltensnormen lauterkeitsrechtlichen Charakter bei­ misst, wird im Folgenden nicht zu Grunde gelegt. Von manchen wird der durch die Verbandsklage beabsichtigte Verbraucherschutz auch in einem Schutz vor Irreführung gesehen: Es soll dem vorgebeugt werden, dass sich die Verbraucher aufgrund mangelnder juristischer Kenntnisse den unwirksa­ men AGB entsprechend verhalten.99 Damit wird in der Sache für die Verbandsklage eine eigene Verhaltensnorm – wohl im kollektiven Verbraucherinteresse – kreiert, die eine Irreführung über die Wirksamkeit von AGB verbietet. Dieses Verständnis als Irreführungsschutz im kollektiven Verbraucherinteresse legt eine lauterkeits­ rechtliche Qualifikation schon aufgrund der Verhaltensnorm in der Tat nahe. Es ist aber keineswegs unzweifelhaft: Selbst im Rahmen des Irreführungstatbestandes 96 

A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376); siehe bereits Teil 7 C. II. 1. c). Mankowski, IPRax 1991, 305 (307) zum deutschen Recht. 98  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (35) „allenfalls reflexartig geschützt“. 99  Huber/Bach, Art.  1 Rn.  29; Ähnliches meinen wohl auch A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376), wenn sie auch Interessen des Rechtsverkehrs mit der Verbandsklage in Verbin­ dung bringen. 97 

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

nach dem UWG macht die Literatur Bedenken dagegen geltend, dass die Verwen­ dung unzulässiger AGB überhaupt zugleich eine Irreführung über deren Wirksam­ keit darstelle.100 Auch liegt es nicht nahe, dass der Unternehmer etwa durch eine Aufklärung über die Unwirksamkeit der AGB sich im Sinne der Verbandsklage rechtmäßig verhalten kann.101 Ein etwaiger mit der Verbandsklage nach dem UKlaG verfolgter Schutz vor Irreführungen erscheint daher ebenfalls unsicher und jeden­ falls im deutschen Recht als zu schwach, um für sich genommen eine lauterkeits­ rechtliche Qualifikation rechtfertigen zu können. Ausgangspunkt der Überlegung soll daher im Folgenden sein, dass die AGB-Ver­ bandsklage den Zweck verfolgt, das Verbraucherkollektiv vor den Nachteilen zu schützen, die aus der Unangemessenheit der AGB selbst folgen.102 Ist hierfür eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation richtig, kommt es nicht mehr auf die vorgenann­ ten Zwecke an, die für das deutsche Recht zweifelhaft erscheinen, die aber, was zuzugeben ist, eine Verbandsklage prinzipiell ebenfalls verfolgen kann. (2)  Kollisionsrechtliche Beurteilung Die Argumentation des BGH, dass aufgrund der Präzisierungsfunktion des Art.  6 Abs.  1 Rom II gegenüber Art.  4 Rom II eine Abgrenzung der beiden Anknüpfungs­ gegenstände nicht erforderlich sei103, mag im entschiedenen Fall im Ergebnis zuge­ troffen haben. Ein wesentlicher Unterschied bei der Anwendung von Art.  4 Rom II und Art.  6 Rom II besteht aber darin, dass Art.  6 Rom II die in Art.  4 Abs.  1–2, Art.  14 Rom II genannten Anknüpfungspunkte ausschließt.104 Auch wenn man annimmt, dass Klagen nach dem UKlaG und der UKlaRL nur den Interessen der Verbraucher dienen, erscheinen eine allgemeindeliktische Quali­ fikation und ein Rückgriff auf die genannten Anknüpfungspunkte systematisch zweifelhaft. Denn Art.  6 Abs.  2 Rom II nimmt allein den Fall, dass ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers beeinträchtigt werden, von der Marktortanknüpfung aus und verlagert ihn auf das allgemeine Deliktsstatut. Für die Konstellation, dass ausschließlich die kollektiven Interessen der Verbraucher beein­ trächtigt sind bzw. von der maßgeblichen Sachnorm geschützt werden, besteht dem­ gegenüber keine derartige Verweisung auf das allgemeine Deliktsstatut, obwohl eine entsprechende Kollisionsnorm in diese Richtung jedenfalls in der Literatur 100 

Köhler, GRUR 2010, 1047 (1050) m. w. N. auch zur Gegenansicht. Köhler, GRUR 2010, 1047 (1050) zur Frage der Irreführung durch Unterlassung nach dem UWG. 102  Ebenso zum Sachrecht Palandt/Bassenge, §  1 UKlaG Rn.  2; für ein solches Verständnis sprechen auch die Formulierungen bei EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8140 f.) – Henkel; Hau, LMK 2009, 293079; Kohler, S.  160 ff.; Rott, in: Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S.  265 (272). 103  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (30). 104  A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376); Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  9. 101 Vgl.

C.  Abgrenzung anhand inhaltlicher Kriterien

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zum deutschen IPR durchaus angedacht worden war105. Das legt nahe, dass die Marktortanknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II maßgeblich bleibt, selbst wenn, wie nach dem hier zu Grunde gelegten Verständnis des UKlaG, allein eine Beeinträch­ tigung der kollektiven Verbraucherinteressen im Blickfeld steht. Zudem ist zu prüfen, ob die bei der allgemeindeliktischen Qualifikation in Be­ tracht kommenden Anknüpfungspunkte nach Art.  4 Abs.  2–3, 14 Rom II bei der Klage eines Verbraucherschutzverbandes interessengerecht sind.106 Die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt gemäß Art.  4 Abs.  2 Rom II bereitet schon begriffliche Schwierigkeiten bei der Feststellung, wer „die Person, die geschädigt wurde“, im Sinne dieser Vorschrift ist. Sprachlich am nächsten liegt es, auf den gewöhnlichen Aufenthalt des geschädigten Verbraucher­ kollektivs abzustellen.107 Das erscheint aber zweifelhaft: Der gewöhnliche Aufent­ halt ist ein auf Individuen bezogener Anknüpfungspunkt, der sich für das Verbrau­ cherkollektiv als solches kaum sinnvoll bestimmen lässt. Zudem führte die An­ knüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt dazu, dass Inhalt und Inhaber108 der Unterlassungsansprüche sich nach der Rechtsordnung richten würden, in der der Anspruchsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es würden also gerade für den Spezialfall des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts andere Schutzkonzepte eingreifen und es wären andere Verbraucherschutzverbände anspruchsberechtigt. Dieser Spezialfall beeinträchtigt aber ohne Not die einheitliche und klare Zuord­ nung bestimmter Verbraucherinteressen zu bestimmten verbraucherschützenden Einrichtungen. Es ließe sich allenfalls eine Auslegung des Begriffs „Person, die geschädigt wur­ de“ i. S. v. Art.  4 Abs.  2 Rom II in dem Sinne andenken, dass sie den Anspruchstel­ ler und damit den Verbraucherschutzverband bezeichnet.109 Dann könnte an den gewöhnlichen Aufenthalt von Verbraucherschutzverband und Verwender der AGB abgestellt werden.110 Die praktische Bedeutung dürfte für den Regelfall gering sein: Wenn ein Verbraucherschutzverband in dem Staat ansässig ist, in dem er auch Ver­ letzungen kollektiver Interessen entgegenwirken will, führt die Anknüpfung an den Ort der beeinträchtigten kollektiven Verbraucherinteressen ohnehin zu dem Recht am Sitz des Verbraucherschutzverbandes. Für den Ausnahmefall, dass der Verbrau­ cherschutzverband in einem anderen Staat ansässig ist als in demjenigen, dessen 105  Siehe den Ansatz von Bernhard, GRUR Int. 1992, 366 (371 ff.): „wenn die im Ausland be­ gangene Wettbewerbshandlung eines deutschen Unternehmers sich ausschließlich oder doch über­ wiegend gegen die schutzwürdigen Interessen eines inländischen Konsumenten richtet“. 106 Aufbau der folgenden Untersuchung der Anwendbarkeit der allgemeindeliktischen An­ knüpfungspunkte auf die AGB-Verbandsklage in Anlehnung an Kohler, S.  167 ff. 107  Zumindest ähnlich der Ansatz von Bernhard, GRUR Int. 1992, 366 (371 ff.) 108  Zumindest, wenn man die Frage der Anspruchsinhaberschaft als materiellrechtliches Prob­ lem begreift, in diesem Sinne etwa Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (765). 109  Entsprechende Überlegungen zum Problem der Feststellung des Verletzten i. S. v. Art.  40 Abs.  1 S.  2 EGBGB bei MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  271. 110  Im Ergebnis ablehnend MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  271.

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

kollektive Verbraucherinteressen er schützen will, ist die Anknüpfung zweifelhaft: Zu bedenken bleibt, dass materiellrechtlich die Interessen des Verbraucherkollek­ tivs geschützt sind, an deren Verletzung auch kollisionsrechtlich im Normalfall an­ geknüpft wird. Wollte man auf den Sitz des Verbraucherschutzverbandes abstellen, so würden kollisionsrechtlich gerade die maßgeblichen Interessen des Verbraucher­ kollektivs außer Betracht gelassen.111 Der Verbraucherschutzverband selbst hat kein Interesse an der Anknüpfung an seinen gewöhnlichen Aufenthalt.112 Dies gilt zum einen schon deshalb, weil für ihn die Durchsetzung der kollektiven Interessen und nicht seiner eigenen im Vordergrund steht.113 Zum anderen muss ein Verbraucher­ schutzverband, dessen Aufgabenbereich sich auf den Schutz der Verbraucher in ei­ nem bestimmten Staat richtet, aufgrund der Grundanknüpfung an den Ort der Be­ einträchtigung der kollektiven Verbraucherinteressen gemäß Art.  4 Abs.  1 Rom II bzw. Art.  6 Abs.  1 Rom II ohnehin die meisten Verfahren nach dieser Rechtsord­ nung führen, sodass ihm diese Rechtsordnung am vertrautesten sein wird. Auch wird er sich bemühen, alle Voraussetzungen für die Aktivlegitimation des Staates zu erfüllen, dessen Verbraucher er schützen will. Auch der Schädiger hat ein Interesse daran, dass er den Kreis der potentiell an­ spruchsberechtigten Verbände und der potentiell rügbaren Rechtsverstöße über­ schauen kann; beides würde beeinträchtigt, wenn er aufgrund einer Anknüpfung über Art.  4 Abs.  2 Rom II sowohl von den Verbänden seines Heimatlandes nach dessen Recht als auch von anderen Verbänden nach dem jeweiligen Marktortrecht in Anspruch genommen werden könnte.114 Die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von Verbraucherschutzverband und Anspruchsgegner ist damit nicht interessengerecht.115 Nach einer Auffassung soll allerdings die eine vertragsakzessorische Anknüp­ fung, wie sie in Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom II vorgesehen ist, passend sein, um ggf. einen Gleichlauf mit dem Statut zu erreichen, dem die von den Verbrauchern abgeschlos­ senen Verträge unterliegen.116 Das ist nach dem Wortlaut von Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom II zweifelhaft: Dieser stellt auf ein „bereits bestehende[s] Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einen Vertrag“ ab. „Parteien“ des außervertraglichen Schuldverhältnisses sind aber nur der Verband als Unterlassungsgläubiger und der Unterlassungsschulder. Irrelevant wäre demnach das Verhältnis zwischen individu­ ellen Verbrauchern und Unterlassungsschuldner, vielmehr käme es auf das Verhält­ nis zwischen Verbraucherschutzverband und Unterlassungsschuldner an.117 Selbst 111 

Kohler, S.  168 entsprechend zum deutschen Recht. Kohler, S.  168 entsprechend zum deutschen Recht. 113  Kohler, S.  168 entsprechend zum deutschen Recht. 114  Kohler, S.  168 entsprechend zum deutschen Recht. 115  Kohler, S.  168 entsprechend zum deutschen Recht. 116  KG v. 17.12.2007 – 23 U 65/07 – BeckRS 2009, 24853, II. 2. c) aa); angedacht, aber abgelehnt von Kohler, S.  192; Rott, in: Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S.  265 (277). 117  Parallele Argumentation zu Art.  41 II Nr.  1 EGBGB bei Kohler, S.  169 f.; tatsächlich so ge­ prüft von BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (30). 112 

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wenn man sich darüber hinwegsetzen wollte, gibt es kein „bereits bestehende[s] Rechtsverhältnis“, weil das Bestehen einer etwaigen individualverbrauchervertrag­ lichen Rechtsbeziehung dem Unterlassungsanspruch nicht zeitlich vorgelagert ist oder überhaupt verlangt wird118. Der übliche Sinn und Zweck des Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom II, Wertungswidersprüche von nebeneinandertretenden Anspruchsgrundlagen auszuschließen119, greift auch nicht ein, weil ein Unterlassungsanspruch einer Ver­ braucherschutzeinrichtung nach dem UKlaG typischerweise nicht mit vertraglichen Anspruchsgrundlagen konkurriert.120 Anspruchskonkurrenz kann dagegen tat­ sächlich zu unzweifelhaft lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen aufgrund eines Rechtsbruchs bestehen.121 Das spricht dann aber vielmehr für eine einheitliche Be­ handlung mit diesen Ansprüchen, was sich zwar theoretisch über eine akzessori­ sche Anknüpfung an lauterkeitsrechtliche Ansprüche erreichen ließe122 , nahelie­ gender aber von vornherein durch eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation erreicht werden kann. Das Ziel, Wertungswidersprüche zwischen Individual- und kollektiv­ rechtlichen Prozessen zu vermeiden, kann gegebenenfalls durch eine gesonderte Vorfragenanknüpfung vertragsrechtlicher Materien erreicht werden.123 Zuletzt ist zu prüfen, ob der Ausschluss der Rechtswahl nach Art.  6 Abs.  4 Rom II seinem Sinn nach eingreift. Zum deutschen Recht wurde angeführt, dass es materi­ ellrechtlich den Verbraucherschutzverbänden unbenommen sei, über ihre Ansprü­ che zu verfügen. Dem sollte kollisionsrechtlich eine Rechtswahlmöglichkeit gegen­ überstehen.124 Zum deutschen Recht erschien diese Argumentation plausibel, zumal hier überhaupt über die Möglichkeit einer Rechtswahl im Lauterkeitsrecht gestritten werden konnte.125 Im europäischen Kollisionsrecht überzeugt dieses Argument aber nicht mehr. Art.  6 Abs.  4 Rom II schließt die Rechtswahl unabhängig vom Bestehen materiellrechtlicher Privatautonomie aus.126 Dann kann eine solche materiellrecht­ liche Freiheit auch nicht ohne Weiteres als Argument gegen eine lauterkeitsrechtli­ che Qualifikation angeführt werden. Jedenfalls ist es Sinn und Zweck des Art.  6 Abs.  4 Rom II, dass die Interessen materiellrechtlich geschützter Dritter nicht über­ gangen werden.127 Diese von Art.  6 Abs.  4 Rom II gesehene Gefahr bestünde gerade dann, wenn der Verbraucherschutzverband das auf die Unterlassungsansprüche an­ wendbare Recht vereinbaren und damit die Interessen des eigentlich geschützten 118 

Vgl. zum Merkmal des Verwendens in §  1 UKlaG Palandt/Bassenge, §  1 UKlaG Rn.  7. Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (11). 120  Kohler, S.  170. 121  Koch, JZ 1991, 1039 (1040). 122 Siehe Koch, JZ 1991, 1039 (1040), der ausgehend von einer vertragsrechtlichen Qualifikati­ on eine akzessorische Anknüpfung an das Lauterkeitsstatut in Erwägung zog, aber im Ergebnis ablehnte. 123  Rott: in: Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S.  265 (277). 124  Kohler, S.  176. 125  Siehe dazu Teil 2 A. I. 2. a). 126  De Boer, YBPrIL 2007, 19 (24), allerdings wohl nur bezogen auf Art.  6 Abs.  2 Rom II auf­ grund eines Verständnisses, nach dem Art.  6 Abs.  4 Rom II auch hierfür eingreifen soll. 127  Siehe Teil 2 A. II. 3. a) aa). 119 

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

Verbraucherkollektivs beeinträchtigen könnte. Auch erscheint in der Praxis eine Rechtswahl zwischen Verbraucherschutzverband und Schädiger nicht nahelie­ gend128, sodass ein praktisches Bedürfnis hierfür nicht erkennbar ist. Das hiernach naheliegende Ergebnis einer lauterkeitsrechtlichen Qualifikation hat auch den praktischen Vorteil, die schwierigen Interpretationsfragen zu vermei­ den, die sich in Bezug auf den Zweck des UKlaG stellen, etwa zum Schutz vor Irre­ führungen oder zum Schutz der Wettbewerber. Das Ergebnis ist aber auch in der Sache stimmig: Wenn in manchen Sachrechtsordnungen die Verbandsklage etwa auch dem Schutz der Wettbewerber dient und in anderen nicht, so sollte dies näm­ lich nicht zu einer unterschiedlichen Qualifikation führen. Anderenfalls könnte es zu einem Normenmangel oder einer Normenhäufung kommen.129 Angesichts dessen, dass die Anknüpfungspunkte des allgemeinen Deliktsrechts nicht interessengerecht sind, gibt es letztlich keinen Grund, mit der Rechtsprechung Art.  4 Rom II heranzuziehen. Auch eine allein im kollektiven Verbraucherinteresse liegende Sanktionsnorm ist lauterkeitsrechtlich zu qualifizieren. 3. Ergebnis Es zeigt sich, dass auch ohne das Ziel des Schutzes der Chancengleichheit der Wett­ bewerber die Anknüpfung an den Marktort unter Ausschluss von Auflockerungen und Rechtswahl bereits allein aufgrund der beteiligten kollektiven Verbraucherinte­ ressen angemessen sein kann. Damit kann eine im kollektiven Verbraucherinteresse bestehende Sanktionsnorm lauterkeitsrechtlich i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II qualifi­ ziert werden. Das belegt noch einmal, dass die Theorie der lauterkeitsrechtlichen Qualifikation anhand der Schutzzwecktrias nicht sachgerecht ist, sondern vielmehr alternativ auf den Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen oder der Wettbe­ werbsbeziehungen der zu qualifizierenden Sachnorm abzustellen ist.

D.  Nicht lauterkeitsspezifische Verhaltensnormen im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche Ist es möglich, dass ein Anspruch aufgrund der Sanktionsnormen lauterkeitsrecht­ lich zu qualifizieren ist, während die Verhaltensnormen an sich lauterkeitsfremd sind, so stellt sich die Frage, wie diese nicht lauterkeitsspezifischen Verhaltensnor­ men innerhalb des lauterkeitsrechtlichen Anspruchs kollisionsrechtlich zu behan­ deln sind. Dabei sind prinzipiell verschiedene Lösungsansätze denkbar.

128  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Micklitz/Rott, 29. EL, A 25, Art.  2 Rn.  55; Rott/von der Ropp, ZZ­ PInt 2004, 3 (8). 129  In diesem Sinne bereits allgemein zur Schutzzwecktrias Teil 4 C. II. 2.

D.  Nicht lauterkeitsspezifische Verhaltensnormen

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I. Ansätze Erstens kann die Verhaltensnorm schlicht in ihrer Qualifikation dem lauterkeits­ rechtlichen Sanktionsmechanismus folgen: Dies wird zum Teil für die Fallgruppe des Rechtsbruchs vertreten.130 Im selben Sinne wird manchmal auch für die AGB-Verbandsklage nach dem UKlaG eine Sonderbehandlung der AGB-rechtli­ chen Wirksamkeit in Zweifel gezogen131 oder abgelehnt.132 Zweitens kann eine gesonderte Anknüpfung der Verhaltensregeln als Vorfrage vorgenommen werden. So wird von Teilen der Literatur stets eine gesonderte An­ knüpfung der lauterkeitsfremden Verhaltensnormen gefordert133 bzw. im Falle des Vorliegens eines Rechtsbruchs eine Vorfragenanknüpfung angenommen134. Im Rahmen der AGB-Verbandsklage nach dem UKlaG wird dieser Ansatz insbesonde­ re für die Beurteilung der AGB-rechtlichen Zulässigkeit von der deutschen Recht­ sprechung und der überwiegenden Literatur vertreten.135 Drittens ist es im Falle von Verhaltensnormen im öffentlichen Interesse denkbar, eine Sonderanknüpfung als Eingriffsnorm i. S. v. Art.  16 Rom II vorzunehmen: Die­ sen Ansatz vertritt unter Geltung der Verordnung Rom II insbesondere der Gemein­ same Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes für die Anknüpfung des Arznei­ mittelpreisrechts.136 II. Untersuchung 1.  Prinzipielle Zulässigkeit einer gesonderten Vorfragenanknüpfung für Verhaltensnormen Zunächst ist zu überlegen, ob eine gesonderte Vorfragenanknüpfung in Bezug auf Verhaltensnormen überhaupt zulässig sein kann. Art.  15 lit.  a Rom II ordnet näm­ lich den „Grund […] der Haftung“ und damit auch die maßgeblichen Verhaltensre­ geln dem Geltungsbereich des auf das jeweilige außervertragliche Schuldverhältnis anwendbaren Rechts zu.137 Art.  15 Rom II wird ein Grundsatz entnommen, nach dem sachrechtlich zusammenhängende Fragen möglichst weitgehend nach dersel­ ben Rechtsordnung beurteilt werden sollen.138 Die maßgeblichen Verhaltensnormen sind daher dem nach der Verordnung Rom II bezeichneten Recht zu entnehmen. 130 

Spickhoff/Fritzsche, Vorbemerkungen UWG, Rn.  2. A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376). 132  Zum deutschen Recht Mankowski, IPrax 1991, 305 (307). 133  Sack, WRP 2008, 845 (850). 134  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  41, 331; Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  414, 761 ff.; äquivalente Lösung Fountoulakis, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl, S.  719 (764); noch unter deutschem IPR für den Spezialfall eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz für eine gesonderte Anknüpfung auch Dörner, LMK 2007, 236752. 135  Siehe Teil 7 D. II. 3. a) aa). 136  GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (418). 137  MünchKommBGB/Junker, Art.  15 Rom II-VO Rn.  8. 138  MünchKommBGB/Junker, Art.  15 Rom II-VO Rn.  5, 26. 131 

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

Es wäre aber überraschend, wenn Art.  15 lit.  a Rom II so auszulegen wäre, dass die Anknüpfung von Vorfragen ausgeschlossen wäre.139 Dieses Ergebnis griffe zu tief in den anerkannten Bereich der allgemeinen Lehren des IPR ein. Sinn und Zweck der einheitlichen Anknüpfung ist es zudem, Rechtssicherheit zu schaffen und Anpassungsproblemen vorzubeugen.140 Von diesem Sinn und Zweck wäre es nicht gedeckt, wenn eine gesonderte Anknüpfung von Vorfragen zu unterbleiben hätte, welche ihrerseits Wertungswidersprüche gerade vermeiden soll.141 Art.  15 lit.  a Rom II ist restriktiver zu verstehen: Er ist vor dem Hintergrund von Ansätzen zu sehen, nach denen die Verhaltensnormen im Deliktsrecht stets separat anzu­ knüpfen seien und von vornherein nicht dem Deliktsstatut unterfallen sollen.142 Die gesonderte Anknüpfung von Vorfragen wird durch Art.  15 Rom II nicht einge­ schränkt.143 Eine gesonderte Anknüpfung ist daher zulässig, wenn eine Vorfrage vorliegt. Es bleibt aber zu untersuchen, ob bzw. wann dies bei lauterkeitsfremden Regeln inner­ halb eines lauterkeitsrechtlichen Anspruchs der Fall ist. 2.  Vorfragenanknüpfung allein aufgrund formaler sachrechtlicher Regelungsprinzipien? Es ist sodann zu überlegen, ob bereits die sachrechtliche Regelungsstruktur Aus­ kunft darüber geben kann, ob eine Verhaltensnorm nach dem Lauterkeitsstatut oder gesondert als Vorfrage anzuknüpfen ist. a)  Verweisung im Sachrecht aa) Meinungsstand Auf den ersten Blick könnte man erwägen, dass bereits die Tatsache, dass mit dem Tatbestand des Rechtsbruchs i. S. v. §  4 Nr.  11 UWG bzw. mit §§  1, 2, 4a UKlaG auf Gesetze außerhalb des Lauterkeitsrechts verwiesen wird, dazu führen könnte, dass auch kollisionsrechtlich der Bereich des Lauterkeitsrechts verlassen wird. Wohl auf derselben Überlegung beruht es, wenn – außerhalb des spezifisch lauterkeitsrechtli­ chen Kontexts – vertreten wird, dass eine Vorfrage voraussetze, dass das anwend­ 139 

Ein solches Ergebnis ablehnend Rauscher/Jakob/Picht, Art.  15 Rom II-VO Rn.  17. Etwa Rauscher/Jakob/Picht, Art.  15 Rom II-VO Rn.  2. 141  Vgl. zu diesem Zweck der Vorfragenanknüpfung Schurig, in: FS Kegel, S.  549 (580). 142  MünchKommBGB/Junker, Art.  15 Rom II-VO Rn.  5, der auf abweichende Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren hinweist; weiterhin für eine Sonderanknüpfung Rauscher/Unberath/ Cziupka, Art.  4 Rom II-VO Rn.  125, 126 im Anschluss an Dörner, in: FS Stoll, 491 (496 ff.) zur deutschen Rechtslage; anders allerdings zur europäischen Rechtslage Hk-BGB/Dörner, Art.  17 Rom II-VO Rn.  2; rechtspolitisch für eine Sonderanknüpfung Symeonides, in: FS Jayme, Band I, S.  935 (942). 143  Rauscher/Jakob/Picht, Art.  15 Rom II-VO Rn.  18; auch Kohler, S.  184 unterscheidet die Fra­ ge der Sonderanknüpfung von Verhaltensnormen im Deliktsrecht im Allgemeinen und die Vorfra­ genanknüpfung der §§  307 ff. BGB im Rahmen der AGB-Verbandsklage. 140 

D.  Nicht lauterkeitsspezifische Verhaltensnormen

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bare Sachrecht die fragliche Rechtsfrage nicht abschließend direkt, sondern unter Bezugnahme auf einen bestimmten anderen Systembegriff beantworte, wobei es erkennbar nur um Fragen der Regelungstechnik gehen soll.144 In diesem Sinne könnte es auch zu verstehen sein, wenn die Literatur zum Teil mit der Kategorie des Rechtsbruchs im deutschen Sachrecht argumentiert, um eine Vorfragenanknüpfung zu begründen.145 bb) Stellungnahme Es erscheint fraglich, ob es von Relevanz ist, dass die maßgebliche Sachnorm die Tatbestandsmerkmale regelungstechnisch im Wege einer Verweisung beschreibt. So erwähnen andere Autoren eine derartige Voraussetzung bei der Definition der Vorfrage nicht.146 Die Vorstellung, dass die Regelungstechnik des Rechts der Haupt­ frage derart erheblichen Einfluss darauf haben kann, ob eine gesondert anzuknüp­ fende Vorfrage vorliegt, erscheint auch nicht unbedenklich. So ist es oftmals zufäl­ lig, ob das nationale Recht eine bestimmte Rechtsfrage unmittelbar oder aber durch Bezugnahme auf andere Regelungen beantwortet.147 Dass beide Regelungstechni­ ken, wenn sie denn materiellrechtlich den gleichen Inhalt haben148, kollisionsrecht­ lich dann ganz unterschiedliche Rechtsfolgen haben sollen, leuchtet nicht ein.149 Das gilt insbesondere unter Geltung europäischen Kollisionsrechts und insbeson­ dere im lauterkeitsrechtlichen Kontext. Es mag im deutschen IPR aufgrund der Qualifikation anhand der lex fori möglich gewesen sein, allein aus dem „Verlassen“ des UWG aufgrund einer Verweisung auch auf das „Verlassen“ des Lauterkeitssta­ tuts zu schließen. Demgegenüber hängt es im europäischen IPR nicht von der Rege­ lungstechnik im nationalen Sachrecht ab, ob eine lauterkeitsrechtlich zu qualifizie­ rende Rechtsfrage vorliegt.150 Konsequenterweise kann nichts anderes für die Frage gelten, ob eine bestimmte Verhaltensnorm von Art.  6 Abs.  1 Rom II oder aber im Wege der Vorfrageanknüpfung von einer anderen Kollisionsnorm berufen wird. Das alles zeigt, dass es nicht darauf ankommen kann, ob sich der Gesetzgeber der lex causae regelungstechnisch einer Verweisungstechnik auf ein anderes Rechtsge­ 144  MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn.  547; wohl zu Recht abweichend von Bar/ Mankowski, §  7 Rn.  191, S.  670; Schurig, in: FS Kegel, S.  549 (572), denen es nicht um die formale Regelungstechnik der Verweisung geht. 145  Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  41, 331. 146  Erman/Hohloch, Einl Art 3-47 EGBGB Rn.  52 ff.; Hk-BGB/Dörner, Vor Art.  3 -6 EGBGB Rn.  21; Staudinger/F. Sturm/G. Sturm, Einl zum IPR Rn.  267. 147  Dies sieht auch MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn.  547. 148  Auf mögliche relevante Unterschiede in der Sache weisen von Bar/Mankowski, §  7 Rn.  191, S.  670; Schurig, in: FS Kegel, S.  549 (572) hin. 149  Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn.  547 f., der daraus aber nur die Konse­ quenz einer ggf. unselbständigen Vorfragenanknüpfung zieht; zu den hieraus resultierenden Un­ gereimtheiten zumindest im Falle einer Sachrechtsverweisung der Hauptfrage Schurig, in: FS Kegel, S.  549 (564). 150  Siehe bereits Teil 1 C. I., Teil 5 C. III. 1. a).

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

biet bedient hat. Daher lässt sich unter europäischer Rechtslage nicht schon aus der Tatsache, dass etwa in §  4 Nr.  11 UWG und in §§  1, 2, 4a UKlaG auf andere Gesetze verwiesen wird, etwas dafür herleiten, dass auch kollisionsrechtlich nicht das Lau­ terkeitsstatut, sondern eine andere Kollisionsnorm maßgeblich sein müsste. b)  Systematik im Anspruchsgrundlagensystem im Sachrecht Kann nicht bereits aus der Verweisungsstruktur im Sachrecht das Vorliegen einer Vorfrage abgeleitet werden, so stellt sich die Frage, ob das System der Anspruchs­ grundlagen im materiellen Recht zu einer Vorfragenanknüpfung führen kann. aa)  Ansatz des BGH Der BGH hat zum deutschen UKlaG aus der Systematik des Anspruchsgrundlagen­ systems des deutschen UKlaG darauf geschlossen, dass im Rahmen einer AGB-Ver­ bandsklage die Zulässigkeit der verwendeten Klauseln als vertragsrechtliche Vor­ frage zu behandeln sei.151 Dass einerseits §  1 UKlaG nur auf §§  307–309 BGB ver­ weise und andererseits für innergemeinschaftliche Verstöße mit §  4a UKlaG eine besondere Anspruchsgrundlage vorgesehen sei, zeige, dass der Gesetzgeber von einer gesonderten vertragsrechtlichen Anknüpfung des Maßstabs der AGB-Kon­ trolle ausgegangen sei.152 Damit wird nur für Fälle deutschen Vertragsstatuts §  1 UKlaG für maßgeblich gehalten, für den Fall der Anwendbarkeit der Vertrags­ rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats dagegen §  4a UKlaG.153 bb) Stellungnahme Selbst wenn man denn dem BGH in seinem Verständnis der Systematik des UKlaG folgen will154, erscheint die systematische Argumentation des BGH nur folgerichtig, solange es um rein nationales Kollisionsrecht und Sachrecht nach der lex fori geht: Es wäre in der Tat widersprüchlich, wenn der deutsche Gesetzgeber einerseits spe­ 151  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (32 ff.); BGH v. 20.05.2010 – Xa ZR 68/09, BGHZ 185, 359 (362). 152  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (32 ff.). 153  Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  5, aber auch zur Möglichkeit der Anwen­ dung von §  4a UKlaG bei deutschem Vorfragenstatut; vgl. auch OLG Frankfurt v. 28.02.2013 – 16 U 86/22, BeckRS 2013, 04769 Rn.  24, wo bei deutschem Vorfragenstatut §  1 UKlaG angewandt wird. 154  Das Verständnis des BGH zu §  4a UKlaG führt zu Rechtsschutzlücken allgemein bei An­ wendbarkeit drittstaatlichen Vertragsrechts (vgl. den engen Prüfungsmaßstab in BGH v. 11.02.2010 – I ZR 178/08, NJW 2010, 2661 (2662) – „Half-Life 2“) und bei Anwendbarkeit des Vertragsrechts anderer Mitgliedstaaten im Falle der Verwendung gegenüber Gewerbetreibenden, selbst wenn die AGB auf dem deutschen Markt verwendet werden. Gesetzgebungsgeschichtlich ist §  4a UKlaG dagegen nur auf den Fall ausländischen Lauterkeits- und damit Hauptfragestatuts und zugleich ausländischen Marktortes zugeschnitten (BT-Drucks. 16/2930, S.  16; darauf einge­ hend BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (33)). Überzeugender ist daher der Ansatz von Kohler, S.  49, 55 ff., bei ausländischem Vertragsstatut auch §  1 UKlaG anzuwenden.

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zielle Sachnormen für Fälle ausländischen Vorfragenstatuts vorsähe, andererseits aber das nationale Kollisionsrecht so auszulegen wäre, dass überhaupt keine geson­ derte Vorfragenanknüpfung erfolgen kann. Es kann also im rein nationalen Kontext von der sachrechtlichen Systematik des Anspruchsgrundlagensystems auf implizite kollisionsrechtliche Wertungen geschlossen werden. Derartige systematische Erwägungen können aber unter Geltung der Verordnung Rom II nicht zulässig sein. Die Auslegung und Anwendung des europäisch-autono­ men Kollisionsrechts kann nicht davon abhängen, ob der nationale Sachnormge­ setzgeber der lex fori seinerseits mit der Anwendung bestimmter Kollisionsnormen, etwa an eine Vorfragenanknüpfung, gedacht hat. Es fehlt dem nationalen Gesetzge­ ber im Bereich des vereinheitlichten Kollisionsrechts bereits an der Gesetzgebungs­ kompetenz, um derartige kollisionsrechtliche Wertungen vorzunehmen. Wo sie dennoch dem Gesetz zu entnehmen sein sollten, sind sie aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts unbeachtlich.155 Es kann daher im Extremfall hinzunehmen sein, wenn ganz abweichend von den Vorstellungen des nationalen Sachrechts ange­ knüpft wird und dadurch ggf. sogar nationale Anspruchsgrundlagen, die speziell für Fälle ausländischen Vorfragenstatuts geschaffen wurden, ganz oder teilweise ihren Anwendungsbereich verlieren. Auch auf das Sachrecht der lex causae der Hauptfrage kann es nicht ankommen: Dies würde nämlich letztlich auf eine Qualifikation nach der lex causae hinauslau­ fen156: Es käme nämlich darauf an, ob die berufene Rechtsordnung die Zulässigkeit bestimmter AGB als vertragsrechtliches und deshalb gesondert anzuknüpfendes Rechtsproblem versteht. Ein solches Vorgehen widerspräche Erwägungsgrund 13, wonach „einheitliche Bestimmungen unabhängig von dem durch sie bezeichneten Recht angewandt werden“ sollen. Die Systematik des nationalen Anspruchsgrundlagensystems ist daher unbeacht­ lich dafür, ob eine Rechtsfrage noch dem Lauterkeitsstatut nach Art.  6 Abs.  1 Rom II unterfällt. Das gilt auch für die Frage, ob bestimmte Verhaltensnormen als Vorfragen gesondert anzuknüpfen sind. 3.  Gesonderte Anknüpfung aufgrund des Inhalts der Sachnormen und der kollisionsrechtlichen Interessenlage Kommt es nach alledem nicht entscheidend auf die Verweisungstechnik des natio­ nalen Sachrechts oder auf das System der Anspruchsgrundlagen an, so bedarf es, wie auch sonst im europäischen Kollisionsrecht, einer am sachrechtlichen Inhalt sowie der kollisionsrechtlichen Interessenlage orientierten Untersuchung, ob bzw. wann nicht spezifisch lauterkeitsrechtliche Verhaltensnormen dem Lauterkeitsstatut unterfallen können.157 Dabei bietet es sich an, zwischen solchen lauterkeitsfremden 155 

So zu einem anderen Anwendungsfall von §  4a UKlaG Kohler, S.  167. Zur Qualifikation lege causae siehe Kegel/Schurig/Schurig, S.  340 ff. 157  Siehe bereits Teil 1 C. III. 156 

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

Verhaltensnormen zu differenzieren, die im Individualinteresse liegen und insbe­ sondere das Vertragsrecht betreffen, und solchen Regelungen, die vor allem im öf­ fentlichen Interesse liegen. a)  Individualschützende, insbesondere vertragsrechtliche Verhaltensnormen Für die Fallgruppe der im Individualinteresse liegenden, regelmäßig vertragsrecht­ lichen Verhaltensnormen kann stellvertretend auf die Diskussion zur Anknüpfung des AGB-rechtlichen Zulässigkeitsmaßstabs innerhalb der Verbandsklage zurück­ gegriffen werden. Die Diskussion bezieht sich, soweit ersichtlich, auf Klagen nach dem UKlaG. Sie erscheint aber auch übertragbar auf Ansprüche von Verbänden und Mitbewerbern, die auf den Tatbestand des Rechtsbruchs nach §  4 Nr.  11 UWG ge­ stützt werden.158 aa)  Vorliegen einer gesondert anzuknüpfenden vertragsrechtlichen Vorfrage (1) Meinungsstand Nach Auffassung von BGH und dem Großteil der Literatur ist in Fällen einer AGB-Verbandsklage eine Vorfragenanknüpfung für die Anforderungen an die Zu­ lässigkeit oder Wirksamkeit von AGB anzustellen, wobei diese Rechtsfrage dem Vertragsstatut unterfallen soll.159 Es finden sich aber auch zweifelnde160 oder ableh­ nende161 Stimmen. Die hierfür angeführten Argumentationsstränge sollen im Fol­ genden jeweils ausführlich und im Zusammenhang untersucht werden. (2)  Diskussion der Interessenlage (a) Ausgangspunkt Ausgangspunkt der Überlegungen muss die allgemeine Definition von Vorfragen sein162: Eine Vorfrage liegt nach herkömmlicher Definition dann vor, wenn eine in einer Norm der lex causae auftauchende und in diesem Sinne vorgelagerte rechtli­ che Beziehung nach einer Norm des IPR zu beurteilen ist, die nicht zugleich die für 158 

Zu dieser Möglichkeit im Sachrecht Köhler/Bornkamm/Köhler, §  4 UWG Rn.  11.156c. BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (32 ff.); (zurückhaltender) BGH v. 11.02.2010 – I ZR 178/08, NJW 2010, 2661 (2662) – „Half-Life 2“; BGH v. 29.04.2010 – Xa ZR 5/09, EuZW 2010, 557 (558); BGH v. 20.05.2010 – Xa ZR 68/09, BGHZ 185, 359 (362); Hau, LMK 2009, 293079; Kohler, S.  183 f.; Lindacher, in: FS von Hoffmann, S.  258 (264); Rott: in: Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S.  265 (277); Stadler, VuR 2010, 83 (88); Ulmer/Brandner/Hensen/ Witt, §  4a UKlaG Rn.  11; zum deutschen Recht bereits Halfmeier, S.  285; Maidl, S.  265 f. 160  A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376). 161  Möglicherweise Dauses/Rott, 21. EL, H.V. Rn.  715, der nicht weiter differenziert; zum deut­ schen Recht Mankowski, IPrax 1991, 305 (307); in der Tendenz auch Sonnenberger, in: FS Ferid, 377 (385 f.). 162  Diesen Ansatz wählt in diesem Zusammenhang, soweit ersichtlich, nur Kohler, S.  183, aller­ dings zur deutschen Rechtslage. 159 

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die Hauptfrage maßgebliche ist.163 Die AGB-Verbandsklage ist von einzelnen Ver­ tragsbeziehungen, die typischerweise nach der Verordnung Rom I angeknüpft wer­ den, teilweise, aber auch nicht ganz abstrahiert.164 Daraus resultieren in der Sache Unsicherheiten, ob hier eine nach der Verordnung Rom I anzuknüpfende Vorfrage vorliegt. Es wird etwa einerseits darauf hingewiesen, dass die AGB-Verbandsklage gerade eine abstrakte Rechtskontrolle biete, die sich von ihrem Prüfungsmaßstab her nicht mit individuellen Verträgen befasse.165 So sei im Bereich des Sachrechts anerkannt, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls im Verbandsklageverfahren keine Berücksichtigung finden könnten und etwa auch Fragen der Einbeziehung im Ver­ bandsklageverfahren nicht prüfbar seien.166 Es wird vertreten, dass sich diese mate­ riellrechtliche Funktion einer von jedem konkreten Vertrag losgelösten Prüfung nicht mit einem kollisionsrechtlichen Ansatz vertrage, der das Internationale Ver­ tragsrecht und damit individualvertragsrechtliche Anknüpfungspunkte heranzie­ he.167 Insbesondere wird eingewandt, dass sich im Rahmen einer abstrakten Wirk­ samkeitsprüfung der AGB die Anknüpfungspunkte des Internationalen Vertrags­ rechts überhaupt nicht richtig anwenden ließen, da diese stets einen bestimmten Vertrag im Auge hätten.168 Die AGB-Verbandsklage wolle die Verwendung unwirk­ samer AGB für die Zukunft verhindern, sodass ein bereits abgeschlossener Vertrag nicht erforderlich sei und es auf einen solchen auch nicht ankommen könne.169 Ohne einen derart bestimmten Vertrag könne aber etwa der vertragsrechtliche Anknüp­ fungspunkt der offensichtlich engeren Verbindung nicht sinnvoll angewandt wer­ den.170 Stellt man derartige Aspekte in den Vordergrund, so erscheint es nur konse­ quent, wenn man annimmt, dass eine gesonderte Vorfragenanknüpfung zu unter­ bleiben hat.. Andererseits schafft meist eine konkrete Klauselverwendung und damit eine konkrete Vertragsbeziehung die Grundlage für den Anspruch und wird im Sach­ recht etwa zur Begründung einer Wiederholungsgefahr auf Tatbestandsseite ge­ prüft.171 Auch ist etwa im deutschen Recht auf §  3 Abs.  2 UKlaG zu verweisen, nach dem der Unterlassungsanspruch der qualifizierten Einrichtungen nicht besteht, 163  Erman/Hohloch, Einl Art 3-47 EGBGB, Rn.  52; Hk-BGB/Dörner, Vor Art.  3 –6 EGBGB, Rn.  21; Kropholler, S.  221; Staudinger/F. Sturm/G. Sturm, Einl zum IPR, Rn.  267. 164  Noch zum deutschen IPR Maidl, S.  265 entsprechend zu §  13 AGBG. 165  Mankowski, IPRax 1991, 305 (307). 166  Mankowski, IPRax 1991, 305 (306 f.), siehe dazu BGH v. 11.02.2010 – I ZR 178/08, NJW 2010, 2661 (2664) – „Half-Life 2“; allgemeiner BGH v. 19. 09.1990 – VIII ZR 239/89, BGHZ 112, 204 (212). 167  Mankowski, IPRax 1991, 305 (307). 168  A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376); das Problem sehen auch Maidl, S.  265; Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  11. 169  Mankowski, IPRax 1991, 305 (307). 170 Wohl A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376). 171  Maidl, S.  265 entsprechend zu §  13 AGBG für eine Vorfragenanknüpfung.

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

wenn die AGB gegenüber Unternehmern verwendet werden.172 Auch dies verbindet den Anspruch mit einer konkreten Verwendung der AGB. Für eine eigenständig zu beurteilende Rechtsbeziehung könnte es auch sprechen, wenn der EuGH im Urteil Henkel meint, dass „Rechtsverhältnisse“ zwischen den Vertragsparteien überprüft würden.173 Allerdings wird diese Aussage dort im Zusammenhang mit der EuGV­ VO getroffen, wo sich eine Vorfragenproblematik überhaupt nicht stellt174, was Zu­ rückhaltung bei Schlussfolgerungen für die Vorfragenanknüpfung gebietet. Ohne Weiteres lässt sich daher nicht feststellen, ob dem Rahmen der AGB-Ver­ bandsklage eine vertragliche Rechtsbeziehung vorgelagert ist, wie sie im Rahmen der Verordnung Rom I angeknüpft wird. Es bedarf daher näherer Untersuchung, welche Auswirkungen eine Vorfragenanknüpfung des Prüfungsmaßstabs der AGB bzw. ihr Unterbleiben im Hinblick auf die Interessen der beteiligten Personen hat. (b)  Interessen des Verwenders Wird die Wirksamkeit der AGB im Rahmen der Verbandsklage nach dem Lauter­ keitsstatut angeknüpft, kann im Verbandsklageverfahren einem Unternehmer unter dem Lauterkeitsstatut die Verwendung bestimmter AGB verboten werden, die ge­ genüber jedem Einzelnen gegebenenfalls zulässig sein könnte.175 Dass dies die Vo­ raussehbarkeit der Wirksamkeit der AGB und folglich die Rechtssicherheit aus Sicht des Verwenders beeinträchtigt, liegt auf der Hand.176 Mit dem Ziel der Marktortan­ knüpfung, dem handelnden Unternehmer Rechtssicherheit zu gewähren, indem er sein Verhalten ausschließlich am Marktortrecht ausrichten muss, ist dies nicht ver­ einbar. Eine Anwendung von Art.  6 Rom II auch auf die Fragen der AGB-rechtli­ chen Zulässigkeit bestimmter Klauseln würde einen vorsichtigen Verwender viel­ mehr dazu nötigen, seine AGB einem doppelten Prüfungsmaßstab anzupassen, nämlich zum einen im Verhältnis zum Verbraucherschutzverband dem des Lauter­ keitsstatuts und zum anderen im Verhältnis zum individuellen Verbraucher nach dem des Vertragsstatuts.177 Ein wesentliches Ziel des Art.  6 Abs.  1 Rom II, dass ein Wettbewerbsverhalten im Verhältnis zu allen potentiellen Anspruchstellern nach derselben Rechtsordnung beurteilt werden sollte, kann daher auch bei Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht erreicht werden. Dieses Ziel wird vielmehr bei einer vertragsrechtlichen Vorfragenanknüpfung sogar besser gewahrt. Diese Aufspaltung des Prüfungsmaßstabs wiegt auch besonders schwer: Zwar werden im europäischen Kollisionsrecht im Allgemeinen gewisse Abweichungen 172 

Reinel, S.  146, dort Fn.  55, noch zu §  24 AGBG mit dem hier wiedergegebenen Argument. EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8138) – Henkel. 174  Kohler, S.  117. 175  Maidl, S.  265; Kohler, S.  183 f.; Rott, in: Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S.  265 (272); Stadler, VuR 2010, 83 (88); Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  11. 176 So Maurer, S.  91 für eine insgesamt vertragsrechtliche Qualifikation; Kohler, S.  182 f. sieht die Möglichkeit von Grundrechtsverletzungen. 177  Kohler, S.  182. 173 

D.  Nicht lauterkeitsspezifische Verhaltensnormen

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bei der Anknüpfung von lauterkeitsrechtlichem kollektiven Verbraucherschutzrecht i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II und individualbezogenem Vertragsrecht nach der Ver­ ordnung Rom I hingenommen: Im Normalfall legt aber das materielle europäische Recht selbst etwa mit der UGP-RL und der KlauselRL zwei unterschiedliche Ver­ haltensmaßstäbe fest, die sich einerseits am Kollektivinteresse und andererseits am Individualinteresse der Verbraucher orientieren. Mit der unterschiedlichen An­ knüpfung dieser Regeln nach dem Lauterkeits- bzw. dem Vertragsstatut vollzieht das Kollisionsrecht das Nebeneinander dieser materiellrechtlichen Maßstäbe ledig­ lich nach. Ganz anders liegt es aber, wenn man die Maßstäbe der AGB-Kontrolle im Rahmen eines lauterkeitsrechtlichen Anspruchs ebenfalls nach Art.  6 Abs.  1 Rom II anknüpft. Hiermit wird nämlich ein im materiellen Recht nur einheitlich vorgesehe­ ner Verhaltensstandard des AGB-Rechts kollisionsrechtlich je nach Rechtsbezie­ hung verschieden angeknüpft und damit effektiv verdoppelt. Die Interessen des handelnden Unternehmers legen daher eine gesonderte An­ knüpfung der vertragsrechtlichen Verhaltensnormen nahe. Angesichts dieser Inter­ essenlage des Verwenders ist zu prüfen, ob die weiteren von Art.  6 Abs.  1 Rom II erfassten kollisionsrechtlichen Interessen gleichwohl die Anwendung dieser Kolli­ sionsnorm rechtfertigen. (c) Wettbewerbsgleichheit Gegen eine Vorfragenanknüpfung wird insbesondere der Aspekt der Wettbewerbs­ gleichheit ins Feld geführt.178 Darauf ist einzugehen, da es jedenfalls bei Ansprü­ chen wegen Rechtsbruchs nach dem UWG naheliegt, dass auch die Sicherung der Chancengleichheit materiellrechtliches Ziel ist, das möglicherweise kollisionsrecht­ lich nachvollzogen werden sollte. Die par conditio concurrentium kann bei einer gesonderten Vorfragenanknüp­ fung AGB-rechtlicher Verhaltensnormen möglicherweise nicht gewahrt werden.179 Denn eine solche Anknüpfung kann dazu führen, dass letztlich doch andere An­ knüpfungspunkte als der Marktort das auf das Marktverhalten anwendbare Recht bestimmen und Wettbewerber auf demselben Markt folglich unterschiedlichen Ver­ haltensanforderungen unterworfen werden können. Zum Teil wird im Zusammen­ hang mit einem ähnlichen Problem allerdings angeführt, die Chancengleichheit sei auch im Falle einer vertragsrechtlichen Vorfragenanknüpfung gar nicht berührt, denn alle Marktteilnehmer hätten dieselben Möglichkeiten, die sich aus Rechtsun­ terschieden ergebenden Chancen zu ergreifen.180 Die letztgenannte Argumentation erscheint jedenfalls im Zusammenhang mit Art.  6 Abs.  1 Rom II zweifelhaft. Denn in der Sache tauscht sie den Prüfungsmaß­ 178 

A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376) zur AGB-Verbandsklage. A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376). 180 So van Meenen, S.  168 zur Fallgruppe der sog. Ausnutzung des internationalen Rechtsgefäl­ les. 179 

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stab aus: Während bei Anknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II eine Gleichbehand­ lung in dem Sinne angestrebt wird, dass das Verhalten aller auf einem bestimmten Markt tätigen Unternehmen nach einer einheitlichen Rechtsordnung beurteilt wird, soll es für die Wahrung der Chancengleichheit bei der Vorfragenanknüpfung aus­ reichen, dass Unternehmen auf demselben Markt sich zwar nach unterschiedlichen Rechtsordnungen richten müssen, aber die gleichen Chancen haben, eine bestimmte kollisionsrechtliche Behandlung herbeizuführen. Mit der spezifischen Wettbe­ werbsgleichheit, wie sie Art.  6 Abs.  1 Rom II mit der einheitlichen Marktortan­ knüpfung an sich vorsieht, hat das nichts zu tun. Im Übrigen ist aber auch die Prämisse fraglich, dass eine Chancengleichheit überhaupt in dem Sinne besteht, dass alle Wettbewerber die gleiche kollisionsrecht­ liche Behandlung erreichen können. Das ist insbesondere bei Anknüpfungspunkten zweifelhaft, die wenig flexibel sind. Geht es beispielsweise um eine AGB-vertrags­ rechtliche Vorfrage im Zusammenhang mit einem Beförderungsvertrag, so hängen hierbei die Möglichkeiten einer Rechtswahl gemäß Art.  5 Abs.  2 UAbs.  2 lit.  b Rom I auch vom gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderers ab.181 Damit besteht selbst im Hinblick auf das typische kollisionsrechtliche Gestaltungsmittel der Rechtswahl keine Chancengleichheit zwischen Wettbewerbern im In- und Ausland, will man von den Wettbewerbern nicht auch die Verlegung ihres gewöhnlichen Auf­ enthalts verlangen. Ein Anknüpfungspunkt wie der gewöhnliche Aufenthalt des Unternehmers ist in seiner Änderung aber sehr schwerfällig: Daher besteht auch keine tatsächliche Chancengleichheit.182 Es ist demnach das Argument zu akzeptieren, dass eine gesonderte Vorfragenan­ knüpfung der Verhaltensnormen mit der Chancengleichheit der Wettbewerber unter Umständen unvereinbar sein kann. Doch stellt sich die Frage, welches Gewicht dem Ziel der Wettbewerbsgleichheit spezifisch in Bezug auf lauterkeitsfremde individu­ alschützende Sachnormen zukommt. Außerhalb lauterkeitsrechtlicher Verfahren werden AGB-rechtliche Normen unzweifelhaft nicht nach Art.  6 Abs.  1 Rom II, sondern nach anderen für sie maßgeblichen Kollisionsnormen des Internationalen Vertragsrechts angeknüpft.183 Der Gesetzgeber bewertet hier andere kollisions­ rechtliche Interessen höher als die Wettbewerbsgleichheit. Insofern besteht schlicht keine Gleichheit der Wettbewerber.184 Wollte man zur Herstellung der Wettbe­ werbsgleichheit im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche das Marktortrecht anwenden, würde allenfalls allein für den Wettbewerbsprozess eine Chancengleich­ heit künstlich simuliert.185 Soweit Marktteilnehmer ohnehin den Verhaltensanfor­ 181  Auf eine Abweichung der Anknüpfung von Beförderungsverträgen und Art.  6 Abs.  1 Rom II weist daher auch Lindacher, in: FS von Hoffmann, S.  258 (264) hin. 182  Mook, S.  172 f. sieht daher für ein vergleichbares Problem keine Chancengleichheit für mit­ telständische Unternehmen. 183  Kohler, S.  183. 184  In diesem Sinne Schricker, GRUR Int. 1982, 720 (726) zum Rabattgesetz. 185 Ähnlich Schricker, GRUR Int. 1982, 720 (726).

D.  Nicht lauterkeitsspezifische Verhaltensnormen

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derungen anderer Rechtsordnungen als der des Marktortes unterliegen können, kann die Anwendung von Art.  6 Abs.  1 Rom II keine Wettbewerbsgleichheit schaf­ fen.186 Vielmehr kann das Lauterkeitsrecht dann nur noch sinnvollerweise insoweit eine Chancengleichheit nachvollziehen, als diese vom lauterkeitsfremden Rechts­ rahmen – auch kollisionsrechtlich – gewährleistet wird.187 Dies ist letztlich die kol­ lisionsrechtliche Konsequenz eines sachrechtlichen Ansatzes, der die Verletzung der Wettbewerbsgleichheit auch insoweit sanktioniert, als der maßgebliche Hand­ lungsrahmen nicht von spezifisch im Wettbewerbsinteresse liegenden und in diesem Sinne lauterkeitsrechtlichen Verbotsnormen gebildet wird, sondern von anderen, lauterkeitsfremden Verhaltensregeln vorgegeben ist.188 Daher spricht der Aspekt der Chancengleichheit der Wettbewerber im Ergebnis nicht dagegen, dass Verhaltensnormen im Rahmen eines lauterkeitsrechtlichen An­ spruchs gesondert angeknüpft werden können.189 (d)  Schutz der Verbraucher vor der Unangemessenheit der Klauseln Hier wird für das UKlaG ein Verständnis zu Grunde gelegt, nach dem die Ver­ bandsklage Schutz vor unausgewogenen AGB bieten soll.190 Berücksichtigt man, dass Zweck der Verbandsklage ist, die praktischen Schwächen des Individualrechts­ schutzes auszugleichen, insbesondere den fehlenden Anreiz einzelner Verbraucher, sich gegen unzulässige Klauseln zu wehren, so erscheint eine Vorfragenanknüp­ fung nach dem Vertragsstatut naheliegend.191 Soweit bestimmte AGB gegenüber einzelnen Verbrauchern zulässig sind, ist es gerade gewollt, dass sich einzelne Ver­ braucher nicht gegen diese Klauseln zur Wehr setzen können. Eine missbilligte Lü­ cke bei der Verhaltenssanktionierung besteht in solchen Fällen nicht, sodass eine solche auch nicht durch einen verbandsklagerechtlichen Unterlassungsanspruch geschlossen werden kann.192 Letztlich sind dann schon keine Verbraucherinteressen beeinträchtigt, sodass auch kein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch be­ stehen kann. Das legt nahe, dass hier die kollisionsrechtlichen Interessen anders verlaufen als bei der lauterkeitsrechtlichen Hauptfrageanknüpfung193 und der Maßstab der AGB-Kontrolle daher nicht deren Schicksal, sondern das des Vertragsstatuts teilen 186 Ähnlich

Schricker, GRUR Int. 1982, 720 (726). Schricker, GRUR Int. 1982, 720 (726). 188  Ähnlich MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  314. 189  Vgl. entsprechend Schricker, GRUR Int. 1982, 720 (726), allerdings noch zum früheren Ra­ batt­gesetz. 190  Siehe Teil 7 C. II. 2. b) bb) (1). 191  Stadler, VuR 2010, 83 (86). 192  Stadler, VuR 2010, 83 (88). 193 Vgl. Schurig, in: FS Kegel, S.  549 (571), der allgemein die Sonderanknüpfung von Vorfra­ gen damit begründet, dass hier andere kollisionsrechtliche Interessen als bei der Hauptfrage ein­ schlägig seien. 187 

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sollte. So kann eine einheitliche Beurteilung im Individualprozess und im Ver­ bandsklageprozess erreicht werden.194 (e)  Schutz der Verbraucher vor der Unwirksamkeit der Klauseln Wie bereits angesprochen, stellen manche Autoren als Zweck der AGB-Ver­ bandsklage aber auch den „Schutz des Rechtsverkehrs“195 vor unwirksamen Klau­ seln heraus196. Das lässt sich dahingehend verstehen, dass der Aspekt des Vertrau­ ens in die Wirksamkeit der Klauseln im Vordergrund steht: Besonders deutlich kommt ein solches Verständnis zum Ausdruck, wenn ausgeführt wird, die Ver­ bandsklage solle davor schützen, dass rechtsunkundige Verbraucher AGB für ver­ bindlich halten und aufgrund dieses Irrtums in ihren wirtschaftlichen Entscheidun­ gen beeinflusst werden.197 Es wird überlegt, aufgrund dieser Schutzfunktion den gesamten Anspruch einschließlich der AGB-rechtlichen Verhaltensmaßstäbe Art.  6 Abs.  1 Rom II zu unterwerfen und eine gesonderte Vorfragenanknüpfung zu unter­ lassen.198 Selbst wenn die Verbandsklage nach dem maßgeblichen Sachrecht auch diese Funktion erfüllen sollte, scheint das Ziel der Förderung der Rechtssicherheit durch Vermeidung unwirksamer Vertragsklauseln allenfalls ein zusätzliches Argument für die Vorfragenanknüpfung zu sein: Ist eine Klausel nämlich in allen konkreten Vertragsbeziehungen wirksam, so wird kein Irrtum über ihre Wirksamkeit erzeugt und die Rechtssicherheit nicht beeinträchtigt.199 Will das nach Art.  6 Abs.  1 Rom II berufene Sachrecht das Vertrauen in die Wirksamkeit von Vertragsklauseln schüt­ zen, so spricht auch der hiermit intendierte Schutz der Verbraucher vor Irreführung letztlich für eine gesonderte Anknüpfung der vertragsrechtlichen Verhaltensregeln. (f)  Lückenloser Verbraucherschutz? Zum Teil wird noch über die bereits benannten Aspekte hinaus versucht, eine Be­ handlung der Verhaltensnormen nach Art.  6 Abs.  1 Rom II mit dem von dieser Norm bezweckten Verbraucherschutz zu rechtfertigen. Soweit im Internationalen Vertragsrecht an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verwenders angeknüpft werde, habe es dieser in der Hand, durch einen Umzug ins Ausland einer wirksamen Klau­ selkontrolle zu entgehen.200 Die speziellen Anknüpfungsmöglichkeiten für Ver­ 194  Etwa Kohler, S.  183 f.; vgl. Schurig, in: FS Kegel, S.  549 (592), der allgemein die Sonderan­ knüpfung von Vorfragen auf Gründe des internen Entscheidungseinklangs zurückführt. 195 Etwa A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376). 196  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (33); Halfmeier, S.  284 f.; Maidl, S.  265; A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376). 197  So Huber/Bach, Art.  1 Rn.  29. 198  A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376). 199  Maidl, S.  265; wohl auch Halfmeier, S.  284 f. 200  A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376) noch zum EGBGB.

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braucherverträge seien nicht stets einschlägig und daher zum Schutz der Verbrau­ cher nicht ausreichend.201 Dieser Argumentation ist aber entgegenzuhalten, dass der Unionsgesetzgeber in­ dividuellen Verbraucherinteressen gegenüber den Interessen des Unternehmers be­ reits über die verbraucherschützenden Anknüpfungspunkte in der Verordnung Rom I gemäß Art.  6 Rom I im Allgemeinen und gemäß Art.  23 Rom I, Art.  6 Abs.  2 KlauselRL für den Bereich der AGB-Kontrolle im Besonderen in bestimmtem Um­ fang Vorrang gewährt hat. Die Entscheidung des Unionsgesetzgebers dafür, beson­ deren Verbraucherschutz bei der AGB-Kontrolle nicht darüber hinaus zu gewähr­ leisten und im Übrigen den Interessen des Unternehmers Vorrang beizumessen, ist zu respektieren.202 Der Vorschlag, über Art.  6 Abs.  1 Rom II noch weitergehenden Verbraucherschutz zu ermöglichen, würde die Gestaltungsspielräume, die der Uni­ onsgesetzgeber dem Unternehmer mit der Möglichkeit der Rechtswahl im Interna­ tionalen Vertragsrecht eingeräumt hat, aushebeln und die ausdifferenzierten Vor­ aussetzungen der vertraglichen Anknüpfung in Art.  6 Rom I einebnen.203 Art.  6 Abs.  1 Rom II ist daher nicht als verbraucherschutzrechtlicher Auffangtatbestand zu verstehen, der es ermöglicht, AGB im Interesse des Verbraucherschutzes noch anhand einer weiteren Rechtsordnung zu überprüfen, wenn der besondere interna­ tionalvertragsrechtliche Verbraucherschutz dies nicht hergibt. Es bleibt folglich dabei, dass auch die Interessen der Verbraucher eher für als gegen eine gesonderte Vorfragenanknüpfung nach dem Vertragsstatut sprechen. (g) Ergebnis Im Ergebnis sprechen die Interessen aller Beteiligten dafür, die vertragsrechtlichen Verhaltensregeln im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche gesondert anzu­ knüpfen. bb)  Selbständige oder unselbständige Anknüpfung? Die Frage, ob im Anwendungsbereich der Rom-Verordnungen Vorfragen unselb­ ständig nach dem Kollisionsrecht der lex causae oder selbständig nach dem Kollisi­ onsrecht der lex fori anzuknüpfen sind 204, ist weiterhin ein ungelöstes Problem des europäischen Kollisionsrechts.205 Im Allgemeinen bietet sich eine unselbständige Anknüpfung an, weil so der mit den Rom-Verordnungen erstrebte Vereinheitli­ chungseffekt am besten verwirklicht wird.206 Im Bereich des Lauterkeitsrechts 201 

A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376) noch zum EGBGB. Wohl auch Halfmeyer, S.  284. 203  Ähnlich zu weitergehendem internationalvertragsrechtlichem Verbraucherschutz BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (38). 204  Zur Terminologie vgl. Hk-BGB/Dörner, Vor Art.  3 –6 EGBGB Rn.  22. 205  Hk-BGB/Dörner, Vor Art.  3 –6 EGBGB Rn.  25. 206  Hk-BGB/Dörner, Vor Art.  3 –6 EGBGB Rn.  25. 202 

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kommt hinzu, dass die Herstellung der Chancengleichheit am Marktort eines der Hauptziele der lauterkeitsrechtlichen Hauptfragenanknüpfung ist oder zumindest sein kann. Dieses Ziel kann in der wirtschaftlichen Realität besser gewahrt werden, wenn die lauterkeitsfremden Regeln kollisionsrechtlich so berufen werden, wie es auch am Marktort geschieht. Gleichwohl spricht das Ziel, dem handelnden Wettbe­ werber Rechtssicherheit dadurch zu bieten, dass er sich nicht für individualvertrag­ liche Streitigkeiten und Verbandsklagen auf unterschiedliche Verhaltensregeln ein­ stellen muss, letztlich eher für eine selbständige Vorfragenanknüpfung.207 cc)  Individualrechtliche Anknüpfungspunkte im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche Entscheidet man sich dafür, den Prüfungsmaßstab der AGB-Kontrolle als vertrags­ rechtliche Vorfrage gesondert anzuknüpfen, so stellt sich die Frage, wie die auf ei­ nen individuellen Vertrag ausgerichteten Anknüpfungspunkte des Internationalen Vertragsrechts gleichwohl auf einen kollektivschützenden Unterlassungsanspruch übertragen werden können. Zu der richtigen Anwendung vertragsrechtlicher An­ knüpfungspunkte zur Bestimmung des Vorfragenstatuts innerhalb einer AGB-Ver­ bandsklage und damit eines lauterkeitsrechtlichen Anspruchs wird eine Vielzahl von Ansichten vertreten. Grob lassen sich diese in zwei unterschiedliche Strömun­ gen einordnen. (1) Meinungsstand (a)  „Abstrakte Anknüpfung“ Die einen Vertreter der Vorfragenanknüpfung gehen in ihren Überlegungen vom abstrakten Prüfungsmaßstab der AGB-Verbandsklage aus. In diese Richtung ten­ diert auch der BGH. Er hat sich zwar nicht ausdrücklich zu der Frage geäußert, wie die Anknüpfungspunkte des Internationalen Vertragsrechts im Rahmen der Vorfra­ genanknüpfung innerhalb der Verbandsklage angewendet werden können. In der Sache hat der BGH allerdings bei der Prüfung des Anknüpfungspunktes der enge­ ren Verbindungen i. S. v. Art.  28 Abs.  5 a. F. EGBGB nur solche Umstände berück­ sichtigt, die bei jedem Vertragsschluss identisch sind: So wurde die deutsche Top-Level-Domain der Internetseite, auf der sich die AGB eines Luftfahrtunterneh­ mens befanden, berücksichtigt, hingegen der Ankunfts- und Abflugort für nicht berücksichtigungsfähig gehalten, weil diese bei jedem Vertrag verschieden sein könnten.208 Ähnlich ermittelt eine Literaturauffassung209 die gewöhnlichen Fall­ 207  Für eine selbständige Anknüpfung wegen des internen Entscheidungseinklangs im Bereich des Lauterkeitsrechts etwa auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I Rn.  331; für den Bereich der AGB-Verbandsklage noch vor den Rom-Verordnungen Kohler, S.  184. 208  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (37 f.). 209  Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, §  4a UKlaG Rn.  11.

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konstellationen der beabsichtigten Verwendung der AGB, um sodann auf sie die Anknüpfungspunkte der Verordnung Rom I anzuwenden. Nach anderer Auffas­ sung 210 sollen Anknüpfungspunkte, die die Einzelfallumstände berücksichtigen, im Verbandsklageverfahren von vornherein außer Betracht bleiben: Das betrifft etwa den Anknüpfungspunkt der offensichtlich engeren Verbindung i. S. v. Art.  4 Abs.  3 Rom I oder die Frage, ob der Kunde im Einzelfall unter Berufung auf das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts nach Art.  10 Abs.  2 Rom I geltend machen kann, dass er einer Rechtswahl nicht zugestimmt habe.211 Andere meinen demge­ genüber gar, es müssten bei Anknüpfungspunkten wie der offensichtlich engeren Verbindung alle vorstellbaren Fallkonstellationen durchgeprüft werden, in denen bestimmte AGB verwendet werden.212 Soweit die Vertragsbeziehungen einer Rechtswahl unterliegen, ist unter dieser Meinungsgruppe streitig, ob eine solche auch im Verbandsklageverfahren zu be­ rücksichtigen ist. Es wird in Erwägung gezogen, Rechtswahlklauseln größtenteils unbeachtet zu lassen.213 Als Lösung wird vorgeschlagen, dass allein international zwingende Normen überprüft werden könnten, weil im Übrigen der Verwender die Freiheit habe, durch Rechtswahl eine Rechtsordnung zu bestimmen, nach der die jeweiligen AGB wirksam wären.214 Der BGH geht demgegenüber wohl davon aus, dass auch nicht international zwingende ausländische Vertragsnormen Prüfungs­ maßstab sein könnten.215 (b)  „Konkrete Anknüpfung“ Eine andere Strömung stellt eher darauf ab, dass der Unterlassungsanspruch bei ei­ ner AGB-Verbandsklage an konkrete Verträge anknüpft. Nach dieser Auffassung216 sind die bereits geschlossenen oder angebahnten Verträge maßgeblich: Es soll dar­ auf abgestellt werden, nach welchem Recht die Verträge zu beurteilen sind oder wären, welche die Verbraucher abgeschlossen haben oder hätten, die der Klausel des Verwenders tatsächlich ausgesetzt waren. Diese allein in die Vergangenheit ge­ richtete Betrachtungsweise soll auch für Fälle der Erstbegehungsgefahr gelten.217 210 

Lüderitz, IPRax 1990, 216 (217) zur rein vertragsrechtlichen Qualifikation. Stadler, VuR 2010, 83 (89) zu Art.  4 Abs.  3 Rom I; Lüderitz, IPRax 1990, 216 (217) zu Art.  31 Abs.  2 EGBGB a. F.; für sog. kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren wird de lege ferenda ähnlich eine Maßgeblichkeit des gewöhnlichen Aufenthalts des Sachschuldners in Anlehnung an Art.  4 Abs.  1 Rom I in Erwägung gezogen, dafür Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (143 ff.). 212  A. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375 (3376) noch zum EGBGB. 213  Stadler, VuR 2010, 83 (89 f.); zum deutschen IPR skeptisch bei wettbewerbsrechtlichen Kla­ gen auch Bernhard, GRUR Int. 1992, 366 (368); de lege ferenda im Zusammenhang mit sog. kol­ lektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren die Maßgeblichkeit von Rechtswahlklauseln ablehnend Tang, J. Priv. Int. L. 2011, 101 (143 ff.). 214  Stadler, VuR 2010, 83 (90). 215  BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (34 f.; 40 f.); das Vorliegen einer Rechtswahl prüfend OLG Frankfurt v. 28.02.2013 – 16 U 86/12, BeckRS 2013, 04769 Rn.  23. 216  Kohler, S.  185; Maidl, S.  265 f. zu §  13 AGBG. 217  Kohler, S.  185. 211 

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Im Falle eines Empfehlens von AGB soll hingegen für die Zukunft anhand der ob­ jektiv in Aussicht genommenen Vertragsschlüsse das Vertragsstatut bestimmt wer­ den 218, wohingegen andere hier als Ausnahmefall von einer Vorfragenanknüpfung absehen wollen.219 Rechtswahlklauseln werden ebenfalls für beachtlich gehalten.220 (2) Stellungnahme Die besondere Schwierigkeit der Anwendung der Anknüpfungspunkte der Verord­ nung Rom I besteht darin, dass die AGB-Kontrolle nicht vollständig anhand eines konkreten Vertrags vorgenommen wird, sondern sich einerseits an einen konkreten Vertrag anlehnt, in ihren Maßstäben aber andererseits abstrakt bleiben will.221 Die hieraus resultierenden kollisionsrechtlichen Fragen lassen sich am ehesten beant­ worten, wenn die genaue Einbettung in das Sachrecht der Hauptfrage beachtet wird. Denn dieses legt fest, unter welchen Voraussetzungen der Unterlassungsanspruch gewährt wird und damit auch, ob bestimmte konkrete Verträge mit Einzelpersonen Unterlassungsansprüche etwa nach UWG und UKlaG auslösen können. Im Falle, dass ein Anspruch auf Wiederholungsgefahr i. S. v. §  8 Abs.  1 S.  1, 1. HS UWG bzw. §  1 UKlaG222 gestützt wird, ist zu differenzieren: Zunächst setzt nach deutschem Recht eine Wiederholungsgefahr einen Rechtsverstoß in der Vergangen­ heit voraus.223 Daher ist zu überprüfen, ob die konkrete Klauselverwendung in der Vergangenheit einen Verstoß gegen AGB-Normen darstellte. Hier ist der konkrete Vertrag, wie er abgeschlossen wurde oder werden sollte, anzuknüpfen.224 Liegt hier­ nach kein Verstoß vor, so besteht keine Wiederholungsgefahr und damit unter die­ sem Gesichtspunkt auch kein Unterlassungsanspruch. Ist demgegenüber ein Rechts­ verstoß in der Vergangenheit zu bejahen, so wird die Wiederholungsgefahr vermu­ tet.225 Bei dem Umfang der Wiederholungsgefahr ist sodann zu berücksichtigen, dass diese nach deutschem Sachrecht auch „im Kern gleichartige“226 Verstöße um­ fasst227. Bei der Ausfüllung dieses sachrechtlichen Begriffs wird man in der hier interessierenden Fallgruppe die gleichartige oder unterschiedliche international­ vertragsrechtliche Vorfragenbehandlung bestimmter Konstellationen bedenken müssen. Daher erstreckt sich die Wiederholungsgefahr nicht auf die Verwendung gegenüber Verbrauchern mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Staat, 218 

Kohler, S.  185. Maidl, S.  265 f. zu §  13 AGBG. 220 Hierfür Kohler, S.  182. 221 Vgl. Maidl, S.  265 entsprechend zu §  13 AGBG, auch zum Folgenden. 222  Dort ist diese Voraussetzung hineinzulesen, siehe Palandt/Bassenge, §  1 UKlaG Rn.  8. 223  Zu §  8 Abs.  1 S.  1 UWG Fezer/Büscher, §  8 UWG Rn.  56; Teplitzky, Kapitel 6 Rn.  5. 224  So auch Kohler, S.  185 wegen des über das Merkmal der Wiederholungsgefahr hergestellten materiellrechtlichen Bezugs zu diesem Sachverhaltselement. 225  Zu §  8 Abs.  1 S.  1 UWG Fezer/Büscher, §  8 UWG Rn.  59. 226  Zu §  8 Abs.  1 S.  1 UWG Teplitzky, Kapitel 6 Rn.  1, 3. 227  Zu §  8 Abs.  1 S.  1 UWG Teplitzky, Kapitel 6 Rn.  1. 219 

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wenn – wie häufig – insoweit ein anderes Vorfragenstatut maßgeblich ist.228 Letzt­ lich trifft diese Entscheidung aber das jeweils berufene Sachrecht der Hauptfrage. Im Übrigen ist stets zu beachten, dass die Wiederholungsgefahr nach deutschem Sachrecht voraussetzt, dass das beanstandete Verhalten immer noch unzulässig ist229: Daher kann die Wiederholungsgefahr statutenwechselähnlich im Hinblick auf zukünftige Verträge entfallen, wenn der Unternehmer seinen gewöhnlichen Aufent­ halt in einen anderen Staat verlegt und damit nach den maßgeblichen Anknüpfungs­ punkten des Internationalen Vertragsrechts (etwa gemäß Art.  4 Abs.  1 Rom I, Art.  5 Abs.  2 UAbs.  1 S.  2 Rom I) für zukünftige Verträge eine andere Rechtsordnung An­ wendung findet. Bei Fällen der Erstbegehungsgefahr i. S. v. §  8 Abs.  1 S.  2 UWG oder §  1 UKlaG230 oder des Empfehlens von AGB i. S. v. §  1 UKlaG geht es dem materiellen Recht um die Wahrscheinlichkeit der Verwendung in zukünftigen Verträgen 231: Nur auf diese wahrscheinliche, in der Zukunft liegende Verwendung kann für die Vorfragenan­ knüpfung abgestellt werden.232 Anzuerkennen ist, dass die Bestimmung des an­ wendbaren Vertragsrechts Schwierigkeiten bereiten kann, soweit diese Ansprüche sehr weit im Vorfeld des Vertragsschlusses angesiedelt sind. Zum einen setzt aber bereits der sachrechtliche Begriff der Erstbegehungsgefahr stets voraus, dass ein bestimmtes zukünftiges Verhalten schon derart umrissen ist, dass dessen rechtliche Überprüfung bereits jetzt erfolgen kann.233 Daher wird es im Falle völlig ungewis­ ser Umstände der Verwendung der beanstandeten AGB an der erforderlichen Erst­ begehungsgefahr fehlen. Zum anderen können auch bei einer Anknüpfung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II Probleme im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit zukünftiger Entwicklungen entstehen, die dort ebenfalls gelöst werden müssen.234 Die Behand­ lung nach Art.  6 Abs.  1 Rom II brächte auch hier keine Vorteile. Man wird die Maßgeblichkeit einer Rechtswahl auch im Verbandsklageverfahren anerkennen müssen, weil sonst die Ziele des Gleichlaufs zum individuellen Ver­ tragsrecht und der Vermeidung eines doppelten Prüfungsstandards nicht erreicht werden.235 Die in der Literatur vorgeschlagene Überprüfung allein anhand interna­ tional zwingender Normen 236 erscheint zweifelhaft: Zwar ergibt sich aus Art.  23 Rom I i. V. m. Art.  6 Abs.  2 KlauselRL, dass deren Normen nicht im Wege einer 228  Vgl. die entsprechenden prozessualen Überlegungen zum Umfang des Streitgegenstands bei Kohler, S.  100 ff. 229  Zu §  8 Abs.  1 UWG Teplitzky, Kapitel 6 Rn.  4. 230  Hierzu Palandt/Bassenge, §  1 UKlaG Rn.  8. 231  Palandt/Bassenge, §  1 UKlaG Rn.  8. 232  Für den Fall des Empfehlens ebenso Kohler, S.  185. 233  Zuletzt in persönlichkeitsrechtlichem Kontext BGH v. 19.03.2013 – VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681 (1683): „Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hin­ sicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre […]“. 234  Kritisch zu diesem Problem des Art.  6 Abs.  1 Rom II Wadlow, EIPR 2008, 309 (317). 235  So auch der Ausgangspunkt von Stadler, VuR 2010, 83 (90). 236  Stadler, VuR 2010, 83 (90).

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

Rechtswahl ausgeschaltet werden können.237 Im Übrigen könnte aber etwa im un­ ternehmerischen Geschäftsverkehr überhaupt keine AGB-Kontrolle im Ver­ bandsklageverfahren mehr stattfinden, weil hier Art.  6 Abs.  2 KlauselRL nicht ein­ schlägig ist und kaum einmal eine AGB-Norm eingriffsrechtlichen Charakter i. S. v. Art.  9 Abs.1 Rom I haben wird 238. Selbst wenn man aber tatsächlich eingriffsrecht­ lichen Charakter von AGB-Normen annehmen wollte, wäre zu bedenken, dass nach Art.  9 Abs.  2 Rom I nur Raum für die Anwendung der Eingriffsnormen der lex fori ist, sodass die AGB-Kontrolle gleichwohl extrem eingeschränkt wäre. dd) Ergebnis AGB-rechtliche Verhaltensnormen im Rahmen einer Verbandsklage unterfallen nicht dem Lauterkeitsstatut, sondern sind als Vorfragen nach dem Internationalen Vertragsrechts gesondert selbständig anzuknüpfen. Die vorstehende Interessenbe­ wertung dürfte für die Behandlung vertragsrechtlicher Verhaltensnormen im Rah­ men lauterkeitsrechtlicher Ansprüche verallgemeinerungsfähig sein. b)  Im öffentlichen Interesse liegende Verhaltensnormen Es bleibt der Fall zu betrachten, dass die maßgeblichen lauterkeitsfremden Verhal­ tensnormen im öffentlichen Interesse bestehen. aa)  Vorliegen einer gesondert anzuknüpfenden öffentlich-rechtlichen Vorfrage? In der Literatur wird überwiegend davon ausgegangen, dass öffentlich-rechtliche Verhaltensnormen im Rahmen lauterkeitsrechtlicher Ansprüche als Vorfragen ge­ sondert anzuknüpfen seien.239 Die Kategorie der öffentlich-rechtlichen Vorfrage mag im deutschen IPR anhand der nationalen Abgrenzung von öffentlichem und Privatrecht handhabbar gewesen sein und keiner näheren Untersuchung bedurft haben. Im Rahmen des europäischen IPR ist zu berücksichtigen, dass die Kategorie der öffentlich-rechtlichen Vorfrage noch weitgehend ungeklärt ist. Die Abgrenzung zwischen öffentlichem und Privat­ recht kann in diesem Zusammenhang jedenfalls nur nach europäisch-autonomen Maßstäben erfolgen. 237  Daher kommt es entgegen dem Ansatz von Stadler, VuR 2010, 83 (90) in diesem Zusam­ menhang nicht darauf an, ob es sich um Eingriffsnormen i. S. v. Art.  9 Abs.  1 Rom I handelt; anders etwa die Konstellation in BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (34 f.), wo sich die Frage stellt, ob sich das deutsche AGB-Recht als Eingriffsrecht gegenüber der an sich einschlägigen objektiven Anknüpfung durchsetzen kann. 238  Vgl. die grundsätzlich ablehnende Haltung zur eingriffsrechtlichen Behandlung des AGBRechts BGH v. 09.07.2009 – Xa 19/08, BGHZ 182, 24 (34 f.), allerdings in casu für die Verwendung gegenüber Verbrauchern. 239  Staudinger/Fezer/Koos, IntWirtschR Rn.  761 ff.; wohl auch Fezer/Hausmann/Obergfell, Einleitung I, zum deutschen IPR MünchKommUWG/Mankowski, IntWettbR Rn.  316.

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Eine nach nationalem Kollisionsrecht gesondert anzuknüpfende öffentlich-recht­ liche Vorfrage kann nur noch angenommen werden, wenn die Rechtsfrage nicht bereits von der Verordnung Rom II erfasst sind. Der Anwendungsbereich der Ver­ ordnung Rom II ist aber nur insoweit nicht eröffnet, als die maßgeblichen Rechts­ fragen nicht mehr unter den Begriff der Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Rom II gefasst werden können 240: Das wiederum ist aber erst dann der Fall, wenn eine auf Hoheitsrechte gestützte Verhaltensweise im Streit steht.241 Letzteres trifft allenfalls auf einen geringen Teil der Fälle zu, in denen öffent­ lich-rechtliche Vorfragen diskutiert werden. In der Regel knüpfen lauterkeitsrecht­ liche Streitigkeiten wegen Rechtsbruchs schlicht an die Verletzung bestimmter Verhaltensnormen an, die im öffentlichen Interesse liegen, etwa baurechtlicher Re­ geln oder, nach Auffassung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Regeln des Arzneimittelpreisrechts, ohne dass die Rechte und Pflich­ ten einer Behörde im Streit stünden.242 Dafür, dass derartige Verhaltensnormen per se vom Anwendungsbereich der Verordnung Rom II ausgeschlossen wären, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Verordnung Rom II muss vielmehr Sonderregeln im öf­ fentlichen Interesse erfassen können. Wären Normen im öffentlichen Interesse nämlich von vornherein vollständig vom Anwendungsbereich der Verordnung Rom II ausgenommen, wäre etwa Art.  16 Rom II ohne eigenständige Bedeutung. Dass Art.  1 Abs.  1 S.  2 Rom II nur acta iure imperii vom Anwendungsbereich aus­ nimmt und die Verordnung damit etwa selbst die häufig Sonderregeln unterliegen­ de Staatshaftung grundsätzlich erfasst243, belegt zudem eine Tendenz der Verord­ nung, die von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Rechtsfragen restriktiv zu handhaben.244 Daher ist eine nach nationalem Internationalem öffentlichen Recht zu beurteilen­ de öffentlich-rechtliche Vorfrage allenfalls selten in Betracht zu ziehen, wenn es um das Bestehen einer bestimmten hoheitlichen Rechtsbeziehung geht. Im Regelfall der Verhaltensnormen im öffentlichen Interesse kommt eine solche Vorfragenanknüp­ fung dagegen nicht in Betracht. Da der Anwendungsbereich der Verordnung Rom II eröffnet ist, muss der richtige Umgang mit diesen Normen innerhalb der Verord­ nung Rom II gefunden werden. bb)  Sonderanknüpfung als Eingriffsnorm? Innerhalb der Verordnung Rom II kommt den Eingriffsnormen i. S. v. Art.  16 Rom II eine Sonderbehandlung zu. Man könnte daran denken, Verhaltensnormen im öf­ fentlichen Interesse als Eingriffsnormen über Art.  16 Rom II gesondert anzuknüp­ 240 

Diese Kategorie auch für Vorfragen heranziehend Huber/Bach, Art.  1 Rn.  14. Etwa EuGH v. 01.10.2002 – C-167/00, Slg. 2002, I-8126 (I-8138) – Henkel. 242  Hierzu bereits Teil 5 E. I. 243 Vgl. Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77 (I-80); Thorn, in: Kieninger/Remien, S.  139 (148 f.); anders wohl Heiss/Loacker, JBl 2007, 613 (619); Schacherreiter, in: Beig u. a., S.  1 (2). 244  Zu diesen Erwägungen bereits Teil 5 D. I. 2. c) dd). 241 

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fen. Wohl in diesem Sinne hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes im Rahmen einer auf den Tatbestand des Rechtsbruchs gestützten Wettbe­ werbsklage zum Arzneimittelpreisrecht angenommen, die Verhaltensregeln des Arzneimittelpreisrechts seien als Eingriffsnormen zu behandeln.245 Dabei ist der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes allerdings insoweit ledig­ lich einer Entscheidung des Bundessozialgerichts gefolgt, die keinen zivil- und han­ delsrechtlichen Bezug und keinen Bezug zur Verordnung Rom II aufwies.246 Die Richtigkeit der eingriffsrechtlichen Qualifikation gerade im Rahmen lauterkeits­ rechtlicher Ansprüche unter Geltung der Verordnung Rom II ist damit nicht näher untersucht worden. Nach hier vertretener Auffassung kommt speziell dem Arzneimittelpreisrecht zwar schon aufgrund der Struktur seiner Verhaltensnormen lauterkeitsrechtlicher Charakter zu.247 An der prinzipiellen Frage, ob an sich lauterkeitsfremde, im öffent­ lichen Interesse bestehende Verhaltensnormen im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche gesondert über Art.  16 Rom II anzuknüpfen sind, ändert das aber nichts. Die Anwendung von Art.  16 Rom II auf diese Fallgruppe erscheint bedenklich. Nach dem Wortlaut des Art.  16 Rom II können nämlich nur Eingriffsnormen der lex fori angewandt werden.248 Das beeinträchtigt den internationalen Entscheidungs­ einklang: Wenn die Verletzung derartiger Regeln im öffentlichen Interesse vor aus­ ländischen Gerichten geltend gemacht wird, müsste die Klage abgewiesen werden. Ließe man dies zu, so könnten hiernach die Ansprüche wegen Rechtsbruchs ausge­ höhlt werden. So wäre das mit der lauterkeitsrechtlichen Anknüpfung der Hauptfra­ ge gemäß Art.  6 Abs.  1 Rom II verfolgte Ziel der Erreichung von Wettbewerbs­ gleichheit konterkariert. Im Allgemeinen mag im Zusammenhang mit Art.  16 Rom II eine Beeinträchti­ gung des Internationalen Entscheidungseinklangs zwar hinzunehmen sein. Es ist aber zu beachten, dass sich die Anwendung von Verhaltensnormen im Rahmen ei­ nes auf Rechtsbruch gestützten lauterkeitsrechtlichen Anspruchs sowohl hinsicht­ lich ihrer Wirkungsweise als auch hinsichtlich der Interessenlage erheblich von der typischen Anwendung von Eingriffsrecht über Art.  16 Rom II unterscheidet. Es geht nämlich nicht darum, dass die Verhaltensregel in ein privatrechtliches Rechts­ verhältnis eingreift, weil sie im öffentlichen Interesse gegenüber den nach allgemei­ nem Kollisionsrecht bestimmten privatrechtlichen Regeln Vorrang beansprucht249. Vielmehr will die nach Art.  6 Abs.  1 Rom II bestimmte lauterkeitsrechtliche lex causae gerade von sich aus im Interesse der Wettbewerbsgleichheit ermöglichen, 245  GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (418) unter Verweis auf die nächstgenannte Entscheidung. 246  BSG v. 28.07.2008 – B 1 KR 4/08 R, BSGE 101, 161 (166). 247  Siehe Teil 5 E. I. 248  Zum Verhältnis von Eingriffsnormen und Lauterkeitsstatut bereits ausführlich Teil 5 D. III. 249  So erklärt die Wirkungsweise von Eingriffsnormen MünchKomm/Martiny, Art.  9 Rom I-VO Rn.  8.

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die Verletzung bestimmter im öffentlichen Interesse bestehender Verhaltensregeln geltend zu machen. Im Mittelpunkt steht damit nicht die Durchsetzung der öffentli­ chen Interessen, denen die betreffende Verhaltensnorm dient, sondern vielmehr die Wahrung wettbewerblicher und damit gerade auch privater Interessen. Angesichts der betroffenen privaten Interessen erscheint die Anwendung von Art.  16 Rom II unpassend, da diese Norm allein auf die Durchsetzung öffentlicher Interessen des Forumstaates zugeschnitten ist. Die lauterkeitsfremden Verhaltensregeln bilden hier vielmehr vor allem einen Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Rechtmä­ ßigkeit. Ein solcher wird aber als „Grund […] der Haftung“ i. S. v. Art.  15 lit.  a Rom II grundsätzlich dem Deliktsstatut entnommen, wobei Regeln des Handlungs­ ortes lediglich „soweit angemessen“ gemäß Art.  17 Rom II berücksichtigt werden können.250 Dafür, dass dies für Verhaltensregeln im öffentlichen Interesse nicht gel­ ten könnte, ist nichts ersichtlich.251 Eine von Art.  6 Abs.  1 Rom II abweichende Sonderanknüpfung könnte allerdings notwendig erscheinen, wenn speziell über Art.  6 Abs.  1 Rom II öffentlich-rechtliche Regeln zur Anwendung gebracht werden könnten, die außerhalb des Wettbewerbs­ prozesses für den handelnden Wettbewerber nicht gelten. Diese Gefahr ist aber we­ nig naheliegend: Außerhalb der wettbewerbsrechtlichen Anknüpfung werden Ver­ haltensregeln im öffentlichen Interesse regelmäßig nach dem im Internationalen öffentlichen Recht herrschenden Territorialitätsgrundsatz zu behandeln sein.252 Soll ein Wettbewerbsverhalten verboten werden, das auf einen bestimmten Markt einge­ wirkt hat, liegt es nahe, dass auch territorial das Recht dieses Marktes und jeden­ falls nicht dasjenige eines anderen Staates zur Anwendung gelangt: Insoweit geht daher auch die Rechtsprechung von einer parallelen Behandlung aus.253 Etwaige einseitige, also materielle Grenzen des Anwendungsbereichs der berufenen Normen sind nicht nur im Rahmen einer eingriffsrechtlichen Anknüpfung254, sondern ohne­ hin ebenso im Rahmen des nach Art.  6 Abs.  1 Rom II ermittelten Lauterkeitsstatuts beachtlich 255, sodass auch insoweit keine Ausweitung des Anwendungsbereichs be­ stimmter Verhaltensregeln zu befürchten ist. Daher führt die Anknüpfung über Art.  6 Abs.  1 Rom II in dieser Konstellation letztlich zu sachgerechten Ergebnissen.

250 

23.

MünchKommBGB/Junker, Art.  15 Rom II-VO Rn.  8; Art.  17 VO (EG) Rom II-VO Rn.  1, 2,

251  Massing, S.  349; für Art.  17 Rom II erkennt etwa MünchKommBGB/Junker, Art.  17 Rom IIVO Rn.  10 ausdrücklich an, dass die maßgeblichen Verhaltensregeln auch öffentlich-rechtlichen Charakter haben können. 252  Vgl. GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (418). 253  Vgl. die letztlich parallele Behandlung bei GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (417 ff.). 254  Für Beachtlichkeit hier GmS-OGB v. 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 (418). 255  Dazu bereits Teil 5 E. I. 2. b).

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Teil 7:  Lauterkeitsrechtliche Schutzrichtung von Sanktionsnormen

cc) Ergebnis Verhaltensnormen im öffentlichen Interesse sind also nicht als öffentlich-rechtliche Vorfragen oder als Eingriffsnormen gesondert anzuknüpfen, sondern unterfallen dem Lauterkeitsstatut, soweit sie im Rahmen eines lauterkeitsrechtlichen Anspruchs heranzuziehen sind. III. Ergebnis Bei der Anknüpfung nicht spezifisch lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen in­ nerhalb lauterkeitsrechtlich zu qualifizierender Ansprüche ist zu unterscheiden: Handelt es sich um vertragsrechtliche Verhaltensnormen wie im Rahmen der AGB-rechtlichen Prüfung, so muss die Verhaltensnorm als vertragsrechtliche Vor­ frage gesondert angeknüpft werden. Handelt es sich dagegen um eine Verhaltens­ norm im öffentlichen Interesse, so kommt eine vom Lauterkeitsstatut getrennte An­ knüpfung weder als öffentlich-rechtliche Vorfrage noch als Eingriffsnorm i. S. v. Art.  16 Rom II in Betracht.

Teil 8

Zusammenfassung der Ergebnisse Der Anknüpfungsgegenstand der außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unlau­ terem Wettbewerbsverhalten i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II ist ausgehend von folgen­ den Prämissen untersucht worden: Der Anknüpfungsgegenstand ist autonom zu bestimmen. Die Norm regelt gemäß Erwägungsgrund 21 S.  1 Rom II einen Spezial­ fall des Ortes des Schadenseintritts i. S. v. Art.  4 Abs.  1 Rom II und schließt zu­ gleich alle übrigen Anknüpfungspunkte des allgemeinen Internationalen Delikts­ rechts aus. Die beiden in Art.  6 Abs.  1 Rom II genannten Interessenbeeinträchtigun­ gen sind an dem Ort zu lokalisieren, an dem die Marktgegenseite mit einem bestimmten Wettbewerbsverhalten unmittelbar in Berührung kommt. Das ent­ spricht in der herkömmlichen Terminologie dem Ort der Einwirkung. Nicht maß­ geblich ist dagegen, wo sonstige Auswirkungen entstanden sind oder ob die Einwir­ kung spürbar ist. Da Art.  6 Abs.  2 Rom II schlicht auf das allgemeine Deliktsstatut verweist, handelt es sich hierbei nicht um eine gesonderte spezifisch lauterkeits­ rechtliche Kollisionsnorm, die als dritte Spur neben das Lauterkeitsstatut nach Art.  6 Abs.  1 Rom II und das allgemeine Deliktsstatut nach Art.  4, 14 Rom II treten könnte. Der Anknüpfungsgegenstand kann als Spiegelbild dieses Anknüpfungspunktes aufgefasst werden. Dabei beleuchten die klassische Formulierung als Einwirkungs­ ort sowie die neuere Formulierung als Ort der Beeinträchtigung der Wettbewerbs­ beziehungen oder der kollektiven Verbraucherinteressen i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II jeweils unterschiedliche Aspekte, die für die Bestimmung des Anknüpfungsgegen­ standes fruchtbar gemacht werden können. Für die Konkretisierung des Begriffs des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II ist der Anknüpfungspunkt in seiner Beschreibung als Einwirkungs­ ort hilfreich. Denn der Begriff der Einwirkung kann zum Ausdruck bringen, vor welchem Wettbewerbsverhalten das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II Schutz bieten soll. Dieser Begriff des Wettbewerbsverhaltens i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II ist wiederum in Anlehnung an den sachrechtlichen Be­ griff der Geschäftspraktiken i. S. der UGP-RL auszulegen. Dieser bedarf lediglich gewisser Modifikationen, da für Art.  6 Abs.  1 Rom II irrelevant sein muss, ob es sich bei der Marktgegenseite um Nachfrager oder Anbieter, um Verbraucher oder Gewerbetreibende handelt. Wesentlich ist in der Sache, dass das Verhalten unmittel­ bar gegenüber der Marktgegenseite vorgenommen wird. Dem Marktgeschehen vor­ gelagerte Interessenbeeinträchtigungen, insbesondere die unmittelbare Beeinträch­

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Teil 8:  Zusammenfassung der Ergebnisse

tigung der Rechtsgüter eines Mitbewerbers oder die Verletzung von Verhaltensre­ geln im Vorfeld des Marktgeschehens, werden von Art.  6 Abs.  1 Rom II dagegen nicht erfasst. Soll eine Regel dagegen Schutz vor einem Wettbewerbsverhalten auf dem Markt dadurch bieten, dass sie präventiv bereits eine Vorbereitungshandlung verbietet, die für sich genommen noch keine Interessen verletzt, so vermag der An­ knüpfungsgegenstand des Art.  6 Abs.  1 Rom II derartige Regeln zu erfassen. In seiner Formulierung als Ort der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehun­ gen oder der kollektiven Interessen der Verbraucher in Art.  6 Abs.  1 Rom II verdeut­ licht der Anknüpfungspunkt, welche Interessen das Lauterkeitsrecht vor diesem Wettbewerbsverhalten schützen soll. Diese inhaltliche Schutzrichtung lässt sich im Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 Rom II mit dem Begriff der Unlauterkeit verknüpfen. Der Terminus der Unlauterkeit i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom II darf gleichwohl nicht mit dem sachrechtlichen Begriff der Unlauterkeit verwechselt werden, da erst das nach Art.  6 Abs.  1 Rom II ermittelte Sachrecht über die materiellrechtliche Lauterkeit bzw. Un­ lauterkeit entscheiden soll. Die Bestimmung dieser Interessenbeeinträchtigung und damit des maßgeblichen Anknüpfungsgegenstandes kann auch nicht anhand des konkreten Sachverhalts und losgelöst vom Sachrecht erfolgen. Vielmehr ist der Schutzzweck der Sachnormen in den Blick zu nehmen. Dabei kommt es entgegen verbreiteter Auffassung nicht darauf an, ob die Sachnorm Wettbewerber, Verbrau­ cher und das Interesse der Marktwirtschaft kumulativ schützen soll (sog. Schutzzwecktrias). Vielmehr ist es in Anlehnung an den Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 Rom II schlicht ausreichend, dass die entsprechenden Sachnormen alternativ entwe­ der die in Art.  6 Abs.  1 Rom II benannten Wettbewerbsbeziehungen oder die kollek­ tiven Verbraucherinteressen schützen sollen. Diese Schutzzwecke können wieder­ um originär entweder den Verhaltens- oder aber den Sanktionsnormen innewohnen. Verhaltensnormen im kollektiven Verbraucherinteresse sind von Normen im in­ dividuellen Interesse der Verbraucher abzugrenzen. Verhaltensnormen im kollekti­ ven Verbraucherinteresse zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Verhalten verbie­ ten, das einen aus Sicht des Gesetzgebers nicht mehr hinnehmbaren Schaden für das gesamte Verbraucherkollektiv mit sich bringt. Das muss nicht mit der Bewertung übereinstimmen, ob das Verhalten auch gegenüber dem einzelnen Verbraucher un­ zumutbar ist. Hierbei können zum einen wirtschaftliche Interessen der Verbraucher geschützt werden. Insoweit kann man sich am Anwendungsbereich der UGP-RL orientieren, um festzustellen, was Art.  6 Abs.  1 Rom II zu erfassen vermag. Über die von der UGP-RL geschützten wirtschaftlichen Interessen hinaus vermag Art.  6 Abs.  1 Rom II aber auch weitere kollektive Interessen der Verbraucher wie den Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Belästigungen zu erfassen. Verhaltensnormen, die die Wettbewerbsbeziehungen schützen, sind solche, die dem Schutz der Wettbewerber dienen. Dabei ist der Anwendungsbereich des Art.  6 Abs.  1 Rom II nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Schutz durch besondere vom Deliktsrecht abweichende Regeln und abweichende Schutzgüter gewährt wird. Maß­ geblich ist vielmehr, ob die Regeln ein bestimmtes Verhalten unmittelbar gegenüber

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der Marktgegenseite verbieten, um den Wettbewerbern Schutz vor einer bestimmten Reaktion der Marktgegenseite zu bieten. Charakteristisch sind etwa Fälle der Ge­ schäftsehrverletzung im Sinne einer Herabsetzung bzw. Anschwärzung oder der lauterkeitsrechtliche Leistungsschutz. Im Hinblick auf Fälle der Herabsetzung und Anschwärzung ist zu beachten, dass die Ausnahme vom Anwendungsbereich für Persönlichkeitsverletzungen i. S. v. Art.  1 lit.  g Rom II regelmäßig nicht eingreift. Im Bereich des Leistungsschutzes ist die Abgrenzung zum Immaterialgüterrecht da­ nach vorzunehmen, ob der Schutz nach der Konzeption über Verhaltensregeln oder aber über absolute Rechte mit Ausschlussfunktion gewährt wird. Dagegen lässt sich mangels handhabbarer Kriterien die Abgrenzung nicht danach vornehmen, für wel­ che Leistung Schutz gewährt wird. Das gilt auch für geografische Herkunftsangaben und Geschäftsgeheimnisse, die ebenfalls Art.  8 Rom II unterfallen können. Lauterkeitsrechtliche Verhaltensregeln schützen oft auch das öffentliche Interesse am Funktionieren der Marktwirtschaft. Insofern stellen sich Abgrenzungsfragen zum Kartellrecht. Maßgeblich für die Abgrenzung ist hierbei, ob die Norm die Exis­ tenz von Wettbewerb als solchen schützen, aufrechterhalten oder ggf. bestehende Schwächen kompensieren will. Sonderregeln, die nach der Vorstellung des Gesetz­ gebers allein für marktmächtige oder marktstarke Unternehmen gelten sollen, un­ terfallen daher Art.  6 Abs.  1 Rom II. Das Gleiche gilt für Boykottverbote, soweit sie eine Koordinierung von Verhalten ausschließen sollen. Dagegen sind rein einseitige Verhaltensweisen, die Konkurrenten verdrängen können, im Einklang mit der nati­ onalen Einordnung lauterkeitsrechtlich zu verstehen. Demgegenüber ist das „exoti­ sche“ unionsrechtliche Beihilferecht schon nicht darauf ausgelegt, eine geschäftli­ che Entscheidung des Beihilfeempfängers als Marktgegenseite zu verhindern, und hat daher keinen lauterkeitsrechtlichen Charakter. Der mit dem Lauterkeitsrecht verbundene Schutz der Marktwirtschaft wirft auch Fragen der Abgrenzung zum Eingriffsrecht i. S. v. Art.  16 Rom II auf. Insoweit ist Art.  6 Abs.  1 Rom II als lex specialis gegenüber Art.  16 Rom II anzusehen, da Art.  6 Abs.  1 Rom II das Interes­ se am reibungslosen Funktionieren der Marktwirtschaft bereits abschließend und interessengerechter als Art.  16 Rom II berücksichtigt. Solange die fragliche Sach­ norm letztlich Reaktionen der Marktgegenseite regeln will, ist es für die lauterkeits­ rechtliche Qualifikation sogar unschädlich, wenn die Sachnorm, etwa im Bereich des Arzneimittelpreisrechts, andere öffentliche Interessen, etwa im Bereich der Ge­ sundheitspolitik, verfolgt. Nur bestimmte Arten der Sanktionierung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnor­ men fallen unter Art.  6 Abs.  1 Rom II. Dies ist bedingt durch den Anwendungsbe­ reich der Verordnung Rom II, der sich nur auf außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen beschränkt. Die Kollisionsnorm erfasst Unterlassungsund Schadensersatzansprüche von Mitbewerbern. Letzteres gilt auch, wenn An­ sprüche auf Herausgabe eines Gewinns oder auf eine Lizenzanalogie geltend ge­ macht werden, und zwar unabhängig davon, ob diese Ansprüche im nationalen Recht als Schadensersatz- oder als Bereicherungsansprüche verstanden werden.

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Teil 8:  Zusammenfassung der Ergebnisse

Auch bei Ansprüchen einzelner Verbraucher kann Art.  6 Abs.  1 Rom II zum Zuge kommen – allerdings nur, soweit die Sanktion nicht im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse angesiedelt ist. Eine vertragsrechtliche Sanktion liegt vor, wenn in der Sache die Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit eines bestimmten Leis­ tungsversprechens angeordnet wird. Machen Verbände Unterlassungsansprüche geltend, ist Art.  6 Abs.  1 Rom II einschlägig. Dagegen fehlt es bei Gewinnabschöp­ fungsansprüchen, bei denen die Geldleistung letztlich an den Staat zu erbringen ist, an einer Zivil- und Handelssache i. S. v. Art.  1 Abs.  1 Rom II. Parallel zu den An­ sprüchen von Verbänden ist die Rechtsdurchsetzung von Behörden zu beurteilen, soweit sie im Klagewege und damit vergleichbar einer Verbandsklage erfolgt. Geht die Behörde dagegen mit Verwaltungsakten und damit unter Inanspruchnahme be­ sonderer Hoheitsrechte gegen ein Wettbewerbsverhalten vor, so fehlt es wiederum an einer Zivil- und Handelssache. Wird ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ver­ traglich vereinbart, so ist für die Frage der daraus eventuell resultierenden Nichtig­ keit des Vertrags mangels außervertraglichen Schuldverhältnisses nicht die Verord­ nung Rom II einschlägig; vielmehr greifen die lauterkeitsrechtlichen Verbotsregeln als Eingriffsnormen im Rahmen des Internationalen Vertragsrechts nach Art.  9 Rom I ein. Liegt der lauterkeitsrechtliche Schutzzweck allein der Sanktionsnorm – bei nicht spezifisch lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnorm – zu Grunde, so sind entsprechen­ de Ansprüche gleichfalls lauterkeitsrechtlich zu qualifizieren. Die Verhaltensnorm muss dann gesondert angeknüpft werden, wenn für sie eine besondere Kollisions­ norm zur Verfügung steht, wie dies im Falle vertragsrechtlicher Regeln der Fall ist. Dagegen sind Verhaltensnormen im öffentlichen Interesse nicht anders zu behan­ deln als jede andere Form von Verhaltensnormen innerhalb der Verordnung Rom II und daher nicht gesondert anzuknüpfen. Insoweit bleibt die lauterkeitsrechtliche Qualifikation maßgeblich. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Anwendungsbereich des Art.  6 Abs.  1 Rom II unter folgenden vier Bedingungen einschlägig ist: Erstens muss die zu berufende Regelung Schutz vor einem bestimmten marktunmittelbaren Wettbewerbsverhalten bieten. Zweitens muss die Sachnorm dies im Interesse der kollektiven Verbrauche­ rinteressen oder der Wettbewerbsbeziehungen tun. Drittens dürfen keine anderen Kollisionsnormen wie Art.  8 Rom II oder Art.  6 Abs.  3 Rom II diese Regeln erfas­ sen. Viertens muss das Zusammenspiel von Verhaltens- und Sanktionsnorm beson­ ders beachtet werden: Im Falle einer spezifisch lauterkeitsrechtlichen Verhaltens­ norm muss die entsprechende Sanktionierung im Anwendungsbereich der Verord­ nung Rom II liegen, damit die Verordnung Rom II überhaupt eingreift. Im Falle einer spezifisch lauterkeitsrechtlichen Sanktionsnorm ist demgegenüber zu beach­ ten, dass eine lauterkeitsfremde Verhaltensnorm (nur) dann als Vorfrage gesondert angeknüpft werden muss, wenn es für sie eine gesonderte europäische oder weiter­ hin anwendbare nationale Kollisionsnorm gibt.

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Stichwortregister Abmahnung 231 ff. Absatzmarkt 24 f., 44 f., 62 Abwerbung von Angestellten 100 ff. AGB-Verbandsklage 273 ff. aleatorische Anreize 146 Anschwärzung 107 f., 123 f., 128, 131, 135, 157, 161 ff., 171 ff. Arbeitsschutzbedingungen 11 f. Arzneimittelpreisrecht 214 ff., 309 ff. Ausbeutung 158, 182, 188 Ausrichten 52, 56 Auswirkungsprinzip 59 ff., 192, 197, 199 ff. autonome Auslegung 13 f. Behinderung 159 f., 164 Behörden 260 ff. Beihilfe 202 ff. Belästigungsfälle 52, 152 ff. Bereicherungsrecht, siehe ungerechtfertigte Bereicherung Bilaterale Wettbewerbsverhältnisse 68 ff., 160 ff., 253 Boykott 11, 159, 198, 315 Chancengleichheit 23, 32 ff., 46, 71, 76 ff., 84, 270 ff., 299 f., 304 culpa in contrahendo 244 ff., 251 ff. Diskriminierung von Abnehmern 195 f. dreifache Schadensberechnung 226 ff. eingerichteter und ausgeübter Gewerbe­ betrieb 107 ff., 172 Eingriffsnorm 205 ff., 214, 241, 249, 257, 266 f., 309 ff. einseitige Kollisionsnormen 218 ff. Einstandspreis, Verkauf unter 160, 195 ff. Entscheidungsfreiheit 33, 44, 145 ff. Erfolgsort 23, 38 f., 72 ff.

Gesetzgebungsverfahren 9 ff. geographische Herkunftsangaben 181, 187 ff. gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt 28, 37 f., 76 ff., 100, 115, 163, 272, 286 ff. Geschäftsgeheimnisse 102 ff., 161 f., 187 ff. Gewinnabschöpfung 258 ff. Gewinnzusage 236 ff. Heilmittelwerberecht 149 ff. Herkunftslandprinzip 51, 67 f. höchstpersönliche Rechtsgüter 172 ff. Immaterialgüterrecht 107 ff., 178 ff. Industriespionage 102 ff. Kartelldeliktsrecht 192 ff. kollektive Interessen der Verbraucher 32, 44 ff., 121 ff., 142 ff., 273 ff. kollektive Rechtsdurchsetzungsver­fahren 274 ff. Kopplungsverbote 146 Kreditgefährdung 168, 171 Marke 92, 181 ff., 186 Marktortprinzip 22 ff. Marktstörung 199 ff. Marktwirtschaft, Schutz der 31 ff., 90 f., 156, 192 ff., 236, 249, 256 Medienvielfalt 146, 201 Mosaikbetrachtung 25 ff., 48 ff. multistate-Verstöße 25 ff., 48 ff. Nachfrager 83 f. Namensrecht 168, 170 ff. lex fori-Prinzip 66 f. Persönlichkeitsrecht 172 ff.

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Stichwortregister

Presserecht 147 Privatsphäre 153, 172 ff. Prozesskosten 233 PVÜ 18, 118 ff., 171, 184, 187 f. Rabattgewährung 147 ff. Rechtsbruch 202, 214, 268 ff. Rechtswahl 28, 35 ff., 78 ff. redaktioneller Teil von Medien 176 ff. Sanktionsnormen 138 f., 222 ff., 268 ff. Schadenseintritt, Ort des Schadenseintritts, siehe Erfolgsort Schadensersatzansprüche 223 ff., 250 ff. Schutzlandprinzip 107 ff., 178 ff. Schutzrechtsverwarnungen 107 ff., 157 Schutzzwecktrias 6 ff., 9, 13, 59, 127 ff., 138 f., 200 sittenwidrige Schädigung 168 Sondergesetz, UWG als Sondergesetz 9, 160 Sonderveranstaltungen 25, 147 ff. Spürbarkeit 26 f., 52 ff., 60, 63, 122, 126 Telekommunikation, Sonderregeln 146 Territorialitätsprinzip 214 ff., 311, siehe auch Schutzlandprinzip ungerechtfertigte Bereicherung 108, 180, 222, 226 ff., 259

Unlauterkeit 118 ff. Unterlassungsansprüche 223 f., 250 ff. Unterwerfungserklärung 232 f. Verbandsklage 257 ff., 274 ff. Verleitung zum Vertragsbruch 104 ff. Vertragsrecht 56, 88, 116 f., 142 ff., 206, 233 ff., 266 f., 271, 280 ff., 296 ff. Vertriebsbindungssysteme 105 f. Verwaltungsakte 263 ff. Verwechslung(sgefahr) 119, 158 ff., 164, 178 ff., 182 Verweigerung von Vertragsschlüssen 195 Vorbereitungshandlungen 109 ff., 180, 185 f. Vorfragen 107 149, 233, 264 f., 291 ff. Werbemarkt 24 f., 44 f., 48, 62, 148 f. Werbeverbote, berufsbezogene 220 wesentlich engere Verbindung 24 Wettbewerbsbeziehungen 47 ff., 91 ff., 122 ff., 136 ff., 156 ff., 270 ff. Wettbewerbsbezug 89 ff. Wettbewerbszweck 93 f. Wiederholungsgefahr 233, 297, 306 f. WIPO Model Provisions 19, 85, 88 ff., 151, 157, 176 f., 182, 190, 231, 251 Zivil- und Handelssache 202, 215 ff., 257 ff., 263 ff., 308 ff. Zugabenverbote 146