Der Amadisroman: Serielles Erzählen in der Frühen Neuzeit 9783110427844, 9783110428018, 9783110428063

In the 16th century, the multi-volume chivalry romance Amadis conquered the still nascent book market and became a regul

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German Pages 318 Year 2015

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Table of contents :
Danksagung
0 Einleitung
Teil A Vorbereitung
1 Entstehung und Verbreitung – Die Erfolgsgeschichte des Amadisromans
2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit
2.1 Fortsetzung
2.2 Anknüpfung
2.3 Reihung/Vermehrung
2.4 Zwischenfazit
3 Der Buchdruck/-markt als Voraussetzung für den Serienroman
4 Sigmund Feyerabend als Herausgeber des deutschen Amadisromans
5 Konzeptbegriffe der Serienforschung
5.1 Die Serie
5.2 Die Erzähltechnik des entrelacement
5.3 Der Cliffhanger
5.4 Isers ,Leerstelle‘
Teil B Analyse
6 Makroebene: Serie
6.1 Kurzcharakteristik der Bände I bis VI
6.2 Figureninventar
6.3 Vervielfältigung der Hauptfiguren
6.4 Genealogisches Erzählprinzip
6.4.1 Nacheinander/Nebeneinander
6.4.2 Vererbte Feindschaft
6.4.3 Stammbaum der Amadis-Sippe
6.5 Serielles Erzählprinzip
6.5.1 Cliffhanger und ,Wie‘-Spannung
6.5.2 Erzählen mit dem Cliffhanger
6.5.3 Wiederaufnahme der Cliffhanger-Handlung
6.5.4 Serienabschlüsse
6.5.5 Exkurs: Supplementbände – Erweiterungen ,in der Mitte‘
6.5.5.1 Supplementband 4
6.5.5.2 Supplementband 5
6.5.5.3 Zwischenfazit
6.5.6 Der Cliffhanger in der spanischen und französischen Vorlage
6.5.6.1 Die ,Erfindung‘ des Cliffhangers
6.5.6.2 Kapitelverschiebungen
7 Mittlere Ebene: Einzelband
7.1 Buch I
7.2 Buch VI
7.3 Buch XIII
7.4 Buch XVI
7.5 Buch XXII
7.6 Zwischenfazit
8 Mikroebene: Erzählmuster
8.1 Heimliches Treffen der Liebenden
8.2 Unbegründete Eifersucht
8.3 Verlust des Helden in früher Kindheit
8.4 Liebesprobe
8.5 Furchteinflößende Ankunft
8.6 Zwischenfazit
9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller
9.1 Ein Leser: François de La Noue
9.2 „Dises Lugenwerck vñerdichte Traeum“
Bibliographie
1 Primärliteratur
2 Sekundärliteratur
Personen- und Titelregister
Figurenregister
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Der Amadisroman: Serielles Erzählen in der Frühen Neuzeit
 9783110427844, 9783110428018, 9783110428063

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Henrike Schaffert Der Amadisroman

Frühe Neuzeit

Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext

Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller, Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt

Band 196

Henrike Schaffert

Der Amadisroman

Serielles Erzählen in der Frühen Neuzeit

Zugl. Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2013. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.

ISBN 978-3-11-042784-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042801-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042806-3 ISSN 0934-5531 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Meinen Eltern

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 2013 als Dissertation an der LudwigMaximilians-Universität München eingereicht und ist für den Druck leicht überarbeitet und erweitert worden. Mein Dank gilt zuerst meinen Betreuern, Prof. Dr. Jan-Dirk Müller und Prof. Dr. Hans-Joachim Ziegeler, die das Projekt von der allerersten Idee bis zur endgültigen Fassung begleitet haben. Für die Schlussphase meiner Arbeit war außerdem die Aufnahme in das Internationale Doktorandenkolleg ‚Textualität in der Vormoderne‘ von großer Bedeutung. Viel Unterstützung hat mein Projekt von zahlreichen Bibliotheken erfahren, insbesondere durch die Digitalisierung der vielbändigen Amadis-Romanserie. Hier möchte ich stellvertretend Frau Dr. Carola Wippermann von der Universitätsund Landesbibliothek Sachsen-Anhalt herausheben; in der ULB liegt die Serie fast vollständig vor, die binnen kürzester Zeit digital zugänglich gemacht wurde. Zu großem Dank verpflichtet bin ich darüber hinaus den Herausgebern für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe und der Geschwister Boehringer Ingelheim-Stiftung für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Schließlich möchte ich meinen Kollegen, meiner Familie, meinem Freund dafür danken, dass sie mich in dieser Zeit unterstützt haben. Sie haben entscheidenden Anteil daran, dass diese Geschichte ein Ende gefunden hat. Köln, 25. Juli 2015

Henrike Schaffert

Inhaltsverzeichnis Danksagung 0

VII

Einleitung

1

Teil A Vorbereitung 1

Entstehung und Verbreitung – Die Erfolgsgeschichte des Amadisromans 9

2 2.1 2.2 2.3 2.4

Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit Fortsetzung 24 Anknüpfung 28 Reihung/Vermehrung 34 Zwischenfazit 38

3

Der Buchdruck/-markt als Voraussetzung für den Serienroman

4

Sigmund Feyerabend als Herausgeber des deutschen Amadisromans 46

5 5.1 5.2 5.3 5.4

Konzeptbegriffe der Serienforschung 59 Die Serie 60 Die Erzähltechnik des entrelacement 65 Der Cliffhanger 67 Isers ,Leerstelle‘ 72

Teil B Analyse 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3

Makroebene: Serie 77 Kurzcharakteristik der Bände I bis VI 77 Figureninventar 83 Vervielfältigung der Hauptfiguren 96 Genealogisches Erzählprinzip 99 Nacheinander/Nebeneinander 105 Vererbte Feindschaft 107 Stammbaum der Amadis-Sippe 110

23

39

X

6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5 6.5.5.1 6.5.5.2 6.5.5.3 6.5.6 6.5.6.1 6.5.6.2

Inhaltsverzeichnis

Serielles Erzählprinzip 112 Cliffhanger und ,Wie‘-Spannung 112 Erzählen mit dem Cliffhanger 115 Wiederaufnahme der Cliffhanger-Handlung 126 Serienabschlüsse 129 Exkurs: Supplementbände – Erweiterungen ,in der Mitte‘ Supplementband 4 133 Supplementband 5 135 Zwischenfazit 138 Der Cliffhanger in der spanischen und französischen Vorlage 139 Die ,Erfindung‘ des Cliffhangers 140 Kapitelverschiebungen 144

7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

Mittlere Ebene: Einzelband Buch I 153 Buch VI 163 Buch XIII 178 Buch XVI 189 Buch XXII 203 Zwischenfazit 213

8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6

Mikroebene: Erzählmuster 215 Heimliches Treffen der Liebenden 220 Unbegründete Eifersucht 228 Verlust des Helden in früher Kindheit 234 Liebesprobe 240 Furchteinflößende Ankunft 253 Zwischenfazit 258

9 9.1 9.2

Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller Ein Leser: François de La Noue 261 „Dises Lugenwerck v erdichte Trum“

Bibliographie 281 1 Primärliteratur 281 2 Sekundärliteratur 290 Personen- und Titelregister Figurenregister 304

301

148

260 266

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0 Einleitung Pero, con todo, alababa en su autor, aquel acabar su libro con la promesa de aquella inacabable aventura, y muchas veces le vino deseo de tomar la pluma, y dalle fin al pie de la letra como allí se promete.1 [Aber bei alldem lobte er an dessen Verfasser, daß er sein Buch mit dem Versprechen jenes unbeendbaren Abenteuers beendet; und oftmals kam ihm der Wunsch, die Feder zu ergreifen und dem Buch einen Schluß zu geben, buchstäblich so, wie es dort versprochen wird.]2 – Don Quijote –

24 Bände und gewiss gleich mehrere Regalbretter füllen die unendlichen Geschichten des Ritters Amadis und seiner Nachkommen. Die vorliegende Arbeit will sie zu entstauben versuchen und den frühneuzeitlichen Amadisroman als Serienroman analysieren, der in dieser Form wohl erst im Buchdruckzeitalter entstehen kann. Meine Hypothese ist, dass der Amadis strukturelle und inhaltliche Ähnlichkeiten zu aktuellen Serienproduktionen wie den Soap-Operas aufweist, und zwar deswegen, weil sich unmittelbar nach der Erfindung des Buchdrucks Erzählweisen der Massenkommunikation herauszubilden beginnen, die nach wie vor Gültigkeit besitzen. Zu diesen sind insbesondere auch Formen seriellen Erzählens zu zählen, die auf eine dauerhafte Rezipientenbindung abzielen. In Bezug auf Inhalte (Liebes- und Abenteuergeschichten), Darstellungsweisen (Schwarz-Weiß-Zeichnung, Typisierung und Klischeehaftigkeit, Wechsel von Spannung und Entspannung, Happy-End usw.) und Funktionen (geistige Entlastung und emotionale Anregung) wird man den Amadisroman als Vorläufer der Trivialliteratur begreifen dürfen, die sich nach allgemeiner Auffassung seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelt hat.3 Im 16. Jahrhundert kann es ein solches Phänomen noch gar nicht geben, denn Literatur ist für breite Schichten der Bevölkerung weder erschwinglich noch zugänglich – ganz zu Schweigen

1 Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote de la Mancha. Hg. von Francisco Rico. Barcelona 2001, S. 38. Konkret angesprochen ist hier allerdings der Autor des Don Belianís, ein ebenfalls mehrbändiges libro de caballerías im Gefolge des spanischen Amadís. 2 Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote. Aus dem Spanischen übertragen von Ludwig Braunfels. Düsseldorf 2004, S. 22. 3 Vgl. Peter Nusser: [Art.] Trivialliteratur. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 3 (2003), S. 691–695. Zur fragwürdigen Unterscheidung von Trivialliteratur und Unterhaltungsliteratur vgl. denselb.: Trivialliteratur. Stuttgart 1991 (Sammlung Metzler 262), S. 9.

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0 Einleitung

von einer allgemeinen Lesefähigkeit.4 So wird der Amadis zum Zeitpunkt seiner Entstehung von den herrschenden Geschmacksträgern gelesen, auch wenn er in der Folgezeit einem Absinkprozess unterliegt.5 Ein deutlicher Hinweis auf den exklusiven Status des Amadisromans ist sein auffälliger, gezierter Sprachstil. Schon in seinem Entstehungsland Spanien galt seine Sprache als vorbildhaft, die in Frankreich aktualisiert und rhetorisch verfeinert und in Deutschland aemulativ zu überbieten versucht wurde.6 Zudem kamen französische und deutsche Blütenlesen auf den Markt, die in ein adliges Sprechen einüben sollten.7 Als anspruchsloses Produkt ist der Amadisroman also ganz sicher nicht anzusprechen. Aller Vorbehalte und Einschränkungen um Trotz zeigt sich der Amadis in seiner Erzählweise als derart zukunftsweisend, dass es lohnend sein könnte, ihn mit einem Instrumentarium zu behandeln, das auf den ersten Blick vielleicht nicht angemessen erscheint. Mein Vorhaben liegt eigentlich auf der Hand: Natürlich ist auf die serielle Struktur des Amadisromans immer wieder hingewiesen worden.8 Doch wurde – soweit ich sehe – von einer systematischen Analyse bislang weitgehend abgesehen.9 Nicht zuletzt dürfte der Umfang des Untersuchungsmaterials abgeschreckt haben.

4 Vgl. Jan-Dirk Müller: Volksbuch/Prosaroman im 15./16. Jahrhundert – Perspektiven der Forschung. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur/Sonderheft 1 (1985), S. 1–128, hier S. 41–44. 5 Vgl. Müller: Volksbuch/Prosaroman (Anm. 4), S. 49 f. 6 Diesem Aspekt konnte hier nicht nachgegangen werden, doch hatte ich im Rahmen des ehemaligen Münchner SFB 573 Gelegenheit, einige Überlegungen zum ,Amadis-Stil‘ anzustellen; vgl. Henrike Schaffert: „Nicht weniger / sondern ja gleich so wol / wo nicht hher“. Der Amadis als stilistisch-ästhetisches Modell. In: Aemulatio. Kulturen des Wettstreits in Text und Bild (1450– 1620). Hg. von Jan-Dirk Müller u. a. Berlin, Boston 2011 (Pluralisierung & Autorität 27), S. 417–448. Vgl. zur französischen Übersetzung Mireille Huchon: Amadis, „Parfaicte Idée de nostre Langue Françoise“. In: Les Amadis en France au XVIe siècle. Cahiers V. L. Saulniers 17 (2000), S. 183– 200. 7 Vgl. Véronique Benhaïm: Les Thresors D’Amadis. In: Les Amadis en France au XVIe siècle. Cahiers V. L. Saulniers 17 (2000), S. 157–181, hier S. 157. 8 Vgl. z. B. Gerhart Hoffmeister: Spanien und Deutschland. Geschichte und Dokumentation der literarischen Beziehungen. Berlin 1976 (Grundlagen der Romanistik 9), S. 54; Xenja von Ertzdorff: Romane und Novellen des 15. und 16. Jahrhunderts in Deutschland. Darmstadt 1989, S. 101. 9 Vgl. vor allem den lesenswerten Aufsatz von Virginia Krause: Serializing the French Amadis in the 1540s. In: Charting change in France around 1540. Hg. von Marian Rothstein. Selinsgrove 2006, S. 40–62. Zuletzt beschäftigten sich mit der seriellen Erzählweise des Amadisromans: Christine de Buzon: Amadis de Gaule en français: Continuation romanesque, collection, compilation. In: French Studies: A Quarterly Review 65, 3 (2011), S. 337–346 sowie William Hastings  





0 Einleitung

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Aber auch zu anderen Fragestellungen hat der Amadis kaum gereizt. „Das Forschungsinteresse, das der Amadis im 20. Jahrhundert gefunden hat, steht in umgekehrtem Verhältnis zu seiner Verbreitung und seinem Erfolg im 16. und 17. Jahrhundert […]“, stellt Rosmarie Zeller fest.10 Trotz oder gerade wegen seiner ungeheuren Popularität in der Frühen Neuzeit erschien der Amadisroman einer wissenschaftlichen Analyse offenbar lange Zeit nicht würdig.11 Schon früh war der Amadis in die Kritik geraten und musste noch als Negativexempel herhalten, als er schon lange nicht mehr gelesen wurde.12 Diese Einschätzung hat sich anscheinend bis in unsere Zeit fortgesetzt. Die Forschungslage spiegelt sich auch in der Verfügbarkeit aktueller Ausgaben: Adelbert von Keller gab 1857 das erste Buch der deutschen Serie heraus; diese Ausgabe wurde 1963 von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft reproduziert. Darüber hinaus sind die ersten sechs Bände 1988 als Faksimile im LangVerlag erschienen. Die neue Ausgabe von Band VI, der von Johann Fischart übersetzt worden ist, konnte für diese Arbeit noch nicht verwendet werden.13 Die schlechte Zugänglichkeit wird wiederum ihren Teil zu der spärlichen wissenschaftlichen Würdigung des Amadisromans beigetragen haben. In der Serienforschung scheint dieses sehr frühe Beispiel für serielles Erzählen etwa kaum zur Kenntnis genommen worden zu sein. Doch auch die Literaturwissenschaft nimmt Ergebnisse der Serienforschung mittlerweile auf, sodass – wie ich hoffe – ein zeitgemäßer Zugang zu einem Gegenstand gewählt werden konnte, der ihm überhaupt erst gerecht zu werden verspricht. Den Amadis als wahrscheinlich ersten Serienroman überhaupt zu betrachten, ermöglicht eine Einsicht in seine Eigenheiten, die schon oft als künstlerische Unzulänglichkeiten missverstanden worden sind. Auf diese Weise soll

Hinrichs: The Invention of the Sequel. Expanding Prose Fiction in Early Modern Spain. Woodbridge u. a. 2011, S. 46–59. 10 Rosmarie Zeller: Beers Rittergeschichten, der Amadis und die Volksbücher. Zur Unterhaltungsliteratur des 17. Jahrhunderts. In: Johann Beer – Schriftsteller, Komponist und Hofbeamter (1655–1700). Hg. von Ferdinand van Ingen u. Hans-Gert Roloff. Bern u. a. 2003 (Jahrbuch für internationale Germanistik, Reihe A: Kongressberichte 70), S. 377–399, hier S. 378. 11 Ein Großteil der Untersuchungen zum deutschen Amadis stammt aus einer ersten fruchtbaren Forschungsperiode um 1900. Größere wissenschaftliche Beachtung hat der Amadisroman dagegen in seinem Heimatland Spanien gefunden. 12 Vgl. Hilkert Weddige: Die Historien vom Amadis auss Franckreich. Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption. Wiesbaden 1975 (Beiträge zur Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 2), S. 235 ff. 13 Vgl. Johann Fischart: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe mit Kommentar. Bd. 3: Das Sechste Buch vom Amadis. Hg. von Hans G. Roloff u. a. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012.  







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0 Einleitung

die ausstehende ‚Gesamtinterpretation‘ versucht werden, die sicherlich tastend ist und stark auswählend bleibt. Der eigentlichen Analyse ist eine Vorbereitung vorangestellt: Zunächst werden die wesentlichen Daten zu Entstehung und Verbreitung des Amadisromans skizziert. Hierbei stütze ich mich auf die maßgebliche Untersuchung von Hilkert Weddige, auf den auch zu Fragen der Rezeption des Amadis in Deutschland zu verweisen ist. Danach wird nach möglichen Vorläufern für eine serielle Erzählweise gesucht und die Bedeutung von Buchdruck und Buchmarkt für das Entstehen eines Serienromans bestimmt. Anschließend ist die Rolle des Frankfurter Großverlegers Sigmund Feyerabend für den deutschen Amadisroman herauszustellen. Die Vorbereitung schließt mit der Einführung einiger Konzeptbegriffe der Serienforschung ab, auf die mangels literaturwissenschaftlicher Vorarbeiten zum Phänomen der Serie zurückgegriffen werden muss. Im Analyseteil wird die Erzählweise des Amadis auf drei Ebenen in den Blick genommen: Auf Makroebene werden diejenigen Elemente betrachtet, die den Gesamtzusammenhang der Serie stiften wie gleichbleibendes Figurenpersonal und der sogenannte Cliffhanger. Auf mittlerer Bandebene werden wesentliche Aspekte der seriellen Machweise an ausgewählten Beispielbänden beobachtet, so etwa die Vervielfältigung und Verflechtung von Handlungsfäden. Auf Mikroebene schließlich werden fünf typische Erzählmuster des Amadisromans – ‚Bausteine‘ der Serie – eingehend besprochen. Am Schluss sollen einige Überlegungen zu Beliebtheit und Bestseller-Qualität des Amadisromans angestellt werden, welche als eigentlicher Motor seiner seriellen Erzählweise aufzufassen wären. Im Rahmen dieser narratologischen Untersuchung kann eine umfassende Funktionsanalyse allerdings nicht mehr geleistet werden; ich werde mich auf einen berühmten Leser und seine Verstehensbedingungen konzentrieren: François de La Noue. Ein weiteres Manko dieser Arbeit ist sicherlich ihre Beschränkung auf den deutschen Serienroman. Nur punktuell wird ihm die spanische, italienische und französische Version gegenübergestellt werden können. Neben dem Umstand, dass eine angemessene Vergleichsanalyse meine Kompetenzen übersteigt, ist dieses Vorgehen auch der Bändigung des ohnehin schon ausufernden Materials geschuldet. Mit Letzterem hängt eine weitere Schwierigkeit dieses Projekts eng zusammen: nämlich die, das dichte Geflecht von Figuren mit ähnlich klingenden oder sogar gleichlautenden Namen für den Leser zurechtzustutzen. Abweichende Namensformen wurden weitgehend vereinheitlicht. Mit einem Stammbaum, einem Figurenregister mit knapper genealogischer Zuordnung und mehreren Tabellen soll zur Übersichtlichkeit beigetragen werden, ansonsten gilt der Grundsatz: ‚So viel wie nötig und so wenig wie möglich!‘ Tatsächlich ist es nur selten von Belang,

0 Einleitung

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welchen Amadisritter man gerade vor sich hat, sodass mit komplizierten Einordnungen wenig gewonnen scheint. Weil der Amadisroman über den ersten Band hinaus wenig bekannt ist, werden einige Passagen umfangreich zitiert. Durch diese Auswahl von Textstellen aus vorsichtig geschätzten 25.000 Oktavseiten soll ein gewisser Leseeindruck vermittelt werden. Der Text wurde nur wenig vereinheitlicht (Leerzeichen vor/ nach Virgeln, Klammern, Doppelpunkten), Sonderzeichen ansonsten beibehalten. In wenigen Fällen wurde schlecht lesbarer Text kursiv gesetzt. Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass diese Untersuchung in hohem Maße von der fortschreitenden Digitalisierung profitiert hat. Dass immer mehr Drucke in erstaunlicher Qualität online verfügbar gemacht werden, erleichtert nicht nur das wissenschaftliche Arbeiten immens, sondern erweitert den Blick für randständige und vergessene Texte und fordert zu neuen Fragestellungen heraus. Selbst ein Großteil der unterschiedlichen Ausgaben des Amadisromans und die seltenen Supplementbände sind inzwischen digitalisiert, sodass seiner weiteren Untersuchung nichts mehr im Wege stehen sollte.

Teil A: Vorbereitung

1 Entstehung und Verbreitung – Die Erfolgsgeschichte des Amadisromans Als Garci Rodríguez de Montalvo um 15001 in Kastilien den Grundstock zur Amadís-Serie legt, arbeitet er bereits bestehenden Stoff um. Dieser ‚Ur-Amadis‘ ist nicht erhalten, Hinweise auf ihn reichen aber bis ins 14. Jahrhundert zurück.2 Stoffgeschichtlich lehnt sich der Amadisroman an den Artus-Sagenkreis (insbesondere Lancelot) und an den Tristan an. Außerdem wurden Parallelen zu La Gran Conquista de Ultramar, einer kastilischen Kompilation unterschiedlicher Sagen- und Chronikstoffe, und zum altfranzösischen Roman Amadas et Ydoine bemerkt. Diesen Zusammenhängen geht Grace Sara Williams 1909 in einer umfassenden Studie nach, in der sie geografische Bezeichnungen und Figurennamen untersucht und umfangreiche Vergleiche von Textpassagen durchführt. Williams ergänzt eine weitere Quelle: Dante Alighieris Vita Nova.3 Die Forschung hat sowohl Anklänge an antike Stoffe4 als auch an Heiligenlegenden5 registriert. Die Liebesgeschichte zwischen Amadis und Oriana sieht Xenja von Ertzdorff außerdem beeinflusst durch Pontus und Sidonia sowie Flore und Blancheflur.6 In dieser Gemengelage literarischer Traditionen ist doch der zentrale Einfluss unver-

1 Vgl. Bernhard König: Amadís und seine Bibliographen. Untersuchungen zu frühen Ausgaben des Amadís de Gaula. In: Romanistisches Jahrbuch 14 (1963), S. 294–309, hier S. 301 sowie Grace Sara Williams: The Amadis Question. In: Revue Hispanique 21 (1909, Ndr. 1963), S. 1–167, hier S. 7. 2 Vgl. Hilkert Weddige: Die Historien vom Amadis auss Franckreich. Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption. Wiesbaden 1975 (Beiträge zur Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 2), S. 1 ff. 3 Vgl. Williams (Anm. 1), S. 39, S. 154. 4 Es sind vor allem die Trojaromane mit ihrem Motiv des unwissentlichen Vatermordes genannt worden; vgl. María Rosa Lida de Malkiel: El desenlace del Amadís primitivo. In: Romance Philology 6 (1952/53), S. 283–289, hier S. 286 ff.; weitere Parallelen bei John O’Connor: Amadis de Gaule and its influence on Elizabethan Literature. New Brunswick (New Jersey) 1970, S. 108–110; Edwin Bray Place: Fictional Evolution: The old french Romances and the primitive Amadís reworked by Montalvo. In: Publications of the Modern Language Association of America 71, 3 (1956), S. 521–529, hier S. 528 f; Weddige (Anm. 2), S. 2. 5 Pabst weist die Abhängigkeit insbesondere der ‚Peña Pobre‘-Episode von der Gregoriuslegende nach; vgl. Walter Pabst: Die Selbstbestrafung auf dem Stein. Zur Verwandtschaft von Amadís, Gregorius und Ödipus. In: Der Vergleich. Literatur- und Sprachwissenschaftliche Interpretationen (Festschrift Hellmuth Petriconi). Hg. von Rudolf Grossmann u. a. Hamburg 1955 (Hamburger Romanistische Studien, Reihe A, 42), S. 33–49. 6 Vgl. Xenja von Ertzdorff: Romane und Novellen des 15. und 16. Jahrhunderts in Deutschland. Darmstadt 1989, S. 100.  







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1 Entstehung und Verbreitung – Die Erfolgsgeschichte des Amadisromans

kennbar; Henry Thomas konstatiert: „Without Tristan and Lancelot indeed, Amadis would not have existed.“7 Viele Jahrzehnte lang hat sich die Forschung fast ausschließlich mit der Herkunft des Amadisromans beschäftigt.8 Obwohl die sogenannte ,Amadis-Frage‘ nicht abschließend geklärt werden konnte, ist davon auszugehen, dass der Ur-Amadis in Spanien entstanden ist. Zu diesem Schluss kommt Ludwig Braunfels bereits 1876.9 So stammen auch die ältesten Zeugnisse aus Kastilien. Ein portugiesischer Ursprung ist möglich, aber nicht wahrscheinlich; ein französischer kann ausgeschlossen werden.10 Edwin Bray Place beschreibt die Entstehung des Amadisromans vor Montalvo in (mindestens) zwei Entwicklungsstufen:11 Eine erste Fassung X bestand wohl aus ein bis zwei Büchern. Place vermutet, dass die Handlung bis zur Versöhnung des Liebespaares Amadis und Oriana nach der ‚Peña Pobre‘-Episode reichte.12 Die spätere, erweiterte Fassung Y umfasste drei Bücher und endete wahrscheinlich mit Amadis’ Tod im Duell mit seinem Sohn Esplandian und Orianas Selbstmord.13 Das Nebeneinander einer kastilischen und portugiesischen Version auf dieser zweiten Stufe ist wahrscheinlich, auch wenn es für die Existenz eines portugiesischen Amadisromans bis heute keinen endgültigen Beweis gibt.14 1955 wurden Fragmente einer kastilischen Amadís-Fassung der zweiten Stufe gefun-

7 Henry Thomas: Spanish and Portuguese Romances of Chivalry. The Revival of the Romance of Chivalry in the Spanish Peninsula, and its Extension and Influence abroad. Cambridge 1920, S. 48. 8 Vgl. Williams (Anm. 1), S. 31. 9 Vgl. Ludwig Braunfels: Kritischer Versuch über den Roman Amadis von Gallien. Leipzig 1876, S. III. 10 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 1 ff. 11 Vgl. Place (Anm. 4), S. 521–529. 12 Place verortet diesen Einschnitt im zweiten Buch, Kap. 13 von Montalvos Redaktion; vgl. Place (Anm. 4), S. 523. An dieser Stelle weist die Handlung einen spürbaren Neuansatz auf, den Williams (Anm. 1), S. 127 wie folgt beschreibt: „That Amadis should continue in such favor was impossible were the history to be continued. At this point nothing stands in his way, he might well, having at different times saved the kingdom of Lisuarte, ask for the hand of Oriana. We have had jealousy upon her part to keep him away, we have had him in all danger. Nothing now would serve as obstacle but that he lose favor with the king.“ Übrigens wird Lisuarts Fehlverhalten in Amadis II, Kap. 18 in gleich zwei Prophezeiungen von Urganda angekündigt. Man könnte vielleicht vermuten, dass hier eine Bruchstelle besonders gründlich gekittet worden ist. 13 Vgl. Lida de Malkiel (Anm. 4), S. 283–289. Nähere Überlegungen zur Gestaltung des Ur-Amadis stellt auch Juan Bautista Avalle-Arce an: The primitive version of Amadis de Gaula. In: The Late Middle Ages. Hg. von Peter Cocozzella. Binghamton (New York) 1984 (Acta. The Center for Medieval and Early Renaissance Studies 8), S. 1–22. 14 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 9.  

1 Entstehung und Verbreitung – Die Erfolgsgeschichte des Amadisromans

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den.15 Ein Abgleich der vier Fragmente mit dem Text Montalvos zeigt, dass Montalvo seine Vorlage gekürzt hat, so wie er es in seiner Vorrede zum ersten Buch angekündigt hatte.16 Ob auch die ursprüngliche Fassung in drei Büchern auf ein serielles Erzählen hin angelegt war, lässt sich nicht entscheiden, erscheint mir aber eher zweifelhaft. Zwar wurde die Handlung wahrscheinlich (von Version X auf Version Y) erweitert, also im weitesten Sinne fortgesetzt, vermutlich endete sie jedoch mit dem Tod der titelgebenden Hauptfigur. Der Tod des Helden am Ende der Erzählung lässt sich wohl als Indiz auf eine mehr oder weniger in sich geschlossene Handlung deuten. Der spanische Bearbeiter Montalvo tilgte eben dieses Element und eröffnete damit die Möglichkeit von weiteren Abenteuern des Ritters.17 Der Erzähler äußert sich sogar zu diesem wesentlichen Eingriff, der als solcher verschleiert wird. In der deutschen Fassung lautet dieser Exkurs folgendermaßen: Vnd wiewol etliche Scribentē meldung thun / Amadis seye sehr vbel von Esplandian zugericht worden / vnd mit dem Speer durch das rechte Schulter blad gerennet worden / auch folgents mit der Wehr so hßlich angeloffen / daß er tod auff der Wallstatt geblieben. Nach dem auch Oriana solcher dingē in erfarnuß koen / habe sie sich von einem hohen fenster herab gestrtzet / vnd zu tod gefallen. Jst aber alles der warheit nicht gemß / sondern erfunden werck / dieweil sie hernach die Knigreich Franckreich / vnnd groß Britannien regiert / auch einen Sohn Perion genandt vnd eine Tochter / so eben so schn / als jhre Mutter / gezeuget haben / welche auch Arquisil / deß Rmischen Keysers Sohn zu einem Gemahl name. Jch kan auch nit gnugsam erfinden / wo jhnen doch diese Lgenmeuler / ein solchen geschwinden tod her genoen haben / sie wllen dann das vor tod schtzen / dieweil Esplandian seines Vatters thatten sehr verduncklete / durch das liecht vnd schein der seinen / welche auch aller anderen hindan setzeten / als ob sie nie geschehen weren.18

Amadis’ physischer Tod wird also in seinen metaphorischen Tod als bester Held umgedeutet und diese Behauptung durch eine Fülle von ‚Fakten‘ gestützt, die wiederum die Folgebände vorbereiten.19 Obwohl Montalvo Amadis für die Serie rettet, wird er seine Ablösung durch den christlichen Ritter Esplandian im Sinn

15 Sie wurden veröffentlicht von José Manuel Lucía Megías: Apéndice. Edición de los fragmentos conservados del Amadís de Gaula medieval. In: Amadís de Gaula 1508: quinientos años de libros de caballerías. Hg. von José Manuel Lucía Megías. Madrid 2008, S. 80–94. 16 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 4, S. 9. 17 Vgl. Braunfels (Anm. 9), S. 179 f. sowie Place (Anm. 4), S. 526 f. 18 Amadis V, S. 75vf. 19 Perion, Amadis’ zweiter Sohn, ist neben Lisuart, Esplandians Sohn, der Held des sechsten Bandes.  



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1 Entstehung und Verbreitung – Die Erfolgsgeschichte des Amadisromans

gehabt haben.20 Diese Neuausrichtung hinterlässt zwar ihre Spuren im Roman,21 langfristig bleibt aber der Stammvater Amadis bestimmend für die Konzeption der folgenden Generationen von Amadisrittern.22 Wird in Buch V auch der Generationswechsel inszeniert, spielt Amadis in Buch VI schon wieder eine größere Rolle. Amadis wird über 200 Jahre alt23 und tritt selbst in der letzten Fortsetzung noch in Erscheinung. Die Vermutung liegt nahe, dass die Figur für die Konstruktion eines Serien-Gesamtzusammenhangs nicht nur durch den titelgebenden Namen, sondern auch durch regelmäßige Auftritte von Bedeutung ist.24 Es lässt sich zeigen, dass Montalvos Bearbeitung ganz bewusst als serielle Erzählung konzipiert ist:25 Systematisch baut er Amadis’ Sohn Esplandian ab

20 Vgl. Antony van Beysterveldt: La transformación de la misión del caballero andante en el Esplandián y sus repercusiones en la concepción del amor cortés. In: Zeitschrift für Romanische Philologie 97, 3–4 (1981), S. 352–369. 21 Ramos Nogales setzt den Einschnitt mit der Türkenkriegshandlung in der Mitte der Sergas de Esplandián an. Der erste Teil führe die vorangehenden Bände fort und beende die „aventuras inacabables del Amadís de Gaula“. Rafael Ramos Nogales: El Amadís y los nuevos libros de caballerías (1495–1530). In: Insula: Revista de Letras y Ciencias Humanas 584–585 (1995), S. 13– 15, hier S. 14. 22 Aus dem treuen Liebenden Amadis und seinem Bruder Galaor, einem Schürzenjäger par excellence, mischt der spanische Fortsetzer Feliciano de Silva den flatterhaften Amadis aus Griechenland, Held der Bände VII und VIII der deutschen Serie. Diese neue Spielart des Amadisritters, die die folgenden Bände prägt, ist weit von Montalvos Entwurf eines christlichen Helden entfernt. 23 Vgl. Amadis VIII, S. 530rf.: „[…] vnd darmit endet sich Alquifs deß weisen Werck / vnnd die warhafftige Cronick Amadis / wiewol etliche seine vnnd deß Keysers Esplandians gnstige das Buch von Herrn Florisando beschrieben vnnd verfasset / welchs in warheit zu reden / mehr Lgen denn warhafftig seyn scheinet / denn in der gantzen Histori dieses grossen Knigs Amadis nicht funden wirdt / daß Florisando eynige Kinder mit Corisanda gehabt / vnd das noch rger ist / legen sie mit Lgen eine Fabel hinzu / daß etliche ein ander Buch von Lisuarten hernach gemacht / da sie den Knig Amadis todt sagen / welchs klrlichen falsch vnd erdicht ist / denn jhr Alter vber die zweyhundert Jar sich erstreckt / da aber sie jnen todt sagen / hat er noch kaum sechtzig auff sich gehabt / ein ding von der Warheit zu weit gelendet / […].“ Zu den Strategien das hohe Alter der Protagonisten zu rechtfertigen vgl. Sydney Paul Cravens: Amadís de Gaula reivindicado por Feliciano de Silva. In: Nueva Revista de Filología Hispánica 48, 1 (2000), S. 51– 69, hier S. 59 f. 24 Vgl. Julia Horn: Die another day: Amadis de Gaule and the absence of heroic death. In: Reading and Writing the Forbidden. Essays in French Studies. Hg. von Bénédict Facques u. a. Reading 2003, S. 31–42, hier S. 33 f. 25 Krause ist der Ansicht, dass der bewusste Schritt zur Serialisierung erst in Frankreich durch Nicolas d’Herberay des Essars vollzogen worden ist; vgl. Virginia Krause: Serializing the French Amadis in the 1540s. In: Charting change in France around 1540. Hg. von Marian Rothstein. Selinsgrove 2006, S. 40–62. Allerdings räumt Krause ein, dass Montalvos Ankündigung der Sergas de Esplandián innerhalb der ersten vier Bücher bereits „one tentative step toward seriali 







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Buch III zu dessen Nachfolger auf. Mit den Sergas de Esplandián (spätestens 1510 erschienen) lässt Montalvo den vier Büchern um den Ritter Amadis die erste ‚echte‘ Fortsetzung folgen. Die Grundlage für den Amadisroman als Serienroman ist gelegt. Damit endet Montalvos Arbeit am Amadís. Er gestaltet jedoch – wie auch bei Buch IV – einen offenen Schluss, der einen Impuls zur Fortsetzung gibt. Nach Montalvo liefern vier weitere spanische Autoren Fortsetzungen zum Amadisroman, nämlich Páez de Ribera, Feliciano de Silva, Juan Díaz und Pedro de Luján. Diese Fortsetzungen sind teilweise Konkurrenzfassungen;26 Ribera und Díaz bemühen sich, der erfolgreichen, aber moralisch zweifelhaften Romanserie eine andere Wendung zu geben.27 Insgesamt erscheinen in Spanien zwölf Bücher; die ersten vier werden grundsätzlich zusammengebunden, das elfte ist zweiteilig. Der Sammelband der ersten vier Bücher wird ganze 21mal aufgelegt. Erfolgreich sind auch der Esplandián und die ersten beiden Fortsetzungen Silvas (Lisuarte de Grecia, 1514 und Amadís de Grecia, 1530). Eher unbeliebt dürften die betont christlichen, von erotischen und magischen Elementen gereinigten Bände von Ribera (Florisando, 1510) und Díaz (Lisuarte de Grecia, 1526) gewesen sein.28 Diese Fortsetzungen werden bei der Übersetzung ins Italienische (Díaz) und Französische (Díaz und Ribera) konsequenterweise übergangen.29 Weddige schätzt die durchschnittliche Auflagenhöhe der spanischen Serie auf 500 bis 800, die Gesamtverbreitung auf mindestens 50.000 Exemplare.30 In Italien und Frankreich beginnen Verleger fast gleichzeitig, den Amadisroman zu übersetzen. Die italienische Fassung erscheint ab 1546, eine sechsbändige Fortsetzung und sieben Supplementbände treten hinzu.31 Die Anzahl der Amadisbücher wird damit in Italien verdoppelt. Ein einziger Verlag – der Verlag Michele Tramezzinos, hauptverantwortlich für die Serie ist Mambrino Roseo – steuert die Übersetzung und Produktion. Weddige spricht von einem „kommer-

zation“ (S. 50) darstellt. Mag der französische Bearbeiter auch – wie Krause auf S. 46 ausführt – das Phänomen der Serialität erstmals im Metadiskurs reflektieren, bereits die spanische Vorlage weist wesentliche Serien-Ingredienzien (wie bspw. den Cliffhanger) auf. 26 Vgl. Emilio José Sales Dasí: Las continuaciones heterodoxas (el Florisando [1510] de Páez de Ribera y el Lisuarte de Grecia [1526] de Juan Díaz) y ortodoxas (el Lisuarte de Grecia [1514] y el Amadís de Grecia [1530] de Feliciano de Silva) del Amadís de Gaula. In: Edad de oro (Departamento de Filología Española) 21 (2002), S. 117–152. 27 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 11 f. 28 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 98. 29 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 16, S. 22. 30 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 99. 31 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 16 ff.  



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ziellen Großunternehmen“.32 Für Italien rechnet er mit 200.000 bis 250.000 verkauften Exemplaren bei 108 bis 163 Auflagen mit einer Auflagenhöhe von 1200 bis 1500 Stück.33 Die französische Ausgabe des Amadisromans erscheint ab 1540 und wird maßgeblich für die deutsche, niederländische und englische Übersetzung.34 Sigmund Johann Barber, der die spanische, französische und deutsche Version miteinander vergleicht, kommt zu dem Schluss, dass der französische Übersetzer Nicolas d’Herberay des Essars der Vorlage Montalvos zwar grundsätzlich folgt, aber den sprachlichen Stil verfeinert und Details ergänzt. Insbesondere die bei Montalvo oft nur angedeuteten erotischen Szenen werden ausgemalt.35 In Frankreich wird der Amadisroman neu geordnet: Einzelne Bände werden überschlagen, eine durchgehende Nummerierung und ein einheitlicher Titel eingeführt. Weddige stellt fest: „Zwischen 1540 und 1615 wurden in Frankreich die Amadisbücher allmählich zu dem Amadis […].“36 Einerseits wird die Serie also vereinheitlicht, andererseits greifen zahlreiche Verlage ins Geschehen ein und versuchen, sich durch den Vertrieb eigener Übersetzungen eine Scheibe vom Kuchen abzuschneiden. Fast alle französischen Amadisbücher sind Übersetzungen aus dem Spanischen oder Italienischen. Es existiert nur eine einzige, mäßig erfolgreiche Fortsetzung von Nicolas de Montreulx, die nicht ins Deutsche übertragen wird.37 Insgesamt erscheinen 25 Bände und der Thresor, der eine rhetorische Blütenlese aus dem Amadisroman bietet, in 236 bis 252 Auflagen mit insgesamt 250.000 bis 275.000 Exemplaren.38 Die nächste Station des Amadis auf seinem Weg durch Europa ist Deutschland. Hier liegt das Geschäft mit dem Amadisroman wie in Italien in einer Hand: in der des bedeutenden Frankfurter Verlegers Sigmund Feyerabend. Die deutsche

32 Weddige (Anm. 2), S. 18; vgl. auch Anna Bognolo: La prima continuazione italiana dell’Amadís de Gaula: L’Aggiunta al Quarto Libro di Mambrino Roseo da Fabriano (Venezia 1563). In: Letteratura cavalleresca tra Italia e Spagna. Da Orlando al Quijote. Hg. von Javier Gómez-Montero u. Bernhard König. Salamanca 2004 (Publicaciones del SEMYR. Actas 3), S. 429–441. 33 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 100 ff. 34 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 22. 35 Vgl. Sigmund Johann Barber: Amadis de Gaule in Germany: Translation or Adaption? In: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 21, 1 (1992), S. 109–128, hier S. 109; vgl. auch Eberhard Valentin: L’Amadis espangnol et sa traduction française: Évolution stylistique et continuité thématique. In: Linguistica Antverpiensia 10 (1976), S. 149–167 sowie Walter Küchler: Empfindsamkeit und Erzählungskunst im Amadisroman. In: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur 35 (1909), S. 158–225. 36 Weddige (Anm. 2), S. 26; Hervorhebung im Original. 37 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 33. 38 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 102 ff.  



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Fassung kommt ab 1569 auf den Markt. Als 1575 die Produktion vorübergehend stoppt, bringt der Augsburger Georg Willer 1578/1579 Übersetzungen von zwei italienischen Supplementbänden heraus, denen aber anscheinend nur ein mäßiger Erfolg beschieden ist.39 1595 erscheint der 24. und letzte Band der deutschen Serie bei den Feyerabend-Erben; bis 1598 gibt der Verlag Neuauflagen heraus. In der Folgezeit löst sich der Feyerabend-Verlag auf. Erst jetzt werden zwischen 1610 und 1617 Amadisbücher vom Frankfurter Verleger Gottfried Tampach nachgedruckt.40 Die deutschen Amadisbücher erscheinen anonym, 19 Bände weisen zumindest die Initialen des Übersetzers auf. Weddige nimmt an, dass der schlechte Ruf des Amadisromans ein wesentlicher Grund für das Versteckspiel seiner Übersetzer ist.41 Denn dieser eilt ihm voraus: Schon 1544 war eine deutsche Übersetzung von Juan Luis Vives’ De institutione feminae Christianae mit einer scharfen Kritik des Amadis erschienen.42 Ein Teil der Initialen konnte aufgelöst werden. So wies Maximilian Pfeiffer in seiner Dissertation von 1905 nach, dass der sechste Band von Johann Fischart übersetzt worden sein muss.43 Diejenigen Übersetzer, die Weddige außerdem ausmachen kann, sind „in der Literaturgeschichte nahezu unbekannt“.44 Die deutsche Übersetzung folgt ihrer französischen Vorlage recht genau.45 Gelegentlich müssen sich Verleger bzw. Übersetzer für eine der französischen Parallelversionen entscheiden. Die letzten drei Bände XXII bis XXIV sind deutsche Originale,46 die – hier wird der umgekehrte Weg eingeschlagen – 1615 in einer Übersetzung in Frankreich erscheinen.47 Zu erwähnen sind noch die Schatzkammern, eine Auswahl „Schner / zierlicher Orationen / Sendbriefen / Gespr39 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 29, S. 57. 40 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 44, S. 49. 41 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 59 ff. 42 Vgl. Stefanie Schmitt: Inszenierung von Glaubwürdigkeit. Studien zur Beglaubigung im späthöfischen und frühneuzeitlichen Roman. Tübingen 2005 (MTU 129), S. 76, S. 195, S. 260. 43 Am Schluss von Bd. VI findet sich etwa das von Fischart geführte Motto ,Alors comme alors‘; vgl. Maximilian Pfeiffer: Amadisstudien. Mainz 1905, S. 47–75 sowie Weddige (Anm. 2), S. 62–64. 44 Weddige (Anm. 2), S. 65. 45 Vgl. Barber: Amadis de Gaule in Germany (Anm. 35), insb. S. 128. 46 Mulertt hält die Gesamtzahl der Bände für keinen Zufall: „Immer wieder begegnet in Vorreden zu Amadisbüchern der Zeit ausdrücklich die Parallele zwischen Amadis und Homer gezogen [!], und zur Vervollständigung dieser Parallele ist schließlich das Werk bis zu 24 Büchern ergänzt worden.“ Werner Mulertt: Der Amadisroman und seine zweite Heimat. In: Spanien: Zeitschrift für Auslandskunde 1 (1919), S. 194–201, hier S. 197. 47 Vgl. Jacob Minor: Zum französischen und zum deutschen Amadis. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 4 (1912), S. 173; Werner Mulertt: Studien zu den letzten Büchern des Amadisromans. Halle (Saale) 1923 (Romanistische Arbeiten 11).  

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chen / Vortrgen / Vermahnungen / vnnd dergleichen“48 aus dem Amadisroman, die dem Modell des französischen Thresors nachgebildet und ebenfalls überaus erfolgreich sind.49 Die Gesamtzahl deutscher Amadis-Bände schätzt Weddige auf wenigstens 70.000. 63 Auflagen lassen sich ermitteln, die Auflagenhöhe ist mit mindestens 1.000 Stück zu veranschlagen.50 In den Niederlanden und in England wird der Amadisroman (oder zumindest einzelne Bände) irgendwann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts übersetzt. Eine genauere Datierung ist nicht möglich, da zahlreiche Auflagen verloren scheinen. Weddige vermutet 40.000 bzw. 9.000–10.000 verbreitete Exemplare.51 Eine Einzelerscheinung stellt die hebräische Version von Band I (Konstantinopel, zwischen 1534 und 1547) dar; hier setzt Wedigge ca. 300 Exemplare an.52 Insgesamt werden in Europa über eine Zeitspanne von 125 Jahren 625.000 bis 650.000 Amadisbücher verbreitet.53 Eine regelrechte Amadis-Welle rollt also über Europa und regt in der Folgezeit zu Fortsetzungen, Nachahmungen und Bearbeitungen, auch zu Gegenentwürfen an. Im Prinzip stellen bereits Montalvos Sergas de Esplandián eine Umdeutung dar.54 In Spanien folgen die ,libros de caballerías‘ dem Modell des Amadisromans;55 in diesem Zusammenhang ist insbesondere die ebenfalls sehr erfolgreiche Palmerín-Serie (1511–1533) mit portugiesischen (Palmerín de Inglaterra, 1543–1544) und italienischen (Flortir, 1554) Fortsetzungen und französischen und englischen Übersetzungen zu nennen.56 Um nur ein augenfälliges Beispiel für die Imitation des Amadisromans herauszugreifen: Im Amadís heißt die weibliche Hauptfigur Oriana, im Palmerín de Oliva Griana.57 Der Don Quijote (Teil 1 von 1605, Teil 2 von 1615) von Miguel de Cervantes Saavedra ist die

48 Schatzkammer / Schner / zierlicher Orationen / Sendbriefen / Gesprchen / Vortrgen / Vermahnungen / vnnd dergleichen: Auß den vier vnd zwentzig Bchern des Amadis von Franckreich zusamen gezogen: Vnd allen derselben Liebhabern / vnd sonderlich denen so sich Teutscher Sprach Lieblichkeit vnd zierd befleissigen / zu gutem inn Truck gegeben. 1596. Getruckt zu Straßburg / in verlegung Lazari Zetzners. 49 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 35 f., S. 108. 50 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 107 ff. 51 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 105 f. 52 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 106 f. 53 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 110 ff. 54 Vgl. Francisco Moral Cañete: Los libros de caballerías y la literatura cíclica. Las continuaciones de Feliciano de Silva del Amadís de Gaula. In: Analecta malacitana: Revista de la Sección de Filología de la Facultad de Filosofía y Letras 31, 2 (2008), S. 565–579, hier S. 569. 55 Vgl. Daniel Eisenberg: Romances of Chivalry in the Spanish Golden Age. Newark (Delaware) 1982 (Juan de la Cuesta Hispanic Monographs, Documentación cervantina 3), S. 31. 56 Vgl. Claudia Demattè: Palmerín de Olivia (Salamanca, Juan de Porras, 1511). Guía de Lectura. Alcalá de Henares 2004 (Guías de lectura caballeresca 6), S. 9. 57 Vgl. Thomas (Anm. 7), S. 89.  









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wohl bekannteste Attacke auf die Ritterromane im Allgemeinen und den Amadisroman im Besonderen.58 Doch vorbei ist die Ära der Ritterromane damit noch nicht.59 In Italien fasst Bernardo Tasso den Amadis-Stoff in Verse; sein Amadigi di Gaula erscheint 1560. In Frankreich bringt Des Essars, der Übersetzer der ersten acht Bände, den Flores de Grece (1552)60 heraus. Der Protagonist ist ein Sohn von Esplandian, womit das Werk genealogisch an den Amadisroman angeschlossen wird;61 es stellt sozusagen eine ,inoffizielle‘ Fortsetzung der Amadis-Serie dar. Außerdem entstehen in Frankreich die Opern Amadis von Jean Baptiste Lully und Philippe Quinault (1684) und Amadis de Grèce von André Cardinal Destouches und Antoine Houdar de la Motte (1699). Letztere wird in Bearbeitungen auch in London (Amadigi, 1715), Hamburg (Oriana, 1717) und München (Amadis aus Griechenland, 1724) aufgeführt.62 In Deutschland nehmen vor allem Andreas Heinrich Bucholtz’ langatmige Romane Herkules und Valiska (Braunschweig 1659–1660)63 und Herkuliskus und Herkuladisla (Braunschweig 1665)64 auf den Amadis Bezug. Herbert Volkmann bezeichnet Bucholtz’ Romane als „Tendenzschriften gegen den Amadis“:65

58 Krause (Anm. 25), S. 40 weist darauf hin, dass der die Serie begründende Sammelband die Reinigung von Quijotes Bibliothek übersteht, die Fortsetzungen hingegen verbrannt werden; sie folgert: „What seems to be under attack is less Amadis than the Amadis vogue, or more precisely, the Amadis serial.“ 59 Vgl. Gerhard Wild: [Art.] Iberoromanische Ritterromane. In: Kindlers Literatur Lexikon. Bd. 8 (2009), S. 5–9. 60 Le premier Livre de la Chronique du tresvaillant et redouté Dom Flores de Grece surnomme le chevalier des cignes, second filz d’Esplandian, Empereur de Constantinople. Histoire non encore ouye mais belle entre les plus recommandées. Mis en Françoys par le seigneur des Essars. 1552. 61 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 317. 62 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 296–303; Christian Seebald: Libretti vom ,Mittelalter‘. Entdeckung von Historie in der (nord)deutschen und europäischen Oper um 1700. Tübingen 2009 (Frühe Neuzeit 134), S. 33 f., S. 49 ff., S. 58. 63 Andreas Heinrich Bucholtz: Des Christlichen Teutschen Gross-Fürsten Herkules und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valiska Wunder-Geschichte. Hg. von Ulrich Maché. Bern, Frankfurt a. M. 1973–1979 (Nachdrucke deutscher Literatur des siebzehnten Jahrhunderts 6, 1,1–2,2). 64 Andreas Heinrich Bucholtz: Der Christlichen Königlichen Fürsten Herkuliskus Und Herkuladisla Auch Ihrer Hochfürstlichen Gesellschafft anmuhtige Wunder-Geschichte. Hg. von Ulrich Maché. Bern, Frankfurt a. M. 1982 (Nachdrucke deutscher Literatur des siebzehnten Jahrhunderts 12, 1–2). 65 Herbert Volkmann: Der deutsche Romantitel (1470–1770). Eine buch- und literaturgeschichtliche Untersuchung. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 8 (1967), Sp. 1145–1324, hier Sp. 1243; vgl. auch Ulrich Maché: Die Überwindung des Amadisromans durch Andreas Heinrich Bucholtz. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 85 (1966), S. 542–559.  







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Den zeitgenössischen Kritikern muß der Unterschied zwischen dem Amadis und dem Herkules sehr eindrücklich gewesen sein. Sieht man aber von dessen religiösem Pathos einmal ab, in den Handlungselementen ist der Unterschied zwischen ihnen kaum sehr groß.66

Auch Johann Beers Printz Adimantus (1678)67 distanziert sich vom Amadisroman und Machwerken im Stile des Amadis – allerdings auf humorvolle Weise.68 Beers Werk weist damit, so James Hardin, „oberflächliche Aenlichkeiten“ mit dem Don Quijote auf: „Printz Adimantus hat also einen wichtigen Platz in der deutschen Literatur der Zeit als eine meines Wissens einzigartige Parodie dieses Schrifttums.“69 1771 entsteht Christoph Martin Wielands Neuer Amadis.70 Der Autor betont in der Vorrede zwar den Abstand zu dem längst vergessenen, alten Ritterroman,71 will aber doch an dem „romantischen Klang“72 seines bekannten Namens teilhaben, und zitiert und parodiert eine Fülle von Motiven der Romanserie. Dies ist nur eine Auswahl von Texten, die in der Nachfolge des Amadisromans entstehen oder ihn voraussetzen.73 Der Amadis scheint – dafür sprechen

66 Volkmann (Anm. 65), Sp. 1244; vgl. auch Martin Disselkamp: Barockheroismus. Konzeptionen ,politischer‘ Größe in Literatur und Traktatistik des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit 65), S. 104 f., S. 121, S. 128 f. 67 Johann Beer: Printz Adimantus und der Königlichen Princeßin Ormizella LiebesGeschicht […]. In: Sämtliche Werke. Hg. von Ferdinand van Ingen u. Hans-Gert Roloff. Bd. 2. Bern 1992, S. 35–69. 68 Vgl. James Hardin: Johann Beers Parodie Printz Adimantus. In: Akten des V. Internationalen Germanisten-Kongresses Cambridge 1975. Heft 3. Hg. von Leonard Forster u. Hans-Gert Roloff. Frankfurt a. M., Bern 1976 (Jahrbuch für Internationale Germanistik, Reihe A: Kongressberichte 2), S. 82–89, hier S. 82. 69 Hardin (Anm. 68), S. 83. 70 Unter demselben Titel veröffentlicht auch Johann Wolfgang von Goethe ein Gedicht (Erstdruck 1775), das wohl auf Wieland Bezug nimmt; vgl. Der junge Goethe in seiner Zeit. Texte und Kontexte. Hg. von Karl Eibl u. a. Bd. 2. Frankfurt a. M., Leipzig 1998, S. 526. Zwar erwähnt Goethe eine Amadis-Lektüre in einem Brief an Schiller, allerdings konnte er ihn nur in einer freien Bearbeitung aus dem 18. Jahrhundert kennen (Louis-Elisabeth de La Vergne, comte de Tressan: Traduction libre d’Amadis de Gaule (1779); deutsche Übersetzung 1782 von Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius); vgl. Sigmund Johann Barber: Goethe and the Amadis von Gallien. A Comparison of the sixteenth and eighteenth Century Amadis Editions. In: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 13, 1–2 (1984), S. 465–476, hier S. 465. 71 Wieland muss den Leser in einem Vorbericht erst wieder mit dem Amadisroman vertraut machen. 72 Christoph Martin Wieland: Der neue Amadis. In: Werke. Hg. von Fritz Martini u. Hans Werner Seiffert. Bd. 4. München 1965, S. 369. 73 Eine mündliche Amadís-Tradition ist bemerkenswerterweise in Brasilien noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts greifbar; vgl. Felix Karlinger: Zur Resonanz des Amadís in der mündlichen Überlieferung Brasiliens. In: Portugiesische Forschungen der Görres-Gesellschaft, Reihe 1: Aufsätze zur portugiesischen Kulturgeschichte 19 (1984–1987), S. 267–272.  









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seine hohe Gesamtverbreitungsziffer und natürlich auch seine literarische Nachwirkung – im 16. und 17. Jahrhundert in weiten Teilen Europas Lesererwartungen erfüllt zu haben. Sein Erfolg ist offenkundig – wenn auch zeitlich begrenzt. Will man ihn nicht in absoluten Zahlen bemessen, für die sich nur schlecht Vergleichswerte (re)konstruieren lassen, so kann doch nicht von der Hand gewiesen werden, dass Fortsetzung um Fortsetzung auf den Markt geworfen wird, was bei geringer bis mäßiger Annahme durch das Lesepublikum wohl kaum der Fall gewesen sein dürfte. Serien entstehen im Dialog der Produzenten mit den Konsumenten – und letztere entscheiden über ihre Fortsetzung und damit über ihr eigentliches Gelingen als Serie. Der Amadis ist ein Publikumserfolg, ein regelrechter Bestseller,74 der seinem deutschen Verleger Sigmund Feyerabend, so zitiert ihn Johann Baptist Fickler, „mehr in Seckel getragen weder des Luthers Postill“. Und Fickler fährt fort: „Es knden auch solcher Gaulischen (oder vil mehr gailen) exemplar schier nit genug getruckt werden.“75 Im Entstehungsprozess des Amadisromans werden diejenigen Ingredienzien herausgefiltert, die für seine „Serienformel“76 unentbehrlich sind. Dies geschieht nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum: Rasch werden die spanischen Bücher aussortiert, die vom Tod des Titelhelden berichten, auf magische Elemente verzichten, den Frauenheld Galaor als reuigen Büßer zeigen.77 All das will man offenbar nicht lesen. Andere neue Bestandteile fügen sich hingegen passgenau ins Gesamtkonzept und werden in das Repertoire aufgenommen. Insbesondere

74 Vgl. Keith Whinnom: The problem of ,best-seller‘ in Spanish Golden-Age literature (1980). In: Medieval and Renaissance Spanish Literature. Selected Essays. Hg. von Alan Deyermond u. a. Exeter 1994, S. 159–175; Richard Cooper: „Nostre histoire renouvelée“: the Reception of Renaissance Romances of Chivalry in Renaissance France. In: Chivalry in the Renaissance. Hg. von Sydney Anglo. Woodbridge 1990, S. 175–191; Paul Grendler: Chivalric Romances in the Italian Renaissance. In: Studies in Medieval and Renaissance History 10 (1988), S. 57–102, hier S. 81 f.; ders.: Form and Function in Italian Renaissance Books. In: Renaissance Quaterly 46 (1993), S. 451–485, hier S. 479; Michael Harney: Amadís, Superhero. In: La corónica. A Journal of Medieval Hispanic Languages, Literatures and Cultures 40, 2 (2012), S. 291–318; William Hastings Hinrichs: The Invention of the Sequel. Expanding Prose Fiction in Early Modern Spain. Woodbridge u. a. 2011, S. 46 f. sowie Krause (Anm. 25), S. 52. 75 Johann Baptist Fickler: Widmungsvorrede. In: Tractat Herrn Gabriel Putherbeien von Thuron / rc. Von verbot vnnd auffhebung deren Bcher vnd Schrifften / so in gemain one nachtheil vnnd verletzung des gewissens / auch der frumb vnd erbarkeit / nit mgen gelesen oder behalten werden. […] München: Adam Berg 1581, fol. 5r. 76 Dieser Begriff ist einem Aufsatz Prisca Pruggers entnommen: Wiederholung, Variation, Alltagsnähe. Zur Attraktivität der Sozialserie. In: Endlose Geschichten. Hg. von Günter Giesenfeld. Hildesheim u. a. 1994 (Germanistische Texte und Studien 43), S. 90–113, hier S. 3, S. 5 ff. Krause (Anm. 25), S. 51, S. 57 spricht von der „Amadis formula“. 77 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 11 f.  













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der spanische Fortsetzer Feliciano de Silva erweist sich als schöpferisch;78 er erweitert den Amadisroman beispielsweise um bukolische Elemente79 (Amadís de Grecia, Band VII und VIII der deutschen Serie). Alle erforderlichen inhaltlichen Bestandteile scheinen bereits in Spanien zusammengetragen worden zu sein und mussten in Frankreich nur noch in eine geschmeidigere sprachliche Form gebracht werden.80 Der Amadis ist gewissermaßen eine ,Gemeinschaftsproduktion‘ und allein seine Entstehungsgeschichte – über einen Zeitraum von ungefähr hundert Jahren hinweg, in vier Ländern, mit mindestens acht Autoren, die insgesamt dreißig Bände produzieren – legt die Vermutung einer seriellen Anlage nahe.

78 Moral Cañete (Anm. 54), S. 577: „Se podría afirmar sin faltar a la verdad que, si Garci Rodríguez de Montalvo es el adaptador o reelaborador de la versión medieval del Amadís de Gaula y su primer continuador, Feliciano de Silva es el verdadero creador del ciclo.“ Vgl. auch Hinrichs (Anm. 74), Kap. 2. 79 Vgl. Eisenberg (Anm. 55), S. 80; zur Schäferfigur Darinel vgl. Ana Carmen Bueno Serrano: Las innovaciones de Feliciano de Silva en el Amadis de Grecia: Una coda pastoril. In: Líneas actuales de investigación literaria. Estudios de literatura hispánica. Hg. von Verónica Arenas Lozano u. a. Valencia 2004, S. 165–175; Riley will pastorale Züge schon in der berühmten ,Peña Pobre‘-Episode (Buch II) erkennen; vgl. Edward Calverley Riley: A premonition of pastoral in Amadís de Gaula. In: Bulletin of Hispanic Studies 59, 3 (1982), S. 226–229. 80 Mit seiner These, dass auch Italien nicht unwesentlich zur beinahe sprichwörtlichen ‚Zierlichkeit‘ des Amadisromans beigetragen habe, hat sich Mulertt in der Forschung offenbar nicht durchsetzen können; vgl. Mulertt: Der Amadisroman und seine zweite Heimat (Anm. 46), S. 200 f.  



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Tabelle 1: Übersicht über Entstehung und Verbreitung des Amadisromans.81 Band

Autor

SPANIEN

ITALIEN

FRANKREICH

DEUTSCHLAND

I

Montalvo (sp.)

Amadís (1508)

Amadis (1546)

Amadis (1540)

Amadis (1569)

II

Amadis (1541)

Amadis (1570)

III

Amadis (1542)

Amadis (1570)

IV

Amadis (1543)

Amadis (1571)

Suppl. 4

Roseo (it.)

V

Montalvo (sp.)

Suppl. 5

Roseo (it.)

VI

VII

Amadis (1563) Esplandián (1510)

Splandiano (1547)

Ribera (sp.)

Florisando (1510)

Silva (sp.)

Lisuarte/Perion Lisuarte (1550) (1514)

Roseo (it.)

Lisuarte (1564)

Díaz (sp.)

Lisuarte (1526)

Silva (sp.)

Amadís de Grecia (1530)

Roseo (it.)

X

Silva (sp.)

Esplandian (1544)

Splandiano (1564)

Esplandian (1572) Esplandian/ Amadis (2 Teile) (1578)

Florisando (1550)

Amadis di Grecia (1550)

VIII

IX

Amadis/Galaor (1578)

Perion/Lisuart (1545)

(1572)

Amadis de Grece (1546)

Amadis aus Griechenland (1573)

Amadis de Grece (1548)

Amadis aus Griechenland (1573)

Florisel (1551/1553)

Florisel (1573)

Florisel/ Anaxartes/ Alastraxeree (1552)

Florisel/ Anaxartis/ Alastraxarea (1574)

Amadis di Grecia (1564) Florisel/ Anaxartes (1532)

Florisello/ Anassarte (1551)

81 Die Übersicht stützt sich auf Weddige (Anm. 2). Die Bandzählung richtet sich nach der dt. Fassung. Aufgeführt werden – sofern vorhanden – die im Titel genannten Protagonisten in der Landessprache (ggf. vereinheitlichte Schreibweise) sowie das Erscheinungsjahr der Erstauflage (ggf. zwei Daten).

22

1 Entstehung und Verbreitung – Die Erfolgsgeschichte des Amadisromans

Tabelle 1: (fortgesetzt) Band

Autor

SPANIEN

Roseo (it.) XI

Silva (sp.)

ITALIEN

Rogel/Agesilao Rogel/ Agesilao Rogel/Agesilan Rogel/Agesilan (1551) (1554) (1574) (Teil 1) (1535) Agesilan (1556) Agesilan (1574)

Roseo (it.) Luján (sp.)

Rogel (1564) Silves (1546)

Silves (1551)

XIV Silva (sp.) XV

DEUTSCHLAND

Florarlano (1564)

XII

XIII

FRANKREICH

Roseo (it.)

Sylves/Rogel/ Sylves/Rogel/ Agesilan (1571) Agesilan (1575) Sylves (1574)

Sylves (1590)

Sylves (1577)

Sylves (1590)

Rogel/Agesilao (Teil 2) (1551) Silves (1568)

Montreulx (frz.)

Spheramonde/ Amadis (1577)

XVI

Roseo (it.)

Sferamundi (1558)

Sferamond/ Amadis (1577/ 1578)

Spheramondt/ Amadis (1591)

XVII

Roseo (it.)

Sferamundi (1559)

Sferamond/ Amadis (1578)

Spheramondt/ Amadis (1591)

XVIII

Roseo (it.)

Sferamundi (1563)

Sferamond/ Amadis (1579)

Spheramondt/ Amadis (1592)

XIX

Roseo (it.)

Sferamundi (1563)

(1581/1582)

Spheramondt/ Amadis (1593)

XX

Roseo (it.)

Sferamundi (1565)

(1581/1582)

(1593)

XXI

Roseo (it.)

Sferamundi (1565)

(1581)

(1593)

XXII

Anon. (dt.)

(1615)

(1594)

XXIII

Anon. (dt.)

Fulgoran (1615) (1594)

XXIV

Anon. (dt.)

Fulgoran (1615) Safiraman/ Hercules (1595)

2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit Natürlich entsteht ein Serienroman nicht im luftleeren Raum. Im folgenden Abschnitt sollen Formen seriellen Erzählens skizziert werden, die schon vor dem Amadisroman möglich sind. Dabei kommt es mir ausschließlich auf Phänomene des Weitererzählens an.1 Dass das im Mittelalter üblicherweise auf Grundlage von allgemein oder in einer anderen Sprache bekanntem Stoff geschieht, also eigentlich ein Wiedererzählen ist,2 soll in diesem Zusammenhang nicht in den Blick genommen werden. Genauso wenig wie der Umstand, dass wir es im Mittelalter grundsätzlich mit „unfesten Texten“3 zu tun haben, die von vornherein offen für Veränderungen sind. Diese Beschränkung scheint nur insofern zulässig zu sein, als vom Amadisroman aus zurückgeblickt wird auf mögliche Vorläufer und Modelle für seine serielle Erzählweise. Insofern interessieren auch nur narrative Großformen und serielle Mechanismen im fixierten Text, nicht etwa Lieddichtung oder bestimmte Aufführungspraktiken, die unter dem Gesichtspunkt eines seriellen Erzählens ebenfalls betrachtenswert wären. Eine grobe Ordnung der in Frage kommenden Texte ergibt sich von selbst: 1. Fortsetzung einer unvollendet gebliebenen oder nur unvollständig überlieferten Geschichte, 2. (genealogische) Anknüpfung einer Geschichte an ein bekanntes und beliebtes Figurenrepertoire, 3. Reihung bzw. Mehrung von in sich geschlossenen Geschichten gleichen Typs. Als vierter Typ wäre vielleicht die Zyklenbildung als Zusammenführung von Geschichten um ein festes Figurenrepertoire zu erwägen, doch wird nichts ‚ad-

1 Einen ungewöhnlichen Fall stellt die Nibelungenklage dar, die – „unter Besprechungszwang“ stehend – zwar weitererzählt, doch hauptsächlich um die Ereignisse des Epos wieder und wieder erzählen zu können; vgl. Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes. Tübingen 1998, S. 116 ff. 2 Vgl. Franz Josef Worstbrock: Wiedererzählen und Übersetzen. In: Mittelalter und frühe Neuzeit. Übergänge, Umbrüche und Neuansätze. Hg. von Walter Haug. Tübingen 1999 (Fortuna Vitrea 16), S. 128–142. 3 Joachim Bumke: Der unfeste Text. Überlegungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert. In: ,Aufführung‘ und ,Schrift‘ in Mittelalter und Früher Neuzeit. Hg. von Jan-Dirk Müller. Stuttgart, Weimar 1996 (Germanistische-Symposien-Berichtsbände 17, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte/Sonderband), S. 118–129, hier S. 125.  

24

2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit

diert‘, sondern eine ‚Summe gezogen‘.4 Im Folgenden werden zu den genannten Formen einige Beispiele angeführt. Das geschieht in aller Kürze, weil sie hier nur als Folie für das serielle Erzählen im Amadisroman dienen sollen. Der ganz spezifischen seriellen Erzählform der besprochenen – oder vielmehr angesprochenen – Texte werde ich keinesfalls gerecht werden können; auch werde ich mich auf Beispiele aus dem deutschen Sprachraum beschränken müssen. Über Gattungsmuster und Stofftraditionen hinweg geht es ganz grundsätzlich um die Frage, mit welchen Formen eines Weitererzählens der Rezipient schon vertraut sein konnte.

2.1 Fortsetzung Nach Werbung für Marke und Minnetrank, heimlichen Liebestreffen und der Minnegrottenepisode, Entdeckung durch Marke und Flucht zur zweiten Isolde bricht Gottfrieds Tristan bekanntermaßen ab. Die vieldiskutierten Gründe für dieses Abbrechen – ob gerade im Fragmenthaften eine Aussage enthalten sei5 – können getrost beiseite gelassen werden. Denn von Interesse ist hier nur eines: Gottfrieds Geschichte wurde vor dem Hintergrund der Tradition ganz offensichtlich als unvollständig wahrgenommen und zu einem Ende geführt. Und in dieser vervollständigten Form ist sie – beinahe ausnahmslos – auch überliefert worden,6 wobei die Textgrenze nicht in jedem Fall typografisch markiert worden ist.7

4 Natürlich bilden Erzählzyklen wie der Prosalancelot aber den Traditionshintergrund für serielles Erzählen und Serialisierung im Amadisroman; vgl. Virginia Krause: Serializing the French Amadis in the 1540s. In: Charting change in France around 1540. Hg. von Marian Rothstein. Selinsgrove 2006, S. 40–62, hier S. 48. 5 Vgl. z. B. Franz Josef Worstbrock: Der Zufall und das Ziel. Über die Handlungsstruktur in Gottfrieds Tristan (1995). In: ders.: Ausgewählte Schriften. Hg. von Susanne Köbele u. Andreas Kraß. Bd. 1. Stuttgart 2004, S. 229–245, hier S. 241; Rainer Warning: Die narrative Lust an der List: Norm und Transgression im Tristan. In: Transgressionen. Literatur als Ethnographie. Hg. von Gerhard Neumann u. Rainer Warning. Freiburg im Breisgau 2003 (Rombach Wissenschaft: Reihe Litterae 98), S. 175–212, hier S. 212. 6 Es gibt nur eine Ausnahme aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts; vgl. Peter Strohschneider: Gotfrit-Fortsetzungen. Tristans Ende im 13. Jahrhundert und die Möglichkeiten nachklassischer Epik. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 65 (1991), S. 70–98, hier S. 76. 7 Vgl. Stefanie Schmitt: Ein Schluss für Rudolfs Alexander? Überlegungen zum Cgm 203. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 132, 3 (2003), S. 307–321, hier S. 316–320; Strohschneider: Gotfrit-Fortsetzungen (Anm. 6), S. 77; Alan Deighton: Ein Anti-Tristan? Gottfried-Rezeption in der Tristan-Fortsetzung Heinrichs von Freiberg. In: Deutsche Literatur  

2.1 Fortsetzung

25

Es lassen sich verschiedene Fassungen unterscheiden, die Gottfrieds Text mit den Fortsetzungen von Ulrich von Türheim (entstanden vor 12438) bzw. Heinrich von Freiberg (entstanden etwa 1285 bis 12909) koppeln oder Teile von Ulrichs Fortsetzung durch den anonymen Tristan als Mönch ersetzen.10 Bei Letzterem handelt es sich offenbar um einen mehr oder weniger selbstständigen Text, der weder direkt an Gottfried anknüpft, noch ihn beendet.11 Damit stellt er keine eigentliche Fortsetzung dar.12 Daneben existiert noch eine weitere Kombination mit dem Ende von Eilharts von Oberg Tristrant.13 Als Fortsetzer im eigentlichen Sinne sind jedoch nur Ulrich und Heinrich zu nennen, die sich beide ausdrücklich auf Gottfried beziehen. Ulrich stellt seinem Text einen kurzen Vorspann voran: Uns ist ein schade grôz geschehen, des mac diz mære zeschaden jehen, wan ez beliben ist in nôt, sît Meister Gotfrît ist tôt, der dis buoches begunde. (V. 1–5)14

Größtes Lob wird Gottfrieds Tristan ausgesprochen („kein getihte an sprüchen ist sô glanz“; V. 12), der beklagenswerterweise nicht vollendet werden konnte („daz er diz buoch niht vollesprach“; V. 18). Diese Aufgabe nimmt Ulrich nun auf sich („als ich aller beste kan“; V. 22) und benennt den Auftraggeber. Heinrichs Prolog betreibt mehr rhetorischen Aufwand, weist aber die gleiche Stoßrichtung auf. Der Fortsetzer betont gleich mehrfach sein Ungenügen und rühmt Gottfrieds Meisterschaft in mehreren Sprachbildern. Danach wird der Auftraggeber gefeiert, „dem des Mittelalters in und über Böhmen II. Hg. von Václav Boc u. Hans-Joachim Behr. Hamburg 2004, S. 111–126, hier S. 116 f. 8 Vgl. Peter Strohschneider: [Art.] Ulrich von Türheim. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 10 (1999), Sp. 29. 9 Vgl. Hans-Hugo Steinhoff: [Art.] Heinrich von Freiberg. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 3 (1981), Sp. 724. 10 Vgl. Strohschneider: Gotfrit-Fortsetzungen (Anm. 6), S. 75. 11 Vgl. Strohschneider: Gotfrit-Fortsetzungen (Anm. 6), S. 76. 12 Vgl. Peter Strohschneider: Alternatives Erzählen. Interpretationen zu Tristan- und WillehalmFortsetzungen als Untersuchungen zur Geschichte und Theorie des höfischen Romans. Habil. [masch.], München 1991, S. 87. 13 Vgl. Volker Mertens: „Wes mag ditz mere zu schaden jenhen?“ Eilharts Tristan als Fortsetzung von Gottfrieds Torso in der Meusebachschen Handschrift zu Berlin. In: Europäische Literaturen im Mittelalter (Festschrift Wolfgang Spiewok). Hg. von Danielle Buschinger. Greifswald 1994, S. 280–295. 14 Hier und im Folgenden zitiert nach: Ulrich von Türheim: Tristan. Hg. von Thomas Kerth. Tübingen 1979 (Altdeutsche Textbibliothek 89).  

26

2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit

ich Heynrich von Vriberc / vol tichte disen Tristan, / als ich aller beste kan.“ (V. 82–84).15 Ulrich bringt nur wenige, den Anschluss sichernde Verse, während Heinrichs Zusammenfassung etwas umfangreicher ausfällt. Bevor Heinrich fortfährt, betont er den unmittelbaren Anschluss an Gottfried: daz hab wir allez wol vernumen. nu sulle wir zu der rede kumen, da sie der meister hat verlan, der diz buches erste began. (V. 107–110)

Beide Fortsetzer heben mit der Verheiratung von Tristan und Isolde Weißhand an, wie es von der Tradition vorgegeben16 und durch Gottfried auch vorbereitet worden ist. Danach beschreiten sie jedoch unterschiedliche Wege bis zum unausweichlichen Liebestod: „Erst jetzt ist kein Anknüpfungspunkt mehr für ein Fortspinnen des Erzählfadens.“17 Lässt Gottfried Tristan in Liebesqualen zurück, so setzt Ulrich mit einem Sinneswandel ein: ir hânt eteswenne wol vernommen waz Tristan grôzer arbeit gewan und waz Ŷsôten beschach. Tristan wider sich selben sprach: ,Tristan, hœre, ez ist genuoc!‘ (V. 40–45)

Peter Strohschneider arbeitet heraus, dass Ulrichs Fortsetzung gewissermaßen mit einem Abschluss beginnt, doch: „Tristans Ehe ist aber nicht das Ende der Geschichte, sondern ein neuer Anfang, und sie ist jenes nicht und kann dieses sein, weil der erreichte status quo von Anfang an latent konfliktbeladen ist.“18

15 Hier und im Folgenden zitiert nach: Heinrich von Freiberg: Tristan und Isolde (Fortsetzung des Tristan-Romans Gottfrieds von Straßburg). Hg. von Danielle Buschinger u. Wolfgang Spiewok. Greifswald 1993 (Wodan 16, Greifswalder Beiträge zum Mittelalter 1). 16 Ulrich und Heinrich stützen sich vermutlich maßgeblich auf Eilharts von Oberg Tristant – Heinrich arbeitet außerdem mit Ulrichs Version –, doch lassen sich auch Argumente für andere bzw. weitere Quellen anbringen; vgl. Alan Deighton: Die Quellen der Tristan-Fortsetzungen Ulrichs von Türheim und Heinrichs von Freiberg. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 126, 2 (1997), S. 140–165. 17 Strohschneider: Gotfrit-Fortsetzungen (Anm. 6), S. 75. 18 Vgl. Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 31; Hervorhebung im Original.

2.1 Fortsetzung

27

Heinrich dagegen zeigt Tristan in enger Anlehnung an Gottfried noch für einige Verse in ruheloser Gedankenrede,19 bevor er sich für Isolde Weißhand entscheidet. Der Erzähler erwägt deshalb das Nachlassen der Trankwirkung. Dieser Erklärungsansatz lässt Strohschneider zufolge zwar „Hypothesenstatus“ erkennen,20 dennoch würden Konflikte vorerst abgewendet werden, um mit der Artusepisode einen neuen Anfang zu setzen, den Strohschneider nicht als Weitererzählen, sondern als „Neuerzählen von schon Gegebenem“21 kennzeichnet. Dass die Fortsetzungen von Ulrich und Heinrich mehr tun, als Gottfrieds fragmentarischen Text nur zu beenden, dass sie mit der anspruchsvollen Vorgabe umzugehen haben und eine bestimmte Lesart anbieten (müssen),22 dass ihnen das nur als Kompromissbildung gelingt (oder gelingen kann?), wie Jan-Dirk Müller herausstellt,23 kann nicht angezweifelt werden. Strohschneider führt in seinem Aufsatz zu den „Gotfrit-Fortsetzungen“ und erst recht in der ausführlichen Analyse seiner Habilitationsschrift vor, dass die Fortsetzungen über ein je eigenes Konzept verfügen. Für Strohschneider bedeutet dies eine gewisse Entwertung des Erzählschlusses: Anders als in anderen Fortsetzungskonstellationen wie etwa dem dreiteiligen WillehalmZyklus oder der Nibelungenlied-Klage-Verbindung kommt es zu einer Konkurrenz verschiedener Tristan-,Zyklen‘, und diese ist offenbar nicht vom Telos des Erzählens im Liebestod her zu begreifen, denn dieser wird im Wesentlichen stets gleichartig erzählt, sondern von dorthin führenden alternativen Erzählprozessen her.24

Für diese Arbeit ist allerdings entscheidend, dass allein von der Unabgeschlossenheit des Tristan schon ein starker Impuls zur Fortsetzung ausgegangen sein muss. Die Überlieferungslage lässt jedenfalls kaum Zweifel daran, dass der vollständige Text erwünscht war, wenn um dessen zureichenden Abschluss offenbar auch gerungen worden ist. Daraus lässt sich das Bedürfnis des Publikums nach einer

19 Vgl. Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 97; Jan-Dirk Müller: Tristans Rückkehr. Zu den Fortsetzern Gottfrieds von Straßburg. In: Festschrift Walter Haug und Burghart Wachinger. Hg. von Johannes Janota u. a. Bd. 2. Tübingen 1992, S. 529–548, hier S. 541. 20 Vgl. Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 98 f. 21 Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 105. 22 So z. B. Grubmüller, demzufolge Ulrich die Tristan-Geschichte als Exemplum gelesen und seine Fortsetzung dieser Gattungsform angepasst haben könnte; vgl. Klaus Grubmüller: Probleme einer Fortsetzung. Anmerkungen zu Ulrichs von Türheim Tristan-Schluß. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 114, 4 (1985), S. 338–348, hier S. 344, S. 348. Oder Deighton, der in Heinrichs Fortsetzung den Versuch sieht, die Unerfüllbarkeit der Tristanliebe zu externalisieren; vgl. Deighton: Ein Anti-Tristan? (Anm. 7), S. 126. 23 Vgl. Müller: Tristans Rückkehr (Anm. 19), S. 531, S. 540, S. 546 ff. 24 Strohschneider: Gotfrit-Fortsetzungen (Anm. 6), S. 77.  







28

2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit

runden Geschichte ableiten, das die Fortsetzer bedienen, indem sie, wie oben angedeutet, (zumindest äußerlich) eng an den Torso anschließen. Die Umsetzung eines bestimmten Konzepts scheint mir demgegenüber allenfalls eine sekundäre Motivation darzustellen. Dass das ‚Ziel‘ der Geschichte nicht auf kürzestem Wege angesteuert wird, wie Strohschneider verschiedentlich anmerkt,25 steht dem nicht entgegen. Die Tradition kennt eben beides: Dehnung durch Rückkehrabenteuer und definitives Ende im Liebestod. So kann Tristan als Mönch vielleicht alleine funktionieren, als alleinige Fortsetzung Gottfrieds ist er aber kaum denkbar. Im Vergleich zum seriellen Erzählen des Amadisromans lassen sich folgende Unterschiede festhalten: Wie auch immer man den Fragment-Status von Gottfrieds Tristan beurteilt, sicherlich hat der Autor nicht bewusst etwas zu erzählen übrig gelassen. Vor dem Hintergrund der Tradition entstanden, laufen die Fortsetzungen auf ein nicht überschreitbares Ende zu. Fragment und Fortsetzung werden dem Leser als mehr oder weniger Ganzes entgegengetreten sein. Eine Vorform seriellen Erzählens liegt mit den Fragmentfortsetzungen also nicht vor. Ablesen lässt sich ihnen freilich das Verlangen nach Vollständigkeit, das man wohl als anthropologische Konstante auffassen darf. Spätere Serienschreiber werden das auszunutzen wissen.

2.2 Anknüpfung Die Möglichkeiten einer Anknüpfung an einen in sich geschlossenen Text sind vielfältig: Als erstes ist sicherlich an die Artusromane zu denken, die ihren jeweiligen Protagonisten in ein bereits bestehendes Universum mit König Artus im Zentrum hineinstellen. Was, wenn nicht die ungeheure Beliebtheit von Figuren, Motiven, narrativen Strukturen und Sinngebungsmustern, sollte zum Weiterschreiben an dieser Romanwelt geführt haben? Dabei stellt der einzelne höfische Roman eine geschlossene Einheit dar; ein Weiterschreiben über sein Ende hinaus ist nur schwer vorstellbar.26 Trotz dieser relativen Unabhängigkeit nehmen die Romane natürlich aufeinander Bezug, bilden einen gemeinsamen Verständnishorizont aus. Etwa, wenn Gawein Iwein vor den Gefahren des ‚verligens‘ („als dem herren Êreke geschach“27) warnt.

25 Vgl. Strohschneider: Gotfrit-Fortsetzungen (Anm. 6), S. 77, S. 88, S. 93 sowie Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 29 f., S. 98, S. 124. 26 Allerdings werden im Falle des Iwein alternative Redaktionen des Endes realisiert; vgl. Christoph Gerhardt: Iwein-Schlüsse. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 13 (1972), S. 13–39. 27 Hartmann von Aue: Iwein. Hg. von Volker Mertens. Frankfurt a. M. 2003 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 29), V. 2792.  



2.2 Anknüpfung

29

Wie sehr der Amadisroman vom Artusroman und insbesondere den späteren Prosazyklen abhängt, lässt sich förmlich mit Händen greifen. Bloß seine artifizielle Struktur muss aufgebrochen werden, damit ein serielles Erzählen möglich wird. Horst Weich entdeckte im spanischen Grundstock ein „Vierwegschema“ anstelle eines doppelten Kursus,28 wozu Gerhard Penzkofer bemerkt: Das ist ohne Zweifel richtig; dennoch unterscheiden sich diese ‚Kursus‘ erheblich von denen eines Erec, Yvain oder Lancelot. Während nämlich die steigernden Reprisen von Chrétiens Versroman den Helden immer wieder sich selbst und seiner Vergangenheit gegenüberstellen, bis er seine ritterlichen Qualitäten zur Vollkommenheit gebracht hat, führen die Abenteuer-Durchgänge bei Montalvo zwar zu Scheitelpunkten der Handlung, aber kaum zu Situationen der Selbstbegegnung.29

Mögen sich in den ersten Bänden auch noch Reste einer solchen, sicherlich auf den Ur-Amadis zurückgehenden Struktur auffinden lassen, so wage ich doch zu bezweifeln, dass man etwas Derartiges auch in den Fortsetzungen aufspüren könnte.30 Ein Ende der Abenteuerdurchgänge ist nicht in Sicht. Des Weiteren besteht die Möglichkeit der linearen Anknüpfung an einen abgeschlossenen Text. Der Ausgangstext ist in diesem Fall nicht (zwangsläufig) auf ein Weitererzählen hin angelegt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Weitererzählen nach vorne oder hinten besteht meiner Ansicht nach nicht. Zwar erwecken Vorgeschichten den Eindruck, tatsächlich notwendige Erklärungen zu bieten. Vom Ausgangstext aus gesehen, erscheinen sie jedoch genauso erforderlich oder eben nicht wie eine ‚Nachgeschichte‘, die eine absolut unerlässliche Ergänzung liefern will. Sicherlich sind Vorgeschichten in einem höheren Maße durch den Ausgangstext gebunden; schließlich müssen sie genau dort enden, wo dieser ansetzt.31

28 Vgl. Horst Weich: Don Quijote im Dialog: Zur Erprobung von Wirklichkeitsmodellen im spanischen und französischen Roman (von Amadís de Gaula bis Jacques le fataliste). Passau 1989 (Passauer Schriften zu Sprache und Literatur 3), Kap. 5.1.1. 29 Gerhard Penzkofer: Montalvos Amadis: Märchen ohne naive Moral. In: Romanische Forschungen 106 (1994), S. 61–83, hier S. 72. 30 Vgl. Überlegungen zur anfänglichen Organisation des spanischen Amadís als „a series of cyclical crises“ von Edwin Williamson: The half-way house of fiction. Don Quixote and Arthurian romance. Oxford 1984, Kap. 2, hier S. 40. 31 Vgl. hierzu Strohschneiders Überlegungen zur Arabel: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 198 ff.  

30

2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit

Eine solche Vorgeschichte liegt mit der Arabel (entstanden wahrscheinlich zwischen 1261 und 126932) von Ulrich von dem Türlin vor, der sich im Prolog in charakteristischer Weise an Wolfram anlehnt:33 Han ich nu kunst, div zeige sich! durch reine hertze, den wise ich dises bches rehtez angenge, des materie vns vil enge her Wolfram hat bettet: div iu wirt baz beltet. daz sprich ich nit vmme daz, daz munt ie gesprœche baz. ir sult ez anderweide versten: wie ez von erste mste ergen, […] (4,1–10)34

Ulrich will also nachtragen, was Wolfram ausgelassen hat; nicht um ihn zu verbessern, sondern weil es zum Verständnis der Ausgangssituation dienlich oder sogar erforderlich erscheint. Es folgt eine Art Inhaltsangabe, die offene Fragen des Willehalm benennt, die im Folgenden geklärt werden sollen. Für das (mehr oder minder gelungene) Wiedereinmünden der Arabel- in die Willehalm-Handlung kennt die Überlieferung verschiedene Varianten;35 man darf wohl vermuten, dass an dieser kniffligen Stelle weitergearbeitet worden ist. Strohschneider kann deutlich machen, dass die Vorgeschichte vor allem an zwei Momenten des Willehalm ansetzt, die dort nur rückblickend und andeutend erwähnt werden:36 an der Versehrung des Helden Willehalm durch eine Narbe und dem prekären Status seiner bereits verheirateten, ranghöheren und ursprünglich

32 Vgl. Werner Schröder: [Art.] Ulrich von dem Türlin. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 10 (1999), Sp. 39 f. 33 Ulrich erzählt offenbar ausschließlich auf Basis von Hinweisen, die er bei Wolfram findet; vgl. Bernd Schirok: Wolfram und seine Werke im Mittelalter. In: Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch. Hg. von Joachim Heinzle. Bd. 1. Berlin, Boston 2011, S. 1–82, hier S. 19. 34 Ulrich von dem Türlin: Arabel. Die ursprüngliche Fassung und ihre Bearbeitung. Hg. von Werner Schröder. Stuttgart u. a. 1999; Hervorhebungen im Original. Ich möchte Bastert folgen und nach Fassung *R zitieren, da nur diese im Überlieferungsverbund mit dem Willehalm steht; vgl. Bernd Bastert: Helden als Heilige. Chanson de geste-Rezeption im deutschsprachigen Raum. Tübingen u. a. 2010 (Bibliotheca Germanica 54), z. B. S. 195 Fn. 75. 35 Vgl. die gründliche Beschreibung der Textschlüsse der Handschriften nach Fassung *R bei Bastert (Anm. 34), S. 197 ff. Zu Fassung *A, die evtl. als Fortsetzung zu Strickers Karl (und nicht als Vorgeschichte zum Willehalm) konzipiert worden ist und dann Ergebnis einer entsprechenden Umarbeitung von Fassung *R sein könnte, vgl. ebd., S. 204 f., S. 214 ff. 36 Vgl. Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 169, S. 175 ff., S. 211, S. 218 f.  

















2.2 Anknüpfung

31

heidnischen Gemahlin Arabel/Kyburg.37 Damit ermöglicht Ulrich folgenden Rezipientengenerationen erst den sinnvollen Zugang zum Text, so Strohschneider: Der literaturgeschichtlich jüngere Text, der epigonale, konstituiert allererst die Voraussetzungen, unter denen das Erzählen des älteren, des klassischen, im Rahmen der Gegebenheiten der Adelskultur des 13.Jahrhunderts überhaupt kohärent und erklärbar war.38

Zugespitzt spricht Strohschneider sogar von einem umgekehrten „Ableitungsverhältnis“.39 Möchte man soweit vielleicht auch nicht gehen, so legt seine Interpretation doch nahe, dass Ulrich auf Verständnisprobleme, eventuell auch Akzeptanzprobleme des Publikums antwortete. In jedem Fall aber lässt die Arabel auch auf ein gesteigertes Publikumsinteresse schließen. Bernd Bastert erklärt die Fortsetzung von Wolframs Willehalm überzeugend mit seinem „zyklischen Potenzial“,40 welches den französischen Heldenepen inhärent ist. Denn obwohl die einzelnen Texte zunächst noch nicht zu Zyklen zusammengestellt werden, verfügen sie über „Schnittstellen“, die dies grundsätzlich ermöglichen.41 Der von Bastert verwendete Begriff der Schnittstelle weist damit eine vage Ähnlichkeit zum ‚Cliffhanger‘ auf, der für die Realisierung von Serien von Bedeutung ist. Weil man im Deutschen mit dieser Erzähltradition nicht vertraut ist, werden offene Handlungsfäden erst einmal gekappt (Rolandslied).42 Entsprechend geht auch Wolfram bei seinem Willehalm vor, doch kann er sich immerhin schon auf das Rolandslied beziehen; dazu verstärkt er gegenüber seiner Vorlage, der Chanson d’Aliscans, genealogische Verbindungen.43 Hinweise auf die Liebesgeschichte von Willehalm und Arabel kommen hinzu,44 sodass Wolframs Text ‚Schnittstellen‘ aufweist, an die sich – nach hinten – Ulrichs Arabel anlagern kann. Nach vorne ruft die Unabgeschlossenheit des fragmenthaften Willehalm ohnehin nach Fortsetzung.45 Ulrichs von dem Türlin Arabel und Ulrichs von Türheim Rennewart aktivieren das ‚zyklische Potenzial‘ des Willehalm; überliefert werden die drei Texte fast ohne Ausnahme als Trilogie.46

37 Vgl. Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 178, S. 219. 38 Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 253. 39 Vgl. Strohschneider: Alternatives Erzählen (Anm. 12), S. 253. So werde bspw. eine Metapher Wolframs deutlicher, die der Forschung Probleme bereitet hat; vgl. ebd., S. 211. 40 Vgl. Bastert (Anm. 34), Kap. A.4. 41 Vgl. Bastert (Anm. 34), S. 175 ff. 42 Vgl. Bastert (Anm. 34), S. 178 f. 43 Vgl. Bastert (Anm. 34), S. 182 f. 44 Vgl. Bastert (Anm. 34), S. 202. 45 Vgl. Bastert (Anm. 34), S. 190 f. 46 Vgl. Bastert (Anm. 34), S. 193, S. 462 f.  









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2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit

Gemäß der von Bastert befürworteten Definition stellt das Vorkommen in einem Überlieferungsträger eine Grundbedingung für den Zyklus im engeren Sinne dar47 – und genau darin unterscheiden sich Zyklus und Serie deutlich: Bei der Serie werden gestückelte Erzählweise und materieller Träger koordiniert. In Anlehnung an ein historiografisches Erzählen und durch konsequentes Zusammenführen der deutschen Chansons de geste (Strickers Karl und WillehalmTrilogie) kann im Spätmittelalter ein übergeordneter Prosazyklus entstehen, der ganze sieben Generationen umfasst,48 was der Amadisroman noch knapp überbieten kann. Die Genealogie als Motor ist sicherlich ein Grundprinzip des Weitererzählens (vgl. z. B. Wolframs Gahmuret-Vorgeschichte zum Parzival), das allerdings in den Chansons de geste besonders deutlich zutage tritt. Das letzte Beispiel kann mit Fug und Recht als Sonderfall in jeder Hinsicht gelten: In diesem Zusammenhang soll der Titurel vor allem deshalb Erwähnung finden, weil sein Autor Wolfram selbst in seinen Parzival den Bedarf nach einer (Vor-)Geschichte eingeschrieben hat.49 Ausgeführt hat er diese aber nicht, wenn er das denn überhaupt vorgehabt hat:50 Es liegen nur zwei Titurel-Fragmente vor.51 Dass diese Textstücke nichts weniger sind als eine Fortsetzung im hier interessierenden Sinne,52 ist überflüssig zu betonen. Davon zeugt allein schon der Umstand, dass das Ende der Geschichte mit dem Parzival bereits vorweggenommen ist, das nach Sonja Glauch somit auch nicht „Ziel“ der Erzählung, sondern ihr „Erinnerungshorizont“ ist.53 Glauch zieht Parallelen zwischen Titurel und Klage und stellt fest:  

Titurel und Nibelungenklage wollen, jedes für sich, nicht weitererzählen (wie Fortsetzungen), nicht wiedererzählen (erniuwen, wie die formal auffrischenden und die übersetzenden höfischen Bearbeitungen), sondern anders erzählen.54

47 Vgl. Zyklusdefinition bei Bastert (Anm. 34), S. 172 ff. 48 Vgl. Bastert (Anm. 34), S. 232. 49 Vgl. z. B. Stephan Fuchs-Jolie: Eine Einführung. In: Wolfram von Eschenbach: Titurel. Text – Übersetzung – Stellenkommentar. Hg. von Helmut Brackert u. Stephan Fuchs-Jolie. Berlin 2003, S. 3–24, hier S. 8. 50 Vgl. Fuchs-Jolie (Anm. 49), S. 6. 51 Sonja Glauch hat zurecht darauf hingewiesen, dass die Verwendung des Fragmentbegriffs für mittelalterliche Textphänomene problematisch ist; vgl. dies.: An der Schwelle zur Literatur. Elemente einer Poetik des höfischen Erzählens. Heidelberg 2009 (Studien zur historischen Poetik 1), S. 222 ff. 52 Vgl. Glauch (Anm. 51), z. B. S. 208. 53 Glauch (Anm. 51), S. 226. 54 Glauch (Anm. 51), S. 210.  







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2.2 Anknüpfung

Die Anknüpfung des Titurel wird mit einiger Raffinesse vorbereitet: Wolfram lässt Sigune im Parzival viermal auftreten und hat damit ihre Präsenz gegenüber der Vorlage Chrétiens deutlich verstärkt.55 Der erste Auftritt von Sigune – ihren toten Ritter Schionatulander im Schoß haltend – gibt den entscheidenden Impuls für den Titurel, denn die rätselhafte Bemerkung „ein bracken seil gap im den pîn“ (141,16)56 wird im Parzival nicht aufgelöst. Dieses Motiv steht im Mittelpunkt des zweiten Titurel-Textstücks: Schionatulander fängt einen entlaufenen Jagdhund ein, auf dessen kostbare Leine ein Text gestickt ist, offenbar eine Liebesgeschichte. Doch bevor Sigune diese auslesen kann, kann der Hund wieder entwischen. Sigune schickt Schionatulander nach der Leine aus, wobei sie die Liebeserfüllung von diesem Dienst abhängig macht. Mehr hat Wolfram aber offenbar nicht erzählt und auch den aus dem Parzival doch bereits bekannten Ausgang hält er in der letzten Strophe des Fragments merkwürdig offen: Sus hêten si mit worten ein ander ergetzet, unt ouch mit guotem willen. der anevanc vol kumbers, wie wart der geletzet! daz freischet wol der tumbe unt ouch der grîse von dem verzageten sicherboten, obe der swebe oder sinke an dem prîse. (Str. 175)57

Gegenüber dem hochkomplexen zweiten Textstück („Erzählen unter dem Vergrößerungsglas“58), das mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet, ist mit dem ersten eine eher konventionelle Anknüpfung einer ,neuen‘ Geschichte an eine bekannte gegeben: In seiner Abdankungsrede, die häufig als prologartig beschrieben worden ist,59 gibt der alte Gralskönig Titurel einen Entwurf des Gralsgeschlechts, auf den die sorgfältige genealogische Einordnung der neuen Figuren folgt. Dieser großangelegte Einstieg will zur zweiten, ganz auf Sigune und Schionatulander konzentrierten Szene nicht so recht passen60 und könnte insofern auch auf das Konzept einer umfangreicheren Erzählung um das Gralsgeschlecht deuten.61

55 Vgl. Walter Haug: Vom Tristan zu Wolframs Titurel oder Die Geburt des Romans aus dem Scheitern am Absoluten. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 82 (2008), S. 193–204, hier S. 201 f. 56 Wolfram von Eschenbach: Parzival. Hg. von Eberhard Nellmann. Bd. 1. Frankfurt a. M. 2006 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 7). 57 Wolfram von Eschenbach: Titurel. Text – Übersetzung – Stellenkommentar. Hg. von Helmut Brackert u. Stephan Fuchs-Jolie. Berlin 2003. 58 Glauch (Anm. 51), S. 259. 59 Vgl. z. B. Glauch (Anm. 51), S. 201, S. 215. 60 Vgl. Glauch (Anm. 51), S. 213. 61 Vgl. Joachim Bumke: Wolfram von Eschenbach. 7. Aufl. Stuttgart 1997 (Sammlung Metzler 36), S. 247.  





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2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit

Welches Projekt Wolfram auch immer verfolgte, durch einen anderen Autor fortführbar war es sicherlich nicht. Umso aufschlussreicher, dass dies dennoch in Angriff genommen worden ist: Albrechts gewaltiger Jüngerer Titurel schluckte die wenigen Strophen Wolframs und konnte diesen in der Publikumsgunst völlig verdrängen.62 Ein weiterer Beleg dafür, welcher Impetus von einer – und sei es auch nur scheinbar – unvollständigen Geschichte ausgeht.

2.3 Reihung/Vermehrung Ein spannungsvolles Verhältnis zwischen narrativer Klein- und Großform prägt auch den Schwankroman, der hier als letzter Typ angesprochen werden soll. Tritt der Einzelschwank ohnehin zumeist in Sammlungen auf,63 reiht der Schwankroman (gängige) Schwankgeschichten entsprechend einer grob biografischen Ordnung.64 Es ergibt sich eine nach hinten und vorne begrenzte „Additionsform“, wie sie Hans-Joachim Ziegeler beschreibt: Ein in bestimmten Momenten ‚gesetzter‘ Beginn und ein ,gesetztes‘ Ende der so entstandenen ,Geschichte des Helden‘ kommen offenbar dem durch die additive Struktur vermittelten Eindruck von ,Geschichte‘ entgegen – wir finden dieselben Phänomene in Heinrichs Reinhart Fuchs, Hermann Botes Eulenspiegel und im Lalebuch.65

Wie sehr die Schwänke trotz der Einfügung in einen biografischen Rahmen beweglich bleiben, zeigt sich zum Beispiel daran, dass einzelne Schwänke aus dem Pfaffen Amis in den Ulenspiegel übernommen werden können.66 Dieses Verfahren wird in der Vorrede zum Druck von 1515 sogar offengelegt und das Textmaterial überdies zur freien Verfügung gestellt:

62 Vgl. Marion Gibbs: Fragment and Expansion: Wolfram von Eschenbach, Titurel and Albrecht, Jüngerer Titurel. In: The Arthur of the Germans. The Arthurian Legend in Medieval German and Dutch Literature. Hg. von William Henry Jackson u. Silvia Ranawake. Cardiff 2000 (Arthurian literature in the Middle Ages 3), S. 69–80. 63 Vgl. Hans-Joachim Ziegeler: [Art.] Schwank2. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 3 (2003), S. 408. 64 Vgl. Werner Röcke: [Art.] Schwankroman. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 3 (2003), S. 410. 65 Hans-Joachim Ziegeler: Erzählen im Spätmittelalter. Mären im Kontext von Minnereden, Bispeln und Romanen. München 1985 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 87), S. 452 f. 66 Vgl. Michael Schilling: Nachwort. In: Der Stricker: Der Pfaffe Amis. Hg. von Michael Schilling. Stuttgart 1994 (RUB 658), S. 177–206, S. 189.  

2.3 Reihung/Vermehrung

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Unnd bit hiemit einen jetlichen, wa mein Schrifft von Ulenspiegel zu lang oder zu kurtz sei, das er das besser, uff das ich nit Undanckt verdiene. Unnd ende damit mein Vorred und gib den Anfang Dil Ulenspiegels Geburtt mit Zulegung etlicher Fabulen des Pfaff Amis und des Pfaffen von dem Kalenberg.67

Als Muster der Gattung gilt Strickers Pfaffe Amis, der – wie die Überlieferung zeigt – in Reihenfolge und Bestand der Schwänke (in gewissem Umfang) variabel ist.68 Das serielle Moment liegt demnach sowohl in der Reihung selbst als auch in ihrer prinzipiellen Offenheit für Erweiterungen. Ist die Grundkonstellation einmal hergestellt, sollte es nämlich denkbar einfach sein, den grenzenlos freigebigen Pfaffen erneut auf listenreichen ‚Beutezug‘ zu schicken. Unschwer ließe sich auch das Verfahren kopieren, in regelmäßigen Abständen und bevorzugt am Anfang und/oder Ende eines Schwanks an die Haushaltung des Pfaffen oder zurückliegende Listen zu erinnern.69 Eine solche Kette hört nicht einfach auf, sondern muss abgebrochen werden. Am Ende stehen die endgültige Rückkehr nach Hause und der Tod des geläuterten und zum Abt aufgestiegenen Protagonisten. So zeichnet sich wie bei Tristans Rückkehrabenteuern der Tod als Fluchtpunkt ab. In den biographischen Rahmen eines Schwankromans eingepasst, ist die Geschichte nur in ihrer Mitte erweiterbar – und bleibt es wohl auch trotz einer „Versiegelung“70 am Schluss: „Hie endet sich pfaffe Ameis buch. / Got unser zu himel ruch.“ (V. 2287 f.) Angeregt von Rainer Warnings ‚Erzählen im Paradigma‘ beschreibt Strohschneider Anfang und Ende des Pfaffen Amis als „Syntagma der Karriere-Erzählung“, in das anstelle einer Mitte ein „Schwank-Paradigma“ eingelassen ist. Als Zweck und Mittel ist beides zwar aufs Engste miteinander verbunden,71 trotzdem  

67 Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Nach dem Druck von 1515. Hg. von Wolfgang Lindow. Stuttgart 2001 (RUB 1687), S. 8. 68 Vgl. Karl-Ernst Gneith/Elke Ukena-Best/Hans-Joachim Ziegeler: [Art.] Der Stricker. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 9 (1995), Sp. 435. 69 Hier und im Folgenden zitiert nach: Der Stricker: Der Pfaffe Amis. Hg. von Michael Schilling. Stuttgart 1994 (RUB 658), z. B. V. 729–734, V. 920–928. 70 Vgl. Glauch (Anm. 51), S. 219. Schilling (Anm. 69), S. 171 im Stellenkommentar der Ausgabe zu den V. 2283 ff.: „Die abschließenden Zusatzverse markieren das Ende und damit die Vollständigkeit des Werks, nennen seinen Titel und stellen mit dem in wir-Form gehaltenen Gebet ein letztes Mal die Kommunikationsgemeinschaft von Autor/Sprecher/Schreiber und Publikum/Zuhörer/Leser her.“ 71 Vgl. Peter Strohschneider: Kippfiguren. Erzählmuster des Schwankromans und ökonomische Kulturmuster in Strickers Amis. In: Text und Kontext. Fallstudien und theoretische Begründungen einer kulturwissenschaftlich angeleiteten Mediävistik. Hg. von Jan-Dirk Müller. München 2007 (Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 64), S. 163–190, hier S. 184, S. 187.  



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2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit

gilt für die Serie der Schwankgeschichten: „Die narrative Kette der einzelnen Geschehnisse entbehrt jeder irgend sukzessiven oder zielgerichteten Ordnung.“72 Maria Elisabeth Müller will nun zeigen, dass die beiden letzten Schwänke einer anderen Logik gehorchen.73 Diese unterscheiden sich tatsächlich spürbar von den vorherigen – sind umfangreicher, komplizierter, schießen über das Ziel hinaus – und werden durch einen längeren Erzählereinschub unter Aufruf des brevitas-Topos von den anderen Listgeschichten abgetrennt. Das Auftreten von Schwänken „vollkommen neuen Typs“74 erklärt Müller wie folgt: Das Komische als Serie verlangt nach der Gestaltung immer neuer Unerwartbarkeiten. Implizit ist ein Steigerungsprinzip angelegt, das sich in den Schlussschwänken nicht zufällig als Verselbstständigung einzelner Erzählmomente realisiert, was darauf hindeuten könnte, dass das an den Helden zu bindende Erzählmaterial erschöpft ist.75

Wenn ich recht sehe, zielt Müller eigentlich auf eine Zweiteilung der Schwänke ab:76 Während die Listen des ersten Teils grundsätzlich austauschbar erscheinen und auf die von Strohschneider dargestellte Weise sinnvoll gefasst werden können, ist nur in die Konstantinopel-Abenteuer eine Steigerungsdynamik eingeschrieben, die ihre Platzierung am Ende des Schwankromans unausweichlich macht. Im ersten Teil mögen Ermüdungserscheinungen auftreten, prinzipiell bleibt die Schwankfolge aber unabschließbar. Insofern ist der brevitas-Topos durchaus ernst zu nehmen: Sol ich die trugeheit alle sagen, die er bi sinen tagen alle begangen hat mit werken und ouch mit rat,

72 Strohschneider: Kippfiguren (Anm. 71), S. 180. 73 Die Hs. R (Ausgabe: Des Strickers Pfaffe Amis. Hg. von Kin’ichi Kamihara. 2. Aufl. Göppingen 1990 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 233).) kennt gegenüber der Vulgata-Fassung einen zusätzlichen Schwank, den sog. Messe-Schwank, der an drittletzter Stelle (und vor Erzählerkommentar und Neueinsatz) steht. Hs. Z ist offenbar auf Basis beider Fassungen entstanden; sie setzt den Messeschwank ans Ende der Schwankfolge, wobei diese Position glättende Zusatzverse erforderlich macht. Es könnte sich um einen behelfsmäßigen Nachtrag handeln; vgl. Schilling (Anm. 69) im Anhang zur Ausgabe, S. 135 und im Nachwort, S. 183 f. 74 Vgl. Maria Elisabeth Müller: Vom Kipp-Phänomen überrollt. Komik als narratologische Leerstelle am Beispiel zyklischen Erzählens. In: Historische Narratologie – Mediävistische Perspektiven. Hg. von Harald Haferland u. Matthias Meyer. Berlin, New York 2010 (Trends in Medieval Philology 19), S. 69–97, hier S. 83 ff. 75 Müller: Vom Kipp-Phänomen überrollt (Anm. 74), S. 88. 76 Müller: Vom Kipp-Phänomen überrollt (Anm. 74), S. 83 spricht allerdings nur von einer „Umschlagstelle“.  



2.3 Reihung/Vermehrung

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der rede wurde aller zu vil. Da von ich iz kurzen wil. (V. 1315–1320)

Sich steigernden Episoden droht dagegen immer ein Totlaufen. Dennoch lassen sich auch auf diese Weise Serien bilden, die auf unbestimmt fortgesetzt werden können. Spannend ist nun die Frage, was den Wechsel ausgelöst hat. Müller, für die mit dem zitierten Erzählereinschub „Serialität im Text selbst problematisiert wird“,77 spricht von der notwendigen Erschließung neuer „Lachquellen“.78 Vielleicht besteht das Problem aber gar nicht so sehr in der Serialität selbst, sondern in ihrer Beendigung. So wie der Auszug des Pfaffen umständlich motiviert werden muss – der Konflikt mit dem Bischof steigert die Bekanntheit des Pfaffen, was wiederum unzählige Gäste anzieht79 –, könnte auch seine Rückkehr erklärungsbedürftig erscheinen. Zweifellos wären dafür schlichte Lösungen vorstellbar (im Sinne von: ‚Da hatte der Pfaffe genug Geld beisammen und kehrte in sein Haus zurück.‘), doch werden die letzten Abenteuer zumindest vordergründig eben damit motiviert, das Haus des Pfaffen auf Dauer zu bestellen: Nu was hilfet mich min ringen an sust getanen sinnen: Als mir ein lutzel wider vert, so ist ez in dem haus verzert. des muz ich immer arm sin. Ich wil nu daz haus min nu al zu eren machen oder immer verswachen. (V. 1339–1346)

Das große Geld muss durch den großen Coup eingebracht werden. Weil der gelingt, dürfte der Übergang zum Schlussteil weicher ausfallen. Diese Formulierung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich in jedem Fall um einen Abbruch der Schwankfolge handelt. Allein dass zwei (!) abschließende Abenteuer aufgeboten werden, zeigt das Wirken einer seriellen Erzählweise an. In seiner prinzipiellen Unabschließbarkeit ähnelt der Pfaffe Amis dem Amadis. Wesentlicher Unterschied ist natürlich, dass dieser in der Mitte, jener am Ende erweiterbar ist. Die Abfolge der Schwänke erscheint zunächst variabel; die Einordnung in einen Erzählrahmen könnte jedoch eine Steigerungsdynamik be-

77 Müller: Vom Kipp-Phänomen überrollt (Anm. 74), S. 83. 78 Müller: Vom Kipp-Phänomen überrollt (Anm. 74), S. 87. 79 Vgl. Müller: Vom Kipp-Phänomen überrollt (Anm. 74), S. 79 f.  

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2 Serielle Erzählformen in Mittelalter und Früher Neuzeit

günstigt haben. Diesen Zwang zur Steigerung kennt auch der Amadisroman: Der Übergang von einer Generation zur nächsten geht mit Überbietung einher, womit der Keim zum Untergangs schon angelegt sein dürfte. Doch kann das Tempo durch die zunehmende Vervielfältigung der Figuren gedrosselt werden, die sich zudem immer weniger in eine Rangordnung ritterlicher Güte etc. bringen lassen. In puncto Serienbildung ist das ein klarer Vorteil gegenüber dem Schwankroman, der nur den einen Helden kennt.

2.4 Zwischenfazit Dass der Amadisroman sich von all diesen Formen des Heran-, Heraus- und Hinzuschreibens wesentlich unterscheidet, liegt auf der Hand. So traditionell er in stofflicher Hinsicht auch sein mag, er ist durch und durch Kind des Buchdrucks. Nur wenige Jahrzehnte nachdem die Druckerpresse auch in Spanien angekommen war, entsteht Montalvos Grundstock der Serie. Die Geschwindigkeit, mit der der Amadisroman dann verbreitet, erweitert, übersetzt und wieder erweitert wird, ist geradezu atemberaubend. Er scheint einen Bedarf zu erfüllen, den es eine Generation zuvor noch gar nicht gegeben haben kann. Trotz dieses grundsätzlichen Unterschieds weisen alle vorgestellten Beispiele aber schon Merkmale der Serie auf: Mit Gottfrieds Tristan teilt sie das offene Ende, das eine Fortsetzung und Beendigung offenbar herausfordert, mit den Artusromanen den zur Nachahmung reizenden ,modischen Stoff‘, mit dem Willehalm-Zyklus die grundsätzliche (genealogische) Anschlussfähigkeit, mit dem Titurel die planvolle Vorbereitung durch den Autor selbst, mit dem Pfaffen Amis die prinzipielle Offenheit für Erweiterungen. Gemeinsam ist allen Texten, dass sie ein einfaches Rezipientenbedürfnis erfüllen: ‚Mehr davon!‘ Im Falle der Tristan-Fortsetzungen handelt es sich, genauer gesagt, um das als unbefriedigend erlebte Vorenthalten eines Schlusses. Während hier gezielt nach Modellen für ein Weitererzählen gesucht worden ist, muss abschließend zugegeben werden, dass die Serie dem Wiedererzählen so fern nicht steht. Wie die Analyse des Amadisromans zeigen wird, mischen seine Autoren gemäß einer Erfolgsformel die immergleichen Zutaten zu neuen Fortsetzungen zusammen. Die jeweilige Zusammensetzung ist dann aber tatsächlich neu. Vielleicht darf man diese Form seriellen Erzählens als ‚Wiedererzählen im Buchdruckzeitalter‘ bezeichnen.

3 Der Buchdruck/-markt als Voraussetzung für den Serienroman Im Folgenden soll es um die historische Verortung des seriellen Erzählens gehen. Den Buchdruck als notwendige technische Voraussetzung zu benennen, erscheint naheliegend: Dass ein Mammutwerk wie der Amadis unter den Bedingungen einer Handschriftenkultur entsteht, ist nur schwer vorstellbar; wie moderne Soap-Operas ist er nicht das Werk eines Einzelnen. Dass der Roman schnell Fortsetzer findet und sich somit als Serie konstituieren kann, hängt von seiner breiten Verfügbarkeit ab, die ganz sicher erst der Buchdruck möglich gemacht hat. Vielleicht hatte sich unter den Produzenten und Rezipienten sogar ein Gefühl für die schier unbegrenzte Aufnahmekapazität des neuen Mediums eingestellt.1 Ich vermute also, dass der Medienwandel eine neue narrative Form gezeitigt hat, schlechterdings beweisen lässt sich diese Hypothese freilich nicht. Es kann eigentlich nur nach Gegenbeispielen Ausschau gehalten werden. Vorsichtshalber soll hier deshalb nur angenommen werden, dass ein literarisches Unternehmen dieses Ausmaßes vor der Erfindung des Buchdrucks nicht durchführbar gewesen wäre. Gemeint ist zunächst nur die konsequente ökonomische Ausnutzung einer Erzählweise. Im Einzelnen sollen nun einige kurze Überlegungen dazu angestellt werden, warum die Serie für den Buchmarkt grundsätzlich so attraktiv ist, welchen Zeugniswert die spanische, italienische, französische und deutsche Serie für die Entwicklung von Buchdruck/-markt haben könnten und was das Auftreten einer Serie über die Vorstellungen der Buchproduzenten vom Leser aussagt. Zum Thema „Buchdruck in der frühen Neuzeit“ ist zuallererst Michael Gieseckes berühmte „historische Fallstudie“ zu konsultieren. Er beschreibt, wie nach einer Anlaufphase in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein neuer Aggregatzustand erreicht wird: „Die typographischen Medien wurden unumkehrbar an die marktwirtschaftlichen Handelsnetze adaptiert.“2 Weiter heißt es: Das neue Verteilungsmedium nimmt mit Vorliebe ‚Massenware‘, in Serie gefertigte identische Exemplare einer ,Warenart‘ entgegen. So gesehen ist die Druckmaschine eine notwendige Voraussetzung dafür, daß auch Informationen die gleiche Chance auf dem Markt erhalten wie Nägel, Papier oder andere Artikel. Der Informationsindustrie kommt in dieser

1 Andererseits wurde die Serie in Spanien, Italien und Deutschland zu beenden versucht; vgl. Kap. 6.5.4 dieser Arbeit. 2 Michael Giesecke: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. 4. Aufl. Frankfurt a. M. 2006, S. 391.  

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3 Der Buchdruck/-markt als Voraussetzung für den Serienroman

Hinsicht sogar eine gewisse Sonderstellung zu. Früher und perfekter als in anderen Gewerbezweigen hat sich hier die maschinelle Serienproduktion durchgesetzt. Bücher werden als die ‚ersten Massenartikel‘ für den ‚Massenmarkt‘ beschrieben.3

Zwar geht es im Zitat um die massenweise Herstellung völlig identischer Produkte, doch lässt sich das Einfallstor für das serielle Erzählen leicht erahnen. Es ist die konsequent weitergedachte Anwendung von Marktmechanismen auf Unterhaltungsliteratur. Das ungemein angewachsene Publikum des neu entstandenen Marktes ist anonym und somit schwer einzuschätzen.4 Eine Fehlkalkulation können sich die Drucker/Verleger aber kaum leisten.5 Was liegt da näher, als einen Publikumserfolg zu re-produzieren. Nicht als Neuauflage oder Nachdruck, sondern als Wiederholung unter dem Deckmantel des Neuen: als Fortsetzung. Neuheit wird zu einer entscheidenden Kategorie im Druckzeitalter6 und die Serie gehorcht dieser Forderung, ohne das radikal Neue zu bieten, das Kunden vergrätzen könnte. Obwohl auch die schnelle Wiederauflage für die Amadisbücher typisch ist, liegt ihr Impetus doch eindeutig auf der Fortsetzung. Durch den engsten Zusammenhang der einzelnen Texteinheiten bietet dieses Verfahren gegenüber der Herausgabe von einander ähnlichen Produkten (‚im Geschmack von …‘) den Vorteil der wirksameren Kundenbindung. Der Druck führt zu einer Standardisierung der Produkte,7 welche von Serien geradezu verlangt wird: Schließlich müssen sie auf den ersten Blick als solche zu erkennen sein, damit die Marktstrategie aufgehen kann. Der findige Drucker/ Verleger kann auf diese Weise eine Marke erschaffen, die mit seiner Offizin/ seinem Verlag assoziiert wird. In Zeiten eines unüberschaubar werdenden Angebots8 kann er sich damit von Konkurrenten absetzen, sich eventuell sogar effektiver gegen Imitation und Nachdruck schützen.

3 Giesecke (Anm. 2), S. 395 f. 4 Vgl. Giesecke (Anm. 2), z. B. S. 396, S. 402; Jan-Dirk Müller: Formen literarischer Kommunikation im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Die Literatur im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Hg. von Werner Röcke u. Marina Münkler. München, Wien 2004 (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bd. 1), S. 21–53, hier S. 36. 5 Vgl. Jan-Dirk Müller: Der Körper des Buches. Zum Medienwechsel zwischen Handschrift und Druck. In: Mediengebrauch und Erfahrungswandel. Beiträge zur Kommunikationsgeschichte. Hg. von Detlev Schöttker. Göttingen 2003 (UTB 2384), S. 107–118, hier S. 112. 6 Vgl. Giesecke (Anm. 2), z. B. S. 425 ff. 7 Vgl. Müller: Formen literarischer Kommunikation im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (Anm. 4), S. 45 f. 8 Vgl. Giesecke (Anm. 2), z. B. S. 412.  











3 Der Buchdruck/-markt als Voraussetzung für den Serienroman

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Der Serienroman erscheint also für den Buchmarkt wie geschaffen. Seine Vorteile müssen Autoren, Drucker und Verleger des Amadisromans schnell erkannt haben, auch wenn sie es anfänglich vielleicht nur auf den Bestseller abgesehen hatten. Elizabeth Eisenstein sieht schon den Druck der Frühzeit durch Wettbewerb geprägt, was die schnelle Aufnahme von Innovationen begünstigt hat.9 Insbesondere die systematische Aufschwellung des Amadisromans in Italien lässt bestimmt den Schluss zu, dass der Verleger Michele Tramezzino das Prinzip ‚Serie‘ verstanden hat. Entgegengesetzt werden kann den vorgetragenen Argumenten, dass der Grundstock des Amadisromans um 1500 in Spanien entsteht, wo der Buchdruck erst wenige Jahrzehnte zuvor eingeführt worden war. Mit ausgereiften Marktstrukturen ist hier noch nicht zu rechnen. Schon das Titelblatt der ältesten überlieferten Ausgabe (Abb. 1) weist auf ein früheres Stadium des Buchdrucks hin. Der Abstand zur italienischen Version (Abb. 2)10 aus Tramezzinos venezianischer „Übersetzungsfabrik“11 ist beträchtlich. Einen aufschlussreichen Wandel macht die Serie in Frankreich durch. Sie hat zunächst noch gar nichts mit Gieseckes ‚Massenartikel‘ gemein. Marian Rothstein zufolge geben sich die französischen Folio-Bände, die ab 1540 erscheinen (Abb. 3), optisch als völlig neuartiges „modern luxury product“12 zu erkennen und richten sich dementsprechend an ein elitäres Publikum.13 Nicolas d’Herberay des Essars überträgt die ersten acht Bände, sein Name auf dem Titelblatt wird zu einem regelrechten Markenzeichen.14 Dies gilt umso mehr für die Neuauflagen,

9 Vgl. Elizabeth Lewisohn Eisenstein: Die Druckerpresse. Kulturrevolution im frühen modernen Europa. Wien 1997 (Ästhetik und Naturwissenschaften: Medienkultur), S. 21. 10 Das Exemplar der Lippischen Landesbibliothek scheint weitgehend unbekannt zu sein, zumindest erwähnt Stefano Neri es nicht: Note sulla prima edizione conservata de I Quattro Libri di Amadis di Gaula (Venezia, 1547) nell’esemplare unico della Bancroft Library (University of California). In: Tirant 13 (2010), S. 51–72. 11 Hilkert Weddige: Die Historien vom Amadis auss Franckreich. Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption. Wiesbaden 1975 (Beiträge zur Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 2), S. 41. 12 Marian Rothstein: Reading in the Renaissance: Amadis de Gaule and the lessons of memory. Newark (Delaware) 1999, S. 33. 13 Die Übersetzung ist wohl vom König selbst angeregt worden; vgl. Rothstein: Reading in the Renaissance (Anm. 12), S. 116. 14 Vgl.: Virginia Krause: Serializing the French Amadis in the 1540s. In: Charting change in France around 1540. Hg. von Marian Rothstein. Selinsgrove 2006, S. 40–62, hier S. 49; Mireille Huchon: Amadis, „Parfaicte Idée de nostre Langue Françoise“. In: Les Amadis en France au XVIe siècle. Cahiers V. L. Saulniers 17 (2000), S. 183–200. Rothstein geht davon aus, dass mit der Erwähnung von Des Essars adlig-militärischer Position auf dem Titelblatt die Lektüre vor allem Gleichgesinnten empfohlen wird; vgl. Rothstein: Reading in the Renaissance (Anm. 12), S. 115 Fn. 40.

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3 Der Buchdruck/-markt als Voraussetzung für den Serienroman

Abb. 1: Älteste überlieferte Aufl., Saragossa: Coci 1508.15

Abb. 2: Älteste erhaltene Aufl., Venedig: Tramezzino 1547.16

Abb. 3: Erstaufl. in Folio, Paris: Janot 1540.17

Abb. 4: Neuaufl. im Sedezformat, Paris: Groulleau 1557.18

15 Titelblatt eines nicht ermittelten Exemplars; Druck vorhanden in der British Library, Signatur: C20e6. 16 Exemplar der Lippischen Landesbibliothek Detmold, Signatur: F 333. 17 Exemplar der Bibliothèque nationale de France, Signatur: RES-Y2–92. 18 Exemplar der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Signatur: Dk 2114 a (1).

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die Informationen zum Inhalt regelmäßig streichen und den Titel ganz auf den gefeierten Bearbeiter zuspitzen. 1559 erscheint der erste Thresor, eine rhetorische Blütenlese aus dem Amadisroman. Im bescheideneren Oktav-Format wendet sich die Exempelsammlung an eine Leserschaft, die ihre sprachlichen Fähigkeiten schulen will.19 Das Interesse an den repräsentativen Ausgaben der Romanserie hat zu diesem Zeitpunkt spürbar nachgelassen und interessanterweise kommen nach 1559 auch keine neuen Folio-Bände mehr heraus;20 schon seit 1548 war der Amadis auch in Oktav gedruckt worden, ab 1557 sogar im Sedezformat.21 Virginia Krause stellt fest: „During the Renaissance the book assumed the status of merchandise, and this new status shaped its material form.“22 Offenkundig hat der französische Amadisroman ein neues, breiteres Publikum gefunden.23 Véronique Benhaïm beschreibt die Thresors als Vermittler dieses Prozesses.24 Oben abgebildet ist eine Neuauflage des ersten Bandes von 1560 aus der Werkstatt Groulleaus (Abb. 4), der ein Jahr zuvor den ersten Thresor des douze livres d’Amadis de Gaule herausgebracht hatte. Der deutsche Verleger Feyerabend hat von vornherein eine möglichst breite Leserschaft angesteuert: Bereits Angehörige der städtischen, unteren Mittelschicht könnten als Abnehmer in Frage gekommen sein.25 Unabhängig vom Grad der Standardisierung der Druckerzeugnisse oder vom intendierten Publikum zeugt der Amadisroman von einem veränderten Leseverhalten, das sich sinnvoll mit Rolf Engelsings viel zitierter Unterscheidung von intensiver und extensiver Lektüre beschreiben lässt. Den Umschlag von der einen zur anderen setzt er allerdings erst für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts an: Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war der typische Gewohnheitsleser ein intensiver Leser, der eine kleine Auswahl von Büchern oder ein einziges Buch immer wieder las, seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ein extensiver Leser, der zahlreiche Bücher las und ein einzelnes selten oder überhaupt nicht wieder vornahm.26

19 Vgl. Rothstein: Reading in the Renaissance (Anm. 12), S. 40. 20 Vgl. Rothstein: Reading in the Renaissance (Anm. 12), S. 125 f. 21 Vgl. Stephen Rawles: The Earliest Editions of Nicolas de Herberay’s Translations of Amadis de Gaule. In: The Library. The Transactions of the Bibliographical Society, 6. Serie, 3, 2 (1981), S. 91–108, hier S. 101 f. 22 Krause (Anm. 14), S. 41. 23 Vgl. Michel Simonin: La disgrâce d’Amadis. In: Studi francesi 28, 1 (1984), S. 1–35. 24 Vgl. Véronique Benhaïm: Les Thresors D’Amadis. In: Les Amadis en France au XVIe siècle. Cahiers V. L. Saulniers 17 (2000), S. 157–181, hier S. 161. 25 Vgl. Weddige (Anm. 11), S. 120. 26 Rolf Engelsing: Die Perioden der Lesergeschichte in der Neuzeit. Das statistische Ausmaß und die soziokulturelle Bedeutung der Lektüre. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 10 (1970), Sp. 945–1002, hier Sp. 959.  



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3 Der Buchdruck/-markt als Voraussetzung für den Serienroman

Die Produktion einer Serie lässt darauf schließen, dass man schon im 16. Jahrhundert mit einer extensiven Lektüre gerechnet hat, auch wenn dies sicherlich noch keine dominante Lektürehaltung war. Entsprechend müssen denn auch die recht beeindruckenden Hochrechnungen zu den Gesamtzahlen gedruckter Amadisbücher relativiert werden, wie auch Weddige anmerkt: Diese rechnerische Streuungsdichte bietet aber schon insofern ein falsches Bild, als in ihr zunächst der bei der Serie recht wahrscheinliche Fall eines Kaufes mehrerer Bücher durch einen Leser unberücksichtigt bleibt.27

Dass ein Leser überhaupt mehrere Bücher kaufen kann, ist noch ziemlich neu.28 Genauso neu ist, dass man mit diesem Lesertyp kalkuliert und ihn gezielt anspricht. Folgendes Gedicht ist dem französischen Buch V vorangestellt und bringt nur zu genau auf den Punkt, wie man sich den Leser des Amadisromans vorstellt: QVand d’Amadis i’ay veu le premier liure, Il me fait estre amoureux du second: Et ceste amour ne me veult laisser viure Sans veoir le tiers, tant me semble facond: Et puis ce tiers, qui au quart me semond, Me fait plus fort desirer le cinqiesme. Mais n’y voyant encor’ point de sixiesme [!]. Ie me souhaite estre au commencement, Pour le plaisir, & grand contentement, Que c’est de veoir ce liure gracieux: Ainsi traduict aux hommes proprement, Comme s’il eust esté fait pour les dieux.29 [Als ich von Amadis das erste Buch sah, / macht(e) es mich verliebt in das zweite: / Und diese Liebe will mich nicht leben lassen / ohne das Dritte zu sehen, so reichhaltig erscheint es mir: / Und dann das Dritte, welches mich zum Vierten ruft, / lässt mich das Fünfte stärker begehren. Aber weil ich das Sechste noch nicht sehe, / wünsche ich mich wieder an den Beginn, / wegen der Freude und der großen Zufriedenheit, die es bedeutet dieses anmutige Buch zu sehen: / auf eine solche Weise für Menschen übersetzt, / als ob diese Übersetzung für Götter gemacht worden wäre.]

27 Weddige (Anm. 11), S. 114. Die komplette Serie wird trotzdem für kaum jemanden erschwinglich gewesen sein. Nicht zuletzt deswegen werden mit den frz. Thresors und den dt. Schatzkammern Exzerptsammlungen angeboten, die unter rhetorischen Gesichtspunkten aus dem Amadis auswählen; vgl. ebd., S. 116. 28 Vgl. z. B. Müller: Formen literarischer Kommunikation im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (Anm. 4), S. 22. 29 Le Cinqiesme Liure d’Amadis de Gaule […]. Paris: Jan Longis 1550, fol. ã iiiv: „Mathurin Behu, bailly de Giuaudan, Aux lecteurs.“ Das Gedicht ist bereits in der Erstausgabe von 1540 enthalten.  

3 Der Buchdruck/-markt als Voraussetzung für den Serienroman

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Der Amadisroman wird hier als „chain of installments with no center and no driving force beyond the reader’s own desire“30 gefasst. Dieser Grad an Selbstreflexion, den Krause als charakteristisch für die französische Serie bezeichnet,31 findet sich im deutschen Amadis nicht. Aber auch unausgesprochen wenden sich Serien an einen Rezipienten, der mit dem Konsumenten zu identifizieren ist. Es darf festgehalten werden, dass das Entstehen des Serienromans Amadis vielleicht nicht so sehr den ausgebildeten Buchmarkt, aber sehr wahrscheinlich doch die Erfindung des Buchdrucks voraussetzt. Dass der Buchmarkt die Vorteile eines Serienromans allerdings bald erkennt und sich zunutze macht. Und dass ein Publikum bedient wird, das regelmäßig konsumieren kann und will. So taucht der Serienroman nicht zufällig zu Beginn des Buchdruckzeitalters auf, lückenlos präsent scheint er von da an jedoch nicht gewesen zu sein. Zur entscheidenden Weiterentwicklung der Serienform ist es wohl erst mit dem Feuilletonroman gekommen. Mit dem gedruckten Buch hat die Serie ihr ideales Medium jedenfalls noch nicht gefunden.

30 Krause (Anm. 14), S. 47. 31 Vgl. Krause (Anm. 14), S. 48.

4 Sigmund Feyerabend als Herausgeber des deutschen Amadisromans Dass ausgerechnet Sigmund Feyerabend1 den Amadisroman für den deutschen Buchmarkt entdeckte und mittels eines Privilegs gegen Nachdruck für sich sicherte,2 ist wenig verwunderlich; schließlich ist die Romanserie in Spanien, Italien und Frankreich bereits ein Riesenerfolg: Dieser Erfolg konnte einen geschäftstüchtigen Verleger wie Sigmund Feyerabend wohl zur Nachahmung reizen, zumal der deutsche Buchmarkt der Übersetzung eines solchen Moderomans in doppelter Hinsicht aufnahmebereit gegenüberstand: einerseits war das Interesse für romanische Literaturen zumindest in der adeligen und bürgerlichen Oberschicht um 1570 schon beträchtlich, andererseits jedoch die Kenntnis romanischer Sprachen noch gering.3

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war Feyerabend der bedeutendste Verleger Frankfurts, das als Messestadt zur Metropole des Buchdrucks und Buchhandels im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus aufgestiegen war.4 Gerade auch im Bereich der volkssprachlichen Erzählliteratur konnte sich Frankfurt von Straßburg und Augsburg absetzen.5 In Verbindung mit verschiedenen Kompagnons, u. a. in der sogenannten ‚Cumpanei‘ mit den Han-Erben und Georg Rab,6  

1 Vgl. Josef Benzing: Die deutschen Verleger des 16. und 17. Jahrhunderts. Eine Neubearbeitung. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 18 (1977), Sp. 129 f. 2 Vgl. Hilkert Weddige: Die Historien vom Amadis auss Franckreich. Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption. Wiesbaden 1975 (Beiträge zur Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 2), S. 44. 3 Weddige (Anm. 2), S. 43. 4 Vgl. Tina Terrahe: Frankfurts Aufstieg zur Druckmetropole des 16. Jahrhunderts. Christian Egenolff, Sigmund Feyerabend und die Frankfurter Buchmesse. In: Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse. Strategien und Institutionen literarischer Kommunikation im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Hg. von Robert Seidel u. Regina Töpfer. Frankfurt a. M. 2010 (Zeitsprünge 14, 1–2), S. 177–194. 5 Vgl. Jan-Dirk Müller: Formen literarischer Kommunikation im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Die Literatur im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Hg. von Werner Röcke u. Marina Münkler. München, Wien 2004 (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bd. 1), S. 21–53, hier S. 41. 6 Vgl. Imke Schmidt: Die Bücher aus der Frankfurter Offizin Gülfferich – Han – Weigand HanErben. Eine literarhistorische und buchgeschichtliche Untersuchung zum Buchdruck in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Wiesbaden 1996 (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 26), z. B. S. 35.  





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beschränkte sich Feyerabend auf das Verlagsgeschäft,7 von dem bald ein Großteil der Frankfurter Drucker abhängig war.8 Heinrich Pallmann zeichnet in seiner Biografie das Bild eines skrupellosen Geschäftsmannes;9 allerdings befand man sich noch weitgehend im rechtsfreien Raum.10 Bedenkenlos nachgedruckt hat etwa auch Feyerabends größter Konkurrent Nikolaus Basse.11 Wahrscheinlich wegen juristischer Streitigkeiten verlegte Feyerabend einige Zeit unter dem Namen seines Sohnes Hieronymus, der somit im zarten Alter von sechs Jahren als Herausgeber des ersten Amadis-Bandes in Erscheinung tritt.12 Das Verlagsprogramm Feyerabends ist breit gefächert: Neben dem Bibeldruck ist er vor allem für seine Bildbücher bekannt. Besonders einträglich dürfte die Massenproduktion von lateinischsprachiger Rechtsliteratur gewesen sein.13 Grundsätzlich lässt sich unter den Frankfurter Druckerverlegern eine Hinwendung zur Volkssprache und zum Populärwissenschaftlichen feststellen, die auch Feyerabends Produktion kennzeichnet.14 Im Gegensatz zu anderen Offizinen weisen seine Verlagsprodukte jedoch einen hohen Standard auf,15 wobei die sorgfältige Ausstattung mit Holzschnitten besonders hervorzuheben ist, die vielfach von Jost Amman entworfen wurden.16 Mit dem Amadisroman führte Feyerabend einen neuen, modischen Stoff ein; weniger aktuelle Texte wusste er den Publikumsbedürfnissen anzupassen und werbewirksam in Szene zu setzen.17

7 Vgl. Alexander Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte. Bd. 3. Frankfurt a. M. 1921, S. 12–89, hier S. 13, S. 29 f. 8 Vgl. Terrahe (Anm. 4), S. 189. 9 Vgl. Heinrich Pallmann: Sigmund Feyerabend, sein Leben und seine geschäftlichen Verbindungen. Frankfurt a. M. 1881 (Archiv für Frankfurt’s Geschichte und Kunst, Neue Folge 7). 10 Vgl. Terrahe (Anm. 4), S. 192. 11 Vgl. Dietz (Anm. 7), S. 34. 12 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 44. 13 Vgl. Dietz (Anm. 7), S. 29 ff. 14 Vgl. Dietz (Anm. 7), S. 14 f. 15 Vgl. Erhard Heinrich Georg Klöss: Der Frankfurter Drucker-Verleger Weigand Han und seine Erben. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 2 (1960), S. 309–374, hier S. 331, S. 344; Weddige (Anm. 2), S. 47. 16 Vgl. Ilse O’Dell: Jost Ammans Buchschmuck – Holzschnitte für Sigmund Feyerabend. Zur Technik der Verwendung von Bildholzstöcken in den Drucken 1563–1599. Wiesbaden 1993 (Repertorien zur Erforschung der frühen Neuzeit 13). 17 Vgl. für das Heldenbuch: Klöss (Anm. 15), S. 315; für das Reyßbuch: Anne Simon: Product, packaging and purpose: the recycling of the Reyßbuch (1584–1659). In: Oxford German Studies 26, 1 (1997), S. 73–100, hier S. 76 f.; für das Buch der Liebe: Thomas Veitschegger: Das Buch der Liebe. Ein Beitrag zur Buch- und Verlagsgeschichte des 16. Jahrhunderts. Mit einem bibliographischen Anhang. Hamburg 1991 (Studien zur Geschichtsforschung des Mittelalters 1), S. 187.  











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Im Angebot hatte Feyerabend auch einige Erzählsammlungen, die als geradezu typisch für sein Verlagsprogramm gelten können,18 darunter: Heldenbuch (1560 und 1590), Theatrum Diabolorum (1569, 1575 und 1587/88),19 Kurtzweilige vnd Lcherliche Geschicht V Historien (1583),20 Amadis-Folioband (Bücher I bis XIII, 1583), Reyßbuch des heyligen Lands (1584)21 und das dreizehn Prosaromane umfassende Buch der Liebe (1587).22 Thomas Veitschegger setzt für die Sammelbände eine Auflagenhöhe von ca. 1.000 Stück an.23 Obwohl mit hohen Produktionskosten gerechnet werden kann, scheinen sich die Sammlungen durchaus rentiert zu haben.24 Den Kompendien lässt sich das Bemühen um ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild deutlich ablesen: Veitschegger spricht vom „bewußt gestalteten Charakter“ des Buchs der Liebe, das es vom „einfachen Mischband“ abhebt.25 Ähnliches gilt für das Reyßbuch, das neben Titelblatt, Vorwort und Layout auch 18 Vgl. John Lewis Flood: Sigmund Feyerabends Buch der Liebe (1587). In: Liebe in der deutschen Literatur des Mittelalters. St. Andrews colloquium 1985. Hg. von Jeffrey Ashcroft u. a. Tübingen 1987 (Publications of the Institute of Germanic Studies, University of London 40), S. 204–220, hier S. 207. 19 Es handelt sich um jeweils erweiterte Neuauflagen; vgl. Veitschegger (Anm. 17), S. 216. 20 Kurtzweilige vnd Lcherliche Geschicht V Historien Die wol in Schimpff vnd Ernst mgen gelesen werden. […] Hierzu seindt kommen die hundert neuwe Historien / sonst Cento Nouella genannt / welche kurtzweilig zu lesen / […]. Sampt einem kurtzen Außzug der frnembsten Historien deß Rollwagens / Gartengesellschafft vnd Wegkrtzers / […]. Jetzundt alles auffs new vbersehen / vnd an vielen orten gemehret. Dergleichen noch nie in Truck außgangen. Mit angehengtem vollklichen vber jedes Theil insonderheit Register. Frankfurt: Feyerabend 1583; Hervorhebung im Original (VD16 P 969, VD16 B 5828, VD16 W 2396). 21 Enthält 16 Reiseberichte (u. a. Mandevilles Reisen sowie die Beschreibungen des Nürnberger Patriziers Hans Tucher und des Augsburger Botanikers Leonhard Rauwolff) plus zwei weitere Texte; vgl. Anne Simon: Publishers’ prefaces – the sixteenth century Reader’s Digest? In: German Life and Letters 49, 4 (1996), S. 387–404, hier S. 388 f. 22 Enthält Kaiser Octavian, Die schöne Magelona, Ritter Galmy, Tristrant, Camillus und Emilia, Florio und Bianceffora, Theagenes und Chariclia, Gabriotto und Reinhard, Melusina, Der Ritter vom Thurn, Pontus und Sidonia, Herzog Herpin, Wigoleis vom Rade; vgl. Flood (Anm. 18), S. 206. Vgl. Überlegungen zur Zusammenstellung der Texte von: Ingrid Bennewitz: [Art.] Buch der Liebe. In: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon. Bd. 1 (2011), Sp. 393–396; dies.: Liebesimaginationen, Rollencharakteristik und Textillustration im Prosaroman. In: Eros – Macht – Askese. Geschlechterspannungen als Dialogstruktur in Kunst und Literatur. Hg. von Helga Sciurie u. Hans-Jürgen Bachorski. Trier 1996, S. 343–360 sowie Rosmarie Zeller: Das Buch der Liebe im moralischen Romandiskurs. In: Fortunatus, Melusine, Genovefa. Internationale Erzählstoffe in der deutschen und ungarischen Literatur der Frühen Neuzeit. Hg. von Dieter Breuer u. Gábor Tüskés. Bern 2010 (Beihefte zu Simpliciana 6), S. 147–166. 23 Vgl. Veitschegger (Anm. 17), S. 5. 24 Vgl. Veitschegger (Anm. 17), S. 213 ff. 25 Veitschegger (Anm. 17), S. 145 f., vgl. auch S. 207.  









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noch über Inhaltsverzeichnis, Marginalien und Register einen Zusammenhang zwischen den enthaltenen achtzehn Texten herstellt.26 John Lewis Flood zieht Parallelen zwischen dem Amadis-Folioband und dem Buch der Liebe: Neben der verbindenden Liebesthematik weisen die PrestigeAusgaben das gleiche Format und zahlreiche gemeinsame Holzschnitte auf. Auf die Verwandtschaft der beiden Sammelbände führt Flood auch die auffällige Aufnahme von je dreizehn Büchern zurück.27 Veitschegger weist darauf hin, dass diese Zahl im Buch der Liebe nicht hervorgehoben wird und versucht sein Konzept auf andere Weise zu erhellen. Dabei geht er unter anderem den Querverweisen zwischen den Texten (und ihren Paratexten) nach.28 Erschöpfend erklärt werden kann die exakte Auswahl auf diese Weise zwar nicht, doch tut sich gerade über die Querverweise ein gemeinsamer Horizont der Geschichten auf, der ihre Zusammenstellung nahegelegt haben könnte. Der Modus dieser Auswahl ist vom Amadis-Folioband klar unterschieden: Der besondere Reiz einer Sammlung wie der des Buchs der Liebe mag für das zeitgenössische Lesepublikum gerade in der Disparatheit der hier zusammengestellten Historien bestanden haben […].29

Auch das Reyßbuch vereint sehr verschiedenartige Titel, die das komplexe Vorwort zusammenspannt.30 Diese Leistung ist eventuell nicht (ausschließlich) auf Feyerabend zurückzuführen; Pallmann geht davon aus, dass der nur mäßig gebildete Verleger seine Vorreden nicht ohne Hilfe wird erstellt haben können.31 Vielleicht besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen den das Verlagsprogramm prägenden Sammelbänden und der Herausgabe der Amadis-Serie. Die Produktion erfolgt jedenfalls unter dem gleichen Vorzeichen der Vereinheitlichung. Schon in Frankreich war es allerdings zur „conscious serialization“32 des Amadisromans gekommen, sodass Feyerabend nicht als Urheber dieser Errungenschaften gelten kann. Doch ist die deutsche Serie noch übersichtlicher, weil es nicht zu Konkurrenzbänden kommt.33

26 Vgl. Anne Simon: Sigmund Feyerabend’s Das Reyßbuch deß heyligen Lands. A Study in Printing and Literary History. Wiesbaden 1998 (Wissensliteratur im Mittelalter 32), S. 35. 27 Vgl. Flood (Anm. 18), S. 217. 28 Vgl. Veitschegger (Anm. 17), S. 195 ff. 29 Veitschegger (Anm. 17), S. 223. 30 Vgl. Simon: Publishers’ prefaces – the sixteenth century Reader’s Digest? (Anm. 21), S. 391. 31 Vgl. Pallmann (Anm. 9), S. 59. 32 Virginia Krause: Serializing the French Amadis in the 1540s. In: Charting change in France around 1540. Hg. von Marian Rothstein. Selinsgrove 2006, S. 40–62, hier S. 40; vgl. auch Weddige (Anm. 2), S. 27. 33 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 36.  

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Die deutschen Bände erscheinen in hinreichend gleichförmiger Aufmachung (Oktavformat, Aufteilung des Titelblatts, Drucktypen, Rot-Schwarz-Druck, mehrfach mit Signet);34 sie werden durchnummeriert und tragen einen Serientitel (‚Das xte Buch (der Historien) vom Amadis auß Franckreich…‘). Der umfangreiche Titel setzt sich mit einer Information zum Inhalt des vorliegenden Bandes fort, gegebenenfalls folgen die Initialen des Übersetzers und/oder der Hinweis auf das intendierte (weibliche!) Publikum. Unten werden die Titelblätter der vier Auflagen von Buch I abgebildet: Das Titelblatt des allerersten deutschen Amadisbuchs von 1569 unterscheidet sich (noch) von den folgenden, außerdem fehlt die typische Nummerierung, was die Zweitauflage zwei Jahre später korrigiert. Auch bei der Verlagerung der Produktion nach Mömpelgard (3. Aufl. von 1594) und der Neuauflage durch Gottfried Tampach (4. Aufl. von 1617) wird an dieser Aufmachung festgehalten. Die nachstehende Tabelle stützt sich auf die von Hilkert Weddige zusammengetragenen Daten und soll einen Überblick über den Produktionsprozess in seiner zeitlichen Ausdehnung und mit den beteiligten Personen bieten. Die Nummerierung der einzelnen Ausgaben habe ich von Weddige übernommen, allerdings weicht die Anordnung zum Teil ab. Kursiv angegeben wurde die Zweitauflage von Buch II, die Weddige nicht nachweisen kann, deren Existenz er aber annimmt.35 Diese Lücke kann sehr wahrscheinlich geschlossen werden: Wie mir mitgeteilt wurde, lag der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt ein Druck vor, dem zwar das Titelblatt fehlt, der aber im Kolophon als Erscheinungsdatum 1574 angibt. Die auf 1570 datierte Vorrede wurde offenbar einfach von der Erstauflage übernommen.36 Ebenfalls wahrscheinlich, aber nach wie vor nicht belegbar, ist eine Neuauflage von Band XVI durch Gottfried Tampach.37

34 Anders ist nur das Titelblatt des allerersten Bandes von 1569 eingerichtet. 35 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 57. 36 Vgl. VD16 ZV 27672; der Druck wurde nach Auskunft der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Privatbesitz zurückgegeben. 37 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 56.

4 Sigmund Feyerabend als Herausgeber des deutschen Amadisromans

Abb. 1: Erstauflage von 1569.38

Abb. 2: Zweitauflage von 1571.39

Abb. 3: Mömpelgarder (!) Aufl. von 1594.40

Abb. 4: Nachdruck durch Gottfried Tampach, Frankfurt 161741

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38 Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Signatur: HB.79–1/2. 39 Exemplar der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, Signatur: LD 79. 40 Exemplar der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle (Saale), Signatur: AB S 3601(1). 41 Exemplar der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Signatur: 8 FAB II, 174:1.

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4 Sigmund Feyerabend als Herausgeber des deutschen Amadisromans

Tabelle 1: Übersicht über Auflagen, Drucker und Übersetzer/Autoren des deutschen Amadisromans. G. Tampach

Band

Erstauflage

Zweit- und ggf. Drittauflage

I

1.: 1569; Drucker: Peter Schmidt, Übersetzer: anonym

2.: 1571; Drucker: 4.: 1594; Drucker: 5.: 1617 Johann Schmidt Jacob Foillet

II

6.: 1570; Drucker: Johann Schmidt, Übersetzer: anonym

1574; Drucker: Johann Schmidt

8.: 1594; Drucker: 9.: 1617; Jacob Foillet Drucker: Erasmus Kempfer

III

10.: 1570; Drucker: Johann Schmidt, Übersetzer: I.VV.V.L.

11.: 1574; Drucker: Johann Schmidt

13.: 1595; Drucker: Jacob Foillet

IV

14.: 1571; Drucker: Johann Schmidt, Übersetzer: I.VV.V.L.

15.: 1574; Drucker: Paul Reffeler

17.: 1595; Drucker: Jacob Foillet

V

20.: 1572; Drucker: Johann Schmidt, Übersetzer: J.W.V.L.

21.: 1575; Drucker: Johann Schmidt

23.: 1595; Drucker: Johann Feyerabend 24.: 1595; Drucker: Jacob Foillet

VI

28.: 1572; Drucker: Peter Schmidt, Übersetzer: J.F.M.G.

29.: 1576; Drucker: Johann Schmidt

31.: 1595; Drucker: Jacob Foillet

VII

32.: 1573; Drucker: Georg Rab, Übersetzer: J.W.V.L.

34.: 1596; Drucker: Jacob Foillet

VIII

35.: 1573; Drucker: Georg Rab, Übersetzer: anonym

37.: 1597; Drucker: Johann Feyerabend

IX

38.: 1573; Drucker: Paul Reffeler, Übersetzer: anonym

40.: 1598; Drucker: Johann Feyerabend

X

41.: 1574; Drucker: Johann Schmidt, Übersetzer: anonym

43.: 1598; Drucker: Johann Feyerabend

XI

44.: 1574; Drucker: Johann Schmidt, Übersetzer: C.E.V.W.

46.: 1598; Drucker: Johann Feyerabend

XII

47.: 1574; Drucker: Johann Schmidt, Übersetzer: anonym

49.: 1598; Drucker: Johann Feyerabend

4 Sigmund Feyerabend als Herausgeber des deutschen Amadisromans

Tabelle 1: (fortgesetzt) Band

Erstauflage

Zweit- und ggf. Drittauflage

G. Tampach

XIII

50.: 1575; Drucker: ?, Übersetzer: J.W.V.L.

Suppl. 4

18.: 1578; Drucker: Michael Manger, Übersetzer: A.F.V.L.

19.: 1579; Drucker: Michael Manger

Suppl. 5.1

25.: 1578; Drucker: Michael Manger, Übersetzer: A.F.V.L.

26.: 1579; Drucker: Michael Manger

Suppl. 5.2

27.: 1578; Drucker: Michael Manger, Übersetzer: A.F.V.L.

Folio

1583, Bücher I bis XIII, Nummern nach Weddige: 3., 7., 12., 16., 22., 30., 33., 36., 39., 43., 45., 48. und 51.

XIV

53.: 1590; Drucker: Jacob Foillet, Übersetzer: J.R.V.S.

54.: 1610; Drucker: Johann Saur

XV

55.: 1590; Drucker: Jacob Foillet, Übersetzer: J.R.V.S.

56.: 1610/13; Drucker: Johann Saur

XVI

57.: 1591; Drucker: Jacob Foillet, Übersetzer: J.K.(?)V.S.

?

XVII

58.: 1591; Drucker: Jacob Foillet, Übersetzer: J.R.V.S.

59.: 1617

XVIII

60.: 1592; Drucker: Jacob Foillet, Übersetzer: J.R.V.S.

61.: 1617

XIX

62.: 1593; Drucker: Jacob Foillet, Übersetzer: anonym

XX

63.: 1593; Drucker: Jacob Foillet, Übersetzer: F.C.V.B.

XXI

64.: 1593; Drucker: Jacob Foillet, Übersetzer: F.C.V.B.

XXII

65.: 1594; Drucker: Jacob Foillet, Autor: E.(?)B.D.J.

XXIII

66.: 1594; Drucker: Jacob Foillet, Autor: E.(?)D.B.J.

XXIV

67.: 1595; Drucker: Jacob Foillet, Autor: E.M.B.M.

52.: 1598; Drucker: Johann Feyerabend

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4 Sigmund Feyerabend als Herausgeber des deutschen Amadisromans

Der zeitliche Abstand zwischen dem Erscheinen der Bände fällt knapp aus, was einerseits für die Nachfrage spricht, andererseits Voraussetzung dafür ist, dass die Rezeption auch ‚in Serie‘ erfolgen kann. Sicherlich waren für ein solches verlegerisches Unternehmen Ressourcen und Kontakte vonnöten, über die Feyerabend verfügte. Weddige stellt fest, dass Feyerabend die Produktion planvoll angegangen sein muss, es lasse sich aber nicht ohne Weiteres ableiten, dass die Übersetzer parallel an den Bänden gearbeitet hätten,42 wie die ältere Forschung annimmt.43 Dass ein solches Verfahren auch gar nicht vorausgesetzt werden muss, zeigt schon der Produktionsrhythmus des Übersetzers J.R.V.S. – Weddige löst die Initialen als Jacob Rahtgeb von Speyer auf44 – und des Mömpelgarder Druckers Jacob Foillet.45 Während Foillet die zweite Hälfte der Serie gewissermaßen im Alleingang herstellte, tritt als Drucker der ersten Hälfte vor allem Johann Schmidt in Erscheinung, vermutlich ein reiner Lohndrucker, der überwiegend für Feyerabend gearbeitet hat.46 Warum Feyerabend nach Buch XIII (1575) die Herstellung von weiteren Amadisbüchern für etwa 15 Jahre aussetzte, bleibt rätselhaft. Gerade die Unterbrechung nach Buch XIII leuchtet nicht ein, denn die Bände XIII und XIV bilden gemeinsam die Fortsetzung um den Amadisritter Sylves. Weddiges Erklärung kann jedenfalls nicht vollends überzeugen: Nach dem XIII. Buch gerät die Reihe neuer Amadis-Ausgaben zunächst ins Stocken, weil die französischen Fortsetzungsbände, auf deren Übersetzung sich der Feyerabend-Verlag anscheinend festlegt, noch auf sich warten lassen. Erst Ende des Jahres 1574 erscheint ja das XIV. Buch Antoine Tyrons, und die Bücher XV–XXI folgen ab 1577.47

42 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 38 ff. 43 Vgl. z. B. Maximilian Pfeiffer: Amadisstudien. Mainz 1905, S. 41. 44 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 71 ff. Zu Jacob Rahtgeb vgl. meinen in Kürze erscheinenden Artikel in: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon. Bd. 5 (erscheint voraussichtl. 2015). 45 Vgl. Christoph Reske: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing. Wiesbaden 2007 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 51), S. 616 f. 46 Vgl. Reske (Anm. 45), S. 232. 47 Weddige (Anm. 2), S. 32. In Frankreich erfolgte zwar auch eine Pause, jedoch zwischen Band XII (1556) und Band XIII (1571); vgl. hierzu auch Stephen Rawles: The Earliest Editions of Nicolas de Herberay’s Translations of Amadis de Gaule. In: The Library. The Transactions of the Bibliographical Society, 6. Serie, 3, 2 (1981), S. 91–108, hier S. 101.  







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Schon in der Widmungsvorrede zu Buch XI vom 18. März 1574 kündigt Feyerabend an, die ersten dreizehn Bände en bloc in Folio veröffentlichen zu wollen;48 dort erwähnt er auch die große Beliebtheit der Serie, welche der Grund dafür sei, daß ichs nit hab knnen vnderlassen / damit die Historia vom Amadis mchten zusamen koen / vnd Gott Lob / so weit bracht / daß es nur noch zwey Theyl fehlet / Als nemlich das Zwlfft vnd dreyzehend (welche ob Gott will) die Herbstmeß 1574. auch sollen inn Druck auß kommen / dann ich kein History weiß / da grsser nach fragen von grossen gewaltigen Personen ist (als nach diesen) […].49

In der Widmungsvorrede zu Buch XIII verspricht der Verleger dann – wie schon zuvor in Buch XII – in einer zwar etwas unbestimmten, aber doch eindeutig auf den Amadisroman bezogenen Formulierung „andere Bcher vnnd Continuation History“. Undenkbar, dass der geschäftstüchtige Verleger zeitweilig das Interesse verloren hatte. Auch eine momentane Sättigung des Marktes ist eher unwahrscheinlich. So wird die Herausgabe des Foliobandes gerade mit dem Verkaufserfolg der Amadisbücher begründet, Welche auch dermassen angenommen / auffgekaufft / vnd gelesen worden / daß alle derselben Exemplaria in kurtz abgangen / verkaufft worden / vnd in grosse nachfrag gerahten / Derowegen denn ich von verstndigen Leuten / solche Bcher von Amadis / so viel deren in vnsere Teutsche sprach vertiert worden / in guter richtiger Ordnung in ein Werck zusammen zu richten / vnd widerumb außgehen zu lassen / bittlich angelangt worden bin.50

Zudem kündigt das Titelblatt zum zweiten Teil der Folioausgabe fehlerhaft fünfzehn Bände an; weitere Übersetzungen waren zu diesem Zeitpunkt also möglicherweise bereits fest eingeplant. Die Zusammenstellung der ersten dreizehn Bücher in einem kostbaren Band zeugt jedenfalls von der Wertschätzung, die man der Romanserie entgegenbrachte, und natürlich von dem engen (seriellen) Zusammenhang der Einzelbände, die gemeinsam und „in guter richtiger Ordnung“ Deß Streitbaren Helden / Amadis auß Franckreich Sehr schne Historien ergeben. Mit dem Druck betraute Feyerabend seinen Cousin Johann Feyerabend, der ebenfalls mehrfach für ihn und seine Erben tätig war.51 Wohl weil der Nachschub aus Frankfurt ausblieb, brachten 1578/1579 die Augsburger Georg Willer und Michael Manger Übersetzungen der ersten beiden italienischen Supplemente (zu Buch IV und V, letzteres in zwei Bänden) heraus, wobei sie mit der Wahl der italienischen Vorlage Privilegienstreitigkeiten aus dem 48 49 50 51

Vgl. Flood (Anm. 18), S. 217. Amadis XIII, Widmungsvorrede, fol. )( ijv. Amadis-Folioband, fol. )( iijr. Vgl. Reske (Anm. 45), S. 237 f.  

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Weg gehen konnten.52 Geschickt imitieren die Bände das Erscheinungsbild der Frankfurter Serie,53 trotzdem verläuft das Unternehmen im Sande: Die Neuauflage von 1579 bricht abrupt nach dem ersten Teil des zweiten Supplements ab.54 Dass die Supplementbände ihren Platz in der Serie nicht gefunden haben, lässt sich schon daran erkennen, dass sie zunächst als Anhang zum vierten und fünften Buch, dann als Buch 14 und 15 firmieren.55 Der Vorstoß der Augsburger blieb nicht unbeachtet. In der Vorrede zum 1590 erschienenen Buch XIV heißt es, dass vor ettlich Jahren ein Buch zu Augspurg gedruckt / auß Jtalienischer Sprach tranßferiert / vnder diesem Tittul außgangen / welches doch inn warheit nicht der rechten History / sondern eigentlich dauon zureden / nur ein anhang deß vierdten Buchs Amadis gewesen ist […].56

Mit der gleichen Formulierung wird auch auf dem Titelblatt proklamiert, wer das ‚Markenrecht‘ auf die Serie innehat: „Das Viertzehende Buch der rechten Historien vom Amadis auß Franckreich“.57 Erschienen ist Buch XIV zwar erst nach Feyerabends Tod, Weddige nimmt aber an, dass er Jacob Foillet noch mit der Herstellung beauftragt hat.58 Die Bände XIV und XV könnte Foillet auf eigene Rechnung gedruckt haben, in der Folgezeit übernimmt er für die Feyerabend-Erben die Serien-Produktion.59 Foillet scheint vom Frankfurter Großverleger gelernt zu haben, wenn er bald nach Fertigstellung des letzten Amadis-Bandes XXIV (1595) den ersten Band der fünfteiligen Juliana (1595–1617) herausbringt. Zwar erzählt dieser Text nicht im engeren Sinne seriell, gehört aber schon der nächsten großen Modewelle an: der der Schäferromane.60 Aufschlüsse darüber, wie der Feyerabend-Verlag die serielle Form des Amadisromans einschätzte und welche Erwartungen er daran knüpfte, versprechen

52 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 58. 53 Weddige (Anm. 2), S. 36. 54 Weddige (Anm. 2), S. 57 f. 55 In Suppl. 5.1 (1578) wird gar vorgeschlagen, den vorliegenden Band als siebten zu zählen (vgl. Widmungsvorrede, fol. A vr). Das Chaos ist somit perfekt! 56 Amadis XIV, Vorrede des Übersetzers J. R. V. S., fol. (:) vr. 57 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 33. 58 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 51. 59 Vgl. Weddige (Anm. 2), S. 49 ff. 60 Vgl. meine beiden Beiträge im Sammelband: Imprimeurs et libraires de la Renaissance: le travail de la langue. Sprachpolitik der Drucker, Verleger und Buchhändler der Renaissance. Hg. von Elsa Kammerer u. Jan-Dirk Müller. Genf 2015 (De lingua et linguis I), S. 253–259 u. S. 383–397 (im Erscheinen).  



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die Vorreden.61 Jedoch setzen sich die immer wieder in verschiedenen Kombinationen abgedruckten Widmungs-, Leser- und Reimvorreden zum Amadis62 mit seiner speziellen Machart überraschend wenig auseinander. In einem Fall wird nur das Nicht-Erfüllen von Lesererwartungen thematisiert, und zwar in einer aus dem Französischen übersetzten Vorrede zum fünfzehnten Band: GVnstiger Leser / Ob dir wol zu endt vorgehenden viertzehenden Buchs / zugesagt vnd verheissen worden / von den Ritterlichen Mannhafften Thatten / der beyden Jungen Printzen Spheramonds vnnd Amadis vom Gestirn / inn diesem funfftzehenden Buch zu tractieren / So ist doch demselbigen Tranßlatori die ferrnere Continuation / der Ritterlichen Thatten / deß vnuerzagten Frsten Silues vom Walde / dazumaln noch vnbekandt gewesen / vnnd erst seidthero auß den Constantinopolischen Annalibus gezogen worden / […].63

Freilich ist dies nicht die einzige übersetzte Vorrede in der deutschen Serie, doch erscheint der kurze Text in diesem Fall tatsächlich unverzichtbar. Bei Buch XV handelt es sich nämlich um einen italienischen Supplementband, der aus unerfindlichen Gründen in die französische Serie geraten ist. Sein Einschub muss erklärt werden, weil er das auf charakteristische Weise Ausgesparte und für die Fortsetzung Angekündigte nicht liefert. Ansonsten stellt der Herausgeber den Widmungsträgerinnen bei Gefallen die Zueignung weiterer „Bcher vnnd Continuation dieser History“64 in Aussicht. Nur vage scheint das Wissen darum auf, dass das serielle Erzählen ein Bedürfnis nach ,Mehr‘ schafft; in Buch V heißt es erstmals in der Widmungsvorrede: Jch trag auch gentzlich kein zweiffel / wenn E. F. G. ermelte historien lesen werden Eu. F. G. werden die andern auch begeren / darauß zuuernemen / was solche Frantzsische History

61 Zu den Vorreden vgl. Stefanie Schmitt: Inszenierung von Glaubwürdigkeit. Studien zur Beglaubigung im späthöfischen und frühneuzeitlichen Roman. Tübingen 2005 (MTU 129), Kap. IV und V. 62 Das ‚Baustein-Prinzip‘ des Amadisromans hat sein Gegenstück in den Vorreden. Auch wenn die Supplementbde. aller Wahrscheinlichkeit nach ein Ärgernis für den Feyerabend-Verlag gewesen sind, hat sich Sigmund Feyerabend doch nicht gescheut, Teile der Vorrede zu Suppl. 4 in die Vorrede zu seiner repräsentativen Folio-Ausgabe zu übernehmen. 63 Amadis XV, „Deß Frantzsischē Tranßlatoris Vorrede / an den Leser.“, unfoliiert. 64 Amadis I, Widmungsvorrede, fol. )( 3v. Vgl. außerdem: Amadis I, Leservorrede, unfoliiert; Amadis II, Widmungsvorrede, fol. )( iiijv; Amadis IV, Widmungsvorrrede, unfoliiert; Amadis V, Widmungsvorrede, fol. :( iiijv; Amadis VI, Widmungsvorrede, fol. ):  iiijv; Amadis VII, Widmungsvorrede, fol. )( iiijr; Amadis VIII, Widmungsvorrede, fol. )( 3v; Amadis IX, Widmungsvorrede, fol. )( viiij; Amadis XIII, Widmungsvorrede, fol. )( iiijv; Amadis XIV, Widmungsvorrede, fol. (:) ijv.

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innhalt / der hoffnung Eu. F. G. werde auch solche in Teutscher sprach dero G. gefallen lassen.65

Serielles Erzählen verlangt also keine besondere Hervorhebung oder Erläuterung; die Abhängigkeit von der Gunst der Rezipienten wird zwar deutlich gemacht, ist aber natürlich vor allem der Textform der Widmungsvorrede geschuldet.

65 Amadis V, Widmungsvorrede, fol. :( iiijr. Vgl. außerdem: Amadis VI, Widmungsvorrede, fol. ): iiijr; Amadis VII, Widmungsvorrede, fol. )( iiijr; Amadis XI, Widmungsvorrede, fol. )( iiijr; Amadis XII, Widmungsvorrede, fol. )( iiijr; Amadis XIII, Widmungsvorrede, fol. )( iiijr; Amadis XIV, Leservorrede, unfoliiert; Amadis XV, Leservorrede, fol. (…) iiijv; Amadis XVII, Widmungsvorrede, fol. )( iijr.

5 Konzeptbegriffe der Serienforschung Aus literaturwissenschaftlicher Sicht ist die Serienforschung ein nahezu unbestelltes Feld. Den Grund dafür wird man vielleicht darin sehen dürfen, dass das schlichte Nachfolge-Verhältnis von Ausgangstext und Fortsetzung im Gegensatz zu komplexeren Phänomenen wie etwa einer „Literatur auf zweiter Stufe“1 kaum zur Untersuchung gereizt hat. Einiges an Forschung gibt es hingegen zum etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden Feuilletonroman,2 der häufig als früheste Erscheinungsform der Serie aufgefasst wird.3 Was sich für einen Roman der Frühen Neuzeit allenfalls vage abzeichnet, ist hier Realität geworden: Für ein Massenpublikum bestimmt, zeichnet sich der Feuilletonroman durch mechanische Produktionsweise und Profitmaximierung aus.4 In ihrer jüngeren kulturwissenschaftlichen Arbeit stellt Christine Mielke Erzählzyklen wie das Dekameron in die Vorgeschichte der TV-Serie; ein spannender Ansatz, der das Publikum der Rahmenhandlung mit demjenigen Zuschauerkreis in Beziehung setzt, der sich zur regelmäßigen Rezeption seiner Lieblingsserie vor dem Fernseher versammelt.5 Doch während im Zyklus die Verknüpfung der Teile extern hergestellt wird, erfolgt sie in der Serie intern.6 Ein sehr früher Vorläufer für letztere Form ist der hier behandelte Amadisroman, der damit vielleicht ein fehlendes Puzzleteil in einer Geschichte des seriellen Erzählens darstellt.

1 Gérard Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. 4. Aufl. Frankfurt a. M. 2004 (Edition Suhrkamp 1683, Neue Folge 683: Aesthetica). 2 Zur uneinheitlichen Verwendung dieses Sammelbegriffs vgl. Norbert Bachleitner: Kleine Geschichte des deutschen Feuilletonromans. Tübingen 1999, S. 7–23. 3 Vgl. z. B. Jörg Türschmann: Spannung und serielles Erzählen. Vom Feuilletonroman zur Fernsehserie. In: Gespannte Erwartungen. Beiträge zur Geschichte der literarischen Spannung. Hg. von Kathrin Ackermann. Wien 2007 (Austria: Forschung und Wissenschaft – Literatur- und Sprachwissenschaft 7), S. 201–219, hier S. 211; Martin Jurga: Der Cliffhanger. Formen, Funktionen und Verwendungsweisen eines seriellen Inszenierungsbausteins. In: Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch. Hg. von Herbert Martin Willems u. Martin Jurga. Opladen, Wiesbaden 1998, S. 471–488, hier S. 474. 4 Vgl. Klaus-Peter Walter: Die Rocambole-Romane von Ponson du Terrail. Studien zur Geschichte des französischen Feuilletonromans. Frankfurt am Main u. a. 1986 (Saarbrücker Arbeiten zur Romanistik 4), S. 385. 5 Vgl. Christine Mielke: Zyklisch-serielle Narration. Erzähltes Erzählen von 1001 Nacht bis zur TV-Serie. Berlin, New York 2006 (Spectrum Literaturwissenschaft 6), S. 49. 6 Vgl. hierzu auch Jörg Türschmann: [Rez.] Christine Mielke (2006): Zyklisch-serielle Narration. Erzähltes Erzählen von 1001 Nacht bis zur TV-Serie. Berlin, New York: Walter de Gruyter. (= spectrum Literaturwissenschaft: Komparatistische Studien, 6). In: Philologie im Netz (PhiN) 39 (2007), S. 68–76.  





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5 Konzeptbegriffe der Serienforschung

Wegen des weitgehenden Fehlens spezifisch literaturwissenschaftlicher Vorarbeiten werde ich Begrifflichkeiten und Ansätze verwenden, die von Kultur- und Medienwissenschaften auf Grundlage vielfältiger Forschungsdiskurse ausgebildet worden sind.7 Parallelen zu literaturwissenschaftlichen Forschungsfeldern werden dabei anzudeuten versucht. Es soll zunächst grundsätzlich um ,Ort‘ und Definition der Serie gehen und danach ihr zentrales Merkmal, der sogenannte Cliffhanger, noch einmal gesondert in den Blick genommen werden.

5.1 Die Serie Im Rahmen dieser Arbeit auf Konzepte der Serienforschung zurückgreifen zu müssen, erscheint mir durchaus nicht als Mangel oder Hilfskonstrukt. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass das Phänomen der Serie medienübergreifend besprochen werden kann (oder sogar muss), weil es in Zeitung, Kino, Radio und Fernsehen in einer analogen Situation auftritt, wie Roger Hagedorn herausstreicht: By tracing the history of the serial, we can recognize that as new media technology is introduced commercial exploiters have consistently turned to the serial form of narrative presentation precisely in order to cultivate a dependable audience of consumers.8

Vergleichbares könnte auch schon für den Amadís in Spanien um 1500 und in zunehmendem Maße für seine Übersetzungen ins Italienische, Französische und Deutsche gelten.9 So stellt der Amadisroman für Jörg Jochen Berns ein sinnfälliges Beispiel dafür dar, „daß im 16. und 17. Jahrhundert fast alle Bericht- und Erzählgenera zu Fortsetzungen im Sinne zyklischer oder linearer Serialität drängen. Sie folgen dem Sog des Buchmarktes.“10 Der Ort der Serie scheint nicht das

7 Zentrale Referenzen sind etwa Barthes, Deleuze, Eco und Iser; vgl. folgenden Überblicksartikel: Christine Blättler: Überlegungen zu Serialität als ästhetischem Begriff. In: Weimarer Beiträge 49, 4 (2003), S. 502–516. 8 Roger Hagedorn: Technology and Economic Exploitation. The Serial as a Form of Narrative Presentation. In: Wide Angle 10, 4 (1988), S. 4–12, hier S. 5. 9 Auch Hagedorn weist darauf hin, dass die Produktion von Serien im Grunde keine Neuerung darstelle, und führt L’Astrée von Honoré D’Urfé und Le Grand Cyrus von Madeleine de Scudéry als Beispiele an. Doch bleibe das Buch auch nach der Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern ein exklusiver Gegenstand; vgl. Roger Hagedorn: Doubtless to be continued. A brief history of serial narrative. In: To be continued … Soap operas around the world. Hg. von Robert Clyde Allen. London u. a. 1995, S. 27–48, hier S. 29. 10 Vgl. Jörg Jochen Berns: Frühformen des Seriellen in Theaterpraxis und Erzählliteratur des 15. bis 17. Jahrhunderts. In: Endlose Geschichten. Serialität in den Medien. Hg. von Günter Giesenfeld. Hildesheim u. a. 1994 (Germanistische Texte und Studien 43), S. 12–24, hier S. 21.  



5.1 Die Serie

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eine oder das andere Medium, sondern das Massenmedium an sich zu sein,11 das mit wachsenden Märkten und sinkenden Preisen entsteht. Dass solche Überlegungen gerade dann mit Vorsicht zu formulieren sind, wenn der behandelte Gegenstand in die Frühgeschichte des Buchdrucks gehört, versteht sich von selbst. Ein Kurzschluss von entstehendem Massenmedium und Trivialliteratur verbietet sich ohnehin. Der der Adelsliteratur entwachsende Amadisroman mit seinem elitären Sprachstil ist dafür das beste Beispiel.12 Genauso müssen medienspezifische Besonderheiten im Auge behalten werden.13 Trotzdem scheinen die Gemeinsamkeiten zwischen den seriellen Erzähltexten der unterschiedlichen Medien zu überwiegen (oder doch zumindest vergleichende Analysen zu rechtfertigen), was auch bei Martin Jurga zum Ausdruck kommt: Serialität ist eine textuelle Eigenschaft, die medienübergreifend anzutreffen ist. Festzustellen ist ein Einsatz spezifischer Mittel, die gleiche Funktionen innerhalb kalkuliert unterbrochener Narrationen erfüllen und als wiederkehrende Elemente bestimmter Arten fiktional-serieller Texte zur Etablierung von spezifischen Text-Zuschauer-Bindungen (Rezeptionsstrukturierungen) beitragen.14

Folgende „Arten fiktional-serieller Texte“ lassen sich nach Knut Hickethier unterscheiden:15

11 Vgl. Bachleitner (Anm. 2), S. 10–23, der mit Luhmann den Feuilletonroman den Massenmedien zurechnen möchte, und die kritische Auseinandersetzung von Harun Maye: Übersetzungsfabriken. Kolportageliteratur und Soap Opera. In: „Previously on …“. Zur Ästhetik der Zeitlichkeit neuerer TV-Serien. Hg. von Arno Meteling u. a. München 2010 (Mediologie 24), S. 135–156, hier S. 151 ff. 12 Vgl. hierzu meinen Aufsatz: „Nicht weniger / sondern ja gleich so wol / wo nicht hher“. Der Amadis als stilistisch-ästhetisches Modell. In: Aemulatio. Kulturen des Wettstreits in Text und Bild (1450–1620). Hg. von Jan-Dirk Müller u. a. Berlin, Boston 2011 (Pluralisierung & Autorität 27), S. 417–448. Ab wann, wo und in welchem Umfang überhaupt mit einer ‚volkstümlichen‘ Lektüre zu rechnen ist, untersucht Chartier für Frankreich; vgl. Roger Chartier: Lesewelten. Buch und Lektüre in der frühen Neuzeit. Frankfurt a. M. 1990 (Historische Studien 1). 13 Türschmann möchte die medienspezifischen Unterschiede stärker betont wissen und weist auf die Flüchtigkeit des Zeitungsromans im Gegensatz zum Buchroman hin. Dieser lasse im Gegensatz zu jenem „erzähllogische Inkonsistenzen von bis dahin ungekanntem Ausmaß“ zu; vgl. Türschmann: Rez. (Anm. 6), S. 71. Dies ist unzweifelhaft richtig, doch habe ich den Eindruck gewonnen, dass schon der Amadisroman ein erhöhtes Maß an Inkonsistenzen aushält, weil er auf ‚extensive Lektüre‘ abzielt. 14 Martin Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption. Opladen, Wiesbaden 1999 (Studien zur Kommunikationswissenschaft 41), S. 91. 15 Vgl. Knut Hickethier: Film- und Fernsehanalyse. 3. Aufl. Stuttgart, Weimar 2001 (Sammlung Metzler 277), S. 183 ff.  









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5 Konzeptbegriffe der Serienforschung

(1) Mehrteiler oder miniseries (überschaubare Folgen-Zahl und feststehendes Ende) (2) Fortsetzungsgeschichte oder Telenovela (erweiterbare Mitte und feststehendes Ende) (3) (episodische) Serie mit abgeschlossenen Handlungsfolgen (potenziell unendlich) (4) Reihe mit abgeschlossenen Folgen und lockerem Zusammenhang zwischen den Teilen (potenziell unendlich) (5) langlaufende Serie oder Soap-Opera (potenziell unendlich) Die ‚langlaufende Serie‘ soll hier als Folie für den Amadisroman dienen. Aber auch andere Parallelen sind vorstellbar: Erzählzyklen wie der Prosalancelot könnten Ähnlichkeiten mit dem Mehrteiler aufweisen, Schwankromane wie der Pfaffe Amis oder der Ulenspiegel Berührungspunkte mit der episodischen Serie zeigen. Hier muss größtenteils unterschlagen werden, dass in der Serienforschung ein gewisses Bezeichnungswirrwarr herrscht. Zur leichteren Unterscheidung zwischen episodischer und langlaufender Serie haben sich deshalb mittlerweile die im englischen Sprachraum üblichen Begriffe series und serial eingebürgert.16 Tanja Weber und Christian Junklewitz empfehlen in ihrem lesenswerten Überblicksartikel eine Differenzierung zwischen „Episodenserie“ und „Fortsetzungsserie“.17 Allgemeiner Konsens ist inzwischen ohnehin, dass series und serial nur als Kontinuum aufzufassen sind, das ein breites Spektrum von Mischformen umfasst.18 Angesichts dieser Abgrenzungsschwierigkeiten überrascht es wahrscheinlich nicht weiter, dass die Serienforschung auch über keine einheitliche Definition von Serie verfügt. Weber/Junklewitz widmen sich den Schwierigkeiten einer allgemeingültigen Seriendefinition und schlagen trotz geäußerter Zweifel an der Nützlichkeit von „Umbrella-Begriffen“ schließlich folgende „Minimaldefinition“ vor: „Eine Serie besteht aus zwei oder mehr Teilen, die durch eine gemeinsame Idee, ein Thema oder Konzept zusammengehalten werden und in allen Medien

16 Vgl. z. B. Gabriele Schabacher: Serienzeit. Zu Ökonomie und Ästhetik der Zeitlichkeit neuerer US-amerikanischer TV-Serien. In: „Previously on …“. Zur Ästhetik der Zeitlichkeit neuerer TVSerien. Hg. von Arno Meteling u. a. München 2010 (Mediologie 24), S. 19–39, hier S. 25. 17 Vgl. Tanja Weber, Christian Junklewitz: Das Gesetz der Serie – Ansätze zur Definition und Analyse. In: MEDIENwissenschaft 1 (2008), S. 13–31, hier S. 21. 18 Vgl. z. B. Sarah Kozloff: Narrative theory and television. In: Channels of discourse, reassembled. Television and contemporary criticism. Hg. von Robert Clyde Allen. 2. Aufl. Chapel Hill, London 1992, S. 67–100, hier S. 92.  





5.1 Die Serie

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vorkommen können.“19 Von dieser Minimaldefinition ausgehend sollen dann weitere Unterscheidungen (z. B. fiktional/non-fiktional) getroffen werden.20 Trotz des berechtigten Einwandes, dass die meisten Definitionen aus einer bestimmten Perspektive heraus entwickelt wurden und nur von beschränkter Geltung sind, erscheint es in diesem Zusammenhang sinnvoll, einen Merkmalskatalog anzuführen, der vor allem auf die hier interessierende langlaufende Serie abzielt, wie ihn z. B. Hickethier entwickelt hat:  



Bei aller Verschiedenheit der einzelnen Serien haben sich einige Merkmale des seriellen Erzählens herausgebildet, die in einer Verknappung (bzw. Fortfall) der Exposition, der starken Handlungsbezogenheit, einer häufigen Reduktion der kinematographischen Differenziertheit, der Vielteiligkeit der Handlungsstränge und der emotionalen Aufladung durch eine Vielzahl von Konflikten und Kontroversen usw. bestehen. Die Verknüpfung der Serienfolgen geschieht sowohl durch ein von Folge zu Folge gleich bleibendes Stammpersonal, das durch wechselnde Figuren ergänzt wird, sowie durch eine erzählende Verknüpfung auf der Handlungsebene, die häufig mit einem Spannungsumbruch (Cliffhanger) am Ende der Folge ein Interesse für die nächste weckt.21

Solche narrativen Strategien sind sicherlich im Fernsehen zu sich selbst gekommen – aus dem Nichts entstehen sie aber nicht. Einige Grundzüge der seriellen Erzählweise scheinen sehr alt zu sein: Fortfall der Exposition, starke Handlungsbezogenheit, emotionale Aufladung – all das begegnet schon in der Aithiopika. Vor allem aber weist der wahrscheinlich im zweiten Viertel des dritten Jahrhunderts entstandene idealisierende Roman22 eine ausgefeilte Spannungsregie auf,23 die nicht zuletzt mit dem gezielten Wechsel parallel erzählter Handlungsfäden arbeitet.24 In der Serienforschung werden solche Effekte unter anderem als ‚Minicliffs‘ bezeichnet.25 Ein mustergültiges Beispiel aus dem ersten Buch der Aithiopika: Der ägyptische Priestersohn und Räuberhäuptling Thyamis hat sich der schönen Chariklea, der weiblichen Hauptfigur des Romans, bemächtigt und sich in sie verliebt.

19 Weber, Junklewitz: Das Gesetz der Serie – Ansätze zur Definition und Analyse (Anm. 17), S. 18. 20 Vgl. Weber, Junklewitz: Das Gesetz der Serie – Ansätze zur Definition und Analyse (Anm. 17), S. 18. 21 Knut Hickethier: [Art.] Serie. In: Sachlexikon des Films. Hg. von Thomas Koebner. Stuttgart 2002, S. 550–552. 22 Vgl. Niklas Holzberg: Einführung. In: Heliodor: Die Abenteuer der schönen Chariklea. Düsseldorf, Zürich 2001 (Bibliothek der alten Welt), S. 323–342, hier S. 339 f. 23 Vgl. Holzberg (Anm. 22), S. 336 f. 24 Vgl. Holzberg (Anm. 22), S. 325. 25 Jurga: Der Cliffhanger (Anm. 3), S. 481 führt den Begriff des Minicliffs auf den LindenstraßenErfinder Hans W. Geißendörfer zurück.  



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5 Konzeptbegriffe der Serienforschung

Es kommt zu Kampfhandlungen, innerhalb derer Thyamis die Schöne in eine dunkle, versteckt liegende Höhle in Sicherheit bringt. Als sich die Niederlage abzeichnet, will er Chariklea töten, um sie nicht den Feinden überlassen zu müssen. Thyamis ersticht in der Höhle eine Griechisch sprechende Frau – und an dieser Stelle bricht der Handlungsstrang vorerst ab. Thyamis (und mit ihm der Leser) muss annehmen, Chariklea getötet zu haben. Dass es sich stattdessen um eine andere Griechin handelt, die ohne Thyamis’ Wissen ebenfalls in die Höhle gebracht wurde, wird erst später aufgedeckt und der Leser so bis auf Weiteres in Atem gehalten.26 Diese Erzähltechnik stimuliert das Lesen im Buch, weist also nicht über die Buchgrenzen hinaus. Ein systematischer Einsatz solcher Spannungsstrukturen jeweils am Ende der zehn Bücher bzw. Kapitel der Aithiopika kann ebenfalls nicht festgestellt werden, auch wenn der Spannungsbogen im angeführten Beispiel die Kapitelgrenzen überschreitet. Vielleicht ist es also kein Zufall, dass der Amadisroman gerade in seinen letzten (deutschen) Bänden streckenweise ‚hellenistisch‘ anmutet.27 Ein direkter Einfluss ist vorstellbar, schließlich erschien Zschorns deutsche Übersetzung der Aithiopika 1559 in Straßburg. Eine ‚hellenistische Episode‘ enthält beispielsweise Band XXIV: Die Prinzessinnen Meliciana, Fleurange und Meliagorea stolpern von einer Entführung in die nächste und landen schließlich nach einem Schiffsbruch auf einer Insel, wo sie in die Hände grässlicher Riesen geraten. Die Ritter eines Begleitschiffs werden von den Riesen aufgerieben. Am Ende des Kapitels heißt es nun: Vnter diesen weilen aber / lieff noch das dritte Schiff vom Winde getrieben / eylends vnd mit grosser geschwindigkeit der Jnsel Terniba zu. Wir wllen aber jetzt ein kleine weil von den Risen vnnd Edlen Jnfantin zu reden einstellen / v erzehlen was beyden Printzen auß Hercalon vnd Siranquia begegnet / nach dē sie in der kleinn vnbewohnten Jnsel / von jhren liebsten Princessin / gescheiden waren / zusehen ob sie nicht etwan gelegenheit finden mchten von dannen zukommen.28

Die Parallelen zum Aufbau des hellenistischen Romans sind unverkennbar: Prinzen und Prinzessinnen werden getrennt; nacheinander verfolgt der Erzähler nun die Wege der Helden und ihrer Damen, die sich – wie sollte es anders sein – bald schon kreuzen werden.

26 Vgl. Heliodor: Die Abenteuer der schönen Chariklea, Düsseldorf, Zürich 2001 (Bibliothek der alten Welt), S. 40 ff. 27 Vermutungen zur Rezeption des antiken Liebesromans in Spanien hat Juan Bautista AvalleArce angestellt: El arco de los leales amadores en el Amadís. In: Nueva Revista de Filología Hispánica 6, 2 (1952), S. 149–156, hier S. 154 f. 28 Amadis XXIV, S. 933.  



5.2 Die Erzähltechnik des entrelacement

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5.2 Die Erzähltechnik des entrelacement Eine solche zwischen Handlungsfäden wechselnde Erzählweise kennzeichnet auch den Artusroman und insbesondere den Prosalancelot, und damit die unmittelbaren Vorläufer des Amadisromans. Diese narrative Technik ist bekanntermaßen von Lot als entrelacement bezeichnet und von Stierle als Organisationsprinzip des „verwilderten Romans“ bestimmt worden. Das, was Karlheinz Stierle als „im Prinzip endlose[ ] narrative[ ] Bewegung“29 oder besonders treffend als „Erzählmaschine“30 beschreibt, scheint sich vor dem Hintergrund dieser Arbeit als Vorstufe einer Serialisierung des Romans zu enthüllen. Die „Tendenz zur Pluralisierung“31 treibt demnach nicht zwangsläufig auf die „Polyphonie“32 des italienischen Romanzos zu, das Stierle als Anfangspunkt des modernen Romans auffasst,33 sondern kann sich durchaus im „Prinzip narrativer Generation, das in einem begrenzten thematischen Horizont immer neue Komplikationen, Verzweigungen, Suchen, Abenteuer, Kämpfe hervorbringt“,34 erschöpfen. Stierle ist sich dieser Linie selbstverständlich bewusst, auch wenn ihr nicht sein Interesse gelten kann: Er spricht von „jener märchenhaften Idealität […], die dem Roman in seinem Ursprung eigen war und die sich in der Form des Trivialromans bis heute bewahrt hat“.35 Die Aufschwellung von Erzählstoff ist auch Ausgangspunkt der Überlegungen Armando Duráns. In einem schnellen und erhellenden Durchgang von der amplificatio, die der Perceval durch seine Fortsetzer erfährt, zum entrelacement, das die weitverzweigte Handlung des Lancelot en prose zusammenhält, gelangt Durán zum Amadís: Llegan, pues, a España unos materiales en los que unos caballeros andantes se enfrentan a unas aventuras que han perdido tanto su valor ético inicial como su posterior simbolismo religioso, amplificadas y entrelazadas paratácticamente, sin un desenlace decisivo, y en las que el hijo del héroe continúa las aventuras del padre superándolo abiertamente. Este es el caso del Amadís de Gaula.36

29 Karlheinz Stierle: Die Verwilderung des Romans als Ursprung seiner Möglichkeit. In: Literatur in der Gesellschaft des Spätmittelalters Hg. von Hans Ulrich Gumbrecht. Heidelberg 1980 (Begleitreihe zum GRLMA 1), S. 253–313, hier S. 260. 30 Stierle (Anm. 29), S. 297. 31 Stierle (Anm. 29), S. 261. 32 Stierle (Anm. 29), S. 294. 33 Vgl. Stierle (Anm. 29), S. 279. 34 Stierle (Anm. 29), S. 260. 35 Stierle (Anm. 29), S. 313. 36 Armando Durán: La amplificatio en la literatura caballeresca española. In: Modern Language Notes 86, 2 (1971), S. 123–135, hier S. 126; Hervorhebung im Original. Vgl. auch Duráns zwei Jahre

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5 Konzeptbegriffe der Serienforschung

[Nach Spanien kommen also Stoffe, die von umherziehenden Rittern handeln, die zahlreiche Abenteuer erleben, welche jedoch sowohl ihren anfänglichen moralischen Wert als auch ihre spätere religiöse Symbolkraft verloren haben, (diese Abenteuer werden) erweitert und parataktisch verknüpft, ohne eine definitive Lösung; in diesen (neuen Abenteuern) setzt der Sohn die Abenteuer des Vaters fort, den er noch weit übertrifft. Das ist der Fall beim Amadís de Gaula.]

Durán geht es vordringlich um die Erzähltechnik des entrelacement, doch skizziert er letztlich eine serielle Erzählweise, wenn er für den Amadís vom „entrelacement artístico“ spricht, das er dem zielgerichteten „entrelacement necesario“37 gegenüberstellt. Im Zusammenhang mit seiner Analyse der ersten vier (spanischen) Bücher fällt dann auch einmal der Serienbegriff.38 Auch Juan Manuel Cacho Blecua untersucht die entrelacement-Struktur im Grundstock der spanischen Serie und führt unter anderem solche Übergänge auf, die wohl als ‚Minicliffs‘ zu bezeichnen wären: Así crea [der Autor] una suspensión del sentido, ya implícita en la práctica del entrelazamiento, pero de forma todavía más radical, pues la aventura se deja inacabada y se anuncia que algo importante va a ocurrir.39 [So gelingt es dem Autor, den Sinn(-zusammenhang) der Geschichte zu unterbrechen, was in der Technik des entrelacements bereits angelegt ist, aber auf eine noch grundlegendere Art und Weise, denn der Ausgang des Abenteuers bleibt ungewiss und es wird angedeutet, dass etwas Bedeutendes geschehen wird.]

In dieser Tendenz des Herausschiebens erkennt Cacho Blecua eine Zutat, die er ganz wesentlich auf Montalvo zurückführt. Derlei Spannungsmomente gewinnen ungemein an Wirkung, wenn sie am Ende eines Buchs/einer Fortsetzung zum Einsatz kommen. Dann liegt der sogenannte Cliffhanger vor.

später erschienene, ausführliche Untersuchung: ders.: Estructura y Técnicas de la Novela Sentimental y Caballeresca. Madrid 1973 (Biblioteca románica hispánica 2, Estudios y ensayos 184). 37 Durán (Anm. 36), S. 132 ff. 38 Vgl. Durán (Anm. 36), S. 130 f. 39 Juan Manuel Cacho Blecua: El entrelazamiento en el Amadís y en las Sergas de Esplandián. In: Studia in honorem prof. M. de Riquer. Hg. von Carlos Alvar u.a. Bd. 1. Barcelona 1986, S. 235–271, hier S. 256.  



5.3 Der Cliffhanger

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5.3 Der Cliffhanger ‚Cliffhanger‘ meint die bewusste Unterbrechung der Handlung am Höhepunkt eines Spannungsbogens zum materiellen Ende einer Texteinheit hin. Er ist (vorläufiger) Abbruch einer Geschichte und Versprechen ihrer Weiterführung zugleich. Seine vornehmliche Aufgabe ist es, den Leser zur Rezeption der Fortsetzung zu animieren. Die Erfahrung der Unabgeschlossenheit der Handlung wird als unbefriedigend erlebt; sie weckt den Wunsch nach Fortsetzung und Abschluss der Geschichte und regt dazu an, diese unterdessen weiterzuspinnen, sich also intensiv mit ihr auseinanderzusetzen.40 Der Abgleich der eigenen Überlegungen mit der tatsächlichen Fortsetzung bedeutet dann einen zusätzlichen Lustgewinn.41 Beim Cliffhanger handelt es sich um die brüchige Stelle einer Serie, denn hier kann sie scheitern. Die Rezipienten entscheiden über ihre Realisierung bzw. ihren Fortbestand, indem sie das Fortsetzungsangebot wahrnehmen – oder eben nicht. Serien entstehen damit im Dialog mit dem Konsumenten.42 Der Cliffhanger als massiver Kaufanreiz enthüllt gleichzeitig die ökonomische Grundlage der Serie. Er akzentuiert die portionierte Darbietungsform der Serie, durch die serielle Geschichte und materieller Träger in eine besondere Beziehung zueinander gesetzt werden: Endlichkeit des Materials und (potenzielle) Unendlichkeit der Geschichte stehen in einem spannungsvollen Verhältnis zueinander. Für beides steht der Cliffhanger ein. Da jede Fortsetzung mit einem Cliffhanger endet, sollte sich im Idealfall eine Dauerrezeption einstellen. Der Begriff des Cliffhangers ist eine Schöpfung der Film- und Fernsehwissenschaft. Einzelne Folgen der Stummfilm-Serien der 20er Jahre endeten tatsächlich

40 Vgl. Knut Hickethier: „Das Beste von meiner Erzählung kommt erst noch“. Historisches und Gegenwärtiges zum Erzählen in Raten. In: TheaterZeitSchrift (TZS). Beiträge zu Theater, Medien, Kulturpolitik 27, 1 (1989), S. 76–93, hier S. 79. 41 Vgl. Umberto Eco: Serialität im Universum der Kunst und der Massenmedien. In: ders.: Streit der Interpretationen. Hamburg 2005, S. 83–111, hier S. 88. Cliffhanger scheinen sogar für sich genommen einen gewissen „intrinsischen Unterhaltungswert“ zu besitzen; vgl. Tanja Weber, Christian Junklewitz: To Be Continued … Funktion und Gestaltungsmittel des Cliffhangers in aktuellen Fernsehserien. In: „Previously on …“. Zur Ästhetik der Zeitlichkeit neuerer TV-Serien. Hg. von Arno Meteling u. a. München 2010 (Mediologie 24), S. 111–131, hier S. 129. 42 Vgl. Hagedorn: Doubtless to be continued (Anm. 9), S. 27 f. Krause spricht von „reader’s complicity“; Virginia Krause: Serializing the French Amadis in the 1540s. In: Charting change in France around 1540. Hg. von Marian Rothstein. Selinsgrove 2006, S. 40–62, hier S. 46.  



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5 Konzeptbegriffe der Serienforschung

und wortwörtlich mit einem ‚Cliffhanger‘:43 Der Protagonist baumelt über dem Abgrund, seine Rettung ist nicht abzusehen.44 Aufgrund seiner Genese möchte der Romanist Jörg Türschmann den Cliffhanger-Begriff nur für die audiovisuellen Medien verwendet wissen und spricht stattdessen von der Zäsur.45 Mielke spricht von der Katapher in literarischen und dem Cliffhanger in audiovisuellen Texten und kann sich für eine inhaltliche Differenzierung doch nicht entscheiden.46 Hickethier gebraucht den Begriff hingegen bedenkenlos für alle Medien,47 und es spricht tatsächlich einiges für eine umfassende Verwendungsweise. Die Erzähltechnik antwortet auf ein und dasselbe Problem (Rezipientenbindung vor dem Hintergrund eines sich etablierenden Massenmediums), was durch die Benutzung verschiedener Begrifflichkeiten verdeckt wird. Außerdem ist der Begriff des Cliffhangers unmittelbar verständlich und auch präziser als ‚Zäsur‘ oder ‚Katapher‘:48 Eine Zäsur ist ein Einschnitt im Handlungsgeschehen, der jedoch nicht notwendigerweise mit dem Hinweis auf die Fortführung der Geschichte/des Erzählstrangs

43 Einen wortwörtlichen Cliffhanger weist aber auch schon Thomas Hardys Zeitungsroman A Pair of blue eyes (1873) auf; vgl. James Gibson: Thomas Hardy: A Literary Life. Basingstoke u. a. 1996 (Literary lives), S. 60. 44 Vgl. Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption (Anm. 14), S. 147. 45 Vgl. Türschmann: Spannung und serielles Erzählen (Anm. 3), S. 204. 46 Vgl. Mielke (Anm. 5), S. 40: „In Tausendundeine Nacht und dem Papageienbuch wird nach dem Prinzip der Katapher bzw. der für die Narration in audiovisuellen Gattungen sogenannten Cliffhanger-Methode erzählt.“ 47 Vgl. Hickethier: „Das Beste von meiner Erzählung kommt erst noch“ (Anm. 40), S. 76 ff. sowie ders.: Die Fernsehserie und das Serielle des Fernsehens. In: Kultur – Medien – Kommunikation. Lüneburger Beiträge zur Kulturwissenschaft 2 (1991), S. 32. 48 Die Definition von Weber/Junklewitz erscheint mir dagegen zu weit: „Um alle Arten von Cliffhangern erfassen zu können, schlagen wir die folgende Definition vor: Ein Cliffhanger ist eine intendierte Unterbrechung der Narration, die im weitesten Sinne Interesse am Fortgang der Handlung weckt. Dieses Phänomen kann in allen Erzählungen vorkommen, ist also nicht auf den audiovisuellen Kontext beschränkt, sondern ein medienübergreifendes narratives Gestaltungsmittel. Die Narration muss nicht unbedingt seriell angelegt sein, obwohl Cliffhanger hier vermehrt eingesetzt werden.“ Weber, Junklewitz: To Be Continued … (Anm. 41), S. 113; Hervorhebung im Original. Weber/Junklewitz scheinen ‚Cliffhanger‘ also als Oberbegriff zu verstehen, von dem sie wenig später jedoch den werkimmanenten Binnencliff abgrenzen; vgl. ebd., S. 114. Ich möchte dagegen vorschlagen, den charakteristischen Cliffhanger doch für serielle Erzähltexte und die Endposition zu reservieren. Und auf diese Form konzentrieren sich Weber/Junklewitz bezeichnenderweise auch. Während ich also einerseits für eine medienübergreifende Benutzung des Begriffs plädiere, halte ich andererseits eine sorgfältige Unterscheidung von Systemstellen zwecks einfacher Verständigung für sinnvoll. Denn während ‚Minicliffs‘ bzw. ,Binnencliffs‘ ein offenbar recht ursprüngliches Mittel der Spannungserzeugung darstellen, bedeutet der Cliffhanger die gezielte ökonomische Ausnutzung dieses Erzählprinzips, auch wenn er sicherlich nicht auf diese Funktion reduziert werden sollte; vgl. ebd., S. 128 f.  





5.3 Der Cliffhanger

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verbunden ist. Eine Katapher weist zwar voraus, ist grundsätzlich aber überall im Text und nicht zwangsläufig an der herausgehobenen Position am Ende (eines Abschnitts) zu finden. Darüber hinaus weisen Cliffhanger auch anaphorische Elemente auf, weil „sie als temporäre Endpunkte eines Handlungsstranges einen bestimmten Handlungszusammenhang akzentuieren“,49 weshalb das Phänomen durch den Begriff der Katapher ohnehin nicht angemessen erfasst wird.50 Die Erzähltechnik des Cliffhangers war bislang vorwiegend Gegenstand der Serienforschung. Dass es aber auch aus dieser Perspektive an eingehenden Untersuchungen fehlt, konstatieren Weber und Junklewitz in einem aktuellen Artikel.51 Eher unsystematisch und mit wechselnden Bezeichnungen unterscheidet die Serienforschung Cliffhanger nach verschiedenen Kriterien, die ich im Folgenden etwas zu ordnen versuche: (1) Ort der Verwendung: Unterscheidung in Minicliffs (beim Wechsel der Handlungsfäden innerhalb einer Folge),52 Cliffhanger mittlerer Intensität (vor der Werbepause), Prä-Cliffhanger (vor dem eigentlichen Cliffhanger), Cliffhanger (am Ende einer Folge),53 Super-Cliffhanger (am Ende einer Staffel)54 etc. (2) Medienspezifische Unterscheidung in ausschließlich visuelle und verbalvisuelle Cliffhanger;55 hinzuweisen wäre außerdem auf nur hinzutretende Untermalungsmittel (Musik etc.) in Abgrenzung zu „viszeralen Gestaltungsmitteln“, wie sie Weber/Junklewitz beschreiben: Cliffhanger dieses Typs erzeugen z. B. mit schnellen Schnitten oder lauter Musik auf nicht-narrative Weise Spannung.56 (3) Unterscheidung von intradiegetischen und extradiegetischen Cliffhangern; unter letztere fallen etwa das Einblenden von ‚To be continued‘ bzw. ‚Fortsetzung folgt‘57 oder der Einsatz einer Stimme aus dem Off, die stellvertretend für den Rezipienten Fragen formuliert.58 (4) Unterscheidung in ‚physische‘ und psychologische Cliffhanger, wobei letztere von besonderer Bedeutung sind: „Eine Person, die gerade in eine neue konfliktträchtige Situation geraten ist, wird in Großaufnahme gezeigt und das  

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Jurga: Der Cliffhanger (Anm. 3), S. 484. Vgl. Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption (Anm. 14), S. 155 ff. Vgl. Weber, Junklewitz: To Be Continued … (Anm. 41), S. 112. Jurga: Der Cliffhanger (Anm. 3), S. 481. Vgl. Mielke (Anm. 5), S. 562 f. Vgl. Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption (Anm. 14), S. 147 Fn. 188. Vgl. Jurga: Der Cliffhanger (Anm. 3), S. 479. Vgl. Weber, Junklewitz: To Be Continued … (Anm. 41), S. 114 Fn. 18, S. 123 f. Vgl. Weber, Junklewitz: To Be Continued … (Anm. 41), S. 125 f. Vgl. Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption (Anm. 14), S. 153.  







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5 Konzeptbegriffe der Serienforschung

laufende Bild eingefroren.“59 Leib und Leben stehen dabei nicht oder nur sehr selten auf dem Spiel; diese Form überwiegt in den dialoglastigen SoapOperas.60 (5) Weber/Junklewitz führen außerdem kumulative Cliffhanger, in denen mehrere Handlungsstränge zusammenfallen, und additive Cliffhanger, die mehrere derartige Effekte reihen, an.61 Auch das Erzählprinzip des Cliffhangers hat offensichtlich eine lange Geschichte. Als erster Text, der Cliffhanger aufweist, wird stets Tausendundeine Nacht angesprochen,62 dessen Wurzeln bis ins 8. Jahrhundert zurückreichen. Denn hier wird die Funktionsweise des Cliffhangers geradezu literarisch inszeniert: Der von der Damenwelt enttäuschte König Schehrijâr pflegt seine Frauen nach der Hochzeitsnacht zu töten. Schehrezâd möchte dem Treiben des Königs Einhalt gebieten. Sie erzählt ihm Geschichten, wobei sie sich vorgeblich an ihre Schwester wendet. Um sein Interesse zu wecken, bricht Schehrezâd ihre Geschichten bewusst an einer spannenden Stelle ab, wissend, dass der König dem Ausgang entgegenfiebern und sie deshalb am Leben lassen wird. In der ersten Nacht endet Schehrezâd beispielsweise mit folgendem Cliffhanger: In ihrer Geschichte erzählen drei Scheiche, um einem Kaufmann das Leben zu retten, d. h. die Grundsituation der Rahmenhandlung spiegelt sich – wie so oft in dem Werk – in der Binnenerzählung. Der erste Scheich berichtet, seine Frau habe seinen einzigen Sohn, den ihm eine Nebenfrau geboren hat, in seiner Abwesenheit in ein Kalb verzaubert und ihn dazu bringen wollen, dieses zu schlachten:  

„‚Da sprach sie zu mir: ‚Bei Allah, dem Allmächtigen, dem Erbarmenden, Erbarmungsreichen: du mußt es an diesem heiligen Tag töten, und wenn du es nicht tötest, so bist du mein Mann nicht mehr und ich bin nicht mehr deine Frau.‘ Als ich nun diese harten Worte von ihr hörte und doch ihr Ziel nicht kannte, da trat ich zu dem Kalb, das Messer in der Hand.‘ – –“ Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede ein. Ihre Schwester aber sprach: „Wie schön ist deine Erzählung und wie entzückend, und wie lieblich und wie berückend!“ Und Schehrezâd erwiderte ihr: „Was ist all dies gegen das, was ich euch in der nächsten Nacht erzählen könnte, wenn der König mein Leben zu schonen

59 Lothar Mikos: Übertragungserleben. Soziale Aspekte des Umgangs mit Familienserien. In: Medium 17 (1987), S. 28–30, hier S. 29. 60 Vgl. Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption (Anm. 14), S. 147. 61 Vgl. Weber, Junklewitz: To Be Continued … (Anm. 41), S. 120 f. 62 Denselben erzähltechnischen Mechanismus weist auch das ebenfalls orientalische Erzählwerk Papageienbuch auf; vgl. Mielke (Anm. 5), S. 50.  

5.3 Der Cliffhanger

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geruhte!“ Da sprach der König zu sich selber: ‚Bei Allah, ich will sie nicht töten lassen, bis ich den Schluß ihrer Geschichte höre.‘63

Die Wirkung dieses Cliffhangers auf Ebene der Binnengeschichte besteht im Wissensvorsprung des Zuhörers/Lesers. In der folgenden Nacht wird Schehrezâd die Spannung auflösen und die Geschichte beenden, doch nur, um sofort mit einer neuen zu beginnen. Das Ende einer Erzählsitzung und das Ende einer Erzählung fallen demnach nicht in eins; dieses antizyklische Erzählen hält einerseits König Schehrijâr, andererseits die Zuhörerschaft des orientalischen Berufserzählers bei der Stange. Der Cliffhanger wird hier also strategisch eingesetzt,64 dient aber nicht dazu, einen potenziell unendlichen Erzählfluss zu kreieren. Entsprechend bemerkt Hickethier zur Figur Schehrezâds: „Sie selbst bleibt die konstante Figur, die den Erzählton als das Gleichbleibende durchhält und zugleich auch das Glücksversprechen, das in jedem ‚Fortsetzung folgt‘ steckt.“65 Während Schehrezâd die Reihe von Einzelerzählungen zur Serie verbindet, wird ihr eigenes Schicksal aber ebenfalls portioniert dargeboten – als kurze Abschnitte einer Rahmenhandlung, die immer wieder durch die eingelegten Geschichten unterbrochen wird. In Europa erscheint die erste Fassung von Tausendundeine Nacht erst 1704; direkte europäische Nachfolger hat die orientalische Erzähltechnik also nicht, wie Mielke feststellt: Das Erzählprinzip der Katapher geht in den Zyklen nach Tausendundeine Nacht und dem Papageienbuch zunächst verloren. Es scheint, als ob erst dann, wenn medientechnisch gesehen eine Beschleunigung des Produktionsprozesses einsetzt, die spannungsreichere Narrationsform des ständigen Abbruchs wieder gewählt wird. […] Von der Erzählweise (und auch den Rezeptionsbedingungen) her kann also der Bogen geschlagen werden von den orientalischen Zyklen zum Fortsetzungsroman ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Kinoserie und dem Radiohörspiel ab den 30er/40er Jahren und der sich daraus entwickelnden Seifenoper in Radio und TV.66

63 Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten. Vollständige deutsche Ausgabe in sechs Bänden. Zum ersten Mal nach dem arabischen Urtext der Calcuttaer Ausgabe aus dem Jahr 1839 übertragen von Enno Littmann. Bd. 1. Frankfurt am Main, Leipzig 2004, S. 37. 64 Giesenfeld betont jedoch, dass das Original im Gegensatz zur ersten, französischen Übertragung noch nicht in diesem Ausmaß auf das Cliffhanger-Prinzip zugeschnitten war; vgl. Günter Giesenfeld: Serialität als Erzählstrategie in der Literatur. In: Endlose Geschichten. Serialität in den Medien. Hg. von dems. Hildesheim u. a. 1994 (Germanistische Texte und Studien 43), S. 1–11, hier S. 6. 65 Hickethier: „Das Beste von meiner Erzählung kommt erst noch“ (Anm. 40), S. 78. 66 Mielke (Anm. 5), S. 58.  

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5 Konzeptbegriffe der Serienforschung

Diesen Ausführungen ist grundsätzlich zuzustimmen, doch mit der Einschränkung, dass bereits im Zuge der ersten und bahnbrechenden „Beschleunigung des Produktionsprozesses“, nämlich der Erfindung des Buchdrucks, mit dem Amadisroman ein Werk entsteht, welches (zumindest in Ansätzen) schon das „Erzählprinzip der Katapher“ verwirklicht.

5.4 Isers ‚Leerstelle‘ Literaturwissenschaftliche Arbeiten zur Funktionsweise von Cliffhangern sind rar und auch die Serienforschung greift vielfach auf Wolfgang Isers Konzept der Leerstelle zurück, um die Wirksamkeit dieses Erzählprinzips zu erläutern.67 Iser entwickelt seine ‚Leerstelle‘ in Abgrenzung von Ingardens ‚Unbestimmtheitsstelle‘: Ergeben sich Leerstellen aus den Unbestimmtheitsbeträgen des Textes, so sollte man sie wohl Unbestimmtheitsstellen nennen, wie es Ingarden getan hatte. Leerstellen indes bezeichnen weniger eine Bestimmungslücke des intentionalen Gegenstandes bzw. der schematisierten Ansichten als vielmehr die Besetzbarkeit einer bestimmten Systemstelle im Text durch die Vorstellung des Lesers.68

Systemstellen dieser Art können sich überall im Text, aber natürlich auch an seinem Ende befinden. Dann wäre an den Cliffhanger zu denken. Zwar befasst sich Iser mit grundsätzlichen Fragen literarischer Imagination, doch wendet er sich weiterhin dem Fortsetzungsroman zu, der die von ihm beschriebene Struktur kommerziell auswertet: Er unterbricht im allgemeinen dort, wo sich eine Spannung gebildet hat, die nach einer Lösung drängt, oder wo man gerne etwas über den Ausgang des soeben Gelesenen erfahren möchte. Das Kappen bzw. das Verschleppen der Spannung bildet eine Elementarbedingung für den Schnitt. Ein solcher Suspense-Effekt aber bewirkt, daß wir uns die im Augenblick nicht verfügbare Information über den Fortgang des Geschehens vorzustellen versuchen. Wie wird es weitergehen? Indem wir uns diese und ähnliche Fragen stellen, erhöhen wir unsere Beteiligung am Vollzug des Geschehens.69

67 Vgl. u. a. Knut Hickethier: Die Pause beim Erzählen. Vom Erzählen und Zuhören. In: Erzählen. Die Wiederentdeckung einer vergessenen Kunst. Hg. von Joachim Merkel u. Michael Nagel. Hamburg 1982, S. 131–151, hier S. 139; Jurga: Der Cliffhanger (Anm. 3), S. 474; Walter (Anm. 4), S. 407 f. 68 Wolfgang Iser: Der Akt des Lesens: Theorie ästhetischer Wirkung. 3. Aufl. München 1990 (UTB 636), S. 257–355, hier S. 284. 69 Iser (Anm. 68) S. 297.  



5.4 Isers ‚Leerstelle‘

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Dass sich diese höhere Anteilnahme des Lesers auch in einer höheren Bereitschaft zum Erwerb der Fortsetzung niederschlägt, ist naheliegend. Dieser Abbruch einer Lektüre ist von anderen ausdrücklich zu unterscheiden: Damit drängt der Fortsetzungsroman dem Leser eine bestimmte Form der Lektüre auf; die Unterbrechungen seiner Anschlüsse sind kalkulierter als jene, die beim Lesen eines Buches oftmals aus ganz äußerlichen Gründen verursacht werden. Im Fortsetzungsroman entspringen sie einer strategischen Absicht. Der Leser wird gezwungen, durch die ihm verordneten Pausen sich immer etwas mehr vorzustellen, als dies bei fortlaufender Lektüre des identischen Textes der Fall wäre.70

Im Folgenden wendet sich Iser bemerkenswerterweise kurz dem Kino zu. Unausgesprochen schwingt hier wohl das Bewusstsein mit, dass die volle kommerzielle Ausschlachtung der Leerstelle anderen Medien vorbehalten ist. Der Literaturwissenschaft hat sich bislang also vor allem der gestückelt erscheinende Feuilletonroman als Beobachtungsfeld angeboten. Zur Kennzeichnung seiner speziellen Spannungsregie verwendet die Forschung eine Fülle von Begriffen, vereinzelt ist auch vom ,Cliffhanger‘ die Rede:71 Klaus-Peter Walter listet in seiner Arbeit zu den Rocambole-Romanen von Ponson du Terrail die gängigsten Cliffhangertypen der Feuilletonschreiber des 19. Jahrhunderts auf, die er beispielsweise als „Schnitt“,72 „,Fortsetzung-folgt‘-Technik“73 oder, Iser zitierend, als „suspense“74 bezeichnet: Eine erste Fortsetzungsstrategie könnte man als den ‚klassischen‘ suspense bezeichnen. Gemeint sind die Schnittstellen, die hochdramatische Vorgänge just vor dem Kulminationspunkt der Entwicklung kappen und damit dem Leser bis zur nächsten Fortsetzung buchstäblich den Atem verschlagen. Diese Spielart praktiziert die Köderfunktion des Feuilletonromans am unverhohlensten.75

Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Grundform hält Walter aber für begrenzt: Insgesamt hat man die Häufigkeit derart spektakulärer Schnitte – wohl wegen der optimalen Demonstrierbarkeit des suspense – überschätzt. Es wäre für den Autor zu schwierig und überdies ermüdend, ständig extreme Ereignishöhepunkte in die Erzählungen hineinzu-

70 Iser (Anm. 68), S. 298. 71 Bachleitner (Anm. 2), S. 7, S. 55, S. 162 verwendet den Begriff „cliff-hanger“, allerdings ohne ihn näher zu definieren. 72 Walter (Anm. 4), S. 407. 73 Walter (Anm. 4), S. 386. 74 Walter (Anm. 4), S. 408. 75 Walter (Anm. 4), S. 410; Hervorhebung im Original.

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5 Konzeptbegriffe der Serienforschung

konstruieren, weshalb die Romanciers eher sparsam mit solch harten Wirkungsdrogen umgehen.76

Die zweite Technik stellt eine abgeschwächte Form dar, denn „am FeuilletonSchluß [wird] eine Bewegung gestartet oder ist bereits vorher in Gang gesetzt worden; danach wird der Ablauf durch den Schnitt unterbrochen“.77 Bei den letzten drei Typen handelt es sich drittens um Prognosen oder Ankündigungen, viertens um (melodramatische) Ausrufe und fünftens um unbeantwortete Fragen oder abgeschnittene Gesprächssituationen in Erzähler- oder Figurenrede. Auf den – zumal frühen – Serienroman lassen sich solche Ergebnisse natürlich nicht ohne Weiteres übertragen. So ist davon auszugehen, dass der in kurzen Abständen erscheinende Zeitungsroman einerseits eine Fülle unterschiedlicher Cliffhangertypen hervorbringen muss, um den Leser nicht zu langweilen, andererseits mit weniger effektvollen Cliffhangern auskommen kann, weil nur ein kurzer Zeitraum überbrückt werden muss. Außerdem können sich die Cliffhanger des Feuilletonromans mit seinen überschaubaren Fortsetzungsfolgen wesentlich kürzer fassen. Ein mehrere hundert Seiten langer Roman wird seinen Cliffhanger breiter ausführen und sich kaum auf eine schlichte Frage einer Romanfigur an eine andere oder des Erzählers stellvertretend für die Leserschaft beschränken können. In diesem Sinne stellt Sarah Kozloff für die TV-Serie fest: „The general rule seems to be, ‚the longer the hiatus, the higher the cliff‘“.78 Der Cliffhanger am Ende eines Fortsetzungsbandes der Amadis-Serie ist vielleicht eher mit dem ‚Super-Cliffhanger‘ einer Fernsehserie vergleichbar, der die Pause bis zum Beginn einer neuer Staffel überbrücken muss, denn diese weisen verstärkt lebensbedrohliche Situationen auf.79 Jedenfalls scheinen sich schon die Autoren des Amadisromans dieser besonderen Systemstelle des Textes bewusst gewesen zu sein, wie die nachfolgende Analyse zeigen wird. Sie verstehen, diese effektvoll (nicht) zu besetzen, d. h. eine ‚Leerstelle‘ zu kreieren. Zwar ist keineswegs davon auszugehen, dass die Erzähltechnik im sechzehnten Jahrhundert genauso routiniert gehandhabt wird wie von den Seifenopern-Produzenten von heute, ihre (zum Teil schon recht beeindruckenden) Anfänge lassen sich aber zweifellos im Amadis aufspüren.  

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Walter (Anm. 4), S. 411; Hervorhebung im Original. Walter (Anm. 4), S. 412. Kozloff (Anm. 18), S. 92. Vgl. Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption (Anm. 14), S. 147.

Teil B: Analyse

6 Makroebene: Serie 6.1 Kurzcharakteristik der Bände I bis VI Den Einstieg in den Amadis soll eine Zusammenfassung der Bände I bis VI erleichtern. Die Bände gehen auf zwei Autoren zurück (Montalvo und Silva) und erzählen von drei Rittergenerationen (Amadis – Esplandian – Lisuart). Die wesentlichen Motive und Erzählmuster sind damit schon gegeben; die ‚Serienformel‘ ist danach nur noch wenig verfeinert, viel häufiger verwässert worden. Sicher stellen solche Inhaltsangaben ein probates Mittel dar, um dem interessierten Leser, der sich nicht durch ganze Regalbretter von Büchern quälen mag, einen Überblick über den Ritterroman zu vermitteln. Doch müssen notwendigerweise alle Nebenstränge abgeschnitten werden, wenn die Zusammenfassung nicht genauso verwirrend sein will wie der ihr zugrunde liegende Text. Damit jedoch ist der Amadisroman eines wichtigen Merkmals beraubt. Die nachfolgende Analyse wird seine weitläufige Handlung deswegen auf andere Weisen ‚zuschneiden‘ müssen. Buch I Amadis wird als uneheliches Kind von König Perion von Frankreich und Elisena, Tochter des Königs von Kleinbritannien, geboren und unmittelbar nach der Geburt ausgesetzt. Gandales, ein schottischer Edelmann, findet den Säugling und zieht ihn gemeinsam mit seinem Sohn Gandalin auf. Beide Knaben werden an den Hof von König Languines von Schottland aufgenommen, wo der noch nicht um seine edle Abstammung wissende Amadis sich in Oriana, die Tochter von König Lisuart von Großbritannien, verliebt. Nachdem Amadis unwissentlich vom eigenen Vater zum Ritter geschlagen worden ist, rettet er diesen und steht ihm in einem Krieg bei. Am Hof in Frankreich wird schließlich Amadis’ Identität entdeckt. Amadis’ Bruder Galaor, der als Kleinkind von einem Riesen entführt worden war, bricht zur Abenteuerfahrt auf. Er begegnet Amadis und lässt sich von ihm zum Ritter schlagen, ohne dass die Brüder einander erkennen. Doch deckt die gute Zauberin und Helferin Urganda im Nachhinein ihr Verwandtschaftsverhältnis auf. Galaors Abenteuer werden nun parallel zu denen seines Bruders erzählt, wobei er sich im Gegensatz zum treuliebenden Amadis als Don Juan entpuppt. Es kommt zur ersten Begegnung zwischen Amadis und dem bösen Zauberer Arcalaus, dem zentralen Gegenspieler der ersten vier Bände: Arcalaus verzaubert Amadis, verkündet am Hof zu Großbritannien, ihn getötet zu haben, und stürzt Oriana damit in tiefe Verzweiflung. Tatsächlich wurde Amadis allerdings befreit, was sich schnell herumspricht. Im Folgenden gerät Amadis in ein gefährliches Abenteuer und verspricht Briolania, ihr in Jahresfrist gegen ihre Feinde beizustehen. Ahnungslos geraten Amadis und Galaor in einen Kampf gegeneinander, der von einer verräterischen Jungfrau angezettelt wurde und von außen geschieden wird. Die Brüder erkennen einander und machen sich auf den Weg zu König Lisuart. König Lisuart wird Opfer einer groß angelegten List, an der Arcalaus maßgeblich beteiligt ist. Er und seine Tochter Oriana werden entführt. Auch Amadis und Galaor geraten in Gefangenschaft, sodass sie nicht augenblicklich eingreifen können. Als sie schließlich von der Intrige erfahren, retten

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sie König und Prinzessin und wehren den Angriff auf das Reich ab. Nach der Rettung von Oriana nutzt Amadis die günstige Gelegenheit für ein erstes, heimliches Schäferstündchen mit seiner Dame. Danach bricht Amadis mit Galaor und seinem Cousin Agraies auf, um das Versprechen einzulösen, das er Briolania gegeben hatte. Sein Zwerg Ardan missdeutet die Situation und berichtet Oriana von einer angeblichen Liebe zwischen Amadis und Briolania, womit sich die Eifersuchtshandlung andeutet, die Buch II in weiten Teilen bestimmen wird. Unterwegs trennt sich Galaor von ihnen, um einem Ritter nachzueilen, der sich als sein und Amadis’ Halbbruder Florestan entpuppt. Galaor und Florestan reisen Amadis und Agraies hinterher, die Briolania mittlerweile gerächt haben. Buch II Der Band beginnt mit einem Exkurs über die Vorzeit der Amadiswelt. Nach diesem einführenden Kapitel wird unmittelbar an den letzten Begebenheiten von Buch I angesetzt: Auf dem Rückweg von Briolania zum Hof Lisuarts gelangen Amadis, Galaor, Florestan und Agraies zur Beschlossenen Insel. Dort nehmen sie an einer magischen Liebesprobe teil, ein Abenteuertyp, in dem Rittermäßigkeit und Treue gleichermaßen unter Beweis gestellt werden müssen. Amadis dominiert, löst den Zauber und wird Herrscher der Insel. Im Anschluss wird die Eifersuchtshandlung aufgegriffen, die im vorhergehenden Band angelegt worden war. Per Brief teilt Oriana Amadis mit, dass sie ihm ihre Zuneigung entzogen hat und verstößt ihn. Ungeachtet seiner Unschuld unterwirft sich Amadis dem Befehl seiner Dame und zieht sich heimlich von der Welt zurück. Er streitet gegen Patin, den Thronfolger des Kaisers von Rom, der in Oriana verliebt ist, und kommt schließlich bei einem Einsiedel unter, der auf einem kargen Felsen lebt (Peña Pobre-Episode). Von ihm erhält Amadis einen neuen Namen: ‚Dunkelhübsch‘. Oriana erhält Nachricht von Amadis’ erfolgreichem Bestehen der Liebesprobe und setzt voller Reue einen neuen Brief auf. Florestans Freundin Corisanda gelangt auf ihrer Suche nach ihm zum „Armfelß“ (S. 158), wo sie von Dunkelhübsch ein Lied erlernt, das sie später am Hof Lisuarts vorträgt. Mabila, Orianas Base und Vertraute, identifiziert Amadis auf diese Weise. Zufällig findet auch Orianas Botin, die Jungfrau von Dänemark, Amadis’ Aufenthaltsort. Sie erkennt ihn und nimmt ihn mit sich, seine Identität wird zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht enthüllt. Oriana hatte sich zwischenzeitlich auf ein Schloss zurückgezogen, wo Amadis sie schließlich aufsucht. Doch wird die Wiedervereinigung noch etwas hinausgezögert, denn zunächst muss sich Amadis als Dunkelhübsch einen Namen machen. Lisuart bittet derweil Amadis’ Brüder, ihm in einer Schlacht beizustehen. Unterdessen bringt ein Greis eine magische Liebesprobe an den Hof Lisuarts; Amadis und Oriana nehmen maskiert teil und bestehen. Auf dem Rückweg zu Orianas Schloss kommt es einmal mehr zu einem Duell mit Amadis’ Erzfeind Arcalaus. Inzwischen erhalten König Lisuart und Galaor von der guten Zauberin Urganda düstere Prophezeiungen bezüglich der bevorstehenden Schlacht. In dieser wird Galaor schwer verwundet. Urganda lässt ihn und den gegnerischen Cildadan hinwegführen und heilt sie. Mitten im Schlachtgetümmel gibt sich Amadis triumphierend zu erkennen. Nach dem Sieg kommt Urganda mit gewaltigem Spektakel am Hof an. Sie spricht mehrere Prophezeiungen aus, die auf die nächste große Erzähleinheit vorausweisen: die Feindschaft zwischen Amadis und König Lisuart. Vorgeschaltet wird noch ein Duell von Amadis mit dem monströsen Ardan Canile, der zwei seiner Freunde gefangen hält. Amadis’ Stellung am Hofe hat damit einen Höhepunkt erreicht, was Neider auf den Plan ruft. Lisuart wird gegen Amadis aufgehetzt und schlägt dessen Bitte ab, seinem Waffenbruder Galuanes eine Insel zu überlassen. Die Insel Montgaze gehörte ursprünglich Madasima, die sich in Lisuarts Gefangen-

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schaft befindet; Galuanes möchte sie heiraten. Wegen der schroffen Zurückweisung des Königs verlässt die Amadisritterschaft geschlossen den Hof. In Amadis’ Abwesenheit bemerkt Oriana, dass sie schwanger ist, und vertraut sich Mabila und der Jungfrau von Dänemark an. Lisuart sieht seinen Fehler zwar bald ein, macht seine Entscheidung jedoch nicht rückgängig. Während Amadis neutral bleiben will, ziehen die Amadisritter an den Hof, um Madasima zu befreien, aber durch Zufall hat sich der Anlass für die Gefangensetzung mittlerweile erledigt. Die Söhne der alten Ritter, deren Einflüsterungen Lisuart nachgegeben hat, werden von Amadis’ Freunden im Duell getötet. Buch III Obwohl der Gerichtskampf am Ende von Buch II an den Tag gebracht hat, dass Amadis zu Unrecht beschuldigt worden ist, bleibt Lisuart verstockt und lässt Amadis absagen. Der Krieg um die Insel Montgaze nimmt seinen Lauf, an dem sich Amadis selbst aber nicht beteiligt, weil er sich dem Königshaus immer noch verpflichtet fühlt. Um sich abzulenken, macht sich Amadis mit dem Ritter Bruneo auf nach Frankreich. Zufällig an einer Insel gestrandet, die von einem bösen Riesen beherrscht wird, kommen sie Amadis’ Bruder Galaor und dem Ritter Cildadan im rechten Moment zu Hilfe; sie setzen die Reise gemeinsam fort. In Frankreich bittet Galaor seinen Vater Perion in seiner schwierigen Situation um Rat: Als Ritter von König Lisuart kann er diesen nicht verlassen, auch wenn es gegen den eigenen Bruder geht. Auf dem Weg nach Großbritannien zu König Lisuart treffen Galaor und sein Waffenbruder Cildadan auf einen Jüngling, bei dem es sich, wie sich später herausstellt, um Lisuarts unehelichen Sohn Norandel handelt. Lisuart bricht mit seinem Heer auf; in seiner Abwesenheit bringt Oriana heimlich einen Sohn zur Welt: Esplandian, der mit einem mysteriösen Körpermal ausgestattet ist. Orianas Kammerjungfrau und deren Bruder Durin sollen den Säugling zu einer Amme bringen, verlieren ihn jedoch unterwegs, als ihre Pferde im Wald vor wilden Tieren scheuen. Oriana wird dieser Zwischenfall aber verheimlicht. Esplandian wird von einer Löwin verschleppt, doch von dem Einsiedel Nascian gerettet, der ihn von den Waldtieren säugen lässt und ihn mit Unterstützung seiner Schwester und in der Gesellschaft einer ihrer Söhne, Sargil, aufzieht. Während sich die beiden Heere auf Montgaze einen langen Krieg liefern, erreicht Lisuart die Nachricht, dass der böse Zauberer Arcalaus sieben Könige angestiftet hat, sein Reich anzugreifen. Lisuart sieht sich gezwungen, die Auseinandersetzung um Montgaze zu beenden, und gibt Galuanes die Insel auf Bitten Galaors zu Lehen. Amadis erhält in Frankreich die Botschaft von der Geburt seines Sohnes. Kurz darauf informiert ihn Oriana auch über die verzweifelte Situation ihres Vaters Lisuart. Amadis, sein Vater Perion und der eben angekommene Halbbruder Florestan beschließen, Lisuart beizustehen, jedoch ohne sich zu erkennen zu geben. Die wohlmeinende Zauberin Urganda schickt ihnen zu diesem Zweck drei Rüstungen zu. Nachdem die drei Ritter Lisuarts Heer den Sieg gesichert haben, geraten sie in die Hände von Arcalaus, können sich aber befreien und setzen Arcalaus’ Schloss in Brand. Arcalaus kann sich jedoch in Sicherheit bringen und windet sich anschließend auch noch aus den Händen Galaors und Norandels. Die beiden Ritter sind auf der Suche nach Lisuarts unbekannten Rettern. In Frankreich werden sie von Perion aufgeklärt und verkünden die Nachricht in Großbritannien. Lisuart trifft auf einer Jagd auf einen Knaben und erhält zeitgleich einen Brief von Urganda, die ihm rät, diesen mit sich zu nehmen. Oriana erkennt in dem Kind ihren verlorenen Sohn. Amadis besteht inzwischen als ,Ritter mit dem grünen Schwert‘ einige Abenteuer und trifft auf Grasinda, die ihm das Versprechen abnimmt, binnen eines Jahres zu ihr zurückzukehren. Auf die Teufelsinsel verschlagen, besiegt Amadis das Ungeheuer Endriague. Danach setzt er

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seine Reise zum Kaiser von Constantinopel fort, der sich bemüht, Amadis am Hof zu halten. Doch vergebens: Amadis muss zu Grasinda zurückkehren, macht aber eine Reihe von Zusagen, die sich auf seinen Sohn Esplandian deuten lassen. Leonorina, die Tochter des Kaisers, schenkt Amadis einen Ring. In Grasindas Diensten soll Amadis dann ausgerechnet am Hofe Lisuarts ihre Schönheit verteidigen. Dort wirbt Patin, mittlerweile römischer Kaiser, schon im zweiten Anlauf um Oriana. Lisuart ist willens, die Werbung gegen alle Ratgeber (unter ihnen Galaor) anzunehmen. Als ,Griechischer Ritter‘ fährt Amadis nach Großbritannien und erfährt unterwegs von der bevorstehenden Verheiratung seiner Dame. Angekommen, besiegt er für Grasinda die römischen Ritter, die den Kampf stellvertretend für den Hof angenommen und sich mit ihrer Arroganz unbeliebt gemacht haben. Als die Römer Oriana nach Italien führen wollen, werden sie von Amadis’ Flotte angegriffen; Oriana und ihre Gesellschafterinnen werden befreit. Gemeinsam macht man sich auf zu Amadis’ Insel Ferme (auch: Beschlossene Insel). Buch IV Die Gesellschaft kommt auf der Beschlossenen Insel an, wo Oriana und die anderen Damen sich sofort von den Rittern separieren, um keinen Verdacht auf sich zu lenken. Damit wird bereits die Umdeutung der Amadis-Oriana-Liebe eingeläutet. Weil man mit einem Gegenschlag Lisuarts rechnen muss, beschließen die Amadisritter bei den Freunden in aller Welt um Verstärkung anzusuchen. Vermittlungsversuche lehnt Lisuart nach wie vor ab. Amadis’ Boten treffen an Lisuarts Hof auf Esplandian, der den Wunsch äußert, von Amadis, dem noch unerkannten Vater, zum Ritter geschlagen zu werden. Auch dem bösen Zauberer Arcalaus kommt die Nachricht vom neuen Krieg zu Ohren. Er will die Lage zu seinen Gunsten ausnutzen und macht Gegnerfiguren bzw. -sippen zu seinen Verbündeten, die dem Leser bereits gut bekannt sind. Als die Botschaft zu König Perion nach Frankreich gelangt, verheimlicht er es seinem kranken Sohn Galaor, der in den Diensten Lisuarts steht. So kann verhindert werden, dass Galaor neuerlich auf der anderen Seite streiten muss. Lisuart lässt derweil dem römischen Kaiser Patin die Entführung seiner Braut mitteilen, welcher Rache schwört. Kurz vor der Schlacht macht Amadis seinen treuen Knappen Gandalin zum Ritter. Die Ritter von der Beschlossenen Insel sind in der Schlacht überlegen; Amadis tötet Patin. Dennoch will Lisuart den Krieg fortsetzen. Unterdessen sind die Ereignisse dem Einsiedler Nascian zu Ohren gekommen, dem Oriana gebeichtet hatte. Er bricht sofort auf, um den Konflikt beizulegen. Nachdem er sich von Oriana die Erlaubnis eingeholt hat, das Beichtgeheimnis zu offenbaren, berichtet er Lisuart von der heimlichen Ehe zwischen Amadis und seiner Tochter. Lisuart ist nun sofort zur Versöhnung bereit. Als Lisuart den geordneten Rückzug antritt, wird er von dem Heer angegriffen, das Arcalaus aufgebracht hat. Esplandian alarmiert Amadis, der Lisuart Beistand leistet. Nachdem auch diese Schlacht gewonnen und Arcalaus gefangen worden ist, kommt es zum fröhlichen Wiedersehen. Amadis bestimmt unter den Römern seinen Freund Arquisil zum Kaiser von Rom. Lisuart verkündet, Oriana mit Amadis verheiraten zu wollen, und nimmt Esplandian offiziell als Enkel an. Amadis arrangiert eine Hochzeit zwischen dem neuen Kaiser und der jüngeren Tochter von Lisuart, sodass nun alle Seiten zufrieden sind. Man zieht zur Beschlossenen Insel, um die Feierlichkeiten zu begehen. Dort angekommen, belohnt Amadis auf Rat seines Vaters seine Getreuen mit den eroberten Herrschaften und ordnet weitere Hochzeiten an, zum Beispiel die seines Bruders Galaor mit Briolania. Urgandas Ankunft an der Beschlossenen Insel gestaltet sich wie üblich spektakulär. Die Bräute versuchen sich an der Liebesprobe, die nur von der Schönsten bestanden werden kann. Allein Oriana gelangt in die Verbotene Kammer und

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6.1 Kurzcharakteristik der Bände I bis VI

kann den Zauber auflösen. Urganda versammelt die Fürsten, erinnert an ihre Prophezeiungen und zeigt auf, dass alles eingetreten ist, was sie vorhergesehen hat. Die Zauberin spricht neue Prophezeiungen aus, die Esplandian betreffen. Nach den Feierlichkeiten kehren alle Fürsten in ihre Reiche zurück; ein deutlicher Einschnitt in der Handlung ist erreicht. Auf der Jagd trifft Amadis auf Darioleta, die frühere Kammerjungfrau seiner Mutter, die dringend seine Hilfe benötigt. Nachdem Amadis den Riesen Balan besiegt und als Freund gewonnen hat, erfährt er von der wundersamen Insel der Zauberischen Jungfrau. Er beschließt, sich an dem magischen Abenteuer zu versuchen, muss aber schnell feststellen, dass es seinem Sohn vorbehalten ist. Zurück auf der Beschlossenen Insel wird er von der Frau des Zauberers Arcalaus überlistet, die ihm das Versprechen abnehmen kann, ihren Mann freizulassen. Währenddessen begegnet König Lisuart auf der Jagd einer scheinbar hilfsbedürftigen Jungfrau, die ihn in eine Falle lockt und entführt. Die Königin informiert Amadis von seinem Verschwinden. Zeitgleich trifft Urganda auf der Beschlossenen Insel ein. Sie ordnet Esplandians Ritterschlag an und weist ihm als erstes Abenteuer die Befreiung Lisuarts zu. Amadis entsendet seinen Sohn überdies an den Hof des Kaisers von Constantinopel, um sein (in Buch III gegebenes) Versprechen einzulösen. Esplandian entschwindet in Urgandas magischem Gefährt, der Großen Schlange. Die Ritter der ersten Generation bleiben auf der Beschlossenen Insel zurück und erhalten von Urganda die Anweisung, sich zur Ruhe zu setzen. Buch V Nach seinem Ritterschlag erwacht Esplandian in der Großen Schlange am Felsen der Zauberischen Jungfrau, wo er ein magisches Schwert erobert. Ein weiteres Abenteuer kann er vorerst nicht bestehen. Urgandas stumme Diener führen Esplandian zu dem Schloss, in dem König Lisuart von der Zauberin Arcabonna gefangen gehalten wird. Unterwegs kommt Esplandian bei einem Einsiedel unter. Esplandian besiegt die Herren des Schlosses (u. a. den Zauberer Arcalaus) in mehreren Kämpfen. Arcabonnas Zauber wirkt nicht, weil Esplandian sein magisches Schwert führt. Esplandian kann Lisuart erlösen, will sich aber zunächst nicht zu erkennen geben. Auch Meister Elisabeth, der Arzt und Freund der Amadis-Sippe, wird befreit. Er berichtet Esplandian von Leonorina, der Tochter des Kaisers von Constantinopel, in die dieser sich auf Hörensagen verliebt. Carmella, die Tochter des Einsiedels, verliebt sich wiederum in Esplandian. Als sie jedoch von seiner hohen Abkunft erfährt, beschließt sie, sich ihm stattdessen als Dienerin anzubieten. Urganda schickt Esplandian eine neue Rüstung, die Leonorinas Zeichen trägt. Esplandian entsendet Carmella zu Leonorina und schickt ihr zum Zeichen seiner Dienstbereitschaft den Ring zurück, den sie zuvor Amadis schenkte (Buch III). Unterwegs zu Leonorina wird Esplandian von einem unbekannten Ritter herausgefordert; doch führt ihr Duell keine Entscheidung herbei und muss schließlich abgebrochen werden. Es handelt sich um seinen Vater Amadis. Inzwischen berichtet Carmella Leonorina von Esplandian und auch diese entflammt in Liebe. Ein erstes Treffen zwischen Esplandian und Leonorina kommt aber nicht zustande, weil die Große Schlange nicht vor Constantinopel landen will. Stattdessen beteiligen sich Esplandian und seine Gefährten am Türkenkrieg. In Großbritannien beschließt Lisuart unterdessen, die Herrschaft an Amadis und Oriana abzutreten. Leonorina schreibt Esplandian einen unfreundlichen Brief, weil er dem Hof bislang ferngeblieben ist. Carmella rät deshalb, Leonorina zu besuchen. Auf dem Weg dahin geraten sie in einen Sturm und werden wieder an den Felsen der Zauberischen Jungfrau gespült. Esplandian kann nun auch den zweiten Teil des Abenteuers erfüllen und einen mit Schätzen gefüllten Sarg („begrbnuß“, S. 177v) bergen.  

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Carmella entwickelt den Plan, Esplandian in dieser Truhe in Leonorinas Gemach einzuschleusen. Nach der Zusammenkunft des Liebespaares in Anwesenheit einer Anstandsdame kehrt Esplandian zum Kriegsschauplatz zurück. Dort trifft auch Urganda auf der Großen Schlange ein und befiehlt den Rittern, nach Constantinopel aufzubrechen, weil der Kaiser ihre Unterstützung benötige; sie stellt sich selbst ausdrücklich in den Dienst der christlichen Sache. Die heidnische Zauberin Melie kann Urganda überlisten und entführen, woraufhin die Ritter zur Suche aufbrechen. Die Nachricht vom Krieg der Christen gegen die Heiden gelangt auch in die Landschaft California, wo die Amazonenkönigin Calafia regiert. Sie zieht an der Seite der Heiden in den Kampf, wird aber von Anfang an als positive Figur gezeichnet. Auch Calafia verliebt sich in Esplandian. Während der Schlacht sterben König Lisuart und König Perion, die Väter von Oriana und Amadis. Nach dem Sieg gibt der Kaiser die Herrschaft an Esplandian ab, den er mit Leonorina verheiraten will. Man deutet Esplandians seltsames Körpermal mit Hilfe eines Zauberbuchs und stellt fest, dass Esplandian und Leonorina füreinander bestimmt sind. Königin Calafia sieht ein, dass sie Esplandian nicht für sich gewinnen kann. Sie bittet darum, mit einem Mitglied der AmadisSippe verheiratet zu werden, auch will sie den christlichen Glauben annehmen. Urganda wird mittels eines Gefangenenaustauschs befreit. Nach ihrer Rückkehr kündigt Urganda die Erfüllung einer Prophezeiung an: Die Große Schlange versinkt im Meer und die Zauberische Jungfrau entreißt Esplandian das magische Schwert; damit sind seine Abenteuer beendet. Esplandian entsendet seine Verwandten, um das christliche Reich zu sichern und zu vergrößern. Urganda entnimmt derweil ihren Zauberbüchern, dass die Fürsten in Kürze sterben werden, was sie zu verhindern beschließt. Sie bestellt Amadis, Esplandian, Galaor, Florestan etc. mit ihren Frauen und wichtigsten Vertrauten wie Gandalin, Carmella, Meister Elisabeth etc. auf die Beschlossene Insel, wo sie in einen Zauberschlaf versetzt werden. Die Zauberin prophezeit, dass ein Spross der Amadis-Sippe (nämlich Lisuart in Buch VI) die Fürsten eines Tages zu neuem Leben erwecken wird. Buch VI Weil die Fürsten im Zauberschlaf liegen, macht sich Perion, Amadis’ zweiter Sohn, aus Großbritannien auf, um den Ritterschlag andernorts zu empfangen; doch gibt er unterwegs einer Frau ein vorschnelles Dienstversprechen. Es handelt sich um die Zauberin Alquife, die ihn auf einem von Affen angetriebenen Schiff davonführt. In Constantinopel erfährt Lisuart, Enkel von Amadis und Sohn von Esplandian, dass Perion verschollen ist, und begibt sich sofort auf die Suche. Unterdessen wird Perion von Alquife vor den Kaiser von Trapezunt gebracht, der ihn zum Ritter schlägt. Am Hof verliebt sich Perion in die jüngere Tochter des Kaisers, Gricilerie. Alquife verleiht Perion seinen Ritternamen und mahnt zum Aufbruch. Perion befreit den Zauberer Alquif, Alquifes Vater, und erfüllt damit sein Dienstversprechen. Lisuart und seine Gesellen hat ein Sturm inzwischen ebenfalls nach Trapezunt verschlagen. Dort erhält Lisuart Nachricht von Perion und verliebt sich in die ältere Tochter des Kaisers, Onolorie. Lisuart verspricht der schönen Gradafilee einen Dienst und muss umgehend mit ihr aufbrechen. Da kommt Nachricht von der bösen Zauberin Melie an den Hof zu Trapezunt: Im Namen eines heidnischen Bündnisses droht sie Constantinopel und der gesamten Christenheit und verkündet die listige Entführung Lisuarts, der – so hatte sie vorausgesehen – der Heidenschaft den Untergang bringen würde. Perion erfährt von dem anstehenden Krieg und beschließt, dem Kaiser von Constantinopel Beistand zu leisten. Dieser hat ebenfalls einen Drohbrief Melies erhalten und entsendet ein Hilfegesuch an die christliche Welt. Die Amadisritter (insbesondere Perion) wehren den ersten Ansturm der Heiden ab. Um der

6.2 Figureninventar

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Prophezeiung zu entgehen, will Melie Lisuart verbrennen lassen. Gradafilee, die den Lockvogel abgegeben hat, verliebt sich jedoch in Lisuart und rettet ihn. In Constantinopel wird Lisuart von Perion zum Ritter geschlagen. Im selben Augenblick endet Melies Zauberspuk; nur ihr Leichnam bleibt zurück. Nun kommt auch die christliche Verstärkung an, allen voran das Affenschiff mit der Zauberin Urganda und den lange vermissten Fürsten (vgl. Schluss von Buch V). Schließlich wird der Krieg gewonnen. Ohne sich zu erkennen zu geben, fordern Amadis und Esplandian ihre Söhne anschließend zu einem Duell heraus, das von Alquif vorzeitig beendet wird. In Trapezunt kommt Lisuarts Dame Onolorie währenddessen das Gerücht zu Ohren, Lisuart sei in Gradafilee verliebt. Mit einem bitterbösen Brief verbannt sie Lisuart, der sich verzweifelt vom Hofleben zurückzieht und als ,Einsamer Ritter‘ Ruhm erwirbt. Unter anderem befreit er seinen Ahnherrn Amadis. In der Zwischenzeit kann Perion seine Dame Gricilerie, Onolories Schwester, von der Unschuld seines Vetters überzeugen. Perions Suche nach Lisuart wird durch einen Kampf für die schöne Herzogin von Österreich verzögert, die er schwängert. Der Einsame kämpft unwissentlich gegen Perion, dem er seine Identität entdeckt. Alquife bringt Botschaft von Onolorie, die ihren Fehler mittlerweile eingesehen hat. Lisuart und Perion machen sich auf den Weg nach Trapezunt, doch landen sie unversehens in Großbritannien, wo sie am Hof von Amadis inkognito an einem Turnier teilnehmen. Da gelangt ein magisches Abenteuer an den Hof: eine Liebesprobe, die nur vom tapfersten und treuesten Ritter und der tugendhaftesten Dame bestanden werden kann. Während keiner der anwesenden Ritter gegen den verzauberten Gegner ankommt, weicht dieser Lisuart einfach aus. Auch die Damen am Hof können nichts ausrichten. Im Anschluss wird Amadis zu einem Kampf herausgefordert, den Lisuart, Perion und die Nebenfigur Olorius für ihn annehmen. Lisuart verlegt den Kampfschauplatz nach Trapezunt, um seine Dame wiedersehen und sich mit ihr versöhnen zu können. Zeitgleich wird auch die magische Liebesprobe an den Hof zu Trapezunt gebracht und von Onolorie und nun auch von Lisuart erfüllt. Das Duell findet statt, bei dem Lisuart und seine Gefährten natürlich siegreich sind. Die beiden Paare treffen sich zu einem heimlichen Rendezvous im Garten, bei dem Onolorie und Gricilerie schwanger werden. Auf der Jagd werden Lisuart, Perion, Olorius und der Kaiser von Trapezunt entführt. Doch damit nicht genug der Spannung: Heimlich bringt Onolorie einen Sohn, Amadis aus Griechenland, zur Welt, der bei Pflegeeltern untergebracht werden soll, doch unterwegs von heidnischen Seeräubern entführt wird.

6.2 Figureninventar Die Welt des Amadisromans ist dicht bevölkert. Allein im ersten Band, dessen Handlungsstränge noch relativ überschaubar sind, werden über 70 Figuren namentlich benannt. Daneben treten unzählige namenlose Ritter, Jungfrauen, Geistliche, Riesen, Zwerge usw. auf, an die beliebige Abenteuer geknüpft werden, die sich quasi ,am Wegesrand‘ ereignen. Tatsächlich erscheint es verzichtbar, eine Figur mit einem Namen auszustatten, die nur innerhalb einer isolierten Episode auftritt und somit eindeutig identifizierbar ist. Um ein Beispiel zu geben: In Buch I, Kap. 18 trifft Amadis auf einen Zwerg, der ihn von da an auf Abenteuer-

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fahrt begleitet. Doch erst in Kap. 24, in welchem der Zwerg als Bote an den Hof gesendet und damit sein Aktionsraum erweitert wird, wird ihm auch ein Name zugewiesen: „Ardan des Amadis Zwerg“.1 Der Zwerg wird nun offenbar zum festen Figurenbestand gerechnet und deshalb mit einem Namen versehen.2 Andererseits werden gelegentlich aber auch Figuren benannt, die keine oder so gut wie keine Bedeutung für die Handlung haben. So werden in Buch I beispielsweise Ritter namentlich erwähnt, die am zentralen Hof der ersten Bände, dem König Lisuarts von Großbritannien, verortet werden.3 Auf diese Weise erhält die Romanwelt eine gewisse Tiefendimension. Obwohl dem Leser die Figurenvielfalt bisweilen unübersichtlich erscheinen dürfte, werden tatsächlich immer nur wenige Positionen besetzt, die nur geringfügigen Variationen unterliegen; sie sollen im Folgenden in groben Zügen skizziert werden.

Der Amadisritter Inbegriff des Ritters ist zweifelsohne Amadis, dem seine Brüder Galaor und Florestan sowie sein Cousin Agraies zur Seite treten. Sind die Verwandtschaftsverhältnisse erst einmal entdeckt, bilden sie eine vollkommen störungsfreie Gemeinschaft. Analog zu den Artusrittern sollen sie hier als ,Amadisritter‘ bezeichnet werden, deren wesentliches Auszeichnungsmerkmal Verwandtschaft ist. Waffenbrüder sind hinzuzurechnen, insbesondere dann, wenn sie in die Sippe einheiraten. Diese Gemeinschaft wird bereits in Buch I beschworen: Amadis, Galaor, ihr Cousin Agraies und dessen Onkel Galuanes kommen nach diversen Abenteuern an einer Festtafel zusammen:

1 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 263. 2 Im ersten Band gibt es eine weitere Szene, in der ad hoc Namen eingeführt werden: Amadis’ Bruder Galaor ist auf dem Weg, um König Lisuart aus den Händen von Entführern zu retten, als er von einem unbenannten Ritter aufgehalten wird. Galaor lässt sich nicht auf einen Kampf ein, um seine Kräfte zu schonen. Der Ritter beschließt daraufhin, Galaor zu folgen und sich davon zu überzeugen, dass dieser sich nicht herausgeredet hat. Später schließt sich noch ein weiterer Ritter, ein Vetter des ersten, an. Als die beiden Vettern Zeuge von Galaors Heldentat werden, springen sie ihm bei. Plötzlich werden die Namen der Ritter verwendet: „In dessen jagten Gillan vnnd Ladasin einem andern Ritter nach, welchen sie erschlugen. Nacher kamen sie zu dem König, welchen sie gleich erkannten. […] nacher legten sie jhre Helm hinweg, Darumb er sie gleich erkennet […].“ Amadis. Erstes Buch, S. 369. Die Namen werden also mitgeteilt, damit der König Gillan und Ladasin erkennen kann. An die weitaus elegantere Möglichkeit, die beiden noch unbekannten Ritter über den König einzuführen, ist offenbar nicht gedacht worden. 3 Vgl. z. B. Amadis. Erstes Buch, S. 381.  

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Vnd zugleich wie sie vier dazumahl sich von allen andern abgesöndert, also haben sie sich auch nachmals, in mancher arbeit, not vnd vnzalbarn gefahr zumal gefunden, welche sie willig erduldet, der grossen, hertzlichen liebe halben, so einer gegen dem andern getragen, ja solche hulde zusammen gehabt, daß ob gleichwol Galuanes gentzlich mit keiner Blut verwandtnuß, ausserhalb dem Agraies, jhnen zugethan gewesen: Nicht desto weniger, doch Amadis vnd Galaor jhm nicht anderst, als jhrem Vettern vnd Patruum genennet, daß jhm denn sein lob vnnd ansehen sehr gemehret, also wie in volführunge der History meldung beschehen wirdt.4

Die Unterschiede innerhalb der Amadisritterschaft sind minimal. Eine Hierarchie der Ritter wird in der Liebesprobe zwar entworfen (vgl. hierzu Kap. 8.4), trotzdem sind gerade die zentralen Figuren (mit eigenem Handlungsfaden) einander so gut wie ebenbürtig. An ihrer Spitze steht natürlich Amadis, der als geradezu unbesiegbar gelten kann. Deshalb enthält bereits das zweite Buch die einfache Erkenntnis, dass Amadis beinahe nur durch sich selbst überwunden werden kann: Unter dem Ritternamen ‚Dunkelhübsch‘ macht er sich gewissermaßen selbst seinen Rang in der Romanwelt streitig:5 Darumb dann die Briolania offt zu jnen sagt / hetten E. L. jhe geargwonet / daß der Amadis sich also verstelt hette / vnd einen solchen fremden namen / mitten vnder seinen besten freunden genomen hette / vnnd also selbert sein gut lob so es [!] bißher gehabt (durch die grosse Ritterliche thaten / so er tglichs vnder einem vnbekanten Namen verbracht) außleschen wllen.6

Jenseits von Kampfesstärke tun sich im Bereich der Liebe dagegen Gegensätze auf: Während Agraies den treuen Liebenden Amadis nur verdoppelt, setzt der flatterhafte Galaor, der erotische Abenteuer aneinanderreiht,7 einen Kontrapunkt.8 Im

4 Amadis. Erstes Buch, S. 310 f. 5 Vgl. für Amadis’ Sohn Esplandian: Amadis V, fol. 70rff. u. fol. 157v. 6 Amadis II, S. 377. 7 Vgl. in Amadis. Erstes Buch: Aldena (S. 132 f.), „Theluis des Niderlenders Tochter“ (S. 176 f.), Brandicta (S. 276 ff.), Madasina (S. 340 f.) und namenlose Jungfrauen (S. 403 u. S. 431). 8 Auch Galaor wird (durch den Ritter Balais) verdoppelt; vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 295. Zum Ende von Band IV hin werden die Ritter der ersten Generation – und mit ihnen Galaor – verheiratet und damit der Übergang der Handlung zu Esplandian und seinen Gesellen eingeleitet. Dass dies zur Anlage der Galaor-Figur nicht so recht passen will, ist offenbar gesehen und deswegen eine leichte Anpassung vorgenommen worden: Als Galaor auf seine Zukünftige Briolania, die übrigens lange Zeit seinem Bruder Amadis verfallen war, trifft, „befande [er] sie jetzunder so schn / vnd in aller volkmlichheit gewachsen / daß die alte Lieb sich wider erneuerte / vnd so weit vberhandt name / daß er / so sich zu verheuraten nie willens gewesen / jm gentzlich vorname / diese zu vermhlen / vnd kein andere niermehr“ (Amadis IV, S. 392). Von vormals bestehenden Gefühlen ist an dieser Stelle allerdings zum ersten Mal die Rede.  









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weiteren Verlauf der Serie wird der Rittertypus üblich, der nacheinander mehreren Damen ‚treu‘ ist:9 Rogel, der Held von Buch IX und X, zeugt Kinder mit mindestens sechs Damen. In der (etwas) sittenstrengeren italienischen Fortsetzung wird Spheramondt seinen Vater aus den Armen einer zauberkundigen Liebhaberin befreien und ihn auf den rechten Weg weisen. Rogel reagiert hchlich erfrewt / das er also von der vnzilichen Lieb mit Sardonia / gleichwol seiner vnwssend getriben / erledigt / vnnd sein allerliebste Gemahl Leonidam sehen solte / deren er seinem selbß bekennen nach / sehr groß vnrecht gethan.10

Den Betrug mit einem Zauber zu rechtfertigen, ist eine gängige Strategie des Amadisromans. Eine interessante Variante bringt Buch XVIII: Hier schützt ein Zauberring Astrapole davor, seine Dame zu betrügen. Als man diesen heimlich gegen einen anderen austauscht, verliebt er sich augenblicklich in Belisaura, die Königin von Clotona,11 die er nach dem Tod seiner Dame auch heiraten wird.12 Eine eher ungewöhnliche Entlastung für den Betrug bringt Buch X: Dort verliebt sich Königin Sidonia in Florisels Waffenbruder Falanges und droht ihm aufgrund eines drakonischen Gesetzes mit dem Tod, sollte er sich ihr verweigern. Weil Falanges seiner Dame um jeden Preis die Treue halten will, springt Florisel (unter dem Decknamen Moraizel) für ihn ein.13 Trotz dieser deutlichen Aufweichung des Liebeskonzepts zugunsten erotischer Episoden wird Liebe im Amadisroman als eine alles verzehrende Macht geschildert, die den verliebten Ritter in eine melancholische Grundstimmung versetzt.14

9 Vgl. z. B. Perion in Amadis VI, Kap. 37: Einerseits hat Perion wie Amadis eine Dame erwählt, andererseits ist er wie Galaor kein Treuliebender. Doch kann die Tatsache seiner Untreue einfach ausgeblendet werden: Bei der Liebesprobe belegt Perion den Rang hinter Lisuart; vgl. Amadis VI, S. 641 f. 10 Amadis XVI, S. 1178 f. 11 Vgl. Amadis XVIII, S. 194, S. 202, S. 233. 12 Vgl. Amadis XIX, Kap. 45 f. 13 Vgl. Amadis X, Kap. 44. 14 Vgl. u. a. folgende Textstellen des ersten Bands, die Amadis in der Nachfolge Lancelots zeigen: Amadis kann nicht schlafen (S. 64 u. S. 197 f.), er bleibt in Gedanken versunken zurück und wird von Angreifern überrumpelt (S. 64), er fällt in Ohnmacht, als nur Orianas Name genannt wird (S. 70 u. S. 104), er geht einen Streit mit einem Ritter ein, der seine Liebesklage belauscht hat und nun selbst sein Glück bei Oriana versuchen will (S. 87), er fällt am Hof in Frankreich auf, weil „seine augen gantz rot geschwollen, vnd noch wesserig“ (S. 93) sind, mitten in einem Duell fällt sein Blick auf Oriana, weswegen er „nicht allein der grossen gefahr, sonder auch seiner eignen person vnd lebens vergaß“ (S. 150), er reitet über eine „schöne vnnd grosse, ebene Heyde, welche mit Violen vnd andern vielerley Blumen hin vnd her bedeckt ward, daß jm das eingedencken der Oriana mehret“ (S. 197). Gegen Ende des ersten Bandes wird eine Figur eingeführt, die gar  











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Die Dame Jedem Amadisritter kann also (mindestens) eine Dame zugeordnet werden, zu der er eine stets heimliche Liebesbeziehung pflegt. Auf die Dame entfallen weite Textteile; sie ist für den Amadisroman von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Amadis’ ausgesprochen eifersüchtige Freundin Oriana gibt das Modell für alle folgenden Damen des Amadisromans ab (vgl. hierzu Kap. 8.2). Weil der Amadisritter nicht nur tapfer und stark, sondern auch überaus einnehmend und attraktiv ist, verfällt ihm nahezu jedes weibliche Wesen, das seinen Weg kreuzt. Manchmal werden solche unglücklich Liebenden sogar geheiratet, nämlich dann, wenn die Dame des Helden kurz nach der Eheschließung verstirbt.15 Daneben tritt der Typ der offensiv werbenden Dame auf, die den Ritter höchstens vorübergehend und oft nur mit List oder durch Erpressung für sich gewinnen kann. Zumeist sind diese Damen aus Gründen der Standeszugehörigkeit auch gar keine angemessenen Partnerinnen, sie können eventuell aber zur treuergebenen Freundin des Helden werden. Erstmals wird diese Position in Buch V von Carmella, Tochter eines Einsiedlers und fortan Begleiterin Esplandians, besetzt.16 Es ist anzunehmen, dass damit ein gewisser Ersatz für das in der christlich-konservativen Fortsetzung weitgehend fehlende erotische Moment geschaffen wird. Das Motiv erweist sich offenbar als attraktiv und wird von den folgenden Bänden kopiert. Zwar werden die Damen zumeist (passive) Opfer von Entführungen und lösen Suchehandlungen aus, doch nimmt ihr Handlungsspielraum über die Bände hinweg immer weiter zu. Als erste eigenständige Heldin des Amadisromans ist wohl Silvia (Buch IX) anzusprechen, eine unter Schäfern aufgewachsene Prinzessin. Bei Alastraxerea (Buch IX und X) handelt es sich dann tatsächlich um einen weiblichen Amadisritter.17 Diese Entwicklung dürfte im Zusammenhang mit dem

ausschließlich über Melancholie definiert wird: Gillan bzw. Guillan der Speculierer, ein Zerrbild des verliebten Ritters; vgl. S. 366, S. 369 f., S. 385. 15 Vgl. John O’Connor: Amadis de Gaule and its influence on Elizabethan Literature. New Brunswick (New Jersey) 1970, S. 121 f. 16 Vgl. Amadis V, Kap. 9 f.: Carmella verliebt sich in Esplandian. Dann erfährt sie von seiner hohen Abkunft und bietet sich ihm als Dienerin an. In Kap. 13 entsendet Esplandian Carmella zu seiner Dame Leonorina; sie wird also zur Beauftragten in Liebesdingen. Die gleiche Rolle füllen ab Buch VI Gradafilee (auch: Gradaphilea), die Freundin Lisuarts, und in Buch XXIV Garaminta, die Freundin von Hercules, aus. 17 Dass die kämpfenden Damen für die männlichen Helden des Amadisromans keine Gegner auf Augenhöhe sind, will Schleiner für die mittleren Bände nachweisen; vgl. Winfried Schleiner: Laughter and Challenges to the Other in the French Amadis de Gaule. In: Sixteenth Century  





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schon in Buch V auftretenden Figurentyp der kämpfenden Dame stehen.18 Zumeist handelt es sich um Amazonen oder Riesinnen, d. h. sie entstammen ursprünglich der heidnischen Kehrseite der Amadiswelt und werden eingemeindet.19 In der Folge greift dieser Typ immer weiter um sich. So hat die ‚klassisch‘ gestaltete Anticlia in Buch XXIII schließlich genug davon, im Versteck um ihren geliebten Ritter zu zittern:  

welche sich gantz entschlossen het hinfr auch Harnisch zufhren / vnd jhrem liebsten Printzen hilff vnnd beystand in allen nten zuleisten: sintenmal sie nicht die erste wer / so sich der Waffen vnterfangen / vnd sie von solchem Geschlecht were / in dem jeder zeit / so wol die Frawen als die Mnner / Ritterliche thaten vollngefhrt hetten.20

Der König/Kaiser In den ersten vier Bänden ist der Hof König Lisuarts von Großbritannien, des Vaters von Oriana, das Zentrum der Romanwelt. Dieses Zentrum verlagert sich von Fortsetzung zu Fortsetzung und lässt sich immer schwieriger bestimmen, weil die Zahl der Spielorte beständig wächst. Ein großer Teil des Erzählstoffs der Bände II bis IV wird aus der grundlos feindlichen Haltung des Vaters von Oriana gegenüber Amadis gewonnen und eine ähnliche Konstellation entfaltet auch Buch VIII. Doch handelt es sich dabei nur um eines von vielen Hindernissen, das sich dem Liebespaar in den Weg legen kann. In vielen Fällen gestaltet sich das Verhältnis des Ritters zum Vater der Dame völlig konfliktfrei, sodass die Heimlichkeit der Liebe nicht ausreichend motiviert erscheint. Gerade im Bereich der Liebeshandlung lässt also ein Aufbau von Scheinproblemen beobachten.

Journal 32, 1 (2001), S. 91–107, hier S. 93–99. Als Indikator dient ihm das Lachen (des Hofes). Diese interessante Beobachtung scheint jedoch nur bedingt verallgemeinerbar zu sein: Sylves’ Freundin, die Amazone Penthasilea, tritt beispielsweise in Buch XIII, Kap. 49 gemeinsam mit ihm zum Duell gegen die Rittergesellschaft an; als sie ihre Identität lüftet, erntet sie kein Gelächter, sondern Staunen. Aber natürlich leistet Sylves, als Titelheld, noch mehr. In diesem Zusammenhang dürfte sich insbesondere eine Untersuchung der oben erwähnten Titelheldin Alastraxerea als aufschlussreich erweisen. 18 Vgl. Amadis V, Kap. 50 ff. 19 Vgl. Alison Taufer: The only good amazon is a converted amazon: The woman warrior and christianity in the Amadís Cycle. In: Playing with Gender. A Renaissance Pursuit. Hg. von Jean Brink u. a. Urbana, Chicago 1991, S. 35–51. 20 Amadis XXIII, S. 754.  



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Ein Vergleich von König Lisuart mit König Artus, wie man ihn in der älteren Forschung finden kann,21 ist nicht sinnvoll: Vor dem Hintergrund der gesamten Serie ist definitiv Amadis selbst der Fixpunkt der Romanwelt.

Schildknappen und Kammerjungfrauen Üblicherweise sind den Helden und ihren Damen Schildknappen und Kammerjungfrauen beigegeben, die über weite Strecken der Handlung zwar kaum in Erscheinung treten, jedoch keine unwesentliche Rolle spielen. Ihr zentrales Charakteristikum ist grenzenlose Treue.22 Musterhaft füllt Amadis’ Ziehbruder23 Gandalin die Rolle des Schildknappen aus – selbst dann schon, als Amadis hohe Abkunft noch gar nicht aufgedeckt worden ist, also noch kein offensichtlicher Standesunterschied zwischen ihnen besteht: [Amadis:] Bruder, ich bitt dich, wöllest zum aller heimlichsten, so müglich, meine Waaffen in deß Schloß Kirchen tragen, dieweil ich verhoff, diese Nacht zu Ritter geschlagen zu werden, vnnd so baldt ich jmmer werde können, von diesem Hofe scheiden, wölte ich gern wissen, ob du willens vnd lust, mir nach zu folgen, vnd mit mir zuziehen. Fürwar, sagt Gandalin, mit meinem willen, so werde ich euch nimmer verlassen. Ob dieser rede erfrewet sich der Junckherr so sehr, daß jm die zäher in die Augen schossen. Wolan, sagt er, so versihe nu, das ich dir befohlen hab.24

Um es mit Lugowski zu sagen: Im Duzen und Ihrzen, Befehlen und (Nach-)Folgen schlägt die „Hinterweltlichkeit“ der Rollenträger durch; die Funktionen der Figuren und ihre Zuordnung sind immer schon präsent.25

21 Vgl. z. B. Felix Bobertag: Geschichte des Romans und der ihm verwandten Dichtungsgattungen in Deutschland. Abt. 1: Bis zum Anfange des XVIII Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin 1881, S. 305. 22 Gandalin etwa will nach dem vermeintlichen Tod seines Herrn Amadis auch nicht mehr leben; vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 214. In Amadis II, S. 115 f. fällt Gandalin in Ohnmacht, als er vom Verschwinden seines Herrn erfährt. Im selben Band (vgl. S. 94) kann Amadis’ Zwerg Ardan, der seinen Herrn für tot hält, gerade noch davon abgehalten werden, sich zu erstechen. Im dritten Band (vgl. S. 304 f.) stimmt Ardan eine heftige Klage an, als Amadis ihn zu seinem eigenen Schutz zurücklässt. Gandalin fällt einmal mehr fast in Ohnmacht, als Amadis ihm Instruktionen für den Fall seiner Niederlage gibt; vgl. Amadis III, S. 306 f. 23 Dass es sich bei dem treuen Knappen um den Ziehbruder des Helden handelt, wird von den Fortsetzungen reproduziert: vgl. Amadis III, S. 210 ff. (Esplandian und Sargil); Amadis VII, S. 82 (Lucentio und Florindo). 24 Amadis. Erstes Buch, S. 56. 25 Vgl. Clemens Lugowski: Die Form der Individualität im Roman. Frankfurt a. M. 1979 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 151), für den Begriff S. 28, ein ähnlich gelagertes Textbeispiel auf S. 22.  











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6 Makroebene: Serie

Neben Botendiensten besteht die Aufgabe von Schildknappe und Kammerjungfrau darin, Ritter bzw. Dame im Liebesschmerz zu trösten26 und zu ermahnen.27 Vor allem aber sind sie damit befasst, die heimlichen Treffen des Liebespaars zu arrangieren (vgl. hierzu Kap. 8.1).28 Im vierten Band will Gandalin für seine treuen Dienste belohnt und zum Ritter geschlagen werden und in diesem Zusammenhang benennt er seinen Aufgabenbereich ausdrücklich:29 […] vnd warlich Gnedigster Herr / wo mir nicht bewust / daß E. G. meiner jetzunder wol emperen knnen (dieweil sie jhre Oriana in jrem gewalt haben) wolt ich wol mein vorneen auff dieses mal haben verschwiegen vnd bleiben lassen […]30

Vertraute/Freunde In ganz ähnlicher Funktion wie die Kammerjungfrau kann auch eine Verwandte der Dame auftreten. Sie tröstet und mahnt und ist manchmal Protagonistin einer eigenen, untergeordneten Liebesgeschichte. Zeitweise wird auch der Amadisritter von einem guten Freund und Waffenbruder begleitet. Auch ihm kommt – in der Abenteuer- wie in der Liebeshandlung – eine eher dienende Rolle zu.

Gegnerfiguren Die Bedrohung geht zumeist von irgendeinem (heidnischen) Zentrum aus, dem die auftretenden Gegner aber nicht immer eindeutig zugeordnet sein müssen. Obwohl auch in den ersten Bänden gelegentlich heidnische Gegner vorkommen, fallen erst ab Buch V ,böse‘ und ,heidnisch‘ systematisch zusammen;31 in vielen, aber längst nicht allen folgenden Bänden spitzt sich der zentrale Konflikt zum Krieg der christlichen gegen die heidnische Welt zu. Daneben treten unzählige kleine Schädiger auf (oft Vergewaltiger oder listige Diebe). Hin und wieder

26 Vgl. z. B. Amadis II, S. 69 f. 27 Vgl. z. B. Amadis. Erstes Buch, S. 143 f. Gelegentlich werden Knappen und Kammerjungfrauen für ihre freundlichen Ermahnungen heftig zurechtgewiesen; vgl. z. B. Amadis II, S. 100 f. 28 Vgl. etwa folgenden größeren Auftritt Gandalins: Amadis. Erstes Buch, S. 154 ff. 29 Im fünften Buch fungiert Gandalin auch als Bote zwischen Amadis’ Sohn Esplandian und dessen Dame Leonorina: „Gandalin stellet sich zu dieser red so trawrig / daß auch Leonorina bey nahe geweynet hette / denn er diese hndel von jugent auff gebraucht hette / wuste derhalben besser als kein anderer / wie jhm zu thun were.“ Amadis V, fol. 202v. 30 Amadis IV, S. 239. 31 Vgl. z. B. Amadis II, S. 275; Amadis III, S. 45.  















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handelt es sich auch um eine bösartige Frau, die beispielsweise ihre Brüder aufhetzt, deren moralische Verworfenheit besonders hervorgehoben wird. Gefährlichere Gegner werden oft auf Inseln angesiedelt, wo sie ihr Unwesen treiben. Entscheidend ist der Umstand, dass sich die gegnerischen Ritter nicht grundsätzlich von den Amadisrittern unterscheiden. Nur selten werden sie als von Grund auf böse geschildert, viel häufiger handelt es sich um mit allen Tugenden ausgestattete Ritter, die eben nur auf der falschen Seite stehen. Sie werden vom Helden bezwungen, für sich eingenommen und zählen im Folgenden nicht selten zu den bedeutenderen Amadisrittern.32 Ab Buch V wird dieser Prozess gleichgesetzt mit der Bekehrung zum christlichen Glauben. Die Kämpfe, welche die Helden bestreiten müssen, unterliegen einer Steigerungsdynamik: Ist der Kampf gegen den monströsen Gegner in den ersten Bänden noch eher eine Ausnahme, wird er in den späten Bänden beinahe zur Regel. Aber schon im Grundstock der Serie werden derartige Auseinandersetzungen geschildert; so kämpft Amadis im zweiten Band beispielsweise gegen den Riesen Ardan Canile,33 der wie folgt beschrieben wird: Vnd damit jr vernemen / was sein wesen vnnd vollkomenheit gewesen / ist er auß Risen geschlecht gewesen / auß einer Prouintz genant Canil / geboren / darinnen fast lauter solche Leuth gewesen / Doch von leibe war er ein wenig kleiner dann ein Rise / aber nicht vonn strcke / Er hat enge schultern gehabt / der halß v die brust vber die massen groß / die hend vnnd armen breit / die schenckel lang vnnd krum / die augen lagen jhm tieff / munck [!] wie ein Aff / die naßlcher weit / vnd stinckend / grosse lefftzen / rauch haar / vnnd dermassen verwickelt / daß es mhe gebraucht hette dasselb abzuscheren / Sonst ist er dermassen mit schppen vnnd schwartzen mlen bedeckt gewesen / daß eins vermeint / sein angesicht were von zweierley fleisch / Seines alters vngefehrlich dreissig jar / keck vnnd hurtig zur wehr / zornig / verdrssig / vnnd vberauß vnholdselig. Vnd nichts weniger / seider er seine fnff vnnd zwentzig jar erreicht gehabt / Hat er mit keinem Risen oder andern Ritter zu roß / fuß / oder zu ringen gestritten / den er nicht vberwunden vnnd vmbbracht habe. Solches alles war die schnheit / holdseligkeit vnnd freundligkeit des Ardan Canile.34

Es versteht sich von selbst, dass dem solchermaßen eingeführten Gegner der Tod bestimmt ist.35

32 Vgl. z. B. in Amadis II, S. 29, S. 255 ff., S. 402 ff. die Figur des Quedragant, oder in Amadis IV, S. 470 ff., S. 505, S. 541 f. die Figur des Riesen Balan. 33 Bereits in Amadis. Erstes Buch, Kap. 13 tritt Amadis’ Bruder Galaor gegen einen Riesen an. 34 Amadis II, S. 441 f. 35 Vgl. Amadis II, S. 463 ff.  













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6 Makroebene: Serie

Märchenhafte Figuren Die märchenhaften Figuren gehören ursprünglich der heidnischen Welt an, doch können sie vielfach für die christliche Seite gewonnen werden. Auf diese Weise bereichern zunehmend Märchengestalten – Riesen, Amazonen, später auch Hundsköpfe36 etc. – die Amadiswelt. Sie können bedeutende Handlungsträger sein, werden teilweise aber auch schneller wieder aufgegeben als das Stammpersonal, etwa indem sie in einer Schlacht zu Tode kommen.

Magische Figuren Essentieller Bestandteil des Ensembles sind magische Figuren – es gibt sie stets in beiden Ausprägungen ‚gut‘ und ‚böse‘. Muster aller zauberkundigen Helfer ist Urganda die Unerkannte. Sie verfügt über ein magisches Gefährt, das ab Buch V im Dienst der Amadisritter steht und auf ihren Abenteuerfahrten und Kriegszügen eine wichtige Funktion erfüllt (vgl. hierzu Kap. 8.5). Die Bedeutung der guten Zauberer für die Handlungsgestaltung variiert zwischen den Fortsetzungen beträchtlich. Tauchen sie in einzelnen Bänden fast gar nicht auf, so scheinen sie in anderen und insbesondere im fünften sämtliche Ereignisse zu steuern. Die magischen Figuren werden als eigene Familie gezeichnet: Urganda und Alquif bilden die erste Generation, Alquife die zweite, Cassandra die dritte etc. Das gegenseitige Treueverhältnis von Urganda und Amadis wird im ersten Band angelegt und im Folgenden auf Familie und Freunde ausgedehnt, ohne dass es jeweils neu begründet werden müsste. Weitere magische Figuren treten hinzu; sie können von der bösen Seite herübergewechselt sein wie Zirfee in Buch VIII. In Buch XIV werden Urganda und Alquif mit ihrem magischen Schiff einfach verdoppelt, denn während das Magierpaar verzaubert ist, nehmen Zirfeus und Zirena ihren Platz ein.37 Neben der Ausstattung mit magischen Hilfsmitteln, der gelegentlichen Rettung, der verrätselten Prophezeiung, der Zuweisung von Abenteuern und Errichtung magischer Proben durch die Zauberer vermitteln sie zwischen den Lieben-

36 Die sogenannten ,Cynofalen‘ treten erstmals in Amadis VII, S. 216 f. auf; das Wort griechischer Herkunft hat die deutsche Übersetzung der französischen Vorlage entnommen. Für das Motiv vgl. Stith Thompson: Motif-Index of Folk-Literature. Bd. 1. 2. Aufl. Kopenhagen 1955, S. 365 (Mot. B 25.1). 37 Vgl. Amadis XIV, S. 480 f.  



6.2 Figureninventar

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den38 und treten als Chronisten der Amadis-Sippe auf.39 Wenden sie sich einem Spross in besonderer Weise zu, so sind von diesem Heldentaten zu erwarten.

Geistlicher/Einsiedel/Weiser/Arzt/Chronist Diese nur sporadisch auftretenden, aber zum festen Bestand zählenden Figuren bilden in etwa eine Funktionsgruppe.40 Seit dem ersten Band besteht ihre Aufgabe darin, die Helden an Körper und Seele zu heilen.41 Heilige Männer treten außerdem als Erzieher auf.42 Wie bei den magischen Figuren zählt es auch zu ihren Obliegenheiten, die Abenteuer der Helden für die Nachwelt festzuhalten.43

Komische Figuren Komische Figuren kommen im Amadisroman nur vereinzelt vor. Es handelt sich dabei vorwiegend um Zwerge44 und um den Schäfer Darinel in Band IX. Bereits Amadis’ Zwerg Ardan in Buch I ist als komische Figur angelegt,45 allerdings ist er dies nicht ausschließlich, sondern fungiert wie der Schildknappe als Diener und Begleiter.46 Zumeist sorgt also eine der Figuren (zum Beispiel eine Kammerjungfrau) zusätzlich für einen komischen Effekt. Dieser besteht für gewöhnlich darin, dass eine Figur in eine für sie unangemessene Rolle schlüpft. Im zweiten Buch etwa probieren Oriana und ihre Base Mabila nächtens und in aller Heimlichkeit

38 Vgl. z. B. Alquife in Amadis VI, Kap. 35. 39 Vgl. z. B. Alquife in Amadis VI, Kap. 54. 40 Mit anderen Randfiguren treten Geistliche gelegentlich auch in der Rolle des Warners und Mahners auf, der vergeblich versucht, den Helden von einem Abenteuer abzuhalten; vgl. z. B. Amadis. Erstes Buch, S. 124. 41 Vgl. z. B. Amadis. Erstes Buch, S. 42 f. Der Prototyp des Arztes ist Meister Elisabeth, der ab dem dritten Band zu Amadis’ Gefolge gehört; vgl. z. B. Amadis III, S. 311 ff. Daneben retten die allgegenwärtigen heilkundigen Fräulein und dann und wann auch das magische Figurenpersonal die Amadisritter vor dem Tod; vgl. z. B. Amadis II, S. 370 ff. 42 Amadis’ entführter Bruder Galaor wächst bei einem heiligen Mann auf; vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 45. Amadis’ Sohn Esplandian wird vom Einsiedel Nascian gerettet und aufgezogen; vgl. Amadis III, S. 91 ff., S. 210 ff. u. Kap. 8. 43 Vgl. z. B. Amadis V, fol. 174v. 44 Allerdings ist auch der böse Zwerg als Störer geläufig. 45 Vgl. z. B. Amadis. Erstes Buch, S. 205 f., S. 220. 46 Vgl. zur Figur des Zwergs im Amadisroman Eduardo Urbina: El enano artúrico en la génesis literaria de Sancho Panza. In: Actas del Séptimo Congreso de la Asociación Internacional de Hispanistas. Hg. von Giuseppe Bellini. Bd. 2. Rom 1982, S. 1023–1030.  



























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6 Makroebene: Serie

Schlüssel aus, die sie haben nachmachen lassen, um Amadis in einen ummauerten Garten zu schmuggeln. Weil Oriana sich fürchtet, heitert Mabila sie auf, indem sie einen Ritter mimt: Dieweil E. L. mich da so wol kennen / antwort Mabila / so last vns keck vnd vnuerzagt fortgehn / als da werden E. L. sehen / wie ich diese Abenthewr volfren wil / Vnd da ich an derselbigen fehle vnd die nicht vollende / So schwere vnd gelob ich / inner einem gantzen Jar weder Schilt an meinem halß zufren / noch einichen ritt mit der Lantzen zuthun. Dieser reden musten sie lachen / vnnd in dessen kamen sie eben zu der thr […]47

In Buch VIII wird ein auffälliger Szenentyp entdeckt: Das Liebesmodell des Romans wird persifliert, indem eine komische Figur das überzogene Verhalten des verliebten Amadisritters imitiert.48 Der Zwerg Buzando vernimmt die Seufzer seiner Herrin Niquea, bezieht sie auf sich und beschließt, ihr seine Liebe zu gestehen: […] vmb deß willen er eins mals / als er sie allein fande / vor jren auff seine knie sich lassen / auch zum freundtlichsten so jm mglich / zu jren reden thete: G. Fruwlein / ich thue euwer G. vnderthenigst bitten / die vrsache / welche E. G. so manchen seufftzen geberen thut / zu erffnen / E. G. bey dem grossen Gott Vulcano schwerende / solchem / ob es auch mein leben kostete / zu frkommen / welche reden der arme Buzando (gantz verstockt) gantz weynende frbringen thete / dz die Jungfrauw Niquee vor lachen sich nicht enthalten mocht: […]49

Ähnlich dem Artusroman kennt also auch schon der Amadisroman die komische Brechung der eigenen Erzählmuster, bevor Cervantes den Ritterroman vollends dekonstruierte.50 In diesem Zusammenhang muss noch erwähnt werden, dass in den komischen Szenen des Amadisromans auch die sonst makellosen Amadisritter eine unglückliche Figur abgeben können. In Buch XXIII beispielsweise vertrauen sich die verwundeten Amadisritter Agesipole und Lisimarte einem grünen Ritter an, der sie auf sein Schloss führen will und sie auf dem Weg dahin eindringlich vor einem Betrüger warnt, der sich in der Gegend herumtreibt. Der wenig überraschende Clou: Der grüne Ritter selbst entpuppt sich als besagter Betrüger und stiehlt den Rittern ihre Pferde.51 Lisimarte kann ihm noch nachrufen und erntet doch nur heftigen Spott:

47 Amadis II, S. 224. 48 Vgl. auch Amadis VIII, S. 164 ff. und z. B. Amadis XXIII, S. 925. 49 Amadis VIII, S. 172. 50 Dass bestimmte Episoden humorvolle Anklänge aufweisen, die den Don Quijote bereits vorwegnehmen, weist Cravens nach; vgl. Sydney Paul Cravens: Amadís de Gaula reivindicado por Feliciano de Silva. In: Nueva Revista de Filología Hispánica 48, 1 (2000), S. 51–69, hier S. 68 f. 51 Vgl. zur Figur des Betrügers: O’Connor (Anm. 15), S. 105.  





6.2 Figureninventar

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Herr Ritter / sagte Lisimarte / vermeinet jn mit guten wortē zugewien / es gehet d’ poß wol ab / neme auch dē betrug in allē gutē auff / v erkee mich nach billigkeit straff wrdig: bitte aber / wllet mir dieses mal mein Pferd wider zu stellen / in betrachtung meines leibs schwachheit. [Antwort des grünen Ritters:] Jch bin vil mehr verursacht das widerspiel zuthun / in betrachtung ewers verstands schwachheit / darzu mchte euch das Roß zu hefftig schtlen / welches da ewer schwachheit schdlich sein mchte […].52

Verbleiben derlei Niederlagen auch im Episodenhaften, so ist das Bedürfnis doch nicht zu verkennen, das Bild des strahlenden Helden hin und wieder etwas zu trüben. Übrigens handelt es sich hierbei – wie so oft in den deutschen Bänden – um die Kopie einer Szene aus einem früheren Buch,53 die jedoch angepasst und überarbeitet worden ist: Der Wortwechsel erscheint nun sehr viel witziger. Ein Beispiel dafür, dass Abschreiben nicht zwangsläufig blind sein und mit Qualitätsverlusten einhergehen muss.

Figuren einer mythischen Vorzeit Die in unbestimmte zeitliche Ferne gerückte Amadiswelt54 wird ihrerseits mit einer Vorgeschichte ausgestattet, verkörpert durch den zauberkundigen Apolidon, gewissermaßen der erste Amadisritter überhaupt, und Grimanesa als Urbild der Dame. Sie werden von Amadis und Oriana abgelöst und übertroffen. Trotzdem bleibt Apolidon durch die von ihm errichteten magischen Abenteuer bis in die letzten Bände hinein präsent – er bildet damit eine Art mythischen Bezugspunkt für die Jetztzeit der Romanwelt.55 Obwohl sie weiterhin in der Handlung auftreten, rücken Amadis und Oriana nach und nach selbst in diesen mythischen Hintergrund ein und können in Buch XXII in einem Atemzug mit Apolidon genannt werden: […] zeigte Sesostris seiner allerliebsten etliche alte gemld in tappessereyen vnd an dē Wnden von Apollidon / Knig Amadis vnnd seiner liebsten Oriana: vnd sagte zu deren / so allen gewalt vber jhn hatte / gnedige Fraw / Gott gebe gnad daß jhr gegen mir in vnverflschter Liebe der Knigin Oriana gleich seyen: dann ich E. L. zu war ein getrewer Amadis mein Lebenlang sein werde.56

52 Amadis XXIII, S. 574 f. 53 Vgl. Amadis XIII, fol. 37vf. Die Szene ist hier voraussetzungsreicher, weil es sich um eine bereits aufgetretene Schädigerfigur handelt. 54 Vgl. Jan-Dirk Müller: Volksbuch/Prosaroman im 15./16. Jahrhundert – Perspektiven der Forschung. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur/Sonderheft 1 (1985), S. 1–128, hier S. 67 f. 55 Vgl. z. B. Amadis XXII, S. 238, S. 438, S. 552. 56 Amadis XXII, S. 752, vgl. auch S. 1146.  





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6.3 Vervielfältigung der Hauptfiguren Serielles Erzählen meint die Verlängerung von Handlungsfäden. Das ist zwar die dominante Strategie, doch nicht die einzige: Den Amadisroman kennzeichnet die Aufschwellung des Figurenpersonals, was mit einer Vervielfältigung von Handlungsfäden einhergeht. Eine solche Verbreiterung stellt ebenfalls eine reiche Quelle für Erzählstoff dar. Ganz ähnlich verfährt die Soap Opera. Mielke zufolge bedeutet die Darstellung von sozialen Verbänden in der Seifenoper, dass es keine Hauptfiguren gibt, sondern einen Kern von gleichrangig wichtigen Figuren, die von wechselnden Nebenfiguren ,angespielt‘ werden.57

An dieser Stelle soll auf Ebene der gesamten Serie nur beobachtet werden, ob und inwiefern sich bereits den umfangreichen Bandtiteln der Prozess der Vervielfältigung ablesen lässt. Eingehend wird die Vervielfältigung der Hauptfiguren dann auf Bandebene analysiert (vgl. hierzu Kap. 7). Tabelle 1: Titelhelden des Amadisromans. I

Amadis aus Frankreich

XIII

Sylves vom Wald, Rogel, Agesilan, Diana, Leonida

II

Amadis aus Frankreich

XIV

Sylves vom Wald

III

Amadis aus Frankreich

XV

Sylves vom Wald

IV

Amadis aus Frankreich

XVI

Spheramondt, Amadis vom Gestirn

V

Esplandian

XVII

Spheramondt, Amadis vom Gestirn

VI



XVIII

Spheramondt, Amadis vom Gestirn

VII

Amadis aus Griechenland

XIX

Spheramondt, Amadis vom Gestirn

VIII

Amadis aus Griechenland

XX



IX

Florisel aus Niquea

XXI



X

Florisel, Anaxartis, Alastraxarea, Helena

XXII



XI

Rogel aus Griechenland, Agesilan aus Colchos, Diana

XXIII



XII

Agesilan, Diana, Sidonia, Florisel

XXIV

Safiraman, Hercules vom Gestirn

57 Christine Mielke: Zyklisch-serielle Narration. Erzähltes Erzählen von 1001 Nacht bis zur TVSerie. Berlin, New York 2006 (Spectrum Literaturwissenschaft 6), S. 583.

6.3 Vervielfältigung der Hauptfiguren

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Mit Buch V wird die Titelformel (‚Das xte Buch (der Historien) vom Amadis auß Franckreich…‘) zum Serientitel. Diesem folgt die Angabe des aktuellen Helden, gleichzeitig wird erstmals auf weitere Figuren verwiesen: „Jn welchem zum theil Esplandians seines Sohns / beneben anderer Helden Ritterliche thaten […] beschrieben werden.“58 Mit Letzteren sind wohl vor allem die vier jungen Ritter gemeint, die die Zauberin Urganda am Ende von Buch IV gemeinsam mit Esplandian in den Ritterstand erheben lässt, womit ihnen ebenfalls eine gewisse Rolle in der Fortsetzung zugesprochen worden ist.59 Das folgende Buch VI benennt keine Hauptfigur namentlich: „Das Sechste Buch. Vom Amadis auß Franckreich / auch seinen Nachkoen v Snen […]“.60 Wie in der Analyse des Bandes beleuchtet werden soll, erweist sich die Identifizierung des Helden in diesem Fall als nicht ganz einfach, weswegen eine klare Entscheidung durch die unspezifische Titelgebung vielleicht einfach umgangen worden ist. Auffällig ist jedenfalls, dass die vier Sprachversionen zu vier verschiedenen Lösungen kommen (vgl. hierzu Kap. 7.2). Der siebte Band weist seinen Helden wieder eindeutig aus: „[…] Amadis auß Griechen / der Ritter vom Brennenden Schwert genannt / deß streitbaren Helden Lisuarts auß Griechen / vnd der schnen Onoloria von Trapezunt Sohn“.61 Genealogische Einbettungen finden sich von nun an regelmäßig in den Titeln, weil die familiären Zusammenhänge zunehmend unübersichtlich werden. Dass Lisuart der Vater des Helden von Buch VII ist, spricht übrigens dafür, dass er seinerseits Held von Buch VI ist. „Amadis auß Griechen“ ist auch Hauptfigur des folgenden achten Bandes; im Titel heißt es weiter: „sampt andern seines gleichen“.62 Buch IX listet zum ersten Mal mehrere Hauptfiguren auf, doch mit einer merklichen Differenzierung: Jn welchem die hohen Thaten Hern Florisel auß Niquea / genannt der Ritter der Schferin / welcher Amadis auß Grecia / vnnd der schnen Niquea Son gewesen / erzehlet werden: Deßgleichen von dem Sone vnd Tochter / so diser andere Amadis mit der Durchleuchtigen Zohara / Knigin auß Caucase / doch jnen beyden vnwissend gezeugt […]63

Namentlich benannt wird zunächst also nur Florisel; im Titel des nächsten Bandes werden jedoch unterschiedslos alle drei Helden Florisel, Anaxartis und

58 59 60 61 62 63

Amadis V, Titel der ersten Auflage von 1572. Vgl. Amadis IV, S. 610 ff. Amadis VI, Titel der ersten Auflage von 1572. Amadis VII, Titel der ersten Auflage von 1573. Amadis VIII, Titel der ersten Auflage von 1573. Amadis IX, Titel der ersten Auflage von 1573.  

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6 Makroebene: Serie

Alastraxerea mit Namen aufgeführt. Zusätzlich übrigens noch Florisels Dame Helena, sodass sich die Bedeutung der weiblichen Figuren für den Amadisroman nun auch im Titel widerspiegelt. Buch XI nennt von vornherein zwei Hauptfiguren, nämlich „Herrn Rogel[ ] auß Grecia / deßgleichen Herrn Agesilan[ ] auß Colchos“64 sowie Agesilans Dame Diana. Das nächste Buch XII setzt nach Auskunft des Titels die Liebesgeschichte zwischen Agesilan und Diana fort. Außerdem wird der Abschluss einer Erzähleinheit angekündigt,65 die auf die Bände IX und X zurückgeht, und damit der enge Zusammenhang der Bände hervorgehoben. In Buch XIII wird ein Held eingeführt, der die strenge genealogische Linie durchbricht: „Sylues vom Wald“, neben Anaxartis und Alastraxerea ein weiteres uneheliches Kind des zweiten Amadis. Außerdem sollen die Geschichten um „Rogeln auß Griechen / Agesilan von Colchos / vnd andern“ fortgeführt und von der „vermhlung der Frwlein Diana / Leonida vnd anderer / etc.“ berichtet werden.66 Damit treten ‚alte‘ und ,neue‘ Helden gleichzeitig auf. Buch XIV widmet sich wiederum Sylves, daneben sollen „auch andere Rittermessige Printzen auß Griechen / vnd viel nahmhaffte Ritter“67 vorkommen. Weiter heißt es: „Zu sambt beschreibung der Geburt / beyder jungen Printzen Spheramonds vnd Amadis vom Gestirn.“68 Ein geschickter Schachzug, wird doch so schon auf dem Titelblatt die Fortsetzbarkeit herausgestellt. Bevor es jedoch mit Spheramondt und dem dritten Amadis weitergehen kann, schiebt sich mit Band XV ein Supplementband ein, der als einziger in Frankreich nicht aussortiert worden ist. Er knüpft („Continuirent“69) an die Abenteuer „deß vnuerzagten Frsten Silues vom Walde / vnd anderer bermbten Ritter seiner zeit“70 an. Es folgt die sechsbändige Fortsetzung des Italieners Roseo: Die ersten vier Bände der deutschen Übersetzung verwenden feste Titel-Wendungen und führen jeweils Spheramondt und Amadis als Hauptfiguren an. Diese Einheitlichkeit trügt, denn gerade die italienischen Bände zerfallen in eine Vielzahl von Hand-

64 Amadis XI, Titel der ersten Auflage von 1574. 65 Amadis XII, Titelblatt der ersten Auflage von 1574: „[…] vnnd durch was mittel die Knigin Sidonia sey widerumb versnet worden / nach dem sie ein lange zeit Herrn Florisel auß Niquea nach dem leben gestellet hett / vnd jm den todt geschworen […]“. 66 Amadis XIII, Titel der ersten Auflage von 1575. 67 Amadis XIV, Titel der ersten Auflage von 1590. 68 Amadis XIV, Titel der ersten Auflage von 1590. 69 Diese Formulierung erscheint auch in den Titeln der folgenden Bände XVII, XVIII und XIX. 70 Amadis XV, Titel der ersten Auflage von 1590.

6.4 Genealogisches Erzählprinzip

99

lungsfäden. Vielleicht verzichten die Titel von Buch XX und XXI deswegen auf eine konkrete Benennung71 und erzählen die Abenteuer vieler namhaffter / von dem geblt vnd Stammen Amadis abkoender Frsten vnd Helden / auch anderer weitbermpter Herrn vnd Rittern / deren in der gantzen History meldung geschicht.72

Diese Formel wird von den drei deutschen Bänden weitgehend übernommen, nur der letzte fügt hinzu: „sonderlich der hochbermbten Printzen Safiraman vnd Hercules vom Gestirn“.73 Sicherlich ist die Titelgebung nicht als einsinniger Prozess zu interpretieren, doch zeichnet sich vielleicht eine Entwicklung ab, die über die Vervielfältigung der Titelfiguren und ihrer neuerlichen Beschränkung, die dem Inhalt aber nicht mehr gerecht werden kann, zur Ausbildung eines neutralen Standardtitels führt.74 Dieser lautet dann ungefähr: Das […] Buch der Historien vom Amadis auß Franckreich. Von zchtiger Lieb / Ritterlichen Thaten vnnd Tugenden / vieler namhaffter / vom Geblt Amadis abkommender Frsten / auch anderer gestrengen Rittern vnnd Herrn / so mit eyngefhrt werden. Allen adelichen / der Zucht vnd Tugend liebhabenden Personen / zu nutz vnd ehrlicher ergetzung auß dem Frantzsischen newlich in Teutsch gebracht / Durch […]75

6.4 Genealogisches Erzählprinzip Das serielle Erzählen im Amadisroman ist vor allem als genealogisches Erzählen organisiert, d. h. die Fortsetzbarkeit wird durch den Übergang zur nächsten Generation gesichert. Alle Figuren werden innerhalb des genealogischen Systems verortet, denn als Nachkommen scheint ihr Vorkommen in der Handlung schon ausreichend gerechtfertigt zu sein.  

71 Während in der italienischen Vorlage durchweg ‚Sferamundi‘ auf dem Titelblatt erscheint, setzt die französische Übersetzung ,Amadis d’Astre‘ hinzu. Im Gegensatz zur deutschen Version verzichtet man hier sogar schon beim 19. Band auf die namentliche Nennung der Helden im Titel. 72 Amadis XX, Titel der ersten und einzigen Auflage von 1593. 73 Amadis XXIV, Titel der ersten und einzigen Auflage von 1595. Die französische Übersetzung der Bände XXIII (1615) und XXIV (1615) setzt merkwürdigerweise Fulgoran, einen unehelichen Sohn Rogels, auf das Titelblatt, der in Buch XXIII allerdings tatsächlich einen größeren Auftritt verzeichnet. 74 Vgl. für die französische Vorlage: Christine de Buzon: Amadis de Gaule en français: Continuation romanesque, collection, compilation. In: French Studies: A Quarterly Review 65, 3 (2011), S. 337–346, insb. S. 343 f. 75 Amadis XXI, Titel der ersten und einzigen Auflage von 1593.  

100

6 Makroebene: Serie

Während auf die lange Tradition des genealogischen Erzählens schon hingewiesen worden ist, bleibt an dieser Stelle noch anzumerken, dass es auch eine Spielart der modernen Serie darstellt. Umberto Eco beschreibt die Saga (z. B. Dallas) als Subform der Serie:  

Die Saga unterscheidet sich von der Serie insoweit, als sie sich mit der Geschichte einer Familie befaßt und am ,historischen‘ Vergehen der Zeit interessiert ist: Sie ist genealogisch. […] Die Saga ist eine verkleidete Serie. Sie unterscheidet sich von der Serie insofern, als sich die Charaktere verändern (sie verändern sich auch, weil die Schauspieler altern): Tatsächlich wiederholt die Saga aber trotz der historisierenden Form, die das Vergehen der Zeit feierlich zur Schau stellt, die gleiche Geschichte.76

Diese Charakterisierung weist deutliche Parallelen zum genealogischen Erzählen im Amadisroman auf, auch wenn dieser sicherlich durch eine andere Zeitvorstellung geprägt ist, denn Alterungsprozesse und mehr noch der Tod werden im Amadis weitgehend ausgeblendet. Wie das genealogische Erzählprinzip im Einzelnen funktioniert, soll im Folgenden auf Basis der ersten fünf Rittergenerationen (1. Amadis – 2. Esplandian – 3. Lisuart – 4. Amadis – 5. Florisel) skizziert werden, was den Bänden I bis X entspricht. Der Amadisroman begleitet seine Helden ab ovo, sodass die erste namentliche Erwähnung zumeist zum Zeitpunkt der Empfängnis bzw. Geburt erfolgt. Hierzu ein Beispiel aus Buch II: Die magische Helferfigur Urganda pflegt Amadis’ Bruder Galaor und König Cildadan, eine ehemalige Gegnerfigur, gesund: Auff solches ließ sie [Urganda] zwo jrer Einklen / welche des Knigs Falangris / des Knigs Lisuarts Bruder Tchter waren / vnd von jme mit gedachter Vrgande Schwester erzilt / fordern / daß sie jnen kurtzweil machten / vnnd hieß die eine Juliana (welche Galaor darnach schwengert / vnd jme einen Son Talanque genant / der da ward ein gewaltiger Ritter / gebar) vnd die ander hieß Solise / welche auch mit dem Knig Cildadan einē Sohne vberkam / der genant war Maneli der vernnfftig […].77

Auch wenn diese ‚Ansippung‘ der magischen Figur randständig bleibt, ist das Vorgehen symptomatisch: Alle denkbaren genealogischen Verbindungen werden aktiviert. Nicht nur, dass Galaor mit einer von Urgandas „Einklen“ ein Kind zeugt, zusätzlich stammt diese von König Lisuarts Bruder ab, ist also Orianas Cousine.

76 Umberto Eco: Serialität im Universum der Kunst und der Massenmedien. In: ders.: Streit der Interpretationen. Hamburg 2005, S. 83–111, hier S. 90. 77 Amadis II, S. 388.

6.4 Genealogisches Erzählprinzip

101

Taucht die eingeführte Figur dann als (neuer) Handlungsträger auf, wird der familiäre Zusammenhang erneut ausgestellt, gegebenenfalls schon im Titel oder in den Kapitelüberschriften, durch den Erzähler oder in der Figurenrede. Im konkreten Fall etwa trifft König Lisuart auf zwei schwarze Ritter und spricht sie an: Jch weiß nicht wer jr seidt / liebe Freundt / bitte derhalben / wllet euwere Helm abziehen / damit ich euch sehe / vnd erkenne / welches als bald geschahe / Erkennet sie derhalben den einen vor Talanque Galaors Sohn / den andern aber vor Ambor von Gandel Angriote von Estrauaux Sohn […].78

Derlei Einordnungen werden aber auch im weiteren Verlauf der Handlung immer wieder vorgenommen und gewinnen mit der Vervielfältigung der Figuren und Handlungsfäden als Rezeptionshilfen an Wichtigkeit. Ein Beispiel aus Buch VI: Hier kommen Amadis’ Sohn Perion, neben Lisuart der Held des Bandes, im aussichtlosen Kampf unverhofft drei Ritter mit Kreuzzeichen zu Hilfe, die ihn nach ihrem Sieg stürmisch begrüßen: Wie? sagt d’ Perion / soll ich auch ewerm einem alhie bekandt seyn? was? bekandt? antwort einer vnder jnnen / Ja billich vnd gantz wol bekandt / dan ich euwer nechstverwandter Vetter Talanque / des Galaors / meines Gnedigsten Knigs euwers Herrn Vatters Bruders Son weiß v bekenn mich zu sein: vnd dieser hie ist Manely / der manlichsten Ritter einer / so d’ Erdbodē tragen mag.79

Die Wiederholungen genealogischer Beziehungen stiften bisweilen verwirrende Komplexität. Nur wenn man das genealogische Erzählprinzip vorab als Organisationsprinzip des Amadisromans anerkennt, dienen sie tatsächlich der Übersichtlichkeit. Im Cliffhanger-Kapitel des fünften Bandes wird die Nachkommenschaft zusätzlich gebündelt aufgeführt, womit gleichzeitig zum nächsten Band und zur nächsten Generation übergeleitet wird: Der Keyser Esplandian hatte einen Sohn Lisuart genandt / wie sein Anherr / ohngefhrlich acht jar alt. Knig Amadis ein Sohn v Tochter / der Sohn Perion / vnd die Tochter Brisena genandt / so deß Rm. Keysers Eltesten Sohn / vermhlet ward. Knig Galaor zween Shne / der erst genandt Perion / vnd der ander Garinter / von denen zuuor geredt worden. Knig Florestan auß Sardinia zween Shne / Florestan / so auch das Knigreich ererbte / vnd Palmineau der Teutsch genandt / wie sein Uranher. Der Graff Agraies auß Salandria hatte zween Shne / der erst Languines / vnd der ander Galmenes. Knig Bruneo ein Sohn genat Vaillade / v ein Tochter Helisenne / so sich mit Quedragants Sohn vermhlet / der

78 Amadis V, fol. 52v. Vgl. zuvor schon: Amadis IV, S. 446. 79 Amadis VI, S. 61 f.  

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6 Makroebene: Serie

auch seines Vatters Namen fhrete. Knig Cildadan zween Shne / der eltest / Abies auß Jrlandt / wie sein Groß Vatter / so Amadis erschluge / den ersten tag seines Ritterlichen Ordens.80

Umfangreiche Auflistungen dieser Art finden sich immer wieder im Amadisroman und geben einen Eindruck von der Breite des Figurenpersonals und den akribisch geführten Stammbäumen.81 Wird mittels der genealogischen Einbettungen Kontinuität betont, so stellt der Übergang der Handlung zur nächsten Generation doch einen Bruch dar, der erzählerisch bewältigt werden will: Da sich im Amadisroman die Abenteuer ziemlich willkürlich aneinander reihen, gibt es keinen inneren Grund für den Generationswechsel zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es bedarf dafür eines externen Anstoßes, der in etwa mit dem Cliffhanger der jeweiligen Fortsetzung zusammenfällt (vgl. hierzu Kap. 6.5.2): In Band IV ordnet die Zauberin Urganda nach der Entführung des alten Königs Lisuart den Generationswechsel von Amadis zu Esplandian an. In Buch V werden sämtliche Hauptfiguren der ersten Bände verzaubert, damit wird der Auftritt neuer Helden (und insbesondere Lisuarts) erforderlich.82 In Buch VI werden die Hauptfiguren Lisuart und Perion entführt, sodass die Handlung in Buch VII mit dem zweiten Amadis neu ansetzen kann.83 Weil seine Abenteuer in Buch VIII fortgesetzt werden, muss erst am Ende dieses Bandes der Übergang zur nächsten Generation durchgeführt werden, und zwar wiederum durch eine Verzauberung, die in Buch IX Amadis’ Sohn Florisel auf den Plan ruft.84 Im Cliffhanger zeigt sich die Amadiswelt als unvollständig und versehrt, das ‚Erlösungsabenteuer‘ ist explizit oder implizit der jungen Ritterschaft vorbehalten. Zum externen Anstoß treten zwei weitere Momente, wie sich am Beispiel des ersten Generationswechsels mustergültig nachvollziehen lässt: Die ersten Hinweise auf Esplandians Taten erfolgen, unmittelbar nachdem die Liebesbeziehung von Amadis und Oriana durch die Eheschließung legitimiert worden ist.85 Denn damit werden sie als Hauptfiguren eines Liebesromans automatisch uninteressant.86 In

80 Amadis V, fol. 299rf. 81 Fehler sind dabei selbstverständlich ganz und gar nicht auszuschließen, doch werden sie den Lesefluss nur selten behindert haben und sind gewiss auch mir immer wieder entgangen. 82 Die Entzauberung wird ausdrücklich an Lisuart geknüpft, denn sie fällt mit seiner magischen Ritterweihe zusammen; vgl. Amadis VI, Kap. 18 u. Kap. 21. 83 Amadis rettet Lisuart (u. a.) in Amadis VII, Kap. 24. 84 Die Entzauberung findet in Amadis IX, Kap. 55 unter Beteiligung Florisels statt. 85 Vgl. Amadis IV, Kap. 31. 86 Rodilla León beschreibt den Wandel in der Gestaltung der Figur Orianas von der „dama cruel, celosa y apasionada“ zur Ehefrau und Mutter und den damit einhergehenden Generationswechsel; vgl. María José Rodilla León: La Caballería de las Damas. Un acercamiento a la mujer en el  

6.4 Genealogisches Erzählprinzip

103

Buch V, Kap. 28 erfolgt schließlich noch die Krönung von Amadis und damit tritt er endgültig in die zweite Reihe,87 auch wenn die Erinnerung an seine gewaltigen Rittertaten präsent gehalten wird und ihm im Türkenkrieg neben Esplandian keine unbedeutende Rolle zukommt.88 Diesen Ablauf zeigt auch der Übergang zu Esplandians Sohn Lisuart in Buch V: Esplandian wird gleichzeitig verheiratet und zum Kaiser von Constantinopel gekrönt.89 Es schließt sich nur noch wenig Handlung an, bevor mit der Verzauberung der Fürsten der Cliffhanger gesetzt und Lisuarts Auftritt vorbereitet wird. Die Richtigkeit der genealogischen Abfolge wird zusätzlich durch eine Verlängerung nach hinten in die mythische Vergangenheit der Romanwelt betont:90 Wie an anderer Stelle ausführlich dargestellt wird, werden Amadis und Oriana im Rahmen einer Liebesprobe zu den legitimen Erben der Vorzeit-Figuren Apolidon und Grimanesa erklärt. Im dritten Buch folgt eine Szene, mit der nun wiederum Esplandian und Leonorina als würdige Nachfolger inszeniert werden: Leonorina, die Tochter des Kaisers von Constantinopel, überreicht Amadis zwei Kronen, mit denen er die schönste Frau und die schönste Jungfrau auszeichnen soll. Eine dieser Kronen stellt Amadis Leonorina postwendend wieder zu; die andere gedenkt er natürlich Oriana zu verehren, auch wenn er das in aller Öffentlichkeit nicht offenbaren will. Außerdem schenkt Leonorina ihm einen Ring. Wie Amadis vom Kaiser erfährt, hat es mit einer der Kronen und dem Ring eine besondere Bewandtnis, denn sie sind mit je einer Hälfte eines gespaltenen Steins geschmückt, der Apolidon, dem Ahnherrn des Kaisers, gehörte. Amadis soll Apolidons Ring „auffheben vnd bewaren“; es werden weitere Bedingungen genannt: Vnd ob jhr etwan ein mahl willens weret / jhn ferner zu verschencken / daß er doch sonsten keinem andern zu theil werde / als ewerem bluts verwandten einem / damit / wann er etwan

Amadís. In: Palabra Crítica. Estudio en homenaje a José Amezcua. Hg. von Serafín González u. Lilia von de Walde. Mexico City 1997 (Vida y pensamiento de México), S. 285–294, hier insb. S. 290 f. Cravens (Anm. 50), S. 61–63 stellt zwar ein unverändertes Liebesverhältnis zwischen Amadís und Oriana fest, konstatiert aber wenig später, dass Oriana in den mittleren Bänden die charakteristische Eifersucht verloren hat. 87 Vgl. Rafael Ramos Nogales: El Amadís y los nuevos libros de caballerías (1495–1530). In: Insula: Revista de Letras y Ciencias Humanas 584–585 (1995), S. 13–15, hier S. 14. 88 In Amadis V, Kap. 53 tragen Amadis und Esplandian gemeinsam ein Duell gegen zwei heidnische Anführer aus. 89 Vgl. Amadis V, Kap. 54. In der Regel wird übrigens das Herrschaftsgebiet des Vaters der Dame übernommen, da die Hauptfiguren (wie der geradezu unsterbliche Titelheld) nur in den seltensten Fällen verscheiden und ihr Reich vererben. 90 Nur über eine Nebenfigur und nur in einer Randepisode wird außerdem der genealogische Anschluss an die Artusromanwelt gesucht; vgl. Amadis IV, S. 505 ff.  



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6 Makroebene: Serie

durch gut glck in diese Landschafft ankeme / er erkennt mcht werden / vnd der Jungfrawen / so euch damit verehret / dienen wlte / so sie es nottrfftig.91

Und damit nicht der Hauch eines Zweifels daran bestehen kann, auf wen diese Passage gemünzt ist, heißt es im direkten Anschluss: Vnnd also geschahe es / da diesen Ring vberkam hernacher Esplandian / welcher vonn jhrentwegen (in kurtzer zeit darnach) viel Ritterlicher thatē begienge / wie jhr im fnfften Buch dieser Historien hrē werdet.92

Bestimmt ist es kein Zufall, dass diese symbolträchtige Passage mit einem metadiskursiven Hinweis auf Buch V verbunden wird. Im fünften Band wird das Nachfolgeverhältnis dann nochmals angedeutet: Leonorina sendet Esplandian ein Armband, das Grimanesa Apolidon „zum aller ersten verehret hat / als sie noch vmb ein ander buleten“.93 Eine solche Auszeichnungsgeste wird auch Feliciano de Silva vorgeschwebt haben, wenn er Esplandians Sohn Lisuart in Buch VI mit einem magischen Schwert ausstattet, von dem es heißt, Apolidon habe es ihm bestimmt.94 Werden wie oben genealogische und metadiskursive Verweise kombiniert, so ist offenbar eine werbende Wirkung angestrebt, was anhand eines weiteren Beispiels aus dem letzten Band noch verdeutlicht werden soll: Der Prinz von Hercalon ist schwer krank. Zu letzt ließ er ein hoch berhmbten Schwartzknstler auß Tingitane holen / so ein Enckel war des hochberhmbten Anaxilidis / welcher der Hertzogin Cleandrida anzeiget / wer der Printz Lascaris wer / vnd was auß gemeiner lieb vnnd samenkunfft jhrer beyden entstehen solt / als darvon im zwey vnd zwentzigsten Buch gehandelt worden / am 24.Capitel.95

Offenbar soll der hier neu eingeführte, namenlose Zauberer mittels genealogischer Anbindung an Anaxilidis mit Autorität ausgestattet werden. Doch handelt es sich bei diesem ebenfalls nur um eine Randfigur, sodass die Vermutung nahe liegt, dass weniger Aufmerksamkeit auf die Figur des Anaxilidis als auf die Liebeshandlung um Lascaris und Cleandrida gelenkt werden soll, zumal die

91 Amadis III, S. 345. 92 Amadis III, S. 345. 93 Amadis V, fol. 104r. 94 Vgl. Amadis VI, S. 212 f. Auf Schwertscheide und Gürtel sind fremde Zeichen abgebildet, die zu einem späteren Zeitpunkt entschlüsselt werden sollen; vgl. auch Amadis VI, S. 679. Vermutlich findet die angekündigte Auflösung in Amadis VIII, Kap. 51 statt; es wird allerdings nicht mehr ausdrücklich auf Apolidon verwiesen. 95 Amadis XXIV, S. 447 f.  



6.4 Genealogisches Erzählprinzip

105

letzten drei Bände im Zeitraum von zwei Jahren erscheinen und in einem Produktionsprozess entstanden sein müssen. Zumindest am Rande soll also vermerkt werden, dass das genealogische Erzählprinzip sich keineswegs darin erschöpft, Held um Held hervorzubringen. Die Neigung des Amadisromans zur Bildung umfangreicher Genealogien erfasst noch Neben- und Nebenstfiguren, was in der Hauptsache als (vorgebliche) Strukturierung der Romanwelt aufgefasst werden kann und im genauen Gegensatz zu ihrem exponentiellen Wachstum steht. Vergleichbares ließe sich wohl auch für das Raumkonzept nachweisen: Obwohl die Romanwelt ins Unermessliche wächst, trifft man allerorten auf bekannte Gesichter und Namen.

6.4.1 Nacheinander/Nebeneinander Das genealogische Erzählprinzip des Amadisromans meint von Beginn an keine vollständige Ablösung einer Generationen durch die nächste; statt eines strengen Nacheinanders kumulieren sie sich. Deshalb wird keine eindeutige Entscheidung zugunsten einer (jüngeren) Generation getroffen: Die regelmäßig wiederkehrenden Duelle zwischen Vätern und Söhnen96 gehen für gewöhnlich unentschieden aus oder werden durch einen Dritten abgebrochen. Geradezu unzulässig erscheint der tödliche Ausgang, weist der Amadisroman doch eine entschiedene Tendenz zur Entproblematisierung auf. Allerdings tritt das Nebeneinander der Generationen im Verlaufe der Serienfortschreibung immer stärker hervor. Ungefähr ab Buch VII folgen die Liebeshandlungen nicht mehr aufeinander, sondern werden ineinander verschränkt: Nachdem Lisuart am Ende von Buch VI entführt worden war, wird in Buch VII durch einen Konflikt mit dem Schwiegervater in spe seine Hochzeit mit Onolorie weiter hinausgezögert. Mit Buch VII ist jedoch bereits Lisuarts Sohn Amadis aus Griechenland in den Vordergrund getreten, der Lucella zu seiner Dame erwählt hat.97 In Buch VIII heiratet Lisuart Onolorie,98 die recht bald darauf verstirbt; genauso wie ihr Vater, der Lisuart sein Reich hinterlässt.99 Gegen Ende von

96 Vgl. Amadis V, Kap. 15 (Amadis gegen Esplandian); Amadis VI, Kap. 28 (Amadis und Esplandian gegen Perion und Lisuart); Amadis VIII, Kap. 51 (Lisuart gegen Amadis aus Griechenland), Kap. 81 (Perion gegen Lucentio), Kap. 95 (Amadis gegen Esplandian); Amadis X, Kap. 55 (Amadis aus Griechenland gegen Florisel). 97 Vgl. Amadis VII, Kap. 20. 98 Vgl. Amadis VIII, Kap. 28. 99 Vgl. Amadis VIII, Kap. 75.

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6 Makroebene: Serie

Buch VIII wird eine weitere Heirat Lisuarts arrangiert: mit Abra,100 die lange unglücklich in ihn verliebt war und mit ihm im Krieg lag. In Buch VIII wird aber auch die Liebeshandlung von Lisuarts Sohn Amadis fortgeführt, der sich mittlerweile in Niquea verliebt, sie entführt und geheiratet hat.101 Es zeigt sich also, dass die Eheschließung als Signal für den Generationswechsel unzuverlässig geworden ist. Amadis’ Liebeshandlung wird noch in Buch X und XI fortgeführt, ohne dass Niquea deswegen einen allzu frühen Tod sterben muss. Er wendet sich nämlich (zumindest zwischenzeitlich) wieder Lucella zu.102 Zuvor hatte sich in Buch IX Amadis’ Sohn Florisel in Helena verliebt, die er am Ende des folgenden Bandes heiratet.103 Unmittelbar im Anschluss an die Hochzeit erhält Florisel Sidonias Kriegserklärung,104 weil er ihr unter dem Decknamen ‚Moraizel‘ die Treue versprochen hatte, um seinen Freund Falanges aus einer Zwangslage zu befreien.105 Dieser Konflikt wird auf bereits bekannte Weise gelöst: In Buch XIII segnet Helena das Zeitliche106 und Florisel ehelicht Sidonia.107 Vor dem Hintergrund einer seriellen Erzählweise ist diese Entwicklung nur folgerichtig. Zeigt bereits der Grundstock der Serie das unverkennbare Bestreben, die Eheschließung des Liebespaares so lange wie möglich hinauszuzögern – was für die Esplandian-Fortsetzung allerdings nur bedingt gelten kann –, so weisen die anschließenden Bände zusätzlich die Tendenz auf, die Liebeshandlung der Rittergenerationen zu verflechten (Lisuart) und über die Eheschließung hinaus zu führen (Amadis aus Griechenland). Die auf diese Weise entstehende, endlose Liebesgeschichte schließt die Bände aufs Engste zusammen. Gleichzeitig verliert die Abfolge der Generationen für die Strukturierung der Handlung an Gewicht. In den folgenden Bänden wird das genealogische Erzählprinzip dann noch weiter aufgebrochen, wenn der spanische Fortsetzer Luján mit Sylves einen unehelichen Sohn des zweiten Amadis zur Hauptfigur wählt, also einerseits die gerade Linie verlässt und andererseits eine Generation zurückspringt.108

100 Vgl. Amadis VIII, Kap. 90. 101 Vgl. Amadis VIII, Kap. 91. 102 Vgl. z. B. Amadis X, Kap. 30 u. Amadis XI, Kap. 76. 103 Vgl. Amadis X, Kap. 65. 104 Vgl. Amadis X, Kap. 66. 105 Vgl. Amadis X, Kap. 44 ff. 106 Vgl. Amadis XIII, Kap. 23. 107 Vgl. Amadis XIII, Kap. 50. 108 Sylves ist ein Halbbruder und kein Sohn Florisels, wie Weddige notiert; vgl. Hilkert Weddige: Die Historien vom Amadis auss Franckreich. Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption. Wiesbaden 1975 (Beiträge zur Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 2), S. 14. Die Fortsetzung verbleibt also nicht „auf derselben genealogischen Ebene“ (ebd.), sondern geht einen Schritt hinter Rogel zurück. Weddige zählt acht Rittergenerationen und beschreibt ihre Abfolge  



6.4 Genealogisches Erzählprinzip

107

Aus Sicht dieser Arbeit drängt sich nun folgender Schluss auf: Das genealogische Erzählprinzip sichert die Fortsetzbarkeit der Serie, doch ist jeder Generationswechsel auch ein Einschnitt, an dem Leser verloren werden könnten. Als Lösung scheint es sich da anzubieten, dass genealogische Erzählprinzip zu unterlaufen, indem das, was als ein Nacheinander angelegt ist, als ein Nebeneinander erzählt wird.

6.4.2 Vererbte Feindschaft Komplementär zu den Hauptfiguren werden auch die Gegner in ein genealogisches Ordnungssystem eingefügt, was viele Vorteile für die serielle Fortschreibung hat: Der genealogisch verortete Gegner kann ohne weiteres aus dem Boden gestampft werden (als ‚Sohn von …‘) und hat auch gleich einen guten Grund für seine Feindschaft parat (z. B. Rache für den Tod des Vaters). In Buch IV kämpft beispielsweise der Ritter Quedragant gegen einen gewissen Tiron, den der Erzähler folgendermaßen einführt:  

Dieser Tiron aber / von welchem ich sage / ware deß Abiseos Son / welchen Amadis v Agraies / in der Statt Sobradiesen erschlugen / wie jhr inn dem ersten Buch dieser vnseren Historien habt hren mgen / durch welches vnnd seiner zweyen eltesten Shnen todt / Briolania das gantze Knigreich friedlich besasse / ohn ein einige Vhestung / darinnen Tiron der dritte Son dieses Abiseos / durch einē alten Ritter so seiner achtung hette / erhalten wardt / vnd von jme aufferzogen / biß er das alter vnnd strck erreichet / den Harnisch zu fhren / vnd Ritter zu werden. Da fieng er an / wunderbarliche thaten zubegehen / das man jn auch vndter die aller knesten vnnd wehrhafften Ritter zelet / als nun der Alt / so jnen erzogen / solches gewar worden / hielt er jm vor / daß er vnderstnde / sein verloren Landt wider einzunemen / bildet jm auch die Rach seines Vatters / vnd Gebrder todt / solcher massen ein / daß er jhm vorname / die Knigin Briolania zu fangen / vnd sich folgendts / so ferr jm mglich / zum Knig zumachen.109

Von einem dritten Sohn war vorab nie die Rede, genauso wenig wie von einer letzten, Widerstand leistenden Festung. Es ist leicht vorstellbar, dass im weiteren Verlauf der Serie ad hoc auch noch ein Vetter oder gar eine riesenhafte Schwester auftauchen könnte.

als Ordnungsprinzip; dadurch wird die Sylves-Fortsetzung mehr oder weniger zu einem Bruch in der Konzeption erklärt; vgl. ebd., S. 15. Meine Ausführungen sollten dagegen gezeigt haben, dass das genealogische Erzählprinzip schon zuvor Auflösungserscheinungen aufweist. 109 Amadis IV, S. 148 f.  

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6 Makroebene: Serie

Insbesondere die großen und/oder magischen Gegner ‚wirken nach‘ und bedrohen die Amadisritter auch nach ihrem Tod noch durch ihre Sippschaft oder ihre zu Lebzeiten eingerichteten Zaubereien.110 Solchermaßen spannt sich ein dichtes Netz von Verbindungen über die Romanwelt; die vielfältigen Zusammenhänge werden oft erst im Fortgang der Geschichte herausgearbeitet, wie ein prägnantes Beispiel aus den ersten fünf Bänden der Serie zeigen kann: In Buch V, Kap. 3 tritt mit Arcabonna eine mächtige Feindin auf, die sich in Kap. 6 als Schwester des bösen Zauberers Arcalaus entpuppt, der in den ersten vier Bänden Amadis’ Hauptgegner ist. Arcabonna wird als Ehefrau Cartadaques und Mutter Lindoraques111 vorgestellt, die Amadis in Buch II getötet hat.112 Weitere Verbindungen werden hergestellt: In Buch V, Kap. 19 tritt erstmalig der Seeräuber Frandalo, ein Vetter Lindoraques, auf. Er wird vom Amadisritter Maneli überwunden, schwört ihm Gehorsam, wird bekehrt und spielt im Folgenden als Gefährte Esplandians eine größere Rolle.113 Darüber hinaus werden in Kap. 29 und Kap. 38 noch weitere Vettern – Phoron und Belleris – erwähnt. Vermutlich bemüht sich Montalvo mittels genealogischer Bezüge, seine erste Fortsetzung besonders eng an die gut bekannte Amadis-Handlung anzuschließen. Nebenbei kreiert er aber auch einen Rückblick auf die ersten Bände und insbesondere auf den Amadis-Arcalaus-Konflikt, der dazu einem spannenden Perspektivwechsel unterliegt: Arcabonnas Figurenbericht stellt die Begebenheiten aus Feindessicht dar, was abgesehen von einigen ,falschen‘ Wertungen durchaus gelungen ist („Nach dem aber dieser mein Bruder in alter vnd boßheit zugenommen […]“114). So ließe sich das familiäre Gefüge der Gegnerfiguren der Amadis-Sippe gegenüberstellen – wenn dieses auch sicherlich nicht gleichermaßen dicht und lückenlos ist. Für die großen Schlachten, die ständig geschlagen werden, werden die Reihen der namentlich bekannten Gegner mit beliebigen Fürsten reichlich aufgefüllt, sodass den Amadisrittern bzw. dem christlichen Heer ein schier unüberwindlicher Feind gegenübersteht. Die Gegner werden getötet oder der guten Seite einverleibt und ihre Herrschaftsbereiche geschluckt, sodass sich der Einflussbereich der Amadisritter beständig ausdehnt. Doch genauso, wie stets noch ein Vetter aus dem Nichts erscheint, schießen neue Inseln und Reiche wie Pilze

110 Vgl. z. B. Amadis VI, Kap. 32. 111 In Amadis V, Kap. 10 taucht (fehlerhaft?) ein Vetter gleichen Namens auf, vgl. auch Kap. 19. 112 Vgl. Amadis II, S. 331 ff.; vgl. auch Amadis V, fol. 38rff. In Arcabonnas Bericht wird außerdem noch die Geliebte Lindoraques namentlich erwähnt: Madasima. In Amadis. Erstes Buch, Kap. 34 geraten Amadis und Galaor in Gefangenschaft Madasinas, bei der es sich eventuell um dieselbe Figur handelt. 113 Vgl. z. B. Amadis V, Kap. 26. 114 Amadis V, fol. 37v.  





6.4 Genealogisches Erzählprinzip

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aus dem Boden. Weil der Triumph der Serienhelden nie vollkommen sein darf, sorgt das auf die Gegnerfiguren angewendete genealogische Erzählprinzip für den nötigen Nachschub an Störern und Herausforderern.

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6 Makroebene: Serie

6.4.3 Stammbaum der Amadis-Sippe

Aufgeführt werden die Hauptfiguren des Serienromans und – nach bestem Wissen und Gewissen und möglichst vollständig – diejenigen Figuren, die sich ihnen genealogisch zuordnen ließen. Figuren, die keine verwandtschaftliche Beziehung zu Amadis aufweisen, mussten unter den Tisch fallen, doch sind sie auch nur selten von größerer Bedeutung (für Nebenfiguren vgl. das Figurenregister). Zwei kleinere Stammbäume wurden hinzugestellt, um wichtigere Figuren (insbesondere Lascaris) aufnehmen zu können. Der Hauptstrang in direkter Linie (dunkelgrau markiert) lässt sich leicht verfolgen; eine Ausnahme bildet nur der uneheliche Sylves, Held der Bände XIII bis XV.

6.4 Genealogisches Erzählprinzip

111

Hinzu kommen weitere Titelfiguren (hellgrau markiert), die ausgehend von Alastraxerea eine Seitenlinie bilden. Fehler werden nicht vollständig zu vermeiden gewesen sein, zumal der Text selbst schon fehlerhaft ist. Immer wieder finden sich in den Amadisbüchern Korrekturen von aufmerksamen Lesern, die offenbar die Begeisterung des Romans für genealogische Zusammenhänge teilen. Abweichende Schreibweisen wurden vereinheitlicht. Neben mehrfach vergebenen Namen bringt das Nebeneinander der Generationen ein Darstellungsproblem mit sich, weswegen der Stammbaum nicht horizontal gelesen werden kann.

112

6 Makroebene: Serie

6.5 Serielles Erzählprinzip 6.5.1 Cliffhanger und ,Wie‘-Spannung Einer Analyse der Cliffhanger-Spannung müssen Überlegungen zu Clemens Lugowskis am Prosaroman getroffenen Unterscheidung von ‚Ob überhaupt‘- und ‚Wie‘-Spannung vorangestellt werden.115 Intuitiv will sich nämlich nur die ‚Ob überhaupt‘-Spannung zum oben skizzierten Phänomen des Cliffhangers fügen. Ob der Held überhaupt von der Klippe gerettet wird, ist schließlich die Frage. Nicht, ob dazu vielleicht ein Hubschrauber-Einsatz nötig ist. Bekanntermaßen ordnet Lugowski die ‚Wie‘-Spannung einer Erzählweise zu, die durch das sogenannte ,mythische Analogon‘ geprägt ist. Seiner Meinung nach ist der Amadis ein typisches Beispiel für ein noch in keiner Weise in Auflösung begriffenes ‚mythisches Analogon‘: Man könnte über den ganzen Roman als Motto die zwei Worte ‚Noch nicht‘ schreiben. Der wahre Name des Junckherrs vom Meer ist zwar noch nicht bekannt, aber er wird einmal bekannt sein. Amadis und Oriana haben sich zwar noch nicht, aber sie werden sich einmal haben. Amadis (oder Galaor) ist während dieses oder jenes Kampfes zwar noch nicht Sieger, aber er wird es bald sein. Das eigentlich Bezeichnende liegt in der absoluten Sicherheit des ‚Noch nicht‘, d. h. der absoluten Gewißheit der Erfüllung, die damit schon von vornherein als seiend gesetzt ist.116  

Interessanterweise äußert sich Lugowski in seiner knappen Besprechung des Amadisromans auch zu Fragen der Textaufschwellung und -beendigung: In der absoluten Sicherheit der Erfüllung ist die Zeit als begrenztes Kontinuum aufgehoben. Es existiert lediglich das ,Noch nicht‘ und irgendwann später das ,Jetzt endlich‘ der Erfüllung. Die Länge, Dauer dessen, was dazwischen liegt, bleibt beliebig, beliebig also der auf den Anfang bezogene Zeitort der Erfüllung. Das heißt, dieser Roman besitzt keinen Schluß im Sinne eines Endens, Erlöschens aus ihm selbst heraus. Wir sagen, er hat keinen positiven, sondern einen negativen Schluß im Sinne des bloßen Aufhörens, Abbrechens, weil ein Roman materialiter nicht unendlich sein kann.117

Hier irrt sich Lugowski, denn der Amadisroman scheint eben das sein zu wollen: ein (potenziell) unendlicher Text. Seine Fehleinschätzung dürfte einen sehr banalen Grund haben. Wie so vielen Wissenschaftlern vor und nach ihm liegt

115 Vgl. Lugowski (Anm. 25), S. 40 ff. 116 Lugowski (Anm. 25), S. 28; Hervorhebungen im Original. 117 Lugowski (Anm. 25), S. 29; Hervorhebungen im Original.  

6.5 Serielles Erzählprinzip

113

Lugowski offensichtlich nur der erste Band vor, der wie die folgenden drei Bände auf dem vermutlich nicht seriell erzählten Ur-Amadis basiert und eine vergleichsweise geschlossene Handlung aufweist. Das serielle Erzählprinzip tritt erst mit dem Übergang zu Band V und der nächsten Rittergeneration zutage. Es bedeutet die folgenreiche Aufweichung eines Erzählens, das im Zeichen eines ,mythischen Analogons‘ steht: Der Leser darf sich wohl tatsächlich in der Sicherheit absoluter Zukunftsgewissheit wiegen, doch ist Erfüllung ausschließlich im Erreichen eines Etappenziels zu haben, sie bleibt stets vorläufig.118 Während Lugowski also für den einzelnen Band die prinzipielle Unbegrenztheit des Dazwischen registriert hat, musste ihm die strukturelle Offenheit der gesamten Serie entgehen. Dass sich eventuell sogar schon im ersten (spanischen) Buch die Offenheit der Serie Bahn bricht, legt Penzkofers Analyse nahe. Penzkofer beschreibt eine Abenteuersequenz als „prinzipiell unabschließbare Reihe von Folgeepisoden, die von Amadís immer nur als einzelne zu bewältigen, nicht aber als Gesamtheit zu überschauen und zu überwinden sind“,119 und schlussfolgert: Was sich hier andeutet, sind vielmehr Keime einer im Sinne Lugowskis ,vorbereitenden‘, zukunftsoffenen Motivation, die der Roman sonst kategorisch zu negieren pflegt – sei es durch den Erzähler, durch die märchenhafte Handlungsmontage oder durch die Fee Urganda, die einen providentiellen Ordnungszusammenhang immer dort garantiert, wo ihn die erzählte Welt eben zu verweigern bereit ist.120

Deshalb kann Penzkofer im Amadisroman höchstens noch ein „verspätetes ‚mythisches Analogon‘“ erkennen, das „den ,aufklärenden Geist‘ seiner Zeit revidiert, verleugnet, ausschließt“.121 Penzkofer teilt übrigens Lugowskis Einschätzung von der Funktion der Zauberin Urganda. Diese spielt – wie unten deutlich werden wird – in den Cliffhangern des Amadisromans eine entscheidende Rolle. Mit ihren Prophezeiungen sei sie „Hüterin und Bewahrerin der absoluten Zukunftsgewißheit“122, befindet Lugowski. Stattdessen scheint die Aufgabe der immer verrätsel-

118 Ähnliches stellt Neuschäfer für den Grundstock der spanischen Serie fest und führt das Fehlen einer endgültigen Erfüllung der Abenteuer auf das Wirken der guten und bösen Zauberer zurück, die sich gegenseitig neutralisieren würden. Er spricht vom „nutzlosen Abenteuerspiel im Amadís“; vgl. Hans-Jörg Neuschäfer: Der Sinn der Parodie im Don Quijote. Heidelberg 1963 (Studia Romanica 5), S. 14 f. 119 Gerhard Penzkofer: Montalvos Amadís: Märchen ohne naive Moral. In: Romanische Forschungen 106 (1994), S. 61–83, hier S. 82. 120 Penzkofer (Anm. 119), S. 82. 121 Penzkofer (Anm. 119), S. 63. 122 Lugowski (Anm. 25), S. 29.  

114

6 Makroebene: Serie

ten, düsteren Prophezeiungen aber gerade darin zu bestehen, Spannung aufzubauen und gewisse Zukunft gezielt zu verschleiern.123 Trotzdem könnte auch die nur partielle, auf ein Etappenziel gerichtete Zukunftsgewissheit das Gelingen von Cliffhangern infrage stellen. Doch ist dies tatsächlich der Fall? Ein wahllos herausgegriffenes Beispiel aus der jüngeren Seriengeschichte kann zeigen, dass auch mittels ,Wie‘-Spannung veritable Cliffhanger zustande kommen können: Wird in der letzten Folge der siebten Staffel der US-amerikanischen Erfolgsserie How I Met Your Mother124 angedeutet, dass die bindungsscheuen Charaktere Robin und Barney heiraten werden, so sollte das die Phantasie des Rezipienten, der sich die Wartezeit zudem mit der Beteiligung an der hitzigen Debatte in den zahllosen Fan-Foren im Netz verkürzen kann, auch über eine längere Pause hinweg beschäftigen. Für diese Systemstelle (Super-Cliffhanger) könnte sich ein Cliffhanger mit ‚Wie‘-Spannung vielleicht sogar besser eignen als einer, der von der bipolare Fragen erzeugenden ,Ob überhaupt‘-Spannung lebt. Dass Lugowskis Spannungsbegriff zu einfach sein könnte, deutet Ernst-Peter Wieckenberg an, der im ersten Buch des Amadis „andere bis dahin kaum bekannte Formen des Gespanntseins“125 entdeckt. Bei den Kapitelüberschriften handele es sich im Gegensatz zu den vorangehenden idealistischen Romanen nämlich konsequent um Teilsummarien: Man stelle sich indessen eine Zukunftserwartung vor, die dem Leser dunkel ist, in ihm aber gleichwohl keinerlei Sorge um das Schicksal der Romanfiguren wachruft. Sie wird zumindest seine Neugier erregen, und der Wunsch nach einer Erklärung wird in ihm Gespanntheit erzeugen. Dem Verlangen des Lesers nach Aufklärung eignet nun keineswegs das Pathos der Frage nach dem ,Ob überhaupt‘; ebensowenig aber gleicht die so aufgeregte Erwartung jener Spannung des ,Wie‘, deren Korrelat die Welt und ihre Fülle ist.126

123 Vgl. Eloy Reinerio González: Función de las profecías en el Amadís de Gaula. In: Nueva Revista de Filología Hispánica 31, 2 (1982), S. 282–291. González beschreibt das Verwirrspiel mit dem Leser und stellt fest: „Esta falsa impresión que intencionalmente se da al lector es un recurso que no hemos encontrado en otros libros de caballerías tempranos.“ Ebd., S. 286. Andere Aspekte treten hinzu: Urganda entzaubert Amadis nicht nur, sondern verzaubert ihn auch und erzeugt so einen Zustand der Anspannung, der das Fortspinnen der Geschichte unausweichlich macht. Die Zauberin entsendet die Ritter auf Abenteuerfahrt und stößt damit Handlung an. Die möglicherweise mangelhafte Motivation fällt selbst für den modernen Leser nicht ins Gewicht – schließlich handelt es sich um eine magische, allwissende Figur! 124 Der übergeordnete Cliffhanger, der die gesamte Serie trägt, findet sich selbst in der Formulierung des Titels – und er beruht ausdrücklich auf ,Wie‘-Spannung. 125 Ernst-Peter Wieckenberg: Zur Geschichte der Kapitelüberschrift im deutschen Roman vom 15. Jahrhundert bis zum Ausgang des Barock. Göppingen 1969 (Palaestra 253), S. 68. 126 Wieckenberg (Anm. 125), S. 68 f.  

6.5 Serielles Erzählprinzip

115

Dieser Einwand kann anstandslos auf die Cliffhanger des Amadisromans übertragen werden. Für seine Cliffhanger, die – wie oben skizziert – vielfach mit dem Generationswechsel zusammenfallen, könnte die ‚Wie‘-Spannung tatsächlich das Mittel der Wahl sein. Denn hier soll der Leser schließlich gar nicht einer Erfahrung ausgesetzt werden, wie sie Lugowski beschreibt: „hinter ihm ist alles hell, vor ihm ist alles dunkel.“127 Um den reibungslosen Übergang von der alten zur neuen Generation zu bewerkstelligen, muss sich bereits andeuten, dass für das aufgetretene Problem eine Lösung gefunden werden wird – und zwar durch den nachkommenden Amadisritter.

6.5.2 Erzählen mit dem Cliffhanger Bei meiner Analyse konzentriere ich mich auf das jeweils letzte Kapitel eines Bandes und das erste Kapitel des Folgebandes. Im letzten Kapitel, in der letzten Szene, in den letzten Sätzen sollte sich eine Spannungsstruktur finden lassen, die zur Fortsetzung hinüberleitet. Selbstverständlich kommt es auch vor, dass schon zuvor Handlung angelegt wird, die ins nächste Buch verweist. Dann aber soll nicht von Cliffhangern, sondern von übergeordneten Erzähleinheiten gesprochen werden (vgl. hierzu Kap. 7). Es wird also davon ausgegangen, dass insbesondere der letzten dramatischen Wendung einer Geschichte die Eigenschaft zukommt, sich ins Gedächtnis einzuprägen und die Fantasie anzuregen. In den Film- und Fernsehserien ist es das letzte Bild, das diesen Übergang leistet; das letzte Bild, das eingefroren und langsam abgeblendet wird,128 um es in die Erinnerung einzubrennen.129 Die Suggestionskraft des Cliffhangers kann dabei noch durch eine Stimme aus dem Off verstärkt werden: ‚Und in der nächsten Folge sehen Sie …‘ Die folgende Tabelle versucht, einen knappen Überblick über alle Bandschlüsse des Amadisromans zu geben. Solche, die in jedem Fall als Cliffhanger anzusprechen sind, wurden grau hinterlegt. Außerdem sollte man der Tabelle den mutmaßlichen Grund für schwache oder nicht vorhandene Cliffhanger entnehmen können: In den meisten Fällen handelt es sich um den ersten Teil eines spanischen Doppelbandes, der zumeist erst in Frankreich in zwei Bänden publiziert worden ist. Die ursprüngliche Herausgabepraxis sollte einen Cliffhanger

127 Lugowski (Anm. 25), S. 40. 128 Vgl. Mielke (Anm. 57), S. 639. 129 Die Wirkung des Cliffhangers wird in TV-Serien durch eine dramatische Melodie unterstützt; vgl. Martin Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption. Opladen, Wiesbaden 1999 (Studien zur Kommunikationswissenschaft 41), S. 150 ff., S. 189.  

116

6 Makroebene: Serie

zwischen den Teilen überflüssig machen. Außerdem findet zwischen diesen Bänden kein Generationswechsel statt, sodass auf den ‚Knalleffekt‘ vielleicht tatsächlich verzichtet werden kann. Für die ersten Bände gilt Vergleichbares. Hinzu kommt, dass sie auf Stoff basieren, der vermutlich noch keine serielle Anlage aufgewiesen hat. Erst beim Übergang der Handlung auf die nächste Generation, von Buch IV zu Buch V, Montalvos originärer Fortsetzung, muss ein neuer Leseanreiz geliefert werden. Hier findet sich der erste demonstrative Cliffhanger. Weil es im Folgenden nur um den Spannungsaufbau auf der Handlungsebene gehen soll, sei kurz angemerkt, dass auch die Bände ohne Cliffhanger (ab Buch III) mindestens Überleitungssätze durch den Erzähler aufweisen.130 Ab den mittleren Bänden wird dafür etwa die Metapher von der kurzzeitig unterbrochenen Schifffahrt verwendet.131 Üblich wird auch die Berufung auf einen fiktiven Chronisten,132 dem die Entscheidung für den Einschnitt in der Handlung zugeschrieben wird. Eingehend betrachtet werden die Cliffhanger der Bände IV, V, VI und XIII, die die Erzähltechnik etablieren (Bände IV und V), perfektionieren (Band VI) oder auf die Spitze treiben (Band XIII). Danach soll es um die Wiederaufnahme der Cliffhanger-Handlung zu Beginn des Folgebandes und schließlich um das dem Cliffhanger genau entgegengesetzte Problem des Serienabschlusses (Bände XXI und XXIV) gehen. Um einen lebendigen Eindruck von den Möglichkeiten dieser Erzähltechnik in einem Roman der Frühen Neuzeit zu vermitteln, wird zum Teil ausführlich zitiert werden.

130 Es bilden sich feste Muster und Formulierungen aus: Neben den üblichen Demutsformeln wird das glückliche Erscheinen eines Folgebandes in die gnädigen Hände Gottes gelegt und natürlich wird das Versprechen gegeben, dass das nächste Buch noch lustiger und nützlicher sein werde als das vorliegende. 131 Vgl. Amadis XIII, XIV, XVI, XXII, XXIII und XXIV. 132 ‚Galersis‘ wird in folgenden Bänden die Autorschaft zugeschrieben: Amadis X, XI, XII, XIII, XIV; in Kap. 1 von Buch XXIII taucht außerdem ein Autor ,Galasis‘ auf. Buch V benennt Meister Elisabeth, Buch VIII den Zauberer Alquif als Chronisten des jeweiligen Bandes; beides sind Figuren der Romanwelt. In Buch XV, dem Supplementband, heißt es, das Material habe dem Übersetzer des vorangegangenen Buches noch nicht vorgelegen, es sei „erst auß den Annallen zu Constantinopel gezogen worden“ (S. 876).

6.5 Serielles Erzählprinzip

117

Tabelle 2: Die Cliffhanger der deutschen Serie (grau markiert). I

II

in Spanien und

kein Cliffhanger, aber übergreifende Erzähleinheit ,Eifersucht‘; vgl. hierzu

Italien: Veröffent-

Kap. 7.1 und Kap. 8.2

lichung als Sammelband

III

Cliffhanger? Oriana bemerkt ihre Schwangerschaft, während ihr Vater sich aufgrund böser Einflüsterungen von Amadis abgewendet hat. kein Cliffhanger, aber übergreifende Erzähleinheit: König Lisuart will Oriana mit dem Kaiser von Rom verheiraten, Amadis und seine Verbündeten entführen Oriana.

IV

Entführung von König Lisuart

V

Verzauberung der zentralen Figuren

VI

Entführung zentraler Figuren

VII

Konzeption als Doppelband

Konzeption als

kaum Cliffhanger: düstere Vogelschau und Prophezeiung; vgl. hierzu

Doppelband

Kap. 6.5.6.2

verrätselte Prophezeiungen, Kriegserklärung

X XI XII XIII

Konzeption als

kein Cliffhanger: Liebeshandlung

Doppelband

verrätselte Prophezeiungen, Kriegserklärung

Konzeption als

‚Super-Cliffhanger‘: Massenentführung schwangerer Damen, Verzauberung der Zauberer

Doppelband XIV XV

wahrnehmbares Spannungsmoment

Verzauberung der zentralen Figuren

VIII IX

kein Cliffhanger: Unterbrechung einer Kriegshandlung ohne

kaum Cliffhanger: Argantes begibt sich in ein Abenteuer Supplementband

kein Cliffhanger: Wiedereinmündung in die Handlung des vorangegangenen Bandes

XVI

sechsbändige italienische

XVII

Fortsetzung

Spheramondt hat seine entführte Dame zwar schon gefunden, die Befreiung steht aber noch aus; vgl. hierzu Kap. 7.4 Entführung Sestilianas

XVIII

kein Cliffhanger: heitere Schlussszene nach Lösung eines Konflikts

XIX

kein Cliffhanger: Unterbrechung einer Kriegshandlung nach einer gewonnenen Schlacht

XX

kein Cliffhanger: Hoffest

XXI

in Italien: Versuch eines Serienabschlusses; in Deutschland: kaum Cliffhanger: Ankündigung eines Rachefeldzugs

XXII

kaum Cliffhanger: Hinweis des Erzählers auf die nach wie vor entführten Prinzen Safiraman und Hercules, die Helden von Buch XXIV

XXIII

verrätselte Prophezeiung, magische Entsendung

XXIV

Versuch eines Serienabschlusses: Entscheidungsschlacht mit ‚Leerstellen‘

118

6 Makroebene: Serie

Schon der allererste Cliffhanger der Serie ist mustergültig gebaut:133 Nach langen Irrungen und Wirrungen hat die Hochzeit von Amadis und Oriana (und weiteren Paaren) stattgefunden und somit könnte die Geschichte nun – eigentlich – zu einem sinnvollen Abschluss kommen. Ein solcher wird jedoch vermieden,134 stattdessen kommt die Cliffhanger-Handlung in Gang: Das letzte Kapitel von Buch IV setzt mit König Lisuart von Großbritannien, der zentralen Herrscherfigur der ersten Bände, ein. Der alte König ist nach den Feierlichkeiten in sein Reich zurückgekehrt, um in Zukunft „ein still vnd rhuwiges leben zu fren“,135 was ihm aber nicht vergönnt sein soll. Lisuart wird auf einem Jagdausflug mittels einer List entführt. Wie so oft spielt dabei auch Zauberei eine Rolle, um erklären und glaubhaft machen zu können, dass die vollkommenen Helden überhaupt zu überwältigen sind. Während sich die Nachricht von der Entführung in der Romanwelt verbreitet und die ersten Ritter zur Suche aufbrechen, landet die wohlmeinende Zauberin Urganda die Unbekannte in ihrem magischen Schiff, der Großen Schlange, an Amadis’ sogenannter Beschlossener Insel. Nach diesem / redet sie [Urganda] Amadis / v die anderen Herren an / vnd sprach: Als ich letzlich von euch / gnedigste Herren / vnd ander gute freund / geschieden / gab ich euch zuuerstehen / wider allhie zu sein / we Esplandian sein alter v strck erreicht habe / den Ritterlichen ordē zu empfangen. Damit ich nun euch v jm glauben hielte / auch auß vorgenoener mhe v arbeit erledigte / bin ich wider hieher koen / v sage euch / daß / ob gleich alle lebendige menschen / oder die noch hernacher auff die welt koen werden / jhnen vorgenon hetten / Knig Lisuart zu finden / v von dem ort / da er ist / zu entledigen / wrde doch alles vmb sonst seyn.136

Urganda lässt Esplandian (und vier weitere Jünglinge – die Nebenfiguren des nächsten Bandes) auf der Großen Schlange in den Ritterstand erheben. Sie weist ihm als erstes Abenteuer die Erlösung von König Lisuart zu und überreicht ihm als Zeichen seiner Mission eine Rüstung in der Trauerfarbe schwarz. Dann fordert

133 Allerdings geht González in bewusster Abkehr von der vorherrschenden Meinung davon aus, dass dieser Einschnitt eher zufällig erfolgte und möglicherweise nicht einmal vom Autor selbst vorgenommen worden sei, der (ursprünglich) kein gesondertes fünftes Buch geplant hätte; vgl. Javier Roberto González: Las Sergas de Esplandián como trans-formación amadisiana. In: Letras. Revista de la Facultad de Filosofía y Letras de la Pontifícia Universidad Católica Argentina Santa María de los Buenos Aires 59/60 (2009), S. 177–187, hier S. 179. Sicherlich wird man Montalvo auch ohne diese kaum haltbare Prämisse bedenkenlos ein übergreifendes Konzept unterstellen können. 134 Vgl. Marian Rothstein: Reading in the Renaissance: Amadis de Gaule and the lessons of memory. Newark (Delaware) 1999, S. 65, S. 85. 135 Amadis IV, S. 592. 136 Amadis IV, S. 609 f.  

6.5 Serielles Erzählprinzip

119

die Zauberin Amadis auf, Esplandian einen Auftrag zu erteilen, welcher seinem Sohn befiehlt, nach Griechenland an den Hof zu Constantinopel zu ziehen. Damit ist bereits die räumliche Verlagerung der Handlung und Esplandians Liebe zu Prinzessin Leonorina, der Tochter des griechischen Kaisers, vorbereitet. Es folgt eines der üblichen magischen Kunststückchen Urgandas: Da fiengen die sechs Jungfrawen an so lieblich mit jhren Trommeten zu blasen / daß die Herren alle / sampt den fnff neuwen Rittern / ohn alle empfindung entschlieffen / Jn dem Augenblick auch / gienge der Schlangen auß dem Rachen vnnd Naßlchern ein solcher grosser Rauch / daß man in langer zeit nichts auff der See sehen kondte. Baldt hernacher waren die herren alle inn der Beschlossenen Jnsel / im Thiergartten / kondten aber nicht gedencken oder machen / wie sie dahin kommen / vnnd noch weniger / wo die grosse vnnd erschreckliche Schlange / mit den fnff neuwen Rittern hinauß were / daß sie aber noch mehr verwunderte / ward inn dem der Herr Amadis erwachete / fande er ein Briefflein inn seiner Handt / deß nachfolgenden Jnnhalts geschrieben: Jhr anderen Knig Herrn vnnd Ritter / so in der Beschlossenen Jnsel sind / mget wol ein jeder in sein Land ziehen / vnd rhuwige tag an euch nemen / vnnd den jenigen das lob der Ritterlichen thaten lassen / vnd gnnen / so das Glckrad zu probieren anfangen / euch auch begngen / daß es euch so geneygt gewesen.137

Mit dem Verschwinden der jungen Ritter in einer Rauchwolke wird das Ende bewusst offen gestaltet, denn die Spannung ist nun zusätzlich auf Esplandians Verbleib gerichtet. Amadis und mit ihm die erste Rittergeneration beenden auf Urgandas „Briefflein“ hin ihre Abenteuerfahrten; der losen Reihe ihrer Abenteuer ist ein Ende gesetzt. Doch wird die Willkürlichkeit des Ablösungszeitpunkts durch die Figur der allwissenden Zauberin geschickt verschleiert. Urganda führt in dieser Szene regelrecht Regie: Sie setzt Zeitpunkt und Ablauf von Esplandians Ritterschlag fest, bestimmt die Errettung von König Lisuart zu seinem Abenteuer und initiiert selbst den Auftrag des Vaters. Mit viel Aufwand ist der Übergang der Handlung auf die folgende Generation inszeniert. Sind Cliffhanger auch in erster Linie im Hinblick auf die Fortsetzung konzipiert, so besteht doch eine weitere Funktion darin, zurückliegende Ereignisse aufzurufen und Zusammenhänge herzustellen.138 Sie bilden gewissermaßen Scharnierstellen im Text. Im Cliffhanger-Kapitel von Buch IV erinnert die Zauberin Urganda an einige Begebenheiten, die sie rückblickend ausdeutet und mit Sinn erfüllt. So spielt sie auf ein magisches Abenteuer an, an dem der vollkommene Held Amadis

137 Amadis IV, S. 617 f. 138 Vgl. Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption (Anm. 129), S. 155 ff.  



120

6 Makroebene: Serie

einige Kapitel zuvor gescheitert war,139 und erklärt auf diese Weise, warum sie Esplandian nicht mit einem Schwert ausstattet: Ewer Gnaden / sagt die weise Vrganda [zu Amadis] / wissen wol / vnnd etwa besser / als keiner vnter diesen allen / wo es [das Schwert] jhme [Esplandian] auffgehoben / vnd bewaret worden / mehr als zwey hundert Jahr / Auch haben es Euwere Frstliche Durchleuchtigkeit auff dem Felsen der Zuberischen Jungfrauwen / gesehen / welche es jhme auch verordenet hat.140

Nochmals wird damit die Ablösung von Amadis durch seinen Sohn verdeutlicht: Das Schwert war Esplandian immer schon vorbehalten, der das Abenteuer vollenden und seinen Vater damit übertreffen wird. Die Ausstellung des Überbietungsverhältnisses sollte die Neugier des Lesers auf den nachfolgenden Band weiter schüren. Schon dieses Beispiel dürfte gezeigt haben, dass magische Figuren ganz hervorragend geeignet sind, den Übergang von Band zu Band zu bewerkstelligen. Nicht immer sind sie aber so präsent wie hier. In einigen Fällen tragen sie mit ihren verrätselten Prophezeiungen, die im Amadisroman in rauen Mengen vorhanden sind und sich zumeist düsterer Tier-Allegorien bedienen, nur zur Cliffhanger-Spannung bei. Im letzten Kapitel von Buch V tritt uns abermals die Zauberin Urganda entgegen: Urganda sieht den Tod sämtlicher Hauptfiguren voraus und beschließt, ihn aufzuhalten. Sie bestellt die Fürsten, ihre Frauen und Vertrauten auf die Beschlossene Insel und legt einen schützenden Zauberbann über sie. Verjüngt und zu einem Standbild arrangiert, das ihren Status, ihre Tugenden und ihr Verhältnis zueinander anzeigt, bleiben die Protagonisten auf der Insel zurück. [Urganda] Redet hernach Knig Amadis / vnd die anderen Herren vnd Frawen an / vnd batte / es wolte sich keiner nicht bewegen / biß zu jrer widerkunfft / stiege hiemit auff ein Thurn im Pallast / vnd truge vnder jhrem arm Medea vornemstes Buch / so Melia erobert hette / als sie auß der Zauberischen Jungfrauwen gewalt enttrunnen. Vnnd nach dem sie aller oberst hinauff kommen / zohe sie den Schleyer vom Kopff / vnd liesse jr Haar vmb sich herumb hangen / lase hernacher etliche Beschwerunge / wendet sich her vnnd dar / gegen den vier theilen der Welt / vnnd machte mit jhren Fingern gewisse zeichen vnnd Characteren / ward auch so roth v erschrecklich in dem angesicht / als ob jhr das Feuwer auß den augen gienge / v zugleich ward ein grosser Erdbieden / Donnern vnnd Hageln / als ob die Welt zur gehen wolte. Nach dem dieses Vngewitter drey viertheil Stundt gewehret hette / sassen die Herren vnd Frawen so still / als ob sie kein athem im Leib nicht gehabt hetten. Es vmbgabe sie auch ein finsterer Wolcken / vnd die gantze gegnet / daß kein Mensch nichts

139 Amadis IV, Kap. 36. 140 Amadis IV, S. 612.

6.5 Serielles Erzählprinzip

121

sehen knnen / biß zur zeit Lisuarts auß Griechenlandt / Esplandians ehelicher Sohn / so alle Zauberey zurisse / vnnd vernichtiget / durch Mittel eines Schwerdts so er erobert / wie jhr nach der leng / inn vnserem sechsten Buch vernemen werd / Jn welchem eine History beschrieben wirdt / dergleichen zu vnseren zeiten nit gesehen worden. Als da / vnd nicht ehe / werden alle diese bezauberte Herren vnd Princessin wider erwachen.141

So wie Esplandian im Rauch verschwunden war, entzieht jetzt eine Wolke den Blick auf die „Herren vnd Frawen“. Eine erstaunliche Analogie zur Fernsehserie drängt sich auf, denn auch im Textbeispiel wird das letzte Bild ‚eingefroren‘ und ‚abgeblendet‘. Durch den Verjüngungszauber konserviert Urganda die Protagonisten gleichsam für (mögliche) Fortsetzungsbände. Außerdem wird die Erlösung durch einen Nachkommen der Amadis-Sippe angekündigt. Damit deutet sich schon in groben Zügen der Beginn der Abenteuer eines neuen Helden an: nämlich Lisuarts, dessen Geschichte der sechste Band erzählt. Buch V wird also mit einer Szene beschlossen, die auch als Ende – als Entrückung – funktioniert, gleichzeitig aber über sich hinausdeutet. Diesen Abschluss kopiert und entfaltet der achte Band. Hier ordnet die Zauberin Zirfee die Hauptfiguren des Amadisromans zu einem komplizierten allegorischen Bild, in einem künstlichen Kosmos erwarten sie ihre Entzauberung.142 Ein geläufiges Erzählmuster des Amadisromans ist die Abfolge von unehelicher Schwangerschaft, heimlicher Geburt und Aussetzung bzw. Entführung des neugeborenen Kindes und zukünftigen Helden, wie an anderer Stelle ausführlich geschildert werden soll (vgl. hierzu Kap. 8.3). Hier soll es zunächst nur um die gelungene Verwendung dieses Erzählmusters zur Gestaltung des Cliffhangers von Buch VI gehen:143 Im vorletzten Kapitel sind die Hauptfiguren des Bandes, Lisuart und Perion, und außerdem der Kaiser und ein weiterer ranghoher Ritter entführt worden. Für die Bildung eines Cliffhangers könnte das schon genügen, doch wird die Spannung noch gesteigert: Der Kummer von Onolorie und Gricilerie, den heimlichen Freundinnen der Helden, ist grenzenlos, zumal sie zu allem Unglück schwanger sind. Die beiden ziehen sich mit ihren Kammerdamen und Vertrauten, Sirtense und Garinde, in ein Kloster zurück, um ihre Kinder versteckt vor den Augen der Öffentlichkeit zur Welt zu bringen, die anschließend bei Garindes

141 Amadis V, fol. 298vf. 142 Vgl. Amadis VIII, Kap. 96. 143 Dieses Muster spielt bereits im letzten Kapitel von Band II eine Rolle: Oriana bemerkt ihre uneheliche Schwangerschaft und richtet alles für eine heimliche Geburt her. Dann wendet sich der Erzähler aber König Lisuart und seinem Konflikt mit Amadis zu. In dem umfangreichen Schlusskapitel gerät die anfängliche Szene fast in Vergessenheit, ihr Cliffhanger-Potenzial ist nicht ausgeschöpft worden.

122

6 Makroebene: Serie

Eltern untergebracht werden sollen. Onolorie bestimmt ihrem Sohn den Namen „Amadis auß Griechen“144 nach seinem Urahn. Weil der Säugling schwächer wird, nimmt Garinde unterwegs eine Nottaufe vor, doch wird sie gestört: Sehr kaum het sie diese wort außgesprochen / vnnd das Kind begossen / erhret sie ein hauffen volcks / dannenher sie erschrocken / verließ das sie hielt / entfloh vnd verstecket sich vnder einen dicken finsteren strauch vnd bosch. Jr solt aber wissen das diß ein streiffende Rot von weissen Moren war / vnd beynah all Meerruber / die sß wasser zu schpffen an diß ort sich fgeten: Allda wie sie des kleinen Amadis in seinen kstbaren windelin v thchern gewar werden / seind sie dermassen erfrewet / viel meher aber wundershalben darab erstaunet / als sie ersehen / das er von Mutter leib ein schwerd feurrot / wie ein glende kol / dessen knopff am lincken knie beginnend sein spitze eben auff dem hertzen endet / gebracht hette: Auch waren jhnen die buchstaben so gantz schneeweiß in dem schwerd gezeichnet / stunden sehr frembd / dan sie es nicht lesen noch verstehen kndten. Derhalben sich nicht lang zusaumen / wunden sie das Kindlein / auffs best als sie mochten wiederumb ein / vnnd trugen es in jhre Galleen / daselbst sie dan zu allem glck jhre Weiber hatten / vnder welchen einer [!] Eswisia genant / so newlicher zeit auß der kindbett gangen / den kleinen Amadis zusugen vnd zuernehren befohlen ward / vnd gaben jm auß dem Muttermal den Namen des Jungherrn von Brinnenden schwerd / welcher jm nachmals lang geblieben. Vnder deß Garinde etwas erkecket / eilet widerumb hin da sie das kind gelassen hatte: Aber als sie es nicht funde / meint sie / das es die Wilden thier vertragen vnnd zerrissen hetten / deßhalben sie ein solches jmerlich weinen vnd trauriges klagen fhret / das sie gedacht darbey zu vergehen vnnd zusterben. Gleichwol ander Leut vnbekummert zulassen / satzt sie jhr fur / die Onolorie dieses vnfalls halben nichts zu verstndigen: sonder jhren einzureden vnd zu verstehen geben / das sie es in der Stadt Filina gelassen habe. Diesem kam sie auch solcher gestalt nach / vnnd als sie wiederumb in dem kloster ankam / befand sie die Gricilerie eines anderen schnen kinds genesen / welchem der Namen Lucencio ward gegeben. Diese zwey gedachte Herrlein waren zu jrer zeit sehr siegreich / vnnd durch die gantze Welt bermpt vnnd wolbeschrayt / wie euch solches weitluffig / wa es Gott vnd die zeit fget vnnd zulasset / soll im nechst volgenden siebenden vnd achten Buch beschrieben werden. Endet sich das Sechste Buch von dem Amadis auß Frankreich.145

Mit diesem Cliffhanger sollte reichlich Stoff für eine Fortsetzung gegeben sein: Die Liebenden sind getrennt, der heimliche (!) Nachwuchs von heidnischen (!) Piraten (!) entführt, was Onolorie jedoch verschwiegen wird (!). Auch das rätselhafte Körpermal könnte Neugier wecken. Trotzdem kann nur wenig Zweifel daran bestehen, dass alles gut ausgehen wird. Man darf beruhigt sein, dass beiden „Herrlein“ eine glänzende Zukunft bevorsteht.

144 Amadis VI, S. 759. 145 Amadis VI, S. 760–762.

6.5 Serielles Erzählprinzip

123

Sicherlich wird der Leser erwarten, dass der Folgeband den Faden an dieser Stelle aufnimmt, was auch tatsächlich der Fall ist. Doch wird der Zusammenhang zunächst verschleiert: Buch VII beginnt mit einem (scheinbaren) Neuansatz im fernen Königreich Saba. Erst am Ende des ersten Kapitels wird der Leser aufgeklärt: Ehe wir aber fortan schreiten / wirts von nten thun / damit jr berichtet werdet / daß dieser eben der Knab gewesen / welchen Garinde (Onoloria Kammer frauwen eine) bey dem Brunnen liesse ligen / als sie jn im Hafen Filme wolten tragen zu einer Seugmutter / wie denn im 6. Buch gnugsam vermeldt.146

Rückwirkend werden die unvermittelt eingeführten Figuren in die bekannte Handlung eingeordnet. Der vermeintliche Neuansatz entpuppt sich damit als direkter Anschluss an den vorhergehenden Band, ein in der gesamten Serie einmaliger erzähltechnischer Kniff. Der Cliffhanger von Buch XIII soll hier als ‚Super-Cliffhanger‘ bezeichnet werden, weil er nahezu alle vorgestellten spannungserzeugenden Elemente verwendet – und das im Übermaß, was einen ungewollt komischen Effekt hat. Nach einigen Ankündigungen des Erzählers, die den folgenden Band betreffen, wird der Cliffhanger gesetzt: Die gute Griechische Printzen wurden kaum von der Heyden schweren Belgerung erlediget / vnnd erfreuweten sich jetzundt in Heuraten / Bancketen / Tntzen / Stechen vnnd Thurnieren / Da begegneten jhnen ein solch elendig / vnselig / vnnd erschrcklich ding / dergleichen nie mehr erhret worden / welchs viel Vnglck / Todtschlg / Mhe vnnd Arbeit / in der gantzen Welt vervrsachete. Wie nun diese streitbare Printzen im besten vnnd ernstlichsten Thurnieren waren / die Herrn vnd Frwlein auch jnen fleissig von den auffgeschlagenen Gersten zusahen / da vberzoge sie der Himmel in einem Augenblick / mit dicken schwartzen Wolcken / blitzet vnnd hagelt erschrcklich / bracht auch jhnen allen einen solchen Schrecken / daß sich keiner bewegen / weder hindersich noch frsich gehen dorffte. Die finstere nam auch so sehr vberhand / daß der helle klare Tag in dunckele Nacht verwandlet ward / kondte auch keiner den andern mehr erkennen / durch das blitzen sahe man wol einen grossen blauwen Wagen durch die Lufft hervnder fahren / vnnd darinnen einen alten Riesen sitzen. Dieser Wagen fiel mit Gewalt auff die Gerst / von welchem die Riesen geschwindt abstiegen / ertappeten der eine den Weisen Alquif / vnnd die andere Vrgandam die vnbekandte / daß sie sich jhrer Knsten nichts gebrauchen kondten / eyleten geschwindt mit jhnen hinvnder mitten auff den Platz / allda sie mit einer Ruten ein Circkel machten / theten ein Buch auff mit etlichen Ceremonien / da erhub sich ein Feuwer biß in die Wolcken / vnnd darvnder zwo schwartze Seulen / auff welche sie die zwey Weisen stelleten / gaben einem jeden ein schneidendt Schwerdt in die Faust / vnnd sagten jhnen: Dieser gestalt solt jhr allhier verharren / biß so lang der streitbar Lw auß dem Forst

146 Amadis VII, S. 4.

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6 Makroebene: Serie

entsprungen / auch todt seyn von jederman geachtet / euch durch seine Mannheit vnd Tugent erlse. Alsbald sie auff die Seulen gestellet worden / fiengen sie an gegen einander zu fechten / vnnd schlugen jhnen schdtliche Wunden. Gleich vnder jhnen waren vier grosse Schferhundt an Ketten gebunden / die in die hhe sprungen / bissen vnd zerrissen jhnen die Schenckel vnd Waden / daß die schwartze Seulen in kurtzer zeit von jhrem Blut rot geferbet wurden. Nach diesem widerkehrten die zween falsche Riesen vnd Riesin zum Gerst / vnd namen alle frnembste Fruwlein / als Oriana / vnnd alle andere / biß auff die letzte / deren diese Histori gedenckt / zu sich. Welche sie alle auff jhren Wagen packeten / daß jnen der Frsten keiner / weder mit wort vnd That / Hindernuß thun kondte. Setzten sich folgendts selbsten dareyn / vnd fuhren hinweg an ort vnd end / deren nachfolgendts Buch Meldung thut / dardurch aber in aller Welt grosser Vnraht entstanden. Jetzunder ist es zeit / sagt Galersis / daß wir die Ancker eines mals außwerffen / in diesem vngestmmen Meer / darinn wir lang gnug geseglet haben. ENDE.147

Die Zutaten für derlei Schauerszenen sind immer in etwa dieselben: plötzliche Dunkelheit und andere ungewöhnliche Wettererscheinungen, Feuer, unheimliche Tiere/Ungeheuer, Zauberbücher, Prophezeiungen etc. Auch die Verzauberung der magischen Figuren ist nicht neu. Hier kommt sie aber in einer Form vor, die an Dramatik kaum zu überbieten ist: Die verheirateten Magier Alquif und Urganda sind dem Zauber gegenüber machtlos, der sie einander bis aufs Blut verletzen lässt. Eine kurze Prophezeiung um den „streitbar Lw“ stellt aber wie immer auch gleich das Ende dieser Marter in Aussicht. Trotzdem fehlen der Amadis-Sippe mit Alquif und Urganda fürs Erste seine Berater und guten Geister. Angesichts dieser einprägsamen Szene gerät die Entführung sämtlicher weiblicher Hauptfiguren angefangen mit Oriana fast in den Hintergrund. Die Verschleppung der Dame, die Ausgangs- und Zielpunkt der Abenteuer des Amadisritters ist, lässt die Romanwelt aus den Fugen geraten, weshalb ein solcher Schluss natürlich in keinem Fall hinnehmbar ist. Umso mehr muss auffallen, dass Feyerabend seinen Folioband ausgerechnet auf diese Weise beschließt. Der Einschnitt an dieser Stelle hat wahrscheinlich äußere Gründe gehabt (ausbleibender Nachschub aus Frankreich), wie Weddige annimmt,148 doch dürfte Feyerabend (spätestens) zum Erscheinungszeitpunkt des Foliobandes von weiteren Bänden unterrichtet gewesen sein, wie dargestellt worden ist. Könnte es sich also vielleicht auch um die bewusste Ausstellung des ‚Super-Cliffhangers‘ handeln? In Kap. 1 des Folgebandes wird sogar noch mitgeteilt, „daß die Fürstin Leonida vnnd Diana / die Knigin Sidonia / Daraide / Garaya / Lardenia / vnd Lucenia / deßgleichen Anaxara vnd Grundaya groß leibs vnd schwanger weren“.149

147 Amadis XIII, fol. 250vff. 148 Vgl. Weddige (Anm. 108), S. 32. 149 Amadis XIV, S. 14.

6.5 Serielles Erzählprinzip

125

Die weitere Dramatisierung findet zwar nicht im Cliffhanger-Kapitel selbst statt, steht aber doch in engem Zusammenhang damit. Außerdem wird zu Beginn von Buch XIV nachgetragen, dass man den Amadisrittern vor dem Überfall vorsorglich ihre magischen Schwerter gestohlen hatte.150 Eine wichtige Information, weiß der aufmerksame Leser des Amadisromans doch, dass die Helden ansonsten vor dem Zauber hätten gefeit sein müssen. In Band XXIII wird der ‚Super-Cliffhanger‘ kopiert – allerdings mitten im Buch: Die böse Zauberin Dracotrophea lockt die Zauberer in eine Falle und entführt sie: Alquiffa vnd jhr Gemahl rfftē auch vmb hilff / aber es war vmbsonst: dann Dracotrophea in einem augenblick nicht mehr in dem ort gesehē ward / welche jre Feind nicht weit von Trapezunten / den Christlichen Printzē zu trutz verzauberte / wie auch auß erlsung derselbigen / leichtlich zuverstehen.151

Und die Erlösung schließt sich dann auch direkt an: Die Gesellschaft der Fürsten, Ritter und Damen hat nach langer Abenteuerfahrt mit Verzauberungen, Befreiungen usw. zusammengefunden und zieht gemeinsam auf Trapezunt zu. Vor den Toren der Stadt steht man plötzlich vor dem verzauberten Magierpaar, das von Safiraman umgehend befreit werden kann. Ohne Zweifel ist das die sehr schwache Kopie einer der imposantesten Szenen des Amadisromans. Dass die genauen Umstände der Verzauberung nicht unmittelbar mitgeteilt, sondern irgendwann in einem Nebensatz knapp nachgereicht werden, geht zu Lasten von Verständlichkeit und Spannung. Deutlich wird beim Lesen der gesamten Passage aber vor allem, wie effektiv die Pause ist, die zum Cliffhanger gehört: Wenn die kritische Situation im Moment ihres Zustandekommens schon fast wieder bewältigt ist, dann verliert sie einen Großteil ihres Wirkpotentials und wird zum belanglosen Intermezzo. Nicht unterschlagen werden soll, dass der ‚Super-Cliffhanger‘ nicht mit einem Generationswechsel zusammenfällt und der Cliffhanger des folgenden vierzehnten Buchs, der diesen Übergang leisten muss, eher schwach ausfällt. Dieser berichtet nämlich von der Ankunft von Argantes, einem der zahlreichen unehelichen Söhne Dom Rogels, in Begleitung seiner Mutter, der Königin von Galdax, am Hof zu Constantinopel, wo er zum Ritter geschlagen wird. Nachdem er für seinen verschollenen Vater siegreich gegen einen Riesen gekämpft hat, kommt eine Jungfrau an den Hof und bittet um Hilfe für ihre Herrin, die hier erstmals erwähnte Prinzessin Sclarimena, die der Unkeuschheit bezichtigt worden ist und

150 Vgl. Amadis XIV, S. 3, S. 12. 151 Amadis XXIII, S. 910 f.  

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6 Makroebene: Serie

mit dem Tode bestraft werden soll. Argantes erklärt sich bereit, für die Prinzessin zu streiten, und zieht davon. Das ist soweit kein besonders ungewöhnliches oder aufregendes Abenteuer, noch nicht einmal in Liebe auf Hörensagen ist der junge Ritter bis dato entbrannt. Es folgt noch eine Fülle von Hinweisen auf der Erzählerebene: auf die verlorenen Fürsten Rogel, Amadis und Esplandian, deren desolater status quo dem Leser damit kurz in Erinnerung gerufen wird, und auf die Helden der nächsten Generation, nämlich Spheramondt und Amadis vom Gestirn, Fortunian und Astrapole und auf den soeben eingeführten Dom Argantes. Damit endet der Band. Zwar wird hier reichlich Leseanreiz geliefert, doch weniger wirkungsvoll über die Ankündigungen des Erzählers. Eher misslungen erscheint es, die eigentliche Cliffhanger-Handlung an zwei neuen Figuren aufzuhängen. Autorübergreifend scheint das Cliffhanger-Prinzip also weniger gut zu funktionieren. Entführungen, Verzauberungen und Abenteuerhandlung im weitesten Sinne (meistens Kriegserklärungen) sorgen im Amadisroman für Cliffhanger-Spannung. Es überwiegen also actionlastige Cliffhanger. Dabei wären psychologische Cliffhanger – gerade im Kontext der zentralen Liebeshandlung – durchaus denkbar. Doch selbst bei einem Cliffhanger vom Typ ‚Entführung der Dame‘, bei dem psychologische Aspekte sicherlich eine Rolle spielen, setzt die Gefahr für Leib und Leben den entscheidenden Impuls. Die späteren Cliffhanger sind nicht – wie man vielleicht erwarten könnte – ‚besser‘ als die früheren. In den eng zusammenstehenden Bänden und insbesondere in Roseos sechsbändiger Fortsetzung wird weitgehend auf Cliffhanger verzichtet. Wie oben gezeigt worden war, werden die Generationen nun stärker miteinander verflochten, weshalb die plakative Inszenierung des Generationswechsels entfallen kann. So wird aus dem „‚klassischen‘ suspense“ der weichere Schnitt innerhalb einer Bewegung.152

6.5.3 Wiederaufnahme der Cliffhanger-Handlung Komplementär zu den bewusst offen gestalteten Bandenden ist ein Blick auf die Wiederaufnahme der Handlung im Folgeband zu werfen. Hat der Leser während der Pause, in der kein neuer Lesestoff verfügbar war, über den Fortgang der Geschichte spekuliert, so wird mit dem ersten Kapitel der Fortsetzung ein An-

152 Klaus-Peter Walter: Die Rocambole-Romane von Ponson du Terrail. Studien zur Geschichte des französischen Feuilletonromans. Frankfurt a. M. 1986 (Saarbrücker Arbeiten zur Romanistik 4), S. 410, S. 412; Hervorhebung im Original.  

6.5 Serielles Erzählprinzip

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schluss aus einer Vielzahl denkbarer Optionen realisiert. Eine wichtige Rolle sollte es dabei spielen, den Leser ‚abzuholen‘, denn obwohl die einzelnen Bände der Amadis-Serie in schneller Folge auf dem Markt erscheinen, muss doch bezweifelt werden, dass die letzten Ereignisse in jedem Fall noch vor Augen stehen. Deshalb dienen die ersten Zeilen vielfach einer Zusammenfassung, häufig in Verbindung mit einer Leseransprache, wie zum ersten Mal in Buch IV: IN beschreibung vnsers dritten Buchs / ist euch erzelet worden / wie der Knig Lisuart / den Rmischen Keiserlichen Gesandten / seine Tochter die Princessin Oriana vberantwort habe / wider den rath vnnd willen / aller Frsten vnnd Herren seines Knigreichs / welche / sampt anderen Frawen vnd Jungfrawen / so jhr gesellschafft leisteten / von dem Amadis / v seinen Gesellen entschtzt vnd entlediget worden […].153

Insgesamt sieben Bände weisen einen derartigen Erzähleinstieg auf.154 Mindestens ebenso häufig beginnt die Erzählung aber unvermittelt; das ist insbesondere bei den mehrteiligen Fortsetzungen der Fall, bei denen der ausdrückliche Gestus des Neueinsetzens vielleicht verzichtbar erscheint. Während der Schluss eines Bandes immer sehr deutlich markiert wird, erscheinen die Bandanfänge also weniger geregelt.155 Buch XII, ursprünglich zweiter Teil eines Doppelbandes beginnt beispielsweise folgendermaßen: Alß Amadis auß Griechenlandt / v die jenige so bey jhm waren / auß der vnbewohnten Jnsel abgefahren / v nun mehr ein lange zeit mit vollem Segel geschiffet hetten / wie es dann den weisen Alquif / vnd Vrganda sie zu beleitten / vnd jnen den weg zu weisen / gefiele / vnnd sie fr die aller glckseligsten schetzeten jrer gesellschafft halben / kamen sie letzlich bey einer Jnsel an / lendeten alda zu / vnd stigen auffs Landt auß.156

Die ersten Zeilen der Fortsetzung lesen sich damit nicht anders als ein beliebiger Kapitelbeginn innerhalb des Bandes. Übrigens könnten sich Seereisen für die Wiederaufnahme der Handlung durchaus anbieten, da sie einen der wichtigsten Generatoren für Erzählstoff im Amadisroman darstellen.157 Sie enden fast zwangsläufig mit einem Schiffsbruch, der den Helden zu dem exotischen und gefähr-

153 Amadis IV, S. 1 f. 154 Vgl. Amadis IV, X, XI, XIII, XIV, XV und XXII. 155 Unvermittelt setzt die Handlung im ersten Kapitel der Bände XII, XVI, XVIII, XX und XXI ein. Kaum vermittelt wird der Wiedereinsatz der Handlung in den Bänden II, VI, XVII und XIX. Amadis VIII beginnt mit allgemeinen Betrachtungen über das wankelhafte Glück, welche dann auf eine Figur hin konkretisiert werden. 156 Amadis XII, S. 1 f. 157 Ein weiterer Handlungsgenerator ist etwa die Zuweisung von Abenteuern durch eine magische Figur.  



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6 Makroebene: Serie

lichen Schauplatz seines nächsten Abenteuers führt. Der Willkürlichkeit der Naturgewalten entspricht die beliebige Reihung von Abenteuern. Insofern erscheint es nur folgerichtig, dass – wie oben angemerkt – die Fahrt zu Schiff auch als Metapher für den Erzählvorgang als solchen verwendet wird. Etwa die Hälfte der Bände setzt im ersten Kapitel unmittelbar an den letzten Ereignissen an, befriedigt also sofort die Neugier der Leser auf das, was bewusst ausgespart worden war.158 Weitere drei Bücher greifen immerhin auf Ankündigungen des Erzählers im Cliffhanger-Kapitel des vorangegangenen Bandes zurück.159 Es wird nicht überraschen, das diejenigen Bände, die einen anderen Ausgangspunkt wählen, zumeist auch nicht auf einen Cliffhanger ‚antworten‘ können.160 In diesem Zusammenhang fallen die Bücher XVIII, XIX und XX ins Auge, die zur sechsbändigen Fortsetzung Roseos gehören. Weil innerhalb dieser Bandgruppe kaum Cliffhanger vorhanden sind, greifen alle drei Bände im ersten Kapitel auf den Cliffhanger am Ende von Buch XVII zurück: Dort wird Prinzessin Sestiliana nach einem Angriff von mehreren Bären auf eine Gruppe von Damen von einem Riesen entführt. Der Folgeband nimmt diesen Cliffhanger auf, sein erstes Kapitel ist folgendermaßen übertitelt: „Was jerlichen erbrmblichen klagens / wegen der schnen Jnfantin Sestiliana verlusts gefhrt wrde / vnd was der maliche Printz Dom Arlanges vorname.“161 Dom Arlanges Bemühungen sind offenbar nicht von Erfolg gekrönt, denn die Überschrift zu Kap. 1 von Buch XIX lautet: „Wie der Printz Dom Arlange sich wegen der Jnfantin Sestiliane verliehrung / hchlich bekmmert / was er that / vnnd jhme / in dem er sie suchet / begegnet.“162 Zu Beginn von Buch XX scheint die Lage unverändert, allerdings werden jetzt die Hintergründe der Entführung mitgeteilt. Im Titel des ersten Kapitels heißt es nämlich: „Wie das Frewlein Sestiliana / des großmechtigsten Knigs von Seuilien Tochter / verzuckt warde / wer das gethan / was vrsach es beschehen / vnd wahin sie gefhrt seye worden.“163 Hier zeigt sich die Tendenz des Amadisromans, die Beendigung von Erzähleinheiten extrem zu verschleppen. Mag der mechanische Erzähleinstieg im Amadisroman mit formelhaftem Hinweis auf den letzten Band, Leseradresse und Wiederholung auch nicht besonders kunstvoll wirken, so stellt er doch bis heute die gängige Lösung für ein serielles Erzählen dar, das nach Gedächtnisstützen verlangt: Die ersten Szenen einer TV-

158 159 160 161 162 163

Vgl. Amadis III, IV, V, VI, (VII), VIII, X, XI, XIII, XIV, (XV), XVIII, XXII. Vgl. Amadis IX, XVII, XXIII. Vgl. Amadis II, XII, XVI, XIX, XX, XXI, XXIV. Amadis XVIII, S. 1. Amadis XIX, S. 1. Amadis XX, S. 1.

6.5 Serielles Erzählprinzip

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Serie haben „expositorisch-memorierenden Charakter“,164 um den problemlosen (Wieder-)Einstieg zu garantieren; die sogenannten ,Recaps‘ der Daily Soaps resümieren in wenigen Bildern die wichtigsten Ereignisse der letzten Folge inklusive der Cliffhanger-Sequenz. Erst danach folgt der von der Titelmusik untermalte Vorspann, der das Wiedereinsetzen der Handlung markiert.165

6.5.4 Serienabschlüsse (Mindestens) dreimal wurde versucht, den Amadisroman abzuschließen – in Spanien,166 Italien und Deutschland (Bd. XXIV). Während der spanische Band nicht zur Kenntnis genommen und übersetzt worden ist, ist der italienische Abschluss in der deutschen Serie deutlich wahrnehmbar (Bd. XXI) und hat sichtlich Anschlussschwierigkeiten bereitet. Dass mit dem letzten Band der sechsteiligen Fortsetzung um Sferamundi zugleich auch das Ende der gesamten Serie erreicht sein soll, stellt Michele Tramezzino in der Widmungsvorrede deutlich heraus; die französische Serie setzt diese Information auf das Titelblatt der Bände XX und XXI.167 Roseos Abschluss erscheint allerdings eher als Verlegenheitslösung: In einer apokalyptischen Schlachtszene findet ein regelrechtes Massensterben von Hauptfiguren statt. Angesichts der harmonisierenden Tendenz der Serie, in der der Tod trotz genealogischer Anlage (weitgehend) aufgehoben ist, muss das befremdlich wirken.168 Selbst den Titelhelden Amadis ließ Roseo sterben,169 den der deutsche Übersetzer dann wohlweislich verschont hat,170 was vermutlich weniger auf die

164 Martin Jurga: Der Cliffhanger. Formen, Funktionen und Verwendungsweisen eines seriellen Inszenierungsbausteins. In: Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch. Hg. von Herbert Martin Willems u. Martin Jurga. Opladen, Wiesbaden 1998, S. 471–488, hier S. 486. 165 Vgl. z. B. Mielke (Anm. 57), S. 58, S. 563 ff. 166 Zum Abschluss der Serie durch Silva vgl. Kap. 7.3; zur mutmaßlichen Absicht Montalvos, mit seinen Sergas de Esplandián den Amadisroman nicht nur fortzusetzen, sondern auch zu beenden, vgl. Kap. 6.5.6.1 dieser Arbeit. 167 Vgl. La Sesta Et Vltima Parte Della Historia dell’inuittissimo Prencipe Sferamundi di Grecia, Widmungsvorrede, fol. A iiijr: „la Sesta parte & fine di Sferamundi […] & fine di tutta l’historia di esso Amadis di Gaula“. Entsprechend heißt es auf den Titelblättern der französische Übersetzung: „Le Vingtiesme Et Penvltime Livre d’Amadis De Gavle, […].“ und „Le Vingt Vniesme Et Dernier Livre D’Amadis De Gavle, Contenant le fin & mort d’iceluy […].“ 168 Vgl. Werner Mulertt: Der Amadisroman und seine zweite Heimat. In: Spanien. Zeitschrift für Auslandskunde 1 (1919), S. 194–201, hier S. 198. 169 Vgl. La Sesta Et Vltima Parte […], fol. 477v; vgl. auch Amadis de Gaule XXI, fol. 447r. 170 Vgl. Amadis XXI, S. 1601.  



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6 Makroebene: Serie

kriegerische Überlegenheit des Greises als auf seine Wichtigkeit für die Konstitution der Serie zurückzuführen ist, die in Deutschland noch um drei Bände erweitert wurde. Unwissentlich wiederholen die deutschen Bearbeiter/Fortsetzer damit ein Schlüsselmoment der Serienbegründung: Der Ur-Amadis hatte sehr wahrscheinlich vom Tod des Helden berichtet, Montalvo als erster Fortsetzer dieses Moment unterdrückt. Roseo könnte das tragische Ende als einzig gangbarer Weg erschienen sein, den Fluss der Erzählung stillzustellen:171 Nur kurz erwähnt der italienische Text einen bitteren und offenbar als endgültig zu verstehenden Rachefeldzug,172 die im Leben gebliebenen Amadisritter verharren nach ihrer siegreichen Rückkehr in tiefer Trauer, angesichts der der Autor kapitulieren muss: „[…] che per non potergli l’auttor scriuere, impose qui fine al suo libro, et all’ultima parte dell’historia di Sferamundi di Grecia.“173 [(…) weil der Autor das nicht (be-)schreiben konnte, setzte er seinem Buch und dem letzten Teil der Historie von Sferamundi von Griechenland ein Ende.] In Deutschland scheint das zu einer Um- und Fortschreibung herausgefordert zu haben. Dabei entfernt man sich nicht allzu weit von der Vorlage und nimmt nur eine minimale Umgestaltung vor: Die Rückkehr der Fürsten in ihre Reiche wird für den folgenden Band aufgespart,174 der Rachefeldzug nur angekündigt: Was dise [die Hinterbliebenen] vnnd andere fr jemmerliche klag gefhrt haben / von wegen jhrer Eltern / Freunden / Verwandten vnnd anderer ehrlicher Leuten / ist weder außzusprechen noch zubeschreyben / wills jeden fr sich selberst erachten lassen / vnnd hiemit dises Buch beschliessen. Allein soll ich noch diß vermelden / daß der Printzen trawrigkeit vnd grosses leid / als sie jhre todten / deren in die fnff vnd fnfftzig tausent gefunden wurden / begraben / vnd die Knige balsamirt hetten / damit man jhre Leychnam knte heimb fhren / in grimm verwandelt worden / darumb sie nachmals in die Heydenschafft gezogen / den grossen schaden zurechen inmassen folgende Bcher diser Historien außweisen. Ende des xxj. Buchs.175

171 Horn ist der Ansicht, dass Roseo der Serienabschluss nicht gelang, weil er die christliche Seite gewinnen und einige Amadisritter überleben ließ, womit ein Weitererzählen grundsätzlich ermöglicht war; vgl. Julia Horn: Die another day: Amadis de Gaule and the absence of heroic death. In: Reading and Writing the Forbidden. Essays in French Studies. Hg. von Bénédict Facques u. a. Reading 2003, S. 31–42, hier S. 39 f. 172 Vgl. La Sesta Et Vltima Parte […], fol. 477vf. 173 La Sesta Et Vltima Parte […], fol. 478. Der französische Übersetzer vollzieht den Abschluss Punkt für Punkt nach, streicht aber noch deutlicher heraus, dass es sich – wie von Roseo mit Sicherheit gemeint – um den Abschluss der gesamten Serie handeln soll; vgl. Amadis de Gaule XXI, S. 448r. 174 Vgl. Amadis XXII, S. 11 ff. 175 Amadis XXI, S. 1601 f.  







6.5 Serielles Erzählprinzip

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Dieses düstere Ende muss der deutsche Autor im ersten Kapitel von Buch XXII erst einmal unter erheblichem Erzählaufwand bewältigen: Nach dem Ableben der Fürsten bricht eine Art ,dunkles Zeitalter‘ an, das dank der Nachkommenschaft aber überwunden wird. Aber wie zugleich nach der finstern nacht der helle vnnd lieblich tag kombt / vnnd nach dem Winter alle ding wider anfahen außzuschlachē / zu grnen vnd nach verngen der menschen reichlich frucht zubringen / also auch bewarete vnnd erhielte Gott damaln vor allem vnsal / vnder dem Schnee vnnd kalten frost / den guten samen obgemelter frnemmer Personen so noch in Leben berig warē / damit dermaln eines die Welt zu jhrem vorigen wolstand gebracht werden mchte: vnnd verordnete demnach gutte Werck vnnd bawlet / solchen eingefalnē baw ein mal wider auffzurichtē: welcher dann volgends dermassen ins werck gericht v erbawen / das nach wenig jaren wideru ein schne gleichsam vberglte Welt gesehen / der heiden wesen aber gentzlich verhergt vnd verderbt worden.176

Nachdem die Katastrophe solchermaßen aufgefangen worden ist, wird die Handlung durch die Entführung der Knaben Safiraman und Hercules vom Gestirn wieder in Gang gebracht. Mit der Entführung der künftigen Helden wird gewissermaßen der Cliffhanger nachgereicht und die Geschichte zurück in ihre üblichen Bahnen geleitet. Allerdings war nicht geplant, die Serie auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Schon im Einleitungskapitel von Buch XXII kündigt der Erzähler an, das Werk nun innerhalb dreier Bände zu einem Ende führen zu wollen.177 In der Vorrede zu Buch XXIV wird der vorliegende Band noch einmal ausdrücklich als letzter der Serie bezeichnet.178 Wie bei Buch XXI entscheidet man sich für eine finale Schlacht gegen die Heiden, dieses Mal jedoch nahezu ohne eigene Verluste. Dann setzt eine zauberische Szene mit biblischen Anklängen ein, die das Ende des Amadisromans markieren soll. Dies wird vermutlich notwendig, um diesen Krieg gegen die Heiden von den zahlreichen anderen abzusetzen, die ab Buch V wieder und wieder geführt worden waren. Als man aber zum abzug blasen wolt / erschienen erstlich als vier Sonnen / von den vier Ecken der Welt / vnd zwlff Engel mit Trommeten / in welche sie gantz lieblich stiessen / daß jederman wegen der lieblichen Melodey gleich verzuckt ward. Da verschwanden die todte Crper alle / vnnd wurden gesehen am Gestad des Meers auff die tausent fewrige Schlangen oder bezauberte Fusten / darauß viel schner Jungfrawen giengen: Nachmals wurd ein grosse finsternuß / so trey tag nach einander wehret / vnd als sie wiederumb vergangen war / befand sich jederman in seinem Land / etliche Printzen / Frawen vnd Jungfrawen außgeschlossen / so in dem schnen Pallast des wollusts in der beschlossenen

176 Amadis XXII, S. 3 f. 177 Vgl. Amadis XXII, S. 4 f. 178 Vgl. Amadis XXIV, unfoliierte Widmungsvorrede.  



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6 Makroebene: Serie

Jnsel verzaubert belieben / biß zu vollendung der propheceyen / so im vorgehenden Buch am 49. cap. seind beschrieben.179

Am angegebenen Ort in Buch XXIII finden sich wohl die üblichen verrätselten Prophezeiungen, aber kein Hinweis auf eine Verzauberung, die ich auch sonst nicht ausfindig machen konnte. Eventuell ist sie also nachträglich hinzugedichtet worden. Doch auch wenn sich die Referenzstelle irgendwo finden ließe, bleibt die Funktion dieser Einschränkung dieselbe: Hier wird etwas zu erzählen übrig gelassen. Wenig später wird sogar noch ein Anhang angekündigt: Nach dem glücklichen Ausgang treten diverse Hauptfiguren die Herrschaft in ihren Reichen an. V andere in andern ortē / nach dem solchs / wie auch alles so in allen vorgehenden Bchern ist außgelassen worden / fein fleissig vnd gantz ordenlich im anhang dieser Historien beschrieben vnd zu finden ist.180

Vielleicht wird damit ein Hintertürchen für ein Weitererzählen offengehalten, wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich um eine der zahlreichen Chronikfiktionen des Amadisromans handelt: Der Erzähler stellt fest, dass ein Handlungsfaden nun nicht weiter verfolgt werden müsse, weil es ein eigenes Buch über die Heldentaten dieser (Neben-)Figur gebe.181 Nichtsdestoweniger werden die Handlungsknoten nicht vollständig aufgelöst und das, obwohl Band XXIV ausdrücklich den Abschluss der Serie bilden soll. Vielleicht deutet dies – ebenso wie die etwas bemühte Entscheidungsschlacht – auf die Unmöglichkeit hin, eine Fortsetzungsserie überhaupt an ein angemessenes Ende zu führen. Der Amadisroman ist eben nicht auf ein Erzählziel hin konzipiert und somit muss jeder Abschluss aufgesetzt wirken.

6.5.5 Exkurs: Supplementbände – Erweiterungen ,in der Mitte‘ Dass Geschichten in der Mitte problemlos erweiterbar sind, liegt auf der Hand. Während Anfang und vor allem Ende einer Geschichte zumeist sehr klar definiert

179 Amadis XXIV, S. 1441 f. 180 Amadis XXIV, S. 1443. 181 Vgl. z. B. Amadis XXIII, S. 31: „Dieweil aber wie gesagt ein besondere History von dem wunderbarlichen Ritter Fulgoran / Herrn Rogels vnnd der Knigin Florelle Sohn / ist beschrieben / wollen wir dises orts von jhm anders nichts melden / dann was zu vnserm vornemmen dienet“. Die Geschichte Fulgorans soll ein Chronist namens Galasis niedergeschrieben haben. Ein ,Galersis‘ wurde bereits für die früheren Bände als Chronist angeführt.  



6.5 Serielles Erzählprinzip

133

sind, ist sie in ihrer Mitte eher flexibel, kann nach Bedarf ausgeschmückt oder abgekürzt werden. Theoretisch sind auch dieser Form des Erzählens keine Grenzen gesetzt, doch eignet ihr Nachträglichkeit, denn der Horizont der Erzählwelt ist klar umrissen. Dies gilt für die sieben Supplementbände zum Amadisroman, die zwischen 1563 und 1568 in Italien erscheinen und jeweils zwischen zwei Bände eingeschoben werden. Sie erzählen nicht seriell, werden aber ‚in Serie‘ produziert.182 Bereits 1558 hatte Mambrino Roseo außerdem mit der Herausgabe seiner sechsbändigen Fortsetzung begonnen, deren letzter Teil 1565 erschien. Die serielle Fortschreibung könnte ihm schwerer gefallen sein als die nach zwei Seiten begrenzte Aufschwellung des Erzählstoffs, denn während sich die Produktion der Sferamundi-Bände über sieben Jahre hinzog, erschienen allein 1564 fünf Supplementbände. In Italien treten also zwei Erweiterungsformen nebeneinander auf, die gleichermaßen die kommerzielle Ausnutzung des Erfolgsromans im Auge haben: Die Supplementbände erzählen mehr über einen beliebten Helden, die Fortsetzungsbände erzählen, wie es weitergeht. Es erscheint mir sinnvoll, dieses alternative Modell hier wenigstens zu streifen und damit gleichzeitig den kleinen Augsburger Ableger des deutschen Amadis flüchtig zu würdigen.

6.5.5.1 Supplementband 4 Buch IV endet mit der Entführung von König Lisuart, Buch V beginnt mit seiner Befreiung durch Esplandian. Supplementband 4 fügt sich nun auf geschickte Weise ein,183 indem er schildert, wie die Heiden die konfuse Situation nach der Entführung des mächtigen Königs auszunutzen versuchen. Vergleichbares erzählte bereits Buch I; gleichzeitig greift das Supplement aber auch vor, ist die Zuspitzung der Kampfhandlung auf den Konflikt zwischen Christen und Heiden doch erst ab Buch V prägender Zug der Serie.184 Die Erzählung hebt an:

182 Vgl. Weddige (Anm. 108), S. 316. 183 Zu Suppl. 4 vgl. grundsätzlich Anna Bognolo: La prima continuazione italiana dell’Amadís de Gaula: L’Aggiunta al Quarto Libro di Mambrino Roseo da Fabriano (Venezia 1563). In: Letteratura cavalleresca tra Italia e Spagna. Da Orlando al Quijote. Hg. von Javier Gómez-Montero u. Bernhard König. Salamanca 2004 (Publicaciones del SEMYR. Actas 3), S. 429–441. 184 Auch Suppl. 5 wird von den späteren Bänden der Romanserie geprägt, ein auffallendes Beispiel soll diesen Umstand verdeutlichen: Amadis, Montalvos Muster der Treue, betrügt hier seine Dame, wenn auch wider Willen. Nachdem Amadis der magische Ring, der ihn vor jedwedem Zauber schützt, listig entwendet worden ist, verfällt er Cleandra, in deren Gewalt er sich befindet; vgl. Suppl. 5.1, Kap. 79; Suppl. 5.2, Kap. 122. Diese Episode ist ganz offensichtlich von den leichtherzigen Fortsetzungen Silvas beeinflusst.

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6 Makroebene: Serie

NAch dem es laut mehr worden / das Knig Lisuart auß groß Britanien verloren were / wie solches sein gantzes Landt sampt den vmbligenden Knigreichen vnnd Lndern / so jhm guts gunten / zu trauren bewegt. Also hat es hergegen alle Heydnische Knig vnnd Frsten zum hchsten erfrewet / Der hoffnung / sie würden nicht allein die Knigreich vnnd Sttt / so sie verloren gehabt / wider mit gewalt erobern / sonder auch der Heydenschafft die vorige Ehr vnd Preiß / so sie durch dises Mannlichen Knigs vnnd seiner namhafften Ritter Tugendt in etlichen Schlachten verloren gehabt / widerbringen.185

Am Ende von Buch IV war ein Generationswechsel eingeleitet worden, der im Supplementband 4 noch einmal ausgesetzt werden muss, da die Haupthandlung ja erst in Buch V auf Amadis’ Sohn Esplandian übergeht. Nicht ungeschickt führt der Supplementband in seinem ersten Kapitel nun ebenfalls einen Generationswechsel durch – allerdings auf heidnischer Seite. Mit neuen Figuren, einer neuen Figurengeneration stehen die bereits erprobten Erzählmuster für eine erneute Durchführung bereit; so wird im ersten Kapitel beispielsweise der Grundstein für eine Liebesgeschichte gelegt. Der heidnische König Aravigo, den der böse Zauberer Arcalaus in Buch IV zum Krieg aufstachelte, zieht sich zurück und überlässt seinen Neffen das Feld. Arcalaus zeigt hingegen keine Reue, sondern wird den Kampf gegen die Christen fortsetzen und auch im Supplementband Amadis’ zentraler Gegenspieler sein. Dass von den Neffen Aravigos insbesondere Giscardo positiv aufgebaut und sogar mit Amadis verglichen wird,186 lässt den Ausgang schon erahnen: Amadis und der gleichermaßen vorbildliche Ritter Giscardo werden sich nach dem Sieg der Christen anfreunden. Am Ende des Supplementbandes berichtet der Erzähler ein letztes Mal von Giscardo: So hetten gleichwol die Calistora vnnd Giscardo zwen Sn mit einander erzeügt / welche aber das Knigreich nicht lang inn hetten / sonder von dem gewalt der Amazonen erschlagen wurden / wie dann zu seiner zeyt auch gesagt werden soll / doch seind die Kinder zu grossem glück daruon kommen.187

Zum Schluss muss Giscardo also wieder aus dem Weg geräumt werden, weil der Einschub nur eine Schleife beschreiben und keine wesentlichen Änderungen (am Figurenpersonal) vornehmen darf. Dagegen spricht natürlich die Tatsache, dass Giscardos Kinder „zu grossem glück daruon kommen“. Allerdings wird diese namenlose und noch in keiner Weise hervorgetretene Nachkommenschaft problemlos unter den Tisch fallen können. Dass der Verweis auf kom-

185 Suppl. 4, fol. 1rf. 186 Suppl. 4, fol. 1v. 187 Suppl. 4, fol. 583r.

6.5 Serielles Erzählprinzip

135

mende Handlung ins Leere läuft, muss keineswegs als Inkonsistenz aufgefasst werden, sondern ist der Erzählhaltung des Amadisromans angepasst. So wird der Anschluss an die Serie betont, obwohl die Verweise nicht eingelöst werden können. Abschließend mündet der Supplementband wieder in die Cliffhanger-Situation von Buch IV ein: Die christlichen Ritter kehren nach der gewonnenen Schlacht in ihre Reiche zurück. Letztlich nam der Knig Perian vnd die andern auch jhren abschid von der Knigin Brisena / vnd diß gleich zur zeyt / als der Splandiano [Esplandian] schon het angefangen / sein Ritterliche streitbarkeyt der Welt zuerzeygen / vnnd den Knig Lisuart wider erlediget het / wie dann im anfang deß nachfolgenden Bchs / so von deß Splandiano Ritterlichen Thaten geschriben ist / gesagt werden soll. FINIS.188

Die gesamte Handlung soll sich also parallel zu Esplandians erstem Abenteuer abgespielt haben, was nicht sehr plausibel erscheint. Da der Amadisroman zeitlichen Abläufen aber grundsätzlich nur wenig Aufmerksamkeit schenkt, ist diese Unstimmigkeit nicht als Mangel des Supplementbandes zu betrachten. Dem Band fehlt sinnvollerweise ein eigenes Spannungsmoment, doch wird auch der Cliffhanger von Buch IV entwertet: Nüchtern stellt der Erzähler fest, dass Splandiano König Lisuart „wider erlediget“ hat. Wie auch die sorgfältige Einbettung ins Seriengeschehen anzeigt, wendet man sich folglich an einen Leser, der beide Bände IV und V schon kennt.

6.5.5.2 Supplementband 5 Die Grundkonstellation des zweiteiligen Supplementbands zu Buch V189 wird im Titel benannt: Des fnfften Bchs Der Hystorien vom Amadis auß Franckreich Anhang oder anderer Theyl. Jn welchem des Splandiani / beneben des Amadis v anderer Helden Herrliche thaten vnd Tugenden / welche sie in der zeit / weil sie in der beschloßnen Jnsel (der bildnus vnd gestalt nach) verzaubert gewesen / vnd geschlaffen haben / Jedoch auß frsehung der Vrganda / inn frembden fernen Landen / volbracht / vnd glcklich zu end gefhrt haben.

188 Suppl. 4, fol. 583r. 189 Dem äußeren Erscheinungsbild nach handelt es sich bei den beiden Teilen eigentlich um eine Einheit: Supplement 5.2 weist nur noch einen Kurztitel auf, die Seiten werden durchgezählt, ein Gesamtregister angehängt.

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6 Makroebene: Serie

Zu Beginn des Bandes wird die Cliffhanger-Handlung ausführlich rekapituliert, bevor diese Ausgangssituation gewissermaßen rückgängig gemacht wird. Der Leser erfährt, das sie [Urganda] sich anderst entschlossen vnnd sich der wort wider erinnert hab / die sie zuuor zu jnen gesagt / ehe sies also bezaubert het / nemlich / das wann sie es für besser erkennen wurde / das sie nicht also bezaubert bliben / so wolt sies widerumb daruon erledigen / vnd in ein anders Land fhren / allda sie solcher bser Constellation vnd naigung deß Gestirns entfliehen möchten / wie dann in den letzten Capiteln gedachtes Bchs gelesen wirdt […].190

Im Cliffhanger-Kapitel von Buch V ist von eventuellen Handlungsalternativen allerdings keine Rede. Diese kleine Anpassung wird rückwirkend vorgenommen, um eine Lücke für den Supplementband zu schaffen. Die Protagonisten werden in eine ,Parallelwelt‘ entrückt: Ausführlich wird beschrieben, wie weit sich die Fürsten auf einem magischen Gefährt, der bereits bekannten Großen Schlange, vom bisherigen Spielort entfernen und schließlich in einem Landstrich ankommen, von dem es heißt, er liege „nicht weit vom jrdischen Paradeiß“. Hier können sie Ritter- und Liebesabenteuern nachgehen, ohne dass das Geschehen des Serien-Hauptstranges beeinflusst wäre. Auf Handlungsebene führt Urganda ein geläufiges Argument des Ritterromans für den umständlichen Ortswechsel ins Feld: Der untätige Ritter büßt an Ruhm ein. Die Fürsten loben Urgandas Umentscheidung: „sie hette die sach noch besser bedacht als zuuor“.191 Einmal mehr zeigt sich die Bedeutung der magischen Figur als ein nach Belieben verfügbares Mittel zur simplen, nichtsdestoweniger motivierten Handlungsführung. Fernab ihrer eigenen Herrschaftsgebiete fangen die Fürsten wieder bei Null an – auch das ein typisches Element des Amadisromans. Amadis führt in den ersten vier Bänden fünf ‚Decknamen‘,192 unter denen er sich immer wieder aufs Neue die Achtung der Romanwelt erkämpfen muss. Genauso nehmen im Supplementband 5 die Ritter neue Namen an, denen sie mit ihren Taten Glanz verleihen. So erobert etwa die Hauptfigur Splandiano/Esplandian die unbekannten Gefilde als ‚Ritter mit dem Stern‘. Supplementband 5.1 endet mit Feierlichkeiten, mit denen ein Krieg beendet und die herausgehobene Position der Fürsten in ihrem neuen Umfeld zum Ausdruck gebracht wird. Der Band weist als Teilband keinen dezidierten Cliffhanger 190 Suppl. 5.1, fol. 1v. 191 Suppl. 5.1, fol. 3r. 192 Nämlich: Junker vom Meer, Dunkelhübsch, Griechischer Ritter, Ritter mit dem grünen Schwert, Ritter mit dem Zwerg.

6.5 Serielles Erzählprinzip

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auf, auch fehlen formelhafte Überleitungswendungen. Trotzdem ist offensichtlich, dass die Handlung noch lange nicht an ein Ende gekommen ist. Die Fürsten, so heißt es, wären noch länger auf dem Fest geblieben, wann nicht der Hertzog von wegen der erledigung seiner Tochter so fast hinweck geeilt / vnnd der Splandiano so grosses verlangen gehabt het / nach verrichtung solcher that sich auff den Schlangenberg zubegeben / vnd allda seinen Vattern den Knig Amadis zuerledigen: So wolte der Knig von Sobradisa von jhm auch nicht hinweck ziehen / biß er sich der that auff dem Berg deß wollusts vnterfieng […].193

Mit Amadis ist der Stammvater der Serie verloren, dessen Erlösung sich der Leser bestimmt versichern will. Als Erstes nehmen die Ritter, allen voran Splandiano, aber das letztgenannte Abenteuer auf dem „Berg deß wollusts“ in Angriff. Am Ende von Supplement 5 muss der Zustand des Cliffhanger-Kapitels von Buch V wiederhergestellt werden: Im letzten Kapitel tritt die Zauberin Urganda auf und drängt zur Rückkehr nach Europa, eine Rückkehr in den Spielraum und Zusammenhang der Serie: Vber ein gute zeyt darnach / saget die Vrganda zu den sechs Frsten / es were nun mehr zeyt / das sie wider nach Europa ziehen solten / dann es wurde nicht lang mehr anstehn / das sie sich wider drfften herfr lassen / msten aber doch bezauberter weiß wider in die Jnsel Firma gefhrt werden / dann sie befande / das sie in krtz wurden der Zauberey wider erledigt werden / durch das absterben einer namhafften schwartzknstlerin / die sie gleichwol durch jr kunst nicht ergrnden kundt wer doch dieselbig wer: Alßdann aber so wurden alle vergangne zauberey in gantz Europa mssen auffgelst vnd zerstrt werden / welches sie nun von der zeyt der Jnfantin Melia verstund / wie dann im nachfolgenden Bch vom Lisuarto gesagt werden soll.194

Bei dieser Rückkehr sollte all das zurückgelassen werden, was als Erfindung des Supplementbandes gelten muss. Die notwendige Trennung der beiden Sphären wird partiell aufgehoben, wenn König Don Florestano die Königin Lucidiana bittet, ihm seinen Sohn zu schicken,„alßbald er whrhafft wurd“.195 Kleine Ungenauigkeiten werden im Sinne einer allgemeinen Stimmigkeit wohl in Kauf genommen. Mit abgeschwächter Wirkung wird der Cliffhanger von Buch V wiederholt („Da sagt nun die Histori / das sie noch zwey Jar also seyen bezaubert bliben […]“196), jedoch ohne seine Spannung zu reaktivieren, denn auf die näheren

193 194 195 196

Suppl. 5.1, fol. 397vf. Suppl. 5.2, fol. 658vf. Suppl. 5.2, fol. 659r. Suppl. 5.2, fol. 659v.

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6 Makroebene: Serie

Umstände der Erlösung wird mehrfach hingedeutet.197 Dagegen wird wiederum einige Sorgfalt darauf verwendet, die Bände zu harmonisieren: Jn diser zeyt / weil sich solches alles begab / vnnd in diser Orientalischen gegnet alle wunderbarliche Zauberey auffgelst / vnnd die Vlcker zum Christlichen Glauben bekert wurden / da haben sich auch die sachen zugetragen / die im Bch vom Lisuarte auß Griechenland beschriben seind / biß auff die zeyt das durch absterben der Jnfantin Melia / so vor dem Thor der grossen Statt Constātinople geschehen ist / dise Zauberey der Jnsel Firma samt den andern allen zerstrt worden ist / wie dann zu seiner zeyt auch soll angezeygt werden. Ende des andern Bchs / genannt der Anhang deß Splandiano.198

Wieder soll sich also die Handlung von Supplement 5 und Buch VI teilweise überschneiden, was in diesem Fall eigentlich gar nicht nötig wäre. Viel einfacher wäre es doch, wenn sich die Abenteuer in der unbestimmten Lücke zwischen den Büchern ereignen würden: Denn während die Fürsten verzaubert sind, bleiben ihre jungen Söhne zunächst am elterlichen Hof, bevor sie in Band VI ausziehen, um den Ritterschlag zu empfangen. Die eigentliche Aufgabe dieser Passage könnte also darin bestehen, den Supplementband nicht nur aufs Engste an die Serie heranzuführen, sondern ihn gleichsam in sie einzuflechten.

6.5.5.3 Zwischenfazit Roseo sah sich bei der nachträglichen Erweiterung in der Mitte naturgemäß vor einige Probleme gestellt, die er aber nicht unelegant löste, was von seiner Einsicht in die Mechanismen des Amadisromans zeugt. Zumindest dürften die beschriebenen Inkonsistenzen kaum Ursache für das Scheitern der Supplementbände auf dem deutschen Markt gewesen sein. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden: Vielleicht wurden die Leser nicht ausreichend auf das Angebot aufmerksam, vielleicht sprach man dem Feyerabend-Verlag die Kompetenz in Sachen Amadisroman zu, obwohl Willer und Manger sogar die Aufmachung imitierten.199 Weddige vermutet, dass die Augsburger Bände „allein schon durch die Zählung außerhalb der ‚rechten‘ Frankfurter Historien standen und nicht sonderlich erfolgreich beim Publikum waren“.200 Aber bereits in Frankreich, wo die Publikation der Serie nicht in den Händen eines Einzelnen lag, hat man die Supplemente systematisch aussortiert. Offensichtlich erschien es Produzenten wie Rezipienten

197 Vom Ableben der bösen Zauberin und der dadurch ermöglichten Rückkehr der verzauberten Fürsten wird in Amadis VI, Kap. 18–20 berichtet. 198 Suppl. 5.2, fol. 659vf. 199 Vgl. Weddige (Anm. 108), S. 36. 200 Vgl. Weddige (Anm. 108), S. 37.

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naheliegender, in der Chronologie der Geschichte voranzuschreiten, anstatt auf der Stelle zu treten. Damit hat man eben das Serielle der Serie goutiert, was zunächst nicht erstaunlich erscheint, aber angesichts der besonderen Bekanntheit und Beliebtheit gerade der ersten Helden des Amadisromans vielleicht doch eine Randbemerkung wert ist. Auch die Erweiterung in der Mitte hätte schließlich funktionieren können.

6.5.6 Der Cliffhanger in der spanischen und französischen Vorlage Leider kann in dieser germanistischen Arbeit nicht auch noch der spanische, italienische und französische Amadisroman in gleichem Umfang berücksichtigt werden. Doch soll dem Umstand, dass es sich bei dem deutschen Text um Übersetzungsliteratur handelt, wenigstens in Ansätzen Rechnung getragen werden. Als zentrale Systemstelle einer jeden Serienproduktion war der Cliffhanger bezeichnet worden. Inwieweit dieser bereits die Vorlagen prägt, soll an einigen ausgewählten Beispielen betrachtet werden. Ich werde mich dabei auf den Amadis in seiner spanischen Ursprungssprache und auf den französischen als unmittelbare Vorlage der deutschen Serie beschränken.201 Untersucht werden erstens die Vorlagen für die beiden ersten Cliffhanger am Ende von Buch IV und V, um die Vermutung zu bestätigen, dass die von

201 Um die Editionslage des spanischen und französischen Amadisromans ist es etwas besser bestellt: Die ersten vier Bücher des spanischen Amadís wurden schon Ende der 80er Jahre in zwei Bänden herausgegeben (Garci Rodríguez de Montalvo: Amadís de Gaula. Hg. von Juan Manuel Cacho Blecua. Bd. 2. Madrid 1988), die Edition der Serie dann aber erst in den 2000er Jahren fortgesetzt: Die Sergas de Esplandián (Garci Rodríguez de Montalvo: Sergas de Esplandián. Hg. von Carlos Sainz de la Maza. Madrid 2003), der Lisuarte de Grecia (dt. Band VI) und der Amadís de Grecia (dt. Bände VII u. VIII) liegen in modernen Ausgaben vor (Feliciano de Silva: Lisuarte de Grecia (Libro VII de Amadís de Gaula). Hg. von Emilio José Sales Dasí. Alcalá de Henares 2002 sowie Feliciano de Silva: Amadís de Grecia. Hg. von Ana Carmen Bueno Serrano. Alcalá de Henares 2004). Zu einigen Bänden erschienen im gleichen Verlag (Centro de Estudios Cervantinos) außerdem Lektürehilfen. Die ersten Bände der frz. Serie sind in der Reihe ‚Textes de la Renaissance: Romans de chevalerie de la Renaissance‘ erschienen (Amadis de Gaule. Livre IV. Hg. von Luce Guillerm. Paris 2005 sowie Le cinqiesme livre d’Amadis de Gaule. Hg. von Véronique Duché. Paris 2009). Bei den übrigen Bänden muss wiederum auf digitalisierte Originale zurückgegriffen werden: Der spanische Florisel de Niquea (Buch 10 der span. Serie, dt. Bände IX u. X) wurde von der Biblioteca Nacional de España zur Verfügung gestellt (in der Erstausgabe: Valladolid 1532); über Gallica sind die französischen Fortsetzungen (jeweils in Erstausgabe) VIII (Paris 1548), IX (Paris 1551, überarbeitet 1553) und X (Paris 1552) einzusehen.

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6 Makroebene: Serie

Garci Rodríguez de Montalvo begründete serielle Erzählweise des Amadisromans gleichzeitig die Einführung des Cliffhangers bedeutet; und zweitens die Vorlagen für die Cliffhanger am Ende von Band VIII und IX, auf die mich folgende Bemerkung Weddiges aufmerksam gemacht hat: Innerhalb der französischen Amadisbücher VIII–X kommt es zu einer Kapitelverschiebung: am Ende des VIII. Buchs von Des Essars fehlen 5 Kapitel. G. Boileau holt diese nach und stellt sie an den Anfang seines IX. Buchs; dafür läßt er seinerseits am Schluß des IX. Buchs 4 Kapitel aus, die wiederum von J. Gohory dem folgenden X. Buch zugeschlagen werden.202

Die Annahme ist naheliegend, dass der Eingriff am Schluss einer Fortsetzung mit einer bewussten Umgestaltung des Cliffhangers zu tun haben könnte.

6.5.6.1 Die ,Erfindung‘ des Cliffhangers Während sich die deutsche Übersetzung bei der Übertragung der CliffhangerKapitel dicht an ihre französische Vorlage gehalten hat, geht diese freier mit dem ihr zugrunde liegenden spanischen Text um.203 Die groben Züge der Handlung werden jedoch für gewöhnlich beibehalten, nur kleinere Abweichungen fallen ins Auge. Um ein paar Beispiele für die unterschiedliche Gestaltung zu geben: Der Cliffhanger von Buch IV erzählt von der Entführung des alten Königs Lisuart. Der Greis hat sich vom Hofleben zurückgezogen und der Melancholie hingegeben, einzige Unterhaltung bietet ihm das Jagen. Auf einer Jagd im Wald tappt er dann in eine Falle. Diesen Plot erzählen der spanische und französische Roman übereinstimmend, doch streicht der französische Bearbeiter Nicolas d’Herberay des Essars die schwermütigen Betrachtungen des Königs, in denen vielleicht der herbere Grundzug des spanischen Originals zum Ausdruck kommt, deutlich zusammen. Überhaupt fällt das Kapitel der Vorlage umfangreicher aus, gerade die ausschweifenden Gespräche über den Unglücksfall und die aufgeregten Maßnahmen, die nach der Entführung eingeleitet werden, bricht Des Essars kräftig herunter. Doch handelt es sich bei der französischen Version nicht um eine bloß gekürzte Fassung, denn im Rahmen der stilistischen Überarbeitung werden auch Details ergänzt oder ausgearbeitet. So könnte etwa folgender Zusatz auf die grundsätzliche Linie des Franzosen schließen lassen: Bei ihm sinkt Königin Bri-

Entsprechend der Gepflogenheiten der spanischen bzw. französischen Serie werden die genannten Ausgaben im Folgenden zitiert als: Amadís de Gaula I bis IV, Sergas de Esplandián, Lisuarte de Grecia, Amadís de Grecia, Florisel de Niquea bzw. Amadis de Gaule I bis XXIV. 202 Weddige (Anm. 108), S. 23. 203 Vgl. Sigmund Johann Barber: Amadis de Gaule in Germany: Translation or Adaption? In: Daphnis. Zeitschrift für mittlere deutsche Literatur 21, 1 (1992), S. 109–128.

6.5 Serielles Erzählprinzip

141

sena (selbstverständlich) in Ohnmacht, als sie vom Verschwinden ihres Gemahls erfährt. In der spanischen Vorlage zeigt sie dagegen eine gemäßigtere Reaktion: „Cuando la Reina esto oyó, fue muy turbado“,204 also bloß sehr bestürzt oder durcheinander nimmt die Königin die Nachricht auf. Wenig später fällt aber auch im spanischen Text die Königin in Ohnmacht und von ihrem Zelter.205 In der Verstärkung solcher Momente zeigt sich vielleicht schon etwas von der überspannt-schwülstigen Wendung, die Des Essars seiner ‚modernisierenden‘ Übertragung gibt. Auch eine Leseransprache fügt Des Essars zu Beginn des Kapitels ein: „Or escoutez donc seigneurs et dames, et vous entendrez une nouvelle subtilité que fortune luy appresta, pour luy faire cognoistre le peu d’asseurance qu’il y a en ses faveurs […]“.206 [Nun hört also zu, (verehrte) Herren und Damen, und ihr werdet eine neue Subtilität vernehmen, die Fortuna ihm bereitete, um ihn die geringe Sicherheit erkennen zu lassen, welche man in Bezug auf Begünstigungen (des Schicksals) haben darf (…).] In der deutschen Übersetzung wendet sich der Erzähler dann ausschließlich an „gnstige liebe Frawen v jungfrawen“207 und damit an ein Publikum, das auch in den Titeln und Vorreden immer wieder hervorgehoben wird. Ein Hinweis darauf, dass auch der Deutsche – wenn sicherlich auch in begrenzterem Umfang – ein eigenes Konzept verfolgt bzw. bestehende Tendenzen zuspitzt. Des Essars kürzt seine Vorlage zwar, folgt ihr ansonsten aber treu in der Abfolge der Ereignisse und in vielen Einzelheiten. Auch die gelegentlichen Vorausdeutungen auf den Folgeband hat bereits der spanische Text. Abgesehen von einer knappen Schlusswendung und Überleitung auf der Metaebene („[…] où nous les laisserons, faisant fin de ce quatriesme livre, attendant que le cinq soit mis en lumiere.“208 [(…) wo wir sie lassen (wollen), um dieses vierte Buch zu beenden, darauf wartend, dass das fünfte ans Licht kommt/gedruckt wird.] gibt es tatsächlich keine für diesen Zusammenhang relevanten Überarbeitungsspuren. Die Gestaltung dieses ersten, modellbildenden Cliffhangers der Serie kann deshalb ausschließlich Montalvo zugeschrieben werden.209

204 Amadís de Gaula IV, S. 1742. 205 Vgl. Amadís de Gaula IV, S. 1745. 206 Amadis de Gaule IV, S. 395. 207 Amadis IV, S. 592. 208 Amadis de Gaule IV, S. 407. 209 Virginia Krause: Serializing the French Amadis in the 1540s. In: Charting change in France around 1540. Hg. von Marian Rothstein. Selinsgrove 2006, S. 40–62, hier S. 46 stellt dagegen die Bedeutung der französischen Überarbeitung heraus; andererseits heißt es auf S. 50: „Like his

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Eine deutlichere Umarbeitung erfuhr dagegen der Schluss von Montalvos letztem Buch bei der Übertragung ins Französische. Besser gesagt: Der Cliffhanger wurde freigelegt, denn Des Essars findet bereits alles vor, was die eindrucksvolle Verzauberungsszene ausmacht. Allerdings scheint Montalvo geglaubt zu haben, sein offenes Ende nur eingebettet präsentieren zu können. Schon weiter oben sollte gezeigt werden, dass die letzte Szene Abschluss mit Öffnung geschickt verquickt, wenn die Hauptfiguren bis zu ihrer Erlösung in einem Standbild eingefroren werden. Dann heftet Montalvo aber noch eine Art Coda an, die anscheinend nicht mehr (ganz) zur eigentlichen Handlung gerechnet wird: Capítulo CLXXXIIII. Cómo el autor recuenta en suma algunas cosas que sucedieron después que estos grandes emperadores y reyes fueron encantados.210 [Kapitel 184: Der Autor berichtet in Kürze von einigen Vorkommnissen, die sich zutrugen, nachdem die großen Kaiser und Könige verzaubert worden sind.]

Auf dieser Ebene bemüht sich Montalvo also um eine vorsichtige Rundung, was im Übrigen dafür spricht, dass er seine Arbeit an dieser Stelle bewusst beendete. Mit einer Fortführung des Romans wird der Spanier kaum kalkuliert haben können und trotz der forcierten Unabgeschlossenheit der Sergas de Esplandián hat er diese wohl auch nicht vorgesehen: In den berühmten Kapiteln 98 f. mitten in seinem Originalwerk imaginiert er sein eigenes Treffen mit der Zauberin Urganda, die ihn auf die Beschlossene Insel mitnimmt, wo er die weiterhin verzauberten Fürsten und Damen ‚besichtigen‘ kann. Das Ende wird hier also bereits vorweggenommen, die Verzauberung dauert in der Jetztzeit der Autorfigur noch an. Schließlich knüpft Urganda die Möglichkeit einer Entzauberung in der Zukunft noch an die Rückkehr von König Artus. Dieses Auf- und Verschieben einer definitiven Lösung zeigt für Edwin Williamson Montalvos Schwierigkeiten an, die Geschichte zu einem befriedigenden Ende zu führen.211 Der Kurzschluss von Amadisroman und Artusroman wird in Montalvos vorletztem Kapitel wiederholt – Des Essars wird beides streichen –; nach der Verzauberung folgt im spanischen Roman eine abschließende Wendung:  

Que, después de muy largos tiempos passados, la hada Morgaina le [dem Autor] hizo saber en cómo ella tenía al rey Artur de Bretaña, su hermano, encantado, certificándola que avía

French imitators some thirty years later, Montalvo created a climate expectation, thereby paving the way for Sergas de Esplandian, published separately two years later.“ 210 Sergas de Esplandián, S. 822. 211 Vgl. Edwin Williamson: The half-way house of fiction. Don Quixote and Arthurian romance. Oxford 1984, Kap. 2, hier S. 64 f.  

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de salir y bolver a reinar en el su reino de la Gran Bretaña, y que en aquel mismo tiempo saldrán aquel emperador y aquellos grandes reyes que con él estavan a restituir, juntos con él, lo que los reyes christianos hoviessen de la Christiandad perdido.212 [Nachdem eine sehr lange Zeit vergangen war, verriet die Fee Morgana dem Autor, wie sie ihren Bruder, König Artus von Britannien, verzaubert hatte und er ihr (damals) versicherte, dass er zurückkehren und sein Königreich wieder regieren würde; und (darüber hinaus sagte er ihr,) dass zur gleichen Zeit jene Kaiser und großen Könige wieder hervorkommen würden, um gemeinsam mit ihm das, was die christlichen Könige an christlichem Einfluss/ Gebiet verloren hätten, wiederherzustellen.]

In einer unbestimmten Zukunft werden die verzauberten Fürsten demnach vereint mit König Artus für die christliche Sache kämpfen. Indem Montalvo den Amadís in die autoritative Artussage einmünden lässt, partizipiert er nicht zuletzt an ihrem offenen Schluss, der schließlich seinerseits eine Fortführung in Aussicht stellt. In der folgenden kurzen Coda wird zunächst die Romanwelt geordnet. In Listenform erhält der Leser einen Überblick über die Nachkommen, die – wie lediglich angedeutet wird – in Abwesenheit ihrer Eltern nach neuen Abenteuern und Bewährungsmöglichkeiten suchen. Von ihnen soll ein eigenes Buch erzählen, „que escrivió un muy gran sabio en todas las artes del mundo“213 [(…) das ein sehr weiser, mit allen Künsten der Welt vertrauter Mann schrieb]. Nach näheren Erläuterungen zu diesem ‚Autor‘ enden die Sergas de Esplandián mit der Ankündigung nie dagewesener, wunderbarer Inhalte. Des Essars streicht dieses Kapitel nicht vollständig, sondern übernimmt seine erste Hälfte, also die Auflistung der Nachkommenschaft und einen allgemeinen Hinweis auf zukünftige ritterliche Taten, leicht gekürzt ins Cliffhanger-Kapitel. Diese Überreste von Montalvos doppeltem Schluss wirken etwas unbeholfen; immerhin rückt gegenüber der spanischen Vorlage die wirkungsvolle Schlussepisode in den Vordergrund, wenn das letzte Kapitel mit seiner ausführlichen Chronikfiktion entfällt. Chronikfiktionen stellen eine Konstante im Amadisroman dar und treten gerade in den Cliffhanger-Kapiteln mit schöner Regelmäßigkeit auf. Zwar überlagert bei Montalvo die Chronikfiktion die Schlussszene, doch scheint er auf diese Weise ebenfalls die Anschlussfähigkeit seines Romans herausstellen zu wollen. Des Essars’ weitere Eingriffe dienen nun in erster Linie dazu, den Cliffhanger auf Lisuart, den Helden von Buch VI, hin auszurichten und konkrete Hinweise auf den Folgeband einzustreuen: Urganda verzaubert die Fürsten …

212 Sergas de Esplandián, S. 821. 213 Sergas de Esplandián, S. 824.

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6 Makroebene: Serie

Et survint une nuée obscure, qui environna tout le lieu, de sorte qu’il ne fut depuis veu de creature vivante, jusques à ce que Lisuart de Grece, filz d’Esplandian donna fin à tous enchantemens, par le moyen d’une espée qu’il conquist, comme il vous sera amplement recité en nostre sixiesme livre.214 [Und es erschien eine dunkle Wolke, welche den ganzen Ort umgab, sodass von da an keine lebende Kreatur mehr gesehen wurde, bis Lisuart von Griechenland, Sohn von Esplandian, alle Verzauberungen beendete mit Hilfe eines Schwertes, welches er eroberte, wie es euch ausführlich in unserem sechsten Buch vorgetragen werden wird.]

Mit diesem neuen, andeutungsgespickten Passus ist überdies eine minimale Korrektur verbunden: Während die verzauberten Fürsten in der französischen bzw. deutschen Fassung in einer dunklen Wolke zurückbleiben, öffnet sich in der spanischen Vorlage die Erde und das Schloss und mit ihm die Fürsten versinken im Abgrund. Dieser Unterschied wirkt sich auf die Gestaltung der Entzauberung im anschließenden Band zwar nicht aus,215 doch scheint der Umstand, dass die verzauberten Figuren in der französischen Bearbeitung nur verhüllt, nicht aber dem Aktionsraum entzogen werden, die Fortführbarkeit der Handlung zu unterstreichen. Damit erbringt der französische Bearbeiter eine kongeniale Leistung: Er begreift die serielle Anlage des Romans und die besondere Bedeutung des Cliffhangers und macht sich seinen Überblick über die mittlerweile kräftig angewachsene Serie zunutze, um Montalvos Ansätze zu schärfen. Schließlich konnten erst Montalvos Fortsetzer vor dem Hintergrund eines etablierten Prinzips seriellen Erzählens damit rechnen, dass der Staffelstab aufgenommen werden würde. Es wäre sicherlich nicht angemessen, ‚Teamarbeit‘ zum distinktiven Merkmal einer Serie zu erheben. Und dennoch: Dass sich die ‚Serienformel‘ von einem konkreten Autor ablöst, erscheint als ein bedeutender Schritt in Richtung Massenproduktion und Kommerzialisierung.

6.5.6.2 Kapitelverschiebungen Wie bereits oben erwähnt, kopiert und überbietet der Cliffhanger des achten Bandes den des fünften: Auch hier werden die zentralen Figuren in einer großen Szene und an einem magischen Ort in einen Zauberschlaf versetzt. Doch in der spanischen Vorlage, dem Amadís de Grecia, bildet diese Passage gar nicht das

214 Amadis de Gaule V, S. 450. 215 Vgl. Lisuarte de Grecia, Kap. 27 u. 33 f.; Amadis VI, Kap. 18 u. 21.  

6.5 Serielles Erzählprinzip

145

Ende der Fortsetzung; es folgen noch fünf weitere Kapitel. Aber schon das spanische Buch weist an dieser Stelle eine bemerkenswerte Geste des Abschließens und Neuanhebens auf,216 die Des Essars die Umstrukturierung denkbar einfach gemacht hat. Gegen Ende des Kapitels heißt es: „Y, porque aquí quedó encantad[o] de aquel[la] gran sabi[a], Alquife dio fin a su obra […]“217 [Und weil (sie) hier von jener großen Weisen verzaubert worden (waren), beendete Alquife an diesem Punkt ihr Werk (…)]. Es folgt eine Attacke gegen die konservativen Fortsetzungen von Ribera und Díaz, die Silvas Reihe stören:218 Es sei doch offensichtlich, dass der Florisando erlogen sei, weil in der gesamten Historia an keiner Stelle die Rede davon wäre, das Florestán Kinder mit Corisanda gezeugt habe. Im Lisuarte de Grecia (von Juan Díaz) werde gar Amadís’ Tod im Alter von etwa 80 Jahren verkündet, obwohl der Stammvater bekanntermaßen über 200 Jahre alt geworden sei. All das bezeuge schließlich die Chronik von Florisel de Niquea – also das nächste Werk aus Silvas Feder. Am Ende des Kapitels findet ein Neuansatz statt, der mit einer neuerlichen Chronikfiktion einhergeht. Alquife nimmt ihre Arbeit wieder auf: Solo después d’este encantamiento quedó en poder de la donzella Alquifa un memorial de su padre que no pareció de aí a muy grandes días en que habla de la suerte que quedó aquella hermosa infanta que la princesa Onoloria dexó, el cual sacado con muy grande autoridad de la verdad es este que se sigue.219 [Nach diesem Zauber blieb ein Manuskript ihres Vaters im Besitz der Jungfrau Alquifa, welches von da an für lange Zeit nicht zum Vorschein kam und vom Schicksal jener schönen Infantin erzählt, die Prinzessin Onoloria weggab; nun folgt das, was mit der Autorität der Wahrheit hervorgezogen worden ist.]

Dass Des Essars an dieser Stelle nun wirklich einen Schnitt setzte, war also beinahe nur noch Formsache; de facto war dieser bereits in die Vorlage eingeschrieben. Im Anschluss lässt der spanische Roman nun die Geschichte um die Schäferin Silvia beginnen, die in Wahrheit eine verschollene Tochter des AmadisEnkels Lisuart ist. Sein Cliffhanger erscheint vergleichsweise schwach: Silvia und Florisel, Held der fünften Generation und zwischenzeitlich ebenfalls ins Schäfer-

216 Vgl. Amadís de Grecia, Kap. 129. 217 Amadís de Grecia, S. 566. 218 Vgl. William Hastings Hinrichs: The Invention of the Sequel. Expanding Prose Fiction in Early Modern Spain. Woodbridge u. a. 2011, S. 56 f. 219 Amadís de Grecia, S. 566 f.  





146

6 Makroebene: Serie

kostüm geschlüpft, verbleiben in einer Höhle, wo ein noch ungelöstes magisches Abenteuer wartet.220 Ihr Begleiter, der als komische Figur gezeichnete Schäfer Darinel, wird vor dem Eingang zurückgelassen, „teniendo siempre esperança que todo avría buen fin, como fue y adelante la décima parte d’esta historia largamente os lo contará“221 [(….) immer im tiefen Glauben daran, dass alles ein gutes Ende nehmen würde; wie es dazu kam und weiterging, davon wird Euch der zehnte Teil dieser Geschichte ausführlich berichten]. Die furiose Verzauberungsepisode dürfte einen nachhaltigeren Eindruck beim Leser hinterlassen haben, andererseits ist der Moment für eine Unterbrechung der Handlung durchaus nicht schlecht gewählt. Mit dem Bestehen des magischen Abenteuers ist nämlich die Erlösung eines Prinzen verbunden, in den sich Silvia unsterblich verliebt hat. Auch könnte argumentiert werden, dass mit der Einführung der nächsten Helden schon am Ende des Bandes der Übergang zur Fortsetzung geebnet ist. Trotzdem kommt Des Essars’ Eingriff der Anlage des Romans merklich zugute, weil er die schäferliche Episode nicht auseinanderreißt. Mit den Kennzeichen einer anderen modischen Gattung ausgestattet, setzt der französische (und deutsche) Band IX dann neu ein. Dieser Band wird nicht mehr von Des Essars übertragen, der die Fortführung der Serie aber wohl angeregt hat.222 Am Ende des neunten Bandes werden nun erneut vier Kapitel ausgelassen. Über die Ursache lässt sich eine recht sichere Vermutung anstellen: Das zehnte Buch der spanische Serie (Florisel de Niquea, Teil 1 und 2; frz./dt. Band IX und X) ist zwar in ein ,Libro primero‘ und ein ,Libro segundo‘ geteilt, weist zwischen den beiden Teilen aber keinen wirklichen Cliffhanger auf, den es auch gar nicht braucht: Am Ende des ersten Teils informiert Florisel Arlanda per Brief darüber, dass er ein magisches Abenteuer beenden konnte, was Arlanda unbedingt hatte verhindern wollen. Es handelt sich dabei nicht um ein beliebiges Abenteuer, sondern um die Erlösung der verzauberten Fürsten, also den Cliffhanger des französischen bzw. deutschen Bandes VIII. Damit weist das kurze Kapitel beinahe abschließenden Charakter

220 Mit einem Ausblick auf diese Handlung endet aber auch die französische und mit ihr die deutsche Übertragung, denn wie so häufig folgen auf den Cliffhanger noch Hinweise durch den Erzähler. 221 Amadís de Grecia, S. 581. 222 Übersetzung durch Gilles Boileau de Bouillon; vgl. Weddige (Anm. 108), S. 23, S. 318 f. Dessen mangelhafte Arbeit wird zwei Jahre später durch Claude Colet verbessert; vgl. ebd., S. 23. Beide französischen Bearbeitungen weisen die Kapitelverschiebung auf, weswegen das Nebeneinander hier vernachlässigt werden kann.  

6.5 Serielles Erzählprinzip

147

auf. Das ‚Libro segundo‘ beginnt dann sinnvoll mit dem Beschluss zum Krieg,223 der diesen Teil (und den frz./dt. Band X) über weite Strecken prägen wird.224 In Frankreich wird der Seriencharakter grundsätzlich verstärkt, die beiden Teile werden separat herausgegeben. Einem Bearbeiter mit Gespür für die ‚Serienformel‘ dürfte das Fehlen eines Cliffhangers jetzt ins Auge springen. Vielleicht angeregt von Des Essars’ selbstbewusstem Umgang mit der Vorlage wird Boileau nun selbst nach der erstbesten Gelegenheit gesucht haben, einen spannungsreichen Abschluss zu gestalten. Er findet ihn in einer düsteren Vogelschau, die schon auf den Krieg vorausdeutet, und der Ankunft eines magischen Abenteuers bei Hofe, dessen Auflösung in den Folgeband verschoben wird. Nicht der beste Cliffhanger des Amadisromans, aber auch nicht sein schlechtester. Die ,Idee‘ des Cliffhangers ist also von Beginn an präsent, auch wenn Montalvo nicht bewusst gewesen sein wird, dass sie über seine eigene Arbeit am Roman hinaus wirken würde. In Frankreich wird demnach nur herausgeschält, was schon da ist. Größere Eingriffe lassen sich sinnvoll mit der veränderten Publikationsform erklären. Gespür für den Cliffhanger dürften aber längst nicht alle Autoren/Bearbeiter des Amadisromans besessen haben, das muss mit Blick auf die vielen schwachen Cliffhanger der deutschen Serie konstatiert werden.

223 Zu Beginn des ,Libro segundo‘ bzw. im frz./dt. Buch X, Kap. 5 erfährt der Vater der ,zweiten Helena‘ vom Raub seiner Tochter durch den Amadisritter Florisel und schwört Rache. Tatsächlich war ihm ihre Entführung aber bereits im ,Libro primero‘ bzw. im frz./dt. Buch IX, Kap. 70 mitgeteilt worden. Es könnte sich um einen (für den Amadisroman allerdings ungewöhnlich großen) Fehler handeln, ich vermute jedoch, dass man diese Schlüsselszene noch einmal gestalten wollte, um den ausbrechenden Krieg ausreichend zu motivieren. 224 Mit entsprechenden Vorausdeutungen auf die Kriegshandlung endet deshalb auch das frz./ dt. Cliffhanger-Kapitel im neunten Band.

7 Mittlere Ebene: Einzelband Mit der folgenden Analyse wird versucht, dem Einzelband des Amadisromans gerecht zu werden. Aber auch hier stehen Erzähltechniken und Textstrukturen im Mittelpunkt, die ihn als serielle Fortschreibung und Teil eines größeren Ganzen ausweisen. Dafür wurden aus der deutschen Serie jeweils das erste Buch der Amadis-Autoren Montalvo, Silva, Luján,1 Roseo2 sowie der erste der drei Bände ausgewählt, die anonym in Deutschland erschienen sind.3 Dieser Querschnitt durch die Serie soll keine Repräsentativität der Ergebnisse suggerieren. Denn während der Amadisroman in Bezug auf seine Inhalte und Erzählmuster einheitlich – fast eintönig – daherkommt, schwankt die Qualität seiner narrativen Gestaltung, was angesichts seiner Produktionsgeschichte wohl nicht überraschen dürfte. Um ein simples Beispiel zu geben: Es macht einen großen Unterschied, ob die einzelnen Handlungsfäden zopfmusterartig verwoben werden oder ob ein Handlungsfaden einfach so lange entwickelt wird, bis ein (vorläufiger) Schlusspunkt erreicht ist. Die Bände klaffen in dieser Hinsicht weit auseinander. Ein ‚Negativbeispiel‘ stellt etwa Buch XXIII dar, welches mit Fulgoran, dem riesenhaften Abkömmling der Amadis-Sippe, einsetzt und seine Abenteuer ohne Unterbrechung auf über 300 Seiten erzählt. In Kap. 15 erfolgt die bereits in Buch XXII angekündigte Erlösung der jungen Helden Safiraman und Hercules und erst mit Kap. 18 treten andere Figuren in den Vordergrund (Lisimarte). Diese Dominanz von Fulgoran zumindest im ersten Teil des Bandes ist sicherlich auch der Grund dafür, dass ihn die französische Übersetzung zum Titelhelden macht.4

1 Das spanische Buch wurde in Frankreich auf zwei Bände aufgeteilt. 2 Roseos Supplementband, der als Buch XV in die französische und deutsche Serie eingegangen ist, wurde nicht berücksichtigt, weil davon ausgegangen wird, dass die nur aufschwellenden und nicht fortsetzenden Supplementbände eigenen Regeln gehorchen. 3 Die Verfasser sind mit den Initialen E.B.D.J., E.D.B.J. und E.M.B.M. verschlüsselt; vgl. Hilkert Weddige: Die Historien vom Amadis auss Franckreich. Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption. Wiesbaden 1975 (Beiträge zur Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 2), S. 87. 4 „Le vingt et troisiesme livre d’Amadis de Gaule. Continuant à traiter des Amours, gestes et faicts Heroiques de plusieurs illustres et vertueux Princes descendus de la race du grand Amadis: et notamment du vaillant Fulgoran, fils de Rogel de Grece et de la Roine Florelle: Discours non moins plaisant que profitable, comme chacun pourra facilement juger par la lecture, fait d’Espagnol François.“ Titel zitiert nach Christine de Buzon: Amadis de Gaule en français: Continuation romanesque, collection, compilation. In: French Studies: A Quarterly Review 65, 3 (2011), S. 337–346, hier S. 343. Noch weniger nachvollziehbar ist, dass der Titel des letzten Bandes XXIV genauso lautet, denn in diesem ist Fulgoran kaum noch präsent.

7 Mittlere Ebene: Einzelband

149

Trotzdem wurde bei der Lektüre des Amadisromans natürlich nach dem Verbindenden Ausschau gehalten, eben dem Einheitlich-Seriellen. Dabei haben sich gewisse Konstanten herauskristallisiert – oft handelt es sich nur um auffällige Details –, an denen die Analyse sich orientieren wird. Gegenbeispiele werden sich aber sicher immer anbringen lassen, sodass bestimmte Aussagen über die Gestalt der Serie nicht abgeleitet werden können. Der Durchgang durch die Beispielbände sollte dennoch eine gewisse Vorstellung von den Grenzen und Möglichkeiten eines Erzählens im Amadisroman vermitteln. Das Vorgehen folgt wiederum grob der Richtung vom größeren zum kleineren Textelement und soll vorab kurz skizziert werden:

Erzähleinheit und Handlungsfaden Leitende Idee ist es, den Text auf zweierlei Weisen zuzuschneiden. Zunächst werden (umfangreichere) Erzähleinheiten identifiziert, die den Einzelband strukturieren und gegebenenfalls mit dem vorangehenden und/oder nachfolgenden Band verbinden können. Nicht auf Handlungsabschnitte, sondern auf den Handlungsträger wird unter dem Stichwort ‚Parallelführung von Handlungsfäden‘ abgestellt. ‚Erzähleinheit‘ und ,Handlungsfaden‘ sollen als möglichst einfache Arbeitsbegriffe verstanden werden: Als Handlungsfaden wird die Gesamtheit derjenigen Handlungsteile bezeichnet, die einer (Haupt-)Figur zugeordnet werden können. Die Parallelführung dieser Handlungsfäden ist charakteristisch für die Erzählweise des Amadisromans. Doch gibt es daneben übergeordnete Handlungsabschnitte, die über eine gewisse Distanz die Handlungsfäden mehrerer Figuren vereinen oder eng zusammenschließen. Dann erscheint es sinnvoll, mit dem Begriff der Erzähleinheit zu operieren, der zunächst jede in sich geschlossene Episode vom kurzen ‚Abenteuer am Wegesrand‘ bis hin zum großen Kriegsgeschehen meint. Strukturgebend für einen oder sogar mehrere Bände wirken jedoch nur umfangreichere Erzähleinheiten, weshalb auch nur diese im Folgenden eingehend betrachtet werden sollen. Zum Organisationsprinzip des Amadisromans gehört es offenbar, über die mehr oder minder wahllos gereihten Abenteuer der einzelnen Handlungsträger zumindest streckenweise eine übergeordnete Handlung zu spannen.5 Auf dieser Ebene erreicht der insgesamt ungerichtete Serienroman seine Etappenziele, die ihn merklich untergliedern. Bei der Beschreibung

5 Vgl. John O’Connor: Amadis de Gaule and its influence on Elizabethan Literature. New Brunswick (New Jersey) 1970, S. 89.

150

7 Mittlere Ebene: Einzelband

von Erzähleinheiten wird verschiedentlich deutlich werden, dass ihr Abschluss systematisch hinausgezögert wird.6 Diese narrative Strategie fügt sich ins Bild des ausufernden Amadisromans. Wenn übergeordnete Erzähleinheiten Bandgrenzen überschreiten, dann stellen sie einen engen Zusammenhang zwischen den Büchern her, der auch ohne die Signalwirkung des Cliffhangers dazu geeignet sein sollte, den Leser zum Kauf der Fortsetzung anzuregen. Um den Unterschied zwischen dem charakteristischen Cliffhanger und der unvollendeten Erzähleinheit noch einmal genauer zu fassen: Der Cliffhanger meint den gezielten Abbruch an einem Spannungshöhepunkt unmittelbar am Ende eines Bandes, die unvollendete Erzähleinheit die vorläufige Unterbrechung einer Handlung unabhängig von der Position im Band, die jedoch nicht minder bewusst erfolgen kann. Die Parallelführung von Handlungsfäden stellt eine erzähltechnische Herausforderung dar, die von den Autoren und Bearbeitern des Amadisromans in unterschiedlichem Maße bewältigt wird; beobachtet werden insbesondere folgende Punkte: Analog zum Cliffhanger am Ende eines Bandes können sogenannte Minicliffs beim Wechsel von Handlungsfäden eingesetzt werden; in erweiterter Bedeutung wären auch Kapitelschlüsse auf Spannungsaufbau zu untersuchen. Die entscheidende Frage lautet demnach, wann der Handlungsfaden gewechselt wird. Das Wie ist dagegen ausgesprochen einheitlich geregelt: In den weitaus meisten Fällen markieren formelhafte Wendungen, Leseransprache und Wiederholungen die Übergänge. Der Amadis verfügt über kein festes Zeitgerüst – O’Connor spricht vom „clockless never-never land of romance“7 –, sodass die Parallelführung von Handlungsfäden nicht systematisch zur Gestaltung von Gleichzeitigkeit genutzt wird. Dabei sind die im Wechsel verfolgten und immer wieder zusammengeschalteten Handlungsfäden (auf Ebene der histoire) vermutlich durchaus als gleichzeitig stattfindend zu denken. Mit seinem Hang zur Vervielfältigung von Figuren und Spielorten weist der Roman in dieser Hinsicht aber auch schon einige bemerkenswerte Szenen auf. Nur sporadisch wahrgenommen wird auch die Möglichkeit, Handlungsfäden in Form von Nachträgen (meistens durch Figurenbericht) einzuschalten. Der

6 Vgl. z. B. Armando Durán: La amplificatio en la literatura caballeresca española. In: Modern Language Notes 86, 2 (1971), S. 123–135, der (für die spanische Vorlage) skizziert, wie die Anagnorisis der Brüder Amadis und Galaor im ersten Buch verzögert und die Hochzeit von Amadis und Oriana bis ins vierte Buch aufgeschoben wird. 7 O’Connor (Anm. 5), S. 128.  

7 Mittlere Ebene: Einzelband

151

fünfte Band präsentiert allerdings weite Teile seiner Nebenhandlung in dieser Form.8

Vervielfältigung der Figuren Schon auf der Makroebene war nach der eindeutigen Bestimmbarkeit des Helden einer Fortsetzung gefragt worden. Nach der Aufspaltung der Handlung in die einzelnen Handlungsfäden lassen sich Aussagen über die quantitative Gewichtung der Figuren treffen, doch müssen vielfach qualitative ,Auszeichnungsgesten‘ hinzugezogen werden. Die These von der Vervielfältigung der Figuren kann auf Bandebene abgesichert werden, indes werden auch gegensätzliche Bewegungen registriert: So scheint im Amadisroman zunehmend auch das Nicht-Erzählen, das Fallenlassen eines Handlungsfadens legitimiert werden zu müssen. Dazu werden regelmäßig zwei Strategien verwendet: Unter Benutzung von Standardfloskeln wird eine Figur ausdrücklich zur Nebenfigur erklärt oder es werden Handlungsfäden mittels einer Chronikfiktion ,ausgegliedert‘.

Übersichtlichkeit Eines ist sicher: Der Amadisroman verlangt seinem Rezipienten einiges ab.9 Am Ende der Analysen stehen deshalb Überlegungen zu narrativen Verfahren, mittels derer Übersichtlichkeit im komplexen Handlungsgeflecht hergestellt wird. Solche Rezeptionshilfen – insbesondere Wiederholungen durch den Erzähler – werden in dieser Arbeit in verschiedenen Kontexten angesprochen (Genealogisches Erzählprinzip, Cliffhanger, Parallelführung von Handlungsfäden), weshalb sich die

8 Vgl. Juan Manuel Cacho Blecua: El entrelazamiento en el Amadís y en las Sergas de Esplandián. In: Studia in honorem prof. M. de Riquer. Hg. von Carlos Alvar u.a. Bd. 1. Barcelona 1986, S. 235–271, hier S. 258 ff. 9 In diesem Zusammenhang sind die Beobachtungen interessant, die Marian Rothstein zur Bedeutung der Holzschnitte innerhalb der französischen Amadis-Serie und verwandter Ritterromane macht; vgl. dies.: The Commemorative Images of Amadis de Gaule. In: The Pictured Word. Hg. von Martin Heusser u. a. Amsterdam, Atlanta 1998 (Word and Image: Interactions 2), S. 99–107. Die Illustrationen des deutschen Amadisromans habe ich in meiner Untersuchung nicht berücksichtigt. Überhaupt weisen nur einige Bände Holzschnitte auf (I, II, III, V, VI, VII, VIII – nur noch sechs Holzschnitte –, IX – bloß ein Holzschnitt auf S.12! –, XII und natürlich der Folioband), die in den späteren Auflagen (ab 1594) ausgespart werden. Wenn den Bildern auch eine erinnerungsstützende Funktion zukommt, als unverzichtbar wird sie zumindest nicht betrachtet!  



152

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Bandanalysen an dieser Stelle auf typische Strategien und Sonderformen beschränken werden (etwa die Auflistung von Figurennamen und die Beschreibung von Denkmälern und anderen Memorialwerken zur Aktualisierung von weiter zurückliegendem Stoff).

Metadiskursive Verweise Metadiskursive Verweise sichern die Übersichtlichkeit über die Bandgrenzen hinweg. Gemeint ist die dezidierte Erwähnung (mit Bandnummer, mitunter sogar unter Angabe des Kapitels) eines Bandes in einem anderen.10 Der Text selbst stellt auf diese Weise seine serielle Anlage heraus, womit der Brückenschlag zurück zur Makroebene gemacht ist. Die genannten Punkte wurden von Band zu Band unterschiedlich gewichtet und Redundantes ausgespart, soweit dies möglich erschien. Zu jedem untersuchten Buch wurde eine (vereinfachende) Übersicht erstellt, die in der Kommentarspalte neben den wichtigsten Aspekten der Analyse gelegentlich auch Hinweise auf zentrale Handlungsmomente gibt, welche in einem anderen Abschnitt dieser Arbeit Erwähnung finden.

10 Weber de Kurlat wertet solche konkreten Verweise im spanischen Serien-Grundstock als Zutat Montalvos; vgl. Frida Weber de Kurlat: Estructura novelesca del Amadís de Gaula. In: Revista de Literaturas Modernas 5 (1966), S. 29–54, hier S. 40–45.

7.1 Buch I

153

7.1 Buch I

1 2

Handlungsfaden nete Hdlg.

Übergeord-

Nebenhdlg.

Florestan

Galuanes

Agraies +

Galaor

Amadis

Kapitel

Tabelle 1: Kapitelstruktur von Bd. I.

Betrugshandlung Eifersuchtshandlung Vorgeschichte (Erzählmuster ,Verlust der Helden in früher Kindheit‘): Amadis (Kap. 2), Galaor (Kap. 4)

3 4 5 6 7 8

Veröffentlichung von Amadis’ ersten Abenteuern

9

Oriana entdeckt Amadis’ Identität

10 11

öffentliche Enthüllung von Amadis’ Identität

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

falsche Nachricht von Amadis’ Tod

22 23 24 25

Nachricht von Amadis und Galaor

154

7 Mittlere Ebene: Einzelband

26 27

Handlungsfaden nete Hdlg.

Übergeord-

Nebenhdlg.

Florestan

Galuanes

Agraies +

Galaor

Amadis

Kapitel

Tabelle 1: (fortgesetzt)

Betrugshandlung Eifersuchtshandlung Strukturelle Erzähleinheit: Amadis, Galaor und der Ritter Balais (Nebenhdlg., Kap. 29) unterwegs zu König Lisuart

28 29 30 31

Ankündigung der Feindschaft von Amadis und König Lisuart (Bde. III und IV)

32 33 34 35 36 37 38

Nebenhdlg. König Arban

39 40 41 42 43

Übergeordnete Hdlg.: Vorgeschichte Florestans

44

Das erste Buch soll stellvertretend für den Grundstock der Serie untersucht werden. Wie die beiden folgenden Bände beruht es noch ganz und gar auf überkommenem Stoff. So fehlt den ersten Bänden auch noch der charakteristische Cliffhanger – sie brauchen ihn nicht. Abgesehen davon versammeln sie aber schon beinahe alles, was die Serie bis in den letzten Band hinein ausmachen wird. Sehr ausführlich wird im Folgenden der Umgang mit übergeordneten Erzähleinheiten skizziert: Auch ohne Cliffhanger-Spannung können sie die Bände aufs Engste zusammenschließen.

7.1 Buch I

155

Erzähleinheiten Im ersten Band tritt nur die Betrugshandlung rund um König Lisuart, die sich über die Kap. 30–39 erstreckt, als größere Erzähleinheit hervor: Wie üblich bricht die Störung in ein heiteres Bild ein. Amadis und seinem Bruder Galaor zu Ehren plant König Lisuart, die wichtigste Herrscherfigur der ersten Bände, „Königlichen vnnd herrlichen hof zu halten“.11 Der moralisierende Erzählerkommentar leitet den Stimmungsumschlag ein: Deßwegen denn der von Rittern vnd Frawenzimmer in wenig tagen höchlich zunam, vnnd als dann man nichts vornam, dann aller kürtzweil, Thurnieren, Tantzen vnd andern reden, zu welchem ein jeder sein vermügen gebraucht vnnd sich zum frölichsten hielte, so jhm müglich war, vnnd gar nicht gedachten oder fürsahen, die mißtrauwen vnd vbelwöllung deß glücks, welche sich gemeiniglich vnderstehen deßgleichen versammlung vnnd freudenreiche tage (bey denen man mehrmals Menschlicher schwachheit, trübseligkeit vnnd jammers nicht eingedenck, Besonder derselbigen vergist vnnd vermeint, daß der Himmel (wie man sagt) gar voller Geygen hange, vnnd sich das Wetter nicht verkeren köndt, zu verwirren vnnd mit leidt zu vberfallen, dazumal, wenn man desselbigen zum wenigsten achtung gibt, hiemit zuuerstehen geben wöllen, daß sich der Mensch (offtermal) jhm anderst fürsetzt, denn jhm von oben herab nicht geordnet ist.12

Im weiteren Verlauf wird eine komplexe List eingeleitet, deren Ziel es ist, König Lisuart und Prinzessin Oriana zu entführen:13 Eine Jungfrau kommt an den Hof und schwatzt dem König die vorschnelle Zusage eines Dienstes ab, was im Amadisroman (wie im Artusroman) zwar fortlaufend geschieht, doch nur dann als Fehlverhalten markiert wird, wenn – wie in diesem Fall – eine Betrugshandlung angeknüpft werden soll: […] darob alles Hofgesind sich verwundert vnd mißfallens trug ab dem leichtlichen versprechen, so der König, also vnwissen, was die Jungfrauw an jhm begern möcht, gethon, bey sich selbs ermessende, daß der Jungfrawen endtlich fürnemmen, K. M. In grosse gefahr zu stellen.14

11 Amadis. Erstes Buch, S. 298. 12 Amadis. Erstes Buch, S. 298 f. Derlei Betrachtungen wiederholen sich zwei Kapitel später, wenn die eigentliche Betrugshandlung in Gang gesetzt wird. Dann wird allerdings der König in den Blick genommen, der in seiner Hoheit niemals vergessen dürfe, dass er der göttlichen Instanz untergeben ist; vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 311 f. 13 Damit die Figur des tadellosen Helden keinen Schaden nimmt, muss Amadis (und mit ihm sein Bruder Galaor) vor der Entführung vom Hof entfernt werden. Eine sich zufällig zeitgleich ereignende ,Parallelintrige‘ löst das Problem; vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 328 ff. Trotz aufwendiger Handlungsentwicklung ist offenbar nicht daran gedacht worden, einen großen Coup zu gestalten. 14 Amadis. Erstes Buch, S. 300.  





156

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Im unmittelbaren Anschluss tritt ein alter Ritter in Begleitung zweier anderer Ritter auf, der dem König zwei Kostbarkeiten ausdrücklich nur leiht, sofern er verspreche, sie ihm nach Ablauf einer Frist entweder zurückzugeben oder den dafür geforderten Preis zu bezahlen. Vor dem versammelten Hof nimmt der König diese Bedingung an. Damit ist die List gesponnen und das Kapitel endet mit einer Wendung an den Leser: Aber merckt, daß bey diesem Gesprech die zween Ritter, so den Alten beleiteten, stets zugegen waren, deren der ein sein visier offen hat, vnd gantz junger Mensch zu sein scheinet, vnnd der ander hergegen sein gesicht jmmer vnter sich büget, damit er von niemandts erkenet würde, vnd war also groß vnnd lang, daß kein Ritter an des König Lisuarts Hof, der nicht eines schuchs lang kürtzer ware.15

Der aufmerksame Leser des Amadisromans dürfte hinter dem geschlossenen Visier den bösen Zauberer Arcalaus, den zentralen Gegenspieler der ersten Bände, erkennen, dessen außergewöhnliche Körpergröße an anderer Stelle hervorgehoben worden war.16 Die Betrugshandlung wird also sorgfältig und auf mehreren Ebenen vorbereitet: Auf Erzählerebene wird ein Stimmungsumschwung eingeleitet, auf Figurenebene das auslösende Fehlverhalten bezeichnet und zuletzt der Leser angesprochen und am Spannungsaufbau beteiligt. Es handelt sich übrigens um Spannung im eigentlichen Sinne, denn dass Arcalaus mit Basinan, König des angrenzenden Gebietes, gemeinsame Sache macht, erfährt der Leser erst nachträglich;17 welche Rollen der Jungfrau und dem alten Ritter in diesem Intrigenspiel zukommen, erhellt sich sogar noch später.18 Nachdem sich alles zum Guten gewendet hat, mündet die Episode in ein Hoffest, das den gängigen Schluss für eine größere Erzähleinheit bildet und häufig gleichzeitig Ausgangspunkt für ein neues Abenteuer ist. Dadurch verzahnen sich die Erzähleinheiten und es entsteht ein kontinuierlicher Erzählfluss. In diesem Fall wird im Rahmen des Hoffests (Kap. 40) ein weiteres Abenteuer zum Abschluss gebracht (Agraies & Galuanes, Kap. 17) und dann im folgenden Kapitel mit der Eifersuchtshandlung eine bereits angelegte Erzähleinheit fortgeführt, die zu Buch II überleitet. Sie nimmt ihren Ausgang in Kap. 22, wo Amadis auf die schöne Briolania trifft, die ihm das Versprechen abnimmt, sich nach Ablauf eines

15 Amadis. Erstes Buch, S. 303. 16 Amadis. Erstes Buch, S. 212. In Kap. 23 hat Arcalaus einen dramatischen Auftritt am Hofe Lisuarts – er gibt vor, Amadis getötet zu haben – und dabei trägt er ausdrücklich keinen Helm; vgl. S. 224. 17 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 312 ff. 18 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 346, Kap. 35.  

7.1 Buch I

157

Jahres mit zwei weiteren Kämpfern einem Duell zu stellen, um den Mord an ihrem Vater zu rächen. Zum Abschied und zur Besiegelung des Abkommens schenkt Briolania Amadis ein Schwert. Diese Vereinbarung wird nun von Amadis’ Zwerg Ardan fehlinterpretiert: Vnd dieweil der Zwerg noch nichts von seines Herrn vnd der Princessin Oriana holdschafft wußt, achtet er, daß was newe liebe zwischen jm vnd dem schönen Fräwlein erwachsen, angesehen, seine freundtliche diensterbietung, vnd behielt diesen wohn vnnd Opinion mehr in seinem sinn, dann hernach den trawrigen Amadis nicht von nöten gewesen. Dann ein zeitlang nach diesem vermeynt er hiedurch einen schmertzhafften Todt zuerleiden, also wie ein Continuierung dieser History wirt gemeldt werden.19

Erst am Ende des Bandes wird die Erzähleinheit fortgesetzt. Nach einer ausführlichen Zusammenfassung folgt wieder der metadiskursive Verweis: „wie in dem andern Buch dieser History meldung beschehen sol“.20 Der überleitende Charakter dieser Erzähleinheit ist überdeutlich, zumal ansonsten fast gar nicht auf die folgenden Bände vorausgedeutet wird. In Kap. 41 macht sich Amadis auf den Weg sein Versprechen einzulösen. Weil er Briolanias Schwert vergessen hat, sendet er Ardan zurück, der Oriana von der vermeintlichen Liebe erzählt und die Prinzessin damit in tiefe Verzweiflung stürzt. Die in den Folgeband verweisende Eifersuchtshandlung würde sich für die Bildung eines Cliffhangers geradezu anbieten, doch ist dieses Potenzial nicht ausgeschöpft worden, weil sich noch eine ganze Reihe weiterer Ereignisse anschließen, die das Spannungsmoment überlagern.21 Trotzdem zeigt der erste Band das eindeutige Bestreben, die wichtigsten Erzähleinheiten der Folgebände vorzubereiten. Auch auf die lang andauernde Feindschaft zwischen Lisuart und Amadis, die die Bände II bis IV bestimmt, wird bereits angespielt: Also blieb Galaor in deß Königs dienst, von welchem er sich niemals hernach abgesöndert, vnangesehen der zweytracht, so Amadis vnnd der König Lisuart mit einander gehabt, wie hernach in dem Dritten vnd Vierdten Buch dieser History, von mir mit hülff des Allmechtigen außgeführet werden sol.22

19 Amadis. Erstes Buch, S. 247 f. 20 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 391. 21 Nämlich: Amadis und Galaor begegnen unwissentlich ihrem Halbbruder Florestan, dem Galaor dann nachzieht. Amadis und Agraies bestreiten den Mörder von Briolanias Vater und dessen Söhne. Galaor und Florestan reisen Amadis und Agraies nach; unterwegs überwindet Florestan drei Ritter. Alle treffen zusammen und der Band wird mit einer längeren, gebetsartigen Ansprache Briolanias beschlossen. 22 Amadis. Erstes Buch, S. 306.  

158

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Solchermaßen sind die ersten vier Bände eng verflochten, wie auch Durán hervorhebt: Evidentemente, el autor del Amadís primitivo, o Montalvo, trató de dosificar el ,suspense‘ de la novela alrededor de las relaciones amorosas de Amadís y Oriana. Basta recordar que cada uno de los tres primeros libros del Amadís de 1508 termina con una crisis en esas relaciones – el malentendido provocado por el episodio de Briolanja [Erzählmuster der unbegründeten Eifersucht], la desesperación de Oriana al descubrirse embarazada y por último la entrega de Oriana a los embajadores romanos.23 [Augenscheinlich versuchte der Autor des ,Ur-Amadis‘, oder Montalvo, die Spannung des Romans um die Liebesbeziehung von Amadís und Oriana herum gleichmäßig zu verteilen. Denken wir nur daran, dass jedes der ersten drei Bücher des Amadís von 1508 mit einer Krise der Liebesbeziehung endet: das durch die Briolanja-Episode ausgelöste Missverständnis, die Verzweiflung Orianas, als sie von ihrer Schwangerschaft erfährt, und zu guter Letzt die Aushändigung Orianas an die römischen Gesandten.]

Parallelführung von Handlungsfäden Bereits der erste Band des Amadisromans zeichnet sich durch eine konsequente Parallelführung von Handlungsfäden aus. Der Tabelle lässt sich unschwer entnehmen, dass sich vor allem der Amadis- und der Galaor-Strang abwechseln, wobei auf den Titelhelden mehr und größere Abschnitte entfallen.24 Nur punktuell treten weitere Figuren auf (Agraies & Galuanes, Florestan, Balais, Arban), und auch in diesen Abschnitten wird die Erinnerung an Amadis und Galaor wachgehalten (Kap. 24). Zwar wird der Handlungsfaden bevorzugt mit dem Kapitelende gewechselt, doch finden Wechsel auch innerhalb eines Kapitels statt. Typisch ist eine ausdrückliche Markierung. Im sechsten Kapitel wird der Handlungsfaden ,Amadis‘ beispielsweise folgendermaßen kurz unterbrochen und wieder aufgenommen:25 Jetztmals läst der Autor diese Matery fallen, vnd wil das erzelen, so sich dem Galaor zugetragen, welchen der Rieß hinweg getragen, vnd einem gelehrten Mann zu bewaren gegeben, wie jr hieroben vernommen.26

23 Durán (Anm. 6), S. 126; vgl. auch Marian Rothstein: Reading in the Renaissance: Amadis de Gaule and the lessons of memory. Newark (Delaware) 1999, S. 65. 24 Vgl. Cacho Blecua (Anm. 8), S. 248. 25 Vgl. auch Amadis. Erstes Buch, S. 34, S. 41, S. 47, S. 86, S. 135, S. 172, S. 178, S. 223, S. 233, S. 237, S. 364, S. 412. 26 Amadis. Erstes Buch, S. 70.

7.1 Buch I

159

Aber jetzunder geschweiget dessen der Autor, vnd wirt von dem handeln, so dem Junckher vom Meer [d. i. Amadis] nach seinem abschied vom König Perion, vnd der Jungfrawen, begegnet.27

Ernst-Peter Wieckenberg weist derartige Formeln der älteren, mündlichen Erzähltradition zu, die schließlich durch die optische Gliederung der Kapitelüberschrift ersetzt worden seien.28 Im Amadisroman mit seiner zwischen dutzenden von Spielorten und Figuren springenden Geschichte könnten solche Markierungen jedoch mehr als bloße Relikte sein. Cacho Blecua stellt fest, dass sie den Leser auf den Wechsel des Handlungsfadens vorbereiten und den harten Bruch abmildern.29 In der Tat können die Markierungen vor dem optischen Signal der Kapitelüberschrift aber vereinzelt ausfallen. Verzichtbar erscheinen sie vor allem innerhalb von Erzähleinheiten, welche die einzelnen Handlungsfäden eng zusammenschließen. Dies gilt für die weiter oben skizzierte Betrugshandlung (Kap. 30–39), aber auch für eine Folge von Kapiteln (Kap. 25–29), die auf gewisse Weise ebenfalls eine Erzähleinheit bilden: Amadis, Galaor und der Ritter Balais machen sich gemeinsam auf zum Hof König Lisuarts. Unterwegs trennen sie sich vorübergehend, um unterschiedlichen Abenteuern nachzugehen. Wie weiter unten skizziert wird, stellt sich der Eindruck von Gleichzeitigkeit ein, wenn den Handlungsfäden nacheinander gefolgt wird, bis sie wieder zusammentreffen. Innerhalb dieser ,strukturellen Einheit‘ gelingt der Übergang zwischen den Handlungsfäden leicht und bedarf keiner ausdrücklichen Geste des Erzählers. Der markierte Wechsel des Handlungsfadens ist immer mit einer Wiederholung und vielfach mit einer Leseranrede verbunden. Der Umfang der Wiederholung reicht von der kurzen Bemerkung bis zur umfassenden Zusammenfassung. Dazu zwei Beispiele: Nachdem Amadis den bösen Ritter Galpan getötet hat, gibt ihm ein dankbarer Ritter Herberge. Nacher ließ er den Juncker außziehen, vnnd in ein köstlich Beth legen, da jhm durch die Jungfraw seine wunden verbunden wurden, welche jhm zusagt, jn in kurtzer zeit zuheylen, wo er jhres raths sich pfleget vnd gebrauchet, das er dann jhr zuthun versprach.30

Einige Seiten später wird der Handlungsstrang fortgesetzt:

27 Amadis. Erstes Buch, S. 72. 28 Ernst Peter Wieckenberg: Zur Geschichte der Kapitelüberschrift im deutschen Roman vom 15. Jahrhundert bis zum Ausgang des Barock. Göttingen 1969 (Palaestra 253), S. 42–72, hier S. 55. 29 Vgl. Cacho Blecua (Anm. 8), S. 250. 30 Amadis. Erstes Buch, S. 80.

160

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Jetztmals nun wirt der Autor dessen nicht mehr meldung thun, besonder anzeigen, wo der Junckher vom Meer hinkommen. Nach dem er in das Schloß deß vberwundenen Ritters vom Galpan kommen, vnnd durch die Jungfraw, so jhm seine Wunden verbunden, welche in fünfftzehen tagen schier gar geheilet, Curiert, vnd letztlich ob diesem langen verharren verdriessig […]31

Es sollte absolut genügen, den Anschluss durch die Erwähnung des Gegners und die knappe Wiederholung des letzten Bildes (,Amadis im Krankenbett‘) zu sichern. Eine ausführlichere Zusammenfassung wird in folgendem Fall geliefert. Kap. 11 berichtet von der Entdeckung von Amadis’ königlicher Abstammung, wozu weit zurückgegriffen wird: Zv anfang dieser History ist erzelt, wie der König Perion der Königin Elisena (als sie noch in kleinen Britannien gewest) einen Ring, so einem andern, den er gemeiniglich vnd stets trug, gleichförmig, gegeben, vnd dieselbige zween Ring einander so gleich gestalt, daß sie gentzlich keinen vnderschied oder differentz hatten. Darnach habt jr auch verstanden, wie, als der Junckher vom Meer in daß Wasser geworffen, jm dieser Ring an Halß gehenckt worden, welchen der Gandales behalten, biß er denselben sampt dem Wachs vnd Schwerdt jhm (wenig darfür, eh er zum Ritter gemacht) durch ein Jungfrauw zugeschickt. Nun hatte der König offtmals die Königin gefragt, wo sie disen Ring hingethan, die doch jm allzeit zweyfelhafftig geantwortet, letztlichen gesagt, daß sie jhn verloren. Aber es begab sich, als der Junckher vom Meer sich mit der Oriana Jungfrawen, seinem brauch nach erspatzierte, daß […]32

An die mit einer Leseransprache verbundene Wiederholung der wichtigsten Fakten schließt sich ein kurzer Nachtrag („Nun hatte der König offtmals die Königin gefragt […]“) an, der neue Verwicklungen einleitet („Aber es begab sich […]“). Die langatmige Wiederholung wird hier also erforderlich, weil die Geschichte im Anschluss neu justiert werden soll. Grundsätzlich muss in Buch I noch nicht allzu viel Aufwand betrieben werden, um Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Das kurze Kap. 8 dient beispielsweise ausschließlich der Verbreitung der Kunde von Amadis’ ersten Taten. Drei Boten(-gruppen) treten am Hof von König Languines auf, doch wird nur das dritte Abenteuer ausführlicher geschildert, bei den anderen genügt es mitzuteilen, dass sie veröffentlicht worden sind. Es darf davon ausgegangen werden, dass der Leser sich noch erinnert.

31 Amadis. Erstes Buch, S. 86. 32 Amadis. Erstes Buch, S. 106 f.  

7.1 Buch I

161

Minicliffs Allenfalls Ansätze zu einer effektvollen Verflechtung der Handlungsfäden lassen sich in Buch I finden.33 So lässt sich am Ende von Kap. 10 Spannungsaufbau verzeichnen, allerdings wird der Handlungsfaden nicht gewechselt: Nachdem Amadis seinem noch unerkannten Vater im Krieg zu Hilfe gekommen ist, hofft er, bald wieder zu seiner geliebten Oriana zurückkehren zu können. Hier schaltet sich der Erzähler ein: Doch ist jm vnder anderm ein wunderbarlicher handel zu hand gestossen, welcher jm in Franckreich lengern verzug, dann er nicht verhofft, gebracht, also, daß die Jungfraw one jhn zu der Oriana vmbkeren müssen, wie jhr jetzunder vernemmen werdet.34

Ein echter Minicliff liegt eventuell am Ende von Kap. 13 vor: Galaors nächtliches Rendezvous mit Aldena fliegt auf und bringt die kuppelnde Kammerjungfrau in Bedrängnis. Darauff befahl er [der Herzog von Briton, Pflegevater von Aldena], daß man sie [Aldenas Kammerjungfrau] in hart gefengnuß legt. Doch wolt sie vmb einiger peen noch plag, so man jr anthet, die heimligkeit jrer F. G. nit entdecken, wiewol sie greulich darumb lang zeit gemartert ward, mit grosser angst vnd missfallen der Aldena, die sie hertzlich liebet, vnd nicht erdencken kondte, auff was weiß vnd wege sie dieses jrem Bulen Galaor zu wissen thun möcht. Aber der Autor nit weitter oder lenger vom Amadis schweigen wöllen, nimmt jn jetzt wider für die hand, damit er hernach, wann es die Matery erfordern wirt, diß so dem Galaor ferner begegnet, vollfüren möge.35

In diesem Fall wird das Spannungsmoment aus der Handlung heraus entwickelt. Allerdings gerät bloß eine unwichtige Randfigur in Not, deren Schicksals sich im Folgenden auch nur die Nebenfiguren Agraies und Galuanes annehmen werden (Kap. 17).36

Gleichzeitigkeit Mit der Parallelführung von Handlungsfäden eröffnet sich die Möglichkeit, Gleichzeitigkeit zu gestalten. Im ersten Band ist folgende bemerkenswerte Passage ent-

33 Vgl. außerdem die folgenden Textstellen mit höchstens schwach ausgeprägtem Minicliff: Amadis. Erstes Buch, S. 34, S. 45, S. 84, S. 113 f., S. 191, S. 237, S. 341, S. 351. Zu dieser Spannungsstruktur im spanischen Grundstock vgl.: Weber de Kurlat (Anm. 10), S. 32. 34 Amadis. Erstes Buch, S. 106. 35 Amadis. Erstes Buch, S. 135. 36 Vgl. Amadis. Erstes Buch, Kap. 17.  

162

7 Mittlere Ebene: Einzelband

halten,37 auf die bereits weiter oben hingewiesen wurde: Amadis, Galaor und Balais brechen mit einem gemeinsamen Ziel auf, trennen sich unterwegs jedoch, um jeweils einem eigenen Abenteuer nachzuziehen. Immer wieder an diesen Ausgangspunkt zurückspringend, verfolgt der Erzähler nun nacheinander die Wege der drei Ritter. Details wiederholen sich und erzeugen damit den Eindruck von Gleichzeitigkeit:38 Galaor und Balais kommt ein schwer verletzter Ritter entgegen, der ihnen sein Leid klagt. Vergeblich habe er einen Ritter aufhalten wollen, der sehr eilig unterwegs war. Galaor und Balais können sich leicht denken, um wen es sich dabei handelt, und verspotten den Ritter. Im übernächsten Kapitel wendet sich der Erzähler dann Amadis zu und reicht die Episode, die der Leser jetzt schon aus der Figurenrede kennt, nach. Dieser Handlungsblock zeugt von einer sehr weit entwickelten Vorstellung von parallelem Erzählen, die über die von Lugowski skizzierten, vorsichtigen Anfänge deutlich hinausgeht.39

37 Vgl. Amadis. Erstes Buch, Kap. 25–29. 38 Vgl. Clemens Lugowski: Die Form der Individualität im Roman. Studien zur inneren Struktur der frühen deutschen Erzählprosa. Frankfurt a. M. 1976 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 151), S. 120 f.: „Zu jeder echten Gleichzeitigkeit in unserem Sinne (die nichts mit physikalischer Gleichzeitigkeit zu tun hat) gehört zum ersten die Selbstständigkeit der beiden Seiten einander gegenüber, zum zweiten […] ein konkreter, anschaulicher Bezug zwischen den beiden Seiten.“ 39 Vgl. Lugowski (Anm. 38), S. 54 f., S. 115 ff.  







7.2 Buch VI

7.2 Buch VI

Handlungsfaden nete Hdlg.

Übergeord-

hdlg.

Neben-

Perion

Lisuart

Kapitel

Tabelle 2: Kapitelstruktur von Bd. VI.

Heidenkrieg Eifersuchtshandlung

1

Einführung

2

Beginn der Liebeshandlung

3 4

Nebenhdlg. Quedragant & Vaillades: Einführung ,Heidenkrieg‘

5

Prophezeiung ,Heidenkrieg‘; Nachtrag ,Languines & Abies‘

6

Beginn der Liebeshandlung

7 8

Entführung Lisuarts, Nebenhdlg. Florestan (& Parmenir & Galuanes)

9 10

metadiskursiver Verweis auf Garinter & Perion (Galaors Söhne)

11 12 13

Nebenhdlg. Garinter & Perion (Rückgriff auf Buch V)

14

Nebenhdlg. Florestan & Parmenir & Galuanes

15 16 17 18 19 20 2140

Auflösung des Cliffhangers von Buch V

22 23 24 25 26

40 Versehentlich erneut als Kap. 21 gezählt.

163

164

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Handlungsfaden nete Hdlg.

Übergeord-

hdlg.

Neben-

Perion

Lisuart

Kapitel

Tabelle 2: (fortgesetzt)

Heidenkrieg Eifersuchtshandlung

27

erfüllte Prophezeiung ,Heidenkrieg‘

28

Duell der Väter gegen die Söhne

29 30 31 32 33 34

Befreiung von Amadis und Oriana

35 36

Auftritt Garinters (Rückgriff auf Buch V)

37 38

unwissentlicher Kampf gegen Perion

39

unwissentlicher Kampf gegen Florestan & Parmenir

40

Erzähleinheit Turnier:

41

– Erzählmuster ,Furchteinflößende Ankunft‘ (Kap. 44) – Wiederholung in Figurenrede (Kap. 47): Garinter (& Perion)

42 43 44 45 46 47 48 49 50

unvollendete Liebesprobe

51

Prophezeiung für Amadis

52 53 54

komisches magisches Abenteuer

55

Abschluss Eifersuchtshandlung

56

7.2 Buch VI

165

57

Handlungsfaden nete Hdlg.

Übergeord-

hdlg.

Neben-

Perion

Lisuart

Kapitel

Tabelle 2: (fortgesetzt)

Heidenkrieg Eifersuchtshandlung vollendete Liebesprobe

58 59 60

Erzählmuster ,Heimliches Treffen der Liebenden‘

61

Cliffhanger-Handlung:

62

– Entführung der Helden – Erzählmuster ,Verlust des Helden in früher Kindheit‘

63 64

Mit den Fortsetzungsbänden von Feliciano de Silva tritt die Entwicklung des Amadisromans in eine nächste Phase ein, die nicht zuletzt die gezielte Vervielfältigung des Figurenpersonals bedeutet. Damit geht die Nivellierung der Unterschiede zwischen den Amadisrittern einher, was zur (zumindest potenziellen) Eignung aller Figuren für das Anknüpfen eines Handlungsfadens führt. In diesen Zusammenhang scheint es auch von Bedeutung, dass der sechste Band der deutschen Serie – wie schon angesprochen worden war – ohne die Nennung eines Titelhelden auskommt.41 Die spanische Vorlage nennt wahrscheinlich beide Ritter auf dem Titelblatt, betont aber die Vorrangstellung Lisuartes.42 Demgegenüber führt die französische Übertragung von 1545 Perion als ersten auf, während die italienische Version von 1550 Perion gar nicht auf dem Titelblatt erwähnt. Wer der Held von Buch VI ist, scheint also nicht ganz eindeutig zu sein.

41 Bei der Wiederholung des Titels zu Beginn des Hauptteils wird die ,französische‘ Reihenfolge übernommen: „Das sechste Buch vom Amadis auß Franckreich / darinnen weitleuffig / von den Manhafften Ritterlichen thatē zum theil Perions seines Sons / zum theil Lisuarts auß Griechenlandt Keisers Esplandians von Constantinopel Erbens / geschrieben vnd gehandelt wird.“ Amadis VI, S. 1. 42 Vom spanischen Erstdruck von 1514 existieren nur noch Fragmente (ediert von Emilio José Sales Dasí in: Antología de libros de caballerías castellanos. Hg. von José Manuel Lucía Megías. Alcalá de Henares 2001, S. 35–40), doch lassen sich Rückschlüsse aus einem Katalogeintrag ziehen; vgl. Emilio José Sales Dasí: Lisuarte de Grecia de Feliciano de Silva (Guía de Lectura). Alcalá de Henares 1998, S. 7 Fn. 1. Der Titel scheint über die Auflagen hinweg so gut wie gar nicht verändert worden zu sein.

166

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Die Bände Silvas zeugen von einem tiefen Verständnis der im Grundstock der Serie entwickelten Mechanismen seriellen Erzählens, was anhand seiner ersten Fortsetzung beispielhaft beobachtet werden soll.

Erzähleinheiten Das erste Drittel (Kap. 4–27) von Buch VI wird durch die umfangreiche Erzähleinheit ,Heidenkrieg‘ bestimmt. Diese wird sorgfältig vorbereitet: In Kap. 4 rückt die Bedrohung durch das Bündnis der Heiden im Rahmen einer Nebenhandlung erstmals in den Blick;43 im folgenden Kapitel wird die Thematik durch eine düstere Prophezeiung zusätzlich akzentuiert.44 Eingeleitet wird die Erzähleinheit dann in Kap. 7 mit der Entführung Lisuarts durch die böse Zauberin Melie, was in Verbindung mit dem Heidenkrieg gebracht wird: Melie hatte vorausgesehen, dass Lisuart der Heidenschaft den Untergang bringen würde. Ausdrücklich abgeschlossen wird die Erzähleinheit in Kap. 27 mit dem Hinweis auf die nun erfüllte Prophezeiung: Nun secht was fur ein vngleich end des grossen Heidnischen zugs sey gefallen. Vnd also hiemit ist erfult worden die geschrifft / so der Ritter von der Sphr [d. i. Perion] hat verzeichnet gefunden in dem vbergulten kupffern Zedel / bey dem Brunnen in dem dienst der Alquife / wie euch im vorgehendem funfften Capitel dieses Buchs ist erzehlet worden.45

Das folgende Kap. 28 stellt eine Art Zwischenspiel dar und enthält den im Amadisroman regelmäßig wiederkehrenden Kampf der Väter gegen die Söhne, der in einigen Fällen die Überlegenheit der neuen Generation beweist, in jedem Fall aber den jungen Ritter als würdigen Nachfolger zeigt. Im nächsten Kapitel setzt die Eifersuchtshandlung um Lisuart und Onolorie ein. Zwar handelt es sich hierbei nicht um eine übergeordnete Handlung wie beim ,Heidenkrieg‘, in die alle Handlungsfäden einmünden, doch wird die Erzähleinheit ,Eifersucht‘ erst gegen Ende von Buch VI (und mit der Liebesprobe in

43 Vgl. Amadis VI, S. 51 f. Übrigens wird der Heidenkrieg an die Cliffhanger-Handlung von Buch V angebunden: Nur weil die wichtigsten Fürsten der Christenheit verschwunden sind, wagen die Heiden einen neuerlichen Angriff. 44 Vgl. Amadis VI, S. 55 f. Dass die Prophezeiungen die Aufmerksamkeit des Lesers auf die zentralen Episoden richten und damit eine gewisse Ordnungsfunktion haben, verdeutlicht Eloy Reinerio González: Función de las profecías en el Amadís de Gaula. In: Nueva Revista de Filología Hispánica 31, 2 (1982), S. 282–291, hier S. 288. 45 Amadis VI, S. 363.  



7.2 Buch VI

167

Kap. 57) endgültig abgeschlossen und gibt dem Rest des Bandes somit eine grobe Struktur. Deutlich erkennbar ist außerdem das Bestreben, unvollendete Erzähleinheiten aus dem Montalvo-Band aufzugreifen. Neben der Cliffhanger-Handlung (Kap. 21) bietet sich dafür jedoch nur Nebenhandlung (insbesondere Kap. 13 und Kap. 36) an.

Parallelführung von Handlungsfäden Buch VI zeigt eine grobe Dreiteilung: Im ersten Teil wechseln sich die Handlungsfäden ‚Perion‘, ‚Lisuart‘ und die Erzähleinheit ,Heidenkrieg‘ ab. Nachdem der Hauptteil der Erzähleinheit en bloc erzählt worden ist, folgen ein größerer Abschnitt des Handlungsfadens ,Lisuart‘ (Kap. 29 bis 34) und ein Abschnitt des Handlungsfadens ,Perion‘ (Kap. 35 bis 37); die beiden Handlungsfäden werden in Kap. 38 vereinigt. Der letzte Teil des Bandes besteht aus den gemeinsamen Abenteuern der beiden Ritter – jedoch unter Hervorhebung der LisuartFigur. Trotz des planvollen Nebeneinanders zweier Hauptfiguren werden die Ereignisse kaum als gleichzeitig stattfindende inszeniert. Abgesehen vielleicht von den letzten Cliffhanger-Kapiteln, in denen die Handlungsfäden inhaltlich eng aufeinander bezogen werden – die beiden Ritter werden mittels einer List nacheinander entführt –, was durch verhältnismäßig schnelle ,Schnitte‘ auch formal zum Ausdruck gebracht wird. Die Handlungsfäden werden auf erprobte Art und Weise gewechselt,46 zum Beispiel während sich die Protagonisten auf dem Meer befinden, das im Amadisroman oft für die Zeit eines aktionsfreien ,Dazwischen‘ steht:47 Vnd nach dem sie vhrlaub vom Keyser gehabt / haben sie gleich die Encker einzuheben vnnd die segel außzuspannen befohlen / da sie dann als bald in kurtzē im hohen Meer die grosse Statt auß dem gesicht verlohren. Hir last vns nun wider zu vnserm Perion kommen / zuhren was jm zuhanden gestossen / in des wllen wir die erzehlung von den andern / biß zu bequemlicher gelegenheit anstehen lassen.48

46 Vgl. Amadis VI, S. 7, S. 10, S. 36 f., S. 52 f., S. 68 f., S. 116 (eigentlich S. 106!), S. 112, S. 113 ff., S. 159 ff., S. 169, S. 515, S. 747, S. 749. 47 Durán (Anm. 6), S. 129 f. bewertet die Nutzung von „tiempo muerte“ zum Wechsel des Handlungsfadens als sinnvoll, denn damit werde der Eindruck von Gleichzeitigkeit erzeugt. 48 Amadis VI, S. 10.  











168

7 Mittlere Ebene: Einzelband

In Buch VI findet sich aber auch folgender, eleganter Wechsel, der nur noch wenig mit einer formelverhafteten Erzählweise zu tun hat: Hirneben solchen redē / haben sie des vorrhats / so die Affen [magische Diener] von speiß gethan / frlich mit einander genossen / v fast begirlich / weil sie den gantzen tag vngessen warē / nach noturfft sich darvō gesetigt: auch offt zu jnen dē Lisuart v sein geselschafft / die dz vnglck noch vtriebe v bekerte (wie jr gleich nachfolgendts verneen) auß hertzlicher begirdt erwnschet.49

Auch die Gedanken des Lesers sind nun auf Lisuart gerichtet, dessen Handlungsfaden im folgenden Kap. 6 wieder aufgegriffen wird. Der Wechsel der Handlungsfäden fällt für gewöhnlich mit dem Übergang zum nächsten Kapitel zusammen und ist regelmäßig mit einer Leseransprache und einer kurzen Wiederholung der letzten Ereignisse verbunden, die oft nur aus dem letzten ,Bild‘ besteht: SO jhr euch noch zuerinnern wist / haben wir vor diesem den Perion sampt dem Languines / Abies von Jrlandt / vnnd die drey Ritter mit den kreutzen / in dem Schatten htlein / welchs von den Affen der Alquife Schiffleuten auffgericht worden / in jhrer freud vnnd erlustigung verlassen. Nunmals / zuvolstrecken die History / mssen wir in der beschreibung weiter schreiten:50

Ob der Erzähler die Helden nun auf dem Meer verlässt oder beim Mahl – Spannung spielt bei der Parallelführung der Handlungsfäden kaum eine Rolle. Höchstens im Zusammenhang mit der Entführung Lisuarts durch die heidnische Zauberin Melie lassen sich Minicliffs finden: Da [nämlich in Gefangenschaft] wir jn dan also Gott wllen befohlen haben / der jn auß dem todt / dem er sonst gar nah / (wie in folgenden Capiteln zu vernemmen) gnediglich erretten v im gedult verleihen wlle. Jetzumal aber solt jhr weiter verstehn / […].51

Einige Kapitel später wird die Handlung wieder aufgegriffen: Melie hat mittlerweile beschlossen, Lisuart zu verbrennen. Zwar wird der Handlungsfaden in diesem Fall nicht gewechselt, doch erfährt der Leser am Kapitelende, das die zatz [Melie] bedacht war vor allem den Lisuwart zu verbrennen / dann sie durch jhre Hellische kunst in wissen hette / das so lang er bey leben were / wurde der Keyser zu Constantinopel wol vnuberwindlich bleiben / welches sie dan den furgesetztē Huptern

49 Amadis VI, S. 68 f. 50 Amadis VI, S. 114 f. 51 Amadis VI, S. 112.  



7.2 Buch VI

169

dieser Kriegsmacht jm gehaltnen Rath gab zu verstehn. Aber der fursatz war jren / v dz außbringen stund bey Gott / wie jhr dan nun vernemmen werden.52

Angesichts der ausdrücklichen Gottbefohlenheit in beiden Textbeispielen kann der gute Ausgang allerdings schon als gesetzt gelten.

Nachtrag Neben der mehr oder weniger intensiven Parallelführung von Handlungsfäden – vom Erzählen ,am Stück‘ bis zum Erzählen mit schnellen Schnitten – gibt es die Möglichkeit, (Neben-)Handlung im Figuren- oder Erzählerbericht komprimiert nachzutragen, was ein in Buch VI gerne genutztes Mittel darstellt. Zumeist ist der Nachtrag nur als Reflex der Haupthandlung zu verstehen, das heißt, dass beispielsweise eine Nebenfigur nach ihrer Befreiung durch eine Hauptfigur von ihrer Gefangenschaft berichtet.53 Auf diese Weise verzeichnen vor allem Nebenfiguren einen kurzen Auftritt, die mit keinem eigenen Handlungsfaden ausgestattet sind (z. B. Languines und Abies,54 die im Einführungskapitel als Ritter der neuen Generation vorgestellt werden). Damit bleiben diese in der Handlung und für den Leser präsent und können gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt in den Mittelpunkt treten. Die grundsätzliche Verfügbarkeit möglicher Handlungsträger sollte für einen Serienroman wie den Amadis von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein.  

Vervielfältigung der Figuren Während in den Bänden I–IV und V ein Held alle anderen überragt, kommen in Band VI grundsätzlich zwei Ritter als Hauptfigur in Frage: Perion, Amadis’ Sohn, und Lisuart, Esplandians Sohn und Amadis’ Enkel.55 Es ist sehr gut vorstellbar, dass Silva nicht die direkte Linie fortzuführen gedenkt, sondern mit Perion einen weiteren Sohn von Amadis auswählt. Schließlich macht er Montalvos Neuaus-

52 Amadis VI, S. 184 f. 53 Vgl. Amadis VI, S. 67 f., S. 439 f., S. 462 f., S. 498 f., S. 531, S. 602 f., S. 639. 54 Vgl. Amadis VI, S. 67 f., S. 639. 55 Vgl. Emilio José Sales Dasí: Introducción. In: Lisuarte de Grecia (Sevilla, Jacobo y Juan Cromberger, 1525). Hg. von Emilio José Sales Dasí. Alcalá de Henares 2002 (Los libros de Rocinante 12), S. IX–XXXVI, hier S. XIXff.  













170

7 Mittlere Ebene: Einzelband

richtung des Romans in den meisten Punkten rückgängig und schließt mehr an die ersten vier Bücher um Amadis als an das fünfte um Esplandian an.56 Rückt Lisuart auch im zweiten Drittel des Bandes quantitativ in den Vordergrund, so handelt es sich doch allenfalls um Nuancen. Denn im letzten Drittel werden die meisten Abenteuer gemeinsam bestritten, weshalb sich die Handlungsfäden kaum mehr trennen lassen. Es muss also überlegt werden, ob überhaupt noch ein Interesse daran besteht, den einzigartigen Helden vorzustellen. Allerdings kommt man zu einem anderen Ergebnis, wenn man die spezifischen Auszeichnungsgesten des Amadisromans heranzieht; ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind das: (1) Besondere Umstände der Geburt (vgl. hierzu Kap. 8.3), (2) Kennzeichnung durch das magische Figurenpersonal (außergewöhnlicher Ritterschlag mit Waffen-/Rüstungsgeschenk, Prophezeiungen, Entsendungen), (3) Hierarchisierung der Amadisritter über Duelle untereinander, (4) Befreiung des Stammvaters Amadis und/oder des Helden des vorhergehenden Bandes, welcher in der Regel der Vater der Figur ist, (5) das magische Abenteuer der Liebesprobe, das in der Romanwelt eine Rangordnung implementiert bzw. implementieren soll (vgl. hierzu Kap. 8.4). Die Signale sind zunächst irreführend, denn die Handlung beginnt mit Perion, dessen Ritterschlag – begleitet vom üblichen Waffen- bzw. Rüstungsgeschenk – von einer magischen Figur initiiert wird (Kap. 2), der er einen Dienst leistet und die er damit als Helfer gewinnt (Kap. 10). Lisuarts Schwertleite in Kap. 18 wird allerdings noch um ein Vielfaches aufwendiger inszeniert; nachträglich (Kap. 21) erfährt der Leser gar, dass in diesem magischen Moment die Verzauberung der zentralen Fürsten – der Cliffhanger von Buch V – aufgehoben worden ist.57 Weitere Indizien ließen sich ergänzen: In Kap. 34 befreit Lisuart Amadis und Oriana, in Kap. 38 überwindet Lisuart Perion in einem Duell,58 das sie ohne Wissen um die Identität des anderen miteinander führen, und in Kap. 57 besteht Lisuart die Liebesprobe, womit seine Vorrangstellung gewissermaßen offiziell geworden ist. Und dennoch: Die qualitativen Unterschiede zwischen Lisuart und Perion sind

56 Vgl. Francisco Moral Cañete: Los libros de caballerías y la literatura cíclica. Las continuaciones de Feliciano de Silva del Amadís de Gaula. In: Analecta malacitana: Revista de la Sección de Filología de la Facultad de Filosofía y Letras 31, 2 (2008), S. 565–579, hier S. 569, S. 578. 57 Später wird sogar noch ein weiteres magisches Abenteuer umständlich mit Lisuarts Schwertleite in Verbindung gebracht; vgl. Amadis VI, Kap. 50. 58 Vgl. auch Amadis VI, S. 687.

7.2 Buch VI

171

über weite Strecken kaum erkennbar, weshalb dem Leser hier eigentlich zwei Hauptfiguren entgegentreten.

Beschränkung der Figuren ,Flachere Hierarchien‘ unter den Rittern erleichtern die Erweiterung um zusätzliche Handlungsfäden. So werden im Einführungskapitel von Buch VI nicht nur Lisuart und Perion vorgestellt, sondern auch ein guter Teil derjenigen Nebenfiguren, die im Folgenden eine Rolle spielen werden: Deren einer mit namen seinem Vatter nach Florestan hiesse / vnd der ander Parmenir / vnder welcher geselschafft sich auch gethan hatten Vaillades Knigs auß Arauiniē Hern Bruneons Son: Languines vnnd Caluanes des Herrn Agraies Knigs auß Schottē Kinder / Abies auß Jrland Knigs Cildadan Son / vnd Quedragant Herr zu Sansuegue:59

Diese Aufzählung zu Beginn des Bandes spiegelt die umfangreichere Liste am Ende von Buch V,60 welche die Nachkommenschaft der Hauptfiguren aufgeführt und den Band damit geschlossen hatte. Doch muss das solchermaßen in die Breite wachsende Figurenpersonal gleichzeitig auch kontrolliert werden. Zu diesem Zweck wird beispielsweise (unter Benutzung von Standardfloskeln) eine Figur ausdrücklich zur Nebenfigur erklärt. Für diese Technik gibt es einen frühen Beleg aus Buch VI: In diesem Band verzeichnet Amadis wichtige Auftritte; gegen Ende hat er eine düstere Vision und im Anschluss heißt es: „Sintemal aber nun diese History nicht vmb seinetwillen ist angesehen / sonder eines anderen halbē / dem es meh nlicher / wllen wir mit der matery also bar abwechßlen […]“.61 Amadis als Titelheld und Hauptfigur der ersten vier Bände wird hier also ausdrücklich in die zweite Reihe verwiesen. Eine weitere Strategie, Nicht-Erzählen zu legitimieren, könnte die fiktive Auslagerung von Handlung sein. Eine der ersten Chronikfiktionen des Amadisromans findet sich in Buch VI.62 In Kap. 39 kämpfen Lisuart und Perion (wie immer unwissentlich) gegen Florestan und Parmenir, von denen nur knapp verlautbart wird:

59 60 61 62

Amadis VI, S. 3. Vgl. Amadis V, fol. 299rf. Amadis VI, S. 654. Vgl. auch schon Amadis V, fol. 174v.

172

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Aber dieweil ein sondere history von jnen ist vorhanden / wllen wir vns mit lenger beschreibung jrer grossen geschichten kein hindernß / noch verzug lassen machen / sonder euch allein kurtz zuverstehen geben […]63

Florestan und Parmenir, die Söhne von Amadis’ Halbbruder Florestan, gehören der aktuellen Rittergeneration an, werden im Einführungskapitel erwähnt und haben sogar ein eigenes Abenteuer (insb. Kap. 8) aufzuweisen. Werden Florestan und Parmenir hier auch ziemlich beiläufig abgetan, so ist doch auffällig, dass es der Erklärung bedarf. Gleichzeitig zeigt sich der Amadisroman durch die Andeutung möglicher Anschlussstellen als ein nach allen Seiten erweiterbares Erzählwerk.

Übersichtlichkeit Neben der Wiederholung beim Wechsel eines Handlungsfadens und dem Hinweis auf genealogische Zusammenhänge lassen sich in Buch VI vor allem Botenbericht und Auflistung als dominante Strategien zur Herstellung von Übersichtlichkeit identifizieren. Die Rekapitulation umfangreicherer Handlungsabschnitte erfolgt bloß andeutend oder auch ausführlich im Rahmen von Botenszenen am Hof.64 Anstelle der Hoföffentlichkeit kann auch nur der Dame des Ritters Bericht erstattet werden.65 Für den Botenbericht ist insbesondere die magische Figur Alquife zuständig,66 deren Figurenperspektive zumeist sorgfältig eingehalten wird, wie folgendes Beispiel zeigt: In Kap. 35 tritt Alquife mit dem Kopf einer getöteten Riesenschlange vor den Kaiser von Trapezunt. Gndigster Herr / ich bring Ewer Keyserliche Mayestat die gewissesten zeitungen von dem streitbaresten Ritter dieser Welt: von dem ich Ewer Mayestat vberwunderbare sachen will erzehlen: Als ich von diesen Landen in Thracien kehrete / ward ich von vier Meerrauberen gefangen / vnd in jhr Schiff gethan: Die mich aber / danck Gott dem Herrn / nicht lang behielten / durch vermittelung desselbigen / von dem ich diese meine Rede hab angestellet / der sich nennet den Einsamen Rittern [d. i. Lisuart]. Volfhret dem nach auff das genawest / die erzehlung von dem streit / den er gehabt / vnnd sein gesprech / das er mit

63 Amadis VI, S. 545. 64 Vgl. Amadis VI, S. 155 ff. 65 Vgl. Amadis VI, S. 392 f. Besonders gelungen ist eine Szene in Kap. 58, in der die magische Figur Alquife Onolorie mit einer der typischen Trostreden aufmuntert und dabei wichtige Stationen ihres Ritters Lisuart rekapituliert; vgl. S. 720 f. 66 Vgl. Amadis VI, S. 169 ff., S. 528 f., S. 686 ff.  











7.2 Buch VI

173

jhr gehalten hatte. Demnach von dem todt der Schlangen / der erldigung des Gastilles vnd Tartarie / vnd letzlich von allem das jhr zu wissen war.67

Der Kaiser zeigt sich beeindruckt, lässt den gewaltigen Kopf ausstellen und den Kampfhergang malen, womit das Erinnerungswürdige dieser Episode herausgestellt ist. Angesichts des explodierenden Figurenpersonals wächst das Bedürfnis nach der (Zu-)Ordnung von Figuren, welchem die gerade in Buch VI häufig anzutreffenden Auflistungen Rechnung tragen. Freilich dienen sie nur selten ausschließlich der Übersichtlichkeit. Kürzere Auflistungen finden sich überall im Band und insbesondere im Zusammenhang mit der Erzähleinheit ,Heidenkrieg‘.68 Meistens werden Heerführer der eigenen und gegnerischen Seite nacheinander aufgezählt, wobei dutzende geläufige Figurennamen fallen. Die Aufstellungen lassen daneben ein merkliches Interesse an der Beschreibung militärischer Manöver erkennen. Eine ähnliche Funktion haben sie im Rahmen der Turnier-Handlung.69 Hier dienen die zum Teil sehr umfangreichen Listen der überwundenen Ritter mit vielen ad hoc erfundenen Namen natürlich der Aufwertung des Siegers. Besondere Aufmerksamkeit verdient eine Auflistung in Kap. 28: Auf mehr als einer Seite werden Figuren namentlich aufgezählt („Diese Funffzig / beide von Knigen vnnd von berhmpten Rittern / zusampt den zwo Knigin Pintiquinestre vnd Calafie [zwei Amazonenköniginnen] geleyteten Grasandor vnd die Mabile biß an dz Meer […]“), die dem Leser des Amadisromans größtenteils tatsächlich ein Begriff sind. Eine Jungfrau fordert die Gesellschaft im Namen zweier Ritter heraus und fragt nach ihrem „Haupt“: „Jungfraw / antwort der Knig Galaor / wir seind alle gleich vnd getrewe gesellen.“70 Am Ende zeigt sich, dass es sich bei den Herausforderern um Amadis und seinen Sohn Esplandian handelt und ihnen eben doch nur ihre Söhne Perion und Lisuart ebenbürtig sind. Trotzdem tritt in dieser Szene eine Ritterelite mit dutzenden nahezu gleichwertigen Mitgliedern auf, von denen jederzeit eine Figur herausgegriffen und zum Träger eines eigenen (Neben-)Handlungsfadens aufgebaut werden könnte. Gerade zu Beginn von Buch VI werden auch Elemente der zurückliegenden Bände wiederholt, oft im Figurenbericht und ohne dass sie ausdrücklich in der Serie verortet würden.71 Nicht immer sind diese Informationen für die Verständnissicherung unbedingt erforderlich, oft scheinen sie nur der Ausstellung einer

67 68 69 70 71

Amadis VI, S. 468 f. Vgl. z. B. Amadis VI, Kap. 19, Kap. 26. Vgl. z. B. Amadis VI, Kap. 47 u. insb. Kap. 48 (Aufzählung von 44 Namen!). Amadis VI, S. 368. Vgl. Amadis VI, S. 51, S. 62 f., S. 127, S. 141 f.  









174

7 Mittlere Ebene: Einzelband

über die Bandgrenzen hinweg konzisen Geschichte zu dienen. Einzelne Anspielungen können eventuell noch als Erinnerungsstütze, keinesfalls aber mehr als Lesehilfe gelten. Ein Beispiel: Als Amadis seinem Sohn Perion nach Jahren der Verzauberung gegenübersteht, erkennt er ihn nicht. Der Kaiser von Konstantinopel hilft ihm spielerisch auf die Sprünge: „dieser (zeigt darmit auff den Perion) ist ein Son des Ritters mit dem grnē schwerd / der etwan den Endriaguen vberwand.“72 Dass es sich um Amadis selbst handelt, ist dem Kontext unschwer zu entnehmen. Trotzdem wird hier Hintergrundwissen nicht vermittelt, sondern vorausgesetzt.

Memoria Über solche eingestreuten Anspielungen hinaus lässt sich aber auch die systematische Aktualisierung zurückliegender Kernszenen des Romans beobachten, was mit dem Anwachsen der Serie zu einer gehörigen Komplexitätssteigerung führt. Wiederholungen dieses Typs erfolgen wiederholt im Zusammenhang mit der Errichtung oder Besichtigung von Memorialwerken. Mittels Ekphrase werden wesentliche Stationen des Amadisromans – in erster Linie Begebenheiten aus den ersten Bänden, Amadis und Oriana betreffend73 – im Gedächtnis des Lesers präsent gehalten. Schon im ersten Band taucht ein Denkmal auf, funktionale Bedeutung als Gedächtnisstütze hat es aber sicherlich nicht.74 Doch besteht auch noch kein Bedarf danach, was sich mit Fortschreibung der Serie ändern dürfte. So werden in Buch VI im Rahmen eines Hoffests Wandteppiche besichtigt: […] vnd von dannen folgeten sie in den Palast / allda die weiten Sl von mancherhād kunstlich gewirckten zier thuchern vnd Tapetereyen / waren vmbhencket / die vor weilen Knig Lisuart bey seinem leben het lassen machen / vnd’ denen war eins / darin die geschicht des kampffes des Amadis wider den Ardan Canile den Schewsal war gebildet / darnach in den andern von dem Endriaguen / von der prob vnd ersuchūg der warhafften getrewen liebhaber / der verbotenen kaer / dem wag stuck des schwerds / vnnd des krantzes von durren vnnd grnen Blumen / von der greuwlichen schlacht der hundert wider hundert / die der Knig Lisuwart wider den Knig Cildadan bestunde / in welcher Amadis den Namen des dunckelhupschen verlohre. Deßgleichen wie er vberwand die zween mchtige Riesen Famangomad / vnnd seinen Son Warsiegant / welche das Frwlein Leono-

72 Amadis VI, S. 252, vgl. auch S. 705. 73 Vgl. Sydney Paul Cravens: Amadís de Gaula reivindicado por Feliciano de Silva. In: Nueva Revista de Filología Hispánica 48, 1 (2000), S. 51–69, hier S. 65. 74 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 152.

7.2 Buch VI

175

rine gefangen hinwegk gefhret hetten / vnnd anders mehr war in diesen gewirckten decken angezeigt.75

Eng verwandt ist eine Szene in der Bibliothek des Magierpaares Alquif und Urganda: Lisuart und seinen Freunden werden die Bücher gezeigt, in denen die zurückliegenden Prophezeiungen und magischen Abenteuer verzeichnet sind, die bei dieser Gelegenheit kurz angerissen werden. Alquif kündigt an, auch die gegenwärtigen und zukünftigen Abenteuer der Ritter niederschreiben zu wollen.76 Durch die Einspielung solcher Szenen erlebt der Leser die Romanhandlung als kontinuierlichen Zusammenhang, deren ,Gründungsszenen‘ regelmäßig beschworen werden und den Horizont der gegenwärtigen Ereignisse bilden. Natürlich begegnet der Leser hier Inhalten, die er kennen sollte, und die ihm das mutmaßlich befriedigende Gefühl vermitteln, eingeweihter Kenner des Amadisromans zu sein.

Metadiskursive Verweise Buch VI knüpft unmittelbar an die prägnante Cliffhanger-Handlung an, doch fällt die Berufung auf den vorangegangenen Band eher knapp aus: DIe zeitung von diesen Frsten vnnd Herren / Frawen vnnd Jungfrawen / so in der Jnsel Ferme (sonst die starck / vest / beschlossen Jnsel genat) verzaubert worden / (wie oben angehrt) ist als bald fr den Jngeren Perion auß Franckreich des Herrn Amadis Son […] kommen […].77

Der kurze Einschub „wie oben angehrt“ blendet den Umstand, dass auf einen anderen Band verwiesen wird, komplett aus. Ansonsten werden metadiskursive Verweise nur im Zusammenhang mit der Nebenhandlung eingesetzt.78 Besonders interessant ist das mehrfache Aufgreifen einer Nebenhandlung, die im fünften Band ziemlich exakt vorweggenommen ist. Dort wird im kurzen Kap. 55 berichtet, dass Kaiser Esplandian Ritter in die Welt entsendet, um das christliche Reich zu vergrößern und zu befrieden. Das Kapitel endet wie folgt:

75 Amadis VI, S. 575 f. 76 Vgl. Amadis VI, S. 678 f. 77 Amadis VI, S. 2. 78 Ein Gegner der Nebenfiguren Quedragant und Vaillades wird genealogisch an eine Figur des zweiten Bandes angebunden; vgl. Amadis VI, S. 38.  



176

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Auff daß wir aber nicht zu weyt abschreytten / wllen wir sie dieses mahl bleiben lassen. Seyd hiermit begnget / nach dem viel jar vertrieben / eroberte Perion [Galaors Sohn] seines Vatters Knigreich / vnd Garinter vermhlet sich inn Morgenlandt / mit der Knigin Listria von Cytharea / deren holdschafft er erworben / dieweil sie gesehen / daß er einem Risen obgesieget / so vor den aller besten Ritter gehaltē worden. Dieweil aber diese History / in nachfolgenden 6. v 7. Buch weytlufftig v nach der leng beschrieben sind / wllen wir forthan schreytten.79

In der spanischen Vorlage lautet der Passus ganz ähnlich; es fehlt natürlich der metadiskursive Verweis, weil nicht mit einer Fortführung kalkuliert worden ist.80 So lässt sich dem zitierten Textstück auch noch ablesen, dass es nicht zwangsläufig zum Weitererzählen drängt, eher hat es resümierenden und abschließenden Charakter. Montalvo lässt die Nebenhandlung denn auch mit einer kurzen, allgemeinen Bemerkung über die Vergänglichkeit der zeitlichen Dinge auslaufen. Silva aber greift die Information begierig auf und bringt sie gleich in mehreren Kapiteln (insbesondere Kap. 13 f.) unter:  

La historia vos ha contado en las Sergas de Esplandián cómo por él fueron armados cavalleros dos hijos del rey don Galaor, los cuales se llamavan Garínter e Perión por amor de sus abuelos de parte de su padre, que tan honrados eran.81 [In den Sergas de Esplandián ist Euch erzählt worden, wie er [Esplandián] zwei Söhne des Königs Don Galaor zu Rittern schlug, die den Großeltern väterlicherseits zuliebe Garínter und Perión hießen, welche sehr angesehen waren.]

Durch die Verwendung eines metadiskursiven Verweises konstruiert Silva den engsten Zusammenhang zwischen dem Grundstock der Serie und seiner eigenen Fortsetzung. Genauso hat es noch die deutsche Fassung.82 Schon zuvor findet sich ein metadiskursiver Verweis auf Buch V, wenn sich Perion, Amadis Sohn, bei Talanque nach Garinter und Perion, Galaors Söhnen, erkundigt (Kap. 10).83 Übrigens ist immer nur von ,Garinter‘ und ,seinem Bruder‘ die Rede – wohl um die verwirrenden Namensdopplungen zu umgehen. In Kap. 36 taucht Garinter dann im Handlungsfaden ,Perion‘ auf und hier wird von dem schon in Buch V angekündigten Kampf gegen den Riesen und der Verheiratung mit Listrie erzählt.

79 Amadis V, fol. 295v. Der deutsche Übersetzer folgt seiner französischen Vorlage wie immer sehr dicht, doch hat er in diesem Fall bemerkenswerterweise den konkreten Hinweis auf den Kampf gegen einen Riesen ergänzt; vgl. Amadis de Gaule V, S. 446. 80 Vgl. Sergas de Esplandián, S. 814 f. 81 Lisuarte de Grecia, S. 45. 82 Vgl. Amadis VI, S. 160 f. 83 Vgl. Amadis VI, S. 115.  



7.2 Buch VI

177

Etwas später wird dieses Ereignis im Figurenbericht wiederholt und die Nebenhandlung damit abgeschlossen (Kap. 47).84 Der letzte metadiskursive Verweis von Buch VI findet sich zweckmäßigerweise ganz am Ende des Bandes; es handelt sich um eine verhältnismäßig knappe Formulierung.85 Dezidierte Hinweise auf den Folgeband benötigt Buch VI allerdings auch gar nicht, ist sein Cliffhanger doch einer der stärksten der gesamten Serie: Zur Entführung der aktuellen Helden Lisuart und Perion gesellt sich die heimliche Geburt und Verschleppung des neugeborenen, zukünftigen Helden Amadis aus Griechenland. Damit sollte wirklich genug Leseanreiz geschaffen sein.

84 Amadis VI, S. 609 f. 85 Vgl. Amadis VI, S. 761 f.: „Diese zwey gedachte Herrlein waren zu jrer zeit sehr siegreich / vnnd durch die gantze Welt bermpt vnnd wolbeschrayt / wie euch solches weitluffig / wa es Gott vnd die zeit fget vnnd zulasset / soll im nechst volgenden siebenden vnd achten Buch beschrieben werden.“ Bei dem zweiten „Herrlein“ handelt es sich um Lucentio, dem Sohn von Perion und Gricilerie.  



178

7 Mittlere Ebene: Einzelband

7.3 Buch XIII86

1

Handlungsfaden nete Hdlg.

Übergeord-

hdlg.

Neben-

Arlanges

Agesilan &

Florisel

Filisel

Rogel

Sylves

Kapitel

Tabelle 3: Kapitelstruktur von Bd. XIII.

Kriegshandlung Anknüpfung an den Cliffhanger von Buch XII

2 3 4 5

vgl. Abschnitt: Umschreibung von Erzähleinheiten

6 7 8 9

Einführung des neuen Helden Sylves

10 11 12 13 14

Nebenhdlg. Brianges

15 16 17 18 19 20 21

Aufnahme Sylves’ am Hof

22

Variante der Liebesprobe

23 24 25

86 Die dt. Erstausgabe von Buch XIII ist unüblicherweise weder paginiert noch foliiert; der Einfachheit halber zitiere ich deswegen nach der Auflage von 1598.

7.3 Buch XIII

Handlungsfaden nete Hdlg.

Übergeord-

hdlg.

Neben-

Arlanges

Agesilan &

Florisel

Filisel

Rogel

Sylves

Kapitel

Tabelle 3: (fortgesetzt)

Kriegshandlung

26 27 28 29 30 Einführung von Penthasilea

31 32 33 34

Auftritt der magischen Helfer

35 36

Hinweis auf Sylves-Handlung am Kapitelende

37 38 39 40 41

Liebeshandlung Sylves & Penthasilea

42

Sylves: erste ritterliche Bewährung

43 44 45 46 47

Erzählmuster ,Furchteinflößende Ankunft‘

48

Liebeshandlung

49

Vermiedenes Duell Vater gegen Sohn

50

Eheschließungen

51

vgl. Abschnitt: Nachtrag

52

87

53

87 Versehentlich schon als Kap. 53 gezählt.

179

180

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Handlungsfaden nete Hdlg.

Übergeord-

hdlg.

Neben-

Arlanges

Agesilan &

Florisel

Filisel

Rogel

Sylves

Kapitel

Tabelle 3: (fortgesetzt)

Kriegshandlung

54 55 56

Eheschließungen

57

Cliffhanger

Der letzte Band (1551) von Feliciano de Silva zielte wohl darauf ab, die Serie zu einem Ende zu führen.88 Allerdings kam er zu spät. Denn zuvor war bereits Pedro de Luján mit seinem Buch (1546) in die Lücke gestoßen, die sich seit Silvas Fortsetzung von 1535 aufgetan hatte.89 Silvas Abschluss ist danach offenbar nicht mehr zur Kenntnis genommen worden, von einer Übersetzung wurde er ausgenommen. Doch lassen sich Spuren von Silvas Konzept noch bis in die deutsche Übersetzung hinein aufspüren: Im Cliffhanger-Kapitel von Buch XII sprechen die wohlmeinenden Zauberer Urganda und Alquif zwei bedrohliche Prophezeiungen aus, die auf Handlung vorausweisen, die Silva für seinen letzten Teil, Segvndo Libro De la quarta parte de la Choronica del excelentissimo Principe don Florisel de Niquea, vorgesehen hatte. In der sich anschließenden Erläuterung der Prophezeiungen wird nun interessanterweise an der spanischen Bandzählung festgehalten, die doch längst aufgegeben worden war: Ab diesen Propheceyen vnnd Weissagungen entsetzeten sich sehr die Printzen alle / dann sie dieselbige nicht verstehn kondten / Gott geb / was fleiß sie frwendeten. So kondte man sie auch nicht verstehn so lang vnnd viel / biß sie inns werck versetzt wurdē. Die erste wurd verstanden von dem Frewlin Fortuna / die ander aber von dem dritten Amadis / welcher ein Son war deß frtrefflichē Agesilani / vnd d’ Princessin Diane / von welchem in dem vierdtē theil dieser grossen Historiē weitleufftige meldung gethō wird […].90

88 Vgl. José Julio Martín Romero: Florisel de Niquea (cuarta parte, libro II) de Feliciano de Silva (Salamanca, Andrés de Portonaris, 1551). Guía de Lectura. Alcalá de Henares 2005 (Guías de lectura caballeresca 53, 2), S. 7. 89 Dem letzten Teil des Florisel de Niquea lässt sich entnehmen, dass Silva Lujáns Silves de la Selva offenbar zur Kenntnis genommen hatte; vgl. Isabel Romero Tabares: Silves de la Selva (Sevilla, Dominico de Robertis, 1546). Guía de lectura. Alcalá de Henares 2004 (Guías de lectura caballeresca 46), S. 7. 90 Amadis XII, S. 1435 f.; Hervorhebung von mir.  

7.3 Buch XIII

181

Diesen vierten Teil hat es in der deutschen Serie nie gegeben. Von gewissen Unabgestimmtheiten abgesehen, handelt es sich bei Buch XIII aber um eine überaus gewissenhafte Fortsetzung, die den Beweis dafür erbringt, dass der Amadisroman jederzeit und mühelos fortgeschrieben werden kann – auch dann, wenn der letzte Autor die Feder noch gar nicht aus der Hand gelegt hat.

Erzähleinheiten Die übergeordnete Handlung im dreizehnten Band stellt ein Krieg dar, der im Cliffhanger-Kapitel von Buch XII angekündigt worden war: Zwölf Zwerge bringen die Kriegserklärung des russischen Königs Bruzarte – der später allerdings Balthasar heißt – und seiner Verbündeten an den Hof zu Constantinopel. An diesen Schluss knüpft Buch XIII eng an, indem die Kriegshandlung gleich zu Beginn aufgegriffen wird. Doch setzt sie dann fürs Erste wieder aus und es folgen die üblichen Ritter- und Liebesabenteuer mit wechselnden Protagonisten – nur vom ausgewiesenen Titelhelden Sylves ist noch nicht sehr viel zu sehen. Ungefähr ab der Mitte des Bandes wird die Erzähleinheit ,Heidenkrieg‘ fortgesetzt und bestimmt ihn nun bis fast zum Schluss. Treten (etwa in den überreichlichen Duellen) einzelne Protagonisten (wie der Stammvater Amadis) stärker hervor, so spielt sich das Kriegsgeschehen doch auf der übergreifenden Ebene der Amadisritterschaft ab. Dass es als wichtig erkannt worden ist, Handlungsabschnitte miteinander zu verschränken, zeigt folgender Erzählerkommentar am Ende von Kap. 36, der noch deutlich vor Abschluss der Erzähleinheit ,Heidenkrieg‘ Lesererwartungen schürt: De nun mehr zeit were den Edlen Jngling Syluem vom Waldt fr vns nemen / vnnd folgents die wunderbarliche Geburt beyder Printz Amadis von Astra v Spheramūd welches dann gleich nach dem außgefhrtem Krieg geschehen sol / rc.91

Wenige Kapitel später und wieder am Kapitelende – der bevorzugten Position für spannungserzeugende Ankündigungen – folgt ein neuerlicher und konkreterer Hinweis auf Sylves,92 dessen Handlung danach endlich (etwas) Fahrt aufnimmt.

91 Amadis XIII, fol. 144v. 92 Amadis XIII, fol. 172vf.

182

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Umschreibung von Erzähleinheiten Fühlen sich die Autoren des Amadisromans den in den Text eingeschriebenen Vorgaben ihres Vorgängers einerseits auch sehr verpflichtet, verfügen sie andererseits über einen gewissen Handlungsspielraum, den sie gelegentlich auch auszunutzen wissen. So im folgenden Fall einer Erzähleinheit, die fortgeführt werden kann, nachdem sie minimal umgeschrieben worden ist: Band XII erzählt vom Liebesverhältnis zwischen Filisel93 und Marfira, das Letztere aus nicht ersichtlichen Gründen beendet.94 Ein für den Amadisroman recht unbefriedigendes Ende, das den aufmerksamen Serienfortsetzer tatsächlich zur produktiven Bearbeitung herauszufordern scheint.95 Bereits nach wenigen Kapiteln wird die Liebeshandlung in Buch XIII wieder aufgenommen: Eine Jungfrau wirbt am Hof um die Hilfe eines Ritters, der mittels einer der typischen Proben ausgewählt werden soll. Nur er kann sich einen Helm „von wegen grosser Mannheit auff sein Haupt setzen“96. Bevor die Probe stattfindet, werden die Ereignisse für den Leser in einem exkursartigen Passus eingeordnet: Nun mehr gnstiger Leser / vnnd der geschichten Liebhaber / wirdt die Histori / bemeldte Jungfraw / beneben jrer ankunfft verursachung / erklrē. Jn dē eilfftē Theil gegenwertiger grossen vnd weitleufftigen Cronicken / ist allbereit angezogen worden / wie eine Jungfraw in die Jnsel Guindayam ankoen / vnd beystandt gefordert hab / gegen vnnd wider einen Ritter / der sie von vnd auß jrem Vtterlichen Erb vertriben vnd verjaget hatte / welche Gter vnter der Herrschafft vnnd Gebiete deß Hertzogen von Athen legen / darauff / vnd jhr zu willfahren / Rogel von Griechen / vnnd Filisel von Montespin / zugleich mit obgenannter Jungfrawen gezogen weren / vnd wie Filisel gegen der schnen Marfire in Lieb gerahten seye. Mit welcher er auch seines willen gepfleget / doch letzlich solcher gestalt von jhr tractieret vnnd hindergangen / daß er in grossem trawren vnnd halber Verzweifflung gen Constantinopel widerkehret were. Hernacher thut vnser Cronicus meldung / demnach Filisel von Athen entwichen / seye Marfire in solchen vnwillen gerahten / dieweil sie jhn so vbel vnnd hart gehalten / daß sie auch jhrem Leydt vnd Trawren zuvor kommen / jhr den Todt gewnschet […].97

93 Es wird auch die Namensform ,Filistel‘ verwendet. 94 Vgl. Amadis XII, Kap. 12–16, Kap. 26, Kap. 60. 95 Silva scheint die Erzähleinheit in seinem letzten Band allerdings nicht fortgeführt zu haben, was für meine Argumentation aber nicht erheblich ist; vgl. die Lektürehilfen: Pilar Villaverde Embid: Florisel de Niquea (Cuarta Parte, Libro 1). Guía de Lectura. Alcalá de Henares 2002; Martín Romero (Anm. 88). 96 Amadis XIII, fol. 16v. 97 Amadis XIII, fol. 16vf.

7.3 Buch XIII

183

Der Einschub setzt sich fort: Marfiras Kammerjungfrau Cardonia will Abhilfe schaffen und stellt den Kontakt zu einer zauberkundigen Base her, welche die List mit den Helm ersinnt, mit dem Cardonia dann am Hof erscheint. Und natürlich ist nur Filisel in der Lage, den Helm aufzuziehen.98 Abgesehen von einer versehentlichen Zuordnung in den elften statt zwölften Band überzeugt das Verfahren durchaus: Mit der Leseransprache wird das aktuelle Geschehen unterbrochen und dann eine Erzähleinheit summarisch wiedergegeben, die mittels eines metadiskursiven Verweises innerhalb der Serie (falsch) verortet wird. Eine kurze, formelhafte Vorlagenberufung („Hernacher thut vnser Cronicus meldung […]“) leitet die vorsichtige Modifizierung der Erzähleinheit ein – schließlich war im vorhergehenden Band keine Rede von Marfiras Reue –, die anschließend störungsfrei fortgesponnen werden kann.99

Parallelführung von Handlungsfäden Ein paralleles Erzählen von Handlungsfäden weist der dreizehnte Band eigentlich nur in seiner ersten Hälfte auf. Danach laufen alle Erzählstränge in der übergeordneten Kriegshandlung zusammen. Am Ende des Bandes steht Rogel im Mittelpunkt, dessen Liebesabenteuer Konfliktpotenzial schüren.100 Buch XIII verhält sich insgesamt sehr ,regelgerecht‘: Der Wechsel des Handlungsfadens erfolgt immer am Ende eines Kapitels und wird immer markiert. Ausgenommen sind die Fälle, in denen sich der neue Handlungsfaden aus dem vorigen entwickelt; so beispielsweise beim Einschub der Brianges-Handlung (Kap. 14): Brianges trennt sich von seinem Waffenbruder Rogel, worauf der Erzähler seinen Handlungsfaden für einen Moment weiterverfolgt, bevor er zu Rogel zurückkehrt. Das Abenteuer dieser Nebenfigur ist übrigens auf Rogel hin angelegt, da Brianges in Gefangenschaft gerät und von Rogel befreit wird – oder besser gesagt: Brianges gerät in Gefangenschaft, um von Rogel befreit werden zu können. Insofern kann der Handlungsfaden ,Brianges‘ ohnehin nur als bedingt selbstständig angesehen werden.

98 Vgl. Amadis XIII, fol. 18v, fol. 21r. 99 Die Handlung wird nicht als ,klassische Liebesgeschichte‘ fortgeführt, sondern als amouröses Abenteuer; nachdem dieses ,bestanden‘ ist, kehrt Filisel nach Constantinopel zurück. Übrigens könnte es dem Autor ausschließlich darum gegangen zu sein, die Filisel-Marfira-Handlung zu reparieren, denn Buch XIII weist nur eine einzige Chronikfiktion auf, deren Zweck es zu sein scheint, den Handlungsfaden ,Filisel‘ auf dieses Abenteuer zu beschränken; vgl. Amadis XIII, fol. 53r. 100 Vgl. Amadis XIII, fol. 239r.

184

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Mit dem Wechsel des Handlungsfadens gehen die üblichen Wiederholungen einher. Dabei handelt es sich gerade zu Beginn mehrfach um metadiskursive Verweise auf die zurückliegenden Bände,101 da man um die engste Anbindung der Fortsetzung bemüht ist. An den Kapiteleingängen finden sich regelmäßig wiederholende und den Anschluss sichernde Textelemente. Von kleineren Ungenauigkeiten und wenigen voraussetzungsreicheren Passagen abgesehen, wird der Leser also sehr behutsam durch die Geschichte geführt. Der Wechsel der Handlungsfäden mit einem Minicliff ist offenbar nicht vorgesehen,102 denn wie üblich werden die Helden in der aktionsleeren Zeitspanne der Reise zu einem Abenteuer verlassen.103 Nur mehr oder minder spannungserzeugende Ankündigungen auf das unmittelbar folgende Kapitel finden sich gelegentlich: „Als er aber auß einem Wirbel sich herausser gezogen / geriethe er in einen ander / wie jhr jetzunder vernemmen werdet / rc.“104

Nachtrag Die Möglichkeit, ganze Handlungsabschnitte (im Figurenbericht) nachträglich einzuspielen, wird von Buch XIII in einem sehr prägnanten Fall genutzt, der hier umfassend wiedergegeben werden soll: Genau genommen wird die in Frage stehende Episode in Kap. 20 angekündigt105 und dann gleich zweimal nachgetragen: das erste und nicht besonders gelungene Mal in Kap. 39 durch den Erzähler,

101 Vgl. Amadis XIII, fol. 1r, fol. 7v, fol. 24v, fol. 32r, fol. 89r. 102 Ein Minicliff findet sich allenfalls am Schluss von Kap. 14: Der Brianges-Strang wird unterbrochen, als sich dieser gemeinsam mit einer Jungfrau in Gefangenschaft eines grässlichen Riesen befindet: „Allda wir sie biß zu jrer erledigung wllen leyden lassen / v den Printzen Rogel widerumb vor vns nemen / zuhren / was jhme mit den Kniglichen Frwlein auß Persen / auff jhrer Reyß begegnet seye / rc.“ Amadis XIII, fol. 48v. 103 Vgl. z. B. Amadis XIII, fol. 21vf., fol. 52r. 104 Amadis XIII, fol. 84; vgl außerdem fol. 57v. Auffällig ist die Ankündigung auf fol. 204r: Sylves reitet mit seiner Dame in den Wald, „ein handel außzurichten / welchen sie beschlossen / vnd jr als baldt hren werdet“. Im nächsten Kapitel wird die Gesellschaft der Amadisritter von zwei unbekannten Rittern herausgefordert. Wie sich herausstellt, handelt es sich dabei eben um Sylves und Penthasilea, was der Leser sicherlich ahnen kann, ihm aber nicht ausdrücklich mitgeteilt wird. Vgl. den ähnlich gelagerten Schluss von Kap. 45: Hier wird ein Heer „ohne einige Feldzeichen / noch gezeichneten Fhnlein“ (fol. 188r) erwähnt, dass sich – so wird betont – zu keiner Seite schlagen will. Dieser Hinweis wird im folgenden Kapitel wieder aufgegriffen und die vorenthaltene Information nachgetragen. 105 Vgl. Amadis XIII, fol. 73v; hier ist auch von einem Briefwechsel die Rede, der aber nirgendwo aufzutauchen scheint.  

7.3 Buch XIII

185

der einen beliebigen Auftritt von Rogel und seinem Waffenbruder Brianges für folgenden Einschub nutzt: Also machten sich beyde Printzen wider in Pallast / vnd meldet der Historicus Galersis / dz sie sich anders nit als leibliche Gebrder lieb vnd wehrt gehalten / von wegen jhrer manigfaltigen vnnd schweren Reysen / die sie smptlich verricht / vnnd bevorab inn der letzten / Jn welcher jn Rogel auß deß Riesen schweren Gefngnuß erlediget / der jn durch seinē Knecht im Schloß / im besten Kampff vbereylen v greiffen lassen / wie jr droben nach der leng vernommen habt. Welches Galersis wol eyngestelt / aber doch nit gntzlich in vergeß gestellet hat / nach außgang dieses Kriegs / der jhn von wegen der Moren getrieben / mit erzehlung der Knigin auß Galdap beschwngerung / die gleicher gestalt vō Rogeln erlediget worden / vnnd seiner Holdschafft ein zeitlang gepfleget / wie da solches das Werck selbst bewiesen / vnd die schne Knigin verhindert / daß sie nicht selbst in Griechenland mit jhrem Volck ankommen mocht / welches sie derhalben zu der Knigin Sidonia Hauffen schlagen liesse. Darmit wir aber vnserer Amazonen nicht gar vergessen […].106

Während zunächst der Eindruck entsteht, es werde bereits Bekanntes wiederholt („wie jr droben nach der leng vernommen habt“), zeigt sich bald, dass die Episode übersprungen worden ist und „nach außgang dieses Kriegs“ nachgetragen werden soll. Die Art und Weise, wie dies zwölf Kapitel später geschieht, erscheint ganz ungewöhnlich kunstvoll: Nach dem Krieg muss Rogel seinem Versprechen nachkommen und zum „Soldan auß Persin“107 zurückkehren, der in dem Prinzen – und das nicht grundlos – schon den künftigen Schwiegersohn und Nachfolger sieht. Amadis kennt den unsteten Charakter Rogels und beraumt schnell die Hochzeit mit Leonida an, was Rogel aber nicht am Aufbruch hindern kann. Sein Unterwegs-Sein wird für die Einschaltung des Nachtrags genutzt: Wllen jhn derhalben mit gutem Windt seglen lassen / vnd mitlerweil das frlich angefangen wesen zu Constantinopel vollends beschreiben. Eins tags aber / als sie Rogels verrheysens beneben seinen Mannlichen vnd Ritterlichen Thaten ingedenck waren / bezeugete auch d’ Printz Brianges / wie er sich in jrer letzten Rheyß gehalten / dessen sich jedermenniglich verwunderte […].108

In direkter Rede erzählt Brianges nun von den Abenteuern Rogels. Brianges tritt zwar als Ich-Erzähler auf, doch steht eigentlich Rogel im Zentrum dieses Berichts. Das bringt ein erzähllogisches Problem mit sich, weil Brianges nicht zu jedem

106 Amadis XIII, fol. 160rf. 107 Amadis XIII, fol. 208v. 108 Amadis XIII, fol. 212vf.

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7 Mittlere Ebene: Einzelband

Zeitpunkt anwesend war, was im Text selbst berührt wird. Brianges fordert nämlich Königin Sidonia auf, das Wort zu ergreifen: Das vberig / sagt Brianges sich gegen jhr wendend / knnen Euwer Lieb wol selbsten erzehlen / als die persnlich zugegen gewesen / ich aber solchs allein auß dero Munde vernommen habe / sie entschldiget sichs aber dieweil es Streitsachen / vnnd nicht jhres thuns were / derohalben er fortfuhr.109

Dass Sidonia hier ablehnt, später aber doch noch einen Teil der Geschichte beiträgt, hat wohl den Grund, dass ihre noch unerfüllte Liebe zu Florisel thematisiert wird und sie nicht selbst darüber berichten kann. Kap. 53 setzt den langen Nachtrag fort, doch wird die Figurenperspektive aufgegeben: „Vor gegenwertigkeit aber deß Frawenzimmers (sagt Galersis) wolt Brianges auß Boecia die Holdschafft der schnen Knigin von Galdap vnnd Rogels nicht vermelden […].“110 Nachdem auch diese heikle Episode nachgetragen worden ist, springt die Erzählung mit einer ausdrücklichen Markierung in die ,Jetztzeit‘ der Romanhandlung zurück – zu Rogel, der sich nach wie vor auf dem Weg zum nächsten amourösen Abenteuer befindet.111 Recht ambitioniert gestaltet der Autor/Bearbeiter hier einen Abschnitt mit wechselnden Erzählinstanzen, allerdings lässt sich unschwer erkennen, dass ihm die Organisation unterschiedlicher Wissensstände – insbesondere die Entscheidung, was dem Leser wann mitgeteilt werden muss – trotzdem einige Schwierigkeiten bereitet hat. Auch wenn es sich um einen Einzelfall handelt, stellen solche Versuche eine Alternative zum parallelen Erzählen dar. Sie eignen sich weniger um Gleichzeitigkeit zu inszenieren, verweisen aber mit Nachdruck auf eine komplexe Zeitstruktur und das Nebeneinander der Spielorte.

Vervielfältigung der Figuren Wie an anderer Stelle festgestellt worden war, zählt der Titel von Buch XIII eine ganze Reihe von Protagonisten auf. Zwar wird Sylves, der uneheliche Sohn des zweiten Amadis, an erster Stelle genannt, doch zeigt bereits ein flüchtiger Blick auf die Kapitelstruktur, dass diese Reihenfolge nicht mit den Handlungsanteilen übereinstimmt.112 Tatsächlich entfallen die meisten Handlungsanteile auf

109 Amadis XIII, fol. 214v. 110 Amadis XIII, fol. 217v. 111 Vgl. Amadis XIII, fol. 221v. 112 Berücksichtigt werden muss hier, dass Band XIII und XIV auf einem spanischen Doppelband beruhen und Sylves im zweiten Teil tatsächlich eine bedeutendere Rolle spielt. Trotzdem darf

7.3 Buch XIII

187

Rogel, Filisel ist jenseits der Kriegshandlung immerhin mit einem eigenen Abenteuer vertreten (Kap. 5 f. und 16 f.). Die Sylves-Handlung dagegen geht über die ersten Schritte nicht hinaus: Geburt und Kindheit (Kap. 8–10), Aufnahme am Hof (Kap. 21), Erwählung einer Dame, nämlich die Amazone Penthasilea (Kap. 41), erste Beweise der ritterlichen Kampfkraft (Kap. 42 f.). In Kap. 49 folgt eine Standardszene der Etablierung eines neuen Helden. Ohne sich zu erkennen zu geben, fordert Sylves (gemeinsam mit Penthasilea) die gesamte Ritterschaft zum Duell heraus und schlägt sich erwartungsgemäß: „Was darff ichs aber verlngerē / Birmartes warde auch abgestochē / nach jm Balthasar von Tharsis / folgends Artoxerxes / Florarlan / Anastarax / v krtzlich auf viertzig bewehrte Ritter.“113 Bezeichnenderweise stellt sich Sylves dann aber nicht dem eigenen Vater, sondern enthüllt seine Identität, bevor es zum Aufeinandertreffen der Generationen kommt. Zwar werden Kämpfe zwischen Vater und Sohn häufig von außen geschieden und eben nicht entschieden, dennoch findet der Nachweis der Gleich- oder Höherwertigkeit hier nicht statt. Insgesamt erscheint Band XIII damit als ein Übergangsband, der eng an das Vorhergehende anschließt,114 es fortsetzt und sich nur peu à peu einer neuen Figur zuwendet.  





Metadiskursive Verweise Wie schon anklang, ist Buch XIII spürbar um Übersichtlichkeit bemüht.115 Vor allem metadiskursive Verweise sind in diesem ,Übergangsband‘ in Hülle und Fülle vorhanden. In den ersten Kapiteln werden Handlungsfäden des vorhergehenden Bandes aufgenommen. Dazu sind längere Wiederholungen nötig, die mit metadiskursiven Verweisen versehen sind.116 In der Mitte des Bandes scheinen die Verweise dagegen keinen anderen Zweck zu haben, als die serielle Erzählform zu betonen;117 ein Beispiel: Agesilan und Rogel werden im Rahmen der übergeordneten Kriegshandlung für ein Duell gegen zwei riesenhafte Gegner folgendermaßen gerüstet:

festgehalten werden, dass ein Nebeneinander von Protagonisten vorliegt, welches die Identifizierung des Helden erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. 113 Amadis XIII, fol. 207v. 114 Hierzu dürfte sich auch die starke Betonung des Stammvaters Amadis fügen. 115 Vgl. z. B. einen genealogischen Überblick (Amadis XIII, fol. 74v) oder Auflistungen im Rahmen der Kriegshandlung (fol. 13rf., fol. 88rf., fol. 113rff.). 116 Vgl. Amadis XIII, fol. 1r, fol. 7v, fol. 16vf., fol. 24vf., fol. 32rf. 117 Vgl. Amadis XIII, fol. 131v, fol. 134r, fol. 165r.  

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7 Mittlere Ebene: Einzelband

Keyser Lisuartus Diamantinen Helmlein wurde Agesilan vberantwortet / welches / wie im siebenden theil dieser History beschrieben worden / beyneben seiner Kstligheit / vnnd hohem werth / vieler Tugent mchtig war. Rogel aber wurde ein anders zugestellet / Eben so gut als das vorige / welches Keyser Esplandian / auff dē Felsen der bezauberten Jungfrauwen erobert hatte / wie jr gleichfals im fnfften Buch vernommen habt.118

Dieser weite Rückgriff macht einerseits auf den großen Zusammenhang der Serie aufmerksam und stellt die beiden Ritter andererseits als legitime Nachfolger in die Reihe der Helden. Darauf scheint es anzukommen, denn die funktionale Bedeutung der magischen Hilfsmittel wird kleingeredet: Die Ryesen schlugen aber so schrecklich vngehewer darein / das wo si nur ein mahl vnsere gute Ritter erreichet / hette weder die gute jhrer Harnisch / noch die bezauberte Helmlein verhindern knnen / daß sie nicht inn tausent stcke zerquetzet wurden.119

Stattdessen wird die Überlegenheit der Amadisritter im ungleichen Kampf wie üblich auf ihre Geschwindigkeit und Geschicklichkeit („als ob sie Vgel gewesen“120) zurückgeführt. Mit solchen Verweisen stellt der Autor/Bearbeiter von Buch XIII seine detaillierte Kenntnis der Serie unter Beweis, akzentuiert die Konsistenz der Romanwelt, lässt natürlich auch den Leser in den Genuss des Wiedererkennens kommen und weist ihn dezidiert darauf hin, dass die Geschichte die Grenzen des vorliegenden Bandes weit überschreitet. Gegen Ende von Buch XIII werden schließlich Ankündigungen für den kommenden Band getroffen – sie zielen auf das Auftreten neuer Helden121 und eine bestimmte Liebeshandlung122 ab – und die Möglichkeiten des metadiskursiven Verweises damit voll ausgeschöpft.

118 119 120 121 122

Amadis XIII, fol. 105rf. Amadis XIII, fol. 106vf. Amadis XIII, fol. 107r. Vgl. Amadis XIII, fol. S.221v, fol. 241v. Vgl. Amadis XIII, fol. 250r.

7.4 Buch XVI

7.4 Buch XVI

Nebenhdlg.

Astrapole

Fortunian

Argantes

vom Gestirn

mondt Amadis

Sphera-

Kapitel

Tabelle 4: Kapitelstruktur von Bd. XVI. Handlungsfaden Betrugshandlung magisches Abenteuer

1 2

Liebeshandlung

3

Cliffhanger-Handlung

4 5 6 7

(Erzählmuster ,Verlust der Helden in früher Kindheit‘)

8 9 10 11 12 13 14

Auftritt Spheramondt & Amadis vom Gestirn

15 16 17 18 19

Figurenbericht der Königin von Galdax

20 21 22 23 24123 25 26

123 Kapitel ohne Nummerierung.

Krieg gegen das russische Bündnis

189

190

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Handlungsfaden

Nebenhdlg.

Astrapole

Fortunian

Argantes

vom Gestirn

mondt Amadis

Sphera-

Kapitel

Tabelle 4: (fortgesetzt)

Betrugshandlung magisches Abenteuer

27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

Inszenierung von Gleichzeitigkeit

40 41 42 43 44 45 Nebenhdlg. Arlantes & Florenius 46 47124 48 49

Befreiung von Amadis und Esplandian

50 51 52 53

Befreiung von Rogel

54

124 Versehentlich erneut als Kap. 46 gezählt.

7.4 Buch XVI

191

Nebenhdlg.

Astrapole

Fortunian

Argantes

vom Gestirn

mondt Amadis

Sphera-

Kapitel

Tabelle 4: (fortgesetzt) Handlungsfaden Betrugshandlung magisches Abenteuer

55

Nebenhdlg. Dardan & Lindamart

56

Perspektive Richardas und Rosalinas

57 58 59 60 61 62

mehrstufiges Turnier

63 65125 66 67 68 69 70

Cliffhanger-Handlung

71

In Italien geht man ab 1558 mit ,Sferamundi di Grecia‘ zur siebten Generation von Amadisrittern über, deren Abenteuer Mambrino Roseo auf ganze sechs Bände ausdehnt. Das Verbreitern der Geschichte scheint Roseos generelle Stoßrichtung zu sein, wie seine Supplementbände bezeugen. Welche Auswirkungen das auf die narrative Gestaltung haben könnte, soll im Folgenden betrachtet werden.

Erzähleinheiten Übergeordnete Erzähleinheiten im Sinne einer Zusammenführung mehrerer Handlungsfäden weist Buch XVI so gut wie gar nicht auf. Diese Beobachtung fügt sich

125 Kap. 64 wurde in der Zählung übersprungen.

192

7 Mittlere Ebene: Einzelband

zum Bild einer ausgewalzten Handlung, die ihre Kulminationspunkte auf sechs Bände verteilen muss. So wird im sechzehnten Band zwar auf eine entsprechende Erzähleinheit (Absage der persischen Kaiserin Persea126 an den Schwerenöter Rogel wegen seines Treuebruchs), die im vorangehenden Buch XIV (!) angelegt worden war,127 angespielt,128 ihre eigentliche Fortführung aber bis auf Buch XIX aufgespart.129 Neben dieser Handlung werden zwei weitere Erzähleinheiten des vierzehnten Bandes aufgenommen:130 Im Figurenbericht der Königin von Galdax – und deshalb ohne dezidierten metadiskursiven Verweis – wird die Erinnerung an das Verschwinden des Stammvaters Amadis und seines Sohnes Esplandian131 sowie an den Krieg des russischen Königs gegen die zur Amadis-Sippe gehörende Sidonia132 aufgefrischt. Aus diesen beiden, die Bandgrenzen überschreitenden Erzähleinheiten macht der italienische Autor aber ausgesprochen wenig. Im unmittelbaren Anschluss an den Figurenbericht und in wenigen Kapiteln werden die Russen zurückgetrieben;133 die Befreiung von Amadis und Esplandian erfolgt eher zufällig und nebenbei.134 Insgesamt stellt sich damit der Eindruck ein, dass der Band auf den Einzelhelden abstellt, dessen Abenteuerfahrt sich problemlos dehnen lassen sollte, während große Szenen unter Aufbietung des versammelten Figurenpersonals zunächst aufgeschoben werden. So bleibt auch die komplexeste Erzähleinheit von Buch XVI auf die Hauptfiguren Spheramondt135 und Amadis vom Gestirn beschränkt: Ihr großes magisches Abenteuer wird gleich zu Anfang des Bandes

126 Auch Namensform ,Persia‘. 127 Vgl. Amadis XIV, Kap. 73. 128 Vgl. Amadis XVI, Kap. 19, S. 496 f. u. Kap. 53, S. 1166. 129 Weitere Hinweise auf die Kriegshandlung in den Bänden XVII und XVIII sind möglich und wahrscheinlich, doch erst in Amadis XIX wird die Erzähleinheit wieder aufgenommen und fortgeführt (Kap. 4 ff.), erfolgen die eigentlichen Schlachtszenen (Kap. 57 ff.) und der Friedensschluss, der mit der Vermählung von Persea und Rogel besiegelt wird (Kap. 99 ff.). 130 Vgl. Amadis XVI, Kap. 19. 131 Vgl. Amadis XIV, Kap. 72. 132 Vgl. Amadis XIV, Kap. 63. 133 Vgl. Amadis XVI, Kap. 20–22/23. Zwar greifen neben den Hauptfiguren Spheramondt und Amadis auch die Nebenfiguren Anaxartes, Arlantes, Florenius, Dardan und Lindamart in das Kriegsgeschehen ein (vgl. S. 536 ff.), dennoch handelt es sich weniger um eine zentrale Erzähleinheit des Bandes. 134 Vgl. Amadis XVI, Kap. 49. 135 Dieser Name liegt in diversen Formen vor: Spheramondt, Spheramond, Spheramonde, Sferamond, Spheramund etc. Ich verwende die Schreibweise, die (leicht) zu überwiegen scheint: ‚Spheramondt‘.  









7.4 Buch XVI

193

vorbereitet,136 ein Spannungsaufbau lässt sich allerdings nicht verzeichnen. Die Erzähleinheit wird dann in Kap. 24 fortgesetzt137 und mit einem novellenartigen Figurenbericht eingeleitet, der sich über zwei Kapitel erstreckt;138 wieder bleibt der eigentliche Beginn der Handlung aber aus. In den Kap. 35–42/43 schließlich vollendet jeder der beiden Prinzen seinen Part des magischen Abenteuers. Strukturgebend wirkt diese ausgedehnte Episode allenfalls in Ansätzen – zumal es sich um ein eher beliebiges Abenteuer handelt. Ein gewisser Zusammenhang zwischen den Handlungsfäden wird erstaunlicherweise über eine Randfigur gestiftet, über einen Betrüger, der den Helden ihre Pferde und/oder Waffen stiehlt – eine Betrugshandlung, wie sie in vergleichbarer Form auch in anderen Bänden auftaucht.139 Als Erstes geraten in Kap. 23 Spheramondt und Amadis in die Hände des ,Erzbetrügers‘, der seinem Handwerk vorgeblich mit einer guten Absicht nachgeht: Von ihm ,belehrt‘ sollen sich die Ritter zukünftig vorsichtiger verhalten, beispielsweise Hilfsgesuchen nicht mehr vorschnell nachkommen, sondern sie kritisch hinterfragen. Dieser Gedanke steht in einem offenkundigen Missverhältnis zum grundsätzlichen Abenteuer-Mechanismus der Romanwelt. In Kap. 45 sind es die Nebenfiguren Arlantes und Florenius, die in die Falle des Erzbetrügers tappen. Im Unterschied zu Spheramondt und Amadis können sie sich schließlich sogar an ihm rächen. In Kap. 55 gehen ihm schließlich die Nebenfiguren Dardan und Lindamart ins Garn. Bemerkenswerterweise zielt die Überleitung zur Nebenhandlung ,Dardan & Lindamart‘ auch nicht auf die beiden Ritter, sondern auf die randständige, aber markante Figur des Erzbetrügers ab.140 Eigentlich will es ganz gut zu Band XVI passen, dass seine auffälligste Gegnerfigur kein großer Widersacher und Kriegsherr ist, der mehrere Handlungsfäden vereint, sondern ein kleiner Störenfried, der dafür in mehreren Handlungsfäden präsent ist.

Parallelführung von Handlungsfäden Buch XVI lässt eine Zweiteilung erkennen: In der ersten Hälfte wechseln sich vier Handlungsfäden regelmäßig ab; im zweiten Teil dominiert die ,Spheramondt & Amadis‘-Handlung, welche nur noch von zwei kurzen Episoden unterbrochen

136 Vgl. Amadis XVI, Kap. 1. 137 Vgl. Amadis XVI, S. 588 ff. 138 Vgl. Amadis XVI, Kap. 25 f. 139 Vgl. z. B. Amadis VI, Kap. 34; Kopie in: Amadis XXII, Kap. 7. 140 Vgl. Amadis XVI, S. 1217 f., vgl. auch den Minicliff am Ende von Kap. 45, S. 1005, der bereits eine Fortsetzung der Betrugshandlung ankündigt.  







194

7 Mittlere Ebene: Einzelband

wird, die zudem eindeutig der Nebenhandlung zuzuordnen sind. Nun unternehmen die beiden Ritter erstmals auch getrennt voneinander Abenteuer, was mit einer auffallenden Inszenierung von Gleichzeitigkeit einhergeht. Im Verlaufe dieser zweiten Hälfte rückt Spheramondt dann immer weiter in den Mittelpunkt des Geschehens. Die Wechsel zwischen den Handlungssträngen fallen üblicherweise mit dem Übergang zum nächsten Kapitel141 zusammen und werden auf bewährte Art und Weise durchgeführt: Formelhafte Überleitungen stehen am Ende eines Kapitels,142 zu Beginn des folgenden wird der Anschluss meist nur durch eine knappe Wiederaufnahme des letzten Bildes gesichert.143 Wie üblich finden sich in einigen Fällen auch dann wiederholende Wendungen am Kapitelanfang, wenn der Handlungsfaden nicht gewechselt worden ist. In (höchstens) zwei Fällen bleibt eine Überleitung aus, was auffallend mit einem Spannungsaufbau am Kapitelende korreliert.144 So bricht die Handlung um die Nebenfiguren Arlantes und Florenius am Ende von Kap. 46 mit folgendem Minicliff ab: Da sie in derselben Jnsel anlendeten / wurden sie zu viel andern gefangenen / in erschreckliche Gefngnuß gelegt / in welcher sie jhre Tag mit hchstem Jammer ein sehr lange zeit zubringen msten.145

Fehlen überleitende Formeln, so bleibt der Handlungsfaden spürbar ,in der Luft hängen‘, was die Erlösungsbedürftigkeit der Ritter stärker akzentuiert. Zwar werden in der zweiten Hälfte von Buch XVI die Handlungsfäden kaum mehr gewechselt, doch kommt die verwandte Erzähltechnik des Perspektivwech-

141 Eine Ausnahme stellt nur der Übergang von der ,Argantes‘-Handlung zur ,Spheramondt & Amadis‘-Handlung zu Beginn von Kap. 5 dar; vgl. Amadis XVI, S. 229. Der kurze und außerdem unmarkierte Einschub von ,Amadis‘-Handlung im 35. Kapitel dient der Herausstellung von Gleichzeitigkeit und stellt einen Sonderfall im sechzehnten Band dar. In Kap. 68 liegt der Fokus auf Spheramondt, der zum Cliffhanger-Abenteuer aufbricht, dann kehrt die Handlung aber für einen Moment zu Amadis vom Gestirn zurück und zeigt auch ihn im Aufbruch (vgl. S. 1470), bevor sie sich im folgenden Kapitel wieder Spheramondt zuwendet (vgl. S. 1475). 142 Vgl. Amadis XVI, S. 59, S. 271, S. 317, S. 422 f., S. 479, S. 632, S. 674, S. 762, S. 832, S. 911, S. 973, S. 1217 f., S. 1240. 143 Vgl. Amadis XVI, S. 229 f., S. 317, S. 423, S. 480, S. 633, S. 675, S. 763, S. 974, S. 1010, S. 1018, S. 1218 f., S. 1241. 144 Vgl. auch Amadis XVI, S. 1017 f. Hier wird inmitten eines aussichtslosen Gefechts zwar unvermittelt zum Handlungsstrang ,Spheramondt‘ gewechselt, die Erlösung von Amadis aber in der folgenden Kapitelüberschrift schon abgekündigt: „WJe Amadis vom Gestirn / der sich in eusserster noht sein Leben zulassen befande / von dem Ritterlichen Mahafften Printzen Spheramondt entsetzt wurde.“ Es darf wohl vermutet werden, dass die unterbrochene Kampfhandlung im Gegensatz zur Gefangennahme zur schnellen Auflösung drängt. 145 Amadis XVI, S. 1009.  









7.4 Buch XVI

195

sels zur Anwendung: Mit dem Neuansatz von Kap. 56146 wird über weite Strecken die Perspektive Richardas und Rosalinas, der Damen von Spheramondt und Amadis, eingenommen, die die Identität der Turnierteilnehmer zunächst nur erahnen können.147 Auch der Erzähler vermeidet – jedoch nicht ganz konsequent148 – die Verwendung ihrer Namen. Die Einnahme der Perspektive der Damen führt zur gesteigerten Emotionalisierung des Geschehens und trägt beträchtlich zum Spannungsaufbau bei.

Minicliffs Gerade im ersten Teil von Buch XVI, der sich ohnehin durch eine gekonnte Parallelführung der Handlungsfäden auszeichnet, wird auch mit dem Minicliff experimentiert. Zwar wird der glückliche Ausgang wie im obigen Beispiel meist schon angedeutet, trotzdem scheint der spannende Moment für den Wechsel des Handlungsfadens gezielt gesucht zu werden. Etwa in folgendem Fall:149 Argantes trägt vom Gerichtskampf, in dem er Sclarimenas Unschuld bewiesen hat, „ein sehr tdtliche Wunden auff seiner Brust“150 davon – die natürlich auch seine emotionale Beteiligung anzeigt –, weswegen ihn die Prinzessin nicht besuchen darf. Darumb sich die Edle Princessin inn jhr Kammer fget / wolt auch nicht das die angestellten Kurtzweiln vnnd Frewdenfest im Pallast jhren fortgang haben solten. Dann sagt sie / es wehre weder billich noch lblich / daß sie frlich vnnd wol zu muht sein sollte / Weil der jenig so jhr Leben vnd Ehrn zumahl errettet / in hchster gefahr stunde / dasselbig zuuerlieren. Wir wllen sie aber ein zeitlang solcher gestalt verbleiben / vnd dem verwundten Printzen seine Wunden wol heilen lassen / vnd inmittelst erzehlen / was beyden zu erst genandten jungen Ritterlichen Rittern / Spheramond v Amadis vom Gestirn / begegneten.151

Für den Amadisroman mit seinen schier unverwüstlichen Helden ist dies schon ein sehr hohes Maß an Ungewissheit. Das Unterbrechen eines Handlungsfadens

146 Amadis XVI, S. 1241: „Die History meldet / das nach dem wegscheiden beyder Newen Ritter / Spheramondts vnnd Amadis vom Gestirn / von dem Keyserlichen Houe in Parthen / beyde schne Schwestern / die Princessin Richarda / vnnd die Jnfantin Rosalina / gantz bekmmert / trawrig / vnnd vol leidts / wegen solchen schnellen wegscheidens gewesen seyen.“ 147 Vgl. z. B. Amadis XVI, S. 1265 f. 148 Vgl. z. B. Amadis XVI, S. 1275. 149 Es handelt sich übrigens um das Abenteuer, das im Cliffhanger von Buch XIV angekündigt wird. 150 Amadis XVI, S. 224. 151 Amadis XVI, S. 229.  





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auf dem Höhepunkt eines Spannungsbogens ist zwar auch in Buch XVI nicht üblich, doch immerhin findet der Übergang vielfach unmittelbar vor einem Abenteuer oder unmittelbar nach Einleitung einer Suchehandlung statt, was die Neugier auf den Fortgang des Geschehens wecken sollte, wie das nächste Beispiel zeigt: Wir wollen sie aber sich zu einem solchem gefehrlichen vorhaben (als kein Griechischer Printz nie vnderstanden) rsten lassen / vnnd derweiln erzehlen / was dem Printzen Dom Argantes / in dem Kampff begegnet / welchen er wegen der schnen Princessin Sclarimena deß Teutschē Keysers Tochter / wider ettliche Verrtherische Bßwichter hat / dauon zu endt deß vorgehenden viertzehenden Buchs / etwas gemeldet worden.152

In einigen Fällen finden sich Spannungsmomente am Kapitelende, ohne dass der Handlungsfaden gewechselt wird.153 Im Vergleich mit anderen Bänden des Amadisromans weist Buch XVI also eine hohe Aufmerksamkeit für die Systemstelle des Minicliffs auf. Dass gleichzeitig aber auch noch eine andere narrative Strategie für den Wechsel der Handlungsfäden in Gebrauch ist, zeigt folgender, augenscheinlich misslungener Übergang: wir wllen aber vilgedachten Printzen / an deß Teutschen Keysers Houe verbleiben lassen (An welchem er doch wider sein vorhaben / wegen vorgefallenen vielfltigen anstß / vnd verhinderungen / nicht so baldt anlangte) vnd in mittelst erzehlen / […]154

Mit der formelhaften Wendung „verbleiben lassen“ wird eine Situation der Entspannung aufgerufen, die herkömmlicherweise zum Wechsel genutzt wird. Gleichzeitig wird jedoch mittels unbestimmter Andeutungen eine Spannung erzeugt, die in Richtung Minicliff deutet. Beides zusammen erzeugt den deutlich wahrnehmbaren Widerspruch.

Gleichzeitigkeit Stellt sich in Buch XVI höchstens ein vager Eindruck von Gleichzeitigkeit ein,155 so gibt es eine hervorstechende Ausnahme: Schon im allerersten Kapitel war eine magische Abenteuerhandlung angelegt worden, welche – so erfahren Sphera152 153 154 155 pole

Amadis XVI, S. 59, vgl. auch S. 632, S. 973, S. 1470. Vgl. Amadis XVI, S. 351, S. 712. Amadis XVI, S. 476. Etwa in folgendem Fall: Spheramondt und Amadis treten kurz im Handlungsfaden von Astraauf (vgl. Amadis XVI, Kap. 14); an diese Begegnung wird in Kap. 19, S. 480 angeknüpft,

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mondt und Amadis in Kap. 26 – „zwo vnderscheidenliche Abentheuren“ umfasst, die „alle beyde / zu einem mahl vnnd zeit“ versucht werden müssen.156 Mit dieser komplizierten Bedingung scheint man das ansonsten wenig bedeutsame Abenteuer zur zentralen Erzähleinheit von Buch XVI bestimmen zu wollen, worauf auch Einführung gleich zu Beginn des Bandes und aufwendige Vorbereitung hindeuten. In Kap. 35 starten Spheramondt und Amadis also gleichzeitig in ihr Abenteuer, was zwar nacheinander erzählt werden muss, doch über parallele Ereignisse und Wendungen als ein Ablauf vorgestellt wird, der sich im selben Moment ereignet: Spheramondt liest eine Inschrift – eine der üblichen ,Spielanleitungen‘ – und reitet daraufhin unverzagt in die verzauberten Fluten hinein, die ihn zu verschlucken scheinen. Amadis liest und reitet direkt in die Feuersbrunst. Die Jungfrauen, die am Eingang des magischen Parcours auf die Helden warten, reagieren mit heftigem Klagen. Dies hören die beiden Prinzen und schließen daraus, dass ihr Waffenbruder an seiner Aufgabe gescheitert ist. Nach einem schnellen ,Schnitt‘ von Spheramondt auf Amadis wendet sich der Erzähler zunächst wieder Spheramondt zu, dem die Kapitel 35/36 bis 38 gewidmet sind. Bevor die Handlung zu Amadis wechselt (Kap. 39–41), wird erneut die Gleichzeitigkeit des Geschehens betont: Nachdem Spheramondt bereits eine Reihe monströser Gegner bestanden hat, gelangt er an eine weitere ,Schrifft‘: Streitbarer / vnd vber alle andere der Welt tappffere Ritter / dieweil beyde Abendtheur nicht zu vnderschiedlichen / sondern viel mehr zu einem mal / stund vnd zeit vollendet werden knnen / vnd mssen/ so wartet ein wenig / vnd passiert nicht vorber / biß jr ein grewlichen Erdbidem verneen werdt / der euch zuerkennen geben wirdt / das ewer gesell / eben in seinem vorhabē / zu seinem vortheil so weit als jhr gelanget / wann das geschehen / So mgt jhr alßdann in angefangner Abentheur / biß zu deren endtlichen vollendung fortfahren.157

Auf diese Weise erfährt Spheramondt, dass Amadis ,noch im Rennen‘ ist. Wartend lässt ihn der Erzähler zurück, um sich Amadis zuzuwenden, der von einem Boten des allgegenwärtigen Zaubererpaars ebenfalls Nachricht von seinem Waffenbruder erhält; und wieder wird der parallele Ablauf der Ereignisse hervorgehoben.158 Auch Amadis überwindet vielfältige Gefahren und trifft schließlich auf einen Ritter. Der Leser sieht sich damit vor die Frage gestellt, ob es sich um denjenigen handelt, den es zu erlösen gilt. Eine Antwort bleibt der Erzähler zu-

wodurch die ungefähre Vorstellung einer gleichzeitig ablaufenden Handlung vermittelt werden könnte. 156 Amadis XVI, S. 627. 157 Amadis XVI, S. 831. 158 Vgl. Amadis XVI, S. 848 f.  

198

7 Mittlere Ebene: Einzelband

nächst schuldig und wechselt mit folgendem Minicliff den Handlungsstrang: „Wir mssen sie aber alle beyde an diesem Ort verharren lassen / vnd zuuor erzehlen / was dem Printzen Spheramondt begegnet.“159 Zu Beginn von Kap. 42 erhält Spheramondt das angekündigte Zeichen und beendet daraufhin sein Abenteuer. Die Handlung wechselt noch einmal kurz zu Amadis, womit herausgestellt wird, dass die Ritter in ein und demselben Moment ihre Aufgabe erfüllt haben.160 Von Amadis ausgehend werden im folgenden Kap. 43 die Handlungsstränge (vorübergehend) wieder vereinigt. Der narrative Aufwand zur Inszenierung von Gleichzeitigkeit ist nicht zu verkennen. Mittels eines akustischen Signals einen Handlungsfaden in einem anderen präsent zu machen, ist ein gewitzter Einfall des italienischen Autors, der zudem mit ungewohnt schnellen Schnitten die Parallelität der Geschehnisse betont. Doch stoßen auch seine Möglichkeiten an Grenzen: Der ,Spheramondt‘Handlungsfaden wird in einem Moment des Stillstands gewechselt und im ,Amadis‘-Handlungsfaden muss ein solcher interessanterweise ,rhetorisch erzeugt‘ werden: „Wir mssen sie aber alle beyde an diesem Ort verharren lassen […]“.

Vervielfältigung der Figuren In der ersten Hälfte von Buch XVI lässt sich ein deutliches quantitatives Übergewicht zugunsten eines Handlungsfadens nicht erkennen; auch eine qualitative Hierarchisierung der Ritter zeichnet sich kaum ab. So werden die beiden Titelhelden Spheramondt und Amadis vom Gestirn nicht unterschieden, sondern immer wieder aufeinander verwiesen, etwa gleich bei ihrem ersten Abenteuer: „Der vorgemelte Schwartzknstler hette jhr angezeigt / sie mste alle beyde Printzen mitbringen / dann es also erfordert were / vnd kndt einer ohne den andern nichts außrichten.“161 Nur in einem Fall wird eine dezidierte Unterscheidung vorgenommen: Fortunian (und nicht etwa Amadis) rangiert direkt hinter Spheramondt.162 In dieses Bild passt, dass sich in Buch XVI kein Abenteuer nach dem Muster der ,Liebesprobe‘ findet (vgl. hierzu Kap. 8.4), das die Ritter der Romanwelt in eine feste Rangordnung bringt. Im zweiten Teil des Bandes kristallisiert sich dann allerdings allmählich heraus, dass Spheramondt als eigentliche Hauptfigur zu verstehen ist – und zwar quantitativ und qualitativ. Ihm fallen die typischen Erlösungsabenteuer zu: Erst 159 160 161 162

Amadis XVI, S. 911. Vgl. Amadis XVI, S. 930. Amadis XVI, S. 51. Vgl. Amadis XVI, S. 741.

7.4 Buch XVI

199

befreit er in Kap. 49 den Stammvater Amadis und dessen Sohn Esplandian, dann in Kap. 53 seinen Vater Rogel, den er bei dieser Gelegenheit übrigens wegen seines unsteten Lebenswandels verweist. Damit ist der Grundtenor der italienischen Bände in nuce artikuliert, die merklich um eine Distanzierung von den spanischen Fortsetzungen bemüht sind. Im mehrstufigen Turnier am Ende des Bandes (Kap. 57–67) stiehlt Spheramondt Amadis eindeutig die Schau; auch in der Figurenperspektive wird ein Unterschied zwischen den beiden Rittern angedeutet.163 Diesen herauszustellen, wird denn auch die Intention der italienischen Vorlage gewesen sein, die ausschließlich „Sferamundi“164 aufs Titelblatt hebt. In der französischen Bearbeitung dürfte der Titel geändert worden sein, um der wahrgenommenen Fülle auftretender Figuren gerecht zu werden: Le Seiziesme Livre D’Amadis de Gavle, Traitant des amours, gestes & faicts heroiques des illustres & vertueux Princes Sferamond & Amadis d’Astre: ensemble de plusieurs autres grands Seigneurs y denommez, […]

Dieser Entscheidung ist der deutsche Übersetzer wie so oft gefolgt: Das Sechtzehende Buch der Historien vom Amadis auß Franckreich. Tractierend von der Ehrlichen keuschen Lieb / Hohen Ritterlichen / vnnd Mahafften thatten / der Durchleuchtigsten / Tugentreichen Printzen / Spheramondis / v Amadis vom Gestirn / auch anderer darinn benanter tapfferer Frsten / vnnd vnuerzagten bermbten Rittern / selbiger zeit.

Eine frühe und deutliche Entscheidung für einen Helden wird in Buch XVI also nicht getroffen, was seinem mehrsträngigen Erzählen entgegenkommt.

Beschränkung der Figuren Auffallende Strategien zur Beschränkung des Erzählstoffs jenseits von konventioneller Berufung auf die „History“165 und mehr oder weniger motivierten Setzungen des Erzählers166 finden sich in Buch XVI nicht. Erkennbar ist aber eine

163 Vgl. Amadis XVI, S. 1280. 164 Das erste Buch (1558) der sechsbändigen italienischen Fortsetzung weist überdies den Serientitel „La Prima Parte Del Terzodecimo Libro Di Amadis Di Gavla“ und die typische genealogische Einordnung „figliuolo di don Rogello di Grecia, & della bella Prencipessa Leonida“ auf. Die nachfolgenden Teile tragen nur einen Kurztitel. 165 Vgl. z. B. Amadis XVI, S. 959. 166 Vgl. z. B. Amadis XVI, S. 1240.  



200

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Konzentration auf die aktuelle Rittergeneration. Die beiden Auftritte von Hauptfiguren früherer Bände dienen einzig der Herausstellung der Position Spheramondts. Die Befreiung des ersten Amadis und seines Sohnes Esplandian stellt Spheramondt in die legitime Nachfolge der Helden. Danach heißt es knapp: Wir wllen aber zu disem mahl von jhnen nichts weiters Reden / sondern den Printzen Spheramondt vor vns nemmen / vnnd erzehlen / was selbigen / nach dem er auß dem Schloß der Zauberin gescheiden / widerfahren ist.167

Auch Spheramondts Vater Rogel ist nur eine kurze Szene vergönnt: „Vnser jetzige History redet aber dißmalen von jme / biß zu anderer gelegner zeit nichts / vnnd wil ich jetzt erzehlen / was dem Printzen Spheramondt begegnet […].“168 Schließlich wird Rogel auch nur heranzitiert, um Spheramondt von dem aus Sicht des italienischen Autors überholten Modell des unbeständigen Amadisritters abzusetzen.

Übersichtlichkeit Wie bereits angesprochen worden ist, funktionieren der Wechsel der Handlungsfäden und die damit einhergehende (zumeist knappe) Wiederholung nahezu reibungslos. Ansonsten scheint Redundanz eher vermieden werden zu wollen, wenn für die wenigen Rekapitulationen (insbesondere von Stoff des vorangegangenen Buchs XIV) der elegantere Figurenbericht vorgezogen wird.169 Der Anschluss an offene Erzähleinheiten des vierzehnten Bandes gelingt jedoch nicht in jedem Fall: Im Rahmen der Wiederaufnahme des Handlungsfadens ,Argantes‘ in Kap. 3 erfolgt eine dicht gedrängte und nahezu unverständliche Wiederholung.170 Grundsätzlich ist der italienische Autor aber sehr darauf bedacht, die ,Vorgaben‘ des spanischen Vorgängerbandes zu erfüllen: So werden im oben erwähnten, langen Figurenbericht der Königin von Galdax gleich drei unabgeschlossene Erzähleinheiten aufgegriffen,171 die gegen Ende von Buch XIV eingeführt worden waren.

167 168 169 170 171

Amadis XVI, S. 1060. Amadis XVI, S. 1179. Vgl. vor allem Amadis XVI, S. 492 ff., S. 1159, S. 1445 ff. Vgl. Amadis XVI, S. 59 f. Vgl. Amadis XVI, Kap. 19.  





7.4 Buch XVI

201

Metadiskursive Verweise Die Neigung zur Wiederholung im Figurenbericht führt zur Reduzierung metadiskursiver Verweise auf ein Minimum. Nur an drei Stellen wird dezidiert auf Buch XIV verwiesen: Bei der Wiederaufnahme der Cliffhanger-Handlung,172 bei der Wiedereinführung von Nebenfiguren173 und beim Wiederauftauchen von Rogel,174 der im vierzehnten Band unter mysteriösen Umständen verschwunden war.175 Im Gegensatz zu diesem sparsamen Umgang steht der dreimalige Hinweis auf das folgende Buch XVII,176 das im Cliffhanger-Kapitel auf übliche Art und Weise angepriesen wird. Auch in der italienischen Vorlage finden sich an den drei bezeichneten Stellen innerhalb des Bandes metadiskursive Verweise: „(come si disse nel precedēte libro di don Silues)“177 [wie im vorhergehenden Buch von Don Silves gesagt wird]. Dagegen fehlen die intensiven Werbemaßnahmen am Schluss – überraschenderweise auch noch in der französischen Überarbeitung.178 Doch nicht nur das: Die Geschichte bricht auch ein wenig früher ab. Spheramondt hat seine entführte Dame Richarda ausfindig gemacht und gemeinsam genießen sie die heimliche Zweisamkeit in ihrem nicht wirklich unangenehmen Gefängnis. Letztlich drängt es Spheramondt aber doch zurück in die Freiheit, um dem Rittergeschäft nachgehen zu können. Richarda vertröstet ihn und damit endet der italienische (bzw. französische) Band etwas unvermittelt. Die deutsche Übertragung erzählt noch ein bisschen mehr: Spheramondt bleibt hartnäckig, so „daß sie jhme letztlich erlaubt / sich eines zuuor von keinem Ritter oder Griechischē Printzen erhrtes Wagstck zu vnderfangen“.179 Der erste metadiskursive Verweis erfolgt nun im Zusammenhang mit der näheren Beschreibung dieser Großtat, von der aber erst im nächsten Band eingehend berichtet werden soll. Anschließend werden Ereignisse um den Prinzen Dom Lucendos angekündigt, von dem „[z]u

172 Vgl. Amadis XVI, S. 59. 173 Vgl. Amadis XVI, S. 538. 174 Vgl. Amadis XVI, S. 1154. 175 Vgl. Amadis XIV, Kap. 66. 176 Vgl. Amadis XVI, S. 1520 f. 177 La Prima Parte Del Terzodecimo Libro Di Amadis Di Gavla […], fol. 322v, vgl. auch fol. 16r, fol. 138r. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der italienische Autor auch noch an weiteren Stellen explizit auf den vorangehenden Band verweist, doch halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass Mambrino Roseo eine Fortsetzung intensiv bewirbt, von der er sich inhaltlich so stark distanziert. 178 Vgl. Amadis de Gaule XVI, Kap. 71. 179 Amadis XVI, S. 1520.  

202

7 Mittlere Ebene: Einzelband

solchen Buchs anfang“180 die Rede sein soll. Am Schluss steht schließlich noch ein allgemeiner Hinweis auf den folgenden Band XVII.181 Die gezielte Verwendung von metadiskursiven Verweisen zum Spannungsaufbau und zur Bewerbung des Folgebands ist in diesem Fall also tatsächlich Zutat des deutschen Übersetzers.

180 Amadis XVI, S. 1520. 181 Amadis XVI, S. 1521.

7.5 Buch XXII

203

7.5 Buch XXII

1

182

Handlungsfaden

Übergeordnete Hdlg.

Nebenhdlg.

Lascaris

Lisimarte

Agesipole

Silvan Spheramondt

Amanio &

Kapitel

Tabelle 5: Kapitelstruktur von Bd. XXII.

Heidenkrieg Eifersuchtshandlung Entführung Safiraman & Hercules

2 3 4 5

Nebenhdlg.: Liebeshandlung Gelodan & Florinda

6 7 8

Liebeshandlungen Agesipole und Lisimarte; Nebenhdlg.: Entführung von Florisel und Dorizel

9

Nebenhdlg.: Exkurs zur Traumdeutung im Figurenbericht

10 11 12 13 14 15 16

Liebeshandlung

17 18

Nebenhdlg. Herzog von Lancastre & Graf von Suffort

19 20 21 22 23

Nebenhdlg. Olando, Roldan & Tygranes

24 25

182 Im Register wird dieses Kapitel nicht gezählt.

204

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Übergeordnete Hdlg.

Nebenhdlg.

Lascaris

Lisimarte

Agesipole

Silvan Spheramondt

Amanio &

Kapitel

Tabelle 5: (fortgesetzt) Handlungsfaden Heidenkrieg Eifersuchtshandlung

26 27 28

Entführung Safiraman & Hercules

29

Nebenhdlg. Leodamas (& Roldan)

30 31 32

Krieg um Miraminda

33 34 35

Liebeshandlung

36

diverse Liebeshandlungen

37 38 39 40 41

Entführung Safiraman & Hercules

42 43

Nebenhdlg. Ligarion

44

Liebeshandlung Gelodan & Florinda

45 46 47 48 49 50 51 52 53183

183 Versehentlich erneut als Kap. 52 gezählt.

Krieg um Moldavia

7.5 Buch XXII

205

Übergeordnete Hdlg.

Nebenhdlg.

Lascaris

Lisimarte

Agesipole

Silvan Spheramondt

Amanio &

Kapitel

Tabelle 5: (fortgesetzt) Handlungsfaden Heidenkrieg Eifersuchtshandlung

54 55

Finale; Entführung Safiraman & Hercules

Der erste deutsche Beitrag zum Amadisroman ist vor einige erzählerische Herausforderungen gestellt: Schließlich hatte der Italiener Mambrino Roseo zuvor versucht, den unendlichen Roman mit seiner sechsbändigen Fortsetzung um Spheramondt und den dritten Amadis abzuschließen. Dazu wählte er – aus Hilflosigkeit? – eine apokalyptische Schlachtszene, in der erstmals zahlreiche Helden der ersten Reihe sterben (vgl. hierzu Kap. 6.5.4). Es erscheint nicht verwunderlich, dass man sich mit diesem Ende nicht zufrieden geben wollte. Abgesehen natürlich von wirtschaftlichen Argumenten für die Fortsetzung des Erfolgsromans. Zwar lassen sich den letzten drei Bänden keine Autoren zuordnen, man sollte sie allerdings im Umkreis des Mömpelgarder Druckers Jacob Foillet vermuten.184 Es wird wohl ein einheitliches Konzept gegeben haben, das dann arbeitsteilig realisiert worden ist. Dabei kommt Buch XXII in erster Linie die Aufgabe zu, das traumatische Ende zu verarbeiten und die Geschichte wieder in die gewohnten Bahnen zu lenken. Diese Bemühungen schlagen sich etwa in der wiederholten Versicherung nieder, der Stammvater sei dank Urganda nach wie vor am Leben,185 was anscheinend als Voraussetzung für ein Weitererzählen angesehen wird.

Erzähleinheiten Buch XXII setzt mit der kurzen Rekapitulation der Ereignisse am Schluss von Buch XXI ein, worauf eine ,rhetorische‘ Bewältigung folgt: Die Endzeitstimmung wird in entsprechenden Bildern eingefangen (Nacht, Winter, Flut, „die seuler der Welt […] zerbrochen vnnd zu grund gangen“186), um dann doch eine Perspektive aufzuzeigen: Es gibt schließlich überlebende Nachkommen.187 184 185 186 187

Vgl. Weddige (Anm. 3), S. 87. Vgl. Amadis XXII, S. 92, S. 300, S. 314, S. 490, S. 1347. Amadis XXII, S. 3. Vgl. Amadis XXII, S. 4.

206

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Aber nicht nur zu Beginn, sondern immer wieder wird in dem Band auf die verhängnisvolle Schlacht hingewiesen.188 Neue Verwicklungen werden mit ihr in Verbindung gebracht, was teilweise reichlich konstruiert wirkt, z. B.: Weil Lascaris seine Dame aus den Händen des heidnischen Fürsten Arrogant befreit, fällt auf heidnischer Seite der Entschluss zum Kriegszug gegen die Christenheit:  

Meines theils / sagt Baladin / habe ich gnugsame vrsach allen mglichen fleiß anzuwenden / nicht allein meinen liebē vettern Arrogant zu rechen / sonder auch so vil gewaltige Heidnische Frsten vnd Herrē / so vor diser zeit / sonderlich aber in der letzten grossen Schlacht in des Soldans von Alape Landschafft / von den Christen vmbgebracht / vnd todt auff dem Platz geblieben.189

Zur übergeordneten Erzähleinheit wird der Heidenkrieg in Buch XXII (Kap. 50–53) trotzdem nicht ausgebaut. Jedenfalls unterscheidet er sich nicht nennenswert von den beiden vorgeschalteten Kriegshandlungen (Kap. 30–34 und Kap. 46–49). Wieder angestoßen wird die Geschichte im Einleitungskapitel durch die Entführung der Helden der nächsten Generation, Safiraman190 und Hercules. Ein solches Erzählelement wäre sonst am Bandende zu erwarten, hier muss es nachgeholt werden, um Suchehandlungen auszulösen und ein Weitererzählen zu motivieren. Auch nach 55 Kapiteln befinden sich die Knaben unverändert in Gefangenschaft; die Handlung scheint nicht wesentlich vorangekommen zu sein. Zumindest nicht in Bezug auf die ,erwartbaren‘ Hauptfiguren, sodass es sich bei Buch XXII – zugespitzt formuliert – um ein Buch der starken Nebenfiguren handelt. Das vornehmliche Ziel von Buch XXII dürfte darin bestehen, Erzähleinheiten anzulegen. Kaum etwas wird überhaupt abgeschlossen: In Kap. 1 werden Safiraman und Hercules entführt, in Kap. 8 Florisel und Dorizel, die Lisimarte-Handlung wird nur eröffnet, um erst in Buch XXIII mehr Raum einzunehmen, und auch die Eifersuchtshandlung um die zentrale Figur Lascaris wird konsequenterweise erst im folgenden Band beendet.191 Dieses Vorgehen überzeugt einerseits, andererseits wird – abgesehen von einem schwachen Hinweis auf die Befreiung der jungen Helden192 – die Unabgeschlossenheit am Bandende nicht eigens ausgestellt; ein Cliffhanger lässt sich kaum erkennen.

188 Häufig auch ohne dezidierten metadiskursiven Verweis auf den vorangegangenen Band XXI; vgl. z. B. Amadis XXII, S. 111 f., S. 212, Kap. 28 u. S. 1056. 189 Amadis XXII, S. 657 f. 190 Schreibweise mitunter auch: ,Saphiraman‘. 191 Wiedersehen nach langer Trennung und Hochzeit erfolgen in Amadis XXIII, Kap. 27. 192 Der Erzählers kündigt die „erlsung der jungē Printzen Saphiraman vnd Herculis vom Gestirn durch den ritterlichen Fulgorant / Don Rogels vnnd der Knigin auß Canabea Sohn“ (Amadis XXII, S. 1351) für den folgenden Band an.  





7.5 Buch XXII

207

Parallelführung von Handlungsfäden Der rote Faden durch Band XXII ist augenscheinlich mit der Figur ,Lascaris‘ gegeben. Sein Handlungsfaden wechselt im ersten Teil mit anderen Handlungsfäden, im zweiten Teil mit Erzähleinheiten mittleren Umfangs ab. Gerade in Buch XXII lässt sich übrigens auch eine ,interne‘ Zergliederung der Handlungsfäden beobachten: Im Handlungsfaden ,Silvan & Amanio‘ treten die Nebenfiguren Gelodan und Florinda auf, deren Liebeshandlung fast die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht (insbesondere Kap. 44 f.). Der markierte Wechsel überwiegt auch in Buch XXII,193 wobei die üblichen Wiederholungen vielfach übermäßig ausführlich ausfallen.194 Doch gelingen in einigen Fällen auch fließendere Übergänge, z. B. über vermittelnde Figuren wie in Kap. 7: Spheramondt befreit seinen Ahnherrn Florisel, bei dem die Erzählung kurzzeitig verharrt. In Kap. 8 trifft Florisel auf Agesipole und Lisimarte, womit der Übergang zum nächsten Handlungsfaden hergestellt ist. Die Befreiungsepisode ist übrigens vollständig aus Buch VI übernommen,195 der unmerkliche Wechsel der Handlungsfäden jedoch eine Ergänzung des deutschen Autors. Ein weiteres Beispiel dafür, dass Buch XXII zwar Flickwerk ist, aber immerhin kein schlecht gemachtes. Gleichzeitigkeit wird kaum gestaltet, doch ist das Bestreben erkennbar, Lücken im Handlungsgeflecht zu füllen: Kap. 5 berichtet von Silvan, Amanio und ihren Gesellen, unter denen sich auch Fioradin befindet, der ab Kap. 30 (nun gemeinsam mit Ginoldan) wieder auftritt – dieses Mal in einer Erzähleinheit, in der Lascaris eine führende Rolle zukommt. Als der Erzähler in Kap. 44 zu Silvan und Amanio zurückkehrt, nutzt er eine längere Wiederholung für die nachträgliche Erläuterung:  



Der Printz Fioradin von Comagena ware auch mit jhnen [Silvan und Amanio]: aber nicht lang / dann eines tags / wie sie sich zuerfrischē / zu land gestigen waren / vnd er ein wenig abwegs gerieten / wurde er von einer Jungfraw / die er antraff / hchlich gebetten / in Salacien mit jhr / der Jnfantin von Galenen / so von wegen Barandors auß Talibana (so sie belegern wolt) in grosser gefahr stund / zu hilff zu kommen: welches er auch willig vnd vnuerzugenlich thet: auff der Reiß denn Printzen Ginoldan antraff / vnnd sich also samentlich in Salacia brauchten (ehe die Knigin vnd jhr Tochter Semiramis / von dem Printzen

193 Vgl. Amadis XXII, S. 15, S. 89, S. 287, S. 398 f., S. 433, S. 460, S. 491, S. 510, S. 1016, S. 1318. Übrigens werden die typischen Formeln nicht nur bei den hier interessierenden Übergängen zwischen zwei Handlungsfäden, sondern auch bei zwischenzeitlichen Perspektivwechseln oder eingeschobenen Nebenhandlungen verwendet; vgl. z. B. Amadis XXII, S. 992, S. 1017. 194 Vgl. vor allem Amadis XXII, S. 90 f., S. 288 f. 195 Vgl. Amadis VI, Kap. 34.  







208

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Lascaris erlediget / widerkahmen) daß menniglich von jhrer grossen mannheit sagen muß / wie jhr ohn langst solches alles weitleuffig ist erzehlet vnd beschriebē wordē.196

Auch Nebenfiguren sind nicht einfach ,weg‘, wie es Lugowski beschreibt,197 sondern anderswo, worin ein Moment von Gleichzeitigkeit liegt.198 Das zweimalige Auftauchen von Fioradin ließe sich zu einer eigenen Geschichte verbinden, die hier aber nur gerafft und aus weiter Distanz angedeutet wird.

Vervielfältigung der Figuren Mit Lascaris steht zum ersten Mal eine Figur im Mittelpunkt, die nicht unmittelbar von Amadis abstammt (vgl. den gesonderten Stammbaum in Kap. 6.4). Diese Figur springt in die Lücke, die zwischen der letzten (Spheramondt und Amadis vom Gestirn) und der nächsten Generation (Safiraman und Hercules) entstanden ist. Zwar tritt auch Spheramondt, der Held der italienischen Bände XVI bis XXI, wieder in Erscheinung, doch kann er keine vollwertige Hauptfigur mehr sein, weil seine Liebeshandlung schon abgeschlossen ist.199 Neben Lascaris werden mit Agesipole und Lisimarte aber auch Angehörige der Amadis-Sippe durch typische Auszeichnungsgesten hervorgehoben: Ihre Liebeshandlung entspricht derjenigen von Spheramondt und Amadis vom Gestirn.200 Zudem wird ihr Ritterschlag durch die magische Figur Cassandra arrangiert; er erfolgt durch Kaiser Spheramondt und in Anwesenheit des Stammvaters Amadis.201 Die jungen Helden werden von Cassandra mit grünen Rüstungen aus-

196 Amadis XXII, S. 1134. Namensform an dieser Stelle evtl. auch ,Floradin‘, beim ersten Auftritt ,König Fioradin‘; ob diese Figur mit dem ,Fioradin‘ im Stammbaum der Amadis-Sippe identisch ist, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. 197 Vgl. Lugowski (Anm. 38), S. 55. 198 Vgl. auch Kap. 18 f.: Hier brechen Spheramondt und die Nebenfiguren Herzog von Lancastre und Graf von Suffort zu einer Seereise auf und werden wie so oft durch ein Unwetter voneinander getrennt. Der Erzähler bleibt in Kap. 18 bei den Nebenfiguren und springt dann in Kap. 19 zu Spheramondt zurück. Die nacheinander erzählten Ereignisse, die in einem Wiedersehen münden, spielen sich also in etwa gleichzeitig ab. 199 Und an der Wichtigkeit der Liebeshandlung kann gerade für Buch XXII kein Zweifel bestehen: So wird etwa das Erzählmuster ,Heimliches Treffen der Liebenden‘ in Kap. 16 f. einmal und in Kap. 36 f. gleich dreimal hintereinander durchgeführt. 200 Sie erblicken ihre zukünftigen Damen in einer Vision und begeben sich auf die Suche nach ihnen; vgl. Amadis XIV, Kap. 71; Amadis XVI, S. 11; Amadis XXII, Kap. 8f. 201 Vgl. Amadis XXII, S. 300 f.  







7.5 Buch XXII

209

gestattet und auf dem „Crystallinen wagen“202 davon geführt. Damit sind die beiden Figuren nach der Logik des Amadisromans als Helden gekennzeichnet, sodass gleich mehrere Hauptfiguren zur Verfügung stehen.203

Übersichtlichkeit Das Netz von Wiederholungen in Buch XXII ist sehr dicht: Neben den häufigen Verweisen auf die finale Schlacht in Buch XXI und der beschwörenden Versicherung, dass der erste Amadis noch am Leben sei, werden auch die genealogischen Verbindungen der auftretenden Figuren immer und immer wieder rekapituliert. Erzählstrategisch sinnvoll ist die regelmäßige Anspielung auf die Gefangenschaft der Prinzen Safiraman und Hercules, die Band XXII eröffnet und zu Band XXIII überleitet: Nachdem sie den Auszug der Ritter motiviert hat,204 spielt sie auch im Rahmen des neuen Heidenkriegs eine gewisse Rolle.205 In Kap. 41 werden die Umstände der Gefangenschaft verschärft, indem die Befreiung der Prinzen an ein magisches Abenteuer gekoppelt wird.206 Geschickt wird ein rätselhafter Hinweis auf den ,feurigen Ritter‘ eingestreut, für den dieses magische Abenteuer bestimmt ist.207 In diesem Zusammenhang werden die Hintergründe der Entführung nochmals aufs Ausführlichste wiedergegeben.208 Ganz am Ende des Bandes dient die neuerliche Ankündigung der Erlösung als Cliffhanger-

202 Amadis XXII, S. 179. 203 Darüber hinaus versteht es der deutsche Autor, an allen möglichen Stellen Neben- und Nebenstfiguren genealogisch ,anzuflicken‘; vgl. z. B.: Jatrodorus, Meister Elisabeths Sohn (Amadis XXII, S. 79); Sesostris, Lucidamors Sohn (S. 429); Augerian, Dom Argantes Sohn (S. 433); Ligarion, Anaxartis Sohn (S. 1117 ff.); Art(h)emisia, Fortunians Tochter (S. 1144 f.); Aleran, Lucidors Sohn (S. 1303). 204 Vgl. Amadis XXII, S. 11 f., S. 15, S. 89, S. 90 f., S. 461. 205 Vgl. Amadis XXII, S. 659 f. Mit dem immerwährenden Konflikt zwischen Heiden und Christen hängt die Entführung schließlich auch aufs Engste zusammen: Die heidnische Zauberin Dracotrophea hat in Erfahrung gebracht, „das dise zwen Printzē wrden die Heydenschafft sond’lich helfen zerstren / vnnd gentzlich verderben“ (Amadis XXII, S. 15). 206 Die Nebenfiguren Graf von Suffort, Herzog von Lancastre, Leodamas, Tygranes, Sesostris, Roldan, Olando, Ginoldan, Fioradin stehen unter einem Zauberbann, welcher sie dazu zwingt, das Gefängnis der jungen Prinzen Safiraman und Hercules um jeden Preis zu sichern; vgl. Amadis XXII, S. 1052 ff. 207 Vgl. Amadis XXII, S. 1051 f., S. 1059 f. In einer Prophezeiung Alquifes zu Beginn des Bandes erfolgt eine erste Anspielung auf diesen Ritter; vgl. S. 92. 208 Vgl. Amadis XXII, S. 1056 ff.  



















210

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Ersatz. Auch die Identität des feurigen Ritters wird bei dieser Gelegenheit gelüftet; es handelt sich um „den ritterlichen Fulgorant / Don Rogels vnnd der Knigin auß Canabea Sohn“.209 So kann sichergestellt werden, dass die Entführungsthematik nicht in Vergessenheit gerät, deren Sinn und Zweck natürlich darin besteht, dem Leser den Folgeband schmackhaft zu machen.

Auflistungen Buch XXII versammelt Auflistungen in den verschiedenen Ausprägungen, wie sie im Amadisroman überall zu beobachten sind:210 (1) Als abschließendes bzw. eröffnendes Element werden Auflistungen ihrer ordnenden Funktion voll und ganz gerecht. Beides weist Buch XXII auf: Eine abschließende ,Katalogisierung‘ des Figurenpersonals inklusive der (oft erstmals namentlich erwähnten) Nachkommenschaft findet im Rahmen des nachgeholten Cliffhangers statt.211 Spiegelbildlich dazu verhält sich die (in der Regel kürzere) Aufzählung der Ritter der nächsten Generation (häufig) im Kontext ihrer Schwertleite,212 mit der die Geschichte wieder anhebt. (2) Besonders zahl- und umfangreich sind Auflistungen im Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen,213 sie haben zumeist die Form einer ,Schlachtordnung‘ unter Angabe von Heeresstärke etc.214 Wenn noch die exotischen Namen gegnerischer Riesen und Länder aufgelistet werden, zeigt sich ein spürbares Gefallen an dieser weitschweifigen Darstellungsform, die nicht mehr auf Übersichtlichkeit abzielt. Vielmehr geht es dann um die fast gegensätzliche Ausstellung der gewaltigen Ausmaße der erzählten Welt. Ähnliches gilt für die Auflistungen der Amadisritter, ihrer Damen und Nachkommen, die der Erzähler insbesondere im Kontext von Feierlichkeiten bietet: Sie streichen die weiten Verzweigungen der Amadis-Sippe heraus. Buch XXII schließt mit einem großen Wiedersehen, zu dem die magischen Figuren Urganda, Alquife, Cassandra und Arthemisia neben Amadis und Oriana auch einen Teil der

209 Amadis XXII, S. 1351. 210 Eine erste Auflistung findet sich im zweiten Band; vgl. Amadis II, S. 358. Die beiden letzten Kapitel des letzten Bandes bestehen fast ausschließlich aus Auflistungen, die sich über bis zu acht Seiten erstrecken; vgl. Amadis XXIV, S. 1420 ff. Hier wird die Romanwelt ein letztes Mal geordnet, bevor die Serie endgültig zu einem Abschluss kommt. 211 Vgl. Amadis XXII, S. 12 f. 212 Vgl. Amadis XXII, S. 156. 213 Vgl. z. B. Amadis XXII, S. 615, S. 733, S. 1268, S. 1270. 214 Vgl. insb. Amadis XXII, S. 1300 f.  







7.5 Buch XXII

211

Hauptfiguren des aktuellen Bandes an den Hof zu Trapezunt bringen.215 Eheschließungen werden erwähnt, der eigentliche Grund für dieses ,Familienfest‘ dürfte aber sein, ein heiteres Schlusstableau zu entwerfen, welches die Figuren ausnahmsweise an einem Spielort vereint. (3) Und noch ein letzter Typ lässt sich ausmachen: Im Gespräch mit der schönen Herzogin, die ihn vom Kampf gegen zwei furchtbare Monstren abhalten will, listet Lascaris die wichtigsten Figuren der zurückliegenden Bände auf: Der Printz verwundert sich ab der jungen Hertzogin verstendige reden / vnnd sagt weiters zu jhr/ dises ist gewiß / G. F. jedoch gebraucht sich der Allmechtig bißwiln jhn dergleichen thun der Menschen / als seines werckzeugs / wie E. G. vil maln mag gehrt vnd verstanden haben / von den in der gantzen Welt hochbermten Knigen / Keisern / Frsten v Herren / als Amadis auß Franckreich / Perion seines Vatters / Galaor / Florestan / Esplandian / Lisuart / Amadis auß Grecia / Garinther / Florisel / Falanges / Agesilan / Sferamond / vnd andern / deren etliche nach bey leben: auß d’ vrsachen ich / vnnd solchen Ritterlichen Printzen zuvolgen / bey mir beschlossen / was mir zuthun ist.216

Ausdrücklich stellt sich Lascaris in die Reihe der Helden, was seinen Status als Hauptfigur des Bandes unterstreichen könnte.217 Nicht zuletzt dienen solche Auflistungen aber der Betonung dessen, was unzweifelhaft als besondere Qualität des Amadisromans wahrgenommen worden ist: seines Chronikcharakters. Dieser wird außerdem in Memorialwerken zur Schau gestellt,218 mit denen auch schon die aktuelle Generation verherrlicht wird.219

Metadiskursive Verweise Eine neue Fortsetzung mit einem Rückverweis beginnen zu lassen, ist eine geläufige Strategie des Amadisromans. Zu Beginn von Buch XXII häufen sich jedoch die metadiskursiven Verweise, was mit der schwierigen Anknüpfung an Buch XXI zusammenhängt.220 Aber auch auf das neue Ende der Serie wird im Einleitungskapitel bereits verwiesen:

215 Vgl. Amadis XXII, S. 1348 f. 216 Amadis XXII, S. 248. 217 Vgl. auch Amadis XXII, S. 1062. 218 Vgl. Amadis XXII, S. 752, S. 1146. 219 Vgl. Amadis XXII, S. 1094 f., vgl. auch S. 1140 f., wo von einer Art Memorial-Musikstück die Rede ist. 220 Vgl. Amadis XXII, S. 1, S. 5, S. 12.  





212

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Vnnd dieweil nun die fort fahrung vnnd volnfrung eines so schnen wercks nicht weniger wunderliche fhl / v sunst lustige auch nutzliche ding / als alle vorgehende bcher begreifft / v mit sich bringt / wllen wir dise Histori in drey nach einander folgende bcher theilen / vnnd also darmit die grosse Histori des mchtigē Amadis auß Franckreich / als ein Exempel vnd klaren Spiegel aller recht adelichen tugenden v dapfferkeit / beschliessen vnnd zu End bringen.221

Diese Passage bedient sich der Vorreden-Rhetorik und stellt hier einen Fremdkörper dar. Vielleicht bedarf das Vorhaben, den endlosen Roman nun wirklich zu beenden, dieser ausdrücklichen Geste. Vielleicht verdankt sich der Verweis auch nur dem Bedürfnis nach effektiver Bewerbung der Folgebände. Es folgt eine ganze Reihe metadiskursiver Verweise, die durch die mehr oder minder konkrete Ankündigung von Handlung der Vorbereitung der kommenden Bände dienen.222 Zurück auf die Romanhandlung muss bei der Einführung neuer Figuren verwiesen werden. So wird Lascaris in Rekurs auf seinen Vater Lindamart verortet,223 der in den vorherigen Bänden eine größere Rolle spielt, was den Lascaris’ Aufbau zur Hauptfigur rechtfertigen könnte. Erwähnenswert ist noch ein letzter Typus von metadiskursiven Verweisen, die sich an eher randständigen Details festmachen. In Kap. 18 werden – wie so häufig – neue Gegnerfiguren genealogisch eingebettet: Hie soll aber der Leser eyngedenck sein / dz im vierzehendē Buch von zweyer Risen Kinder / die Agesilan vnnd andere Christliche Frsten / nach etlicher Risen todt / gefunden / vnnd einer Risin / so in der Jnsel war / befohlen / sie zu ernehren vnnd zu aufferziehen: Es wer aber besser gewesen sie hetten diese junge Teuffel auch getdt vnd erwrgt / […].224

Der weite Rückgriff auf Buch XIV lässt Zweifel aufkommen, ob der Leser dieser Episode tatsächlich noch „eyngedenck“ ist. Immerhin findet sich die referierte Handlung dort tatsächlich – und zwar mit wortwörtlichen Anklängen: Diese Kinder nun befahlen sie einer Risin / so inn der Jnsel ware / sie zuernehren vnd zu aufferziehen. Es were aber viel besser gewesen / sie hetten die getdt: Dann als sie zu jhren

221 Amadis XXII, S. 4 f. 222 Vgl. Amadis XXII, S. 137 f., S. 147 f., S. 181, S. 183. 223 Man begnügt sich mit dem ungefähren Hinweis „jhn vorgehenden Bchern“ (Amadis XXII, S. 184 f.). 224 Amadis XXII, S. 401.  







7.6 Zwischenfazit

213

Tagen kamen / vnd starck wurden / haben sie den Griechischen Printzen vnseglich viel schaden zugefgt.225

In ähnlicher Weise nimmt der Autor auch einen spielerischen Hinweis von Buch XX auf eine Schwangerschaft auf,226 woran er den Auftritt der neuen magischen Figur Arthemisia knüpft.227 Welche Beweggründe mag der deutsche Autor gehabt haben, diese Randbemerkungen aufzugreifen und auszugestalten? Will er seine detaillierte Kenntnis des Mammutwerks unter Beweis stellen, die er schließlich auch fingieren könnte?228 Oder fühlt er sich etwa doch einem Text verpflichtet, den er auf der anderen Seite ungeniert als Steinbruch verwendet? In jedem Fall wird durch solche Verweise der große Serien-Zusammenhang betont, was zeigt, dass in Deutschland nicht nur Versatzstücke montiert wurden, sondern auch am Mikrokosmos des Amadisromans weitergearbeitet worden ist.

7.6 Zwischenfazit Wegen der eingangs erwähnten Bedenken, die 24 Bände des Amadisromans über einen Kamm zu scheren, sollen Ergebnisse hier nur vorsichtig angedeutet werden: Die Bedeutung von übergeordneten Erzähleinheiten scheint nachzulassen und die Handlung damit weiter ins Episodenhafte zu gleiten. Im Gegenzug wird die Parallelführung der Handlungsfäden routinierter, wenn sie auch traditionellen Erzählformeln verhaftet bleibt und der Einsatz des Minicliffs noch eher die Ausnahme ist. Die Tendenz, Hauptfiguren zu vervielfältigen, die Unterschiede zwischen Haupt- und Nebenfiguren zu verwischen und auf diese Weise ein breites Figurenpanorama mit vielfältigen Erzählangeboten zu kreieren, erscheint mir sehr offensichtlich. Ergebnis ist ein Mikrokosmos, dessen Ausmaße vor allem in den Auflistungen zum Ausdruck kommen. Sich in ihm zu orientieren, erfordert die gründliche Aufbereitung des Textes mit Erläuterungen zu genealogischen Zusammenhängen, Wiederholungen, Verweisen etc.

225 Amadis XIV, Kap. 11, S. 109. 226 Amadis XX, S. 1235: „meins bedunckens / hat jhren der N. jemand / (der sonst alles muß gethan haben) von welchem in vorher gehendem neun vnnd siebenzigsten Capitul stehet / daß er ein gutte zeit bey jhren in der Kammern gewest sey / den schaden gethan.“ 227 Vgl. Amadis XXII, S. 1144 f. 228 So wird etwa ganz am Schluss von Buch XXIV auf eine Episode „im vorgehenden Buch am 49. cap.“ verwiesen, die es dort und (wahrscheinlich) auch anderswo gar nicht gibt.  

214

7 Mittlere Ebene: Einzelband

Weil die Gründungsszenen des Romans regelmäßig in Erinnerung gerufen werden und den Bezugspunkt für das aktuelle Geschehen bilden, entwickelt die Romanwelt schnell eine quasi-historische Tiefendimension. Nicht zuletzt ist der Blick aber nach vorne gerichtet: Neben den einprägsamen Cliffhanger treten werbende Hinweise auf den nächsten Band: „dann jhe weiter wir in disem werck fortfahren / je schner / lieblicher vnd angenemmer finden wir die Deduction diser grossen History“.229

229 Amadis XVIII, S. 1594 (fehlerhafte Seitenzählung).

8 Mikroebene: Erzählmuster Den Inhalt des Einzelbandes übersichtlich zu präsentieren, gestaltet sich schon schwierig. Die gesamte Serie indessen ist kaum zu bändigen.1 Daniel Eisenberg stellt sich diesem Problem, indem er nicht die Handlung eines libro de caballerías wiederzugeben versucht, sondern „A Typical Romance of Chivalry“, ein idealisiertes Erzählschema, entwirft.2 Gar nicht so weit entfernt davon ist eine der frühesten Inhaltsbeschreibungen, die Cervantes in seinem Don Quijote liefert. Und diese Charakterisierung ist so treffend, dass sie an dieser Stelle fast vollständig wiedergegeben werden soll: Auf die Frage Sancho Pansas, warum er sich nicht einfach in den Dienst eines Kaisers oder irgendeines Fürsten stelle, damit seine Taten auch bekannt und belohnt würden, erläutert ihm Don Quijote die notwendigen ,Karriereschritte‘ des fahrenden Ritters. „Du sprichst nicht übel“, sagte Don Quijote. „Aber bevor man zu diesem Punkt kommt, ist es unerläßlich, durch die Welt zu streichen und gleichsam zur Beglaubigung seiner selbst auf Abenteuer zu ziehn, damit man, wenn etliche siegreich zu Ende geführt sind, einen solchen Namen und Ruf erlange, daß der Ritter, wenn er sich an den Hof irgendeines großen Monarchen begibt, schon durch seine Werke bekannt ist. […] So wird man vom einen zum andern seine Taten auszurufen gehn, und bei dem Lärm der Jungen und des andern Volkes wird sich der König jenes Reichs an den Fenstern seines königlichen Palastes zeigen, und sobald er den Ritter erblickt, wird er ihn an seiner Rüstung oder an dem Abzeichen auf seinem Schilde erkennen und notwendig rufen müssen: Auf, auf, hinaus, ihr meine Ritter, alle, die an meinem Hofe weilen, um die Blume der Ritterschaft, die da herannaht, zu begrüßen! Auf dieses Gebot werden alle hinauseilen, und der König wird ihn innigst umarmen und wird ihn willkommen heißen mit einem Kuß aufs Angesicht. Dann führt er ihn sogleich an der Hand ins Gemach der Frau Königin, allwo der Ritter sie mit ihrer Prinzessin Tochter findet, welche notwendig eine der allerschönsten und vollendetsten Jungfrauen ist, die man weit und breit in den bis jetzt entdeckten Landen des Erdenrundes nur irgend mit harter Mühe aufzufinden vermöchte. Hierauf geschieht es unverzüglich, daß sie die Augen auf ihn wendet und er die seinigen auf sie, und jedes von beiden deucht dem andern eher etwas Göttliches als Irdisches, und ohne zu wissen, wie und wieso, finden sie sich gefangen und verstrickt in das unlösliche Liebes-

1 Im Verlag Centro de Estudios Cervantinos (Alcalá de Henares 1998–2005) sind in den letzten Jahren Lektürehilfen zum spanischen Amadisroman erschienen, die neben zusätzlichem Material wie Figurenregistern kurze Zusammenfassungen eines jeden Kapitels bieten und damit die Rezeption ungemein erleichtern. Doch selbst auf zehn schmale Büchlein komprimiert, bleibt die Handlung des Serienromans extrem unübersichtlich. 2 Vgl. Daniel Eisenberg: Romances of Chivalry in the Spanish Golden Age. Newark (Delaware) 1982 (Juan de la Cuesta Hispanic Monographs, Documentación cervantina 3), S. 55–74. Vgl. auch meinen eigenen Versuch der Beschreibung eines typischen und auf die wesentlichen Punkte reduzierten Handlungsgangs: [Art.] Amadis-Romane. In: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon. Bd. 1 (2011), Sp. 118–126.

216

8 Mikroebene: Erzählmuster

netz und in großen Herzensnöten, weil sie keine Mittel wissen, einander zu sprechen, um ihre Qualen und Gefühle zu offenbaren. […] Der Abend kommt, er speist mit König, Königin und Prinzessin; er wendet seine Augen nicht von ihr ab, er blickt sie verstohlen an, den Umstehenden unbemerkt, und sie tut dasselbe mit derselben Vorsicht, denn, wie gesagt, sie ist ein äußerst kluges Fräulein. Die Tafel wird aufgehoben, und plötzlich tritt zur Tür des Saals ein häßlicher, winziger Zwerg herein und hinter ihm zwischen zwei Riesen eine holdselige Dame, welche den Anwesenden ein gewisses Abenteuer mitteilt, das ein Zauberer in uralter Zeit angelegt hat, und wer es glücklich besteht, wird für den besten Ritter auf Erden erachtet werden. Sogleich gebeut der König allen, die zugegen, sich an dem Abenteuer zu versuchen. Aber keiner bringt es zum Ende und Abschluß außer dem fremden Ritter zu seines Ruhmes sonderlichem Frommen. Darob ist die Prinzessin hochvergnügt und erachtet sich beglückt und über alles Maß dafür belohnt, daß sie ihre Gedanken einem so hohen Ziele zugewendet und hingegeben hat. Das Beste dabei ist, daß dieser König oder Fürst, oder was er sonst ist, einen äußerst hartnäckigen Krieg mit einem andern, ebenso mächtigen Herrn wie er zu führen hat, und der fremde Ritter, nachdem er ein paar Tage am Hof gewesen, bittet ihn um die Vergünstigung, ihm in dem besagten Krieg seine Dienste zu widmen. Der König gewährt sie ihm mit bereitwilliger Freundlichkeit, und der Ritter küßt ihm die Hand für die Gnade, so er ihm erweist. In derselben Nacht verabschiedet er sich von seiner Gebieterin, der Prinzessin, im Garten, auf den ihr Schlafgemach geht, am Fenstergitter, wo er schon gar manchmal mit ihr gesprochen, wobei stets eine Zofe, die der Prinzessin großes Vertrauen besitzt, die Vermittlerin und Mitwisserin war. Er seufzt, sie fällt in Ohnmacht, die Zofe bringt Wasser, ist auch sehr bekümmert, weil der Morgen kommt und sie nicht möchte, daß sie entdeckt würden, um der Ehre ihrer Herrin willen. Zuletzt kommt die Prinzessin wieder zu sich und reicht durchs Gitter hindurch ihre weißen Hände dem Ritter. Der küßt sie tausend- und aber tausendmal und badet sie in seinen Tränen. […] Von hier aus geht er in sein Gemach, wirft sich aufs Bett, kann vor Schmerz ob seines Scheidens nicht schlafen, steht sehr früh am Morgen auf, geht, sich von König und Königin und Prinzessin zu verabschieden; er hört, nachdem er den beiden ersten Lebewohl gesagt hat, die Tochter Prinzessin sei unwohl und könne keinen Besuch empfangen. Der Ritter vermutet, der Schmerz ob seines Scheidens sei die Ursache. Das durchbohrt ihm das Herz, und wenig fehlt, daß er deutliche Zeichen seines Kummers gäbe. Die Zofe, die Vermittlerin, ist zugegen, sie merkt sich alles, geht und sagt es ihrer Herrin, die sie mit Tränen empfängt und ihr sagt: eine ihrer größten Kümmernisse sei, daß sie nicht wisse, wer ihr Ritter ist und ob er von königlichem Geschlecht ist oder nicht. Die Zofe versichert, solche Feinheit des Benehmens, solcher Adel der Sitte und solche Tapferkeit wie die ihres Ritters fänden sich nur bei einem Mann von ehrenreicher und königlicher Art. Die bekümmerte Prinzessin findet darin Trost und ist auch bestrebt, getröstet zu erscheinen, um sich bei ihren Eltern nicht in Verdacht zu bringen; und zwei Tage darauf zeigt sie sich wieder öffentlich. Schon ist der Ritter von dannen gezogen, er kämpft im Kriege, besiegt den Feind des Königs, gewinnt viele Städte, triumphiert in vielen Schlachten. Er kehrt an den Hof zurück, sieht seine Gebieterin am gewohnten Fenstergitter, es wird verabredet, daß er sie zum Lohne seiner Dienste von ihrem Vater zur Gattin begehre. Der König will sie ihm nicht geben, weil er nicht weiß, wer der Ritter ist. Aber trotz alledem, ob sie nun entführt wird oder ob es auf irgendeine andre Weise geschieht, wird die Prinzessin am Ende seine Gattin, und am Ende muß ihr Vater es noch für ein großes Glück erachten. Denn am Ende kommt es an den Tag, selbiger Ritter ist der Sohn eines gewaltigen Königs, von welchem Reiche, weiß ich nicht; denn ich glaube, es

8 Mikroebene: Erzählmuster

217

wird wohl auf der Karte nicht zu finden sein. Der Vater der Prinzessin stirbt, sie erbt alles, kurz und gut, der Ritter wird König.“3

So oder so ähnlich entwickeln sich tatsächlich die Geschichten um die Amadisritter. Don Quijote unterscheidet ungefähr folgende Stationen: 1. Ritterliche Bewährung und Erlangung des Rufes als bester aller Ritter, 2. Einzug am Hof und Aufnahme einer heimlichen Beziehung zu einer Prinzessin, 3. Magische Probe am Hof, die die Überlegenheit des Ritters offenbar werden lässt, 4. Trennung von der Dame für beliebige Abenteuer, 5. Aufdeckung der hohen Abkunft des Ritters und 6. Eheschließung und Einsetzung in die Herrschaft. Diese Essenz hat Don Quijote der fiebrigen Lektüre dutzender Romane entnommen und sie bildet nun den Maßstab für sein ‚verrücktes‘ Verhalten, das sich an Abläufen der idealen Ritterromanwelt orientiert. So verführerisch ein derart abstrahiertes Ritterroman-Schema auch ist, es kann die komplexe Romanwelt des Amadis mit dutzenden von Spielorten und hunderten von Figuren nicht angemessen widerspiegeln. Das Serielle lässt sich nicht im Ideal des Schemas, sondern nur in der Kette reproduzierter, angereicherter und abgewandelter Erzählmuster greifen.4 Sicherlich sind schablonenhaftes und serielles Erzählen nicht vorschnell in eins zu setzen, trotzdem sollte der Rückgriff auf ein mehr oder weniger festes Set an Bausteinen für die serielle Produktionsweise unerlässlich sein.5 Greift man einen solchen Baustein heraus, lässt sich die Stoffmenge neu organisieren und eine Schneise durch den gesamten Roman schlagen. Eben das soll im Folgenden versucht werden. Der ‚Erzählmuster‘-Begriff wird – soweit ich sehe – häufig als Synonym zu ‚Erzählschema‘ und zumeist wenig trennscharf benutzt; hier soll er bewusst als ‚weicher‘ Begriff Verwendung finden: Er soll eine Handlung von mittlerer Reich-

3 Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote. Aus dem Spanischen übertragen von Ludwig Braunfels. Düsseldorf 2003, S. 185–188. 4 Marian Rothstein: Reading in the Renaissance: Amadis de Gaule and the lessons of memory. Newark (Delaware) 1999, S. 66 sieht in der Wiederholungsstruktur des Amadis die Orientierung an der mittelalterlichen Ästhetik von Analogie und Wiederholung. Ist das auch unzweifelhaft richtig, so dürfte dieser Mechanismus doch in der seriellen Erzählweise aufgegangen sein. Gerade für die letzten Bände scheint zu gelten, dass die plumpe Wiederholung gegenüber einem Sinn erzeugenden In-Beziehung-Setzen überwiegt. 5 Gegenbeispiele innovativer Serienkonzepte lassen sich sicherlich finden, sind aber eher spärlich gesät. So inszenierte Rainer Werner Fassbinder Anfang der 1970er Jahre die achtteilige Fernsehserie Acht Stunden sind kein Tag; vgl. hierzu Knut Hickethier: [Art.] Serie. In: Sachlexikon des Films. Hg. von Thomas Koebner. Stuttgart 2002, S. 550–552. Allerdings handelt es sich dabei auch ‚nur‘ um eine Miniserie.

218

8 Mikroebene: Erzählmuster

weite bezeichnen, die aus festen Bestandteilen in geregelter Abfolge besteht. Wie das Erzählmuster in dieser Arbeit von den verwandten Konzeptbegriffen abgegrenzt werden soll, möchte ich anhand eines Beispiel erläutern: Das Erzählmuster (,Verlust des Helden in früher Kindheit‘), das einem Thema6 (,Identität‘) zugeordnet werden kann, ist kleiner als ein Erzählschema7 – oder auch Strukturmuster – (vielleicht: ,Ritter erwirbt Dame‘, wobei die Eroberung der eigenen Identität die Voraussetzung für die erfolgreiche Werbung wäre), und größer als ein Motiv8 (z. B. ,auszeichnende Körpermale‘, die schließlich die Identitätsgewinnung ermöglichen). Über das hier ins Auge Gefasste reicht auch der von Jan-Dirk Müller dargelegte Begriff des Erzählkerns weit hinaus, der die narrative Konfiguration von Kulturmustern meint.9 Um Erzählmuster und Erzählschema noch einmal deutlich voneinander abzuheben: Vergleichbar mit Christian Schmid-Cadalberts Beschreibung der „Werbungs-Teilhandlungen der Aventiureromane […] als Ereignisketten“10 soll auch das Erzählmuster als Sequenz aufgefasst und dargestellt werden, doch wird für die kleinere Texteinheit ein sehr viel niedrigeres Abstraktionsniveau gewählt. Der Begriff dient nur der Beschreibung wiederkehrender Handlungselemente und zielt noch nicht auf die Textstruktur ab. Erzählmuster meinen also zunächst nichts anderes als ein Repertoire an Textbausteinen, auf das bei der Textproduktion zugegriffen werden kann. Die Abgrenzbarkeit der Begrifflichkeiten ist sicherlich nicht immer ganz eindeutig. Genauso wenig lässt sich das Erzählmuster immer sauber aus dem Text herausschälen. Wesentlich für die sichere Identifizierung eines Erzählmusters erschien mir, dass es – neben Stabilität in Zusammensetzung und zeitlicher Entwicklung – kompakt ist, d. h. keine fremden Erzähleinheiten und Handlungsfäden dazwischentreten. Ist das Erzählmuster als solches erst einmal etabliert, eröffnen sich selbstverständlich ‚Spielräume‘. Diese Durchführungen eines Erzählmusters sollen hier betrachtet werden. Um folgende Erzählmuster soll es gehen:  



6 Vgl. Armin Schulz: [Art.] Thema. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 3 (2003), S. 634–635. 7 Vgl. Matías Martínez: [Art.] Erzählschema. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 1 (1997), S. 506–509. 8 Vgl. Rudolf Drux: [Art.] Motiv. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 2 (2000), S. 638–641. 9 Vgl. Jan-Dirk Müller: Höfische Kompromisse. Acht Kapitel zur höfischen Epik. Tübingen 2007, S. 6–45, hier S. 6, S. 9, Definition auf S. 22. 10 Christian Schmid-Cadalbert: Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Ein Beitrag zum Verständnis mittelhochdeutscher Schemaliteratur. Bern 1985 (Bibliotheca Germanica 28).

8 Mikroebene: Erzählmuster

(1) (2) (3) (4) (5)

219

Heimliches Treffen der Liebenden Unbegründete Eifersucht Verlust des Helden in früher Kindheit Liebesprobe Furchteinflößende Ankunft

Alle ausgewählten Erzählmuster kommen in der Kurzcharakteristik der Bände I–VI (vgl. Kap. 6.1) mehrfach vor, sind bis in die letzten Bände hinein präsent und erscheinen mir als grundsätzlich repräsentativ für die Machart des Amadisromans: Das erste Erzählmuster dient der Realisation erotischer Szenen, das zweite steht für das spezifische Liebeskonzept des Amadisromans, das die Dame zur maßlosen Gebieterin über den Ritter erhebt. Das dritte Erzählmuster dient zur Etablierung eines Helden, wie beim nächsten Erzählmuster handelt es sich um eine typische ‚Auszeichnungsgeste‘. Die beiden letzten Erzählmuster geben Einblick in die dominante magische Handlung des Amadisromans: Bei der Liebesprobe handelt es sich um ein magisches Abenteuer, das von Paaren bestritten wird. Es dient der festen Zuordnung von Ritter und Dame und der graduellen Abstufung der Paare. Das Erzählmuster der furchteinflößenden Ankunft ist für den Handlungsfortschritt dagegen kaum von Bedeutung, kann aber gerade darum den Hang des Amadisromans zur bloßen Effekthascherei aufdecken. Die vorgestellten Erzählmuster unterscheiden sich in ihrer Ausdehnung: Sie strukturieren umfangreichere Szenen (‚Heimliches Treffen der Liebenden‘, ,Liebesprobe‘) oder bilden den Ausgangspunkt für ganze Handlungsabschnitte (,Verlust des Helden in früher Kindheit‘, ,Unbegründete Eifersucht‘), während die ‚Furcheinflößende Ankunft‘ eine kleine und in sich geschlossene Erzähleinheit darstellt. Meiner Ansicht nach steckt darin aber kein systematisches Problem, weil der ‚Erzählmuster‘-Begriff von der Produktionsseite her verstanden werden soll und der Autor einfach attraktive Momente kopiert – ohne Rücksicht auf Umfang etc. dieser Szenen. Die Durchführungen eines Erzählmusters bewegen sich zwischen (schlichter) Reproduktion und (größerer) Variante, was Rückschlüsse auf das Konzept des jeweiligen Autors zulässt. Beim Durchgang durch den Amadisroman wurde insbesondere nach sukzessiven Umgestaltungen Ausschau gehalten, die einer seriellen Erzählweise zuarbeiten. Deshalb bietet es sich an, die Ergebnisse in chronologischer Abfolge zu präsentieren. Gelegentlich wird diese Ordnung verlassen, um thematische Schwerpunkte herauszuarbeiten. Die erste Gestaltung eines Erzählmusters bildet die Folie, vor der die einzelnen Durchführungen bewertet werden. Dieser Grundtyp wird ausführlich vorgestellt und in eine grobe Formel gefasst. Für die einzelnen Erscheinungsformen wird dann nach Möglichkeit nur noch auf Abweichungen und Weiterentwicklungen hingewiesen.

220

8 Mikroebene: Erzählmuster

8.1 Heimliches Treffen der Liebenden Mit diesem Erzählmuster wird der Amadisroman eröffnet, denn da der Ritter Amadis ab ovo begleitet wird, beginnt der Roman mit der Liebschaft seiner Eltern König Perion von Frankreich und Prinzessin Elisena. Der Liebeshandlung geht nur eine kurze Abenteuer-Passage voran, mit der Perion standesgemäß eingeführt wird: zunächst ein Kampf gegen zwei Ritter und dann gegen einen Löwen. Staunender Beobachter dieser ritterlichen Taten wird König Garinter von Kleinbritannien, Elisenas Vater. „Darab der König Garinter ein sollich verwundern name, daß er zu sich selber sagt: Gewißlich dieser ist nicht vnbillich für ein der allerbesten Ritter auf erden geachtet vnd gerümbt.“11 Also führt er den fremden König an seinem Hof ein. Dort begegnet Perion der Prinzessin, die die Ehe bis dahin verweigert hat, und sie verlieben sich unweigerlich und auf der Stelle ineinander; ungefähr an diesem Punkt setzt das Erzählmuster ein. Elisenas Vertraute, die Kammerjungfrau Darioleta, vermittelt wortgewandt – was ein Charakteristikum dieses Figurentyps bleiben wird – ein nächtliches Treffen zwischen den Liebenden. Dabei nimmt sie Perion das Versprechen ab, Elisena zur Ehe zu nehmen.12 Später nimmt sie noch sein Schwert „zu zeugnuß der Rede vnd Verheissung“13 heimlich an sich, das aber schon dem sich unmittelbar anschließenden Erzählmuster ‚Verlust des Helden in früher Kindheit‘ zuzurechnen ist. Die findige Kammerjungfrau übernimmt dann auch Planung und Durchführung des Rendezvous: Ich wil es ewer G. sagen (antwort die Jungfrauw) Es ist E. G. vnuerborgen, daß es in deß Königs Perions Gemach ein thüren gegen dem Garten hinauß hat, welche jetzmahlen mit Teppichen vmmhengt, zu deren ich den Schlüssel hab. Darumb zu nacht wenn jedermann schlaffen seyn wird, können wir leichtlich one einiges wissen hinein kommen, vnnd nach erscheinung der stund, daß jr euch scheiden müst, wil ich E. G. anmanen vnnd ruffen.14

Neben Darioletas Hilfsbereitschaft steht ein Anflug von Neid und Eifersucht und auch dieser Zug wird von den Fortsetzungen gelegentlich kopiert.15 Selbst be-

11 Amadis. Erstes Buch, S. 15. 12 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 19 f. 13 Amadis. Erstes Buch, S. 23. 14 Amadis. Erstes Buch, S. 20. 15 Die Szene, in der die beiden Frauen Perion erwarten, hat einen leicht homoerotischen Unterton; vgl. auch Amadis II, S. 225 und – mit starken Anklängen an den ersten Band – Amadis XXII, S. 378. Schleiner macht vergleichbare Beobachtungen bezüglich der kämpfenden Damen Oronce und La belle Sauvage in den französischen Bänden XIX bis XI; vgl. Winfried Schleiner: Le feu caché: Homosocial Bonds Between Woman in a Renaissance Romance. In: Renaissance  

8.1 Heimliches Treffen der Liebenden

221

stimmte Formulierungen können zum festen Bestandteil eines Erzählmusters werden, denn Elisena „zittert wie Espin laub“,16 als sie zu König Perion geführt wird. Immer spielen kleine Türen und Kammern, Schlüssel und Schlösser, Schleichwege und Verstecke eine Rolle, häufig findet das Treffen in einem Garten statt. Nachdem das Paar eine Nacht miteinander verbracht hat und „nach viel lieblicher vmbfahung, vnzahlbarem küssen vnd vollbringung der heimlichen freude“,17 trennt Darioleta sie bei Tagesanbruch voneinander, damit ihr Geheimnis nicht entdeckt wird.18 Kurz darauf verlässt Perion den Hof und schenkt Elisena zum Abschied einen Ring. Ungefähr bis hierhin reicht das Erzählmuster, das sich in die Abschnitte (1) Ausbrechen der Liebesleidenschaft, (2) Verkupplung und (3) Vereinigung zerlegen lässt. In dieser Form wird es unzählige Male repetiert. Logischerweise ist es der mittlere Teil, auf den sich die Umgestaltungen konzentrieren. Dass im Einzelfall aber sogar der erste Teil des Musters ausfallen kann, zeigt seine erste (und größtmögliche) Variation in Buch I: Der Schürzenjäger Galaor wird nachts von einer Jungfrau zu Aldena, der Tochter von König Serolys, geführt, wobei er voll gerüstet über eine Mauer steigen muss. Auf dem Rückweg wird Galaor entdeckt, angegriffen und muss fliehen.19 Das (naheliegende) Moment der Entdeckung gehört nicht zur üblichen Entwicklung des Erzählmusters, was schon anzeigen könnte, dass es sich hierbei nicht um eine gefühlsbetonte Liebesvereinigung, sondern um ein erotisches Abenteuer handelt. In vergleichbarer Weise wird das Erzählmuster in Buch XII und XIII auf den untreuen Rogel angewendet,20 der im Vorfeld eines ‚Heimlichen Treffens‘ die Liebesmodelle spöttisch verhandelt und sich dabei selbst mit Galaor vergleicht.21 Für gewöhnlich wird aber die erste und entscheidende Zusammenkunft des Liebespaares nach diesem Muster entwickelt, was bei Amadis und Oriana aller-

Quarterly 45, 2 (1992), S. 293–311. Brooks will einen Masturbationsakt erkennen; vgl. Jeanice Brooks: Chivalric Romance, Courtly Love and Courtly Song: Female Vocality and Feminine Desire in the World of Amadis de Gaule. In: Musical Voices of Early Modern Women. Many-Headed Melodies. Hg. von Thomasin Kathleen LaMay. Aldersholt 2005 (Woman and Gender in the Early Modern World), S. 63–93, hier S. 89. 16 Amadis. Erstes Buch, S. 23. 17 Amadis. Erstes Buch, S. 24. 18 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 24. 19 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 131 ff. 20 Vgl. Amadis XII, Kap. 36 f.; Amadis XIII, fol. 224rff. 21 Vgl. Amadis XIII, fol. 216r(eigentlich fol. 219r!). Im gleichen Zusammenhang wird übrigens auch auf die Liebesproben von Amadis und Oriana verwiesen; vgl. Amadis XIII, fol. 218vf.  



222

8 Mikroebene: Erzählmuster

dings nicht der Fall ist.22 Doch weist in Buch II das Wiedersehen von Amadis und Oriana nach langer und unglücklicher Trennung, die die eifersüchtige Prinzessin befohlen und schnell bereut hatte (s. u.), die wesentlichen Züge des Erzählmusters auf, holt es vielleicht sogar nach: Oriana und ihre Base Mabila verlassen den Hof und ziehen sich in ein kleines, ruhiges Schloss zurück, um Amadis dort zu erwarten.23 Das Gespräch des Paares, in dem sie einander ihre Leiden schildern, wird von Mabila harsch abgeschnitten:  

Es ist gnug dauon geredt / sagt die Mabila / Ewer L. haben beiderseits kummers gnug erstanden / sehet wie es verbessert werden mge / vnd der kelte zu frkommen / (so E. L. schaden mchte) lasset vns ins hauß gehē. E. L. redt recht dauon / sagt die Oriana / Auff solches ward der Amadis in deß Frewlins kammer gefhrt / vnd alßbald gieng die Mabila v die Jungfraw auß Dennemarck hinauß / dann sie wol erachten kondten / daß sie jnen beiden daran gefallens thun wrden / vnd theten dergleichen / als wann sie sonst zuschaffen hetten / vnnd liessen sie allein bey einander […].24

Hier muss Mabila die Liebenden nicht im Morgengrauen trennen, denn fern des väterlichen Hofes können Amadis und Oriana ganze acht Tage ungestört zusammen verbringen; es wird aber erwähnt, dass Amadis tagsüber versteckt werden muss. Der Held von Buch V, Amadis’ Sohn Esplandian, ist als keuscher Held konzipiert. Er verliebt sich auf Hörensagen in Leonorina und die räumliche Distanz zwischen ihnen wird so lange wie möglich aufrecht gehalten.25 Dennoch enthält selbst dieser Band das Erzählmuster – wenngleich mit einigen Anpassungen:26 Esplandians treue Freundin Carmella ersinnt eine reizvolle List, um die Liebenden zusammenzuführen. Der Ritter wird in einem mit Schätzen gefüllten „Be-

22 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 361 ff.: Nachdem Amadis Oriana aus den Händen des bösen Zauberers Arcalaus gerettet hat, nutzt er einfach die Gunst der Stunde. Die Liebesvereinigung wird zudem durch die Vorschaltung eines ganz ähnlichen Erzählmusters hinausgezögert: Immer wieder verabreden die Liebespaare im Amadisroman sich zunächst zu nächtlichen Gesprächen am Fenstergitter; vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 154 ff. u. insb. S. 165. 23 Wieder ist die Vertraute die treibende Kraft (vgl. S. 205 f.), sie lässt für Amadis einen Schlüssel nachmachen (vgl. S. 218 ff.), der vor dem Treffen im Garten „zittert / wie ein Espin laub“ (Amadis II, S. 289). 24 Amadis II, S. 293. 25 Vgl. Amadis V, fol. 45vf., fol. 117rff. 26 Vgl. Antony van Beysterveldt: La transformación de la misión del caballero andante en el Esplandián y sus repercusiones en la concepción del amor cortés. In: Zeitschrift für Romanische Philologie 97, 3–4 (1981), S. 352–369, hier S. 364: „Aunque Montalvo ha conservado las apariencias del culto cortesano en la historia de amor entre Esplandián y la princesa Leonorina de Constantinopla, su actitud negativa hacia la pasión amorosa, su tendencia a eliminar de su relato los lances de amor, quedan muy patentes a lo largo del libro.“  







8.1 Heimliches Treffen der Liebenden

223

grbnuß“, das Leonorina als Geschenk zugesandt wird, in ihr Gemach geschmuggelt.27 Zusätzliche Spannung wird dadurch erzeugt, dass Leonorina Carmellas Andeutungen missversteht und davon ausgeht, dass man ihr Esplandians Leichnam bringt. Leonorinas Vertraute, die Königin Menoressa, tröstet und ermahnt ihrem Figurentypus entsprechend und kann sie endlich überreden, den Kasten aufzuschließen.28 Wieder kommt also das Schlüsselsymbol mit unverkennbar sexueller Bedeutung zum Einsatz. Zur körperlichen Vereinigung darf es zwar nicht kommen, doch küsst Leonorina den lang ersehnten Ritter heftig, was vom Erzähler umständlich gerechtfertigt werden muss, der sich überdies zu der Vermutung hinreißen lässt, nur die Anwesenheit der Königin Menoressa habe das Paar von weiteren Annäherungen abgehalten. Schließlich kündigt die Königin das Heranbrechen des Tages an und läutet das Ende des heimlichen Treffens ein.29 Bemüht sich Montalvo mit seiner ersten, echten Fortsetzung auch spürbar um einen Neuansatz, so meint er doch auf das angestammte Material des Amadisromans nicht verzichten zu können. Mühsam werden beide Positionen verhandelt, was zu Lasten des christlich-konservativen Konzepts wie des Erzählmusters geht. Mit der aufwendigen Inszenierung des heimlichen Treffens könnte überdies versucht worden sein, den Mangel an expliziter Erotik auszugleichen. Im Gegensatz dazu kann Feliciano de Silva in seiner ersten Fortsetzung sogar auf den ‚moralischen Puffer‘ der das Treffen initiierenden Kammerjungfrau verzichten.30 Die beiden Protagonisten Lisuart und Perion vereinbaren dieses selbst mit ihren Damen im Rahmen eines vorgeschalteten Musters, dem ‚Nächtlichen Gespräch der Liebenden am Fenstergitter‘,31 der Mittelteil entfällt also fast vollständig. In Buch IX verhindert die Anwesenheit der kuppelnden Vertrauten die körperliche Vereinigung des Paares. Dem Erzählmuster fehlt damit ein integraler Bestandteil, der bis auf das Bandende aufgespart wird, was wohl der Spannungsregie geschuldet ist.32

27 Vgl. Amadis V, fol. 177rf. 28 Vgl. Amadis V, fol. 183rff. 29 Vgl. Amadis V, fol. 186vff. 30 Vgl. Amadis VI, Kap. 60. Vgl. hierzu Sigmund Johann Barbers Überlegungen zum ersten Buch: Amadis de Gaule in Germany: Translation or Adaption? In: Daphnis. Zeitschrift für mittlere deutsche Literatur 21, 1 (1992), S. 109–128. 31 Vgl. oben: S. 222 Anm. 22. 32 Vgl. Amadis IX, Kap. 36: Der Schäfer Darinel, der den Helden Florisel auf seinen Abenteuern begleitet, übernimmt die Rolle der Kammerzofe und vermittelt ein heimliches Treffen mit Helena. Während des Treffens selbst treibt Helenas Base Timbria die Annäherung des Paares voran (vgl. z. B. S. 536), gleichzeitig aber verhindert ihre Anwesenheit den Liebesakt (vgl. S. 574). Gegen Ende  

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8 Mikroebene: Erzählmuster

Nicht auf zwei Szenen aufgeteilt, sondern nur wirkungsvoll verzögert, wird das Erzählmuster in Buch XIV: Das erste verabredete Treffen im Garten halten die Prinzessinnen Penthasilea und Fortuna aus Angst vor der eigenen Courage nicht ein. Die beiden enttäuschten Prinzen schreiben daraufhin je einen der im Amadisroman so beliebten Liebesbriefe, die den Prinzessinnen über den getreuen Zwerg Buzando zugespielt werden. So bald beyde Princessin diese Brieff samentlich gelesen / wurden sie zu solchem mittleiden bewegt / daß sie gleich vnd ohne weiter auffordern den Schlssel jhres willens zur vestungē jrer keuschheit beyde Printzen / die sie so inniglich liebten / gutwillig vbergeben / […].33

Die Prinzessinnen setzen einen Antwortbrief auf und es kommt doch noch zur unvermeidlichen Liebesvereinigung, was mit dem Schlüsselmotiv schon antizipiert ist. Die mittleren, italienischen Bände scheinen sich stärker an der moralisch bereinigten Esplandián-Fortsetzung zu orientieren. Gehörte das Eheversprechen schon zur modellbildenden, ersten Durchführung des Erzählmusters, wird es mit einer improvisierten Zeremonie vor Zeugen, Ehegelübde und Ringtausch nun breit ausgestaltet.34 Doch damit nicht genug: Es müssen auch noch Gründe dafür angegeben werden, warum die Eheschließung (noch) nicht offiziell erfolgen darf, die Spheramondt in Buch XVIII ad hoc parat hat: Weil aber Amadis vom Gestirn / vnnd ich mit ein ander abgeredt / das keiner ohn den andern sich Verheurahten solle / kan / ich zu disem mal solches begehrn an Keyser nicht thun / da dem also / was vor ein Remedium kndt jhr mir geben / zuverhten / das ich nicht in solchen meinen begierden sterbe / biß jhr mir zum Gemahl zu gesagt vnnd versprochen werden.35

Allerdings wird mehrfach betont, dass diese Ehe ganz und gar im Sinne von Richardas Vaters, des Kaisers, wäre. Schließlich wird gar die Erlaubnis der Mutter

des Bandes kommt es zu weiteren heimlichen Treffen; vgl. Amadis IX, Kap. 67 f.: Florisel überredet Helena, die zur ,zweiten Helene‘ stilisiert wird (vgl. z. B. S. 1071), mit ihm zu fliehen, weil sie einem anderen verlobt worden ist und die Hochzeit unmittelbar bevorsteht. Zu diesem Zweck verspricht er ihr die Ehe, die umgehend vollzogen wird (vgl. S. 1089 ff.). 33 Amadis XIV, S. 759. 34 Bezugnehmend auf die erste Rezeptionsphase des Amadisromans in Frankreich betont Rothstein, dass schon das Arrangement der Kammerjungfrau Darioleta als heimlich vollzogene Ehe betrachtet werden konnte; vgl. Marian Rothstein: Clandestine Marriage and Amadis de Gaule: The Text, the World, and the Reader. In: Sixteenth Century Journal 25, 4 (1994), S. 873–886, hier S. 879. 35 Amadis XVIII, S. 576.  





8.1 Heimliches Treffen der Liebenden

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für die heimliche Ehe eingeholt.36 Nachträglich gibt der Kaiser sofort seine Zustimmung und beraumt augenblicklich die Hochzeit an.37 Im folgenden Band XIX wird diese Variante des Erzählmusters wiederholt, nur der Grund für die vorgezogene, heimliche Ehe ist ein anderer: Amadis vom Gestirn fällt wie tot zu Boden, als Rosalina seinem Drängen nicht nachgeben will. Aus Sorge um seinen Gesundheitszustand willigt sie nun ein.38 Die mehrfache Absicherung des heimlichen Treffens deutet auf das Ringen mit einem Erzählmuster, das untrennbar zum Amadisroman gehört und nicht einfach ausgelassen werden kann. Die Lösung erscheint zwar etwas ungeschickt, ist aber durchaus zweckmäßig: Es wird eine Konstellation geschaffen, die die voreheliche Zusammenkunft erst ermöglicht, um ihre Makelhaftigkeit durch die hastige Verheiratung im nächsten Moment zu tilgen. Ihre Heimlichkeit haben diese Treffen ohnehin eingebüßt, auch wenn die charakteristischen Umstände selbstverständlich genauestens reproduziert werden. Auch Buch XXII kopiert die Variante mit vorgeschalteter, heimlicher Ehe.39 Hier ist unter anderem Cassandra, die zu den magischen Figuren zählt, an Planung und Durchführung des Treffens beteiligt. Cassandra verkündet, dass ihre Mutter Alquife und ihre Großmutter Urganda dem Kind, das aus dieser Verbindung hervorgehen wird, eine glänzende Zukunft prophezeien.40 Auf diese Weise wird die Sündhaftigkeit des heimlichen Treffens maximal wegerklärt.41 Offensichtlich tut sich der Autor mit dem Erzählmuster schwer, auf das er dennoch keinesfalls verzichten mag. So heißt es am Ende der Episode etwas ungereimt: Also wurde die Jnfantin Leonoria auff den Abend / jhrem Hertzallerliebsten Printzen Agesipole [öffentlich!] vermehlet / v wurde solchs selbiger nacht durch den ehelichen beischlafft [!] (doch heimlich vnd in aller stille) bestettiget.42

Mit dem Motiv der heimlichen Ehe aufs Engste verbunden ist eine Stärkung der Rolle der Kammerjungfrau, wie sich insbesondere einer Durchführung des Erzähl-

36 Der Vater darf nicht eingeweiht werden, weil er das Paar wohl ‚vorzeitig‘ verheiraten würde. 37 Vgl. Amadis XVIII, S. 578–616. Spheramondt bittet darum, die Eheschließung zunächst nicht publik zu machen; der (vorgeschobenen) Begründung für die voreheliche Vereinigung wird also nicht widersprochen. 38 Vgl. Amadis XIX, S. 179–205. 39 Vgl. Amadis XXII, Kap. 17. 40 Vgl. auch Amadis XXIV, S. 1251 ff.: Hier träumt die Dame dreimal von der „namhaffte[n] frucht“, was sie dazu bewegt, der Bitte des Ritters nachzugeben. 41 Trotzdem darf ein kurzer Erzählerexkurs nicht fehlen: „Hie soll man aber warnemmen d’ grossen weiblichen schwachheit vnd bldigkeit / bey diser Frstin […].“ Amadis XXII, S. 384. 42 Amadis XXII, S. 395 f.  



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musters in Band XX ablesen lässt.43 Nachdem sich Clarestelle ihrer Kammerjungfrau anvertraut und ihr grundsätzliches Interesse signalisiert hat, schleust diese schnurstracks Fortunian in das Gemach ihrer Herrin. Als Fortunian versteht, dass es gegen den ausdrücklichen Willen seiner Dame geschehen ist, weigert er sich, sein Versteck zu verlassen und seiner Dame gegenüberzutreten. Das Fehlverhalten ist demnach der Kammerjungfrau anzulasten, die die nächtliche Begegnung durch stetes Dazwischenreden überdies in die gewünschte Richtung treibt: Schweiget jhr stille / lieber Herr / dann es gebrt sich nit / daß jhr etwas hierzu sprechet / dieweil ich als der Secretarius frhanden bin / vnd darzu redē soll: Jhr sollt mir allein auff das antwort gebē / so ich euch fragē werde. Vnd jhr / gnstige Princessin / wann ich euch fragē werde / ob euch eins oder das ander gesellig sey / so sprechet nur frlich v vnverzagt Ja darzu […].44

Entscheidenden Einfluss nimmt die Kammerjungfrau auch in einer Durchführung in Buch XXI:45 Ginoldan wagt es bei dem heimlichen Treffen nicht, sich seiner Angebeteten körperlich zu nähern, womit diese insgeheim sehr unzufrieden ist. Für diesen Fehltritt wird er von der Jungfrau Oleria gründlich zurechtgewiesen.46 Nach einem heimlichen Eheversprechen wird das Treffen wiederholt und dieses Mal zeigt der Ritter das ‚musterhafte‘ Verhalten.47 Dieses heimliche Treffen mit doppeltem Anlauf wird von Buch XXII kopiert.48 Überhaupt kommt das Erzählmuster in Buch XXII überreichlich vor.49 In eine Durchführung wird geschickt das Erzählmuster der (in diesem Fall nicht ganz) unbegründeten Eifersucht eingeflochten.50 Dagegen weist Buch XXIII nur eine Szene auf, die schon recht weit vom ursprünglichen Muster entfernt ist: Fulgoran

43 Vgl. Amadis XX, S. 215–278. 44 Amadis XX, S. 257. 45 Unmittelbar zuvor findet eine weitere Durchführung des Erzählmusters mit heimlicher Ehe statt; vgl. Amadis XXI, Kap. 75. 46 Vgl. Amadis XXI, S. 998 ff. 47 Vgl. Amadis XXI, S. 1054 ff. Folgerichtig taucht auch nur in der Wiederholung das Schlüsselsymbol auf (vgl. S. 940 f.), während im Zusammenhang des ersten Treffens eine Gartentür mit einem „heimlichen griff“ (S. 1007) und eine eiserne Tür mit einem „Rigel“ (S. 1008) erwähnt werden. 48 Vgl. Amadis XXII, S. 903 ff. 49 Vgl. Amadis XXII, S. 888 ff. 50 Vgl. Amadis XXII, S. 826 ff.: „Der Printz ksset jhr hierauff jhre zarte schneewisse Hende / vnnd versprachen also einandern / in beywesen der Serillolla vnnd Egeria / ehliche pflicht vnd trew / zu welches bekrefftigung / jhr der Printz einen ring geben wolt / erwtsch aber dē / so jm die Hertzogin Cleandrida auß Tingitanen / zu seinem wegscheiden / geben hat: zuckt derhalben widerumb / welches die Jnfantin sehr frembd nam […].“ Amadis XXII, S. 866 f.  













8.1 Heimliches Treffen der Liebenden

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trifft sich mehrfach mit der verheirateten Königin Zarzaparilla und bringt sie schließlich dazu, ihren Ehemann zu betrügen.51 Auch Buch XXIV weist Variationen auf: Hier wird jeweils ein Seitensprung der Helden Safiraman52 und Hercules53 am Erzählmuster entlang erzählt. Zum Schluss sei noch auf zwei Fälle hingewiesen, in denen eine spielerische Variante des Erzählmusters zum Einsatz kommt: In Buch XXI verliebt sich Agiliana, die Tochter des feindlichen Riesen Pacanaldon, in einen schönen, jungen Ritter und initiiert ein nächtliches Treffen. Tatsächlich handelt es sich aber um Silvagia, eine kämpfende Dame. Der Reiz dieser Episode rührt vermutlich daher, dass der Leser weiß, wozu Verabredungen dieser Art üblicherweise führen. Äußere Umstände sorgen dann für ein jähes Ende.54 Die bemerkenswerteste Modifikation des Erzählmusters ist in Buch XXIII enthalten. Hier wird das Erzählmuster als Parodie gestaltet und wie so oft sorgt ein Zwerg für den komischen Effekt: Myrmidon hat sich unter Rosoreas Bett versteckt, „in meinung / wie er selber bekennet / vnd endlichen vorhabens / sich zu der Princessin zulegen / so bald sie entschlaffen were“.55 Als die Prinzessin zu Bett geht, wird er von ihren Hofdamen unter großem Gelächter entdeckt. In seiner Verteidigung wird der Kern des Erzählmusters ,Heimliches Treffen der Liebenden‘ freigelegt: Zu dem / hab ich jmmer hren sagen / es sey gut mit den Jungfrawen vmb zugehn / wan mann so weit kommen kan / daß man nacket bey jnen in jhrem Beth lige / vnnd seyen bey weitem nicht also scheuch / sonderlich zunacht / als sie sich sonsten des tags stellen.56

Dass der Zwerg mit dieser Annahme ganz richtig liegt, zeigt die Schlusswendung des Kapitels: Die Jungfrawen lachten noch ein gute weil des zwergs / legten sich darnach zu ruhe / welche der Princessin Rosorea / ohne zweiffel / viel angenemer / were gewesen / wa sie jhren allerliebsten Printzen / an statt des zwergs bey jhr gehabt het.57

51 Vgl. Amadis XXIII, S. 55 ff. Es versteht sich von selbst, dass diese Konstellation eine ganz andere Folgehandlung nach sich zieht. Dementsprechend wird auch schon die Atmosphäre der Szene gestaltet: Das heimliche Treffen muss von der eingeweihten Jungfrau Pistenia hastig beendet werden, „derowegen Herr Fulgoran nicht allein die gemeinschafft seines bulen lassen mußt / sondern auch noch so lang sich verbergē / biß man mit grosser mhe ein mittel erdachte / daß man jn mchte herauß bringen / vnnd jn darvon helffen.“ Amadis XXIII, S. 73 f. 52 Vgl. Amadis XXIV, S. 292–295. 53 Vgl. Amadis XXIV, Kap. 74 f. 54 Vgl. Amadis XXI, Kap. 31 f. 55 Amadis XXIII, S. 1187. 56 Amadis XXIII, S. 1188. 57 Amadis XXIII, S. 1188 f.  









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8 Mikroebene: Erzählmuster

Die Durchführungen des Erzählmusters unterscheiden sich also in erster Linie durch den Aufwand, der im Mittelteil ‚Verkupplung‘ betrieben werden muss, damit es zur Liebesvereinigung kommen kann. Insbesondere die italienischen Bände bauen diesen Teil kräftig aus. Eher um Ausnahmen handelt es sich dagegen, wenn die begründende Liebe fehlt (Galaor) oder die körperliche Vereinigung nicht stattfindet (Esplandian).

8.2 Unbegründete Eifersucht Wie bei der Analyse von Buch I herausgestellt worden ist, wird das Erzählmuster der unbegründeten Eifersucht schon in diesem Band angelegt, jedoch erst im folgenden Band II wirksam. Wie es dort entwickelt wird, soll im Folgenden skizziert werden: Zu Beginn von Buch II besteht Amadis eine Liebesprobe und stellt seinen Status als vollkommener Liebender unter Beweis. Damit ist die maximale Fallhöhe erreicht und fast zwingend schließt sich das Erzählmuster an. Zuvor wird noch ein größerer Rückblick mit Leseransprache eingeschoben, der die Rezeption über Bandgrenzen hinweg denkbar einfach macht: Der Leser wirdt zweiffels ohne / in dem ersten buch vom Amadis / wol verstanden haben waß verdruß vnnd widerwillen die Princessin Oriana ausser des Zwergs Ardan falschen anzeig […] geschöpfft.58

Oriana kocht vor Eifersucht und kann auch von ihren Vertrauten nicht beruhigt werden.59 Darumb sie letzlichen jr fürname vnd sich entschlosse / dieweil er abwesendt vnd sie jm mit mundt jres hertzen anligen nicht eröffnen kond / jm solches in Schrifften anzufügen.60

In ihrem Brief beschimpft und verstößt Oriana ihren Ritter: Dem allen nach so verbiete ich euch / das jr euch weder vor mir / noch an dem ort / da ich wohnen wrd / finden lassen / des entlichen versehens gegen mir / das mein hertzliche liebe vnnd affection jetzo durch ewern verdienst vnd beschulden / in feindschafft v greuliche wt verendert ist.61

58 59 60 61

Amadis II, S. 42. Vgl. Amadis II, S. 42. Amadis II, S. 43. Amadis II, S. 45; Hervorhebung im Original.

8.2 Unbegründete Eifersucht

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Den Brief übergibt Oriana Durin, dem Bruder ihrer Kammerzofe, der ihr besonderes Vertrauen genießt. Dieser soll Amadis aufsuchen und den Brief aushändigen, doch ausdrücklich keine Antwort entgegennehmen. Für Amadis’ Reaktion interessiert sich Oriana aber schon: „Jn sonderheit aber solte er [der Bote] gut achtung geben vnnd sein fleissigs auffmercken haben / wie er sich im lesen stellen vnnd wes er sich hernach verhalten wrde […].“62 Amadis ist voller Vorfreude, die jedoch bitter enttäuscht wird. Nachdem er den Brief gelesen hat, gibt sich Amadis einer ausufernden Wehklage hin und fällt in Ohnmacht. Doch beugt er sich dem Befehl seiner Dame und verlässt in der Nacht heimlich und ohne Begleitung den Hof, um ziellos umherzustreifen und in der Wildnis sein Leben einsam zu beschließen; gelegentlich steigt er vom Pferd und lässt sich nieder, „damit er seiner Melancoley desto besser nachgedencken möchte […]“.63 Schließlich kommt Amadis bei einem Einsiedel unter, der sein karges Leben auf einem Felsen („Armfelß“64) fristet.65 Weil Amadis sich nicht zu erkennen geben will, gibt ihm der Einsiedel den Namen „Dunkelhpsch“.66 Hier wird Amadis bleiben, bis sich der Irrtum aufgeklärt hat und Oriana ihn bittet, zurückzukehren.67 Für eine nicht begangene Verfehlung widerspruchslos Buße zu tun, ist durch und durch Ausdruck des überspannten Liebesmodells, das der Amadisroman entfaltet.68 Diese Schlüsselszene – die sogenannte ‚Peña Pobre-Episo-

62 Amadis II, S. 46. 63 Amadis II, S. 61. 64 Amadis II, S. 158. 65 Vgl. Amadis II, S. 104 ff. 66 Amadis II, S. 111. 67 In Amadis II, Kap. 7 erfährt Oriana von Amadis’ bestandener Liebesprobe und von seiner Reaktion auf den Brief, worauf sie tiefe Reue empfindet und einen weiteren Brief schreibt. Im folgenden Kapitel erzählt ein Ritter am Hofe von seiner erfolglosen Suche und stürzt Oriana damit erneut in Verzweiflung (vgl. S. 146 ff.). In Kap. 9 gelangt ein Lied des verbannten Amadis zufällig an den Hof, welches erst Orianas Schmerz mehrt, dann aber Hoffnung auf seine Rückkehr weckt (vgl. S. 170 ff.). Im nächsten Kapitel gelangt Orianas Botin mit dem zweiten Brief zum „Armfelß“ und nimmt Amadis mit sich zurück. Der glücklichen Wiedervereinigung sind aber noch eine ganze Reihe von Szenen vorgeschaltet, in denen Oriana sich der Klage hingibt (vgl. S. 199 f., S. 241), (fast) in Ohnmacht fällt (vgl. S. 205), Amadis’ Diener Gandalin auffordert, sie zu töten (vgl. S. 213), ein inneres Zwiegespräch mit Amadis führt (vgl. S. 218 f.). Das Wiedersehen des Paares wird als ‚Heimliches Treffen der Liebenden‘ inszeniert (vgl. Kap. 14). Der gute Ausgang wird in einem prophetischen Traum Amadis’ (vgl. S. 108 f.), der vom Einsiedel wenig später ausgelegt wird (vgl. S. 151 f.), sowie in einem Erzählerexkurs (vgl. S. 113) bereits vorweggenommen. 68 Dieses Liebesmodell wird im Text selbst freilich auch kritisiert; vgl. Hans-Jörg Neuschäfer: Der Sinn der Parodie im Don Quijote. Heidelberg 1963 (Studia Romanica 5), S. 19 f.; Ulrich Stadler: Der einsame Ort. Studien zur Weltabkehr im heroischen Roman. Bern 1971 (Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur 43), S. 45–57.  















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8 Mikroebene: Erzählmuster

de‘69 – dürfte zum kollektiven Wissensbestand der Amadis-Leserschaft gehört haben. Wenn Don Quijote eben diese Szene nachspielt und büßt,70 treibt er den Irrsinn auf die Spitze, weil es in seinem Fall weder ein begangenes Unrecht noch eine zornige Dame gibt. Eine grobe Einteilung des Erzählmusters sähe wie folgt aus: (1) Verdachtsmoment, (2) Verbannung, (3) Rückzug von der Welt. In diesem Fall ist der Mittelteil am stabilsten, wie sich zeigen wird. Nicht die Spur eines Verdachts darf natürlich auf Esplandian fallen, doch zieht er mit seinem langen Fernbleiben ebenfalls den Zorn seiner Dame auf sich, was sie ihm per Brief mitteilt.71 Buch VI, das die Liebes- und Leidensgeschichte von Amadis’ Enkel Lisuart und dessen Freundin Onolorie erzählt, restituiert das Erzählmuster wieder,72 ein charakteristischer Punkt bleibt jedoch ausgespart: Allda setzt er [Lisuart] sich vnder die Bum / vnnd martert sich / mit sttigem nachsinnen seines vnglcks / daruon er in ein semlichen vnmut gerhiete / das er bedacht war / gntzlich die Ritterschafft zuvbergeben / vnnd in ein Einsidler stand zutretten / darinnen sein vberig Leben zuverschliessen / dan er sich zu viel geschwcht vnnd mangelhafft / on seines Frwlein huldt / zu Ritterlichen vbungen befande. Vnnd vnder diesen fantastischen Rhatschlgen / geduncket jn / wie das er ein stimm hre / die jhm zuruffe. Lisuart / schlag auß dem sin solche gedancken / vnnd verfolg gntzlich den weg der Ritterschafft / vnnd das jenige / darzu du durch Natrlich angeboren recht bist beruffen / anders du thust Gott nicht ein wol gefllig werck.73

69 Vgl. Walter Pabst: Die Selbstbestrafung auf dem Stein. Zur Verwandtschaft von Amadís, Gregorius und Ödipus. In: Der Vergleich. Literatur- und Sprachwissenschaftliche Interpretationen (Festschrift Hellmuth Petriconi). Hg. von Rudolf Grossmann u. a. Hamburg 1955 (Hamburger Romanistische Studien, Reihe A, 42), S. 33–49. 70 Vgl. Cervantes Saavedra: Don Quijote (Anm. 3), Buch 1, Kap. 25. 71 Vgl. Amadis V, fol. 158rff., fol. 163vff. 72 Vgl. Amadis VI, Kap. 29 f.: Zufällig kommt Onolorie Klatsch über die vermeintliche Liebe zwischen Lisuart und Gradafilee zu Ohren, woraufhin sie sofort von der Untreue ihres Ritters überzeugt ist. Ihre Schwester Gricilerie kann sie nicht beruhigen. Sie entschließt sich dazu, einen Brief zu schreiben, und vertraut diesen einem zuverlässigen Boten an, der angehalten ist, auf die Reaktion Lisuarts zu achten. Lisuart versetzt der Brief zunächst in Hochstimmung, doch es folgt ein herber Schlag: Onolorie beschimpft und verstößt ihren Ritter. Lisuart fällt leblos zu Boden; von Selbstmord sieht er nur ab, weil er um sein Seelenheil fürchtet. Obwohl er sich ungerecht behandelt fühlt, gehorcht der Ritter auch noch diesem Befehl seiner Dame und zieht sich klagend aus der Welt zurück, dabei sind Gegenwart und Liebe seiner Dame seine Lebensgrundlage. 73 Amadis VI, S. 406 f.  





8.2 Unbegründete Eifersucht

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Es wird also das wirkmächtige Einsiedler-Dasein aufgegeben, sicherlich nicht zuletzt deswegen, weil es sich so schlecht erzählen lässt. Auch in Buch VIII, das von den Abenteuern von Amadis aus Griechenland, Ur-Enkel des Stammvaters, berichtet, findet das Erzählmuster Anwendung;74 dieses Mal allerdings mit einer folgenreichen Änderung, denn Lucellas Verdacht ist eben nicht unbegründet: Die Nachricht von Amadis’ Rückkehr, der lange Zeit für verloren gehalten worden war, breitet sich in der Romanwelt aus. Gleichzeitig wird bekannt, dass Amadis sich in seiner Abwesenheit verheiratet hat. Alle Welt ist außer sich vor Freude. „Aber / ach leider / das jenig / so sie also sehr erfreuwete / brachte der Princessin auß Sicilien ein solche beschwernusse […].“75 Denn Lucella, die Prinzessin aus Sicilien, war lange Zeit mit Amadis verbandelt und hatte sich nach seinem Verschwinden in ein Kloster zurückgezogen. Schließlich setzt Lucella einen Brief auf, der durch einen „getreuwen Kaerjungē“76 überbracht wird. In ihren Zeilen erinnert Lucella auch an die beinahe sprichwörtliche Treue der Vorfahren von Amadis aus Griechenland, die in den von ihnen bestandenen Liebesproben zum Ausdruck kommt.77 Als Amadis der Brief erreicht, zeigt er die heftigste Gefühlsregung: […] dz auch nit on vrsach / dann das vnrecht / so er jr beweiset / jm nachmaln vil krieges machē / welche sich auch in mancherley wege sich [!] zutrugen / wie da die Histori vō Herrn Florisel vō Niquea dessen meldūg thun wirt / Histori sage ich / welche so schn / lustig / vnd kurtzweilig war / als einige / so jemals vorhin gewesen seyn nag [!] / zu vnserm frhabē aber zukoen […]78

Wenig später sendet Amadis den Boten mit einem Antwortbrief zurück, in dem er seine Schuld bekennt; in die Einöde wird er sich deswegen aber nicht zurückziehen. Was könnte nun der Anlass für diese drastische Abwandlung des Erzählmusters sein? Ich vermute einen Grund, der sich dem Textauszug sogar ablesen lässt, indem dort ausdrücklich und mit werbender Geste auf die Fortsetzung

74 Das Erzählmuster wird folgendermaßen vorbereitet: Lucellas Eifersucht wird erwähnt (vgl. Amadis VIII, S. 437, S. 548); Amadis belügt Lucella und wird kurz darauf durchschaut (vgl. Amadis VIII, S. 560 f., S. 601). 75 Amadis VIII, S. 912. 76 Amadis VIII, S. 914. 77 Vgl. Amadis VIII, S. 916 f. 78 Amadis VIII, S. 919.  



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8 Mikroebene: Erzählmuster

hingewiesen wird:79 Die Ersetzung des treuen durch den untreuen Helden bietet den unschlagbaren Vorteil, dass einfach mehr erzählt werden kann.80 Denn die erfüllte Liebe ist ein Problem für eine Serie. Ihr Figurenpersonal muss vor allem eines sein: anschlussfähig. Ständig müssen sich neue personelle Konstellationen ergeben, damit die Geschichte immer weiter fortgesponnen werden kann. Eine Zwischenstellung nimmt Amadis’ Enkel Lisuart ein, der nach kurzer Ehe seine Frau verliert und sich neu verheiratet.81 Es ist deshalb nur folgerichtig, dass Amadis aus Griechenland auch mit seiner Frau Niquea nicht dauerhaft glücklich sein kann. In Buch X greift das Erzählmuster nachträglich doch noch: Nach dem Amadis auß Griechenlandt / so lange zeit / wie jhr wisset / der schnheit Niquea genossen hett / […] zndet die vnbestendige Liebe jrem gebrauch nach / ein fncklein so noch nicht gar erloschen war / der Princessin Lucella halben / widerumb in jm an / […] vnd vergifftet jhn der verfluchte Teuffel dermassen / mit seinen schedlichē gifftigen kreuterē / daß weder die freundtschafft seiner allerliebsten Niquea / welche jhm ahn der seitten schlieff / noch jre tugendt vnnd hoher verstandt / jhme zur artzney dienen kondten / damit er dieser fantastischen einbildung mssig gieng / oder dieselbige herauß wrffe / Sonder kerete sich im beth hin vnnd wider / als einer der nicht schlaffen kondt / vnd schrie: O Lieb / wie listig gehst du mit deinen sachen vmb / die du dich nicht bengen lassest an dem newen fewr / so du erstlich in mir durch das anschawen Lucelle angezndet hast / sonderen machest dasselb auch hernach glosten vmb der lieb Niquea willen / damit ich nicht allein dise marter vnd leiden / wann ich sie verlaß / außstehe / sonderen daß du mir damit mein elend dopplierest / vnd mich in verzweifflung machest sterben / wan ich zu der anderen nicht kommen kan / von der vntrew wegen / so ich gegen jr gebraucht hab. […]82

Es werden Kriegshandlungen eingeschoben, danach verlässt Amadis aber – wie es das Muster vorschreibt – heimlich den Hof und führt in der Wildnis ein Einsiedler-Dasein.83

79 Ein weiterer metadiskursiver Verweis auf die „Histori Herren Florisel von Niquea“ folgt am Ende des Kapitels; vgl. Amadis VIII, S. 930. 80 Weitere Kombinationsmöglichkeiten eröffnen Konstellationen, die an GeschlechtertauschKomödien erinnern: Amadis schlüpft zwischenzeitlich in Frauenkleider, um als Nereide leichter Zugang zu Niquea zu erhalten, in Nereide verliebt sich nun wiederum Niqueas Vater; vgl. Amadis VIII, S. 621 ff. (eigentlich S. 623 ff.!). 81 Vgl. Amadis VIII, S. 887 ff. Im Sinne einer poetischen Gerechtigkeit verheiratet sich Lisuart mit der seit Langem in ihn verliebten und mit ihm verfehdeten Abra, womit gleichzeitig auch ein kriegerischer Konflikt beigelegt ist. Onolorie bleibt nicht die letzte Ehefrau, die früh verstirbt und damit die Handlung wieder öffnet. Insbesondere in den italienischen Bänden segnen die Damen sehr zeitig das Zeitliche. 82 Amadis X, Kap. 30, S. 393 f. 83 Vgl. Amadis X, Kap. 36 f. In Amadis XIV besteht das Dilemma übrigens immer noch oder schon wieder.  









8.2 Unbegründete Eifersucht

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Diese Abwandlung des Erzählmusters der unbegründeten Eifersucht bedeutet aber keineswegs, dass seine Grundform suspendiert wäre. In Buch XVII taucht es etwa wieder in herkömmlicher Form auf. Doch auch in dieser ,klassischen‘ Durchführung werden neue Akzente gesetzt: Die Szene spielt am Hof, an dem sich sowohl die eifersüchtige Prinzessin Rosalina als auch ihr unschuldiger Ritter Amadis vom Gestirn aufhalten, der seiner Dame die Verstimmung bereits am Gesicht ablesen kann.84 (Diese Konstellation ermöglicht in Buch XVIII übrigens den Abbruch des Erzählmusters:85 Astrapole kann sich den Grund für die abweisende Haltung seiner Dame zusammenreimen, passt sie ab und klärt das Missverständnis auf.) Bemerkenswert ist aber vor allem, dass Amadis seinen Vetter mit der Anbahnung der Versöhnung beauftragen will.86 Auch hier wird also der Schluss des Erzählmusters variiert, denn ursprünglich erlebt der Held die Verbannung der Dame als absolut und endgültig, auch wenn die Wiedervereinigung natürlich unbedingt vorgesehen ist. Amadis’ Schicksal wird im nächsten Band XVIII im wortwörtlichen Sinne ‚kopiert‘, denn außer ihm trägt auch Lucidor den Ritternamen ,Ritter der Traurigkeit‘, was zu vielfältigen Verwechslungen führt. Die Geschichte von seiner Verstoßung durch Teodorina wird knapp nachgetragen.87 In bekannter Form tritt uns das Erzählmuster schließlich noch in Buch XXII entgegen;88 in zu bekannter Form vielleicht, denn es gibt zahlreiche buchstäbliche Anleihen aus den vorherigen Bänden. Der lange Brief, den die eifersüchtige Semiramis Prinz Lascaris schreibt, ist beispielsweise aus Versatzstücken aus den Briefen der Bücher II, VI und XVII zusammengesetzt.

84 Am Hof wird der unglückselige Brief nicht vom zuverlässigen Botenjungen überbracht, der zu diesem Zweck weit in die Fremde reisen muss, sondern von der Kammerjungfrau und Vertrauten der Prinzessin selbst, die nicht bloß passive Übermittlerin der Botschaft ist, sondern Amadis gegenüber ihr Bedauern zum Ausdruck bringen kann. Besonders gelungen ist in diesem Fall aber die Verquickung des Erzählmusters der unbegründeten Eifersucht mit dem (weiter unten skizzierten) Erzählmuster der Liebesprobe: Rosalina wird eifersüchtig, als sie die Zuneigung der heidnischen Prinzessin Artamira (auch: Artaura) zu ihrem Ritter bemerkt (vgl. Amadis XVII, S. 1230 f.). Als diese Amadis auch noch dazu auffordert, sich mit ihr an einer Liebesprobe zu versuchen, was Amadis aus Höflichkeit nicht ablehnen kann, kocht Rosalina über (vgl. S. 1243). 85 Vgl. Amadis XVIII, Kap. 99 (fehlerhafte Nummerierung!). 86 Vgl. Amadis XVII, S. 1267. 87 Vgl. Amadis XVIII, S. 386 ff., insb. S. 407 ff. In den dt. Bd. Namensverwechslung ,Lucidor‘ und ,Lucidamor‘. 88 Es wird übrigens völlig außer Acht gelassen, dass Lascaris Semiramis tatsächlich betrogen hat (vgl. Amadis XXII, z. B. S. 1006). Hier sind es deshalb auch nicht bloß Gerüchte, die Semiramis’ Misstrauen erregen, sondern ein verräterischer Ring (vgl. S. 954). Das Erzählmuster reicht weit in den nächsten Band hinein (vgl. Amadis XXIII, S. 325 ff.).  









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8 Mikroebene: Erzählmuster

8.3 Verlust des Helden in früher Kindheit Unmittelbar an Perions und Elisenas heimliches Treffen schließt sich das Erzählmuster vom Verlust des Helden in früher Kindheit an, das – wie so vieles im Amadisroman – von seiner Abhängigkeit vom Prosalancelot zeugt. Nachdem Perion den Hof verlassen hat,89 stellt Elisena fest, dass sie ein Kind erwartet. Damit ihre uneheliche Schwangerschaft nicht entdeckt wird, zieht sie sich mit tatkräftiger Unterstützung der Kammerzofe Darioleta vom Hofleben zurück und bringt ihren ersten Sohn in aller Heimlichkeit zur Welt, der nach seiner Geburt wie Moses auf dem Wasser ausgesetzt wird.90 Ring und Schwert des Vaters sowie ein versiegelter Zettel mit seinem Namen werden ihm beigegeben. Der Edelmann Gandales fischt Amadis aus dem Meer und zieht ihn gemeinsam mit seinem Sohn Gandalin in Schottland auf. Als „Juncker vom Meer“91 wächst Amadis auf, ohne seine hohe Abstammung zu kennen. Das beschriebene Erzählmuster mit den Bestandteilen (1) uneheliche Schwangerschaft, (2) heimliche Geburt und (3) Verlust des Kindes gehört zum festen Repertoire des Amadisromans, vielfach abgewandelt werden insbesondere die näheren Umstände des Verlusts. Wie so oft knüpft Buch I an Galaor eine größere Variante: Galaor kommt nach der Eheschließung von Perion und Elisena auf die Welt, wird im Alter von drei Jahren von einem Riesen entführt und wächst ebenfalls in Unkenntnis seiner Herkunft auf.92 Überhaupt wird in der Folge auf die Aussetzung des Neugeborenen verzichtet. Vermutlich versucht man, ein weicheres Bild der Mutter zu zeichnen. Das Moment der Scham behalten die Fortsetzungen jedoch bei:93 Auch nach der Eheschließung wagt die Dame in der Regel nicht, ihrem Gemahl vom Verlust des ersten Kindes zu berichten. Schließlich weisen im ersten Buch noch die Umstände von Geburt und Kindheit von Amadis’ Halbbruder Florestan Anklänge an das Erzählmuster auf. Florestans Geschichte wird als knapper Nachtrag eingeschaltet: Seine Mutter, die Tochter des Grafen von Seelandt, erzwingt den Geschlechtsakt, indem sie droht sich umzubringen – übrigens auch das ein gängiges Erzählmuster des Amadisromans. Es folgen heimliche Schwangerschaft und Geburt. Florestan wird zu

89 Perion verlässt den Hof, weil ihn ein verrätselter Alptraum beunruhigt, der auf den Verlust von Amadis vorausdeutet. 90 Vgl. Pabst (Anm. 69), S. 39. 91 Amadis. Erstes Buch, S. 34. 92 Amadis. Erstes Buch, S. 44 f. Eine solche Entführung (Safiraman und Hercules) wird auch in Amadis XXII, S. 5–12 gestaltet. 93 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 43.  

8.3 Verlust des Helden in früher Kindheit

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einer weiblichen Verwandten gegeben und erst nach dem Ritterschlag über seine Herkunft aufgeklärt. Die Parallelen sind augenfällig, doch wird Florestan weder ausgesetzt noch stößt ihm sonst etwas Furchterregendes zu. Man darf wohl vermuten, dass über das Erzählmuster eine Rangordnung der Brüder vorgenommen wird, denn Amadis wird gegenüber Galaor zusätzlich durch uneheliche und heimliche Geburt ‚ausgezeichnet‘.94 Das Motiv des unwissentlichen Verwandtenkampfs, bei dem sich ebenfalls gewisse Abstufungen abzeichnen, verstärkt diesen Eindruck.95 Auch der Held der ersten Fortsetzung, Esplandian, wird mit einer entsprechenden Geschichte ausgestattet, die die Bücher II und III verbindet: Die Feindschaft zwischen Amadis und König Lisuart, Orianas Vater, wird in Buch II angelegt und bestimmt die folgenden Bände III und IV. Am Ende von Buch II wird Amadis des Hofs verwiesen. Nachdem er abgereist ist, bemerkt Oriana ihre Schwangerschaft. Mit ihrer Base Mabila und der Jungfrau von Dänemark zieht sie sich auf ihr Schloss Mireflor zurück. Das Kind soll vor einem Kloster ausgesetzt werden, das man aber vorab in Kenntnis setzt, damit eine Säugamme gefunden werden kann.96 Bis zu diesem Punkt wird die Handlung im zweiten Band entwickelt. Im dritten Kapitel von Buch III wird die Episode fortgesetzt:97 Entgegen der Vorbereitung in Buch II hält sich Oriana nach wie vor am Hof auf, den ihr Vater wenige Tage vor der Geburt verlässt, was ihr „zu grossem gutten kame“.98 Das Kind wird heimlich geboren und soll gleich nach der Geburt von der Jungfrau von Dänemark und ihrem Bruder zu einer Säugamme gebracht werden. Weil es nicht ausgesetzt werden soll, werden ihm auch keine Erkennungszeichen beigegeben, doch trägt es diese nun auf der Haut: Vnd als die Jungfraw auß Dennemarck das kindlein wicklet in die windeln / ersahe sie daß es auff der brust auff einē jeden Me siebē Buchstaben hett / die einē also rot wie blut / vnnd die andern weiß wie der Schnee / welches sie sich verwunderte / vnnd rieffe dem Frewlein Mabila / jr solches zu zeigē / aber jrer keine konte solches lesen / de es waren

94 Vgl. hierzu Rothsteins Überlegungen zu den vielfältigen Analogien zwischen den Brüdern, durch die Unterschiede erst hervorgekehrt werden; dies.: Reading in the Renaissance (Anm. 4), S. 74. 95 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 250, S. 407. Vgl. hierzu Rothstein: Reading in the Renaissance (Anm. 4), S. 82. 96 Vgl. Amadis II, S. 535–539. 97 Im ersten Kapitel des dritten Bandes finden sich zwei kurze Hinweise auf Orianas Zustand (vgl. Amadis III, S. 9, S. 20 f.), im zweiten Kapitel wird eine Nachricht an Amadis entsendet (vgl. S. 38, S. 42), die ihn in Kap. 5 erreicht. 98 Amadis III, S. 87.  

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8 Mikroebene: Erzählmuster

Griechische vnd Lateinische Buchstaben / sie wolten aber auff diß mahl der Mutter nichts daruon sagen […].99

Solche Körpermale weisen auch die Helden der kommenden Generationen auf, denen ihr Held-Sein damit auf dem Leib geschrieben ist. Unterwegs im Wald wird der Säugling von einer Löwin verschleppt; „ein heiliger Mann / Nascian genennt“,100 dem die wilden Tiere des Waldes gehorchen, rettet ihn. Nascian nimmt sich des Kindes an und lässt es von der Löwin (und kurz darauf von einem Schaf) säugen. Er kann die lateinischen Buchstaben entziffern und versteht sie als Eigenname: Esplandian. Schließlich wird der Einsiedel das Kind zu seiner Schwester geben, die es aufziehen soll, bis es alt genug ist, um von ihm unterrichtet zu werden.101 Währenddessen beklagt die Jungfrau von Dänemark den Verlust: O armes Kindlein / als dein Vater eben inn deinem alter war / fieng er schon ahn dieser Welt fell zuuersuchen / aber vnser Herr Gott / durch seine grosse gte erhielte jhn. Aber (o du arms wrmlein) dein vnglck ist viel frembder als das sein / dann wiewol er inn das Meer geworffen / so ward er doch durch Gandales gefunden / v herauß genoen / wie jederman wol bewußt / Aber du armes Weißle bist inn eines wilden Thiers gewalt gefallen / Welches kein ander barmhertzigkeit vber dich haben wird / als sein gewonheit ist / vnd wirst also die tag deines lebens enden / ehe dann sie schier angefangen haben.102

Die Analogien zwischen den Biographien der Helden werden also demonstrativ ausgestellt und dabei ein Überbietungsverhältnis angedeutet („dein vnglck ist viel frembder als das sein“); gleichzeitig werden markante Punkte durch Wiederholung im Gedächtnis der Leserschaft verankert („wie jederman wol bewußt“).103 Die Jungfrau von Dänemark beschließt, der Mutter den Verlust des Kindes zu verschweigen, was in der Folge fester Bestandteil des Erzählmusters wird. Beabsichtigt ist vermutlich eine möglichst verwickelte Ausgangslage, zum Beispiel zur wirkungsvollen Gestaltung von Begegnungen mit noch unbekannten Verwandten. Das vorhandene Potenzial für eine spätere Identifizierung wird jedoch

99 Amadis III, S. 87 f. 100 Amadis III, S. 91. 101 Zu Beginn des siebten Kapitels wird berichtet, dass der Einsiedel Esplandian wieder zu sich nimmt (vgl. Amadis III, S. 210–214). Mit dieser kurzen Erwähnung wird die Figur präsent gehalten. 102 Amadis III, S. 97 f. 103 Vgl. auch eine weitere Wiederholung der wesentlichen Ereignisse rund um Amadis’ Geburt in Figurenrede; Amadis III, S. 177 f.  





8.3 Verlust des Helden in früher Kindheit

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nicht voll ausgeschöpft:104 König Lisuart trifft einige Jahre später im Wald auf den Jungen und stellt ihn der Hofgesellschaft vor. […] sie kondtē aber doch nit gedencken / was das vor ein glckselig Kind sein mchte / welchem so viel guts pretestiniert were / außgenommen Oriana / dann sie ein kurtzes zuuor erfahren hatte / in was gestalt jr Kind verloren worden.105

Während Amadis selbst in einer großen Szene von seinen Eltern Perion und Elisena erkannt worden war,106 wird hier nebenbei nachgetragen, dass Oriana schließlich doch noch informiert worden ist. Es existiert also offenbar ein festes Set an Elementen, das zwar angespielt wird, aber nicht (immer) voll ausgestaltet werden muss. Es lässt sich erkennen, dass die Neuausrichtung der Montalvo-Fortsetzung schon frühzeitig angelegt wird: Wächst Amadis bei einem Edelmann auf, so wird Esplandian von einem Geistlichen erzogen. Mit der Entscheidung zur christlichen Überformung steht und fällt natürlich auch das ein oder andere Erzählmuster. Zum Verlust des nächsten Helden in früher Kindheit kommt es im fünften Band nämlich nicht, was anzeigt, wie wesentlich uneheliche Schwangerschaft und heimliche Geburt für dieses Erzählmuster sind. Denn auch eine nachträgliche Entführung wie bei Galaor ereignet sich nicht. In Silvas erster Fortsetzung ist das Erzählmuster wieder zurück; es wird ans Ende des Bandes verlegt und dient dort als Cliffhanger: Die jungen Ritter Lisuart und Perion werden Opfer einer List und entführt. Zu allem Überfluss stellen ihre Freundinnen nun auch noch ihre Schwangerschaft fest. Als sich ihr Zustand kaum noch verbergen lässt, ziehen sich die Prinzessinnen für eine Weile in ein Kloster zurück, wohin sie nur von „Sirtense vnd Garinde jhrer Seugammen Tchter / denen sie jhr heymlicheyt / ja sich selber gantz vnd gar vertraweten“,107 begleitet werden. Auf dem Weg zu Garindes Eltern wird der neugeborene Amadis aus Griechenland von heidnischen Seeräubern verschleppt, die zunächst seine kostbaren Windeln bestaunen und dann bemerken,

104 Dafür hört Amadis von Esplandian und begegnet ihm, ohne um ihre enge Verwandtschaft zu wissen (vgl. Amadis III, S. 387 f., S. 500 f.). Erst in Buch VI wird Amadis in Kenntnis gesetzt, doch heißt es dort: „Glaubt mir geliebte Baß / daß mir es geannet hat […]“ (Amadis IV, S. 95). Esplandian wiederum äußert den Wunsch, von seinem noch unerkannten Vater eines Tages zum Ritter geschlagen zu werden (vgl. Amadis IV, S. 125 f.). Genauso war schon Amadis als noch identitätsloser ‚Junker vom Meer‘ vom eigenen Vater in diesen Stand erhoben worden. 105 Amadis III, S. 261 f. 106 Vgl. Amadis. Erstes Buch, Kap. 11. 107 Amadis VI, S. 758.  







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8 Mikroebene: Erzählmuster

das er von Mutter leib ein schwert feurrot / wie ein glende kol / dessen knopff am lincken knie beginnend sein spitze eben auff dem hertzen endet / gebracht hette: Auch waren jhnen die buchstaben so gantz schneeweiß in dem schwerd gezeichnet / stunden sehr frembd / dan sie es nicht lesen noch verstehen kndten.108

Kurzum, sie nehmen Amadis mit sich, ziehen ihn auf „vnd gaben jm auß dem Muttermal den Namen des Jungherrn von Brinnenden schwerd“.109 Die abweichende Gestaltung ein und desselben Musters bringt die unterschiedliche Ausrichtung der Fortsetzungen deutlich zutage: Montalvo lässt seinen christlichen Helden bei einem Einsiedel aufwachsen, Silva bringt ihn bei Heiden unter und wählt die exotischste Ausstattung.110 Garinde, die vor der wilden Horde von Seeräubern geflohen war, kehrt zurück und als sie das Kind nicht mehr finden kann, will sie den Vorfall verheimlichen. Onolorie und Gricilerie wiederum verschweigen ihren Rittern, dass sie je einen Sohn geboren haben.111 Gricileries Sohn, Lucentio, wird zwar wie geplant zu Pflegeeltern gebracht, wächst aber in Unkenntnis seiner Herkunft auf.112 Wie bei Amadis’ Brüdern Galaor und Florestan liegt hier also die abgeschwächte Form des Erzählmusters vor, womit eine hierarchische Abstufung der Helden angezeigt wird. In Buch VIII verliert Onolorie auf bewährte Art und Weise sogar noch eine Tochter,113 die als Schäferin Silvia im neunten Buch eine größere Rolle spielen wird und vermutlich deshalb ebenfalls über das Erzählmuster eingeführt worden ist. Der Clou dieser Durchführung ist, dass sich Onolorie zum Zeitpunkt der Geburt in Gefangenschaft des eigenen Vaters befindet, weil sie sich geweigert hatte, den Sultan Zair zu heiraten, und trotzig bekannt hatte, sich Lisuart versprochen zu haben.114

108 Amadis VI, S. 760. 109 Amadis VI, S. 761. Zu Beginn des nächsten Bandes werden zur Orientierung des Lesers die wesentlichen Punkte wiederholt (vgl. Amadis VII, S. 4). Im neunten Kapitel desselben Bandes wird der Handlungsfaden weitergesponnen und vorab noch eine Wiederholung gegeben (vgl. S. 74 f.). 110 Man hat solche Umgestaltungen mit Silvas biographischem Hintergrund zu erklären versucht; vgl. Marie Cort Daniels: Feliciano de Silva: A Sixteenth-Century Reader-Writer of Romance. In: Creation and Re-Creation. Experiments in Literary Form in Early Modern Spain. Hg. von Ronald Surtz u. Nora Weinerth. Newark (Delaware) 1983 (Juan de la Cuesta Hispanic Monographs, Homenajes 2), S. 77–88, hier S. 83–85. 111 Vgl. Amadis VIII, S. 28. Später gesteht Onolorie; vgl. S. 416 ff. 112 Vgl. Amadis VII, S. 75 ff. 113 Vgl. Amadis VIII, Kap. 26, vgl. auch S. 569 f. 114 Vgl. Amadis VIII, S. 100 f.  









8.3 Verlust des Helden in früher Kindheit

239

Buch XIV trägt besonders dick auf: Zunächst werden die kleinen Prinzen Fortunian und Astrapole durch die böse Zauberin Dragosina entführt, der ihre Mütter irrtümlicherweise vertraut hatten. Die Zauberin lässt die Säuglinge zurück, als sie von einer Löwin angegriffen wird. Zuletzt werden sie von Seeräubern gefunden, zum Hof von Palamor gebracht und standesgemäß aufgezogen.115 Nicht recht ins Erzählmuster passen will allerdings der Umstand, dass die Väter Dom Lucendos und Dom Sylves nicht – wie sonst – abwesend sind, sondern unmittelbar von der Schwangerschaft erfahren: „Darab sich beyde Printzen hchlich erfrewten / vnnd sie auffs aller best (daß sie sich deßhalben im wenigsten nichts anfechten noch bekmmern lassen sollten/) trsten.“116 Mit dieser Durchführung verschwindet das dominante Erzählmuster der ersten Bände fast völlig aus der Romanserie. Die italienischen Bände XV bis XXI scheinen gänzlich darauf verzichtet zu haben, was mit ihrem insgesamt prüderen Tonfall zusammenhängen dürfte. Auch in den letzten, deutschen Bänden taucht es eher am Rande auf. So verwendet Buch XXIII eine Variante des Erzählmusters zur Einführung einer Figur, die nur über eine gewisse Distanz im Mittelpunkt des Romangeschehens steht, was diese ,schaurige‘ Variante vielleicht erst ermöglicht hat: Fulgoran wird von einem Riesen aus dem Bauch seiner toten Mutter herausgeschnitten und hinweggebracht.117 Ebenfalls in Buch XXIII wird das Erzählmuster offenbar erst nachträglich in den Text hineingedichtet: Nach dem Eifersuchtsdrama zwischen Semiramis und Lascaris hatte sich die Prinzessin auf ein Schloss zurückgezogen.118 Ein solcher Rückzug leitet bekanntermaßen die heimliche Geburt ein, doch ist von einer Schwangerschaft nie die Rede gewesen.119 Im Anschluss an die Eheschließung des Paares heißt es jedoch: Wir wollen […] kurtzlich erzehlē / wie nach verfliessung zweyer Monat die Knigin Semiramis wideru schwanger wurde (da sie zuvor in der Festung Huracker auch einen Sohn geboren / von dem sie jhrem Herren nichts drffte sagen / weil er verlohren worden / als jhn Serillolla einer Sugammen bringen wolt) den sie doch zuvor Simarimes nennete / welchen Namen Egeria mit einem grnen Safft jhm auff der bruste also schrieb / daß er hernacher jmmer blieb.120

115 Vgl. Amadis XIV, Kap. 65. 116 Amadis XIV, S. 766. 117 Vgl. Amadis XXIII, S. 29 f. Fulgoran ist einer von Rogels zahlreichen unehelichen Sprösslingen. Rogels Liebesverhältnis mit Königin Florella findet in aller Öffentlichkeit statt; als Rogel sie verlässt, stirbt die Königin aus Verzweiflung. 118 Vgl. Amadis XXII, S. 1015 f. 119 Amadis XXII, S. 1016 f., S. 1132, Kap. 54. 120 Amadis XXIII, S. 561 f.  







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8 Mikroebene: Erzählmuster

Bei der Lektüre fällt dieser Fehler (?) gar nicht weiter auf, da sich eine solche Szene an dieser Stelle tatsächlich bruchlos einpassen ließe. Somit legt gerade diese knappe und nachträgliche Einspielung des Musters offen, wie rezepthaftes Erzählen funktioniert: Es bedarf nur einer bestimmten Personenkonstellation und Ausgangssituation – und die Geschichte schreibt sich beinahe von selbst.

8.4 Liebesprobe Großangelegte magische Abenteuer finden sich allerorten im Amadisroman, die Liebesprobe stellt eine Unterform dar:121 Es handelt sich um ein magisches Abenteuer, das von Ritter und Dame (nacheinander oder gemeinsam) angetreten wird und das der Hierarchisierung des Figurenpersonals dient. Wird die Liebesprobe bestanden, so ist damit die Treue von Ritter bzw. Dame unter Beweis gestellt, gleichzeitig dient sie dem Nachweis aller nur erdenklichen (ritterlichen) Qualitäten. Eigentlich egalisieren die Heerscharen tadelloser Ritter, mit denen der Amadisroman aufwartet, die Einzelleistung. In der Liebesprobe jedoch kann der (Titel-)Held über seine Standesgenossen triumphieren – wenn auch nur graduell. Bei den zahlreichen Szenen dieses Bautyps ragt immer wieder der erste Amadis hervor, dessen beinahe sprichwörtliche Treue von seinen Nachfahren nicht mehr erreicht wird. Cravens beschreibt, wie insbesondere bei Silva der Vorrang des Stammvaters betont wird: Este amor legendario, en las numerosas pruebas de lealtad, entre Amadís y Oriana da lugar a una clase de aventura caballeresca en la que esta pareja sobresale como ninguna otra.122 [Diese sagenumwobene Liebe zwischen Amadís und Oriana eröffnet durch die zahlreichen Liebesproben Raum für einen Typ ritterlicher Abenteuer, aus denen dieses Paar wie kein zweites hervorsticht.]

Die Autoren des Amadisromans verwenden offenkundig ihren ganzen Ehrgeiz darauf, das Erzählmuster zu variieren und besonders detailreich und effektvoll

121 Dabei kann der Übergang zwischen magischem Abenteuer und Liebesprobe fließend sein, so schildert der siebte Band ein umfangreicheres magisches Abenteuer, das in eine Szene mündet, in der „der beste Ritter in Gesellschafft deß aller schnesten Fruwleins“ eine Aufgabe zu erfüllen hat „durch Krafft vnd Tugend der verborgenen Lieb / die sie vor langer zeit her zusammen getragen hatten“ (vgl. Amadis VII, S. 243 ff.). Die Parallele zum Erzählmuster wird vor allem dadurch hergestellt, dass Lucella Gradafilee den Vortritt lässt, die kläglich scheitert, wodurch ein Unterschied zwischen den beiden Damen konstituiert wird. 122 Sydney Paul Cravens: Amadís de Gaula reivindicado por Feliciano de Silva. In: Nueva Revista de Filología Hispánica 48, 1 (2000), S. 51–69, hier S. 62.  

8.4 Liebesprobe

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auszugestalten, weshalb bei der Beschreibung mitunter etwas weiter ausgeholt werden muss. Dabei kann beobachtet werden, wie der Mechanismus dieser ‚Auszeichnungsgeste‘ funktioniert und dass er nach und nach an Eindeutigkeit einbüßt. Zum ersten Mal findet sich das Erzählmuster der Liebesprobe zu Beginn von Buch II: Dass der Passage besondere Bedeutung beigemessen wird, zeigt ihre ausführliche Vorbereitung. Der Band beginnt mit einem nachtragartigen Kapitel,123 das die Amadiswelt um eine (mythische) Vorzeit anreichert. In dieser herrscht mit Apolidon und Grimanesa ein Paar, das Amadis und Oriana präfiguriert. Apolidon ist nicht nur Ritter und Herr über die Beschlossene Insel sowie späterer Kaiser von Constantinopel, sondern auch mächtiger Zauberer. Für Grimanesa errichtet er eine Liebesprobe, die nur von ihren legitimen Nachfolgern bestanden werden kann.124 Amadis ist mit seinem Cousin Agraies und seinen Brüdern Galaor und Florestan auf dem Rückweg zum Hof Lisuarts, als sie einer Jungfrau begegnen, die sie einlädt, auf der Beschlossenen Insel „seltzame auch wunderbarliche ding zu besichtigen“.125 Amadis hat vom „Schwibbogen der getrewen Liebhaber / vnder welchem niemand so sein erst getragne liebe v holdschafft gefelscht vnd verlassen / hinein gehn kan“,126 bereits gehört. Agraies, der mit Olinda verbandelt ist, ist sofort Feuer und Flamme. Amadis, der seine Liebe zu Oriana bislang geheim gehalten hat, verhehlt sein Interesse: Nach dem nun Amadis seines Vettern frnemē verstanden / ward er gleicher gestalt willens jme nachzufolgen / dann vnd dieweil er sein trew gantz vnd vnuerletzt / beide an gedancken vnd wercken / wust / bekame er endtliche hoffnung / daß billicher weiß er vor all andern diese Abenteuer vollenden wrde. Doch thet er nicht dergleichen vnd sagt zu seinen Brdern: Freundtliche liebe Brder ob wir wol keine Buler sein / wie vnser Vetter der Herr

123 Vgl. die Kapitelüberschrift in Amadis II, S. 1 f.: „[…] damit vnd dieweil in den nachfolgenden Bchern / sonderlichen den vierdten / viel von gedachter Jnsel vnd den sachen so sich darinnen verloffen / geredt vnnd gehandelt / der Leser mit mehrerm verstandt diese Histori lesen / vnd sich derselben desto fglicher erinnern mge.“ 124 Im ersten Kapitel wird die Liebesprobe bereits ausführlich erläutert, wenn Apolidon und Grimanesa sowie einige ihrer Hofleute sie testweise durchlaufen. Da das Erzählmuster unten ausführlich skizziert wird, soll aus dieser Beschreibung nur ein Detail ergänzt werden: Der Schauplatz einer Liebesprobe – wie der eines magischen Abenteuers im allgemeinen – ist zumeist mit einem ganzen ,Wald‘ von Säulen ausgestattet, die mit unzähligen Aufschriften (,Spielanleitungen‘, Warnungen, Prophezeiungen) versehen sind; derlei Inschriften finden sich auch über Türen; vgl. z. B. Amadis II, S. 16. 125 Amadis II, S. 22. 126 Amadis II, S. 23.  



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8 Mikroebene: Erzählmuster

Agraies / jedoch bednckt mich / daß wir jme auff dißmal folgen vnd Gesellschafft leisten sollen.127

Amadis versteht das Abenteuer also als Wettbewerb. Dass sich bereits zahlreiche Ritter erfolglos an der Probe versucht haben, wurde von der Jungfrau besonders hervorgehoben.128 Über 300 Schilde, die an drei Säulen in unterschiedlicher Höhe aufgehängt sind, zeigen die Güte des jeweiligen Ritters an.129 Ausgerechnet drei Feinde von Amadis haben bislang am besten abgeschnitten haben, nämlich der böse Zauberer Arcalaus, Abies, den Amadis im ersten Band tötete, und der hier erstmals auftauchende Quedragant, Bruder von Abies.130 Durch die Aufwertung seiner Gegner wird natürlich zunächst Amadis selbst (rückwirkend) aufgewertet. Doch deutet diese Rangfolge auch darauf hin, dass der Amadisroman trotz seiner schlichten Schwarzweiß-Zeichnung den feindlichen Rittern grundsätzlich die gleichen Vorzüge zugesteht. Die Aufgabe besteht darin, durch den „Schwibbogen der getrewen Liebenden“ bis zum Palast von Apolidon und Grimanesa und zu guter Letzt in ihr Gemach („das verbotten Gemach“131) vorzudringen. Das wird nur den Treuliebenden gewährt, zu denen Amadis’ Halbbruder Florestan ganz offensichtlich nicht zählt: Aber er gienge nicht ferr / da befandt er sich mit Spiessen vnd wehr der massen vnd so vnauffhrlich schmeissen / daß jn wol bednckt / wie in eines Menschen krafft vnd macht nicht were / solches in die harr zuerleiden mgen.132

Als Florestan sich schließlich nicht mehr zur Wehr setzen kann, wird er grob hinaus gestoßen. Dieser disqualifizierende Stoß kehrt in den folgenden Durchführungen des Erzählmusters wieder. Agraies hingegen wird mit lieblichen Klängen begrüßt und findet seinen Namen bereits neben denen von anderen, die die Probe bestanden haben, eingetragen. Noch besser wird allerdings Amadis aufgenommen: Auff diß tratte er frisch v mutig vnderm Schwibogen hinein / v in dem er fort passiert / bließ das steine Bild mit seinē horn viel lieblicher v besser / de es noch nie gethan hette /

127 Amadis II, S. 24. 128 Die Probe durchlaufen hat etwa der bereits aus Buch I bekannte Arban von Norgalen (hier: Storgalen), wie Amadis aus erster Hand zu berichten weiß; vgl. Amadis II, S. 25. 129 Gerhard Penzkofer: Montalvos Amadís: Märchen ohne naive Moral. In: Romanische Forschungen 106 (1994), S. 61–83, hier S. 73 ff. erläutert anhand dieses Beispiels seine „Poetik der Ähnlichkeiten“. 130 Vgl. Amadis II, S. 27 ff. 131 Amadis II, S. 16. 132 Amadis II, S. 32 f.  





8.4 Liebesprobe

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v vber diß an stat des fewrs v stinckendē flaens / so es wid’ die mißtrewe außzuwerffen pflegt / flogen wolriechende Blumē zu seinē horn so haufechtig herausser / daß d’ gantz platz damit bedeckt ward […].133

Mit dieser kleinen Unterscheidung zwischen Amadis und Agraies wird schon das Scheitern von letzterem auf der Zielgeraden eingeleitet: Der Eintritt in das Verbotene Gemach gelingt Agraies nicht: „Vnd baldt hernach warde er eben so vngestmb als seine Vettern / herauß geworffen.“134 Sich auf die Stärke besinnend, die ihm seine Liebe zu Oriana verleiht, besteht Amadis daraufhin das Abenteuer und eine Stimme erklärt ihn zum Herrn über die Beschlossene Insel. Oriana bestreitet ihren Teil der Liebesprobe erst in Buch IV,135 am Tag ihrer Hochzeit mit Amadis. Mit ihr unternehmen weitere Damen das Abenteuer, sodass sich wieder eine graduelle Abstufung ergibt.136 Oriana beendet alle Zaubereien der Beschlossenen Insel und auch die „verbottene kammer“137 ist nun der gesamten Hofgesellschaft zugänglich. Mit diesem ,Showdown‘ wird die Handlung um Amadis und Oriana abgeschlossen, im unmittelbaren Anschluss der Übergang zur nächsten Generation eingeleitet.138 Auch der zweite Grundtyp des Erzählmusters findet sich erstmals in Buch II: Diese Liebesprobe schließt an die Wiedervereinigung des Paares an. Einerseits scheint der neuerliche Nachweis überflüssig, da Amadis seine Treue schließlich schon unter Beweis gestellt hat, andererseits bietet sich das Erzählmuster zum Abschluss der Eifersuchtshandlung geradezu an. Zweimal betont Amadis nämlich, Oriana durch die gemeinsame Teilnahme an der Probe auch den letzten 133 Amadis II, S. 31. 134 Amadis II, S. 35 f. 135 Diese Liebesprobe wird in Amadis IV, Kap. 2 durch eine langatmige Beschreibung von Apolidons Palast und seinen überbordenden Reichtümern wieder aufwendig vorbereitet. Auffallend sind die vielen Anklänge an die griechische Mythologie. In Kap. 30 durchlaufen die Damen die bekannten Stationen. Während die anderen Damen am Eintritt in die Verbotene Kammer gehindert werden, ist der Rest der Abenteuer Oriana vorbehalten: Sie erhält Parisapfel und Cleopatras Perlenohrring, unterwirft die Drachen im Irrgarten, die dort Prometheus’ Fackel bewachen, wird schließlich in die Verbotene Kammer eingelassen und zur Nachfolgerin und Überbieterin Grimanesas ausgerufen. 136 Die teilnehmenden Damen in aufsteigender Rangfolge: Olinda (Agraies’ Freundin), Grasinda (Quedragants Freundin), Melicia (Amadis’ Schwester und Bruneos Freundin) und natürlich Oriana; vgl. Amadis IV, S. 436 ff. 137 Amadis IV, S. 28 f. 138 In Amadis IV, Kap. 31 versammelt die gute Zauberin Urganda die Hofgesellschaft, zeigt auf, dass ihre Prophezeiungen inzwischen eingetreten sind, und spricht neue Weissagungen aus, die (in verrätselter Form) auf Esplandian zielen.  





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8 Mikroebene: Erzählmuster

Zweifel nehmen zu wollen.139 Damit ihre heimliche Liebe nicht öffentlich wird, bestreiten Amadis und Oriana das Abenteuer maskiert; Amadis unter seinem Ritternamen ‚Dunkelhübsch‘, den er sich während seiner Trennung von Oriana zugelegt hatte. Im Unterschied zur ersten Probe, die Ritter und Dame nacheinander bestehen, tritt das Paar also gemeinsam an. Die Liebesprobe findet auch nicht an einem herausgehobenen Ort statt, sondern wird an Lisuarts Hof gebracht. Die Prüfung gestaltet sich folgendermaßen: Ein alter Mann führt ein Schwert mit sich, das zur Hälfte in Flammen steht, und einen Blumenkranz, der zur Hälfte verdorrt ist. Diese wunderbaren „Kleinotter“140 werden abermals auf Apolidon zurückgeführt.141 Seit sechzig Jahren schon sucht der Alte dasjenige Paar, das die Prüfung zu bestehen vermag, da er nur durch dieses zum Ritter geschlagen werden kann.142 Wieder wird eine Rangordnung hergestellt, denn während die Ritter beim Versuch, das Schwert aus der Scheide zu ziehen, mehr oder weniger erfolgreich sind,143 bringen die Damen den Kranz nicht oder nur vorläufig zum Aufblühen.144 All dies geschieht unter dem heftigen Spott des Alten. Der derbere Umgang mit den Anwärtern wird von nun an eine der Konstanten der Liebesprobe sein. Für das Erzählmuster der Liebesprobe erscheint eine Beschreibung als Merkmalsbündel geeignet: (1) Ort: magische Insel oder Hof; (2) Teilnehmer: Ritter, Paar, Ritterschaft, Hofgesellschaft; (3) Probe: ritterliche Bewährung, magischer Auswahlmechanismus, Mischformen; (4) Funktion: Hierarchisierung des Figurenpersonals. Buch VI bringt eine bemerkenswerte Variation des Erzählmusters, denn Lisuart scheitert in Fenuse zunächst an der Liebesprobe.145 Der verzauberte Ritter

139 Vgl. Amadis II, S. 306 f., S. 315 f. Nicht einmal diese zweite Liebesprobe kann Orianas Verdacht völlig ausräumen, denn etwas später wird wieder von ihrer Eifersucht berichtet; vgl. Amadis II, S. 373 f., S. 391 ff. 140 Amadis II, S. 302. 141 Vgl. Amadis II, S. 300 ff. 142 Vgl. Amadis II, S. 300. 143 In aufsteigender Rangfolge: Galaor, König Lisuart, Florestan, Guillan der Speculierer, Agraies und natürlich Dunkelhübsch bzw. Amadis; vgl. Amadis II, S. 321 ff. 144 In aufsteigender Rangfolge: Königin Brisena und Königin Briolania, dann Aldena und Olinda und schließlich Oriana; vgl. Amadis II, S. 325 ff. 145 Vgl. Amadis VI, S. 642 f., S. 645. Sonst wird die Rezeptur aber beibehalten: Das Abenteuer kommt an den Hof und wird mit seinen Spielregeln erläutert: Auf einem Paar lastet ein Zauber, der nur durch einen Ritter und eine unverheiratete Dame, die es übertreffen, gelöst werden kann. Eine entsprechende Prophezeiung von der magischen Figur und Begründerin der Liebesprobe wird verlesen. Übrigens wird die Probe geschickt an Lisuarts magische Schwertgewinnung (vgl.  















8.4 Liebesprobe

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Alpatracie, den es zu besiegen und damit zu befreien gilt, weicht seinen Schlägen einfach aus. Durch die Nicht-Vollendung der Probe wird die Lesererwartung enttäuscht und die Spannung gesteigert. In Trapezunt beenden Lisuart und Onolorie das Abenteuer dann wenige Kapitel später gemeinsam. Es handelt sich hierbei um eine sehr gesuchte und nicht besonders einleuchtende Konstellation, die nach Ablauf der Handlung noch einmal ausführlich begründet wird: Aber ehr wir frder schreiten / befind ich zu verstand dieser geschichten dienstlich / dz ich zuvor erklrung thu / warumb Lisuart nicht als gleich vor dem Knig Amadis / als zu Trapezont diese | / abentheur geendet. […] Hierauß folget nach vieler Leut meinung / das dieweil jn allda die thugendt des [allen Zauber auflösenden] schwerds allein zur ehr des obsigung dieser Abentheur het mgē furderen / Solches aber an dem end zu Trapezont nicht so viel auß krafft des schwerds / als auß Ritterlicher standmtigkeyt vnd hand veste hat knnen geschehen: hab die Medea [d.i. die Zauberin, die die Probe eingerichtet hat] solche verordnung gethan / das die endung dieser zauberey nicht zu Fenusa noch anderßwo / als zu Trapezont hat sollen vorgehen / auff das sie hiedurch des besten Ritters / vnd der schnsten Jungfrawen lieb vermittelet vnd vermehret: vnd auß der vrsach haben Alpatracio vnnd Miraminia den Kayser vnd die Onolorie entfhret / den Lisuart darmit zu einem notwehrlichen streit zulocken vnd auff zu bringen.146

Offenbar ist erkannt worden, dass die große Macht der Magier und der inflationäre Einsatz magischer Hilfsmittel problematisch sind, wenn es um die Auszeichnung eines Ritters gehen soll. Eine tragfähige Lösung wird allerdings nicht angeboten.147 Auch die Frage, wer zur Probe antreten darf, scheint erörtert werden zu müssen: nur unverheiratete Frauen, so wird in Buch VI betont.148 Diesem Punkt wird sogar eine kleine Szene gewidmet:

Amadis VI, Kap. 18) angebunden und damit bereits eindeutig festgelegt, von wem ihre Erfüllung zu erwarten ist. Der die Probe leitende Alte stellt ihre Schwierigkeit heraus und schmäht die scheiternden Ritter. 146 Amadis VI, S. 712 f. 147 Eine bestimmte Konstellation scheint erzwungen werden zu wollen, was jedoch mit logischen Brüchen einhergeht: Nur Lisuart kann Alpatracie besiegen, denn er ist im Besitz des Schwerts, das jeden Zauber überwindet. Dann aber würde Lisuart seine Überlegenheit eigentlich seinem magischen Hilfsmittel verdanken. Deswegen werden im zweiten Durchgang in Trapezunt der Kaiser und Onolorie entführt und von Lisuart gerettet, sodass seine besondere Tapferkeit ausgestellt werden kann. So weit, so gut. Doch werden – wenn ich die etwas unübersichtliche Szene richtig verstanden habe – zeitgleich alle anderen Ritter von einem Zauber gelähmt, der sie daran hindert, ebenfalls einzugreifen. Dieses Detail ist offenbar notwendig, damit der Ruhm allein Lisuart zufällt. Der neuerliche Zauber, gegen den wieder nur Lisuart immun ist, führt die erzählerische Schleife aber ad absurdum. 148 Vgl. Amadis VI, S. 633.  

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8 Mikroebene: Erzählmuster

Demnach fieng er [König Amadis] an mit dem Frawen Zimmer von dem wunder dieser Abentheur zuspraachen / vnd ermanet alle Frawen vnd Jungfrawen diß wagstuck zubestehn / jedoch die vnverheurathen / dan die Ehgemhlten schaffeten da nichts. Dessen die Oriana sehr vnwillig ward / dieweil sie diese sach nicht fur so beschwrlich als die Schwieb bogen der Warhafften liebhaber / da sie den preiß eroberet / hielte.149

Abgesehen davon, dass einmal mehr in der Handlung selbst auf das ‚Musterhafte‘ verwiesen wird,150 dürfte hiermit auf die fortschreitende Akkumulation der Generationen reagiert worden sein. Das Erzählmuster dient der Zuordnung der einander gemäßen Partner. Bei bereits verheirateten Paaren erscheint das überflüssig und erzeugt überdies das Problem einer Konkurrenz zwischen alter und aktueller Generation. Ist Onolorie etwa schöner etc. als die modellbildende Oriana? An gleicher Stelle wird eine weitere Bedingung für die Teilnahme an der Liebesprobe durchgespielt: Calafia, eine kämpfende Dame, wird als Gegnerin des Ritters Alpatracie ausdrücklich zurückgewiesen und muss sich – zumindest für die Dauer der Probe – zu den anderen Frauen gesellen,151 damit das Erzählmuster seine eigentliche Aufgabe, Paarungen vorzunehmen, auch erfüllen kann. Umgekehrt werden in Band XI Agesilan und Arlanges, Amadisritter in Frauenkleidern,152 nicht zu einer Prüfung zugelassen.153 Eventuell gehört auch noch folgendes Detail einer Liebesprobe aus Band IX hierher: Der als Witz- und Kontrastfigur entworfene Schäfer Darinel wird von einer Probe ausgeschlossen, da das Abenteuer dem Ritterstand vorbehalten ist.154 Für gewöhnlich geht die Liebesprobe also der Eheschließung voraus, gleichwohl bleibt dieses Merkmal nicht unumstößlich: In Buch XII schließt sich eine Liebesprobe direkt an Hochzeitsfeierlichkeiten an, die offiziellen Verbindungen werden im Nachhinein bestätigt.155 Vielleicht wegen der Nähe zur anstößigen Liebeshandlung verwenden die italienischen Bände das Erzählmuster eher sparsam. Buch XVIII weist sogar ein ähnlich gelagertes magisches Abenteuer auf,156 von dem unverheiratete Paare dezidiert ausgeschlossen sind. Auf Rat der Matrone, die den magischen Ort ver-

149 Amadis VI, S. 637. 150 Vgl. auch eine weitere Anspielung in Amadis VI, S. 705. 151 Vgl. Amadis VI, S. 640 f. 152 Vgl. Amadis XI, Kap. 15. 153 Vgl. Amadis XI, Kap. 36. 154 Vgl. Amadis IX, S. 214 f. Kaum hat Darinel von der Probe erfahren, äußert er den Wunsch teilzunehmen, woraufhin er wegen seiner Hässlichkeit aufgezogen und der Lächerlichkeit preisgegeben wird; vgl. Amadis IX, S. 167 ff. 155 Vgl. Amadis XII, Kap. 58. 156 Zwei Paare bestehen die Prüfung gemeinsam; es wird keine graduelle Abstufung der Treue, Ritterlichkeit und Schönheit entworfen.  





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wahrt und sich schließlich als die wohlmeinende Zauberin Zirzea entpuppt, wird deshalb die hastige Vermählung mehrerer Paare angeordnet.157 Während Lisuart nur vorerst scheitert, um sein Licht noch heller strahlen zu lassen, ist der Held von Buch VIII der Liebesprobe tatsächlich nicht gewachsen:158 Seine Untreue lässt Amadis aus Griechenland vor der Liebesprobe zurückscheuen, die doch die Befreiung von Niquea bedeuten würde, in die er verliebt ist.159 Er beschließt, „einen Zauberer zu suchen / der jm mittel vnd weg weysete wider solche Zauberey“.160 Tatsächlich besteht später sein Urgroßvater, der erste Amadis und Inbegriff der standhaften Liebe, in einer eher nebensächlichen Episode das Abenteuer.161 Zunehmend treten nun Rittergenerationen gleichzeitig an, denn das Nacheinander hat sich längst zum Nebeneinander verschoben. So findet in Buch VIII außerdem das magische Abenteuer „deß Schlosses der heimlichkeiten“162 statt, dem sich Lisuart und Amadis aus Griechenland, Vater und Sohn, stellen. Wiederum werden die bekannten Problemfelder verhandelt: Der Anwärter muss in eine Trompete blasen, um die Probe in Gang zu setzen, was Lisuart zunächst nicht gelingt, weil er sein magisches Schwert bei sich führt. Er tauscht sein Schwert aus, kämpft geschlagene sechs Stunden gegen den „Zuberischen Ritter“163 und wird von diesem letztendlich als Gegner abgelehnt: […] kere zu rcke / so es dich gut bedncket / vnd laß dich bengen / daß mir nicht zugelassen ist vmb deiner Maheit willen / dich zuvberwinden / du auch weiters nichts an mir zugewinnen / auch kein theil an dieser abentheuwr hast / welches du / dieweil du vermhlet bist / verloren.164

157 Vgl. Amadis XVIII, S. 1434–1576. 158 Weist das Erzählmuster ansonsten einen episodenhaften Charakter auf, so wird diese Liebesprobe aufs Engste mit der Handlung verwoben; vgl. Amadis VIII, Kap. 24. 159 Vgl. Amadis VIII, Kap. 33 und zuvor einen prophetischen Traum, S. 291 ff. Konsequenterweise wird eine weitere Erwähnung dieser Liebesprobe mit einem ersten Hinweis auf Lucellas (d. i. Amadis’ betrogene Dame) Eifersucht verbunden; vgl. Amadis VIII, S. 437. 160 Amadis VIII, S. 310. 161 Vgl. Amadis VIII, S. 596 ff. S. 587 ff. unternimmt eine Gruppe von Fürsten vorab das Abenteuer, unter ihnen – wiederum mit einem Verweis auf ihre große Liebesprobe im vierten Band – auch Oriana. Auf die Bestimmung einer Dame kann in diesem Fall aber offenbar verzichtet werden, weil mit Niquea die makellose Frau bereits feststeht, die am magischen Ort der Liebesprobe verschlossen ist. Die Ritter (darunter Amadis’ Sohn Esplandian) werden mittels Treppenstufen in eine Rangordnung gebracht. Die erfüllte Liebesprobe verwandelt sich übrigens augenblicklich in ein neues magisches Abenteuer, sodass der Magie kein Ende ist! 162 Amadis VIII, S. 533. Zuvor war das magische Abenteuer am Hof angekommen und schon vergeblich unternommen worden; vgl. S. 464 ff., Kap. 50, S. 508 f. 163 Amadis VIII, S. 533. 164 Amadis VIII, S. 534 f.  











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8 Mikroebene: Erzählmuster

Der Sinn dieser zweiten Probe des achten Bandes scheint darin zu bestehen, auch dem zuvor gescheiterten Amadis aus Griechenland seinen Auftritt zu ermöglichen, obwohl es sich streng genommen nicht um eine Liebesprobe nach bewährtem Muster handelt und handeln kann: Amadis öffnet das magisch versiegelte Schloss bloß für die Romanwelt, das dann allen Liebenden offensteht und ihnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen Blick ins Herz des/der Geliebten gewährt. Amadis tritt als Erster ein und trifft auf Lucella, die sein Bildnis im Herzen trägt, dann aber verwandelt sich ihre Gestalt in die noch schönere Niqueas. Das Schloss ist verziert mit den Porträts der Treuliebenden, „vnder welchen er seinen Anhern Amadis auß Franckreich / sein Großvatter Esplandian / sein Vatter Lisuart auß Grecia / sampt jren Gemaheln / vnd jren Namen / erkennete […]“.165 Eben diese Paare besichtigen im Anschluss das Schloss und stellen erwartungsgemäß ihre Treue unter Beweis, während etwa Amadis’ leichtlebiger Bruder Galaor und seine Frau Briolania nicht ganz so gut abschneiden. Mit dem Treuenachweis schließt dieses magische Abenteuer also eng an das Erzählmuster an.166 Abschließend wird eine weitere Parallele bemüht: Eine prophetische Schrift erscheint von Geisterhand und informiert darüber, dass nur die schönste und vollkommenste Frau das magische Schloss wird von der Stelle bewegen können167 – wie auch immer man sich das vorzustellen hat. Somit soll auch dieses Abenteuer der Auszeichnung von Ritter und Dame, mithin der Bestimmung eines Paares, dienen.168 Im unmittelbaren Anschluss folgt noch ein magisches Abenteuer mit zahlreichen Analogien zur Liebesprobe,169 sodass Band VIII überreich an Szenen ist, die sich mehr oder weniger eng an das Erzählmuster anlehnen. Diese Reihe ähnlicher Szenen wird von Buch XII noch übertroffen; hier verwandelt sich eine bestandene Liebesprobe augenblicklich in die nächste: Agesilan und Diana befreien ein Liebespaar aus einem magischen Schloss, in dem sie anschließend selbst verbleiben müssen, „so lang vnnd viel biß zwey andere die aller vollkomneste in der gantzen Welt in schnheit vnd trew der liebe sich zu jhnen verfgen“.170 Die Probe wird einige Kapitel später von Amadis und Oriana be-

165 Amadis VIII, S. 537. 166 In Amadis XII, S. 412 ff. findet ein ganz ähnliches Abenteuer statt. 167 Vgl. Amadis VIII, S. 550. 168 Die entsprechende Szene scheint zu fehlen. In jedem Fall entspricht der Autor mit dieser Ankündigung dem Erzählmuster, selbst oder gerade wenn sie nicht eingelöst wird. 169 Vgl. Amadis VIII, Kap. 59, insb. die Prophezeiung auf S. 578: Es handelt sich um den „Thurn Vnivers oder d’ gantzen Welt“, in dem die Helden später verzaubert zurückbleiben – der Cliffhanger von Buch VIII. 170 Amadis XII, S. 899.  

8.4 Liebesprobe

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standen und auf diese Weise eine Gleichwertigkeit zwischen den Paaren angedeutet.171 Allzu häufig reproduziert, versagt die Liebesprobe schließlich als Differenzkriterium, was auch eine Durchführung in Buch XIV zeigt: Auf der „Jnsel der herrliche Liebe“172 legt die fürstliche Gesellschaft nacheinander drei Proben ab: Die erste am „Brunnen der getrewen Lieb“ gewinnen Dom Sylves und Penthasilea.173 Am nächsten Brunnen – hier geht es neben Liebe auch noch um Keuschheit – triumphieren Lucendos und Fortuna. Der letzte Brunnen stellt gewissermaßen eine negative Liebesprobe dar, so lässt der unvermeidliche „Zedel“ wissen: „Kein Mann / so nicht frtreffenlich in der vntrew vnd vnbestendigkeit ist / wrdt zum dritten Bronnen der vntrew kommen mgen / welcher zu erffnung der betrigerey verordnet.“174 Sie ‚besteht‘ zu seinem großen Ärger Rogel.175 Aber auch innerhalb ein und derselben Probe gelingt die eindeutige Auszeichnung nicht mehr, wie eine Gestaltung des Erzählmusters im neunten Band deutlich macht: Die Probe „deß Spiegels der Liebe“176 betont den Anschluss an die Liebesproben der ersten Bände, wenn Florisel und Silvia nach bestandener Prüfung von lebensechten Bildnissen von Amadis und Oriana mit einem Helm bzw. einer Krone ausgezeichnet werden. Zwischen den Figuren ist ein Spiegel aufgerichtet, der neben ihren zwei Liebesproben auch Amadis’ Leiden nach seiner ungerechtfertigten Verstoßung als Zeichen seiner unerschütterlichen Treue zeigt. Auffälligerweise hält Oriana aber noch (mindestens) eine weitere Krone bereit,177 denn obwohl Florisel und Silvia die Probe gemeinsam absolvieren, sind und werden sie kein Paar.178 Dass nun mehrere Damen die Schönste von allen

171 Vgl. Amadis XII, S. 1061–1070. 172 Amadis XIV, S. 434. 173 Wohlgemerkt: Obwohl anwesend, treten Amadis und Oriana nicht an, während sich sonst nahezu alle wichtigen Figuren der Prüfung stellen: Florestan und Gemahlin, Galaor und Briolania, Esplandian, Lisuart, Amadis aus Griechenland und Niquea, Florisel und Sidonia, Dom Rogel und Leonida, Agesilan und Diana, Dom Lucendos und Fortuna. Am nächsten Brunnen treten Amadis und Oriana zwar an, können sich aber natürlich nicht durchsetzen. 174 Amadis XIV, S. 445. 175 Bereits in Amadis XIII, fol. 231r scheitert Rogel an einer Liebesprobe. Eine ‚inoffizielle‘ Liebesprobe im selben Band, fol 205r–206r, die spontan und bloß zur Belustigung des Hofes veranstaltet wird, kann Rogel unter Einsatz seiner ungeheuren Kräfte jedoch bestehen. 176 Amadis IX, S. 167. 177 Es könnte sogar noch eine dritte Krone geben, denn sehr viel später im Band wird kurz angemerkt, dass bereits vor (?) Florisel und Silvia eine Dame eine Krone eroberte; vgl. Amadis IX, S. 759 f. (fehlerhafte Seitenzählung!). 178 Amadis’ Ururenkel Florisel ist zwar unsterblich in die Schäferin Silvia verliebt, doch liebt diese einen anderen. Wie sich später herausstellt, ist sie seine im Säuglingsalter verloren gegangene Tante (s. o.).  



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8 Mikroebene: Erzählmuster

sein können, scheint in dieselbe Richtung zu weisen wie die generelle Vervielfältigung der Hauptfiguren und Auflösung eines klaren Verhältnisses von Hauptund Nebenfiguren. Die Inszenierung der Ritter und Damen als Nachfolger von Amadis und Oriana gehört fest zum Erzählmuster. So enthält Buch IX eine weitere Liebesprobe mit folgender ‚Spielanleitung‘: Allhie sihet man das Paradis der Kronen vnd ehren d’ Liebe / fr einen jeden / nach deme er liebet / welches geordnet ist zu ehren vnnd gedechtnusse der volkommenen liebe deß Knigs Arpilior / vnd d’ Knigin Galatea seines Gemahls / wirt auch solche Abenthewr wehren / biß die zwey frtrefflichsten in treuwer Liebe hieher koen / oder auffswenigste [!] deß Knigs / den man fr sein wol lieben Amadis genennet hat / vnd seins Gemahls der Knigin trewe gleich seyen / in dessen werden alle andere mit Kronen od’ Krentzen von Rosen / gekrnet werden / jedes nach dem verdienst seiner trewe vnd glaubens / welches die Blumen durch die verwandlungen jrer natrlichen vnd zugeeigneten farben zuerkennen geben werden.179

Hier und an vielen weiteren Stellen des Amadisromans wird der Name des Titelhelden als Ehrenname verwendet. In Erzählerkommentar und Figurenrede werden die Romanfiguren in seine Tradition gestellt – oder in die seines Bruders Galaor. Die Passage enthält die bisherige Liebeshandlung des Romans quasi in Miniatur, denn nahezu alle Hauptfiguren, „derē in vorgehenden Bchern gedacht wordē“,180 werden aufgezählt, wobei die jeweilige Farbe ihrer Blumenkränze den Grad ihrer Treue signalisiert.181 Während Amadis’ und Orianas Blüten „frischer v rter waren / dann die andern alle“,182 heißt es beispielsweise von Amadis’ notorisch untreuem Bruder: […] Galeor [!] aber tratte mit blosem Haupte daher / darumb / daß die Jungkfrauwen / so jme nachfolgten / die Kronen vnnd Krentzlin genoen hetten / deren jede ein stck nach deme sie die zerrissen mit grossen zorn dauon nemmen thete […].183

Übrigens darf zu dieser Liebesprobe auch der Schäfer Darinel antreten; ihm wird ein Kranz „von braunen v gelen blumen gegeben / welches eiuer vnd verzweiffe-

179 Amadis IX, S. 334. 180 Amadis IX, S. 341. 181 Interessant ist, dass Amadis’ Sohn Esplandian als Musterbild einer christlichen Moral gar nicht so gut abschneidet, wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Treue in der Liebe ist offenbar etwas, das auch unter Beweis gestellt werden muss! 182 Amadis IX, S. 339. 183 Amadis IX, S. 340.

8.4 Liebesprobe

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lung bedeuten“.184 Band XIII ahmt diese Blumenkranz-Skalierung nach und wieder triumphieren Amadis und Oriana.185 Schließlich wird im neunten Buch eine letzte Liebesprobe eingeführt,186 die allerdings noch nicht aufgelöst,187 sondern auf den Beginn des nächsten Bandes verschoben wird.188 Indem sie am Ende von Buch IX nochmals in Erinnerung gerufen wird, hält sie (neben anderen Handlungselementen) als Cliffhanger her.189 Der zehnte Band setzt dann mit einer kurzen Zusammenfassung dieser Probe ein. Florisel und seine Begleiterinnen erfahren „von der Abenthewer / oder wunderbarlichem fall / so sich mit der Tente vnd Contentian verlauffen“,190 und beschließen, sich vermummt daran zu versuchen. Und wieder gibt es keine ganz eindeutigen Gewinner: Als Florisel beobachtet, dass sein Vater sich zur Probe anschickt, beeilt er sich ihm zuvorzukommen: „V auch derwegen besorget / sein vatter wrde jm hierinnen das beste abthun / v jn dieses lobs beraubē […].“191 Noch unsicherer fällt das Ergebnis allerdings bei den Damen aus:192 Florisels Dame Helena wird zwar als Schönste erkannt, da sie jedoch keine Jungfrau mehr ist, erhält sie den Preis nicht. Gradafilee, die dem Figurentyp der getreuen Freundin des Helden entspricht, erfüllt zwar die Bedingung der Keuschheit, doch ist sie nicht schön genug. Schließlich wird Alastraxerea der Preis zugesprochen,193 eine kämpfende Dame und Halbschwester Florisels. Hier dient das Erzählmuster also nicht mehr dazu, die einander gemäßen Partner zu bestimmen; stattdessen wird über Differenzierungen die ursprüngliche Eindeutigkeit des auszeichnenden Erzählmusters verwischt. Diese Strategie ergänzt das weiter oben skizzierte Verfahren, einfach mehrere ,erste Plätze‘ zu vergeben.

184 Amadis IX, S. 343 f. 185 Amadis XIII, Kap. 54. 186 Vgl. Amadis IX, Kap. 37. 187 Vgl. Amadis IX, Kap. 40. 188 Auch die ziemlich unübersichtliche Prüfung „deß Schlosses Phebi v Diane“ erstreckt sich über zwei Bände; Erwähnung in Amadis XI, Kap. 36 und Auflösung in Amadis XII, Kap. 54. In Amadis XIV scheint dieses Abenteuer durch Sylves und Lucendos (irrtümlicherweise?) sogar noch einmal beendet zu werden; vgl. Amadis XIV, Kap. 31. 189 Vgl. Amadis IX, S. 2060 f. (fehlerhafte Seitenzählung!). Eine andere Aufteilung weist die spanische Vorlage auf; vgl. hierzu Kap. 6.5.6.2 dieser Arbeit. 190 Amadis X, S. 1. 191 Amadis X, S. 35. 192 Vgl. Amadis X, S. 41 ff. 193 Selbst Helenas Base Timbria, die – unglücklich in Florisel verliebt – sonst eine eher traurige Figur macht, erhält im Rahmen des magischen Abenteuers einen größeren Auftritt und darf eine Probe ihres „hohen verstands“ geben; vgl. Amadis X, S. 48 ff.  







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8 Mikroebene: Erzählmuster

Eine Kombination von zwei Erzählmustern weist Buch XVII auf:194 Die Liebesprobe ist in das Erzählmuster der unbegründeten Eifersucht eingelegt worden. Es handelt sich um eine gemeinschaftliche Prüfung von Ritter und Dame, bei der es ein verzaubertes und ineinander verschlungenes Paar in die Höhe zu heben gilt. Die Güte der Kandidaten lässt sich nun gewissermaßen in Zentimetern bemessen. Spheramondt, der in direkter Linie vom ersten Amadis abstammt, und Richarda heben nicht nur das Paar, sondern auch das Abenteuer auf, während der gleichaltrige, nahverwandte und beinahe ebenbürtige Amadis vom Gestirn knapp versagt.195 Einerseits, weil er mit der falschen Dame antritt – und damit eben den Zorn Rosalinas auf sich zieht –, andererseits, weil über das Erzählmuster nicht er, sondern Spheramondt ausgezeichnet werden soll. Abschließend soll noch auf eine letzte Durchführung hingewiesen werden, die deutlich macht, dass der Ordnungsgedanke der Liebesprobe potenziell die gesamte Romanwelt umgreift. In Buch XV haben wir es nämlich mit einem regelrechten ‚Liebesproben-Tourismus‘ zu tun; unzählige Paare zelten am Fuße eines bezauberten Berges, der erklommen werden muss. Statt gradueller Abstufung gibt es hier drei Ausprägungen: Entweder der Aufstieg gelingt nicht oder nur mühevoll oder mit Leichtigkeit.196 Diese Liebesprobe wird von Buch XXIII197 kopiert, ebenso wie die Episode mit den drei Brunnen aus Buch XIV198 und Teile des Zelt-Abenteuers, das Buch IX und X verbindet.199 Dabei werden ganze Passagen einfach abgeschrieben, sodass es nicht überrascht, dass auf Seite 1453 versehentlich der Name ‚Florisel‘ anstelle von ,Hercules‘ auftaucht. Dass das Erzählmuster der Liebesprobe im Liebesroman Amadis eine große Rolle spielt, ist kaum verwunderlich, schließlich kann es Liebe evident und messbar machen. Maßlos kopiert büßt der Mechanismus zwar an Eindeutigkeit ein, ein fester Bezugspunkt bleiben jedoch die Prüfungen von Amadis und Oriana, die sich als Kernszenen des Romans auch ins kollektive Gedächtnis seiner Leserschaft eingebrannt haben sollten.

194 195 196 197 198 199

Vgl. oben: S. 233 Anm. 84. Vgl. Amadis XVII, S. 1231 ff. Vgl. Amadis XV, S. 825 f. Vgl. Amadis XXIII, Kap. 30 f. Vgl. Amadis XXIII, Kap. 26. Vgl. Amadis XXIII, Kap. 71.  





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8.5 Furchteinflößende Ankunft

8.5 Furchteinflößende Ankunft Die magischen Figuren des Amadisromans pflegen auf aufwendige und ausgesprochen schematisch inszenierte Weise aufzutreten. Bei der Beschreibung des Erzählmusters der furchteinflößenden Ankunft ist weniger der Variantenreichtum hervorzuheben als die bemerkenswerte Beständigkeit dieses kleinen Musters über die gesamte Serie hinweg, über das mit den immer gleichen Requisiten der plötzliche Wechsel von Anspannung zu Entspannung realisiert wird.200 Den ersten Auftritt dieser Art hat die magische Helferin Urganda in Buch II. In einer Situation der relativen Ruhe taucht eine bedrohliche Erscheinung auf: NUn geschach das eben selbigen tages / als der Knig zu nacht gessen / vnnd auff einem gang spazieret / fast v die zeit als man schlafen | gehen wolt / war er im Meer zweier wunderbarlicher fewr ansichtig / welche der Stadt gantz schnelliglich zueilten / darab er vber die massen erschrack / dieweil jn dnckt vnmglich sein / daß das fewr vnd das wasser also samentlich sein kndten / sonderlich auch daß zwischen beiden fewren ein grosse Galeen war / vnnd am mastbaum desselben grosse brinnende fackeln / der gestalt / daß man dafr gehalten / als were solch Galeen lauter glut.201

Während das „gemeine Volck“ in Panik gerät, ziehen König und Ritterschaft todesmutig ans Ufer. Dann schlägt die Stimmung mit einem Mal um und dieser Umschlag bildet den Kern des Erzählmusters: Das Schreckensbild zeigt sich als reine Fassade, wenn von der „Galleen […] bald darnach ein Tuch so dieselbige zuuor bedeckt / auffgehebt ward“.202 Da sahe er [der König] eine schne Jungfraw / mit weissem Schamlot bekleidet / Die hielte in jhren henden ein gldins Kstlein / welches sie auffschloß / vnd zohe darauß ein brinnenden pechring / vnd warffe jn in das Meer / darauff alßbald solche zwey grosse fewr erlasschen / vnd vergiengen / dauon das Volck sich sehr frewet / als es auß solcher gefahr sicheret ward / v blieb kein liecht mehr da / da die Fackeln so auff dem mastbaum bemelter Galeen brandten / Alsdann kundt man solche Galeen recht sehen / die ward gezierdt mit vielerley krenzlein von schnen vnd allerhandt Blmlein / darnach hrte man allerley Instrumenten / deren klang gantz lieblich wardt / nachgehendts sahe man darauff zwlff Jungfrawen auff das kstlichist angethon / derē jede ein Rosenkrantz auff dem haupt hette / vnd ein gldens ringlin in der handt / v gieng die so den Bechring ins Meer versenckt / vorher / ließ sich an das landt setzen / gieng zum Knig vnd neiget sich vor

200 Zu diesem Szenentyp vgl. auch Emilio José Sales Dasí: Las continuaciones heterodoxas (el Florisando [1510] de Páez de Ribera y el Lisuarte de Grecia [1526] de Juan Díaz) y ortodoxas (el Lisuarte de Grecia [1514] y el Amadís de Grecia [1530] de Feliciano de Silva) del Amadís de Gaula. In: Edad de oro (Departamento de Filología Española) 21 (2002), S. 117–152, hier S. 148 f. 201 Amadis II, S. 407 f. 202 Amadis II, S. 408.  



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8 Mikroebene: Erzählmuster

jme / der Knig empfieng sie freundtlich v sagt zu jr: Liebe Fraw zur gnugthuung des schreckens so vns ewer brinnend fewer gebracht / werdet jhr vns sagen / wer jr seidt / wiewol wir solches fast mutmassen knden.203

Natürlich handelt es sich um die gute Zauberin Urganda, die den Beinamen ‚die Unerkannte‘ trägt, der aus ihrer Fähigkeit zum Gestaltwandel resultiert.204 Dazu passt die betont unauffällige Inszenierung ihrer Auftritte im ersten Buch: Urganda ist plötzlich da oder nähert sich unvermittelt (manchmal in Begleitung einer Jungfrau) und verschwindet ebenso jäh; ihr Name wird zumeist erst im Nachhinein mitgeteilt.205 Bereits im zweiten Band nimmt diese Form des anonymen Auftritts deutlich ab und wird durch die oben skizzierte ‚Furchteinflößende Ankunft‘ ersetzt, die zum regelrechten Markenzeichen der Figur wird. Wie schematisch das Erzählmuster gebraucht wird, zeigt ein Vergleich mit der parallelen Szene aus Buch IV,206 die vor Effekten strotzt: Der brennende Felsen verwandelt sich in eine riesige Schlange, die sich als harmloses Schiff entpuppt. Dieses Schiff, Urgandas magisches Gefährt namens ‚Große Schlange‘, trägt ab Buch IV nicht wenig zu den spektakulären Auftritten bei. Die Große Schlange ist irgendetwas zwischen Ding und Lebewesen,207 sie fährt von selbst, legt ungeheure Distanzen in kurzer Zeit zurück. In Buch V steht die Große Schlange auch den Amadisrittern als Transportmittel zur Verfügung, womit sich das Erzählmuster von der Figur der Zauberin löst.208 In Buch VI wird das magische Romanpersonal um eine Figur erweitert; mit Alquif tritt Urganda ein guter Zauberer zur Seite. Ihm wird ebenfalls ein magi-

203 Amadis II, S. 408 f. 204 Vgl. z. B. Amadis. Erstes Buch, S. 37, S. 123. 205 Vgl. Amadis. Erstes Buch, S. 63, S. 112, S. 123, S. 223. 206 Vgl. Amadis IV, S. 417–420: Während die Fürsten einen Spaziergang unternehmen, bricht ein Tumult los. Es wird gemeldet, dass sich vom Meer aus ein brennender Felsen nähert. Die Ritterschaft eilt an den Hafen. Dann verwandelt sich das Feuer in eine geflügelte Schlange von gewaltigen Ausmaßen. Das Volk erkennt darin eine Strafe Gottes und flüchtet panisch; auch die Pferde scheuen zurück. Es erfolgt der Umschlag: Die Schlange hebt ihre Flügel und ein prächtiges „Reschifflein“ fährt hervor, das mit Zwergen, einer Jungfrau und zwei Knaben besetzt ist. Nun erinnert sich König Lisuart an die vorherige ‚Furchteinflößende Ankunft‘ Urgandas und äußert seinen Verdacht, es werde sich um die Zauberin handeln; Amadis pflichtet ihm bei. „Kmmerlich konte er solches außreden / da erzeigt sich Vrganda jedermeiglich / darumb da die erste forcht / sich in frolockung vnd freud verwandelt / denn sie in jrer eygnen gestallt ans Landt stiege / welches doch wenig von jhr geschahe.“ Amadis IV, S. 420. 207 Vgl. z. B. Amadis V, fol. 125rf. 208 So sorgt die Große Schlange auch mit Esplandian an Bord nach beschriebenem Muster für Aufregung; vgl. Amadis V, fol. 116v–117v, vgl. auch fol. 223rf. Vgl. außerdem folgende Auftritte der Zauberin: Amadis V, fol. 81rf., fol. 204vf.  





8.5 Furchteinflößende Ankunft

255

sches Transportmittel zugeordnet: das sogenannte Affenschiff, welches von Affen gesteuert wird. Auch Urganda, die eng mit Alquif zusammenarbeitet und später sogar mit ihm verheiratet wird,209 nutzt dieses Schiff zu einem Auftritt, der sich völlig in das Erzählmuster fügt.210 Eine Variante des Erzählmusters weist Buch VIII auf, denn hier tritt Urganda als Schlange auf.211 Auch sonst fallen einige Änderungen ins Auge: Die Gefahr ist bereits da und nicht erst im Anzug, als man sie bemerkt. Die Schlange bedroht nicht die Stadt, sondern unmittelbar den Hof. Die Ritter am Hof müssen handeln, werden aber durch einen Zauber daran gehindert. Einzig ausgenommen sind Lisuart und Perion, die durch magische Schwerter vor jedwedem Zauber geschützt sind. Die beiden Ritter attackieren die unheimliche Erscheinung, erweisen sich aber als machtlos. Dann erst erfolgt der Umschlag. Das zugrunde liegende Erzählmuster ist trotzdem leicht wiederzuerkennen. Größere Abweichungen zeigt dagegen eine Durchführung in Buch XII,212 weil in diesem Fall das Unheimliche zurückgenommen wird: Die Fürsten und Stadt-

209 Vgl. Amadis VI, S. 626 f. 210 Vgl. Amadis VI, S. 583–586: Während des Abendessens bricht plötzlich ungeheurer Lärm aus; es blitzt und donnert. Die Fürsten sind sofort in Alarmbereitschaft und waffnen sich. Zwei Ritter erstatten Bericht von unheimlichen Begebenheiten auf dem Meer. Daraufhin eilen Amadis und die anderen Fürsten an den Hafen, wo man einen brennenden Berg auf dem Meer erblickt. Das Volk hält das Ende der Welt für gekommen. Es erfolgt der Umschlag: Der Berg schrumpft zusehends und schließlich erkennt man ein großes Schiff mit Affen und musizierenden Jungfrauen. Unter den Jungfrauen entdeckt Amadis Urganda, der er in einem Boot entgegenfährt, um sie folgendermaßen zu begrüßen: „Bey gutten trewen / Großgunstige Fraw / gleich wie ewere kunst wunderlich seind / also haben sich auch allzeit ewere ankunfft vngewonlicher weiß geschicket. Jhr seyen vns allen nicht destweniger wolkommen.“ Amadis VI, S. 586. 211 Amadis VIII, S. 22–24: Die Fürsten sitzen beim Nachtmahl, als einige Edelleute in den Saal stürzen; gleichzeitig ist ein solcher Lärm zu hören, dass man fürchtet, der Feind stünde vor den Toren. In diesem Moment kommt eine feuerspeiende Schlange in den Saal, die für Furcht und Schrecken sorgt. Die Frauen und Jungfrauen wollen sich in Panik aus den Fenstern stürzen, doch ist an Flucht nicht zu denken, weil ein Zauber alle Anwesenden erstarren lässt. Nur Lisuart und Perion sind in der Lage, die Schlange anzugreifen, aber ohne sonderlichen Erfolg, denn das Ungetüm erweist sich als übermächtig. Als Lisuart seinen Arm hebt, um der Schlange das Haupt zu spalten, verwandelt sie sich in eine „gantz alte v ehrwirdige Frauw mit schwartzem Gewandt bekleidet“, die den Ritter mit einem Scherz begrüßt. „Da ward sie alsbald von menniglichen fr die Vrganda erkennet / welche denn solche bossen zur kurtzweil für zubringen gewohnet war / wie jr denn in vorgehenden Bchern vernemmen mget.“ Amadis VIII, S. 24. 212 Amadis XII, S. 194–197: „Als nun die helle Sonn jetzund auff dem Meer anfieng zu scheinē / liesse sich das Schiff / in welchem der Knig Amadis / vnd die Knigin Oriana waren / vor der Statt Constantinopel sehen. Jm anlenden aber verwunderten sich die in der Statt nicht weniger ab der kstlichheit / vnd herrligkeit dises grossen Schiffs / als sie sich entsetzeten ab dem grausamen Donneren einer vnzalbarē menge grosses geschtzes […].“ Gleichzeitig erklingen aber „hohe  

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8 Mikroebene: Erzählmuster

bewohner reagieren eher mit Neugier als mit Furcht auf die Erscheinung. Deshalb gibt es auch keinen stark akzentuierten Wechsel von Anspannung zu Entspannung: Kanonendonner und Musik erklingen gleichzeitig. Auslöser für die Umgestaltung ist wohl die eingenommene Perspektive. Während man sonst von der Stadt aus die Ankunft einer fremden Erscheinung beobachtet, nähert sich hier das Schiff dem Hafen, auf welchem sich, wie dem Leser umgehend mitgeteilt wird, auch Amadis und Oriana befinden. Die italienischen Bände stocken das magische Personal um Zirene und Zirzea auf und auch ihr Auftritt wird als ‚Furchteinflößende Ankunft‘ inszeniert: Neben den üblichen Wettererscheinungen (Unwetter, Erdbeben, Überschwemmung) wird den Fürsten gar eine zweistündige, blutige Schlacht vorgegaukelt. All das löst sich schließlich unter sphärischen Klängen in Luft auf.213 Das Erzählmuster wird in den italienischen Bänden also auf neue Figuren übertragen,214 was nicht besonders auffallend wäre, würde es Urganda und Alquif nicht gleichzeitig ausdrücklich entzogen werden. In Buch XXI wird der Auftritt des alten Magierpaars betont unspektakulär gestaltet: Bald nach solchem kamen dahin / der weise Alquif / vnd die Vnbekante weise Vrganda / die waren beide sehr betagt / vnd hatten sich in ein einsam eyngezogen Leben begeben / da sie an betrachtung v nachgedencken himlischer dingē von niemand verhindert wrden / vnnd gebrauchten sich jhrer Knsten nicht mehr / es were dann zu sachen daran mercklich viel gelegen.215

Es ist zu vermuten, dass man das Erzählmuster von Urganda und Alquif fernhält, weil ihnen in Buch XX und XXI die schwerwiegende Aufgabe zukommt, den Untergang der Amadis-Sippe ankündigen (vgl. hierzu Kap. 6.5.4). Die deutschen Bände binden das Erzählmuster wieder an diejenige Figur an, der es ursprünglich zugehörte: In Buch XXII wird unter der Führung Urgandas ein Auftritt des ersten Amadis als ,Furchteinflößende Ankunft‘ inszeniert und übermäßig ausgestattet: Auf einem Spazierritt bemerken die Fürsten einen von Dra-

Musicalische Jnstrument / die durch jr lieblichs gethn / vnnd zusammen stimmung das gethmmel der grossen Stck ein wenig leidenlicher macheten“. Wie immer erfolgt ein Stimmungsumschlag, der durch singende und musizierende Jungfrauen markiert wird. Kaiser Lisuart erinnert sich nun daran, dass er dieses seltsame Gefährt schon einmal gesehen hat, und vermutet deshalb, dass sich Alquif und Urganda darin befinden. 213 Vgl. Amadis XX, S. 1415–1421. 214 Die italienischen Bände führen außerdem die junge Zauberin Ginolda ein, deren Auftritte Varianten des Erzählmusters bringen; vgl. Amadis XXI, S. 578–581, S. 607–609 sowie S. 1278–1285, S. 1390–1393. 215 Amadis XXI, S. 564.

8.5 Furchteinflößende Ankunft

257

chen gezogenen und von Riesen und „fewrige[n] Ritter[n]“216 begleiteten Wagen, der auf die zusteuert. Gleichzeitig erkennt man auf dem bedrohlich anschwellenden Wasser ein schwimmendes Schloss. Aus dem angelandeten Schloss treten Löwen, Ochsen, Bären, wilde Männer und gewappnete Riesen auf „seltzamen Wunderthieren“.217 Aus einer Wolke fährt unter Wind und Donner ein von „Grifaleones“ gezogener, grüner Wagen hervor, auf dem eine Jungfrau sitzt, welche die vor Furcht erstarrten Fürsten tröstet. So bald hett die schne Jungfraw / jhr red nicht geendet / sahen die Printzen vnnd Frauwen / alle die Risen / Lewen / Bren / Wilden in schne Jungfrauwen verendert / so gantz lieblich sungen / vnd herrlich auff allerley instrumenten schlugen.218

Dieser Textstelle lässt sich unschwer ablesen, dass der Amadisroman dem Zwang zur Überbietung unterworfen ist. Die Häufung solch spektakulärer Szenen offenbart unverhohlen ihre immense Anziehungskraft.219 Ihre special effects versehen die Handlung mit einer gehörigen Portion Nervenkitzel. Spannungsmindernd wirkt vielleicht der Umstand, dass der Leser das Erzählmuster irgendwann wiedererkennen und mit ihm rechnen sollte. Auf eventuelle Verschleißerscheinungen könnten nur anzitierte bzw. verkürzte Durchführungen des Erzählmusters deuten.220 Offensichtlich ist das kleine Muster als eines der attraktivsten Momente des Amadisromans wahrgenommen und nachgebildet worden. Das wird umso deutlicher, wenn man seine Wirkungslosigkeit und Widersprüchlichkeit in Anschlag bringt. Die ,Furchteinflößende Ankunft‘ bleibt nämlich völlig folgenlos, das heißt, Urganda wird als enge Vertraute der Amadis-Sippe am Hof herzlich und mit dem gebotenen Respekt begrüßt, spricht Prophezeiungen aus, gibt Anweisungen etc. Eigentlich läuft der Auftritt der Handlungslogik sogar zuwider: Warum sollte eine wohlgesonnene Zauberin ihren Schützlingen immer wieder einen solchen Schreck einjagen? Einzig, wenn man seinen hohen Unterhaltungswert in Rechnung stellt, wird verstehbar, warum sich das Erzählmuster derart hartnäckig im Amadisroman gehalten hat.

216 Amadis XXII, S. 1344. 217 Amadis XXII, S. 1345. 218 Amadis XXII, S. 1347. 219 So wird bspw. in Amadis XXIII, S. 359–361 das Erzählmuster gestaltet, nachdem es unmittelbar zuvor zu einer ganz ähnlichen Szene im wunderbaren Haus der Protomedea gekommen war; vgl. Amadis XXIII, S. 353 ff. 220 Nur anzitiert wird das Erzählmuster in Amadis XXIII, S. 553 f. Eine verkürzte Version des Erzählmusters findet sich in Amadis XXIV, S. 199 f.  





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8 Mikroebene: Erzählmuster

8.6 Zwischenfazit Am Schablonenhaften des Amadis und speziell an den drei deutschen Bänden hat sich die Forschung oftmals gestoßen.221 Aber ist dieser abschätzige Ton angebracht? Wie anhand ausgewählter Beispiele vorgeführt worden ist, liefern Erzählmuster das Material für die Serie. Dadurch wird einerseits der Produktionsprozess vereinfacht, andererseits ein innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen Fortsetzungen gestiftet, wie John O’Connor in seiner material- und kenntnisreichen Untersuchung hervorhebt.222 Raum für Variation ist gegeben, die nicht nur erlaubt und erwünscht, sondern zur Vermeidung von Langeweile auf Dauer auch empfohlen sein mag. Neben der plumpen Kopie steht die spielerische Überbietung (insbesondere im Bereich der magischen Szenen, die der Phantasie freien Lauf lassen) und die größere Modifikation, die einem gewandelten Konzept geschuldet ist (insbesondere im Bereich der zwar unverzichtbaren, aber stets heiklen Liebeshandlung). Die Umgestaltung scheint in einigen Fällen eine Anpassung an die serielle Erzählweise zu sein (Hinwendung zum untreuen Helden als Träger einer unendlichen Liebeshandlung, Uneindeutigkeit des ‚Helden-Auswahlmechanismus‘ vor dem Hintergrund eines wachsenden Figurenpersonals). Gerade die komischen Durchführungen wenden sich an einen Leser, der das Muster mitdenkt und die Variante zu würdigen weiß. Beinahe immer ist das Bestreben erkennbar, die essentiellen Bestandteile des Serienromans beizubehalten. Auch in Montalvos Esplandián-Fortsetzung wird zumindest noch anzitiert, was nicht mehr zur Darstellung kommen darf. Bei größeren Abweichungen oder gar Verstößen gegen die ,Serienformel‘ laufen die Fortsetzungen nämlich Gefahr, beim Publikum durchzufallen, wie die früh ausgeschiedenen Bücher der Spanier Ribera und Díaz beweisen. Der Variation sind Grenzen gesetzt, weil vor allem Wiedererkennbarkeit gewährleistet sein muss, damit die Serie als Serie funktioniert. Dass dabei sogar schlicht abgeschrieben wird, mag aus der Sicht klassischer Literaturkritik der Sündenfall schlechthin sein – den Leser wird es nicht unbedingt stören: Er ‚verschlingt‘ die erotische, spannende, phantastische Geschichte, die seinen ,Hunger‘ auf den nächsten

221 So kommt z. B. auch Weddige zu dem wenig schmeichelhaften Urteil: „Die letzten drei deutschen ‚Originale‘ sind Kompilationen aus den vorangehenden Büchern.“ Hilkert Weddige: [Art.] Amadís. In: Die Deutsche Literatur. Biographisches und bibliographisches Lexikon. Reihe II: Die deutsche Literatur zwischen 1450 und 1620. Abt. A: Autorenlexikon. Bd. 2 (1991/2001), S. 391–418, hier S. 394. 222 Vgl. John O’Connor: Amadis de Gaule and its influence on Elizabethan Literature. New Brunswick (New Jersey) 1970, S. 107, S. 117, S. 119, S. 126.  

8.6 Zwischenfazit

259

Band wecken sollte. Reflexion des Gelesenen, Vor- und Zurückblättern, ImmerWieder-Lesen ist gar nicht vorgesehen. Grundsätzlich sind Serien konservativ, reproduzieren mehr, als dass sie experimentieren. Und das Prinzip ‚Serie‘ scheint bereits von den Amadis-Fortsetzern verinnerlicht worden zu sein: Zuverlässig wird der Konsument mit dem immer gleichen Produkt beliefert, denn schließlich ist der eigentliche Grund für den Kauf einer Fortsetzung darin zu sehen, dass der Leser ,noch einmal dasselbe‘ will. Entsprechend beschreibt Engelsing das Ineinandergreifen von extensiver und intensiver Lektüre: „Der wahrscheinlich überwiegende Teil der Leser suchte auch durch extensive Lektüre ein und denselben Leseeindruck durch neue Produkte zu wiederholen.“223 Welches Produkt sollte dazu besser geeignet sein als der Serienroman? Der Vorwurf künstlerischer Armut geht also eigentlich ins Leere, wenn die Serienproduzenten vielmehr eine optimierte wirtschaftliche Auswertung im Auge haben. Mit dem Hinweis auf die besonderen Produktionsbedingungen der Serie kann die Frage nach dem Eigenwert ihrer Erzählweise aber natürlich nicht abgetan werden. Der Amadisroman – so ist verschiedentlich deutlich geworden – stellt seine Wiederholungsstruktur selbst zur Schau, er formt seine Protagonisten nicht nur nach seinem ersten Helden, er benennt sie auch nach ihm. Das stumpfe Wiederholen von Handlungselementen ist nicht einfach nur Signum für die Einfallslosigkeit der Autoren oder ökonomische Erwägungen, sondern auch Ausdruck der impliziten Regeln der Romanwelt,224 die der Leser wieder und wieder bestätigt finden will. Ein Rezeptionserlebnis, das Eco wie folgt beschreibt: Bei den Serien glaubt man, sich an der Neuheit der Geschichte (die immer die gleiche ist) zu erfreuen, tatsächlich erfreut man sich aber an der Wiederkehr des immer konstanten narrativen Schemas. Die Serie erfüllt in diesem Sinne unser infantiles Bedürfnis, die gleiche Geschichte immer wieder zu hören, getröstet zu werden durch die ‚Wiederkehr des Identischen‘, das nur oberflächlich verkleidet ist. Die Serie tröstet uns (die Konsumenten), weil sie unsere prophetische Gabe belohnt: Wir sind glücklich, weil wir unsere Fähigkeit entdecken, das Geschehen vorherzusehen.225

223 Rolf Engelsing: Die Perioden der Lesergeschichte in der Neuzeit. Das statistische Ausmaß und die soziokulturelle Bedeutung der Lektüre. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 10 (1970), Sp. 945–1002, hier Sp. 959. 224 Das Regelhafte stellt zudem sicher, dass der Leser der Handlung auch dann folgen kann, wenn er nicht alle Fortsetzungen kennt; vgl. hierzu Christine de Buzon: Amadis de Gaule en français: Continuation romanesque, collection, compilation. In: French Studies: A Quarterly Review 65, 3 (2011), S. 337–346, hier S. 344. 225 Umberto Eco: Serialität im Universum der Kunst und der Massenmedien. In: ders.: Streit der Interpretationen. Hamburg 2005, S. 83–111, hier S. 88.

9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller In den vorangehenden Kapiteln sollte aufgezeigt werden, dass sich die serielle Erzählweise des Amadisromans von früheren Formen seriellen Erzählens wesentlich unterscheidet: Sie ist – und zwar schon bei Montalvo – konzeptionell angelegt, weil mit dem Buchdruck neue Formen der Textproduktion in den Blick treten, die es erstmals ermöglichen, einen konstanten Bedarf nach frischem Lesestoff zu decken und wahrhaft unendliche Geschichte zu erzählen. Diesem Zweck dient nicht zuletzt der Cliffhanger, dessen Verwendung den Amadis in die Vorgeschichte der Soap-Opera rückt. Das serielle Erzählen im Amadisroman ist grundsätzlich als genealogisches organisiert, vom ersten Band an aber auch durch Vervielfältigung auf der Generationsebene geprägt: Schon Amadis und Oriana werden durch Agraies und Olinda verdoppelt, wie allein die Gleichheit der Anfangsbuchstaben andeutet.1 Vervielfacht werden nicht nur Figurentypen, sondern auch Erzähleinheiten und Motive. Aus diesen Bestandteilen ließe sich eine ‚Serienformel‘ ableiten, die den Amadis zu einem sofortigen Erfolg gemacht hat, einem frühen Bestseller.2 Diese Formel scheint in Frankreich nicht mehr großartig verändert worden zu sein, wo vor allem die ‚Verpackung‘ perfektioniert worden ist. Als noch geringer ist der deutsche Beitrag einzuschätzen. Gleichwohl konnten Details herausgearbeitet werden, die dafür sprechen, dass auch in Deutschland an der Serie weitergearbeitet worden ist: Sei es durch die ausdrückliche Wendung an die Leserinnen im Cliffhanger-Kapitel von Buch IV (vgl. oben: S. 141) oder die vorsichtige Ergänzung des ausgelassenen Cliffhangers in Buch XVI (vgl. oben: S. 201 f.). Eine differenzierte Bewertung verdienten auch die drei deutschen Bände XXII–XXIV, die nicht einfach als Abklatsch, sondern vielleicht als eine Art Summenbildung aufgefasst werden sollten. Ihre Autoren verfügen souverän über alle bis dato entwickelten Varianten. Zwar wird bisweilen gedankenlos abgeschrieben, dann aber werden Momente geschärft, gelungene Einpassungen in den Kontext vorgenommen (vgl. oben: S. 94f. und Kap. 7.5).3 Gewürdigt werden können diese Bände nur, wenn man sie als das betrachtet, was sie sind: als Serienprodukte.4  

1 Vgl. Max Lehner: Die Wortstellung im Amadis de Gaule von Nicolas de Herberay des Essarts. Zürich 1975, S. 254 f. 2 Vgl. S. 19 Anm. 74 dieser Arbeit. 3 Die deutschen Bände erfahren in Frankreich noch eine gründliche Überarbeitung; vgl. Werner Mulertt: Studien zu den letzten Büchern des Amadisromans. Halle (Saale) 1923 (Romanistische Arbeiten 11), S. 25 ff. 4 Vgl. den prägnanten Kommentar von Horst Baader: Typologie und Geschichte des spanischen Romans im Goldenen Zeitalter. In: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Bd. 10: Renaissance und Barock, Teil 2. Hg. von August Buck. Frankfurt a. M. 1972, S. 100–107.  





9.1 Ein Leser: François de La Noue

261

Das Erfolgsrezept des Amadisromans wurde keiner systematischen Untersuchung unterzogen, doch sollten sich auf den verschiedenen Analyseebenen einige Kernelemente herausgeschält haben. Es darf wohl einfach davon ausgegangen werden, dass das, was sich regelmäßig wiederholt und mithin zur ‚Serienformel‘ gehört, als interessant und attraktiv wahrgenommen worden ist und zum Bestsellererfolg des Amadis entscheidend beigetragen hat. Im wirtschaftlichen Erfolg des Romans aber ist der eigentliche Grund für seine serielle Fortschreibung zu sehen, weshalb mögliche Ursachen dafür abschließend zumindest angedeutet werden sollen. Überlegungen zu einer Funktionsgeschichte,5 die sicherlich gerade für den Amadisroman wichtig und aufschlussreich wäre, jedoch ein ganz anderes methodisches Vorgehen erfordern würde, können im Rahmen dieser narratologisch ausgerichteten Arbeit nicht mehr angestellt werden. Hier soll mit François de La Noue nur eine zeitgenössische Stimme zum Amadis exemplarisch herangezogen werden – genau genommen eine kritische,6 die sich jedoch als besonders ergiebige Quelle erweist: Um vor der Lektüre des Amadisromans zu warnen, weist La Noue nämlich gerade auf die Verlockungen hin, denen der Leser ausgesetzt ist.

9.1 Ein Leser: François de La Noue Kritik ist mit dem Phänomen ‚Amadisroman‘ untrennbar verbunden und zu seinen bekanntesten Kritikern zählt ganz gewiss La Noue,7 der sehr viel länger als Gewährsmann für die Anrüchigkeit und Verwerflichkeit des Serienromans herhalten musste, als dieser überhaupt gelesen worden ist.8 Insbesondere in Gelehrtenkreisen hielten sich die Zitate von Autoritäten wie La Noue hartnäckig, weshalb Weddige sogar von einer „sekundären Amadis-Tradition“9 spricht, die er genauestens nachvollzieht.10

5 Vgl. Jan-Dirk Müller: Volksbuch/Prosaroman im 15./16. Jahrhundert – Perspektiven der Forschung. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur/Sonderheft 1 (1985), S. 1–128, hier S. 104 ff. 6 Zur aufkommenden Amadis-Kritik in Frankreich vgl. u. a. Michel Simonin: La disgrâce d’Amadis. In: Studi francesi 28, 1 (1984), S. 1–35. 7 Vgl. Julius Schwering: Amadis und Faustbuch in den Hexenprozessen. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 51 (1926), S. 106–116. 8 Vgl. Walter Ernst Schäfer: Hinweg nun Amadis und deinesgleichen Grillen! Die Polemik gegen den Roman im 17. Jahrhundert. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 15, 4 (1965), S. 366–384. 9 Hilkert Weddige: Die Historien vom Amadis auss Franckreich. Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption. Wiesbaden 1975 (Beiträge zur Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 2), S. 182. 10 Vgl. Weddige (Anm. 9), S. 181–234.  



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9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller

Seine berühmten Discours politiques et militaires (erschienen 1587) schrieb der Hugenotte La Noue in spanischer Gefangenschaft.11 Den Bezugspunkt der Discours bilden die Konfessionskriege, aus denen Lehren abgeleitet werden, ohne dass ein Gesamtentwurf anvisiert wäre.12 Insgesamt zielt die Schrift auf die gesellschaftlich-politische Erneuerung Frankreichs ab, das durch Gottlosigkeit bedroht sei.13 Einen zentralen Ansatzpunkt dabei stellt für La Noue die Erziehung des Adels dar14 und in diesen Kontext gehört auch der sechste Discours über den Amadis. Die Hochphase der Amadisbücher in Frankreich hat La Noue hat nach eigener Auskunft selbst miterlebt: Bey regierung Knig Heinrichs deß andern / hochlblicher Gedchtnus / seind sie in jhrer frnembsten Ehr vnd Wrdin gewesen / also daß ich glaub / wann einer dieselbigen damaln hette wllen schelten / oder verachten / man het jhme zu spott vnder das Angesicht gespiehen / weil sie vilen Personen zu lust / kurtzweil / vnd vertreibung der zeit gedienet.15

Das Zitat stammt aus der deutschen Fassung der Discours, die 1592 von Foillet in Mömpelgard für Wechels Erben in Frankfurt gedruckt wurde. Übertragen wurden die Discours vom Amadis-Übersetzer Jacob Rahtgeb;16 der württembergische Kammersekretär warb mit der Übersetzung solch gegensätzlicher Texte um die Gunst seiner Dienstherren.17 Roman und Romankritik sind also in größter räumli11 Zu Leben und Werk La Noues vgl. die jüngst erschienene, umfassende Untersuchung von Myriam Barakat: Édition commentée des Discours politiques et militaires de François de La Noue (1531–1591). Diss., Université Paul-Valéry Montpellier III, 2011 (http://www.theses.fr/2011 MON30041). 12 Vgl. Martin Disselkamp: Barockheroismus. Konzeptionen ,politischer‘ Größe in Literatur und Traktatistik des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit 65), S. 83–157, hier S. 86. 13 Vgl. Weddige (Anm. 9), S. 245. 14 Vgl. Norbert Conrads: Ritterakademien der Frühen Neuzeit. Bildung als Standesprivileg im 16. und 17. Jahrhundert. Göttingen 1982 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 21), S. 26–39; Sabine Holtz: Bildung und Herrschaft. Zur Verwissenschaftlichung politischer Führungsschichten im 17. Jahrhundert. Leinfelden-Echterdingen 2002 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 32), S. 138 f. Dass La Noue das humanistische Bildungsideal für seinen Entwurf einer Akademie für den Adel modifiziert, stellt Supple gegenüber Husemann heraus; vgl. James Supple: François de La Noue and the Education of the French ,noblesse d’épée‘. In: French Studies 36, 3 (1982), S. 270–272; William Husemann: The Discours of François de La Noue: Humanistic Education and the Survival of the French Nobility. In: Proceedings of the Ninth Annual Meeting of the Western Society for French History. Hg. von John Sweets. Lawrence (Kansas) 1982, S. 50–60. 15 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 164 f. 16 Zu „Jakob Rahtgeb als Vermittler La Noues“ vgl. Conrads (Anm. 14), S. 89–95. 17 Zu Jacob Rahtgeb vgl. auch meinen in Kürze erscheinenden Artikel in: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon. Bd. 5 (erscheint voraussichtl. 2015).  



9.1 Ein Leser: François de La Noue

263

cher und zeitlicher Nähe greifbar und nicht zuletzt deswegen wurde dieses Rezeptionszeugnis ausgewählt. La Noues Bericht aus nächster Nähe lässt keinen anderen Schluss zu, als dass der Amadis den Nerv der Zeit getroffen haben muss, gleichwohl lehnt er ihn bereits wenige Jahrzehnte später als überholt ab. Unrealistisch und unzeitgemäß erscheinen dem Hugenottenführer beispielsweise die Kampfdarstellungen im Amadisroman („voll falschheit / v jetzt nit mehr im gebrauch“18). Gewandelte Regeln für moderne Kriegsführung lassen den alten Brauch des Duells nicht nur grausam, sondern auch ineffektiv erscheinen. In solcher „Archaik heroischen Handelns“19 erkennt Jan-Dirk Müller die Realisierung von Bedürfnissen in der Fiktion, während die Realität nach Gerhard Oestreich durch zunehmende ‚Sozialdisziplinierung‘ gekennzeichnet ist.20 In seiner wirkmächtigen Zivilisationstheorie geht Norbert Elias davon aus, dass der Adel insbesondere in Frankreich und insbesondere im sechzehnten Jahrhundert zur ‚Affektdämpfung‘ und ‚Modellierung des Verhaltens‘ gezwungen gewesen sei.21 Im frühmodernen Staat wird der Ritter zum Höfling und in seiner (kriegerischen) Unabhängigkeit massiv beschnitten. Hat er damit sein ‚ritterliches‘ Selbstverständnis eingebüßt, so erweist sich die neue Position als permanent gefährdet, denn im Gegensatz zu späteren Oberschichten hat der Adelige „zwar eine gesellschaftliche Funktion, aber keinen Beruf“.22 Vor diesem Hintergrund erscheint die Begeisterung für eine rückwärtsgewandte Literatur erklärlich, die den Ritter in selbstherrlicher Machtfülle zeigt. Diese „entlastende Funktion der Literatur“23 hat Reiner Wild in Elias’ Nachfolge beschrieben als

18 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 166. 19 Müller: Volksbuch/Prosaroman (Anm. 5), S. 107. 20 Vgl. Gerhard Oestreich: Strukturprobleme des europäischen Absolutismus. In: ders.: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Ausgewählte Aufsätze. Berlin 1969, S. 179–197. 21 Vgl. Norbert Elias: Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Bd. 2: Wandlungen der Gesellschaft, Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation. Amsterdam 1997 (Norbert Elias: Gesammelte Schriften 3, 2), S. 362–380. Grundsätzliche Einwände gegen Elias’ Fortschrittsgeschichte und seinem Festhalten an einer Epochenschwelle hat Haug vorgebracht; vgl. Walter Haug: Literaturgeschichte und Triebkontrolle. Bemerkungen eines Mediävisten zum sogenannten Prozeß der Zivilisation. In: ders.: Die Wahrheit der Fiktion. Studien zur weltlichen und geistlichen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Tübingen 2003, S. 603–615. Haug hat die Erweiterung einer Geschichte der Zivilisation um den Widerstand dagegen gefordert und Literatur als den Raum beschrieben, der diese Dialektik aufnehmen kann: Sie provoziert verfestigtes Normwissen, experimentiert mit Alternativen, bietet Möglichkeiten zur Erfahrung jenseits einfacher Lehrsätze. Allerdings schränkt Haug diese Funktionen dezidiert auf niveauvolle Literatur ein – und dazu wird man den Amadis nicht unbedingt zählen wollen. 22 Elias (Anm. 21), S. 363. 23 Reiner Wild: Literatur im Prozeß der Zivilisation. Entwurf einer theoretischen Grundlegung der Literaturwissenschaft. Stuttgart 1982, S. 102.

264

9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller

Antwort auf das im Prozeß der Zivilisation zunehmende Maß der Verinnerlichung des sozialen Zwangs, Reaktion auf den vom Individuum geforderten Selbstzwang, der in der Produktion und Rezeption solcher Zeugnisse gewissermaßen aufgehoben ist, jedoch im ständigen Wissen der Fiktivität dieser Aufhebung.24

Noch vor dem fehlgeleiteten Amadisrittertum hat La Noue die Darstellung von teuflischer Magie und vorehelicher Sexualität im Amadisroman kritisiert. Hinter diesen Elementen wird man ebenfalls Kompensationsangebote für fehlende wunderbare und triebhaft-erotische, aufregende und erregende Alltagserfahrungen vermuten dürfen. Die erste Phase der Rezeption in französischen Hofkreisen legt die Vermutung nahe, dass der Amadis-Stil als hochaktuelles Modell adligen Sprechens aufgenommen worden ist. Der Amadisroman hat also nicht nur entlastend gewirkt, sondern auch produktiv zur ‚Verhöflichung des Kriegers‘ beigetragen.25 Scheint die sprachliche Qualität für La Noue auch außer Frage zu stehen, so führt er den Amadis doch als eine Art ,Anti-Lehrbuch‘ an: Den fünften Discours, in dem er seine Idee der Akademien für den adligen Nachwuchs vorstellt, beginnt La Noue mit einigen Hinweisen auf antike Erziehungskonzepte (insbesondere Plutarch), denen er im folgenden Discours den Amadis gegenüberstellt, der für ihn in Punkto Schädlichkeit auf einer Stufe mit Machiavelli rangiert – dieser für die Jugend, jener für die Alten, wie es im Titel heißt.26 Vergleichbar sind die Texte für La Noue offenbar in Bezug auf die Vermittlung falscher Lehren für den Hof- und Kriegsmann: Nun achte ich darfr / ich jrre mich viel weniger / da ich schon darfr halte / vnd bestttige / die Bcher Amadis auß Franckreich / seyen gantz bequembliche / vnnd rechte Jnstrument / alle gute Ritter / vnd lbliche Tugenden zu schwechen / vnd zuverderben.27

Doch besteht auch Vergleichbarkeit hinsichtlich des Modus der Vermittlung, denn in beiden Fällen weist La Noue auf eine Diskrepanz von Außen („schn vnd

24 Wild (Anm. 22), S. 103 f.; Absatz im Original hervorgehoben. 25 Vgl. Wild (Anm. 22), S. 75–78 zur „didaktische[n] Funktion der Literatur“ sowie Müller: Volksbuch/Prosaroman (Anm. 5), S. 82, S. 105. 26 Vgl. La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 163. Gemeint ist offenbar, dass der Amadis für die Jugend genauso schädlich ist, wie es die Lektüre der Schriften Machiavellis für die ältere Generation in ihrer Jugend war. Zum (eher niedrigen) Stellenwert der Thesen Machiavellis für La Noue vgl. Anna Maria Lazzarino del Grosso: La Noue, Machiavelli e i ,Libertins‘. In: Il pensiero politico 22 (1989), S. 208–218. 27 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 164.  

9.1 Ein Leser: François de La Noue

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zierligkeit“28) und Innen („rechte warheit“29) hin.30 Für die Beurteilung von Niccolò Machiavellis Werk – gemeint ist Il Principe (entstanden 1513, gedruckt 1532) – verweist La Noue auf Innocent Gentillet, den ihm namentlich nicht bekannten Autor des sogenannten ,Contre-Machiavel‘ (1576);31 dem Amadis will er sich selbst widmen. La Noues Romankritik ist jedoch nicht nur im engeren Zusammenhang von Erziehungsfragen zu sehen, sondern bündelt darüber hinaus Aspekte, die in den Abhandlungen wiederholt diskutiert werden.32 So wendet La Noue sich gleich im ersten Discours gegen den „gebrauch / der schwartzen Kunst / sampt andern vielerley sorten Teuffelischer Warsagungen / vnd Hexerey“33; der gesamte zwölfte Discours ist den unheilvollen Zweikämpfen gewidmet, die um eines falschen Ehrbegriffs willen geführt werden: Jetzundt aber / weil aller respect auffgehaben / vnd verlohren / fordert man ein ander one vrsach hinauß / vnd ropfft sich mit ein ander / wann die Fantaseyen inn Kopff kommen / zwar nit allein mit denen / welchen man feindt ist / sondern mit den rechten wahren Freunden / Als wann es gleich ein rechter offner Krieg wehre.34

Weddige hat La Noues Amadis-Kritik knapp im sozialhistorischen Kontext verortet und auf seine hugenottische Einstellung bezogen („Magie-Diskussion“, calvinistische Sexualmoral, Duell-Mode etc.);35 Rothstein hat die Missbilligung der unzähligen Gefechtsszenen mit dem Wandel im Kampfethos der Gentilshommes zur Zeit der Religionskriege erklärt.36

28 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 166. 29 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 166. 30 Vgl. William Husemann: La Personnalité Littéraire de François de La Noue. 1531–1591. Paris 1986, S. 109 f. 31 Vgl. Barakat: Édition commentée (Anm. 11), S. 92. Übrigens wurde auch der Contre-Machiavel bereits 1580 ins Deutsche übertragen (Übersetzung von Georg Nigrinus, erschienen bei Bernhard Jobin mit einer Vorrede Johann Fischarts); vgl. mit zahlreichen bibliographischen Hinweisen: Michael Szurawitzki in Verbindung mit Dagmar Neuendorff: Die Epistre zu Innocent Gentillets Contre-Machiavel und die Vorreden Georg Nigrinus’ und Johann Fischarts in Regentenkunst oder Fürstenspiegel. Edition mit Hintergrund und Kommentar. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (PBB) 133, 2 (2011), S. 290–315. 32 Vgl. Disselkamp (Anm. 12), S. 89. 33 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 6. 34 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 307. 35 Vgl. Weddige (Anm. 9), S. 245–252. 36 Vgl. Marian Rothstein: Reading in the Renaissance: Amadis de Gaule and the lessons of memory. Newark (Delaware) 1999, S. 139–144.  

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9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller

Im Folgenden soll es jedoch nicht so sehr um die Bedingungen von La Noues Kritik gehen, sondern am sechsten Discours entlang der (gewissermaßen vorgelagerten) Frage nachgegangen werden, warum er den Amadis überhaupt als derart wirksam einschätzt. Schließlich muss im Zusammenhang dieser Arbeit die Aufmerksamkeit der Begeisterung für den Roman gelten – und nicht seinem unweigerlichen Absturz. Jedenfalls zeigt La Noues heftige Einlassung, dass der Serienroman auch Jahre nach dem Tod von Henri II noch emsig gelesen wird.

9.2 „Dises Lugenwerck v erdichte Trum“ Natürlich interessiert sich La Noue nicht für den Roman an sich; ihn besorgt sein Gebrauch als Verhaltensanweisung „in Kriegen / Kempffen / als sonsten der Lieb vnd Bulschafften“.37 Zunächst aber ist er ein gründlicher Leser des Amadisromans:38 Seine Ausführungen zeigen Detailkenntnis und der Discours scheint nicht zuletzt eigene Leseerfahrungen zu dokumentieren. So räumt er am Ende die eigene Verführbarkeit durch den Roman ein, wobei Rahtgeb die entwaffnende Ehrlichkeit des französischen Originals etwas zurücknimmt.39 Je pourroye encor alleguer autres vanitez dont ces livres sont farcis, si je ne craignois d’en trop gouster, voulant en dégouster autrui.40 [Ich könnte noch weitere Eitelkeiten anführen, von denen diese Bücher voll sind, wenn ich nicht befürchtete an dem Gefallen zu finden, das ich anderen verleiden will.]

Jch kndt wol noch mehr vergebner eytelkeiten hie einfhren / mit welchen gedachte Bcher Amadis / allenthalben durchauß wol gespickt / wo ich nit befrchtet / etwan zu vil schdlichen geruchs selbß dauō einzunemen / an statt vnd zu belonung / daß ich sie andern zu verleidē begere.41

37 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 166. 38 Zum Zeitpunkt der Abfassung der Discours liegt La Noues Lektüre des Amadisromans aller Wahrscheinlichkeit nach schon mehrere Jahrzehnte zurück. Dass er sich noch so gut an einzelne Figuren und ihre Namen erinnern kann, ist für Barakat ein Hinweis auf eine sehr intensive Lektüre zu Jugendzeiten; vgl. Barakat: Édition commentée (Anm. 11), S. 91. 39 Husemann versteht dies offenbar anders und bezieht „gouster“ wie „dégouster“ auf die Leser der Discours; vgl. ders.: La Personnalité Littéraire de François de La Noue (Anm. 29), S. 114. Auch wenn diese Lesart möglich ist, möchte ich mich Rahtgebs Interpretation anschließen: La Noues Thema ist eben die einnehmende Wirkung des Amadis, das selbstkritische Eingeständnis am Schluss des Discours’ ist ihm durchaus zuzutrauen und stellt überdies eine gelungene Pointe dar. Ich danke Elsa Kammerer für ihre Einschätzung der Textstelle. 40 La Noue: Édition commentée des Discours politiques et militaires (Anm. 11), S. 347. 41 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 180.

9.2 „Dises Lugenwerck v erdichte Trum“

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Entsprechend bestimmt La Noue die Empfänglichkeit für „Lgen vnd Fabelwerck“42 zu Beginn des Discours’ als etwas Überzeitliches. Er ordnet den Amadis in die lange Tradition der Ritterromane ein; dieser repräsentiere einen in erster Linie sprachlich modernisierten Nachfolger der „alten Geschichten / deren man noch hin vnd wider findet / als Lancelot vom Sehe / Perceforest / Tristan / Giron der hffliche / vnd andere vielfltige“.43 Mit den bereits zitierten, deftigen Worten beschreibt La Noue anschließend den durchschlagenden Erfolg des Serienromans. Dass dazu auch eine bestimmte Lektürehaltung gehört, klingt immer wieder an: Vnd ob wol von etlichen gedachte Fabelische Bcher verworffen / seindt nur hingegen deren sehr viel / die solche nicht allein hoch gehalten / sondern nach dem sie denn darin so eigentlich vorgebildten lste / ein mahl empfinden / den meisten theil der zeit / mit fleissiger lesung derselbigen zugebracht.44

La Noue scheint eine frühe ‚Lesewut‘ zu beschreiben: Der Amadis wird zu viel, zudem ausschließlich gelesen.45 Im Don Quijote ist einer solchen Lektürehaltung ein Denkmal gesetzt worden und auch der Discours entwirft einen ,Don Quijote‘, wenn La Noue einmal mehr seiner Sorge Ausdruck verleiht, die Romane könnten als Lehrbücher missverstanden werden: „Wann schon einer vom Adel / all sein Tag die Bcher Amadis gelesen het / wehre er doch darumb kein desto besserer Soldat / oder Kriegsman.“46 Gehörige Wirkungskraft schreibt La Noue der sprachlichen Gestaltung des Romans zu. Zwar sei der Amadisroman in Spanien entstanden, doch erst in Frankreich in sein modisches Gewand gekleidet worden.47 Rahtgeb gibt den nun folgenden französischen Text unzutreffend wieder, der voll und ganz auf die Vorbildhaftigkeit der Sprache und ihren konkreten Anwendungsbezug abstellt:48

42 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 164. 43 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 164. 44 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 165. 45 Vgl. auch La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 165, S. 180. 46 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 179. 47 Vgl. La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 164. 48 Vgl. hierzu meinen Aufsatz: „Nicht weniger / sondern ja gleich so wol / wo nicht hher“. Der Amadis als stilistisch-ästhetisches Modell. In: Aemulatio. Kulturen des Wettstreits in Text und Bild (1450–1620). Hg. von Jan-Dirk Müller u. a. Berlin, Boston 2011 (Pluralisierung & Autorität 27), S. 417–448.  

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9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller

[beaucoup de personnes:] dont aucunes apres avoir apris á Amadiser de paroles, l’eau leur venoit á la bouche, tant elles desiroyent de taster seulement un petit morceau des friandises, qui y sont si naïvement & naturellement representees.49

Dieselbigen / nach dem sie lang vnnd viel in gedachten Amadis / fleissig vnd embsig studiert / werden sie vber die maß begirig / nur ein geringes stcklin / darinnen so artlich / eigentlich / vnd leiblich vorgestelten wollste zuversuchen / vnd zu probieren.50

Vielleicht weiß Rahtgeb mit dem Begriff „amadiser“ nichts anzufangen, der in Frankreich (vor allem) für die Imitation des weitschweifigen Amadis-Stils geprägt wird und schließlich sogar Eingang ins Wörterbuch findet.51 Es mag hinzukommen, dass die Verwendung des Amadisromans als rhetorisches Musterbuch in Frankreich zu diesem Zeitpunkt stärker im Vordergrund steht als in Deutschland: Ist der Thresor bereits mehrfach aufgelegt worden, kommt das deutsche Pendant erst ab 1596 auf den Markt. Die gezierte Sprache dürfte aber auch ein gewichtiges Kaufargument für die deutsche Romanfassung gewesen sein. Im Zusammenhang mit den dialoglastigen Liebesszenen kommt La Noue dann noch einmal auf die ,Verführungskraft‘ der Sprache zurück. Zwar hätten die französischen Übersetzer ihren ganzen Fleiß auf die Rhetorik gelegt,52 doch hätte es dessen nicht einmal bedurft, „weil der Mensch vorhin von Natur darzu geneigt / daß gut zu lassen / vnd dē bsen zu folgen“.53 Und weiter heißt es: Da wann derselbig [Mensch] ein mal vō disem verdeckten Gifft geneußt / darff man nit fragen / ob jhme seine liebligkeit in Ohren gefalle / vnd angenem seye / so bald er solche eingenoen / vnd dardurch passiert / ktzlet es die zarteste affection der Hertzen […].54

49 La Noue: Édition commentée des Discours politiques et militaires (Anm. 11), S. 338. 50 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 165. 51 Vgl. Simonin (Anm. 6), S. 27, S. 33 f.; Véronique Benhaïm: Les Thresors D’Amadis. In: Les Amadis en France au XVIe siècle. Cahiers V. L. Saulniers 17 (2000), S. 157–181, hier S. 179 f. sowie Mireille Huchon: Amadis, „Parfaicte Idée de nostre Langue Françoise“. In: Les Amadis en France au XVIe siècle. Cahiers V. L. Saulniers 17 (2000), S. 183–200, hier S. 191. 52 Wieder zeigt sich, dass das französische Original größeres Gewicht auf die sprachliche Leistung legt. Rahtgeb streicht folgenden Einschub, welcher den Abstand zur spanischen Vorlage betont: „(car le vieil langange Espagnol est trop simple)“, La Noue: Édition commentée des Discours politiques et militaires (Anm. 11), S. 342. 53 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 171. Die deutsche Übersetzung schlägt einen stärker moralisierenden Tonfall an. 54 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 171. Und auch hier wählt Rahtgeb eine etwas allgemeinere Formulierung („verdeckte[s] Gifft“), während es dem Franzosen deutlicher um sprachliche Qualitäten geht („fluide & affetté“, La Noue: Édition commentée des Discours politiques et militaires (Anm. 11), S. 342).  



9.2 „Dises Lugenwerck v erdichte Trum“

269

Der Begriff der Affektion taucht im Discours gleich mehrfach auf; an dieser Stelle scheint er tatsächlich auf das Suchtpotenzial des Serienromans zu verweisen: Einmal eingenommen ist die Wirkung des Gifts unumkehrbar. Doch auch jenseits solcher Spuren ist der Discours aufgrund seines argumentativen Verfahrens überaus aufschlussreich. Überzeugungsarbeit will La Noue nämlich durch die Auflistung von „Particularitetē“55 leisten, „die ich gemerckt“56 – das Substrat seiner Lektüre. So erhalten wir eine bunte Sammlung von Details (Motive, Erzählmuster, Figurentypen), die einem zeitgenössischen Leser des Amadisromans als besonders charakteristisch und anziehend (und gefährlich) in Erinnerung geblieben sind. Seine Beobachtungen teilt La Noue überraschend unverblümt mit; in einer Dissertationsschrift von 1897 heißt es: „man wundert sich oft, von der Feder dieses französischen Cato, Einzelheiten geschildert zu finden, die auf die komisch wirkende, aber wenig schamhafte Art Rabelais’ geschrieben sind.“57 Der erste Teil des Discours’ ist „dem ersten vnnd frnembsten Gifft“58 des Amadisromans gewidmet: Aberglaube und Unglaube. Diesen leistet der Amadis Vorschub, indem er keinen wesentlichen Unterschied zwischen weißer und schwarzer Magie macht, die La Noue deswegen insgesamt (und mit ihr den Roman in seiner Gänze) als Teufelswerk betrachtet.59 Zudem wird offenbar die Gefahr gesehen, dass die Lektüre an Zauberspuk gewöhnt und die Neugierde darauf weckt.60 Argumentiert wird in diesem Abschnitt vorwiegend auf moralischer Ebene. So schickt La Noue etwa die Vermutung voraus, der Begründer des Amadisromans selbst „sey ein sehr verschmitzter / subtiler / abgefrter Hoffman / vnnd zu mahl grosser Schwartzknstler gewesen“.61 Mit eiferndem Predigtton entfernt er sich schnell von seinem Gegenstand. Die „Particularitetē“, die er zu Beginn benennt, sind trotzdem fein beobachtet: Er stört sich an der ungebührliche Verehrung, die man Alquif und Urganda in der Romanwelt entgegenbringt

55 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 166. 56 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 166. 57 Francis A. Neyret: François de La Noues Reden. Diss., Univ. Halle–Wittenberg, 1897, S. 21. Vgl. zum Stil insb. des sechstes Discours’ auch Frank Edmund Sutcliffe: Introduction. In: François de La Noue: Discours Politiques et Militaires. Publiés avec une introduction et des notes par F. E. Sutcliffe. Genf 1967 (Textes littéraires français 132), S. VII–XXXV, hier S. XXXIVf. 58 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 170. 59 Vgl. La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 167. Vgl. hierzu Weddige (Anm. 9), S. 246 f.; Jan-Dirk Müller: Rationalisierung und Mythisierung in Erzähltexten der Frühen Neuzeit. In: Wolfram-Studien 20 (2008), S. 435–456, hier S. 451 f. 60 Vgl. La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 168–170. 61 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 165.  



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9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller

(„als wa sie erst vom Himmel herunder gestigen weren“62) und weist auf die stets sorgfältig inszenierten Auftritte des magischen Personals hin, wobei er drei Fälle unterscheidet: Die Zauberer tauchen auf, um einen Kampf auf Leben und Tod zu trennen, sie statten die jungen Amadisritter mit magischen Waffen oder Rüstungsteilen aus und schließlich: „Bißweilen erschreckten sie ein gantzen Houe / mit grewlichen erschrecklichen spectackeln / dann bald erfrewten vnd versicherten sie denselbigē wider.“63 Außerdem erwähnt er die prophetischen Fähigkeiten der Zauberer. Von weiteren Beispielen will La Noue absehen, denn: „Jch irre aber / in dem ich alle jre wunderwerck erzehlen wollte: Dann weder ein Jupiter / noch Minerua / vor alten zeiten nicht so vil gethan / als diese.“64 Neben Aberglauben und Häresie sowie der Zauberei an sich verurteilt La Noue also auch die billigen Effekte, für die die Zauberer im Amadisroman zuständig sind. Der einfache Reiz der Überraschung wird gesetzt, um schon bald wieder aufgelöst zu werden; Spannung geht zuverlässig in Entspannung über. Das Erzählmuster der furchteinflößenden Ankunft stellt diese Figur in Reinform dar und ist eingehend beschrieben worden (vgl. oben: Kap. 8.5), entscheidend schien Folgendes: Dass die Amadis-Sippe regelmäßig von ,ihren‘ Zauberern in Panik versetzt wird, will keinen rechten Sinn ergeben, solange die Wirkung auf den Leser unberücksichtigt bleibt. Vergleichbares gilt für die anderen Momente: Treten (Amadis-) Ritter gegeneinander an,65 so wird ihr Duell rechtzeitig von außen geschieden, bevor jemand zu Schaden kommt; die magische Waffe wird zwar gegen die monströsesten Gegner eingesetzt, garantiert aber schon die schlussendliche Überlegenheit; die betont düsteren Prophezeiungen dienen der Verunsicherung und verschleiern doch nur Zukunftsgewissheit. Dass diese Form der wohldosierten und bequem rezipierbaren Spannung Leserbedürfnissen entspricht, ist leicht anzunehmen; der Amadisroman berührt sich hier recht offensichtlich mit dem Trivialroman. Eine Bemerkung zur Rezeption findet sich in diesem Zusammenhang auch bei La Noue, ist allerdings nicht unmittelbar auf den Amadis gemünzt: „Viel Personen vermeinen nicht / daß etwas vbels darauß entstehn knne / da man schon zusehe vnd lerne / was die Leut zu verwunderung vnd lachen bewege.“66

62 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 166. 63 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 167. 64 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 167. 65 La Noue bezieht sich auf solche Ritter, die ohne ersichtlichen Grund und nur zur Belustigung der Damen streiten, weil er sich daran ganz besonders stört (vgl. den zwölften Discours). Es muss ergänzt werden, dass es sich bei den Duellanten jeweils um Amadisritter handelt, die in der Regel nicht um die Identität des anderen wissen. Denn nur diese Zweikämpfe werden gerade noch rechtzeitig beendet – oft, aber nicht ausschließlich von magischen Figuren. 66 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 169 f.  

9.2 „Dises Lugenwerck v erdichte Trum“

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In Bezug auf die magischen Elemente im Amadisroman darf man ,Verwunderung‘ vielleicht als das ins Positive gewendete Erschrecken verstehen, das im amüsierten oder erleichterten Lachen mündet. Auch an ein Auslachen ist zu denken, wenn Urganda, Alquif und Co. hin und wieder ihren Schabernack mit den Amadisrittern treiben. Eventuell aus dem Erzählmuster der furchteinflößenden Ankunft heraus hat Silva den Szenentyp des komischen magischen Abenteuers entwickelt,67 in dem die Helden für einen beunruhigenden Augenblick ihre Überlegenheit einbüßen.68 Solche zum Teil umfangreichen Episoden lassen sich mit dem Bild des hilfreichen Zauberers nur schwer in Einklang bringen und haben kaum einen anderen Zweck, als den Helden vorübergehend der Lächerlichkeit preiszugeben und eine überraschende Szene zu kreieren.69 Sind es die bunten Effekte der magischen Partien, die die Einbildungskraft der Leser befeuern, so hat die Anschaulichkeit der Liebesszenen eine mindestens vergleichbare Wirkung. Darauf scheint La Noue, Zeuxis Traubenbild heranziehend, das ‚Gift der Wollust‘ zurückführen zu wollen, welches er für ganz besonders subtil hält. Die Schilderung der ersten Liebesvereinigung von Amadis und Oriana soll ausführlich wiedergegeben werden, um den Einsatz pikanter Einzelheiten zu verdeutlichen, die geeignet sind die Phantasie anzuregen. Nachdem Amadis Oriana aus den Händen des Zauberers Arcalaus befreit hat, befindet er sich in der vorteilhaften Situation, fern vom väterlichen Hof mit ihr allein zu sein. Gandalin, der noch einen unmissverständlichen Hinweis gibt, und die Jungfrau von Dänemark ziehen sich diskret zurück: Also blieb Amadis einig bey seiner Bulschafft so frewdenreich vnd mutig (deß gunsts vnd zusagen wegen, so sie jhn gewehren wolt, welches die volstreckung dessen ist, so er so lange zeit verlangt, vnd immer begeren konde) daß er seine augen nicht von jr wenden mocht, deßhalben er sich dann nicht bald abziehen kund, sonder offt verfehlet, vnd je mehr er eylet, (wie dann laut deß Sprichworts: Eylen nimmer guts thut) je weniger er außrichtet. Doch endlichen vnd hinden nach, als er nur das Wammes an, vnd den Harnisch abgelegt hatt, ob wol seine händ langsam in jrem Ampt gewest, vnd jhne nicht bald entwaffnet, So waren es aber alle seine vberige glieder gar nicht, Dann ein jedes sein höchst vermögen vnd vergnügen erzeigt. Das hertz ward mit frölichen gedancken gantz besessen, die augen beschawten die vnaußsprechliche Schönheit, der Mund begab sich zuküssen, vnd die Arm zu vmbfahen, vnd vnder allen ward keines vnuernügt, außgenommen die Augen, welche gewöllt hetten, daß sie in so grosser anzal weren, als die Stern im Himmel, damit er sie hette desto besser besehen mögen, dann es beduncket jhn, daß sie nicht klar genug ein so Göttlich

67 Vgl. z. B. Amadis VI, Kap. 54. 68 Mit ähnlicher Wirkungsabsicht die Nebenfigur des Betrügers, vgl. S. 94 f., S. 193 dieser Arbeit. 69 Vgl. John O’Connor: Amadis de Gaule and its influence on Elizabethan Literature. New Brunswick (New Jersey) 1970, S. 100, S. 104 f.  





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9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller

ding besichtigen kündten. Sie bekümmerten sich auch, daß sie nicht jr gleichscheinendt liecht sahen. Denn das Fräuwlin die jre beschlossen vnd zu hatt, auff daß er vermeinet, daß sie nicht one vrsach vom schlaff geredt, damit sie auch hiedurch jr ehrliche bescheydenheit vnd scham anzeiget, in dem sie jhr selbs nicht souiel zugegeben, daß sie dieses, so jhr Hertz auff Erden zum höchsten liebet, fräuentlich vnnd kecklich besehen dörffte. Vnd eben vmb dieser vrsach willen strecket sie jhre arm vnachtsam auß, als ob sie entschlaffen, vnd von der hitz wegen hatt sie den Busen offen gelassen. Darumb sie denn zwey kleine runde Apffelin vnd kügelin von lebendigem Alabaster, die gantz lieblich ruchen, vnd die aller weiseste waren, so die Natur je in die Welt gebracht, sehen ließ. Dazumal vergaß Amadis seiner gewönlichen bescheidenheit, vnnd (vnangesehen, daß er jhr vberlästig oder verdrüssig seyn möcht) hengt seinen gelüsten den zaum also ferr, daß, was bitt vnd schwachen widerstand doch Oriana thet, die sich dennocht nicht freyen möcht, daß sie nicht erfür vnd versuchet, beyde das gut vnnd böß zumal, so die Jungkfrauwen zu Frauwen macht.70

Neben unzweideutigen Hinweisen auf körperliche Vorzüge findet sich figurenpsychologisch Überzeugendes: Vor Nervosität ist Amadis kaum in der Lage sich zu entkleiden;71 indem sie sich passiv stellt, wahrt Oriana zwar äußerlich die Form, signalisiert Amadis aber ihr grundsätzliches Einverständnis, was dieser auch richtig zu deuten vermag. Andreas Solbach skizziert diese und eine weitere einschlägige Passage aus Band II, Kap. 14 und stellt fest: Der französische und nach ihm der deutsche Übersetzer haben ganz deutlich das erotische Detail manipuliert, wie der Vergleich mit dem spanischen Original zeigt. Interessant ist dabei die Rolle des Auges, dessen Blick auf das arrangierte Bild das Gefühl so schnell zu stimulieren vermag, daß die Empfindung dem kontrollierenden Verstand überlegen ist. Die Beschleunigung der Gefühlswelt und die Funktion des optischen Reizes appellieren an die Einbildungskraft und die Phantasie des Lesers, der in den imaginativen Sog des Textes hineingerät und sich darin verliert.72

Zum „imaginativen Sog des Textes“ trägt eine suggestive Sprache maßgeblich bei und so ist es sicher kein Zufall, dass La Noue an dieser Stelle – wie bereits erwähnt – noch einmal auf die rhetorischen Finessen des Romans hinweist, von dem es etwas später heißt, er könne selbst einen Franziskanermönch in Versuchung führen.73 Außer der Stimulierung der Phantasie durch Detailbeschreibungen ist auf die aktivierende Leseransprache hinzuweisen, die vorzugsweise

70 Amadis. Erstes Buch, S. 361 f. 71 Vgl. Andreas Solbach: Gesellschaftsethik und Romantheorie. Studien zu Grimmelshausen, Weise und Beer. New York 1994 (Renaissance and Baroque 8), S. 97. 72 Solbach (Anm. 71), S. 98. 73 Vgl. La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 173.  

9.2 „Dises Lugenwerck v erdichte Trum“

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im Kontext der Liebeshandlung eingesetzt wird.74 Üblich ist etwa die Aufforderung an den Leser, sich das vorzustellen, was nicht mehr erzählt werden soll, und dazu auf eigene Erfahrungen zurückzugreifen. La Noue beschreibt demnach eine Lektüre, die ihre schädliche Wirkung entfaltet, indem sie auf Nachvollzug angelegt ist: „Jst das nicht eine schne Jnstruction / vor Adenliche vnd andere zchtige Jungfrwlein […]?“75 Es folgt eine Aufzählung von Einzelheiten, welche in dieser Arbeit dem Erzählmuster ,Heimliches Treffen der Liebenden‘ zugeordnet worden sind (vgl. oben: Kap. 8.1): La Noue führt Prinzessinnen an, die für einen Ritter entbrennen, den sie vor zwei Stunden noch nicht einmal kannten, wofür sie allein den Liebesgott verantwortlich machen. Er stellt ihnen Ritter an die Seite, die sich mindestens genauso schnell verlieben und ihre gesamte Aktivität dann auf die Stillung ihres körperlichen Verlangens richten. Umgehend seien diese Prinzessinnen entschlossen, sogar aus dem Fenster zu steigen, um dann im lauschigen Garten „die Blmlin abzubrechen“.76 In die Wege geleitet würden solche Manöver von „subtilen verstndigen Darioletten / das ist / Kpplerin“.77 Der Name der ersten, modellbildenden Kammerjungfrau wird also zur Bezeichnung eines Figurentypus verwendet. In diesem Fall wird zwar eine ‚Übersetzung‘ mitgeliefert, doch lässt sich Vergleichbares auch sonst nachweisen,78 was darauf deutet, dass der Amadis Allgemeinwissen geworden ist. Der arg schematische Amadisroman bietet sich für derartige Abstraktionen natürlich an und befördert sie noch; so kursieren auch innerhalb der Romanwelt Typenbezeichnungen wie ,ein anderer Amadis‘, ‚ein rechter Galaor‘ etc. (vgl. oben: insb. S. 250). Eine solche Ausstellung von Formelhaftigkeit legt übrigens die Vermutung nahe, dass es sich auch hierbei um

74 Vgl. Rothstein: Reading in the Renaissance (Anm. 36), S. 107–110; Jeanice Brooks: Chivalric Romance, Courtly Love and Courtly Song: Female Vocality and Feminine Desire in the World of Amadis de Gaule. In: Musical Voices of Early Modern Women. Many-Headed Melodies. Hg. von Thomasin Kathleen LaMay. Aldersholt 2005 (Woman and Gender in the Early Modern World), S. 63–93, hier S. 81–83. 75 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 171. 76 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 172. Im Anschluss führt La Noue ein Zitat aus einem ,Gassenhauer‘ vergleichend an; vgl. hierzu Brooks: Chivalric Romance, Courtly Love and Courtly Song (Anm. 74), S. 89 f.; dies.: All you need is love: Music, Romance, and Adolescent Recreation in Sixteenth-Century France. In: Masculinities, Childhood, Violence. Attending to Early Modern Woman – and Men. Proceedings of the 2006 Symposium. Hg. von Amy Leonard u. Karen Nelson. Newark (Delaware) 2011 (Center for Renaissance & Baroque Studies), S. 169–194, hier S. 192 Fn. 49. 77 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 172. 78 Vgl. z. B. Rothstein: Reading in the Renaissance (Anm. 36), S. 117–124; O’Connor (Anm. 69), S. 14.  



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einen Erfolgsfaktor handelt: Der Leser kennt die Regeln der Romanwelt und genießt seinen Einblick in ihre Mechanismen (vgl. oben: Kap. 8.6). Wie auch einige Male sonst imaginiert La Noue im Folgenden einen Verteidiger des Amadisromans, den er entgegenhalten lässt, dass die meisten der geschilderten Liebschaften doch zur ordnungsgemäßen Eheschließung führten. La Noue räumt das auch bereitwillig ein, bemängelt jedoch die vorgeschalteten heimlichen Verbindungen, aus denen stets uneheliche Kinder hervorgehen. Die erzähltechnische Bedeutung dieses Handlungselements sollte in den vorangehenden Kapiteln hinlänglich geklärt worden sein: Es handelt sich um den wahrscheinlich wichtigsten Handlungsgenerator der Serie. Seine Anziehungskraft erschließt sich von selbst: Vielleicht darf man unter Ausblendung sozialhistorischer Überlegungen79 ganz allgemein feststellen, dass heimlich genossene Liebe – stets von der Gefahr der Aufdeckung bedroht und allerlei Komplikationen nach sich ziehend – den Rezipienten einfach mehr packt als sozial legitimierte.80 Der Titel einer seit fast zwanzig Jahren laufenden ARD-Seifenoper bringt dies auf den Punkt: Verbotene Liebe.81 Betrachtet man den Aufwand, den Montalvo betreiben muss, um noch seinen keuschen Helden Esplandian mit einer prickelnden, vorehelichen Liebesgeschichte auszustatten (vgl. oben: S. 222 f.), so wird deutlich, dass es sich dabei um einen unverzichtbaren Bestandteil der Serienformel handeln muss. Mit heimlicher Liebe gibt sich der Amadis aber nicht zufrieden. La Noue kommt im Anschluss folgerichtig auf die untreuen Helden zu sprechen,82 die sich  

79 Rothstein sieht einen Zusammenhang zwischen neuen Gesetzen gegen die klandestine Ehe in Frankreich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und der Rezeptionsgeschichte des Amadis (La Noue); vgl. Marian Rothstein: Clandestine Marriage and Amadis de Gaule: The Text, the World, and the Reader. In: Sixteenth Century Journal 25, 4 (1994), S. 873–886. 80 Mit ähnlicher Stoßrichtung führt Rothstein den Wissensvorsprung des Lesers als Grund für die häufige literarische Gestaltung von heimlichen Ehen an; vgl. dies.: Reading in the Renaissance (Anm. 36), S. 136. 81 Mitte Juli 2014 wurde übrigens das Aus der Serie bekannt geben; ARD-Programmdirektor Volker Herres in einem Statement: „Irgendwann sind alle Schattierungen des Verbotenen und Glamourösen erzählt. Dann gilt es, den richtigen Zeitpunkt zu finden aufzuhören.“ (http:// www.daserste.de/unterhaltung/soaps-telenovelas/verbotene-liebe/specials/abschied-von-vl100.html; abgerufen am 2.8.2014.) Hauptsächlicher Grund für das Absetzen der Serie werden aber wohl die gesunkenen Zuschauerzahlen gewesen sein. Wenig später folgte eine Kehrtwende: Verbotene Liebe wird seit dem 17. Februar 2015 als wöchentliches Format (vorerst) fortgesetzt. Auch diese Entscheidung dürfte mit dem neu entfachten Interesse des Publikums zusammenhängen. 82 La Noue spielt illustrierend auf eine Episode in Rabelais’ Gargantua und Pantagruel an (vgl. Barakat: Édition commentée (Anm. 11), S. 92), was vom deutschen Übersetzer durch eine schlichte Metapher ersetzt wird. 1596 wurde Rabelais’ Roman übrigens ebenfalls von Foillet gedruckt, allerdings mit fingiertem Impressum; vgl. Stephen Rawles u. a.: A new Rabelais  

9.2 „Dises Lugenwerck v erdichte Trum“

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im Amadisroman mehr und mehr ausbreiten. In dieser Arbeit ist argumentiert worden, dass der Eroberung an Eroberung reihende Typus einer seriellen Erzählweise entgegenkommt (vgl. oben: S. 231 f.). Es erübrigt sich, noch einmal darauf hinzuweisen, dass solche Figuren den Roman natürlich massiv um erotische Szenen bereichern. Anstatt wie sonst, kurz und knapp, auf typische Situationen des Amadisromans einzugehen, rekapituliert La Noue schließlich noch ausführlich eine Episode aus Band VIII.83 Sie handelt von ehebrecherischer Liebe, die im Amadis eigentlich selten vorkommt,84 La Noue also vermutlich besonders bitter aufgestoßen ist: Unter einem Zauber stehend und ohne sich später erinnern zu können, zeugen der verheiratete Amadis aus Griechenland und Königin Zahara Zwillinge. Die Zauberer haben ihre Hände im Spiel, um „die schuldt deß wissentlichen / vorsetzlichen Ehebruchs zu benemmen“.85 Stellt diese Konstellation auch eher eine Ausnahme dar, so ist das erotische Intermezzo unter magischer Einwirkung doch häufiger anzutreffen (vgl. oben: z. B. S. 86); die Magie dient im Amadis als flexibles Instrument zur Rechtfertigung des Normbruchs. Aus seiner Abscheu macht La Noue keinen Hehl, wenn er den Lustgarten, in dem Amadis und Zahara sich vergnügen, mit dem „Machometischen Paradeiß“86 vergleicht. Dieser Vergleich scheint ihm auch gar nicht weit hergeholt: „Vnnd mag sein (wie mir dann nicht zweiffelt) daß er selbsten [der Autor] ein Machometist gewesen / alldieweil damahln gantz Hispanien allenthalben mit Sarrazenen erfllet wahre.“87 Eine derartige Lektüre aber, so resümiert La Noue, muss die Affektion nachhaltig beflecken. An den Schluss des Abschnitts stellt er entsprechend eine Anekdote über den seiner Ansicht nach repräsentativen Rezipienten des Amadis’: Ein Edelmann, anderen Hörner aufsetzend und selbst gehörnt. Im letzten Teil widmet sich La Noue dem Amadisrittertum, wobei er drei ‚Früchte‘ oder ,Gifte‘ unterscheidet. Unter sein Verdikt fallen zunächst diejenigen Duelle, die erstens ohne gewichtigen Grund, zweitens bloß zum Vergnügen der Zuschauer und drittens unter Blutsverwandten geführt werden; letzteres oftmals unter Verschleierung der Identität.  



Bibliography. Editions of Rabelais before 1626. Genf 1987 (Travaux d’humanisme et Renaissance 219), S. 410–417 (Nr. 79). 83 Vgl. Amadis VIII, Kap. 85 u. S. 865–867. 84 Vgl. Eberhard Valentin: L’Amadis espangnol et sa traduction française: Évolution stylistique et continuité thématique. In: Linguistica Antverpiensia 10 (1976), S. 149–167, hier S. 155. 85 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 174. 86 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 174. 87 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 174.

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Die Analyse der Einzelbände sollte gezeigt haben, dass solche Verwandtenkämpfe im Amadisroman tatsächlich regelmäßig vorkommen.88 Es war mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Erzählmuster eine gewisse Funktion als Auszeichnungsgeste sowie beim Generationswechsel erfüllt.89 Noch herauszustellen ist allerdings, dass im Amadisroman selbst schon Kritik an dieser „erbrmbliche[n] gewonheit“90 geübt wird. So etwa während des ersten, wichtigen Verwandtenkampfs in Buch V, Kap. 15: Esplandian wird unterwegs von einem fremden Ritter herausgefordert. Gerne würde er sich der unnötigen Auseinandersetzung entziehen, muss sich aber schließlich doch stellen. Dass der Held nur ungern in ein Duell einwilligt, wird regelmäßig herausgestrichen und schon hierin lässt sich ein distanzierendes Moment erkennen. Der strenge Kampf zwischen Esplandian und dem Unbekannten bringt keinen Sieger hervor; endlich gibt Amadis sich zu erkennen. Er habe den Sohn nur erproben wollen, welcher untröstlich ist. Amadis’ Verhalten wird sowohl von Oriana als auch dem alten König Lisuart vehement abgelehnt. Dass beide an Ehre gewonnen hätten, lässt Lisuart als Begründung nicht gelten: „Das ist das beste / sagt der Knig / daß keiner todt geblieben.“91 In Buch VI, Kap. 28 treten Amadis und Esplandian dann in ähnlicher Weise gegen ihre Söhne Perion und Lisuart an (vgl. oben: Kap. 7.2). Warum also zeigt man den untadeligen Amadis (und seine Nachkommen) in schlechtem Licht?92 Offenbar wird eine Konstellation geschaffen, in der die Amadisritter sich überhaupt untereinander angreifen können. Das ist deswegen reizvoll, weil der Logik des Amadisromans zufolge der stärkste Gegner der nahverwandte ist. Wenn dem allzeit überlegenen Helden auf einmal ein gleichwertiger Gegner gegenübersteht, so ist das schlicht und ergreifend spannend. Der Leser ist zum Rätseln aufgefordert, erahnt er die Identität des Angreifers, dürfte das die Spannung sogar noch steigern. Wahrscheinlich haben wir es also wieder mit einem Erzählbaustein zu tun, der vor allem wegen seiner erwarteten Wirkung auf den Leser eingesetzt worden ist.

88 Vgl. Kap. 6.4.1 u. Kap. 7 dieser Arbeit. 89 Vgl. Weddige (Anm. 9), S. 250. 90 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 176. 91 Amadis V, fol. 76v; vgl. auch Amadis VI, S. 382. 92 Bei Montalvo, der die Ablösung des auf weltlichen Ruhm gerichteten Ritters Amadis durch den christlichen Ritter Esplandian anstrebte, hatte die Episode noch den Zweck der Disqualifizierung; vgl. María Rosa Lida de Malkiel: El desenlace del Amadís primitivo. In: Romance Philology 6 (1952/53), S. 283–289, hier S. 285. Dass in Buch VI Amadis und Esplandian gemeinsam gegen ihre Söhne antreten, zeigt, dass man diese Bedeutung ausgeblendet hat.

9.2 „Dises Lugenwerck v erdichte Trum“

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Als nächstes Übel des Amadisromans benennt La Noue das „newe Gesetz“,93 das den allerorten anzutreffenden Jungfrauen immense Macht verleiht. Diese bitten den Ritter nämlich stets um irgendeinen Dienst, welchen er dann absolut vorrangig zu behandeln hat; die Jungfrau bleibt für gewöhnlich solange in seiner Gesellschaft. Dass dabei die Verpflichtung gegenüber König oder Vater zurücksteht, erscheint dem alten Militär La Noue unerträglich; das althergebrachte Romanmotiv lässt sich mit moderner Disziplin nicht mehr in Einklang bringen. Die ritterliche Verhaltensregel kann üble Folgen nach sich ziehen, wie ein Beispiel aus Band I, Kap. 22 f. zeigt: Galaor sieht sich gezwungen, den Wunsch einer bösen Jungfrau zu erfüllen, weil er ihr vorschnell ein don contraignant zugesagt hat.94 Also provoziert er einen fremden Ritter, bei dem es sich – wie sich gerade noch rechtzeitig herausstellt – um den eigenen Bruder handelt. Auch hier ist also wieder eine Situation geschaffen worden, in der Nahverwandte gegeneinander antreten dürfen. Das ist gewiss nicht der Regelfall: Der Auftritt der Hilfe ersuchenden Jungfrau löst zumeist nur eine schlichte Abenteuersequenz aus – ein einfacher Mechanismus zur Erzeugung von Erzählstoff. La Noue stört sich aber nicht nur am Aushebeln der natürlichen, gemeinschaftsdienlichen und rechtmäßigen Pflichten; er weiß darüber hinaus auch anzudeuten, dass Szenen dieses Typs über ein gewisses erotisches Potential verfügen.95 Etwas unvermittelt lässt La Noue an dieser Stelle wieder einen Verteidiger des Amadisromans auftreten, der womöglich einwenden könnte, dass immerhin der christliche Glaube regelmäßig gepriesen werde. La Noue hält entgegen, dass solche Passagen einzig und allein der Verschleierung anderer Inhalte dienen. Eine ähnliche Alibi-Funktion könnte man wohl auch für die gelegentlich auftauchenden moralischen Exkurse vermuten. Überdies hält La Noue die Darstellung des Christentums für verfehlt:  

Dann er [der Autor] fhret ein sehr wilde / harte Religion ein / die nur in finstern Einden / Wlden / vnnd Einsidlers Zellen gewohnet / welche er jedoch vil anderst herauß gestrichen / vnnd presentiert haben solte?96

Das ist mit Sicherheit überspitzt formuliert, doch erscheint es bemerkenswert, dass für La Noue christliche Belehrung im Amadis nur noch außerhalb des gewöhnlichen Lebensumfeldes Platz findet.

93 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 178. 94 An dieser Stelle wird der Handlungsfaden gewechselt und vom Zusammentreffen der Brüder aus Amadis’ Perspektive berichtet. 95 Vgl. La Noue: Édition commentée des Discours politiques et militaires (Anm. 11), S. 346; La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 177 f. 96 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 178.  

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9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller

Am Schluss des Discours’ behandelt La Noue die „letzte frucht / gantz vngebrliche vnmgliche Fabeln genāt“,97 womit in erster Linie die Unwahrscheinlichkeit der Kampfhandlungen im Amadisroman gemeint ist. Ihm gelingt eine ironisch distanzierte Charakterisierung, die ausführlich wiedergegeben werden soll: Jch will die grausame streich / die einen Menschen biß auff die Grtel spalten / Schildt / Harnisch / vnnd Arm sauber hinweg hawen / ja die vngeheure Treffen vnnd fll / da doch niemandts kein Leidt widerfahren / vnnd man mit gleichen Fssen gantz gerßt / leichtlich wider in die Sttel gesprungen / als wann man ein Leopard wehre / viel weniger die Kmpff / so ohne auff hren drey / vier vnd biß fnff stunden gewehret / sampt dem nrrischen Gesprch / vnder solchen weilen vorgelauffen: Wie zugleich die Ritterliche Jmagination / daß einer allein wol zwey Hundert vmbgebracht / nicht anders specificiren / oder außfhren / dann die sach bezeugt / daß es anders nichts ist / als die Weiber vnd kleine Kinder zu erschrecken / vnnd jhnen ein Forcht ein zustecken.98

Anhand dieser Passage lässt sich im Übrigen zeigen, dass Rahtgeb seine Vorlage um einige Nuancen bereichert hat. So ergänzt er den Hinweis darauf, dass die leichtfüßigen Ritter zudem volle Rüstung tragen, und ändert das knappe „deux heures“99 in das rhetorisch geschicktere und überdies absolut zutreffende „drey / vier vnd biß fnff stunden“. Hier spricht unverkennbar der Amadis-Übersetzer. Dass La Noue seinen Schwerpunkt auf die heroische Einzeltat legt, ist dem Gegenstand sicher angemessen. Dennoch ist davon auszugehen, dass auch die langatmigen Schlachtbeschreibungen von der Leserschaft wohlwollend aufgenommen worden sind. Disselkamp irrt, wenn er meint, dass Bucholtz seinem ‚Anti-Amadis‘ Herkules und Valiska dieses Element ganz selbstständig und unabhängig vom Amadis hinzugefügt hat, denn nur in den ersten Bänden herrscht der „vagierende Ritter“100 vor. Schon der Amadisroman kennt eine gewisse Vorliebe für militärische Strategie sowie ein „statistisches Interesse“101 (vgl. oben: insb. S. 173 und S. 210). Freilich werden sich diese Tendenzen im 17. Jahrhundert noch wesentlich verstärken, was auf eine entsprechende Nachfrage zurückschließen lässt.102 Trotzdem erscheint der Amadisroman auch in dieser Hinsicht als Trendsetter. In jedem Fall kann es nicht überraschen, dass der kriegserprobte ‚Bras-de-fer‘ nicht zuletzt die absurden Schilderungen von Krieg und Duell beanstandet, die er

97 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 178, Marginalie. 98 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 179. 99 La Noue: Édition commentée des Discours politiques et militaires (Anm. 11), S. 347. 100 Disselkamp (Anm. 12), S. 128. 101 Disselkamp (Anm. 12), S. 144. 102 Disselkamp (Anm. 12), S. 148 f.  

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wiederholt als „fausses“ bzw. „falsches Fabelwerck“ qualifiziert.103 Was für ihn völlig offensichtlich ist, nämlich dass es sich um „Ritterliche Jmagination“ – also um Fiktion – handelt, könnte die jungen, unvernünftigen, zudem schlecht ausgebildeten Leser schließlich nachhaltig beeindrucken, die „auß sssen vberzuckerten worten / ettwas darvon in gedchtnuß behalten / welches mit jhrer affection vnd zuneigung / am meisten vnd besten vberein stimmet“.104 Diese in hohem Maße die Reize stimulierende Leseerfahrung verringere die Bereitschaft, sich anderer Lektüre zu widmen: „wann sie sich dises Lugenwerck v erdichte Trum / zu lesen ein mal begeben / achten sie der jenigen Historien / da die gntzliche warheit scheinbarlich herfr leuchtet / nit mehr“.105 Ungeheure Beliebtheit und vernichtende Kritik sind zwei Seiten einer Medaille – das lässt sich La Noues Auseinandersetzung mit den wesentlichen Ingredienzen des Amadisromans unschwer ablesen: Die Schauwerte der magischen Episoden, die teilweise explizite Erotik, die von den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit entbundenen ,Actionszenen‘ dürften den Leser ebenso begeistert wie den Kritiker verdrossen haben. Dabei wird der grellen Wirkung der Vorzug gegeben vor erzähllogischer Stringenz oder moralischer Einsinnigkeit. Und was fast noch wichtiger ist: Kaum je wird wirklich etwas riskiert. Undenkbar ist es beispielsweise, dass ein Held des Amadisromans tatsächlich Vater oder Bruder unwissentlich erschlägt. Diese Beobachtungen sollen versuchsweise auf einen Nenner gebracht werden. Dazu wird der ‚Spielwelt‘-Begriff aufgenommen, den Müller für den Amadis verwendet: Das ,mythische Analogon‘ wird fiktionalisiert und literarisch verfügbar z. B. für einen utopischen Gesellschaftsentwurf oder in einer verzauberten Spielwelt. Die ,andere Welt‘ der archaischen Heldenhistorien wird im Amadís als bloße Kunstwelt erkennbar.106  

Mit ‚Spielwelt‘ scheint das Wesen des Amadisromans treffend gefasst werden zu können: Er gibt sich als fiktionaler Text zu erkennen107 und entwirft einen komplexen Mikrokosmos mit eigenen ‚Spielregeln‘. Diese besagen, dass der Held nie einer echten Bedrohung ausgesetzt wird, erst recht nicht aus dem Innenraum heraus.108 Es wird eben nur ‚gespielt‘.

103 La Noue: Édition commentée des Discours politiques et militaires (Anm. 11), S. 346; La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 178. 104 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 179. 105 La Noue: Discours Oder Beschreibung, S. 180. 106 Müller: Volksbuch/Prosaroman (Anm. 5), S. 95, vgl. auch S. 89, S. 104. 107 Vgl. Müller: Volksbuch/Prosaroman (Anm. 5), S. 67 f., S. 89 f. 108 Vgl. Gerhard Penzkofer: Montalvos Amadís: Märchen ohne naive Moral. In: Romanische Forschungen 106 (1994), S. 61–83, hier S. 72 f.  





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9 Ausblick: Der Amadisroman als Bestseller

In diese Spielwelt und zu allerlei Gedankenspielen ist nun der Leser eingeladen: Weitgehend befreit von ‚moralischem Ballast‘ und im abgegrenzten Sonderraum der Fiktion darf er auf den Spuren der Helden und Heldinnen kitzlige Erfahrungen machen, sich der „unverbindlichen Evasion“109 hingeben. Alternative Entwürfe (beispielsweise von einer „erotischen Privatheit“110) dürfen gerade deswegen ausgekostet werden, weil sie in der Regel zurückgeführt werden in die Bahnen des gesellschaftlich Erwünschten. Die harmonisierende Grundtendenz des Romans sorgt dafür, dass Grenzüberschreitungen ohne wirkliche Konsequenzen bleiben, was ein unbeschwertes Lesevergnügen gestattet. So wird der Leser zwar unentwegt in Hochspannung versetzt, bei näherem Hinsehen handelt es sich jedoch meist nur um Scheinprobleme, die sich zuverlässig in Wohlgefallen auflösen. Zumindest jedenfalls bis zum nächsten Cliffhanger …

109 Müller: Volksbuch/Prosaroman (Anm. 5), S. 112, vgl. auch S. 81, S. 107. 110 Müller: Volksbuch/Prosaroman (Anm. 5), S. 105.

Bibliographie 1 Primärliteratur Deutscher Amadisroman Amadis. Erstes Buch. Nach der ältesten deutschen Bearbeitung herausgegeben von Adelbert von Keller. Unveränderter fotomechanischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1857. Darmstadt 1963. Amadis. 2. Buch. Nachdr. d. Ausg. Franckfurt am Mayn, Feierabendt, 1570. Bern 1988. Amadis. 3. Buch. Nachdr. d. Ausg. Franckfurt am Mayn, Feierabendt, 1570. Bern 1988. Amadis. 4. Buch. Nachdr. d. Ausg. Franckfurt am Mayn, Feyrabend, 1571. Bern 1988. Amadis. 5. Buch. Nachdr. d. Ausg. Franckfurt am Mayn, Feyerabend, 1572. Bern 1988. Amadis. 6. Buch. Nachdr. d. Ausg. Franckfurt am Mayn, Feyrabend, 1572. Bern 1988. Das erste Buch | Der Hystoriē / | vom Amadis vß Franck- | reich / sehr lieblich vnd kurtzweilig / | auch den jungen nutzlich zulesen / mit vil | angehefften gutē Lehren / newlich auß Fran- | tzsischer in vnser allgemeine / geliebte / | Teutsche Sprach ge- | bracht. | 15 || 94. | Mit Rm. Kay. May. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfort am Mayn / rc. (VD16 ZV 471, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt; die Erstausgabe: Newe Historia / Vom Amadis auß Franckreich / […]. Frankfurt 1569, VD16 A 2113 liegt aktuell noch nicht als Digitalisat vor) Das ander Buch / | Der Hystorien / | vom Amadis ausz Franck- | reich / viel schner als das erst / zur | kurtzweil vnnd Ntzlicher erinnerung vieler | Menschlicher gebrechen vnd Mhseligen lebens vor- | trglich / Erst jetzo auß Frantzsischer in vnser an- | geborne Teutsche Sprach transferiert / vor- | mals noch nie außgangen. | Auec Dieu & Le temps. | Mit Rm. Kay. Mayt. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfurt am Mayn / | M. D. LXX. (VD16 A 2114, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das dritte Buch / | Der Hystorien / | vom Amadis auß Franck- | reich / Auß welchem zu lernen / wie | das glck so wanckelbar vnd vnstandhafftig / | darumb sich keiner zu viel darauff verlassen solle / jetzt | newlich durch I. VV. V. L. auß Frantzsi- | scher Sprach verdeutscht / vor- | mals nie außgangen. | Allen Frawen vnnd Jungfrawen | gantz ntzlich vnnd kurtzweilig | zu lesen. | Mit Rm. Kay. Mayt. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfurt am Mayn / | M. D. LXX. (VD16 A 2115, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das vierdt Buch / | Der Hystorien | vom Amadis auß Franck | reich / sehr lustig vnd krtzweilig / | darinnen auch zu lernen / wie man sich sol | richten / ob es gleich einem nicht so baldt nach seinem | willen vnd wolgefallen gehet / vnd das glck sich ein | zeitlang thewer macht / sol man dennoch nicht verza- | gen / sondern der zeit gedltig erwarten / wie denn | diese Liebhabende gethan / vnd endtlich | jhres grossen leidts ergetzt | worden sind. | Jetzundt zum ersten auß Frantz- | sischer Sprach durch I. VV. V. L. | verdeutschet / vormals im druck | nie außgangen. | Mit Rm. Kay. Mayt. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfurt am Mayn / | M. D. LXXI. (VD16 A 2117, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Deß vierdten Bchs | Der Hystorien | vom Amadis auß Franck- | reich ander Theyl. | Jn welchem der erschrckliche Krieg / welchen | die Heydenschafft / nach dem Knig Lißuart | verlorn / wider die Christenheit frgenommen | vnnd gefhrt hat / auch in was gefhrligkeiten | der Amadis vnd sein Brder Galaor gewesen / | wie sie darauß erlediget / vnd endlich durch jre | Ritterliche thaten / disen grausamen Krieg | zu glcklichem end gebracht haben / | auff das aller fleissigest beschri- | ben wird. | Allen Ehrliebenden vom Adel / | zchtigen Frawen

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Bibliographie

vnd Junckfrawen / sehr | dienstlich vnd kurtzweilig | zu lesen. | Newlich auß der Spannischen Sprach / inn | die Jtalianisch verdolmetscht / vnd vol- | gends in das Teutsch gebracht. | Durch: | A. F. V. L. | Mit Rm. Kay. May. Freyheit / nit | nach zu drucken. | M. D. LXXVIII. (VD16 A 2118, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das Fnffte Buch / | Der Hystorien / | vom Amadis auß Franck- | reich / Jn welchem zum theil Esplan- | dians seines Sohns / beneben anderer Helden | Ritterliche thaten / Adeliche vnd Mannliche tu- | genden / Erbarkeit vnd zucht be- | schrieben werden. | Allen Ehrliebenden vom Adel / zch- | tigen Frawen vnd Jungfrawen / sehr | ntzlich vnd krtzweilig zu lesen. | Auß Frantzsischer Sprach verteutschet / | Durch J. W. V. L. | Mit Rm. Kay. May. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfurt am Mayn / [!] (VD16 A 2120, digitalisiert von der ULB SachsenAnhalt) Des fnfften Bchs | Der Hystorien | vom Amadis auß Franck | reich Anhang oder an- | derer Theyl. | Jn welchem des Splandiani / beneben des Amadis v anderer Helden Herrliche thaten | vnd Tugenden / welche sie in der zeit / weil sie | in der beschloßnen Jnsel (der bildnus vnd ge- | stalt nach) verzaubert gewesen / vnd geschlaf- | fen haben / Jedoch auß frsehung der Vrgan- | da / inn frembden fernen Landen / vol- | bracht / vnd glcklich zu end | gefhrt haben. | Allen Ehrliebenden vom Adel / | zchtigen Frawen vnd Junckfrawen /  | sehr nutzlich vnd kurtzweilig | zu lesen. | Jn Griechischer Sprach newlich erfunden / | volgends in das Jtalianisch gebracht / | vnd jetzund verteutscht / | Durch: | A. F. V. L. | Mit Rm. Kay. May. Freyheit / rc. | M. D. LXXVIII. (VD16 A 2121, Exemplar der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, Signatur: LD 82) Deß Anhangs | zu dem Bch Splandiani / | so newlich in Griechischer sprach | erfunden / vnnd in die Jtalianisch ge- | bracht / folgendts auß derselbigen | verteütscht worden / weitere | außfrung. | A. F. V. L. | Mit Rm. Kay. May. Freyheit nit | nach zu drucken. | M. D. LXXVIII. (VD16 A 2121, digitalisiert von der Bayerischen Staatsbibliothek) Das Sechste Buch. | Vom Amadis | auß Franckreich / auch seinen | Nachkoen v Snen / gantz ntzlich | von guten Lehren / vnd lieblich von geschichten | zu Lesen / auß Frantzsischer sprach new- | lich in Teutsche durch J. F. M. G. | gebracht. | Allen Ehrliebenden vom Adel / zch- | tigen Frawen vnd Jungfrawen / sehr | ntzlich vnd krtzweilig zu lesen. | Mit Rm. Ky. May. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfurt am Mayn. (VD16 A 2123, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das Sibend Buch | Vom Amadis | auß Franckreich / ein schne | vnd frtreffliche History / von Ama- |dis auß Griechen / der Ritter vom Brennen- | den Schwert genannt / deß streitbaren Helden Lisuarts | auß Griechen / vnd der schnen Onoloria von Tra- | pezunt / Sohn. Auß Frantzsischer in vnsere all | gemeine Teutsche sprach durch J. W. | V. L. tranßferiert / rc. | Allen Ehrliebenden vom Adel / zchtigen | Frauwen vnd Jungfrauwen / sehr ntzlich vnd | kurtzweilig zu lesen. | Gedruckt zu Franckfurt am Mayn / 1573. | Mit Rm. Keys. Mt. Freyheit. (VD16 A 2125, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das Achte Buch | Vom Amadis | auß Franckreich: Eine sehr | schne vnd frtreffliche History / in | welcher allerhand Ritter vnd Kampffspiel / | wie die von Amadis auß Griechen / sunst der Ritter vom | Brennenden Schwert genannt / deß Streitbaren Helden | Lißuarts auß Griechen / vnd der schnen Onoloria von | Trapezunt / Sohn / sampt andern seines gleichen / ge- | halten / beschrieben werden: Auß Frantzsi- | scher in vnser allgemein Teutsche | Sprach Tranßfe- | riert / rc. | Allen Ehrliebenden vom Adel / zchtigen | Frauwen vnd Jungfrauwen / sehr ntzlich vnd | kurtzweilig zu lesen. | Gedruckt zu Franckfurt am Mayn / Mit | Rm. Keys. Mt. Freyheit. | M. D. LXXIII. (VD16 A 2127, digitalisiert von der ULB SachsenAnhalt)

1 Primärliteratur

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Das neundte Buch | Vom Amadis | auß Franckreich: Jn wel- | chem die hohen Thaten Herrn Flori- | sel auß Niquea / genannt der Ritter der Sch- | ferin / welcher Amadis auß Grecia / vnnd der schnen Ni- | quea Son gewesen / erzehlet werden: Deßgleichen von dem | Sone vnd Tochter / so diser andere Amadis mit der Durch- | leuchtigen Zohara / Knigin auß Caucase / doch jnen beyden | vnwissend gezeugt / welche sie von wegen jrer vbernatrli- | chen stercke / deß Gottes Martis Kinder zu seyn vermei- | nete / dieweil sie viel Abentheuwren vnd Zaubereyen / so ge- | meiner macht der Menschen vnmglich waren / zu ende | brachten. Auß Frantzsischer in vnser allgemein | Teutsche Spraach transfe- | riert / rc. | Allen Ehrliebenden vom Adel / zchtigen | Frauwen vnd Jungfrauwen / sehr ntzlich vnd | kurtzweilig zu lesen. | Mit Rm. Keys. May. Freyheit. | Gedruckt zu Franckfurt am Mayn / | M. D. LXXIII. (VD16 ZV 465, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das Zehende Buch / | Der Hystorien / | vom Amadis auß Franck- | reich / in welchem noch ferner beschri- | ben werden die Ritterliche vnd maliche tha- | ten Herrn Florisels auß Niquea / vnnd deß streitbaren | Helden Anaxartis / sampt seiner Schwester / Jungfraw | Alastraxarea / gleichfals auch der hefftige vnd erschreck- | liche krieg / so sich zwischen den Frsten auß Franckreich | vnnd Griechenlandt / von wegen eroberung der schnen | Helena auß Apolonia erhoben / Darinnen auch an- | gezeigt wird / was wunderbarlicher sachen | mitler weil sich zugetra- | gen haben. | Jetzt newlich auß Frantzsischer | Sprach in vnser gemein Teutsch | gebracht. | Allen Ehrliebenden vom Adel / auch zchti- | gen Frawen vnd Jungfrawen ntzlich / lieblich | vnd krtzweilig zu lesen. | Mit Rm. Kay. Mayt. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfurt am Mayn / | M. D. LXXIIII. (VD16 ZV 470, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das Eilffte Buch / | Der Hystorien / | vom Amadis auß Franck- | reich / in welchem noch ferner beschri- | ben wirdt / die Ritterlichen mannlichen thaten | vnd frembde gefehrliche Abenthewren beide sein / vnd der | Frsten seines gebltes / Jn deme denn auch frnemlich | die hohen trefflichen geschichte Herrn Rogels auß Gre- | cia / deßgleichen Herrn Agesilans auß Colchos / in lang- | wiriger nachstellunge Diane / der aller schnsten | Princessin der welt / herfr scheinende | begriffen werden. | Jetzt erstlich auß Frantzsischer in | vnsere hochgelobte Teutsche Sprach bracht | vnd transferirt / Durch | C. E. V. W. | Allen Ehrliebenden vom Adel / auch zchti- | gen Frawen vnd Jungfrawen ntzlich / lieblich | vnd krtzweilig zu lesen. | Mit Rm. Kay. Mayt. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfurt am Mayn / | M. D. LXXIIII. (VD16 ZV 468, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das Zwlfft Buch / | Der Hystorien / | vom Amadis auß Franck- | reich / Jn welchem begriffen wirdt / | was die getreuwe Lieb Agesilani auß Colcho / | vnd der Princessin Diana fr ein endt genommen hab / | vnnd durch was mittel die Knigin Sidonia sey wider- | umb versnet worden / nach dem sie ein lange zeit Herrn | Florisel auß Niquea nach dem leben gestellet hett / vnd jm | den todt geschworen / sampt vielen anderen wunderbarli- | chen vnnd seltzamen Abenthewren / welche nicht weniger | krtzweilig vnd außerlesen / sonderen auch viel knst- | licher sein / dann die andere alle / von denen in | den vorgehenden Bchern gehan- | delt ist worden. | Allen Ehrliebenden vom Adel / zch- | tigen Frawen vnd Jungfrawen sehr | ntzlich vnd krtzweilig zu lesen. | Mit Rm. Kay. Mayt. Priuilegien. | Getruckt zu Franckfurt am Mayn / | M. D. LXXIIII. (VD16 ZV 469, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das Dreyzehende Buch | Vom Amadis | auß Franckreich / darinnen | die Streytbaren thaten / deß Ge- | strengen vnnd Edlen Ritters Syluis vom | Wald / Keysers Amadis auß Griechen / vnd K- | nigin Finistee von Thebis Sohn / beneben den | Mahafften Kriegs v holdseligen geschichten / die | sich mit Rogeln auß Griechen / Agesilano von Col- | chos / vnd andern /

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Bibliographie

Jn zeit Knig Balthasars auß | Reussen angefangnen v wehrenden Kriegß / wi- | der die Christen zugetragen vnd begeben haben / | begriffen / vnd beschrieben werden. Vnd letztlich die | vermhlung der Frwlein Diane / | Leonide vnd ande- | rer / rc. | Jetzt krtzlich durch J. W. V. L. | auß Frantzsischer sprach in | Teutsch tranßferiert. | Mit Rm. Key. Mayt. Privilegien. | Gedruckt zu Franck. am Mayn. | M.D.LXXXXVIII. (VD16 ZV 476, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt; Erstausgabe von 1575, VD16 A 2133) Deß Streitbaren | Helden / | Amadis auß | Franckreich Sehr schne Historien | Darinnen frnemblich gehandelt wird / von seinem Vrsprung / Ritter- | lichen vnd Ewiggedenckwrdigen Thaten / deßgleichen seines gantzen Staens (in glck | vnd vnglck / auch freud vnd leyd) außbndige vnd vber Menschlichs verstandt Tapfferkeit / sampt auß- | fhrung trefflicher / seltzamer Abentheuren vnd Zaubereyen / so sich mit jme / seinen Snen / Enckeln / vnd | andern auch Rittermessigen Knigen / Frsten / Herren / vnd vom Adel | verloffen vnd zugetragen haben. | Auß welchen sich alle Potentaten / Frsten / Graffen / Freyherren / Rit- | ter / vnd die vom Adel / auch alle die jenigen / welche von jugend auff / Kriegs oder der- | gleichen hndeln nachgesetzt / gleich wie auß einem Spiegel / sich zu erlstigen vnd erkn- | digen haben / wie man dem Thurnieren / Rennen / Stechen / Fechten / mit Lantzen | vnd andern Wehren / durch vorsichtigkeit beywohnen sol. | Was nun den Jnnhalt der Materien anlangt / wird der gnstige Leser auß den | vnderschiedlichen vber ein jedes Buch Titteln vnd Capiteln / sich ersettigen knnen. Alles auß | Frantzsischer in vnser allgemein Teutsche Sprach transferiert. | Allen Ehrliebenden vom Adel / beydes hoch vnd niderstands Personen / Jnsonderheit | Jungfrauwen vnd Frauwen / sehr ntz vnd kurtzweilig zu lesen / dergleichen | zuvor in Truck nie außgangen. | Mit Rm. Key. Maiest. Freyheit. | Gedruckt zu Franckfurt am Mayn / Jn verlegung Sigmund Feyerabends. | M. D. LXXXIII. (VD16 A 2111, digitalisiert von der Bayerischen Staatsbibliothek) Ander Theil / | Amadis auß | Franckreich Sehr schne Historien | Darinnen begriffen sind sieben Bcher / nemlich / das Neundte / Zehende / | Eilffte / Zwlffte / Dreytzehende / Viertzehende vnd Fnfftzehende. Vnd wirt in disem Neund- | ten frnemblich gehandelt von den hohen Thaten Herrn Florisel auß Niquea / der Ritter der Schferin genannt / | welcher Amadis auß Grecia / vnd der schnen Niquea Son gewesen / mit ferrner meldung / von dem Sohn vnd Tochter / so dieser an- | der Amadis mit der Durchleuchtigen vnd Hochgebornen Zohara / Knigin auß Caucase / doch jnen beyden vnwissend / gezeuget / welche | sie von wegen jhrer vbernatrlichen stercke / deß Gottes Martis Kinder zu seyn / vermeyneten / Dieweil sie viel | Abentheuwren vnd Zaubereyen / so gemeiner macht der Menschen vnmglich | waren / zu ende brachten. | Was aber nun den Jnnhalt der nachfolgenden Bcher anlangen | thut / wirt der gnstige Leser sich auß eines jeglichen Tittel zu ersehen ha- | ben. Alles auß Frantzsischer in vnser allgemein Teutsche | Sprach transferiert. | Allen Hohen vnd nidern Stands Personen / Auch Adelichen Frauwen vnd | Jungfrauwen / sehr ntzlich / lieblich vnd kurtzweilig zu lesen / Derglei- | chen zuvor nie in Truck außgangen. | Gedruckt zu Franckfurt am Mayn / durch Johann Feyer- | abendt / Jn verlegung Sigmundt Feyerabendts / | M. D. LXXXIII. (VD16 A 2111, digitalisiert von der Bayerischen Staatsbibliothek) Das | Viertzehende | Buch der rechten Histo- | rien vom Amadis auß | Franckreich. | Jnn welchem beschrieben | werden die hohen Ritterlichen thatten / | vnd vberschwenckliche getrewe Lieb deß | streitbaren vnuerzagten Printzen | Silues vom Walde. | Sampt vielen frembden seltzamen wun- | derbarlichen Abentheuren / so nicht allein durch | jhne / sondern auch andere Rittermessige Printzen auß Griechen / | vnd viel nahmhaffte Ritter / inn dem sie den

1 Primärliteratur

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geraubten Griechi- | schen Princessin vnnd jhrer Erlsung hin vnd wider inn der | Welt nachforschten / glcklichen zu Endt gebracht worden / | wie auch er Dom Silues deß Jasonis bezauberte | Waffen Ritterlich erobert. | Zu sambt beschreibung der Geburt / beyder | jungen Printzen Spheramonds vnd Amadis | vom Gestirn. | Erst newlich auß Frantzsischer inn | vnser teusche [!] Sprach ge- | fertigt. | Durch. | J. R. V. S. | Gedruckt zu Mombelgarten durch | Jacob Foillet Frstlichen Buchdru- | cker daselbsten. 1590. (VD16 A 2135, digitalisiert von der Universitätsbibliothek Greifswald) Das | Fünfftzehende | Buch der rechten Hi- | storien vom Amadis auß | Franckreich. | Continuirent die Ritterli- | che Mannliche Thatten / vnd bestndige | trewe Lieb / deß vnuerzagten Frsten Silues | vom Walde / vnd anderer bermbten Ritter | seiner zeit / Mit vielen angehenckten herrlichen | Gleichnussen vnd Exempeln / auß welchen das | warhaffte Ebenbild / eines tugenthafften | rechtliebenden Frsten vnd Regen- | ten klrlich abzumer- | cken. | Allen Ehrliebenden vom Adel / zchti- | gen Frawen vnd Jungfrawen / zuge- | fallen vnd nutzlicher belstigung. | Ohnlangest auß Frantzsischer in vn- | ser Teutsche sprach ge | bracht. | Durch | J. R. V. S. | Gedruckt zu Mombelgarten durch | Jacob Foillet / Frstlichen Buch- | drucker da selbsten. 1590. (VD16 A 2137, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das | Sechtzehende | Buch der Historien | vom Amadis auß | Franckreich. | Tractierend von der Ehrlichen keu- | schen Lieb / Hohen Ritterlichen / vnnd | Mahafften thatten / der Durchleuchtigsten / | Tugentreichen Printzen / Spheramondis / v | Amadis vom Gestirn / auch anderer darinn | benanter tapfferer Frsten / vnnd vn- | uerzagten bermbten Rittern / | selbiger zeit. | Allen Ehrliebenden vom Adel / zchtigen | Frawen vnd Jungfrawen / zu Ehrn / vnd | nutzlicher Kurtzweiliger zeit- | vertreibung. | Auß Frantzsischer in die Teutsche | sprach vertiert. | Durch | J. R. V. S. | Gedruckt zu Franckfort / in verlegung | Sigmund Feyrabends erben. | 1591. (VD16 A 2138, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das | Sibentzehende | Buch der rechten Hi- | storien vom Amadis auß | Franckreich. | Darien die zchtige keu- | sche Lieb / vnd Mannhaffte hohe | Ritterliche Thatten / der Durchleuch- | tigsten Printzen / Spheramondis vnd Ama- | dis vom Gestirn / auch anderer namhaff- | ter Frsten v Ritter jrer zeit / con- | tinuirt werden. | Erst newlich auß dem Frantz- | sischen ins Teutsche gebracht. | Durch | J. R. V. S. | Gedruckt zu Franckfurt | am Myn / Jnn verlegung | Sigmund Feyrabends | Erben. | Anno M. D XCI. (VD16 A 2139, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das | Achtzehende Buch der Hi- | storien vom Amadis auß | Franckreich. | Jn welchem die zchtige Liebe vnd | hohe Ritterliche maliche thatten / beyder | frtreffenlichen Printzen / Spheramondts v | Amadis vom Gestirn / gantz artlich / lustig / | vnd kurtzweilig / continuirt vnd be- | schriben werden. | Allen ehrliebenden vom Adel / zchtigen | Frawen vnd Jungfrawen / zu ehren vnd | gefallen / auß Frantzsischer in die Teutsche | sprach gebracht / Durch: | J R V S. | 15 || 92. | Gedruckt zu Franckfort am Mayn rc. (VD16 A 2140, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das neunzehende Buch / Vom | Amadis auß Franckreich. | Darinnen die | hohe / mannliche / ritterliche | Thaten / vnnd zchtige Lieb / der | Durchleuchtigsten Printzen / Sphera- | mund / vnd Amadis vom Gestirn / auch anderer | namhaffter frtrefflicher Frsten vnd Rittern | jrer zeit gantz artlich / lustig vnd kurtzwei- | lig continuirt vnd beschrieben | werden. | Allen Ehr vnd Tugend liebenden | Personen zu sonderm gefallen newlich auß der | Franzsischen in vnser Teutsche Sprach | vbergesetzt. | 15 || 93. | Getruckt zu Franckfort am Mayn. (VD16 A2141, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das | Zwentzigste Buch der Hi- | storien vom Amadis auß | Franckreich. | Von zchtiger Lieb / mannlichen | vnd ritterlichen Thaten vnd Tugenden / | vieler namhaffter / von dem geblt

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Bibliographie

vnd Stam- | men Amadis abkoender Frsten vnd Helden / auch | anderer weitbermpter Herrn vnd Rittern / | deren in der gantzen History meldung | geschicht. | Allen adelichen vnd Tugendreichen / der | Zucht vnd Tugend liebhabenden Personen / zu nutz | vnd ehrlicher ergetzung vnd belstigung / in form | einer Lieblichen History auß dem Frantz | sischen newlich in Teutsch gebracht / | durch F. C. V. B. | 15 || 93. | Getruckt zu Franfort [!] am Mayn. (VD16 A 2142, digitalisiert von der HAAB Weimar) Das | Ein vnd zwentzigste Buch | der Historien vom Amadis | auß Franckreich. | Von zchtiger Lieb / Ritterlichen | Thaten vnnd Tugenden / vieler nam- | haffter / von dem Geblt Amadis abkommen- | der Frsten / auch anderer gestrengen Rit- | tern vnnd Herrn / so mit eynge- | fhrt werden. | Allen adelichen / der Zucht vnd Tugend | liebhabenden Personen / zu nutz vnd ehrlicher | ergetzung auß dem Franzsischen newlich | in Teutsch gebracht / Durch | F. C. V. B. | 15 || 93 | Getruckt zu Franckfort am Mayn / rc. (VD16 A 2143, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das | Zwey v zwētzigste Buch | der Historien vom Amadis | auß Franckreich. | Von zchtiger Lieb / Ritterlichen | Thaten vnnd Tugenden / vieler nam- | haffter / von dē Geblt Amadis abkommen- | der Frsten / auch anderer gestrengen | Rittern vnd Herrn / so mit eyn- | gefhrt werden. | Allen adelichen / der Zucht vnd Tugend | liebhabenden Personē / zu nutz vnd ehrlicher | ergetzung auß dem Franzsischen newlich | in Teutsch gebracht / Durch | E. B. D. J. | 15 || 94. | Getruckt zu Franckfort am Mayn / rc. (VD16 A 2144, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das | Trey vnd zwentzigste buch | der Historien vom Amadis | auß Franckreich: | Von zchtiger Lieb / ritterlichen | Thaten vnnd Tugenden / vieler nam- | haffter / von dē Geblt Amadis abkommen- | der Frsten / auch anderer gestrengen | Rittern vnd Herrn / so mit eyn- | gefhrt werden. | Allen Adelichen / der zucht vnnd tugend | liebhabenden Personē / zu nutz vnd ehrlicher | ergetzung auß dem Franzsischen newlich | in Teutsch gebracht / Durch | E. D. B. J. | 15 || 94. | Getruckt zu Franckfort am Mayn. / rc. (VD16 A 2145, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt) Das | Vier vnd zwentzigst buch | der Historien vom Amadis | auß Franckreich. | Von zchtiger Lieb / Ritterlichen | Thaten vnnd Tugenden / vieler nam- | haffter / von dē Geblt Amadis abkommen- | der Frsten / sonderlich der hochberhmbten Printzen Safi- | raman vnd Hercules vom Gestirn / auch andern gestren- | gen Rittern vnd Herrn / so mit eingefhrt | werden. | Allen Adelichen / der zucht vnnd tugend | liebhabenden Personē / zu nutz vnd ehrlicher | ergetzung auß dem Frantzsischen newlich | in Teutsch gebracht / Durch | E. M. B. M. | 15 || 95. | Getruckt zu Franckfort am Mayn / rc. (VD16 A 2146, digitalisiert von der ULB Sachsen-Anhalt)

Spanischer Amadisroman Garci Rodríguez de Montalvo: Amadís de Gaula. Hg. von Juan Manuel Cacho Blecua. Bd. 2. Madrid 1988 (Letras hispánicas 256). Garci Rodríguez de Montalvo: Sergas de Esplandián. Hg. von Carlos Sainz de la Maza. Madrid 2003 (Clásicos Castalia 272). Silva, Feliciano de: Lisuarte de Grecia (Libro VII de Amadís de Gaula). Hg. von Emilio José Sales Dasí. Alcalá de Henares 2002 (Los libros de Rocinante 12). Silva, Feliciano de: Amadís de Grecia. Hg. von Ana Carmen Bueno Serrano. Alcalá de Henares 2004 (Los libros de Rocinante 19).

1 Primärliteratur

287

LA cronica de los muy | valientes y efforçados y inuen- | cibles caualleros dō Florisel de | Niquea: y el fuerte Anaxartes: hijos del | muy excelēte principe Amadis de Grecia: | emendada del estilo antiguo: segun  la es- | criuio Cirfea reyna de argines por el muy | noble Cauallero Felicianio de Silua. Valladolid: Juan de Spinosa, Nicolas Tierri 1532. (digitale Ausgabe der Biblioteca Nacional de España, Signatur: R/34796)

Italienischer Amadisroman La Prima Parte | Del Terzodecimo Libro | Di Amadis Di Gavla, | Nel Qvale Si Tratta Delle | marauigliose proue, et gran caualleria di Sfera | mundi figliuolo di don Rogello di Grecia, | et della bella Prencipessa Leonida: | Tradotta nuouamente dalla lingua Spagnuola nella Italiana. | Col priuilegio del Sommo Pontefice, & dell’Illu- | strissimo Senato Veneto per anni XV. Venedig: Michele Tramezzino 1569. (digitale Ausgabe der Österreichischen Nationalbibliothek, Signatur: 40.J.16.(Vol.18); Erstausgabe von 1558) La | Sesta Et Vltima | Parte Della Historia | dell’inuittissimo Prencipe Sfe- | ramundi di Grecia. | Nuouamente uenuta in luce, & ridotta in | lingua Italiana, | Per M. Mambrino Roseo da Fabriano. | Col priuilegio del sommo Pont. Pio IIII. & del- | l’Illustriß. Senato Veneto per anni XX. Venedig: Michele Tramezzino 1565. (digitale Ausgabe der Bayerischen Staatsbibliothek, Signatur: P.o.hisp. 105 k-6)

Französischer Amadisroman Amadis de Gaule. Livre IV. Traduction Herberay des Essarts. Hg. von Luce Guillerm. Paris 2005 (Textes de la Renaissance 92). Le cinqiesme livre d’Amadis de Gaule. Traduit par Nicolas Herberay des Essarts. Hg. von Véronique Duché. Paris 2009 (Textes de la Renaissance 151). Le Hvitiesme Li- | ure d’Amadis de Gaule, auquel | Sont Recite’es Les Havtes Provesses | Et Faitz Merveillevx D’Amadis De Grece, Svrnomme Le | Cheualier de l’ardante Espée: Mis en Françoys par le Seigneur | des Essars N. de Herberay, Comissaire ordinaire de l’ar- | tillerie du Roy, & lieutenant en icelle, es païs | & gouuernement de Picardie, de monsieur | de Brissac, Cheualier de l’ordre, | grand Maistre, & Ca- | pitaine general | d’icelle ar- | tillerie. | Acuerdo Oluido. | Auec priuilege du Roy. | A Paris, | En l’imprimerie d’Estienne Groulleau demourant en la rue Neuue nostre | Dame, à l’enseigne saint Ian Baptiste. | 1548. (Bibliothèque nationale de France, département Réserve des livres rares, Signatur: RES-Y2–99, digitale Ausgabe bei Gallica) Le Nevfiesme Li- | ure d’Amadis de Gaule, auquel | Sont Contenvz Les Gestes De Dom | Florisel De Niquee Svrnomme Le Chevalier | de la Bergere, qui fut filz d’Amadis de Grece & de la belle Niquée. | Ensemble de deux autres filz & fille, engendrez insciemment par | iceluy second Amadis, en la tresexellente royne Zahara de Cau- | case: Lesquelz elle pensoit estre enfans du dieu Mars, | à cause de leur force supernaturelle, par laquelle ilz | executerent plusieurs haultz faictz d’armes | & auantures estranges impossibles à la | commune puissance des | hommes. | Mis d’Espagnol en Françoys par Gilles B. de Buillon, par | cy deuant Commissaire & Conterolleur de Cambray. | Auecq’ priuilege du Roy. | A Paris. | Pour Vincent Sertenas,

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Bibliographie

Libraire tenant sa bouticque au palais, en la | galerie par ou l’on va à la chancellerie, & au mont saint | Hylaire à l’hostel d’Albret. | 1551. (Bibliothèque nationale de France, Mikrofilm, Signatur: NUMM- 52899, digitale Ausgabe bei Gallica) Le Nevfiesme Li- | ure d’Amadis de Gaule, auquel | Sont Contenvz Les Gestes De Dom | Florisel De Nique’e Svrnomme’ Le Chevalier De | la Bergere, qui fut filz d’Amadis de Grece & de la belle Niquée. | Ensemble de deux autres filz & fille, engendrez insciemment | par iceluy second Amadis, en la tresexcellente royne Zahara | de Caucase lesquelz elle pēsoit estre enfans du Dieu Mars, | à cause de leur force supernaturelle, par laquelle ilz a- | cheuerent plusieurs auantures & enchantemens | impossibles à la commune puissance des hom- | mes, reueu, corrigé & rendu en nostre | vulgaire Françoys mieux que par cy | deuant par Claude Colet | Champenois. | Nec Sorte Nec Morte. | Auecq’ priuilege du Roy. | A’ Paris. | Pour Vincent Sertenas Libraire, tenant sa boutique au palays, en | la gallerie par ou lon va à la Chancellerie, & au mont | S. Hilaire à l’hostel d’Albret. | 1553. (Bibliothèque nationale de France, département Réserve des livres rares, Signatur: RES-Y2-100, digitale Ausgabe bei Gallica) Le Dixiesme Livre | d’Amadis de Gaule, auquel (con- | Tinvant Les Havltz Faitz D’Armes | Et Provesses Admirables De Dom Florisel De | Niquée, & des inuincibles Anaxartes & la pucelle Alastraxerée sa | sœur) est traité de la furieuse guerre qui fut entre les Princes | Gaulois & Grecz pour le recouurement de la belle Helene | d’Apolonie. Et des auantures estranges qui suruindrent | durant ce temps. Traduit nouuellement | d’Hespagnol en Françoys. | Envie D’Envie En Vie. | Auec priuilege du Roy. | A’ Paris. | Pour Vincent Sertenas, libraire tenant sa boutique au Palais, en | la gallerie par ou lon va en la Chancellerie. Et au | mont saint Hylaire à l’hostel d’Albret. | 1552. (Bibliothèque nationale de France, Mikrofilm, Signatur: NUMM52901, digitale Ausgabe bei Gallica) Le Seiziesme | Livre D’Amadis | De Gavle, | Traitant des amours, gestes & faicts heroiques | des illustres & vertueux Princes Sferamond | & Amadis d’Astre: ensemble de plusieurs au- | tres grands Seigneurs y denommez, par le plai- | sant & profitable discours d’vne histoire belle | entre les plus belles qui ont precedé, cōme chacun | pourra facilement iuger par la lecture d’icelle. | A Lyon. | Par Françoys Didier. | 1578. | Auec priuilege du Roy. (Bibliothèque nationale de France, Mikrofilm, Signatur: NUMM- 53118, digitale Ausgabe bei Gallica) Le | Vingt Vniesme | Et Dernier Livre | D’Amadis De | Gavle, | Contenant la fin & mort d’iceluy ? les | merueilleux faicts d’armes & amours de | plusieurs grands & notables Princes de son | sang, & les diuers & estranges effects d’vn | amour chaste & honneste: d’où, en fin, l’on | peut recueillir grand fruict, plaisir & con- | tentement. | Traduict d’Hespagnol en François. | A Lion. | Povr Loys Cloqvemin. | 1581. Auec Priuilege du Roy. (Bibliothèque nationale de France, Mikrofilm, Signatur: NUMM- 53093, digitale Ausgabe bei Gallica)

Sonstige Primärtexte Beer, Johann: Printz Adimantus und der Königlichen Princeßin Ormizella LiebesGeschicht […]. In: Sämtliche Werke. Hg. von Ferdinand van Ingen und Hans-Gert Roloff. Bd. 2. Bern 1992, S. 35–69. [Bote, Hermann:] Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Nach dem Druck von 1515. Hg. von Wolfgang Lindow. Stuttgart 2001 (RUB 1687). Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Gross-Fürsten Herkules und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valiska Wunder-Geschichte. Hg. von Ulrich Maché. Bern,

1 Primärliteratur

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Personen- und Titelregister Aithiopika 63, 64 Albrecht: Jüngerer Titurel 34 Amadas et Ydoine 9 Amadisroman – Ur-Amadis 9–11, 29, 113, 130, 158 – Spanische Serie – Amadís de Gaula 10 Anm. 12, 13, 16, 21, 65 f., 113, 140 f., 150 Anm. 6, 158, 161 Anm. 33 – Sergas de Esplandián 12 Anm. 21 u. 25, 13, 16, 21, 129 Anm. 166, 142– 144, 176, 224, 258 – Ribera: Florisando 12 Anm. 23, 13, 21, 145 – Lisuarte de Grecia 13, 21, 165, 176 – Díaz: Lisuarte de Grecia 12 Anm. 23, 13, 21, 145 – Amadís de Grecia 13, 20, 21, 144–146 – Florisel de Niquea 21, 146 f. – Silves de la Selva 22, 180, 186 Anm. 112 – Segvndo Libro De la quarta parte de la Choronica del excelentissimo Principe don Florisel de Niquea 22, 129, 180, 182 Anm. 95 – Italienische Serie – Lisvarte Di Grecia 21, 165 – La Prima Parte Del Terzodecimo Libro Di Amadis Di Gavla 22, 133, 191, 199, 201 – La Sesta Et Vltima Parte Della Historia dell’inuittissimo Prencipe Sferamundi di Grecia 22, 129 f., 205 – Französische Serie – Bd. IV 21, 140 f. – Bd. V 21, 44, 142–144, 176 Anm. 79 – Bd. VI 21, 165 – Bd. VIII 21, 140, 144–146 – Bd. IX 21, 140, 146 f. – Bd. X 21, 140, 146 f. – Bd. XIV 22, 54 – Bd. XVI 22, 199, 201 – Bd. XIX 22, 99 Anm. 71 – Bd. XX 22, 129

– Bd. XXI 22, 129, 130 Anm. 173 – Bd. XXII 15, 22, 258, 260 Anm. 3 – Bd. XXIII 15, 22, 99 Anm. 73, 148, 258, 260 Anm. 3 – Bd. XXIV 15, 22, 99 Anm. 73, 148 Anm. 4, 258, 260 Anm. 3 – Deutsche Serie (in Auswahl) – Bd. I 21, 47, 50 f., 52, 77 f., 83–87, 89, 90 Anm. 28, 91 Anm. 33, 92 f., 100, 107, 108 Anm. 112, 113 f., 133, 153–162, 169, 174, 220–222, 223 Anm. 30, 228, 234 f., 237, 271 f., 277 – Bd. II 10 Anm. 12, 21, 50, 52, 78 f., 85, 88, 89 Anm. 22, 90 Anm. 27, 91, 93 f., 100, 108, 121 Anm. 143, 157, 169, 175 Anm. 78, 210 Anm. 210, 220 Anm. 15, 222, 228 f., 235, 241–244, 253 f. – Bd. III 13, 21, 52, 79 f., 88, 89 Anm. 22 u. 23, 93 Anm. 41 u. 42, 100, 103 f., 116, 127, 154, 157, 169, 235–237 – Bd. IV 13, 21, 52, 80 f., 85 Anm. 8, 88, 90, 91 Anm. 32, 93 Anm. 38 u. 39, 97, 100, 102, 103 Anm. 90, 107, 116, 118–120, 127, 133–135, 139, 141, 154, 157, 169, 237 Anm. 104, 243, 254 – Bd. V 11 f., 21, 52, 81 f., 85 Anm. 5, 87 f., 90–92, 97, 100–104, 105 Anm. 96, 108, 113, 116, 120 f., 131, 133–137, 139, 163 f., 166 Anm. 43, 167, 169–171, 175 f., 188, 222 f., 230, 254 Anm. 208, 276 – Bd. VI 11 Anm. 19, 12, 15, 21, 52, 82 f., 86 Anm. 9, 87 Anm. 16, 97, 100–102, 104, 105, 116, 121 f., 138, 163–177, 193 Anm. 139, 207, 223, 230 f., 237 f., 244–246, 254 f., 271 Anm. 67, 276 – Bd. VII 12 Anm. 22, 20, 21, 52, 89 Anm. 23, 92 Anm. 36, 97, 100, 102, 105, 123, 188, 238 Anm. 109, 240 Anm. 121 – Bd. VIII 12 Anm. 22 u. 23, 20, 21, 52, 88, 92, 94, 97, 100, 102, 104

302

Personen- und Titelregister

Anm. 94, 105 f., 121, 140, 146, 231 f., 238, 247 f., 255, 275 – Bd. IX 21, 52, 86, 87, 93, 97 f., 100, 102, 106, 140, 146 f., 223, 246, 249–251 – Bd. X 21, 52, 86, 87, 97 f., 100, 105 Anm. 96, 106, 146 f., 232, 251 – Bd. XI 22, 52, 55, 98, 106, 246, 251 Anm. 188 – Bd. XII 22, 52, 55, 98, 127, 178, 180–183, 246, 248 f., 251 Anm. 188, 255 f. – Bd. XIII 22, 53, 54, 55, 88 Anm. 17, 95 Anm. 53, 98, 106, 110, 116, 123 f., 178–188, 249 Anm. 175, 251 – Bd. XIV 22, 53, 54, 56, 57, 92, 98, 110, 124–126, 186 Anm. 112, 192, 195 Anm. 149, 200 f., 208 Anm. 200, 212 f., 224, 232 Anm. 83, 239, 249, 251 Anm. 188 – Bd. XV 22, 53, 56, 57, 98, 116 Anm. 132, 148 Anm. 2 – Bd. XVI 22, 50, 53, 86, 98, 189–202, 208 mit Anm. 200 – Bd. XVII 22, 53, 98, 128, 201 f., 208, 233 – Bd. XVIII 22, 53, 86, 98, 128, 208, 224 f., 233, 246 f. – Bd. XIX 22, 53, 98, 128, 192, 208, 225 – Bd. XX 22, 53, 99, 128, 208, 213, 226, 256 – Bd. XXI 22, 53, 99, 116, 129–131, 205 f., 208 f., 211, 226, 227, 256 – Bd. XXII 15, 22, 53, 95, 99, 104 f., 131, 148, 193 Anm. 139, 203–213, 220 Anm. 15, 225, 226, 233, 234 Anm. 92, 256 f., 260 – Bd. XXIII 15, 22, 53, 88, 94 f., 99, 125, 132 mit Anm. 181, 148, 205 f., 226 f., 233 Anm. 88, 239, 257 Anm. 219 u. 220, 260 – Bd. XXIV 15, 22, 53, 56, 64, 87 Anm. 16, 99, 104 f., 116, 129, 131 f., 205, 210 Anm. 210, 213 Anm. 228, 225 Anm. 40, 227, 257 Anm. 220, 260 – Suppl. 4 15, 21, 53, 55 f., 133–135 – Suppl. 5 15, 21, 53, 55 f., 135–138

– Folioband 48 f., 53, 55, 57 Anm. 62, 124, 151 Anm. 9 – Amadis (1684), Oper von Jean Baptiste Lully und Philippe Quinault 17 – Amadis de Grèce (1699), Oper von André Cardinal Destouches und Antoine Houdar de la Motte (Amadigi, London 1715; Oriana, Hamburg 1717; Amadis aus Griechenland, München 1724) 17 Amman, Jost 47 Basse, Nikolaus 47 Beer, Johann: Printz Adimantus 18 Boileau de Bouillon, Gilles 140, 146 Anm. 222, 147 Buch der Liebe (Frankfurt: Feyerabend 1587) 47 Anm. 17, 48, 49 Bucholtz, Andreas Heinrich: Herkules und Valiska (Braunschweig 1659–1660), Herkuliskus und Herkuladisla (Braunschweig 1665) 17, 278 Cervantes Saavedra, Miguel de: Don Quijote 1, 16 f., 18, 94 Anm. 50, 215–217, 230, 267 Dallas 100 Dante Alighieri: Vita Nova 9 Dekameron 59 Des Essars, Nicolas d’Herberay 12 Anm. 25, 14, 17, 41, 140–147 – Flores de Grece (1552) 17 Díaz, Juan 13, 21, 145, 258 Eilhart von Oberg: Tristrant 25, 26 Anm. 16 Feyerabend, Hieronymus 47 Feyerabend, Johann 52 f., 55 Feyerabend, Sigmund 4, 14, 19, 43, 46–58, 124, 138 Feyerabend-Erben 15 Fickler, Johann Baptist 19 Fischart, Johann 3, 15, 265 Anm. 31 Flore und Blancheflur 9 Foillet, Jacob 52 f., 54, 56, 205, 262, 274 Anm. 82

Personen- und Titelregister

303

Gentillet, Innocent: ,Contre-Machiavel‘ (1576) 265 Groulleau, Estienne 42, 43

Rolandslied 31 Roseo, Mambrino 13, 21 f., 98, 126, 128, 129 f., 133, 138, 148, 191, 201 Anm. 177, 205

(Weigand) Han-Erben 46 Heinrich von Freiberg 25–27 Heldenbuch (Frankfurt: Feyerabend 1560 und 1590) 47 Anm. 17, 48 Henri II, König von Frankreich 262, 266 How I Met Your Mother 114

Schatzkammer (Straßburg: Zetzner 1596– 1624) 15 f., 44 Anm. 27 Schmidt, Johann 52, 54 Silva, Feliciano de 12 Anm. 22, 13, 20, 21 f., 77, 104, 129 Anm. 166, 133 Anm. 184, 145, 148, 165, 166, 169, 176, 180, 182 Anm. 95, 223, 237, 238, 240, 271 (Der) Stricker – Karl 30 Anm. 35, 32 – Pfaffe Amis 34–38, 62

Juliana (Die Schaffereyen Von der schonen Juliana, 1595–1617) 56 e

e

e

Kurtzweilige vnd Lacherliche Geschicht V Historien (Frankfurt: Feyerabend 1583) 48 La Gran Conquista de Ultramar 9 Lugowski, Clemens 89, 112–115, 162, 208 Luján, Pedro de 13, 22, 106, 148, 180 Lancelot (Prosa) 9, 10, 24 Anm. 4, 29, 62, 65, 86 Anm. 14, 234, 267 La Noue, François de (Bras-de-fer): Discours politiques et militaires 4, 261–279

Tasso, Bernardo: Amadigi di Gaula (1560) 17 Tampach, Gottfried 15, 50, 51, 52 f. Tausendundeine Nacht 68 Anm. 46, 70 f. Theatrum Diabolorum (Frankfurt: Feyerabend 1569, 1575 und 1587/88) 48 Thresor 14, 16, 43, 44 Anm. 27, 268 Tramezzino, Michele 13, 41, 42, 129 Tristan 9, 10, 24–28, 35, 38, 267 Tristan als Mönch 25, 28

Machiavelli, Niccolò: Il Principe 264 f. Montalvo, Garci Rodríguez de 9–14, 16, 20 Anm. 78, 21, 29, 38, 66, 77, 108, 116, 118 Anm. 133, 129 Anm. 166, 130, 133 Anm. 184, 140–144, 147, 148, 152 Anm. 10, 158, 167, 169, 176, 222 Anm. 26, 223, 237, 238, 258, 260, 274, 276 Anm. 92 Montreulx, Nicolas de 14, 22

Ulenspiegel 34 f., 62 Ulrich von dem Türlin: Arabel 29 Anm. 31, 30 f. Ulrich von Türheim 25–28 – Rennewart 31

Nibelungenklage 23 Anm. 1, 27, 32

(Andreas) Wechels Erben 262 Weddige, Hilkert 4, 13–16, 21 Anm. 81, 44, 46, 50, 53, 54, 56, 106 Anm. 108, 124, 138, 140, 258 Anm. 221, 261, 265 Wieland, Christoph Martin: Neuer Amadis (1771) 18 Willer, Georg 15, 55, 138 Wolfram von Eschenbach – Parzival 32 f. – Titurel 32–34, 38 – Willehalm 27, 30–32, 38

Palmerín-Serie 16 Ponson du Terrail, Pierre Alexis de: Rocambole-Romane 73 Pontus und Sidonia 9, 48 Anm. 22 Rab, Georg 46, 52 Rabelais, François 269, 274 Anm. 82 Rahtgeb, Jacob 54, 262, 266, 267 f., 278 Reyßbuch des heyligen Lands (Frankfurt: Feyerabend 1584) 47 Anm. 17, 48, 49 Ribera, Páez de 13, 21, 145, 258

Verbotene Liebe 274 Vives, Juan Luis: De institutione feminae Christianae 15

Zschorn, Johannes 64

Figurenregister Es werden diejenigen Figuren verzeichnet, die in der vorliegenden Arbeit mehr als einmal und nicht nur in einer Fußnote genannt werden. Um das Register mit dem Stammbaum (S. 110 f.) zu vermitteln, werden die Figuren auf dem kürzesten Weg dem Hauptstrang der Titelfiguren zugeordnet. Bei Namensgleichheit wird ggf. noch ein weiteres Unterscheidungskriterium ergänzt. Nebenfiguren ohne genealogische Verbindung zur Amadis-Sippe werden mit einem kurzen Hinweis auf ihre Funktion aufgenommen. Abies, Großvater und Enkel gleichen Namens 102, 163, 168, 169, 171, 242 Abra, zweite Frau von Lisuart, dem Sohn Esplandians 106, 232 Anm. 81 Agesilan aus Colchos, Sohn von Alastraxerea 96, 98, 110, 178–180, 187 f., 211, 212, 246, 248, 249 Anm. 173 Agesipole, Sohn von Arlanges, Enkel von Anaxartis 94, 110, 203–205, 207, 208, 225 Agraies, Cousin von Amadis aus Frankreich 78, 84 f., 101, 107, 153 f., 156, 157 Anm. 21, 158, 161, 171, 241–243, 244 Anm. 143, 260 Alastraxerea, uneheliche Tochter von Amadis aus Griechenland 87 f., 96, 98, 110 f., 251 Aldena, Freundin von Galaor 85 Anm. 7, 161, 221, 244 Anm. 144 Alquif, guter Zauberer 12 Anm. 23, 82 f., 92, 116 Anm. 132, 123 f., 127, 175, 180, 254–256, 269, 271 Alquife, Tochter von Alquif 82 f., 92 f., 125, 145, 166, 168, 172, 209 Anm. 207, 210, 225 Amadis aus Frankreich (in Auswahl) 1, 9–13, 77–83, 84–95, 96, 97, 99, 100–103, 105 Anm. 96, 107 f., 110 f., 112, 114 Anm. 123, 117, 118–121, 126, 127, 129 f., 133 Anm. 184, 134, 135–137, 145, 150 Anm. 6, 153–162, 164, 169–176, 181, 185, 187 Anm. 114, 190, 192, 199, 200, 208–212, 220–222, 228 f., 234–237, 240–252, 254 Anm. 206, 255 Anm. 210 u. 212, 256, 259, 260, 271–273, 276 f. Amadis aus Griechenland, Sohn von Lisuart, Enkel von Esplandian 12 Anm. 22, 83, 96, 97 f., 102, 105 f., 111, 122, 127, 177,

211, 231 f., 237 f., 247 f., 249 Anm. 173, 186, 275 Amadis vom Gestirn (von Astra), Sohn von Agesilan, Enkel von Alastraxerea 57, 96, 98 f., 110, 126, 180, 181, 189–191, 192 f., 194 Anm. 141 u. 144, 195, 197 f., 198 f., 205, 208, 224 f., 233, 252 Amanio, Sohn von Amadis vom Gestirn, Urenkel von Alastraxerea 110, 203–205, 207 Anaxartis, unehelicher Sohn von Amadis aus Griechenland (Anaxartes) 96, 97, 98, 110, 192 Anm. 133, 209 Anm. 203 Apolidon & Grimanesa, Zauberer und Dame, Vorzeit–Figuren 95, 103 f., 241–244 Arban, König 154, 158, 242 Anm. 128 Arcabonna, Schwester von Arcalaus 81, 108 Arcalaus, böser Zauberer 77–81, 108, 134, 156, 222 Anm. 22, 242, 271 Ardan, Zwerg von Amadis aus Frankreich 78, 84, 89 Anm. 22, 93, 157, 228 Ardan Canile, Riese, Gegnerfigur 78, 91, 174 Argantes, unehelicher Sohn von Rogel 110, 117, 125 f., 189–191, 194 Anm. 141, 195 f., 200, 209 Anm. 203 Arlanges, Sohn von Anaxartis 110, 128, 178–180, 246 Arlantes, Sohn von Arlanges 110, 190, 192 Anm. 133, 193, 194 Arthemisia, magische Figur 111, 210, 213 Artus, König 9, 27, 28, 84, 89, 142 f. Astrapole, Sohn von Sylves 86, 111, 126, 189–191, 196 Anm. 155, 233, 239 Balais, Ritter 85 Anm. 8, 154, 158, 159, 162 Brianges, Waffenbruder von Rogel, Enkelsohn von Lisuart (aus der zweiten Ehe mit

Figurenregister

Abra) 111, 178, 183, 184 Anm. 102, 185 f. Briolania, Königin, Frau von Galaor 77 f., 80, 85, 107, 156–158, 244 Anm. 144, 248, 249 Anm. 173 Brisena, Frau von Lisuart, dem König von Großbritannien (Enkeltochter gleichen Namens) (101), 135, 140 f., 244 Anm. 144 Bruneo, Ritter, Schwager von Amadis aus Frankreich 79, 101, 111, 171, 243 Anm. 136 Buzando, Zwerg, komische Figur 94, 224 Calafia, Königin von California, Amazone 82, 173, 246 Carmella, Eplandians Dienerin/Vertraute 81 f., 87, 222 f. Cassandra, Tochter von Alquife 92, 208, 210, 225 Cildadan, König, Waffenbruder von Galaor 78 f., 100, 102, 171, 174 Cleandrida, Freundin von Lascaris 104, 111, 226 Anm. 50 Corisanda, Freundin von Florestan, dem Halbbruder von Amadis aus Frankreich 12 Anm. 23, 78, 145 Dardan, Ritter 191, 192 Anm. 133, 193 Darinel, Schäfer, komische Figur 20 Anm. 79, 93, 146, 223 Anm. 32, 246, 250 Darioleta, Elisenas Kammerjungfrau 81, 220 f., 224 Anm. 34, 234, 273 Diana, Freundin/Frau von Agesilan 96, 98, 110, 124, 180, 248, 249 Anm. 173 Dorizel, unehelicher Sohn von Rogel (Dorigel) 110, 203, 206 Dracotrophea, böse Zauberin 125, 209 Anm. 205 Durin, Bruder der Jungfrau von Dänemark, Botenjunge 79, 229 Elisena, Mutter von Amadis aus Frankreich 77, 111, 160, 220 f., 234, 237 Endriague, Ungeheuer, Gegnerfigur 79, 174 Erzbetrüger, Gegnerfigur in mehreren Bänden 94, 193, 271 Anm. 68

305

Esplandian, Sohn von Amadis aus Frankreich (Splandiano) 10–12, 17, 77–83, 85 Anm. 5 u. 8, 87, 89 Anm. 23, 90 Anm. 29, 93 Anm. 42, 96, 97, 100–104, 105 Anm. 96, 106, 108, 111, 118–121, 126, 133–137, 144, 165 Anm. 41, 169 f., 173, 175, 188, 190, 192, 199, 200, 211, 222 f., 228, 230, 235–237, 243 Anm. 138, 247 Anm. 161, 248, 249 Anm. 173, 250 Anm. 181, 254 Anm. 208, 274, 276 Falanges, Freund/Mann von Alastraxerea, Waffenbruder von Florisel 86, 106, 110, 211 Filisel, Sohn von Silvia 111, 178–180, 182 f., 187 Fioradin, Prinz von Comagena 207 f., 208 Anm. 196, 209 Anm. 206 Florenius, Sohn von Florestan (dem Jüngeren) 111, 190, 192 Anm. 133, 193, 194 Florestan, Halbbruder von Amadis aus Frankreich (Florisando, Florestano) 12 Anm. 23, 78 f., 82, 84, 101, 111, 137, 145, 153 f., 157 Anm. 21, 158, 171, 211, 234 f., 238, 241 f., 244 Anm. 143, 249 Anm. 173 Florestan, Sohn von Florestan, dem Halbruder von Amadis aus Frankreich 101, 111, 163 f., 171 f. Florisel aus Niquea, Sohn von Amadis aus Griechenland 86, 96, 97 f., 100, 102, 105 Anm. 96, 106, 110, 145–147, 178–180, 186, 203, 206, 207, 211, 223 Anm. 32, 231 f., 249, 251, 252 Fortuna, Freundin/Frau von Lucendos 110 f., 180, 224, 249 Fortunian, Sohn von Lucendos, Urenkel von Lisuart (aus der zweiten Ehe mit Abra) 111, 126, 189–191, 198, 209 Anm. 203, 226, 239 Fulgoran(t), unehelicher Sohn von Rogel 22, 99 Anm. 73, 110, 132 Anm. 181, 148, 206 Anm. 192, 210, 226 f., 239 Galaor, Bruder von Amadis aus Frankreich 12 Anm. 22, 19, 21, 77–80, 82, 84–86, 91 Anm. 33, 93 Anm. 42, 100 f., 108 Anm. 112, 111, 112, 150 Anm. 6, 153 f.,

306

Figurenregister

155, 157, 158 f., 161, 162, 163, 173, 176, 211, 221, 228, 234 f., 237, 238, 241, 244 Anm. 143, 248, 249 Anm. 173, 250, 273, 277 Galersis, fiktive Autorfigur 116 Anm. 132, 124, 132 Anm. 181, 185 f. Galuanes, Onkel von Agraies 78 f., 84 f., 153 f., 156, 158, 161 Galuanes, Sohn von Agraies (Caluanes, Galmenes?) (101), 163, 171 Gandales, Ziehvater von Amadis aus Frankreich 77, 160, 234, 236 Gandalin, Ziehbruder und Schildknappe von Amadis aus Frankreich 77, 80, 82, 89 f., 229 Anm. 67, 234, 271 Garinde & Sirtense, Kammerjungfrauen von Onolorie und Gricilerie 121–123, 237 f. Garinter (nach Elisenas Vater Garinter), Sohn von Galaor 101, 111, 163 f., 176, 211(?), (220) Gelodan & Florinda, Liebespaar in Buch XXII 203 f., 207 Ginoldan, Sohn von Fortunian, Ururenkel von Lisuart (aus der zweiten Ehe mit Abra) 111, 207, 209 Anm. 206, 226 Gradafilee, Vertraute von Lisuart, dem Sohn Esplandians 82 f., 87 Anm. 16, 230 Anm. 72, 240 Anm. 121, 251 Gricilerie, Freundin/Frau von Perion, dem Sohn von Amadis aus Frankreich 82 f., 111, 121 f., 177 Anm. 85, 230 Anm. 72, 238 Helena, Freundin/Frau von Florisel 96, 98, 106, 110, 147 Anm. 223, 223 Anm. 32, 251 Hercules vom Gestirn, Sohn von Amadis vom Gestirn, Urenkel von Alastraxerea 87 Anm. 16, 96, 99, 110, 117, 131, 148, 203–205, 206, 208, 209, 227, 234 Anm. 92, 252 Jungfrau von Dänemark, Kammerjungfrau von Oriana 78 f., 222, 235 f., 271 Königin von Galdax (Galdap), Fusilea, Mutter von Argantes 110, 125, 185 f., 189, 192, 200

Languines, König von Schottland, Vater von Agraies 77, 160 Languines, Sohn von Agraies 101, 163, 168, 169, 171 Lascaris, Hauptfigur von Bd. XXII, offenbar ohne genealogische Anbindung an die Amadis-Sippe 104, 110 f., 203–205, 206–208, 211 f., 233, 239 Leonida, Freundin/Frau von Rogel 86, 96, 98, 110 f., 124, 185, 249 Anm. 173 Leonorina, Freundin/Frau von Esplandian 80–82, 87 Anm. 16, 90 Anm. 29, 103 f., 111, 119, 174 f., 222 f. Lindamart, Vater von Lascaris 191, 192 Anm. 133, 193, 212 Lisimarte, Enkel von Perion, Urenkel von Amadis aus Frankreich 94 f., 111, 148, 203–205, 206–208 Lisuart, König von Großbritannien, Vater von Oriana (Lisuwart) 10 Anm. 12, 77–82, 84, 88 f., 100 f., 102, 117, 118 f., 121 Anm. 143, 127, 133–135, 140, 154, 155 f., 157, 159, 174, 235, 237, 241, 244, 254 Anm. 206, 276 Lisuart, Sohn von Esplandian (Lisuwart) 11 Anm. 19, 21, 77, 82 f., 86 Anm. 9, 87 Anm. 16, 97, 100, 101, 102–104, 105 f., 111, 121, 143 f., 145, 163–165, 166–177, 188, 211, 223, 230, 232, 237, 238, 244 f., 247 f., 249 Anm. 173, 255, 256 Anm. 212, 276 Lucella, Prinzessin aus Sizilien, Freundin von Amadis aus Griechenland 105, 106, 231 f., 240 Anm. 121, 247 Anm. 159, 248 Lucendos, Enkel von Lisuart (aus der zweiten Ehe mit Abra) 111, 201, 239, 249, 251 Lucentio, Sohn von Perion, Enkel von Amadis aus Frankreich 89 Anm. 23, 105 Anm. 96, 111, 122, 177 Anm. 85, 238 Mabila, Verwandte von Oriana 78 f., 93 f., 173, 222, 235 Maneli, Sohn von Cildadan 100, 101, 108 Meister Elisabeth, Arzt im Gefolge von Amadis aus Frankreich 81 f., 93 Anm. 41, 116 Anm. 132, 209 Anm. 203 Melie, böse Zauberin 82 f., 120, 137 f., 166, 168

Figurenregister

Nascian, Einsiedel, Ziehvater von Esplandian 79 f., 93 Anm. 42, 236 Niquea, Freundin/Frau von Amadis aus Griechenland 94, 97, 106, 110, 232, 247, 248, 249 Anm. 173 Olinda, Freundin/Frau von Agraies 241, 243 Anm. 136, 244 Anm. 144, 260 Onolorie, Freundin/Frau von Lisuart, dem Sohn Esplandians 82 f., 97, 105, 111, 121–123, 145, 166, 172 Anm. 65, 230, 232 Anm. 81, 238, 245, 246 Oriana, Freundin/Frau von Amadis aus Frankreich 9–11, 16, 77–82, 86 Anm. 14, 87, 88, 90, 93 f., 95, 100, 102 f., 111, 112, 117, 118, 121 Anm. 143, 124, 127, 150 Anm. 6, 153, 155–161, 164, 170, 174, 210, 221 f., 228 f., 235, 237, 240, 241–244, 246, 247 Anm. 161, 248, 249, 250 f., 252, 255 Anm. 212, 256, 260, 271 f., 276 Parmenir, Sohn von Florestan, dem Halbbruder von Amadis aus Frankreich (Palmineau?) (101), 111, 163 f., 171 f. Penthasilea, Amazone, Freundin/Frau von Sylves 88 Anm. 17, 111, 179, 184 Anm. 104, 187, 224, 249 Perion, Vater von Amadis aus Frankreich (Perian) 77, 79, 80, 82, 111, 135, 159, 160, 211, 220 f., 234, 237 Perion, zweiter Sohn von Amadis aus Frankreich 11, 21, 82 f., 86 Anm. 9, 101, 102, 105 Anm. 96, 111, 121, 163–165, 166–177, 223, 255, 276 Perion, Sohn von Galaor 101, 111, 163, 176 Persea, zweite Frau von Rogel aus Griechenland 110, 192 Prinz von Hercalon 64, 104 Quedragant, Ritter, Vater und Sohn gleichen Namens 91 Anm. 32, 101 f., 107, 163, 171, 175 Anm. 78, 242, 243 Anm. 136 Richarda, Freundin/Frau von Spheramondt 110, 191, 195, 201, 224, 252 Rogel aus Griechenland, Sohn von Florisel 86, 96, 98, 99 Anm. 73, 106

307

Anm. 108, 110, 125, 126, 132 Anm. 181, 148 Anm. 4, 178–180, 182–188, 190, 192, 199, 200, 201, 206 Anm. 192, 210, 221, 239 Anm. 117, 249 Rosalina, Freundin/Frau von Amadis vom Gestirn 110, 191, 195, 225, 233, 252 Rosorea, Freundin/Frau von Safiraman 110, 227 Safiraman, Sohn von Spheramondt 96, 99, 110, 117, 125, 131, 148, 203–205, 206, 208, 209, 227, 234 Anm. 92 Sclarimena, Freundin/Frau von Argantes 110, 125 f., 195 f. Semiramis, Freundin/Frau von Lascaris 111, 207, 233, 239 Serillolla & Egeria, Kammerjungfrauen von Semiramis 226 Anm. 50, 239 Sestiliana, Freundin/Frau von Arlanges 110, 117, 128 Sidonia, Königin, zweite Frau Florisels 86, 96, 98 Anm. 65, 106, 110, 124, 185, 186, 192, 249 Anm. 173 Silvan, Sohn von Sylves 111, 203–205, 207 Spheramondt, Sohn von Rogel (Sferamundi) 57, 86, 96, 98 f., 110, 117, 126, 129 f., 181, 189–191, 192–201, 205, 207, 208, 211, 224 f., 252 Sylves vom Wald, unehelicher Sohn von Amadis aus Griechenland 54, 57, 88 Anm. 17, 96, 98, 106 f., 110 f., 178–180, 181, 184 Anm. 104, 186 f., 201, 239, 249, 251 Anm. 188 Silvia, Tochter von Lisuart, dem Sohn Esplandians, zeitweilig Schäferin 87, 111, 145 f., 238, 249 Talanque, unehelicher Sohn von Galaor 100 f., 111, 176 Urganda die Unerkannte, gute Zauberin 10 Anm. 12, 77–83, 92, 97, 100, 102, 113, 114 Anm. 123, 118–121, 123 f., 127, 135–137, 142, 143, 175, 180, 205, 210, 225, 243 Anm. 138, 253–257, 269–271

308

Figurenregister

Vaillades, Sohn von Bruneo 101, 111, 163, 171, 175 Anm. 78 Zahara, Königin, Mutter von Anaxartis und Alastraxerea (Zohara) 97, 110, 275

Zirfee, Zirfeus & Zirena, Zirene & Zirzea, Zauberer/Zaubererpaare (evtl. handelt es sich teilweise um identische Figuren) 92, 121, 247, 256