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German Pages 318 Year 2019
Felix Kühnle Depression im Spitzensport
KörperKulturen
Felix Kühnle lehrt am Institut für Sportwissenschaften der Universität Göttingen zu sport-, körper- und gesundheitssoziologischen Themen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Soziologie des Spitzensports, der Soziologie psychischer Krankheit und Gesundheit und der neueren soziologischen Systemtheorie. Von ihm erschien bisher im transcript Verlag »Dopingprävention. Eine soziologische Expertise« (2012; gemeinsam mit Karl-Heinrich Bette und Ansgar Thiel).
Felix Kühnle
Depression im Spitzensport Psychisches Leiden als Kommunikationsthema
Diese Studie wurde an der Technischen Universität Darmstadt als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: Sina Schwarz, Berlin Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4934-5 PDF-ISBN 978-3-8394-4934-9 https://doi.org/10.14361/9783839449349 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt Danksagung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 9 Einleitung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 11 I
Depression im Blick der neueren soziologischen Systemtheorie ........ 23
1 Depression als Beobachtungsschema...................................................... 24 2 Depression als Mehrsystemereignis......................................................... 32 3 Depression als Kommunikationsthema .................................................... 36
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema.......................... 43 4 5
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Depression in der Psychiatrie................................................................ 49 Depression in der Öffentlichkeit............................................................. 53 5.1 Ökologischer Diskurs................................................................................... 54 5.2 Therapeutischer Diskurs............................................................................. 58 Athletendepression in der (Sport-)Öffentlichkeit ........................................ 64 6.1 Sieg/Niederlage........................................................................................... 68 6.2 Leistung/Schwäche..................................................................................... 70 6.3 Körper/Psyche............................................................................................. 73 6.4 Athlet/Mensch............................................................................................. 76 6.5 Leben/Sterben............................................................................................. 79 Athletendepression in den Massenmedien................................................. 83 7.1 Entdeckung.................................................................................................. 89 7.2 Konjunktur................................................................................................... 96 7.3 Sättigung.....................................................................................................112 Athletendepression in der Wissenschaft.................................................. 118 8.1 Problembewusstsein...................................................................................121 8.2 Forschungsstand........................................................................................ 124 8.3 Domänenkonflikte...................................................................................... 137
III Sportorganisation: Zwischen Störung und Entstörung...................... 149 9
Therapeutische Kommunikation............................................................ 157 9.1 Therapie als Kommunikation...................................................................... 158 9.2 Biografische Erzählungen..........................................................................163 9.3 Ergebnisoffenheit .......................................................................................171 10 Stigmatisierende Kommunikation.......................................................... 177 10.1 Devianzunterstellung................................................................................. 179 10.2 Mobbing und Klatsch.................................................................................. 182 10.3 Exklusionsdriften....................................................................................... 188
IV Betroffener Athlet: Von Selbstbeobachtung zu Selbstthematisierung................................................................. 195 11 Kopplungsprobleme zwischen Bewusstsein und Kommunikation.................. 206 11.1 Verbalisierungsprobleme.......................................................................... 209 11.2 Verstehensprobleme.................................................................................. 212 11.3 Glaubwürdigkeitsprobleme ........................................................................ 215 12 Autobiografische Narration................................................................. 224 12.1 Melodramatisierung der Vergangenheit.................................................... 230 12.2 Futurisierung von Lebensglück................................................................. 238
Schlussbetrachtung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 247 Siglen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 263 Literatur- und Quellenverzeichnis � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 265
»Ich bin nicht nur ein Junge, der Tennis spielt. Ich habe eine verzweigte Geschichte. Erfahrungen und Gefühle. Ich bin komplex.« (David Foster Wallace; in: Unendlicher Spaß)
Danksagung
Ohne Umwelt, kein System. Dies gilt auch für das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten. Ohne günstige Kontextbedingungen ließe sich gerade die akademische Qualifikationsphase, in deren Rahmen die nachstehende Analyse entstanden ist, kaum erfolgreich bewältigen.1 Ein herzliches Dankeschön gilt deshalb meinen beiden Betreuern, Prof. Dr. Karl-Heinrich Bette von der TU Darmstadt und Prof. Dr. Ansgar Thiel von der Eberhard Karls-Universität Tübingen. Indem sie mir in wichtigen Fragen und regelmäßigen Gesprächen zur Seite standen, haben sie mein selbstbezügliches Denken nicht nur in homöopathischen Dosen irritiert, sondern wegweisend zum erfolgreichen Abschluss meines Promotionsprojekts beigetragen. Meinem Chef im Arbeitsbereich Sportsoziologie der TU Darmstadt, Karl Bette, kann nicht hoch genug angerechnet werden, dass er mich von allzu vielen ›Nebenkriegsschauplätzen‹ konsequent abzog und mir dadurch ein recht störungsfreies Lesen und Schreiben ermöglichte. Sein respektvoller und empathischer Umgang mit mir haben stets den Unterschied gemacht. In Ansgar Thiel hatte ich ebenfalls einen nunmehr langjährigen Wegbegleiter an meiner Seite, auf den ich mich immer verlassen konnte. Auch ihm hat diese Arbeit sehr viel zu verdanken. Sehr dankbar bin ich heute noch Prof. Dr. Helmut Digel. Während meiner langjährigen Tätigkeit als studentische Hilfskraft in seinem Tübinger Arbeitsbereich hat sein Zutrauen in meine Person einen wichtigen Grundstein für meine akademische Lauf bahn gelegt. Des Weiteren danke ich den Hilfskräften während meiner Zeit in Darmstadt, Jasmina Dolic und Ricarda Holzmann. Die Nennung ihrer Namen in den Prolegomena meiner Arbeit ist, zugegeben, ein schwacher Trost für die stundenfüllende Kopierarbeit, die sie für mich verrichten mussten. Dem Leser sei bewusst: Wenn im Rahmen der nachstehenden Analysen die Schultern zitiert werden, auf denen 1 D ie vorliegende Studie stellt die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift dar, die im Juni 2018 unter dem Titel »Athletendepressionen als gesellschaftliches Phänomen: Eine systemtheoretische Analyse« im Fachbereich Humanwissenschaften der TU Darmstadt eingereicht wurde.
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meine Überlegungen bauen, dann seien die Schultern dieser beiden mitzitiert. Haben Drucker oder Computer ihre Nicht-Trivialität offenbart, war Alexander Egger stets zur Stelle. Für die Lektüre des Manuskripts und ihre konstruktiven Anmerkungen danke ich Prof. Dr. Jochen Mayer, Leiter im Arbeitsbereich Sport- und Gesundheitssoziologie an der Georg-August-Universität Göttingen, Dr. Klaus Seiberth von der Abteilung für Sportsoziologie und -management der Universität Stuttgart und Christian Schulz vom Darmstädter UniSport-Zentrum. Sie haben jeweils Teile des Texts gründlich gelesen, an wichtigen Stellen hinterfragt und Verbesserungsvorschläge oft gleich mitgeliefert. Gedankt sei weiterhin Clemens Woerner, dem Luhmann-Liebhaber Enzweihingens, der sich regelmäßig für die Fortschritte meiner Arbeit interessierte. Von ganzem Herzen danke ich meiner Freundin Dede, die mich immer unterstützt hat, mir Suppe kochte, Verständnis auch in intensiven Schreibphasen aufbrachte, vom Gelingen des Projekts in jedem Moment überzeugt war oder mit ihrer liebenswerten Art einfach nur bei mir war. Darüber hinaus können Worte ihren Beitrag zum erfolgreichen Abschluss meiner Promotion nicht annähernd einfangen. Der Leser mag ihn zwischen den Zeilen finden. Vielen Dank auch an Elisabeth und Ekoue! Ohne die Verpf legung in Form von Fleisch, Grieß und süßen Bällchen wären mir Lesen und Schreiben schwerer gefallen. Vor allem aber bin ich meinen Eltern Heiderose und Manfred Kühnle dankbar, die mir in wichtigen Entscheidungen auf meinem Lebensweg nie Grenzen gesetzt, sondern stets Unterstützung angeboten haben. Auf eine gewisse Art und Weise haben sie dieses Buch geschrieben. Darmstadt, im März 2019 Felix Kühnle
Einleitung Die folgende Analyse geht davon aus, dass die menschliche Psyche einen enormen Leidensdruck entwickeln kann. Sie nimmt an, dass auch manche Spitzenathleten1 in bestimmten Phasen ihrer sportlichen Lauf bahn antriebs-, hilf- und interesselos werden, sich leer, wertlos oder schuldig fühlen, dauerhaft erschöpft sind, in tiefe Melancholie fallen, keinen Ausweg sehen oder sogar über Suizid nachdenken. Um die anstehende Analyse an den öffentlichen Diskurs anzuschließen und die verbreitete Rhetorik der Krankheit mitabzubilden, wird dieses Leid im Rahmen der vorliegenden Arbeit ebenfalls mit dem Vokabular der »depressiven Erkrankungen« bezeichnet.2 Weiterhin wird angenommen, dass sich das Problem für die Betroffenen nicht in ihrer psychischen Qual erschöpft. Auch die Frage der Kommunikation über ihr leidvolles Erleben kann sie zur Verzweif lung bringen: Mit welchen Worten kann ich mein Leiden ausdrücken? Habe ich womöglich eine »Depression«? Wem kann ich mich anvertrauen? Wer könnte mich überhaupt verstehen oder mir helfen? Soll ich gar die Medien einweihen? Mit welchen Folgen wäre im Falle einer Mitteilung zu rechnen? Was sollte ich lieber verschweigen? Ihre Unsicherheit resultiert aus einer Angst vor der Kommunikation. Sie verdeutlicht, dass das depressive Leiden in der Kommunikation als Thema auftaucht, dessen Zirkulation sich nicht primär nach den Wünschen der Betroffenen richtet, sondern eine potenziell folgenreiche Eigendynamik entwickeln kann. Der Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass sich das soziale Schicksal von Athleten, die als »depressiv« klassifiziert werden 1 In diesem Buch wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit überwiegend die maskuline Form bei der Angabe von Berufs-, Rollen- und Funktionsbezeichnungen verwendet. Mitgemeint sei immer auch: die Athletin, die Therapeutin, die Funktionärin usw. Dort, wo die Unterscheidung des Geschlechts analytisch von Bedeutung ist, wird auf die entsprechende Differenzierung zurückgegriffen. 2 Im Rahmen der nachstehenden Ausführungen wird gleichsam synonym von Depression(en), depressiven Erkrankungen, depressiven Störungen, depressiven Symptomlagen, depressiven Episoden, depressiven Phasen, depressiver Selbstbeobachtung, Depressivität, Burnout u.a. gesprochen. Eine solche semantische Gleichschaltung nimmt weniger eigene Unschärfen in Kauf, sie eröffnet vielmehr die Möglichkeit, die diskursive Unterbestimmtheit der Depressionssemantik sowie die konzeptionelle Vagheit der Pathologie abzubilden. Ausführlicher hierzu vgl. Kap. 4.
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oder sich selbst eine »Depression« zuschreiben, nicht nur aus ihrem Erleben ergibt, sondern auch von den gesellschaftlichen Dynamiken abhängt, in denen dieses Erleben beobachtet und thematisiert wird. Das Eigenleben der Kommunikation über psychische Krankheit lässt sich anhand eines berühmt gewordenen Experiments veranschaulichen. Anfang der 1970er Jahre entsandte der US-amerikanische Sozialpsychologe David L. Rosenhan (1973) acht psychisch gesunde Testpersonen in psychiatrische Einrichtungen quer durch die Vereinigten Staaten. Im Erstgespräch mit der psychiatrischen Leitung täuschten sie Symptome einer Schizophrenie vor: Seltsame Stimmen, so ihre Angabe, würden ihnen die Wörter »hohl« (empty), »leer« (hollow) und »dumpf« (thud) einf lüstern. Die Probanden wurden allesamt als psychisch krank diagnostiziert und zur Therapie in die Klinik eingewiesen. Mit Aufnahme in die psychiatrische Anstalt nahm die institutionelle Deutung der Scheinkrankheit ihren Lauf. Obwohl die Versuchsteilnehmer direkt nach ihrer Einweisung auf Normalverhalten umstellten, Symptome konsequent negierten und regelmäßig Wünsche nach Entlassung äußerten, steckten sie schnell in der psychiatrischen Problembearbeitung fest. Während einige Mitpatienten von der Normalität der Scheinkranken überzeugt waren, griff das Klinikpersonal hartnäckig auf sein psychiatrisches Deutungsschema zurück. Die Diagnose wurde zu einer Prophezeiung, die sich selbst erfüllte, und bald jegliches Verhalten der Betroffenen als symptomatisch deutbar machte. Mit der Zeit verfestigte sich das Etikett ihrer pathologischen Kondition zu einer sozialen Tatsache, an der die Probanden zunehmend verzweifelten.3 Die Publikation der Studie sorgte für großes Aufsehen. Vor allem die Fehleranfälligkeit der Diagnosen sowie die entpersonalisierende Logik psychiatrischer Einrichtungen gerieten ins Kreuzfeuer der antipsychiatrischen Kritik. Aus soziologischer Sicht sticht die soziale Konstruiertheit von psychischer Krankheit und Gesundheit ins Auge. Das Experiment macht deutlich, dass Psychopathologien erstens im Blick des Beobachters liegen, der durch seinen sozialen Kontext und die dort wirksamen Sinnvorgaben angeleitet wird. Zweitens offenbart es, dass das Auftauchen einer psychischen Krankheit als Thema in der Kommunikation seine Wirkung jenseits der beteiligten Psychen entfaltet und betroffene Personen doch an die sozial konstruierte Wirklichkeit bindet. Einmal mitgeteilt, »[…] springt der 3 D as Rosenhan-Experiment kann als empirische Bestätigung einer seit 1962 in Romanform vorliegenden Hypothese betrachtet werden. In Ken Keseysʼ »Einer flog über das Kuckucksnest« wird die psychiatrische Karriere von Randle Patrick McMurphy geschildert, der eine psychische Erkrankung vortäuscht, um den hohen Arbeitsbelastungen im Vollzug seiner Gefängnisstrafe zu entgehen. Sein Werdegang liest sich als eine Rekonstruktion des Scheiterns im Auflehnungsspiel gegen die Lebensbedingungen in der Anstalt und ihre Definition durch Oberschwester Miss Ratched, die Fachärzte und das (Wach-)Personal. Das Buch wurde 1975 unter der Regie von Milos Forman (mit Jack Nicholson und Louise Fletcher in den Hauptrollen) verfilmt.
Einleitung
Motor der Kommunikation an und rattert seine eigene Melodie« (Willke 2005: 109).4 Über die kurz-, mittel- oder langfristig erzeugten Effekte verfügen die Betroffenen nicht selbst. Vielmehr löst sich die Information von ihrer Mitteilung, zieht ihre eigenen gesellschaftlichen Kreise und nimmt im Fokus verschiedener Beobachter ganz unterschiedliche Formen an. Die elementare Bedeutung von Beobachtung und Kommunikation beschränkt sich nicht auf gesellschaftliche Sondereinrichtungen. Auch außerhalb von psychiatrischen Anstalten oder psychosomatischen Kliniken stellen sie die Weichen für das Denken, Handeln und Erleben von Individuen in ihrem alltäglichen Austausch. Dort werden gerade auch Spitzensportler5, die traditionell eine öffentliche Gegenwelt zu den existenziellen Ängsten und privaten Sorgen des gemeinen Mannes in der funktional differenzierten Gesellschaft symbolisieren, immer häufiger mit psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht.6 Zwar scheint nach wie vor kein Sozialbereich besser geeignet, sozial harmlose Helden zu erzeugen und heroische Geschichten zu schreiben (Bette 2007, 2019). Beobachtet man jedoch den gesellschaftlichen Diskurs, entsteht der Eindruck, dass in den letzten Jahren immer mehr Athleten ihre psychosozialen Befindlichkeiten und Schief lagen als »Depression« deuten, sich einen »Burnout« attestieren, sich für therapiebedürftig halten oder zumindest eine pathologische Entwicklung befürchten. Sportler, die sich als »depressiv« oder »ausgebrannt« bezeichnen, greifen auf Semantiken zurück, die im psychiatrischen Diskurs f lorieren, im öffentlichen Raum verfügbar sind und in Selbstthematisierungen anderer Betroffener oft detailreich umschrieben werden. Depressions- und Burnout-Begriffe fungieren als Vehikel, in denen die Publikation von Selbstzweifeln, Minderwertigkeitsgefühlen, Sinnfragen, Lebenskrisen, Selbsttötungabsichten sowie anderen Formen leidvoller Selbstbeobachtung variantenreich befördert wird. Nicht ausschließlich in privaten Gesprächen, heimlichen Beichten oder therapeutischen Settings weihen betroffene Athleten andere ein und wägen Möglichkeiten eines konstruktiven Umgangs mit ihrem Problem ab. Auch im öffentlichen 4 D as kommunikative Eigenleben der Symptomschilderung entfaltet sich ganz unabhängig davon, dass die Testpersonen bei Angabe ihres Geisteszustands gelogen hatten, also unabhängig von der psychischen Realität in ihren Köpfen. 5 Im Folgenden werden die Begriffe »Spitzensport« und »Hochleistungssport« synonym verwendet. 6 In den letzten Jahren hat eine ganze Serie von Rolleninhabern im Spitzensport – neben den Athleten auch Trainer, Schiedsrichter, Funktionäre oder sogar Stadionsprecher – ihre »seelischen Nöte« im Medium der Depressionssemantik öffentlich gemacht. Im Rahmen dieser Arbeit wird der große Diskurs über die Depression im Spitzensport auf den Bereich betroffener Spitzenathletinnen und -athleten eingeschränkt. Dies hat nicht nur forschungsökonomische Gründe. Zudem fällt auf, dass die Kommunikation über Depressionen weiterer Sozialfiguren des Sports im Windschatten der Aufmerksamkeit stattfindet, die Spitzenathleten gesellschaftlich zuteilwird und eine Vielzahl an Analogien aufweist.
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Diskurs haben psychische Erkrankungen ihre »Uneingestehbarkeit« (Castel 1987) zunehmend eingebüßt. Über eine Serie einzelner Fallschilderungen hinweg hat die Kommunikation über das Thema bereits in kurzer Zeit eine beachtliche Vielfalt ausgeprägt. Inzwischen haben sich nicht wenige Spitzensportler öffentlichkeitswirksam zu den dunklen Stunden ihrer Karriere bekannt. Auf Pressekonferenzen geben sie Einblick in ihr Innenleben und gestehen mit leerem Blick, dass sie professionelle Hilfe oder eine Auszeit vom Sport benötigen. In Talkshows schildern sie das pathologische Selbsterleben, wägen mögliche Ursachen ab, sprechen über das Gefühl, nicht mehr man selbst zu sein, und statuieren indessen ein Exempel medialer Selbstoffenbarung. Auch in Zeitungsinterviews trotzen sie Schamgefühlen und stehen bis in Einzelheiten ihrer intimsten Zweifel, Sorgen und Ängste hinein Rede und Antwort. In autobiografischen Texten rekonstruieren sie ihre Vergangenheit als ein Melodram, das gleichsam zwangsläufig in die Depression führen musste. In Einzelfällen informieren sie selbst in den neuen sozialen Netzwerken ihre »Freunde«, »Follower« und andere »User« symptomaufmerksam über ihr Privatleben, rekrutieren »Likes« in Phasen der Schwermut und gestehen sogar missglückte Suizidversuche in zeitnaher Folge. Manchmal legen sie das Geständnis ihrer Hilf losigkeit sogar auf brachiale Weise in Gestalt von Suiziden ab. Auf diesem Weg suchen sie ihrem gegenwärtigen Leiden und der stets ungewissen Zukunft ihres Daseins zu entf liehen. Zugleich wird ihre sportliche Vergangenheit durch den Symbolwert dieser Wahl radikal diskreditiert. Auch Fremdbeschreibungen des Phänomens zirkulieren. Journalisten verschiedener Tages- und Wochenzeitungen, Boulevardblätter und Sportmagazine sammeln Informationen über das Krankheitsbild Depression, lassen Betroffene und ihre Angehörigen zu Wort kommen, befragen Psychologen und Psychiater über therapeutische Möglichkeiten und betonen in einer Rhetorik erhobenen Zeigefingers, dass sich im Spitzensport dringend etwas ändern müsse. Fast schon gebetsmühlenartig treiben sie das Projekt der Enttabuisierung und Entstigmatisierung psychischer Krankheiten voran, kommentieren Athletenbekenntnisse mit Lobeshymnen und tun dies aus nicht ganz uneigennützigen Gründen. Im Rahmen von Benefizspielen sowie auf Gedenkfeiern in Fußballstadien und Kirchen, die anlässlich der Suizide von Sportidolen stattfinden, werden Trauerrituale gemeinsam vollzogen, sportkritische Reden gehalten sowie die Aufgabe abgeleitet, weitere Tragödien in Zukunft zu verhindern.7 Auf Videoportalen bringen Sportfans ihr Bedauern in Zusammenschnitten bewegender Bilder zum Ausdruck. Im Rahmen von Radio-Podcasts und TV-Formaten taucht die Thematik ebenfalls immer häufiger auf. Eine Reihe von Dokumentationen widmet sich der Rekonstruktion öffentlich gewordener Fälle und bittet Weggefährten der betroffenen Sportler um 7 E ine detaillierte Dokumentation der Kommunikation von Trauer, Betroffenheit und Gedenken im Anschluss an den Suizid Robert Enkes am 10. November 2009 liefert Queckenstedt (2013).
Einleitung
Auskunft. Sogar in Fernsehfilmen wird das Thema aufgegriffen. In Folge 899 der Tatort-Reihe ermitteln die Berliner Kommissare Ritter und Stark gegen einen depressiven Leistungsschwimmer, der unter Drogeneinf luss einen tödlichen Unfall verursacht und sich infolge der Vertuschung von Krankheit und Schuld immer weiter in Lügen und Widersprüche verstrickt. Legt man eine soziologische Perspektive an, rücken Athletendepressionen somit weniger als psychische Krankheiten in den Blick; vielmehr lassen sie sich als gesellschaftlicher Diskurs beobachten, der eigenen Regeln gehorcht. Inner- wie außerhalb des Sports ist das Thema imstande, knappe Aufmerksamkeit zu verbuchen und kommunikative Anschlüsse zu erzeugen. Betroffene, Wegbegleiter, Journalisten, Therapeuten und andere Beobachter deuten die biopsychosoziale Wirklichkeit depressiver Athleten auf jeweils unterschiedliche Art und Weise und teilen ihre Version der Dinge mit. In den anstehenden Analysen wird die Aktualität dieser facettenreichen Kommunikation über Depressionen im Spitzensport betrachtet, komplexitätsangemessen beschrieben und auf seine Karrierebedingungen hin untersucht.8 Vor diesem Hintergrund erscheinen auch Sportpsychologen, -psychiater und -psychotherapeuten nicht als Akteure mit privilegierten Zugängen zur Sportlerpsyche, sondern als Beobachter, die ihre professionellen Deutungsschemata zur Anwendung bringen, ggf. Diagnosen stellen und die eigene Anschlussfähigkeit an das kommunizierte Problem dadurch sichern. Die Wissenschaft nimmt das Phänomen depressiver Spitzenathleten erst allmählich in den Kanon ihrer Forschungsthemen auf, bahnt sich allem Anschein nach aber den Weg einer Konjunktur seiner Bearbeitung. Eine Reihe von Publikationen wirft paradigmatische Blicke auf das Phänomen, veröffentlicht ihre Forschungsergebnisse in der Scientific Community und betont die Dringlichkeit einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema. Insbesondere im englischsprachigen Wissenschaftsraum beschäftigten sich bereits in den 1960er Jahren einige Psychologen und Psychiater mit Psychopathologien im Spitzensport (Ogilvie/Tutko 1966; Beisser 1967; Ogilvie 1968). In den letzten Jahren hat sich mit der »Sport Psychiatry« (erstmals Massimino 1987; Milliner 1987) ein eigenständiger Forschungsbereich ausdifferenziert, der sich gerade auch mit depressiven Erkrankungen von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern befasst. Nicht unabhängig von öffentlichen Debatten über das Thema, die in Deutschland insbesondere durch den Suizid Robert Enkes Anfang November 2009 angestoßen wur-
8 Der Gegenstandsbereich wird dabei auf die bundesdeutsche Kommunikation über depressive Spitzenathleten eingeschränkt – auch wenn dies der Internationalität gesellschaftlicher Diskurse in der »Weltgesellschaft« (Luhmann 2009 [1975]: 63ff.; Stichweh 2000) nicht gerecht wird. Lediglich die Beobachtung des wissenschaftlichen Forschungsstands (im Rahmen von Kap. 8) sowie die Verarbeitung der verfügbaren Erkenntnisse in den anderen Kapiteln greifen über diese selbstgewählte Begrenzung hinaus.
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den, verfassen deutschsprachige Forscher vergleichbare Artikel erst seit Kurzem (z.B. Hoyer/Kleinert 2010; Markser 2011b; Krug 2013). Die Autoren, die sich dem Themenbereich widmen, suchen Anschlüsse in bestehenden Diskursen, rezipieren vorhandenes Wissen, berichten von ihren Praxiserfahrungen und leiten relevante Forschungsfragen ab. Sie warten mit partikularen Untersuchungen und bruchstückhaften Ergebnissen auf, begründen erste Zitationskartelle und knüpfen Netzwerke für zukünftige Forschungskooperationen. Das bislang generierte Wissen betrifft insbesondere empirische Daten zur Prävalenz von Depressionen in verschiedenen Athletenpopulationen und potenziellen Risikofaktoren, kritischen Ereignissen und vulnerablen Phasen in Spitzensportkarrieren (u.a. Yang et al. 2007; Schaal et al. 2011; Nixdorf et al. 2013) sowie zu Möglichkeiten der therapeutischen Versorgung psychisch kranker Spitzenathleten (z.B. Heyman 1987; Begel 2000). Selbst bei den diskursbestimmenden Akteuren herrscht eine eher nüchterne Einschätzung bezüglich des Status quo der eigenen Erkenntnisfortschritte. Umfangreiche, breit angelegte Studien zum Themenkomplex werden derzeit erst projektiert. Potenziale einer mehrperspektivischen Erforschung der Thematik werden bislang nicht ausgeschöpft. Auffällig ist, dass sich der soziale Kontext der Erkrankung nahezu vollständig im blinden Fleck der wissenschaftlichen Blicke befindet, die das Phänomen fokussieren. Dort, wo Prävalenzzahlen und Risikofaktoren ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt werden, finden sich wohl Hinweise auf den Leistungs- und Konkurrenzdruck des Spitzensports, biografische Risiken des Athletendaseins, die Öffentlichkeit des Rollenhandelns im Sport oder die Notwendigkeit weiterer Forschung zu den sozialen Bedingungen der Depressogenese im Spitzensport. Dennoch erfährt man nichts über die Eigendynamik der Kommunikation und ihre intendierten wie nicht-intendierten Wirkungen auf betroffene Athleten. Genuin soziologische Analysen zum Gegenstand sucht man bislang nahezu vergeblich, und zwar weltweit.9 Ein Blick in die Forschung über Depression, Burnout und Psychopathologien außerhalb von Sport und Sportwissenschaft macht allerdings deutlich: Das Domänenmonopol, das Psychologie und Psychiatrie in der Beobachtung von Depressionen im Spitzensport ausprägen konnten, darf durchaus überraschen. Zunächst findet man wohl auch im Diskurs über depressive Erkrankungen in der Gesamtgesellschaft eine Vielzahl empirischer Studien, die an medizinisch-psychiatrischen Leitorientierungen ausgerichtet sind. Epidemiologische Studien erheben Daten über den Verbreitungsgrad der Depression in der Gesamtbevöl9 Interessant ist, dass die wenigen Ausnahmen hierzu vor allem im deutschsprachigen Raum publiziert werden und sich in ihren Fragestellungen meist auf den Suizid Robert Enkes beziehen, vgl. Geipel (2010), Sammet/Gärtner (2012), Bergmann (2013), Titton (2013), Dresen (2014) und Ehrhardt (2015).
Einleitung
kerung,10 kalkulieren das Erkrankungsrisiko moderner Subjekte und befürchten eine »Epidemie des 21. Jahrhunderts« (Weber/Hörmann/Köllner 2006). Die Annahme ihrer epidemischen Verbreitung stimuliert zudem die ätiologisch orientierte Forschung nach möglichen Ursachen. Für diese Studien jedoch gilt, dass sie zugrundeliegende Krankheitskonstrukte in treuer Kongruenz zum »naturalistischen Postulat« (Foucault 2012 [1968]: 16) in Medizin, Psychologie und Psychiatrie behandeln und ihre professionellen Konstrukte als Tatsachen beobachten, die in der Welt objektiv vorhanden sind. Demgemäß greifen sie auf Fragebögen zurück, die am Maßstab psychiatrischer Klassifikationssysteme geeicht sind, und stellen Konstrukte, die zu diagnostischen Zwecken entwickelt wurden, ins Zentrum dessen, was sich über depressive Erkrankungen sagen ließe. Anstatt den Diskurs mit alternativen Beobachtungen zu versorgen, sprechen sie die Sprache der Psychiater, reproduzieren deren Erkenntnisprinzipien und gehen von einer eindeutig identifizierbaren Krankheitsentität namens »Depression« aus. Im Sinne eines »funktionalen Antagonismus« (Bette/Schimank 1999: 331) zu solchen Ansätzen ist es die Aufgabe der Soziologie als eine »Wissenschaft der Übergriffe« (Popitz 2006: 158) zu fungieren, die vor etablierten Disziplingrenzen nicht zurückschreckt, weit verbreitete Beobachtungsschemata unterläuft und sich bestehenden Deutungsmonopolen widersetzt. Sie erhebt den Anspruch, differenzierte Beschreibungen gesellschaftlicher Phänomene zu liefern, die man durch die Brille einer anderen Disziplin nicht zu sehen bekommt. Soziologen sollten deshalb keine psychiatrischen Weltsichten duplizieren, sondern ihre Aufmerksamkeit auf institutionelle Kontexte, kulturelle Hintergründe, historische Entwicklungen sowie weitere gesellschaftliche Dynamiken im Umgang mit psychischen Leidensformen lenken. Auf Basis ihrer theoretischen Abstraktionsmöglichkeiten besteht die Herausforderung für die Soziologie darin, systematisch auf Abstand zur »objectivist complicity« (Borch-Jacobsen 2009: 1) anderer Beobachter zu gehen, um sehen zu können, was sich mit den eigenen Erkenntnismitteln sehen lässt. Sozialkonstruktivistische, kultursoziologische, diskursanalytische oder psychiatriehistorische Analysen haben bereits eine ganze Serie kontrastierender Sichtweisen zum psychiatrischen Diskurs über psychische Erkrankungen beigetragen. Alle diese Forschungsansätze verweisen die professionellen Weltdeutungen und Paradigmen von Psychiatern, Psychotherapeuten und Psychologen in ihre gesellschaftlichen Ursprünge zurück, ref lektieren sie im Hinblick auf ihre
10 F ür neuere Untersuchungen zur Bundesrepublik Deutschland siehe Bretschneider/Kuhnert/ Hapke (2017), Jacobi et al. (2014) und Wittchen et al. (2009). Groß angelegte internationale Studien werden ebenfalls seit einigen Jahren durchgeführt, z.B. Weissman et al. (1996), Andrade et al. (2003) und Bromet et al. (2011).
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Depression im Spitzensport: Psychisches Leiden als Kommunikationsthema
fundierenden Beobachtungsweisen und räumen auf diesem Weg mit ontologischen Vorstellungen von psychischer Krankheit und Gesundheit auf.11 Eine Reihe von Publikationen wirft zudem inkongruente Blicke auf die Ausweitung des Diskurses über das Krankheitsbild Depression und rekonstruiert dabei ganz verschiedene Einf lüsse auf dessen Entwicklung.12 Das Projekt einer »sportsoziologischen Auf klärung« (Bette 2011), das den Gegenstandsbereich depressiver Erkrankungen im Spitzensport als gesellschaftliches Phänomen observiert, hat bislang jedoch nur erste Schritte vollzogen. Es finden sich nahezu keine Forschungsarbeiten, die den Themenkomplex aus einer gesellschaftstheoretischen Perspektive analysieren, um das verbreitete Reden und Schreiben über das Phänomen zu rekonstruieren, zu deuten und zur Darstellung zu bringen. Nach wie vor werden Leitsemantiken, alltagstheoretische Zugänge, öffentliche Meinungen, massenmediale Deutungen, wissenschaftliche Texte, Stigmakommunikation, therapeutische Erzählungen sowie sonstige Konstruktionen von Athletendepressionen nicht angemessen kontextualisiert. Die vorliegende Arbeit setzt an dieser Stelle an. Folgerichtig ergibt sich ihre Fragestellung: Wie wird über Depressionen im Spitzensport gesellschaf tlich kommuniziert? Auf einem gesellschaftstheoretischen Fundament nimmt sie die umfangreiche Kommunikation über das Phänomen depressiver Spitzenathleten in den Blick und wägt Rückschlüsse auf die psychosozialen Folgen für die Betroffenen ab. Zwar ist davon auszugehen, dass die diskursiven Einzelteile dieser Dynamik nicht wie Zahnrädchen eines Getriebes ineinandergreifen, sondern vielschichtigere Wirkungen auf der Ebene der Person entfalten, feinere Ambivalenzen streuen, sich subtil vollziehen, von Zufällen abhängen und prinzipiell ergebnisoffen sind. Der gesellschaftliche Diskurs über Athletendepressionen stellt dennoch eine Umweltgegebenheit dar, die für alle betroffenen Sportler in vergleichbarer Weise besteht, während ihre konkreten Folgen im Einzelfall stets eine empirische Frage bleiben. Unabhängig vom Schweregrad des psychischen Leidensdrucks fungiert die Kommunikation wie ein Treibhaus, in dem nicht nur Fliehkräfte von außen auf die fokalen Athleten freigesetzt werden, sondern auch bestimmte Formen von Selbstbeobachtung gedeihen können. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit depressiver Athleten wirkt demgemäß wie ein Spiegel, in dem die Betroffenen sich selbst und ihr Dilemma zu verstehen suchen. Im Kreislauf der Kommunikation werden Depressionen zu einer sozialen Tatsache, die sich unabhängig von der psychischen Realität, über die gesprochen 11 S iehe z.B. Dörner (1984 [1969]), Szasz (1972 [1961]), Foucault (1973), Scheff (1980 [1973]), Castel (1976, 1983), Rieff (1987 [1966]), Kirk/Kutchins (1992), Nolan (1998), Shorter (1999), Furedi (2004) oder Illouz (2011). 12 Hierzu insb. Kleinman (2004), Jurk (2005), McPherson/Armstrong (2006), Horwitz/Wakefield (2007), Ehrenberg (2008, 2012), Hirshbein (2009), Borch-Jacobsen (2009), Greenberg (2010), Teuber (2011) und Ingenkamp (2012).
Einleitung
wird, entwickelt. Sie setzt Fremdbeschreibungen unterschiedlichster Formen frei, die sich auch über die Versuche der Psychiater und Therapeuten, dem Thema eine übergreifende Identität zu verleihen, nicht wirksam kontrollieren lassen. Sobald das Reden über depressive Erkrankungen gesamtgesellschaftlich virulent wird, lösen sich die Zuschreibungen von den Bedeutungen, die Depressionen in psychiatrischen Gefilden zuteilwerden. Was andere Beobachter auf der Grundlage ihrer individuellen Erfahrungen sowie in Abhängigkeit vom sozialen Kontext mit Depressionen verbinden, leitet ihr je spezifisches Handeln und Verhalten im Umgang mit dem Thema sowie mit den Betroffenen selbst an. Der gesellschaftliche Diskurs über depressive Athleten verbreitet demgemäß nicht ausschließlich wissenschaftliches Wissen über Botenstoffdefizite, Erkrankungsrisiken, Therapieformen und epidemiologische Daten. Er lässt eine regelrechte Mythologie soziokultureller Vorstellungen über die Krankheit Depression in der modernen Gesellschaft emergieren. In diesem Zusammenhang wird gerade auch der Spitzensport regelmäßig zum Objekt von Entfremdungsklagen, die an der Sozialfigur des Athleten ansetzen, Erfolgs- und Leistungsfixierungen in ein ambivalentes Licht rücken und Referenzen auf Leiden, Sterben und Tod anbringen. In den nachstehenden Analysen wird gezeigt, dass die Kommunikation im Zuge komplexer Verschachtelungen einzelner Teildiskurse ein Eigenleben entwickelt, das Freiheitsgrade in der Verfolgung der Athletenkarriere einschränken kann und biografische Zäsuren dadurch wahrscheinlicher werden lässt. Der anstehenden Arbeit liegt somit die Annahme zugrunde, dass sich mittels einer theoriegeleiteten Rekonstruktion der gesellschaftlichen Kommunikation über Athletendepressionen Diskursbedingungen präzise angeben, strukturelle Dynamiken identifizieren sowie mögliche Folgen der Kommunikation, insbesondere für die betroffenen Sportler selbst, aufzeigen lassen. Ganz unabhängig davon, ob Spitzenathleten eine Risikogruppe darstellen oder sich durch eine besondere Widerstandsfähigkeit auszeichnen – entscheidend ist, dass über Athletendepressionen kommuniziert wird. Die vorliegende Arbeit gestaltet sich insofern als soziologischer Versuch, der verschiedene Bereiche in den Blick nimmt, eine Vielzahl an Beobachtungen versammelt und diese Schritt für Schritt zu Strukturdynamiken verknüpft. Die beobachteten Akteure werden auf ihre Sichtweisen hin abgeklopft, um diese als Konstruktionen von Wirklichkeit ins Bild zu setzen und über ihren Beitrag zum Gesamtbild der Kommunikation über Depressionen im Spitzensport aufzuklären. Dabei wird jedoch kein Anspruch auf die alleinige Gültigkeit der eigenen Beobachtungen erhoben. Soziologen können nicht besser, sondern nur anders beobachten als andere Beobachter. Der epistemische Sonderposten soziologischer Betrachtungen lässt sich auf das spezifische Verhältnis der Soziologie zu ihrer gesellschaftlichen Umwelt zurückführen. Während sich die beobachteten Akteure innerhalb fest eingeschliffener Routinen bewegen, oft einfache Problembeschreibungen an-
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fertigen und unbeabsichtigte Folgen ihres Handelns ausblenden, fungiert die Soziologie als »heiße Zelle der Ref lexion« (Luhmann 1993: 251). Ihre Aufgabe besteht darin, etablierte Selbst- und Weltsichten in der Gesellschaft zu identifizieren, zu kontextualisieren und zu problematisieren. Indes besteht keinerlei Interesse am Bloßstellen, Diskreditieren oder Entlarven anderer Sichtweisen. Stattdessen wird davon ausgegangen, dass sich im Medium wechselseitiger Beobachtung wichtige Informationen über die je eigene Operationsweise gewinnen und die Komplexität des Gesamtdiskurses steigern lassen. Als Teil der Gesellschaft muss die Soziologie ihre ref lexive Distanz zum Gegenstand mit Bordmitteln erschließen. Die Möglichkeit, mehr Komplexität und Kontingenz einzufangen als andere Akteure, ist erstens dadurch gegeben, dass die Soziologie Athletendepressionen als austauschbares Forschungsthema behandelt – und nicht als systemgefährdende oder lebensbedrohliche Problemlage (vgl. Luhmann/Schorr 1988 [1979]: 16). Analytische Tiefenschärfe wird zudem dadurch gewonnen, dass die von der Soziologie produzierten Einsichten nicht primär auf massenmediale Aufmerksamkeit oder ökonomische Verwertbarkeit zugeschnitten sein müssen. Ihre besondere Erklärungskraft basiert zweitens auf der amoralischen Perspektive der Soziologie. Eine gesellschaftstheoretisch fundierte Analyse der Kommunikation über die Depression im Spitzensport muss zwar der Tatsache Rechnung tragen, dass ihr Gegenstand in vielerlei Hinsichten moralisch imprägniert ist. Sie braucht sich jedoch nicht durch eigene Moralansprüche euphorisieren zu lassen. Vielmehr lässt sich beobachten, dass Entscheidungen, die sich hehren moralischen Zielen verpf lichten, kurz-, mittel- oder langfristig oft unvorhergesehene, nicht-intendierte Wirkungen verursachen. Entsprechend gestaltet sich der Auftrag der Soziologie: eine »professionelle Taktlosigkeit« (Bette/Schimank 2006a: 130) zu kultivieren, sich aus real existierenden Deutungsgemeinschaften auszukoppeln, die Widerspruchsimmunität moralischer Diskurse aufzuheben und die Last komplexer Argumentation zu übernehmen. Vor allem aber muss die Soziologie drittens auf geeignete Theorien und Methoden zurückgreifen, um auf Abstand zur Wirklichkeit der beobachteten Akteure zu gehen. Zwar steht ihr zur Rekonstruktion von Milieukenntnissen, Expertenwissen, Erzählstrukturen oder habituellen Praktiken ein ganzes Arsenal an empirischen Methoden zur Verfügung. Soziologische Theorien liefern dennoch ein höheres Maß an »requisite variety« (Ashby 1956: 202ff.), um mit Komplexität umgehen zu können. Insbesondere die neuere soziologische Systemtheorie stellt Beobachtern einen »unterscheidungsdurchsetzten Rahmen« (Fuchs 1998: 11) zur Verfügung, um gesellschaftliche Konstruktionen wirksam auf lösen und in ein Gesamtbild konsistenter Zusammenhänge einfügen zu können. Werden im weiteren Verlauf Systeme beobachtet, strukturelle Kopplungen in den Blick genommen, der Kommunikationsbegriff zur Anwendung gebracht, Sinndimen-
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sionen (in zeitlicher, sachlicher, sozialer und räumlicher Hinsicht) unterschieden, Funktionen analysiert oder polykontexturale Verhältnisse angenommen, werden jeweils verschiedene Sichtweisen auf die Wirklichkeit angelegt, die den komplexen Diskurs über depressive Spitzenathleten sukzessive aufschlüsseln. Demgemäß ergeben sich die Forschungsziele dieser Arbeit. Zum einen besteht ein dezidiert theoretisches Erkenntnisinteresse. Durch die Anwendung von Fachbegriffen in der Analyse des konkreten Gegenstands soll die Systemtheorie selbst konstruktiv irritiert und ihr analytisches Auf lösevermögen geschärft werden. Zum anderen soll der »variety pool« des gesellschaftlich verfügbaren Ref lexions-, Ordnungs- und Orientierungswissens über das Thema depressiver Spitzenathleten erweitert werden und somit auch für anwendungsorientierte Disziplinen und die therapeutische Praxis von Bedeutung sein. In diesem Sinne stellt die vorliegende Analyse ein durchaus praxisrelevantes Unterfangen dar, das zwar keine Knopfdrucktechnologie für richtiges Handeln liefert, den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema dennoch verändern kann – indem beispielsweise depressive Athleten ihre Kommunikation über das Leiden ref lektieren, Journalisten ihre Konstruktionen des Phänomens überdenken oder Mitglieder in Sportvereinen und -verbänden ihren Umgang mit Betroffenen problematisieren. Die gesellschaftstheoretische Bearbeitung der Fragestellung kommt allerdings keineswegs ohne Empirie aus. Neben dem Rückgriff auf wissenschaftliche Arbeiten wird eine große Sammlung an Zeitungsartikeln, Ratgeberliteratur, Fernsehinterviews, TV-Dokumentationen, Radio-Podcasts sowie autobiografischer Literatur ausgewertet, die sich dem Thema auf jeweils eigene Art und Weise widmen und eine Vielzahl an Erzählungen über depressive Spitzenathleten streuen. Die dokumentenanalytische Arbeit wird in ständiger Rückbindung an das Theorieraster operationalisiert und die Phänomendeutung mittels theoretischer Annahmen plausibiliert. Empirische Daten, so wird im Sinne eines Kategoriensystems für die Auswertung angenommen, werden durch ihre Einordnung in ein theoretisches Grundgerüst erst richtig »zum Sprechen gebracht« (Luhmann 2012 [1982]: 10). Soziologische Ref lexion bleibt jedoch ihrerseits an die Gesetzmäßigkeiten der Kommunikation gebunden. Auch wenn sie soziale Phänomene zu erfassen sucht, lassen sich damit verbundene Arrangier- und Vertextungsprobleme nicht optimal lösen (s. hierzu ders. 2008 [1979]: 197). Die enorm verschachtelte Wirklichkeit der beobachteten Phänomene lässt sich nicht vollständig in die Logik der Textform bringen. Soziologische Analysen müssen ihre Erklärungskraft Schritt für Schritt auf bauen, Seitenwege abzweigen, Freiheitsgrade durch den Einbau von Fußnoten erschließen, Querbezüge zu anderen Teilen der Arbeit herstellen und Beobachtungsreferenzen konsequent angeben. Die folgenden Ausführungen stellen eine mögliche Lösung für diese Problematik dar, die kontingent ist und anders ausfallen könnte. Wie jede Darstellungsform bringt sie Vor- und Nachteile mit sich, die sich in der beschriebenen Realität nicht wiederholen.
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I Depression im Blick der neueren soziologischen Systemtheorie Jede wissenschaftliche Untersuchung muss die Wege transparent machen, auf denen sie zu ihren Ergebnissen gelangt. Im Folgenden werden die erkenntnistheoretischen Ref lexionen entfaltet, auf denen die anstehenden Beobachtungen bauen. Anhand von drei Teilkapiteln werden die methodologischen Grundlagen Schritt für Schritt geklärt. Sie sind allesamt den epistemologischen Prämissen der neueren soziologischen Systemtheorie zuzuordnen. Für ein Verständnis des Grundgerüsts der Studie werden in diesem Abschnitt beobachtungs-, systemund kommunikationstheoretische Grundlagen dargestellt, um (1) Depressionen als Beobachtungsschema zu beobachten, (2) Depressionen als Mehrsystemereignis zu beschreiben und (3) Depressionen als Kommunikationsthema zu fokussieren. Lineare Erläuterungen werden der hochkomplexen Theoriearchitektur, die die Systemtheorie zur Rekonstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit zur Verfügung stellt, nicht annähernd gerecht. Da sich die verschiedenen Theoriebausteine wechselseitig bedingen, müssen hin und wieder Begriffe vorausgesetzt werden, auf die erst zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich eingegangen wird. Dabei wird zwar der Versuch unternommen, die rekursive Verschachtelung der jeweiligen Bausteine angemessen abzubilden und relevante Bezüge sinnvoll abzuleiten. Hehre Ansprüche eines Textverlaufs ohne anfängliche Hürden, knappe Vorwegnahmen und Verweise auf spätere Erklärungen können dennoch nur bedingt erfüllt werden. Somit bleibt nur, eine Entscheidung zu treffen, um erste Anschlüsse zu erzeugen und die Wege des Beschreibens von dort aus zu organisieren. Die nachstehenden Ausführungen zeigen eine mögliche Lösung des Ordnungsproblems auf, die prinzipiell anders ausfallen könnte. Dabei ist nicht geplant, eine lückenlose Aufarbeitung der systemtheoretischen Tradition zu liefern, ein Kompendium der Theoriewerkzeuge zu synthetisieren oder gar aktuelle Probleme der Theoriebildung zu diskutieren. Vielmehr wird das Ziel einer konsistenten Darstellung verfolgt, die ein hinreichendes Verständnis für das komplexe Ganze generiert und ihr Bezugsproblem nicht aus den Augen verliert. Zudem wird die Beschreibung mancher Kernelemente der Theorie in die anstehende Analyse ausgelagert, um die Erklärungskraft einer theoriebasierten Herangehensweise am konkreten Beispiel geltend zu machen. Die detaillierte
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Auseinandersetzung mit der Fragestellung der Arbeit wird im Anschluss an die methodologisch-erkenntnistheoretische Ref lexion entfaltet (Abschnitte II, III und IV).
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Depression als Beobachtungsschema
Traditionelle Wissenschaftskonzepte zielen auf die Erkenntnis einer alleingültigen Wirklichkeit. Auf paradigmatische Weise erheben z.B. die formale Logik in der Philosophie oder naturwissenschaf liche Disziplinen den Anspruch, quasi das »Sein im Denken widerzuspiegeln« (Bette 1999: 63) und Realität als »so wie sie ist« (Luhmann 1992: 88) zu erfassen. Erkenntnistheorien, die den Begriff des Beobachters einführen, gehen von ganz anderen Annahmen aus. Beobachtung wird definiert als empirische Operation des Unterscheidens und Bezeichnens (ders. 2008 [1995]: 61). Jede Beobachtung verwendet eine »Form« im Sinne von George Spencer-Brown (1997 [1969]: 1) – bestehend aus dem, was bezeichnet wird, in Unterscheidung zu dem, was nicht bezeichnet wird. Bedeutungen sind demgemäß nicht in der Welt objektiv vorhanden, um auf ihre rationale Erkenntnis zu warten. Vielmehr setzen Beobachter, bildhaft gesprochen, »spezifisch geschliffene Brillen« (Bette 1999: 252) auf, um die Vielfalt der Welt in den Blick zu nehmen. Welt nimmt in dem Maße Gestalt an, wie Beobachter auftauchen, die unter Rückgriff auf je spezifische Unterscheidungen – z.B. rechts/(und nicht) links, Mutter/(und nicht) Vater, lang/(und nicht) kurz, konform/ (und nicht) abweichend, Risiko/(und nicht) Gefahr, psychisch/(und nicht) physisch oder krank/(und nicht) gesund – Grenzen in die Welt einziehen, um jeweils eine der beiden Seiten zu markieren und sie von der anderen Seite zu unterscheiden.1 Das epistemologische Potenzial für das anstehende Forschungsvorhaben entfaltet sich dadurch, dass zwei elementare Modi der Beobachtung unterschieden werden: Beobachtungen erster und zweiter Ordnung. Erstere verpf lichten sich der Erkenntnis einer Sache selbst und bauen »fungierende Ontologien« (Fuchs 2007: 21) auf diesem Weg auf. Beobachtungen erster Ordnung finden statt, wenn Beobachter bestimmte Unterscheidungen verwenden, um zu sehen, was sie sehen. Sie operieren dabei weltzugewandt wie selbstvergessen, das heißt für sich selbst in actu unbeobachtbar (Luhmann 1993: 258). Im Modus erster Ordnung scheint nichts klarer: Die Welt ist, wie sie ist. Sie ist nicht, wie sie nicht ist. Um an Tiefenschärfe für die Bearbeitung der selektierten Fragestellung zu gewinnen, wird ein Wechsel auf die Ebene zweiter Ordnung vollzogen. Beobachtun1 B eobachten ist, so wird bereits an dieser Stelle deutlich, mithin kein passiver Vorgang eines Affiziertseins, sondern immer »aktives Beobachten« (Luhmann 1998: 68), das sich in der operativen Unterscheidung von Unterscheidung und Bezeichnung vollzieht.
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gen zweiter Ordnung durchkreuzen die Selbstverständlichkeit der Wirklichkeit erster Ordnung, indem sie die Unterscheidungen, die Beobachter erster Ordnung anwenden, selbst unterscheiden. Durch dieses Auf löseverfahren wird ersichtlich, dass alles, was der Fall ist, stets für einen Beobachter der Fall ist und nicht im ontologischen Sinne a priori. Umso radikaler gestaltet sich der erkenntnistheoretische Schluss: Über eine beobachtungs-, kontext-, standpunkt- und unterscheidungsunabhängige Wirklichkeit lässt sich nichts sagen. Man muss folglich immer den Gedanken an einen Beobachter mitführen, wenn konkrete Aussagen über die Welt getroffen werden (Luhmann 2011 [2002]: 134; vgl. auch Wetzel 2004: 18). Aus dieser Perspektive können Beobachter zweiter Ordnung gleichsam wie Spiegel offenlegen, dass Beobachter bei ihrer Konstruktion von Wirklichkeit unabdingbar blinde Flecken produzieren, demnach (1) nur sehen, was sie sehen, aber (2) nicht sehen, was sie nicht sehen und vor allem auch (3) nicht sehen, dass sie nicht sehen, was sie nicht sehen (vgl. von Foerster 1993: 26ff.; Luhmann 2011 [2002]: 135f.). Nur im Blick eines anderen Beobachters (in sozialer Hinsicht), aus einem anderen Blickwinkel (in räumlicher Hinsicht) oder als Gegenstand einer anschließenden Ref lexion des Beobachters selbst (in zeitlicher Hinsicht) lässt sich sehen, dass Beobachter ein elementarer Teil der Realität sind, die sie beobachten (Luhmann 1992: 73, 1993: 250). Differenzierte Beschreibungen der Interdependenz von Beobachtung und (beobachteter) Wirklichkeit stellen das Hauptanliegen beobachtungstheoretisch fundierter Analysen dar. Erst recht liefern sie die epistemologischen Grundlagen für die anstehenden Überlegungen. Soziologische Analysen von Krankheit und Gesundheit basieren häufig auf beobachtungstheoretischen Prämissen. Nicht nur systemtheoretische, sondern auch sozialkonstruktivistische, diskursanalytische, kulturvergleichende und sozialhistorische Studien räumen mit einfachen Annahmen von der »allein ›vorgesellschaftlichen‹ Existenz« (Bauch 2004: I) von Krankheit und Gesundheit auf. Aus einer Perspektive zweiter Ordnung gelten diese nicht mehr als Naturzustände, sondern als professionelles Beobachtungsschema (krank/gesund), das vor allem von Ärzten und Psychiatern angewandt wird und seine anschließenden Klassifikationen im historischen Verlauf verändert (Foucault 2011 [1963]). Insbesondere in der soziologischen Auf klärung über psychische Erkrankungen, also in Abwesenheit eindeutiger biochemischer Marker als Krankheitsursache, hat beobachtungsrelatives Denken tiefe Spuren hinterlassen. Auf ihrem theoretischen Fundament nehmen soziologische Beobachter eine stabile Haltung an, um sich nicht durch »psychiatric name-calling« (Goffman 1957: 201) irritieren zu lassen, bei dem die Krankheit als ein Ding-an-sich beobachtet wird und Diagnosen als Seinsaussagen über Patienten gelten. Stattdessen entsagen sie den tribalen Gepf logenheiten im medizinisch-psychiatrischen Gesellschaftsbereich, um die aus soziologischer Sicht interessanteren Fragen stellen zu können.
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In seinen ethnografischen Studien über Interaktions- und Karrieredynamiken in psychiatrischen Einrichtungen hat bereits Goffman (1973 [1961]: 129) festgehalten, dass die dem Geisteskranken zugeschriebene Verrücktheit keine Eigenschaft der betroffenen Person darstelle. Sie sei als standpunktabhängiges Phänomen zu verstehen, das aus der »sozialen Distanz des Beobachters zur Situation des Patienten« resultiere, in einer asymmetrischen Verteilung von Machtressourcen begründet liege und unter diesen Bedingungen zu sozialer Realität gerinne. Analog weist der eingangs zitierte Rosenhan (1973: 254ff.) darauf hin, dass die Krankheit psychiatrischer Insassen weniger in den Menschen stecke, als vielmehr in der grotesken Umgebung, auf die sie reagieren. Ähnlich verortet Foucault (2012 [1968]: 10) die Wurzel der Psychopathologie nicht in den betroffenen Psychen selbst, sondern in einer »historisch bestimmten Beziehung des Menschen zum geistesgestörten Menschen«. Borch-Jacobsen (2001: 19; Herv., F.K.) holt das konstitutive Moment des Beobachters für die Ergebnisse seiner Beobachtung mit gar mahnenden Worten wieder ein: »Mental illness is not simply ›out there‹, waiting to be described or theorized by psychiatrists; it interacts with psychiatric theories, clinical entities waxing and waning in accordance with diagnostic fashions, institutional practices and methods of treatment. This should be a warning to psychiatrists and therapists: their intervention is part of the ›etiological equation‹ of the syndromes that they claim to observe from the outside.«2 In einer ganzen Reihe neuerer Arbeiten wird gerade auch das Krankheitsbild Depression an seinen gesellschaftlichen Entstehungskontext angebunden (Healy 1997; Kleinman 2004; Jurk 2005; Horwitz/Wakefield 2007; McPherson/Armstrong 2006; Ehrenberg 2008; Hirshbein 2009; Borch-Jacobsen 2009: 197ff.; Greenberg 2 Die Liste der soziologischen Analysen psychiatrisch-psychotherapeutischer Denk- und Handlungsweisen lässt sich nahezu beliebig erweitern. Die antipsychiatrische Bewegung in den 1950er, 60er und 70er Jahren wurde ganz wesentlich durch soziologische Beobachter inspiriert, die die Kontextabhängigkeit psychiatrischer Diagnose- und Interaktionsdynamiken entlang verschiedener Fragestellungen ausleuchteten. Scheff (1980 [1966]) deutet das »Etikett Geisteskrankheit« als gesellschaftliche Beobachtung von Regelverletzungen und Verhaltensabweichungen, die sich den gängigen Kategorien sozialer Abweichung (z.B. einfältig, unhöflich, böse oder kriminell) nur schwer zuordnen lassen – gerade deshalb, weil die Normen, gegen die sie verstoßen, allzu selbstverständlich seien. Die Anwendung des medizinischen Schemas krank/gesund führt er folglich auf eine sozial wirksame Metaphorik zurück, die ihren Halt in den gesellschaftlichen Strukturen findet. Auch Szasz (1972 [1961]: 11), der sich immer wieder explizit von der Antipsychiatrie-Bewegung distanziert hat (ders. 2013: 30ff.), beschreibt das Phänomen psychischer Krankheit als sprachlich konstruierte Wirklichkeit. Er identifiziert die Psychiatrie als gesellschaftliche Verstetigung eines Beobachtungs- bzw. Kategorienfehlers, bei dem ein Analogienschluss von medizinischen Problemen auf psychische Störungen als objektive Tatsache missverstanden werde.
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2010; Teuber 2011; Ingenkamp 2012). Die verschiedenen Autoren beschäftigen sich oft ausführlich mit der diskursiven Konstruktion der Depression am Maßstab psychiatrischer Klassifikationssysteme. Sie stellen klar: Psychische Krankheit? – Definitionssache! Psychiatrische und psychologische Gutachter bündeln kommuniziertes Leid oder sonstwie beobachtete Symptome zu manifesten Pathologien und differenzieren Schweregrade ihres Auftretens. Dass das Konzept Depression keine ontologische Entsprechung in der Welt findet, legt bereits seine konzeptionelle Unschärfe nahe. Die Frage, welche Störungsbilder sich durch den Begriff Depression »erklären« lassen, lässt sich mit einem Verweis auf Bateson (2014 [1985]: 73) beantworten: Alle, die man damit »erklären« will. Selbst innerhalb des psychiatrischen Diskurses bewegt sich die Diagnose depressiver Erkrankungen im Spannungsfeld zwischen Standardisierungsansprüchen und ihrer diffusen Verwendung (McPherson/Armstrong 2006: 51). Bereits die Tatsache, dass international zwei Kategorien- bzw. Klassifikationssysteme (DSM-5, ICD-11) gleichzeitig angewandt werden, verweist auf den konstruierten Charakter depressiver Erkrankungen. Das Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders (DSM) stellt das psychiatrische Deutungssystem zur Diagnose psychischer Krankheiten dar, das seit 1952 von der American Psychiatric Association (APA) aufgestellt wird. Es wurde mit dem Ziel einer global standardisierten, anhand eindeutiger Kriterien reproduzierbaren Diagnose psychiatrischer bzw. psychischer Erkrankungen entwickelt. Nichtsdestotrotz werden die DSM-Leitlinien regelmäßig scharf kritisiert, u.a. wegen Intransparenzen bei der Entscheidungsfindung, der Willkür von Pathologisierungsprozessen sowie aufgrund der finanziellen Abhängigkeit bzw. persönlichen Nähe mancher Autoren zur Pharmaindustrie. Weil die Diagnosekriterien immer wieder umgeschrieben werden, die kategorialen Zuordnungen aber vage bleiben, erleichtern sie die Konsensfindung unter Fachleuten zudem nicht im gewünschten Ausmaß (Horwitz/ Wakefield 2007: 104ff.).3 Seit Mai 2013 liegt das Manual in der bereits fünften Auf lage (DSM-5) vor. Gemäß DSM-5 ergibt sich die Diagnose einer Depression (hier: »major depression«) wie folgt: Während einer mind. zweiwöchigen Phase müssen wenigstens fünf der folgenden Symptome bestehen (Hautzinger/Thies 2009: 7): 1. depressive Verstimmung 2. deutlich vermindertes Interesse oder Freude an (fast) allen Aktivitäten 3. verminderter Appetit und Gewichtsverlust oder gesteigerter Appetit und Gewichtszunahme 3 B eispielsweise zirkuliert das Konzept der »endogenen Depression« in den Köpfen mancher Psychiater bis heute, obwohl es mit dem DSM-3 (1980) als professionellem Deutungsraster offiziell abgeschafft wurde. Eine differenzierte Darstellung des innerpsychiatrischen Diskurses findet sich in Ehrenberg (2008: 99ff.).
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4. Schlaf losigkeit oder vermehrter Schlaf 5. Veränderung des Aktivitätsniveaus, entweder Verlangsamung (psychomotorische Hemmung) oder Unruhe 6. Energieverlust oder große Müdigkeit 7. Schuldgefühle oder Gefühl der Wertlosigkeit 8. verminderte Konzentrationsfähigkeit, Denk- oder Entscheidungsfähigkeit 9. wiederkehrende Gedanken an den Tod oder Suizid. Um eine Depression diagnostizieren zu können, muss mindestens eines der ersten beiden Symptome gegeben sein. Insgesamt müssen die Symptome an fast allen Tagen (mit Ausnahme von Gewichtsschwankungen und Suizidgedanken) sowie über die meiste Zeit hinweg andauern. Zudem müssen sie »[…] in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruf lichen und anderen wichtigen Funktionsbereichen« (Maier et al. 2014: 217) verursachen. Weiterhin ist zu überprüfen, ob die Symptome »[…] nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors« (ebd.) sind. Die Zuschreibung eines Schweregrads der Störung (insb. leicht, mittelschwer und schwer) richtet sich nach der bloßen Anzahl der vorhandenen Symptome. Mit der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) besteht ein weiteres diagnostisches Klassifizierungssystem in seiner derzeit elften Auf lage (ICD-11). Das ICD wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben. Weil es ein Register aller Pathologien liefert, inklusive psychischer und Verhaltensstörungen, gilt es als weltweit wichtigste Systematik zur Krankheitscodierung. Depressionen werden in diesem Raster als »depressive Störungen« (6A7) eingeordnet und ausdifferenziert.4 Weil die Symptomatologien der »major depressive disorder« (DSM-5) und der »single episode depressive disorder« (nach ICD-11) regelmäßig aneinander angeglichen werden, unterscheiden sie sich zwar nicht wesentlich, immerhin aber geringfügig.5 Aus theoretischer Sicht gilt ohnehin: Wer den diagnostisch relevanten Zeitraum auf eine Woche verkürzte oder die Anzahl der notwendigerweise erfüllten Symptome kraft Entscheidung reduzierte, veränderte nicht nur handstreichartig das Krankheitsbild Depression, sondern auch ihr Vorkommen in der Gesellschaft. In soziologischen Gefilden gelten Depressionen häufig als »invalidly broad definition« (Horwitz/Wakefield 2007: 8). Ihre klinische Nützlichkeit wird bisweilen sogar gänzlich infragegestellt. Während die Unschärfe der Depressionssemantik auch manchen Sozialwissenschaftlern auf der Suche nach einem Einschlusskri4 Das ICD-11 ist online unter https://icd.who.int/browse11/l-m/en verfügbar. 5 Zu den Unterschieden zwischen ICD und DSM vgl. American Psychiatric Association (2009). Die Gegenüberstellung der jeweiligen Diagnosekriterien findet sich in Hautzinger/Thies (2009: 7).
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terium für die eigenen Untersuchungen Kopfzerbrechen bereitet (Kokanovic et al. 2013: 118), wird im Rahmen dieser Arbeit das diffuse Unterscheidungs- und Bezeichnungspotenzial selbst theoretisch eingefangen. Der Begriff Depression, so die Überlegung, bietet verschiedenen Beobachtern günstige Gelegenheiten, um je eigene Perspektiven zu entwickeln. Wer die Beobachter dabei beobachtet, kann sehen, wie sie die Unschärfe der Konstruktion jeweils handhaben. Indem Beobachter zweiter Ordnung nämlich den Gebrauch der Unterscheidungen selbst unterscheiden, können sie eine ganze Reihe weiterer Explorationen anschließen. Zu diesem Zweck operieren sie mit einer eigenen Leitunterscheidung: der Differenz manifest/latent. Latent ist immer das, was wirkt, ohne vom fokalen System selbst beobachtbar zu sein (Luhmann 1992: 89). Dabei wird davon ausgegangen, dass Beobachter wichtige Teilaspekte ihrer Wirklichkeit verdecken, um die eigene Identität zu stabilisieren, sozial handlungsfähig zu bleiben und sich nicht durch Verweise auf Weiteres blockieren zu lassen (ders. 2009 [1970]: 87). In Diskursen, in denen Latenzen freigelegt werden, bezieht sich die Semantik meist nicht nur auf die beobachtungsleitenden Differenzen, sondern auf recht komplex gelagerte Strukturen. Im Dienste ihrer inkongruenten Perspektive konzentriert sich gerade auch die Soziologie auf die Beobachtung latenter Strukturen, indem sie z.B. Konstruktionsbedingungen beobachtet, methodische Instrumente ausleuchtet, Kategoriensysteme ableitet und Funktionen einblendet, oder aber denselben Weltsachverhalt aus einer anderen Perspektive betrachtet (Luhmann 1991: 65ff., 1992: 111). Im sozialen Verkehr werden, dieser Sichtweise gemäß, demnach weniger individuelle Motive, Befindlichkeiten oder Persönlichkeitsstrukturen wirksam. In Form von systemischen Logiken, Leitsemantiken, Sinnmotiven oder transintentionalen Folgen stellen gesellschaftliche Dynamiken die treibende Kraft dar, deren komplexes Wechsel- und Zusammenspiel das Denken, Handeln und Erleben von Personen umfassend prägt.6 Indem Soziologen die sozialen, zeitlichen und räumlichen Kontextbedingungen einblenden, machen sie deutlich, dass die Welt weder notwendig noch unmöglich so ist, wie sie beobachtet wird. Sie ist kontingent.7 Auch in der vorliegen6 S iehe diesbezüglich Engels (1981: 101) Beobachtung ärztlichen Handelns: »How physicians approach patients and the problems they present is very much influenced by the conceptual models around which their knowledge and experience are organized. Commonly, however, physicians are unaware of the power that such models exert on their thought and behavior. This is because the dominant models are not necessarily made explicit. Rather they become part of the fabric of education that is taken for granted, the cultural background against which they learn to become physicians.« 7 In der (fast schon klassischen) Definition Luhmanns (2012 [1984]: 152): »Kontingent ist etwas, was weder notwendig ist, noch unmöglich ist; was also so, wie es ist […] sein kann, aber auch anders möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes […] im Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände im Horizont möglicher Abwandlungen. Er setzt die gegebene Welt
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den Studie gilt es zu berücksichtigen, dass das Beobachtete davon abhängt, wer in welcher Situation, aus welchem Grund genau so beobachtet – und nicht anders. Wenn dabei Beobachter der Depression im Spitzensport beobachtet werden, geht es folglich nicht um die Überprüfung auf irgendeine objektive Gültigkeit ihrer Realitätskonstruktionen. Relevant ist, inwiefern bestimmte Sichtweisen in einer Gesellschaft, in ihren Teilbereichen (z.B. in Funktionssystemen wie Wirtschaft, Politik, usw.), in historisch-kulturellen Kontexten oder auch im Bewusstsein einer Einzelperson als wahr behandelt werden, und gemäß dem Thomas-Theorem (1928: 572) gerade dadurch gesellschaftliche Tatsachen schaffen. Auf diesem Weg standpunktrelativer Forschung hat sich in den letzten Jahren eine große Kontroverse um die Deutung der hohen Prävalenzzahlen für depressive Erkrankungen aufgeschaukelt. Im relativierenden Blick von Beobachtungen zweiter Ordnung wird die Depression regelmäßig von einer »Volkskrankheit« zu einer »Modediagnose« umgedeutet. Sie nehme ihren Wert als Krankheit innerhalb gesellschaftlicher Umweltbedingungen an, in denen sie sowohl von den Betroffenen selbst als auch von ihrer gesellschaftlichen Umwelt als eine solche unterschieden und bezeichnet wird. In diesem Rahmen liefert die Soziologie also keinen ätiologischen Beitrag, der soziale Bedingungen als distale Risikofaktoren berücksichtigt. Vielmehr beschäftigt sie sich mit den historischen, politischen, wirtschaftlichen, ethisch-moralischen, wissenschaftlichen, rechtlichen oder sonstwie soziokulturellen Prägungen der Depressionssemantik und ihrer Verwender. In einigen Analysen wird zwar darauf hingewiesen, dass »depressive feelings« kulturübergreifend seien. Die »cross-cultural psychiatry« betont allerdings vielfach, dass depressionsähnliche Gefühls- und Symptomlagen im globalen und subkulturellen Vergleich in sehr unterschiedlichem Maße als »psychisch krank« gelten (Kleinman 2004; Kleinman/Good 1985; Kirmayer 2001; Karasz 2005). Die Arten und Weisen, wie depressionsähnliche Bewusstseinszustände thematisiert, diskutiert, kommentiert und behandelt werden »[…] varies among social worlds, and cultural meanings and practices shape its course. Culture influences the experience of symptoms, the idioms used to report them, decisions about treatment, doctor-patient interactions, the likelihood of outcomes such as suicide, and the practices of professionals« (Kleinman 2004: 951). Das Krankheitsbild Depression entsteht folglich nicht im gesellschaftlichen Vakuum. Es muss als gesellschaftliche Konstruktion gelten, bei deren Entstehung ein durchaus hohes Maß an »interpretive f lexibility« (Pinch/Bijker 1987) gehandhabt voraus, bezeichnet also nicht das Mögliche überhaupt, sondern das was von der Realität her gesehen anders möglich ist.«
I Depression im Blick der neueren soziologischen Systemtheorie
wird. Das Konstrukt Depression ist historisch wandelbar, resultiert aus medizinisch-psychiatrischen Paradigmenwechseln und gerinnt an gesellschaftlichen Normalitätserwartungen. Demgemäß besteht das, was als »Depression« bezeichnet wird, nicht unabhängig von Machtdispositiven, Geschlechterverhältnissen, Marktmechanismen, Professionalisierungsbestrebungen und resultierenden Deutungskämpfen um ihre Definition. In der Statuskonstruktion ihrer epidemischen Verbreitung sind somit weniger Prozesse schleichender Veränderung am Werk, sondern verschiedene Akteure in Wirtschaft, Politik, Massenmedien, Wissenschaft oder auch Religion mit handfesten Interessen kreativ beteiligt. In diversen Studien wird die gesellschaftliche Konstruktion von Depressionen mit ganz unterschiedlichen Entwicklungen in Verbindung gebracht, insb. mit einer Pathologisierung der Traurigkeit (Horwitz/Wakefield 2007) sowie von sozialem Elend, Opferdasein und Armut (Pilgrim/Bentall 1999), mit der Delegitimierung gesellschaftlicher Weiblichkeitskonstruktionen (Teuber 2011),8 mit einer neoliberalen Aufforderung zum »positiven Denken« (Ingenkamp 2012: 339ff.), mit innerpsychiatrischen Machtkämpfen, gar der Verdrängung des psychoanalytischen Paradigmas (McPherson/Armstrong 2006; Horwitz 2011) sowie mit der Entwicklung von »Antidepressiva« durch die Pharmaindustrie (Healy 1997; Greenberg 2010). Hirshbein (2009) beobachtet die Entstehung einer industrialisierten, massenmedial inszenierten Konsum- und Popkultur des Nichtzurechtkommens und der Psychohygiene, die sich insbesondere entlang der Leitsemantik Depression ausdifferenziere. Wenn im Rahmen der anstehenden Analyse die gesellschaftliche Karriere des Themenbereichs depressiver Spitzensportler und die Ausgestaltung der Kommunikation über das Phänomen in den Blick genommen werden, darf das Erkenntnisinteresse ebenfalls nicht am Krankheitsbild an sich scharfgestellt werden. Vielmehr müssen die Beobachter beobachtet werden, die ebendies tun. Anstatt selbst ein psychiatrisches Beobachtungsschema zugrundezulegen, und Abweichungen davon anzuprangern, gilt es, die verschiedenen Konstruktionen der Depression im Spitzensport in Wissenschaft, Literatur, Fernsehen, Radio, Zeitschriften, Auf klärungsprogrammen oder auch im Kontext von Sportorganisationen unter die Lupe zu nehmen, um anschließend ein diskursives Gesamtbild synthetisieren zu können. Die anstehende Forschung liefert umso differenziertere Ergebnisse, wenn die analytischen Beobachtungen mithilfe einer Gesellschaftstheorie integriert wer8 D iesbezüglich findet bereits Rousseau (2000: 78f.) in seiner Diskursanalyse der Literatur in der Zeit vor 1800 heraus: »Depression did not develop by playing female melancholia off male, so to speak in the contrapuntal sense, but by an isomorphic conceptualization of women as inherently and naturally depressive: to be female was to be depressive and vice-versa. It was an ancient argument developed theologically and biologically ad naturam; from nature.«
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den. Um die beobachteten Beobachter an ihrem gesellschaftlichen Standpunkt verorten zu können, wird der Gegenstand dieser Arbeit im anschließenden Kapitel auf die Schlüsselkonzepte systemtheoretischen Denkens bezogen. Die soziologische Systemtheorie stellt gerade deshalb Mittel der Wahl dar, weil sie das Latenzproblem aufgreift, ihre Theoriearbeit daran ausrichtet und die Unterscheidungen unterscheidet, die gesellschaftlich am Werk sind (Luhmann 1987: 46). Das höhere Auf lösevermögen ihrer Leitbegriffe ermöglicht, die beobachteten Beobachter von ihren Beobachtungen zu differenzieren, und freiwerdende Erkenntnisgewinne durch die Unterscheidung zwischen dem, was der Fall ist, und dem, was dahintersteckt, zu organisieren (ders. 1993).9
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Depression als Mehrsystemereignis
Die konzeptionelle Architektur systemtheoretischen Denkens baut auf den Prämissen des Beobachtungsbegriffs. Die Systemtheorie versteht sich insbesondere in ihrer Konzeption als »allgemeiner Theorie der Sinnsysteme« (Fuchs 2010: 12ff.; 2011: 13), in der sie sich auch für die Psyche zuständig macht, als Theorie zur Erforschung beobachtender Systeme, und beobachtet die Welt ihrerseits auf der Basis einer eigenen Leitunterscheidung: der Dif ferenz von System und Umwelt. Im systemtheoretisch geschulten Auge erscheint die Welt als Horizont einer Vielzahl verschiedener Systeme in ihrer je eigenen Umwelt. Die System/Umwelt-Differenz liefert einerseits das kategoriale Schema, um Systeme von ihrer Umwelt zu unterscheiden. Andererseits baut die Systemtheorie ihr Theoriegerüst auf der minimal-ontologischen Annahme, »[…] daß es Systeme gibt« (2012 [1984]: 30), die sich selbst von ihrer Umwelt unterscheiden. Es mag sich um eine Art cartesischer Einsicht handeln: Auch wenn es nämlich kein Jenseits-der-Beobachtung gibt, muss dennoch absolut gelten, dass es Beobachter gibt. Oder genauer: dass es Systeme gibt, die beobachten (Fuchs 2007: 57, 2010: 14f.). Denn Beobachter sind strukturierte Systeme, die sich in einer bestimmten Umwelt reproduzieren und auf diesem Weg die Differenz Selbstreferenz/Fremdreferenz entstehen lassen (Luhmann 1992: 79). Für die vorliegende Arbeit kann das System/Umwelt-Dual deshalb als Erstunterscheidung gewählt werden, von der aus die anstehende De-Ontologisierung der Depression im Spitzensport organisiert wird (ders. 2008 [1995]: 21). 9 D amit wird auf eine Theorie zurückgegriffen, die sich im deutschsprachigen sportsoziologischen Diskurs bereits seit Jahrzehnten fest etabliert und wichtige Analysen zu ganz unterschiedlichen Phänomen hervorgebracht hat. Seit einigen Jahren nimmt sie zudem Einfluss auf den internationalen, überwiegend englischsprachigen Diskurs der Disziplin. Vgl. hierzu insb. Wagner/Storm/ Hoberman (2010) und Thiel/Tangen (2015).
I Depression im Blick der neueren soziologischen Systemtheorie
Systeme liegen nicht an und für sich in der Welt herum. Sie sind auto-poietische Gebilde, die die Elemente, aus denen sie bestehen, aus den Elementen auf bauen, aus denen sie bestehen (Maturana 1982: 158; Luhmann 2008 [1995]: 56).10 Die Differenz von System und Umwelt ist somit als dynamische Beziehung zu verstehen. Systeme haben genau solange Bestand, wie sie die Grenze zu ihrer Umwelt mit ihren eigenen Operationen stabilisieren können. Systemgrenzen sind gleichsam das zirkuläre Operieren der eigenen Operationen (operative Geschlossenheit). Im differenztheoretischen Blick der Systemtheorie gilt somit immer: Ohne Umwelt, kein System. Ohne System, keine Umwelt. Das theoretische Handwerkszeug der Systemtheorie ermöglicht, jeweils verschiedene Systemtypen, -arten und -ebenen zu beschreiben. Neben technischen, allopoietischen Systemen, die »trivial« sind in dem Sinne, dass ihre Eigenzustände infolge von außen vorgegebenen Programmen mit feststehenden Transformationsregeln entstehen (von Foerster 1993: 244ff.), sind insbesondere körperlich-organische und psychische Systeme für ein angemessenes Verständnis sozialer Systeme unentbehrlich. Als »nicht-triviale Systeme« legen diese jeweils selbst fest, worauf sie auf welche Art und Weise reagieren. Im Bereich der biologisch-organischen Systeme rückt vor allem der menschliche Körper in den Blick. Er besteht aus einer »hyperzyklischen Verschmierung« (Fuchs 2004a: o.S.) mehrerer, an sich wiederum operativ geschlossener Teilsysteme (z.B. Herz-Kreislauf-System, Nervensystem, Immunsystem oder lymphatisches System), die auf der Basis von Leben operieren. Sie prozessieren biochemische Stoffwechselvorgänge nach naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, die seit Langem intensiv erforscht werden und immer besser bekannt sind. Das psychische System reproduziert sich im Medium Bewusstsein. Es prozessiert Aufmerksamkeit, indem es kontinuierlich neue Gedanken kreiert (Luhmann 2008 [1995]: 60ff.). Zwar kann phänomenales Bewusstsein niemals unabhängig von seiner neurologischen Grundlage entstehen. Als operativ geschlossenes System ist die Psyche dennoch nicht durch ihre neuronale Umwelt determiniert. Auch psychische Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, können nicht medikamentös »geheilt« werden – zumindest unter der Bedingung, dass sie in der Tat
10 A uf dieser Theoriefolie lässt sich besser verstehen, warum sich beobachtende Systeme im Modus erster Ordnung nicht selbst beobachten können. Damit Beobachter auf der Seite der Fremdreferenz ihre Unterscheidungen an die Welt anlegen können, müssen sie selbstreferenziell geschlossen sein (Luhmann 2008 [1995]: 16). Ansonsten müsste das System in jedem Moment sich selbst als Ursache seiner eigenen Beobachtungen mitbeobachten, und würde auf diesem Weg eben nicht mehr Sinn stiften, Informationen generieren oder Wirklichkeit konstruieren, sondern Welt – wenn man so formulieren kann – als konfuse Differenz von Selbst- und Fremdreferenz in den Blick bekommen. Und überhaupt: Wenn das System geöffnet wäre, was wäre dann »selbst« und was wäre »fremd« (Luhmann 1996a: 17)?
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psychisch sind. Zwar können Stimmungen pharmakologisch beeinf lusst werden, aber keine kognitiv-emotionalen Dynamiken kuriert. Die Gesellschaft und ihre Teilbereiche werden ebenfalls als autopoietisch konzipiert (insb. Luhmann 2012 [1984], 1998). In sozialen Systemen zirkulieren jedoch keine Stoffwechselprozesse oder Gedanken. Sie entstehen genau dann, »[…] wenn sich Kommunikation aus Kommunikation entwickelt« (ders. 2011 [2002]: 75) – und bestehen folglich aus nichts als Kommunikationen, also sozialen Ereignissen, an deren Produktion immer mindestens zwei psychische Systeme beteiligt sind. Im (sozio-)evolutionären Prozess entwickeln sich körperliche, psychische und soziale Systeme nicht unabhängig voneinander. Sie werden strukturell gekoppelt, koexistieren in wechselseitiger Irritation und erzeugen Realität in »konditionierter Koproduktion« (Fuchs 2002: 153).11 Die Koevolution von psychischen und sozialen Systemen vollzieht sich in einem gemeinsamen Medium. Sowohl das Bewusstsein als auch die Kommunikation selektieren ihre Eigenzustände im Medium Sinn.12 Sinn leistet den Zugriff der Kommunikation auf das Erleben und Handeln von Personen und ermöglicht somit die Kopplung psychischer und sozialer Systeme. Die Form von Sinn sei definiert als Einheit der Differenz von Aktualität und Potenzialität. Im Sinnmedium werden Verweisungsüberschüsse einer unermesslichen Fülle an Möglichkeiten organisiert sowie Erwartungen zwischen psychischen und sozialen Systemen kanalisiert, parallelisiert, synchronisiert und stabilisiert. In der Aktualisierung bestimmten Sinns wird der Auswahlbereich dabei nicht ausradiert. Vielmehr läuft stets Kontingenz als Verweis darauf mit, dass alles auch anders sein könnte. Etwas macht gerade deshalb einen bestimmten Sinn, weil es nicht gleichzeitig einen anderen Sinn stiftet – aber auf dessen Möglichkeit bezogen bleibt (ders. 1971b: 31ff.).13 Um die facettenreiche Kommunikation über depressive Spitzenathleten einer differenzierten Analyse unterziehen zu können, muss nach dem Differenierungsprinzip weitergefragt werden, das sich in der Gesellschaft entwickelt hat. Die moderne Gesellschaft gliedert sich in eine Reihe von Funktionssystemen, die jeweils eine unverwechselbare Funktion exklusiv betreuen und sich dadurch für das Gesamtsystem unentbehrlich machen. An einer solchen Funktion orientierte Sinnvorgaben bestehen z.B. in der Herstellung kollektiv bindender Entscheidungen (Politik), Darstellung einer alternativen Wirklichkeit in der Wirklichkeit 11 Z um Theoriebaustein der »strukturellen Kopplung« vgl. Luhmann (2008 [1995]: 12ff., 32ff.) und Fuchs (2015 [2004]: 81ff.). 12 Aus diesem Grund wird Sinn regelmäßig als »Universalmedium« (Luhmann 1998: 51), »Protomedium« (Willke 2005: 15) oder auch »Schlüsselmedium« (Fuchs 2007: 82) bezeichnet. 13 Von hier aus lassen sich weitere Einsichten über den Begriff der Beobachtung präzisieren: Insofern jede Beobachtung Formen mit zwei Seiten verwendet, dabei jeweils die eine Seite bezeichnet (aktualisiert) und sie von der anderen unterscheidet (potenzialisiert), muss das Ergebnis jeder Beobachtung sinnförmig sein.
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(Kunst), Heilung und Prävention von Krankheiten bzw. Gesunderhaltung (Medizin/Gesundheit), Herstellung und Verteilung von Gütern (Wirtschaft), Vermittlung gesellschaftsangemessener Kompetenzen (Erziehung/Bildung), Herstellung intersubjektiver Wahrheit (Wissenschaft) und Bereitstellung einer öffentlichen Hintergrundrealität (Massenmedien). Sie prägen jeweils kommunikative Eigenwelten aus, die es nachfolgend besonders zu berücksichtigen gilt.14 Die funktional differenzierte Gesellschaft ist folglich durch eine besondere Form von Komplexität bestimmt. Insofern jedes einzelne Teilsystem zusammen mit seiner Umwelt die Gesellschaft ausmacht, kommt diese »[…] in sich selbst sozusagen mehrfach vor: als Krankensystem und dessen Umwelt, als politisches System und dessen Umwelt, als Wissenschaftssystem und dessen Umwelt, usw.« (Luhmann 1983b: 170f.). Die moderne Gesellschaft lässt sich demgemäß als polykontexturales System beschreiben. Zum einen differenziert zwar jedes Teilsystem eine andere Umwelt aus. Zum anderen aber synthetisiert jedes System gemeinsam mit seiner Umwelt – auf nicht-identische Weise – dieselbe Gesellschaft.15 Die polykontexturale Ordnung zeitigt erhebliche Folgen für die gesellschaftlichen Beobachtungsverhältnisse. Sie verfügt über keine Beobachterposition, von der aus eine alle Bereiche instruierende Selbstbeschreibung formuliert oder eine homogene Weltsicht entwickelt werden könnte (Luhmann 1996b: 54; Fuchs 2010: 63). Jede Analyse, die diesem Sachverhalt gerecht werden möchte, darf keine Letztbegründungen suchen, sondern muss als Beobachtung von Beobachtern konzipiert sein. Athletendepressionen erscheinen somit als »Poly-Eventualität« (Fuchs 2007: 138) bzw. Mehrsystemereignis, das im Horizont verschiedener Systeme als je anderes Ereignis auftaucht. Jede spezifische Konstruktion von Athletendepressionen ist somit beobachtungsrelativ und multipel gegenbeobachtbar. Der gemeine Bezug auf die Semantik Depression garantiert keineswegs, dass jeweils vom selben gesprochen wird, wenn von »Depressionen« gesprochen wird. Im gesellschaftstheoretischen Blick auf unterschiedliche Beobachter offenbaren »Depressionen« eine prismatische Qualität mit einem ganzen Katalog an Bedeutungen. Entlang welcher Unterscheidungen das Phänomen informativ wird, wird also nicht durch die Depression, psychiatrische Experten oder die betroffenen Athleten selbst bestimmt, sondern durch das beobachtende System. Alle Versuche, ein einheitliches Deutungsschema gesellschaftsweit durchzusetzen, müssen am Schwergewicht sozialer Strukturen scheitern. 14 W esentliche Ausführungen hierzu finden sich in Luhmann (1998). 15 Begriff und Konzept der Polykontexturalität stammen aus der Logik Gotthard Günthers (1979). Neben der Einarbeitung des Konzepts in den Analysen Luhmanns liefern die körpersoziologische Anwendung dieses Grundgedankens durch Bette (1999: 106ff.) sowie die Überlegungen zu einer Polykontexturalität des Bewusstseins von Fuchs (1997: 70ff.; vgl. auch 1998: 229ff., 2011: 28) wichtige Anwendungen des Begriffs in der Soziologie.
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Es liegt durchaus nahe, dass die depressive Erkrankung eines Sportlers für seine Eltern aus anderen Kriterien besteht als für seine Trainer. Dass sie in psychotherapeutischen Kontexten nach anderen Prinzipien bearbeitet wird als in den Massenmedien. Dass die Betroffenen selbst sie auf andere Weise erleben als ihre Mannschafts- und Kaderkollegen. Dass Verständnis und Mitgefühl mit depressiven Athleten kontextabhängig variieren. Dass Athletendepressionen für Schriftsteller zu einer literarischen Herausforderung werden. Und dass sich der Gegenstand auch mit den Theorien und Methoden verändert, die verschiedene Wissenschaftler zur Anwendung bringen. Bislang hat die Forschung die polykontexturale Vielfalt des Phänomens jedoch nicht offengelegt. Umso mehr lohnt es sich, diese Forschungslücke durch die vorliegende Arbeit zu schließen.
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Depression als Kommunikationsthema
Auch wenn sich soziale Phänomene ohne eine Konzeption biologisch-organischer und psychischer Systeme weder angemessen beschreiben noch erklären lassen, gestaltet sich die Aufgabe der Soziologie nicht als Analyse körperlich-physiologischer Vorgänge oder als Introspektion in die Operationsweise des Bewusstseins. Ihre Funktion besteht in der (Selbst-)Beobachtung der Gesellschaft und ihrer Teilbereiche. Gerade für die soziologische Systemtheorie ist nicht alles, was im Menschen abläuft, gleichermaßen von Bedeutung. In einer Art anticartesischer Wendung verfolgt sie das Projekt, die in klassischer Sichtweise höhere Bedeutung von Denken und Vernunft zu relativieren und ihre analytischen Bezugspunkte auf Phänomene der Kommunikation umzuschreiben (Fuchs 1995: 7ff.). Wendet man diese Überlegungen auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit an, bekommt man Leidensphänomene aller Art – physische wie psychische – als außergesellschaftliche Phänomene in den Blick, die auf organische Prozesse zurückgehen oder sich im Bewusstsein entwickeln. Ausnahmslos aber gilt für beide Bereiche: In ihrer außergesellschaftlichen Existenz sind sie für die Gesellschaft nicht fassbar. Wie »Arsen im Blut und Wut im Kopf« (Luhmann 1996b: 51) sind auch Insulinmangel, Kreuzbandrisse, Herzfehler, Laktoseintoleranz und das gesamte Spektrum der psychischen Erkrankungen an sich keine sozialen Tatsachen. Ob im Körper die Biochemie aus den Rudern läuft oder die Psychen unter den Schädeldecken blockieren, bleibt für die Gesellschaft zunächst unsichtbar. Solange entsprechende Umweltereignisse nicht mithilfe medizinischer Technologien visualisiert oder im Medium Sprache kommuniziert werden, zeitigen sie keine gesellschaftlichen Folgen. Sie werden erst gesellschaftlich relevant, wenn sie sozial (re-)konstruiert und in Kommunikationen über- bzw. umgesetzt werden. Eine solche Theorieentscheidung rückt die strukturelle Kopplung von Bewusstsein und Kommunikation in den Mittelpunkt. Kommunikation und Be-
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wusstsein sind zwei unterschiedliche Welten. Die Wirklichkeit, die in der Kommunikation konstruiert wird, ist nicht identisch mit den bewusstseinsförmigen Wirklichkeiten in den an Kommunikation beteiligten Psychen. Sie lassen sich nur im Medium Sprache aneinander koppeln und über Prozesse der Interpenetration wechselseitig prägen, ohne dass eine der beiden dabei Zugang zur anderen erhält. Kommunikation ist folglich kein bloßes Instrument im Dienste des Bewusstseins, keine sprachliche Verlängerung dessen, was im Bewusstsein ist (Willke 2005: 97). Sie ist ihre eigene Wirklichkeit, in der einzig und allein die »Kommunikation kommuniziert« (Luhmann 2008 [1995]: 38).16 Demgemäß sind auch die Symptomlagen, die mit Depressionen in Verbindung gebracht werden, als Ereignisse in der Umwelt der Gesellschaft einzuordnen. Der psychische Leidensdruck, wie er sich beispielsweise in Form von Minderwertigkeits- und Überforderungsgefühlen, Anhedonie, Schuldkomplexen, Hoffnungslosigkeit, Selbstablehnung oder sogar Suizidgedanken subjektiv äußert, mag sich in Mimik und Gestik der Betroffenen vermuten lassen. Er bleibt jedoch solange in der Intransparenz des Bewusstseins verborgen, bis die depressive Person sich entscheidet, andere in ihre Problematik einzuweihen. Auf dem gesellschaftlichen Horizont tauchen Depressionen allerdings weder als die Störung selbst auf – zu der allein die depressive Person Zugang hat – noch als deren Kopien. Sie werden nach den Regeln der Kommunikation prozessiert. Aus diesem Grund muss die Form der Kommunikation genauer analysiert werden. Die Wirklichkeit der Kommunikation differenziert sich entlang einer dreifachen Selektion aus, durch welche Sinn zwischen Alter und Ego prozessiert wird. Sie besteht in der Dreiheit (der Unterscheidung) von Mitteilung, Information und Verstehen. Wenn nicht auf diese Weise beobachtet bzw. unterschieden wird, findet keine Kommunikation statt. Die Mitteilung wird als Handeln Egos beobachtet, das aus unterschiedlichen Verhaltens- bzw. Handlungsmöglichkeiten auswählt und vor allem gegen die Möglichkeit zur Nicht-Mitteilung optiert (Luhmann 2012 [1984]: 193f.).17 Sie bedarf einer Intention aufseiten des Sprechers (Willke 2005: 92), die selbst nicht mitkommuniziert werden muss. Die Selektion einer Information, die verbal oder auch non-verbal mitgeteilt wird, stellt den zweiten Bestandteil der Kommunikation dar. Die konkrete Information wird aus einer nahezu unermesslichen Vielfalt möglicher Sachverhalte selektiert und erhält bereits dadurch ihre besondere Bedeutung (Luhmann 2012 16 A naloge Schussfolgerungen finden sich in Luhmanns (2012 [1984]: 370) Reflexionen über eine Soziologie der Gefühle. Nur dort, wo Gefühle kommuniziert, stimuliert, abgekühlt oder nachvollziehbar dosiert werden, erschließen sich diese »internen Anpassungen an interne Problemlagen« (ebd.: 371; Herv., i.O.) der Psyche als soziale Phänomene dem soziologischen Blick. 17 Unter Bedingungen der Anwesenheit der Interagierenden lässt sich jedoch selbst Schweigen als eine Mitteilung verstehen, die etwa über Zweifel, Unlust, Misstrauen, Schüchternheit oder Sturheit des Schweigenden informiert.
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[1984]: 194f.). Als Unterschied, der einen Unterschied macht (Bateson 2014 [1985]: 582), erschöpft sich der Sinn der Information jedoch nicht in der Tatsache ihrer Mitteilung. Die Information zielt auf das psychische System des Gegenübers, das diesen Unterschied beobachten und in der anschließenden Kommunikation wirken lassen soll. Zur operativen Schließung als soziales Ereignis benötigt die Synthese der Kommunikation als drittes, ebenfalls konstitutives Element deshalb einen weiteren Beobachter (alter Ego), der das Verhalten seines Gegenübers anhand der Unterscheidung Mitteilung/Information beobachtet, der also – in dieser rudimentären Form – versteht, dass kommuniziert wird (soziales Verstehen), und auch was bzw. worüber kommuniziert wird (psychisches Verstehen).18 Erst der verstehensbedingte Anschluss schließt die Dreiheit der Kommunikation zusammen und gegen eine nicht-dazugehörige Umwelt ab (Luhmann 2012 [1984]: 195f.). Abschließend gilt es, das Verstehen von einer vierten Selektion zu differenzieren, die sich auf die Ratifikation einer mitgeteilten Information bezieht. Mit dem sozialen wie psychischen Verstehen ist zwar die Geschlossenheit der Kommunikation, keineswegs aber ihr Erfolg garantiert. Jede Kommunikation steuert auf eine weitere Ungewissheit zu: der Frage nach Annahme oder Ablehnung der selektierten Inhalte (Luhmann 2012 [1984]: 204f.). Die Kommunikation riskiert immer auch das Nein. Informationen können angezweifelt, Erwartungen enttäuscht und Mitteilungen für unaufrichtig oder unangebracht gehalten werden. Die Autopoiesis der Kommunikation läuft über die Reproduktion von Themen (ebd.: 224), unter denen sich »[…] mehr oder weniger unbestimmte und entwicklungsfähige Sinnkomplexe verstehen [lassen], über die man reden und gleiche, aber auch verschiedene Meinungen haben kann« (ders. 1971a: 13). Eigentore, Elektroautos, Angstgedanken oder Athletendepressionen sind nicht prinzipiell konsenspf lichtig – aus Sicht sozialer Systeme ist vor allem relevant, dass sie in ihrer Funktion als Themen Komplexität reduzieren, Sinn stiften, Aufmerksamkeit binden, Beiträge inspirieren und Verstehen ermöglichen. Mit dem Themabegriff ist zudem die Möglichkeit bezeichnet, anwesende wie nicht-anwesende Umwelt, Vergangenheit und »Zukunftsmusik« sowie sozial Unsichtbares, wie z.B. das psychische Erleben, zu inkludieren. Die Kommunikation kann jedoch unter keinen Umständen ihre Grenze überschreiten. Sie kann die Umwelt lediglich nach ihren eigenen Regeln konstruieren, was eben heißt: zum Thema machen (ders. 2009 [1975]: 29ff.). »Depressionen« führen somit ein Doppelleben: als Bewusstseinszustand und als Thema der Kommunikation, das heißt als psychische und soziale Konstruktion. Unter welchen Bedingungen und in welchen Bereichen die Thematisierung depressiver Erkrankungen in der Kommunikation plausibel, legitim oder sogar 18 Zur Unterscheidung von sozialem und psychischem Verstehen vgl. Luhmann (2012 [1984]: 203ff.).
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wahrscheinlich ist, sowie auf welchen Wegen sie durch die Kommunikation befördert wird, regelt die Gesellschaft selbst. Umso spannender ist die Frage, wie diese sich in ihren Teilsystemen dazu bringt, dem Thema eine besondere Aktualität zu verleihen, und sogar betroffene Athleten dazu bewegt, ihre Depressionen öffentlichkeitswirksam zu berichten. Im Blick auf Gesellschaft ist das Thema Depression – ungeachtet der Referenz auf das psychische Leiden – somit nichts anderes als seine Wirkung in der Kommunikation. Die Irritabilität der Gesellschaft für das Depressionsthema gilt dabei nicht unterschiedslos über alle Sozialbereiche hinweg. Zwischen unterschiedlichen Teilsystemen variieren sowohl seine Karriere- und Erfolgsbedingungen als auch die genaue Ausgestaltung. Die konkreten Folgen bewegen sich dabei zwischen Extremen. Während die Schilderung von Symptomen in psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Kontexten beispielsweise zum Anlass einer Diagnose wird und therapeutische Interventionen nach sich zieht, kann sie in anderen Gesellschaftsbereichen zum Entzug der sozialen Achtung des Betroffenen führen, die Kommunikation prekarisieren oder die Wahrscheinlichkeit konf liktärer Verläufe erhöhen. Auch der Themenkomplex depressiver Spitzensportler wird in verschiedenen Kontexten auf der Grundlage je eigener Unterscheidungen, Relevanzstrukturen, Präferenzregeln und Akteurinteressen beobachtet und kommuniziert. Entsprechend facettenreich gestaltet sich sein gesellschaftliches Dasein. Athletendepressionen tauchen auf in Wort, Bild und Ton als Nachrichten- und Unterhaltungsthema der Massenmedien. Sie liefern den Organisationszweck in eigens gegründeten Stiftungen (vgl. Robert-Enke-Stiftung) und Abteilungen (z.B. das Referat »Sportpsychiatrie und -psychotherapie« der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde). In Spitzensportvereinen und -verbänden werden Depressionen der eigenen Athleten als alarmierendes Störthema beobachtet. In sportsoziologischen Lehrveranstaltungen lässt sich das Phänomen als Diskussionsthema instrumentalisieren. Die Diagnose einer Depression fungiert als Erzählanlass in Psychotherapien und literarischen Texten. Selbst in geselligen Konversationen am Stammtisch, beim Friseur oder mit der Mitfahrgelenheit lässt sich über die Depression als »Volkskrankheit« debattieren – vor allem dann, wenn aktuelle Ereignisse in der Sportöffentlichkeit ein Anschwellen des Redens und Schreibens darüber nahelegen. Im Rahmen dieser Arbeit wird das Phänomen als Forschungsthema begriffen. Es wird auf seinen Wegen durch die gesellschaftliche Kommunikation observiert, um gerade das in den Diskurs zurückzuspielen, was andere Beobachter – im Eifer des Gefechts und ohne Theorieführung – nicht sehen. Gemäß diesem Erkenntnisinteresse wird abschließend ein Portfolio an Fragen formuliert, auf die in den anschließenden Analysen jeweils selektiv zurückgegriffen wird, um die Beobach-
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tung der Kommunikation über Athletendepressionen zu orientieren und sehen zu können, was sich auf Basis der epistemologischen Vorentscheidungen sehen lässt: • Wer beobachtet die Depression bzw. redet darüber? • Entlang welcher Leit- oder Folgeunterscheidungen (z.B. krank/nicht-krank, manifest/latent, leistungsfähig/leistungsschwach, u.v.a.) wird die Depression beobachtet? • Unter welchen Kontextbedingungen wird die soziale Realität der Depression und ihrer Symptomatik konstruiert? • Welche Tatsachen werden im Zuge dessen fabriziert? Welche Ursachen der Depression werden beispielsweise angenommen? • Welche Funktion erfüllt die Beobachtung in ihrem gesellschaftlichen Kontext? • Welche Anschlussmöglichkeiten erschließen sich die Beobachter durch ihre Beobachtung? • Wo liegen die Latenzen und blinden Flecken der beobachteten Beobachter? • Welche nicht-intendierten Folgen der zirkulierenden Beobachtungen lassen sich identifizieren? Man wird im Zuge der Auseinandersetzung mit diesen Fragen deutlich erkennen, dass die Frage, was die Depression ist, in diesem Katalog nicht nur implizit mitenthalten ist, sondern gar überhaupt erst analytisch sinnvoll erscheint. Da auch die Systemtheorie über keinen privilegierten Zugang zur menschlichen Psyche verfügt, und es die Depression-an-sich in der Kommunikation nicht gibt, muss die Was-Frage nämlich umformuliert werden: • Was beobachtet der beobachtete Beobachter als »Depression«? Im Zuge dessen wird deutlich, dass die beobachtbaren Konstruktionen eben nicht danach zu bewerten sind, ob sie dem psychiatrischen Bild der Depression entsprechen, sondern bereits dadurch ihre gesellschaftlichen Wirkungen freisetzen, dass sie eine kommunikative Wirklichkeit erzeugen. An dieser Stelle kann ein Zwischenfazit gezogen werden. Der bislang zurückgelegte Weg diente der Auslegung einer Theoriefolie und der Zusammenstellung eines Fragenkatalogs für die anstehenden Analysen. In der jüngeren systemtheoretischen Diskussion hat sich insbesondere die Luhmannʼsche Mehrebenendifferenzierung in Gesellschaft, Organisation und Interaktion als »fruchtbare Inspirationsquelle« (Heintz/Tyrell 2014: XIV) theorie- wie empiriegeleiteter soziologischer Forschung erwiesen. Daran anknüpfend wird im Folgenden auf die Unterscheidung Gesellschaf t, Sportorganisation und betrof fener Athlet zurückgegriffen.19 Zur Erweiterung des Blickwinkels wird auf der untersten Ebene also nicht 19 A uch andere sportsoziologische Studien der letzten Jahre bauen auf das Konzept der Mehrebenenbeobachtung. Bette/Kühnle/Thiel (2012) liefern eine Mehrebenenanalyse der Dopingent-
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die Interaktion, sondern der betroffene Athlet selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt, um seine personale Selbstbeobachtung, Kopplungsprobleme zwischen Bewusstsein und Kommunikation sowie seine Selbstthematisierung in autobiografischen Texten in die Untersuchung einschließen zu können. Aus einer systemtheoretischen Perspektive reicht es demgemäß nicht aus, Depressionen von Spitzenathleten als Formen der personalen Selbstbeobachtung zu betrachten, über deren Erleben Betroffene im gesellschaftlichen Diskurs berichten und erzählen (Teil IV). Das Phänomen muss darüber hinaus als Modethema in verschiedenen Gesellschaf tsbereichen (Teil II) sowie als Störthema in Sportorganisationen (Teil III) in den Blick genommen werden. Im Zusammenspiel verschiedener Beobachter und ihrer facettenreichen Kommunikation ko-evoluieren nicht nur die einzelnen Teildiskurse, sondern es entwickelt sich, so die Annahme, die gesellschaftliche Eigendynamik, in der depressive Spitzensportler nicht nur zum Kommunikationsthema werden, sondern auch ihrerseits Umgangsformen mit ihrem Leiden abwägen. Wenn die Linse in den nachstehenden Beschreibungen an diesen Analyseebenen scharfgestellt werden, gilt es insofern stets zu berücksichtigen, dass ein diskursives Gesamtbild des hochkomplexen Zusammenspiels erst am Ende überblickt wird. Dem wird durch eine abschließende Synthese Rechnung tragen.
stehung im Spitzensport, um Anspruch und Wirklichkeit der Dopingprävention in Deutschland auf dieser Grundlage zu unterscheiden. Borggrefe (2008) nimmt eine Mehrebenenanalyse der Kommunikation im Spitzensport vor und schließt empirische Studien an, insbesondere zur Trainer-Athlet-Kommunikation.
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II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
In den folgenden Kapiteln steht der öffentliche Diskurs über Depressionen von Spitzenathleten im Mittelpunkt. Dabei gilt es, vor allem den Beitrag ausgewählter Funktionssysteme zum Gesamtbild zu analysieren. Neben der symbolisch gegenläufigen Beziehung zwischen dem Krankheitsbild Depression und der Sozialfigur des Athleten (Kap. 6), wird die massenmediale und wissenschaftliche Kommunikation über depressive Spitzensportler in den Blick genommen. Die Massenmedien tragen mit ihren Phänomenbeschreibungen wesentlich zur gesellschaftlichen Wirklichkeit der Athletendepression bei (Kap. 7). Auch die wissenschaftliche Forschung mit ihren Möglichkeiten, »wahres« Wissen über die Depression im Spitzensport zu liefern, massenmediale Deutungen zu kontrastieren, auf blinde Flecken hinzuweisen, komplexitätsangemessene Beschreibungen zu liefern oder auch Experten für therapeutische Interventionen ins Spiel zu bringen, gilt es ausführlich zu untersuchen (Kap. 8). Weder die symbolische Bedeutung depressiver Athleten noch die Bearbeitung des Themas in Massenmedien und Wissenschaft lassen sich jedoch angemessen verstehen, wenn kein Verständnis der medizinisch-psychiatrischen Konstruktion des Krankheitsbilds Depression (Kap. 4) sowie des öffentlichen Diskurses über diese »Volkskrankheit« unterbreitet wird (Kap. 5). Diese Grundlage wird in den nachstehenden Ausführungen erarbeitet. Um dabei die Besonderheiten des Depressionsdiskurses besser nachvollziehen zu können, ist es hilfreich, zunächst einige Überlegungen zum gesellschaftlichen Umgang mit Krankheiten im Allgemeinen vorzuschalten.
I. Beobachtet man Gesellschaft als autopoietisches System, nimmt man basale Selbstbezüglichkeit und Indifferenz gegenüber der Umwelt als operativen Normalmodus an. Umwelt wird gleichsam unhinterfragt vorausgesetzt. Die Annahme einer monadischen Existenz in der Welt rückt allerdings als Illusion in den Blick, wenn die Umwelt Störungen verursacht. Ereignisse in der Umwelt können jedoch nicht determinieren, ob überhaupt, und wenn ja, inwiefern sie in der Gesellschaft als relevant beobachtet und bearbeitet werden. Die Umwelt kann lediglich Irritationen an den Sinngrenzen der Kommunikation bewirken, die imstande sind, Selbstirritationen in den gesellschaftlichen Teilsystemen auszulösen.
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Depression im Spitzensport: Psychisches Leiden als Kommunikationsthema
In der Umwelt von Gesellschaft siedelt die Systemtheorie auch den Menschen an. Als außergesellschaftliche Systemtypen werden menschliche Körper und Psychen zum einen dadurch gesellschaftlich relevant, dass sie zur Autopoiese systemischer Kommunikationen beitragen, indem Menschen beispielsweise um Sieg und Niederlage in sportlichen Wettkämpfen ringen, Liebe wechselseitig unter Beweis stellen oder sich in der Beschauung von Kunstwerken ästhetisch überraschen lassen. Zudem kann die menschliche Umwelt zum Thema gesellschaftlicher Kommunikation werden. Dies geschieht häufig gerade dann, wenn sie ihre komplexe Eigensinnigkeit offenbart und sich als unentbehrliche Umweltbedingung zeigt. Umso wichtiger sind Vorkehrungen, die dann greifen, wenn die Differenz von Mensch und Gesellschaft prekär wird, also strukturelle Kopplungen zwischen körperlich-organischen, psychischen und sozialen Systemen aus dem Ruder zu laufen drohen. Für entsprechende Krisenfälle benötigt die Kommunikation in Form von Absorptionsverfahren und Sondersemantiken eigene Strukturen, die umweltbedingte Störungen erkennen, thematisieren und kontern können. Auch psychischer Leidensdruck, so zermürbend er sein mag, taucht in der Kommunikation unter Sonderbedingungen auf. Nur wenn sich entsprechende Semantiken und soziale Situationen ausdifferenzieren, kann das Leiden einer Person zum Thema werden. Akkumulierte Erfahrungen mit dem Störpotenzial der menschlichen Umwelt haben zur Evolution entsprechender Teilbereiche geführt. Zur Diagnose und Behandlung körperlicher und psychischer Problemlagen haben sich insbesondere die traditionelle Medizin, die Störungen im Bereich der physisch-organischen Umwelt betreut, sowie die klassische Psychiatrie entwickelt, die Schief lagen in den Psychen von Einzelpersonen behandelt. Beide Bereiche operieren mithilfe einer bestimmten Leitunterscheidung: der Differenz krank/gesund. Die Krankheitssemantik dient als Überbegriff für ganz verschiedene Störungen in der menschlichen Umwelt, die anhand von Klassifizierungssystemen weiter unterteilt werden. Innerhalb dieser Paradigmen fungiert das Konzept Gesundheit lediglich als »unfasslicher« (Schnell 2006) Ref lexionsbegriff, der an sich inhaltsleer bleibt und ex negativo auf die mögliche Heilung einer pathologischen Kondition verweist, gleichsam Schmerz- und Leidensfreiheit bedeutet.
II. Störungen, die an Systemgrenzen auf blenden, aktivieren die Unterscheidung von System und Umwelt im System. In der Bearbeitung der Störung gewinnt die Kommunikation somit die Möglichkeit, an beiden Seiten der Unterscheidung (Gesellschaft/Umwelt) anzuschließen. Dabei zeigt sich ihr nicht nur die Notwendigkeit, die Grenzen des eigenen Operierens im Auge zu behalten. Sie kann sich zudem selbst als mögliche Ursache der Probleme beobachten, mit denen sie konfrontiert wird.
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
Die moderne Gesellschaft optiert immer häufiger dafür, Umweltprobleme im Schema Risiko/Gefahr zu beobachten und auf Eigenverantwortung in der Problementstehung zu überprüfen.1 Der Risikobegriff bezeichnet dabei die Entscheidungsabhängigkeit zukünftiger Entwicklungen, die weder als bloße Gefahren zufällig eintreten noch als erwartbare Kosten präzise antizipierbar sind.2 Die Option auf Selbstverursachung ermöglicht derart, die Kommunikation auf Ref lexion umzustellen, um systemische Scheuklappen abzulegen und sich selbst als Umwelt ihrer Umwelt zu thematisieren.3 Die Fähigkeit zur Ref lexion kann sich als überlebensnotwendig erweisen, ermöglicht sie doch eine Art Realitätskontrolle, um lernen, also relevante Umwelten strukturell mitberücksichtigen und systemisches Scheitern auf diesem Weg verhindern zu können. Es lässt sich zeigen, dass Medizin und Psychiatrie in ihren klassischen Varianten nicht nur der Absorption umweltbedingter Störungen dienen, sondern auch als Immunsysteme wider die Selbstref lexion der Gesellschaf t im Medium der Krankheitssemantik fungieren. Auf ihre je eigene Weise liefern sie den nötigen Rückhalt, um an bestehenden Erwartungsstrukturen festhalten zu können. Die Medizin zeichnet sich durch konsequente Umweltorientierung aus, fokussiert körperliche Prozesse und bringt selbst in die Therapie der beobachteten Probleme kaum gesellschaftsinterne Kriterien ein (Luhmann 1983a: 41). In der ätiologischen Betrachtung kann die Pathogenese zwar mit gesellschaftlichen Dynamiken, Risikofaktoren und individuellen Lebensentwürfen in Verbindung gebracht werden. Für die anstehende Problemabwicklung spielt dies jedoch keine größere Rolle. Eine tiefere Ref lexion der gesellschaftlichen Umweltangemessenheit wird insbesondere durch die Zweitunterscheidung kontrollierbar/nicht kontrollierbar abgepuffert. Die höhere Effektivität körperbasierter Therapieverfahren, medizinischer Technologien und chirurgischer Techniken zur Behandlung, Linderung und Kupierung von Krankheit, Verletzung und Schmerz ermöglicht der Gesellschaft, im Modus »funktionaler Indifferenz« (ders. 1983b: 174) gegenüber dem Körper zu verbleiben und stattdessen auf ein konsequentes Wachstum ihrer Funktionsbe1 Zum Dual Risiko/Gefahr vgl. insbesondere Luhmann (2003 [1991]: 30ff.). 2 Risiken werden über (Un-)Wahrscheinlichkeitskalkulationen bemessen, die zwar Entscheidungen ermöglichen, niemals aber bestimmte Folgen definitiv vorwegnehmen können. »Riskieren«, das heißt aus rationalen Gründen selbst schlimme Folgen inkaufnehmen, wenn ihr Eintritt für unwahrscheinlich genug gehalten wird. 3 Als Reflexion sei folglich eine Sonderform der Beobachtung und Kommunikation bezeichnet, die zwar gleichermaßen die Autopoiese des Systems vorantreibt, aber einen Re-Entry leistet, das heißt den Wiedereintritt der Differenz von System und Umwelt im System (Luhmann 2012 [1984]: 63). Selbstbeobachtung ist nur möglich, wenn das System sich selbst von etwas anderem, von (s) einer Umwelt, unterscheiden kann (ders. 2008 [1995]: 21). Psychische und soziale Systeme sind mit der Fähigkeit zur Reflexion ausgestattet. Psychische Systeme können über sich selbst nachdenken. Soziale Systeme können über sich selbst kommunizieren.
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Depression im Spitzensport: Psychisches Leiden als Kommunikationsthema
reiche zu setzen. Da die pathologischen Folgen kontrollierbar scheinen, werden gesellschaftliche »Reueminimierungsprogramme« (ders. 2003 [1991]: 19), wie sie Risikokalkulationen darstellen, weitgehend überf lüssig. Eine analoge Ref lexions- und Lernabwehrfunktion lässt sich in der Psychiatrie identifizieren. Vor allem die antipsychiatrische Kritik der 1960er und 70er Jahre hat darauf aufmerksam gemacht, dass die institutionelle Psychiatrie als Immunisierungsstrategie beobachtbar sei. »Labeling« der abweichenden Person, Medikalisierung der Psyche und Totalinklusion der Betroffenen in geschlossene Einrichtungen hemmten die gesellschaftliche Ref lexion der Leidensentstehung als Folge von »problems in living« (Szasz 1960: 114f.). Anstatt auf die notwendige Änderung sozialer Strukturen zu schließen, werde die Kompensation psychischer Kollateralschäden auf der personalen Ebene ausgetragen. Beim »Mythos« Geisteskrankheit und seiner anstaltpsychiatrischen Umsetzung handle es sich um einen »social tranquilizer« (ebd.: 118), der bestehende Konstruktionen gesellschaftlicher (z.B. ethisch-moralischer, rechtlicher, ökonomischer, psychologisch-psychiatrischer) Wirklichkeit stabilisiere.4 Er verdecke die Tatsache, dass der Alltag vieler Leute im harten Kampf um knappe Güter bestünde und psychische Leiden insbesondere aus sozialer Ungleichheit resultierten. Die klassische Psychiatrie stelle somit, dies folgern verschiedene Autoren (Goffman 1973 [1961]; Scheff 1973 [1980]; Szasz 1976), ein durchaus machtvolles Instrument zur staatlichen Kontrolle von Abweichungen dar. Betroffene Personen, die sich medienöffentlich zu ihrem Lebensschicksal äußern, und soziale Schief lagen als das eigentliche Problem thematisieren, sind unter diesen Bedingungen eher unwahrscheinlich. Gegen die gesellschaftliche Gegenbeobachtung dieser Immunisierungsfunktion wird die Psychiatrie nicht zuletzt durch die Beschreibung ihres Wirkens als »therapeutisch« geschützt.
III. Neuere Entwicklungen zeigen an, dass die moderne Gesellschaft auch die Disposition über Krankheit immer häufiger über die Risikoseite verbucht. Im Medium der Krankheits- und Gesundheitssemantik nimmt sie seit geraumer Zeit verstärkt die Wirkungen in den Blick, die sie personal verursacht. Gesundheit und Krankheit sind regelrecht zu Brennpunktthemen avanciert, die »außergesellschaftliche Folgewirkungen gesellschaftlichen Prozessierens« (Bauch 2004: 1) zur Sprache bringen und die Gesellschaft dadurch in Alarmzustand versetzen. Tra4 S zasz (1960: 115) gibt das anschauliche Beispiel psychiatrischer Gutachten im Kontext gerichtlicher Verfahren: »[…] if a psychiatrist is engaged by a court to determine the sanity of a criminal, he need not fully share the legal authoritiesʼ values and intentions in regard to the criminal and the means available for dealing with him. But the psychiatrist is expressly barred from stating, for example, that it is not the criminal who is ›insane‹ but the men who wrote the law on the basis of which the very actions that are being judged are regarded as ›criminal‹.«
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
ditionelle Körpermedizin und Psychiatrie werden jedoch nicht abgelöst, sondern erweitert und ergänzt. Die verschiedenen Paradigmen koexistieren (mehr oder weniger harmonisch), während sie doch jeweils umfassende Erklärungsansprüche formulieren (ebd.: 13ff.). Vor allem das Konzept der Psychosomatik sowie der aus dem psychiatrischen Kontext herausdiffundierende biopsychosoziale Ansatz (Engel 1979, 1981) markieren ref lexive Gegenpositionen zu den traditionellen medizinisch-psychiatrischen Ansätzen. Psychosomatisches Denken ruft bereits im 19. Jahrhundert, insb. in der zweiten Hälfte, die Krise von Medizin wie Psychiatrie aus, problematisiert ihren Reduktionismus und verlangt nach einer »von der Gesellschaft zu veranstaltenden Therapie« (Radkau 2000: 509). Die Debatte entzündet sich zuvorderst am Krankheitsbild der »Nervosität« bzw. »Neurasthenie« mit ihrer hochgradig uneindeutigen und zum Teil widersprüchlichen Symptomatik, der sowohl psychisierte als auch somatoforme Störungsmuster zugeschrieben werden. In besonderem Maße fordert ihre Vorstellung als »funktioneller« Störung, deren körperlich-neuronale Ursachen zumindest nicht bekannt sind, die Lokalisierungsbestrebungen der Medizin heraus (ebd.: 56). Erst recht sind Mediziner und Psychiater in therapeutischer Hinsicht überfragt, weshalb sie ernsthafte Konkurrenz durch die holistischen Heilungsversprechen diverser Naturheilverfahren erhalten (ebd.: 91ff.). Die zunehmende Berücksichtigung psychosozialer Faktoren in der ätiologischen Ref lexion sowie die ausgreifende Kritik an der »Tablettenmedizin« bereiten nicht zufällig die Wege von Psychoanalyse und anderen gesprächstherapeutischen Verfahren. Noch Engel (1979: 72f.; vgl. auch Armstrong 1987) fordert von seinen ärztlichen Kollegen, die Konzentration auf Labornachweise durch die Kommunikation über das Krankheitserleben und die Lebensumstände des Patienten zu ergänzen. Eine Ausweitung des Krankheitsbegrif fs auf psychosoziale Aspekte behält jedenfalls nicht nur »Krankheitsdilemmata« und »Gesundheitsparadoxien« gleichermaßen im Blick (Thiel/Seiberth/Mayer 2013: 113).5 Vor allem zieht sie Wirkung und Ursache auseinander und schafft nicht zuletzt durch das Konzept der »Somatisierung« einen Denkraum zur Einspielung der Sichtweise, »[…] that the disease of the patient is not only his or her own problem, but rather the symptomatic manifestation of underlying relations of power and inequality« (Greco 1998: 2). Psychosomatik und biopsychosozialer Ansatz lassen sich als Denkmanöver kennzeichnen, die von medizinischen Diagnosen auf Gesellschaftsdiagnosen schließen lassen und derart eine Reform sozialer Strukturen nahelegen.
5 E in »Krankheitsdilemma« liegt dann vor, wenn körperliche Beschwerden eines Individuums nicht auf physiologische Krankheitsfaktoren zurückführbar sind. Bei der »Gesundheitsparadoxie« stoßen Ärzte trotz allgemeinen Wohlbefindens ihrer Patienten auf eine (oft schwere) Krankheit im Körper.
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In den letzten Jahrzehnten vollzieht sich dieser Wandel entlang von Veränderungen im Krankheitspanorama der modernen Gesellschaft (Abnahme von Infektionskrankheiten, Zunahme sog. »Zivilisationskrankheiten« und chronischer Konditionen). Aufgrund der Tatsache, dass diese Pathologien nicht als schicksalhaftes Unglück beobachtet werden und zudem häufig irreversibel sind (z.B. Diabetes, Thrombose, Arthrose), verändert sich die Adressierung der menschlichen Umwelt über einen Seitenwechsel in der Differenz krank/gesund. Das Medizinsystem wird zu einem Gesundheitssystem ausgeweitet.6 Die gesellschaf tliche Hinwendung zum Gesundheitsbegrif f geht mit dessen semantischer Umprägung einher. Anstatt Leerformel in Opposition zum Krankheitsbegriff zu bleiben, operiert das Gesundheitssystem häufig mit einer weit gefassten Vorstellung von Gesundheit als »Zustand vollständigen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlergehens« (Weltgesundheitsorganisation 2014 [1946]: 1) oder als Bestand an Ressourcen wider die Stressoren und Widrigkeiten des Lebens in der modernen Gesellschaft (Antonovsky 1997 [1987]). Durch diese verlockende Aussicht wird der gesellschaftliche Umgang mit Gesundheit/Krankheit immer stärker auf das psychische System und die individuelle Lebensführung bezogen. Derart wird die Unwahrscheinlichkeit verwahrscheinlicht, »[…] daß der Mensch sich mehr und mehr mit seinem Körper beschäftige« (Luhmann 1983b: 174) und das eigene Handeln unter dem Gesichtspunkt der Präventivwirkung und Ressourcenstärkung beobachte. Der so vollzogene Wandel kann folglich als Umschalten von Immunität auf Ref lexion gedeutet werden. Wie andere Gegenstandsbereiche in der »Risikogesellschaft« (Beck 2012 [1986]) werden Gesundheit und Krankheit immer häufiger als Resultat von Entscheidungen beobachtet, im Hinblick auf Lernbedarf ref lektiert und dadurch auch für Individualisierungszwecke freigeschaltet. Inf lationäre Ansprüche sind gewissermaßen vorprogrammiert (Luhmann 1983a).7 Gerade im Umgang mit psychischen Erkrankungen besteht die große Entdeckung des 20. Jahrhunderts darin, »[…] daß die Probleme nicht dort ihre Wurzeln haben, wo sie auftreten, sondern woanders« (Luhmann 2012 [1999]: 91). Im Folgenden wird deutlich, dass die Referenz auf Psychopathologien wie kein zweiter Themenkomplex als Weiche fungiert, an der die Dif ferenz von Mensch und Gesell6 B ereits in den 1980er Jahren weist Luhmann (1983a/b, 2009 [1990]: 183) auf diese Entwicklung hin. Die anschließende Forschung hat seine Hypothese einer weiterführenden Analyse unterzogen (Bauch 1996, 1999, 2004; Pelikan 2007, 2009). 7 In der Sportsoziologie haben sich diese Entwicklungen als anschlussfähig für eigene Fragestellungen erwiesen, in denen die individuelle Entscheidung für einen sportlich-aktiven Lebensstil als gesundheitsbezogene Kalkulation von Lebenschancen einrückt. Sie führte zu Analysen der Berufschancen von Sportwissenschaftlern im Gesundheitsbereich (Cachay/Thiel 1997, 1999) oder über die Perspektive des Gesundheitssystems auf Möglichkeiten und Grenzen des Sports als Mittel der Gesundheitsförderung (Michelini/Thiel 2013; Michelini 2015).
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
schaf t problematisiert wird. In der systemischen Ref lexion über psychopathologische Entwicklungen in der Bevölkerung beobachtet die Gesellschaft zunehmend »normal accidents« (Perrow 1984), das heißt nicht-intendierte Folgen ihrer eigenen Operationsweise. Im Folgenden wird dargelegt, wie die moderne Gesellschaft gerade auch im Diskurs über die »Volkskrankheit« Depression ref lexiv wird, um sich selbst als Ursache der psychischen Probleme ihrer Mitglieder ins Bild zu setzen. Zu diesem Zweck werden zunächst die Besonderheiten des Konstrukts Depression in der Psychiatrie (Kap. 4) beschrieben, bevor dessen Thematisierung in der Öffentlichkeit (Kap. 5) rekonstruiert wird.
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Depression in der Psychiatrie
Das multitonale Reden über die Depression in der Öffentlichkeit nimmt seinen Ausgang vom medizinisch-psychiatrischen Diskurs. Weniger hinderlich als günstig wirkt sich dabei die Vagheit der Depressionssemantik in psychiatrischen Gefilden aus. Bereits die Wortkarriere der Depression in der Psychiatrie wird als »nosologische Katastrophe« (Shorter 2007: 6) rekonstruiert, weil sich die Vielzahl an Konnotationen, Assoziationen und Hintergründen des Depressionsbegriffs seit seinem Auftauchen gegen Ende des 19. Jahrhunderts kaum sinnvoll einteilen lassen (McPherson und Armstong 2006: 57; Shorter 2007). Bald bezeichnet der Begriff ein partikulares Symptom, das bei fast allen psychischen Krankheitsbildern auftritt. Bald umfasst er als Syndrom eine Konstellation verschiedener Symptomlagen, dem jeweils andere psychische Störungsbilder zugrundeliegen.8 Bald wird die Depression zu einer eigenständigen Pathologie (engl.: »disorder«), gleichsam der »Schnupfen in der Psychopathologie« (Seligman 1982 [1975]: 73) bzw. die »zentrale psychopathologische Erkrankung« (Beck et al. 1999 [1979]: 6). Inzwischen wird sie bereits zum psychiatrischen »Paradigma« (Roudinesco 2002: 26) erhoben und als psychische Signatur der modernen Gesellschaft kategorisiert.9 Wenn im psychiatrischen Diskurs von einer Depression gesprochen wird, wird eine ganze Serie begriff licher Folgeunterscheidungen angeschlossen, die auf unterschiedliche Bezugsprobleme verweisen. Hier assoziiert der Begriff zeitstabile Persönlichkeitsstrukturen, hier die unterschwellige Vorform einer manife8 M it Melancholien, Neurasthenien, Psychasthenien, Dysthymien, Dysphorien, Neurosen oder auch Psychosen zirkuliert eine ganze Reihe von Krankheitsbildern, die in bestimmten Entwicklungsphasen der Psychiatrie, im Rahmen verschiedener Diagnosesysteme sowie in jeweils unterschiedlichem Ausmaß depressive Syndrome bzw. Symptome miteinbeziehen. Depressive Zustände befänden sich demnach »[…] an der Schnittstelle verschiedener Krankheitskategorien.« (Ehrenberg 2008: 99) 9 Ist nicht der niedergeschlagene, depressive Mensch, so fragt beispielsweise Jurk (2005: 175; Herv., F.K.), der »Prototyp des modernen Menschen«?
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Depression im Spitzensport: Psychisches Leiden als Kommunikationsthema
sten Erkrankung (»subthreshold depression«), dort akute Notlagen mit suizidalen Tendenzen und/oder psychotischen Anwandlungen (»minor«/»major« bzw. leicht/ mittel/schwer oder auch dysthymisch/depressiv). Man findet die Depression im Singular wie im Plural. Sie wird als binär codiert oder in ein Kontinuum zwischen gravierender Störung und bloßer Normalität eingeordnet (kategorisch/graduell). Sie tritt episodisch auf, kehrt wieder oder bleibt dauerhaft (akut/rezidivierend/ chronisch). Einmal meint sie eine erbliche, schwer behandelbare Stoffwechselkrankheit, die ohne Vorwarnung ausbrechen könne. Ein anderes Mal verweist sie als »reaktive«, »neurotische« oder »intermittierende« Störung auf psychogene Ursachen in der Lebensgeschichte des Betroffenen (endogen/exogen bzw. biochemisch/psychosozial). Mit Einführung des von der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (APA) entwickelten DSM-3 (im Jahr 1980) als internationalem Klassifikationssystem zur Standardisierung psychiatrischer Störungsbilder, seit 1992 zudem als Grundlage der von der WHO herausgegebenen ICD etabliert (Ingenkamp 2012: 16), veränderte sich die klinische Konstruktion depressiver Erkrankungen in besonderem Maße. Wohl zielte das DSM-3-System darauf ab, psychische Erkrankungen in unterscheidbare Krankheitsentitäten aufzuteilen, um auf die Kritik der antipsychiatrischen Bewegung zu reagieren, an Medikalisierungsstrategien festzuhalten und Alleinstellungsmerkmale gegen konkurrierende gesprächs- und gemeindetherapeutische Ansätze zu verbuchen (Wilson 1993: 404ff.). Insbesondere für das Krankheitsbild Depression lässt sich allerdings eine zunächst innerpsychiatrische Wandlung nachvollziehen, von der seitdem weitreichende, in diesem Ausmaß nicht vorhersehbare Folgen für den gesellschaftlichen Diskurs über das Krankheitsbild ausgehen. Nachdem verschiedene Wegbereiter der Psychiatrie gemäß einer »two-depression doctrine« (Shorter 2007) stets scharf zwischen zwei gänzlich verschiedenen, hin und wieder jedoch gleichermaßen als »depressiv« etikettierten Krankheitsbildern unterschieden, fasst die »major depressive disorder« (MDD) diese Störungsformen seit Veröffentlichung des DSM-3 unterschiedslos zusammen. Die »major depression« fungiere als eine Art kodifiziertes Chaos, als »[…] single depression category into which almost any dysphoric patient could be squeezed« (ebd.: 10). Trotz wiederkehrender Überarbeitungen finden selbst Psychiater und Psychotherapeuten seit Jahren keinen Konsens über diese »undefinierbare Krankheit« (Ehrenberg 2008: 99). Indes erzeugt die epidemiologische Forschung die statistische Fiktion der Depression als einer weit verbreiteten, allgegenwärtigen »Volkskrankheit« (Ingenkamp 2012: 215).10 10 National wie international sind Depressionen in den Status einer »Volkskrankheit« aufgestiegen oder werden als »Modediagnose« beobachtet. Wittchen et al. (2010: 19) haben im Rahmen ihrer Gesundheitsberichterstattung im Auftrag des Bundes ermittelt, dass die Lebenszeitprävalenz
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
Um eine Depression zu diagnostizieren, haken Psychiater, Ärzte und Psychotherapeuten Symptome nach Checklisten ab, zunächst ohne sich intensiver mit der Biografie und den akuten Lebensumständen des Betroffenen auseinanderzusetzen. Zwar problematisieren die Klassifikationsregeln der Depression in ihrer neuesten Version (DSM-5) die Pathologisierung anhaltender Trauer über »Verlustereignisse (z.B. Trauerfall, finanzieller Ruin, materielle Verluste bei Naturkatastrophen, schwerwiegende Erkrankungen oder Behinderungen)« (Maier et al. 2014: 218), die ebenfalls mit sozialem Rückzugsverhalten, Schlaf-, Appetit- oder Interesselosigkeit und anderen »Symptomen« einhergehen können. Sie bleiben allerdings im Vagen, Beispielhaften und mahnen an: »Auch wenn diese Symptome nachvollziehbar und bezogen auf den Verlust angemessen erschienen, sollte sorgfältig geprüft werden, ob nicht dennoch eine Episode einer Major Depression diagnostiziert werden sollte« (ebd.; Herv., F.K.). Andere Lebensereignisse und psychosoziale Faktoren (z.B. Versagen bei wichtigen Prüfungen, Treuebruch in langjährigen Beziehungen, plötzliche Arbeitslosigkeit oder bittere Niederlagen in sportlichen Wettkämpfen), werden nicht thematisiert – und insofern in die Definition einer »Depression« eingeschlossen. Im psychiatrischen Blick verschwimmt derart die Grenze zwischen Krankheit und Leid. Indes bleibt kaum mehr fraglich, ob sich die Klientel finden lässt, die über eine »depressive« Symptomatik berichten kann. Umso diffuser gestaltet sich die diskursive Entwicklung der Semantik und ihrer diagnostischen Verwendung. Dies zeigt sich erstens im inf lationären Aufbrechen immer neuer Bindestrich-Depressionen, wie z.B. Angst-Depressionen, Erschöpfungs-Depressionen, Belastungs-Depressionen, Entlastungs-Depressionen, Zwangs-Depressionen, Borderline-Depressionen, Schwangerschafts-Depressionen, Alters-Depressionen, Erfolgs-Depressionen, Facebook-Depressionen oder auch »Jammer-Depressionen« (Meiss 2016: 116). Zweitens kommt sie in der Überzeugung zum Ausdruck, dass selbst hinter der exzessiven Darstellung kultureller Männlichkeit häufig ein »Acting out« pathologischer Depressionen stecke.11 Drittens steht die Konstruktion maskierter bzw. »larvierter« Depressionen, die sich als körperliche Schmerzen oder organische Krankheiten tarnen, für die depressiver Erkrankungen in der Bundesrepublik Deutschland bei 19 Prozent liegt (Frauen: 25 %; Männer: 12 %). In etwa ein Fünftel der Bevölkerung erkranken demgemäß mindestens einmal in ihrem Leben an einer Depression. Im EU-internen Vergleich unterscheiden sich diese Zahlen nicht wesentlich von Werten, die vergleichbare Studien in anderen Ländern ermittelt haben (ebd.: 18). 11 Hierzu Kilmartin (2005: 97; Herv., F.K.): »Diagnostically, I believe that masculine symptoms of depression should include: bad temper, aggression (anger is the ›masculine emotional funnel system‹, one of the few emotions for which male expression is culturally sanctioned; thus vulnerable emotion is often converted into anger), substance abuse, physical and sexual risk taking, emotional numbness, over-involvement in work or sports or both, and impoverished friendships.«
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höhere Komplexität des diagnostischen Konstrukts (psychisch/larviert). Auch Magenbeschwerden, Rückenschmerzen, Migräne oder Tinnitus können dieser Logik gemäß als (somatisierte, somatoforme) Depression beobachtet werden, was die Grenze zwischen Körpermedizin und Psychiatrie immer durchlässiger werden lässt.12 Viertens zeigt sich ihre Unbestimmtheit in der Annahme mäandernder Symptomverläufe, die sich sogar zu bipolaren Störungen entwickeln können (Maier et al. 2014: 224). Nach Jahrzehnten unscharfer Verwendung ist das psychiatrische Konstrukt Depression so außer Form geraten, dass es fast keine Spezifität mehr aufweist. Die somatische, behaviorale, kognitive und affektiv-emotionale Symptomatologie der Depression gestaltet sich als derart janusköpfig und uneindeutig, dass ihre klinische Bedeutung nicht zufällig immer wieder infragegestellt wird (Shorter 2007; Pilgrim/Bentall 1999; Ehrenberg 2008: 99ff.). Bei keinem anderen Störungsbild herrsche ein vergleichbarer Begriffswirrwarr (Schleiffer 2013: 80). Ganz verschiedene Symptome psychischen Leidens, somatisierte Formen, typisch weibliches Verhalten, aber auch maskuline Selbstdarstellungen – hinter vielem lässt sich eine »Depression« vermuten. Das Depressionskonstrukt führt gewissermaßen Eigenschaften der Gottessemantik weiter, nämlich das Zusammenfallen der Gegensätze (coincidentia oppositorum) im Begriff.13 Ihm lassen sich selbst disjunktive Symptome und Verhaltensweisen zuschreiben, die sich im konkreten Einzelfall gegenseitig ausschließen. Melancholisch und gefühllos. Lethargisch und agitiert. Sozialer Rückzug und aggressive Flucht nach vorne. Hypersensibel und empathielos. Appetitlos und von Heißhungerattacken geplagt. Gewichtszunahme und Gewichtsverlust. Insomnie und Hypersomnie (Ingenkamp 2012: 11f.). Die Kategorie Depression konstruiere, so folgert auch Jurk (2016: 325), eine von den Gesetzmäßigkeiten der Logik befreite, »[…] aseptische Scheinwelt […], in der es keine Widersprüche mehr gibt«. Sie rekonstruiert die Depression gar als eine »ununterscheidbare« Kategorie, die mit einer nahezu willkürlichen Zuordnung von Symptomkomplexen kompatibel sei. Depressionen werden somit nicht nur umso häufiger diagnostiziert. Kommunikationstheoretisch betrachtet darf die chamä-
Bemerkenswert ist, dass hier eine Art Pathologisierung intensiven Sporttreibens mitangelegt ist. 12 Wichtig ist zu betonen, dass die beschriebenen Beschwerden hier nicht als Folge einer Depression beobachtet werden, sondern als Depression (in eben körperlicher Symptombildung). 13 Die Annahme koinzidierender Gegensätze in Gott findet sich beispielsweise in der theologischen Philosophie des Nikolaus von Kues. Die Absolutheit und Unendlichkeit Gottes lasse sich nicht mit der Annahme vereinbaren, dass Gott ein bestimmtes Etwas nicht ist. Gott sei jenseits aller Unterscheidung. Im Begriff Gottes, so die (theo-)logische Folgerung, müssten alle in der Welt ausgefalteten Gegensätze eingefaltet sein. Der vergleichenden Tätigkeit des menschlichen Verstandes sei die Erkenntnis Gottes deshalb unmöglich.
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leonartige Depression sogar als begrif f licher Knoten- und Umschaltpunkt gelten, von dem ganz weitläufige Assoziationen ausgreifen können. Die gesellschaftliche Karriere der Depression als einer Art »Modekrankheit, wenn nicht […] Jahrhundertkrankheit« (Ehrenberg 2008: 13), oder auch »Massenkrankheit« (Summer 2008: 9), geschieht im Windschatten dieser Entwicklungen im medizinisch-psychiatrischen Diskurs. Weil die Depression als Sammelbegriff für verschiedenste Leidensphänomene fungiert, kann sie außerhalb dieser Expertendiskussion erst recht zu einem »semantischen Attraktor« (Ehrenberg 2008: 133) werden. Die gesellschaftliche Funktion ihrer Unterbestimmtheit lässt sich gerade darin vermuten: nicht diagnostische Klarheit zu schaffen, sondern einen kommunikativen Spielraum zu kreieren, der ein hohes Fassungsvermögen für die verschiedensten Verknüpfungen aufweist und multipel anwendbar ist.
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Depression in der Öffentlichkeit
Die Verwässerung des Depressionskonstrukts in der Psychiatrie geht Hand in Hand mit der Tatsache, dass Depressionen zu einem Groß-, Dauer- und Krisenthema im öffentlichen Diskurs werden. Inzwischen sind Depressionen ein regelrechtes Brennpunktthema, dem ein fast schon »ikonischer Status« (Horwitz/ Wakefield 2007: 25) zukommt. Ihre gesellschaftliche Virulenz resultiert dabei aus keiner bloßen Diffusion aus dem psychiatrischen Entstehungskontext heraus. Vielmehr geht sie auf einen »demand-pull« in der öffentlichen Meinung zurück. Damit sei keineswegs behauptet, dass jeder mit jedem über seine psychischen Probleme spricht. Dennoch hat das Thema bereits in ganz verschiedene Kontexte Einzug genommen. Fast immer macht es als eine Art vergegenständlichte Depression-an-sich die Runde, deren soziale Konstruiertheit konsequent ausgeklammert wird. Im Folgenden wird das zunehmend barrierefreie Flottieren der Depressionssemantik in der Öffentlichkeit zum einen als eine Spielform ökologischer Kommunikation beschrieben (Kap. 5.1), die die Gesellschaftsmitglieder in größere Erregungszustände versetzt und wirkungsvoll zu einer »Sorgengemeinschaft« (Sloterdijk 2011: 12) zusammenschweißt. Zum anderen wird die Verbreitung therapeutischer Diskurse in der Gesellschaft, elementarer Nährboden des Redens über Depressionen, auf seine sozialen Grundlagen hin beobachtet (Kap. 5.2). Beide Diskurse befeuern die Möglichkeit moderner Individuen, ihre eigenen Lebenskrisen sowie Probleme anderer auf den Begriff (einer »Depression«) zu bringen und somit an die kommunikativ verfügbaren Strukturen anzuschließen.
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Ökologischer Diskurs
Das verbreitete Reden über die Depression als Volkskrankheit lässt sich als Teil des ökologischen Diskurses in der funktional differenzierten Gesellschaft einordnen. Im systemtheoretischen Deutungsrahmen verweist der Terminus Ökologie prinzipiell auf die nicht-sinnhafte Außenwelt von Gesellschaft. Damit schließt er das Themenspektrum jener Krisen, Probleme und Störungen ein, die als Externalitäten der gesellschaftlichen Operationen beobachtet werden und somit die Umweltabhängigkeit von Gesellschaft in der Kommunikation repräsentieren. Ökologische Kommunikation erfüllt demgemäß eine Alarmierfunktion. Sie rekonstruiert ein akutes Problem als Zukunft einer vergangenen Gegenwart und ordnet es als Folge (oder Folgesfolge) gesellschaftlicher Operationsweisen, Entscheidungsprämissen, Erwartungshaltungen oder Kommunikationsstrukturen ein. Ökologische Ref lexion versetzt die Gesellschaft nicht nur in die Lage, ihre (Rück-)Betreff barkeit durch Umwelteinwirkungen in Rechnung zu stellen, sondern auch die eigene Zukunft als prekär vorwegzunehmen. Der ökologische Diskurs findet vor allem in der Öffentlichkeit statt. Als »Öffentlichkeit« bezeichnet die Systemtheorie einen Kommunikationszusammenhang, in dem alles thematisiert wird, was für die Gesellschaft und ihre Funktionssysteme allgemein von Interesse ist (Hellmann 1997: 38). Öffentliche Kommunikation generiert ihre Bedeutung demgemäß nicht primär aus sich heraus, sondern durch die Integration der gesellschaftlichen Teilbereiche, also mit Bezug auf »Systeme-in-der-Umwelt-des-Systems Öffentlichkeit« (ebd.: 48). Als gesellschaftsinterne Umwelt der Funktionssysteme fungiert Öffentlichkeit als »allgemeines gesellschaftliches Ref lexionsmedium« (Luhmann 1996: 187), das den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang sowie die Interdependenz der Teilbereiche repräsentiert. Öffentlichkeit entsteht in dem Maße, wie Ereignisse in der Gesellschaftsumwelt oder bestimmten Sozialbereichen als gesamtgesellschaftlich relevant, aktuell oder besonders auffällig selektiert werden (Hellmann 1997: 47f.). Gerade deshalb tauchen im öffentlichen Diskurs häufig Risiko- bzw. Folgeprobleme der funktional differenzierten Gesellschaft auf, die ihre Selbstbeobachtung ankurbeln, Umweltabhängigkeit bewusstmachen und derart ein allgemeines Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen lassen (Kohring 2006: 168f.) Wie kein anderes Krankheitsbild zuvor steigert die Depression, bisweilen auch in der Version als Burnout (»Erschöpfungsdepression«), die gesellschaftliche Sensibilität für ihre psychische Umwelt und sorgt dafür, dass sich die Gesellschaft auf diesem Weg selbst thematisiert. Der Gesellschaftsdiskurs über Depressionen bezieht sich somit zwar nicht auf Kollateralwirkungen in der nicht-sinnhaften Natur (z.B. Klimawandel, Artensterben, Umweltverschmutzung oder Genmutationen), operiert aber im selben Denk- und Beobachtungsschema, repräsentiert also die Möglich-
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keit, »[…] daß ein System so auf seine Umwelt einwirkt, daß es später in dieser Umwelt nicht mehr existieren kann« (Luhmann 2008 [1985]: 25). Die Depression ist demnach zwar nach wie vor auch ein individuelles Leiden, das sich in der personalen Selbstbeobachtung abspielt; sie ist auch ein Problem, dessen Ursache biologische Psychiater in Stoffwechselprozessen vermuten; im soziologischen Blick ist sie aber gerade auch ein gesellschaftlicher Diskurs, der sich in einem facettenreichen, turbulenten und nicht moderierbaren Kommunizieren der Kommunikation über sich selbst zeigt. Dieser Aspekt wird im weiteren Verlauf fokussiert. Die gesellschaftliche Bedeutung des Depressionsthemas unterscheidet sich in dieser Deutung erheblich von der portugiesischen Saudade, die – ohnehin kein pathologisches Konzept – im Modus reiner Selbstbezüglichkeit verbleibt und eine nostalgische Sehnsucht der einstmaligen Seefahrernation nach dem Weltreichstatus vergangener Zeiten kultiviert. Mit dem Begriff wird das portugiesische Lebensgefühl bezeichnet, das als eine Form genießbarer, fast glückhafter Schwermut Einzug in die verschiedenen Bereiche portugiesischer Kunst und Kultur, insb. in Musik (z.B. im Fado-Stil) und Literatur (etwa in den Texten von Almeida Garrett oder Fernando Pessoa), genommen hat.14 Auch die traditionsreiche Melancholie, bisweilen als »Vorgängerstörung« (Ingenkamp 2012: 16) der Depression bezeichnet oder mit einem »depressiven Charakter« (Metzinger 2000: 139) assoziiert, blickt noch auf eine andere Begriffskarriere zurück.15 Bereits seit Ende des Mittelalters ist sie nicht primär als klinisches Konstrukt im Einsatz. Im Gefühl der Melancholie zeigt sich zwar die Macht- und Bedeutungslosigkeit bestimmter Stände, Klassen und Gruppen in der stratifizierten Gesellschaft, das Genie ohne Bewunderer oder ein sonstwie blockierter Weltzugang. Nicht zuletzt in der Ideologie des »Melancholie-Verbots« (z.B. am Hofe oder in der utopischen Literatur) wird allerdings angezeigt, dass die Semantik für in Grenzen entscheidbare, in bestimmten Räumen (bspw. im Salon, im bürgerlichen Intérieur, in der Natur) stimulierte Formen der Abweichung von Regeln, Normen und anderen sozialen Erwartungs- und Ordnungsmustern (u.a. für Resignation, Langeweile, Nichtstun oder Zurückgezogenheit) stehen kann. Bisweilen wird sie gar als Zeichen einer selbstgewählten oder standesgemäßen Lebensführung (z.B. in literarisch-künstlerischer Tätigkeit, philosophischer Ref lexion oder eskapistischer Einsamkeitsliebe) gesehen. Als Symbol für die psychopathologischen Kollateralschäden der funktional differenzierten Gesellschaft wird sie jedoch nicht wirksam. 14 Detaillierte Studien hierzu liefert Lourenço (2001). 15 Die Geschichte der Melancholie in verschiedenen Epochen ist derart komplex, facettenreich und international, dass sie sich nur unter Inkaufnahme erheblicher Unschärfen auf den Nenner einer allgemeinen Einschätzung bringen lässt. In gebotener Ausführlichkeit setzt sich Lepenies (1972) mit der Kulturgeschichte der Melancholie und ihrer kontexturalen Bedeutungen auseinander.
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Die Konstrukte Depression und Melancholie stehen für unterschiedliche semantische Regelungen des gesellschaftlichen Umgangs mit Gefühlen. Sie dokumentieren Veränderungen in der »Gefühlskultur«, die sich im Kontext des Umschaltens von stratifikatorischer auf funktionale Gesellschaftsdifferenzierung vollzogen haben.16 Die Melancholiesemantik bündelt ähnliche »Symptome einer instabilen Gesellschaft« (Lepenies 1972: 32) wie die Depression. Das Problem an der Melancholie wird aber tendenziell darin gesehen, dass man sich infolge von Verlusterfahrungen nicht mehr an die gesellschaftlichen Erwartungen hält – weniger darin, dass man sich an inf lationären Ansprüchen gesellschaftlicher Funktionssysteme zugrunderichtet. Werden die negativen Emotionen, die mit der Melancholie assoziiert sind, in diversen Bereichen noch gesellschaftlich legitimiert oder sogar stimuliert, wird die Depression als pathologische Individualität auf der anderen (psychischen) Seite von Sinn behandelt, die tödlich ist und dringend therapiert werden muss. Gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hat der öffentliche Depressionsdiskurs im Nervositäts- bzw. Neurastheniekonzept allerdings einen bedeutenden Vorläufer. Die Diskursgeschichte der Depression weist frappierende Ähnlichkeiten mit den inner- wie außerpsychiatrischen Wirkungen der Neurasthenie auf, wie sie Radkau (2000) historisch beschreibt. Dies betrifft nicht nur die Tatsache, dass die Depression eine Reihe von Symptomen der in Vergessenheit geratenen Neurastheniediagnose geerbt hat, sondern, mehr noch, dass beide Krankheitskonstrukte gesellschaftliche Veränderungen, die mit neuartigen Lebens- oder auch Leidenserfahrungen des modernen Individuums einhergehen, auf ihren Krankheitsbegriff bringen. Beide Konstrukte fungieren »als begriff liches Scharnier zwischen persönlicher Erfahrung und Wahrnehmung der gesamten Zeitsituation« (ebd.: 501).17 Nachstehend wird in der gebotenen Ausführlichkeit dargelegt, dass psychische und gesellschaftliche Problemlagen heutzutage häufig im Medium der Depressionssemantik aufeinander bezogen werden. Bislang hat kein psychisches Krankheitsbild vergleichbar für Furore gesorgt. Depressionen sind ein zunehmend fester Bestandteil des »Kultur« genannten »Vorrats möglicher Themen« (Luhmann 2012 [1984]: 224f.) geworden. Die Gesellschaft hat bereits ein umfassendes »kollektives Wissen« (Willke 2005: 116) angehäuft, das unabhängig von den idiosynkratischen Erfahrungen betroffener wie nicht-betroffener Psychen besteht und seine eigene kommunikative Realität generiert. Der Diskurs um Depressionen ruft ein alarmiertes Denken hervor, demnach die »[…] wahre Klima16 A llgemeine Überlegungen hierzu liefert Stenner (2004: 176ff.), allerdings ohne sich auf die Semantiken Melancholie bzw. Depression zu beziehen. 17 Auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesen Parallelen kann an dieser Stelle nicht genauer eingegangen werden.
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katastrophe in den Seelen der Menschen« (Ingenkamp 2012: 21) stattfinde. Die Konjunktur der Depression als Kommunikationsthema steht geradezu sinnbildlich für die Tendenz, gesellschaftliche Probleme im Medium individuellen Leids zu verstehen. Unabhängig davon, ob und wie genau Depressionen tatsächlich durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen verursacht werden, sind sie gerade deshalb soziologisch interessant, weil sie in ihrer Deutung als Zeitkrankheit eine Vielzahl an sozialen Anlässen stiften, um zentrale Problemlagen des modernen Individuums zu thematisieren. Depressionsgeschichten zirkulierten wie eine Art Spiegel, in dem sich die Dilemmata des zeitgenössischen Individuums zeigten (Ehrenberg 2008: 14). Ganz gleichgültig, ob sie als Folgen der Lockerung sozialer Bindungen, als Selbstentfremdung in der »Leistungsgesellschaft«,18 als Zukunftsverlust in der »Beschleunigungsgesellschaft« (Rosa 2005: 137) beschrieben werden oder sonst »irgendeine gesellschaftliche Kausalität« (Ehrenberg 2012: 500) unterstellt wird, werden Depressionen als »gesellschaftliche Pathologien« (ders. 2007: 57) interpretiert und als »Symptome eines erheblichen Unbehagens in der Kultur« (ebd.: 58) kommuniziert. Wer über ein depressives Leiden spricht, kann folglich mit Leichtigkeit auf die Rhythmik moderner Lebensverhältnisse verweisen, biografische Risiken thematisieren, Rollenkonf likte ref lektieren, Kulturkritik üben oder sonstige Implikationen auf das Sozialleben anschließen. Resultierende Erzählungen konfrontieren die Gesellschaft und ihre Teilbereiche mit ihren selbstproduzierten Wirkungen, die wohl privat beobachtet, an Personen diagnostiziert sowie in individuellen Leidensgeschichten geschildert werden. Im Medium des Depressionsbegriffs werden sie aber als erwartbare Reaktion auf überindividuelle Strukturdynamiken interpretierbar. Mit erhobenem Zeigefinger weist das Reden über Depressionen auf die Reformbedürftigkeit sozialer Strukturen hin und schaltet eine Dynamik lösungsbezogener Kommunikation in Massenmedien, Wissenschaft, Sport und anderen sozialen Kontexten frei. Auch darin besteht eine Funktion solcher Krisenthemen: Einmal eingespielt, dramatisieren die verschiedenen Funktionsbereiche zwar ihre prekäre Umweltlage, nutzen die allseits kommunizierte Aufgeregtheit aber eigennützig für ein Weitertreiben ihrer operativen Selbstbezüglichkeit (Körner 2008: 95). Vor allem kann der »therapeutische Diskurs« (Illouz 2011) anschließen, der, wie das nächste Kapitel zeigen wird, immer mehr Gesellschaftsbereiche erfasst und auch die Kommunikation über das depressive Leiden zunehmend erwartbar macht. 18 O b ein Mensch depressiv wird, hänge demnach in besonderem Maße auch von seinem beruflichen Werdegang ab. Wulsin et al. (2014) vergleichen die Prävalenzzahlen depressiver Erkrankungen in verschiedenen Industrie-, Berufs- und Aufgabenfeldern für den US-Bundesstaat Pennsylvania und differenzieren zwischen »high-rate« und »low-rate occupations« gemäß u.a. Öffentlichkeit des Rollenhandelns, Kontaktfrequenz mit verärgerten Kunden, notwendiger Gefühlsarbeit, physisch-körperlicher Komponenten der Arbeitstätigkeit.
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Therapeutischer Diskurs
Bereits vor diesem Hintergrund lässt sich besser verstehen, warum die Thematisierbarkeit von psychischem Leidensdruck in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen hat. Sowohl psychisch verankerte Hemm- und Entmutigungsschwellen (z.B. infolge von Takt- und Taburegeln, Schweigepf lichten) als auch gesellschaftliche Indifferenzschwellen der Kommunikation über psychische Leidensformen und ihre Symptome sind sukzessive gefallen. Eine elementare Weiche dieser Entwicklung stellt jedoch der »take off« des psycho- bzw. gesprächstherapeutischen Paradigmas gegen Anfang des 20. Jahrhunderts dar. Insbesondere mit der von Freud ausgehenden Psychoanalyse beginnt eine Entmoralisierung der psychiatrischen Sonderkommunikation, die die »psychische Reizbarkeit« (Fuchs 1998: 222) der modernen Gesellschaft enorm steigert. In der therapeutischen Kommunikation büßen selbst inzestuöse Fantasien, Penisneid und sonstige Perversionen des Denkens und Fühlens ihre Unaussprechlichkeit ein. Im Setting Psychotherapie werden sie an Theorien des Über-Ichs, der Libido oder Abwehr gezähmt, als Grundstrukturen des menschlichen Bewusstseins normalisiert und zum legitimen Gesprächsthema aufgewertet (Castel 1987: 175ff.). Mit der freien Assoziation macht Freud gar eine Kommunikationstechnik zum Markenzeichen der psychoanalytischen Intervention, noch bevor sie als Verlautbarung des »Bewusstseinsstroms« im literarischen Surrealismus zum Prinzip künstlerischen Schaffens erhoben wird. Auch die Vielzahl der psychotherapeutischen Schulen nach Freud, die sich vom psychoanalytischen Paradigma weitgehend distanzieren (insb. kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze), ist von der Wirksamkeit gesprächstherapeutischer Intervention überzeugt. Die Botschaft bleibt: Man muss über sein Leiden sprechen! Die früh einsetzende, heftige Kritik an den Freudʼschen Axiomen hat indes nicht nur zu einer ultrastabilen, gegen Widerspruch immunisierten Anhängerschaft der Psychoanalyse geführt. Über alle Höhen und Tiefen der Freudrezeption hinweg hat sie die Diskussionswürdigkeit des Themenbereichs psychischer Krankheit mitsymbolisiert.19 Von hier aus bricht sich der öffentliche Diskurs über »Geisteskrankheiten« bzw. »psychische Störungen« Bahn, zieht weite Kreise und nimmt Einzug in die populäre Sprache (Illouz 2011: 45ff.). Mit Ausdifferenzierung der Neurowissenschaften und Intensivierung der psychopharmakologischen Forschung ist seit geraumer Zeit ein neues Vokabular für das psychische Leiden entstanden (Ehren19 A dler (2006) arbeitet die fortwährende Bedeutung der Freudʼschen Psychoanalyse in der Kultur der modernen Gesellschaft heraus. Zur Psychoanalyse als Phänomen von »wahrhaft erstaunlicher« soziokultureller Reichweite vgl. überdies Berger (1972: 164), demzufolge man Freud hätte erfinden müssen, wenn es ihn nicht gegeben hätte. Die beiden Untersuchungen beziehen sich zwar auf die Karriere der Psychoanalyse in den USA. In Grundzügen gelten sie allerdings für die funktional differenzierte Gesellschaft im Allgemeinen.
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berg 2008: 133f.). Im Rahmen eines Paradigmas, das die Biochemie von Neurotransmittern erforscht und bunte Bilder von der materialen Struktur des Gehirns produziert, wird zwar häufig für pharmakotherapeutische Interventionen plädiert. Gleichzeitig erschließen Referenzen auf Frontallappen, Synapsen, Endorphine, (Nor-)Adrenalin oder Serotonin Inhalte, die Stressgefühle, Angst und Melancholie in die Sprache der Biologie übersetzen und nunmehr auch in dieser Form im öffentlichen Diskurs auftauchen können. Indes hat sich nahezu gesellschaftsweit eine »Kultur der Couch« (Castel 1987: 178) bzw. eine »Therapy Culture« (Furedi 2004) etabliert, in deren Rahmen psychoanalytische, psychiatrische und psychotherapeutische Weltbilder immer tiefer in die öffentliche Meinung »einsickern«. Auch außerhalb therapeutischer Systeme wird die Behandlungs- und Beratungsbedürftigkeit des Menschen zum erwartbaren Kommunikationsthema. Vor allem die Idee des Unbewussten erweist sich als wirkmächtig. Sie fasziniert wie kränkt das moderne Subjekt gleichermaßen. In jedem Fall macht sie ein Beobachtungsschema verfügbar, demnach sich jegliches Verhalten und Handeln auf latente, der Person selbst »nicht zugängliche Zonen der Motivbildung« (Fuchs 1998: 234) hinterfragen lässt. Auch gemeinhin beiläufig wahrgenommene oder taktvoll übergangene Phänomene (z.B. Träume, leibnahes Verhalten oder sprachliche Fehlleistungen) werden nunmehr als höchst bedeutsame Zeichen einstuf bar, über die sich mit anderen reden lässt. Seit geraumer Zeit wird in der Öffentlichkeit vor allem auch über Depressionen debattiert. Das verbreitete Reden über die Depression wird dabei nicht zuletzt durch das begriff liche Umfeld der Depressionssemantik befeuert. Zum einen zirkuliert das Depressionskonstrukt rundum die Rhetorik der »psychischen Gesundheit« (Ehrenberg 2012: 18ff.), die aufgrund ihrer definitorischen Unbestimmtheit nahezu allgegenwärtig ist und sich vielversprechend vermarkten lässt. Work-life-Balance, Selbstbestimmung, Glück, Zufriedenheit, Achtsamkeit und Aktivität – allesamt stellen sie auf irgendeine Weise psychische Gesundheit unter Beweis. Wer Schwierigkeiten hat, sollte sich helfen lassen. Im Zuge dieser Entwicklung wird im alltäglichen Sprachgebrauch gerade das Wort Depression zu einer »Sammelbezeichnung all dessen […], was wir als negative Gefühle wahrnehmen« (Jurk 2016: 325), und lässt sich umso mehr auf jene Fälle anwenden, die am Anspruch geistiger Gesundheit zu scheitern drohen. Auch die »von der Außenwelt geführte Attacke« (Foucault 2012 [1968]: 17) namens »Stress« spielt eine wichtige Rolle. Alle Welt spricht über Stresserfahrungen. »Eustress« oder »Distress«? Die Anspannung bleibt. Und Stress verursacht Folgestress. Selbst der Versuch, dem Stress durch autogenes Training, progressive Muskelrelaxation oder Yoga zu entf liehen, kann »stressen«, z.B. wenn die Technik nicht anschlägt und sich die Arbeit indessen anhäuft. Wenngleich die genetisch bedingte Vulnerabilität und der individuelle Umgang mit »Stressoren« variieren mögen, verweist der Stressbegriff stets auf die Anspruchslage der gesellschaft-
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lichen Umwelt und somit die Möglichkeit, depressiv zu werden. Wer Depressionen abstrakt auf Leistungsdruck zurückführt, darf auf die Selbstevidenz dieser Kausalitätsunterstellung bereits vertrauen, muss also nicht notwendigerweise konkrete Erläuterungen nachliefern.20 Zum anderen lebt die Semantik der »Seele« in der Kommunikation über Depressionen wieder auf. Als hochkomplexes Symbol erzeugt auch die Rede von der Seele ein »Feld der Nicht-Eindeutigkeit« (Fuchs 2005: 95), das sich gerade dem Zugriff der Naturwissenschaften wirksam entzieht. Der Begriff kehrt nicht zufällig im Rahmen des Depressionsdiskurses vielfach wieder, da er sowohl auf das Selbsterleben referiert, aufgrund seiner religiösen Konnotationen aber auch darüber hinausweist (Geulen 2005: 528). Während der Begriff vielfach zirkuliert, weiß niemand so recht, was gemeint ist. Für die Omnipräsenz der Depressionssemantik gilt in ähnlicher Weise: Sie sei »[…] at once familiar and mysterious« (Seligman 1973; zit. in Pilgrim/Bentall 1999: 265). Das Konzept »seelischen Leidens«, mit dem Depressionen häufig umschrieben werden, verweist somit potenziell auch auf gesellschaftliche Ursachen zurück. Es bleibt aber hinreichend diffus, um ein ganzes Sammelsurium an Themen, Inhalten und Anekdoten aufgreifen zu können. Seit geraumer Zeit besteht im Burnout-Konzept eine beliebte Alternative, um die psychische Überforderung mit sich selbst in der Welt auszudrücken. Wohl herrscht in der psychologischen Literatur eine Debatte über die pathologische Eigenständigkeit des Burnout-Syndroms. In weiten Teilen der Öffentlichkeit werden die Begriffe dennoch oft synonym verwendet, fungiert doch bereits der Depressionsbegriff als Verweis auf belastende Lebensbedingungen in der modernen Gesellschaft. Das konstitutive Moment der Burnout-Semantik besteht allerdings darin, dass die Metaphorik des Ausgebranntseins Leidensursachen noch stärker externalisiert und in der psychischen Abweichungsdynamik zudem eine permanente Einsatzbereitschaft des Betroffenen honoriert. Als Symbol für Abweichung und Konformität zugleich liest sich das Burnout-Konstrukt wie eine Wasserstandsmeldung über den bedauerlichen Zustand der »Leistungsgesellschaft«, der die Subjekte reihenweise bzw. einzelne Personen beispielhaft zum Opfer fallen. Entsprechend leicht lässt sich eine »Epidemie« (Hillert/Marwitz 2006) annehmen. Der Burnout, so die Deutsche Apotheker Zeitung (online vom 11.12.2012) mit Blick auf den BKK-Gesundheitsreport im Jahr 2012, sei unauf haltsam »auf dem Vormarsch«.21 20 B eispielhaft tut dies Gert Scobel in seiner Sendung zum Thema »Erfolg durch Doping« (3Sat am 17.8.2017; Min. 35:00). 21 Neben der Burnout-Semantik findet sich eine Vielzahl weiterer Metaphern, die das idiosynkratische Leiden in bildhaften Analogien veranschaulichen, dramaturgisch verstärken oder seine psychische wie soziale Domestikation versuchen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Metaphern in der Kommunikation über depressive Bewusstseinszustände findet sich in Kap. 11.1.
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Die Bezugnahme auf Depressionen und daran anschlussfähige Begriffe fungiere, so kann mit Blick auf die Literatur zusammengefasst werden, wie ein Wittgensteinsches Sprachspiel (Ehrenberg 2007: 58) bzw. als obligatorisches Mittel zum Gefühlsausdruck im Sinne von Marcel Mauss (2012 [1921]: 614), das Schieflagen, Konf likte und Widersprüche des Menschen in der modernen Gesellschaft verbalisiere (Ehrenberg 2012: 22f.). Die vage Depressionssemantik liefert einen Grund dafür, die Probleme zu benennen, an denen man gerade im psychosozialen Bereich leidet. Sie taucht selbst dort auf, wo (noch?) niemand direkt betroffen ist: als Angst vor der Depression.22 Schon finden sich kaum mehr gesellschaftliche Teilsphären, die sich der mehr oder weniger starken Prägung durch die therapeutische Kultur entziehen. Während ein immer üppigeres Vokabular zur Ausleuchtung der komplexen Innerlichkeit zur Verfügung steht, werden Immunitätsbehauptungen zunehmend mit Authentizitätsproblemen belegt (Fuchs 2011: 101). Das Geständnis psychischer Komplexität und Leidensfähigkeit hingegen gilt als prinzipiell aufrichtig und kann sich unter bestimmten Bedingungen sogar als vorteilhaft erweisen. Gerade in Bewerbungsgesprächen um Liebesbeziehungen (meist als »Dates« oder »Verabredungen« bezeichnet) haben sich die Verhältnisse bisweilen von den Beinen auf den Kopf gestellt. Individuelle Leidenserfahrungen und das Geständnis unvollständiger Selbstbeobachtung werden nicht automatisch auf der Seite der Ausschlussgründe verbucht, sondern häufig sogar zum Wettbewerbsvorteil von Männern und Frauen in der Konkurrenz um knappe Positionen in der Intimkommunikation und zwischenmenschlichen Interpenetration (Illouz 2011: 368). In der Pop-Industrie scheint das Bekenntnis psychischer Krankheit im Zusammenhang dieser Entwicklungen regelrecht banalisiert worden zu sein. Depressionen, Magersucht und Selbsttötungswünsche wirken wie »schicke Accessoires« (FAS vom 23.4.2017: 47), die zum Leben der Stars und Sternchen dazugehören. Vor allem in den sozialen Netzwerken häufen sich die »Coming-outs« über Sinnkrisen. Sie gelten als Verweise auf die dunkle Seite von Ruhm, Kreativität, Hingabe und Begabung und stellen die Lüftung des eigenen Geheimnisses in den Dienst von Enttabuisierung und Entstigmatisierung. Insbesondere Lifestyle-Webseiten befeuern die Bekenntniskultur der jüngeren Generation. Auch immer mehr Spitzenathleten greifen auf die Depressionssemantik zurück, um ihre Motivationsprobleme, Versagensängste und Sinnkrisen auf den Begriff zu bringen und sozial zu verorten.
22 K onkret berichtet René Adler, der Suizid Robert Enkes, seines ehemaligen Teamkollegen in der Nationalmannschaft, habe diese Angst in ihm ausgelöst: »Wir haben gefühlt, dass wir ähnlich sind. Deshalb hat es mir ja Angst gemacht, dass ich einen ähnlichen Weg einschlagen könnte.« (Zeit online vom 14.11.2012)
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»Depression literacy« Eine wichtige Brücke aus dem psychiatrischen Sonderkontext in den therapeutischen Diskurs der psychologischen Laien besteht dabei in jenem Konzept, das im englischen Sprachraum als »depression literacy« bezeichnet wird. Es bringt den Ausbruch von Depressionen, ihre Tabuisierung sowie die Verweigerung therapeutischer Maßnahmen in Zusammenhang mit psychiatrischem Analphabetismus, das heißt dem verbreiteten Nichtwissen über das Krankheitsbild. Einer wiederkehrenden Paradoxie gemäß litten viele unter Depressionen, wüssten es aber nicht. Das Un-, Halb- und Fehlwissen zeige sich vor allem an der Unfähigkeit psychologischer Laien, ein pathologisches Ausmaß von gewöhnlicher Traurigkeit zu unterscheiden (Gabriel/Violato 2010: 60) und eine Depression »auch Depression zu nennen« – und nicht Traurigkeit, Melancholie oder sonstwie.23 Umso dringlicher sei der Informationsbedarf durch psychologische und psychiatrische Experten – neben Seminaren und Workshops bevorzugt auch in TV, Radio und Printmedien.24 In diesen Kontexten wird nicht zuletzt eine rhetorische Gebrauchsanweisung vermittelt, um psychiatrienah über das psychische Leiden seiner selbst wie anderer sprechen zu können. Verschiedene Beobachter sollen die Möglichkeit einer Depression auch dort in die Kommunikation einspielen, wo sich andere nicht direkt bekennen oder das Gespräch über das Thema gar lieber umgehen. Nicht nur Hausärzte, die Familie oder Freunde sollen als Multiplikatoren instruiert werden. Auch im Kontext von Organisationen soll eine Kultur der Fürsorge Einzug nehmen (z.B. über Maßnahmen der Führungskräfte-, Lehrer- und Trainerausbildung).25 Die Botschaft bleibt indes paradox: Wer nicht will, dass die Depression ihn trifft, muss ständig mit ihr rechnen, muss also das, was er ausschließen möchte, immer als Möglichkeit miteinschließen (Ingenkamp 2012: 341). In Deutschland sorgt neben anderen »Bündnissen« gegen die Depression seit 2010 auch die Robert-Enke-Stiftung für ein Anwachsen depressiver Erkrankungen als Thema in der Öffentlichkeit. Zunächst werden das Sportpublikum und die Akteure im Sport adressiert. Die Stiftung tourt im Rahmen von Fußball-, 23 G erade auch im Sport werden Wissensdefizite der Athleten bei der Selbsteinschätzung ihres Leidensdrucks als Problem identifiziert (Gulliver/Griffiths/Christensen 2012: 10f.). 24 Die psychiatrische Aufklärungsarbeit besteht im Allgemeinen darin, ein abgespecktes Fachwissen über psychische Krankheiten hinsichtlich Entstehung, Erkennung, Intervention (auch: Anlaufstellen) und Prävention zu vermitteln. »Depression literacy«, setze sich demgemäß, so Gabriel/Violato (2010: 56), aus einer Reihe von Kompetenzen zusammen, vor allem der »[…] ability to recognize depression, the beliefs and the perceptions about its causes and its treatments, knowledge about self help and professional help interventions, and attitudes to collaborate in treatment.« Zum Konzept der »Mental Health Literacy« siehe Jorm (2007). Beispielhaft für resultierende »Depression First Aid Guidelines« vgl. Mental Health First Aid (2008). 25 Ein aufschlussreiches Beispiel für die systematische Vermittlung dieses Beobachtungsschemas an Vereinstrainer im australischen Sport beschreiben Pierce et al. (2010).
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
Handball-, Basketball- und Eishockey-Spielen, um den Fall Enke als Auf hänger zu nutzen, das offene Gespräch mit Interessierten zu suchen und Auf klärungsarbeit über die Erkrankung Depression zu betreiben. In Sportvereinen und -verbänden, vor allem im Nachwuchsbereich, treten ehemals betroffene Sportler als Testimonials auf, die ihre Erfahrungen mit Depressionen schildern und derart für die Krankheit sensibilisieren wollen.26 In Reaktion auf den Suizid Yannic Corinths, ehemaliger Leistungsruderer und Mitglied der Ruder-Nationalmannschaft, der sich am 6. Juni 2016 das Leben nahm, haben Freunde des Verstorbenen den Verein Wirfueryannic e.V. gegründet.27 Auch dieser hat sich zum Ziel gesetzt, »Auf klärung, Unterstützung und Hilfe rund um die Volkskrankheit Depression« zu fördern und einen Beitrag zu deren Enttabuisierung in der Öffentlichkeit zu leisten. Die Gründer, aktive und ehemalige Spitzenathleten insb. aus dem Rudersport sowie weitere Angehörige, wollen u.a. durch die Teilnahme bei Sportevents in insb. Deutschland, Österreich und der Schweiz auf ihre Initiative aufmerksam machen und »Stories« über die Krankheit Depression und den Kampf gegen sie erzählen. Zudem besteht der Anspruch, als Plattform für den Dialog über Lebenskrisen und als Ansprechpartner in sensiblen Lebensphasen zu fungieren sowie Zugänge zu professioneller Hilfe aufzuzeigen. Gerade auch außerhalb des Spitzensports sind eine ganze Reihe psychiatrienaher Sonderöffentlichkeiten entstanden, in denen Betroffene Interessierten von ihrem depressiven Selbsterleben erzählen, gesellschaftlichen Leistungsdruck ursächlich vermuten, von ihrer Rückkehr ins normale Leben berichten und Publikumsfragen hierzu beantworten.28 Seit Kurzem ist überdies die »Enke-App« zum Download verfügbar. Neben der Möglichkeit, sein Handy in suizidalen Phasen per GPS lokalisieren zu lassen, dient die App als Informationsquelle rundum das Thema Depression. Vor allem reduziert der (aus fünf Fragen bestehende) Schnelltest das komplexe Selbsterleben der Person auf ein digitales Testergebnis: Wer ein »auffallend reduziertes Wohlbefinden« aufweist, wird nicht über seine konkrete Lebenssituation befragt, sondern auf die Konsultation von Experten oder die SOS-Notruf-Funktion verwiesen. 26 D ie Aktivitäten der auf Initiative Teresa Enkes ins Leben gerufenen Robert-Enke-Stiftung beziehen sich nicht nur auf die Enttabuisierung der Krankheit durch Öffentlichkeitsarbeit. Bereits im November 2012 wurde gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Aachen die Beratungshotline »Seelische Gesundheit im Sport« ins Leben gerufen, die depressiven Sportlern Erst- und Notfallkontakte anbietet und Informationen über therapeutische Möglichkeiten vermittelt. 27 Siehe hierzu http://wirfueryannic.de/der-verein/. Eine TV-Dokumentation über den Suizid Yannic Corinths und die anschließende Initiative wurde am 3. Februar 2019 unter dem Titel »Vom Ende eines Ruderers – Leistungssport und die Klippe Depression« auf NDR ausgestrahlt. Das Video ist seitdem auch auf anderen Kanälen online verfügbar. 28 Zu diesem »Schatten von Robert Enke« vgl. NDR (am 23.12.2010).
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Depression im Spitzensport: Psychisches Leiden als Kommunikationsthema
In der geselligen Konversation wird die Mitteilung psychisch belastender Kommunikationsthemen nach wie vor dosiert gehandhabt. Die Thematisierung jener Fälle, bei denen anwesende Personen direkt oder indirekt betroffen sind, wird eher vermieden. Entsprechende Grenzüberschreitungen müssen deshalb wie Freundschaftsangebote verbucht werden, die das Sinnschema der Geselligkeit strapazieren und in das »Labyrinth der Intimität« (Bette 1992: 32) führen. Man muss sich schnell klarwerden: Will man das? Falls nicht, muss ein Themenwechsel her. Über Depressionen und Suizide von Spitzensportlern lassen sich allerdings auch am Stammtisch Gespräche in Gang setzen und halten. Die Kommunikation über Depressionen im Spitzensport stellt, so die im nachstehenden Kapitel diskutierte These, gar einen wichtigen Teildiskurs in der öffentlichen Diskussion über das Krankheitsbild dar. Wo Depressionen als solche thematisiert, erläutert und beispielhaft erzählt werden, können problemlos Beispiele aus dem Sport herbeizitiert werden. Als anschauliche Sinnbilder für die Depression in der Moderne fesseln sie die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums und lassen viele Beteiligte mitreden. Vor allem seit dem Suizid Robert Enkes, zur damaligen Zeit Torwart der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, sind depressive Spitzenathleten ein wiederkehrendes Thema in der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Die Medien geben die Richtung vor: Sein Tod soll nicht dem Sport allein gehören. Denn für die ganze Gesellschaft könne »[…] sein öffentlich erzähltes Schicksal […] auch eine Chance sein« (Zeit online vom 15.11.2009), um diese »Krankheit unserer Gesellschaftsform« (ebd.) besser zu verstehen und anders mit ihr umgehen zu können. Überall »[…] sollte darüber gesprochen werden, was mit Robert Enke geschehen ist« (ebd.). Im Folgenden wird ebendies gezeigt: dass der Spitzensport im gesellschaftlichen Depressionsdiskurs nicht lediglich als ein Teilsystem neben anderen besprochen wird. Vielmehr stehen die Sinnsphäre des Spitzensports und das kollektive Wissen über Depressionen in einer eigentümlichen Verbindung zueinander. Inwiefern sich die gesellschaftliche Kommunikation über depressive Krankheitsbilder gerade am Modell des Spitzensports forcieren lässt, wird en detail unter die Lupe genommen.
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Athletendepression in der (Sport-)Öffentlichkeit
Um Verständnisgrundlagen für die anstehende Ref lexion zu schaffen, hilft die Orientierung an unterscheidungssensiblen Analysen zum Krankheitsbild Depression. Neben anderen Autoren setzen sich Ehrenberg (2008) und Borch-Jacobsen (2009) mit der Konstruktion depressiver Krankheitsbilder im gesellschaftlichen Diskurs auseinander. Borch-Jacobsens (2009: 198) Überlegungen helfen, eine fundierende Paradoxie in der gesellschaftlichen Beobachtung von Depressionen zu
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entfalten: nämlich die Tatsache, dass sich die Krankheit Depression in dem Maße epidemisch verbreitet, wie in Form sog. »Antidepressiva« pharmakologische Technologien zur Stimmungsauf hellung vermarktet werden. Die Depression entstehe als andere Seite der Bezeichnung von Substanzen, deren Wirkungsversprechen unter Rückgriff auf diese im psychiatrischen Diskurs verfügbare Semantik konstruiert wird.29 In ihrer diskursiven Genealogie kondensieren Depressionen als Negation einer Medikation, das heißt als Krankheit. Depressionen seien ex negativo jener (nunmehr pathologisierte) Leidensdruck, der sich mit Antidepressiva behandeln lasse. Sie diffundierten nicht als ontologisch unabhängiges Übel aus der Büchse der Pandora in die moderne Gesellschaft hinaus. Anti-Depression/ Depression bestehen als Einheit einer Unterscheidung, »[…] of one piece« (ebd.: 203).30 Auch Ehrenberg (2008: 302ff.) interpretiert die gesellschaftliche Kommunikation über Depressionen als andere Seite einer tragfähigen Unterscheidung. Die gesellschaftliche Bedeutung depressiver Erkrankungen resultiere aus dominanten Vorstellungen über die moderne Subjektivität. Während Entscheidungsfähigkeit, Handlungsbereitschaft und Initiative als Idealbild des modernen Subjekts honoriert werden, ref lektiert die Depression Entscheidungsprobleme, Handlungsblockaden und Motivationsverluste als Symptomatologie einer krankheitswertigen Abweichung. Der gesellschaftliche Sonderdiskurs über Depressionen stelle somit den Gegenpart zu jenen Diskursen dar, die das handlungsfähige Subjekt zum Maß der Dinge erheben. Die Depression ist gleichsam der »Schatten des Individuums […], dessen Norm die Autonomie ist« (ders. 2012: 17). Wiederum gelte: Subjektivität/Depressivität fungieren als Einheit einer Differenz. Jenseits der Unterscheidung gebe es keine Depression an sich. Die beiden Autoren liefern ein erfolgversprechendes Schema zur Beobachtung von Athletendepressionen. Auch der Hochleistungssport generiert seine gesellschaftliche Bedeutung nicht aus sich heraus, sondern indem er sich von anderem unterscheidet. Der Spitzensport und seine Symbolträger erhalten ihre Besonderheit wohl bereits dadurch, dass sie sich von anderen Sinndimensionen in der funktional differenzierten Gesellschaft abheben. Es lässt sich jedoch zeigen, dass ihr Alleinstellungsmerkmal dadurch markiert wird, dass sie sich in zentralen Leitwerten auf markante Weise von einer gegenläufigen Wirklichkeit unterscheiden, die im Normalmodus systemischen Operierens selbst unmarkiert bleibt. Die Charakteristika des Spitzensports generieren sich auf Basis einer ganzen Reihe zweiseitiger Formen, bei denen jeweils die eine Seite bezeichnet und von der anderen Seite unterschieden wird. Im Folgenden wird gezeigt, dass die 29 B eispielhaft zu diesem Versprechen vgl. Gold und Morris (1986). 30 In der englischsprachigen Medizinsoziologie werden diese Phänomene unter dem Begriff »disease mongering« (Payne 1992) besprochen.
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Gegenwelt zum Sport wiederkehrend im Gewand der Depression und ihrer facettenreichen Symbolik, Metaphorik und Mythologie in Erscheinung tritt. In seiner diffusen Gesamtheit erweist sich die Depression mit ihren Symptomen und möglichen Folgen als umso anpassungsfähigerer Kontrast zum Spitzensport und seinen Symbolfiguren, den Athleten. Spitzensport und Depression spiegeln sich wechselseitig, finden ihr Gegenteil im jeweils anderen und gewinnen ihre symbolischen Formen aneinander. Somit scheint nicht zufällig, dass das gesellschaftliche Reden über Depressionen immer wieder mit Blick auf die Athletenfigur virulent wird. Die öffentliche Meinung über den Hochleistungssport liefert einen günstigen Resonanzboden, auf dem sich die Kommunikation über Depressionen parasitär entfalten kann.31 In dieser Komposition einer unwahrscheinlichen Verbindung sorgen gerade jene Fälle für öffentliche Irritation, Erregung und Trauer, die sich als besonders paradox darstellen lassen. Der Suizid Robert Enkes, des Torwarts der Nationalmannschaft, wird als »Suizid eines Stehaufmannes, eines Unverwundbaren« (Der Spiegel 47/2009: 146) beschrieben. Auch in den Fällen Sebastian Deisler, als »Erlöser« der bundesdeutschen Fußballdepression auserkoren, und Sven Hannawald, der als seinerzeit »bester Skispringer der Welt« alle Wettbewerbe der Vierschanzentournee gewinnen konnte, trifft das depressive Leiden Kulminationspunkte der Sportbegeisterung und führt extreme Gegensätze in dominante Erzählschablonen ein. Denn vielen falle es, so beispielsweise auch der Ko-Autor in Deislers Autobiografie, schwer, »[…] in einem Fußballstar, noch dazu in einem so jungen, leistungsstarken Menschen mit beneidenswertem Job, Ruhm und Reichtum, jemanden zu erkennen, der von einer solchen Krankheit in die Knie gezwungen wird« (Deisler/Rosentritt 2010: 202).32 Auch weniger bekannte Sportler werden als »Unerschütterliche« (Spiegel Wissen 1/2012: 65) dargestellt, die plötzlich die Kontrolle über ihr Leben verlieren. Wie die einleitenden Bemerkungen zeigen, ist die kommunikationstheoretische Ausrichtung der Arbeit in diesem Teil um die mythologische (im Sinne von Roland Barthes 2013 [1957]), metaphorische (im Sinne von Susan Sontag 1987 [1977]) oder auch imaginäre Dimension (im Sinne von Michel Maffesoli 1996 [1985]) im
31 Z um Begriff des Parasiten siehe Serres 2014 [1987]. 32 Auf Grundlage dieser Paradoxie wird der Fall Deisler im medizinisch-psychiatrischen Kontext sogar zum Beweis der Depression als einer physiologischen Störung, als eines biologischen Schicksals stilisiert. In Verstärkung gängiger Resilienzannahmen zu einer Art Immunitätshypothese schätzt Florian Holsboer ein: »Der junge Mann (Deisler, F.K.) war ein gefeierter Fußballstar, hatte Geld, eine brasilianische Freundin – wieso bekommt so einer eine Depression? – Spiegel: Man könnte sich manches vorstellen: Versagensangst zum Beispiel. – Holsboer: So funktioniert Medizin nicht. Wir sagen: Veranlagung und äußere Einwirkungen haben einen Mechanismus ausgelöst, und genau dort intervenieren wir mit einem Medikament.« (Der Spiegel 18/2009: 139)
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öffentlichen Diskurs über Spitzensport und Depression zu erweitern.33 Die theoretischen Beiträge all dieser Autoren können als Hinweise darauf gelesen werden, dass gesellschaftliche Phänomene immer auch als Zeichen beobachtbar sind, die auf eine symbolische Ebene verweisen. Sowohl der Spitzensport als auch das freie Flottieren der Depressionssemantik – nicht zuletzt in ihrer Version als Burnout-Syndrom – werden als Meta-Texte beobachtbar, die verschiedene Bedeutungen ausprägen, suggestive Kräfte entfalten, bestimmte Lesarten nahelegen und die Imagination ansprechen.34 Athletendepressionen sind dabei kein Thema, das nur für das Sportsystem von Relevanz ist. Die Sozialfigur des depressiven Athleten erscheint vielmehr als paradigmatische Gestalt der Depression in der Moderne. Im Folgenden wird die symbolische Beziehung zwischen Spitzensport und Depression anhand von fünf binären Unterscheidungen selbst unterschieden: • Sieg/Niederlage (6.1) • Leistung/Schwäche (6.2) • Körper/Psyche (6.3) • Athlet/Mensch (6.4) und • Leben/Sterben (6.5). Dabei wird die Beschreibung jener Seite, an der die Wirklichkeitskonstruktion des Spitzensports ausgerichtet ist, jeweils durch die anschließende Beobachtung der Gegenseite kontrastiert. Überschneidungen zwischen den beobachteten Unterscheidungen sollen, können aber nicht gänzlich vermieden werden. Differenzen wie Männlichkeit/Weiblichkeit, Spiel/Ernst oder Gemeinschaft/Isolation, die ebenfalls eine Rolle spielen, werden nachrangig berücksichtigt. In Koproduktion lassen jeweils beide Seiten der Differenz Kippbilder entstehen, deren Kippen durch das Auftauchen des Depressionsthemas ausgelöst wird. In der Summe ergibt sich ein Grundbestand an Paradoxien, die zu verschiedenen Erzählmustern in der öffentlichen Meinung verstrickt und zu einem assoziativen Netz verknüpft werden können. Diese narrative Untermalung findet insbesondere in den Massenmedien statt und wird Gegenstand des anschließenden (siebten) Kapitels sein. Im vorliegenden Kapitel gilt es herauszuarbeiten, welche Unterscheidungen der Kommunikation über Athletendepressionen zugrundeliegen. Dabei darf zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren werden, dass es sich bei den beobachteten Wirklichkeiten um imaginäre Realitäten handelt – um symbolische Wirklichkeiten der Kommunikation, die die psychosoziale Wirklichkeit der betroffenen Athleten nicht selbst beschreiben, sondern nur zu beschreiben vorgeben.
33 Z um »imaginaire« des gesellschaftlichen Diskurses über Aids siehe Hahn (1991b). 34 Zur Rhetorik und Semiologie moderner Mythen vgl. z.B. Barthes (2013 [1957]: 251ff.).
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6.1
Sieg/Niederlage
Der symbolische Unterschied zwischen Spitzensport und Depression ist bereits systemlogisch angelegt. Der moderne Sport zeichnet sich durch eine Selbstbezüglichkeit eigener Art aus. Im Bereich des »Teilnehmersports« (Bette 2010: 119ff.) greifen breite Bevölkerungsteile auf die Leistungs-, Gesundheits-, Fitness-, Spaß-, Geselligkeits- und Abenteuerofferten des Sports zurück, um die Nebenwirkungen des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses zu kompensieren oder die Wettkampftauglichkeit ihrer sportart- und disziplinspezifischen Fähigkeiten zu trainieren. Gerade der Spitzensport konnte sich zu einer autonomen Sinnsphäre gesellschaftlichen Handelns entwickeln und seine Bedeutung in den letzten Jahrzehnten sukzessive steigern. Er bewegt nicht nur die Athleten im sportlichen Wettbewerb. Als massenmedial ausgeleuchteter »Zuschauersport« (ebd.: 103ff.) rekrutiert er knappe gesellschaftliche Aufmerksamkeit und macht Menschen millionenfach zu einer »Erregungsgemeinschaft« (Sloterdijk 1998: 30). Das Sporttreiben folgt keinem anthropologischen Grundtrieb, der die Menschen über alle Kulturen hinweg erfasst, sondern basiert auf soziokulturell höchst voraussetzungsvollen Entwicklungen. Der Autonomiegewinn des Sports vollzieht sich am Leitfaden einer spezifischen Codierung, mit der das System sich »blind identifiziert« (Luhmann/Fuchs 1989: 223).35 Wie alle Funktionssysteme beobachtet und sortiert auch der Sport die Welt mithilfe einer systemeigenen, binären Leitdifferenz, die sich als Unterscheidung von Anschluss- und Kontingenzwert systemtheoretisch fassen lässt. Die Selbstbezüglichkeit funktionssystemischer Wirklichkeit schließt wie stabilisiert sich durch den rigiden Ausschluss dritter Werte (Luhmann 1998: 221ff.). Der Anschlusswert dient als systemischer Richtwert, besorgt also die Irritabilität des Systems im Hinblick auf die Welt. Der Kontingenzwert verdoppelt die beobachtete Wirklichkeit durch die Möglichkeit ihres Gegenteils. Er macht deutlich: Die Welt ist, wie sie ist, weder notwendig noch unmöglich, sondern auch anders möglich. Er erzeugt somit nicht zuletzt Motivationslagen im System. So wie im Wirtschaftssystem beispielsweise das Dualschema Zahlen/Nichtzahlen (Luhmann 2015 [1994]), Recht/Unrecht im gesellschaftlichen Rechtssystem (ders. 2013 [1995]), krank/gesund (bzw. gesundheitsförderlich/gesundheitshinderlich) in der Medizin (bzw. im Gesundheitssystem; ders. 2009 [1990]: 176ff.), wahr/ unwahr in der Wissenschaft (ders. 1992) oder Liebe/Nicht-Liebe (ders. 2012 [1982]) bzw. Wir-zwei/Rest-der-Welt in Intimsystemen (Fuchs 1999) den Redundanzverzicht des Systems im Dienste seiner gesellschaftlichen Funktion orientieren, besorgt im Sport die Dif ferenz von Sieg und Niederlage die permanente, personenunabhängige, System konstituierende Sinnstiftung (Bette 1987: 233). Sieg und 35 Ausführliche Erläuterungen hierzu finden sich in Luhmann (2009 [1987]: 13ff.).
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Niederlage sind »[…] die beiden Pole, die den sinnhaften Horizont abstecken, innerhalb dessen alles sportliche Handeln interpretiert wird« (Schimank 1988: 185). Sieg und Niederlage sind symbolisch miteinander verbandelt. Beide gewinnen ihre besondere Bedeutung durch die Negation der Gegenseite. Das Primat sportlichen Handelns besteht darin, das knappe Gut des Sieges im Wettkampf mit den Kontrahenten zu erringen und die eigene Niederlage tunlichst zu vermeiden. Der sportliche Wettbewerb verträgt keinen Pluralismus der Sieger. Gewinnen heißt, dass die Kontrahenten verlieren. Im Falle einer Niederlage soll diese weniger akzeptiert werden, als vielmehr den Ansporn auf künftige Siege intensivieren. Der semantische Rückgriff auf das Sieg/Niederlage-Dual stellt noch kein Alleinstellungsmerkmal des modernen Sports dar. Auch in kriegerischen Auseinandersetzungen gibt es Sieger, die in Triumphzügen ihre Überlegenheit in Szene setzen, sowie Verlierer, deren Unterlegenheit in der Verpf lichtung zu hohen Reparationszahlungen, Kriegsgefangenschaft oder sogar dem Tod zum Ausdruck kommt. Der sportliche Siegescode bringt die teilnehmenden Akteure allerdings in ein systemeigenes Konkurrenzverhältnis zueinander und löst das Friedensideal zugunsten einer zeitlich, räumlich, sachlich und sozial begrenzten Dysharmonie auf. Beim sportlichen Wettkampf geht es nicht um die »Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln« (von Clausewitz 1980: 210), noch weniger um die Ermittlung von Gottesurteilen zur Lösung außersportlicher Konf liktlagen. Es geht um die Induktion eines künstlichen Konf likts, durch welche prinzipiell unwahrscheinliches Handeln (sprinten, springen, werfen, schießen, stoßen u.v.m.) wahrscheinlich gehalten und durch Konkurrenz-, Kontingenz-, Regel- und Zeitdruck dramatisiert wird. Um Sieger im sportlichen Wettkampf ermitteln zu können, werden am Leitfaden eines regelorientierten Verfahrens sachliche Differenzen in der sportlichen Aufgabenbewältigung (Sprungweite, benötigte Zeit, Anzahl erzielter Tore, ästhetische Qualität, u.a.) ermittelt und in eine soziale Polarisierung überführt (Schimank 1988: 185). Auf diesem Untergrund lässt sich die Depression als Beeinträchtigung der Siegesorientierung betroffener Athleten beschreiben. Athleten gelten gemeinhin als »Siegertypen«, bei denen man keine Symptome einer Depression vermutet. Depressiv gewordene Athleten lassen sich im öffentlichen Diskurs als Akteure darstellen, die nicht mehr um jeden Preis gewinnen wollen, sondern erschöpft, leer und niedergeschlagen sind, die Lust am Sport verloren haben, und sich einstweilen auf Sinnsuche befinden (beispielhaft in SZ online vom 19.1.2014). Anstatt Rückschläge in forcierten Trainingsehrgeiz umzuwandeln, haderten sie mit ihrem Lebensschicksal. Minderleistungen und Selbstzweifel lassen sich zudem in Gestiken und Mimiken der Niedergeschlagenheit versinnbildlichen. Depressive Spitzenathleten kämpften, dieser Konstruktionslogik gemäß, nicht mehr für den Sieg im sportlichen Wettbewerb, sondern darum, wieder gesund zu werden (FR online vom 4.7.2012). Häufig wird die Reduktion des Leidensdrucks als »Sieg«
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über die Depression, gar als der »größte Sieg« (Tischtennis 12/2018) in der Karriere des Betroffenen interpretiert, der allerdings nicht immer auf die große Bühne des Spitzensports zurückführt.36
6.2
Leistung/Schwäche
Der Skandal der Depression lässt sich nicht nur durch die Semantik der Niederlage einführen, sondern auch an der Bedeutung des Leistungsprinzips im Sport anschließen. Während Stratifikation und Ungleichheit ihre Definitionsmacht in der funktional differenzierten Gesellschaft eingebüßt haben und Gleichheitspostulate als moderne Leitorientierungen dominieren, führt sportlicher Sinn zur Produktion neuer, systeminterner Hierarchien und Ungleichheiten. Der sportliche Wettkampf diskriminiert unabhängig von jenen Faktoren, an denen soziale Ungleichheit traditionell anschließt. Die Rangordnung im Sport resultiert also nicht aus Herkunftsprivilegien, Glaubensüberzeugungen, Schichtzugehörigkeit, biologischem Geschlecht, Lebensalter, ethnischer Abstammung, Zuwanderungsgeschichte oder sexueller Orientierung. Sie baut ihre Differenzen strikt selbstreferenziell auf dem modernen Leistungsprinzip. Aufgrund seiner einzigartigen Selektionsfreudigkeit verkörpert der Spitzensport das Leistungsparadigma der Moderne idealtypisch. Auf Basis einer Fiktion formaler Chancengleichheit weist sein Code das knappe Gut des sportlichen Sieges sowie der oberen Rangplätze auf Grundlage der »Eigenleistung« (Lenk 1983) der Athletenperson zu. Gemäß der Leistungssemantik werden Sieg und Niederlage nicht als zufällige Weltereignisse verbucht, als Gottes Wille gedeutet oder als Output hochkomplexer Systeme relativiert, sondern als selbstverantwortetes Schicksal von Athleten und Mannschaften beobachtet, honoriert und zelebriert (Stichweh 1990: 179f.). Dies zeigt sich nicht zuletzt am Krisen- und Skandalpotenzial jener Formen von Devianz, die die am Leistungsbegriff geeichten Beobachtungsroutinen unterlaufen. Doping und Spielabsprachen wirken vor allem deshalb zerstörerisch auf die Publikumsbindung, weil entsprechend sabotierte Wettbewerbe nicht mehr über sportliche Leistungsfähigkeit informieren, sondern über die technologischen Möglichkeiten biochemischer Aufrüstung (Luhmann 1994: 38), Machtasymmetrien in Sportorganisationen oder die höhere Wirksamkeit von Geld als Überzeugungsmittel für menschliches Handeln. Das Prinzip der Chancengleichheit soll gerade sicherstellen, dass der Siegescode einen Horizont sportlicher »Leistungseigenweltlichkeit« (Werron 2005: 202) eröffnet. Training und Wettkampf 36 I m Falle des britischen Tischtennisspielers Liam Pitchford, ehemals für die Borussia Düsseldorf aktiv, folgte auf die Therapie der Depression die erfolgreiche Rückkehr an die Tischtennisplatte und auf die vorderen Plätze der Weltrangliste (Tischtennis 12/2008: 10ff.). Umso interessanter wäre eine detaillierte Analyse seiner Geschichte.
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als die konstitutiven Situationen des Systems werden nahezu ausnahmslos unter die Maxime der sportlichen Leistungssteigerung gestellt. Im Leistungsbegriff bezieht sich der Spitzensport auf eine Leitsemantik, die wie Gesundheit, Bildung, Wahrheit, Liebe oder Glaube als »Wert ohne Maß« (Luhmann 1983a: 29) fungiert und auf unbegrenztes Wachstum angelegt ist. Entsprechende Formeln wirken wie Steigerungsimperative, die das System mit der Idee »innerer Unendlichkeit« (ebd.) infizieren und die »höhere Amoralität« (ders. 1994: 27) einer Orientierung an der Systemlogik ankurbeln. Wohl mag es noch Hindernisse, Schwierigkeiten, Engpässe und Reibungsverluste geben, aber keine systeminterne »Gegenrationalität« (ders. 1983b: 170), die für eine Beschränkung der Leistungsfähigkeit von Athleten plädiert. An der Einrichtung des Rekords zeigt sich die rigide Leistungsfixierung auf paradigmatische Weise. Die Ausdifferenzierung des Spitzensports geht mit der Ausprägung eines Systemgedächtnisses einher, das die Konkurrenzspanne des Sports in zeitlicher, sozialer und räumlicher Hinsicht intensiviert. Wettkampfergebnisse werden statistisch erfasst, dokumentiert und verglichen, um im »Prinzip der Höchstleistung« einen weiteren Maßstab für Sieg und Niederlage zu gewinnen (von Krockow 1980: 15ff.). Der Vergleichshorizont des Sports bezieht sich dann nicht mehr nur auf das lokale Hier-und-Jetzt (Schimank 1988: 186). Durch Quantifizierungen, das heißt Reduktionen des Bewegungshandelns auf Zahlenwerte, ermöglicht der Rekord über den aktuellen Wettkampf hinaus globale und historische Vergleiche mit anderen Widersachern (Werron 2005, 2007).37 Der Rekord ist eine »geniale Abstraktion, die [sogar] Wettkämpfe zwischen den Lebenden und den Toten ermöglicht« (Guttmann 1979: 59). Auf diesem Weg entsteht eine »Schiene unendlichen Wollens« (Bette/Schimank 1995: 40), die sich gemäß der (Selbst-)Überbietungs- und Steigerungslogik des Sports immer wieder neu regeneriert. Die Rekordorientierung erlaubt kein Ausruhen auf einmal Erreichtem. Indem Stadionbestmarken, Schanzenrekorde, Landesbestenlisten, Jahresbestleistungen sowie Kontinental- und Weltrekorde einen Status quo festhalten, garantieren sie e contrario, dass es sich bei Spitzenleistungen immer um relative Höhepunkte handelt, unter keinen Umständen aber um systemische Endzustände. Gerade die Leistungs- und Rekordorientierung des Sports ermöglicht, depressive Athleten als paradoxe Figuren zu inszenieren. Ein Leiden, das mit Passivität, sozialem Rückzug, Schwermut oder sogar Funktions- und Kontrollverlust assoziiert wird, steht im scharfen Kontrast zur Leistungssemantik des Spitzensports und der gesellschaftlichen Bedeutung der Athletenfigur als dem Prototyp 37 W erron (2005: 203) geht sogar davon aus, dass die im Rekord angelegte Universalität der Leistungsvergleiche das Spezifikum des modernen Sports begründet. Die Reduktion sportlichen Handelns auf Zahlen kann allerdings die enormen Spannungs- und Unterhaltungswerte nicht erklären, die dem Live-Konsum sportlicher Wettbewerbe zugeschrieben werden.
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der »Hochleistungsgesellschaft«. Im öffentlichen Diskurs tauchen Depressionen als andere Seite des Leistungsethos auf, als Leistungsschwäche; oder in der Form als Burnout als das, was die Leistungsfixierung anrichten kann. Auch gesamtgesellschaftlich gesehen gelten Depression und Burnout als schlechthinnige Symbole für reduzierte Leistungsfähigkeit bzw. erwartbaren Arbeitsausfall. In der sog. »Global Burden of Disease«-Study, von WHO und Weltbank in Auftrag gegeben, wird für das Jahr 1990 ermittelt, dass die Depression mit 3,7 Prozent weltweit als vierthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit, Krankenstand oder auch Mortalität verantwortlich sei (Murray/Lopez 1997: 1439).38 Für die weitere Entwicklung wird angenommen, dass Depressionen bis ins Jahr 2020 sogar auf den zweiten Rang (hinter den Herz-Kreislauf-Erkrankungen) vorrücken werden, während über viele andere Erkrankungen hinweg ein gegenläufiger Trend prognostiziert wird. Die Werte aus dem Jahr 2000 bestätigen die besondere Gefahr depressiver Erkrankungen für die Weltgesellschaft (Üstün et al. 2004).39 Vor dem Hintergrund dieser Annahmen wird meist automatisch davon ausgegangen, dass depressive Athleten ihre sportliche Leistungsfähigkeit einbüßen. »Dass da am Sonntag vor einer Woche ein Depressiver die Bälle hielt – unvorstellbar«, liest man wenige Tage nach Robert Enkes Suizid beispielsweise im Spiegel (47/2009: 146). Der unhinterfragte Charakter depressiver Leistungsschwäche kommt auch in einer Einschätzung des Ex-Schwimmers Mark Warnecke zum Ausdruck, der sich zum schlechten Abschneiden des DSV-Kaders bei der WM in Shanghai äußert: »Diese depressiv wirkende Mannschaft konnte nichts reißen« (Welt online vom 11.8.2011), so der einstmalige Leistungsträger.40 Das in der Öffentlichkeit etablierte Bild von der depressiven Lethargie wird auch dann nicht dekonstruiert, wenn Therapeuten darauf hinweisen, dass depressive Spitzen38 D er Sportpsychologe Mummery (2005: 356) verweist explizit auf diesen symbolischen Hintergrund der Depression im Spitzensport. 39 Um Aufmerksamkeit im globalen Wirtschaftssystem auf sich zu ziehen, müssen sich depressive Störungen in volkswirtschaftlicher Hinsicht zudem als erheblicher Kostenfaktor oder ernstzunehmende Produktivitätshemmer erweisen. Für das Jahr 1990 nehmen Greenberg et al. (1996) allein für die USA einen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von 53 Milliarden US-Dollar an (inkl. aufgrund von Suizid verursachten »lost lifetime earnings« bzw. »mortality costs«), korrigieren den Wert später sogar auf 77 Milliarden US-Dollar. Bis ins Jahr 2000 seien die jährlichen Kosten bis auf 83 Milliarden US-Dollar gestiegen (Greenberg et al. 2003). Auch die Bundesrepublik Deutschland reiht sich in die Liste der Staaten ein, in denen das depressive Leiden an der eigenen Psyche volkswirtschaftlich und versicherungstechnisch als Problem betrachtet wird. Deshalb erfasst die Gesundheitsberichterstattung durch die Kostenträger (Krankenkassen) gerade auch die Verbreitung psychischer Erkrankungen mit Sorge. Einen Überblick geben Lademann/Mertesacker/Gebhardt (2006), Jacobi (2009) und Bär (2010). 40 Warnecke gibt zwar keineswegs vor, eine psychische Krankheit zu diagnostizieren. Dennoch verwendet er den Begriff Depression, um das Leistungstief der Schwimm-Nationalmannschaft quasi-kausal zu erklären.
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
sportler nach erfolgreicher Intervention wieder voll leistungsfähig würden. Die Frage, ob Athleten während einer Depression ihre sportliche Leistung erbringen können, wird nur selten gestellt.41
6.3
Körper/Psyche
Ein weiteres Spezifikum des Spitzensports besteht darin, dass sportliche Leistungen wesentlich als körperliche Leistungen beobachtet werden. Umso mehr vermag eine psychische Krankheit die Routinen der Sportbeobachtung zu durchkreuzen. Bereits in sozioevolutionärer Hinsicht ist die Ausdifferenzierung des Sports im Kontext einer paradoxen Gleichzeitigkeit von Körperaufwertung und Körperverdrängung angesiedelt (Bette 2005 [1989]; 1999: 106ff.). Der aktiv betriebene Sport präsentiert den »[…] nirgendwo sonst mehr so recht in Anspruch genommenen Körper« (Luhmann 2012 [1984]: 337), und rekrutiert seine gesellschaftliche Legitimation daraus. Der Sport lässt sich somit als »Teilsystem zweiter Ordnung« (Bette/Schimank 1995: 28) bzw. »sekundäres Primärsystem« (Fuchs 2006: 38) deuten, das in Reaktion auf den Bedeutungsverlust des Körpers in der modernen Gesellschaft entsteht. Gerade die als Zivilisierung, Disziplinierung, Medialisierung, Technisierung und Digitalisierung bezeichneten Entwicklungen gehen mit einer gesellschaftlichen Abwertung und Entlastung des Körpers einher, während der Sport Personen und ihre Körper systematisch aufwertet, bewegt und belastet. Kommunikation spielt im Sport eine nachgeordnete Rolle. Bereits im Trainingsprozess werden sportliche Leistungen durch Kommunikation alleine nicht verbessert. Trainer verbalisieren zwar Übungsaufgaben, Korrekturhinweise oder affirmatives Feedback. Ihre wesentliche Arbeit bezieht sich allerdings auf den Athletenkörper. Die Einf lussnahme läuft über ein spezifisches Arrangement der Umwelt des Körpers, das nach didaktischem Feingefühl und Erfahrungen in der Steuerung körperphysiologischer Prozesse verlangt. Sportler werden mit künstlich inszenierten Notsituationen konfrontiert, die sie vor allem körperlich bewältigen müssen. Ihre regelmäßige Auseinandersetzung mit sportlichen Herausforderungen löst superkompensatorische Anpassungsprozesse im Organismus aus, die auf der Grundlage biologischer Gesetzmäßigkeiten ablaufen.42 Gerade der publikumsorientierte Hochleistungssport gilt als »oberirdisches Körperprogramm« (Bette 1987: 225) der Moderne. Infolge der Aufmerksamkeit, 41 I m wissenschaftlichen Diskurs herrscht indes keine Einigkeit über diese Frage, vgl. Kap. 8.2. 42 Die Körperfixierung des Athletenhabitus bzw. die »Stummheit der Sportler« (Bourdieu 1987: 205) stiftet Anlässe für gattungsspezifische Stereotype, wie sie z.B. in Form von Fußballerweisheiten nachzulesen sind. Überdies finden sie in der Begeisterung für jene Athleten Ausdruck, die mit überdurchschnittlichen Schul- und Abiturnoten auffallen. Hochleistungssportler, die ihre außersportlichen Bildungswege mit guten Zensuren abschließen, werden in der Öffentlichkeit bisweilen gefeiert, als hätten sie die Quadratur des Kreises gelöst.
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die dem Spitzensport in Form von Eintrittsgeldern, Sponsorenverträgen, Übertragungsrechten oder auch politischer Förderung zuteilwird, haben sich die Trainingsprozesse in vielen Sportarten professionalisiert, gar »totalisiert« (Heinilä 1982). Alle Rolleninhaber im Sport versuchen mit hohem Aufwand das disziplinspezifische Körperpotenzial der Athleten zu steigern. Umso faszinierter zeigt sich das Sportpublikum in den Stadien und Arenen, in Public-Viewing-Bereichen und vor den Fernsehbildschirmen. Als eingeschlossene ausgeschlossene Dritte parasitieren die Zuschauer am sportlichen Konf liktsystem, ohne explizit als Adressaten einer Kommunikation gemeint zu sein. Über die meiste Zeit des Sportgeschehens hinweg kommunizieren die Athleten nicht mit dem Publikum, sondern kämpfen, laufen, springen, werfen, sprinten und schwitzen im sportlichen Wettbewerb gegeneinander. Gerade dann, wenn der sportliche Konf likt unterbrochen oder beendet wird, zeigen sie z.B. ihre Freude in Jubelposen und führen ihrem Publikum derart auf, wer das Tor geschossen bzw. den Sieg errungen hat. Das sportliche Handlungsgeschehen würde demnach wohl seinen Reiz, nicht aber seinen Sinn verlieren, wenn niemand zuschaute. Die gesellschaftliche Sportbegeisterung folgt dabei keiner Logik »ref lexiver Anthropologie« (Bourdieu/Wacquant 2013 [1996]) und stellt keine Beobachtung der Beobachter dar. Sie funktioniert auf Basis der Wahrnehmung sportlich-körperlicher Handlungsvollzüge, die die Athleten im Rahmen einer »präkommunikativen Sozialität« (Kieserling 1999: 207) vollziehen. Im Wahrnehmungsmodus der Sportbetrachtung sind Verständnisbarrieren auf die Verfügbarkeit der Sportsemantik, rudimentäre Regelkunde und die Fähigkeit zur »kinästhetischen Sympathie« (Geertz 1972: 9) mit den Athleten reduziert. Mittels Analogie von Körper zu Körper können die Zuschauer einerseits an den Leistungen der Athleten empathisch teilhaben. Andererseits macht gerade der Körperbezug deutlich, dass hier Außergewöhnliches vollbracht wird. Implizite Referenzen auf die Begrenztheit des eigenen Körperzugangs halten stets den Grund dafür präsent, dass die Zuschauer nicht ihrerseits exponiert werden – und lassen in dieser Differenz Bewunderung entstehen. Als entsprechend hoch erweist sich das Inklusionspotenzial des Sports, erzeugt er doch die Erlebnisgemeinschaft der Vielen, die sich am Ausnahmekönnen der Wenigen ergötzen. Die Rolle der Sportpsychologen und »Mentaltrainer« allerdings bezeugt, dass auch sportliche Leistungen von Personen mit Körpern und Psychen erbracht werden. Um habitualisierte Körperpraktiken, inkorporiertes Handlungswissen und automatisierte Bewegungsmuster im richtigen Moment abrufen zu können und nicht durch Angstgedanken, Selbstzweifel, Lampenfieber oder unkalkulierbare Komplexität zu blockieren, muss das Athletenbewusstsein domestiziert werden. Sportpsychologen repräsentieren die Intransparenz und Negationsfähigkeit des Bewusstseins im Spitzensportsystem. Ihr selektiver Blick auf die Psyche bleibt jedoch an der spitzensportlichen Leistungssemantik orientiert, intendiert die op-
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timale Entfaltung der Körperpotenziale betreuter Sportler und greift zu diesem Zweck auf ein Übungsrepertoire zurück (u.a. der Visualisierung, Entspannung, Zielsetzung oder Angstbewältigung), um ihren Athleten bei der Verwirklichung von Trainings- und Wettkampfzielen zu helfen (Orlick 1986: 6ff.; Afremow 2013: 29ff.). Ihre Intervention arbeitet primär auf die »kognitive Schließung« (Bette et al. 2002: 356) der Athletenpsyche hin. In ihrer idealtypischen Perspektive erscheint das psychische System von Sportlern als durchlässiges, motivierbares und entscheidungsfähiges System, das sich dem »impliziten Wissen« (Polanyi 1985) des Körpers möglichst störungsfrei hingibt und die Leistungsbereitschaft gerade dann noch aufrechterhält, wenn der Körper ermüdet oder sogar schmerzt. Selbst unter hohem Zeit-, Prüfungs- und Kontingenzdruck soll das Bewusstsein reibungslos funktionieren und »toughness« gegen innere wie äußere Widerstände unter Beweis stellen. Sportpsychologen sollen dazu beitragen, dass Athleten ihren »Kopf ausschalten«,43 sich voll auf das sportliche Ziel fokussieren und stets erfolgszuversichtlich bleiben – ganz nach dem Motto: »Think gold and never settle for silver!« (Afremow 2013: 6) Im Athletenbewusstsein stoßen zwar immer noch Gedanken andere Gedanken an, die andere Gedanken anstoßen (Luhmann 2008 [1995]: 60ff.). Ihre rekursive Verknüpfung soll allerdings Fließerfahrungen erzeugen, in denen die Aufmerksamkeit sich rein am gegenwärtigen Handeln orientiert und nicht ständig auf die Ebene der personalen Selbstref lexion wechselt (Czikszentmihalyi 1975). Prokrastination, Leistungspessimismus und selbstzerstörerisches Denken dienen als Negativfolie sportpsychologischer Intervention (Afremow 2013: 8). Erst recht stellen Depressionen einen scharfen Kontrast zum Idealbild der Athletenpsyche her. Sie erscheinen als andere Seite des »winning mindset« (ebd.: 3), als Hinweis darauf, dass sich das Negationspotenzial des Bewusstseins nicht dauerhaft zähmen lässt. Depressive Athleten gelten als »verletzte Seelen in austrainierten Körpern« (Focus online vom 15.3.2013), die Selbstzweifel kultivieren, an ihren Enttäuschungserfahrungen hängenbleiben und bisweilen ihr ganzes Leben infragestellen. Der öffentliche Diskurs über Depressionen von Spitzensportlern macht dem gemeinen Zuschauer auf markante Weise deutlich, dass Athleten mehr sind als Körper in Bewegung und stets motivierte Psychen.
43 S o charakterisiert Andrea Petkovic den eigenen Bewusstseinszustand bei ihren sportlichen Glanzleistungen, vgl. DLF (vom 15.8.2015).
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6.4
Athlet/Mensch
Neben der Sieges-, Leistungs- und Körperorientierung generiert der Sport seine gesellschaftliche Bedeutung nicht zuletzt durch die Art und Weise, wie er Personen in Szene setzt. Im Kontext einer Gesellschaftsformation, die ihre Dynamik über organisierte Sozialsysteme erzeugt, werden Individuen meist nur in dividualisierter, hochselektiver Form relevant, das heißt als kleine Rädchen im großen Organisationsgetriebe. In den korporativen Akteuren gesellschaftlicher Funktionsbereiche (z.B. Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Unternehmen) werden Menschen durch binäre Logiken gehandelt, im Rhythmus systemischer Eigenzeiten an- und abgeschaltet und zu Erfahrungen des Wartens gezwungen (Bette 2004: 16). Umso schwerer fällt es, Individuum in der »Organisationsgesellschaft« (Schimank 2001b) zu sein, und stets die eigene Einzigartigkeit unter Beweis zu stellen. Die öffentliche Beobachtung individueller Leistungsfähigkeit im Sport weist einen Gegenweltcharakter zur »Überdosis Organisation« (Kühl 2011: 11) in der funktional differenzierten Gesellschaft auf. In wichtigen Momenten des Wettkampfverlaufs treten einzelne Sportler aus dem integrativen Handlungskontext heraus, um im Vordergrund des Geschehens den entscheidenden Unterschied zu machen.44 Der Spitzensport hat sich wie kaum ein zweiter Sozialbereich als gesellschaftliche Bühne ausdifferenziert, auf der Personen in Fleisch und Blut vor den Augen eines physisch oder virtuell anwesenden Publikums sozial sichtbar gemacht werden. In den Mannschaftssportarten werden nicht nur Teamfähigkeit und soziale Kompetenz erwartet. Kreative Zuspiele, spielentscheidende Tore, spektakuläre Abwehraktionen oder glanzvolle Paraden symbolisieren die besondere Bedeutung, die dem Handeln Einzelner im Rahmen sportlicher Sinnvorgaben zukommt. Erst recht müssen die Akteure in den Individualsportarten ihr Leistungsvermögen, Nervenstärke sowie ein Höchstmaß an Autonomie gegen alle Widerstände unter Beweis stellen. Die Exposition von Personen im Sport hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich der Spitzensport zum Heldensystem der modernen Gesellschaft entwickeln konnte (Bette 2007). Während andere Gesellschaftsbereiche wie Wirtschaft, Religion, Wissenschaft, Politik oder das Militär an Heldenerzeugungskompetenz einbüßen, weil sie z.B. ihr Handeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollziehen, hohe Verstehensbarrieren aufweisen, Skandale am laufenden Band produzieren oder Kollateralschäden in der Zivilbevölkerung inkaufnehmen, ist der Spitzensport »[…] wie kein anderer Sozialbereich geeignet, Helden zu erzeugen« (ebd.: 243). Die rigide Sieg/Niederlage-Unterscheidung, einfache Regelwerke, pa44 Z ur Logik der »kollektiven Personalisierung« im Spitzensport und deren nicht-beabsichtigten Nebenwirkungen in der Beobachtung von Dopingdevianz vgl. Bette (2001).
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
noptische Architekturen in modernen Sportarenen, die soziale Harmlosigkeit sportlicher Konf likte sowie das außersystemische Interesse an der besonderen Strahlkraft von Hochleistungsathleten besorgen das heroisierungsfreundliche Alleinstellungsmerkmal der Sportöffentlichkeit. Gerade auch die massenmedialen Konstruktionen mit ihren Bildern, Schlagwörtern und Metaphern lassen keinen Zweifel: Solange sie nicht durch Dopingdevianz, Dönerwürfe oder sonstige Eskapaden auffällig werden, gelten Athleten häufig als Menschen, »[…] wie Menschen sein sollten« (ebd.: 263). Bei genauerer Hinsicht spricht vieles dafür, dass der Helden- und Kultstatus von Athleten zudem daran gekoppelt ist, dass sie als »f lat character« (Foster 2005 [1927]: 73; vgl. auch Luhmann 2008 [1995]: 87) auf dem gesellschaftlichen Horizont auftauchen. In der Literaturtheorie werden als »f lat« (f lach) jene Charaktere bezeichnet, deren literarische Existenz um eine spezifische Tugend herum konstruiert wird bzw. einen bestimmten Leitwert in der Erzählung repräsentiert, z.B. Stolz, Frömmigkeit, Boshaftigkeit, Tapferkeit, Einfalt oder Liebe. »Flache« Charaktere, die an positive Werte geknüpft werden, taugen in besonderem Maße zur Heroisierung durch ihre Beobachter. Sie führen das Moment der Hingabe in das Handlungsgeschehen ein, sind über Zweifel erhaben und hinterfragen ihre Seinsweise zu keinem Zeitpunkt. Vor allem beißen sie sich nicht an ihrer Fixierung fest, um sich von tieferliegenden Problemen abzulenken. Ihre erzählerische Komposition weist auf keine Latenzen oder sonstwie komplexe Motivkonstellationen hin. Zwischen Essenz und Existenz besteht kein Unterschied: »Flat character« sind ihre Leidenschaft selbst! Die Verherrlichung von Athleten als Helden entspricht diesem Beobachtungsschema in vielerlei Hinsicht. Die Leitformel, die ihr öffentliches Bild bestimmt, besteht im »Leistungsindividualismus« (Bette et al. 2002: 312) ihres Athletendaseins. Als heldenhaft gelten Spitzenathleten dabei nicht deshalb, weil sie ein Schema kopieren, eine Rolle spielen oder durch unbewusste Problemlagen gehandelt werden. Ihr heroischer Status kondensiert an der Annahme einer bedingungslosen Identifikation mit der Sache: Der Athlet ist sein Wille zum Sieg! Bereits Gebauer (1989: 19) hat darauf hingewiesen, dass die gängigen Erzählungen des Sports aus den Athleten – quasi genrebedingt – makellose, widerspruchsfreie Gestalten machen und sie in weite Ferne zur Erfahrungswelt des Publikums rücken. Ihr erzähltes »Wesen« besteht im vorbildlichen Übertreffen selbst höchster Leistungserwartungen.45 Umso bewundernswerter, dass das Gut, nach dem sie streben, entbehrlich ist, und der Konf likt, den sie austragen, kreiert. Sportheldentum, so lässt sich folgern, gestaltet sich als soziale Konstruktion, zu der beide Seiten, Athleten wie Zuschauer, beitragen. Eine Krise der ambivalenz45 Z um Begriff der »supererogatorischen« Leistung als einer paradoxen Form des nicht-erwartbaren Übertreffens erwartbarer Leistungen vgl. Luhmann (2008 [1995]: 87).
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freien Begeisterung für den Sport und sein Heldeninventar kann dadurch entstehen, dass sich Spitzenathleten als »round character« (Foster 2005 [1927]: 75) offenbaren, das heißt als komplexe Personen, die sich nicht mithilfe einfacher Formeln beschreiben lassen. Athleten, die sich zu Depressionen bekennen, ihre Karriere an den Nagel hängen, von Suizidversuchen berichten oder gar ihrem Leben ein Ende setzen, weisen das Publikum auf seinen »[…] failure to realize complexities of the ordinary human mind« (ebd.: 78) hin. Weil sie über ein psychisches Leiden berichten, das Betroffene auf der Seite der Selbstreferenz festhält, verkörpern sie nicht mehr die schicksalhafte Hingabe an den Sport. Vielmehr führen sie die Möglichkeit ein, dass der öffentliche Schein sich vom Bewusstsein der Athleten unterscheidet – und folglich trügt. Indem die Lücke zwischen Essenz und Existenz auf klafft, verschwindet der kategorische Unterschied zwischen den Athleten und ihrem Publikum. Sportler, die depressiv werden, gelten dann nicht mehr als »[…] unverletzliche Helden mit leistungsfähigen Körpern, sondern [als] Menschen mit Gefühlen und Empfindungen« (Teubel et al. 2010: 28), fehlbar und »[…] mit Schwächen wie jeder andere Mensch auch« (FAZ vom 16.11.2009). Ecce homo! Aus außeralltäglichen Helden werden gar Sinnbilder der Humana conditio, der Höhen und Tiefen des Menschseins. Insbesondere in den Selbstbegrenzungsreden, die Entscheidungsträger von Spitzensportvereinen und -verbänden anlässlich des Themas halten, wird an den Menschen dahinter erinnert. Theo Zwanziger appelliert in seiner Trauerrede zum Gedenken an Robert Enke daran, dass es nicht nur um den Schein gehe, man müsse auch schauen, was »im Menschen« (Hannoversche Allgemeine online vom 15.11.2009) sei. Der Begriff des Menschen fungiert in dieser Hinsicht gar als Krisensymptom, als eine Art Besinnungsformel, die die Distanz zwischen Individuum und Gesellschaft anzeigt und »Menschlichkeit« zum Ziel der Ziele erhebt. Im Bild von Depression und Burnout erscheint die rigide Leistungsfokussierung als pathologische Fixierung. Unter Rückgriff auf das Burnout-Konstrukt lässt sich zwar ein relativer Auraschutz einspielen und das Stigma der Krankheit in das Charisma der Hingabe zurückverwandeln. Im Zustand der Erschöpfung wird dennoch der Makel der hohen Kosten angezeigt, die sich aufgeschaukelt, zu einem Teufelskreis geschlossen und in tiefe Schwermut geführt haben. Auf diesem Weg wird die paradoxe Figur des depressiven Athleten zur Spielform des tragischen Helden, dessen Geschichte der Selbstüberforderung als Fall aus dem Heldenhimmel nacherzählt wird. Die einstigen Vorzeigeathleten erscheinen als »zerbrechliche Helden« (Der Spiegel 20/2004: 133), als »allzu menschliche Idole« (Welt online vom 12.11.2009), letzten Endes als »Helden, die nicht zum Helden taugten« (Zeit online vom 1.10.2009). Das Leiden depressiver Spitzenathleten lässt sich somit gerade auf diese Schnittstelle von Athletenolymp und Menschenexistenz, von öffentlicher Figur und privaten Sorgen und Ängsten beziehen. Indem die fundamentale Kluft zwischen Selbst- und Fremdbeobachtung auf bricht,
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schlägt das Moment der Verehrung in Betroffenheit und Anteilnahme um, womöglich auch in Erleichterung und Schadenfreude. Die Verwunderung darüber, dass die Bewunderung durch den Bewunderten selbst nicht geteilt wird, dass sich dieser gar »selbst nicht mehr aushalte« (Der Spiegel 47/2009: 144), verschärft den Skandal der Athletendepression. Hochleistungsathleten, die an der »Volkskrankheit« Depression leiden, konterkarieren die gängigen Erzählmuster in der Kommunikation über den Spitzensport. Die Athletendepression verweist auf den blinden Fleck der etablierten Beobachtungsschemata. Auch der psychoanalytische Diskurs deutet die Figur des Sporthelden als Projektionsf läche für die unbefriedigten Sehnsüchte des Publikums. Milliner (1987: 59) hält fest: »There is a desire on the part of the individual and of society to preserve the mystique of the athlete as a god-like Olympian capable of superhuman feats.« Depressionen von Spitzenathleten schieben, dieser Erzählung gemäß, die Person vor die Projektion, den Menschen vor den Helden, und weisen das Athletenideal als illusorisch aus. Dann bleibt, den Fall des Helden selbst als heldenhaft zu gerieren. Nicht zufällig taucht im Mediendiskurs die Figur des Bekenntnishelden auf, der sich öffentlichkeitswirksam zu seiner Krankheit äußert, seine Selbstzweifel offenbart und sicher ist, dass ihn die dunklen Stunden des Lebens »menschlich« weiterbringen werden.46
6.5
Leben/Sterben
Abschließend werden die Todesnähe und der Sterbenswunsch, die häufig mit depressiven Erkrankungen assoziiert werden,47 mit der ausgeprägten Lebensorientierung kontrastiert, die dem Sport meist zugeschrieben wird. Sozial- und geisteswissenschaftliche Analysen haben wiederholt auf ein ambivalentes Verhältnis von Sport und Tod hingewiesen (Gebauer/Hortleder 1986; König 2000; Gehring 2012). Einerseits zeichnet sich der Sport durch seine besondere Leichtigkeit, soziale Harmlosigkeit und das biopolitische Momentum aus, das am Maßstab von Gesundheitsdiskursen, Spaßsemantiken und Glücksideologien diesseitsorientiert und »[…] mit dem Leben im Bunde« (Gehring 2012: 78) ist. Andererseits gelten Athleten als Sozialfiguren der Extreme, deren lebensbejahendes Handeln sich auf 46 S o zum Beispiel in Holsboer (2009: 15): »Was bleibt, ist, dass dieser junge Mann (gemeint ist Sebastian Deisler, F.K.), dem so viel öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwurde, für Millionen Menschen, und besonders für die, die selbst an Depressionen leiden, ein Held geworden ist. Ein Held, weil er den Mut und die Offenheit besaß zu sagen, jawohl, auch ich leide an dieser Krankheit.« 47 Hegerl (2005: 7) gibt an, dass etwa 90 Prozent aller Suizidenten unter einer psychischen Krankheit litten, die meisten davon unter Depressionen. Somit ist nicht überraschend, dass hohe Suizidraten häufig als Verweise auf die weite Verbreitung von Depressionen interpretiert werden. Wittchen et al. (2010: 25) geben an, dass drei bis vier Prozent depressiver Personen sich suizidierten.
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paradoxe Weise von seiner Todesnähe herleitet.48 In vielen Sportarten ist der Tod das eingeschlossene ausgeschlossene Dritte sportlicher Vitalität – erst recht dort, wo Extrembelastungen gesucht oder das Leben systematisch riskiert werden. Wenn Rennstrecken in atemberaubender Geschwindigkeit bewältigt, schwindelerregende Höhen übersprungen, harte Treffer inkaufgenommen, die Erschöpfung des Körpers exzessiv gesteigert oder das scheinbar Unmögliche spektakulär versucht werden, fährt, läuft, klettert, springt und schlägt die Todesgefahr immer mit. Die Risikofreude der Athleten gewinnt ihr Alleinstellungsmerkmal in einer Gesellschaft, die den Tod als »narzisstische Kränkung« (Bette 2004: 65) ihrer Machbarkeitsfantasien domestiziert und in Sonderbereiche verdrängt hat. Im Sport jedoch garantiert der Tod als eine »Grenze, die nicht überschritten werden darf«, dies stellen Gebauer und Hortleder (1986: 8) heraus, die »[…] Echtheit der Leidenschaften, die der Sport entstehen lässt«. Waghalsigkeit und Todesmut, konstitutive Bestandteile in verschiedenen Handlungsfeldern des Sports, vermögen das Sportpublikum in der modernen Gesellschaft zu faszinieren. Bewunderung steigt spätestens dann auf, wenn das Risiko belohnt wird und die Meisterschaft jener Athleten unter Beweis stellt, die gleichsam durch die Hölle gegangen sind – und wieder zurück. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen und Regeländerungen treten Todesfälle von Athleten hin und wieder auf. Wenn Rennfahrer bei Höchstgeschwindigkeit in die Leitplanken crashen, Skifahrer an schweren Stürzen final scheitern oder auch Fußballspieler einem plötzlichen Herzstillstand erliegen, wird die heile Welt des Sports in einen Schockzustand versetzt. Im sportlichen Siegescode sind fatale Ausgänge nicht vorgesehen. Unter bestimmten Voraussetzungen lässt sich der Tod im Sport dennoch systemgemäß verarbeiten. Wer beim Sport stirbt, wird wohl bedauert und beweint. Sein Ende geschieht jedoch im Rahmen des Sinnhorizonts, dem er einen Großteil seines Lebens gewidmet hat. Durch die Anwendung von Legitimationsformeln vermag das Sterben sogar ein ästhetisches Moment zu gewinnen. Entsprechend kommentierte Conor McGregor (2016), der irische Star der Mixed Martial Arts-Szene, die Nachricht vom Tod des portugiesischen Kämpfers João Carvalho, der am 11. April 2016 infolge von Trefferwirkungen schweren Hirnschäden erlag: »To see a young man doing what he loves, competing for a chance at a better life, and then have it taken away is truly heartbreaking. We are just men and women doing something we love in the hope of a better life for ourselves and our families. […] It is easy for those on the outside to criticize our way of living, but for the 48 Z ur Deutung des Abenteuer- und Risikosports als »Kulturtechnik der Lebensbejahung« vgl. Bette (2004: 15ff.).
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millions of people around the world who have had their lives, their health, their fitness and their mental strength all changed for the better through combat, this is truly a bitter pill to swallow. We have lost one of us. I hope we remember Joao as a champion, who pursued his dream doing what he loved, and show him the eternal respect and admiration he deserves. Rest in peace, Joao.« Durch den Rückgriff auf die Hingabe- und Opferrhetorik lassen sich die Todgeweihten nicht nur als »f lat character« darstellen. Mehr noch erhält das Drama einen Sinn, der nicht mit dem Leben endet, sondern über den Tod hinausreicht. Im Sterben des Athleten kommt zum Ausdruck, dass der gefallene Kämpfer nicht das Risiko falsch eingeschätzt habe, sondern im Sinne der Traumverwirklichung und aus Liebe zu seiner Familie gehandelt. Demgegenüber zeigt die Konstruktion von Wirklichkeit im Fall Enke: Am Sport zu verzweifeln, Sterbenswünsche entwickeln und sich das Leben nehmen, lassen sich über sportgemäße Sinnformeln nicht wirksam abpuffern.49 Immer wieder, hört und liest man vielfach, sei die Krankheit eben stärker als die Betroffenen, bisweilen sogar, wenn diese eine Therapie absolvierten. Sven Hannawald ist in der Talkshow »Markus Lanz« (ZDF am 18.9.2013; ab Min. 9:26) zwar überzeugt davon, dass die Diagnose Burnout und die anschließende Therapie sein Leben gerettet haben, zitiert anschließend aber den Fall Enke und warnt: »[…] Ich glaube auch, jetzt mit dem Fall Enke […] ich wärʼ genau so in dem Film drin geblieben […] irgendwie, keine Ahnung, was ich gemacht hätte. Ich wärʼ weiterhin, glaube ich, Skispringer gewesen, und irgendwann, glaube ich auch, dass man dann an einen Punkt kommt, wo man dann sagt, es ist besser irgendwo runterzuspringen. Ich glaubʼ das einfach.« Die bittere »Lebens- und Sterbensernsthaftigkeit« (Fuchs 2011: 50) des Themas Depression steht quer zur Leichtigkeit des Seins im Sport, konterkariert dominante Erzählmuster und irritiert die kommunikativen Anschlüsse des Sports in Publikum, Massenmedien, Wirtschaft und Politik. Vor allem stehen suizidale Tendenzen in starkem Kontrast zum öffentlichen Bild der Athletenfigur. Nichtmehrlebenwollen ist kein Todesmut, sondern im Idealtypus des Athleten nicht vorgesehen (Gehring 2012: 77). Dies gilt erst recht dann, wenn die Ursachen der Selbstnegation, wie dies häufig der Fall ist, auf die Athletenbiografie zurückgeführt und auf die dunkle Seite des Spitzensports bezogen werden. Die ultimative Lebensverweigerung, der Rückzug von jeglichen Publikumserwartungen, die endgültige Befreiung vom Leidensdruck und die gezielte Tötung des außeralltäg-
49 Die Differenz beim Sport sterben/am Sport sterben findet sich bei Gehring (2012: 71ff., insb. 77).
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lichen Körpers, die im Athletensuizid symbolisiert werden, lassen sich nicht mehr im Sinnschema einer lebensbejahenden Sportpraxis deuten. Wenig überraschend also, dass der Suizid depressiver Sportler sogar am Leitfaden des Märtyrerschemas verarbeitet wird. So wurde gerade der Suizid Robert Enkes, unter konsequentem Absehen vom sog. »Enke-Effekt« (Schäfer/Quiring 2013),50 als Handeln eines »Märtyrers« (Kicker 68/2017: 82) dargestellt, eines tugendhaften Subjekts, das sich aus altruistischen Motiven getötet habe, um auf schwerwiegende Probleme im Hochleistungssport hinzuweisen und seiner Nachwelt die Aufgabe ihrer Lösung zu hinterlassen.51 Enke habe sich, in dieser Version, gerade nicht für, sondern wider den Sport geopfert. Selbst die Funktionäre des Spitzenfußballs übten sich in Selbstbegrenzungsrhetorik, betonten, dass sich ein Fall Enke unter keinen Umständen wiederholen dürfe, versprachen präventive Maßnahmen und bekannten ihrerseits: »Fußball ist nicht alles.« (Hannoversche Allgemeine online vom 15.11.2009) In der Tat scheint, als benötige jedes Krankheitsbild einen Trägerarchetypus besonderer Art, um als Thema in den Diskursen der Öffentlichkeit zu f lorieren. Vor allem wenn die Krankheit Prominente befällt, die Symbol- und Leitwerte verkörpern, wird das gesellschaftliche Reden über die e contrario bezeichnete Pathologie salonfähig. Krankheitsdiskurse stellen häufig parasitäre Diskurse dar, die an der Aura des betroffenen Wirts anschließen und eine diskursive Gegenposition einführen. Wenn Rhetoren dement werden (Walter Jens), Sportfunktionäre an Alzheimer erkranken (Rudi Assauer) oder die »größten aller Zeiten« an Parkinson leiden (Muhammad Ali), wird der Skandal der Krankheit als Schädigung dessen erzählbar, was den Erkrankten einst stark machte, und die dif ferentia specifica zwischen ihm und seinem Publikum zerstört. Umso mehr taugen der Sonderweltcharakter des Spitzensports und die Symbolik der Athletenfigur als Hintergrundmedium, aus dem die Form der Depression als Krankheit hervortritt und ihre gesellschaftliche Dramatik steigert. Athleten geben dem Depressionsdiskurs ein Gesicht, um den Einschlag der Depression im Leben Betroffener idealtypisch greif bar und auf Basis einfacher, zweiwertiger 50 D ie Formulierung »Enke-Effekt« referiert auf den vielzitierten »Werther-Effekt«. Die Selbsttötung des Protagonisten in Johann Wolfgang von Goethes »Leiden des jungen Werthers« hatte seinerzeit eine Vielzahl an Imitationshandlungen ausgelöst und zu einer regelrechten Suizidwelle geführt. Auch Robert Enkes Selbsttötung ging, der zitierten Untersuchung gemäß, mit einem Anstieg der Suizide in direkter Nachfolge einher. Häufig wird gerade die eisenbahnsuizidale Tötungsart imitiert. Als wesentliche Ursachen hierfür identifizieren Schäfer/Quiring (2013) die massenmediale Kommunikation über das Thema, in der bestehende Richtlinien zur Suizidberichterstattung nicht annähernd berücksichtigt werden. Stattdessen werden Details der Selbsttötung veräußert, aus dem Abschiedsbrief zitiert, die Person des Suizidenten heroisiert oder sogar seine Wahl als alternativlos dargestellt. 51 Zur Soziologie des »altruistischen« Selbstmords siehe Durkheim (1983 [1897]: 242ff.).
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
Logiken darstellbar zu machen. Gemäß der Alarmierfunktion von Krisenthemen lässt sich eine bedrohliche Botschaft ableiten: Wenn sich »[…] selbst der Stärkste der Starken nicht mehr zu helfen weiß, dann geraten Sicherheiten ins Wanken« (FAZ vom 14.11.2009).52 Die Krankheit, die sich nur schwer fassen lässt, gerät ex negativo als das in den Blick der (Sport-)Öffentlichkeit, was sie selbst noch bei Spitzenathleten anrichten kann.53 Entsprechend bereitwillig greifen die Massenmedien öffentlich gewordene Fälle depressiver Spitzensportler auf, um mit diesen fundierenden Paradoxien spielerisch zu hantieren, sie gemäß ihrer systemischen Eigenlogik zu gestalten und einem breiten Publikum zu vermitteln. Mit der massenmedialen Konstruktion der Athletendepression setzt sich das folgende Kapitel auseinander.
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Athletendepression in den Massenmedien
Eine Analyse der gesellschaftlichen Kommunikation über depressive Spitzenathleten darf den Beitrag der Massenmedien nicht ausblenden. Aufgrund des Publikumsinteresses an Siegern, Helden, Rekorden und spannenden Wettkämpfen haben globale wie nationale Sportereignisse und ihre Akteure bereits seit Langem die Aufmerksamkeit von Fernsehen, Radio und Printmedien geweckt. Durch die Redaktionen, »Sehmaschinen« (Virilio 1989), Druckpressen und Flachbildschirme der Massenmedien gewinnt der Sport erhebliche Freiheitsgrade auf seinem Weg zu den Zuschauern. Sportliche Ereignisse werden zu einem technisch reproduzierbaren, weltweit konsumierbaren, langfristig speicherbaren und in seiner Dramatik steigerbaren Gut. Die Medien sind somit zu wichtigen Bindegliedern in der Verwertungskette des Spitzensports und seiner symbolträchtigen Wettkämpfe geworden (Bette 2005 [1989]: 205ff.). Die Massenmedien informieren ihre Zuschauer, Hörer und Leser nicht aus altruistischen Motiven. Vielmehr nutzen sie Sportereignisse, um ihre eigene Selbstbezüglichkeit zu bedienen und das Sportpublikum als eigenes Publikum zu inkludieren (Bette/Kühnle/Thiel 2012: 36). Die Bedeutung des Spitzensports als massenmedialer Selektionsbereich beschränkt sich deshalb keineswegs darauf, dass die Ergebnisse sportlicher Wettbewerbe als Spielausgänge, Tabellenstände 52 I n neuerer Version: »Wenn ein Athlet, ein Mitglied der Nationalmannschaft, ein Torwart zumal, der die allerstärksten Nerven braucht, der Depression zum Opfer fällt […] Dann muss da was Ernstes sein.« (Der Spiegel 11/2018: 101) 53 Paradigmatisch in: »Robert Enke – ein Baum von einem Mann, ein Vielgeliebter, brilliert im Tor, wie immer. Und zwei Tage später lässt er sich von einem Zug überrollen. Und im ganzen Land begreifen die Menschen auf einmal, welches Verwüsten die Krankheit Depression in der Seele eines Menschen anrichten kann. […] In der Katastrophe der Enkes zeigt sich mit einem Mal für alle sichtbar das Zerstörerische der Depression.« (Der Spiegel 47/2009: 148)
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und Medaillenspiegel in den Nachrichten verbreitet werden. Dank verbesserter technischer Möglichkeiten ist der Spitzensport bereits seit Jahrzehnten zu einem »zentralen Bestandteil der modernen Freizeit- und Unterhaltungsbranche« (Bette 2005 [1989]: 210) geworden, der auch von vielen Medienanbietern nachgefragt wird (Luhmann 1996a: 110f.). In den letzten Jahren ist auch das Phänomen der Depression im Spitzensport zum Gegenstand der Massenkommunikation geworden. Im Rahmen von Fremdbeschreibungen nehmen Journalisten die Athletenpsyche in den Blick, greifen auf eine Rhetorik der Einfühlung zurück, stellen die Warum-Frage und konsultieren Psychologen, Therapeuten oder andere Experten. In Selbstthematisierungen ergreifen Spitzenathleten selbst das Wort, sprechen über die schweren Phasen ihrer Karriere und stellen ihren Lebensweg oft radikal infrage. Presse- und Rundfunkmeldungen über depressive Athleten scheinen bestens geeignet, die Schallmauer der Öffentlichkeit zu durchbrechen und Aufmerksamkeitsfilter im Publikum hochwirksam zu passieren. Im Rahmen dieses Kapitels findet eine eingehende Auseinandersetzung mit Athletendepressionen als Medienthema statt. Geplant ist weder eine ausführliche Rezipientenforschung noch eine hermeneutische Feinanalyse journalistischer Darstellungen. Weniger noch geht es darum, sich unter Rückgriff auf die in Zeitungsartikeln oder Fernsehformaten verfügbaren Beobachtungs-, Beschreibungs- und Deutungsangebote über das Krankheitsbild Depression zu informieren. Gemäß der methodologisch-erkenntnistheoretischen Ausrichtung wird eine Beobachtung zweiter Ordnung durchgeführt, die die Bedeutung depressiver Athleten als Thema in der Medienöffentlichkeit ref lektiert, Konstruktionsweisen abstrahiert und diskursive Eigendynamiken analysiert. Auch mit Blick auf die Massenmedien trägt die Soziologie stellvertretende Ref lexionen über ein System bei, das nur in Ausnahmefällen auf Selbstbeobachtung schaltet. In der Perspektive zweiter Blicke wird beobachtbar, dass die Akteure der Massenmedien in ihrer Thematisierung depressiver Spitzenathleten mehr über sich selbst als über das Phänomen an sich preisgeben. Da kein ontologischer Maßstab zur Verfügung steht, kann auf die Frage nach der Wahrheit dessen, was die Medien zu berichten haben, verzichtet werden. Stattdessen wird eine theoretisch vermittelte Realität dessen rekonstruiert, was sie gemäß ihrer Eigenlogik als Wahrheit behaupten. In letzter Konsequenz: Massenmedien verzerren die Wirklichkeit nicht; sie konstruieren ihre eigene (Luhmann 1996a: 14ff.). Somit ergeben sich die folgenden Leitorientierungen für die anstehende Untersuchung. Zum einen wird das variantenreiche Auftauchen depressiver Spitzensportler als Medienthema soziologisch hinterfragt: Warum selektieren die Massenmedien das Phänomen überhaupt als Kommunikationsthema? Und warum beschreiben sie es so, wie sie es beschreiben? Zum anderen soll dadurch abgeklärt werden, welchen Beitrag die Medien im Hinblick auf die gesellschaftliche Konstruktion des Themas leisten.
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Dabei sollen auch die nicht-beabsichtigten Folgen offengelegt werden, die damit einhergehen können. Man wird im Zuge dessen sehen, dass die massenmediale Wirklichkeit einen maßgeblichen Beitrag zum gesellschaftlichen Imaginarium der Athletendepression leistet. Was man über den Spitzensport, seine Leistungsträger und ihre Depressionen weiß, weiß man insbesondere durch die Massenmedien. Im medialen Diskurs über depressive Spitzensportler zirkuliert allerdings weniger das Forschungswissen über Gentheorien, Biochemie, Diagnosekriterien, Prävalenzzahlen oder therapeutische Interventionen. Indem die einzelnen Beiträge in ihrer akkumulierten, diffus bleibenden Vielfalt auf moderne Lebensformen, Persönlichkeitsstrukturen, Männlichkeitsvorstellungen, biografische Anekdoten oder den omnipräsenten »Stress«-Begriff referieren, verknüpfen sie den Diskurs zu einer symbolischen Eigenwelt, die die Wirklichkeit der gesellschaftlichen Konstruktion von Athletendepressionen signifikant prägt. Journalisten arbeiten systematisch mit Gegensätzen, Widersprüchen und Paradoxien. Sie beobachten das Thema mithilfe der dargestellten Unterscheidungen aus Sieg/Niederlage, Leistung/Schwäche, Körper/Psyche, Athlet/Mensch oder Leben/Sterben und kreuzen spielerisch zwischen ihren Seiten. Zudem unterfüttern sie ihre Berichte durch eine Metaphorik aus Licht und Schatten, Himmel und Hölle, Flug und Fall, Mensch und Maschine, Lachen und Weinen, hart und weich sowie Müdigkeit, Erschöpfung, Leere und Schuld. Bevor die Themengestaltung ausführlich beschrieben wird, sind allerdings Funktion und Code der Massenmedien zu erläutern.
Funktion und Code der Massenmedien Die Massenmedien verdanken sich modernen Verbreitungstechnologien (z.B. Buchdruck, Rundfunktechnik, Kopierverfahren oder digitale Medien), mit deren Hilfe Informationen aufgezeichnet, vervielfältigt und massenhaft gestreut werden können. Die Realität der Massenmedien wird sprachlich und/oder bildlich bzw. optisch und/oder akustisch erzeugt. Neben dem Print-, Radio- und Fernsehwesen besorgt in der jüngeren Vergangenheit das Internet mit seinen neuartigen Möglichkeiten zur elektronischen Speicherung die gesellschaf tliche Breitenwirkung massenmedial transportierten Wissens. In Form von Büchern, Tages- und Wochenpresse, Radio- und TV-Sendungen sowie Webseiten hat sich in den Programmbereichen Nachrichten, Unterhaltung und Werbung ein überschüssiger Kommunikationsf luss ausdifferenziert, der eine Vielfalt an Möglichkeiten verfügbar hält, an Informationen über bestimmte Sachverhalte, Fragen und Probleme zu gelangen.54 54 Z ur Programmdifferenzierung der Massenmedien in den Nachrichten-, Unterhaltungs- und Werbungsbereich bzw. -sektor vgl. Luhmann (1996a: 49ff.). Eine knappe, aber anschauliche Zu-
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Die soziologische Systemtheorie ordnet die Massenmedien als gesellschaftliches Funktionssystem ein, das sich durch eine systemeigene Unterscheidung auszeichnet: der Unterscheidung Information/Nicht-Information (Luhmann 1996a: 32ff.; Ziemann 2006: 60ff.). Informationen stellen den Anschlusswert im System dar, mit ihnen kann es arbeiten. Verlage, Sendeanstalten, Werbe- oder Nachrichtenagenturen funktionieren jedoch nicht als bloße Durchlaufstationen, die das Weltgeschehen abbildgetreu weiterleiten.55 Die Akteure der Massenmedien observieren die »Ereigniskomplexität der Welt« (Rühl 1980: 404) im Hinblick auf ihre Publikums- und Zielgruppenrelevanz. Die Ref lexion auf die Möglichkeit der Nicht-Information sortiert jene Ereignisse aus, die bereits vielen bekannt sind oder als »non-issues« eingeschätzt werden, das heißt als wenig aufmerksamkeitsträchtiges Geschehen ohne besondere Nachrichtenwerte. Die Weltbeobachtung der Medien filtert sehens- und hörenswerte Informationen nicht auf der Basis komplexer Theorien und Methoden, sondern mithilfe von Selektoren und anschließenden Verarbeitungsregeln. Die Sendebereitschaft der Massenmedien orientiert sich an hypothetischen Annahmen über ihr Publikum, das Aufmerksamkeit selektiv zuteilt und in jedem Moment über die Exit-Option verfügt (z.B. Umblättern, »Zapping«, Abschalten und an die frische Luft gehen).56 Häufig gilt dann: »Liebesgeschichten und Klatsch für die Frauen, Sport und Politik für die Männer – und das Wetter für alle« (Ziemann 2006: 67) – ganz gemäß dem Motto: »Give the people what they want« (Schimank 2007)! Unabhängig davon, ob sie auf offiziellen Pressekonferenzen auftauchen, selbst recherchieren, investigativ arbeiten oder indiskret nachfragen, überprüfen die Akteure der Massenmedien das Weltgeschehen auf »newsworthiness«, und arbeiten Relevantes nach allen Regeln der journalistischen Kunst auf. In den Medien herrscht eine »Neophilie« (Marcinkowski 1993: 112) mit folgenreichen Akzentsetzungen. Im Gegensatz zu soziologischen Beobachtungen, die gesellschaftliche Kontextbedingungen einblenden, Erwartungsstrukturen beschreiben, vorschnelle Urteile vermeiden und auf Personalisierungen verzichten, präferieren die Massenmedien das Abweichende, Außergewöhnliche, Konf liktäre, Bedrohliche, Skandalöse, Dramatische, Lokale (bzw. Nationale), Quantifizierbare sammenfassung gibt Ziemann (2006: 65ff.). In der Werbung ist das Thema depressiver Erkrankungen im Spitzensport noch nicht angekommen. Der Bereich der autobiografischen Literatur wird zum Gegenstand eines eigenen (zwölften) Kapitels. 55 Die technologischen Möglichkeiten dienen demnach nicht nur passiv als Informationsspeicher, Verbreitungsmedien oder Kommunikationsplattformen. Vielmehr werden Interaktion und Rückkommunikation durch »Zwischenschaltung von Technik« (Luhmann 1996a: 11) ausgeschaltet und Publikumsreaktionen nur in Sonderformaten, z.B. als Leserbriefe oder in Internetforen, zugelassen. 56 Die Medienöffentlichkeit basiert demnach auf einer »doppelten Selektionsleistung von Journalismus und Publikum« (Marcinkowski 1993: 81).
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und Personalisierbare – erst recht dann, wenn die Personen im Fokus existenziell betroffen sind (Luhmann 1996a: 58ff.). In den Medien findet regelrecht eine Normalitätsumkehr statt, bei der Abweichung und Neuheit als Normalität erscheinen, eben weil diese den höheren Nachrichtenwert besitzen. Die Massenmedien sind somit weniger imstande, ein harmonisches Gleichgewicht zwischen Individuum und Gesellschaft zu stiften – auch wenn sie vorgeben, dies anzustreben. Vielmehr erzeugen sie eine paradoxe, beunruhigende Verlässlichkeit. Dass alles anders sein könnte und nichts wirklich sicher ist, wird, medienvermittelt, zu einer festen Größe. Die Massenmedien halten, so Luhmann (1996a: 47), »[…] die Gesellschaft wach«, und steigern die gesellschaftliche Eigenirritierbarkeit. Wenig überraschend ist also, dass die Medienakteure zur Alarmierung der Gesellschaft mit Vorliebe auf das Themenrepertoire des ökologischen Diskurses zurückgreifen (ders. 1998: 1101). Denn beunruhigte Subjekte schenken ihre Aufmerksamkeit den Themen, die sie beunruhigen. Ob hohe Scheidungsraten die Kindheit gefährdeten, Glyphosat die Biodiversität zerstöre oder Emissionswerte den Klimawandel verschärften – in den Medien wird darüber berichtet. Auch die Depression ist zwar eine schwere Zeit für Betroffene, aber, um es mit den Worten des ehemaligen Fußball-Torwarts Oliver Kahn zu sagen, ein »schönes Wort für den Boulevard« (SZ online vom 3.4.2010).57 Auf ihrer Suche nach publikationsfähigem »Rohmaterial« müssen die Medienakteure gewisse Druckbedingungen bewältigen. Während ihre Existenz strukturell davon abhängt, Neuigkeiten am laufenden Band zu produzieren, herrscht gleichzeitig eine Konkurrenz der Anbieter um die Gunst des Publikums. Der Aktualitätsdruck verschärft den Wettbewerbsdruck, der vor allem im Nachrichtenjournalismus dominiert. Um die Gesellschaft tagtäglich, gar rund um die Uhr mit brandneuen Meldungen versorgen zu können, orientieren sich die Relevanzkriterien bei der Informationsbeschaffung nicht an wissenschaftlichen Methodologien. Sie folgen den Prinzipien einer »Ökonomie der Aufmerksamkeit« (Franck 1998), die sowohl auf die Minimierung von Aufmerksamkeitsinvestitionen auf der Produktionsseite zielt, als auch die Maximierung von Aufmerksamkeitsgewinnen aufseiten des Publikums intendiert. Die Massenkommunikation über ein Thema gestaltet sich als hochkomplexer Vorgang, bei dem sich viele Akteure mit ihren genre- und organisationstypischen Entscheidungsprämissen beteiligen. Dabei beobachten die Medienakteure ihr gesellschaftliches Wirken radikal selbstbezogen und errechnen Kommunikationserfolg meist quantitativ in Form von Auflagenhöhen, Einschaltquoten sowie Verkaufs- und Klickzahlen. Die komplexen psychischen und gesellschaftlichen Wirkungen ihrer Kommunikation evaluieren sie selbst nicht. 57 K ahns Formulierung bezieht sich auf die medial diskutierte »Sexsucht« des US-Golfstars Tiger Woods.
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Das Wissen um diese Operationsweisen zeigt sich als Motiv- bzw. Manipulationsverdacht aufseiten vieler Rezipienten (Luhmann 1996a: 9, 77). Im Nachrichtenbereich begründet die soziale Konvention dennoch eine implizite Wahrheitsannahme (ders. 2009: 76), auf deren Basis der »fake news«-Vorwurf überhaupt erst seine Konturen gewinnt. Infolgedessen dominiert medial transportiertes Wissen die gesellschaftliche Selbst- und Weltbeschreibung. Wie die zeitgenössische Gesellschaft ohne ein System der Massenmedien aussehen würde, lässt sich kaum mehr vorstellen. Die massenmedialen Beiträge tragen entscheidend zur Entstehung der gesellschaf tlichen Hintergrundrealität bei, die als »Öffentlichkeit« bezeichnet wird (Luhmann 1996a: 120; vgl. auch Hellmann 1997: 42). Auch wenn sie Unruhe stiften, fabrizieren sie gesellschaftliche Tatsachen und stellen ein allgemein verfügbares Wissen zur Verfügung – und dies unabhängig von der Wahrheit oder Falschheit der mitgeteilten Informationen. Somit kreieren sie die Welt, in der das Individuum sich vorfindet und erlebt, und das Wissen, mit dem es sich alltäglich orientiert (Ziemann 2006: 204). Wohl hat man die Freiheit, kritisch zu bleiben und auf die Klatschpresse ganz zu verzichten. In der alltäglichen Interaktion sowie in akuten Entscheidungssituationen, werden Zweifel dennoch häufig ausgeblendet, um unter Beweis zu stellen, dass man »up to date« bleibt, handlungsfähig ist und mitreden kann. Die Definitionsmacht der Massenmedien weist auf ihre Funktion als soziales Gedächtnis hin (Esposito 2002: 262ff.). Ganz wesentlich entscheiden die Medien, was gesellschaftlich erinnert werden soll – und was bald schon niemals gewesen sein wird (Luhmann 1998: 1097). Während sie andere Ereignisse nicht aufgreifen und dem sozialen Vergessen übergeben, bestimmen sie als Türhüter der Publizität maßgeblich über die gesellschaftliche Relevanz, Akzeptanz und Brisanz von Themen (Rühl 1980: 319ff.; Marcinkowski 1993: 46ff.). Dass inzwischen häufig das Themenspektrum der dunklen Seite des Spitzensports medial ausgeleuchtet und über Dopingdevianz, Wettbewerbsmanipulation, Bestechungspraktiken, sexualisierte Gewalt und hohe Verletzungsquoten im professionell betriebenen Hochleistungssport berichtet wird, ist demnach kein Zufall. Auch die Wiederkehr des Themas depressiver Erkrankungen von Hochleistungssportlern erweist sich als massenmedial selektierte und konstruierte Wirklichkeit, die eine Beobachtung zweiter Ordnung notwendig macht. Im Folgenden wird die Medienkarriere der Athletendepression rekonstruiert. Wie andere Medienthemen folgt auch der untersuchte Karriereverlauf einem »issue-attention cycle« (Downs 1972), bei dem sich bislang drei Karrierephasen unterscheiden lassen: Entdeckung (7.1), Konjunktur (7.2) und Sättigung (7.3). Damit soll zwar der Pfadverlauf des Themas abgebildet werden. Dennoch kann es nur um Tendenzen einer Phasenbildung gehen, bei der sich die einzelnen Phasen durch Vorboten ankündigen und überlappen.
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
7.1
Entdeckung
Indem die Massenmedien Berichte über die Schattenseiten in ihre Gesamtdarstellung des Spitzensports aufnehmen, schaden sie zwar dem guten Ruf des Sports und der besonderen Heldenfähigkeit seines Personals. Solange die Dosierung der Kritik nicht übermäßig ausfällt, erfüllt die Berichterstattung über die »Hinterbühne« des Sports jedoch das Publikumsbedürfnis nach Schicksal, Drama und Skandal. Neben anderen Diskursen über die dunkle Seite des Sports, eignen sich Athletendepressionen auch deshalb als Bezugsthema, weil die Presse- und Fernsehmeldungen über Dopingskandale und andere Krisensymptome des Sports (wie Korruption, Spielabsprachen oder sexualisierte Gewalt) zwischenzeitig ihren Reiz verlieren. Vor allem Dopingfälle stellen zwar nach wie vor den Dauerbrenner des kritisch-investigativen Sportjournalismus dar. Allerdings sind Nachrichten über positive Urinproben, auffällige Blutprofile, international operierende Dopingärzte, den symbolischen Tod früherer Sporthelden sowie die Verstrickungen korporativer Akteure in höherem Maße erwartbar geworden. Das Krankheitsbild Depression stellt keine Erfindung der Massenmedien dar. Vielmehr wird der psychiatrisch-therapeutische Diskurs von den Medien beobachtet, aufgegriffen, dann aber auf je spezifische Weise auf bereitet und einer eigenen Dynamik ausgesetzt. Im Zuge dessen entfaltet sich eine diskursive Eigenwelt, in deren Rahmen Spitzensportler geradezu paradigmatisch als Testimonials psychischer Vulnerabilität in Erscheinung treten. Sie eröffnen einen Sonderdiskurs, der, so die hier vertretene These, die proklamierte Tragik der »Volkskrankheit« Depression versinnbildlichen soll. Die Athletendepression wird nicht nur als persönliches Schicksal bedauert. Sie gerät zum Anlass einer Kritik am Leistungsmotiv schlechthin: Das Risiko der Athleten verweise auf eine Gefahr, die in der modernen Gesellschaft für alle Menschen gelte. Der Mediendiskurs über Depressionen im Spitzensport nimmt seinen Ausgang von Schlüsselereignissen, gleichsam »Karriere-Zufällen« (Goffman 1973 [1961]: 134), die überwiegend von der Tages- und Wochenpresse aufgegriffen werden. Durch die massenmediale Selektion erhalten die Depressionen bzw. Burnout-Syndrome von Harald Schumacher, Guido Erhard, Sebastian Deisler und Sven Hannawald gesellschaftliche Relevanz und werden Teil eines Sondergedächtnisses jener Einzelfälle, die sich in Berichten über das Thema zitieren lassen. Über Fälle aus dem internationalen Sport wird ebenfalls berichtet.58 Speziell die Erkrankungen Deis58 B ereits im Februar 1987 wird vermeldet, dass Harald »Toni« Schumacher in seiner Autobiografie, die im selben Jahr unter dem Titel »Anpfif f« erschien, »Tabus gebrochen« (Spiegel online vom 23.2.1987: 196; ausführlich hierzu Schumacher 1987: 134f f.) habe, indem er u.a. Verletzungsängste, Dopingpraktiken und Depressionen im Laufe seiner Karriere beschrieben habe. Aufsehen erregt überdies der Suizid Guido Erhards, ehemaliger Fußballprofi beim FSV Mainz 05 sowie beim TSV 1860 München, der am 21. Februar 2002 am Of fenbacher Hauptbahnhof auf
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lers und Hannawalds sorgen für Erregung und werden noch Jahre später, zum Teil in längeren Interviews, thematisiert (Welt online vom 17.2.2009; Zeit online 1.10.2009). Einen anhaltenden Diskurs über Athletendepressionen stellen sie noch nicht auf Dauer. Dennoch machen bereits diese Ereignisse deutlich: Auch depressive Spitzenathleten liefern den »Stoff, aus dem die Medienträume sind« (Bette 2001: 33) und weisen einen hohen Nachrichten-, Sensations- und Unterhaltungswert auf. Entsprechend bereitwillig sind die Medien zur Stelle, wenn Athleten und andere Rolleninhaber des Sports über ihre Depressionen sprechen oder bekannte Fälle kommentieren. Im Folgenden werden wesentliche Faktoren ref lektiert, die die besondere Publikationsfähigkeit des Themas bedingen.
Betroffenheit und Betreffbarkeit Dass Depressionen im Spitzensport für ein breites Publikum interessant sind, resultiert zunächst aus der Tatsache, dass Spitzenathleten Identifikationsfiguren darstellen, zu denen Teile des Medienpublikums in einer »parasozialen Beziehung« (Horton/Wohl 1956; Hartmann 2004) stehen. Obgleich auch Schadenfreude, reine Neugier und Mitleid eine Rolle spielen mögen, wenn Sportler über ihr Leid sprechen, baut die Eignung von Athletendepressionen als Medienthema insbesondere auf der allgemeinen Betrof fenheit bzw. Betref f barkeit durch die Depression. Sicherlich wurde nicht bei allen Rezipienten eine Depression oder andere psychische Erkrankungen diagnostiziert. Lebens- und Sinnkrisen sowie Symptome der Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Erschöpfung, Verzweif lung oder Schlaf losigkeit gehören für viele aber zu den Höhen und Tiefen des Lebens dazu. Nicht selten kennt der gemeine Zuschauer, Zuhörer oder Leser das Krankheitsbild überdies aus dem engeren Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis.59 Um die Selbstbezüglichkeit der Rezipienten wirksam zu irritieren, präsentieren sich die Medienakteure als nahezu allwissende Erzähler, liefern symptomnahe Beschreibungen und adressieren den »Robert Enke in uns allen« (FAZ vom 14.11.2009). In der Semantik der »Volkskrankheit« wird es ohnehin angezeigt: Die eine langjährige manisch-depressive Erkrankung folgt (Welt online vom 9.3.2002). Im zweiten Halbjahr des folgenden Jahres kommen die Depressionen der Fußballspieler Jan Šimák (Hannover 96) und Sebastian Deisler (FC Bayern München) an die Öf fentlichkeit. Der Spiegel (49/2003: 154f f.) widmet dem Thema einen größeren Beitrag. Auch der rätselhaf te Tod Marco Pantanis wird mit Depressionen in Verbindung gebracht (Spiegel online vom 15.2.2004). Im April 2004 stößt die häufig als »Burnout« bezeichnete Problematik Sven Hannawalds, erfolgreicher Skispringer vom DSV, eine breitere Diskussion über Risikofaktoren der Athletenkarriere an – nicht zuletzt deshalb, weil Hannawald seine Karriere nach überstandener Therapie beendet hat. 59 Im »Depressions-Barometer 2017« geben über 60 Prozent befragter Personen an, in ihrem Umfeld bereits in Kontakt mit der Diagnose Depression gekommen zu sein (siehe hierzu Deutsche Depressionshilfe 2017).
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Gefahr lauert! Der betroffene Athlet offenbart: Die Depression kann jeden treffen! Die mediale Darstellung depressiver Athleten ruft die scheinbare Nichtimmunität aller in Erinnerung. Folglich ermöglicht die Kommunikation über depressive Athleten den Rezipienten, sich in der Projektion auf die öffentliche Person über ein heikles Thema auszutauschen, ohne sich hierfür selbst offenbaren zu müssen. Blendet man den Kontext soziokultureller Evolution ein, treten die Vorzüge des Depressionsthemas deutlicher zutage. Infolge fortgeschrittener Partikularisierung der Sinn- und Wissenshorizonte im Zeitalter funktionaler Differenzierung lässt sich die Integration der Gesamtgesellschaft mittels Themen immer schwieriger bewerkstelligen. Gesellschaftliche Krisenthemen gehen jedoch alle an. Dies gilt erst recht dann, wenn ein rudimentäres Verständnis des Problems nicht bereits auf die Vermittlung durch Expertenwissen angewiesen ist. Im Erregungs- und Betroffenheitsmodus lässt sich das unorganisierte Medienpublikum mobilisieren und auf die Solidarität miteinander ansprechen. So wendet sich Fußball-Torwart René Adler explizit an die Leser und gegen das Einheit stif tende Feindbild: »Helft zusammen mit gegen die Krankheit Depression!« (Zeit online vom 14.11.2012)60 Weiterhin selektieren die Massenmedien das Thema depressiver Athleten aufgrund der Möglichkeit, auf prominente Namen und Gesichter zu verweisen. Zwar werden in der massenmedialen Auf bereitung des Themas depressiver Hochleistungssportler hin und wieder Prävalenzzahlen recherchiert. Besondere Aufmerksamkeit wird der Depression allerdings dann zuteil, wenn die abstrakte Krankheit als Person in Erscheinung und vor die Kameras tritt, um ihre Geschichte zu erzählen. Derart stillen Medien und Betroffene nicht nur das Rezipienteninteresse an persönlichen Schicksalen. Sie ermöglichen ihrem Publikum zudem, sich in der Beobachtung von Beobachtern zu üben (Luhmann 1996a: 107, 132f.), ggf. Rückschlüsse auf das eigene Leben zu ziehen und ihr Umfeld auf Depressionen hin zu untersuchen. Der Verweis auf Depressionen dramatisiert die Ungewissheit und das Fremde im bekannten Sportlergesicht – je prominenter und erfolgreicher der betroffene Athlet, desto höher die »newsworthiness«. Durch die Selektion geeigneten Bildmaterials (z.B. Pressefotos, Kameraaufnahmen), die – schwarz-weiß oder in Farbe – die Sportelite mit leerem Blick, geschlossenen Augen, hängenden Schultern, gesenkten Hauptes sowie anderen Mimiken, Gestiken und Körperhaltungen der Niedergeschlagenheit darstellen, werden Untertöne und Begleitinformationen visualisiert. Häufig werden diese kontrastiert durch fotografische Momentaufnahmen, die an sportliche Glanzzeiten erinnern, Leistungswillen symbolisieren und 60 D as Prinzip des Schulterschlusses in Anbetracht des Übels wirkt namensgebend für viele Aufklärungs- und Präventionskampagnen, die als »Bündnisse« oder »Allianzen« gegen die Depression überschrieben sind.
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Gemeinschaftssinn veranschaulichen. Das Topos der Suizidgefahr verschärft das Spannungsmoment. Die Depression des Athleten ruft allen in Erinnerung: Die Vergangenheit ist nicht zu ändern, die Zukunft aber stets ungewiss.
Reduktion ätiologischer Komplexität Die Tatsache der Athletendepression stimuliert die Warum-Frage nach ihren Ursachen. Die Analyse der Selbst- und Fremdthematisierung depressiver Athleten in der Massenkommunikation macht beispielhaft deutlich, dass laienätiologische Darstellungen die Unschärfe depressiver Pathologien durch erhebliche Reduktionen von Komplexität bewältigen. In seiner Gesamtheit ergibt der Diskurs um die Athletendepression zwar ein durchaus komplexes Bild, in dem verschiedene Perspektiven, Theorien und Meinungen zur Sprache kommen. Neben den gängigen psychologischen Konstruktionen, die z.B. auf Schicksalsschläge, Kindheitserfahrungen oder familiäre Schief lagen referieren, sowie Verweisen auf typische Stoffwechselkonstruktionen, genetische Merkmale, neuronale Strukturen oder andere psychiatrische Annahmen, arbeiten die Massenmedien jedoch mit teilweise rigiden Simplizismen und symbolträchtigen Anekdoten über das Leiden. Sie zielen eben nicht auf eine Vermittlung des »state of the art« der Forschung über Depressionen oder gar eine Änderung der kognitiven Strukturen betroffener Personen, sondern auf die Erzeugung breiter Aufmerksamkeit und die Erregung großer Massen. Wie bereits beschrieben, lässt sich das Phänomen unter Rückgriff auf eine antithetische Logik vermitteln, bei der beide Seiten der Unterscheidung in einer Komposition bezeichnet werden. Schlagzeilenartig zugespitzt werden Athleten mit Depressionen zu hilfsbedürftigen Helden (Spiegel Wissen 1/2011: 93), Superstars mit Selbstzweifeln, weinenden Siegern (Focus online vom 15.3.2013), großen Sinnsuchern, den Schatten ihrer selbst oder einfach nur Menschen mit zwei Gesichtern. Die Depression wird als »Angst der Supermänner« (FAZ online vom 16.11.2009) tituliert oder in der Variante als Burnout zu einer Art postheroischen Belastungsstörung jener »Gladiatoren der Neuzeit« (Stern online vom 12.11.2009) stilisiert, die sich für Leistung und Erfolg aufgeopfert haben. Im Überblick lässt sich eine Vielzahl ähnlicher Konstruktionen finden. Ihnen gemein ist, dass sie keine differenzierten Erklärungen für das Phänomen liefern, sondern vielmehr die Rätsel- und Boshaftigkeit der Depression veranschaulichen sollen. Zur weiteren Einsortierung der massenmedialen Deutungen hilft eine Einsicht aus der Emotionssoziologie. Sie lehrt, dass eine Person, die Gefühle zeigt, ebenso auf sich selbst aufmerksam macht, wie sie sich als Medium einer Situation ausweist.61 Als »affektive Störung« (gemäß ICD-10) lassen sich auch Annahmen über Depressionen, einem Wankbild gleich, auf Basis der Unterscheidung Person/ 61 Zum Konzept der »Attributionsambivalenz« siehe Baecker (2004: 5)
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Kontext beobachten. Beobachter können an beiden Seiten dieser Differenz anschließen, um Erklärungen zu den Krankheitsursachen abzuleiten. Je nach Gestaltungsabsicht greifen die Massenmedien auf beide Darstellungsweisen zurück. Dabei lässt sich eine beidseitige Moralisierung identifizieren: Im »trügerischen Windschatten ausgeblendeter Komplexität« (Kühl 2011: 137) werden sowohl die Betroffenen selbst als auch der soziale Kontext, in dem sie sich bewegen, für den Ausbruch der Krankheit verantwortlich gemacht.
Beidseitige Moralisierung Die Medien präferieren moralische (Be-)Wertungen. Auch über depressive Athleten wird selten neutral berichtet, vielmehr eignet sich das Thema für eine scharfe Moralisierung. Das Moralschema schließt die Unterscheidung gut/schlecht bzw. gut/ böse an die Ursachenref lexion an. Moral wird zwar meist in der Bewertung von Personen aktualisiert, macht diese für ihr Handeln verantwortlich und schließt die Achtungsfrage an.62 Auch in der Beobachtung von Strukturen lässt sich jedoch auf Moral referieren. In der Kommentierung von Athletendepressionen klagen Journalisten einerseits die »Inhumanität« des panoptischen, totalisierten Spitzensports an und holen zum Rundumschlag gegen die »Leistungsgesellschaft« aus. Andererseits konstruieren sie depressive Sportler bisweilen als in mehrfacher Hinsicht deviante Persönlichkeiten. Die Moralkommunikation der Massenmedien zielt nicht auf gesamtgesellschaftliche Veränderungen ab. Sie fungiert als drastische Inszenierung, die alarmieren, Empörung stiften und die Aufmerksamkeit des Publikums binden soll. Umso mehr allerdings betonen die Medien ihren angeblichen Reformwillen und gerieren sich als »moralische Taktgeber« (Ziemann 2006: 75) in unmoralischen Zeiten. Skandale, über die sich aufmerksamkeitsträchtig berichten lässt, sind für die Medienakteure demgemäß systemfunktional. In der öffentlichen Meinung herrscht geradezu eine »Lust am Skandal« (Hondrich 2002: 24ff.), die sich massenmedial bedienen lässt. Skandale bedürfen dabei der Moral, um die identifizierte Abweichung als skandalös zu markieren. Indes braucht die Moral das Skandalereignis, um sich in regelmäßigen Abständen »[…] am Fall zu verjüngen« (Luhmann 1996a: 144). Moralische Verurteilungen depressiver Athleten sind nicht der journalistische Normalfall. Insbesondere nach dem Fall Enke wird vielmehr regelmäßig der Anspruch betont, Mitgefühl, Verständnis und Akzeptanz für die Betroffenen zu erzeugen und interpretatorische Schnellschüsse problematisieren zu wollen. Indirekte Moralisierungen über die Hintertür sind dennoch nicht sel-
62 Ausführlich zum Phänomen moralischer Kommunikation vgl. Luhmann (1998: 398ff.).
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ten. Stereotype oder sogar Dämonisierungen63 werden zwar in Beschreibungen außersportlicher Schicksalsschläge, schwerer Verletzungen und anderer Enttäuschungserfahrungen im Hochleistungssport eingewoben. Dennoch wird immer wieder nahegelegt, dass Depressionen selbstverschuldet seien. Vor allem in der frühen Phase der massenmedialen Themenentwicklung wird durch einprägsame Überschriften, mehrdeutige Zwischentöne, unzweideutige Wortwahl und anekdotische Schilderungen der Eindruck vermittelt, man habe es bei depressiven und suizidalen Sportlern mit »Problem-Profis« im weiteren Sinne zu tun, die – zumindest in konkreten Einzelfällen – einen unprofessionellen Lebenswandel an den Tag legten, nicht immer verlässlich zum Training erschienen, Problemen lieber aus dem Weg gingen, mit Prostituierten verkehrten, Alkohol und Drogen missbrauchten und sich am Ende »im Krankenstand« befänden oder sogar einen Suizidversuch unternehmen würden (u.a. Der Spiegel 49/2003: 154ff.; Welt online vom 9.12.2013).64 In den Zeitungsberichten über die Suizide von Marco Pantani und Frank Vandenbroucke verschränken sich überdies Depressions- und Dopingdiskurs zu einer herben Mischung. In beiden Fällen wird das Auftreten von Depressionen mit dem Hinweis auf Dopingvergehen während der sportlichen Lauf bahn kommentiert.65 Zwar taugt die Kulpabilisierung der Athletenperson zur Protektierung der heilen Welt des Spitzensports. Vergleicht man die mediale Thematisierung von Athletendepressionen mit der Dopingberichterstattung fällt dennoch auf, dass Depressionen nicht ähnlich ref lexhaft mit Charakterdefiziten assoziiert werden. Während die Problemursachen im Dopingdiskurs vor allem auf Moraldefizite, 63 E in Bericht auf Welt online (vom 14.2.2012) über den dritten Suizidversuch Andreas Biermanns, ehemaliger Fußballprofi bei Hertha BSC Berlin und beim FC St. Pauli, der sich am 18. Juli 2014 im Alter von 33 Jahren aufgrund von Depressionen das Leben genommen hat, kündigt in der Überschrift an: »Der ›Dämon‹ hat Biermann wieder Böses zugeflüstert.« Im Text wird zwar explizit darauf verwiesen, dass die Autoren damit eine Metapher verwenden, mit der Biermann selbst sein pathologisches Erleben zu bezeichnen pflegt. Nichtsdestotrotz reproduzieren sie damit bestehende Laienvorstellungen vom Kontrollverlust und der Gefährlichkeit depressiver Menschen (siehe hierzu Link et al. 1999). Ähnlich wird Enke beschrieben als »beherrscht von einem Dämon namens Depression« (Der Spiegel 47/2009: 156). Ausführlicher zur Metaphorik im Depressionsdiskurs vgl. Kapitel 11.1. 64 Der Bericht über die Nachkarriere des schwedischen Ex-Nationaltorwarts Magnus Hedman (Welt online vom 9.12.2013) greift zwar nicht explizit auf die Depressionssemantik zurück, bringt aber die wiederkehrenden Selbsttötungsgedanken, über die in dessen Autobiografie berichtet wird, mit einigen der hier beschriebenen Formen moralischen Fehlverhaltens in Verbindung. Nicht nur in alltagstheoretischen Zugängen werden Depressionen regelmäßig mit suizidalen Tendenzen in Verbindung gebracht – et vice versa. 65 Im Spiegel (online vom 15.2.2004) liest man beispielsweise: »Der mehrfach wegen Dopings angeklagte Pantani litt seit einiger Zeit unter Depressionen und Vereinsamung.« Zum Tod Frank Vandenbrouckes vgl. Spiegel online (vom 13.10.2009).
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Charakterschwächen, Machtmotive, Geldgier oder Ruhmsucht zurückgeführt werden (Bette 2001, 2008: 5), richtet die massenmediale Konstruktion depressiver Athleten den Fokus eher auf Strukturdynamiken und Risikofaktoren des Spitzensports. »Macht die Bundesliga die Seele krank?« (Der Spiegel 49/2003: 154) Ohne sich um differenziertere Einschätzungen zu bemühen, werden oft klare Statements formuliert: Nicht betroffene Sportler seien krank, sondern das System, das sie in die Depression getrieben habe! Die Depression der Leistungsträger wird gar zum Symptom für den Reformbedarf der Sportwelt und der Einzelfall als je symbolträchtiges Lehrstück interpretiert. Häufig wird die Berichterstattung über Athletendepressionen im Duktus einer Sport-ist-nicht-alles-Rhetorik gehalten. Im Medium des Depressionsbegriffs wird der Spitzensport regelrecht zum Prestigeobjekt moderner Entfremdungsklagen und das Topos der Hilfsbedürftigkeit zum Anlass, sich selbst als Helfer in der Not zu inszenieren. Vor allem eine diffuse Vorstellung von »Menschlichkeit« wird als Grenze definiert, deren Überschreitung sich scheinbar wie von selbst skandalisiert. Die Rede von der »Unmenschlichkeit« des Sports fungiert als »große Erzählung« der massenmedialen Konstruktion von Athletendepressionen. Die Folgen dieses »modernen Sklavenhandels« (taz online vom 20.4.2013), der reinen »Kunstwelt« (Der Spiegel 20/2004: 133) bzw. der »Leistungszelle« (Zeit online vom 12.11.2009) mit Namen Hochleistungssport, in der Mit- und Feingefühl im Umgang mit den Nächsten nicht erwartbar seien, zeigten sich, dominanten Konstruktionen gemäß, im depressiven Leiden seiner Symbolträger. Wenig überraschend also, dass die Dominanz des Depressionsbegriffs im Rahmen mancher Darstellungen durch das plakative Burnout-Konzept ergänzt wird, um, so die hier vertretene Deutung, nicht nur die Erschöpfung der betroffenen Sportler zu heroisieren, sondern auch den unheilvollen Sport zu skandalisieren. Konstruktionen personaler Defizite und inhumaner Umweltbedingungen werden häufig in der sog. »Selektionshypothese« zusammengeführt, obwohl doch das Phänomen depressiver Spitzenathleten gerade dieser Annahme einer Auslese der Labilen, Kranken und Schwachen im Prozess der Athletensozialisation widersprechen müsste. Explizite wie implizite Referenzen auf ein »survival of the fittest« im Sport sind ein fester Bestandteil im Werkzeugkasten sportjournalistischer Rhetorik.66 Das am Evolutionsbegriff abgeleitete Denkschema ermöglicht, sowohl den Sportkontext als »knallharten Ausleseprozess« (Stern online vom 12.11.2009) zu thematisieren, als auch depressive Athleten als wenngleich begabte, authentische, kluge und kreative, so doch hochsensible, nachdenkliche, introvertierte oder psychisch labile Personen zu beschreiben, die einfach nicht ins harte Sportgeschäft passen würden. In der Kommentierung des Fußballs konstruieren 66 B eispielhaft hierfür fragt der Spiegel (47/2009: 148): »Schluckt der Spitzensport seine Talente und spuckt jene, die nicht funktionieren, als Psychowracks und Selbstmörder wieder aus?«
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die Autoren sogar einen Unterschied zwischen dem rücksichtslosen, aber wenig depressionsanfälligen »Panzer« Jens Lehmann, ebenfalls früherer Fußball-Nationaltorwart, und dem freundlichen, jedoch »ungepanzerten« Robert Enke (FAZ online vom 16.11.2009). Durch solche Vergleiche lässt sich nicht nur der Skandalwert des Themas steigern. Vor allem taugen sie, um die Notwendigkeit »mentaler Stärke« und »Härte« im kompetitiven Spitzensport kommunikativ zu validieren. Selbst wenn zur Steigerung der Autorität journalistischer Beiträge Psychiater oder Sportphilosophen rekrutiert werden, werden oft massenmediale Logiken bestätigt. Florian Holsboer, früher Direktor des Münchner Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, greift die Selektionshypothese auf, beobachtet Sebastian Deislers Depressionen, die Holsboer selbst behandelt hatte, anhand der Unterscheidung Kreativspieler/Einheitsfußballer und prophezeit eine fortschreitende Auslese, bei der gerade die sensiblen »Künstlertypen« scheiterten (Heilbronner Stimme.de vom 13.11.2009). Gunter Gebauer interpretiert den Spitzensport in metaphorischem Rekurs auf die Maschinenwelt als martialisches »Theater der Grausamkeit« (Spiegel online vom 31.12.2009). Einer perfiden Logik gemäß steigere die symbolische Vernichtung der Schwachen das Spektakel für die Zuschauer und manifestiere die Vormachtstellung der Sieger.
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Konjunktur
In den letzten Jahren haben Athletendepressionen einen festen Platz im »agenda setting« der Massenmedien erhalten. Aufgrund der Prominenz von Spitzenathleten sowie der besonderen Moralisierungs-, Skandalisierungs- und Personalisierungsmöglichkeiten, hat das Thema zwischenzeitig regelrecht Konjunktur und taucht in bemerkenswerter Vielfalt in der Print-, Rundfunk- sowie digitalen Medienlandschaft auf. Das Wissen um betroffene Athleten hat sich auf diesem Weg breit gestreut und Einzug in die gesellschaftliche Hintergrundrealität jener Themen genommen, bei denen häufig nicht nur Sportinteressierte mitreden können. Auch aufseiten der Athleten erzeugt der Diskurs Risikobewusstsein und symbolisiert dringenden Handlungsbedarf für die korporativen Sportakteure. Die Selbsttötung durch Robert Enke (am 10. November 2009) und die anschließende Pressekonferenz, in der seine wiederkehrenden Phasen behandlungsbedürftiger Depressionen offenbart werden, markiert eine Zäsur, die die Popularität des Themas enorm beförderte. Nach Enkes Tod wird die bundesdeutsche Öffentlichkeit zu einer Trauer- und Kondolenzgemeinschaft, die sportliche Rivalitäten hinter sich lässt, konsterniert die Warum-Frage stellt, intensiv über das Krankheitsbild Depression debattiert und nun auch ausführliche Medienbeiträge nachfragt.67 Im Zuge dessen entsteht nicht nur die retrospektive Sammlung 67 Eine TV-Dokumentation (»Robert Enke – die Tragödie eines Torwarts«) über Trauerfeier, Trauer-
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aller Sportler, die sich wie Enke das Leben genommen hatten oder als »depressiv« galten. Es entwickelt sich die rekursive Eigendynamik, die eine konjunkturelle Phase des Themas einläutet. Dabei verändern sich auch die Formen der Moralisierung und Skandalisierung von Athletendepressionen. Zunehmend wird nicht mehr nur der Ausbruch der Krankheit auf die Rahmenbedingungen des Athletenlebens zurückgeführt, sondern insbesondere der Umgang des Sports mit dem Skandal der Depression selbst skandalisiert.
Skandalisierung des Skandals Aufgrund ihrer Theorielosigkeit ref lektieren die Medienakteure – anlässlich der wiederkehrenden Behauptung, dass im Spitzensport nicht offen über Depressionen und private Schief lagen geredet würde – nicht über die sozialen Funktionen von Geheimnis, Schweigen, Nichtwissen oder »legitime Indifferenzen« (Tyrell 1978: 183f.) der Interaktion im Spitzensport. Noch weniger fragen sie, ob Depressionen im Vereins- und Verbandskontext in der Tat unaussprechlich sind. Vielmehr deuten sie das Schweigen der Sportler zu eigenen Gunsten und führen es der proklamierten Inhumanität in spitzensportlichen Organisations- und Gruppendynamiken zu. Ihrer systemlogischen Sicht gemäß blockiere das Tabu die Auf klärung über das Thema, begünstige Stigmatisierungsprozesse, verschlimmere das Krankheitserleben, verwahrscheinliche suizidale Ausgänge und schütze somit die »Falschen«. Zwar wird die Depression bereits in der Debatte um Sebastian Deisler als Tabuthema dargestellt (WAS online vom 23.11.2003). Indem sie den suizidalen Ausgang im Fall Enke jedoch als Negativbeispiel schlechthin instrumentalisieren, beschwören die Medien ein Lob des Redens, um das »Kartell der Tabuisierer und Verschweiger […] zu brechen« (Theo Zwanziger),68 das »zermürbende Versteckspiel« (Kicker 68/2017: 80f.) betroffener Sportler zu beenden und die Publikation depressiven Leidens als »best practice« zu bemühen.69 Denn Enke hatte geschwiegen. Der Sport wird sogar zum prädestinierten Feld deklariert, um die ganze Gesellschaft nachhaltig zu reformieren.70 Auf dem Weg zu einer vernünftigen Auseinandersetzung mit Depressionen müssten gesellschaftmarsch, Gedenkgottesdienst, den über Hannover hinausreichenden Schockzustand und die Schicksalsschläge in der Biografie Enkes wurde am 11.11.2009, zwei Tage nach Enkes Tod, auf NDR gesendet. 68 Die Formulierung stammt aus der Trauerrede Theo Zwanzigers zum Tod Robert Enkes; im Originaltext nachzulesen in der Hannoverschen Allgemeine (online vom 15.11.2009). Die Medien haben dieses Denk- und Bewertungsmodell gewinnbringend aufgegriffen. 69 Beispielsweise wird Ralf Rangnicks Offenheit im Umgang mit seinem »Erschöpfungssyndrom« als »Lehre« gedeutet, die aus dem Fall Enke gezogen worden sei (Focus online vom 22.11.2009). 70 Diese Meinung wird unter anderem in einer Sendung des »aktuellen Sportstudios« (ZDF am 5.11.2010; ab Min. 18:35) geäußert, in der Andreas Biermann und John Amaechi, ehemaliger Basketballspieler in der NBA, über Depressionen und Homosexualität im Leistungssport berichten.
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liche Kommunikationsbarrieren abgerissen werden und gerade Athleten die Bewegung anführen. Aus soziologischer Sicht ergibt sich ein anderes Bild dessen, was als »Tabu« der Depression im Spitzensport bezeichnet wird. Denn jede soziale Beziehung ist nicht nur durch das charakterisiert, was man über andere weiß, sondern auch durch das, was man nicht über sie weiß (Simmel 1992 [1908]: 383ff.). In den meisten Funktionssystemen, die wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft oder auch Spitzensport von personalen Hinsichten weitgehend abstrahieren, stellen taktvolle Nichtmitteilung und Schweigenkönnen konstitutive Elemente der sozialen Sinnstiftung dar. Taburegeln erscheinen dann als kulturspezifische Kommunikationsblockaden, die den »Einschluss des Ausschließens« (Luhmann 1998: 38) von Themen in der Kommunikation institutionalisieren und als Entmutigungsschwellen psychisch verankern. In vielen Gesellschaftsbereichen beziehen sich Tabus gerade auf intime Details, persönliche Sorgen und private Geheimnisse. Verstöße gegen das Tabu lassen Rückschlüsse auf die kulturelle Fremdheit des Grenzüberschreiters zu, treten den prekären Beweis seiner Ironiefähigkeit an oder rücken ihn in das Licht einer abweichenden Persönlichkeit. Dem Tabu kommt folglich eine Schutzfunktion zu, die vor allem soziale Systeme stabilisiert. Lässt sich aber sicher sagen, dass das »Verbot« nicht auch die beteiligten Personen protektiert? In einer Reihe gesellschaftlicher Sonderbereiche werden Taburegeln selektiv aufgehoben. In Intimsystemen ist das Sensorium für psychische Schief lagen sowie das Recht auf Nachfragen im Prinzip der »höchstpersönlichen Kommunikation« (Luhmann 2012 [1982]: 24) angelegt. Vertrauen in die andere Person lässt dabei annehmen, dass heikle Informationen ein exklusives Wissen des Intimsystems bleiben. Mit Verweis auf außerweltliches Seelenheil entlockt auch die katholische Beichte ihren Gemeindemitgliedern die intimsten Geheimnisse. Folgen für das profane Sozialleben werden allerdings nicht durch Gottvertrauen, sondern durch die Institution des Beichtgeheimnisses zumindest unwahrscheinlich gehalten (Hahn 1982). In Medizin und Psychotherapie wird die Erhebung intimer Details therapeutisch relevant. Vor allem in psychotherapeutischen Settings sind Taktlosigkeit und Tabubruch Anfang, nicht Ende der Interaktion. Die Bereitschaft des Betroffenen, Einblicke in seine als Symptomatik definierte Gedankenwelt zu geben, wird zwar bereits durch die Schwere des Leidens selbst motiviert. Vor allem aber wird sie durch die Abwesenheit »Dritter« und die professionelle Schweigepf licht des Therapeuten generiert (ders. 2001b: 191).71 In Intimsystem, Beichtpraxis, Medizin und Psychotherapie bleibt Öffentlichkeit die andere Seite und stiftet Ref lexionsanlässe im System. Um die Diffusion des Wissens zu verhindern, werden explizite wie implizite Schweigeregelungen eingeführt. Dass manche Spitzensportler öffentlich über ihre Depressionen Aus71 Zur therapeutischen Kommunikation im Kontext von Sportorganisationen vgl. Kap. 9.
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kunft geben, ist vor diesem Hintergrund bemerkenswert. Mit Verweisen auf ein bloßes »Einsickern« des therapeutischen Diskurses in den Spitzensport ist ihr Auf klärungswille nicht hinreichend erklärt. Mehr noch geht die Mitteilung intimer Gedanken, Gefühle und Symptome durch Spitzensportler auf einen »demand-pull« aus den Massenmedien zurück. Die Logik der Publizistik besteht gerade darin, intimes Wissen und private Sorgen in der Massenkommunikation zu verbreiten und das Publikum als Voyeur einer persönlichen Geschichte zu installieren. Für die Massenmedien fungieren Selbstzweifel, Sinnkrisen, Identitätsprobleme und Depressionen in Athletenpsychen als echte Goldgrube. Mögliche Tabus in der Kultur des Spitzensports erscheinen demnach vielmehr als Problem massenmedialer Beobachter. Sie behindern die reibungslose Umwandlung des knappen Gutes in öffentlich vorgetragene, »säkulare Beichten« (Hiddemann 1996), stimulieren Enthüllungsinteresse oder machen sogar Spekulationen und Unterstellungen notwendig. Zwar ist keineswegs auszuschließen, dass Depressionen im Spitzensportsystem in der Tat tabuisiert werden. Wenn dem allerdings nicht so wäre, täten die Medien gut daran, dies trotzdem zu behaupten. Unabhängig von der empirischen Wirklichkeit funktionieren Tabuunterstellungen als rhetorische Figur, als eine wichtige Zutat in der Berichterstattung über Depressionen im Spitzensport (Ehrhardt 2015: 46). Indem Tabus etwas verbieten, verleihen sie dem Phänomen einen besonderen Reiz – vor allem dann, wenn das Aufgedeckte gemeinhin »wie ein Staatsgeheimnis« (Spiegel Wissen 1/2012: 65) behandelt würde. Nicht zufällig inszenieren sich Journalisten als sensible Zuhörer und geben in diesem Zusammenhang eine kritische Distanz zum Sport vor. Psychiater und Psychologen, die ihrerseits unter Motivverdacht stehen, geben die Devise stellvertretend aus: »Es wäre schön«, wird Florian Holsboer in einem Spiegel-Artikel (47/2009: 156) zitiert, »[…] wenn prominente Menschen an die Öffentlichkeit treten würden und sagen: Ich habe Depressionen und ich lasse mir helfen.« Derart wird auch gegenüber betroffenen Spitzensportlern eine Erwartungshaltung aufgebaut, die sich ihrerseits moralisieren lässt. Moralisch gut ist dann jener Sportler, der seine Erkrankung publik macht, um das Tabu zu destruieren und den Weg für die Nachhut weiterer Bekenntnisse zu bereiten. Wer den Gang in die Öffentlichkeit scheut, wird zumindest mit den Entbehrungen seiner Zurückhaltung konfrontiert. Mit Blick auf den Mediendiskurs wird er sich bewusst, dass er die gute Gelegenheit nicht genutzt und sich keine »Goldmedaille des Psychiaterverbandes« (FAS vom 3.3.2013: 20) verdient habe.72 72 D ieses imaginäre Verdienstkreuz gehöre Torwart Markus Miller für sein »Outing« verliehen. Der befragte Psychiater (Prof. Frank Schneider) rät dennoch nicht jedem Patienten, die Krankheit sofort öffentlich zu machen. In anderen Interviews findet sich ein ähnliches Lob der Bekenntniskultur: »Wir sollten uns«, so Schneider, »[…] bei Markus Miller bedanken. Sein Mut, öffentlich
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Die Moralisierungen der Massenmedien und daran anschließender Diskursakteure eignen sich nicht nur, um Nachrichtenwerte zu steigern, knappe Aufmerksamkeit abzuschöpfen und die Mitteilungen betroffener Athleten zu stimulieren. Sie zielen überdies auf den »Gewinn des Sprechers« (Foucault 2014 [1977]: 14) selbst. Der Schimpf klatsch über das Tabu fungiert als Lobklatsch über die eigene Rede.73 Tabuvorwürfe bereiten Medienakteuren die Bühne für ihren Auftritt als Auf klärer, während konträre Meinungen mit Argumentationslasten belegt werden (Ehrhardt 2015: 57). Indes kaschiert die Implikation bester Absichten Eigeninteressen und motiviert bisweilen sogar indiskretes Nachfragen. Die Skandalisierung des Skandals baut jedoch nicht nur auf dem Enttabuisierungskonzept. Sie wird unter dem Schlagwort der Entstigmatisierung von Depressionen im Spitzensport fortgeführt. Während gesellschaftliche Stigmatisierungsdynamiken auf frei f lottierende Vorurteile über depressive Menschen zurückgreifen, gibt der mediale Entstigmatisierungsanspruch das Ziel der Dekonstruktion alltagstheoretischer Deutungsschablonen vor. Im Sinne einer stellvertretenden Ref lexion muss allerdings die Frage gestellt werden, inwieweit dieser Zielvorgabe auf der Ebene des Mitteleinsatzes entsprochen wird. Die Analyse hat bereits gezeigt, dass die mediale Stigmatisierung depressiver Athleten zwischen den Zeilen und hinter den Worten stattfindet. Infolge von inf lationärem Reden über die Auslese der Schwachen oder Anekdoten vom Kontrollverlust depressiver Menschen wirken wiederkehrende Debatten über den Leistungsdruck im Spitzensport tendenziell affirmativ und pseudokritisch. Wenn Athleten mit Depressionen als Menschen beschrieben werden, deren Profikarriere auf einem »Missverständnis« (Stern online vom 12.11.2009) beruhe, werden Stigmata der Leistungsschwäche, Unzuverlässigkeit und sozialen Unverträglichkeit nicht dekonstruiert, sondern rekonstruiert. Um schnell schreiben zu können, die Plausibilität der Darstellungen zu erhöhen und Aufmerksamkeitschancen ihrer Beiträge zu steigern, orientieren sich Medienakteure ihrerseits an frei verfügbaren Stereotypen. Auch für den Fall, dass kein rationales Kalkül vorliegt, werden Journalisten durch allgemein verfügbare Laienmeinungen, Halbwahrheiten und Mythen über Depressionen beeinf lusst. Problemverschärfend kommt hinzu, dass sich das Mediensystem von außen kaum irritieren lässt, die Überzeichnung der Moralität wie ein Schutzschild gegen Kritik installiert und an einer »Habermas’schen Vision« (Hahn 2001a: 52) von Öffentlichkeit festhält. Am Ende des Diskurses mögen sich Wahrheit, über die Erkrankung zu sprechen, hat unsere Arbeit enorm erleichtert.« (Die Zeit vom 29.1.2015: 18) Auch hier legt er allerdings keine überstürzten Entscheidungen nahe: »Ich würde nicht rumrennen und allen erzählen, dass ich psychisch erkrankt bin.« (ebd.) 73 Zur Differenz Lobklatsch/Schimpfklatsch siehe die Untersuchung von Elias und Scotson (1993: 166ff.).
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Konsens, Vernunft oder gar das Gute durchsetzen.74 In soziologischer Deutung erscheint die Medienöffentlichkeit allerdings nicht als »Medium rationaler Aufklärung« (Luhmann 1998: 1107). Vielmehr lässt sich der feste Glaube an den guten Ausgang aufseiten der Medien als Wirkungsfiktion interpretieren, die zugleich als »Ermutigungsfiktion« (ders. 2003 [1991]: 39; Herv., F.K.) aufseiten der betroffenen Sportler den Willen zum Sprechen fördert.75 Die Verwirklichung massenmedialer Entstigmatisierungsansprüche ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil sich der Sonderdiskurs über Athletendepressionen nicht vom medialen Gesamtdiskurs über psychisch kranke Menschen entkoppeln lässt. Solange dort depressive Personen als potenzielle Amokläufer gebrandmarkt werden und eine Anzeigepf licht der Therapeuten debattiert wird, bleibt auch das Entstigmatisierungsziel in der Sportberichterstattung ein Kampf gegen Windmühlen.76 Was einzelne Rezipienten tatsächlich über depressive Menschen denken, wird dadurch noch immer nicht gleichgeschaltet. Dass die Medien »public beliefs« als gesellschaftliche Hintergrundrealität vielmehr reproduzieren als infragestellen, steht indes selbst außerfrage. Seit Enke verschärft sich die Moralisierung noch in anderer Weise. Mit expliziten oder impliziten Verweisen auf den drohenden Super-GAU eines Heldensuizids gewinnen Journalisten, Athleten und andere Autoren einen zunehmend festen Stand, um über die abstrakte Anklage an den Sport an sich hinauszugehen. Damit stets erkennbar bleibt, »[…] wer die Guten und wer die Bösen sind« (Luhmann 1996a: 142), werden die Urteile in dem Maße konkreter, wie die depressive Symptomatik auf Entscheidungsprämissen in Sportorganisationen zu74 G anz im Gegenteil zeigt die Beobachtung der Medienlandschaft, dass aus moralischer Entrüstung keine intensive Beschäftigung mit der Frage resultiert, wie ein »humaner« Hochleistungssport überhaupt aussehen könnte. 75 Vor diesem Hintergrund können satirische Formate ihr Alleinstellungsmerkmal behaupten, indem sie die Spielregeln der Kommunikation ändern, den »Betroffenheitskult« selbst anprangern, zynisch fragen, wie genau sich ein Torwart vor den Zug werfe, und im Wechsel auf die Ebene zweiter Ordnung vorgeben, nur Sprachrohr jener Gedanken zu sein, die das Publikum selbst heimlich hege. Entsprechend positioniert sich der Kabarettist und Künstler Serdar Somuncu in seiner Bühnenfigur als »Hassprediger«. 76 Die massenmedialen Reaktionen auf den »Todesflug« des Germanwings-Piloten Andreas Lubitz, der am 24. März 2015 alle 150 Insassen an Bord eines Linienflugs von Barcelona nach Düsseldorf mit sich in den Tod riss, stehen wider den Betroffenheits-, Enttabuisierungs- und Entstigmatisierungsdiskurs über depressive Erkrankungen von Spitzensportlern, vor allem im Anschluss an den Suizid Robert Enkes. Infolge der besonderen Tragik dieser Katastrophe wurden depressive Personen in einer beispiellosen Entmündigungsdebatte zu einer nicht-kalkulierbaren, unzurechnungsfähigen Gefahr für ihre Mitbürger stilisiert, gegen die dringend Vorkehrungen zu treffen seien. Von Heyendorff/Dreßing (2016) werten den Diskurs über den »Germanwings«-Crash aus. Gerade in den ersten Reaktionen im Anschluss an die Katastrophe wird über eine psychiatrische Krankheit, meist die Depression, als gleichsam kausaler Ursache des Verbrechens spekuliert, noch bevor die Ergebnisse der offiziellen Untersuchung vorliegen.
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rückgeführt, mit kompetitiven Gruppendynamiken in Verbindung gebracht oder gar direkt auf das leistungs- und erfolgsfixierte Handeln bekannter Trainer und Funktionäre bezogen wird. Vor allem in Zeitungsinterviews und (auto-)biografischen Texten werden depressive Athleten zu »Whistleblowern«, die in ihren Notstandsmeldungen »auspacken« und das Fehlverhalten von Trainern, Mannschaftskollegen und Entscheidungsträgern in Sportvereinen und -verbänden anprangern. Im Februar 2013 äußert sich beispielsweise die ehemalige Hochspringerin Meike Kröger zu ihrer Depression, die sich bereits während ihrer Karriere (im Jahr 2011) entwickelt hatte (FAZ online vom 25.2.2013). Kröger thematisiert in ihren Ausführungen nicht lediglich ihre Schilddrüsenerkrankung und das Hadern mit einer Sprunggelenksverletzung. Sie erhebt zudem Vorwürfe gegen den Verband, spricht Strukturdefizite in der Karriereförderung an und kommentiert die kurz zuvor publizierte Sporthilfe-Studie über »Dysfunktionen im Spitzensport« (Breuer/Hallmann 2013). Einigen Funktionären sei es egal, ob jemand mit Mitte dreißig aus der Bundeswehr ausscheide und ohne Ausbildung dastehe. Schwere persönliche Schicksale würden bewusst inkaufgenommen. Auf Spiegel online (vom 7.9.2011) fragt ein Sportjournalist explizit: »Produziert Magath (Fußballtrainer Felix Magath, F.K.) mit seiner harten Gangart möglicherweise noch mehr Burnout-Kandidaten in der Bundesliga? Treibt seine Druckstrategie die Spieler in die Psycho-Falle?« Von neuartiger Qualität sind die Anschuldigungen Babak Rafatis an die Obmänner im DFB-Schiedsrichterwesen, Hellmut Krug und Heribert Fandel, im Anschluss an seinen Suizidversuch. In Rafatis Autobiografie (2013) werden Respektlosigkeiten, Ungleichbehandlungen, fehlende Rückendeckung und systematisches Mobbing gegen seine Person mehr oder weniger direkt für die suizidale Kurzschlusshandlung mitverantwortlich gemacht.77 Von der Frage nach der Wahrheit oder Angemessenheit solcher Einschätzungen kann an dieser Stelle abgesehen werden. Wichtiger ist festzuhalten, dass sie als plausibel behauptet werden und Legitimationsformeln in der Kommunikation über das Phänomen darstellen.
Diversifizierung der Beiträge Im Nachgang des Falls Enke wird nicht nur aus Anlass von Jahrestagen, Benefizspielen oder Innovationen der Robert-Enke-Stiftung an den früheren Nationaltorwart erinnert.78 Vor allem die Tatsache, dass nach Enke weitere Athleten sowie 77 I n der Talkshow »Beckmann« (ARD am 21.3.2013) nimmt er Bezug auf, aber wenig Abstand von seiner Anklage. 78 Dass immer wieder die Tatsache skandalisiert wird, dass Sportorganisationen nach wie vor nicht systematisch mit Sportpsychologen zusammenarbeiteten (z.B. FAZ online vom 16.11.2009; siehe auch Tagesspiegel online vom 27.7.2014), markiert beispielhaft das Reflexionsniveau, auf dem sich diese Einschätzungen bewegen. Die Anschlussfähigkeit von Sportpsychologen basiert
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andere Rolleninhaber aus dem Spitzensport, anonym oder als Testimonials, mit intimen Details über ihren psychischen Leidensdruck an die Öffentlichkeit gehen, trägt zur Publizität des Themas bei. In den Medien findet seitdem eine systematische Betrof feneninklusion statt, die depressive Athleten nicht nur zum Kommunikationsthema macht, sondern auch selbst zu Wort kommen lässt. Die betroffenen Athleten erzählen zwar ihre persönliche Depressions- und Lebensgeschichte. Der Mediendiskurs jedoch versammelt sie zu einer Erzählgemeinschaf t, die ihre Erfahrungen teilt und dabei ganz ähnliche Geschichten hervorbringt. Das mediale Aktualitätsprinzip und die Präferenz für persönliche Schicksale machen zwar die Einzelfallorientierung notwendig. Der heimliche Lehrplan wiederholter Einzelfallschilderungen sowie die Herstellung von Intertextualität durch die Zitation bekannter Fälle bahnen jedoch den rekursiven Weg des Themas. In einer »wahren Welle öffentlich gelebter Schwermut« (WAMS online vom 11.12.2011) stoßen Veröffentlichungen über depressive Sportler weitere Veröffentlichungen zum Thema an. Die Diskurslogik nach Enke lautet (beispielhaft): »Buffon und Adriano auch« (FAZ online vom 13.11.2009). Die verschiedenen Anlässe, über Athletenbekenntnisse zu berichten oder die Betroffenen selbst zu befragen, verknüpfen sich zu einer diskursiven Eigendynamik, die mehr ist als die Summe ihrer Einzelfälle und in Form von Porträtreihen ein ikonografisches Sondergedächtnis versammelt. Über den notorischen Tabuvorwurf lassen sich zudem Dunkelzifferfantasien anheizen und die bekannten Fälle zur bloßen »Spitze eines Eisbergs« (Beckmann, zit. in Deisler/Rosentritt 2010: 13) umdeuten, dessen massive Existenz die Öffentlichkeit nicht zu sehen bekomme. Die paradoxe Botschaft lautet: Der Einzelfall ist kein Einzelfall. Fast scheint, als sei das Nichtwissen der beste Beweis für die tabuisierte Allgegenwart des Problems. Die Strategie der Einzelfallpublikation und ihrer Verknüpfung nach dem Zitationsprinzip kann die Karriere des Themas jedoch gefährden. Informationen, das knappe Gut der Massenkommunikation, sind instabile Elemente, die sich schnell verbrauchen. Mit jeder Kommunikation wird der Informationswert einer Neuigkeit in Nicht-Information transformiert (Luhmann 1996a: 41ff.). Da sich Neuigkeitswerte am Wissensstand des Publikums ableiten, müssen die Medien ständig auf ihren eigenen Output reagieren, also auf die Bekanntheit von Sachverhalten, die sie selbst erzeugt haben, auf Grundlage von Darstellungen, die sie ihrerseits gestaltet haben. Prinzipiell stellt zwar jeder neue Einzelfall eine Information dar, die das Thema auf der Agenda hält und zur Bedingung der Möglichkeit künftiger Meldungen wird. Im Verlauf der Themaentwicklung wird es dennoch immer schwerer, Überraschungen zu produzieren und hohe Aufmerksamkeitswerte zu erzielen. nicht unbedingt auf ihrer Expertise in klinischen Fragen. Vielmehr verfügen die Mitglieder dieser Berufsgruppe nicht automatisch über eine therapeutische Ausbildung.
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In diesem Zusammenhang emergiert eine Dynamik, die sich durch die Brille der Unterscheidung Redundanz/Varietät beobachten lässt (Luhmann 1996a: 94). Wohl steht den medialen Beobachtern die Möglichkeit offen, ganz bewusst auf Redundanz zu setzen, indem sie die Nicht-Information, die mit der Wiederkehr des Gleichen einhergeht, als Information über die besondere Bedeutung des Themas bzw. Inhalts deuten. Von Meldung zu Meldung büßen die Beiträge dennoch an Attraktivität ein. Deshalb müssen Journalisten den Mediendiskurs mitverfolgen und Varianzen einbauen, die Informationswerte in Differenz zum Bekannten gewinnen. In der Folge lässt sich eine sukzessive Diversifizierung und Verkettung der dargestellten Einzelfälle in räumlicher, sachlicher, sozialer und zeitlicher Hinsicht beobachten. Indes verdichten die akkumulierten Beiträge den Sportbezug aller Einzelmeldungen zu einer »distilled ideology« (Salancik/Porac 1986: 87), nämlich der fast schon ref lexartigen Assoziation, dass der Spitzensport geradezu hochwahrscheinlich depressiv mache. Wer den Diskurs auf fundierende Unterscheidungen prüft, stellt erstens fest, dass die Artikelinhalte in räumlicher Hinsicht immer häufiger auch über die depressive Sportprominenz in anderen Ländern berichten. Dort muss es allerdings die globalen Sporthelden treffen, um über die Landesgrenzen hinaus als berichtenswert zu gelten (u.a. Ian Thorpe, Michael Phelps, Lindsey Vonn, Rio Ferdinand). Zweitens weisen die einzelnen Berichte in sachlicher Hinsicht enorme diagnostische Unschärfen auf. Über verschiedene Einzelbeiträge hinweg wird derselbe Fall bald als »Depression« bezeichnet, bald als »Burnout« dargestellt, bald als »depressive Verstimmung« beschrieben, bald als »Erschöpfungssyndrom« thematisiert. Auch die wissenschaftlichen Studien, die herbeizitiert werden, schaffen nur scheinbar Klarheit. Häufig werden gerade jene Analysen präferiert, die bloße Stimmungsbilder abfragen, Selbsteinschätzungen der Athleten folgen oder auf anderen Wegen zu hohen Prävalenzzahlen gelangen.79 Die Vulnerabilität der Athletenfigur wird zudem dadurch potenziert, dass sie z.B. auch mit Suchterkrankungen, wie Alkoholismus (z.B. Ulrich Borowka), Medikamentenabhängigkeit oder Spielsucht (z.B. Eike Immel) assoziiert wird, die, laienpsychologisch gedeutet, wiederum auf depressionsähnliche Bewusstseinszustände verweisen können. Weiterhin suggeriert der Mediendiskurs in zunehmendem Maße, dass jede Sportart bzw. Disziplin psychische Erkrankungen provoziere. Nicht nur aus dem omnipräsenten Fußball werden neue Fälle öffentlich. In Schwimmen, Leichtathletik, Rugby, Radsport, Boxen, American Football, Triathlon, Tennis, Eishockey, Handball, Skifahren – überall scheint das Damoklesschwert von Gemütszuständen, die mit krankheitswertiger Niedergeschlagenheit und schweren Sinnkrisen einhergehen, über den Köpfen der Sportelite zu hängen. Außerdem wird das Interesse am Thema nicht mehr auf Sportheroen begrenzt, sondern hinsichtlich 79 Zum epidemiologischen Diskurs über Depressionen von Spitzenathleten siehe Kapitel 8.2.
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verschiedener Leistungsniveaus beobachtet. Bisweilen tauchen sogar Meldungen auf, die über die Depression eher unbekannter Athleten in dritten Ligen und darunter berichten (Hamburger Abendblatt online vom 9.11.2010). Drittens vermitteln die Medien in sozialer Hinsicht zunehmend den Eindruck, dass das höhere Erkrankungsrisiko nicht nur die als sensibel dargestellten Sportler betrifft, sondern auch für andere Persönlichkeitstypen und Rolleninhaber gilt. Im Blick auf den Spitzenfußball wird das Bild einer Allgegenwart der Gefahr besonders ausgereizt. Schwerwiegende Symptomatiken werden nicht mehr nur mit der besonderen Rolle des Torwarts80 oder der Figur des kreativen Spielmachers in Verbindung gebracht (wie sie Sebastian Deisler, Jan Šimák oder Mike Wunderlich verkörperten).81 Die Fußballspieler, die in den letzten Jahren mit Depressionen, Burnout und chronischer Erschöpfung in Verbindung gebracht werden, besetzen ganz unterschiedliche Positionen vom zweikampfstarken Abwehrspieler (Martin Amedick) bis zum torgefährlichen Angreifer (Pablo Guerrero, Martin Fenin) – bringt doch »[…] jede Position eine besondere seelische Belastung« (RP online vom 7.9.2011) mit sich. Auch über die Athletenrolle hinaus tauchen Präzedenzfälle mit Symbolcharakter auf. Der auf sein »(vegetatives) Erschöpfungssyndrom« verweisende Rücktritt Ralf Rangnicks (Focus online vom 22.9.2011),82 damals Trainer beim FC Schalke 04, der anschließend vor allem unter dem Burnout-Etikett abgetragen wurde, sowie die Berichte über den Suizidversuch von Schiedsrichter Babak Rafati (19. Oktober 2011), den sein Anwalt nach den wilden Spekulationen83 der Medien auf eine (schwere) Depression zurückführte (Spiegel online vom 80 T orhüter werden in den Medien regelmäßig als besonders gefährdet dargestellt. Neben Robert Enke gab Hannover 96 am 5. September 2011 bekannt, dass ihre damalige Nummer zwei im Tor, Markus Miller, an einer »mentalen Erschöpfung« (Spiegel online vom 5.9.2011) bzw. »Burnout-Erkrankung« (Focus online vom 5.9.2011) leide und sich in stationäre Behandlung begeben habe. Auch der Nachwuchs-Torwart Christopher Gäng machte Anfang November 2012 Depressionen öffentlich. Anfang 2014 verarbeitet der Spiegel seine Geschichte in einem längeren Bericht. Bisweilen wird Gianluigi Buffon mit depressiven Erkrankungen in Verbindung gebracht. Ein Sportpsychiater schätzt das besondere Gefahrenpotenzial von Torwarten folgendermaßen ein: »Torleute sind im Vergleich zu den Feldspielern besonders dem Stress ausgesetzt, das stimmt schon. Für die Öffentlichkeit ist der Torwart oft der Schuldige. Aber nicht jeder Torwart muss aufgrund dieses Drucks an einer Depression erkranken.« (Die Zeit vom 29.1.2015: 18) In symbolischer Hinsicht sticht die Krankheit Depression stärker hervor, wenn sie den letzten Rückhalt der Mannschaft befällt. 81 Zum Burnout Mike Wunderlichs, in dieser Zeit Spieler beim FSV Frankfurt, siehe Hamburger Abendblatt (online vom 23.6.2011). 82 Die Welt (online vom 25.9.2011) hat dieses Ereignis direkt aufgegriffen und das Trainerdasein als ein Leben »nah am Burn-out« beschrieben. Am 27. November berichtet die Welt (online vom 23.1.2018) überdies vom Suizid des walisischen Fußball-Nationaltrainers Gary Speed, dessen Umstände zunächst ungeklärt blieben. 83 Auch im Fall Enke wurde die Pressekonferenz vermutlich nicht unabhängig von der brodelnden Gerüchteküche namens Journalismus einberufen, in der gemäß den Aussagen von Andreas
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25.11.2011),84 verdeutlichen, dass nicht nur Sportler psychisch erkranken können. Beide Fälle befeuern Diskussionen über die dunkle Seite des Spitzensports. Michael Sternkopf, einst Spieler des FC Bayern München und zur Zeit seines Bekenntnisses Manager beim Drittligisten Kickers Offenbach, gibt sich Ende Oktober (desselben Jahres 2011) aufgrund eines »Burnouts« auf nicht absehbare Zeit in stationäre Behandlung (Welt online vom 26.10.2011). Vereinzelt kommen sogar Stadionsprecher zu Wort, die neben ihrer Liebe zu Verein und Fußball über Lebensphasen am Rande des Nervenzusammenbruchs berichten und ihren Kampf mit Depressionen offenbaren.85 Viertens werden depressive Symptomlagen in zeitlicher Hinsicht nicht nur als Problem jener Athleten gekennzeichnet, die im Licht der Sportöffentlichkeit stehen. Stattdessen werden verschiedene biografische Phasen eingeblendet. Bereits im Nachwuchsbereich könnten Depressionen zum Scheitern der Karriere führen. Einstmalige Hoffnungsträger kommen als Verweise auf jene potenziell Vielen zu Wort, die ihre Athletenkarriere wegen Depressionen an den Nagel hingen, bevor die breite Öffentlichkeit auf ihr sportliches Talent aufmerksam wurde.86 Auch die Sportprominenz vergangener Tage (nunmehr Trainer a.D. oder in den Moderatoren-Stand erhoben), äußert sich, lüftet das lange gehütete Geheimnis ihrer Depressivität von damals, pf lichtet aktuell betroffenen Athleten bei und ordnet die eigene Initiative dem Enttabuisierungsprojekt zu.87 Wohl tragen solche Meldungen ihren Teil zum Diskurs bei. Größere Aufmerksamkeit erzeugen sie allerdings nicht. Der Informationswert depressiver Erkrankungen im Spitzensport scheint
Kuhnt, damaliger Pressesprecher von Hannover 96, bereits erste Aids- und Homosexualitätshypothesen zusammengebraut wurden (WDR vom 3.11.2014; ab Min. 1:48). Im Fall Lindsey Vonn folgte das »offene« Bekenntnis zur Krankheit ebenfalls in Reaktion auf Vermutungen in der internationalen Klatschpresse. Die US-Skifahrerin war wegen akuter Darmbeschwerden, so die offizielle Angabe, in eine Klinik eingeliefert worden. Die Bild (online vom 13.11.2012) allerdings erfuhr: »Vonn soll sogar an Depressionen leiden!«, und titelte: »Comeback ungewiss.« 84 Bis heute wird der Fall Rafati auch dann erinnert, wenn ein allgemeines Sinnbild für die Schwierigkeiten der Schiedsrichterrolle benötigt wird (Welt online 13.3.2017). 85 Die Frankfurter Rundschau veröffentlichte am 28. Februar 2012 einen Bericht über den Bremer Stadionsprecher Christian Stoll, der unter anderem das WM-Finale 2006 moderiert hatte. Aufgrund eines »biologischen Defekts«, der zu einem defizitären Serotoninhaushalt führte, habe Stoll mehrere Jahre an Depressionen gelitten (FR online vom 28.2.2012). 86 Die Nachwuchshoffnung des schwedischen Fußballs Martin Bengtsson (2012) hat unter dem Titel »Freistoß ins Leben« eine Autobiografie über seine Sozialisationserfahrungen im Jugendund Juniorenfußball veröffentlicht, die im 12. Kapitel auf ihre narrative Logik überprüft werden. In den Printmedien finden sich wiederholt Interviews mit einstmals aufstrebenden Sporttalenten, die ihre Athletenkarriere aufgrund einer Depression unter- oder sogar abgebrochen hätten. 87 Oliver Kahn berichtet z.B. von einer Burnout-Phase, die er während seines sportlichen Daseins durchstehen musste. Sie habe ihn seinerzeit zur Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Therapeuten von Sebastian Deisler bewegt (SZ online vom 3.4.2010).
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dann am höchsten, wenn aktuelle Rolleninhaber, Leistungsträger und Symbolfiguren betroffen sind und sich biografische Einschnitte markieren lassen. Die Diversifizierung der Betroffenenberichterstattung treibt auch die massenmediale Experteninklusion voran. Vor allem Sportpsychologen, -psychotherapeuten und -psychiater werden konsultiert, um offene Fragen zu adressieren, aus dem Nähkästchen ihrer Praxis zu plaudern und Verständnis für das Leidenspotenzial der Athletenpsyche zu unterbreiten. Indessen nutzen die befragten Experten die Medienöffentlichkeit, um Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit abzuschöpfen, die Problemlösungspotenziale ihrer Expertise zu betonen und Domänenkonf likte mit anderen Berufsgruppen auszutragen.88 Mit der höheren Bedeutung des Themas entstehen überdies aufwendigere Bearbeitungen. In Leitartikeln, TV-Dokumentationen,89 Themensendungen und Talkshow-Runden stehen mehr Freiheitsgrade zur Verfügung, um einen konkreten Fall ausführlich zu behandeln, eine fallübergreifende Perspektive einzunehmen und komplexere Zusammenhänge abzubilden.90 Dann wird zwar betont, dass Depressionen multifaktoriell verursacht würden, der Sport keine Alleinschuld trage, man Schweregrade differenzieren müsse, zwischen Depression und Burnout zu unterscheiden sei, aber der Burnout oft als »Erschöpfungsdepression« erlebt werde. Im Großen und Ganzen aber führen auch diese Beiträge das Gewusste f leißig zusammen, ohne den Mediendiskurs wirklich zu verändern. Inkongruente Perspektiven, die die mediale Themabildung mit zweiten Blicken beobachten und auf latente Funktionen überprüfen, bleiben weitgehend aus.
Depression als Beobachtungsschema Im Karriereverlauf des Themas depressiver Spitzenathleten wird nicht nur die Berichterstattung über diagnostizierte Fälle rekursiv verknüpft. Zudem lässt die erwartbare Kommunikation über das Phänomen eine Deutungsschablone entstehen, mit der Medien, Athleten und Publikum die Welt oder sich selbst beobachten können. Vor allem nach Enke greifen zum einen Spitzensportler in ihren Selbstbeschreibungen auf die Semantiken Depression und Burnout zurück, um ihren anhaltenden Leidensdruck, ihre Lebens- und Sinnkrisen, ihr öffentliches Fehlverhalten, ihre Enttäuschungen nach bitteren Niederlagen oder auch wie88 Z u Domänenkonflikten zwischen Sportpsychologen und Sportpsychiatern/-psychotherapeuten siehe Kapitel 8.3. 89 Die von Arte (2014; Sendung am 11.6) produzierte Dokumentation mit dem Titel »Druck, Doping, Depressionen – Spitzensportler packen aus« wählt allerdings einen äußerst selektiven Zugang zum Thema. Sie nimmt vor allem das Problem depressiver Symptome im US-amerikanischen Diskurs über die »chronic traumatic encephalopathy« in den Blick, das insbesondere im American Football oder auch bei Eishockeyspielern auftritt. 90 Ein Beispiel stellt Sven Hannawalds Auftritt in der Sendung »Planet Wissen« (WDR am 15.5.2013) zum Thema »Depressionen« dar.
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derkehrende Suizidgedanken zu bezeichnen. Zum anderen konstruieren die Medienakteure selbst ein Beobachtungsschema, anhand dessen sie mit Depressionen rechnen. Am Ende schließt sich der Kreis: Die Medien unterstellen es, die Athleten befürchten es, das Publikum interessiert es, die Psychiater bestätigen es. Dass auch Spitzenathleten ihre psychischen Probleme im Schema Depression beobachten, zeigt der Fall Andreas Biermann auf paradigmatische Weise. Wenige Tage nach der Pressekonferenz über die Depressionen Robert Enkes geht auch Biermann an die Öffentlichkeit. Bereits am 11. November gibt er an, sich dessen bewusst geworden zu sein, dass sein Denken und Leiden dem des geschilderten Robert Enke im Detail gleiche.91 Auch im Publikum können öffentlich gewordene Fälle die Befürchtung entstehen lassen: »Ich habe auch so etwas wie der Deisler.«92 Weil Depressionen sich zudem mit abweichendem oder regelwidrigem Verhalten assoziieren lassen, entsteht die Möglichkeit ref lexiv gewordener Athleten, eigenes Fehlverhalten auf depressive Symptomlagen zu beziehen. So gestand der peruanische Fußballspieler und damalige HSV-Profi Pablo Guerrero Anfang November 2011: »Ich war frustriert und depressiv« (Welt online vom 4.11.2011). Der »Problem-Profi« (Hamburger Abendblatt online vom 5.3.2011), der immer wieder durch brutale Fouls und emotionale Ausraster aufgefallen war, verweist auf das wiederholte Verletzungspech in seiner sportlichen Lauf bahn und den schwierigen Umgang damit. Auch der ehemalige Box-Weltmeister Tyson Fury, der sich aufgrund sexistischer, homophober und antisemitischer Ausfälle sowie positiver Kokain- und Dopingproben öffentlich in Misskredit gebracht hatte, führt seine Eskapaden auf bipolare Depressionen zurück, zieht ein bitteres Fazit seiner Athletensozialisation und gesteht notorische Selbsttötungsgedanken (SZ online vom 8.10.2016). Vor allem die Medienakteure haben sich im Zuge der Themabildung ein Beobachtungsschema geschaffen, das ihre Sensibilität für Athletendepressionen aus sich heraus steigert. Die Analyse macht deutlich, dass die Dynamiken der Athletenbiografie in hohem Maße anschlussfähig für die Genese einer massenmedialen Verdachtskultur sind. Chronische Erschöpfung, anhaltende Erfolglosigkeit, starke Leistungsschwankungen, Nachdenken über das Karriereende, Infragestellung früherer Karriereentscheidungen, Phasen der Schlaf losigkeit, Kontrollverlust über die Gefühle, selbstverordnete Pausen oder gar die angestaute Lustlosigkeit am Sport können allesamt mit Depressionen in Verbindung gebracht werden. Der Wandel vom Selbstbekenntnis zur Medienhypothese kann allerdings zu Missver91 Z ur detaillierten Rekonstruktion der Ereignisse siehe Biermann/Schäfer (2011: 116ff.). Ein knapper Einblick in das Geschehen findet sich auf Bild online (vom 21. Mai 2010) sowie in der Berliner Zeitung (vom 10.11.2011). 92 L aut Florian Holsboer hätten Hausärzte in Deutschland infolge von Deislers offensivem Umgang mit seiner Erkrankung diesen Satz tatsächlich immer häufiger gehört (siehe Welt online vom 4.11.2011).
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ständnissen, Spekulationen und Unterstellungen führen, die in der Massenkommunikation selbst nicht problematisiert werden. Mit Bezug auf die Einschätzung des Betroffenen selbst, lässt sich das Beispiel des kroatischen Fußballspielers Josip Simunic als ein bloßes Missverständnis deuten. Die »Bild«-Zeitung (online vom 11.11.2009) berichtet vom »Outing« des Sportlers in Reaktion auf den Suizid Robert Enkes: »Depressionen! Simunic konnte sieben Tage nicht schlafen.« Die Redaktion führt das Schema auf indirektem Weg ein: »Als er vom Selbstmord Robert Enkes erfuhr, kamen die Erinnerungen wieder hoch.« Simunic wird folgendermaßen zitiert: »Ich wollte mit Fußball aufhören. Ich war stark depressiv, körperlich am Ende.« Simunic habe sich in dieser Zeit dem früheren »Mentaltrainer« bei Hertha BSC Berlin anvertraut. Auf Focus. de (online vom 12.11.2009) wird er umgehend in die Galerie depressiver Spitzensportler aufgenommen (neben u.a. Sebastian Deisler und Guido Erhard). Auch die Zeit (online vom 18.11.2009) greift die Informationen wortwörtlich auf und stellt Simunic als ersten Bundesligaspieler heraus, der sich während seiner aktiven Karriere zu Depressionen bekennt. Eine Woche später veröffentlicht der Kicker (online vom 19.11.2009) ein klares Dementi des Spielers: »Da bin ich völlig falsch interpretiert worden, ich wollte nur ganz allgemein darauf hinweisen, dass Profisportler manchmal Probleme haben können, im Umgang mit dem Leistungsdruck.« Wer kann in diesem Fall über »Richtigkeit« und »Falschheit« der virulenten Beschreibungen entscheiden? Antwort: Nur jeder Beobachter für sich. Noch im Jahr 2014 zitieren Jan Baßler und Teresa Enke (als Vertreter der Robert-Enke-Stiftung) seinen »Fall« in einem Vortrag über Depressionen im Spitzensport auf der internationalen Trainer-Konferenz des Bundes deutscher Fußball-Lehrer (2014; ab Min. 33:37). Deutungskonkurrenzen belegen beide Seiten a priori mit Authentizitätsproblemen, die durch rhetorische Mittel nicht aus der Welt zu schaffen sind.93 Wer kann schon beurteilen, ob der Befragte nicht lügt oder etwas verheimlicht, also die Tabuisierungsthese bestätigt? Ein Interview mit Radprofi Marcel Kittel (FAS vom 20.3.2016: 34) weist idealtypisch auf dieses Problem hin. Auf die Frage nach Gerüchten um einen Burnout des Sportlers, antwortet dieser: »Nein, kein Burnout, das ist Quatsch. Ich fände nichts dabei zu sagen, dass man ein Burnout hat, wenn es so ist. Ich finde aber auch, dass man dieses Wort nicht leichtfertig verwenden sollte. Nur weil ich mal eine Scheißphase habe, habe ich nicht gleich ein Burnout […] Zum Leben gehören Höhen und Tiefen. Bei mir lief es einfach nicht.«
93 M it Authentizitäts- und Glaubwürdigkeitsproblemen in der Kommunikation über depressive Erkrankungen und Bewusstseinszustände beschäftigt sich Kapitel 11.3.
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Kittels Antwort führt nicht zum Wechsel der Fragerichtung. Vielmehr motiviert der moralische Anspruch indiskretes Nachfragen im Falle unspektakulärer Antworten: »Ist es so, dass sich ein Supersportler, ein Actionheld, keine Schwächen erlauben darf?« Das Nachfragen stellt jedoch weniger professionelle Taktlosigkeit im Dienste des Athletenwohls dar, sondern lässt sich als bloße Spekulation aus systemrationalen Gründen deuten. Sie nutzt den Nachrichten- und Skandalwert des Themas, um die Auf lage der Zeitung oder die Reputation des Fragenstellers zu steigern.94 Ähnlich lässt sich der »Fall« Timo Werner vom RB Leipzig einordnen. Im Medium psychosomatischen Denkens wird der medial thematisierte »Streik« seines Körpers (Probleme mit Kiefer und Halswirbelsäule), den sein Trainer mit »positivem Stress« in Verbindung bringt, zum Symptom einer »grundsätzlichen Überlastung des Shootingstars« (Westfälische Rundschau online vom 3.10.2017). Sportjournalist und Deisler-Biograf Michael Rosentritt greift die Meldung auf und berichtet für den Tagesspiegel (online vom 4.10.2017): Werners Tore, die Nominierung für die Nationalmannschaft und die Daueraufmerksamkeit der Medien werden von den Stationen einer aufstrebenden Karriere zum Problem riskanter Erwartungen im Spitzenfußball. Dass sich Sportdirektor Rangnick, selbst Teil des medialen Sondergedächtnisses depressiver Erkrankungen im Spitzensport, zum Gesundheitszustand seines Schützlings äußert, kommt gelegen. Der Spiegel titelt: »Ausgebrannt« (Der Spiegel 44/2017: 100f.), und nimmt die Blockade der Halswirbelsäulenmuskulatur zum Anlass, beim Sportpsychiater nachzufragen, der die Grundelemente des diskursiven Wissens zitiert, demgemäß… • über »gefährliche Zustände der Erschöpfung« spricht, • Risiken der Athletenkarriere aufzählt, • auf die mikrotraumatischen Gehirnschäden von Kopf bällen hinweist, • vor einer behandlungsbedürftigen Depression warnt, • die Fälle Deisler, Miller und Amedick zitiert, • an die Suizide von Enke und Biermann erinnert, • den Profifußball als eine »Scheinwelt« beschreibt, • zwischen Sportpsychologen und Sportpsychiatern differenziert, • betont, dass Depressionen heute immer besser erkannt würden, • das Wirksamkeitsversprechen der eigenen Zunft wiederholt • und herausstellt, dass Depressionen eine Krankheit wie andere Krankheiten seien. 94 W ie der Spiegel (online vom 8.2.2013) berichtet, sah sich auch Rafael Nadal gezwungen, entsprechende Gerüchte um Depressionen zu dementieren, die mit seiner schweren Knieverletzung einhergegangen seien: »Absoluter Quatsch! Das stimmt überhaupt nicht. […] Natürlich ist es für einen Profisportler keine einfache Zeit, wenn man monatelang ausfällt […] Aber Depressionen? Die sind nun wirklich frei erfunden.«
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Ein vielsagendes Beispiel für die Realität der massenmedialen Konstruktion depressiver Athleten stellen überdies die sog. »Depressionen« der Darmstädter Tennisspielerin Andrea Petkovic dar. Ihr Fall lässt sich als Unterstellung krankheitswertiger Depressionen einordnen. Anfang November 2015 hatte Petkovic auf einer Pressekonferenz in Zuhai (China) über ihre akute Leidenschaftslosigkeit für den Tennissport berichtet, laut über ein Karriereende nachgedacht und davon gesprochen, »deprimiert« zu sein. Im Anschluss an ihre letzte sportliche Niederlage hatte sie Tränen der Enttäuschung geweint. Zur metaphorischen Einordnung ihres Selbsterlebens wird sie mit folgenden Worten zitiert. Tagtäglich ins Training zu gehen, habe sich letztens »[…] angefühlt wie Folter.« In einer Kettenreaktion der Online-Pressemeldungen wandelt sich der intime Einblick, den die Sportlerin gewährt, zum Bekenntnis einer psychischen Krankheit. Die Rheinische Post fragt bereits um 11:48 Uhr (MEZ): »Depressionen? Petkovic spricht vom Karriereende.« Auf Focus online werden die fragmentarischen Äußerungen (um 15:29 Uhr) in der Rhetorik eines gelösten Rätsels besprochen: »Die Tennisspielerin aus Darmstadt bricht in Tränen aus – wieder einmal. Nun hat sie gestanden, dass sie unter Depressionen leidet und sogar die Fortsetzung ihrer Karriere infragestellt.« Um 16:59 Uhr vermeldet auch der Tagesspiegel formvollendet: »Tennisspielerin spricht über Depression«, und weist im Fließtext quasi synonym auf ein »mentales Problem« der Athletin hin.95 Die Massenmedien sind wenig geneigt, Äußerungen in ihrem Kontext stehen zu lassen und auf Pathologisierungen zu verzichten. Selbst auf der Webseite PraxisVita, die interessierte »Follower« mit Informationen zu Gesundheitsthemen versorgt, stößt man neben Ratschlägen zur Entgiftung der Leber, Warnungen vor erhöhten Salmonellenwerten im Blattsalat und »sanften Tipps gegen Erkältung« seit dem 7. November 2015 auf das Konterfei Andrea Petkovics. Die Verkettung der Pressemeldungen wird zum Anlass eines Achtsamkeitsgebots im Umgang mit sich selbst und dem eigenen Körper. Mit dem Link auf die Ikonografie depressiver Spitzenathleten wird Petkovic neben Lindsey Vonn, Ian Thorpe, Sven Hannawald oder Sebastian Deisler als Testimonial der leidensfähigen Athletenpsyche eingereiht. Am 22. Dezember nimmt die Tennisspielerin auf Eurosport.de Stellung zum Medienereignis ihrer »Depression« (Eurosport.de vom 22.12.2015). Sie sei in ihrer Krise auf keinen Fall schwer depressiv gewesen. Es gebe einen Begriff in der Psychologie namens »depressiver Verstimmung«. Damit könne sie sich identifizieren. Derweil verweist ihr angebliches »Geständnis« auf die Eigenlogik der Konstruktion von Athletendepressionen im Zeitalter des Internets. Die »Depressionen« Andrea Petkovics stellen ein virales Phänomen dar, zu dem verschiedene Akteure arbeitsteilig beitragen. 95 A uch ein polnisches Sportnachrichten-Portal greift ihren Fall auf: »Depresja Petkovic!«; siehe Sport.pl (vom 7.11.2015).
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Mögliche Folgen solcher Unterstellungen lehrt der Fall des damaligen Spielers vom FC Energie Cottbus, Martin Fenin. Über seine »Depressionen« zirkulieren divergierende Schilderungen. Als der tschechische Fußballprofi infolge eines Fenstersturzes, stark alkoholisiert und unter Schlafmitteln ins Krankenhaus eingeliefert wird, gibt der Verein eine öffentliche Stellungnahme ab. Fenin leide bereits seit mehreren Monaten an »Einsamkeit mit Depressionsschüben« und benötige eine Auszeit unter ärztlicher Betreuung. Derart bringt der Verein ein zirkulierendes Deutungsschema zur Anwendung, das sich infolge des Enkefalles wie ein Lauffeuer verbreitet. In Darstellungen zu »Fenins schwerstem Kampf« (FNP online vom 19.10.2011) überschlagen sich die Depressions-, Burnout- und Suchtdiagnosen. Sie schaffen eine soziale Wirklichkeit, der sich der Sportler bald konformistisch anpasst. Selbst als ein Psychotherapeut weder eine depressive Erkrankung noch Alkoholismus feststellen kann, widerspricht Fenin der öffentlichen Version seines Bewusstseinszustands nicht. Drei Jahre danach gibt er an, er habe die Situation aussitzen wollen, weil ihm eine Richtigstellung der öffentlichen Problemdeutung ohnehin kaum jemand geglaubt hätte. Sein späterer Versuch, die offizielle Version zu korrigieren und seine Sicht der Dinge als die »wahre Geschichte« (Elf Freunde online vom 6.4.2015)96 ins Bild zu rücken, führte nicht zur Revision seines Falles in der breiten Öffentlichkeit. Solchen Korrekturmaßnahmen wird vermutlich kein besonderer Nachrichtenwert zugeschrieben.
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Sättigung
Seit geraumer Zeit verdichten sich allerdings die Anzeichen, dass das Medienthema der Depression im Spitzensport selbst an Ermüdungserscheinungen laboriert. Gerade der Erfolg des Themas wirkt selbstzerstörerisch. Ihm droht ein menschliches Schicksal: sich selbst zu »veralten« (Luhmann 1996a: 42). Während seine wissenschaftliche Bearbeitung sokratisch angelegt ist, stets die Seite des Nichtwissens mitbeobachtet, weiteren Klärungsbedarf produziert und nicht von der massenmedialen Salonfähigkeit abhängt,97 lebt das Medienthema der Athletendepression von der Erinnerung an bessere Zeiten. Auch wenn nach wie vor Podcasts, Dokumentationen und andere Beiträge entstehen, die den Wandel des Sports im Umgang mit Depressionen hervorheben, die Institutionalisierung einer Versorgungsstruktur für betroffene Athleten dokumentieren und neue Fälle öffentlich machen, zitiert der Diskurs vor allem das bereits Bekannte, also sich
96 Fenin vermisst in diesem Artikel explizit seine Jahre in Frankfurt, in denen er von einem »Gefühl der Einsamkeit« sprechen konnte, »[…] und genau das damit meinen, aber eben nicht mehr.« 97 Zur Genealogie der Athletendepression als Forschungsthema in der Wissenschaft siehe das folgende Kapitel 8.
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selbst. Die Berichterstattung über die Depression hat einen gewissen Sättigungsgrad erreicht. Bereits in den ersten Jahren nach Enke äußern einige wenige Stimmen ihre Verwunderung über den medialen Hype des Themas. Mit Blick auf Depressionen im Spitzenfußball beispielsweise fragen sich Journalisten: »Aber ist nach dem Fall des Torwarts Robert Enke nun jeder Suizid eines Menschen aus der Welt des Profifußballs ein Fall von öffentlichem Interesse?« (Zeit online vom 21.11.2011) Sie surfen damit zwar ihrerseits noch auf derselben Welle. Entsprechende Stellungnahmen weisen trotzdem darauf hin, dass sich der tiefere Sinn der Wiederkehr des Themas hinterfragen lässt. Die paradoxe Bedeutungssteigerung durch Wiederholung geht mit einem »Auraverfall« (Benjamin 2013 [1936]: 16ff.) einher.98 Neue Unterschiede, die noch einen Unterschied machen, lassen sich nicht unbegrenzt regenerieren. Der rückgängige Überraschungs- und Unterhaltungswert von Sportlerdepressionen wird erstens dadurch verschärft, dass das Mediensystem in Presse, Hörfunk, Fernsehen und Internet aus korporativen Akteuren (u.a. Zeitungs-, Radio- und Fernseh-Redaktionen) besteht, die den systemischen Komplexitäts-, Aktualitäts- und Wettbewerbsdruck durch die Entscheidung über »Entscheidungsprämissen« (Luhmann 2011 [2000]: 222ff.) zu bewältigen suchen. Gerade auch für Publikationsentscheidungen zum Thema der Depression im Spitzensport ist eine »Routineauswahl des Berichtenswerten« (Rühl 1980: 403ff.; vgl. auch Marcinkowski 1993: 98ff.; Luhmann 1996a: 71f.) und seiner Verarbeitung anzunehmen. Überraschungs-, Sensations- und Neuigkeitswerte vertragen sich jedoch nur bedingt mit schablonenhaften Selektions- und Auf bereitungsweisen. Die Paradoxie besteht darin, dass redaktionsinterne Entscheidungsprogramme, die auf Zeitgewinn, Aufmerksamkeitsökonomie und Ref lexionsentlastung zielen, »[…] geradezu das Gegenteil von dem [sind], was sie als ›Nachrichtenwert‹ empfehlen« (Luhmann 1996a: 72), also weder neu noch wirklich aufregend. In der Folge ist vieles mehrfach gesagt: Depressionen seien eine Krankheit wie andere Krankheiten; auch Spitzenathleten könnten daran erkranken; der moderne Hochleistungssport sei unmenschlich; Depressionen seien dort ein Tabuthema; die »Schwachen« würden nach wie vor aussortiert; es müsse sich dringend etwas ändern und was Stoiber gesagt hat, sei wenig hilfreich gewesen.99 Auch 98 D emgemäß kommentiert der Stern (online vom 7.10.2011) die regelmäßige Wiederkehr Hannawalds als Talkshow-Gast: »Seit dem Rücktritt von Ralf Rangnick kommt Hannawald kaum mehr zum Rennautofahren. Fast jede Zeitschrift, jede Talkshow, die das Erschöpfungssymptom zum Thema hat – und das sind momentan viele –, bucht den 36-Jährigen. Er besetzt die Rolle des Patienten, der es geschafft hat. […] Die Geschichte ist gut, nur: Man hat sie halt schon tausendmal gehört.« 99 Edmund Stoiber, Vorsitzender des Verwaltungsbeirats beim FC Bayern München, hatte Sebastian Deisler infolge seiner depressiven Erkrankung als das »größte Verlustgeschäft« des Vereins bezeichnet (Spiegel online vom 12.12.2003; siehe auch in Deisler/Rosentritt (2010: 223).
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Sven Hannawald fällt auf, dass er bereits in vielen Sendungen zu Gast gewesen sei und eigentlich immer dasselbe sage, sieht darin allerdings ein Zeichen seiner wiedergewonnenen Stabilität (WDR am 15.5.2013; ab Min. 56:08). Der hochkomplexe Gegenstand schaltet nur noch »Rest-Varianzen« (Saxer et al. 1986: 59) frei, die kaum mehr größere Signalwirkungen stiften. Das verfügbare Wissen wird vor allem zu Sonderanlässen reaktualisiert, wenn z.B. die Vierschanzentournee ansteht oder sich das Karriereende Deislers und der Todestag Enkes jähren. Immer mehr scheint, als habe die Berichterstattung ihre Möglichkeiten bis auf Weiteres ausgereizt und den Skandal zu einer Floskel gerinnen lassen. Nachrichtenwerte sind eben keine ontologischen Eigenschaften von Ereignissen, sondern Ko-Konstruktionen der Kommunikation, bei denen nicht nur die Medienakteure, sondern auch die Erwartungen des Publikums eine wichtige Rolle spielen. Zweitens lässt sich ein akutes Nachschubproblem als Ursache für die Krise des Medienthemas vermuten. In dem Maße, wie der Sport Depressionen nicht mehr publik macht, sondern systemintern verarbeitet oder sogar systematisch geheimhält, fehlt den Medien das Rohmaterial, das sie nach ihren Vorstellungen gestalten können. Ein empirischer Einblick in die Entscheidungsstruktur von Sportorganisationen steht zwar nicht zur Verfügung. Dennoch können einige Fragen diesbezüglich formuliert werden: Haben die Akteure des Spitzensports schlechte Erfahrungen mit der Publikation von Depressionen ihrer Mitglieder gesammelt? Wie beurteilen die Entscheidungsträger in den Spitzensportvereinen und -verbänden den Mediendiskurs? Sind sie vorsichtiger im Umgang mit dem Thema geworden? Wie häufig werden alternative Legitimationsformeln für Karrierepausen formuliert, die Athleten aufgrund von psychischen Problemen benötigen? Welche Spuren haben öffentliche Einschätzungen betroffener Athletinnen und Athleten hinterlassen, die anderen Sportlern von einer Depressionsbeichte abraten?100 Oder gelten Journalisten, die sich noch für das Thema ereifern, sogar als Ewiggestrige, die an verbrauchten Potenzialen kontrafaktisch festhalten? Drittens kann auch die Wissenschaft die Medienkarriere des Themas kaum voranbringen. Die akademische Forschung hat das Phänomen depressiver Erkrankungen im Spitzensport zwar als Forschungsproblem aufgegriffen. Die Eigenzeiten der Wissensproduktion im Wahrheitsmedium lassen sich allerdings kaum mit der Systemzeit der Massenmedien synchronisieren, die in hoher Frequenz »fresh information« nachliefern müssen. Zudem lässt sich die höhere Komplexität von Forschungsergebnissen in Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen meist nicht aufmerksamkeitsträchtig verarbeiten. Vor allem Disziplinen, die den wissenschaftlichen Diskurs durch Strukturanalysen, inkongruente Beobachtun100 E ntsprechend hat sich Andreas Biermann bei seinem Auftritt im aktuellen Sportstudio (ZDF am 5.11.2010; ab Min. 16:35) geäußert, bei dem er seinen Gang in die Öffentlichkeit in beruflicher Hinsicht als einen »Fehler« bezeichnete.
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gen und amoralische Perspektiven voranbringen, werden selten massenmedial nachgefragt. Viertens kommt erschwerend hinzu, dass das Dopingthema in der letzten Zeit ein nahezu unerreichtes Skandalniveau offenbart: Staatsdoping in Russland; f lächendeckender Entzug olympischer Goldmedaillen nach Jahren der Leistungserbringung; Teilnahme von Non-Compliance-Staaten an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften; Bestechlichkeit in internationalen Sportfachverbänden (Bette/Kühnle 2017). Auch Praktiken des Stimmenkaufs bei der Vergabe internationaler Meisterschaften und Menschenrechtsverletzungen beim Bau von WM-Stadien konkurrieren um den spärlichen Raum, der für die dunkle Seite des Sports in den Massenmedien reserviert wird. Wenn am Wochenende in der Fußball-Bundesliga gespielt wird, sind leere Seiten und freie Sendezeiten außerdem knapp. Ohnehin darf im Themen-Sampling der Massenmedien keine Überdosis an Skandalthemen verabreicht werden, die den doch nicht ganz unentbehrlichen Publikumsmagneten Sport madigmachen könnte. Wie die Zukunft der Athletendepression als Medienthema tatsächlich aussehen wird, bleibt dennoch ungewiss und zufallsabhängig. Noch ist möglich, dass sie sich in einem relativen Tiefpunkt befindet, die bald schon wieder einer Konjunktur des Themas weicht. Wahrscheinlicher ist dennoch, dass es seinen Förderern zunehmend schwerfallen wird, Skandalwerte zu reproduzieren und größere Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dem Thema droht das Karriereende, also im Zuge der allgemeinen Fluktuation öffentlicher Themen abgestoßen zu werden, um Platz für neue Themen zu machen, die weniger schwer zu beleben sind. Interessant ist allerdings, dass sich die Geschichten, die die Athleten über ihre Depressionen erzählen, im Laufe der Zeit ändern können und Skandalmeldungen im Zuge dessen durch Erfolgsgeschichten abgelöst werden können. Der Hochspringer Falk Wendrich, aufstrebendes Talent im Deutschen Leichtathletik-Verband, hat sich im Oktober 2017 nach überstandener Depression an die leichtathletikinteressierte (Deutscher Leichtathletik Verband 2017) und regionale Öffentlichkeit gewandt (WDR am 10.11.2017). Der 22-Jährige habe seit 2014 an depressiven Zuständen gelitten, die auch seine Karriere zwischenzeitig gefährdeten. Gesprächstherapie, antidepressive Medikation und vollstes Verständnis der Trainerin hätten jedoch dazu geführt, dass der Bezug zum Sport nicht verloren ging. Wendrich, inzwischen wieder erfolgreich, ist sich sicher: Worin auch immer sein Problem bestand, am Sport hatte es nicht gelegen.
Reflexionsdefizite in den Massenmedien Die Frage, ob man um die Karriere des analysierten Medienthemas bangen soll, lässt sich im Modus der Ref lexion auf die Ref lexionsdefizite im Diskurs beantworten. Die vorliegende Analyse verdeutlicht, dass die Medien das Thema nach allen Regeln der Kunst moralisieren, skandalisieren und personalisieren, als Blick hinter
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die Kulissen des Sports inszenieren sowie hin und wieder sogar taktlos werden, wenn sie betroffene Athleten befragen oder zum Thema machen. Im Normalmodus der Themenbearbeitung geben sie sich dem Aktualitäts- und Informationsdruck hin und bleiben für sich selbst als Beobachter unsichtbar. Nur in Ausnahmen beobachten einzelne Akteure das »mediale Pathosgewitter« (Zeit online vom 11.11.2009) als Entgleiten der Maßstäbe (Welt online vom 16.11.2009), hinterfragen z.B. die Trauerfeier zum Tod Robert Enkes als »makabere Inszenierung« (Zeit online vom 16.11.2009) oder stellen sogar die Gültigkeit der proklamierten Skandalthesen infrage (Augsburger Allgemeine online vom 8.11.2010). Eine solche Ausnahme stellt der Fußball-Podcast »Rasenfunk« dar, der seine »Tribünengepräche« am 12. Dezember 2017 dem Thema »Depression im Fußball« widmet. Das Gespräch des Journalisten mit seinen beiden Interviewpartnern (Dr. Karsten Henkel, Sportpsychiater vom Uniklinikum Aachen, und Sportjournalist Ronald Reng)101 zeigt, dass sich Momente medialer Selbstref lexion über Athletendepressionen durchaus einführen lassen. Um die Distanz zur Diskursroutine vergrößern zu können, wählt der Moderator explizit keine anlassgebundene Thematisierung. Die gängigen Debatten über die »Volkskrankheit« Depression werden dabei zwar nicht grundsätzlich dekonstruiert. Die Fragen zielen dennoch häufig auf die Irritation dominanter Perspektiven und typischer Erzählungen. Vor allem wird die Selektionspraxis der Medien selbst zum Thema, die Depressionsgeschichten gerade dann aufgreifen, wenn sie eine besondere Tragik aufweisen, beispielsweise zum Karriereende oder Suizid des Betroffenen führen. Folgerichtig diskutieren die Beteiligten eine Übergeneralisierung von Einzelfällen, stellen ihre Symbolträchtigkeit infrage und wägen eine Entdramatisierung der Darstellungsweisen ab. Weiterhin steuern die Befragten Erfahrungswerte aus ihrer Begleitung depressiver Athleten bei, die nach einer kurzen Therapiephase wieder voll einsatzbereit sind, sich erst nach Saisonende behandeln lassen oder auch ihre Therapie parallel zum Trainings- und Wettkampfgeschäft absolvieren. Auch andere Gemeinplätze wie der Tabuvorwurf werden kontrastiert und als systemfunktional hinterfragt. Aktuell bleibt jedenfalls offen, ob solche und ähnliche Thematisierungen in Zukunft häufiger auftauchen werden – und welche Folgen sich daraus ergeben. Insgesamt fällt auf, dass Akteure ohne größeres Eigeninteresse an einer forcierten Öffentlichkeit der Thematik und mit einem guten Einblick in den skandalisierten Bereich über größere Spielräume verfügen, um dominante Schemata durchbrechen und alternative Einschätzungen geben zu können. Entsprechend äußert sich Olli Kahn zum Fall Enke sowie zum Krankheitsbild Depression. Er mahnt: 101 R onald Reng war Freund Robert Enkes, ist Autor der bekannten Enke-Biografie und sitzt im Kuratorium der Robert-Enke-Stiftung.
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»Vor einem Urteil muss man sich hüten: dass der Fußball schuld ist an Roberts Tod. Das ist mit Sicherheit nicht so. Den Menschen Robert Enke kannten wir doch alle nicht wirklich. Niemand weiß, welche Einflüsse eine Rolle spielten: der Tod seiner Tochter, die genetische Veranlagung, biographische Details oder noch ganz andere Gründe.« (SZ online vom 3.4.2010) Aufgrund seiner persönlichen Erfahrung schätzt er auch die Tabuthematik anders ein. Auf die Frage, ob er in seiner Karriere selbst Gefahr lief, depressiv zu werden, antwortet er: »Es ist müßig, darüber nachzudenken. Ich war eben jemand, der sich immer schnell Hilfe geholt hat. Ich habe Lösungen gefunden, mit Vertrauten immer offen gesprochen.« (ebd.) Dennoch führt bislang fast ausschließlich die Suizidberichterstattung zur medialen Selbstref lexion über Routinen der redaktionellen Arbeit und ihre nicht-beabsichtigten Wirkungen: Ist Zurückhaltung geboten oder muss man auf klären? Und wenn ja, wie? Vor allem unter dem Schlagwort »Enke-Effekt« (Schäfer/Quiring 2013) diskutiert zumindest ein Teil der Medienöffentlichkeit über Funktionen und Folgen ihrer Kommunikation, um den rasanten Anstieg suizidaler Handlungen in den Wochen nach dem Suizid eines Prominenten beim nächsten Mal zu verhindern (Zeit online vom 21.11.2011; Tagesspiegel online vom 28.4.2016). Überdies steht infrage, wie weit der Mitleidskoef fizient tatsächlich reicht, der in der Öffentlichkeit inszeniert wird. Es ist nicht abwegig, dass der Fall des Helden in die Depression neben Mitgefühl, Anteilnahme und Empörung auch ein gewisses Maß an Genugtuung beim gemeinen Leser auslöst. Weiterhin ist nicht davon auszugehen, dass sich die massenmediale Zirkulation des Themas zwingend als Verbesserung der Situation depressiver Athleten im Spitzensport bemerkbar macht. Stattdessen ließe sich denken, dass die mediale Themenpräsenz in der verschärften Angst depressiver, aber leistungsfähiger Sportler resultiert, entdeckt und mit den medial vermittelten Simplizismen bewertet zu werden. Wichtige Teile der Arbeit sind bereits vollbracht. Das Bild bleibt allerdings unvollständig, solange nicht weitere Gesellschaftsbereiche in den Blick genommen werden. Dazu gehört auch der Beitrag der wissenschaftlichen Forschung. Ihm wird das folgende Kapitel gewidmet.
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Athletendepression in der Wissenschaft
Auch wenn die Wissenschaft nach einer anderen Logik funktioniert als die Massenmedien, dürfen Wissenschaftsakteure gerade in Zeiten drittmittelabhängiger Forschungsbereiche nicht auf Durchzug gegenüber den Diskursen ihrer massenmedialen Umwelt schalten. Die Bearbeitung massentauglicher Themen rückt vielmehr als Chance in den Blick, die mediale Nachfrage nach Experten zu befriedi-
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gen und somit Aufmerksamkeit für die eigene Forschung einzufangen. Gerade im Rahmen gesellschaftlicher Problem- und Krisenthemen werden Wissenschaftler von randständigen Elfenbeinturmbewohnern, die über Sonderwissen verfügen, zu gefragten Spezialisten, die ihre Problemeinschätzungen in Zeitungsinterviews, auf Pressekonferenzen oder in Podcasts zum Besten geben. Dort liefern sie erste Antworten auf brennende Fragen, zitieren Forschungswissen, wagen Prognosen, symbolisieren Problemlösekompetenz auch bei schwierigen Sachverhalten oder kennen zumindest die bittere »Logik des Misslingens« (Dörner 1992). Vor allem aber suchen sie nach förderwürdigen Forschungsproblemen, an denen sich eigene Projektideen entwickeln und vorantreiben lassen. Der gesellschaftliche Spitzensport hat sich bereits seit einigen Jahrzehnten als Generator für Forschungsfragen etabliert und in Form der Sportwissenschaft stabile Kopplungen zwischen den beiden Bereichen institutionalisiert. Insbesondere wenn die Wissenschaft Antworten auf Fragen und Lösungen für Probleme liefert, die dem Sport gewissermaßen »unter den Nägeln brennen«, wird dessen Interesse geweckt. Vor allem jene anwendungsorientierten Disziplinen, die Blut am Ohrläppchen abzapfen, sichere Prognosen bei der Talentauswahl versprechen, schnelle Heilung im Krankheitsfall in Aussicht stellen oder auf andere Weise die Leistungssteigerungswünsche des Sports bedienen, haben gute Chancen auf eine kontinuierliche Nachfrage durch den Spitzensport und seine Organisationen. Auch die Massenkommunikation über depressive Spitzenathletinnen und -athleten lässt eine Reihe von Fragen zirkulieren, die dem Thema eine Aura des Rätselhaften verleihen, seine Brisanz abbilden, die Problemsensibilität im Sport vergrößern und sich einer einfachen Antwort entziehen: Warum leiden allseits beliebte, sportlich erfolgreiche, oft gutbezahlte Spitzenathleten dermaßen an sich selbst, dass sie nicht mehr weiterleben möchten? Welche Rolle spielt der systemische Leistungsdruck? Wie verbreitet sind Depressionen in verschiedenen Sportarten und Disziplinen? Können Sportler trotz Depressionen leistungsfähig bleiben? Welche Behandlungsmöglichkeiten für depressive Spitzenathleten gibt es? Auch über die mediale Nachfrage hinaus entstehen wichtige Fragen, um die sich die Wissenschaft kümmern müsste: Wie wird beispielsweise über Depressionen im Spitzensport gesellschaf tlich kommuniziert? Welche Rolle spielen die Massenmedien in diesem Diskurs? Wie greift die Wissenschaft das Thema auf? Und welche nicht-beabsichtigten Folgen, Probleme und Risiken der diskursiven Routinen lassen sich identifizieren? Bevor der Forschungsdiskurs, der sich mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt, ausführlich dargestellt wird, sind allerdings Funktion und Code der Wissenschaft zu beschreiben.
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Funktion und Code der Wissenschaft Das einheitsstiftende Merkmal der Wissenschaft besteht nicht in der Auseinandersetzung mit bestimmten Themen und Gegenständen, sondern im binären Code, mit dem sie die Welt beobachtet und über ihre Ergebnisse kommuniziert: der Unterscheidung wahr/unwahr (Stichweh 1987: 447). Im Handlungsfeld Forschung lebt sie die Fraglichkeit der Welt aus, überprüft Hypothesen auf ihren Wahrheitswert und orientiert Zuordnungsregeln für die Anwendung des Codes anhand von Theorien und Methoden. Empirische Forschungsergebnisse gelten als wahr, wenn sie im Experiment oder unter anderen methodisch kontrollierten Bedingungen generiert werden. Weiterhin werden bestimmte Deutungen als wahr beobachtet, wenn sie infragestehende Phänomene mithilfe einer Theorie erklären. Auch was sich als unwahr herausstellt, wird als wahre Erkenntnis verbucht, aus dem Bereich möglicher Erklärungen ausgeschlossen, als Anlass weiterzuforschen verarbeitet und als wichtiger Teil der Wahrheitsfindung dokumentiert. Gesellschaftstheoretisch gesehen verweist Wahrheit jedoch nicht auf die ontologische Entsprechung zwischen der Welt und ihrer Erfassung. Vielmehr fungiert sie als soziale Konstruktion des Wissenschaftssystems. Aus systemtheoretischer Perspektive lässt sich Wahrheit als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium verstehen, das auf die Lösung des Unwahrscheinlichkeitsproblems der Kommunikation zielt und das Ablehnungsrisiko im Gegenüber reduziert (Luhmann 1990: 167ff.). Wahrheit lässt die Welt als nichtwillkürlich erleben (Corsi 1997: 203). Was wahr ist, ist so, und nicht anders. Im Wahrheitsmodus ihrer Weltbeobachtung täuscht sich die Wissenschaft folglich wirksam darüber hinweg, dass auch ihre Blicke mit Unterscheidungen arbeiten, die anders sein könnten, und von Paradigmen abhängen, die sich im historischen Verlauf ändern (Kuhn 2012 [1973]). Kommunikation im Medium Wahrheit abstrahiert von personalen Bezugnahmen und kann gerade auch in der schriftlichen Kommunikation zwischen Fremden überzeugen (Luhmann 1992: 143, 1998: 1107). Informationen, die in wissenschaftlichen Texten transportiert werden, sollen im Leser nicht deshalb einen Unterschied machen, weil Liebe, Glaube, Geld oder Macht am Werk sind. Es geht um die selbstüberzeugende Wahrheit des Wissens, das vermittelt wird. Um den gesellschaftlichen Wissensbestand zu vermehren und in die kognitiven Erwartungsstrukturen einzuziehen, müssen die Eregbisse wissenschaftlicher Forschung veröffentlicht werden. In Publikationen wird das Wissen zwar von Autoren mitgeteilt und mit einem Zeitindex versehen. Indem die Richtigkeitsbedingungen der Erkenntnisgewinnung methodologisch offengelegt und der Beobachtung durch die Scientific Community ausgesetzt werden (Stichweh 1987: 468ff.), soll dennoch die universale Gültigkeit des Wissens zumindest vorläufig markiert werden. Aus all jenen Forschungsergebnissen, die in der Folge nicht als grobe Denkfehler entlarvt, als unterkomplex bewertet oder als schlichtweg irrelevant behandelt werden, entstehen nicht nur die vielzitierten Schultern, auf
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denen zukünftige Forschergenerationen einen festen Stand gewinnen. In Form von Monografien, Zeitschriften oder Artikeln stehen sie Interessierten generell zur Verfügung, oder werden von Wissenschaftsjournalisten für einen größeren Leserkreis verständlich gemacht. Derart verdichtet sich ihr Potenzial, in die Umwelt der Wissenschaft einzusickern und die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit zu verändern. Bibliotheken, Universitäten, Labore, Technologien, Experten und sonstige Verkörperungen wissenschaftlichen Erfolgs dienen allerdings nur scheinbar als Hort der Geborgenheit zur Beantwortung von Fragen, Symbolisierung von Wahrheit, Entstehung von Wissen oder Entwicklung von Problemlösungen. Gleichzeitig fungiert die Wissenschaft als Projekt wider die Evidenz der Dinge. Ihre operative Selbstbezüglichkeit erzeugt eine Eigendynamik, die nicht primär Sicherheiten auswirft, sondern am Leitfaden der Unterscheidung Analyse/Synthese prozessiert und, darauf hat Luhmann (1992, 2008 [1995]: 252ff., 2008: 132ff.) mehrfach hingewiesen, das gesellschaf tliche Auf löse- und Rekombinationsvermögen steigert. Die Welt des Wissenschaftlers ist kein Ruheort, sondern das immer weiter auf lösbare Gesamt aller Elemente, Gegenstände, Phänomene und Ereignisse (ders. 1992: 331). Im analytischen Blick wird Normalität als »organisierte Komplexität« (Weaver 1978: 43ff.) verstanden oder als Wahrscheinlichkeit des Unwahrscheinlichen verfremdet (Luhmann 1993 [1981]: 234). Verschiedene Disziplinen haben je unterschiedliche, »theorie- und apparateabhängige« (ders. 1992: 144) Formen der Analyse und (Re-)Synthese von Weltkomplexität ausgeprägt. In Physik und Chemie lösen sich Materialien und Gegenstände in eine komplexe Struktur von Atomen und Molekülen auf, die ihre unverwechselbaren Eigenschaften erst erzeugt. In Lehrbüchern der Biologie oder Medizin wird der menschliche Körper als Konglomerat von Geweben, Organen, Blutkreisläufen und welchen Stoffwechselprozessen auch immer dargestellt. Auch die soziale Lebenswelt wird in inkongruenten Perspektiven neu gedeutet, durchanalysiert und gesellschaftstheoretisch reintegriert (Luhmann 2008 [1995]: 254). Insbesondere in der soziologischen Auf klärung werden gesellschaftliche Institutionen, Alltagstheorien, öffentliche Meinungen, Leitsemantiken und andere gesellschaftliche Konstruktionen von Wirklichkeit als fungierende Ontologien betrachtet, auf fundierende Unterscheidungen hin beobachtet und hinsichtlich latenter Funktionen überprüft. Wer im Rahmen der neueren soziologischen Systemtheorie beispielsweise vom Menschen spricht, bezeichnet eine strukturelle Kopplung von biologischen, psychischen und sozialen Systemen. Wer Organisationen soziologisch beobachtet, sieht dort nicht Menschen an Schreibtischen sitzen, sondern die Kommunikation von Entscheidungen, die Menschen rekrutieren, motivieren und disziplinieren – und dies in Entscheidungen über Entscheidungen festschreiben (ders. 2011 [2000]). Im systemtheoretischen Blick wird, wie bereits deutlich geworden, auch die Depression von einer psychischen Krankheit
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zu einem Mehrsystemereignis, dessen kommunikative Eigendynamiken sich jenseits der Gedanken- und Gefühlswelt des Betroffenen entfalten. Im Folgenden wird die wissenschaftliche Kommunikation über depressive Spitzenathleten aufgearbeitet und an ihre Diskursakteure rückgebunden. Im ersten Schritt wird die sukzessive Entstehung von Problembewusstsein in der Forschung rekonstruiert (Kap. 8.1). Im zweiten Schritt wird der Forschungsstand zu depressiven Symptomlagen bei Spitzenathletinnen und -athleten präsentiert (Kap. 8.2). Im dritten Schritt werden Domänenkonf likte in den Blick genommen, die eine Beobachtung der Scientific Community zutagefördert (Kap. 8.3).
8.1
Problembewusstsein
Auch bevor das Thema depressiver Erkrankungen von Spitzenathleten eine breite Öffentlichkeit erlangte, haben Wissenschaftler darüber nachgedacht. Dass ihm inzwischen verschiedene Disziplinen eine ganze Reihe von Forschungsproblemen abringen, geht allerdings auf einen schrittweisen Auf bau von Problembewusstsein zurück, der sich zunächst eher langsam vollzogen hat. Im Ursprung dieser Entwicklung gelten Athletendepressionen noch als irrelevantes Nicht-Thema, das keine intensive Auseinandersetzung stimuliert und nur vereinzelt erwähnt wird. Gerade in früheren Arbeiten wird das im psychiatrischen Diskurs als »Depression« bezeichenbare Leiden meist mithilfe allgemeiner, familienähnlicher Semantiken erfasst, die allerdings nicht explizit die Symptomatik einer psychischen Krankheit meinen.102 Die kaum ausgeprägte Bereitschaft zur Forschung über Psychopathologien im Spitzensport mag den Entstehungsbedingungen der Sportwissenschaft geschuldet sein. Eine Wissenschaftsdisziplin, die ihren Bestand vor allem auch der Ausdifferenzierung, Professionalisierung und Totalisierung des Spitzensports verdankt, kultiviert eine tendenziell optimistische Sicht auf ihren Gegenstand. Die Ausleuchtung jener Themenbereiche, die wie psychische Erkrankungen, Suizidalität, Doping oder Praktiken sexualisierter Gewalt als Schattenseiten gelten, erweist sich unter diesen Bedingungen als wenig förderlich für die Entwicklung der Disziplin. In Einzelfällen werden dennoch bereits früh erste Einblicke in das Problem der Depression publiziert (Ogilvie/Tutko 1966) oder Erfahrungen mit psychopathologischen Schief lagen in Athletenpopulationen geschildert. Insbesondere in 102 H äufig wird dann von »emotional distress«, »emotional unrest«, »emotional maladaptation«, »adjustment difficulties«, »mood disturbance«, »negative mood«, »negativism«, »psychological difficulties«, »personal problems«, »internal conflicts«, »internal vulnerability« »identity crisis«, »loss of identity«, »poor self-worth«, »low self-esteem«, »personal helplessness«, u.v.a. gesprochen.
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der US-amerikanischen Forschung deuten diverse Autoren, vor allem Sportpsychologen und Sportärzte, bereits seit den 1960er Jahren an, dass die Vorstellung vom mental unverwundbaren Spitzensportler ein Mythos sei (Heyman 1987: 135, 1986: 68). Bei psychisch kranken Athleten handle es sich, so lauten manche Einschätzungen, keineswegs nur um wenige Ausnahmen: »During a period of years«, so beispielsweise Ogilvie (1968: 156), »[…] athletes from every sport representing every level from age-group competition through high school, college, and professional teams have been referred because of psychological problems. The range of these problems and the psychological conflicts associated with competition have covered the entire spectrum of emotional disorder. The variety of somatic complaints and the severity of emotional reactions have at times given me serious doubts as to the value of the athletic competition.« Dass vergleichbare Hinweise noch keinen größeren Forschungsdiskurs anstoßen, spiegelt die geringe Relevanz wider, die einer Psychopathologie des Sports zunächst beigemessen wird. Die Abwegigkeit, über psychische Erkrankungen im Leistungs- und Spitzensport nachzudenken, wird auch argumentativ vertreten. Vor allem die »Selektionshypothese«, als sportjournalistische Basisrhetorik bis heute im Einsatz, findet sich häufig. Psychisch labile Athleten würden infolge eines Selektionsprozesses eher früher als später aussortiert (u.a. Burton 2000a: 64; van Raalte/Andersen 1998: 276). Gerade bezüglich depressiver Erkrankungen hat sich die Unverwundbarkeitsannahme lange hartnäckig gehalten. Selbst dort, wo sich die sportwissenschaftliche Forschung intensiver mit Psychopathologien auseinanderzusetzen beginnt, wird ein »Screening« depressiver Symptomlagen als überf lüssig erachtet. Ganz konkret erläutern Andersen et al. (1994: 169) ihr Untersuchungsdesign: »The main focus of this paper is to broad categories of psychopathology, personality disorders and mood disorders, whose diagnostic criteria may not be as well known as eating disorders and substance abuse. The disorders addressed are narcissistic personality disorders, antisocial personality disorder, dysthymia, and cyclothymia. These diagnoses were chosen because: (a) many individuals with other disorders are likely to have been removed from athletics in a natural selection process (e.g., major depressive or manic episodes, borderline, schizotypal, or avoidant personalities), and (b) these are the disorders the authors have seen most often among their athlete clients […].« 103 103 A uch in Heymans (1986) Einblick in »Psychological problem patterns found in athletes« tritt die Depression nicht als eigenständige Kategorie auf. Eine Ausnahme findet sich bei Ogilvie et al.
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Überwiegend wird die Meinung vertreten, dass es depressiven Athleten schlechthin unmöglich sei, die systemspezifisch hohen Anforderungen an Zeitmanagement und Trainingsdisziplin aufzubringen oder dem Konkurrenzdruck im Sport emotional standzuhalten (Burton 2000a: 65f.). Auch ihre Einbindung in ein Netzwerk aus Freund- und Kameradschaft trage zur besonderen Widerstandsfähigkeit von Spitzensportlern bei. Zudem wird darauf hingewiesen, dass der positive Effekt sportlich-körperlicher Aktivität auf das persönliche Wohlbefinden, wie er in einer Vielzahl sportmedizinischer und -psychologischer Studien betont wird (u.a. Weyerer 1996; Blumenthal et al. 2007; Ströhle 2009), zum Verschwinden psychischer Probleme im Hochleistungssport beitrage (Brewer/Petrie 1996: 257; van Raalte/Andersen 1998: 277). Insofern stabilisiert sich die akademische Indifferenz gegenüber der Depression im Spitzensport zunächst wie von selbst. Im tautologischen Umkehrschluss taucht gerade das aus Mangel an Problembewusstsein resultierende Nichtwissen als Argument wider die Erforschung des Problems auf. Inzwischen hat die Erkenntnis der Konstruiertheit dieser Annahmen das akademische Interesse an der Forschung über das Thema forciert. Seit geraumer Zeit werden Athleten auch im wissenschaftlichen Diskurs von einer privilegierten Spezies zu einem Spiegel, in dem das Publikum sich selbst beobachten kann – »[…] a lens with which to see a little more clearly how we operate internally« (Burton 2000a: 79). Im Zuge dessen wird die Karriere des Spitzenathleten als Gratwanderung verstanden und gerade die Achillesfersen der Athletengesundheit stärker fokussiert. In sportpsychiatrischen und -psychologischen Sonderdiskursen, die in den 1990er Jahren entstehen und vor allem ab 2000 in Sammelbänden (Begel/Burton 2000; McDuff 2012; David Baron/Reardon/Steven Baron 2013; Currie/Owen 2016) und Themenheften (z.B. Clinics in Sports Medicine 4/2005; International Review of Psychiatry 6/2016) veröffentlicht werden, weicht die einstmals kontraintuitive Annahme ihrer Gefährdung bisweilen einer Pathologisierung der Athletenfigur, die an der »darker side of overexposure to elite sport« (Hughes/Leavey 2012: 95) scharfstellt und vereinzelt sogar ein besonderes Risikopotenzial von Spitzensportlern vermutet (Mummery 2005: 526). Im Zuge dessen wird inzwischen auch die Annahme infragegestellt, depressive Athleten seien unfähig, ehrgeizig zu bleiben und ihr sportliches Talent auszuschöpfen. Sogar die Möglichkeit wird erwogen, dass manche Athleten im rigiden Trainingsregime des Sports gerade ihre Symptomatik ausagierten und im Projektionsraum sportlicher Erfolgsaussichten die gefühlte Daseinsleere kompensierten (Burton 2000a: 65). In der Tat arbeitet bereits Beisser (1967: 144) am Beispiel von sieben Lebensgeschichten psychisch kranker Athleten heraus: »Each sport probably provides enough latitude for an athlete to re-enact his special un(1981: 67), die »depression« bereits Anfang der 1980er Jahre als »[…] most common emotional problem among athletes« einstufen.
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resolved situations.« Reardon/Factor (2010: 963) fassen die Blickveränderungen in der Auf lösung und Rekombination von Athletendepressionen folgendermaßen zusammen: »The following various possible relationships between athletics and psychiatric disorders have been described: (i) athletes may obtain high levels of success in spite of a coexistent primary psychiatric disorder; (ii) athletes may have chosen the athletic arena as a means of coping with a disorder; or (iii) athletes may have psychiatric illness precipitated or worsened by sport itself […] Any of three possible relationships between athletics and, in this case, the psychiatric disorder, of depression, could exist in depressed athletes.« 104
8.2
Forschungsstand
Bei der Recherche von Forschungsständen wird der wissenschaftliche Diskurs über ein Thema anhand des Dualschemas Wissen/Nichtwissen beobachtet. Dabei wird das verfügbare Wissen versammelt und im Hinblick auf seine methodologischen Bedingungen ref lektiert. Die Wissenssammlung dient jedoch keinem Selbstzweck. Indem das Gewusste ermittelt wird, wird ein Wissen des Nichtwissens skizziert. Nur wer weiß, was gewusst wird, kann zielführende Fragestellungen für neue Forschungsprojekte entwickeln. Im Folgenden werden die Wege aufgezeigt, die die Forschung über depressive Spitzensportler bislang eingeschlagen hat. Einzelne Ergebnisse werden berücksichtigt, aber nicht ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt.
Epidemiologie Wenngleich die Forschung über Athletendepressionen noch nicht weit fortgeschritten ist, hat das Interesse am Thema in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die Frage, wie verbreitet Depressionen im Spitzensport sind, schließt nicht zuletzt an massenmedialen Tabu- und Dunkelzifferkonstruktionen an. Diverse Studien über das Vorliegen depressiver Erkrankungen in Athletenpopulationen haben divergierende Ergebnisse hervorgebracht. In einer wesentlichen Hinsicht unterscheiden sie sich aber nicht: Sie knüpfen allesamt am naturalistischen Postulat der Diagnostik an. In Methodenkapiteln machen sie zwar die Leitunterscheidungen ihrer Beobachtung transparent. Dennoch sollen ihre Ergebnisse objektive Daten über die Wirklichkeit der Athletenpsyche liefern. Aus beobachtungstheoretischer Sicht wird jedoch deutlich, dass die ermittelten Prävalenzzahlen, seien 104 Ä hnlich schätzt bereits Baum (2003: 51) das komplexe Wechselspiel ein: »Psychiatric illness in amateur or professional athlete may arise from coincidence, a predisposing pathology that first attracted the athlete to the arena, or a psychopathology by the sport itself.«
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sie hoch oder niedrig, vor allem von den Beobachtern und ihren methodischen Vorentscheidungen abhängen. Aufgrund des schweren Zugangs zu nationalen Spitzenathleten und infolge divergierender Organisationsstrukturen des Sports erforschen im internationalen Raum eine Reihe von Studien die Verbreitung depressiver Symptomatiken im College-Sport in den USA 105 und im Iran (Salehian et al. 2012). Bundeskader verschiedener Länder (u.a. in Frankreich, Australien, Deutschland, Ungarn) werden ebenfalls untersucht.106 In letzten Jahren entstehen sportartspezifische Studien, z.B. im Schwimmen (Hammond et al. 2013), Handball (Kilic et al. 2017) und vor allem im Spitzenfußball.107 Im Überblick fällt auf: Unter Berufung auf die vorhandene Literatur ließen sich sowohl die Annahme einer besonderen Widerstandsfähigkeit von Sportlern (Resilienzhypothese) belegen (u.a. Armstrong/Oomen-Early 2009; Proctor/Boan-Lenzo 2010), als auch die Hypothese ihrer besonderen Gefährdung (Vulnerabilitätshypothese) ableiten (z.B. Hammond et al. 2013; Breuer/ Hallmann 2013; Gouttebarge et al. 2015). Meistens resultiert die Empirie in einer Hypothese der Nicht-Dif ferenz, also der Annahme, dass Athleten genauso gefährdet seien wie Nicht-Athleten (u.a. Nixdorf et al. 2013; Gulliver et al. 2015; als Ergebnis einer Meta-Analyse, vgl. Gorczynski/Coyle/Gibson 2017; im Rahmen eines systematischen Reviews, vgl. Rice et al. 2016). Die auf den ersten Blick widersprüchlichen Ergebnisse sind jedoch nicht ohne Weiteres vergleichbar. Die Untersuchungen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer statistischen Qualität (z.B. in Bezug auf Probandenzahl, Cutoff-Werte oder Rücklaufquoten). Vor allem variieren die zur Anwendung gebrachten Erhebungsinstrumente. Während Depressionen im klinischen Alltag im Experten-Laien-Gespräch diagnostiziert werden, resultieren die Ergebnisse der analysierten Studien – bis auf wenige Ausnahmen (Schaal et al. 2011; Hammond et al. 2013) – auf der Anwendung unterschiedlicher Fragebogensysteme.108 In manchen Studien werden einzelne Symptome abgefragt, die sich als notwendige, 105 S iehe E. Storch et al. (2005), Yang et al. (2007), Armstrong/Oomen-Early (2009), Proctor/Boan-Lenzo (2010), Weigand/Cohen/Merenstein (2013), Wolanin/Gross/Hong (2015) und Wolanin et al. (2016). 106 Siehe Schaal et al. (2011), Gulliver et al. (2015) und Resch/Haász (2008). Screenings bundesdeutscher Athletenkader wurden von Nixdorf et al. (2013) sowie von Breuer/Hallmann (2013) veröffentlicht. 107 Siehe Gouttebarge/Frings-Dresen/Sluiter (2015), Gouttebarge et al. (2015), Junge/Feddermann-Demont (2015), Prinz/Dvořák/Junge (2016), Kilic et al. (2017) sowie Björnsson/Baldursson (2015). 108 In den recherchierten Untersuchungen wird eine Vielzahl verschiedener Fragebogenkonstrukte zur Anwendung gebracht, unter anderem: Center for Epidemiologic Studies Depression Scale (CES-D), Beck Depression Inventory (BDI), Hamilton Rating Scale for Depression (SIGH-D), Allgemeine Depressionsskala (ADS), Wakefield Depression Scale, 12-item General Health Questionnaire (GHQ-12), Symptom-Checklist-90-R, Personality Assessment Inventory (PAI),
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kaum aber als hinreichende Bedingungen für das Vorliegen einer manifesten Depression einordnen lassen. In ihrer diskursiven Folge entstehen dennoch häufig Forschungsartefakte, die hartnäckig reproduziert werden. Auch wenn die Daten im Originaltext als »depressive Syndrome«, »depression/anxiety«, »depressive Verstimmungen«, »depressive symptomatology« oder »Depressivität« unterschieden werden, tauchen sie in anderen Texten, insbesondere in den Massenmedien, oft unterschiedslos als Belege für den (demgemäß hohen) Verbreitungsgrad von »Depressionen« auf. Beispielsweise ermitteln Thiel/Mayer/Digel (2010: 86) in ihrer Studie zum Gesundheits- und Verletzungsmanagement in Handball und Leichtathletik, dass etwa vier Prozent der befragten Athletinnen und Athleten mehrmals pro Woche und ca. 23 Prozent mindestens einmal im Monat über »Melancholie/Depression/ Unglücklichsein« klagen. Hiermit werden jedoch eher diffuse Stimmungslagen erfragt, keineswegs psychopathologische Fixierungen. Auf ähnliche Weise sind die Ergebnisse von Breuer/Hallmann (2013) zu relativieren. Mithilfe der sog. Randomised-Response-Technik finden diese Autoren in einer Athletenbefragung heraus, dass neun Prozent der deutschen Spitzenathleten schon einmal »depressiv« gewesen seien. Man sollte allerdings nicht einfach davon ausgehen, dass sich die subjektive Einordnung der Athleten mit der Einschätzung von Psychiatern decken würde. Umso problematischer, wenngleich nicht überraschend ist, dass gerade diese Studien medial aufgegriffen und als Hinweise auf die epidemische Verbreitung von »Depressionen« im Spitzensport instrumentalisiert werden – während die methodologischen Entscheidungen, die in den Untersuchungen transparent gemacht werden, auf dem Weg ihrer Medienzitation verlorengehen. Momente diskursiven Ref lexivwerdens bleiben nicht aus. Hammond et al. (2013: 274) und Schuch (2014: 244) weisen konkret darauf hin, dass die angewandten Fragebogensysteme zwar das Vorliegen depressiver Symptome abfragen, nicht aber Depressionen diagnostizieren, ausschlussdiagnostisch verfahren, Schweregrade differenzieren und resultierende Einschränkungen abschätzen. Gerade im Spitzensport sind Ermüdung und Erschöpfung keine prinzipiell ungewollten Abweichungen, sondern häufig Zielvorgaben der Trainingssteuerung. Lediglich chronische Erschöpfung weist auf Fehlplanungen hin. Laut Schwenk (2000) würden Übertrainingszustände und krankheitswertige Depressionen in der sportärztlichen Praxis regelmäßig durcheinandergebracht. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass der epidemiologische Diskurs häufig dort unterschiedslos »Depressionen« identifiziert, wo ein Sportarzt das Vorliegen eines Übertrainigssyndroms sieht oder ein Trainer gar das erfolgversprechende Resultat seiner Trainingsgestaltung. Profile of Mood States (POMS) oder auch der WHO-5-Fragebogen zum persönlichen Wohlbefinden.
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Hinsichtlich der Zielgruppen sind weitere Relativierungen vorzunehmen. Zunächst müsste überprüft werden, welche Aussagekraft eine Studie über Studenten an US-Colleges überhaupt für den organisierten Spitzensport in anderen Ländern hat. Ohnehin bleibt unklar, inwiefern die verschiedenen Untersuchungsergebnisse auf Sozialisations- oder Selektionsprozesse zurückgehen.
Ätiologie Die epidemiologische Forschung stimuliert die ätiologische Frage nach den Risiken, die im Spitzensport bzw. in bestimmten Sportarten und Disziplinen angelegt sind. Sollte sich der Verbreitungsgrad depressiver Erkrankungen in Spitzensportpopulationen auch nicht wesentlich von Prävalenzdaten der Normalbevölkerung unterscheiden, bestehen, so die Annahme, doch Spezifika der Athletenkarriere, die nicht nur den systemischen Umgang mit akuten Depressionen beeinf lussen, sondern auch pathogenetische Folgen zeitigen können (Thomann/Dallmann 2017: 28). Zwar zeichnet die Forschung bereits ein differenziertes Bild an Risikogruppen, vulnerablen Phasen oder kritischen Ereignissen. In Anbetracht der vorläufigen, lückenhaften und bisweilen widersprüchlichen Datenlage, lässt sich in diesem Bereich dennoch ein größerer Forschungsbedarf konstatieren. Die verfügbaren Forschungsergebnisse ermöglichen erstens, Risikogruppen für die Entwicklung depressiver Symptomlagen zu identifizieren. Hinsichtlich der Bedeutung des biologischen Geschlechts zeigt sich eine ambivalente Datenlage. Viele Untersuchungen ergeben, dass Athletinnen – Tendenzen in der Gesamtbevölkerung bestätigend – signifikant häufiger an Depressionen leiden.109 Für den bundesdeutschen Spitzensport wird dies allerdings nicht bestätigt (Nixdorf et al. 2013: 322). Für den US-amerikanischen College-Sport weisen Yang et al. (2007: 483) darauf hin, dass Angehörige ethnischer Minderheiten (»race«) mit einer höheren Wahrscheinlichkeit depressiv werden. Schaal et al. (2011: 4) identifizieren Sportarten mit ästhetisch-feinmotorischem Anforderungsprofil als riskant. Überdies werden Unterschiede zwischen Einzel- und Manschaftssportarten diskutiert. Manche Untersuchungsergebnisse weisen auf niedrigere Depressionswerte in »team sports« hin (Nixdorf et al. 2013, Nixdorf/Frank/Beckmann 2016). Armstrong/Oomen-Early (2009: 524) vertreten sogar die Meinung, dass das soziale Netzwerk von Sportkadern der wichtigste protektive Faktor gegen die Entwicklung einer Depression sei. Im groß angelegten, viel diskutierten US-amerikanischen Forschungsdiskurs zu den gehirnpathologischen Folgen von Kampfspiel- und Kontaktsportarten (u.a. American Football, Rugby, Wrestling, Boxen) tauchen Symptome einer klinischen Depression als Begleitsymptom der sog. »Chronic Traumatic Encephalopathy« 109 S iehe hierzu Yang et al. (2007), Armstrong/Oomen-Early (2009), Schaal et al. (2011), Hammond et al. (2013), Junge/Feddermann-Demont (2015) und Wolanin et al. 2016).
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auf.110 Die Studien befassen sich vor allem mit neurologischen, mikrophysiologischen und biochemischen Strukturveränderungen im erkrankten Gehirn. Selten werden Depressionen mit Dopingdevianz in Verbindung gebracht. Die Arbeiten von Perry/Andersen/Yates (1990) sowie Pope/Katz (1994) lassen zumindest vermuten, dass die Einnahme von Dopingsubstanzen (insb. anaboler Steroide) mit der Entwicklung von Symptomen einer Depression einhergehen kann. Zweitens stellt die analysierte Literatur vulnerable Phasen heraus, die mit einem höheren Erkrankungsrisiko einhergehen. Sie bezieht sich dabei auf prinzipiell erwartbare, in begrenztem Maße planbare Lebensabschnitte und ref lektiert ihre Ergebnisse häufig am Konstrukt der »athletic identity« (Brewer/van Raalte/Linder 1993). Eine ausgeprägte Fixierung auf die Athletenidentität – einerseits Möglichkeitsbedingung sportlicher Höchstleistung – kann, so die Annahme, unter bestimmten Bedingungen zur biografischen »Achillesferse« werden. Neben Phasen schulischer (z.B. als »Freshman«) und saisonaler Übergänge (»off-season«), in denen die routinierte Fokussierung auf den Sport kurzfristig unterbrochen wird (Yang et al. 2007: 483), ist auch für das sportliche Karriereende mit Anpassungsschwierigkeiten zu rechnen, die die Entwicklung depressiver Symptome begünstigen können.111 Dies gilt vor allem dann, wenn der Athlet seine Karriere nicht freiwillig beendet, sondern aufgrund von Verletzung oder Deselektion aus dem Spitzensport ausscheidet (Wippert/Wippert 2010: 133ff.). Weiterhin durchläuft nahezu jeder Sportler in seiner Karriere Phasen chronischer Erschöpfung, die häufig auch mit depressiven Symptomatiken einhergehen. Puffer/McShane (1992: 328) gehen davon aus, dass im Spitzensport zwar auch endogene und reaktive Depressionen vorkommen; dennoch nehmen sie an, dass dort am häufigsten das »chronic fatigue/depression syndrome« vorkomme. Erschöpfung gilt in den analysierten Studien als hochkomplexes Phänomen, das auf verschiedenste Ursachen zurückgeführt wird. Für die zirkulierenden Bezeichnungen »Overtraining«, »Burnout«, »Staleness«, »Chronic Fatigue Syndrome« oder »Acquired Training Intolerance« werden ätiologisch wie symptomatologisch viele Gemeinsamkeiten angenommen. Verwirrend ist der bisweilen sogar synonyme Gebrauch der Begriffe (Gustafsson et al. 2007: 23). Armstrong/van Heest (2002) nehmen endokrinologische, immunologische und neurotransmittorische Paral110 S iehe u.a. Guskiewicz et al. (2007), Omalu (2008), Omalu et al. (2010), Kerr et al. (2012), Saulle/ Greenwald (2012) und Strain et al. (2013). Forschungshistorisch gesehen bestehen vergleichbare Krankheitsbilder bereits als »punch drunk« (Martland 1928) und »dementia pugilistica« (Lampert/Hardman 1984). 111 Hierzu passt folglich die Einschätzung Burtons (2000a: 66): »Athletes often present for treatment of depression two or three years after retirement from their competitive sport. It is not always simply the loss of that meaningful activity that accounts for the sadness and despair. It is, instead, a combination of losses: the positively reinforcing activity itself, the preferred coping mechanism, and the physiological benefit of exercise.«
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lelen zwischen depressiven Störungsbildern und dem Übertrainingssyndrom an. Folglich wollen sie Erkenntnisse der medizinischen Depressionsforschung nutzbar machen, um Licht ins Dunkel der noch unverstandenen Mechanismen des Übertrainingssyndroms zu bringen. Überdies wurde die Phase der Nachkarriere untersucht. Einer finnischen Fragebogenstudie gemäß zeichnen sich ehemalige Hochleistungssportler (Ende der aktiven Lauf bahn vor 1965) durch eine deutlich höhere Lebenszufriedenheit aus (Bäckmand et al. 2001). Vor allem für jene, die nach wie vor einen sportlich-aktiven Lebensstil pf legen, wird ein deutlich geringeres Risiko ermittelt, Symptome in den Bereichen »depression/anxiety« zu entwickeln (Bäckmand et al. 2003).112 Schwenk et al. (2007) gemäß unterscheide sich das Depressionsrisiko von Ex-American Football-Spielern nicht von der Normalbevölkerung. Die Untersuchungen von Gouttebarge/Frings-Dresen/Sluiter (2015) zu ehemaligen Fußballprofis sowie Gouttebarge/Kerkhoffs/Lambert (2016) zu früheren Rugybspielern legen sogar nahe, dass Ex-Sportler signifikant häufiger depressiv würden. Drittens geben die Forschungsergebnisse ein Wissen über die biopsychosozialen Folgen kritischer Ereignisse im Verlauf der Athletenkarriere an die Hand. Diese sind zwar dauerhaft als Gefahren präsent. Ihr Eintreten geschieht dennoch zum stets ungünstigen Zeitpunkt und kann depressive Symptomlagen reaktiv entstehen lassen. Vor allem zur »postinjury depression« gibt es einen breit angelegten Forschungsdiskurs. Burton (2000a: 67) schätzt, dass »[…] while a certain percentage of adolescents and young adults would undoubtedly have become depressed anyway, post-injury depressive disorders are not merely ref lections of a disturbed pre-injury mood or, in today’s jargon, of a pre-existing condition.« Insgesamt ergeben die Analysen, dass verletzte Probandinnen und Probanden überdurchschnittlich häufig über Symptome im Bereich einer mittleren bis schweren Depression klagen, wobei u.a. die Schwere der Verletzung, der konkrete Heilungsverlauf und die ärztliche Begleitung ausschlaggebend seien (Leddy/Lambert/Ogles 1994; Brewer/Linder/Phelps 1995; Manuel et al. 2002; Kilic et al. 2017). Auf Grundlage klinischer Interviews ermitteln Appaneal et al. (2009: 71) in ihrer Längsschnittstudie, dass vier Wochen nach der Verletzung etwa 9,6 Prozent, nach drei Monaten etwa 4,4 Prozent der verletzten Probanden über Symptome im Bereich einer klinischen Depression klagen.113 In Fragebogen- und Interview-Studien zum »athlete suicide« wird die Entscheidung zur Selbsttötung ebenfalls mit uni- oder bipolaren Depressionen assoziiert (Baum 2005). Zwar wird dabei häufig ein positives Bild des sportlich-akti112 D a sich der globale Spitzensport in den letzten Jahrzehnten immer stärker totalisiert hat, dürfen diese Ergebnisse allerdings nicht ohne Weiteres verallgemeinert werden. 113 Zudem gibt es Studien zu psychischen Begleiterscheinungen spezifischer Verletzungsereignisse, z.B. infolge einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes (Brewer et al. 2009).
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ven Lebenswandels US-amerikanischer High-School-Athleten gezeichnet (Sabo et al. 2005: 11f.; Taliaferro et al. 2008: 548). Jene Sportler allerdings, die sich schwer verletzen, gelten als Risikogruppe für versuchte und vollendete Suizide (Sabo et al. 2005: 13; Smith/Milliner 339). Überdies findet sich im Diskurs die Annahme, dass auch die Enttäuschung sportlicher Höchsterwartungen psychopathologisch wirken könne. An der Schnittstelle von psychoanalytischer Theorie und praktischen Erfahrungen in der Athletenbetreuung liefern Ogilvie/Tutko (1966) ein Teufelskreismodell zur Beschreibung von »depression prone athletes«. Dabei handle es sich um jene Sportler, die aufgrund ihrer familiären Vorprägung nicht mit Niederlagen zurechtkämen. In einer neueren Studie finden Hammond et al. (2013) heraus, dass Spitzensportler in der Tat an sportlichen Minderleistungen heftig leiden können. Vor allem erfolgsverwöhnte Athleten hingen Misserfolgen oft lange nach und könnten dabei depressive Symptomlagen entwickeln (ebd.: 277). Für die große Vielzahl der Risikofaktorenanalysen lässt sich abschließend jedoch festhalten, dass Längsschnittuntersuchungen und interdisziplinäre Studien über die biopsychosoziale Komplexität der Pathogenese bislang Mangelware sind.
Therapeutik Schon seit längerer Zeit findet insbesondere im englischen Sprachraum ein sportpsychologisch und -psychiatrisch dominierter Teildiskurs über Möglichkeiten der therapeutischen Versorgung psychisch kranker Nachwuchs-, Leistungs- und Spitzenathleten statt. Dabei werden vor allem pharmako- und psychotherapeutische Behandlungswege unterschieden (Beisser 1967; Heyman 1987; Baum 2000; Begel 1998, 2000; Burton 2000b: 229ff.; Glick et al. 2012; Stillman/Ritvo/Glick, 2013; Stillman et al. 2016). In der deutschsprachigen Forschung wurden erst einige wenige vergleichbare Artikel veröffentlicht (u.a. Hoyer/Kleinert 2010; Frank/ Nixdorf 2013; Krug 2016). Die verschiedenen Autoren beobachten Spitzensportler als eine fahrlässig unterversorgte Bevölkerungsgruppe, führen Fallbeispiele mit fatalem Ausgang an und betonen die Dringlichkeit einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema. Ganz konkret schätzt Begel (2000: 78; vgl. auch Stillman/Ritvo/Glick 2013: 118) die Lage ein: »[…] if studies were allowed and supported, perhaps a number of young gymnasts or wrestlers, among others, would still be alive.« Als Akteure, die an der Schnittstelle von Theorie und Praxis operieren, berufen sich die Autoren häufig auf Erfahrungen aus ihrer eigenen Arbeit mit betroffenen Sportlern. Vereinzelt weisen sie auf subkulturelle Besonderheiten (etwa Tabuisierungsregeln und Stigmatisierungsdynamiken), logistisch-bürokratische Schwierigkeiten (insb. aufgrund der dichten Trainings-, Termin- und Reisepläne von Spitzenathleten) oder auch entwicklungspsychologische Eigentümlichkeiten der Athletenklientel hin.
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Gelegentlich werden gängige psychotherapeutische Ansätze – u.a. psychoanalytische/-dynamische, kognitiv-verhaltenstherapeutische, systemische, gruppenpsychotherapeutische – für ihre Anwendung im Rahmen von Athletentherapien vorgeschlagen (Heyman 1987: 148ff.; Ogilvie et al. 1981; Cogan 2000: 108ff.; Hellstedt 2000, 2005; Hays 2010: 252ff.; Stillman/Ritvo/Glick 2013) oder Möglichkeiten und Grenzen einer Medikamentierung psychischer Störungen diskutiert (Baum 2000; Reardon/Factor 2013; Johnston/McAllister-Williams 2016). Auf die besonderen Anforderungen kontextsensibler Therapien im Sport wird nicht immer differenziert eingegangen. Konkrete Ausnahmen entfalten z.B. das Konzept einer »combination therapy« (Begel 2000: 196), bei welcher therapeutische Fragestellungen mit Aspekten der Leistungssteigerung verknüpft, sportmotorische wie familiäre Dynamiken zur Sprache gebracht und Mischverhältnisse am Wettkampf kalender ausgerichtet werden. Zudem finden sich diverse Arbeiten, die sich explizit mit Fragen der therapeutischen Intervention beim Vorliegen einer depressiven Symptomatik auseinandersetzen (vgl. Hanna 1979: 202ff.; Cogan 1998, 2000; David Baron/Steven Baron/ Foley 2009; David Baron et al. 2013; Hays 2010; Geißler 2010). Einige beinhalten Kasuistiken, in deren Rahmen die psychotherapeutische Behandlung eines depressiven Athleten im Detail geschildert wird. Dabei wechseln sich häufig die kasuistische Beschreibung konkreter Behandlungsverläufe und die Ref lexion über therapeutische Leitideen quasi genretypisch ab.114 Der organisationale Rahmen der Intervention wird in der verfügbaren Literatur meist nur beiläufig erwähnt oder sogar gänzlich ausgeblendet.115 Wiederkehrende Probleme und nicht-intentionale Folgen, die Athletentherapien für Vereine und Verbände im Sport bereithalten können, werden selten expliziert (Kühnle 2017). Auffällig ist zudem, dass systemische Ansätze, die sich im psychotherapeutischen Diskurs fest etabliert haben, in der sportpsychiatrischen bzw. -psychotherapeutischen Diskussion bislang keine größere Rolle spielen. Auch für den Fall, dass sie in der Praxis zur Anwendung kommen, darf ihre marginale Bedeutung im wissenschaftlichen Diskurs verwundern. Systemische Zugänge arbeiten mit ganz anderen Unterscheidungen als die meisten der beschriebenen Theorien. Anstatt Personen zu pathologisieren und psychische Strukturen zu ändern, versucht die systemische Therapie, soziale Systeme von überschaubarer Größe auf andere Interaktionsmuster, Wirklichkeitskonstruktionen und Verhaltensregeln umzustellen (Luhmann 2011: 92). In ihrer gängigen Form wird davon ausgegangen, dass 114 A uch in der autobiografischen Literatur beschreiben behandelte Sportler sowie behandelnde Therapeuten ihre Sicht auf die therapeutische Arbeit (Biermann/Schäfer, 2011: 148ff.; Bengtsson 2012: 184ff.; Hannawald/Pramann 2013: 184ff.). 115 Dem entspricht nicht zuletzt die Beobachtung von Fuchs (2014), dass der psychotherapeutische Diskurs kaum Wissen über den Einfluss von Organisationen auf die Lebens- und Selbstbeobachtungsverhältnisse moderner Subjekte entwickelt hat.
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gerade die familiären Bedingungen eines Klienten für die Symptomentwicklung ursächlich seien. Familientherapeutische Überlegungen tauchen in der Literatur gelegentlich auf – insbesondere dann, wenn die Behandlung von Nachwuchsathleten beschrieben wird (u.a. Hellstedt 2000, 2005; Begel 2000: 201ff.; Heyman 1987: 148ff.). Organisationstherapeutische Ref lexionen werden bislang allerdings nicht ausgearbeitet. Auch im Sonderdiskurs über Möglichkeiten und Grenzen der pharmakotherapeutischen Intervention bestehen erhebliche Wissenslücken. Nach wie vor sind die physiologischen Veränderungen, die mit Depressionen einhergehen oder sie sogar auslösen, nicht hinreichend bekannt. Die Anstrengungen der psychopharmakologischen Forschung haben jedenfalls nicht zur Entwicklung einer Knopfdrucktechnologie gegen depressive Bewusstseinszustände geführt. Antidepressive oder stimmungsstabilisierende Arzneimittel (u.a. Imipramin, Fluoxetin, Bupropion, Paroxetin) bzw. Wirkstoffgruppen (z.B. trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin Wiederaufnahme-Hemmer, Monoaminoxidase-Hemmer) stellen defizitäre Technologien dar, die meist nach dem Try-and-Error-Prinzip angewandt werden. In einigen Fällen lassen sich bestehende Symptome erfolgreich lindern. Die Vielzahl verfügbarer Antidepressiva geht häufig jedoch mit Erstverschlimmerungen, Therapieresistenzen, geschlechtsspezifischen Wirksamkeiten oder sogar schwerwiegenden Nebenwirkungen (u.a. Übelkeit/Schwindel, veränderte Wahrnehmung, Tremor, Herz-Rhythmus-Störungen) einher (Benkert/ Regen 2014). Insbesondere der Einf luss von Antidepressiva auf die sportliche Leistungsfähigkeit ist noch nicht ausreichend untersucht. Flüssigkeitsverluste, Sauerstoffschuld, erhöhter Puls, Körpertemperaturschwankungen und andere physiologische Anpassungsprozesse an körperliche Belastungen beeinf lussen überdies die Verstoffwechselung des Wirkstoffs (Baum 2000: 249), wodurch nicht zuletzt seine therapeutische Wirkung beeinträchtigt werden kann.116 Auch deshalb bewerten Baron et al. (2013: 69) die Medikamentierung depressiver Zustände im Sport bislang als Mittel zweiter Wahl. Bislang wird nicht prinzipiell davon ausgegangen, dass sich eine antidepressive Medikation und sportliche Leistungsfähigkeit definitiv ausschließen würden. In knappen Fallschilderungen wird wiederkehrend auf das Musterbeispiel einzelner Athleten verwiesen, die eine »miraculous recovery« (Glick/Horsfall 2005: 777) erfahren hätten und dabei sportlich erfolgreich blieben (Glick/Kamm/Morse 2009: 609; Johnston/McAllister-Williams 2016: 139). In sportmedizinischen Pub116 B roshek/Freeman (2005: 669) sowie Glick/Horsfall (2005: 33) gehen davon aus, dass resultierende Bedenken in der Trainer- und Athletenpopulation bislang zu einer selbstgewählten Unterversorgung der Athleten führen. Tatsächlich geben Junge/Feddermann-Demont (2016: 6) an, dass nur einer von 13 Fußballspielern mit depressiven Symptomen (insg. 0,2 % aller befragten Probanden) in der Schweizer Profiliga mit Antidepressiva behandelt werde.
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likationen wird sogar die Einnahme antidepressiver Präparate zur Behandlung von Übertrainingszuständen empfohlen (Armstrong/van Heest 2002; Derman et al. 1997). Selbst gegen Kopfschmerz und Migräne sollen Antidepressiva helfen (Baum 2000: 251). Tatsächlich zeigt eine Studie des Kölner Labors für präventive Dopingforschung, dass deren Anwendung im Sport in den letzten Jahren stark zugenommen hat (Machnik et al. 2009). Interessant ist, dass ein solcher Befund auch vor dem Hintergrund des Dopingdiskurses und der damit zusammenhängenden Verdachtskultur interpretiert wird. So fragen sich Sportmediziner: »War es immer eine medizinische Indikation oder sollte die sportliche Leistung im Sinne eines Neuroenhancement optimiert werden?« (Kindermann 2009: 372) Tatsächlich gibt es in bestimmten Verbänden (beispielsweise im Schießsport) Sonderregelungen, die die Einnahme antidepressiver, stimmungsstabilisierender, stimulierender wie anxiolytischer Medikamente als illegitimen Eingriff in die Gleichheit der Ausgangsbedingungen deuten (Reardon/Factor 2010: 969; Begel 1992: 611; Johnston/McAllister-Williams 2016: 142f.).117 Die Vermutung ergogener Effekte spezifischer Wirkstoffgruppen und Präparate geht mit einer veränderten Wahrnehmung der verfügbaren Medikamente einher. Während beispielsweise Benzodiazepine und trizyklische Antidepressiva selten zum Einsatz kommen, scheinen Fluoxetin, Bupropion und Valproat häufig die Mittel der Wahl darzustellen (Baum 2000: 254ff.: vgl. auch Broshek/Freeman 2005: 669; Reardon/Factor 2013: 158f.; Reardon 2016: 6). Darüber hinaus bauen therapeutische Indikationen zunehmend weniger auf Erfahrungswerten, sondern auf empirischen Untersuchungen. Groß angelegte Studien zur Nutzung psychotroper Medikationen im Spitzensport stehen indes noch aus (Reardon/Factor 2010: 962). Vor allem über Langzweitwirkungen weiß man bislang kaum etwas (ebd.: 969; Reardon 2016: 2f.). Des Weiteren beziehen sich die bisherigen Studien jeweils auf spezifische, leicht messbare Parameter (z.B. Sauerstoffaufnahmekapazität, Maximalpuls oder Maximalkraftwerte). Sportliche Leistung stellt allerdings ein hochkomplexes Produkt aus einer Vielzahl psychophysischer Faktoren dar. Im Einzelnen nachgewiesene Effekte sagen deshalb noch nichts über den Einf luss auf die Bewältigung komplexer Aufgaben. Insofern gilt: »The most valuable performance measure would be to have athletes compete in their real-life athletic events after administration of the medication in question.« (Reardon/Factor 2010: 976) Überdies sind eine Reihe von Substanzen noch unerforscht (ebd.: 971; Reardon/Factor 117 A ufgrund möglicher leistungssteigernder Effekte steht bereits seit einigen Jahren der Wirkstoff Bupropion auf der »Monitoring List« der World Anti-Doping Agency (Reardon/Factor 2013: 158; Reardon 2016: 2). Allerdings kann dessen Einnahme im Falle einer therapeutischen Ausnahmeregelung dennoch mit der Teilnahme am Sport vereinbart werden (Begel 2016: 1). Wie sich die Anzahl an TUE-Anträgen in den nächsten Jahren entwickeln wird, bleibt abzuwarten.
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2013: 159).118 Teilweise handelt es sich bei den Probanden in den Studien nicht um depressive Personen, so dass die Aussagekraft der Forschungsergebnisse für den Erkrankungsfall infragesteht (Reardon 2016: 1). Dennoch legen die geschilderten Entwicklungen nahe, dass die pharmakotherapeutische Behandlung in Zukunft zum favorisierten Problemlösungsansatz im Spitzensport werden könnte.
Depression und sportliche Leistungsfähigkeit Eine Gretchenfrage im Diskurs über die Depression im Spitzensport betrifft den Einf luss der Symptomatik auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Derzeit gibt es keine wissenschaftliche Studie, die sich dieser Frage komplexitätsangemessen widmet. Vielmehr publizieren verschiedene Autoren erste Ergebnisse, äußern begründete Vermutungen oder referieren auf eigene Erfahrungen aus ihrer Arbeit mit verschiedenen Sportlern. Die kolportierten Annahmen gehen weit auseinander. Einerseits wird immer wieder die Meinung vertreten, dass Depressionen mit erheblichen Leistungseinbußen der betroffenen Athleten einhergingen. Konkret nehmen David Baron/Steven Baron/Foley (2009: 66; vgl. auch Schneider 2013: 107) an, dass »poor performance« sogar als Symptom einer Depression im Spitzensport gelten könne. Begel (2000: 195) geht davon aus, dass »psychisch gesunde« Sportler deutlich leistungsfähiger seien als »psychisch kranke«. Lane et al. (2001: 168) ermitteln anhand des Profile of Mood States (POMS)-Fragebogens, dass gerade die Kategorie »depression« leistungsmoderierend wirke: »[…] it is possible that even minor symptoms of depression may act as a catalyst for a general negative mood, with subsequent debilitative performance.«119 Auch Ogilvie et al. (1981: 69) rechnen mit erheblichen Leistungseinbußen in depressiven Phasen. Emmery (2005: 537) geht davon aus, »[…] that any level of depression will affect performance and that the issue of depression in this population should, therefore, be taken seriously by the research community.« Teubel et al. (2010: 25) sind der Meinung, dass sportli118 D a die Autoren ihre Einschätzungen vereinzelt durch »Conflict of Interest Statements« (Glick/ Horsfall 2005: 34) ergänzen, gilt für den aktuellen Forschungsstand, dass entsprechende Angaben zu Dosierung und Wirksamkeit bestimmter Medikamente kritisch zu überprüfen sind. 119 Beim POMS werden sechs »mood dimensions« unterschieden und als Prädiktoren der sportlichen Leistungsfähigkeit diskutiert, nämlich »anger«, »vigor«, »tension«, »confusion«, »fatigue« und »depression«. Lane/Terry (2000: 22) plädieren für eine Aufwertung der Kategorie »depression«, da sich gute bzw. schlechte Werte in diesem Bereich grundlegend auf alle anderen Werte auswirkten. Demnach seien hohe Werte in den Bereichen »anger« und »tension« in einer »depressed mood group« leistungshemmend; für »no-depression groups« wird ein positiver Effekt auf die Leistungserbringung angenommen (Lane et al. 2001). In der Literatur wird allerdings häufig betont, dass es erhebliche Unterschiede zwischen der »depressed mood« im Sinne des POMS und einer klinischen Depression gebe (Appaneal et al. 2009: 61). Der POMS stellt demnach kein diagnostisches Instrument dar, sondern ein »Tool« zur Bestimmung von Gefühlsund Stimmungslagen.
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che Höchstleistungen bei schweren Symptomlagen schlichtweg »undenkbar« seien. Vereinzelt gelten depressive Sportler sogar als verletzungsanfälliger (Cogan 2000: 108). Andererseits sind die verfügbaren Texte von weniger dramatischen Einschätzungen durchzogen. Beispielsweise finden sich Hinweise auf Athleten, die mit erlernten Verdrängungstechniken problemlos durch die Wettkampfsaison kämen, obwohl sie an einer behandlungsbedürftigen Depression litten.120 Manche Spitzenathleten hielten ein ganzes Arsenal an Ritualen verfügbar, mit deren Hilfe sie ihre emotionalen Schwierigkeiten vor Wettkampfereignissen distanzierten, um sich auf das Wesentliche der sportlichen Leistungserbringung konzentrieren zu können (Hanna 1979: 202). Hin und wieder interpunktiere der Sport eine symptomfreie Zwischenzeit, in der Betroffene in ihrer sportlichen Herausforderung aufgingen (Baum 2003: 52). Der Sport fungiere in bestimmten Fällen sogar als Coping-Strategie, um gerade dann selbstbestätigt zu werden, wenn die Selbstbeobachtung prekär sei (Hanna 1979: 200f.). Häufig wird explizit auf die Erfolgsgeschichte von Kelly Holmes verwiesen, der britischen Doppelolympiasiegerin über 800 und 1500 Meter in Athen 2004, die später von depressiven Symptomen im Vorfeld des Turniers berichtete. Einschätzungen der sportlichen Leistungsfähigkeit psychisch kranker Athleten werden bislang eher am Rande notiert und nur selten systematisch ref lektiert. Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich der Einf luss einer depressiven Symptomatik auf das individuelle Leistungsvermögen sehr viel komplexer gestaltet, als dies gemeinhin angenommen wird. Empirische Forschungsergebnisse sind dabei entweder nicht vorhanden oder nur von begrenzter Aussagekraft. Sportmedizinische Untersuchungen zur »acquired training intolerance« ergeben, dass depressive Symptomlagen auf bislang ungeklärte Weise mit einer Einschränkung der muskulären Trainierbarkeit einhergehen (Gibson et al. 2006).121 Herbert/ 120 S o die Einschätzung Valentin Marksers, ehemaliger Therapeut Robert Enkes (SZ online Magazin 45/2014; vgl. überdies Markser 2011a: 10). 121 Der sportmedizinische Forschungsdiskurs zur »acquired training intolerance« bzw. zum »fatigued athlete myopathic syndrome« ist bemerkenswert. Derman et al. (1997) untersuchten eine Gruppe chronisch erschöpfter Sportler, die sie nicht medizinisch zuordnen konnten. Die Muskulatur dieser Probanden reagierte nicht mehr auf Belastungsreize. Trotz Einhaltung der Trainingsvorgaben nahm ihre maximale Leistungsfähigkeit sukzessive ab. Auch monatelange Ruhephasen änderten nichts daran. Mithilfe histologischer Muskelanalysen identifizierten die Forscher geschädigte Strukturen in verschiedenen Muskelfaserbereichen, und leiteten eine neue Theorie der Körpermuskulatur ab: Langjährige Hochleistungsarbeit könne unter bestimmten Umständen einen irreversiblen Endzustand bewirken (Grobler et al. 2004: 697). Gibson et al. (2006) schlossen weitere Untersuchungen an, um die rätselhafte Trainingsintoleranz dieser Probanden zu dechiffrieren. Verschiedene medizinische Leistungstests (u.a. der isometrischen Maximalkrafttests, maximalen Laufgeschwindigkeit, Blutlaktat- und Herzfrequenzmessungen) ermittelten deutliche Veränderungen im biochemisch-physiologischen Bereich.
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Northoff/Hautzinger (2016) haben ermittelt, dass bereits depressive Symptome im subklinischen Bereich potenziell leistungshemmende Veränderungen bewirkten, beziehen ihr Experiment allerdings nicht konkret auf die Bewältigung einer sportlichen Herausforderung. In einer detailsensiblen Auseinandersetzung analysieren Newman/Howells/ Fletcher (2016) zwölf englischsprachige Autobiografien depressiver Spitzensportler, die Einblicke in den leistungsmoderierenden Einf luss ihrer Symptomatik geben. Ihre Ergebnisse weisen auf eine hochkomplexe Dynamik hin, die stereotype Deutungen von »mentaler Stärke« oder »psychischer Gesundheit« als Leistungsfaktoren relativiert bzw. kontrastiert. Mit Beginn der Symptomatik nehmen die Betroffenen den Sport einerseits als bekannte Welt wahr, die noch Lebensziele bereithält, Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht, Umfeldakteure zufriedenstellt und zumindest kurzfristig Glücksmomente stiftet. Anekdoten legen nahe, dass das Sportengagenment in dieser frühen Phase sogar von der Pathogenese profitiert. Mit anhaltendem Leidensdruck birgt die Hingabe an den Sport allerdings größere Gefahren. Depressive Athleten schüren perfektionistische Tendenzen, nehmen Niederlagen als Tragödien wahr oder leiden an der Uneindeutigkeit von Medikamentierungsfolgen. Das Nachdenken über ein mögliches Karriereende wird zum fundamentalen Dilemma, angesiedelt zwischen der Hoffnung auf ein besseres Leben und der Angst vor Identitätsverlust. Vorläufig legen die untersuchten Fälle nahe: Erst in dem Maße, wie die Symptomatik bleibt oder sich verschlechtert, droht ein Teufelskreis, der auch die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Kritisch anzumerken ist, dass die Studie das präsentierte Wissen nicht in Begleitung oder durch Befragung der betroffenen Athleten selbst ermittelt hat, sondern auf retrospektiven Selbstdeutungen auf baut, die für eine größere Öffentlichkeit verfasst werden, am Leitfaden von Erzählmustern entstehen und oftmals einen legitimatorischen Charakter aufweisen. Eine interdisziplinäre Untersuchung, die sich komplexitätsangemessen mit der Frage der sportlichen Leistungsfähigkeit depressiver Athleten auseinandersetzt und dabei die Kopplung zwischen körperlich-biologischen, psychischen und sozialen Systemen gleichermaßen im Blick behält, steht noch aus.
Ein psychologisches »Screening« bestätigte differenzialdiagnostische Vermutungen: Der somatische Zustand der Athleten gehe auf psychische Ursachen zurück. Siebzig Prozent der Probanden aus der ATI-Gruppe wiesen Symptome einer Depression im klinischen Bereich auf (ebd.: 43). Inwiefern die Symptomatik das physiologisch ungeklärte Phänomen bedingt oder daraus resultiert, ist jedoch nicht abschließend geklärt.
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Domänenkonflikte
Das Thema depressiver Erkrankungen von Spitzensportlern stiftet nicht nur Forschungsanlässe. Es lässt auch die umfassendere Frage nach einem Management psychischer Krankheit und Gesundheit im Spitzensport entstehen. Während zur Versorgung organischer Pathologien und orthopädischer Probleme seit Langem eine stabile Zusammenarbeit zwischen korporativen Sportakteuren und der Sportmedizin besteht, hat das Feld der psychopathologischen Abweichungen zunächst keine vergleichbaren Organisations- und Betreuungsstrukturen entstehen lassen. Umso wirksamer lässt sich eine stiefmütterliche Behandlung anprangern und auf bessere Grundversorgung plädieren, um diese »new niche« (Baum 2003: 51) zu besetzen. Deshalb ist wenig überraschend, dass in Wissenschaft und Massenmedien derzeit ein Domänenkonf likt ausgetragen wird, bei dem Ausdeutung, Definition und Bearbeitung dieses Problembereichs verhandelt werden. Melancholien, Selbstzweifel, Schuldgefühle oder gar suizidale Gedanken in Athletenpsychen mögen weit verbreitet sein. Die Stellen jener, die sich ihrer annehmen, sind dennoch knapp. Auch die Zahl der Fortbildungen für Trainer, Funktionäre, Sportärzte, Physiotherapeuten und andere Entscheidungsträger in Sportvereinen und -verbänden sowie die Nachfrage nach Beratungs- und Supervisionsangeboten lassen sich nicht beliebig steigern – auch dann nicht, wenn sie von der organisationalen Führungsebene verordnet und Teil der korporativen Selbstdarstellung werden. Betreuung, Begleitung und Therapie von Athletenpsychen stellen deshalb ein umworbenes Aufgabenfeld dar, um das verschiedene Akteursgruppen konkurrieren. Die Schwierigkeit ihrer diskursiven Positionierung besteht dabei darin, die große Bedeutung der Problemversorgung gemeinsam zu konstruieren, dabei aber die Vorteile der eigenen Perspektive zu betonen, blinde Flecken anderer Wettbewerber zu beleuchten und somit das Alleinstellungsmerkmal der eigenen Profession herauszustellen. Der Sonderdiskurs um das Feld der Athletenbetreuung und -therapie findet insbesondere in den Medien statt. Bereits seit einigen Jahren geben sowohl sportpsychologische wie sportpsychiatrische bzw. -psychotherapeutische Akteure den Verlockungen der Medienaufmerksamkeit nach. In den Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und TV-Sendungen sowie Online-Medien tauchen bereits eine Reihe von Akteuren auf, die in gesprächsbereiter Pose die Intransparenz des Bewusstseins verkörpern, als Wegbegleiter namhafter Athleten aufgeführt werden, an das komplexe Seelenleben der bewunderten Helden erinnern und insbesondere auch die Schattenseiten der Athletenexistenz versinnbildlichen. In Einzelfällen trauen sich behandelnde Therapeuten sogar Ferndiagnosen zu, sehen Symptome »wiederauff lackern«, prangern das übermütige Absetzen der Medikamente an und halten sich dabei nicht wirklich an ihre Schweigepf licht (RP online vom 19.10.2004; FAZ vom 21. Oktober 2004).
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Neben (Sport-)Psychiatern, (Sport-)Psychotherapeuten, und Sportpsychologen bieten sich ehemalige Betroffene als Berater ohne spezifische Ausbildung an. Meistens argumentieren sie mit ihrer besonderen Empathiefähigkeit, indem sie sowohl ihre Kenntnis der spitzensportlichen Lebenswelt anführen als auch ihre eigenen Erfahrungen mit Depressionen als Expertisekriterium schlechthin definieren. Was jetzt gebraucht würde, so Babak Rafati, seien »nicht nur Wissenschaftler oder Psychologen«, sondern »Menschen mit praktischer Erfahrung«, die in die Vereine gehen und ihre »Geschichte erzählen«, in besonderen Fällen auch ein regelmäßiges »Einzelcoaching« bedürftiger Athleten anbieten (Welt online vom 24.8.2014). Auch für Manager aus der Wirtschaft fungieren sie als Vortragsredner in der Rolle derer, die die Lektion ihres Lebens gelernt haben.122 Bessere Karten haben allerdings jene Akteure, die in therapeutisch-beraterischen Fragen ausgebildet sind und an der Schnittstelle von Theorie und Praxis bzw. Wissen und Anwendung operieren – also auf jener soziogeografischen Höhenlage, auf der Professionen traditionell ansetzen, um exklusive Zuständigkeiten für ein gesellschaftlich relevantes Bezugsproblem zu entwickeln (Stichweh 1992: 296ff.). Die Nachfrage nach Experten gedeiht besonders gut, wenn sich von beiden Seiten Versprechenskomplexe ableiten lassen, das heißt sowohl die Objektivitäts- und Evidenzversprechen von Wissenschaft und Theorie symbolisiert als auch die praktischen Anwendungs- und Technologieversprechen akzentuiert werden können. Nicht zufällig werden die Domänenkonlikte um das vakante Feld auch in wissenschaftlichen Gefilden ausgetragen. Einem Beobachter zweiter Ordnung fällt dabei schnell auf, dass der Funktionsbereich Wissenschaft nicht im sozialen Vakuum stattfindet, sondern sich aus Kommunikationen von Akteuren speist, die nicht allein wissenschaftliche Interessen verfolgen. Auch in diesem Teilkapitel werden folglich die Beobachter beobachtet und insbesondere auf das hin analysiert, was die in der Forschungsgemeinschaft kommunizierten Wahrheits- und Wirkungskonstruktionen über die konf liktären Kontextbedingungen auf der Mitteilungsebene preisgeben. Derzeit lassen sich dort Fraktionsbildungsprozesse nachverfolgen, bei denen sich insbesondere zwei Parteien gegenüberstehen. Zum einen hat sich die Zunft der Sportpsychiater und -psychotherapeuten herausgebildet, die über eine klinische Ausbildung verfügen und psychische Erkrankungen diagnostizieren und behandeln dürfen. Zum anderen besteht das Lager der Sportpsychologen mit ihrer nicht-klinischen Expertise der Intervention in das Athletenbewusstsein. Die 122 S iehe hierzu die Funktionsbeschreibung Sven Hannawalds: »Im Sommer gebe ich Vorträge und leite Seminare, aufgrund meiner persönlichen Geschichte. Es geht da um stressbedingte Krankheiten wie Depressionen und Burn-out. Ich denke, dass ich da glaubhaft bin, weil ich es selbst erlebt habe. Ich brauche keinen Doktortitel, denn ich weiß, wovon ich spreche. Alles, was Profisportler durchleben, gilt auch für Führungskräfte in der Wirtschaft.« (Stuttgarter Nachrichten online vom 29.12.2017)
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Wettbewerbsbedingungen werden dadurch verschärft, dass das Gros der Laienöffentlichkeit – dies gilt zum Teil auch für die Akteure im Spitzensport – beide Parteien nicht trennscharf voneinander unterscheiden kann. Bisweilen werden die Berufsbezeichnungen synonym verwandt, ohne die signifikanten Unterschiede zwischen ihnen mitzumeinen. Die Prozesse der Netzwerkbildung im Medium von Lobklatsch und Schimpfklatsch gestalten sich als durchaus komplexes Geschehen. Aufgrund ihrer Verknüpfung über die Robert-Enke-Stiftung sowie infolge des gemeinsamen Interesses an der forcierten Öffentlichkeit des Themas, wird auf beiden Seiten regelmäßig betont, dass eine partnerschaftliche Kooperation von allerhöchster Bedeutung sei und ein intensiver Austausch ohnehin bestünde. In Sonderpublikationen werden psychologische und psychotherapeutische Ansätze in ihrer Sicht auf denselben Fall dargestellt, im Hinblick auf Gemeinsamkeiten wie Unterschiede geprüft und somit indirekt als gleichwertig behandelt (Brandauer/Geißler 2014). Vereinzelt wird sogar auf das Lehr-, Beratungs- und Betreuungsangebot der jeweils anderen Seite verwiesen (z.B. auf der eigenen Homepage). »Was wir brauchen«, so Hoyer/ Kleinert (2010: 257; vgl. ebenfalls Markser 2011b: 184), »ist Verständnis, Akzeptanz und Wertschätzung dem jeweilig anderen Qualifikationsprofil gegenüber.« Gleichzeitig sind die Texte durchzogen von oft expliziten Stellungnahmen, in denen die beiden Parteien sich wechselseitig beobachten, die begrenzten Möglichkeiten der anderen Seite scharfzeichnen und Durchmarschversuche direkt anmahnen. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Eigen-, Abgrenzungs-, Professionalisierungs- und Ausdifferenzierungsdynamiken macht eine größere Forschungsarbeit notwendig. Die nachstehenden Beobachtungen erheben den Anspruch, Umrisse dieses bislang unterbeleuchteten Phänomens nachzuziehen und als Ideenlieferant für die anschließende Auseinandersetzung zu fungieren.
Sportpsychologie Wenn in den letzten Jahren immer wieder die erfolgreiche Zusammenarbeit des organisierten Sports mit »Sportpsychologen« betont wird, ist meist kein therapeutisch ausgebildetes Personal gemeint. Zwar wird in der sportpsychologischen Literatur über verschiedene Therapieansätze (vgl. Puig/Pummell 2012; Andersen 2013; Claspell 2013; Zito 2013) ref lektiert, mit deren Hilfe nicht nur die sportliche Leistungsfähigkeit verbessert, sondern das Leben von Sportlern auch darüber hinaus positiv beeinf lusst werden soll. Zudem gibt es durchaus Sportpsychologen mit einer klinisch-therapeutischen Ausbildung. Die Bezeichnung »Sportpsychologie« garantiert diese Kompetenzen jedoch nicht. Ohnehin bleibt oft unklar, welche Leistungen der Begriff überhaupt verspricht. Den Titel des »Psychologen« bzw. der »Psychologin« darf in Deutschland zwar nur führen, wer ein Psychologiestudium abgeschlossen hat. Bei der Bezeichnung »Sportpsychologe« handelt es sich dennoch um keine rechtlich geschützte Berufsbezeichnung, mit der stan-
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dardisierte Kompetenzbereiche, eigene Ausbildungsgänge oder ordnungsgemäße Prüfungsleistungen zugesichert wären.123 Sportpsychologen üben im Spitzensportkontext primär eine assistierende Rolle aus. Als »Kopf-Coaches« (Zeit online vom 20.7.2013) oder »Mentaltrainer« orientieren sie sich vor allem an der Leistungssemantik des Sports, legen ihre Interventionsformen also nicht als Therapien an, sondern als Trainings- bzw. Übungsformen (z.B. von Konzentration, Zielsetzung, Visualisierung oder Entspannung). Auch wenn sie in konkreten Fällen eine Rhetorik des Feingefühls an den Tag legen, Fragen der psychosozialen Reife ins Spiel bringen, in auf brechenden Konf likten mediieren oder sogar Kommunikation über die Beziehung des Athleten zum Spitzensport zulassen, orientieren sich selbst »gut ausgebildete« Sportpsychologen primär an der spitzensportlichen Leistungslogik.124 Sportpsychologen, die die »Persönlichkeitsentwicklung« der Athleten zum Maß der Dinge erheben und dauerhaft über die Leistungserwartungen der Sportorganisation stellen, sind vermutlich schnell auf der Abschussliste ihres Auftraggebers. Selbst dort, wo Bedenken, Sorgen, Zweifel und Ängste zum Thema werden, dient das Gespräch meist der Beseitigung von Leistungsblockaden, vielleicht der »Persönlichkeitsentwicklung«, nicht aber therapeutischen Zwecken. In manchen Fällen ist sogar die Installation von Krankheitsbezügen der Sorge um die Wettkampftauglichkeit der Sportler geschuldet. So werden Fragebögen zur Früherkennung psychopathologischer Belastungsreaktionen entwickelt, um nicht zuletzt deren scheinbar »gravierende Konsequenzen auf die Leistungsfähigkeit unter Wettkampf bedingungen« (Mann et al. 2015: 24) beizeiten zu entschärfen. Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen, wie sie Depressionen darstellen, gehören jedenfalls nicht zum Standardrepertoire dieser Berufsgruppe. In den letzten Jahren lassen sich allerdings Ansprüche von Sportpsychologen beobachten, ihren Aufgabenbereich auszuweiten und am Dual psychisch krank/ gesund anzuschließen. Um das Image ihrer Disziplin aufzupolieren und sich ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen, finden sich in der englischsprachigen Community bereits früh Erwägungen zur strategischen Aufnahme klinisch-beraterischer Kompetenzen in das sportpsychologische Betreuungsangebot (van Raalte et al. 1993: 231). In der deutschsprachigen Sportpsychologie leben analoge Ideen 123 S eit der Bologna-Reform gibt es zwar Master-Studiengänge mit einem sportpsychologischen Profil. Deren Absolventen erhalten dennoch kein Monopol auf die (Berufs-)Bezeichnung als »Sportpsychologe«. 124 Einer empirischen Bestandsaufnahme zu Themen und Inhalten der sportpsychologischen Betreuung in Brandenburg zufolge beziehen sich etwa 60 Prozent aller Nachfragen nach sportpsychologischer Unterstützung auf das Problem der Leistungssteigerung. In ca. 36 Prozent der Fälle besteht das Ziel in der Bearbeitung eines bestehenden Leistungstiefs bzw. Motivationslochs, das zunächst keineswegs auf pathologische Ursachen zurückgehen muss (Grote/Benthien/Brand 2015).
II Gesellschaft: (Athleten-)Depression als Modethema
ebenfalls auf. Dabei gerieren sich die Akteure zwar nicht als hochkompetente Pathologen. Manche Sportpsychologen schreiben sich dennoch diagnostische Fähigkeiten auf die Fahnen.125 Auch wenn konstatiert wird, dass psychische Krankheiten in die Hände therapeutisch ausgebildeter Berufsgruppen gehören, lesen sich manche Texte wie ein Bewerbungsschreiben darum, zukünftig als wichtiger Teil der therapeutischen Grundversorgung von Athletenpsychen im Nachwuchsleistungs- und Spitzensport zu fungieren. Hoyer/Kleinert (2010: 258) plädieren z.B. dafür, dass Probleme im Vorfeld der Erkrankung sowie in der weiteren Versorgung betroffener Athleten »[…] nur in einer engeren Kooperation der im Interessenfeld Leistungssport tätigen Fachkräfte« angemessen bewältigt werden können. Neben psychologischen Psychotherapeuten und Psychiatern sollen gerade auch »sportwissenschaftlich« und »psychologisch ausgebildete sportpsychologische Betreuer« eine wichtige Mittlerfunktion ausüben. Sie beanspruchen, pathologische Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren, als Vertrauenspersonen in Krisenzeiten zu wirken und drohende Compliance-Probleme zu lösen. Gerade im Nachwuchsleistungssport gelte es, Depressionsrisiken so früh wie möglich zu erkennen, bereits auf niederschwelligem Niveau zu intervenieren (»Beratung statt Therapie«) und betroffene Talente ggf. an Therapeuten zu vermitteln (Kleinert/Sulprizio/Anderten 2016: 123f.). Anstatt ihre Selbstdarstellung am Krankheitsbegriff abzuleiten und die Psychopathologie des Spitzensports zu überblicken, kreist das Interventionsangebot der Sportpsychologie insbesondere um die Semantiken der Prävention psychischer Erkrankungen sowie der Gesunderhaltung bzw. Gesundheitsförderung von Athletinnen und Athleten. Vor allem der Stressbegriff wird häufig verwendet. Der Hinweis auf »Stress« taugt nicht nur als Platzhalter für eine tiefenscharfe Auseinandersetzung mit soziokulturellen Bedingungen, biografischen Dynamiken und psychosozialen Schief lagen des Athletendaseins. Vor allem deutet die Stressrhetorik fast ref lexhaft auf pathologische Folgen hin und lenkt den Blick somit auf notwendige Coping- und Stressbewältigungsstrategien von Athleten, die insbesondere von sportpsychologischen Betreuern zu vermitteln seien (Mummery 2005: 36; Proctor/Boan-Lenzo 2010: 217; Nixdorf et al. 2013: 323f.). Auffällig ist, dass die selbstref lexive Auseinandersetzung mit der Frage, ob die sportpsychologische Arbeit möglicherweise sogar zur Entstehung von Depressionen beitragen könnte, ausbleibt. Stattdessen wird in einzelnen Texten die Überzeugung vertreten, dass selbst noch die leistungsbezogene Intervention auf 125 D as verdeutlichen selbstbewusste Stellungnahmen: »Ein entsprechend ausgebildeter Sportpsychologe«, so Teubel et al. (2010: 27), »bringt auch die notwendigen Kompetenzen mit, psychische Erkrankungen zu erkennen, und empfiehlt – wenn erforderlich – die Überweisung in eine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung.«
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der reinen »Liebe«126 auf baue, auf den ganzen Menschen ziele und sich in jeglicher Hinsicht positiv auf die Persönlichkeit des Athleten auswirke: »Improving performance may be the manifest goal of sport psychology work, but the health, welfare and happiness of athletes are the foundations of why sport psychologists do what they do.« (Andersen/Speed 2013: 6) Über die bereits bestehenden Organisationsstrukturen hinaus, schlagen sich die beschriebenen Entwicklungen bereits institutionell nieder. An der Sporthochschule Köln gibt es seit 2011 die Netzwerkinitiative »MentalGestärkt«, die sich zwar der unverfänglicheren Burnout-Semantik bedient, explizite Krankheitsbezüge jedoch umgeht. Sie werben mit Ressourcenstärkungs- und Präventionsversprechen und schlagen ihre Umsetzung in Workshops zu Themen wie »Stress und Erholung«, »Mentales Techniktraining«, »Gute Leistung unter Druck« oder »Umgang mit Fehlern« vor. Die Einrichtung fungiert somit primär als Koordinations- und Vermittlungsstelle für die Zusammenarbeit mit Sportpsychologen. Athleten, die auf der Suche nach einem Therapiekontakt sind, werden auf die Beratungshotline »Seelische Gesundheit im Sport« verwiesen. Auf längere Sicht wird der Anspruch formuliert, mit »[…] Informationsmaterialien,127 Vorträgen, Veranstaltungen und Weiterbildungen Angebote [zu] schaffen, die sportpsychologische Betreuer für die Früherkennung von (klinischen) psychischen Störungen sensibilisieren« (Sulprizio 2011: 16f.; Herv., F.K). Das »projekt mentaltalent« (DSHS Köln) orientiert sich (unter anderem) am Krankheitsbild Depression und weitet »Fragen der psychologischen Gesundheitsförderung« und »Prävention stressbedingter Störungen« auf die Zielgruppe der Nachwuchsathleten aus (Kleinert/Sulprizio/Anderten 2016).
Sportpsychiatrie und -psychotherapie In den letzten Jahren rücken dennoch vor allem Sportpsychiater und -psychotherapeuten, die psychische Erkrankungen diagnostizieren und therapieren dürfen, in den Blick. Im wissenschaftlichen Diskurs haben Sportpsychiater eine ganze Reihe an Overview- (z.B. Begel 1992, 2016; Glick/Kamm/Morse 2009; Glick/Newmark/Reardon 2013) bzw. Reviewartikeln (u.a. Macleod 1998; Broshek/Freeman 2010; Reardon/Factor 2010; Glick et al. 2012) veröffentlicht, die in regelmäßigen
126 » We (the authors) […] firmly believe that most of the issues in psychotherapy and even sport psychology performance enhancement work with athletes, are almost always about love.« (Andersen/Speed 2013: 3; Herv., F.K.) 127 Unter dem Titel »Kein Stress mit dem Stress« gibt es seit 2015 eine »Handlungshilfe« mit »Tipps und Lösungen für mentale Stärke und psychische Gesundheit im wettkampforientierten Leistungssport«. Der »Praxisordner« ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Fußball-Bundes, der Deutschen Sporthochschule Köln (Mental Gestärkt), des Projekts Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt (psyGA), der Robert-Enke-Stiftung und der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG).
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Abständen durch ein »Update« (z.B. Reardon/Factor 2013, 2016) ergänzt, aktualisiert und überarbeitet werden. Es liegt nahe, dass Disziplinen in ihrem Entwicklungsprozess das verfügbare Diskurswissen in Suchbewegungen versammeln. Der sportpsychiatrische Forschungsdiskurs scheint allerdings nur langsam über dieses Stadium hinauszugelangen. Zwar setzen die Autoren in ihren Texten Schwerpunkte, recherchieren z.B. das Forschungswissen zum epidemiologischen, psycho- oder pharmakotherapeutischen Bereich, oder fügen Fallschilderungen aus ihrer beruf lichen Praxis bei. Der Diskurs besteht dennoch vermehrt aus Arbeiten, die vorhandene Forschungsergebnisse sichten, ihren fragmentarischen Charakter hervorheben und groß angelegte Studien in Aussicht stellen. Die Publikationen helfen jedoch, sich einen Namen als Autor zu machen, Zitationskartelle aufzubauen und die Publika der eigenen Riege als »definitive texts« (Begel 2016: 2) zu prämieren. Derweilen kann die Ausdifferenzierung der Disziplin forciert und das gesellschaftliche Problembewusstsein ausgebaut werden, um auch auf sportpolitischer Ebene Einf luss zu nehmen. Vor diesem Hintergrund wird besser verständlich, warum einige Sportpsychiater den Fortschritt in diesem »rapidly expanding field« (Glick 2016: 1) weniger am wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ableiten, sondern auf die (inter-)nationale Netzwerkbildung beziehen. Dies erklärt auch, dass sich Massimino (1987) und Milliner (1987) als Stichwort- und Ideengeber der »Sport Psychiatry« recherchieren lassen, während manche Autoren den disziplinären Ursprung im Text von Begel (1992) identifizieren. Sie legen derart weniger den diskursiven Ideenhaushalt als vielmehr korporative Entstehungs- und Vernetzungsprozesse als Maßstab an. Begel (2016: 1) schätzt den Stellenwert dieser früheren Artikel demgemäß ein: »Psychiatrists with a clinical interest in sports, having no specific professional organization to provide dialogue and support, carried out their work in relative isolation, often establishing affiliations with organizations in the allied fields of sport psychology and sports medicine.« Eine aktuelle Publikation weist bereits im Titel auf ihre organisationale Selbstreferenz hin: »The ISSP (International Society for Sports Psychiatry, F.K.) Manual of Sports Psychiatry« (Glick/Kamis/Stull 2018). Sportpsychiater und -psychotherapeuten bewerben sich mit einer guten Nachricht um Eintritt ins Feld: dem Hinweis auf die gute Diagnostizier- und Behandelbarkeit psychischer Erkrankungen. Auch wenn ihre Wegbereiter schon früh zusätzliche Aufgabenfelder diskutieren, sehen sie ihre Hauptaufgabe im klinischen Bereich (Massimino 1987: 56; Macleod 1998: 860). Noch heute gilt »[…] full understanding of the diagnostic and therapeutic issues« (Reardon/Factor 2010: 961) bei Spitzensportlern als Kernstück sportpsychiatrischer Arbeit. Ent-
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sprechend wichtig ist Sportpsychiatern, dass psychischer Leidensdruck auch als Krankheit wahrgenommen und kommuniziert wird (beispielhaft in Schneider et al. 2013: 2). Darüber hinaus sammelt auch die Sportpsychiatrie gute Gründe für ihre Daseinsberechtigung im Unterstützungsumfeld des Sports. Bereits die Akteure der ersten Stunde sehen ihre Aufgabe u.a. in der Dopingprävention. Da naturwissenschaftliche Testverfahren das Problem nicht alleine lösen könnten, müssten an der Athletenperson ansetzende, psychiatrische Interventionen freigeschaltet werden, die auf ein »understanding of individual drives« (Massimino 1987: 57) der Dopingdevianz zielen. Markser (2011b: 183, vgl. auch 2011a: 10) ist nach wie vor überzeugt, dass das Dopingproblem des Sports sportpsychiatrisch zu bearbeiten sei, um herauszufinden, »[…] why athletes have difficulties to accept their own limits and why they often risk their health and even their lives.« Dementsprechend reiht Ströhle (2018) »Doping« neben die »dementia pugilistica« und »anorexia athletica« sogar in die Liste der »sport specific mental disorders« ein. Auf den großen Bestand an soziologischen Analysen zur Transintentionalität der Dopingentstehung (Bette und Schimank 1995, 1996, 2006a, 2006b; Bette/Kühnle/Thiel 2012) gehen diese Autoren nicht ein. Auf Basis einer biopsychosozialen Perspektive erweitert bereits Begel (1992: 606, 2000: 195) die klinische Kompetenz um das Leistungssteigerungsversprechen, das sich seitdem als eine Art Basisrhetorik etabliert hat. Dass die Therapie psychischer Erkrankungen eine Verbesserung der sportlichen Funktionsfähigkeit quasi automatisch bewirke, wird vorausgesetzt. Lardon/Fitzgerald (2013: 132; vgl. auch Begel 2016: 2) nehmen sogar an, Sportpsychiater seien »[…] ideally suited for helping the elite athlete achieve peak performance« – also gewöhnlichen Sportpsychologen überlegen. Bereits in frühen Arbeiten wird sportliche Minderleistung regelrecht pathologisiert: »We believe, however, that for most players, the ability to perform in competition in the present is directly related to their ability to have resolved both individual conflicts and family problems from the past. That is, the less intrapsychic and family baggage brought from the past, the better the performance.« (Glick/Marcotte 1989: 107) Entsprechende Konstruktionen dienen als Tür, um den Weg ins Feld der Athletenbetreuung aufzustoßen. Indem mangelhafte Bewegungsausführung als Symptom beobachtet, das heißt auf latente Problemlagen zurückgeführt wird, öffnet sich die psychologische Betreuung von Spitzenathleten unter anderem der Arbeit mit psychodynamischen Konstrukten wie Abwehr, Konf likt, Projektion und Übertragung. Von daher sei »[…] zu wünschen, dass der Austausch zwischen sportlich und psychodynamisch Interessierten in Zukunft weiter intensi-
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viert [werde] und auch von universitärer Seite her auf Interesse [stoße]« (Krug 2010: 883).128 Vor allem aber reagieren die Sportpsychotherapeuten und -psychiater auf das Präventions- und Gesundheitsversprechen der Sportpsychologen und entdecken ihrerseits den Ref lexionswert (gesund) ihrer Leitunterscheidung (psychisch krank/ gesund) als Anschlusswert für ihre Selbstdarstellung. Auf diesem Weg richten sie ihr Betreuungsangebot auf alle Spitzenathleten aus. Die Betonung sportpsychiatrischer Kompetenzen in den Bereichen Leistungssteigerung und Gesundheitsförderung soll ihren Teil zur Nachfrage von Spitzensportorganisationen nach dem Leistungsangebot der Profession beitragen (Reardon/Factor 2010: 961; Claussen et al. 2015: 1049; Begel 2016: 2). Zudem plädieren manche Autoren für ein explizit medizinisches Fundament ihrer Zunft und sehen sich als fest installierte Sportärzte auch für die Behandlung medizinisch-internistischer Belange zuständig (Glick/Kamm/Morse 2009: 698; Glick/Castaldelli-Maia 2016: 1). Zwar gehen sie davon aus, dass zur Behandlung leichterer Depressionen gesprächstherapeutische Verfahren ausreichten (Stillman et al. 2016: 4). Für die weitere Entwicklung ist dennoch anzunehmen, dass Medikamentierungsfragen eine zunehmend wichtige Rolle spielen und zum Alleinstellungsmerkmal psychiatrischer Experten bzw. ärztlicher Psychotherapeuten werden könnten. Wenngleich auch Sportpsychiater/-psychotherapeuten hin und wieder betonen, dass der Optimalfall in der Kooperation mit Sportpsychologen bestünde (z.B. Markser 2011b: 184; Schneider 2013: 104), findet sich in der Literatur eine Reihe an Seitenhieben, die die Fronten in der Konkurrenz um das Management psychischer Krankheit und Gesundheit sowohl abklären als auch erhärten. Schneider et al. (2013: 4) geben beispielsweise zu bedenken, dass die in Sportvereinen und -verbänden tätigen Sportpsychologen, Mentaltrainer und Coaches nicht nur der Expertise im Umgang mit psychischen Erkrankungen ermangelten, sondern aufgrund ihrer primär wirtschaftlichen Interessen auch in Rollenkonf likten feststeckten. Nach Markser (2011a: 8, 2011b: 183f.) können Sportpsychologen sogar zur Entstehung psychischer Krankheiten beitragen. Indem sie Grenzüberschreitungsträume über individuelle Ängste und Zweifel hinweg stimulierten, heizten sie eskalatorische Dynamiken im Athletenbewusstein an. An anderem Ort differenziert er dieses Problem semantisch aus: »Mentale Stärke bedeutet nicht automatisch seelische Gesundheit« (SZ online Magazin 45/2014) – was auch immer jeweils gemeint sei. Er folgert: »Die Belastungen sind zu groß geworden, wir 128 V on biologischen Psychiatern werden analoge Rekonstruktionen auf erwartbare Weise kommentiert: »If a high-jumper presented to my clinic because he always flunked at six-feet, I would send him to an experienced coach rather than ask him to free associate about his erections.« (Crown 2000: 191)
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brauchen neben den Sportpsychologen dringend auch eine sportpsychiatrische Betreuung«, weshalb er explizit für die Ausbildung psychotherapeutisch geschulter Sportpsychiater plädiert (Psychologie heute 2/2011: 69).129 Burton (2000a: 79) zufolge sei der entschiedene »›anti-pathologizing‹ stance« der Sportpsychologen sogar für die dürftige Datenlage im internationalen wissenschaftlichen Diskurs und die prekäre Versorgungssituation der Athletinnen und Athleten mitverantwortlich. Wenig überraschend ist, dass auch die Überweisung an Allgemeinpsychiater bzw. -psychotherapeuten nur als zweite Wahl gelten dürfe (Psychologie Heute 2/2011: 69). Akteure ohne praktische Erfahrung im Umgang mit Leistungssportlern würden den spezifischen Ausprägungen von Störungsbildern im Sport (Bär/Markser 2013) und resultierenden Diagnose- und Behandlungsproblemen nicht gerecht. Folglich müssten Sportpsychiater rekrutiert werden, die gerade auch die biologischen, psychosomatischen und psychodynamischen Aspekte des Spitzensports verstünden. Der nationale Auftritt der Sportpsychiatrie in der Bundesrepublik wird immer stärker organisational konformiert. Bereits seit 2010, mitfinanziert durch die Robert-Enke-Stiftung, besteht das Referat »Sportpsychiatrie und -psychotherapie« der DGPPN. Um die »verbesserungsbedürftige Versorgungssituation« (Schneider et al. 2013: 3) im Hinblick auf Diagnostik, Betreuung und Therapie psychischer Erkrankungen im Leistungssport zu beheben, wurde in Form des Ambulanten Netzwerks Sportpsychiatrie und -psychotherapie (ANSPP) eine Einrichtung geschaffen, die bundesweite Unterstützung im Krankheitsfall garantieren soll. Dabei wurde eine Reihe von nationalen Zentren für »Seelische Gesundheit im Sport« an diversen Universitätskliniken eingerichtet, die sportpsychiatrische Sprechstunden für betroffene Athleten anbieten.130 Weiterhin hat die Robert-Enke-Stiftung die »Beratungshotline Seelische Gesundheit im Sport« in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Aachen ins Leben gerufen. Das Projekt zielt darauf ab, hilfesuchenden Sportlern umgehend, heimatnah und vertraulich Therapiekontakte zu vermitteln. Zudem zielt das Sportpsychiatrie-Referat der DGPPN auf eine intensivere Anbindung an Institutionen der wissenschaftlichen Forschung, um langfristig auf »größere wissenschaftliche Evidenz bezüglich Ätiologie, Mechanismen und Auswirkungen von 129 A uf ähnliche Weise stellt Sportpsychiater Karl-Jürgen Bär klar: »Sportpsychologen haben in der Regel keine therapeutische Ausbildung. Sie werden von den Vereinen hauptsächlich zur Leistungsoptimierung eingestellt. Sie kümmern sich um das psychische Gleichgewicht des Sportlers, machen mit ihm Gedankentraining, reden ihn stark. Das ist eine wichtige Aufgabe. Aber zur Verbesserung der psychischen Gesundheit brauchte (sic!) es mehr beratende Sportpsychiater.« (Der Spiegel 44/2017: 101). 130 Nach anfänglich acht Anlaufstellen befindet sich das Netzwerk in einem kontinuierlichen Wachstumsprozess. Inzwischen gibt es auch Sprechstundenangebote in Österreich und der Schweiz, vgl. ANSPP (o.A.) sowie Claussen et al. (2015).
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Leistungssport auf die psychische Gesundheit« (dies. 2013: 4) zurückgreifen zu können. Eine weitere Ausdifferenzierung auf der Organisationsebene stellt das Institut für Sportpsychiatrie (ISP) dar, das sich mittels englischsprachiger Publikationen (u.a. Markser 2011b; Bär/Markser 2013) auch an der internationalen Vernetzung der bundesdeutschen Sportpsychiatrie beteiligt und im Gegenzug von der ISSP zitiert wird (Begel 2016: 2). Das Sportpsychiatrie/-psychotherapie-Referat der DGPPN und das ISP haben ihre Interessensgebiete inzwischen erweitert. Zusätzlich zur »seelischen Gesundheit im Leistungssport« stellen die Entscheidungsträger nunmehr Fragen der therapeutischen Heilkraft von sportlich-körperlicher Aktivität ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit (Markser/Bär 2015). Die adressierte Zielgruppe wird derart auf den Bereich betroffener Nicht-Athleten ausgeweitet. Indessen ref lektieren auch Sportpsychiater und -psychotherapeuten ihre therapeutische Praxis selten im Modus der Selbstref lexion, um z.B. zugrundeliegende Gesundheits- und Krankheitsbegriffe zu ref lektieren, die Sinnvorgaben therapeutischer Kommunikation zu abstrahieren oder die Wirkungen ihrer Interventionen in Spitzensportorganisationen mitzubeobachten.
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III Sportorganisation: Zwischen Störung und Entstörung Athletendepressionen tauchen nicht im sozialen Vakuum auf, sondern im Kontext von Sportorganisationen. Gerade im Spitzensport spielen Organisationen eine entscheidende Rolle. Dass Athleten ihr Leistungspotenzial ausschöpfen oder Sportmannschaften konkurrenzfähig bleiben, ist nicht zuletzt das Resultat gelingender Organisation. Die Überzeugungen und Sichtweisen der Athletenperson, aber auch ihre Stimmungen und Gefühle werden zu koordinieren versucht und auf den (Organisations-)Zweck des sportlichen Erfolgs ausgerichtet. Die vorliegende Analyse darf deshalb nicht bei einer Beobachtung des öffentlichen Diskurses über depressive Spitzenathleten stehenbleiben. Sie muss auch den Umgang von Sportorganisationen mit betroffenen Sportlern in den Blick nehmen.1 Dieser Teil der Arbeit beschäftigt sich ausführlich mit dem Auftauchen einer Athletendepression als Kommunikationsthema in Spitzensportvereinen und -verbänden. Sowohl das Störpotenzial, das der Sportorganisation daraus erwächst, wird beschrieben, als auch Entstörungsverfahren, die ihr in Reaktion darauf zur Verfügung stehen, werden diskutiert. Dabei werden zwei verschiedene Formen von Entstörungskommunikation analysiert. Zum einen wird das Problemlösungspotenzial therapeutischer Kommunikation (Kap. 9) analysiert. Im anschließenden (zehnten) Kapitel wird stigmatisierende Kommunikation über betroffene Athleten als Entstörungsverfahren betrachtet. Im Medium des Stigmas Depression wird vor allem innerhalb des Mannschafts- und Kadergefüges eine Wirklichkeit konstruiert, die enormen Einf luss auf die thematisierten Athleten in ihrer ohnehin prekären Lebenslage nehmen kann.
1 E ine empirische Studie müsste deutlicher zwischen Vereinen und Verbänden differenzieren und dabei die Organisationsstrukturen in bestimmten Sportarten bzw. konkreten Einzelfällen in den Blick nehmen. Im Zusammenhang dieser Arbeit wird ein Abstraktionsniveau jenseits der Unterscheidung Verein/Verband gewählt. Vermutlich werden depressive Bewusstseinszustände in den meisten Fällen im Vereinskontext zum Thema. Dies schließt allerdings keineswegs aus, dass z.B. die Fachverbände im Rahmen von Kadermaßnahmen (z.B. Reisen zu großen Meisterschaften, Trainingslager) mit depressiven Athleten zu tun bekommen und einen Umgang mit ihnen entwickeln müssen.
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Die empirische Datenlage ist allerdings ausbaufähig. Eine umfassende Untersuchung des Phänomens, die Erfahrungswerte im Umgang mit Athletendepressionen in verschiedenen Vereinen und Verbänden im Spitzensport erhebt, steht aus. Dennoch finden sich im Diskurs einige Ereignisrekonstruktionen, Stellungnahmen und Problemeinschätzungen, deren Sichtung interessante Ergebnisse zutagefördert. Ziel ist es, dieses Material soziologisch zu deuten und modelltheoretische Überlegungen daraus abzuleiten. Zu keinem Zeitpunkt jedoch wird der Anspruch erhoben, allgemeine Leitlinien zum erfolgreichen Management von Athletendepressionen zu formulieren. Vielmehr wird der Beobachtungsrelativität der Depression Rechnung getragen, um einen analytischen Rahmen für die weitere Auseinandersetzung abzustecken. Aus diesem Grund wird zunächst ein systemtheoretisches Verständnis von Spitzensportorganisationen entfaltet, auf dessen Grundlage das Störpotenzial der Athletendepression deutlicher zutagetritt.
I. Organisationen sind keine trivialen Maschinen, die als Spielbälle ihrer Umwelt auf gegebenen Input immer denselben Output produzieren.2 Aus systemtheoretischer Sicht stellen sie operativ geschlossene Systeme dar, die ihre eigene Wirklichkeit konstruieren. Die operative Grundlage von Sportorgansationen besteht somit nicht aus Menschen, die sich in Auswahlmannschaften oder Vereinsheimen begegnen, oder Gebäuden, in denen sie sich treffen, trainieren und tagen. Organisationen reproduzieren ihre System/Umwelt-Differenz durch die Kommunikation von Entscheidungen, die an frühere Entscheidungen anschließen und weitere Entscheidungen hervorbringen (Luhmann 2011 [2000]: 61ff.). Organisationale Entscheidungen werden weder spontan noch zufällig oder nach persönlichen Vorlieben getroffen, sondern auf Grundlage von Entscheidungsprämissen koordiniert, die die Struktur und Kultur der Organisation prägen, also insb. Entscheidungsregeln standardisieren, am Organisationszweck orientieren und ihre Mitglieder darauf verpf lichten. Entscheidungsprämissen können die Entscheidungen der Mitglieder nicht determinieren. Sie halten Erwartungshaltungen fest, die Handlungsspielräume einschränken, sowie Abweichungen auffällig, sanktionierbar und deshalb unwahrscheinlicher werden lassen. Dabei werden nicht-entscheidbare und entscheidbare Entscheidungsprämissen unterschieden. Nicht-entscheidbare Entscheidungsprämissen, häufig als »Organisationskultur« bezeichnet, bestehen in informalen Erwartungen, die zwar nicht schriftlich fixiert sind und eher implizit vermittelt werden, umso mehr aber an wesentlichen Entscheidungen der Organisation mitwirken (Thiel/Meier/Cachay 2006: 30ff.). Sie kommen in Traditionen,
2 Zum Dualschema Trivialität/Nicht-Trivialität siehe von Foerster (1985: 12ff.).
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Selbstverständlichkeiten und Gepf logenheiten zum Ausdruck und sind dort relativ geschützt gegen ihre Infragestellung (Luhmann 2011 [2000]: 239ff.). Entscheidbare Entscheidungsprämissen machen die formalen Strukturen der Organisation aus (Kühl 2011: 98); sie werden erstens in Entscheidungsprogramme unterschieden, »[…] die sämtliche Vorgaben enthalten, was, mit welchem Ziel, wie, wann, und mit welchen Mitteln […] ausgeführt werden soll« (Thiel/Mayer/Digel 2010: 37); zweitens in Kommunikationswege, die Weisungsbefugnisse, Berichtspf lichten, Schweigevereinbarungen und sonstige Adressierungsregeln festlegen und derart die Verbreitung und Akzeptanz von Entscheidungen besorgen (ebd.: 16f.); und drittens in Personalentscheidungen, die für das jeweilige Anforderungsprofil einer Stelle die richtigen Kompetenzen rekrutieren oder das Charisma langjähriger Mitgliedschaft an die Ämtervergabe knüpfen.3
II. Organisationen bauen ihr Entscheidungsgef lecht auf dem Sinnhorizont gesellschaftlicher Funktionsbereiche. In Spitzensportorganisationen sind die Entscheidungsprämissen primär an der Sieg/Niederlage-Differenz mit ihrer rigiden Orientierung am Leistungsprinzip ausgerichtet. Auch wenn sie die Logik anderer Funktionsbereiche mitbedienen, z.B. ihre verschiedenen Produkte (u.a. Eintrittskarten, Merchandising-Artikel, Werbe- und Übertragungsrechte) vermarkten, erwirtschaften sie dadurch vor allem die Möglichkeit, den finanziellen Gewinn in die Steigerung des sportlich Möglichen zu investieren. Sportvereine und -verbände haben in den letzten Jahren zwar ein enormes Markenbewusstsein entwickelt, das ihren Produkten ein Image verleiht, Wiedererkennungswerte sichert und Markengemeinschaften stiftet. Sie orientieren konstitutive Entscheidungen dennoch am sportlichen Siegescode, da auch die Marke und daran anschließende Produkte symbolisch an den sportlichen Erfolg der Organisation und ihrer Mitglieder gekoppelt bleiben (Cachay et al. 2005: 158). Die Fokussierung auf die sportliche Leistung zeigt sich besonders an den formalen Mitgliedschaftsbedingungen. Im Gegensatz zu Familien, Partnerschaften und Gruppen werden Personen im Spitzensport nicht aufgrund ihrer individuellen Besonderheiten relevant, sondern über Mitgliedsrollen, also in Form von schematisierten Erwartungscollagen. Mitgliedschaft in Organisationen ist gerade auch insofern formal, dass sie »[…] die Identität des Systems gegenüber wechselnden Personen« (Luhmann 1972 [1964]: 29) sichert. Die primäre Leistungsrolle besteht in den Athleten, die die sportliche Leistungsfähigkeit der Organisation praktisch vollziehen und symbolisch verkörpern. Trainer stellen als sekundäre Leistungsrolle ein gleichermaßen wichtiges Personal zur Steuerung der sportlichen Leistungsfähigkeit von Athleten und Mannschaften dar. Das medizinische 3 Ausführlich hierzu siehe Luhmann (2011 [2000]: 225) und Kühl (2011: 102ff.).
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und psychologische Unterstützungspersonal (tertiäre Leistungsrollen) trägt seinen Teil zum sportlichen Erfolg bei, indem es Schmerzen und Verletzungen behandelt bzw. die Negtionsfähigkeit und Motivierbarkeit der Athletenpsyche kontrolliert. Ehrenamtliche oder hauptamtliche Vereins- bzw. Verbandsfunktionäre bzw. Mitarbeiter zeichnen als quartäre Leistungsrollen für die weiteren Rahmenbedingungen (z.B. finanziell, infrastrukturell, u.a.) des Trainings- und Wettkampf handelns verantwortlich.4 Mitgliedschaft in Spitzensportorganisation ist demnach kein schicksalhaftes Weltverhängnis, sondern ein »äußerst trennscharfer Inklusionsmodus« (Wetzel 2004: 130), der an Bedingungen geknüpft und über die Duale Eintritt/Austritt bzw. Rekrutierung/Entlassung kontingent gehalten wird (Luhmann 1972 [1964]: 35). Spitzensportorganisationen setzen ihre Mitglieder dadurch unter ständigen Konformitäts- und Bewährungsdruck. Alle müssen sich auf ihre jeweiligen Aufgaben konzentrieren, erwartungskonform handeln und sich in den Dienst des Gesamtgefüges stellen. Der Beitrag des Einzelnen zur kollektiven Produktion von Höchstleistungen, Erfolgen und Rekorden, stellt die wesentliche Selektions- und Sozialisationsbedingung, das heißt das primäre Ein- und Ausschlusskriterium dar. Der einmal erreichte Mitgliedsstatus bleibt somit kurz-, mittel- wie langfristig prekär.
III. Auf dieser Grundlage entsteht eine strikte Zweck-Mittel-Rationalität der Sportorganisation im Zugriff auf die Menschen. Um gemäß der Logik des Spitzensports Siege zu erringen und Niederlagen zu vermeiden, sind die korporativen Sportakteure auf einen rigiden Umgang mit ihren Athleten festgelegt. Deren Körper und Psychen stellen die Materialitäts-, aber auch Unsicherheitsbasis der Organisation dar (Bette 1999: 111f.). Zu ernsthaften Störungen kann es kommen, wenn organisationale Erwartungshaltungen in Gefahr stehen, enttäuscht zu werden oder Organisationsziele bereits akut verfehlt worden sind. Verletzungen oder psychophysische Belastungsstörungen aufseiten der personalen »Innenwelt« (Willke 1978: 344)5 der Organisation können schwerwiegende Folgeprobleme hervorrufen. Werden Medaillenziele und höhere Rangplätze bei den Groß- und 4 Ausführlich zu dieser Leistungsrollendifferenzierung siehe Cachay/Thiel (1998). 5 Die Umweltrelationen organisierter Sozialsysteme lassen sich im Modell einer zweifachen Rahmung rekonstruieren. Die Umweltkomplexität, mit der Organisationen zurechtkommen müssen, resultiert erstens aus der »äußeren Umwelt« (Außenwelt), die ihr insb. aus den Leistungsbeziehungen zu Akteuren in anderen Funktionssystemen erwächst. Zweitens begegnen sich im organisationalen Kontext Personen, die ihr nur in bestimmten Hinsichten zugehören. Durch den rigiden Ausschluss ihrer außersystemischen Rollenverpflichtungen, Bedürfnisse, Interessen, Loyalitäten, Musen oder Tagträume entsteht eine »innere Umwelt« (Innenwelt), die die Selbstbezüglichkeit der Organisation erheblich beeinträchtigen kann (Willke 1978: 343f.).
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Weltereignissen des Sports nicht erreicht, das Heldenpotenzial des Athleten- und Trainerpersonals konterkariert oder das etablierte Bild des Sports als eines gesellschaftlichen »Musterknaben« (Schimank 2001a: 23) unterminiert, droht ein Ressourcenverlust. Der Entzug von Aufmerksamkeit durch die außersportlichen Bezugsgruppen in Publikum, Massenmedien, Wirtschaft und Politik kann das Strukturgerüst der Organisation kurz- wie mittelfristig ins Wanken oder gar langfristig zum Einsturz bringen. Entsprechend unentbehrlich sind institutionelle Vorkehrungen zur Abwicklung des Störpotenzials der Innenwelt. Um ihre personalen Ressourcen und Investitionen abzusichern, müssen die Vereine und Verbände im Spitzensport eine therapeutische Versorgung ihrer Symbolfiguren im Krankheits- und Verletzungsfall sicherstellen. Körper können jederzeit krank werden, sich verletzen und in Form von Schmerzen auf sich aufmerksam machen. Psychen können einen Leidensdruck entwickeln, im Modus der Selbstbeobachtung feststecken und blockieren. Zur Entstörung der Organisation bei organischen Erkrankungen und orthopädischen Problemen hat sich seit Langem eine enge Zusammenarbeit mit der Sportmedizin etabliert. Sportärzte halten meist effektive Technologien zur Bearbeitung der körperlich-leiblichen Materialitätsbasis von Athleten bereit (Thiel/ Mayer/Digel 2010; Mayer 2010). Auf das Auftauchen psychischer Störungen sind Trainer, Funktionäre und die weiteren Rollen- bzw. Stelleninhaber nicht gleichermaßen gut vorbereitet. Auch Sportpsychologen verfügen nur selten über eine klinische Ausbildung. Soziologisch interessant und empirisch klärungsbedürftig ist bereits die Frage, wie Depressionen zum Kommunikationsthema in der Sportorganisation werden. Wenngleich anzunehmen ist, dass die Vereine und Verbände im Sport von psychischen Problemen ihres Personals oft nichts mitbekommen, und depressiven Athleten, die sich für eine Geheimhaltung ihres Leidens entscheiden, häufig ein »passing for normal« gelingt, sind die Hintergründe einer Thematisierung von Leidensdruck als »Depression« vielfältig. Unabhängig davon, ob sie auf Eigendiagnosen von Athleten zurückgehen; ob diese mit Verweis auf Enttabuisierungsansprüche öffentlich gemacht werden; ob sie als Fremdbeschreibungen zur Deutung auffälliger Verhaltensweisen eines Kadermitglieds geäußert werden; ob sie als massenmediale Unterstellungen in Umlauf gebracht werden; oder ob sie als Diagnose einer medizinisch-therapeutischen Erstversorgung fallen – sobald krankheitswertige Depressionen vermutet, diagnostiziert und kommuniziert werden, werden die institutionalisierten Eigendynamiken im jeweiligen Verein oder Verband effektiv gestört.6 6 W ährend sich manche Sportler scheinbar direkt an den Cheftrainer wenden (Spiegel Wissen 1/2012: 67) oder die Führungsebene einschalten, ist davon auszugehen, dass aufgrund ihrer Schweigepflicht häufig auch Sportärzte oder Physiotherapeuten adressiert werden. Mann et al.
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Depressionen wirken zwar als ein Warnsignal, das die Aufmerksamkeit der Eingeweihten bindet. Die konkreten Belastungen, die damit einhergehen, lassen sich jedoch kaum vorwegnehmen. Am Anfang ist eine Depression für alle Beteiligten, um es in den Worten des ehemaligen Fußballprofis Sebastian Deisler (ders./Rosentritt 2010: 306) zu sagen, vor allem ein »hässliches Wort«, das einen »Erwartungsnotstand« (Wetzel 2004: 193) in der Organisation bewirkt. Im Rahmen dokumentierter Fälle erleben sich die Entscheidungsträger im Umfeld der Betroffenen – selbst langjährige, gestandene Sportfunktionäre – als gänzlich verunsichert: Was ist die Ursache? Womit ist zu rechnen? Wie gehen wir mit dem Athleten um? Ist es besser, sein Problem zu ignorieren? Müssen wir die anderen Sportler einweihen? Sollen die Medien informiert werden? Welche Vertuschungsstrategien stehen zur Verfügung? Wie kann Schlimmeres verhindert werden? Vielleicht sogar: Sind wir Teil des Problems? In der Auf bereitung der Ereignisse um die Depression Deislers erinnert sich Uli Hoeneß an seine Konfrontation mit dem Problem beim FC Bayern München: »Der Zusammenbruch war für uns ein völlig neues Gefühl. So etwas hat es noch nie gegeben!7 Es gab ja kein Handbuch, in dem wir hätten nachlesen können, was zu tun ist.8 Wir fragten uns: Was machen wir jetzt damit?« (Deisler/Rosentritt 2010.: 283). Auch Holger Stanislawski, der sich als ehemaliger Trainer beim FC St. Pauli in Anbetracht der Erkrankung seines Mittelfeldspielers Andreas Biermann mit dem Krankheitsbild auseinan(2007) weisen beispielsweise darauf hin, dass Sportärzte durchaus mit psychosozialen Problemlagen ihrer Patienten konfrontiert würden, meist aber nicht angemessen darauf vorbereitet seien und über kein Netzwerk zur reibungslosen Weitervermittlung verfügten. Dasselbe gelte für Physiotherapeuten (Hemmings/Povey 2002). Gayman/Crossman (2006) ermitteln, dass psychischer Leidensdruck bisweilen auch im Rahmen sportpsychologischer Interventionen thematisiert würde. Ganz konkret schildert Florian Holsboer (2009: 13), dass die Diagnose im Fall Deisler auf eine Vermutung des Mannschaftsarztes (Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt) zurückgegangen sei. Holsboer selbst habe die Diagnose im Rahmen eines anschließenden »Hausbesuchs« gestellt, nachdem ihn der Vereinsmanager des FC Bayern, Uli Hoeneß, kontaktiert hatte. Eine empirische Untersuchung des organisationalen Managements depressiver Spitzenathletinnen und -athleten muss dringend die Kommunikationswege zutagefördern, auf denen Depressionen als Thema in der Organisation auftauchen und verbreitet werden. 7 Vor dem Hintergrund dieser Darstellung überrascht allerdings die Aussage Florian Holsboers (2009: 13), der FC Bayern habe in dieser Zeit bereits »über Jahre hinweg […] großes Vertrauen« in die Arbeit des von ihm geleiteten Instituts gewonnen. Im Folgenden wird dennoch angenommen, dass die wiederholte Konfrontation mit Depressionen und anderen psychischen Problemen nicht zu bloßen Routineüberweisungen führt, sondern die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger immer wieder neu wirksam bindet. 8 Einen solchen »Ratgeber für Sportler, Trainer, Betreuer und Angehörige« gibt es inzwischen, vgl. Schneider (2013). Aus der Perspektive des Psychiaters gibt dieser Antworten auf relevante Fragen, berücksichtigt allerdings die sozialen Kontextbedingungen der Erkrankung nicht hinreichend, bewirbt insbesondere das Leistungs-, Beratungs- und Betreuungsangebot der eigenen Zunft und blendet die Frage nach nicht-intendierten Folgen therapeutischer Interventionen aus.
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dersetzt, resümiert die pathologische Vagheit psychiatrisch aufgeklärt, aber mit frustriertem Unterton: »Es ist für mich eine nicht greifbare Krankheit, sie ist sehr komplex und verläuft sehr unterschiedlich. Sie ist in der Abgrenzung auch schwer zu beurteilen, wenn man nicht tagtäglich damit zu tun hat: Ist es ein Burnout, ist es eine schwere Depression oder nur eine kurze Episode? […] Wenn man sich ein Bein gebrochen hat, dann weiß man: Das ist der Zustand, diese Verletzung heilt in einem gewissen Zeitraum. Eine Erkrankung, die mit dem Kopf zu tun hat, kann man überhaupt nicht damit vergleichen.« (zit. in Biermann/Schäfer 2011: 178) Ähnliche Ratlosigkeit darf für den Großteil des Personals in Spitzensportvereinen und -verbänden vermutet werden. Therapeutische Kompetenzen sind wahrscheinlich nur selten direkt verfügbar. Im Rahmen von Sportorganisationen bleiben Depressionen ein »vages Ding« (Fuchs 2011), das etablierte Beziehungsmuster strapaziert, viele Fragen nach Ursachen, Folgen und Interventionsmöglichkeiten aufwirft und somit eine Ungewissheit stiftet, die sich nicht leicht absorbieren lässt.9
IV. Von elementarer Bedeutung ist es, die Beobachtungsrelativität des Phänomens zu berücksichtigen. Während der Athlet sein Problem als psychischen Leidensdruck erlebt, beobachtet die betroffene Organisation das Phänomen vor dem Hintergrund ihrer eigenen Relevanzkriterien. Aus Sicht der Organisation lassen Depressionen vor allem die Erfüllung der formalen Erwartungen prekär werden, welche diese an die Leistungs- und Funktionsfähigkeit ihrer Sportler stellt. Betroffene Organisationen bleiben somit auf die ebenfalls irrtumsanfälligen Einschätzungen Dritter angewiesen. Vor allem sind sie anfällig für jene alltagstheoretischen Annahmen, die Depressionen nahezu ref lexhaft mit Leistungsschwäche, Persönlichkeitsdefiziten oder sogar Ansteckungsgefahr assoziieren. Falls das Wissen über die Athletenerkrankung an die Öffentlichkeit gelangen sollte, oder vom Betroffenen gar proaktiv publiziert wird, können Depressionen zudem gerade für jene korporativen Akteure zum Problem werden, die im Zent9 V iele Sportvereine scheinen dem Problem in der Tat äußerst hilflos gegenüberzustehen. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Vereine, die Erkrankungen ihrer Sportler öffentlich gemacht haben, zu Beratungsstellen für jene Organisationen werden, deren Entscheidungsträger vom Auftauchen einer Athletendepression in den eigenen Reihen überfordert sind. Gerade Hannover 96 gilt im Diskurs als Musterbeispiel einer Organisation, die »aus Enke gelernt« und im Fall Miller »vorbildlich gehandelt« habe: »Seit Miller aus der Klinik zurück ist«, dies berichtet der Spiegel (Wissen 1/2012: 67), »haben sich zwei Clubs bei Hannover gemeldet: Man hätte da einen kranken Spieler: Ob man ihnen vielleicht weiterhelfen könne?«
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rum des öffentlichen Interesses stehen. In dem Maße, wie Journalisten Einzelfälle aufarbeiten, als Blick hinter die Kulissen von Sportorganisationen inszenieren und die Erkrankung auf organisationale Einf lüsse zurückführen, durchkreuzen sie die routinierte Außendarstellung von Sportorganisationen. Das Thema depressiver Erkrankungen von Spitzenathleten kann somit eine ernstzunehmende Legitimationskrise verursachen, dergegenüber die betroffenen Vereine und Verbände nicht prinzipiell gleichgültig bleiben können. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil sie durch die Diskurse um Doping, Wetbewerbsmanipulation, Inklusionsbarrieren oder auch sexualisierte Gewalt mit weiteren Skandalthemen konfrontiert werden, die sie ebenfalls zu bewältigen haben. Vor allem die Suizidgefahr lässt Maßnahmen der Skandalprävention dringend notwendig werden. Äußerungen von Trainern und Funktionären zeigen, dass die ersten Schritte der Entscheidungsfindung durch ein »worst case«-Denken bestimmt sein können, welches der gesellschaftliche Diskurs über die Depression als einer tödlichen Krankheit (vgl. Kapitel 6.5) durchaus nahelegt. Nachdem der bereits zitierte Holger Stanislawski von seinem Spieler Andreas Biermann darauf angesprochen wird, dass dieser sich für »depressiv« halte, kreisen die Gedanken des Trainers um den größten anzunehmenden Unfall: »Mir ging die Pumpe. […] Was ist, wenn er jetzt nicht nach Hause fährt« (Biermann/Schäfer 2011: 122)? In der ARD-Dokumentation »90 Minuten sind kein Leben« ref lektiert der Trainer die Entscheidung, Biermann in die »geschlossene Therapie« zu vermitteln, nicht nur mit der Ratlosigkeit der Verantwortlichen beim FC St. Pauli. Zudem verweist er darauf, dass es in Anbetracht des Suizids von Robert Enke und dessen öffentlicher Nachwehen als viel zu gefährlich eingestuft wurde, auf Zeit zu spielen oder ambulante Behandlungsmöglichkeiten zu versuchen. In der organisationalen Entscheidungsfindung wird vermutlich nicht nur in Einzelfällen vom Schlimmsten ausgegangen. Dies gilt, ebenfalls nach Enke, womöglich selbst unter der Bedingung, dass der betroffene Sportler glaubhaft versichert, einen Suizid definitiv auszuschließen, nicht einmal derlei Gedanken zu hegen.10 Insofern sie sportliche Misserfolge, Negativschlagzeilen und Misstrauen gegenüber dem Betroffenen nach sich ziehen kann, gestaltet sich die Athletendepression aus Organisationssicht als komplexes, unscharfes und sperriges Problem mit multiplem Störpotenzial, das sich einer einfachen Bearbeitung entzieht, aber dennoch umgehend gelöst werden muss.
10 A usführlich hierzu Reng (2011: 381ff.). Siehe auch den Beitrag im Handelsblatt (online vom 12.11.2009).
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V. Umso dringlicher benötigt die Organisation Verfahren der Sinnstif tung (»Sensemaking«) in sachlicher, sozialer und zeitlicher Hinsicht, um das Problem der Athletendepression einer Lösung zuzuführen und möglichst reibungslos weiterarbeiten zu können.11 Im Folgenden werden zwei verschiedene Entstörungsverfahren ins Zentrum gestellt. Beide beziehen sich auf jeweils verschiedene Art und Weise auf das besagte Störthema und schalten ganz unterschiedliche Kommunikationsverläufe frei. Ihr Zweck dient insbesondere der Herstellung einer tragfähigen Deutung zur anschließenden Behebung des Problems – vor allem jenes Problems, das der Organisation erwächst. Bevor das Phänomen stigmatisierender Kommunikation als Entstörungskommunikation beschrieben wird, wird die therapeutische Kommunikation als Problemlösungsversuch analysiert. Vor allem auf der Führungsebene bedingt die Unbeholfenheit der Entscheidungsträger in ihrer Angst vor einem handfesten Skandal die Hoffnung, dass das Entscheidungsprogramm »Rekrutierung von Psychotherapeuten« die Störung schnell und effizient beseitigen könne. Indes zeigt sich, dass die Konsequenzen, die sich aus einem Störereignis ergeben, nicht allein von der Störung selbst abhängen, sondern auch von der Kommunikation, die die Störung beobachtet und thematisiert. Wer wissen will, welche Folgen die Depression für den Athleten und sein organisationales Umfeld zeitigt, darf folglich nicht nur auf das Krankheitsbild und seine Symptome schauen, sondern muss die anschließende Kommunikation observieren.
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Therapeutische Kommunikation
Die Behandlung depressiver Erkrankungen vollzieht sich bis heute im Spannungsfeld zwischen der biologisch-somatisch orientierten Psychiatrie und gesprächsbasierten, psychotherapeutischen Formen.12 Bei leichteren Depressionen wird auf die Anwendung von Psychopharmaka häufig verzichtet. Selbst im Rahmen der Versuche, schwere Formen medikamentös in den Griff zu bekommen, finden allerdings kombinatorische Gesamtbehandlungspläne Anwendung, um Synergien durch den Einsatz pharmako- und psychotherapeutischer Verfahren erzielen zu können. Sportorganisationen, deren Routinen durch die Depressionen eines Athleten gestört werden, müssen nicht nur ambulante oder stationäre Behandlungen mit den betroffenen Sportlern vereinbaren. Je nach ihrer Einschätzung der Lage, 11 Z um Konzept des »Sensemaking« im Organisationskontext siehe Weick (1995). 12 Das folgende Kapitel stellt die Überarbeitung eines bereits publizierten Beitrags dar (Kühnle 2017). Nachstehende Ausführungen wurden inhaltlich ausgeweitet, neu strukturiert und auch sprachlich überarbeitet.
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müssen sie sich außerdem zwischen der Zusammenarbeit mit ärztlichen Psychotherapeuten, die auch Medikamente verschreiben dürfen, oder psychologischen Psychotherapeuten entscheiden. Sie treffen auf eine professionelle Umwelt, die sich zunehmend dem Thema angenommen hat, ihr Problemlösungspotenzial wiederkehrend betont und ihr Interventionsangebot mithilfe eigener Organisationen verwaltet. Auch wenn die Entscheidung zur Therapie auf die Initiative des depressiven Athleten zurückgeht oder die Organisation gar nicht in die Behandlung eingeweiht wird, können die korporativen Eigendynamiken durch die in der Therapie angestoßenen Veränderungen positiv wie negativ beeinf lusst werden. Im Folgenden findet deshalb eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Sinnvorgaben der therapeutischen Kommunikation mit depressiven Athletinnnen und Athleten in der Sozial- (9.1), Sach- (9.2) und Zeitdimension (9.3) statt. Dabei werden zunächst die Sinnvorgaben des therapeutischen Systems beschrieben, bevor jeweils die Schnittstelle zwischen therapeutischem System und Sportorganisation eingeblendet wird. Gemäß den Leitfragen dieser Studie werden gerade auch die Risiken, Grenzen und nicht-beabsichtigten Folgen berücksichtigt, mit denen die Spitzensportvereine und -verbände im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung ihrer Leistungsträger konfrontiert werden. Die Ausdifferenzierung therapeutischer Interaktionssysteme kann sich als durchaus ambivalenter Entstörungsversuch erweisen und neue Störungen in der Sportorganisation verursachen.
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Therapie als Kommunikation
Die Sozialdimension der therapeutischen Sinnvorgaben betrifft die Art und Weise, wie sich Ego und Alter im therapeutischen System adressieren. Der Adressat der therapeutischen Maßnahmen ist primär das psychische System des Betroffenen. Psychotherapeuten zielen demgemäß nicht auf die Regulation biochemischer Kreisläufe, sondern auf die Reduktion des Leidensdrucks der therapierten Person durch eine Änderung seiner Denk-, Handlungs- und Deutungsstrukturen (Willke 1994: 92ff.; Luhmann 2008 [1995]: 26). Somit führt ihre Rekrutierung zur Ausdifferenzierung eines therapeutisch ausgerichteten Interaktionssystems in der Organisationsumwelt, das über einen »Austausch von Worten« (Freud 2007 [1916/17]: 15), also über strukturelle Kopplungen mit den beteiligten Psychen im Medium Sprache entsteht und auch seine therapeutische Wirkung auf der Grundlage verbaler – bisweilen auch non-verbaler – Kommunikation entfaltet. Das therapeutische System inkludiert seine personale Umwelt in Form der Experten-Laien-Beziehung zwischen einem therapierenden System (Therapeut) und dem therapierten System (Klient; hier: der betroffene Athlet). Gemäß den Handlungsprämissen, die in psychotherapeutischen Kontexten wirksam sind, wird
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die organisch-biologische Materialitätsbasis der Athletenperson nur unter Sonderbedingungen relevant. In einigen Fällen werden zwar Psychopharmaka (insb. Antidepressiva) zum Einsatz gebracht, die das therapierte Bewusstsein aufgrund der strukturellen Kopplung von körperlich-organischen (hier: Nervensystem) und psychischen Systemen durchaus beeinf lussen können.13 Mit Bezug auf den Stand der Forschung sind sie allerdings eher als unterstützende Mittel einzuordnen, die den Leidensdruck zumindest abdämpfen können (Stillman et al. 2016: 4; vgl. ausführlich hierzu Kap. 8.2). Darüber hinaus rückt der Körper lediglich dann in den Blick, wenn er in den Erzählungen des Klienten zum Thema wird oder infolge vielsagender Körperhaltung, Mimik und Gestik Irritationen erzeugt, die in der Kommunikation angesprochen, zu Informationen auf bereitet und als Einsichten in die psychische Innenwelt des betroffenen Athleten gedeutet werden (Schef len 1964).14
Technologiedefizit in der Therapeut/Athleten-Beziehung Die Impulse, die im Laufe der Therapie symptomlindernde Wirkungen im therapierten System aufschaukeln sollen, werden in der Brechung durch das therapeutische Interaktionssystem bewirkt, das unhintergehbar zwischen die füreinander intransparenten Psychen geschaltet ist. Die Wirklichkeit der therapeutischen Kommunikation ist dabei nicht identisch mit den Wirklichkeitskonstruktionen in den Bewusstseinssystemen von Therapeut bzw. Athlet. Welche Gedanken auch in deren Köpfen zirkulieren – nur indem sie in das nicht-private Medium Sprache übersetzt und mitgeteilt werden, können sie Anschlüsse in der therapeutischen Interaktion erzeugen. Entgegen der relativen Technologisierbarkeit des Körpers bringt der Rückgriff auf Kommunikation ein »Technologiedefizit« (Luhmann/Schorr 1979, 1988 [1979]: 120) mit sich.15 Zwar werden auch Interventionen in die Körperlichkeit mit Prob13 P sychopharmaka dürfen prinzipiell auch von Allgemeinmedizinern, also z.B. Mannschaftsärzten verschrieben werden. Über die Verschreibungsroutinen von Psychopharmaka im Sport gibt es bislang jedoch kein empirisches Wissen. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies z.B. im Sinne einer Erstversorgung (häufig) sogar der Fall ist. Psychologische Psychotherapeuten dürfen demgegenüber zwar Diagnosen stellen, aufgrund ihrer fehlenden medizinischen Ausbildung jedoch keine Medikamente verschreiben. 14 Körperpsychotherapeutische Ansätze versuchen, diese Irritationen ganz bewusst herzustellen. Das Aufspüren körperlicher Empfindungen wird dabei als elementarer Zugang zur komplexen Gefühlswelt des Klienten und seinen Problemlagen gesehen (Geißler 2010). Die häufig zugrundeliegende Annahme einer »Einheit« von Körper und Psyche lässt sich mit einer systemtheoretischen Konzeption allerdings nicht vereinbaren. 15 Technologiedefizite werden insbesondere im Rahmen gesellschaftlicher Einrichtungen beobachtbar, die sich auf die Veränderung von Personen spezialisiert haben. Vor allem in der Pädagogik wird es als Reflexionsproblem thematisiert und auf das Ausgangsparadox der (Un-)Möglichkeit von Erziehung bezogen. Die Erkenntnis fehlender bzw. defizitärer Technologien resultiert
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lemen defizitärer Kalkulierbarkeit und nicht-intendierten Begleiterscheinungen konfrontiert; auf der physiologischen Ebene laufen Heilungsprozesse dennoch nach naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten ab. In gewissen Grenzen lassen sie sich zielgerichtet steuern, indem z.B. Schmerzen kupiert, Blutzuckerspiegel reguliert, Impfstoffe injiziert, Erythrozyten zentrifugiert oder Hormone substituiert werden. Als nicht-triviale, hochkomplexe Systeme bleiben die Psychen von Athlet wie Therapeut prinzipiell unberechenbar. Keiner der beiden Interaktionspartner kann das Denken seines Gegenübers auf eine unmittelbare Wenn-Dann-Beziehung zwischen einem spezifischen Input und dem intendierten Output festlegen (von Foerster 1985: 12). Die Selbstbezüglichkeit des Bewusstseins verweigert sich einer »Durchgriffskausalität« (Fuchs 2011: 42) von außen. Es gibt folglich keine Möglichkeit, heilsame Gedanken mittels einer Spritze oder in Tablettenform in das psychische System des behandelten Athleten einzuleiten. Anstelle einer Kausalbeziehung von Ursache und Wirkung muss gerade für die Interaktion zwischen Therapeut und Klient ein indirektes Verhältnis von Autor und Leser angenommen werden (Willke 1994: 95). Beide Systeme »lesen« die Mitteilungen des Anderen auf Basis ihrer eigenen Vorerfahrungen, Unterscheidungsweisen und Präferenzregeln, und wählen ihre internen Zustände in jedem Moment auf dieser Grundlage aus. Missverstehen darf somit als wahrscheinlich gelten. Ihm können durch das offene Eingeständnis kommunikativer Grenzen höchstens noch Momente der Vertrauensbildung abgerungen werden.16 Therapeuten versuchen zwar mit aller Sorgfalt im Hinblick auf Wortwahl, Tonfall, mimisch-gestische Auffaltungen oder sonstige Variationen auf der Mitteilungsebene das Irritationsvermögen ihrer Sinnvorschläge zu dosieren. Dennoch haben sie nicht vollständig unter Kontrolle, wie ihre Fragen, Einschätzungen oder Stellungnahmen in der Gedankenwelt des Gegenübers ankommen, ob sie dort überhaupt als relevant erachtet werden und welche Spuren sie kurz-, mittel- oder langfristig hinterlassen. Ob, und wenn ja, welche Informationen das betroffene System aus der Kommunikation zieht, resultiert folglich aus seiner eigenen Aktivität. Zudem nutzt es jegliche Informationen auf seine Weise zur Kontinuierung der Autopoiese oder gar zum Erhalt der vorhandenen Strukturen. Gerade depressive Bewusstseinszustände zeichnen sich häufig durch Denk- und Assoziationsschleifen aus, die dort aus der Erfahrung, dass sich die psychische Eigenwelt der Zöglinge einer zielgerichteten Einflussnahme entzieht. 16 Entsprechend liest sich die Selbsteinschätzung einer Therapeutin: »I am not a perfect therapist. I have good insights at times, but I occasionally get lost and stumble around. Being human, not knowing what to do, and being confused about what the athlete is trying to tell me (and letting the athlete know that) are all actually part of developing a trusting, caring, and honest relationship with an athlete.« (Cogan 2000: 110)
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Umweltereignisse in die gewohnten Bahnen lenken (Meiss 2016: 131). Auch gut gemeinte Aufmunterungen, die von der Schönheit des Lebens handeln, erweisen sich nicht selten als kontraproduktiv. Indem sie das Gefühl des Betroffenen forcieren, nicht wirklich verstanden zu werden, verschärfen sie die depressive Selbstbeobachtung oft drastisch (Simon 2008: 194). Umso schwieriger gestaltet sich der therapeutische Auftrag: Nur das betroffene System selbst kann seine fundierenden Strukturen nachhaltig ändern. Therapieerfolg ist letzten Endes immer eine »Eigenleistung des therapierten Systems« (Willke 1994: 117).
Geheimnispflicht des Therapeuten als Organisationsproblem Blendet man an dieser Stelle die Sportorganisation in der Umwelt des therapeutischen Systems ein, wird bereits deutlich, dass sich die Therapieziele der Organisation nicht reibungslos verwirklichen lassen. Die Zusammenarbeit mit Psychotherapeuten wird schon dadurch prekär, dass Therapeuten das Vertrauen ihrer Klienten in Vier-Augen-Gesprächen unter Schweigepf lichtbedingungen gewinnen. Die Rekrutierung wichtiger Informationen aus der Selbstbezüglichkeit des Athletenbewusstseins geschieht im Rahmen permissiver, möglichst ungehemmter Kommunikation, bei der Fragen von Schuld oder Moral keine wesentliche Rolle spielen. Therapeut und Klient kultivieren eine »Sag alles-Doktrin« (Goffman 1973: 85)17 und befördern damit ihre systemische Selbstbeschreibung einer »therapeutischen Beziehung«. Entgegen ihrer Unschicklichkeit in anderen Kontexten führen störende Einfälle, Tabubrüche, intime Gedanken und absurde Logik nicht zum Abbruch der therapeutischen Interaktion. Sie gehören zum Tagesgeschäft und müssen umso mehr exklusiver Bestandteil des therapeutischen Systems bleiben. Zudem verhindert die Exklusion Dritter, dass Trainer, Mannschaftskollegen oder Vereinsfunktionäre das Gespräch durchkreuzen und der therapeutischen Konstruktion von Wirklichkeit widersprechen. Die Geheimnispf licht gegenüber dem Athleten kollidiert mit dem Anspruch der Organisation, relevante Entscheidungen auf Basis einer umfassenden Informationslage zu treffen. Der Therapeut – Auftragnehmer, nicht Mitglied der Sportorganisation – steckt schnell in einer Zwickmühle zwischen Klienten- und Auftraggeberorientierung. Wie empirische Analysen der sportärztlichen Praxis deutlich machen, können Konf likte zwischen Verschwiegenheits- und Rechenschaftspf lichten einen durchaus offenen Ausgang nehmen. In sportmedizinischen und physiotherapeutischen Behandlungen, die im Kontext von Sportorga-
17 In seinem Tagebuch notiert Andreas Biermann die besten Absichten, die er im Laufe seines Aufenthaltes auf der Depressionsstation entwickelt: »Ich will alles erzählen, auch wenn es peinlich für mich ist. Das ist gerade das Ziel dieser Sache, einmal alles so auf den Tisch zu bringen, dass es nicht mehr so belastet.« (Biermann/Schäfer 2011: 131)
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nisationen stattfinden, werden Schweigepf lichtregelungen häufig nicht beachtet oder sogar systematisch ausgehebelt (Waddington/Roderick 2002). Es gibt keine vergleichbare Studie über die Handhabung der Verschwiegenheit von Psychotherapeuten und Psychiatern. Das Dilemma des Therapeuten zwischen Reden und Schweigen wird in der verfügbaren Literatur zwar hin und wieder thematisiert, zumeist jedoch als gut lösbar konstruiert (Ogilvie et al. 1981: 73; Stillman/Ritvo/Glick 2013: 121).18 Prinzipiell gilt: Für den Fall, dass Therapeuten ihre Schweigepf licht ernst nehmen, besteht auf der Organisationsebene die Gefahr, dass in der Therapie relevante Entscheidungen (z.B. über einen möglichen »drop out«) getroffen werden, ohne dass die Träger dieser Entscheidung in die Kommunikationswege der Organisation eingebunden sind. Dies gilt erst recht dann, wenn die therapeutische Kommunikation im Kontext eines stationären Aufenthaltes in einer psychiatrischen bzw. psychosomatischen Einrichtung erfolgt – also unter Bedingungen einer Exilierung, die Referenzen auf den Alltag der Betroffenen konsequent ausschließt. Die Sichtung des Materials legt in der Tat nahe, dass therapeutische Interventionen gerade an der Regeneration des entscheidungsfähigen Akteurs arbeiten, also daran, dass sich die behandelten Athleten weniger durch die Ansprüche Dritter handeln lassen, sondern ihre eigenen Entscheidungen treffen.
Lernschwierigkeiten der Organisation Nicht nur weil sich therapeutische Systeme unter Ausschluss Dritter stabilisieren, widersetzen sie sich der hierarchischen Steuerung relevanter Vorgänge durch die Entscheidungsträger der Organisation. Gerade auch infolge des Technologiedefizits sperrt sich die Behandlung im Medium therapeutischer Kommunikation gegen mögliche Versuche von oben, den Verlauf der Therapie engmaschig zu begleiten und zu eigenen Gunsten zu beeinf lussen. Der Anspruch der Organisation, »[…] mit wenigen Entscheidungen wichtige Wirkungen zu erzielen« (Luhmann/ Schorr 1988 [1979]: 124; Herv., i.O.) lässt sich nicht verwirklichen. Anspruch und Wirklichkeit können vielmehr weit auseinanderdriften. Insofern die psychischen Systeme von Athlet wie Therapeut sowie das therapeutische Interaktionssystem als nicht-triviale Systeme in die Verlaufsbedingungen der organisationalen Entstörung eingebaut sind, ist stets nicht feststellbar, welchen 18 V ergleiche diesbezüglich die Aussage eines US-amerikanischen Therapeuten in einem Interview: »Don’t athletes sometimes react to that (Einweihung von Trainer und Mannschaft in Bezug auf Inhalte der Therapie, F.K.) by seeing you as the team’s advocate rather than their own? – That is always a danger. It depends on who hires you and pays your salary as a consultant, and for what purposes. Those points all must be clearly defined.« (Ogilvie et al. 1981: 73; vgl. hierzu ebenfalls Stillman et al. 2016: 6; Baron et al. 2013: 196; Stillman/Ritvo/Glick 2013: 121) Vereinzelt finden sich Hinweise auf Verstöße gegen die Schweigepflicht jener Therapeuten, die mit besonders prominenten Athleten zusammenarbeiten (Begel 2000: 203ff.).
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Effekt Entscheidungen der Organisation im Hinblick auf den Output des therapeutischen Systems zeitigen. Entgegen den Möglichkeiten, die der Körperbezug in der Medizin bedingt, lässt sich die psychotherapeutische Interaktion nicht annähernd unter die Bedingung eines mühelosen wie treffsicheren Ref lexionsverzichts stellen und bleibt aus Sicht der Organisation als Zufall beobachtbar. Zu gegebenen Anlässen wird vielmehr das therapeutische System selbst ref lexiv, macht sich also zum Thema und diskutiert Modifikationen des weiteren Vorgehens in Eigenregie. Wohl kann sich die Zusammenarbeit mit einem bestimmten Therapeuten bewähren. Wenn im Einzelfall die Depression aber bestehen bleibt, der Athlet sein altes Leistungsniveau nicht wieder erreicht oder sogar sein Karriereende verkündet, fällt es dennoch schwer, geeignete Schlüsse zu ziehen, um relevante Ursachen zu isolieren, diese Ausgänge in Zukunft zu verhindern und einen routinierten Umgang mit depressiven Mitgliedern zu entwickeln.
9.2
Biografische Erzählungen
Die Sachdimension der therapeutischen Sinnvorgaben wird auf die beobachtungsleitenden Differenzen und die Themenstruktur der therapeutischen Kommunikation bezogen. Anschließend werden wiederum die Folgen der therapeutischen Intervention in der Kopplung zur Sportorganisation ref lektiert. Das therapeutische Gespräch wird durch die Thematisierung von Leidensdruck in Gang gebracht und gehalten. Das Leiden offenbart sich jedoch nicht primär als ein konkreter Inhalt, den die Betroffenen direkt ansprechen oder verbal abreagieren. Vielmehr besteht die Symptomatik aus idiosynkratischen, prinzipiell diffusen, emotional getrübten oder bisweilen auch selbstwidersprüchlichen »Unschärfeproblemen« (Fuchs 2011: 34),19 die besonders schwer zu kommunizieren, gleichsam inkommunikabel sind.20 Über die Einführung bestimmter Unterscheidungen wird das Gespräch im weiteren Verlauf häufig auf die Biografie der Betroffenen gelenkt, um das Problem auf dieser Grundlage zu verstehen und Ansatzpunkte für mögliche Lösungen ins Spiel zu bringen. Therapeutische Kommunikation wirkt geradezu als »Biographiegenerator« (Hahn 1987a: 12, 1987b: 159), das heißt als gesellschaftliche Institution zur Erzeugung persönlicher Lebensgeschichten.
19 S ven Hannawald schätzt die ungewisse Lage im Rückblick derart ein: »Warum war ich so am Ende? Ich hatte keine Ahnung. Und auch deshalb war ich so verzweifelt.« (ders./Pramann 2013: 173) 20 Zur Inkommunikabilität depressiven Selbsterlebens siehe Kapitel 11.1.
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Diagnose Depression als Medium der therapeutischen Kommunikation Zunächst bleiben die komplexen Symptomlagen auch für therapeutische Experten rätselhaft. Im psychiatrischen Diskurs haben depressive Erkrankungen in den letzten Jahren zwar einen festen Platz in den diagnostischen Klassifikationssystemen (ICD-11, DSM-V) erhalten, wo sie in verschiedene Erscheinungsformen (z.B. als unipolare, bipolare oder larvierte Depression) sowie unterschiedliche Schweregrade eingeteilt werden. Auch das in der Alltagssprache omnipräsente Burnout-Konzept wird wiederkehrend als »Erschöpfungsdepression« eingestuft. Erst recht allerdings beobachten Shorter (2007) und Jurk (2016), wie bereits gesehen, das diagnostische Konstrukt Depression als begriff liches Durcheinander von zweifelhafter klinischer Nützlichkeit.21 Während Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiater die Depression in der Öffentlichkeit häufig in Analogie zu Kreuzbandrissen, Knochenbrüchen oder Virusinfektionen erläutern und als »Krankheit wie andere Krankheiten auch« bezeichnen, gelten Depressionen aus soziologischer Sicht dennoch als vage, »nichtcodierbare Probleme« (Fuchs 2011: 30). Probleme werden als nichtcodierbar betrachtet, wenn sich von der Anamnese zur Diagnose keine klare Trennlinie zwischen der Person des Klienten und einer physiologischen Abweichung ziehen lässt. Um es in der prosaischen Formel des US-amerikanischen Autors David Foster Wallace (2015 [1984]: 31f.) zu sagen: Die Schwierigkeit der Behandlung besteht darin, dass der Betrof fene selbst die Krankheit ist. Während Medizin und Psychiatrie auf eine biochemische, neurologische, immunologische oder endokrinologische Ursache zielen, bekommt es der Psychotherapeut mit einer »krankhaften Individualität« (Foucault 2012 [1968]: 25) zu tun, die sich als dynamische Einheit ihrer gesamten Denk- und Verhaltensweisen nicht auf eine medizinisch-körperliche Realität reduzieren lässt. Depressive Erkrankungen befinden sich unauf lösbar an der »[…] Grenze zwischen der Persönlichkeit, die man ist, und der Symptome, die man hat« (Ehrenberg 2008: 115; Herv., i.O.). Welcher Lösungsweg auch immer also ansteht – die Person verändert sich mit. In der Soziologie wird wiederkehrend darauf hingewiesen, dass die symptombedingte Zuschreibung von psychischen Krankheiten lediglich einen »Kunstgriff« (Foucault 2012 [1968]: 21) darstelle. Sie resultiere aus bürokratischen Pf lichten (Fuchs 2011: 97). Sie ziele auf den Anschluss an die Reputation des Medizinsystems und signalisiere Fachwissen wie Kompetenz (Groenemeyer 2008: 125). Vor allem stimuliere sie Hoffnungen bezüglich der anstehenden Kuration des Leidens (Karp 2001: 27). Dies gilt erst recht für die Diagnose von Depressionen. Den Überlegungen Luhmanns (2008 [1995]: 194ff.) zur Semantik des Kindes als Medium der Erziehung vergleichbar, lässt sich die Diagnose Depression als symbolisches Me-
21 Zur Ununterscheidbarkeit des Krankheitsbilds Depression vgl. Kap. 4.
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dium der therapeutischen Kommunikation verstehen.22 Die Konstruktion einer Krankheit, die sich heilen lässt, diene demgemäß dazu, die Annahmemotivation für unwahrscheinliche Kommunikation auf beiden Seiten zu steigern. Für den Therapeuten bewirkt der Krankheitsbegriff wesentliche Impulse, um sich auf die Beobachtungsweise des Klienten einzustellen, Grundmuster der psychotherapeutischen Arbeit zu fundieren und ggf. jegliche Äußerungen als Symptomproduktion verstehen zu können. Beim Therapierten entsteht zwar das mulmige Gefühl, dass die Diagnose das individuelle Leben als Krankheit behandelt. In jenen Fällen, in denen der Leidensdruck enorm ist, mag sie jedoch eine Vermutung, gar Erwartung bestätigen. Indem die Diagnose die Prekarität der Lage des Betroffenen anerkennt, erzeugt sie vor allem Entlastung. Auf diesem Weg erhöht sie die »commitment to therapy« (Erikson 1957: 267), also die Bereitschaft, sich intensiven Therapiegesprächen hinzugeben, sich gar emotional zu öffnen, intime Details preiszugeben, eine »Heilung« der Kondition für möglich zu halten und sich auf die anstehenden Prozesse der Veränderung als Person einzulassen.23
Be-Deutung der Depression Da die Zugänge der betroffenen Athleten zu den Ursachen ihres Problems versperrt sind, formulieren Psychotherapeuten den Anspruch, die Erkrankung im Gespräch mit ihren Klienten zu verstehen.24 Zu diesem Zweck erweitern sie die zur Anwendung gebrachte Unterscheidung (krank/gesund) durch eine Folgeunterscheidung, die den weiteren Therapieverlauf maßgeblich bestimmt. Spätestens seit Entstehung der Psychoanalyse greifen sie auf die Dif ferenz manifest/latent bzw. bewusst/unbewusst zurück, um das zunächst diffuse Leiden einer Bearbeitung zuführen zu können. Das Problem besteht dann nicht primär als Depression. Vielmehr wird das manifeste Leiden selbst zum Symptom einer tiefer liegenden Problematik im Bereich der Latenz bzw. des Unbewussten – sei es, weil die äußerst schmerzhaften Ursachen »verdrängt« seien, wie Psychoanalytiker formulieren würden; sei es, in systemtheoretischer Formulierung, weil sie im Bereich der Eigenwerte gelagert seien, die sich gerade deshalb im blinden Fleck des be22 Dies gilt umso mehr, als die symptomatologische Vagheit des Depressionskonstrukts als lose gekoppeltes Medium funktioniert, in dem verschiedene Leidensbeschreibungen die Form einer »Depression« annehmen können. 23 Entsprechend beschreibt Sven Hannawald den Moment, in dem er seine Diagnose erhält: »Für mich war es eine Befreiung, als dann eigentlich das erste Mal ein Arzt, oder in dem Fall, ein Psychologe mir gesagt hat, was ich habʼ, und das war für mich das erste Mal, dass ich weiß, okay, da ist irgendwas, jemand weiß, was ich habe, und dem entsprechend weiß er auch, was er jetzt tun kann, dass es wieder besser wird.« (WDR am 15.5.2013; ab Min: 14:39; Zugriff am 27.1.2018) 24 In der sog. konstruktivistischen Therapie wird bisweilen anders vorgegangen. Anstatt sich mit einer unergründlichen Wirklichkeit hinter den Symptomen herumzuschlagen, wird die angemessene Problemlösung im »Verschreiben« von Lösungswegen gesehen (Watzlawick 1988).
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troffenen Systems befinden, weil sie die wesentlichen Unterscheidungen für die eigenen Beobachtungen lieferten. Die grundlegende Annahme des therapeutischen Systems besteht darin, dass die nicht-bewussten Ursachen der Störung psychischer Systeme über den Umweg therapeutischer Kommunikation beobachtbar und thematisierbar würden. Zu diesem Zweck führt die Interaktion zwischen Athlet und Therapeut häufig zur Hypothese einer psychodynamischen oder psychosomatischen Bedeutung des Leidens. Demgemäß werden als pathologisch identifizierte, das heißt als psychische oder somatisierte Symptome interpretierte Verhaltensweisen, Gefühlslagen, Schmerzsyndrome, Haltungsschwächen oder auch Bewegungsblockaden, die in irgendeinen Zusammenhang mit der Depression gebracht werden, als zeichenhafte Ersatz- bzw. Stellvertreterphänomene beobachtet. Im therapeutischen Interaktionssystem gilt dann nicht mehr nur: »Man kann nicht nicht kommunizieren.« (Watzlawick/Beavin/Jackson 1982: 53) Sondern auch: Die Symptome »kommunizieren« mit.25 Dem Leiden wird eine Art Mitteilungsabsicht (alternativ: ein »Sinn«, eine »Bedeutung« oder eine »Funktion«) unterstellt, deren gleichsam hermeneutische Entschlüsselung wichtige Hinweise für die anstehende Problemlösung liefere. Auf dem Erkenntnisweg zur Latenz kultivieren Psychotherapeuten ein systematisches Um-die-Ecke-Verstehen. Über professionelle Taktlosigkeit, Traumdeutungen, Systemaufstellungen oder Rollenspiele versuchen sie Irritationen in der Kommunikation zu erzeugen, die sowohl im therapierenden als auch im therapierten System als informativ bewertet werden können. Insbesondere durch die Zwischenschaltung psychologischer Theorien erzeugen Therapeuten wirksame »Verstehensfiktionen« (Hahn 1991a: 92; Herv., F.K.), die die Intransparenz des Bewusstseins in der Interaktion zu kompensieren helfen. Während den Klienten selbst die therapeutische Arbeit bisweilen wie die Zusammenlegung des Puzzles, das sie selbst sind, erscheinen mag (Bengtsson 2012: 184), verfügen Therapeuten doch über keine privilegierten Einsichten. Vielmehr stellen die erarbeiteten Verstehenskonstruktionen Strukturannahmen bzw. -unterstellungen im Hinblick auf das therapierte System dar, mit denen sich weiterarbeiten lässt. Sie sind Fiktionen in dem Sinne, als die relevante Bezugsgröße nicht in ihrer objektiven Wahrheit, sondern in der realen Wirksamkeit in der Kommunikation liegt. Psychoanalytische/-dynamische, kognitiv-verhaltenstherapeutische, existenzialistische sowie andere therapeutische Zugänge sind mit einem hohen Maß an 25 In der kollektiven Deutung eines Fallbeispiels aus der systemischen Familientherapie, weist insbesondere Niklas Luhmann (von Foerster et al. 1997: 124) darauf hin, dass die therapeutische Arbeit mit »Hypothesen«, systemtheoretisch betrachtet, eine Art Überflutung des Systems mit Kommunikation bewirke, und zwar »[…] in dem Sinne, daß das Verhalten, das nur wahrnehmbar war, mal die Krankheit war, jetzt plötzlich eine Mitteilung ist.«
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»requisite variety« ausgestattet. Mit ihrer je eigenen Architektur aus Beobachtungsprämissen geben sie dem Therapeuten das Potenzial für inkongruente Perspektiven an die Hand, die zur Synthese von Verstehensfiktionen in Bezug auf die pathologische Entwicklung des Klienten unentbehrlich sind.26 Unabhängig davon, ob traumatische Erlebnisse, familiäre Dynamiken, leidvolle Denkmuster, unterdrückte Triebe, unbewusste Konf likte oder die Conditio humana schlechthin ins Spiel gebracht werden – die in psychologischen Denkgebäuden gespeicherten Erklärungszusammenhänge werden als ordnende Kraft in der Kommunikation wirksam. Sie dienen als Filter für im Gespräch freiwerdende Inhalte, führen die Schilderungen des Betroffenen einer theoriekonformen Deutung zu, erzeugen ihre eigene Vorstellung von der psychischen Realität des Klienten und liefern auf diesem Weg die Unterscheidungen, die im weiteren Dialog therapierelevante Unterschiede machen.27 Da sich behandelnde Therapeuten im Rahmen diverser Aus- und Fortbildungen meist mehrere therapeutische Ansätze angeeignet haben, wird in Psychotherapien oft eklektizistisch vorgegangen. Der Gesprächsverlauf bleibt somit stets variabel für spontane Ideen und vielfältige Interpretationen. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze vermuten die pathologische Ursache in ultrastabilen Denk- und Verhaltensautomatismen, die Klienten zwar in ihrer Sozialisation erlernt haben. Auf eine ausführliche Rekonstruktion ihrer Entstehung wird dennoch verzichtet. Speziell psychoanalytisch bzw. tiefenpsychologisch fundierte Behandlungswege versuchen, die Erkrankung durch die Biografie des Betroffenen zu verstehen. Die Selbstthematisierung des therapierten Athleten vollzieht sich folglich im Modus der Narration, indem in einer aufwendigen Serie verschiedener Sitzungen ein »big picture« (Cogan 1998: 142) des eigenen Lebens erinnert, versammelt und zu einer plausiblen Genealogie des Leidens verknüpft wird. Die »Seele« – was auch immer damit gemeint sei – und ihr Leiden werden im psychotherapeutischen Kontext gleichsam »als Biographie verfügbar« (Hahn/Willems/ Winter 2005: 499).28 26 M anche Psychologen und Psychotherapeuten scheinen systematisch mit Paradoxien, Inkongruenzen und Überraschungen zu arbeiten, um das therapierte System zu »stören« (Simon 1993: 474). In den Medien berichtet z.B. Britta Steffen, als mehrfache Welt- und Europameisterin sowie zweifache Olympiasiegerin eine der erfolgreichsten Athletinnen in der Geschichte des deutschen Schwimmens, von der Zusammenarbeit mit einer Psychologin in Zeiten einer sportlichen und persönlichen Krise. Die Psychologin habe ihr klargemacht, dass ihr fundierendes Problem in einem wenngleich unbewussten, so doch zermürbenden »Wassertrauma aus Kindheitstagen« liege, das es endlich zu bewältigen gelte (Focus online vom 15.3.2013). 27 Zur therapeutischen Konstruktion von Wirklichkeit als einer systematischen Arbeit mit Unterscheidungen und Folgeunterschieden siehe Simon (1993). 28 Im Ergebnis ist die Diagnose einer chronischen Depression z.B. mit der Ausdeutung einer Schulterblockade beim Tennis-Vorhandschlag kompatibel, die als Hemmung der personalen Auto-
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Athletendasein als Teil der Symptomatik Die Aneinanderkettung professioneller Sichtweisen auf die Äußerungen des Athleten kondensiert ihren je eigenen Gesprächs- und Therapieverlauf. In der Psychotherapie mit Spitzenathleten lässt sich allerdings regelmäßig beobachten, dass bereits recht früh auch der sportliche Hintergrund des Klienten thematisiert und mit alternativen Deutungen belegt wird. Die transportierten Bilder und Vorstellungen vom Sport gehen dabei nicht allein auf die anekdotischen Schilderungen zurück, die der betroffene Athlet von seinen Erfahrungen im Sport vermittelt. Sie weisen zudem über massenmediale Konstruktionen von Problemursachen und die individuellen Einschätzungen hinaus, die der Therapeut aufgrund seiner eigenen Biografie einbringt.29 Elementarer noch können sie in den psychologischen Theorien angelegt sein, mit deren Hilfe das Verstehen im therapeutischen System konstruiert wird. Im Medium von Krankheit und Abweichung erfassenden Konzepten wird bisweilen auch das Athletendasein pathologisiert. Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer (2011: 355) identifiziert gerade im Spitzensport die »mehr und mehr enthemmte Siegesgeilheit«, der die Einsicht in die Grenzen menschlicher Belastbarkeit zunehmend zum Opfer falle und die langfristig in eine Depression führen könne. Im psychoanalytisch-tiefenpsychologischen Diskurs wird intensives Sporttreiben auf eine ganze Reihe von Psychopathologien (resp. ihren Symptomen) bezogen. Um ihr Modell der menschlichen Psyche zu vermitteln und die Lösungspotenziale des eigenen Ansatzes zu veranschaulichen, greifen Psychoanalyse und Tiefenpsychologie hin und wieder auf Fallbeschreibungen aus der Therapie psychischer Erkrankungen von (aktuellen wie ehemaligen) Leistungssportlern zurück (Deutsch 1926; Staehle 2007; Geißler 2010). In der Perspektive des Analytikers erscheint die Leistungsfixierung des Athleten als Funktion unbewusster Dynamiken – beispielsweise als die Möglichkeit, Angstsyndrome im sportlichen Spannungserleben zu bewältigen, Minderwertigkeitsgefühle narzisstisch zu kompensieren, libidinöse Besetzungen zu sublimieren, Aggressionen auszuleben, die Liebe der Mutter wie des Vaters zu gewinnen, Geschwister zu übertrumpfen oder ein »sadomasochistisches Arrangement« (Staehle 2007: 379) mit dem eigenen Körper einzugehen (insb. Beisser 1967: 142ff.; Staehle 2007; Krug 2013).30 Das
nomiebewegungen auf eine »stark verdrängte Feindseligkeit dem Vater gegenüber« (Geißler 2010: 52) hindeute. 29 Wilms (2016: 93; vgl. auch Hays 1999: 179) weist auf diesen blinden Fleck der eigenen Zunft hin: Gerade Psychotherapeuten, die über keinerlei Sozialisationserfahrungen im Sport verfügen, »[…] müssten über ihre eigenen Einstellungen zum Leistungssport respektvoll nachdenken, bevor sie Leistungssportler in Therapie nehmen.« 30 Hans-Joachim Maaz ist zudem überzeugt davon, dass der Anteil an krankhaften Narzissten im Spitzensport deutlich größer sei als in der Normalbevölkerung (Zeit online vom 1.3.2016).
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intensive Sporttreiben fungiere dabei weniger als Therapeutikum, sondern verhindere eher die Überwindung der zugrundliegenden Notlagen.
Therapeutisches Denken als systemfremde Logik Auf Grundlage dieser Beobachtungen lassen sich wiederum einige Schwierigkeiten an der Schnittstelle zum Organisationssystem identifizieren. In sachlicher Hinsicht vollzieht sich der Rückgriff der Sportorganisation auf das psychotherapeutische Lösungsangebot – analog zur Verpf lichtung von Ärzten – als Implementation einer systemfremden Logik. Aus Sicht der Akteure im Spitzensport stellen die theoretischen Zugänge in Psychotherapien inkongruente Sichtweisen dar. Auch die Entscheidungsprämissen, die Therapeuten gemäß den Richtlinien ihres Berufsstandes verinnerlicht haben, entsprechen nicht den Wunschvorstellungen der Sportorganisation. Divergierende Erfolgsdefinitionen, Zielkonstruktionen, Weltsichten und Leitsemantiken, die im Kontext der beiden Logiken aufeinandertreffen, können eine ganze Reihe von Schief lagen zwischen den beteiligten Systemen bewirken. Wie gesehen, beobachtet die Organisation Depressionen im Athletenkader als komplexe Störung der institutionalisierten Eigendynamiken sowie als Risiko einer umfassenden Delegitimierung in der Öffentlichkeit. Sie erhoffen sich vom Rückgriff auf psychotherapeutische Experten eine Heilung der Krankheit im medizinischen Sinne der Restitutio ad integrum. Vor allem soll die Belastbarkeit und Motivierbarkeit der Athletenperson regeneriert werden. Dem Therapeuten geht es hingegen nicht primär um die Wiederherstellung sportlicher Leistungsfähigkeit, sondern um eine Reduktion von Leidensdruck durch die Änderung der psychischen Strukturen des Betroffenen. Insgesamt gilt: Das therapeutische Handeln bringt zwar die große Chance mit sich, dass sich die systemischen Logiken im Sinne einer Win-Win-Situation ergänzen, wenn die depressiven Sportler Selbsttötungsabsichten aufgeben, Ängste abbauen, Selbstzweifel relativieren, einen besseren Umgang mit ihrer Lebenslage finden und dabei ihre sportliche Leistungsfähigkeit aufrechterhalten bzw. wiedergewinnen.31 Der kurative Beitrag von Psychotherapeuten führt dennoch nicht stets zur Lösung des Organisationsproblems. Stattdessen kann er mit latent schwelenden sowie manifesten Konf likten einhergehen, die sich an verschiedenen Ursachen entzünden können.
31 In der Literatur werden solche Beispiele hin und wieder angeführt (David Baron/Steven Baron/ Foley 2009: 72f.; Ogilvie et al. 1981: 79). Sie finden sich jedoch eher selten. In seiner Autobiografie beschreibt Sebastian Deisler (ders./Rosentritt 2010: 228ff.) allerdings, dass er nach seiner stationären Behandlung durchaus voller Ehrgeiz in den Trainingsbetrieb beim FC Bayern München zurückgekehrt sei, dort aber von seinem Vereinsumfeld ausgebremst wurde. Ausführlicher hierzu siehe das folgende Kapitel.
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Konfliktpotenzial zwischen Athlet und sportlichem Umfeld Die Maßstäbe, die mit therapeutischen Achtsamkeits-, Einklangs-, Ruhe- und Ref lexionssemantiken einhergehen, stehen in Opposition zur dominanten Leistungsorientierung im sportlichen Unterstützungsumfeld der Athleten (z.B. Trainer, Mitspieler, Funktionäre oder Sportpsychologen). Wenn demnach Änderungsprozesse der Athletenperson im sportlichen Umfeld bemerkt werden, können sie durchaus Komplikationen auslösen. Die Therapeutin Hannawalds gibt einen Einblick in resultierende Konf liktlagen: »Nach der stationären Behandlung war er ja wieder in seinem gewohnten sozialen Umfeld, und seine Trainer, Manager und Freunde konnten sein Bedürfnis nach Nichtstun und unstrukturierter Zeit kaum nachvollziehen.« (Hannawald/Pramann 2013: 195) 32 Sie führt damit die Eigendynamik vor Augen, die sich aus der Intervention heraus entwickeln kann. Die therapeutische Interaktion setzt Selbst- und Weltdeutungen frei, durch die etablierte Beziehungen mit anderen Organisationsmitgliedern irritiert werden – was in der Folge wiederum zum Gesprächsthema in der Therapie werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ursache der Erkrankung (in expliziter oder impliziter Referenz auf die psychoanalytische Theorie der Depression) nicht zuletzt darauf zurückgeführt wird, dass der Betroffene Wut und Kummer im Umgang mit Enttäuschungen nicht ausspricht, sondern gegen sich selbst richtet (Cogan 2000: 116). Eine mittel- bis langfristige Verbesserung seiner individuellen Lage wird in der Therapie demgemäß darin vermutet, dass der Klient seinen Ärger mitteilt, Erwartungshaltungen ggf. enttäuscht sowie drohende Konf likte im sozialen Umfeld eingeht, aushält und mit seinem Therapeuten bespricht. Freilich treiben die personalen Veränderungen ihren Keil indessen bis in die nicht-entscheidbaren Grundlagen der Organisation, auf denen die Solidarität der Mitglieder miteinander auf baut. Ein durch die Therapie angestoßener Abbau meist unhinterfragter, kollektiv geteilter Überzeugungen und Gepf logenheiten markiert den psychisch Abweichenden sich selbst wie anderen gegenüber in zunehmendem Maße als »Outsider«. Irritationen mögen sich auch dadurch ausbreiten, dass Informationen aus dem therapeutischen System in die organisationale Umwelt diffundieren. Insbesondere dann, wenn die soziale Situation innerhalb des Unterstützungsumfelds der Athleten als Krankheitsursache in den Blick gerät, legen therapeutische Beweggründe einen of fenen Umgang mit der Krankheit nahe. Die Therapeuten wirken dann auf eine partikulare Entbindung von der Schweigepf licht durch die behandelten Athleten hin, um z.B. Trainer, Mannschaft oder Funktionäre über selekti32 U mgekehrt kann das Festhalten an der Leistungsfixierung des Spitzensports im Umfeld psychiatrisch-psychosomatischer Einrichtungen ebenfalls Probleme erzeugen. Als Sven Hannawald seine freie Zeit im Rahmen seines stationären Aufenthaltes für exzessive Rad- und Joggingtouren nutzt, wird er vom Klinikpersonal direkt ermahnt (WDR am 15.8.2015; ab Min. 30:12).
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ve Gesprächsinhalte ins Bild setzen zu können und für Akzeptanz, Verständnis und Unterstützung des Betroffenen in seiner prekären Lage zu werben. Daraus mag wohl die Möglichkeit resultieren, dass Umgangsformen und Routinen innerhalb der Sportorganisation modifiziert werden. Gleichzeitig aber kann mangelnde Schweigekompetenz dieser Anderen (z.B. gegenüber den Massenmedien) zum Problem werden. Auch die Stigmatisierung des Betroffenen könnte befeuert werden. Einige Trainer scheinen das Wissen über die psychischen Problemlagen ihrer Athleten direkt in anstehende Selektions- bzw. Deselektionsentscheidungen einf ließen zu lassen (Ogilvie et al. 1981: 78; DeLenardo/Terrion 2014: 51). Zudem besteht die Gefahr, dass sich die behandelnden Experten in Loyalitätskonf likte verstricken, während sie versuchen, ihr professionelles Deutungsschema durchzusetzen oder ihre Stellung im organisationalen Umfeld zu festigen.
9.3
Ergebnisoffenheit
Abschließend wird die Zeitdimension der therapeutischen Sinnvorgaben fokussiert, um auch die Ergebnisse dieser Beobachtung in den organisationalen Kontext stellen zu können. Damit rücken zunächst Anfang und Ende der Therapie in den Blick. Zudem ist zu vertiefen, in welcher Form sich die betroffenen Athleten in psychotherapeutischen Kontexten mit der Zeitlichkeit ihres Lebens beschäftigen und wie die daraus resultierenden Änderungen mit den Interessen der Sportorganisation kollidieren können. Als selbstsubstitutive Ordnung können psychische Strukturen weder ausgetauscht noch gelöscht werden. Ihre Änderung muss sukzessive erfolgen und oft mühsam erarbeitet werden. Schon der Anfang der therapeutischen Intervention kann sich als schwierig gestalten. Da in der Kultur des Leistungs- und Spitzensports, also auch in der Organisationskultur von Spitzensportvereinen und -verbänden, bereits Vorbehalte gegen die Konsultation von Sportpsychologen verankert sind (Linder et al. 1991), ist erst recht mit einer zögerlichen Haltung der Athleten hinsichtlich psychotherapeutischer Maßnahmen zu rechnen (David Baron/Steven Baron/Foley 2009: 63; Gulliver/Griffiths/Christensen 2012: 5f.). Zudem kann sich der Eigensinn des Klienten verhärten, sollte sich der Therapeut als wenig sensibel für seinen spitzensportlichen Kontext erweisen und etablierte Präferenzregeln der Athletenidentität unterminieren.33 Die Anfänge des therapeutischen Systems mögen sich umso schwieriger gestalten, wenn die Therapie auf Anraten oder in Kenntnis anderer stattfindet. Hin und wieder wird davon ausgegangen, dass die adressierten Psychen bereits einige Zeit benötigen, um die 33 K onkret empfehlen Glick/Horsfall (2009: 32), Psychotherapeuten sollten die Kontaktaufnahme und den Therapiebeginn mit ihrer Athletenklientel unter das Label »Leistungssteigerung« stellen, um mögliche Widerstände gegen die therapeutische Intervention dadurch abzubauen.
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negativen Emotionen wie Wut, Scham, Trauer oder Hass differenziert wahrnehmen und ausdrücken zu können. Therapeutische Interaktion ist jedenfalls kein »quick fix« (Kamm 2000: 163) des betroffenen Systems.
Zukunft als Leitformel So verschieden ihre theoretischen Grundlagen sein mögen, verfolgen die unterschiedlichen therapeutischen Zugänge doch dasselbe Ziel: die psychischen Strukturen der betroffenen Person zu ändern. Indem sie strukturelle Fixierungen im Klientensystem annehmen – sei es, dass leidvolle Gedankengänge wiederholt, Ref lexion blockiert, Erinnerungen »verdrängt«, Gefühle unterdrückt, Perspektiven ausgeblendet oder Alternativen negiert würden –, versuchen Therapeuten durch ihr Handeln Impulse zur Selbsthilfe des betroffenen Systems anzustoßen. Sie arbeiten darauf hin, dass festgefahrene Muster aufgelöst, Erinnerungen (re)konstruiert,34 Ambivalenzen eingeführt, Unordnung gestiftet, Überzeugungen infragegestellt, innovative Deutungen zugelassen und Spielräume für Ref lexion regeneriert werden, um derart eine Kapazität für die Neurelationierung der Gedanken und Gefühle des Athleten aufzubauen (Luhmann 2011: 9; Simon 2008: 200). Die Therapiesemantik steht vor diesem Hintergrund nicht nur für die Notwendigkeit, sich in der Anleitung durch den Experten selbst zu helfen, sondern auch für eine Abweichung von der Vergangenheit zugunsten einer alternativen Zukunft, die ihren Ausgang vom einschneidenden Krankheitserleben nimmt. Das Zukunftsthema fungiert als Gegenspieler zur Routine und zum Bekannten, gewissermaßen als Wiedereinführung von Optionalität und Unbestimmtheit im therapeutischen System.35 Die Psychotherapie zielt demnach – entgegen medizinisch-ärztlichen Konstruktionen – nicht auf die Vorwegnahme zukünftiger Gegenwart, sondern auf die gegenwärtige Öffnung für Zukunft. In der Isolierung mit dem Therapeuten sowie infolge der Anwendung psychologischer Theorien und therapeutischer Narrative wird nicht selten der Entschluss freigesetzt, »[…] der nur im Individuum selbst getroffen werden kann: ein neues Leben zu beginnen« (Luhmann 2012 [1999]: 91). In welche Richtung die in Therapien angestoßenen Änderungsprozesse führen, lässt sich kaum kontrollieren. Die Analyse macht allerdings deutlich, dass insbesondere das Gespräch über die biografische Hingabe an den Sport Ansatzpunkte liefert, um nicht nur Problemursachen zu konstruieren, sondern auch Strukturauf lösungen in der betroffenen Psyche zu forcieren und das therapierte System auf neue Weltsichten umstellen zu können. Zwar ist keineswegs davon auszugehen, dass dem Rückzug aus dem Sport der Charakter eines allgemeinen 34 Z ur Konstruktion von »false memories« in der therapeutischen Kommunikation vgl. Ofshe/Watters (1996). 35 Zu einer solchen Deutung des Zukunftsbegriffs siehe Luhmann (2011 [2000]: 230).
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Maßstabs für therapeutischen Erfolg zugeschrieben wird. Dennoch fällt auf, dass die Entscheidung zum Karriereende an den Leitkonzepten verschiedener Ansätze kondensieren und sich mit Bezug auf ganz unterschiedliche Karriereerfahrungen entwickeln kann.
Neuanfang durch Karriereende Insbesondere die Erfahrung des enormen Leidensdrucks, der im Rahmen depressiver Erkrankungen entsteht, lässt die bisherigen Selbsterzählungen der betroffenen Athleten in einem problematischen Licht erscheinen und provoziert die Suche nach einem narrativen »Wechsel der Selbstdefinitionen« (Hahn/Willems 1996: 36). In Einzelfällen wird der Krankheit eine fast schon transzendentale Sinnhaftigkeit unterstellt, insofern der pathologische Verlauf auf den Weg zur Erkenntnis des inneren »Wesens« führe (Hannawald/Pramann 2013: 178f.). Insbesondere dann, wenn den strukturellen Bedingungen des Leistungs- und Spitzensports ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung der Depression zugeschrieben wird, vollzieht sich die Suche der Spitzensportler nach einem neuen Selbst häufig als Abstandnahme von den Erfahrungen, die sie im Rahmen der Athletenkarriere gesammelt haben.36 Die Intervention des Therapeuten kann hierfür an der »kognitiven Schließung« (Bette et al. 2002: 356) der Athletenpsyche ansetzen. Was im Sport meist als »mentale Stärke« oder sportlicher Ehrgeiz verbucht wird und auf eine langfristige Prägung durch diesen Sonderbereich zurückgeht, kann im therapeutischen System als persönliche Schwäche gedeutet werden, die nunmehr ein pathologisches Ausmaß angenommen hat. Es wird meist ein Zuviel von allen leistungsrelevanten Kognitionen angenommen: zu viel Ehrgeiz, zu viel Perfektionismus, zu viel Angst vor Misserfolgen. Das therapeutische Gespräch diskutiert deshalb nicht selten Alternativen zum spitzensportlichen »Leistungsindividualismus« (ebd.: 312), demgemäß die Selbsteinschätzungen der Athletenperson im Kern auf die sportliche Leistungsfähigkeit ausgerichtet, an der Konkurrenz mit signifikanten Anderen orientiert und in Abhängigkeit vom sportlichen Unterstützungsumfeld geschlossen werden. Manchmal wird das Therapieziel sogar explizit in ebendiese Form gebracht: »The focus was placed on helping her (the athlete, F.K.) to learn to ascribe more value to her own, fair, objective evaluations versus those of coaches and judges.« (David Baron/Steven Baron/Foley 2009: 70) Im weiteren Verlauf vollzieht sich die therapeutische Problemlösung häufig als Kritik der perfektionistischen Persönlichkeit sowie als konsequentes Verlernen der inf lationären Ansprüche, die im Rahmen der Athletenkarriere wirksam werden. 36 E ntsprechend fällt die Einschätzung der Psychotherapeutin Sven Hannawalds auf die Frage der Krankheitsursache aus: »Ein wesentlicher Faktor dürfte die jahrelange, fast ausschließliche Fokussierung auf sportliche Höchstleistung sein.« (zit. in Hannawald/Pramann 2013: 191)
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Mit der Infragestellung sportiver Denk- und Handlungsroutinen wird ein stabiles Element der Kopplung zwischen biografischer Vergangenheit und Zukunft des Klienten ausgehebelt und in der Folge häufig der Abstoßpunkt für einen Neuanfang auf Basis des Karriereendes geschaffen. Sven Hannawald, der zu Beginn seiner stationären Therapie noch eine starke »Sehnsucht nach dem Sportlerleben« (ders./Pramann 2013: 181) verspürt, deutet im Rückblick auf diese Zeit einen schwierigen, aber scheinbar unvermeidlichen Erkenntnisprozess an: »Ich habe viele Arztbesuche hinter mich gebracht, bis Burnout diagnostiziert wurde. Wenn man diesen Punkt erreicht hat, muss man vieles brachial hinter sich lassen […] Ich musste einsehen, dass für mich ein Punkt erreicht war, an dem ich mit dem Profisport auf hören musste« (FAS vom 15.11.2015: 47; Herv., F.K.). Selbst sportlicher Erfolg, die Verwirklichung der einstigen Kindheitsträume, lässt sich in diesem Zusammenhang als Ursache für die Entwicklung der Depression einstufen (ders./ Pramann 2013: 186). In manchen Fällen wird die besondere Rolle des Spitzensports im Leben des Betroffenen auf der Basis neuer Unterscheidungen bewertet. Die Psychotherapeutin von Andreas Biermann, der in seiner Zeit als Fußballspieler beim FC St. Pauli depressiv wurde, gibt Einblick in das therapeutische Gespräch über die akkumulierten Verletzungstraumata ihres Klienten. Als ob sie dem Vorschlag Luhmanns (1983b: 174) folgen würde, Schmerzen als eine Art »Kommunikation des Körpers an das Bewusstsein« zu verstehen, interpretiert sie die lange Krankenund Verletzungsakte Biermanns folgendermaßen: »Sein Körper hat permanent Signale gesendet, du kannst nicht mehr, du gehörst hier nicht mehr rein, suchʼ dir einen anderen Weg.« (zit. in Biermann/Schäfer 2011: 153) Infolge einer darüber hinausgehenden Einschätzung sporttypischen Mannschaf tsgebarens äußert sie ein vernichtendes Urteil über Organisationen im Spitzensport und dort auftretende Gruppendynamiken (ebd.: 156). Einzig mit dem Karriereende könne Biermann seine pathologische Fixierung auf lösen. Vor allem ginge es darum zu erkennen, so die Therapeutin, dass er mehr Fähigkeiten und Stärken habe, als nur Fußball zu spielen, dass er auch auf anderen Wegen Anerkennung erlangen könne, dass er möglicherweise auch mit sich selbst zufrieden sein müsse, ohne dass in der Zeitung über ihn berichtet würde.37 Ihre Ref lexionen gipfeln in einem unzweideutigen Ratschlag: »Den Fußball zu verlieren, ist die größte Chance, die sich aus seiner Krise ergeben könnte.« (ebd.: 158) Jene therapeutischen Zugänge, die sich auf die Analyse familiärer Dynamiken konzentrieren oder Ängste vor Beziehungsverlusten thematisieren, können ebenfalls zu einer Infragestellung des sportlichen Lebensweges führen. Sie rücken 37 A uch in anderen Fällen wird sportlicher Ehrgeiz als notorisch gewordener Versuch interpretiert, Liebe und Wertschätzung der eigenen Person gegen sportlichen Erfolg einzutauschen (Hannawald/Pramann 2013: 193; Staehle 2007: 385).
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die Athletenkarriere als familiäre Verstrickung in den Blick, an deren Folgen der Klient inzwischen nachvollziehbar leide (Heyman 1987: 150f.; Hellstedt 2000). Die kasuistische Abschlussbetrachtung der Therapie eines Tennisspielers liest sich wie folgt: »Der Prozess implizierte ebenso, seine bislang innerlich an die väterlichen Vorstellungen gebundene Einstellung zum Tennissport von diesen Fremderwartungen zu lösen und seine eigene Position zu entwickeln, passend zum Gesamtlebenskontext. […] Es ging in der Therapie nun nicht mehr um das ›Symptom‹,38 das heißt seine Schwierigkeit beim Vorhandschlag, sondern um eine Ordnung seines gesamten Lebensprozesses, in dem Tennis ein Teil, wenn auch ein wichtiger Teil war und blieb.« (Geißler 2010: 52f.) Cogan (2000) ref lektiert die therapeutische Arbeit mit einer Tennisspielerin. Diese lerne ihre eigenen Depressionen zunehmend auf die Unfähigkeit zurückzuführen, die Emotionen, Wünsche und Projektionen der Mutter wie des Vaters von ihrem authentischen Gefühlsleben zu trennen. Im Rückblick interpretiert die Sportlerin ihre Tennislauf bahn als reinen Willen der Eltern und wesentliche Leidensursache. In der letzten Sitzung offenbart sie die mutige Entscheidung: »Anyway, back to tennis; I’ve decided that I really don’t want to be involved in the sport anymore. […] I don’t want to spend so much time with my teammates, who always have cliques or talk behind each other’s backs. Most of all, I don’t want to do the sport because it was for my parents, not me. They lived through me and made me hate tennis. […] So I have to be OK with stopping and making some other path for myself in my life.« (ebd.: 118) Nicht zufällig jedenfalls beschließt Krug (2013: 39) seine psychoanalytisch inspirierten Ausführungen zu psychischen Erkrankungen im Spitzensport mit einer Umformulierung der Frage, ob Athleten nach ihrer Therapie wieder voll leistungsfähig sein könnten. Man müsse vielmehr fragen, »[…] ob nach erfolgreicher therapeutischer Behandlung weiterhin Leistungssport betrieben werden möchte«.
Karriereende als Ressourcenverlust für die Organisation An der Systemgrenze zur auftraggebenden Sportorganisaion zeigt sich zum einen, dass das Technologiedefizit der therapeutischen Kommunikation mit einem Zeitproblem auf der Ebene der Sportorganisation einhergeht. Die Selbständerung der depressiven Psyche folgt keiner allgemeinen Regel, die den erwartbaren Therapie38 Das Symptom wird allerdings mit einer krankheitswertigen »chronischen Depression« in Verbindung gebracht (Geißler 2010: 47).
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verlauf vorhersagen ließe. Therapeutische Maßnahmen mögen gelegentlich ein singuläres Ereignis bleiben (Begel 2000: 192) oder aus zeitökonomischen Gründen als Kurzzeittherapie präferiert werden (Baron et al. 2013: 69), in anderen Fällen münden sie allerdings in eine jahrelange Behandlung. Auch Rückfallängste scheinen sich oft hartnäckig zu halten. Aus diesem Grund stehen die Möglichkeiten und Grenzen therapeutischer Intervention quer zum Anspruch der Organisation, möglichst genau darüber Bescheid zu wissen, wann und inwiefern behandelte Athletinnen und Athleten wieder einsatzfähig sein werden. Der Output des therapeutischen Systems lässt sich folglich nicht hinreichend mit den systemischen Eigenzeiten in Spitzensportorganisationen synchronisieren. Dass die Vereine und Verbände in vielen Sportarten infolge des immer dichter werdenden Wettkampf kalenders notorisch unter Zeitdruck geraten, lässt sich gerade auch am Umgang mit der Gesundheit bzw. Krankheit von Athleten nachvollziehen (Mayer, 2010; Thiel/Mayer/Digel 2010). Neben der fehlenden Möglichkeit, den zeitlichen Verlauf der Therapie zu kalkulieren, besteht die Ergebnisoffenheit der Intervention darin, dass die therapeutische Arbeit nicht stets parallel zur Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen abläuft oder zu einem schnellstmöglichen »Comeback« der behandelten Athleten führt.39 Vielmehr setzt sie, dies wurde bereits deutlich, häufig tiefe Zäsuren in ihrem Lebenslauf und kann mit weitreichenden Entscheidungen einhergehen. Das Resultat der psychischen Strukturauf lösung im Betroffenen ist damit, dies soll an dieser Stelle betont werden, zwar nicht determiniert und lässt sich auch von den behandelnden Therapeuten weder in die eine noch in die andere Richtung definitiv steuern. In jenen Fällen, in denen sich die therapierten Athleten allerdings zum Rücktritt entscheiden, stellt ihr Karriereende die Organisation vor vollendete Tatsachen und markiert einen definitiven Ressourcenverlust. Aus soziologischer Sicht kann der »drop out« depressiver Athleten freilich auch anders gedeutet werden. Durch einen Perspektivenwechsel würde man nicht mehr die Intervention des Therapeuten wider den Organisationszweck sehen, sondern Athletentherapien als eine systemfunktionale Einrichtung für die betroffenen Sportorganisationen verstehen. Indem die Therapeuten depressiven Sportlern Aufmerksamkeit schenken, gutes Zuhören widmen und sich verständnisvoll zeigen, üben sie in dieser alternativen Sichtweise die Funktion eines Kummer- und Wutmanagements im Dienste der Organisation aus, in dessen Rahmen das Gefühlsleben der Klienten einreguliert und die Präferenz individueller statt 39 A us diesem Anlass beschäftigt sich Begel (2000: 196) explizit mit den Möglichkeiten einer therapeutischen Begleitung aktiver Spitzensportler. Er entfaltet das Konzept einer »combination therapy«, bei der therapeutische Fragestellungen mit Aspekten der Leistungssteigerung verknüpft, sportmotorische wie familiäre Dynamiken zur Sprache gebracht und Synchronisierungsprobleme mit dem Trainings- und Wettkampfkalender besonders berücksichtigt werden. Seine Überlegungen stellen jedoch eine Besonderheit innerhalb des Diskurses dar.
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kollektiver Sinnstiftung nahegelegt wird. So gesehen würde im Zuge der Therapie ein »cooling out« (Goffman 1952: 461) jener unliebsam gewordenen Mitglieder vorangetrieben, die den hohen Ansprüchen der Organisation nicht mehr gerecht werden. In diesem Blickwinkel eigneten sich Therapien gerade deshalb als Auskühlungsverfahren, weil sie kaum Zweifel daran lassen, dass alles zum Wohl des Betroffenen geschieht, und die Abstandnahme vom Sport als individuelle Entscheidung kondensieren. Inwiefern die biografische Umorientierung des Athleten zum Vor- oder Nachteil von Sportvereinen und -verbänden gereichen – etwa resultierende Probleme durch Exklusion lösen, oder aber Leistungsträger und Nachwuchshoffnungen inspirieren – bleibt stets eine Frage des Einzelfalls. Zweifelsohne aber wird der Sportorganisation durch den »drop out« die Möglichkeit entzogen, die potenzielle Leistungsfähigkeit depressiver Athleten zukünftig realistischer einschätzen zu können, psychisches Leiden als Kollateralschaden ihrer Entscheidungsprämissen zu ref lektieren und zumindest kleine Weichen gegen eine Wiederkehr der psychischen Probleme einzelner Sportler zu institutionalisieren. Systemref lexion als Steuerungsmodus bleibt unter diesen Umständen jedenfalls eher unwahrscheinlich. Indes kultiviert die therapeutische Kommunikation in den betroffenen Athleten die Idee, die Exit-Option zu nutzen, nämlich den Spitzensport hinter sich zu lassen, das eigene Leben fundamental zu ändern und sich neu zu erfinden. Neuerdings tragen sie ihre Erfahrungen sogar öffentlich vor, erzählen traurige Geschichten über ihre sportliche Vergangenheit, berichten vom Glück jenseits des Hamsterrads und sprechen im Zuge dessen gerade auch das Unrecht an, das ihnen auf der Hinterbühne von Sportvereinen und -verbänden widerfahren sei. Die Organisation muss allerdings auch über die Verpf lichtung von Therapeuten hinaus einen Umgang mit depressiven Athleten finden. Während in der Therapie auf moralische Urteile verzichtet wird, kommt außerhalb des therapeutischen Settings oft eine explizite wie implizite Degradierung der Betroffenen zum Tragen. Das anschließende Kapitel setzt sich deshalb mit dem Stigma Depression in der organisationalen Kommunikation, vor allem im Gerede der Mannschaftsund Kadermitglieder, auseinander. Das besondere Augenmerk gilt dabei der Frage, inwiefern Stigmatisierung zwar eine bittere Pille für die Betroffenen darstellt, sich aber als funktional für die Organisation und ihr Personal erweisen kann.
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Stigmatisierende Kommunikation
Erfahrungsberichte depressiver Athleten sowie Einschätzungen anderer Rolleninhaber weisen auf die Existenz eines Stigmas der Depression in der Kultur des Spitzensports hin. Dies gelte nicht nur für jene Sondersituationen, in denen Konkurrenten im sportlichen Wettkampf ihre psychischen Krisen im »trash talk«
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kommentieren, die Fans sich den Burnout-Rückfall von Entscheidungsträgern des gegnerischen Vereins wünschen40 oder dem Torwart der rivalisierenden Mannschaft sogar zum Suizid raten.41 In Form von Benachteiligungen, Negativbewertungen, Statusdegradierungen, Berührungsängsten und anderen Sonderbehandlungen findet die Stigmatisierung depressiver Athleten auch innerhalb von Sportvereinen und -verbänden statt. Verschiedene Sportakteure kommentieren diesen Umstand als überaus ärgerliche Tatsache. Demgemäß fällt die Zielvorgabe aus: Entstigmatisierung! Das Stigma muss weg und einem »Klima des solidarischen Miteinanders« (Teubel et al. 2010: 27) weichen, in dem alle an einem Strang ziehen, sich freundlich gesinnt sind und »die Würde des Menschen, des Nächsten, des Anderen« (Theo Zwanziger; zit. in Hannoversche Allgemeine vom 15.11.2009) hochhalten. Zwar stellen jene Institutionen, die für das Projekt der Enttabuisierung und Entstigmatisierung der Depression im Spitzensport verantwortlich zeichnen, hin und wieder fest, dass sich die Situation bereits gebessert habe und betroffene Athleten zunehmend auf Verständnis stießen. Empirisches Wissen zur Bestätigung dessen wurde jedoch nicht ermittelt. Auch eine soziologische Ref lexion der Stigmakommunikation über depressive Mitglieder in Sportorganisationen fehlt bislang. Die Ausgangslage hierfür ist leider schwierig. Zwar hat die empirische Depressionsforschung einige Studien zu »public beliefs«, »lay theories« und »stigmatising beliefs« hervorgebracht, die im Rahmen von Stigmatisierungsprozessen wirksam werden. Diese bauen allerdings weder auf einem tragfähigen Theoriefundament, noch blenden sie den sozialen Kontext von Stigmatisierungsprozessen in ausreichendem Maße ein. Die Soziologie, gerade auch die systemtheoretisch arbeitende, hat hilfreiche Modelle formuliert, um Stigmakommunikation im Organisationskontext beschreiben zu können (insb. Wetzel 1999, 2002, 2004), berücksichtigt aber die spezifischen Kontextbedingungen in Spitzensportorganisationen nicht. Überdies finden sich in der Literatur (v.a. in der autobiografischen) nur wenige konkrete Einblicke in Stigmatisierungserfahrungen depressiver Athleten im deutschen Sport, während auch internationale Studien zum Stigma psychischer Erkrankungen im Sportkontext bislang rar sind (Gulliver/Griffiths/ Christensen 2012; DeLenardo/Terrion 2014; Kaier et al. 2015). Die im deutschsprachigen Raum verfügbaren Erzählungen stammen vor allem aus dem Fußball und 40 S o geschehen im Fußball-Bundesliga-Spiel zwischen Hertha BSC Berlin und RB Leipzig, in dem die Berliner Fans den einstigen Burnout-Fall des Leipziger Sportdirektors Ralf Rangnick auf einem übergroßen Banner erinnerten: »Ey Ralf, wir warten sehnlichst auf deinen nächsten Burnout.« (Welt online vom 17.11.2017) 41 Im Fußball-Bundesliga-Spiel zwischen dem VfB Stuttgart und dem 1. FC Köln vom 4. März 2018 wurde dem Torwart der Gästemannschaft, Ron-Robert Zieler, von Kölner Fans geraten, er solle es »wie Enke machen«, sich also das Leben nehmen (Welt online vom 5.3.2018).
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von männlichen Spielern. Insbesondere die Fälle Deisler und Biermann liefern anschauliches Material. Im Folgenden werden die Befunde der empirischen Depressionsforschung und die publizierten Erfahrungsberichte am Leitfaden systemtheoretischer Prämissen integriert, um modelltheoretische Überlegungen zum Stigma Depression im Rahmen von Sportorganisationen zu formulieren und für empirische Anschlussuntersuchungen zur Verfügung zu stellen. Selbstkritisch festzuhalten ist, dass aufgrund der bestehenden Engpässe vor allem die Perspektive der Betroffenen zum Tragen kommt, obwohl andere Beteiligte womöglich abweichende Versionen der Realität rekonstruierten.42 Die Ergebnisse der vorliegenden Analyse bleiben somit bis auf Weiteres hypothetisch. In den nachstehenden Ref lexionen wird die Stigmatisierung des betroffenen Athleten als Verfahren des »Sensemaking« in sachlicher (10.1), sozialer (10.2) und zeitlicher Hinsicht (10.3.) gedeutet. Sollte sich Stigmakommunikation dabei als hocheffizientes Entstörungsverfahren erweisen, das nicht zuletzt aus den Strukturdynamiken des Spitzensports selbst resultiert und in den nicht-entscheidbaren Besonderheiten der Organisationskultur angelegt ist, wäre es als ultrastabiles Phänomen einzuschätzen. In diesem Fall ließe sich das Stigma der Depression im Spitzensport weder durch Rhetorik mit erhobenem Zeigefinger noch durch psychiatrische Auf klärungsarbeit aus der Welt schaffen.
10.1
Devianzunterstellung
In sachlicher Hinsicht interessieren auch an dieser Stelle die beobachtungsleitenden Differenzen im Umgang mit depressiven Athleten. Beobachtung ist immer sinnhaft strukturiert. Sinnprozessieren läuft permanent, meist routiniert ab. Sinnstiftung wird allerdings prekär, und umso notwendiger, wenn »[…] die bewährten Sinnstrukturen nicht mehr passen« (Wetzel 2002: 191), z.B. in neuartigen, überraschenden, sehr komplexen und strapaziösen Situationen, wenn bestehende Erwartungen enttäuscht werden oder ihre Erfüllung akut infragesteht. Das Auftauchen einer Athletendepression in der Kommunikation in Sportvereinen und -verbänden lässt sich in entsprechender Weise verstehen.
42 B eispielsweise wehrt sich der Team-Manager des FC St. Pauli gegen die Darstellung Andreas Biermanns. Die Wahrnehmungsunterschiede führt er auf das Krankheitserleben selbst zurück und gibt zu bedenken: »Vielleicht ist man sensibler, wenn man diese Krankheit hat. Jeder hat seine Wahrnehmung und die ist aus der eigenen Sicht immer richtig.« (zit. in Biermann/Schäfer 2011: 173)
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Stigma als Sinnstiftungsschema In soziologischer Perspektive stellt das Stigma Depression keine defizitäre Eigenschaft der stigmatisierten Person dar, sondern ein Beobachtungs- bzw. Sinnschema, das im sozialen Umgang mit dieser Person zum Tragen kommt. Es wird vor allem in jenen Kontexten virulent, in denen eine psychologisch-psychiatrische Expertise entweder nicht vorhanden ist oder über keine besondere Autorität verfügt. Indem das Stigma Depression die Blicke von Beobachtern anleitet, produziert es Tatsachen, die den Umgang mit Betroffenen maßgeblich bestimmen. Bei der Konstruktion des Stigmas bedienen sich psychologische Laien, wie z.B. Funktionäre, Trainer, Mannschaftskollegen und sonstige Entscheidungsträger in den Vereinen und Verbänden des Spitzensports, eines Pools alltagstheoretischer Annahmen, die gesellschaftlich verfügbar sind, im Sozialisationsprozess erlernt werden und somit über hohe Plausibilitätschancen verfügen.43 Stigmata lassen sich gleichsam wie Schablonen über die strapaziöse Situation legen, um Verstehensfiktionen zu erzeugen und den Anschluss neuer Erwartungshaltungen zu ermöglichen. Da Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung in alltagstheoretische Realitätskonstruktionen »einsickern« oder gar in »literacy«-Kampagnen aktiv verbreitet werden, beinhalten auch Laienkonstruktionen symptomatologische, ätiologische oder sogar therapeutologische Annahmen über das Krankheitsbild Depression. Alltagspychologische Wissensbestände versammeln sich dennoch zu einer »Folklore des Halbwissens« (Beck-Gernsheim 2007: 11), greifen selektiv auf professionelle Erklärungsmodelle zurück, unterscheiden nicht trennscharf zwischen Ursache und Wirkung und müssen keine therapeutischen Entscheidungen anleiten oder rechtfertigen (Furnham/Kuyken 1991: 329ff.). Konkret ermitteln Angermeyer/Matschinger (2003: 528) in einer Fallvignetten-Studie, dass befragte Laien den Ausbruch depressiver Symptomlagen neben der Annahme genetischer (44 %) oder biochemischer Ursachen (41,4 %)44 vor allem mit der Lebensführung der Betroffenen assoziieren. Abgesehen von Referenzen auf den Stressbegriff (77,7 %) oder belastende Lebensereignisse (80,7%), bringen immerhin fast ein Fünftel der Befragten (18,7 %) depressive Störungsbilder direkt mit unmoralischem Lebensstil in Verbindung. Andere Deutungen gehen von einer Charakter- bzw. Willensschwäche depressiver Menschen aus (43,6 %) oder glauben, dass die Erkrankung im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholkonsum (46,9 %) stünde. Einer neueren Studie gemäß assoziieren über 50 Prozent 43 E ntgegen dem selbstgegebenen Anspruch der Journalisten fallen gerade die Konstruktionen der Depression in den Massenmedien oft äußerst stereotyp aus. Die ausführliche Beschreibung hierzu findet sich in Kapitel 7. 44 Im Jahr 2017 bringen bereits 66,3 Prozent befragter Personen die Depression mit einer Stoffwechselstörung im Gehirn in Verbindung (Deutsche Depressionshilfe 2017).
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der Befragten den Ausbruch einer Depression mit »falscher Lebensführung« und 31,1 Prozent mit »Charakterschwächen« der Betroffenen (Deutsche Depressionshilfe 2017). Wenig überraschend also haben Barney et al. (2009) anhand von Gruppeninterviews mit depressiven Personen herausgefunden, dass Betroffene mit vielfältigen Formen der Diskriminierung und des Unverständnisses konfrontiert werden. Die geschilderten Erfahrungen zeigen, dass ihnen häufig Schwäche, Inkompetenz, Faulheit, Hypernervosität, Irrationalität, Gefühlskälte, Kauzigkeit, Unzuverlässigkeit, Unkontrollierbarkeit oder sogar Gefährlichkeit unterstellt werden. Kontaktvermeidung, Zurückweisung, Berührungs- oder gar Infizierungsängste sind oft die Folge.
Stigmatisierung als Personalisierung Die empirischen Befunde weisen darauf hin, dass Depressionen im Blick psychologischer Laien oft nicht primär als Krankheit beobachtet werden. Als Symbol für eine Vielzahl fragwürdiger Bedeutungen wird die Depressionssemantik vielmehr wie eine Information über die betroffene Person behandelt. Meistens wird nicht nur davon ausgegangen, dass depressive Menschen selbst für ihre Misere verantwortlich seien (Wolpert 2001: 223). Indem ihnen die Krankheitswertigkeit ihres Problems abgesprochen wird, werden sie zudem als deviante Persönlichkeiten eingestuft, die einfach die Ärmel hochkrempeln, sich zusammenreißen, endlich die Kurve kriegen und dann die Schönheit des Lebens genießen sollten. Demgemäß würde in Kanada Footballspielern, die sich als »depressiv« bezeichnen, von ihren Mannschaftskameraden oft vorgeworfen, derart ihre Willensschwäche und ihr verkorkstes Leben zu entschuldigen (DeLenardo/Terrion 2014: 49). Die emergente Logik der Stigmatisierung besteht dabei darin, dass nicht einfach nur einzelne Negativwerte attribuiert werden, sondern eine fundierende Alterität depressiver Personen gestiftet wird. Über eine Kettenreaktion der Zuschreibung von Charakterschwächen führt das Stigma zu einer negativen Generalisierung, die das kohärente Personsein der Betroffenen wie ein Kartenhaus zum Einsturz bringt und auf ein wenig vorteilhaftes Gesamtbild reduziert (Goffman 1975 [1963]: 14; Wetzel 2002: 189). »Depressive« seien demgemäß nicht entweder faul oder unzuverlässig oder leistungsunfähig, sondern tendenziell alles zusammen. Depressionen werden somit zu einer regelrechten Metapher des individuellen Scheiterns und Versagens.
Stigmatisierung als Reflexions- und Lernblockade Die Personalisierung des Problems taugt nicht nur, einen Schuldigen zu identifizieren. Sie fungiert überdies zur Abwehr alternativer Erklärungen. Somit steht sie wider jene Deutungsmuster, die die Pathogenese als »normal accident« der Leistungsfixierung im Spitzensport beschreiben und mit den Risiken der Ath-
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letenkarriere assoziieren. Stigmareaktionen wirken geradezu als Stoppregel zur Einschränkung von Systemref lexionen. Die Negativbewertung des depressiven Athleten kann als Zeichen für den Schutz der etablierten Erwartungshaltungen gedeutet werden. Sie ermöglicht, dass in der Organisation trotz Abweichung alles beim Alten bleiben kann. Ein interessantes Forschungsergebnis besteht weiterhin in der Veränderungsresistenz des Stigmas. Stigmatisierungstendenzen halten sich oft auch dann hartnäckig, wenn Auf klärungskampagnen geschaltet werden, in denen der psychiatrische Blick auf das Krankheitsbild Depression vermittelt wird (Pescosolido et al.: 1323ff.; Schnittker 2013: 84ff.; Corrigan/Kerr/Knudsen 2005: 184). Die weitgehende Immunität des Stigmas gegen Information und Auf klärung inspiriert zur Frage, inwiefern Stigmatisierung als kollektive Dynamik zu erklären sei, die arbeitsteilig vorangetrieben wird und ihr Eigenleben jenseits von mehr oder weniger aufgeklärten Psychen entfaltet. Im nächsten Kapitel wird deshalb der organisationale Kontext der Stigmatisierung depressiver Athleten fokussiert.
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Mobbing und Klatsch
Die Tendenz zur Stigmatisierung depressiver Personen bewegt sich nicht gesellschaftsweit auf demselben Niveau, sondern variiert in Abhängigkeit vom sozialen Kontext. Familien, Intimsysteme oder auch Freundeskreise beziehen sich auf die Individualität ihrer Mitglieder. Sie erweisen sich deshalb als hochgradig absorptionsfähig in Bezug auf Störungen der Kommunikation und hypothetische »Schwächen« des geliebten Partners bzw. geschätzten Freundes (Luhmann 2012 [1982]; Karp 1996: 134ff.; Schwartz 1957). Auch im Rahmen dieser Sinnbereiche sind den Beteiligten die zirkulierenden »stigmatising beliefs« über die Depression sicherlich bekannt. Sie führen aber nur selten zur Degradierung der betroffenen Person. Ohnehin blockiert die Detailkenntnis des Anderen das Durchschlagen von Vorurteilen in der Kommunikation. Sportorganisationen dulden die Individualität ihrer Mitglieder nur unter Sonderbedingungen: wenn sie deren sportliche Leistungsfähigkeit nicht behindert, sondern stabilisiert oder gar befördert. Darüber hinaus »entindividualisiert« (Wetzel 2002: 190) sie sich im Dienste von Erwartungskonformität, Leistungssteigerung und Erfolgsorientierung. Das Auftauchen einer Depression als Kommunikationsthema führt dann schnell auf das Glatteis moralischer Kommunikation, also zur Frage nach den Bedingungen der Achtung und Missachtung von Personen im jeweiligen Kontext (Luhmann 2012 [1984]: 319).
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Stigmatisierung als Moralisierung Im Rahmen der »leistungssportspezifischen Wertigkeitsstruktur« (Mayer/Thiel 2011: 129) läuft die Stigmatisierung von Athleten mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen regelrecht heiß. In Sportkadern wird selbst der individuelle Umgang mit gut diagnostizierbaren, medizinisch sichtbaren Abweichungen (wie z.B. grippalen Infekten, Magenschmerzen oder Bänderrissen) der Achtungsfrage durch Trainer und Mannschaft ausgesetzt. Krankheit und Verletzung werden zum Anlass, absoluten Leistungswillen unter Beweis zu stellen und die eigene Unversehrtheit in den Dienst der Organisation zu stellen (Roderick/Waddington/ Parker 2000). Gesundheitsriskantes Verhalten stellt eine wesentliche Komponente des Männlichkeits- und Statusgebarens im Sport dar (Messner 1990; Young/ White/McTeer 1994; Thiel/Mayer/Digel 2010). Umso weniger sind die mit dem Stigma Depression assoziierten Verhaltensmuster mit dem Idealbild von Athleten kompatibel. Eine Störung, die im öffentlichen Diskurs häufig für Willensschwäche, Motivationsverlust, Pessimismus, Unzuverlässigkeit, Minderleistung, Weiblichkeitsstereotype oder sogar Ansteckungsgefahr steht, stellt vielmehr das Gegenteil dessen dar, was die Sportorganisation in den Reihen ihrer Leistungs- und Symbolträger duldet. Um stigmatisierende Bewertungen in Gang zu bringen, reicht es sogar aus, wenn Betroffene durch abweichendes Verhalten auffällig werden, ohne dabei als »depressiv« bezeichnet zu werden. Treten mögliche Anzeichen einer depressiven Symptomatik bei einem Athleten auf, wie eine Abnahme von Initiative, vermehrtes In-sich-gekehrt-sein oder eine verminderte Expression von Emotionen, kann dies in der Logik der auf Leistungserbringung fokussierten Organisation als Faulheit, fehlender Ehrgeiz oder selbstverschuldetes Leistungstief gedeutet werden. Genau diese Verhaltensweisen sind in der Steigerungslogik des Spitzensports aber inakzeptabel, können einen Vertrauensentzug von Trainerteam und Mitspielern nach sich ziehen und zu abwertenden Kommentierungen über die ganze Person führen. Demgemäß ordnete Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender beim FC Bayern München, das introvertierte Verhalten Sebastian Deislers nach seinem Wechsel von Hertha BSC Berlin ein: »Sebastian glaubt«, monierte er, »dass es reicht, wenn er trainiert und samstags spielt. Aber beim FC Bayern ist das nicht genug.« (Der Spiegel 49/2003: 156)
Stigmatisierung als Gruppendynamik In der Außendarstellung erscheinen Mannschaftskader oft als eingeschworene Gemeinschaften, in denen alle Mitglieder an einem Strang ziehen und ihre Schwächephasen wechselseitig kompensieren. In der Innensicht erweisen sich
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die typischen Beziehungsmuster jedoch oftmals als konf liktäre Zweckverbünde.45 Infolge der Konkurrenzsituation um knappe Güter und Positionen wie Trainerund Sponsorenaufmerksamkeit, Gehaltszahlungen, Einsatzzeiten, Siegprämien oder Vertragsverlängerungen teilen sie sich bald in verschiedene Lager auf oder bestehen gar aus Einzelkämpfern. Auch wenn sich kleinere Zirkel bilden, in denen über Probleme, Sorgen und Ängste gesprochen und Verständnis füreinander aufgebracht wird, lachen sich andere dennoch ins Fäustchen, wenn die direkten Konkurrenten um Kader- und Stammplätze durch kommunizierte Melancholiegefühle auffällig werden (Gulliver/Griffiths/Christensen 2012: 8). Sobald das Label »Depression« eingeführt wird, ist mit forcierter Stigmakommunikation zu rechnen. Unter den Konkurrenzbedingungen des Spitzensports sind depressive Erkrankungen im Team nicht nur kritische Anlässe für öffentliche Solidaritätsbekundungen. Spätestens wenn es darum geht, sich infolge der Irritation etablierter Rang-, Macht- und Reputationsordnungen zu positionieren, mag sich die Ideologie vom bedingungslosen Zusammenhalt im Sport als illusorisch erweisen. Am Betroffenen lässt sich vielmehr ein Exempel statuieren, das die Werte symbolisiert, nach denen im Spitzensport Achtung verliehen wird. Der einstmalige Hoffnungsträger Sebastian Deisler (ders./Rosentritt 2010: 229ff.) berichtet, dass er durch seinen Klinikaufenthalt einen erheblichen Ansehensverlust im Kader des FC Bayern erlitten habe, den er aufgrund der ständigen Ein- und Auswechslungen auf sportlichem Weg nicht mehr kompensieren konnte. Im Rahmen des informalen »Lärms an Nicht-Entscheidungskommunikationen« (Wetzel 2004: 128) in der Organisationskultur zeigt sich die Organisation »personenempfindlich« (Fuchs 2014: 33). Dort finden nicht nur kompensatorische Selbstdarstellungen von Stelleninhabern statt. Überdies wird die abweichende Individualität einzelner Mitglieder regelmäßig zum Gesprächsthema. Im Spitzensportkontext findet die Kommunikation in Umkleidekabinen, in Trainingslagern, auf dem Vereinsgelände, bei An- und Abreiseszenarien, auf der Stadiontribüne oder bei gemeinsamen Freizeitaktivitäten ausreichend Gelegenheit für das »unauf hörliche Schwatzen« (ebd.: 89), bei dem Klartext gesprochen und die soziale Wirklichkeit konstruiert wird, mit der depressive Athleten zurechtkommen müssen. Dem Stigma kommt im Sport, so gesehen, eine Doppelfunktion zu: Es ermöglicht nicht nur, einen Umgang mit dem Störthema Depression zu institutionalisieren, sondern auch bestehende Konkurrenzen und Animositäten zu verschärfen. 45 H anna (1979: 201f.) gibt das Beispiel eines kanadischen Athleten. Dessen Gewohnheit, seine wahren Gefühle selbst innerhalb der eigenen Sportmannschaft zu verheimlichen und dramaturgisch zu überspielen, begründet der Sportler gerade mit seiner auf Erfahrung gebauten Überzeugung, »[…] that to a certain extent even […] own team-mates were potential competitors.«
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Insofern kann vermutet werden, dass Stigmakommunikation gerade im Sportkontext weniger auf Wissensdefizite verweist. Stattdessen wäre zu überlegen, ob sich »Depressiven-Mobbing« nicht vielmehr gruppendynamisch entfaltet und als eine Form von »Locker Room Talk« (Curry 1991) zu beschreiben ist. In diesem Fall würde die Stigmakommunikation Mitteilende selbst dann verlässlich motivieren, wenn deren persönliche Sicht der Dinge vom gruppenöffentlichen Meinungsbild abwiche (DeLenardo/Terrion 2014: 50). Die Trainer, denen eine Funktion als »gatekeeper« für einen offenen Umgang mit psychischem Leidensdruck und hilfesuchendem Verhalten sowohl zugeschrieben (Gulliver/Griffiths/Christensen 2012) als auch angedacht wird (Pierce et al. 2010), werden dabei, dies zeigt wiederum der Fall Deisler, nicht unbedingt zu einer vermittelnden Instanz, die mit dem Stigma bricht. Da ihnen Erfahrungswerte im Umgang mit depressiven Personen womöglich fehlen, vor allem aber, weil sie selbst mit großem Erfolgs- und Legitimationsdruck konfrontiert werden, wirken ihre Entscheidungen potenziell problemverschärfend (vgl. Deisler/Rosentritt 2010: 250ff.). Zwar verdeutlichen Anekdoten, dass Stigmakommunikation auch in Form von Mobbing auftritt, das den Diskreditierten direkt mit der Fremdbeschreibung seiner Person konfrontiert. Mit Verweis auf soziologische Studien aus anderen Bereichen (Goffman 1973 [1961]: 158ff., 2013 [1959]: 158), lässt sich dennoch vermuten, dass ein großer Teil stigmatisierender Kommunikation in der Klatschkommunikation stattfindet. Klatschbedingungen sind dann gegeben, wenn der Betroffene abwesend ist, also zum Thema der Kommunikation werden kann, ohne als ihr Adressat infragezukommen (Kieserling 1998, 1999: 319ff.; Bergmann 1987: 66ff.). Kommunikation, die klatscht, erweist sich als in höherem Maße offen für den Rückgriff auf Missbilligungsformeln. Aus funktionaler Sicht stellt sie keine fiese Angelegenheit dar, die von zwielichtigen Charakteren betrieben wird. Vielmehr kommt ihr eine beziehungsstif tende und normstabilisierende Funktion zu. Im Klatsch betonen die Kommunikationspartner nicht nur, was sie vom Thematisierten halten. Gleichzeitig schließen sie sich zu einem Klatschzirkel zusammen und bringen zum Ausdruck, wo sie sich ihrerseits sehen. Lobklatsch (über sich selbst) und Schimpf klatsch (über andere) sind untrennbar miteinander verknüpft (Elias/Scotson 1993: 166). Der kommunizierte Achtungsentzug stellt eine »raffinierte Methode des Selbstlobs« (Paris 1998: 127) dar, bei dem sich die Klatschenden nicht einmal explizit erwähnen müssen. Der Umweg über das Klatschen sollte jedoch nicht auf irgendeine Vor- bzw. Rücksicht zurückgeführt werden, die dem Betroffenen schamvolle Erlebnisse erspart. Die physische Abwesenheit ist vielmehr der erste Keil, der zwischen die Klatschsubjekte und das Klatschobjekt getrieben wird. Während der Thematisierte aus dem Klatschkartell ausgeschlossen wird, entsteht hinter seinem Rücken ein kollektives Wissen über ihn. Aus dieser Unterlegenheitsposition heraus hat der
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Geklatschte keine Möglichkeit, die Fremdbeschreibung seiner Person mit seiner eigenen Realität zu konfrontieren (Fine 1977: 183; Bergmann 1987: 166). Klatschen dient folglich als überaus »geschmeidiges Machtmittel« (Paris 1998: 128), das – wenngleich eher hinterhältig und dezent als direkt und offen – strategisch eingesetzt wird und eine verschwörerische Macht über den Geklatschten entfalten kann. Während Klatschende in anderen Bereichen oft dafür Sorge tragen, dass die Geklatschten von ihrem Gerede nichts mitbekommen, scheint ein Höchstmaß an Klatschf luss in Sportorganisationen zweckdienlich. Indem der Geklatschte von den Klatschversionen über seine Person erfährt, werden dessen ohnehin prekäre Position in der Gruppe verschärft und bestehende Gräben vertieft. Sebastian Deisler beispielsweise bekommt sie mit, »[…] die mitunter subtilen Gehässigkeiten in der Bayern-Kabine. Er spürt, wie einige seiner Mitspieler ihn teils hinter vorgehaltener Hand, teils offen als Kranken, als Spinner verhöhnen, zum Beispiel indem sie ihn ›Deislerin‹ nennen.« (Deisler/Rosentritt 2010: 253) Mobbing und Klatsch fungieren wie ein kollektives Misstrauensvotum. Sie stellen den Klatschenden eine »Konsensfiktion« (Hahn 1983) zur Verfügung und bauen im Medium des Misstrauens gegen den geklatschten Mannschaftskollegen eine neue Ordnung auf. Denn auch Misstrauen absorbiert Unsicherheit und lässt paradox erwarten, dass mit Enttäuschungen im Umgang mit dem depressiven Mannschaftskollegen zu rechnen ist. Ein in der Breite wirkender Mitleidskoeffizient ist unter diesen Bedingungen nicht anzunehmen. Eher ist davon auszugehen, dass Mobbing und Klatsch zu Abgrenzungsdynamiken führen, die betroffene Sportler immer mehr zu sozialen »Outsidern« werden lassen und bald Fliehkräfte aus der Organisation hinaus freisetzen. Im Rückblick zieht der einstige Hoffnungsträger Deisler ein bitteres Fazit: »Ich bin nie mehr Teil des Ganzen geworden, ich war so weit weg von der Mannschaft.« (Zeit online vom 1.10.2009)
Stigmatisierung als Hinterbühnenphänomen Die Anwendung des Stigmas Depression absorbiert einerseits zwar Unsicherheiten im Umgang mit dem Störthema. Andererseits erzeugt sie aufseiten des betroffenen Athleten Erfahrungen, die die Organisation selbst in ein problematisches Licht rücken. Als Umwelt des Systems Massenmedien, das zumindest dem Anschein nach auf Enttabuisierung und Entstigmatisierung setzt und für den Schulterschluss aller gegen die »Volkskrankheit« plädiert, muss die Stigmatisierung depressiver Athleten innerhalb der Organisation nach Möglichkeit geheim bleiben. Korporative Sportakteure dürfen das Bild, das sie in der Öffentlichkeit erzeugen, nicht aus den Augen verlieren. Um ihre gesellschaftliche Legitimität und die Publikumsgunst zu wahren, sind sie dazu angehalten, »Spiegeltänze« (Luhmann 2009 [1981]: 37) aufzuführen, also stets zu antizipieren und darauf zu reagieren,
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wie massenmedial über sie berichtet wird. Die sportsoziologische Dopingforschung (insb. Bette/Schimank 1996) hat gezeigt, dass Sportvereine und -verbände eine Form von »Scheinheiligkeit« (Brunsson 2006 [1989]) ausbilden, um Dilemmata zwischen öffentlicher »Vorderbühne« und organisationaler »Hinterbühne« zu lösen. In einer empirischen Untersuchung hat Fahrner (2008) rekonstruiert, wie Sportverbände sich auf der offiziellen »Talk«-Ebene reformwillig geben, während die »Action«-Ebene des tatsächlichen Handelns oft unberührt davon bleibt. Für den Umgang mit depressiven Athleten ist erst recht anzunehmen, dass korporative Sportakteure das Nötige tun, um die internen Herabwürdigungen nach außen zu verbergen. Vor diesem Hintergrund erscheint in einem anderen Licht, wenn sie sich in »ceremonial conformity« (Meyer/Rowan 1977: 341) üben, den Betroffenheitsduktus aufgreifen und ihre Problemdeutungen an die skandalträchtigen Versionen der Massenmedien angleichen. Auf Pressekonferenzen, in TV-Interviews sowie im Rahmen von Trauerritualen werden Depressionen gerade nicht mit devianten Persönlichkeitsstrukturen assoziiert, sondern in ihrer ganzen »Tragik« begriffen als Struktureffekt, den die Organisation mitverursacht hat.46 In den Depressionen seiner Athleten schaut der Spitzensport, dieser Konstruktion gemäß, in die eigenen Abgründe. In seiner akuten Not loben die Entscheidungsträger in den Vereinen und Verbänden das mutige Bekenntnis, sprechen vom Menschen hinter der exponierten Athletenfigur, betonen die Heimtücke der Krankheit Depression, erheben die Gesundwerdung zum Gebot der Stunde, heben ihren ständigen Austausch mit der Familie des Betroffenen hervor und ordnen sich auf diese Weise selbst dem Kreis dieser Allernächsten zu.47 Vor allem mit Blick auf die Zukunft des Sports geben sich die Funktionäre einsichtig wie lernbereit. Unter Zugzwang üben sie sich in Selbstbegrenzungsrhetorik, betonen die höhere Bedeutung von Gemeinschaft, prangern das »martialische Denken« (Theo Zwanziger) im Spitzensport an, stellen die intensive Zusammenarbeit mit Sportpsychologen in Aussicht und halten Trauerrituale ab, wenn der schlimmste Fall eintritt. In der öffentlichen Darstellung wird also nicht die Passfähigkeit des Sportlers in die Organisation infragegestellt, sondern – der Logik ökologischer Kommunikation gemäß – die Passfähigkeit der Organisation in ihre menschliche Umwelt. 46 Z u diesem Verständnis von »Tragik« vgl. Luhmann (2008 [1985]: 18). 47 Als prägnantes Beispiel hierzu: »Der FC St. Pauli unterstützt Andreas Biermann in seiner Entscheidung für den Gang in die Öffentlichkeit. Der gesamte Verein wird im Rahmen seiner Möglichkeiten ihm und seiner Familie jegliche Unterstützung zukommen lassen. […] Wir, als Verein und Arbeitgeber, werten es als außerordentlich positiv, dass Andreas Biermann die Entscheidung getroffen hat, sich in stationäre Behandlung zu begeben. Während dieser Zeit des Klinikaufenthalts stehen einzelne Personen aus Familie, Freundeskreis und der Trainer in Kontakt zu ihm […] Alle Konzentration gilt dem Heilungsprozess von Andreas Biermann und der Unterstützung seiner Familie.« (Biermann/Schäfer 2011: 128; hierzu ebenfalls: 173, 188f.)
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Im Kontext der Gedenkfeier zum Tod Robert Enkes beispielsweise bedienen sich die Entscheidungsträger von Fußballvereinen und -verbänden religiöser Sinnmotive (Sammet/Gärtner 2012) und weisen den Leistungsgedanken in seine Schranken, während der heimliche Lehrplan des Ereignisses die Logik des Sports kontinuiert. Bei Auf bahrungen am Mittelkreis, Allgegenwart von Sportritualen, relativer Abwesenheit kirchlicher Symbolik, andächtiger Lebensrhetorik durch den DFB-Präsidenten, Applaus für die Fußball-Hymne (»You’ll never walk alone«), verhaltenem Beifall für die Rede des Pfarrers und Kondolenzbekundungen in der VIP-Lounge will der religiöse Funke nicht so recht zünden. Im Hochhalten der Vereinsschals gerinnt die Inszenierung zu einem Evangelium von dieser Welt: Sport und Fußball leben weiter.48
10.3 Exklusionsdriften In zeitlicher Hinsicht ermöglicht der Rückgriff auf wenig komplexe Deutungsschablonen eine schnelle Entstörung. Stigmata sind spontan verfügbar, direkt konsensfähig und aufgrund ihres hohen Generalisierungsgrads auf verschiedene Einzelfälle anwendbar. In Anlehnung an Wetzel (2004: 193; Herv., F.K.) lässt sich Stigmakommunikation als fast ref lexhaft ablaufende, relativ kognitionslose »Immunreaktion« deuten, die den Entscheidungsnotstand im Umgang mit dem betroffenen Athleten unter hohem Zeit- und Kontingenzdruck bearbeitet. Im Gegensatz zu soziologischen Analysen, die auf Moralisierungen verzichten, Evidenzen auf lösen, Kontextbedingungen berücksichtigen, Funktionen unterscheiden und mit komplexen Denkfiguren operieren, stellt Stigmatisierung ein »abgekürztes Verfahren« (Luhmann 2012 [1984]: 505) dar, bei dem nicht weiter nachgefragt wird, weshalb depressive Athleten depressiv werden, oder was sich aus einer Perspektive zweiter Ordnung über Stigmatisierung sagen ließe.
Stigmatisierung als Chronizitätsunterstellung Stigmata sind allerdings nicht nur schnell verfügbar und relativ unspezifisch verwendbar. Indem sie gerade im Spitzensport oft exkludierende Wirkungen entfalten, tendieren sie überdies dazu, als dauerhaf te Lösungen für das Organisationsproblem zu fungieren. Dies ergibt sich bereits daraus, dass mit der Konstruktion einer devianten Persönlichkeit eine relativ veränderungsresistente Größe angenommen wird. Vor allem aber infolge der sozialen Unsichtbarkeit depressiver Erkrankungen, erweist sich das Stigma Depression als weitgehend falsifikationsresistent. Es wirkt gleichsam wie ein Filter, der die Aufmerksamkeit 48 Die ausführliche Auseinandersetzung mit der Trauerfeier zum Tod Robert Enkes als einer »riskanten Liturgie« aus der Sicht des Religionssystems liefert Beckmayer (2011). Vgl. außerdem Queckenstedt (2013: 255ff.).
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auf schemarelevantes Verhalten fixiert und das Gesamtbild der Person durch die beschriebenen Kettenzuschreibungen komplettiert. Aufgrund der relativen Ununterscheidbarkeit zwischen normalen und pathologischen Reaktionen zwingt das Stigma Depression Einzelwahrnehmungen ins vorgegebene Muster (Wetzel 2002). Unter diesen Bedingungen lassen sich auch »natürliche« Gefühlsregungen wie Trauer, Zweifel oder Wut als Erfüllung der stigmabedingten Erwartungen einordnen. Wer einmal als depressiv markiert ist, wird dieses Etikett nur schwer wieder los. Beispiele aus dem Sport zeigen, dass bei der Beurteilung »depressiven Verhaltens« erhebliche Deutungs- und Interpretationsspielräume bestehen. Ist eine Tendenz zum Misstrauen einmal entstanden, hält sie sich deshalb oft ultrastabil. Auch nach überstandener Therapie fragen sich die Beteiligten im Umfeld des Betroffenen oft: Ist der Athlet wieder voll belastbar? Kann er den Ansprüchen der Organisation noch gerecht werden? Droht stets ein Rückfall? Passt er als Person überhaupt in den Spitzensport? Selbst hartgesottene Trainerautoritäten können dann zu sensiblen Beobachtern ihrer Schützlinge werden, deren Verunsicherungen, Befindlichkeiten, »Kopfprobleme« (Deisler/Rosentritt 2010: 240) oder auch Kampfansagen nicht mehr als angemessen bewertet, sondern als krankhaft abgestempelt werden. Sogar sportliche Fehlleistungen in Training oder Wettkampf werden als symptomatisches Versagen begreif bar. Selbst das Aufsteuern auf Konfrontationskurs im Falle der Nichtakzeptanz von Trainerentscheidungen (ebd.: 241ff.),49 durchaus als Zeichen für regeneriertes Selbstvertrauen und sportlichen Ehrgeiz deutbar, wird als Anzeichen für einen akuten oder drohenden Rückfall beobachtet. Infolge dieser Mischung aus Persönlichkeitskonstruktion und Symptomunterstellung ist wenig überraschend, dass die Depression im Spitzensportkontext oft als chronisches Problem konstruiert wird, das sich nicht therapeutisch beheben lässt. Scheinbar gut gemeinte, auf Verständnis plädierende Stellungnahmen offenbaren, dass Trainer, Sportdirektoren und Mitspieler häufig mit bleibenden Einschränkungen rechnen. Nach Deislers stationärer Behandlung, deren Ende sein Psychiater als die »vollständige Wiederherstellung der Gesundheit« (Deisler/Rosentritt 2010.: 227; vgl. auch Holsboer 2009: 15) ausgegeben hatte, und auch trotz Deislers eigener Einschätzung, dass es den »Patienten Sebastian Deisler« (ders./ Rosentritt 2010: 238) nicht mehr gebe, bleibt sein Vereinsumfeld beim FC Bayern München skeptisch. Sein Mannschaftskollege Michael Ballack gibt in einem Fernsehinterview zu bedenken: »Er (Deisler, F.K.) sollte für sich sein inneres Gleichgewicht finden, und man sollte ihm die Zeit geben, gesund zu werden«, und fügt 49 Als der damalige Bayern-Trainer Felix Magath seinen Spieler trotz anhaltender guter Leistungen wiederholt nicht aufstellt, revoltiert Deisler gegen die gefühlte Ungerechtigkeit und reist umgehend aus dem Mannschaftshotel in Turin ab (Deisler/Rosentritt 2010: 241).
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hinzu, man müsse auch akzeptieren, »[…] wenn er vielleicht sagt: Es geht halt nicht mehr.« (ebd.: 229) Deisler müsse gerade auch vor sich selbst und seinem eigenen »Hype« geschützt werden (ebd.: 245). Sein Trainer Felix Magath glaubt sich noch Jahre später zu erinnern, dass Deisler im Rahmen seiner Versuche zur Wiedereingliederung »eigentlich nie gesund« (ebd.: 251) gewesen sei, meint damit aber womöglich auch Deislers Verletzungsgeschichte. Uli Hoeneß gesteht, er sei sich anfangs nicht sicher gewesen, ob ›das wieder werde‹ (ebd.: 228). Selbst im Rückblick bewertet er dessen Entscheidung zum Karriereende im Januar 2007 im Gegensatz zu Deisler selbst weniger als Folge der anhaltenden Kniebeschwerden, sondern ist überzeugt: »Der Kopf hat das Knie nicht getragen. Die Probleme seines Knies waren die Konsequenz von den Problemen im Kopf.« (ebd.: 285)50 Andreas Biermann und seine Frau machen ähnliche Erfahrungen. Als Biermann sich nach seinem Suizidversuch noch in der Klinik befindet, habe sich der damalige Team-Manager des FC St. Pauli für den Geschmack Juliane Biermanns ein wenig zu aufdringlich nach der erwartbaren Zukunft ihres Mannes erkundigt: »Was denkst du denn«, erinnert sie sich an das Gespräch, »will Andi nochmal Fußball spielen? Ich habe gesagt: Auf alle Fälle, er will dafür kämpfen, dass er zurückkommt. Er sagte: Bist du dir sicher? Vielleicht ist es besser, wenn er auf hört?« (zit. in Biermann/Schäfer 2011: 176) Biermanns Schilderungen machen weiterhin deutlich, dass Vereine auch finanzielle Gründe haben können, betroffenen Athleten den Status als »geheilt« zu verweigern. Denn ihre reduzierten Bezüge im Krankheitsfall werden von der Krankenkasse übernommen (Biermann/Schäfer 2011: 169f.). Das »Exklusionsdriften« (Wetzel 2004: 16) beschränkt sich überdies nicht auf den Spitzenfußball. Der Deutschlandfunk (Beitrag vom 8.11.2015) berichtet von den Erfahrungen einer Psychotherapeutin, die mehrere Spitzensportler behandelt. Diese habe Sportler begleitet, »[…] bei denen es sehr erschreckende Situationen gegeben hat. Dass sie sich nach langer Zeit des Leidenswegs geoutet haben und fallen gelassen worden sind. Keine Förderung mehr erhalten haben, ausgetauscht wurden.«51
Stigma als (Re-)Inklusionshemmung Das Stigma Depression lässt die Athleten allerdings nicht nur über Ansehensverluste, Abgrenzungsdynamiken und Chronizitätsunterstellungen aus Sportorganisationen hinausdriften. Häufig blockiert es anschließend die (Re-)Inklusion in 50 D eisler wurde in seiner Karriere siebenmal operiert, davon sechsmal am rechten Knie. Zusätzlich litt er unter zahlreichen Muskelverletzungen sowie Faser- und Bänderrissen. Seine Krankenakte lese sich gar wie das »[…] medizinische Bulletin eines Unfallopfers, das nur mit Glück überlebt habe« (Deisler/Rosentritt 2010: 266). 51 Auch Sportpsychiater Tobias Freyer berichtet von Spitzensportlern, »[…] die höchstwahrscheinlich aufgrund ihres offenen Umgangs mit der Erkrankung ihren Vertrag nicht verlängert bekamen« (kicker online vom 24.8.2017).
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andere Vereine bzw. Verbände. Da die Medien als Verbreitungsmedien wirksam werden, weiß in kürzester Zeit der Großteil der »Szene« über einen bestimmten Fall Bescheid. In der Folge herrscht dann häufig Skepsis bezüglich einer möglichen Verpf lichtung des betroffenen Sportlers. Diese Abwehrmechanismen lernt jedenfalls Andreas Biermann kennen, als er sich gegen die Empfehlung seiner Therapeutin für eine Fortsetzung seiner Fußball-Karriere entscheidet (Biermann/Schäfer 2011: 148ff.). Obwohl ihn sein Berater auf dem Transfermarkt anbietet, gehen keine ernstzunehmenden Anfragen ein. Vor allem wird befürchtet, Biermann könne die Belastung im Profisport nicht mehr verkraften. Holger Stanislawski, sein ehemaliger Trainer offenbart seine fallbedingte Einschätzung zum Stigma Depression im deutschen Spitzenfußball: »Wenn ein Profiklub hört, Andreas Biermann könnte bei uns spielen, dann heißt es schnell: Oh, der hat Depressionen, damit wollen wir jetzt gar nicht erst anfangen. Es wird nicht viele Trainer geben, die einen depressiven Profi aufstellen würden, selbst wenn er in Behandlung wäre.« (zit. in Biermann/Schäfer 2011: 183)52 Auch als Stanislawski seinerzeit über einen Transfer Jan Šimáks nachdachte, der ebenfalls als »depressiv« gegolten hatte, sei ihm mehrfach geraten worden, lieber die Finger davon zu lassen (ebd.: 182). Biermann selbst resümiert seine Sicht auf das Scheitern seines Karrierewegs: »Dass Depressionen heilen, ist noch nicht in den Managerköpfen verankert.« (ebd.: 186) Armin Veh, damals als Trainer beim Hamburger SV tätig, tut es leid. Dennoch geht auch er davon aus, dass kein Verein einen depressiven Spieler rekrutieren würde; und dass es auch für diese selbst besser sei, sie würden ihren Beruf nicht länger ausüben (Hamburger Abendblatt vom 9.11.2010).
Stigma zwischen Fremd- und Selbstbeobachtung Das Stigma Depression fungiert nicht nur als Schema in der Fremdbeobachtung durch andere. In dem Maße, wie es die Unterscheidungen liefert, die andere ihren Beobachtungen zugrundelegen, gerinnt es gar zu einem Erwartungsbündel, das an die betroffenen Athleten gerichtet wird. Schicksalhaft wird das Stigma Depression folglich nicht nur aufgrund seiner Immunität gegen mögliche Widerstände des diskreditierten Sportlers. Es wirkt erst recht dauerhaft, wenn es die Unterscheidungen fundiert, mit denen der depressive Athlet sich selbst zu beobachten und zu beschreiben beginnt. 52 D emgemäß berichtet Martin Fenin, dessen Lebenskrise ebenfalls im Medium des Depressionsbegriffs kommuniziert und mit allerlei Suchtunterstellungen unterfüttert wurde, dass Trainer, die sich mit einer Verpflichtung des Spielers beschäftigen, noch lange Zeit später fragen: »Trinkt der noch?« (Elf Freunde vom 6.4.2015)
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Sozial- und geisteswissenschaftliche Analysen haben vielfach darauf hingewiesen, dass die Diagnose einer psychischen Erkrankung konkrete Rollenerwartungen an »ihre« Betroffenen stellt. Hacking (2002: 164f.) geht davon aus, dass psychiatrische Krankheitsbilder »interaktiv« wirkten, also das Selbsterleben von Personen veränderten und diese dazu bewegten, »[…] ihre Gefühle und ihr Verhalten zum Teil aufgrund dieser Klassifikation zu entwickeln.« Goffman (1973 [1961]: 128) studiert die sozialen Folgen der Behandlung als »geisteskrank« geltender Personen in psychiatrischen Einrichtungen. In der ohnehin schwierigen Lebensphase würden ihre etablierten Selbstbeschreibungen durch eine anstaltsinterne Version ersetzt, während jegliche Versuche zur Distanzierung ihrer neuen Rolle negativ sanktioniert würden. In Scheffs (1963, 1980 [1966]) Theorie der Geisteskrankheit ist das, was als »Geisteskrankheit« bezeichnet wird, eine gesellschaftliche Rolle, deren Erwartungscollage sich ihre Inhaber mit der Zeit aneignen und in ihre Selbstbeobachtung übernehmen (ders. 1980 [1966]: 47). Bestimmte Konzepte verweisen explizit auf die Prägung des Selbst durch Stigmata und Stereotype. Mit dem Begriff »minstrelization« wird z.B. die Tendenz diskreditierter Akteure bezeichnet, stigmatisierende Fremdbeschreibungen als Maßstab für die eigene Selbstdarstellung zu übernehmen, zu erfüllen und regelrecht zu übertreiben (Broyard 1950; Goffman 1975 [1963]: 137).53 Folgt man diesen Überlegungen, lässt sich das Stigma Depression im Sportkontext als Erwartungsbündel verstehen, das die selektive Einschränkung des Verhaltens sowohl aufseiten des betroffenen Athleten als auch seines organisationalen Umfelds ermöglicht. Es produziert Erwartungserwartungen und liefert dem depressiven Sportler somit Handlungs- und Verhaltensanweisungen für seine Rolle als »depressiver Athlet«. Im Folgenden wird die Gefahr beschrieben, dass das Stigma Depression auf diesem Weg zu einer »selbsterfüllenden Prophezeiung« (Merton 1948; vgl. auch Watzlawick 2016 [1985]) wird, indem es den sozialen Grundmechanismus der Erwartungserfüllung anstößt, über hin und her f lottierende Feedback-Schleifen einreguliert wird und zu einem identitätsstiftenden Merkmal im Bewusstsein des betroffenen Athleten gerinnt. Eine generelle Anfälligkeit für die Übernahme stigmabedingter Erwartungen lässt sich gerade für depressive Selbstbeobachtung annehmen. Insofern diese insbesondere auch das Gefühlsleben beeinträchtigt, irritiert sie jenen Bereich, in dem Menschen sich in besonderer Weise als »normal« erleben möchten (Coates/ Peterson 1982: 154ff.). Umso mehr führt Depressivität zu einer Ruptur im sozia53 H insichtlich der Übernahme rassistischer Vorurteile durch dunkelhäutige Menschen hält Broyard (1950: 59) beispielsweise fest: »Minstrelization results from the Negro’s acceptance of his situation as defined by the anti-Negro, and his attempt to make himself comfortable in it.« Auch Elias/Scotson (1993: 182) beschreiben die Emergenz einer »stillschweigenden Übereinstimmung«, die sich zwischen der abschätzigen (Etablierten-)Meinung der einen Gruppe und den Denk- und Verhaltensweisen der anderen (Außenseiter-)Gruppe entwickelt.
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len Zugehörigkeitsgefühl betroffener Personen (Simon 2004: 124).54 Schilderungen depressiver Athleten machen deutlich, dass gerade die Unmöglichkeit, sich in Zeiten sportlichen Erfolgs mit dem Rest der Mannschaft über Klassenerhalt, Pokalsieg, Aufstieg oder gute Leistungen zu freuen, tiefe Einschnitte in der Selbstbeobachtung depressiver Athleten erzeugt (Biermann/Schäfer 2011: 19). Gerade wenn die stigmatisierte Person mit sich selbst am Hadern ist und ihrem eigenen Urteil zunehmend misstraut, folgt sie leicht den Beschreibungen, die andere von ihr anfertigen. Sebastian Deisler (ders./Rosentritt 2010: 242) stellt seinen regenerierten Trainingsehrgeiz in Anbetracht der allgegenwärtigen Zweifel in seinem sportlichen Umfeld bald selbst infrage: »Bringe ich das noch? Traue ich mir das überhaupt noch zu? Hält mein Knie das aus?« Die resultierende Verbitterung verschärft seinen ohnehin ausgeprägten Isolationismus innerhalb der Mannschaft und schlägt bald in Angst vor einem Rückfall um (ebd. 246). Wo sich die Akteure jedoch lernunwillig zeigen, an ihrer Ahletenidentität festhalten, sportliche Ambitionen regenerieren und »phantasies of the ›I’ll show them‹ kind« (Goffman 1952: 459) kultivieren, erweisen sich die einstmaligen Förderer scheinbar nicht immer als hilfreich. Im Fall Biermann zögern sie bei der Vertragsverlängerung und referieren mit erhobenem Zeigefinger über die höhere Bedeutung »mentaler Stärke« und äußerster Disziplin im Sport (Biermann/Schäfer 2011: 168ff.). Nicht unabhängig vom Entzug der Ressourcen, die die Sportorganisation in Form von Traineraufmerksamkeit, Zugehörigkeitsgefühl, gutem Zuspruch, Einsatzzeiten oder lukrativen Verträgen gewährt, werden die Akteure zur Abstandnahme vom Sport bewegt – vor den Augen der skandalorientierten Öffentlichkeit weitgehend geschützt. Deisler (ders./Rosentritt 2010: 36f.) fasst seine Erfahrungen demgemäß zusammen: »Ich habe mir viele Gedanken gemacht und bin zu der Erkenntnis gelangt, dass ich so, wie alles gelaufen ist, nicht geschaffen war für dieses Geschäft.« Die Kehrseite der »Härte« des Sportsystems rückt als »Schwäche« des Einzelnen in den Blick. Auch wenn Deislers Fazit einfach klingt, ist er von den Gründen für seine Schwierigkeiten und der Entscheidung zum Karriereende überzeugt: »Man muss härter sein als ich!« (Zeit online vom 1.10.2009) Mit der Gesellschafts- und Organisationsebene sind wesentliche Umweltbedingungen analysiert, mit denen Spitzenathleten im Falle depressiver Selbstbeobachtung konfrontiert werden. Der nächste Abschnitt der vorliegenden Untersuchung setzt sich im Detail damit auseinander, wie Betroffene ihre prekäre Situation in diesem Kontext erleben und beschreiben.
54 D ies verdeutlicht der Einblick eines depressiven Nicht-Athleten in das Erleben seines Leidens: »The contrast between what you are supposed to feel at Disney World and what I felt was so enormous that it engulfed me.” (Karp 1996: 4f.)
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IV Betroffener Athlet: Von Selbstbeobachtung zu Selbstthematisierung Verschiedene Beobachter operieren mit je unterschiedlichen Fiktionen dessen, was sich im Bewusstsein depressiver Spitzensportler abspielt. Dabei beschäftigen sie sich jedoch, der eingangs formulierten Prämisse gemäß, mit der faktisch gegebenen Leidensfähigkeit des psychischen Systems. In diesem Teil der Arbeit wird der Fokus auf den betroffenen Athleten selbst gelegt. Zum einen werden die Kommunikationsprobleme unter die Lupe genommen, die sich beim Versuch der Kopplung von psychischem Leidensdruck und Kommunikation ergeben (Kap. 11). Zum anderen gilt es, die Funktionen autobiografischen Schreibens bei der Verarbeitung depressiver Lebensphasen zu analysieren und die narrativen Logiken, die diese Erzählungen typischerweise hervorbringen, zu rekonstruieren (Kap. 12). Zunächst wird die Beobachtung der Kommunikation allerdings zurückgestellt, um das depressive Bewusstsein selbst zu fokussieren. Gemäß der Doppelexistenz der Depression als psychischer und sozialer Konstruktion wird von ihrer Existenz als gesellschaftliche Tatsache auf die Seite des Erlebens, das mit Depressionen assoziiert wird, gewechselt.1 Man sollte jedoch keiner Illusion von den Möglichkeiten erliegen, die hierfür zur Verfügung stehen. Auch die folgen1 I m Folgenden wird bevorzugt der Erlebensbegriff verwendet, um über die Symptomatik der Depression zu reflektieren. Entgegen dem Wahrnehmungsbegriff, der einen systemischen Gebrauch von Unterscheidungen bezeichnet, bei dem Unterschiedenes als Einheit (z.B. als Baum auf einer Wiese, Wäsche an der Leine) konstruiert wird (Luhmann 1992: 20), markiert die Erlebenssemantik ein passives Moment der Welterfahrung. Luhmann (2009 [1981]: 80) konzipiert Erleben als Attributionsbegriff und stellt ihm den Begriff des Handelns gegenüber »[…] je nach dem, ob eine Selektion einem System zugerechnet wird oder nicht«. Wer erlebt, erlebt die Selektivität der (Um-)Welt, rechnet also eine systemeigene Zustandsänderung als fremdveranlasst zu (ders. 1992: 141ff). Wer handelt, handelt auf Basis eigener Selektionen. Indem in dieser Arbeit von »depressivem (Selbst-) Erleben« gesprochen wird, wird auf das Moment der Unverfügbarkeit der Krankheitserfahrung referiert, das im Symptombegriff angezeigt ist (Simon 1993: 471). Auch die Tatsache, dass Depressionen das Gefühlsleben beeinträchtigen, legt den Gebrauch der Erlebenssemantik nahe. Luhmann (2012 [1984]: 372) spricht explizit vom »Erleben« von Gefühlen und weist derart darauf hin, dass emotionale Reaktionen dem psychischen System weitgehend unwillkürlich sind und immer auf das Eigenleben des Körpers mitverweisen (Fuchs 2004b: 89ff.). Man fühlt nicht deshalb, weil man fühlen will. Wenngleich also das depressive Bewusstsein seine eigene
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den Beschreibungen stellen Konstruktionen der Kommunikation dar, die die Wirklichkeit des Bewusstseins nicht originalgetreu abbilden. Mithilfe des höheren Auf lösevermögens systemtheoretischer Fachbegriffe können dennoch aufschlussreiche Überlegungen zur psychischen Realität depressiver Spitzenathleten formuliert werden. In den nachstehenden Ausführungen ist explizit keine ätiologische Ref lexion geplant, die den generativen Mechanismus einer Depression zu entschlüsseln vorgibt. Ebensowenig kann die große Vielfalt der Symptomatologie von Freud-, Schlaf-, Interesse-, Hilf-, Hoffnungs- oder Antriebslosigkeit, über Libidoverluste, Gedankenkreisen und Konzentrationsstörungen sowie Gefühle von Wut, Hass und Schuld oder gar der Leere und Gefühllosigkeit bis hin zu Suizidgedanken erklärt werden, von denen Betroffene in unterschiedlichen Fällen berichten. Stattdessen wird eine systemtheoretische Rekonstruktion depressiver Wirklichkeitskonstruktion beabsichtigt, gleichsam eine Beobachtung depressiver Selbstbeobachtung, die sowohl Schilderungen betroffener Athleten als auch ausgewählte psychologische Theorien der Depression integriert. Im Anschluss an eine knappe Beschreibung des psychischen Systems (I.), wird die Realität depressiver Athleten anhand von vier Aspekten beleuchtet: Selbstbeobachtung (II.), Affektivität (III.), Negativität (IV.) sowie Sinnstiftung durch Zitation (V.). Ansprüche auf Vollständigkeit seien damit nicht erhoben.
I. Systemtheoretische Analysen operieren mit der Unterscheidung von biologisch-körperlichen, psychischen und sozialen Systemen, die ihre Selbstbezüglichkeit in einem je eigenen Medium sichern. Während biologisch-körperliche Prozesse auf der Basis von Leben funktionieren, also biochemische Stoffwechselvorgänge nach naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten prozessieren, und soziale Systeme Kommunikation an Kommunikation anschließen, bestehen psychische Systeme aus der Aneinanderreihung von Gedanken im Medium Bewusstsein. In Psychen beobachtet der je aktuelle Gedanke seinen vorherigen Gedanken und lässt infolgedessen den rekursiven Zusammenhang, der als »Bewusstsein« bezeichnet wird, überhaupt erst entstehen (Luhmann 2008 [1995]: 62ff.).2 Gemäß der Prämisse operativer Geschlossenheit gilt dabei immer, dass jeder Gedanke seine Existenz der Zugehörigkeit zum System verdankt und außerhalb der systemischen Operationen nicht gleichermaßen existieren kann. Man erlebt also »[…] Wirklichkeit konstruiert, erlebt es die Symptome und das damit verbundene Affektleben als eine fremde Macht. 2 Fuchs (1987: 219) beschreibt die hierin angelegte, stets paradoxe Nachherigkeit in autopoietischen Systemen am Beispiel des Intervalls (der Differenz) zwischen einem Ton und gerade verklungenen oder erwarteten Tönen in musikalischen Harmonien: »[…] der Sinn eines Tones ist durch die Differenz, in der er sich findet, bestimmt und nicht an sich selbst.«
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nie das Erleben eines anderen, man fühlt nicht seine Gefühle, und wenn man Gedanken wie er oder sie denkt, dann denkt man sie selbst« (Simon 2011: 7). Ebensowenig können systemfremde Elemente die Grenze des Bewusstseins überschreiten, um von außen in das System zu gelangen. Auch wenn bestimmte Gedanken durch Stimmungen gefärbt sind, und Stimmungen physiologisch-neurologisch bedingt sein mögen, werden sie im psychischen System nicht als Stoffwechselphänomene beobachtet, sondern eben als emotional getrübte Gedanken erlebt. Selbst die Annahme, dass eine Art Virus das eigene Gehirn befallen habe, ist ein Gedanke und kein Virus. Gleichermaßen mag die soziale Umwelt des individuellen Bewusstseins, z.B. familiäre Konstellationen, organisationale Mitgliedschaftsbedingungen oder der soziale Wandel, das phänomenale Erleben wohl beeinf lussen, sie determiniert es aber nicht. Noch wenn unbewusste Konf likte problemursächlich angenommen werden, spielt sich das Erleben der Depression im Bewusstsein ab. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird der Begriff Depression, und somit das Erkenntnisinteresse, folglich auf das kognitiv-emotionale Störungsbild bezogen. Denn für die Mitwelt zunächst nicht ersichtlich (und nach Preisgabe entsprechend überraschend, vielleicht sogar unglaubwürdig), zeigt sich die Depression dem Athleten in seinen Gedanken und Gefühlen.3 Fragen, ob die depressive Wirklichkeitskonstruktion krank, rational oder realistisch sei (vgl. hierzu Garrett 1984), gar als Strategie der Anpassung an soziale Situationen beschreibbar (Schleiffer 2013: 80ff.), können weitgehend unberücksichtigt bleiben.4 Die gesellschaftliche Umwelt wird nur insofern in den Blick genommen, als sie das Verständnis des depressiven Erlebens befördert, zum Beispiel weil sie die Erwartungen enttäuscht, mit denen das Bewusstsein operiert, den Sinnrahmen vorgibt, an dem es sich orientiert, oder die Begriffe anliefert, mit denen es sich beschreibt. Der operativen Geschlossenheit des psychischen Systems steht seine kognitive Offenheit gegenüber. Sie ist bereits in der konstitutiven Unterscheidung des Bewusstseins angelegt: der Dif ferenz Selbstreferenz/Fremdreferenz. Das psychische 3 E ntgegen beispielsweise psychotischen Symptomen, die zu sozial auffälligem Verhalten (z.B. in Form lauter Selbstgespräche an Bushaltestellen) führen können, betrifft das depressive Leiden primär die personale Selbstbeobachtung. Zur Beobachtung psychotischen Verhaltens im öffentlichen Raum vgl. Goffman (1971: 154): »Eine Psychose ist eine Krankheit, die jedem sichtbar wird: am Arbeitsplatz des Patienten, in seiner Nachbarschaft und zu Hause. Sie muß zumindest anfänglich als ein Verstoß gegen die an diesem Ort geltende soziale Ordnung gesehen werden.« 4 Die Bewertung der beobachteten Wirklichkeit als verzerrt, gestört, fehleranfällig, defizitär, irreal oder schlicht und ergreifend falsch, wie dies in psychotherapeutischen Theoriegebäuden bisweilen geschieht (vgl. Beck et al. 1999 [1979]: 32ff.; Beck 1999: 75ff.), verbietet sich dieser Arbeit bereits deshalb, weil solche Einschätzungen nur bei Annahme einer objektiven Wirklichkeit sinnvoll erscheinen. Dann müsste aber gefragt werden: Was ist der (objektive) Maßstab? Therapiebedarf lässt sich jedenfalls auch anders begründen, z.B. mithilfe der Unterscheidungen leidschaffend/ nicht-leidschaffend oder funktional/äquivalent.
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System zeichnet sich durch diese »Bi-Stabiliät« (Luhmann 2008 [1995]: 63) aus, die ihr mit jedem neuen Gedanken einen Seitenwechsel ermöglicht. Gedanken können sich entweder mit der Selbstreferenz befassen, z.B. Müdigkeit wahrnehmen, Langeweile empfinden, sogar die eigene Identität hinterfragen, oder an der Fremdreferenz anschließen, um sich beispielsweise durch das abendliche Fernsehprogramm unterhalten zu lassen oder von sportlichen Wettkämpfen mitgerissen zu werden. Jeder Gedanke bleibt zwar an sich ereignisförmig f lüchtig und lässt sich nicht festhalten. Im Laufe eines Lebens kondensieren dennoch unverwechselbare, selbstsubstitutive Strukturen, die Nichtbeliebigkeit erzeugen, Eigenrealitäten entfalten, systemtypische Erwartungsstrukturen bilden und somit das Denken und Handeln einer Person wesentlich prägen (ebd.: 73).
II. Auf dieser Theoriegrundlage gilt es, die depressive Konstruktion von Wirklichkeit zu beschreiben. Nichts anderes besagt die Hypothese, dass depressive Denkmuster »erlernt« würden.5 Dem Konzept des Lernens liegt die Annahme zugrunde, dass sich die kognitive Ordnung des psychischen Systems aus Anlass der Erfahrungen entwickelt, die es auf Basis seiner Strukturen verarbeitet und in die systemischen Erwartungen übernimmt. Was Routinen der Oszillation zwischen Fremd- und Selbstreferenz betrifft, mag es erhebliche Varianzen im interpersonalen Vergleich geben. Im operativen Normalmodus verliert sich das individuelle Bewusstsein allerdings selbstvergessen an das Sinnregime der Welt und problematisiert seinen Weltzugang dabei nicht. Wenn die Erwartungen, mit denen sich das Bewusstsein in der Welt orientiert, jedoch enttäuscht werden, liegt es nahe, sich mit der Enttäuschung zu beschäftigen, ihren Ursachen nachzuforschen und ggf. auf die Seite der Selbstreferenz zu kreuzen (ebd.: 72ff.; Luhmann 2012 [1984]: 367). Selbstref lexion ist nicht immer, aber häufig ein Krisensymptom. Selbstzweifel, Selbstvorwürfe, Selbstüberraschung, Selbstfremdheit oder gar Selbsttötungsgedanken – das Symptomerleben dessen, was gemeinhin als Depression gefasst wird, zeichnet sich durch einen fast notorischen Bezug auf die Selbstreferenz aus. Im Zustand fortgeschrittenen Leidens mag gar alles, was in der Welt passiert, als Urteil über die eigene Person erscheinen – nicht, weil dies tatsächlich so wäre, sondern weil derart attribuiert wird. Das Bewusstsein zwingt sich gleichsam auf die Ebene zweiter Ordnung, auf der das System sich selbst beobachtet, aber auch zunehmend infragestellt, was es von sich und der Welt über5 Z ur Theorie der Depression als einer »erlernten Hilflosigkeit« vgl. beispielhaft Seligman (1992 [1975]). Die Wahrnehmung der Welt als System von Grenzen resultiere dieser Konzeption gemäß vor allem aus der akkumulierten Erfahrung defizitärer Selbstwirksamkeit, also daraus, dass die Enttäuschung/Erfüllung von Erwartungen, Ansprüchen und Wünschen als unkontrollierbar erlebt wird.
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haupt noch erwarten kann. Dabei kann es Probleme mit der eigenen Identität entwickeln und sich grundsätzlich fragen: »Wer bin ich, der dies so erleben kann (oder muß), und wer kann ich weiterhin sein?« (ebd: 75) Wer sich mit sich selbst beschäftigt, besinnt sich jedoch nicht auf bestem Weg auf sich zurück, sondern beobachtet sich selbst »[…] in der Form einer Fremdreferenz, also als Gegenstand einer Beobachtung« (Luhmann 2008 [1995]: 66). Anstatt die erhoffte Stabilisierung der personalen Identität zu bewirken, führt die Selbstbeobachtung Differenzen (zwischen Selbst und Welt, zwischen mir und mir selbst oder auch zwischen mir und anderen) ein und steuert das System somit eher auf neue Unsicherheiten auf. Selbstref lexion droht zu einem Fass ohne Boden zu werden. Beispielsweise habe Sven Hannawald infolge ständigen Grübelns erst recht bemerkt, »[…] dass er alleine an sich selbst nicht mehr rankomme« (FR vom 12.2.2010).6 Die intensive Auseinandersetzung mit sich forciert paradoxerweise gerade den Selbstverlust. Die Psyche vermag bald »[…] nicht mehr zu bestimmen, was denkt und wer wahrnimmt, wenn gedacht und wahrgenommen wird« (Schleiffer 2013: 104). Die Ref lexion der Einheit dessen, was ich bin, findet zudem nicht in einem doppelten Boden des Systems statt, in dem Sonderregeln gelten. Sie ist Teil der Operationen, die die Autopoiese des Bewusstseins vorantreiben und bereits im nächsten Moment durch einen anschließenden Gedanken abgelöst werden. Man mag dann »[…] beim nächsten ›crossing‹ erinnern, daß man ja eigentlich ein Held sein wollte, aber zwischendurch fast unbemerkt sich immer wieder mit anderen Dingen beschäftigt« (ebd.: 96). Steht das Selbst demnach erst einmal infrage, lässt es sich mit den gegebenen Mitteln nur schwer wiedergewinnen. Detailreiche Selbstoffenbarungen bringen zum Ausdruck, dass Phasen depressiven Leidens Betroffene erheblich absorbieren. An manchen Tagen scheine jeder Augenblick als eine Verschlechterung des Vorzustandes einzutreten (Karp 1996: 6; vgl. auch Hannawald/Pramann 2013: 161). Der Suizid als Problemlösung erscheint dann zunehmend reizvoll.
III. Depressiver Leidensdruck zeichnet sich dadurch aus, dass die Gedanken auf der Seite der Selbstreferenz gehalten werden. Die Frage ist allerdings, wie genau dies geschieht. Zu ihrer Beantwortung muss insbesondere auf die Rolle der Gefühle eingegangen werden. Bereits in der diagnostischen Einordnung als »affektiver Störung« (gemäß ICD-11) wird angezeigt, dass Depressionen das Gefühlsleben
6 Sebastian Deisler zeigt sich noch zu Beginn seiner Therapie vollkommen verunsichert bezüglich seiner Selbsteinschätzung. Auf die Frage, wie die Therapie anschlage, antwortet er: »Das kann nur der Professor (Florian Holsboer, F.K.) beurteilen.« (ders./Rosentritt 2010: 222)
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einer Person stark beeinträchtigen.7 Wut, Angst, Schuld, Scham, Panik, Traurigkeit, Hoffnungs- und Hilf losigkeit – selbst die vielzitierte Gefühllosigkeit ist ein (paradoxes) Gefühl, mit dem sich nur schwer zurechtkommen lässt. Da jeder hin und wieder mit Verlusten, Niederlagen und anderen Enttäuschungen zurechtkommen muss, tritt emotionale Niedergeschlagenheit im Leben vieler Menschen auf. Eine Depression beeinträchtigt die Gefühle jedoch nicht nur akut, sie wird in dem Maße diagnostizierbar, wie Betroffene in ihrer negativen Gefühlswelt »feststecken«. Dem entspricht, dass Leidende erst recht dann rat- und hilf los werden, einen Kontrollverlust befürchten, und sich umso mehr mit sich selbst beschäftigen, wenn belastende Gefühle bleiben, obwohl sich ihre schwierigen Lebensumstände bereits geändert haben. Indem sich die Schwermut von einer identifizierbaren Ursache ablöst, wächst im Betroffenen die Erkenntnis, dass etwas Grundlegendes mit ihm nicht stimme (Karp 1994: 15). Für ein darüber hinaus gehendes Verständnis muss jedoch geklärt werden, was Gefühle überhaupt sind. In der systemtheoretischen Forschung hat die Beschäftigung mit Gefühlen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dem liegt der Anspruch zugrunde, Luhmanns (2012 [1984]: 371) rudimentäre Hinterlassenschaft zum Gefühl als einer Art »Immunfunktion« des psychischen Systems einerseits, sowie als soziales Bindungsmedium andererseits (ebd.: 303, insb. in 2012 [1982]) weiterzudenken. Im Zuge dessen wurde u.a. auf die Attributionsambivalenz emotionaler Reaktionen (Baecker 2004), die Bezeichnung von Gefühlen anhand der Unterscheidung deutlich/undeutlich (Fuchs 2004b: 94f., 2005: 77ff.) oder ihre Funktion als andere Seite der Organisationsbildung (Simon 2004) hingewiesen. Zur Rekonstruktion depressiver Selbstbeobachtung hilft dennoch vor allem Luhmanns (2012 [1984]: 372) immunologische Deutung des Gefühls als einer »Selbstinterpretation des psychischen Systems im Hinblick auf die Fortsetzbarkeit seiner Operationen« weiter, um insbesondere die Entstehung negativer Gefühle fokussieren zu können. Während die Erfüllung von Erwartungen als normal erlebt wird oder das Gemüt sogar euphorisch stimmen kann, entstehen negative Gefühle meist dadurch, dass negative Erwartungen bestätigt oder positive Erwartungen enttäuscht werden. Wenn allerdings das Wetter wider Erwarten schlecht wird oder das Essen nicht schmeckt, treibt einen dies nicht geradewegs in depressive Verzweif lung. Vor allem die Enttäuschung tragender Erwartungen, in die man hoffnungsvoll und langfristig investiert hat, kann das System in eine Dauerkrise stürzen. Erwartungen mit einem solchen Krisenpotenzial bezeichnet Luhmann (2012 [1984]: 363) als »Ansprüche«. Die Enttäuschung von Ansprüchen, auf denen die eigene Individualität auf baut oder von denen man ökonomisch abhängt, kann eine Per7 B is auf Weiteres reicht eine synonyme Begriffsverwendung von Gefühlen, Emotionen, Affekten und vergleichbaren Erlebnisqualitäten aus.
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son in Schwierigkeiten mit sich selbst bringen (ebd.: 365f.). In dem Maße, wie die Gefühle ein Eigenleben entfalten, sich bald grundlos aufschaukeln oder bei kleineren Abweichungen schon ausschlagen, binden sie die Aufmerksamkeit immer stärker an die Seite der Selbstreferenz. Blendet man an dieser Stelle die gesellschaftliche Umwelt wieder ein, fällt auf, dass die Kommunikation psychische Prozesse zwar nicht direkt steuern kann. Indem sie die Ansprüche und Erwartungen des individuellen Bewusstseins jedoch erfüllt oder enttäuscht, beeinf lusst sie die Gedanken und Gefühle indirekt.8 Der Spitzensport weist ein systembedingt großes Potenzial für Erwartungsenttäuschungen auf: Sportliche Niederlagen bei wichtigen Wettkämpfen, schwere Verletzungen, chronischer Zeitmangel, Übertrainingszustände, Deselektionserfahrungen sowie Konf likte mit Trainern, Funktionären, Mannschaftskollegen oder anderen Sportlern haben gemeinsam, dass sie die Aufmerksamkeit von Athleten binden, zum Thema von Selbstvorwürfen werden können oder gar zur Infragestellung der individuellen Lebenswahl führen. Athleten wird es so gesehen leicht gemacht, sich mit sich selbst zu beschäftigen – dies umso mehr, weil zum einen die Mechanismen der Anspruchsgenerierung, Identitätskonstruktion und Selbstwertdefinition von Spitzenathleten bereits früh an den Erfahrungen kondensieren, die in der Lebenswelt Sport gesammelt werden; zum anderen deshalb, weil der Spitzensport wie kaum ein zweiter Gesellschaftsbereich Erfolge wie Misserfolge personalisiert, also auf das individuelle Handeln von Personen zurückführt. Aufgrund des hochgradig körperfixierten Habitus von Spitzenathleten können gerade Krankheiten, Verletzungen und sonstige Schmerz- und Leidenssyndrome die Selbstbeobachtung stören. Der schmale Grat des spitzensportlichen Leistungsindividualismus besteht darin, dass eine echte Chance auf Individualitätsgewinne nur jener hat, der Höchstansprüche an die eigene Person auch im Enttäuschungsfall festhält und das Scheitern seiner Lebenspläne auf diesem Weg riskiert. Denn »[…] wenn man viel investiert«, so Sven Hannawald, »erwartet man, dass viel dabei rauskommt. Alles andere ist eine Enttäuschung« (FAZ online vom 5.11.2013).9 Im Falle einer Athletendepression wird folglich auch das eigene Sporttreiben – ob Problemursache, Teilproblem oder nichts von beidem – immer stär8 E in weiterer Unterschied schließt daran an, ob die resultierenden Gefühle gezeigt werden dürfen, gar stimuliert werden sollen, oder vielmehr unterdrückt werden müssen. Neben den Sinnvorgaben in unterschiedlichen Funktionsbereichen, die für alle gleichermaßen gelten, scheint der sozioökonomische Hintergrund ein wichtiger Faktor der Institutionalisierung sog. »feeling rules« (Hochschild 1979). 9 Auffallend ist, dass sich der Spitzensport durch eine weitgehende Gleichschaltung der Zukunftserwartungen auszeichnet, während er die Möglichkeit zur Zielverwirklichung codebedingt verknappt. In der Folge wird eine eskalatorische Spirale ausgelöst: Alle investieren viel, um später mehr zu erhalten als sie investiert haben. Über die gesamte Athletenpopulation hinweggesehen
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ker mit negativen Gefühlen assoziiert und seine besondere Rolle im Leben des Betroffenen problematisiert.
IV. Die Enttäuschung individueller Ansprüche geht nicht automatisch mit einem depressiven Schema einher. Es kommt darauf an, wie mit Enttäuschungserfahrungen umgegangen wird und mit welchen »Enttäuschungserklärungen« (Luhmann 1983c: 56) diese verarbeitet werden. Zwar gibt es Ereignisse, die auf fast alle Menschen belastend wirken. Ihre tatsächliche Wirkung bleibt dennoch Resultat der subjektiven Wirklichkeitskonstruktion der jeweiligen Person.10 In Extremfällen werden Betroffene durch nichts aus der Bahn geworfen, oder aber bewerten alles, was ihnen geschieht, als verhängnisvoll. Selbst sportliche Erfolge können in ein negatives Licht gerückt werden, je nachdem, wie man sie beobachtet und nach welchen Regeln man sie bezeichnet. Sogar ein Sieg kann als Fehlleistung verbucht werden, weil man noch mehr von sich erwartet hatte (etwa mehr Tore, weniger Nervosität oder eben Perfektion). Auch großes Lob von Trainern oder Mitspielern kann als unglaubwürdig abgetan werden oder als Zeichen der eigenen Bedürftigkeit interpretiert. In dieser Deutung verschärfen sie die pessimistische Weltsicht des betroffenen Athleten vielmehr, anstatt sie positiv zu verändern. So gesehen lässt sich das depressive Schema durch eine Dominanz der Negativwerte charakterisieren. Zur Negativbewertung dessen, was geschieht, greifen depressive Personen auf binäre Unterscheidungen zurück (z.B. richtig/falsch, gut/ schlecht, Erfolg/Misserfolg, Sieg/Niederlage, hässlich/schön, klug/dumm, voll/ leer, Vorteil/Nachteil, krank/gesund u.v.m.), bezeichnen die Negativwerte und verabsolutieren ihr Denken im Zuge dessen immer stärker. Auch in der Erinnerung selektieren depressive Personen vor allem die weniger schönen Erfahrungen, die ihre negative Weltsicht bestätigen können (Schleiffer 2013: 101). Enttäuschte Ansprüche und schwierige Erfahrungen lassen sich sowohl als Lernchancen wahrnehmen, die das eigene Leben bereichern; oder aber als ein Schicksal bewerten, das einmal mehr die Schlechtigkeit der Welt vor Augen führt. Also fragt man sich: Wenn der Betroffene leidet, warum lernt er dann nicht? Die Veränderungsresistenz des depressiven Zustands ist allerdings multipel angelegt. Günstig wäre es, man könnte die »Differenzen-im-Betrieb« (Fuchs 2005: 10) einfach austauschen, und per Knopfdruck auf freundlichere Selbstbeobachtung umschalten. Das Problem lässt sich allerdings gerade deshalb nicht ohne Weiteres werden »Minusgeschäfte« (Meiss 2016: 37; mit Verweis auf Johannes Siegrist) demgemäß wahrscheinlich. 10 Fundierende Annahmen des kognitiv-verhaltenstherapeutischen Modells gehen ebenfalls davon aus, dass die Interpretation einer sozialen Situation (weniger die Situation an sich), für die subjektive Wirklichkeit psychisch kranker Menschen ausschlaggebend ist (Beck 1999: 75).
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beseitigen, weil der Betroffene die leidschaffenden Unterscheidungen, mit denen er operiert, nicht sieht. Die Unterscheidungen tragen seine pessimistische Wirklichkeit sogar nur deshalb, weil es für ihn selbst keinen Unterschied zwischen ihm und seiner Beobachtung gibt, also auch nicht zwischen ihm und den Unterscheidungen, die er verwendet. Der Fall der Depression weist nicht nur auf die partielle Blindheit des Beobachters für die eigenen Unterscheidungen hin, sondern auch darauf, dass sich selbst in kognitiv offenen, nicht-trivialen Systemen Eigenwerte bilden, »eingeschliffene Selbstverständlichkeiten« (Fuchs 2014: 93) bzw. »automatische Gedanken« (Beck 1999: 75ff.), die Umweltereignisse in den gewohnten Bahnen verarbeiten. Gerade weil sie auf diesem Weg immer wieder neu bestätigt werden, lassen sie sich nur mühsam ändern. »Man steckt fest in seinem Denken«, so Sven Hannawald (FAS vom 15.11.2015: 47), »trotz guten Zuredens von anderen ist es schwer, da hinauszukommen.« Eine depressive Person konstruiert ihr Leiden immer wieder neu – ist geradezu dieses Leiden selbst.11 Auch Therapeuten können lediglich die Selbstbezüglichkeit des betroffenen Systems irritieren, indem sie gedankliche Routinen bewusstmachen, Ursache-Wirkungs-Konstruktionen umkehren, Symptome verschreiben, zirkulär fragen, Opfer zu Tätern machen, den familiären Hintergrund aufstellen oder sonstwie neue Unterschiede ins Spiel bringen. Therapeuten arbeiten demgemäß an einer »Opakisierung« (Metzinger 2000: 151) des psychischen Systems, das heißt daran, die Durchsichtigkeit des Unterscheidungsgebrauchs aufzulösen, Muster der Informationsgewinnung zu unterbrechen und als pseudoevident zu entlarven. Damit heben sie das Bewusstsein zwar auf eine Ebene höherer Ordnung und schaffen Spielräume für Umstrukturierungen, können das Ergebnis ihrer Intervention allerdings selbst nicht kontrollieren.
11 I n belletristischer Variante: »So funktioniert die Üble Sache (die Depression; F.K.): Sie versteht sich besonders gut darauf, deine Abwehrmechanismen auszuschalten. Die beste Methode, die Üble Sache zu bekämpfen oder ihr zu entkommen, wäre natürlich, anders zu denken, zu argumentieren und zu diskutieren, die Dinge schlicht und einfach anders wahrzunehmen, zu spüren und zu verarbeiten. Aber dafür brauchst du deinen Kopf, deine Gehirnzellen mit all ihren Atomen, deinen Verstand und das alles, du brauchst dein Selbst, und genau das hat die Üble Sache lahmgelegt, genau das funktioniert nicht mehr. Genau da ist dir übel, und zwar so übel, dass du einfach nicht mehr auf die Beine kommst. Und du denkst über den ganzen Teufelskreis nach und fragst dich: ›Junge, Junge, wie zum Geier schafft die Üble Sache das bloß?‹ Du denkst darüber nach – kniest dich voll rein, denn es dient ja nur deinem Wohl – und dann dämmert dir unvermittelt … dass die Üble Sache das schafft, weil du selbst die Üble Sache bist! Du bist die Üble Sache. Das ist alles: Du hast keine bakterielle Infektion, man hat dir nicht in der Kindheit ein Brett oder einen Hammer über die Rübe gezogen, und du hast auch sonst keine Entschuldigung; du selbst bist die Krankheit. Sie ist es, die dich ›definiert‹, dich nach einiger Zeit ausmacht. Hier wird dir das alles klar.« (Wallace 2015 [1984]: 30ff.; Herv., i.O.)
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V. Ein paradoxer Umstand depressiver Selbstbeobachtung besteht also darin, dass das Bewusstsein einen Zustand, der sich durch emotionale Belastungen und negative Gedanken auszeichnet, ultrastabil hält und gegen Veränderung schützt. Umso mehr wird das Selbsterleben depressiver Personen, »inchoate feelings« (Karp 1994: 12) vor aller Verbalisierung, durch einen ausgeprägten Erklärungsbedarf bestimmt. Sven Hannawald war verzweifelt, rannte von Arzt zu Arzt und erzählte jedes Mal aufs Neue seine Leidensgeschichte: »Sie stellten alles Mögliche mit mir an. Darmspiegelung, Magenspiegelung. Großes Blutbild, kleines Blutbild, Röntgenuntersuchungen. […] Hatte ich vielleicht Krebs? Selbst so eine Diagnose wäre für mich noch eine Befreiung gewesen – dann hätte ich wenigstens endlich Klarheit gehabt.« (Hannawald/Pramann 2013: 170) Wenn sich das depressive Bewusstsein allerdings mit sich selbst beschäftigt, sieht es dort keine Depression. Man leidet, weiß aber eben selbst nicht, was mit einem los ist, weiß weder warum noch woran. Wie können wir dann überhaupt wissen, fragt Ehrenberg (2008: 25), »[…] um was für ein Leiden es sich handelt, wenn wir nicht die Worte haben, es auszudrücken?« Woher kann ein Bewusstsein, um eine Formulierung von Fuchs (1998: 22)12 zu modifizieren, also wissen, dass es »depressiv« ist? Indem es ihm gesagt wird. Von wem aber kann es ihm gesagt werden? Von der Gesellschaft. Was genau macht also das Bewusstsein, wenn es sich als »depressiv« bezeichnet? Es greift auf sozial verfügbare Deutungsmuster zurück – es zitiert. So leidvoll sich das Erleben gestalten mag, entscheiden gesellschaftliche Diskurse darüber mit, wie Menschen (hier: Athleten) ihren psychischen Leidensdruck deuten und beschreiben. Es gehört zur Signatur des therapeutischen Diskurses, dass ganz verschiedene psychische oder somatoforme Zustände wie Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Selbstzweifel oder Lustlosigkeit weniger als Existenziale eingeordnet werden, die zum Leben dazugehörten, sondern als Symptome beobachtet, die auf das Vorliegen einer psychischen Krankheit hindeuteten. Die offiziellen Diagnosekriterien geben zwar die Richtung vor. Der öffentliche Diskurs über die »Volkskrankheit« Depression zeigt allerdings beispielhaft, dass die massenhafte, variantenreiche Kommunikation über das Thema ohne den kreativen Beitrag von Laien nicht möglich wäre. 12 D ort stellt Fuchs die »[…] bizarre Frage, woher ein Bewusstsein weiß, dass es ein Bewusstsein hat? Eine Antwort haben wir gegeben: Es weiß sich anhand dessen, was es in sich selbst als nicht es selbst registriert, anhand jeder Einspiegelung der Unterscheidung von Bewusstsein und Kommunikation in das Bewußtsein. Aber hier ist schon viel Theorie vorausgesetzt, und man könnte es einfacher machen, indem man sagt, daß es ihm gesagt worden ist, daß es ein Bewusstsein ist oder hat.«
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Die Betroffenen selbst sind häufig keine bloßen Zuschreibungsobjekte. Vielmehr sind sie ref lexiv gewordene Deutungssubjekte. »Far from being indifferent to the theories elaborated about them by the psychiatrists«, resümiert Borch-Jacobsen (2009: 6), »the patients have a profound interest in them and they interact with them by adopting, rejecting, or modifying them. In other words, they participate in the construction (or the deconstruction) of the pathologies from which they are said to suffer.« Aus diesem Blickwinkel kann abermals gesehen werden, dass es keine Entität namens Depression gibt. Ein Bewusstsein hat auch keine Depression. Und, genau genommen, ist ein Bewusstsein auch niemals depressiv. Es kann nur ein breites Spektrum an Störungen entwickeln, die ein Beobachter als »Depression« beobachten und bezeichnen kann. Für Hochleistungssportler gilt ebenfalls: Wer sich als »depressiv« bezeichnet oder sich einen »Burnout« attestiert, versieht seinen psychischen Leidensdruck mit einer sozial tragfähigen Bedeutung und stellt seine kommunikative Anschlussfähigkeit her. Sven Hannawald, beliebter Gast in Radio- und TV-Sendungen zum Thema, gibt im Interview mit SWR 1 »Leute« (am 24.9.2014; ab Min. 24:30) an, er habe als einer der Präzedenzfälle depressiver Erkrankungen im Sport nicht wirklich etwas mit den Diagnosen »Burnout« bzw. »Depression« anfangen können. Dabei verweist er explizit auf das noch kaum ausgeprägte Sondergedächtnis des Diskurses über die Athletendepression zum Zeitpunkt seiner Erkrankung: »Ich wusste nicht, was es ist«, so Hannawald, »grob Deisler war mir irgendwo im Hirn, aber das ist dann auch irgendwie so…nicht so beschrieben worden…ähm… und war okay, ich sagʼ okay, dann gehʼ ich in die Klinik, habe ich gedacht, und danach geht’s weiter. Aber dass für mich dann natürlich auch im Nachhinein ein neuer Lebensabschnitt beginnt, der ohne Skispringen stattfinden wird, das war mir damals nicht bewusst.« Vor allem seit dem Suizid Robert Enkes zirkuliert eine Vielfalt an Selbstdeutungen und Fremdbeschreibungen depressiver Athleten. Der Fall Andreas Biermann veranschaulicht idealtypisch, wie auf das Deutungsschema Depression zurückgegriffen werden kann, um das prekäre Selbsterleben sozial verarbeitungsfähig zu machen. Durch die öffentliche Meinung zu Robert Enke auf die Idee gebracht, er könnte selbst an einer »Depression« leiden, bittet er die behandelnden Psychiater nach Selbsteinweisung explizit, ihn auf das Vorliegen dieses Krankheitsbilds hin zu untersuchen. Die Verzweif lung, nicht zu wissen woran er leide, weicht bald der Gewissheit einer Diagnose: »Jetzt hat der Gegner endlich einen Namen und ein Gesicht.« (Biermann/Schäfer 2013: 170)
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Sein Klinikaufenthalt erzeugt jedoch zunächst Zweifel. Insbesondere die Beobachtung von Mitpatienten erschwert ihm die Eingewöhnung in die Psychiatrie und ihre Sinnvorgaben: »Ist er überhaupt so krank, dass er hier sitzen muss, unter Patienten, denen die einfachsten Dinge nicht mehr gelingen? Es dauert, bis er sich eingesteht, dass er krank ist und diese Krankheit behandeln lassen muss.« (ebd.: 135) Biermann stellt sich dieser Herausforderung, beobachtet jede neue Schwierigkeit als Teil der Symptomatik und lernt von seinen Leidensgenossen auf der Depressionsstation »[…] Symptome der Erkrankung und Verhaltensweisen von Depressiven kennen« (ebd.).13 Zunehmend sieht er sich selbst in den anderen: »Ja, das bin ich, ich bin depressiv.« (ebd.) Die Depression wird zu nichts weniger als seiner neuen Identität erhoben, gar zur wahren Ursache seines Denkens und Handelns, während die bisherigen Selbsterzählungen ihr Identifikationspotenzial einbüßen.14 Die anschließenden Kapitel beschäftigen sich ausführlicher mit der Perspektive des Betroffenen. Gemäß dem Erkenntnisinteresse der Arbeit wird im nächsten Kapitel vor allem die Schnittstelle unter die Lupe genommen, an der das nicht-sprachliche Erleben betroffener Athleten seinen Weg in die Kommunikation nimmt.
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Kopplungsprobleme zwischen Bewusstsein und Kommunikation
Trotz aller Enttabuisierungsrhetorik ist anzunehmen, dass betroffene Athleten ihre Symptomatik gegenüber Trainern, Mannschaftskameraden, Sportärzten, Physiotherapeuten oder Entscheidungsträgern in den Vereinen und Verbänden häufig verschweigen. Nicht selten allerdings scheinen der depressive Leidensdruck und das veränderte Selbsterleben das dringende Bedürfnis hervorzurufen, zumindest ausgewählte Personen einzuweihen, die sie als vertrauenswürdig einschätzen – auch im organisationalen Umfeld. Sie versprechen sich davon womöglich, ihr Isolationsgefühl zu minimieren, Rückzugstendenzen zu durchbrechen, das eigene Erleben mit Erfahrungen anderer abzugleichen oder gute Ratschläge für den Umgang mit dem Problem zu erhalten. Zudem mag ihr Mitteilungsbedürfnis auf der Hoffnung beruhen, dass das richtige Vokabular einen Einblick 13 Judith Beck, Tochter von Aaron T. Beck, dem Begründer der kognitiven Verhaltenstherapie, betont die besondere Bedeutung dessen, den Patienten an seine Diagnose zu binden und ihn genau über seine Störung zu informieren. Dabei arbeitet sie nicht zuletzt mit Broschüren, in denen die Klienten mehr über die Krankheit Depression (über sich!) erfahren können (Beck 1999: 38ff.). Zur Lektüre von Broschüren über die Depression als einer therapeutischen Hausaufgabe vgl. überdies Beck et al. 1999 [1979]: 111). 14 Nicht überraschend also bezeichnet Karp (1996: 38) die diagnostische Fixierung eines Problems als »Depression« als einen »identity turning point« in der Biografie depressiver Menschen.
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in die Schwere ihres Leidens vermitteln könne, zum Verständnis ihrer prekären Lage beitrage, Verbündete bei der Problemvertuschung akquiriere oder zu einer Modifikation der Anspruchshaltungen führe, die an sie gestellt werden. Vor allem der Familie und Freunden gegenüber scheinen sich depressive Sportler – wie andere Betroffene – mitzuteilen, um die Erwartungshaltungen der Nächsten zu f lexibilisieren und auf Beistand in besonders schweren Stunden zählen zu können.15 In bekannten Fällen informieren sie sogar die Medienakteure, um durch ihren offenen Umgang mit der Depression nicht zuletzt medial kolportierten Enttabuisierungsansprüchen zu genügen. Was zunächst als die Möglichkeit erscheint, den eigenen Bewusstseinszustand für sich zu behalten, wird dann selbst zum Problem. Weil sie ihr Leiden nicht zeigen können, geraten die betroffenen Spitzensportler in eine schwierige Lage. Das Depressionserleben erweist sich als in mehrfacher Hinsicht inkommunikabel. Bevor die Probleme an der Schnittstelle von depressivem Bewusstsein und Kommunikation jedoch en detail analysiert werden, wird das Konzept der Inkommunikabilität in den Blick genommen. Die Analyse der Inkommunikabilität stellt ein nicht ausreichend gewürdigtes Verdienst systemtheoretischer Forschung dar. Beim Phänomen der Inkommunikabilität geht es um keinen konventionellen Verzicht auf Kommunikation oder institutionalisierte Hindernisse (z.B. Tabu- und Schamgrenzen, Taktregeln oder Diskretionspf lichten), mit denen Personen in bestimmten sozialen Kontexten konfrontiert werden. Auch Eloquenz als die Kunst, stets die richtigen Worte zu finden, hilft nicht über das Problem der Inkommunikabilität hinweg. Vielmehr geht es um prinzipielle Grenzen der Kommunikation, die sich mit sprachlich-rhetorischen Mitteln nicht zufriedenstellend überschreiten lassen (Luhmann 2012 [1982]: 155ff.). Die Erkenntnis des schlechthinnig Nichtkommunizierbaren vollzieht sich im Zuge der Entstehung der romantischen Liebe im Prozess der Ausdifferenzierung von Intimsystemen, insbesondere im 18. Jahrhundert. Im systemtheoretischen Blick wird Liebe nicht primär als Gefühl beobachtet, sondern als Kommunikationsmedium, das die Spielregeln vorgibt, durch welche Liebende sich ihre Liebe unter Beweis stellen (Luhmann 2012 [1982]: 23). Die Paradoxie der Intimkommunikation besteht dabei darin, dass Liebe nur auf Umwegen kommuniziert werden kann (ders. 2012 [1984]: 310). Obwohl selbstverständlich auch Partnerschaften über einen Koordinationsbedarf verfügen (z.B. darüber, wer den Abwasch macht, oder ob der Hund schon draußen war) und hierfür auf Kommunikation angewiesen sind, zwingt Inkommunikabilität die Liebenden in wesentlichen Aspekten zum »Überspringen« (ders. 2012 [1982]: 160) der kommunikativen Schranken in einen 15 S iehe hierzu Karp (1996: 135) über die Kommunikation seiner Unverfügbarkeit als Ehemann in Phasen akuten depressiven Leidensdrucks.
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Bereich jenseits der verbalen Sprache. Um Liebe auszudrücken, reicht es keineswegs aus, das individuelle Gefühl zum Thema zu machen. Denn »Liebe« ist zwar ein großes Wort. Sein Gebrauch allerdings verbürgt noch keineswegs für »echte« Liebe. Bloß zu sagen, dass man den anderen liebt, bedeutet vielmehr »[…] mitzusagen, daß dieser Satz armselig ist, un-originell, nichtssagend« (Fuchs 2005: 94). Liebe muss sich gemäß den codespezifischen Spielregeln zeigen. Das Liebesideal besteht in der wechselseitigen »Komplettberücksichtigung« (Fuchs 1999: 24), bei der sich im Dienste des Partnerglücks beide Seiten zurücknehmen, um den jeweils anderen in seinem Selbstbild, in seinem Denken, Fühlen, Handeln und Urteilen bestätigen zu können (Luhmann 2012 [1982]: 24). Im Schisma »Wir-Zwei/ Rest-der-Welt« (Fuchs 1999: 24.) als Wirklichkeit sich liebender Paare geht es folglich nicht um die bloße Beobachtung der Beobachtungen des Gegenübers. Der Liebesbeweis besteht im einfühlenden Versuch des Erlebens seines Erlebens als Grundlage des eigenen Handelns, gar im Wollen des Willens des Anderen. Die wechselseitige Versicherung von Liebe findet auf dünnem Eis statt und bleibt stets auf Vertrauen angewiesen. Im Projekt, das darin besteht, aus zwei eins werden zu lassen, lässt sich das Wesentliche weder thematisieren, noch fordern, noch offiziell beenden (Luhmann 2012 [1982]: 156). Radikale Selbstbezüglichkeit, zwei Handynummern oder »Auswärtsspiele« auf Geschäftsreisen werden zum Lackmustest der kontinuierenden Liebe – egal, was dann noch behauptet wird, wenn der andere zur Rede gestellt ist. Wer den Code der Liebe missachtet, lässt Zweifel im Partner entstehen, die sich mit sprachlichen Mitteln nicht mehr aus der Welt schaffen lassen. Als Erfahrung der Unerreichbarkeit füreinander intransparenter Psychen ist Inkommunikabilität nicht auf die Vergewisserung von Liebe beschränkt. In der Liebe wie in der Depression gestalten sich das intransparente Bewusstsein und resultierende Kommunikationsprobleme als eine folgenreiche Erkenntnis. Demgemäß werden auch depressive Spitzensportler, die ihr irritierendes Erleben schildern wollen, vor Schwierigkeiten gestellt. Die Inkommunikabilität depressiver Symptomlagen betrifft die Erkenntnis, dass sich wesentliche Momente ihrer Selbst- und Weltbeobachtung nicht angemessen in Worte fassen lassen (Kap. 11.1) und routinierte Verstehensprozesse somit strapaziert werden (Kap. 11.2). Gerade bei der Kommunikation von Gefühlen, Empfindungen und Affekten, und somit auch von depressivem Selbsterleben, kann es folglich zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Mitteilenden kommen (Kap. 11.3), die nur noch schwerlich aufgelöst werden können. Im Folgenden werden diese drei Aspekte der Inkommunikabilität einer kommunikationstheoretischen Analyse unterzogen und im Hinblick auf den Gegenstand des Diskurses über Depressionen von Spitzenathleten zur Anwendung gebracht.
IV Betroffener Athlet: Von Selbstbeobachtung zu Selbstthematisierung
11.1
Verbalisierungsprobleme
Da sich operativ geschlossene Bewusstseine nicht aneinander anschließen können, um sich ihre Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen – Bewusstseinsinhalte im Allgemeinen – an dieser Schnittstelle vorzuführen, muss kommuniziert werden. Der Kommunikation kommt die elementare Aufgabe zu, Wahrnehmung und Erleben, die zunächst immer psychisch, also sozial unsichtbar sind, in eine gesellschaftlich verfügbare Form (Information) zu bringen. Bewusstseinszustände sind also nicht an sich mitteilbar. Sie müssen in verbale oder non-verbale Zeichen übersetzt werden, um in den Kreislauf der Kommunikation eingeschleust werden zu können (Luhmann 1992: 43). Kommunikation funktioniert demgemäß nur unter Inkaufnahme ihrer de-individualisierenden Wirkung. Denn wer »[…] die Sprache nutzt, tut das nicht als Subjekt der Sprache, sondern als jemand, den die Sprache zitiert« (Fuchs 2005: 73; Herv., i.O.). Das individuelle Bewusstsein erhält in der Sozialisation zwar eine nichtsinguläre Prägung, die das psychische Geschehen sinnförmig supercodiert, Wahrnehmungen auf Basis gesellschaftlich verfügbaren Zeichenmaterials interpretiert (ebd.: 43ff.), ein »Innen-Sprechen« (ders. 2010: 91ff.) bewirkt und Kommunikation dadurch überhaupt erst ermöglicht (ders. 1998: 205). Wesentliche Momente der psychischen Realität lassen sich jedoch nicht angemessen versprachlichen. Die Unschärfe von Verbalisierungen zeigt sich meist zur Unzeit. Gerade wenn es wichtig erscheint, wird die »Nichtkommunizierbarkeit der Icherfahrung« (Luhmann 1993 [1981]: 230) schmerzhaft bewusst. Die Kommunikation von Gefühlen (Hahn 1991a; Schneider 2004) sowie depressiven Selbsterlebens macht dies besonders deutlich.16 Auch depressive Athleten berichten von einem »lack of vocabulary« (Karp 1994: 12), davon also, dass sie anderen nur wenig von dem vermitteln können, was in ihnen vor sich geht, weil sie keine Worte finden, die nahe genug an der Leidenserfahrung selbst liegen. Sebastian Deisler resümiert nicht nur sein pathologisches Erleben, sondern gerade auch die resultierenden Kopplungsprobleme zwischen Bewusstsein und Kommunikation. Es sei schwer, einem »Gesunden« mitzuteilen, wie er als »Depressiver« die Welt erlebe. Wie unsicher er sich selbst im Erfolgsfall fühle und wie enorm der hausgemachte Leistungsdruck sei (Zeit online vom 1.10.2009). Zwar informiert sich die Gesellschaft im Sammelbegriff Depression über gewisse Formen von psychischem Leidensdruck und die enorme Zäsur, die dieser im Selbsterleben der Betroffenen jeweils markiert. Der Verweis darauf, »depres-
16 F uchs (2004: 103) nimmt gar ein nicht-bezeichenbares »Surplus der Wahrnehmung« bzw. den »Mangel an Kommunikabilität« in seine systemtheoretische Definition von Gefühlen auf.
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siv« zu sein oder an einer »Depression« zu leiden, bleibt für diese jedoch häufig unbefriedigend: »There is definitely a sense of not being able to communicate the intensity I experience […] I look pretty competent, you know, and sometimes I am. But I feel that when I say, ›Well, I’ve been depressed‹, they just don’t understand the terror implicit for me. And sometimes I try to explain and I feel like, ›Well, they just think I’m being melodramatic‹, and that isn’t a good feeling.« (Karp 1994: 18) An anderer Stelle wird dieses Dilemma noch stärker betont: »[…] we might suppose that feelings of isolation could be reduced with the announcement to family and friends, ›I suffer from depression.‹ However, such a declaration/explanation is rarely forthcoming because the depression label cannot accurately convey their inner experience. Depression is still only a code word that cannot bridge the chasm of feelings separating their world from that of friends and family whom they believe, in contrast to themselves, are ›normal‹.« (Karp 1996: 40) Auch wenn das Konstrukt Depression einen gewissen Schweregrad impliziert und im gesellschaftlichen Diskurs ein facettenreiches Imaginarium erzeugt, bleibt die Phänomenalität der damit bezeichneten Leidensformen unaussprechlich. Vor allem Nahestehende mögen auf Basis der Selbstbeschreibung als »depressiv« wohl annehmen, dass die Lage ernst ist, können das symptomatische Leiden aber nicht nachempfinden. Die Nichtkommunizierbarkeit depressiven Selbsterlebens wird dabei nicht nur als ärgerliche Tatsache angesehen, sie lässt sich als Ursache für einen regelrechten Teufelskreis beschreiben, der bestehende Scham-, Schuld-, Hass- oder Minderwertigkeitsgefühle verschärft und immer tiefer in die soziale Isolation führen kann (Lewis 1995: 376). Eine depressive Person befindet sich demnach, so David Foster Wallace (2002: 53), »[…] in einem Zustand unausgesetzter psychischer Qual, und die Unmöglichkeit, diese Qual mitzuteilen, [ist] Teil des Zustands und verantwortlich für seinen eigentlichen Schrecken.«17 Das Festhalten an der Absicht zur Kommunikation über den eigenen Leidensdruck macht folglich rhetorische Umwege notwendig, in denen sich das idiosynkratische Erleben wenngleich nicht greifen, so doch »beschwören« (Fuchs 1998: 221) lässt. Die Unbeschreiblichkeit depressiver Bewusstseinszustände führt zum 17 A nalog weist Winkel (2006: 286) darauf hin, dass die Konfrontation mit einer unvergleichlich schweren Erfahrung, wie z.B. der Trauer, dadurch verstärkt werde, »[…] dass zur Beschreibung des empfundenen Leids keine auch nur annähernd als hinreichend empfundene Semantik existiert.«
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Ausweichen auf sprachliche Sonderformen, über die zumindest eine Annäherung der Interaktionspartner an die Symptomatik erreicht werden soll. Als »vehicle for understanding« (Lakoff/Johnson 2003 [1980]: 18) greifen depressive Personen dabei häufig auf das metaphorische Potenzial der Sprache zurück.18 Im Spitzensportkontext bevölkert eine Vielzahl an Metaphern das geschriebene und gesprochene Netz, mit dessen Hilfe betroffene Athletinnen und Athleten ihre idiosynkratischen Leidenserfahrungen sprachlich einfangen und in ihrer Phänomenalität zu vermitteln suchen. Im Deutungsmantel der Metaphorik ist das depressive Selbsterleben auch für Spitzenathleten nicht mehr die aus den Fugen geratene Hirnchemie oder das Kindheitsdrama des begabten Athleten, die das Leiden erklären sollen, sondern der Befall von einem »Dämon« (Andreas Biermann,19 Tyson Fury), ein »schwarzer Wirbel« (Andreas Biermann), der »schwarze Hund« (Robert Enke; zit. in Reng 2011: 379), der Kampf mit den »grauen Wölfen« (»Toni« Schumacher 1987: 135), dieses »graue Gefühl« (Bengtsson 2012: 5) und andere bildhafte Be- bzw. Umschreibungen. Markus Miller blickt folgendermaßen zurück: »Es war, als ob mein Gehirn verklebt.« (taz vom 20.4.2013)20 Betrachtet man die Kommunikation jenseits des Sports scheint der Bilderreichtum tragfähiger Metaphern zur Vermittlung depressiven Erlebens in der Kommunikation fast unerschöpf lich.21 An Depressionen leiden, das sei wie… • in einem Tunnel ohne Licht feststecken, • wie in einem pechschwarzen Loch leben, • wie ein innerer Abgrund, 18 B ereits der Begriff Depression (vom lt. de-primere = herabdrücken, niederdrücken, senken) ist metaphorisch angelegt, weist er doch auf ein Subjekt hin, das unter Druck geraten ist, niedergeschlagen ist bzw. niedergedrückt wird, und lehnt sich dabei nicht zuletzt an seine wirtschaftliche Bedeutung an. Auch anschließende Formulierungen funktionieren oft bildhaft-assoziativ, verweisen z.B. auf den »Fall« in die Depression, oder darauf, von einer Depression (wie von einem Virus) »befallen« worden zu sein. 19 Unter anderem in der Welt (online vom 14.2.2012). Zu den »Dämonen« Tyson Furys vgl. SZ online vom 8.10.2016. 20 Auch der Mediendiskurs überschlägt sich in Metaphern und spricht beispielsweise vom »Eitern der Seele«, »inneren Inferno«, »Gewitter im Kopf« sowie vielen ähnlichen, in ihrer Funktion vergleichbaren Formulierungen. 21 Der Rückgriff auf Metaphern zur Veranschaulichung eines Leidens beschränkt sich keineswegs auf die Erfahrung psychischen Leidens. Auch in der Medizin stellt Metaphorisierung eine Kommunikationsstrategie dar, die Ärzte bewusst anwenden, um das Krankheitsverständnis ihrer Patienten zu befördern (Carter 1989). Im Kontext von Krebs- und Tumorerkrankungen zum Beispiel sollen Metaphern im Sinne einer Art »therapeutic psychopoetics« (Teucher 2003) wirken, den Aufbau einer Beziehung zum »Fremdkörper« anleiten, die Frage nach einer Bedeutung des Leidens bearbeiten, freiwerdende Emotionen regulieren, stimulieren und kanalisieren sowie vor allem die gelebte Krankheitserfahrung an die Kommunikation anschließen – »[…] communicating the nature of unshared experience« (Reisfield/Wilson 2004: 4027; vgl. auch Teucher 2003; Agstner 2009).
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wie die Seele in Gefangenschaft, wie ein sich ausbreitendes Vakuum, wie inmitten von angsteinf lößendem Nebel, wie ein kahler Baum, wie von schrecklicher Kälte umgeben, wie eine endlose Achterbahnfahrt, wie gegen ein immer größer werdendes Monster zu kämpfen, wie einem boshaften Feind gegenüberzustehen, wie ein von Motten zerfressener Pullover, wie Ertrinken, wie Gelähmtsein, wie Gefangensein, wie Selbstverdampfung, wie bodenloses Fallen, wie ein heftiger Sturm auf dem Meer, wie Treiben in Seenot, wie ein zugefrorener See, wie eine Existenz als Regenwurm oder gar wie das Gefühl, tot zu sein.22
In manchen Fällen ermöglichen diese Formulierungen nicht nur, die Paradoxie der Fremdheit im Selbsterleben zu codieren, sondern auch das Leiden zu substanzialisieren, einer fremden Macht zuzuschreiben und in das Feind/Opfer-Schema bzw. die Unterscheidung gut/böse zu überführen – mit dem Vorteil, dass man einen Sieg über das Problem in Aussicht stellt; aber auch mit dem Nachteil, dass eine innere Spaltung evoziert wird, bei der man sich selbst gegen sich selbst in Stellung bringt und somit die gefühlte Selbstentfremdung aufrechtzuerhalten droht.
11.2
Verstehensprobleme
Die Schwierigkeiten bei der Verbalisierung depressiver Bewusstseinszustände legen einen Blick auf die Verstehensseite nahe. Kommunikation scheitert trotz bester Absichten, wenn Ego nicht nachvollziehen kann, was ihm Alter mitteilen will. Gemäß den kommunikationstheoretischen Prämissen dieser Arbeit stellt auch die Verstehensseite keine Direktverbindung zwischen den Kommunikationspartnern her. Die Innenperspektive Alters bleibt auch im Falle gelingender Kommuni22 S iehe hierzu u.a. Smith (1999), Karp (1994: 17, 1996: 23), Schreiber (1996: 476ff.), Kangas (2001: 86) sowie diverse Formulierungen in Zeitungsinterviews und weit verstreuten Internet-Blogs und -Foren.
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kation intransparent. Man versteht sogar nur, »[…] weil man nicht durchschauen kann« (Luhmann 1992: 26). Solange man allerdings von sich selbst auf andere schließen kann, lässt sich das Fremdverstehen über die Selbstreferenz fingieren. Wer versteht, fantasiert sich in die Situation des anderen hinein, um dessen Gedanken und Gefühle nachzuvollziehen, schaut dabei aber auf sich selbst, »[…] um etwas über das Innere eines anderen da draußen zu erfahren« (Simon 2012 [1990]: 65, vgl. auch 2004: 121). Jedes sozialisierte Bewusstsein verfügt über eine entsprechende Routine, die Mechanismen der Einfühlung meist automatisch freischaltet (Stichweh 2008: 6). Aufgrund der stillschweigenden Unterstellung einer »Reziprozität der Perspektiven« (Schütz 1974 [1932]: 137ff.) wird der andere als alter Ego mit einem ähnlichen, vergleichbaren und gleichartigen Selbst- und Welterleben behandelbar, auch wenn das fremde Bewusstsein eine »black box« bleibt. Um die »Grenze des gegenseitigen Sich-Verstehens« (Simmel 1992 [1908]: 401f.) in der Interaktion nicht zu strapazieren, bewirkt eine ansozialisierte Zensurinstanz, dass mit der Kopplung von Erleben und Kommunikation meist sorgfältig umgegangen wird. Infolgedessen ist »[…] alles das, was wir einem Andern mit Worten, oder etwa auf sonstige Weise mitteilen, auch das Subjektivste, Impulsivste, Vertrauteste, eine Auswahl aus jenem seelisch-wirklichen Ganzen, dessen nach Inhalt und Reihenfolge absolut genaue Verlautbarung jeden Menschen – wenn ein paradoxer Ausdruck erlaubt ist – ins Irrenhaus bringen würde.« (ebd.: 387) Um Missverständnissen und Schwierigkeiten vorzubeugen, wird im Bewusstsein des »Risikos der Ablehnung« (Luhmann 2008 [1995]: 115) sorgfältig dosiert, wie mit wem wann auf welche Weise worüber gesprochen wird. Die resultierende Entscheidung für oder wider einen Einblick wird gerade am Maßstab der vermuteten Ähnlichkeit, Einfühlbarkeit und somit Verstehbarkeit dessen definiert, was sich in der Gedanken- und Gefühlswelt einer Person abspielt (Simon 2012 [1990]: 64ff.). Im Folgenden wird angenommen, dass der Versuch einer Verbalisierung depressiver Denk- und Fühlmuster den Betroffenen nicht unmittelbar aus der Gemeinschaft »hinreichender Ähnlichkeit« (ebd.: 65) hinauskatapultiert, wie dies z.B. bei der Kommunikation psychotischer Wahngedanken droht. Dennoch prozessieren depressive Athleten Gedanken und erleben Zustände, deren Mitteilung die Sinngrenzen außerhalb therapeutischer Settings stören. Symptomaufmerksame Einblicke in das Erleben einer Depression weisen über die suggerierte Betreff barkeit aller durch die »Volkskrankheit« hinaus und stellen die gemeinhin unterstellte Reziprozität tendenziell infrage. Die stillschweigende Annahme einer gleichsam wesenhaften Gemeinsamkeit der Kommunikationspartner wird durch das kommunizierte Anderssein des anderen überlagert.
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Wohl kennen einige Menschen einzelne Symptome einer Depression von sich selbst. Die »Zone des Selbstverständlichen« (Hahn 1983: 210) in der Kommunikation bezieht sich jedoch nicht auf rein interpersonale Belange. Sie wird vor allem durch gesellschaftliche Sinnvorgaben und dort wirksame Rollenerwartungen begrenzt. In Familien, Intimsystemen und in Grenzen auch Freundeskreisen speist sich der Zusammenhalt im Falle psychischer Abweichung über die Wirkung der fundierenden Kommunikationsmedien. Vor allem das Medium Liebe ermöglicht, Erwartungshaltungen zu modifizieren und systemische Eigenwerte im Umgang mit der Abweichung zu kondensieren (Luhmann 2009 [1990]: 221). Im Sinnbereich der Intimität, in dem auf das Erleben des anderen ohnehin ständig geachtet wird, werden Irritationen folglich als Lernanlässe genutzt, an denen der Zusammenhalt wachsen kann. Was zählt, ist, dass die Liebe kontinuiert, damit die gemeinsame Geschichte über die schwierige Gegenwart hinwegtragen kann.23 Außerhalb dieser privaten Schutzräume bleibt die Kommunikation depressiven Leidensdrucks nicht immer sozial folgenlos. Die gefühlte Kluft zwischen dem Athleten und seinem sportlichen Umfeld wird auch mittels Metaphorisierung eher festgestellt als rhetorisch überbrückt. Unabhängig davon, wie einfallsreich und bildhaft Betroffene ihr Erleben schildern, sind ihre Beschreibungen letztlich tautologisch. Wie endlose Achterbahnfahrten, bodenloses Fallen, schwarze Wirbel, verklebte Gehirne oder graue Wölfe, die im Bewusstsein ihr Unwesen treiben, erlebt werden, bleibt stets rätselhaft. In Analogie zur Kommunikation tiefer Trauer, besteht die einzige Gewissheit, die sich in der Kommunikation über depressives Selbsterleben erzeugen lässt, insofern darin, dass »[…] infolge der Differenz der Erlebnisperspektiven niemand auch nur annähernd den eigenen Schmerz verstehen kann« (Winkel 2006: 299). Depressive Athleten sind sich des prekären Verstehens der anderen sehr bewusst. Auf Nachfrage berichtet Sebastian Deisler in der Sendung »Beckmann« (ARD am 26.4.2004; ab Min. 3:38) beispielsweise: »Das kann man eigentlich gar nicht richtig beschreiben, wie die Sache selbst ist. Das muss man einfach mit… ähm…miterlebt haben, aber man kann darüber versuchen, es zu beschreiben, aber es ist einfach schwierig.« Auch Andreas Biermann hat auf die besorgten Nachfragen seines persönlichen Umfelds, vor allem seiner Ehefrau, stets eine Musterantwort parat: »Du verstehst es sowieso nicht.« (Biermann/Schäfer 2011: 117) Im besten Fall ist mit der Anerkennung des Leids, evtl. mit bloßer Indifferenz zu rechnen. Vor allem dort, wo Konkurrenzdruck herrscht und Personen als austauschbar gelten, besteht überdies die Gefahr, dass die verzweifelten Versuche, 23 K arp (1996: 134) schildert die familiäre Routine in der Absorption seiner wiederkehrenden depressiven Phasen: »By now, my wife and I share a whole inventory of verbal and gestural signals about the state of mind. She pretty well knows by my demeanor, facial expression, and general responsiveness to things how good or bad I feel.«
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depressives Selbsterleben zu vermitteln, die oben beschriebenen Stigmatisierungs- und Exklusionsdynamiken freisetzen. Hin und wieder führt das Problem der Kopplung von Depressionserleben und Kommunikation sogar zur Infragestellung der Glaubwürdigkeit dessen, der mit rhetorischem Aufwand über sein Leiden spricht.
11.3
Glaubwürdigkeitsprobleme
Um das Problem der Glaubwürdigkeit von Athletenbekenntnissen besser einordnen zu können, hilft eine Ref lexion auf die soziokulturelle Entstehung von Glaubwürdigkeitsfragen. Glaubwürdigkeit wird in jenem soziohistorischen Moment zum Thema, in dem es schlecht um sie bestellt ist. Das Rollenspiel, das Personen in der funktional differenzierten Gesellschaft beherrschen müssen, führt zur Frage nach dem Rest jenseits der sozialen Anpassungsfähigkeit, zu Ansprüchen nach Selbsterkenntnis, Individualität und Authentizität.24 Die Inklusion in Organisationen findet ihr Gegenstück in einem auf Distinktion zielenden Authentizitätspathos. Wer bin ich überhaupt, und wenn ja, wie kann ich mich zeigen? Das Auftauchen der Unterscheidung authentisch/nicht-authentisch erweist sich als gesellschaftliche Fehlleistung. Im Streben nach Authentizität wird abgedunkelt, dass der Wunsch authentisch zu sein, rein durch diese Differenz erzeugt wird. Er verweist immer auch auf die Gegenseite, dernach eine Person unauthentisch sein könnte. Das Bewusstsein stößt sich an der Inkommunikabilität von Authentizität. Als ob sich ein zynischer Schöpfer die Moderne ausgedacht hätte: Überall dort, wo Authentizität explizit beansprucht wird, das heißt Menschen sich Glaubwürdigkeit versichern, Natürlichkeit behaupten oder Liebe versprechen, evoziert bereits die Explizitheit der Thematisierung Zweifel an der Authentizität der Mitteilung (Luhmann 2012 [1982]: 155, 2008: 165; Luhmann/Fuchs 1989: 128).25 Die Kommunikation von Gefühlen stellt ein »Sonderproblem der Inkommunikabilität« (Luhmann 2012 [1984]: 372) dar, das häufig mit Glaubwürdigkeitsfragen einhergeht. Die Gesellschaft des Mittelalters – insbesondere im 12. Jahrhundert – kennt noch keine vergleichbaren Probleme. Die ritualistische Funktion der bloßen Darstellung von Gefühlen durch den Herrscher und seine Gesandten wurde bereits dadurch erfüllt, dass die jeweiligen Akteure Emotionen schauspielerisch gekonnt aufführten. Tränenf luss, Kniefall, lautes Wehklagen, überschäumender 24 I m Zusammenhang dieser Arbeit reicht eine synonyme Verwendung der Begriffe Aufrichtigkeit, Authentizität und Glaubwürdigkeit aus. 25 Nicht zufällig fällt die Entdeckung der Inkommunikabilität mit der gesteigerten Problematisierung von Aufrichtigkeit und Authentizität in der Literatur zusammen (Trilling 1983) – vor allem im Liebesroman (Luhmann 2012 [1982]: 207ff.).
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Zorn und sonstige emotionale Ausdrucksformen waren von typisch modernen Echtheitsansprüchen noch vollständig entkoppelt. Dies schließt zwar nicht aus, dass sich die jeweiligen Akteure in ihren Inszenierungen auf Betriebstemperatur brachten oder gar von der Heftigkeit ihrer Gefühle übermannt wurden. Für den Kommunikationserfolg machte dies allerdings keinen relevanten Unterschied (Althoff 2010). Gleichsam notorische Authentizitätsfragen lassen heutzutage ein komplexeres Bild entstehen. Bei der Thematisierung von Gefühlen in der Moderne darf gewissermaßen »[…] die Mitteilung nicht kühl bleiben, wenn die Information zu heiß ist« (Luhmann 2012 [1982]: 156). Insofern Liebe, Scham, Neid und Trauer das Handeln motivieren und Konsequenzen zeitigen, wird nur selten an ihrer Echtheit gezweifelt. So gelten Wutreden von Trainern und Athleten auf Pressekonferenzen beispielsweise als in höherem Maße authentisches Verhalten. Das Problem entsteht vor allem dann, wenn die Emotionen, Affekte oder gar der psychische Leidensdruck zum bloßen Thema von Kommunikation werden. Verdachtsmomente, es könnte dabei Sekundärgewinne einer Kommunikation über die eigenen Gefühle geben, lassen sich mit den Mitteln der Sprache nicht restlos beseitigen (Fuchs 2004b: 44). Infolge der Intransparenz des Bewusstseins ist die Referenz auf das eigene Erleben zwar unwiderlegbar, im Falle seiner Infragestellung allerdings auch nicht beweisbar. Fungierende Glaubwürdigkeit ist folglich immer eine soziale Konstruktion, bei der mindestens zwei Akteure am Werk sind. Verhalten wird erst dann als glaubwürdig beobachtet, wenn im Beobachter entsprechend unterschieden wird, also gleichsam tautologisch davon ausgegangen wird, dass mitgeteiltes und psychisches Erleben übereinstimmen.
Glaubwürdigkeitsprobleme in der Medizin Glaubwürdigkeitsprobleme lassen sich auch bei der Kommunikation von Schmerzen in der Medizin beobachten. Schmerzen lassen sich nicht zeigen wie Narben oder Krücken; sie müssen – gleichsam wie depressive Symptomlagen – als Thema in der Kommunikation mitgeteilt werden. Die Verbalisierung des eigenen Schmerzempfindens ist jedoch nicht medizinisch ausschlaggebend. Stattdessen stellt der rigide Bezug auf die Nicht-Sinnhaftigkeit des biologischen Körpers die Bedingung der Möglichkeit her, von der Explikation durch Worte weitgehend abzusehen. In der Beobachtung von Körpern präferiert das Medizinsystem jenen Bereich in seiner personalen Umwelt, der aufgrund seiner Präsenz in Raum und Zeit für das Auge sichtbar ist.26 Offene Frakturen, klaffende Wunden und Hautausschlä26 S igmund Freud führt die Studierenden in seiner Vorlesung am Beispiel des medizinischen Paradigmas auf die Spezifika der psychoanalytischen Methode hin. Die Bezugnahme auf den Körper wird in der Metapher des Museums veranschaulicht: »Sie sind im medizinischen Unterricht daran
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ge verweisen selbst für den Laien sichtbar auf körperliche Defizite. Dort, wo die »Zeichen« und »Symptome« von Krankheit und Verletzung unsichtbar sind, stellen Ärzte mit ihren medizinischen Technologien Spezialisten der Aufdeckung dar. Stethoskope, Blutprofilanalysen, Ultraschalluntersuchungen, Massenspektrometrie, Röntgendiagnostik und Magnetresonanztomografien verfahren allesamt nach dem Prinzip der »medical discovery« (Freidson 1970: 13), also der Visualisierung des körperlichen Eigenlebens zur Identifikation pathologischer Entwicklungen. Das Auf kommen von Authentizitätsfragen wird auf diesem Weg eingeschränkt. Bilder und Messwerte können zwar falsch gedeutet werden, aber nicht lügen. Sobald sich die ärztlichen Visualisierungsergebnisse jedoch als inkongruent zur geschilderten Symptomatik erweisen, tauchen Glaubwürdigkeitsprobleme auf. Wenn z.B. ein Hochleistungssportler subjektiv über Kniebeschwerden oder Achillessehnenprobleme klagt, der betreuende Arzt mit seinen naturwissenschaftlich basierten Diagnoseverfahren jedoch keine »objektiven« körperlichen Ursachen feststellen kann, entstehen Schwierigkeiten bei der Absorption des Problems und Entscheidungsprobleme hinsichtlich des weiteren Verfahrens (Mayer 2010: 56).
Infragestellung von Depressionsbekenntnissen Auch depressive Spitzensportler können ihr Leiden nicht für jeden sichtbar zeigen. Denn Depressionen, das ist »[…] nicht wie ein gebrochener Arm, wo man sieht, da ist was gebrochen« (Biermann/Schäfers 2011: 135). Depressiver Selbstbeobachtung kann dabei nicht nur im Rahmen von organisationalen Stigmatisierungsdynamiken ihre Krankheitswertigkeit abgesprochen werden.27 Massenmedial nachvollziehbare Fälle machen auf idealtypische Weise deutlich, dass es unter bestimmten Bedingungen auch schlecht um die Glaubwürdigkeit von Athletenbekenntnissen gewöhnt worden zu sehen. Sie sehen das anatomische Präparat, den Niederschlag bei der chemischen Reaktion, die Verkürzung des Muskels als Erfolg der Reizung seiner Nerven. Später zeigt man Ihren Sinnen den Kranken, die Symptome seines Leidens, die Produkte des krankhaften Prozesses, ja in zahlreichen Fällen die Erreger der Krankheit in isoliertem Zustande. In den chirurgischen Fächern werden sie Zeugen der Eingriffe, durch welche man dem Kranken Hilfe leistet, und dürfen die Ausführung derselben selbst versuchen. […] So spielt der medizinische Lehrer vorwiegend die Rolle eines Führers und Erklärers, der Sie durch ein Museum begleitet, während Sie eine unmittelbare Beziehung zu den Objekten gewinnen und sich durch eigene Wahrnehmung von der Existenz der neuen Tatsachen überzeugt zu haben glauben.« (2007 [1916-17]: 14f.) 27 Mike Wunderlich berichtet, dass sein zunächst vereinsinternes Burnout-Geständnis als Spieler von FSV Frankfurt durchaus nicht nur auf breites Verständnis stieß. Bestimmte Leute hätten ihm sein Problem nicht abgenommen und sich gegen das Zugeständnis einer Rückkehr Wunderlichs in seine Heimatstadt Köln ausgesprochen. Siehe hierzu Eng am Ball (am 16.4.2013; ab Min. 13:39).
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bestellt sein kann.28 Zumindest ansatzweise lässt sich ein Code der »authentischen« Darstellung von Athletendepressionen erkennen, der die Glaubwürdigkeit jener, die aus dem Rahmen fallen, infragestellt. Beispielsweise hat der Spiegel (5/2013: 124ff.) das Bekenntnis der US-Skifahrerin Lindsey Vonn, seit Jahren unter Depressionen zu leiden und auf Antidepressiva angewiesen zu sein (u.a. Welt online vom 14.12.2012), als Strategie zur Verbuchung von Sekundärgewinnen interpretiert. Obwohl Vonn in den US-amerikanischen Medien ein Melodram erzählt, das den Narrationen anderer Betroffener durchaus ähnelt, unterstellt ihr der Autor dennoch den opportunistischen Rückgriff auf ein Deutungsschema, das gewissermaßen in Mode gekommen sei. Im Beitrag mit der Überschrift »Lindseys Geschichten« kommentiert er skeptisch: »Nur sie weiß, wie schlecht es ihr wirklich geht. Aber seit dem Theater um ihre Schienbeinprellung bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver glauben ihr die Leute nicht mehr alles, vor allem wenn es um Krankheiten und Verletzungen geht.« (ebd.: 125) Dass sie im Anschluss an eine »Quarkwickelkur« damals die Goldmedaille gewann, lässt ihn folgern, dass Siege für Vonn bereits eine Selbstverständlichkeit darstellten. Mit der Zutat ihrer Depression aber versprächen sie, Wundern zu gleichen und als besonders heroisch zu gelten. Durch die vielen Hinweise auf die sportliche Erstklassigkeit der erfolgsverwöhnten Fahrerin wird nicht nur implizit nahegelegt, dass sich Depressionen und sportliche Leistungsfähigkeit kategorisch ausschließen würden. Zudem lautet der explizite Vorwurf, dass ihre Äußerung sowohl zur Glorifizierung im Erfolgsfalle als auch zur Legitimation einer möglichen Minderleistung tauge. Der beschriebene Fall zeigt: Die Darstellungsgeschichte einer prominenten Person stellt Daten zur Verfügung, anhand derer Bekenntnisreden gerahmt und ggf. infragegestellt werden – dies umso mehr, als Zeitungsinterviews den Ausdrucksmöglichkeiten in Form von Mimik und Gestik entbehren, mit deren Hilfe Behauptungen nuanciert und unterstrichen werden können.29 In ähnlicher Weise wird in der Kölner Express-Zeitung (online vom 20.7.2012) der Brief eines erbosten Lesers zitiert, der mit Bezug auf den Fall Mike Wunderlich, Fußballspieler beim damaligen NRW-Ligisten Viktoria Köln, das authentische vom unauthentischen Burnout-Leiden wie folgt unterscheidet: »Sie (gemeint ist der Redakteur, F.K.) sind ein Arschkriecher! Sie schreiben, der arme Mike Wunderlich leidet an Burnout, dabei steht er dann drei Tage später auf dem Fußballplatz im Testspiel. Das ist ein Schlag für all diejenigen, die wirklich krank 28 D ieser Umstand ist umso interessanter, weil die Medienakteure in anderen Fällen Depressionen unterstellen, ohne dass sich die thematisierten Athleten explizit als »depressiv« bezeichnen. Siehe hierzu Kapitel 7. 29 Athleten, die das Bekenntnis ihrer Depression auf eigens dafür anberaumten Pressekonferenzen ablegen, umgehen dieses Problem dadurch, dass sie sich vor den Augen der anwesenden Journalisten sichtbar machen (z.B. in den Fällen Sebastian Deisler und Markus Miller).
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sind.« Sven Hannawald (SWR 1 am 24.9.2013; ab Min.: 25:15) findet ebenfalls klare Worte für jene, die ihm als Schwarzfahrer auf dem Sonderzug des therapeutischen Diskurses erscheinen: »[…] in der heutigen Zeit ist es leider so, dass viele dann irgendwo ›Burnout‹ vorschieben, teilweise auch, dass sie Medienpräsenz hamʼ, oder sonst irgendwas, und zwei Wochen später laufen sie dann wieder auf ʼem roten Teppich ʼrum, wenn ich sowas sehʼ, würde ich denen vielleicht, glaube ich, nur ʼnen halben Tag die Tiefe […] oder das Gefühl, wo man wirklich, wo man am Boden ist, nur ʼen halben Tag einfach mal nur mal reinversetzen lassen (sic!). Ich glaube, die werden das Thema von sich aus, glaube ich, nie wieder in den Mund nehmen.« Das Burnout-Bekenntnis Jan Ulrichs im Rahmen von Gerichtsverhandlungen um seine Dopingvergangenheit wird subtil in den Kontext einer Drückeberger-Mentalität gestellt. Der Spiegel (online vom 13.8.2010) kommentiert: »Ulrich verliert Klage gegen Dopingjäger. Das ging anders aus als geplant: Jan Ulrich ist vor Gericht mit einer Klage gegen den Dopingexperten Werner Franke gescheitert. Dieser darf nun offiziell behaupten, dass der Ex-Radprofi Geld an den Dopingarzt Fuentes gezahlt hat. Ulrich hat sich ausgerechnet heute krankgemeldet – er leidet an Burn-out.« Auch diese Darstellung macht deutlich, dass die Glaubwürdigkeit der Mitteilung durch die bloße Bekanntgabe des Problems nicht garantiert wird. Der situative Rahmen der Dopingvorwürfe gegen Ulrich hängt wie ein Damoklesschwert über seinem »Outcoming«. Als Testimonial der Athletendepression kommt er somit nicht infrage.30 Im Juni 2014 sorgt der Fußballspieler Hakan Calhanoglu, damals noch beim Hamburger SV unter Vertrag, mit einer Krankmeldung für Aufsehen. Eine Psychologin hatte ihm »mentale Probleme« (Elf Freunde online vom 3.2.2017) attestiert und für vier Wochen krankgeschrieben. Calhanoglu klage über Angstzustände, die durch das hohe Maß an Wut und Hass der Fans gegen seine Person 30 D er südafrikanische Prothesensprinter Oscar Pistorius verweigerte seine Aussage im Strafprozess wegen fahrlässiger Tötung gegen ihn ebenfalls aufgrund einer Depression (Spiegel online vom 13.6.2016). Die Schwere der Tat sowie die besonderen Umstände seiner Diagnose stehen einer Zitation seines Bekenntnisses im Diskurs über depressive Spitzenathleten entgegen. Dasselbe gilt für den »Burnout« und Suizid Swen Lewandowskis, ehemaliger Fußballtrainer bei Bayer 04 Leverkusen und beim 1.FC Union Berlin. Als öffentlich wurde, dass gegen Lewandowski wegen Kindesmissbrauchs ermittelt wurde, kamen Solidarität und Anteilnahme in Anbetracht des »tödlichen Leistungsdrucks« (FNP online vom 10.6.2016) im Profisport schnell zum Erliegen (BZ online vom 13.6.2016).
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ausgelöst würden. In diesem Fall wird allerdings keine Debatte über die Integration von Spielern mit Migrationshintergrund befeuert. Große Teile der Fußballöffentlichkeit bringen die Abgabe des Attests damit in Verbindung, dass sich sein Verein zunächst gegen die Wechselwünsche des Mittelfeldspielers gestellt hatte (Zeit online vom 18.6.2014). Tatsächlich wird das Attest nach Transfer zum neuen Verein direkt aufgehoben. Sich darauf beziehend, nimmt unter anderem Michel Mazingu-Dinzey, ehemaliger Bundesliga-Profi beim FC St. Pauli, im Interview mit der Hamburger Morgenpost (online vom 24.7.2014) kein Blatt vor den Mund. In einem Artikel mit der Überschrift »Abrechnung mit Ex-HSV-Profi Calhanoglu« schätzt er die Genealogie der Ereignisse folgendermaßen ein: »Man muss ja nur mal nachlesen, was der Junge in den vergangenen Wochen so alles von sich gegeben hat. Das ging los mit der Vertragsverlängerung beim HSV, dann wollte er plötzlich ganz schnell weg aus Hamburg und es gab dieses Theater um seinen Wechsel, was rechtzeitig zum Trainingsstart zu einer Krankschreibung führte.« Ohne zwischen »mentalen Problemen« und »Depressionen« zu unterscheiden fährt er fort: »Das nehme ich ihm richtig übel: Denn es gibt genügend Beispiele von Menschen, auch Fußballprofis, die tatsächlich darunter leiden und die dadurch zu Tode gekommen sind wie Robert Enke oder jetzt Andreas Biermann. Das ist kein Witz, damit macht man keine Späße.« (ebd.) Viele »User« in Online-Foren schließen sich Dinzeys Deutung an, nur vereinzelt hört man Gegenstimmen.31 Auf Twitter legt Dinzey nach: »Man hat im Fußball schon viele Idioten erlebt aber #Calhanoglu übertrifft alle. Deine 10 ist höchstens dein IQ #Dummbacke.« Aus einer Perspektive zweiter Ordnung führt der Fall Calhanoglu abermals vor Augen, dass die soziale Konstruktion einer »echten« Depression vor allem durch die sozialen Umstände bedingt wird. Indem die infragestehende Glaubwürdigkeit darüber hinaus mit Enke und Biermann verglichen wird, also in den Kontrast jener Ereignisse gestellt wird, bei denen sich Athleten das Leben genommen hatten, werden Suizidalität und Suizid gar zum Maßstab authentischer Leidenskommunikation. Während selbst noch der missglückte Selbstttötungsversuch als bloßer Schrei nach Hilfe eingeordnet werden kann, hinterlässt die finale Lösung keine Zweifel an der Verfasstheit dessen, der den Tod bevorzugt. Kommunikationstheoretisch betrachtet taugt der Suizid durchaus als unzweifelhafte Affirmation. Vor diesem Hintergrund darf als problematisch gelten, dass Robert Enke
31 B ei der Rückkehr mit seinem neuen Verein nach Hamburg empfingen ihn die HSV-Fans mit folgendem Banner: »Heute Bayer, morgen Madrid – mit Depressionen kommt der nächste Schritt.« (Hamburger Morgenpost online vom 2.11.2014)
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in den Massenmedien wiederkehrend als besonders authentische Persönlichkeit bezeichnet wird (FAZ vom 16.11.2009; Neue Presse vom 9.11. 2015). Ein weiteres Beispiel stellt Tyson Furys Bekenntnis einer bipolaren bzw. manisch-depressiven Störung dar, in den Massenmedien unterschiedslos als »Depression« bzw. »Depressionen« bezeichnet. Der »bad boy« des Boxsports gewährt Anfang Oktober 2016 Einblicke in sein leidvolles Selbsterleben, gesteht alltägliche Selbsttötungsfantasien und gibt seine Weltmeistertitel mit dem Hinweis zurück, er müsse sich zum Wohle seiner Familie dringend dem Kampf gegen seine Erkrankung widmen (FAZ online vom 13.10.2016). Deren Entstehung sei nicht zuletzt auf die langjährigen, bereits in der Kindheit gesammelten Diskriminierungserfahrungen als »Irish Traveler« zurückzuführen. Furys Eskapaden der letzten Jahre – Auftritte im Batmankostüm, Abwesenheit bei Presseterminen, exzessiver Alkoholkonsum sowie die in Dopingtests nachgewiesene Kokaindevianz –, seien als Coping-Strategien zur Betäubung der inneren Höllenqualen zu verstehen und im Vergleich zum Erleben seiner Depressionen als Lapalien einzustufen. Aufgrund der öffentlichen Meinung über seine Person wird die Glaubwürdigkeit seines Bekenntnisses mehrfach angezweifelt. Nicht nur sein sportlicher Widersacher Wladimir Klitschko deutet Furys Aussagen als Teil des Showgeschäfts im Boxen. Auch andere Kritiker fertigen Furys medienwirksame Introspektion als bloße Legitimationsrhetorik ab, die seine skandalösen Auftritte, verbalen Entgleisungen und konsumatorischen Lebensgewohnheiten entschuldigen sollten. Die Süddeutsche Zeitung (online vom 8.10.2016) fasst das Meinungsbild zusammen: »Ist Fury also nun ernsthaft krank? Ist er ein Mann, der sich selbst einfach nicht unter Kontrolle hat? Oder ist er nur ein Selbstdarsteller, der mit allen spielt? Fury sagt: Möglichkeit eins. Seine Frau sagt: Möglichkeit zwei. Promoter Erol Ceylan sagt: Möglichkeit drei.« Glaubwürdigkeitsprobleme gegenüber Athleten, die ihr Leiden öffentlich machen, sind überdies dann erwartbar, wenn pharmakotherapeutische Indikationen der Depression mit Effekten der Leistungssteigerung assoziiert werden. Falls der Diskurs um depressive Spitzenathleten früher oder später ins Fahrwasser des Dopingdiskurses abrutschen sollte, wäre es um die Authentizität von Depressionsgeständnissen denkbar schlecht gestellt. Ein Radfahrer, der sich öffentlichkeitswirksam zu seiner Asthmaerkrankung bekennt, darf bereits mit ambivalenzen Reaktionen rechnen. Von einer Verschärfung der Authentizitätsparadoxie bei der Offenbarung von Depressionen ist spätestens dann auszugehen, wenn leistungssteigernde Effekte antidepressiver Medikation empirisch nachgewiesen wären. In dem Maße, wie Medikamente wie Bupropion, Fluoxetin, Valproat, u.a. auf der Agenda der präventiven Dopingforschung auftauchen oder sogar als Dopingmit-
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tel auf die Liste der verbotenen Substanzen gesetzt werden, ist nicht nur mit einer Zunahme der Antragsstellungen für therapeutische Ausnahmeregelungen (TUEs) wegen Depressionen zu rechnen, sondern auch mit einem eher skeptischen Sportpublikum. Abschließend lässt sich festhalten: Solange Athletenbekenntnisse zu Depressionen mit heftigen Einschnitten im Leben des Betroffenen einhergehen, zu Suizidversuchen oder sogar vollendetem Suizid führen, mit Phasen sportlichen Misserfolgs zusammenfallen oder die Entscheidung zum »drop out« nach sich ziehen, stehen die Chancen für eine Anteilnahme der Öffentlichkeit gut. Bekenntnisse unter nicht ganz ambivalenzfreien Umständen sowie retrospektive Geständnisse erzeugen allerdings nicht nur weniger Aufmerksamkeit, sie werden auch häufiger infragegestellt.
Online-Kommunikation im Medium Leidensgenossenschaft Einen kommunikativen Sonderbereich für Betroffene stellt das Internet zur Verfügung. Zwar sorgen Online-Plattformen und soziale Netzwerke immer wieder aufgrund von »Cyber-Mobbing« für Negativschlagzeilen. In Anbetracht der einheitsstiftenden Wirkung des Feindbildes Depression führt der Umgang mit im Netz publizierten Einblicken allerdings häufig zu solidarischen Zusammenschlüssen. Zwar ziehen auch »Postings« über Selbsttötungsversuche, Suizidgedanken, depressive Phasen und überfordernde Tage, wie sie beispielsweise von Andreas Biermann auf seinem Facebook-Profil veröffentlicht wurden – um »Gerüchten und Falschmeldungen vorzubeugen« bzw. »den bisherigen, […] offenen Weg weiterzugehen« (Welt online vom 14.2.2012) – vereinzelt Häme und Spott nach sich. Jene, die nicht in den Lobklatsch des Bekenntnisses einsteigen, müssen dennoch mit einem »Shitstorm« gegen sich rechnen. Entsprechend ist es einer gewissen Karin G. ergangen, die in einer privaten Nachricht an Sven Hannawald eine folgenreiche Empfehlung gibt: »Herr Hannawald, bitte ersparen Sie uns ihre lästigen Kommentare in den Medien und tun Sie, was jeder vernünftige Mann in Ihrem Alter tun sollte: Einer Arbeit oder einer SINNVOLLEN Tätigkeit nachgehen oder sich in irgendeiner Form nützlich machen. Damit würden Sie viel mehr Respekt verdienen als mit ihren dämlichen Auftritten und Pseudoweisheiten, die ohnehin keinen mehr interessieren.« Hannawald hat die Kommentierung seiner öffentlichen Auftritte mitsamt der E-Mail-Adresse ihrer Autorin am 5. Januar 2015 auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht und den Kommentierungen zweiter Ordnung durch die Netzgemeinschaft seiner »Follower« ausgesetzt. Zwar zeigt das Forum, dass diese Maßnahme von manchen »Usern« kritisch gesehen wird. Den Großteil der Reaktionen allerdings stellen Gegendenunziationen wider die Kritik an Hannawalds Außen-
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darstellung dar. Die Kommentare gehen von »Neid ist die höchste Form der Anerkennung.«; über: »Manche Menschen merken einfach nichts mehr! Nicht ärgern Sven!!«; oder: Man koennte die gute Frau jetzt auch mit so viel scheiss zuspamen.«; zu: »Hanni, hast klasse drauf reagiert. Die ist einfach nur Dumm!!!!« Jenseits des Diskurses über Athletendepressionen hat sich die Kommunikation über die eigenen Depressionen gar zu einem viralen Phänomen entwickelt. Im Hashtag #NotJustSad twittern Betroffene über ihr Erleben und ihre Erfahrungen mit depressivem Leidensdruck und anderen psychischen Erkrankungen, schließen sich gar zu einer virtuellen Protestbewegung gegen das verbreitete Unverständnis zusammen, erzählen von ihren Diskriminierungserfahrungen, fordern einen verständnisvolleren Umgang ein und geben Anstöße, wie ein solcher aussehen könnte.32 Die virtuelle Kommunikation über das Thema Depression nimmt Züge der Interaktion in Selbsthilfegruppen an, die unabhängig von Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, Status und anderen gesellschaftlichen Unterscheidungskriterien funktioniert. Die soziale Isolation wird durch die Unabhängigkeit des Internets von räumlichen Distanzen überbrückt. Bittere Erfahrungen der Einsamkeit, Fremdheit und Ratlosigkeit in der direkten Lebensumwelt finden ihr Gegenmodell in der virtuellen Kollektivierung von Personen mit einer Depressionserfahrung. In der Anonymität des Internet-Mediums instrumentalisieren sich Betroffene wechselseitig als Publikum für ausführliche Erzählungen und vielsagende Anekdoten, geben tiefe Einblicke in ihre prekäre Selbstbeobachtung, publizieren ihre persönlichen Erfahrungen mit Medikationsversuchen, stellen ihre Sinn- und Bedeutungskonstruktionen bezüglich der Erkrankung zur Disposition und liefern weitläufige ätiologische Deutungen. In Online-Unterstützungsnetzwerken werden ansonsten angezweifelte Problemdeutungen wie Expertenmeinungen behandelt.33 Die Funktionalität dieser sozialen Einrichtungen basiert auf der Gleichstellung im Kommunikationsmedium Leidensgenossenschaf t. Das Kommunizierte »gefällt« per Mausklick, wird per Knopfdruck »geteilt« und scheinbar bedingungslos geglaubt. In virtuellen Inseln der Reziprozität stellt die Infragestellung der Glaubwürdigkeit Alters den blinden Fleck der Kommunikation dar. In Online-Gruppen werden Inkommunikabilität und Inauthentizität selbst inkommunikabel gehalten. Das Gefühl, nicht verstanden zu werden, führt zur gesteigerten Bereitschaft, die Versionen der Mit-Leidenden in der virtuellen Gemeinschaft nicht zu hinterfragen – umso mehr, da die soziale Distanz des Mediums mit sich bringt, dass man mit lebensweltlichen Implikationen dieser Ernstnahme nicht konfrontiert 32 Z ur rasanten Entstehung dieses Twitter-Hashtags vgl. Seelig (2015: 11ff.). 33 Eine ausführliche Untersuchung zu »Electronic Support Groups« in der Online-Kommunikation über Krankheitserfahrungen liefert Barker (2008).
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wird. Online werden die Karten neu gemischt. Alles ist möglich! Nichts ist unwahrscheinlich. Umso lohender wäre eine Studie zur Internet-Nutzung von »Depression Support Groups« (Houston, Cooper und Ford 2002) durch Athletinnen und Athleten.34
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Autobiografische Narration
Athleten wälzen die Schwierigkeiten, die sich aus ihrer hochkomplexen Lebenslage ergeben, nicht nur in Gedanken, teilen sie engen Vertrauten mit oder bekennen sich in Zeitungsinterviews zu ihrer Erkrankung. Bisweilen machen sie diese zudem in Form von Autobiografien der breiten Öffentlichkeit zugänglich. In der folgenden Teilstudie werden deshalb die Funktionen autobiografischen Schreibens analysiert. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die narrativen Logiken gelegt, die ganz wesentlich zur Erfüllung dieser Funktionen beitragen. Eine gesellschaftstheoretisch fundierte Auseinandersetzung mit dieser Form von Selbstthematisierung depressiver Spitzensportler fehlt bislang. Einzig Newman/Howells/ Fletcher (2016) untersuchen zwölf Autobiografien depressiver Athleten. Aufgrund ihres psychologischen Erkenntnisinteresses legen sie ihren Fokus allerdings nicht primär auf die Funktionen und Narrationen dieser Form von Kommunikation zwischen dem Autor und seinen Lesern. Auf Grundlage der Schilderungen arbeiten sie en detail heraus, wie sich »depressive experiences« jeweils auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken – und umgekehrt. Die wissenschaftliche Unterbelichtung des Phänomens überrascht. In den letzten Jahren wurden auf dem englisch- und deutschsprachigen Buchmarkt eine Reihe von Autobiografien veröffentlicht, in denen ehemalige Spitzenathleten tiefe Einblicke in die Genealogie und Phänomenologie ihrer Depressionen geben. Die folgenden Beobachtungen basieren auf der Auseinandersetzung mit vier deutschsprachigen bzw. ins Deutsche übersetzten Texten, die – gemäß dem hier gewählten Einschlusskriterium – die depressive Episode nicht in einem gesonderten Kapitel abhandeln, sondern aus Anlass der Auseinandersetzung mit dieser leidvollen Erfahrung sowohl verfasst als auch publiziert wurden. Interessant ist, dass Athletinnen solche Autobiografien bislang nicht veröffentlicht haben.35 34 Z um Austausch von Athleten über alternativ- und komplementärmedizinisches Wissen in sportbezogenen Internetforen vgl. beispielsweise Kimmerle et al. (2012). 35 Darüber hinaus gibt es weitere (Auto-)Biografien, in denen psychische Leidenserfahrungen prominenter Spitzenathleten sowie anderer Rolleninhaber im Sport bekannt und/oder beschrieben werden. Die wohl bekannteste stellt die im September 2010 publizierte Enke-Biografie Ronald Rengs (»Robert Enke. Ein allzu kurzes Leben«) dar. Da an dieser Stelle autobiografische Kommunikationen fokussiert werden, wird auf deren Berücksichtigung jedoch verzichtet. Der Autor gibt zwar an, dass das Buch die Vollendung eines gemeinsamen Projekts von Enke und
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Deren Selektion als auto-biografisch ist erklärungsbedürftig. Mit einer Ausnahme stellt die literarische Rekonstruktion der Biografie in den untersuchten Fällen das Resultat eines arbeitsteiligen Schreibvorgangs dar, eines kooperativen Projekts, das jeweils sportjournalistisch begleitet, unterstützt und angeleitet wird. Aufgrund der häufig explizit in die Texte eingearbeiteten Gemeinschaftsinszenierungen zwischen Athlet und Ko-Autor ist die Rede von Autobiografien dennoch angemessen – selbst wenn die Lebensgeschichte in der dritten Person entfaltet wird.36 Meist wird die enge Beziehung zwischen beiden betont, die sich entweder schon lange kennen oder das fundierende Grundvertrauen ausbauen, sich immer weiter annähern und einen offenen Umgang selbst mit heiklen Themen pf legen. Derart wird auf subtile Weise zum Ausdruck gebracht, dass die Ko-Autorenschaft zu keinerlei Kommunikationshemmungen, Informationsverzerrungen oder Missverständnissen geführt habe, sondern für die Verdichtung zu einem authentischen Text verbürge. Die Definition der Autobiografie als einer »[…] rückblickenden Prosaerzählung einer tatsächlichen Person über ihre eigene Existenz, wenn sie den Nachdruck auf ihr persönliches Leben und insbesondere auf die Geschichte ihrer Persönlichkeit legt« (Lejeune 1994 [1975]: 14), wird in den untersuchten Fällen deshalb als erfüllt betrachtet. Nachstehend wird erstens die Autobiografie Sebastian Deislers (»Zurück ins Leben. Die Geschichte eines Fußballspielers«; zus. mit Michael Rosentritt) aus dem Jahr 2009 (seit 2010 als Taschenbuch) einer detaillierten Analyse unterzogen. Im deutschen Sprachraum stellt seine Publikation die erste Abhandlung dar, die das Selektionskriterium erfüllt. Das Buch wird als Gemeinschaftsprojekt beschrieben, das auf Deislers Initiative zurückgehe und einen »ehrlichen und sehr persönlichen Bericht des Ausnahmeprofis« (auf dem Buchrücken) darstelle. Ganz konkret wird Deisler (ders./Rosentritt 2010: 31) im Text selbst zitiert: »Ich würde mit dir (Ko-Autor Rosentritt, F.K.) gerne ein Buch über mich und meine Geschichte schreiben.« Die Bedingung der Identität zwischen Autor, Erzähler und Hauptihm dargestellt habe und die entscheidenden Weichen schon Jahre vor der Veröffentlichung gestellt wurden. Insofern das Buch jedoch bereits im Titel auf das »allzu kurze Leben« des früheren Fußballtorwarts verweist, ist davon auszugehen, dass wesentliche Teile erst nach Enkes Suizid entstanden sind. Entsprechend wirbt der Piper Verlag mit dem Slogan: »Das Buch, das Robert Enke selbst schreiben wollte.« Aufgrund der Konzentration auf die Athletenrolle wird auch die Autobiografie des einstigen Schiedsrichters Babak Rafati einer späteren Analyse im Rahmen anderer Forschungsprojekte überlassen. Zudem sind mehrere Autobiografien überwiegend ehemaliger Spitzensportler entstanden, in denen Phasen eines primären oder sekundären depressiven Leidens im Rückblick auf den eigenen Lebensweg eingestanden werden; zum Beispiel in »Open« (Andre Agassi) oder »Ronnie. The Autobiography of Ronnie O’Sullivan«. Eine Analyse dieser Texte wäre durchaus interessant, wird durch die Wahl des Einschlusskriteriums in diesem Zusammenhang allerdings ausgeschlossen. 36 Allgemein hierzu überdies McElroy (1991: 168), Taylor (2008: 477ff.) und Sparkes/Stewart (2015: 4ff.).
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figur wird aus diesem Grund als indirekt, aber eindeutig gegeben angenommen (hierzu Lejeune 1994 [1975]: 14ff.). Zweitens wird die Autobiografie Andreas Biermanns mit dem Titel »Rote Karte Depression. Das Ende einer Karriere im Profifußball« (zus. mit Rainer Schäfer; März 2011) unter die Lupe genommen, die eine Vielzahl intertextueller Verweise auf die Publikation Deislers aufweist. Dadurch wird bereits der Anschein erweckt, als würden sich die jeweiligen Einzelpublikationen über die Individualität der erzählten Geschichten hinweg zu einem recht eigenständigen Textgenre bzw. Narrativ schließen. Drittens wird die Autobiografie der ehemaligen schwedischen Fußballhoffnung Martin Bengtsson (»Freistoß ins Leben«) untersucht. Interessant an dieser von Bengtsson selbst verfassten Narration ist zum einen die Tatsache, dass das schwedische Original aus dem Jahr 2007 erst infolge des Suizids von Robert Enke (im November 2009) übersetzt wurde (seit 2012 in deutscher Erstauf lage). Zum anderen handelt es sich in seinem Fall um keine Sportprominenz. Vielmehr rückt Bengtsson seine Depression als Verhinderung der großen Fußballkarriere – in seiner Deutung: von Schlimmerem – in den Fokus, und erzeugt paradoxerweise gerade dadurch seine Bekanntheit als Autor. Viertens wird die Autobiografie des früheren Skispringers Sven Hannawald (»Mein Höhenf lug, mein Absturz, meine Landung im Leben«; zus. mit Ulrich Pramann) auf ihre narrative Logik hin studiert. Im April 2004 hatte sich Hannawald als einer der ersten deutschen Spitzensportler (nach Deisler) öffentlich zu seiner Erkrankung geäußert. Seine Autobiografie wurde jedoch erst neun Jahre später (im September 2013) veröffentlicht. Insofern sich die erwartbaren Erzählmuster auch in diesem Text finden, lässt sich das Ergebnis der vorliegenden Analyse erst recht als ein genretypisches Narrativ verstehen. Um die narratologischen Gemeinsamkeiten dieser Texte extrahieren zu können, wird auf eine Berücksichtigung der feinen Unterschiede in semantischer, syntaktischer, redaktioneller und inhaltlicher Art weitgehend verzichtet. Aspekte der literarischen Qualität werden vollständig ausgeblendet.37 Der erzählerische Eigenwert und die narrative Struktur der Texte, die im Zentrum der Beobachtung stehen, lassen sich hingegen nur dann angemessen einschätzen, wenn sie in ihrem kommunikativen Kontext gedeutet und vor diesem Hintergrund als funktional beobachtet werden. Dem werden die folgenden Überlegungen gewidmet.
37 Z um literarisch-künstlerischen Gehalt von Sportlerautobiografien hat beispielsweise David Foster Wallace (2005) seine Enttäuschung zum Ausdruck gebracht. Der Stoff, der über großes Potenzial für fesselnde Literatur verfüge, enttäusche die Lesererwartungen (oft) maßlos.
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Fortsetzung der Therapie mit anderen Mitteln Zum einen fällt auf, dass beim autobiografischen Schreiben fundierende Leitunterscheidungen der therapeutischen Kommunikation wirksam werden. Dies betrifft ganz wesentlich die ätiologische Frage: Warum ich? Zwar hat die empirische Forschung darauf hingewiesen, dass depressive Personen oft auf biochemische Problemdeutungen zurückgreifen (Lewis 1995: 377f), als »praktische Erklärungen« (Scott/Lyman 1968)38 bisweilen sogar bevorzugen (Kangas 2001: 78; Schreiber 1996: 481f.).39 Ihrem Vorteil einer Kulpabilisierung des Stoffwechsels steht allerdings der große Nachteil gegenüber, dass das Reden über Synapsen, Spalte und Botenstoffe für den Laien rätselhaft bleibt und erst recht keine lebensgeschichtliche »Bedeutung« (Lewis 1995), keinen »Sinn« (Kangas 2001) des Leidens vermittelt (Karp 1994: 26, 1996: 14; Lewis 1995: 378; Schreiber/Hartrick 2002: 99ff.). Somit schaffen sie kein Bewusstsein für die Spielräume, welche die Wiederaneignung des Lebens unterstützen könnten. Sie beantworten also die Frage nach dem Selbst, was davon übrigbleibt, und was noch zu erwarten ist, nicht. Demgegenüber werden im autobiografischen Projekt Erzählungen angefertigt, die die Krankheitserfahrung gemäß dem Schema manifest/latent ref lektieren und die latente Bedeutung des Leidens in der individuellen Lebensgeschichte suchen. Sebastian Deisler äußert sich demgemäß drastisch: »Die Vergangenheit war wie Brei in meinem Kopf. Das musste raus. Geordnet werden. Ohne dieses Buch hätte ich nicht weitermachen können.« (Zeit online vom 1.10.2009) Dabei weist er sein Buchprojekt explizit als »Teil einer Therapie« (ebd.) aus. Auch Hannawald (ders./Pramann 2013: 9) ist überzeugt: »Es gab ein paar wichtige Fragen, die in meinem Leben noch offen waren. Die Antworten darauf habe ich für mich gefunden, während dieses Buch entstanden ist.« Dass mit dem Verfassen der eigenen Geschichte nicht zuletzt die therapeutische Funktion der Selbständerung verbunden ist, zeigt sich gerade in zeitlicher Hinsicht. Das autobiografische Projekt deklariert das psychosoziale Drama zur »Zwischenzeit«, zur Zeit der Selbsterkenntnis und Metamorphose, die erst noch zu durchschreiten ist, »[…] um überhaupt irgendwo anzukommen« (Deisler/Rosentritt 2010: 39f.). Vergangene Gegenwart wird erinnert, um der gefühlten Hoffnungs- und Ausweglosigkeit Herr zu werden, »retrospektiv sinnstiftend zu wirken« (Kapp 1987: 301), etablierte Selbsterzählungen aufzugeben und dadurch ein »heilsames« Kontingenzbewusstsein zu erzeugen. »Vergangenheit bewältigen«,
38 Z um Konzept der »accounts« (praktische Erklärungen) im Kontext von Krankheits- und Gesundheitsdiskursen siehe Radley und Billig (1996). Yar (2014: 2) beschreibt Autobiografien prominenter Athleten als »public accounts«. 39 Beisser (1967: 21) schildert die paradoxe Hoffnung eines depressiven Basketballspielers, an einer im Ursprung physiologischen Störung zu leiden: »If someone just could have told me it was something physical, I would have been the happiest person in the world.«
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das heißt demgemäß neue Selbstbeschreibungen formulieren und auf Zukunft setzen. Vor allem auch das wilde Gefühlsleben mit seinem Spektrum an Wut, Hass, Scham, Angst, Trauer und anderen Emotionen wird als authentischer Wegweiser in die Zukunft beobachtet. Ihr spontanes Auftauchen irritiert: »Ziemlich furchtbar, was man bei sich selbst alles finden kann« (Bengtsson 2012: 185). Hannawald (ders./Pramann 2013: 9) beschreibt die Spurensuche als Reise in einem unbekannten Land, bei der vor allem manche Emotionen, die er längst verschollen glaubte, neu geweckt würden – Kindheitserinnerungen, schöne wie traurige, die er wohl jahrelang verdrängt hatte. Die autobiografische Auseinandersetzung mag sogar Vorteile gegenüber dem therapeutischen Gespräch haben, insofern der schreibenden Tätigkeit weniger zeitliche Restriktionen, vor allem aber kaum Kapazitätsgrenzen von außen gesetzt werden. Entsprechend ausführlich, symptomaufmerksam und anekdotenreich fallen die internen Recherchen über komplexe Gefühls- und Motivlagen aus, die das oft abstrakte Reden über die Depression mit dem Fleisch einer individuellen Geschichte füllen. Die eigene Lebens- und Leidensgeschichte ist »[…] zu komplex, als dass man sie in einem kurzen Interview auf der Sportseite zusammenfassen könnte« (Bengtsson 2012: 12).
Korrektur des öffentlichen Bildes Berücksichtigt man zudem die Tatsache der Publizität der Texte und blendet man die Seite des Lesers mit ein, treten weitere Funktionen autobiografischer Kommunikation zutage. Ihr Ziel besteht zwar auch darin, sich einen Standpunkt anzueignen, von dem aus sich die belastende Erfahrung besser verarbeiten lässt. Zudem mögen finanzielle Gründe eine Rolle spielen. Darüber hinaus aber müssen Autobiografien als »acts of social story-telling« (Yar 2014: vii) gedeutet werden, denen die Absicht zugrundeliegt, durch die Publikation einer eigenen Lesart des Falles die oft turbulente Wirklichkeitskonstruktion der öffentlichen Meinung mit ihrer Gerüchteküche namens Massenmedien zu bändigen. Wenngleich die autobiografischen Texte das mediale Muster der Skandalisierung des Sports reproduzieren, formulieren sie einen Gegenentwurf zu jenen Zuschreibungsroutinen, die deviante Persönlichkeitsstrukturen als Problemursache behaupten. Autobiografische Kommunikation lässt sich in dieser Hinsicht als Strategie des »Stigma-Managements« verstehen (ebd.), bei der die betroffenen Athleten explizieren, wie sie tatsächlich seien und wie sie gesehen werden wollen. Deisler (ders./Rosentritt 2010: 31) betont den Anspruch, die öffentliche Wahrnehmung seiner Person zu rehabilitieren: »Lange habe ich geschwiegen, und es ist leider ein falsches Bild von mir entstanden. Ich möchte die Wahrheit erzählen.« Die Athleten geben persönliche Geschichten, private Anekdoten und eine Auswahl intimer Geheimnisse, wie sie sonst nur Vertrauten gegenüber geäußert werden, im Tausch gegen ein besseres Verständnis ihrer schwierigen Lage preis –
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zumindest für jenes Publikum, das sich die Zeit zum Lesen nimmt. Der Rückgriff auf Schrift als Zweitcodierung von Sprache ermöglicht dabei nicht nur, dass Zeitund Raumgrenzen ausgedehnt und der Rezipientenkreis enorm erweitert werden. Er entlastet auch von den Bedingungen der Kommunikation unter Anwesenheit, die durch Mimik und Gestik des Gegenübers stark irritiert werden kann. Gerade Autobiografien eignen sich zur Kommunikation zwischen betroffenen Spitzensportlern und interessierten Lesern, weil sie sich spätestens seit den »Confessions« (Bekenntnissen) Jean-Jacques Rousseaus als literarische Gattung der Authentizität etabliert haben und die nahezu pathetische Autorität ihres Verfassers garantieren, »[…] offen zu sprechen« (Trilling 1983: 30). Entgegen ihren Vorläufern in den christlichen Glaubenstagebüchern, die noch private Dokumentationen zum Zweck der Gewissenserforschung bleiben (Foucault 2007 [1983]: 138), baut die Publikation autobiografischer Bekenntnisliteratur auf gesellschaftlichen Entwicklungen, die immer mehr Aufmerksamkeit auf das psychische Innenleben lenken, breites Interesse an der distinkten Weltbeobachtung anderer entstehen lassen (Stichweh 2008: 7) und deshalb die Veröffentlichung von intimen Details, Geheimnissen und Peinlichkeiten bereits durch die literarische Form legitimieren (Hahn/Willems 1996: 11).40
Biografische Neuvertextung Keine noch so gute Absicht kann jedoch die höhere Komplexität des Prozessierens von Gedanken und Gefühlen vollumfänglich abbilden. Die Selbstausstattung mit einer konsistenten Biografie im Medium des Schreibens stellt eine Sisyphosaufgabe dar. Stets hinterlässt sie eine Restgröße, die auf die Selektivität dieses sachlich hochkomplexen wie zeitlich unabschließbaren Projekts verweist (Kapp 1987) – und spätestens dann zu einer rekursiven Schleife führt, wenn der Autor, der über sich schreibt, im Objekt, über das er schreibt, auf den Autor stößt, der schreibt (Bette 1999: 254).41 Autobiografische Texte bilden also nicht einfach die Daten ab, die durch den Lebenslauf gegeben sind. Vielmehr löst der Rückgriff auf bestimmte Erzählschablonen wesentliche Probleme des Schreibens. Mithilfe solcher Schemata reduzieren die Autoren die »Totalität des gelebten Lebens« (Hahn 1987a: 40 A uch außerhalb des Sports ist es regelrecht in Mode gekommen, Autobiografien und tagebuchartige Texte anlässlich der eigenen Depressions- bzw. Burnout-Erfahrung zu veröffentlichen; siehe Meckel (2010), Polak (2014), Tobi Katze (2015), Seelig (2015) oder Wendt (2016). 41 In der Literatursoziologie wird das Problem der rekursiven Selbstbezüglichkeit autobiografischen Schreibens am Beispiel des Romanhelden Tristam Shandy in der Erzählung Laurence Sternes (1982 [1759]) festgemacht, der beim Verfassen seiner Memoiren auf eine ganze Vielfalt an unlösbaren Schwierigkeiten und »seltsamen Schleifen« (Hofstaedter 2013 [1979]: 728ff.) stößt. Bereits die ersten Kapitel bilden Reflexionen über die Zeit vor seiner Geburt ab, führen Kontingenz ein und fragen, wie das eine oder andere Missgeschick im Leben des Protagonisten hätte verhindert werden können.
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10), den nahezu unendlichen Strom von Erlebnissen, Erfahrungen, Handlungen und Stimmungen, die die Biografie eines jeden Menschen ausmachen (Hahn/ Willems/Winter 2005: 493). Das narrative Muster dient als Selektionskriterium, das die verfügbaren Erinnerungsbausteine selektiv aneinanderreiht, und weitgehend marginalisiert, was im Widerspruch zum dominanten Erzählschema steht. In den untersuchten Texten finden sich insbesondere zwei Narrative, die sich wechselseitig überlagern, im Verlauf der Geschichte ablösen und derart die Metamorphose der Person zum Ausdruck bringen. Während das Schema der Melodramatisierung das empirische Material der Erinnerungen als tragisch rekonstruiert (Kap. 12.1), findet im Muster der Futurisierung ein Vorzeichenwechsel statt (Kap. 12.2). Die trostlose Gegenwart wird als Wendepunkt markiert, die Entscheidung zum Rückzug aus dem Sport erzählerisch bekräftigt, das gelebte Leben wie eine zweite Haut abgestreift und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft kultiviert. Aus soziologischer Sicht besteht dennoch kein Zweifel: Beim Aufschreiben der eigenen Lebensgeschichte wird kein »wahres« Selbst gefunden, sondern ein neues Selbst konstruiert. Das Verfassen einer Autobiografie dient als »Biographiegenerator« (Hahn 1987: 12), der die Selbstref lexion nach bestimmten Selektionskriterien anleitet und die Neuvertextung des Lebens schemagetreu organisiert.
12.1
Melodramatisierung der Vergangenheit
Der narrative Rückblick auf das eigene Leben ermöglicht, die gewünschte Selbstveränderung etappenweise zu vollziehen und die Sorge um die Zukunft zugunsten der Beschäftigung mit der Vergangenheit zunächst auszublenden. Im Bewusstsein ihres pathologischen Ausgangs erscheint die eigene Lebensgeschichte im Zwielicht. Sven Hannawald fragt sich im Anschluss an die fachsprachlich informierte Darstellung seiner Diagnose als »schwere depressive Episode mit somatischem Syndrom«, »atypische Anorexia nervosa« und »ausgeprägtes Burnout-Syndrom« explizit: »War diese trostlose Zustandsbeschreibung die Quittung für mein bisheriges Leben?« (Hannawald/Pramann 2013: 23) In der Folge wird die Vergangenheit einer umfassenden Neubewertung unterzogen, indem Erinnerungen unter die Lupe genommen, auf blinde Flecken untersucht, neu gedeutet, selektiv verknüpft und in geeigneten Formen selbst- wie fremdüberzeugend narratiert werden.
Athletenkarriere als Risikobiografie In den analysierten Texten tauchen zwar auch Verweise auf die Depression als »Volkskrankheit« auf, Klagelieder auf die »Leistungsgesellschaft« oder Referenzen auf Amygdala, Hirnstoffwechsel und sonstige Organologismen. Vor allem aber wird die Depression als »nagende Verletzung« (Deisler/Rosentritt 2010: 294) des persönlichen Lebenswegs der Athleten beschrieben. Bisweilen sind die Erzäh-
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lungen wohl durchaus bestückt mit schönen Erinnerungen an erfüllte Erwartungen, glückliche Zeiten, familiäre Eintracht, idyllische Landschaften, Erwachen des Eros und andere gute Aussichten. Vor allem die vergangene Zukunft einer sportlichen Bilderbuchkarriere wird als wirksames Handlungsmotiv der frühen Jahre beschrieben. Im weiteren Verlauf der Erzählung überwiegt dennoch die Schilderung von Episoden des Ärgers, der Trauer und der Verzweif lung. Die Darstellungen funktionieren nach einem »Prinzip legitimatorischer Redundanz« (Stenger 1985: 32). Die f leißige Aufsummierung scheinbar vielsagender Details zielt darauf ab, die Überzeugungskraft der Geschichte zu erhöhen, weshalb entbehrungsreiche Kindheiten, familiäre Konf likte, Trennungsprozesse der Eltern, Tendenzen der inneren Emigration, monetäre Knappheit, schulische Problemlagen, schwierige Internatserfahrungen, Plattenbau-Szenerien, Mobbingopfer-Anekdoten, prägende Vertrauensbrüche sowie sonstige Enttäuschungen, Demütigungen oder Peinlichkeiten in den Erzählverlauf eingearbeitet und mit einer wegweisenden Bedeutung für die persönliche Entwicklung bedacht werden. Der Grundbass der Texte besteht jedoch im Erzählen »trauriger Geschichten« (Goffman 1973 [1961]: 149) über die sportliche Lauf bahn, die deutlich systemkritischer ausfallen als die eher anekdotischen Ironisierungen des »truer picture of the real and sometimes absurd world of sports« (Mc Elroy 1991: 171) in anderen Autobiografien von Sportlern. Die Beobachtung dieses Narrativs geht auf die Feldforschung in psychiatrischen Einrichtungen zurück. Goffman (1973 [1961]: 149) weist darauf hin, dass die Narration trauriger Geschichten die erwartbare Form der Ambivalenzbewältigung von Insassen in der Anstaltpsychiatrie darstelle, denn wenn »[…] die Fakten der Vergangenheit und Gegenwart eines Menschen extrem trostlos sind, dann ist es gewiß für ihn am besten, wenn er zu beweisen sucht, daß er für das, was aus ihm geworden ist, nicht verantwortlich ist, und dann kann man von einer ›traurigen Geschichte‹ sprechen. Es ist eine interessante Tatsache, daß ein Mensch, je mehr seine Vergangenheit ihn in Nicht-Übereinstimmung mit den zentralen Werten seiner Gesellschaft bringt, offenbar desto eher gezwungen ist, seine traurige Geschichte in jeglicher Umgebung zum Besten zu geben.« 42 Yalom (1974: 143ff.) stellt die Bedeutung von »sad stories« in der gruppenpsychotherapeutischen Kommunikation heraus. Im Hier-und-Jetzt therapeutisch angeleiteter Gruppendynamiken komme dieser Art, die Vergangenheit zu themati42 A nalog hierzu weist Kangas darauf hin, dass die Erzähler von »depression narratives« sich regelmäßig in die »moral position […] of a victim« (Kangas 2001: 83) einschmiegen und eine differenzierte Beschreibung der Bedingungen vornehmen, unter denen die Krankwerdung den gleichsam erwartbaren Ausgang bedeute.
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sieren, die Funktion der »Vermenschlichung« anfallender Interaktionen zu. Im Austausch trauriger Geschichten würden die Kohäsion zwischen den Gruppenmitgliedern verstärkt und auf brechende Konf likte einer Lösung angenähert. Denn selbst ein »[…] Mensch mit königlichem Gebaren, das fast unerträgliche Arroganz und Herablassung spüren läßt, kann plötzlich verständlich und sogar sympathisch erscheinen, wenn man von seinen Einwanderer-Eltern erfährt und von seinem verzweifelten Bemühen, die Erniedrigung seiner Kindheit im Elendsviertel zu überwinden. Dem einzelnen kommt es zugute, wenn die anderen in der Gruppe ihn ganz kennen und ganz akzeptieren; den Werdegang eines anderen zu kennen, ist ein reicher und oft unentbehrlicher Zusatz zur Kenntnis der Person.« (ebd.: 144) Die folgenden Beobachtungen machen deutlich, dass traurige Geschichten überdies als Schema der literarischen Gestaltung von Autobiografien fungieren. Im scharfen Gegensatz zur weit verbreiteten Heldenrhetorik heben depressive Spitzensportler in ihren autobiografischen Ref lexionen weniger den individuellen Ehrgeiz ihres Handelns hervor, sondern konstruieren ein dilemmatisches Bild ihrer vom Sport dominierten Lebensumstände. In den analysierten Narrationen stehen Transferangebote, Kadernominierungen, Gehaltserhöhungen, außeralltägliche Leistungen, Schanzenrekorde und Siegtore folglich nicht mehr als Meilensteine der aufstrebenden Sportkarriere im Mittelpunkt des Geschehens. Stattdessen repräsentieren sie die Rahmenbedingungen einer Biografie, die den Athleten immer weiter auf die schiefe Ebene der Entwicklung einer Depression führt. Bengtsson (2012: 11; Herv., F.K.) kündigt die Lektüre seiner Retrospektive demgemäß an: »Das ist meine Geschichte. Sie handelt von meinen Erfahrungen aus der Welt des Fußballs. Ich wollte aber kein Buch über Trainingseinheiten, Spiele, Saisonvorbereitungen oder Spielsysteme schreiben. Das kommt alles vor, aber eher als Kulisse für die eigentliche Erzählung.« Sven Hannawald liefert eine regelrechte Ideologie, dernach die wahrhaft erzählenswerten Sportgeschichten keine Helden-, sondern Leidensgeschichten seien. Zu Zeiten seines sportlichen Erfolgs habe er die Angebote, ein Buch über sich zu schreiben, dankend abgelehnt: »Was hätte ich schon groß erzählen sollen«, fragt sich Hannawald (ders./Pramann 2013: 8), »wenn das Buch mit den Siegen bei der Vierschanzentournee endet? Wie ich zur Skisprung-Legende wurde? Der Stoff erschien mir damals zu dünn und war durch die Presse ja ohnehin bekannt.« Folglich werden gerade die schmerzhaften Erinnerungen aus dem Bestand der Karriereerfahrungen ausgewählt, die einstmals innige Liebe zum Sport bald implizit, bald explizit zu den wesentlichen Problemursachen gezählt und das Selbst
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sukzessive vom wiederkehrenden Vorwurf freigesprochen, selbst schuld an der eigenen Misere zu sein.43 Die betroffenen Spitzensportler berichten meist ohne größere Umwege über die Schattenseiten der Athletenkarriere und überführen damit persönliche Sorgen und private Gefühle in die Verantwortlichkeit systemischer Missstände. Die autobiografische Erzählung wird als Fallgeschichte beschrieben, in der vor allem die Sozialisationseinf lüsse, Entwicklungsphasen und Schlüsselerlebnisse der Athletenkarriere als Problemursachen herausgearbeitet werden. Quasi genrebedingt werden Momente der direkten wie indirekten Anklage an den Sport und seine Akteure eingewoben und der gute Ruf des Sports mehr als nur infragegestellt. Die sportliche Lauf bahn wird gar zum gelebten Versuch, »[…] das [auszuhalten], was nicht auszuhalten ist« (Biermann/Schäfer 2011: 124). Frühe Erfahrungen des Einstiegs in die Athletenbiografie werden resümiert, Einf lüsse auf die psychosoziale Reifung angedeutet, Rollenkonf likte beschrieben, Formkrisen neu ref lektiert, ehemalige Wegbegleiter besucht und dabei immer wieder selbstaufmerksam das komplexe Gefühlsleben und die sich ausbreitende Emotionslosigkeit thematisiert – bis hin zum »tiefen Fall« (Hannawald/Pramann 2013: 167), den Depression bzw. Burnout bedeuten. Die implizite Botschaft dieser detailsensiblen Aufarbeitung lautet: Wem solches widerfährt, müsse geradezu zwangsläufig in eine Depression abdriften! Juliane Biermann (zit. in Biermann/Schäfer 2011: 112), Ehefrau Andreas Biermanns, gibt das Deutungsschema stellvertretend vor: »Wenn man seine Geschichte von Anfang an hört, ist es auch nachvollziehbar, dass er so geworden ist.« Um die oft schuldbeladene Selbstbeobachtung zu unterbrechen, wird die Krankheitsdiagnose regelrecht umgekehrt. Sebastian Deislers (ders./Rosentritt 2010: 188) Retrospektive lässt kaum Interpretationsspielräume: »Vielleicht war ich weniger krank als das System. Mich hat es tief bedrückt. Andere hätten in solchen Phasen Drogen genommen, ich wurde depressiv.« Im Schema der traurigen Geschichte offenbart der eingeschlagene Lebensweg also nicht mehr die Ecken und Kanten menschlicher Schicksale. Er führt die drohende Ausweglosigkeit des Spitzensports für jene vor Augen, die alles auf diese Karte setzen. Die Erzählungen lesen sich wie die Bestätigung sportsoziologischen Wissens über die »Hyperinklusion« (Göbel/Schmidt 1998: 109) in den Spitzensport.44 Auf43 I n der Autobiografie Sven Hannawalds ist der Sportbezug derart dominant, dass die Schilderung der prägenden Anekdoten im Leben des Skispringers sogar durch Exkurse über die Geschichte des Skispringens (ders./Pramann 2013: 208ff.), die »Entwicklung des Sprungstils« im Laufe der Jahrzehnte (ebd.: 90ff.) oder biomechanische Beschreibungen des idealtypischen Phasenverlaufs gelingender Sprünge (ebd.: 100ff.) ergänzt wird. 44 Bette/Kühnle/Thiel (2012: 48) gemäß ist das soziologische Konzept der Hyperinklusion geeignet, um die Sozialisationserfahrungen von Hochleistungsathleten angemessen zu beschreiben, demnach ein »Zuviel« der Inklusion von Individuen in den Spitzensport mit Referenz auf die In-
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grund der Pfadabhängigkeit der Athletenbiografie sammeln Nachwuchsathleten meist prägende Erfahrungen mit der Inkompatibilität von Lebensentwürfen. In zeitlicher Hinsicht verlangt der Hochleistungssport von den Athleten eine früh einsetzende und jahrelange Reduktion von Lebensbezügen auf die kurz-, mittel- wie langfristige Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit. Bereits im Jugendalter wird das Kontingent an Freizeit restriktiv gehandhabt, um freiwerdende Zeitguthaben konsequent in Training und Wettkampf zu investieren. Demgemäß wird der Alltag des sportlichen Nachwuchses in sachlicher Hinsicht durch die sportart- bzw. disziplinspezifische Prioritätensetzung bestimmt. In manchen Erzählungen geraten Erinnerungen an die ersten Kontakte mit dem Sport zwar als Momente der Leichtigkeit des Seins inmitten pubertärer Tristesse in den Blick. Immer wieder aber wird die biografische Engführung als Faktor der Verstetigung psychischer Fehlentwicklungen thematisiert. In vielen Sportarten stellt bereits der Nachwuchsleistungssport eine »gierige Institution« (Coser 2015 [1974]) dar, die Reibungsverluste durch divergente Sinnorientierungen zu reduzieren versucht. Schon das »[…] Leben des sieben-, acht-, neunjährigen Sebastian Deisler [habe] bald nur noch aus Fußball [bestanden]« (Deisler/Rosentritt 2010: 33). Auch Andreas Biermann (ders./Schäfer 2011: 43) habe seine »[…] Kindheit und Jugend dem Fußball geschenkt.« In sozialer Hinsicht werden außersportliche Kontaktnetze im Zuge der lebensweltlichen Dominanz des Sports geschlossen, während die Relevanz des sportlichen Umfelds erheblich anwächst. Die psychophysische Expertise in der Karrieresportart resultiert aus einer monothematischen Lebensführung und geht mit einer Identitätsfokussierung einher, die den Athleten vor allem bei sportlichen Misserfolgen bewusstwird. Auch die selektive Aufmerksamkeit durch das Trainerteam und »Bestätigungsabstinenzen« (Bengtsson 2012: 101) infolge schlechter Leistungen implizieren eine Art heimlichen Lehrplan hinsichtlich der Selbstwertund Entbehrlichkeitswahrnehmung der Athleten und verschärfen den Leistungsindividualismus in ihrer Selbstbeobachtung. Weil auch die Beziehungen mit den Mannschaftskameraden durch Konkurrenzverhältnisse fundiert sind und sich keineswegs ambivalenzfrei gestalten, erweisen sich die sporttypischen Beziehungen in den Erzählungen nur selten als Hort der Geborgenheit. Insgesamt wachse Schritt für Schritt das bedrohliche Gefühl, dass das eigene Leben in der Fixierung auf den Sport »[…] an einem sehr dünnen Ast [hänge], der jederzeit abbrechen kann und einen geradewegs hinabschicken« (ders. 2012: 52).
klusionsmöglichkeiten in andere Gesellschaftsbereiche vorliege. Bette et al. (2002) untersuchen die biografischen Risiken in verschiedenen Sportarten im Bereich des Nachwuchsleistungssports. Die hyperinkludierende Sogwirkung des Sportsystems kommt dabei aufschluss reich zum Ausdruck.
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Zur Versinnbildlichung der biografischen Risiken taucht als wiederkehrendes Thema die medizinische Teilbiografie der Athleten auf. Ständige Verletzungen, Krankheiten und sonstige Beeinträchtigungen verweisen auf die »Kultur des Risikos« (Nixon 1992), die in Organisationen des Spitzensports vorherrscht. In ihrem biografischen Rückblick beschreiben die Athleten ausführlich, wie ihre Sozialisation als Spitzenathleten mit einer Überbeanspruchung von Körper und Psyche einhergeht. Um die letzten Reserven zu mobilisieren und den über Sieg und Niederlage entscheidenden Unterschied zu machen, wird vor allem die körperliche Unversehrtheit von Athleten sowohl kurzfristig investiert als auch langfristig aufs Spiel gesetzt (Mayer, 2010; Thiel/Mayer/Digel 2010). Im Medium der körperlichen Fragilität leidet die Athletenpsyche stets mit. Mit jedem kleineren oder größeren Verletzungstrauma 45 werden die Sportler aus ihrer Trainings- und Alltagsroutine gerissen und auf die Erkenntnis der Tatsache gebracht, dass der eigene Körper Kapital wie Krisenpotenzial zugleich ist. Die orthopädischen Schwachstellen werden zu dunklen Schatten, in denen das Scheitern der Karrierepläne auf lauert. Selbst weniger starke Schmerzen weisen auf die Zukunftsungewissheit einer körperabhängigen Biografie hin, die als das »Schreckgespenst der Invalidität« (Deisler/Rosentritt 2010: 172) herumspukt.
Athletendasein als Fremdbestimmtheit Die Authentizitätsvereinbarung der autobiografischen Kommunikation wird implizit dadurch verstärkt, dass die Athletenbiografie in den untersuchten Texten als das schlichtweg unaufrichtige, fremdbestimmte Leben dargestellt wird. An vielen Stellen lesen sich die Lebensgeschichten wie Variationen des vielzitierten Aphorismus Theodor W. Adornos (2003 [1951]: 43): »Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.« Am Beispiel dessen, den die Depression auf den Boden der Tatsachen zurückwirft, zeige der Sport sein wahres Gesicht. Neben Dopingkronzeugen und einstigen Funktionären, die sich an der Aufdeckung korrupter Machenschaften beteiligen, wirken gerade auch die Autobiografien depressiver Spitzenathleten wie die Zeugnisse von »Whistleblowern« über die dunkle Seite des Sports. Sie geben vor, in einer ungeschminkten Offenheit endlich das ganze Bild zu zeichnen. Bengtsson (2012: 11; Herv., F.K.) will die heile Welt des Fußballs durch seine persönliche Geschichte kontrastieren, um im Schulterschluss mit dem Leser davon zu berichten, »[…] was wir nicht sehen, wenn wir vor dem Fernseher sitzen oder auf der Tribüne«. Die erzählten Geschichten dokumentieren eine fortschreitende Sinnentleerung in der Beobachtung dessen, was das individuelle Leben einst auszufüllen vermochte. In der ehemals vertrauten Lebenswelt macht sich die Perspektive des Fremden 45 I n seiner Autobiografie beschreibt Harald »Toni« Schumacher (1987: 125ff.) seine Depressionen explizit unter der Kapitelüberschrift »Verletzungstrauma«.
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breit.46 Im Modus depressiver Weltbeobachtung wird der gesellschaftliche Sport seines Aufforderungscharakters entkleidet und der autobiografische Text zu einer Art Exilliteratur. Mit den Gefühlen scheinen essenzielle Inklusionskatalysatoren blockiert. Sven Hannawald (ders./Pramann 2013: 161) erinnert sich daran, wie er sein Trainingsprogramm mit beginnender Depression nur noch lustlos abgespult habe: »Ich zählte die Sprünge, die mir noch bevorstanden. Häufig dachte ich: ›Puh, noch eine gute Stunde, und dann habe ich es wieder hinter mir.‹ Nichts ging mehr. Gar nichts.« Das sportliche Handeln gerinnt zu einem immer groteskeren Geschehen; die Emotionen des Publikums sowie die Aufmerksamkeit der Massenmedien – ehemals der Nährboden, in dem das Selbstwertgefühl gedieh – erscheinen als Sonderlichkeiten einer absurden Welt. Im jahrelangen Kampf um Kadernominierungen, Spitzenpositionen und Bestleistungen wird nicht mehr der eiserne Wille eines Musterbeispiels gesehen, sondern ein immer wieder neu vollzogener, inzwischen therapiebedürftiger Teufelskreis aus Selbsttäuschung, Selbstunkenntnis und Selbstschädigung. In den Schilderungen Martin Bengtssons (2012: 136f.) lässt sich die entrückte Wahrnehmung des Fußballspiels als Erfahrung vollkommener Sinnlosigkeit47 des eigenen Daseins als Fußballspieler nachlesen: »Nach einer schlaf losen Nacht Mitte April wurde mir klar, dass meine Identität sich ganz und gar darauf beschränkte, runde Fußbälle auf viereckigen Rasenplätzen zu bewegen. Das erschreckte mich. War das alles?«48
46 Z ur soziologischen Reflexion von Fremdheitserfahrungen im Sport siehe Seiberth (2012). 47 Der Sinnbegriff bezieht sich in diesem Fall nicht auf seine Bedeutung als nicht-negierbares Medium der Kopplung von psychischen und sozialen Systemen (Luhmann 2011 [2002]: 224) bzw. als unauslöschliches »Inbetrachtziehen anderer Möglichkeiten« (ders. 2015 [1975]: 15; ausführlich hierzu ders. 1971b). Gedacht sei vielmehr an den Sinnbegriff zur Bezeichnung der »[,..] Lage, in der die einzelnen Handlungen und Erlebnisse, vergegenwärtigte, vergangene oder zukünftige, […] als Momente eines für die Existenz bei aller Mannigfaltigkeit und Heterogenität des Augenblicks konstitutiven Zusammenhangs erfahrbar sind« (Hahn 1987b: 160), wie man ihn im Bereich der biografischen Reflexion verwendet. 48 Frappierend sind die Ähnlichkeiten zwischen dieser Beschreibung Bengtssons und den Verwunderungen des fiktiven Protagonisten Mumko vom Stamme der !Kungs, die seinerzeit den sportwissenschaftlichen Diskurs über Einheit, Vielfalt und Fremdheit im Sport befeuerten. In der inkongruenten Perspektive Mumkos, der im Zuge seiner Sozialisation über keinen Zugang zur Sportsemantik verfügt, löst die Beobachtung der Nicht-Produktivität sportlicher Aktivitäten lediglich Irritation aus: »Zunächst sah ich (Mumko, F.K.), wie auf einem Platz mehrere Menschen in einer Reihe knieten; plötzlich hörte ich einen lauten Knall und diese Menschen stürzten los, als rannten sie um ihr Leben; doch nach kurzer Zeit waren sie genau dort wieder angelangt, wo sie losgelaufen waren, nun allerdings völlig erschöpft. Einige sprangen erfreut in die Luft, andere schauten recht traurig drein, obwohl ihnen doch offensichtlich auch nichts Schlimmes widerfahren war […] Wieder auf einem anderen Platz versuchten verschiedene Personen, einen Ball, groß wie ein Kinderkopf, in einen hoch gehängten Korb zu werfen, während andere gerade dies zu verhindern suchten. Aber kaum war es einem von ihnen gelungen, den Ball oben in den Korb
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Die Retrospektive der Athleten ist keineswegs frei von Momenten nostalgischer Wertschätzung. Im Rückblick wird den Athleten dennoch stets bewusst, dass der Antrieb der individuellen Zielverwirklichung bereits früh durch die Zwänge überlagert wurde, die der Nachwuchssport für aufstrebende Jungathleten bereithält. In der retrospektiven Zusammenschau wird die Fokussierung auf die Athletenidentität weniger als Produkt autonomer Entscheidungen beschrieben, sondern als Strukturef fekt, der auf das Wirken einer ganzen Schicksalsgemeinschaft aus systemischen Rolleninhabern zurückgehe und die persönliche Entwicklung der Athleten mit den Fremderwartungen des Sportsystems gleichschalte. Martin Bengtsson (2012: 74) greift auf eine aufschlussreiche Analogie zur Beschreibung des Fußballgeschäfts zurück, das »[…] wie eine Glaubensrichtung […] alles zu erfassen [versuche], alles, was zu einem Menschen gehört. Rund um die Uhr, jeden Schritt, den man macht. Alle Gefühle und alle Gedanken.« Die Trivialisierung des sportlichen Nachwuchses funktioniere nicht zuletzt durch den Ausschluss kritischer Beobachter. Umso dringender müsste es »[…] in diesem Sport mehr Leute geben, die infragestellen, wie junge Menschen behandelt werden, warum man sie nicht wie eigenständige Individuen leben lässt, sondern in ein immer gleiches Schema presst.« (ebd.: 12) Konkrete Namen werden als »Symbole für den ganzen Scheiß« (Bengtsson 2012: 97) herbeizitiert. Alternativ werden manche Wegbereiter als Positivbeispiele exponiert, die noch für Loyalität, Herz, Mitgefühl, Fürsorge und Menschlichkeit stehen. Auf diesem Weg werden sie jedoch als erwähnenswerte Ausnahmen gekennzeichnet, die ex negativo auf den Normalfall der systemischen Rigidität des Spitzensports im Umgang mit Menschen hinweisen. In Hannawalds Erzählung (ders./Pramann 2013: 24ff.) verdeutlichen Referenzen auf die politische Sportförderung in der ehemaligen DDR, wie das Leben des sportlichen Nachwuchses schon in der Kindheit fremdbestimmt wird. Im Rückblick gerät seine Karriere als fortschreitende Normerfüllung, Serie günstiger Wachstumsprognosen und Idee der bald regionalen bald nationalen Trainer und Sportfunktionäre in den Blick. Dabei wird die Beschreibung der Trainingsprozesse von der biologischen Sprache der Reizsetzung in das psychosoziale Vokabular der Erwartungen, Ansprüche und Zumutungen übersetzt. Angeleitet durch autoritäre Erziehungsvorgaben, im Medium der Trainingsdokumentation in Tagebüchern sowie in Anbetracht der ständig drohenden Deselektion überführen die jungen Athleten das Korsett der systemischen Fremdzwänge immer tiefer in die Selbstzwänge ihrer Persönlichkeitsstrukturen. Mit zunehmendem Leistungsfortschritt, auch nach der Wende als Mitglied der bundesdeutschen Nationalmannschaft, bleibt die individuelle Entwicklung das Produkt nahezu panoptizu werfen, fiel er wieder heraus, denn der Korb war unten offen.« (Heinemann/Friederici 2005: 457)
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scher Überwachung. Zu regelmäßigen Anlässen werden die Athleten im Labor vermessen, verkabelt, verdrahtet, gefilmt und sonstwie durchleuchtet, um im Spiegel disziplinspezifischer Idealvorgaben (z.B. in Bezug auf Körperfettwerte, Gelenkwinkelstellungen, Absprungkräfte oder Anfahrtsgeschwindigkeiten) mit den biomechanischen Defiziten der eigenen Lebensführung konfrontiert zu werden. Nicht zuletzt wird das systemische »Heldenmanagement« (Bette 2007: 262) der Massenmedien als Anspruchsgenerator dargestellt, denen sich Hannawald, Martin Schmitt und Co. kaum mehr entziehen können (Hannawald/Pramann 2013: 129ff.). Sebastian Deisler (ders./Rosentritt 2010: 177) spricht die psychischen Konsequenzen der öffentlichen Beobachtung seiner Person ebenfalls an: »In meiner Wahrnehmung hatte sich alles ins Riesenhafte entwickelt, die Erwartungen, der Druck, mein Anspruch.«
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Futurisierung von Lebensglück
Im Ausbreiten der eigenen Lebensgeschichte, vor allem der Athletenkarriere, quasi von den Anlagen der Depression bis zu ihrer akuten Manifestation, wird nicht nur eine ätiologische Erklärung erarbeitet, die für ein großes Publikum nachvollziehbar ist. Indem die Erfahrungen erinnert und aufgeschrieben werden, gerinnt die schriftliche Inventur der memorierten Ereignisse zu einer literarischen Fabrikation von Wahrheiten, Tatsachen und Erkenntnissen über sich selbst. Schritt für Schritt kondensiert ein Bewusstsein individueller Einzigartigkeit »[…] als das an einer Person, was wirklich und eigentlich sie ist« (Trilling 1983: 32). Im Aufeinanderfolgen der Zeichen, Wörter und Sätze werden die Gedanken in einem Akt der Selbstfestlegung linearisiert sowie für andere lesbar gemacht. Im Verlauf der Erzählung lässt sich eine narrative Ablösung nachlesen, die die Autoren nicht nur dokumentieren, sondern sich geradezu schemagetreu verschreiben. Durch den Akt der Publikation legen sie ein selbstverpf lichtendes Bekenntnis zu den gewonnenen Einsichten ab und setzen sich dem disziplinierenden Blick der Öffentlichkeit aus. Die Selbstthematisierung in der Zeugenschaft der Leser leistet einer gesteigerten Selbstkontrolle Vorschub. Auch darin liegt die »ethopoetische Funktion« (Foucault 2007 [1983]: 140) des über sich selbst Schreibens begründet, dernach die Umwandlung von bloßer Information in persönliche Haltung gerade in der Praxis des Schreibens vorangetrieben werde. Die Futurisierung von Lebensglück wird als Abfolge von vier Schritten beschrieben: (1) Suizid als Handlungsoption, (2) Distanzierung vom alten Ich, (3) Umschalten auf Zukunft und (4) Aneignung neuer Lebensinhalte. Im Folgenden werden die in den verschiedenen Texten jeweils unterschiedlich stark ausgeprägten Teilschritte dieses »restorying« (Sparkes 1998: 644) von Selbst und Identität sukzessive nachvollzogen.
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1. Schritt: Suizid als Handlungsoption Die Selbstbetrachtung im Vollzug des Schreibens mündet in die Zukunftsfrage. Von der Krankheitserfahrung dominierte Projektionen stifteten kaum Hoffnung auf Besserung. In der akuten Gegenwart des Leidens sehen die Betroffenen nicht über die Zeit ihrer Schwermut hinaus. Wie Camusʼ Philosophie des Absurden, die er insbesondere im »Mythos des Sisyphos« (2016 [1942]) entwickelt, beginnt das Nachdenken über den Sinn des eigenen Lebens vor allem in den Autobiografien von Biermann und Bengtsson mit der Frage nach dem Suizid. Sich umbringen hieße, »[…] gestehen, dass man mit dem Leben nicht fertigwird oder es nicht versteht« (ebd.: 17); dass das »[…] Leben ein Geschäft ist, das nicht die Kosten deckt« (Schopenhauer 1990 [1819]: 734). In zeitlicher Hinsicht rückt der Suizid erstens als Möglichkeit in den Blick, der leidhaften Gegenwart zu entf liehen. Er dient zweitens als Chance, die Vergangenheit »[…] als eigene Vergangenheit aufzuheben« (Luhmann 2015 [1981]: 340; Herv., i.O.). Vor allem stellt er drittens die Verlockung dar, sich der stets ungewissen Zukunft definitiv zu entledigen. In den Ref lexionen Andreas Biermanns ist das Suizidthema omnipräsent. Der erste Satz im Buch gibt den Richtwert vor: »Es dauerte nur zehn Minuten, bis er wusste, wie er sterben wollte« (Biermann/Schäfer 2011: 7). Auch im weiteren Erzählverlauf werden die notorische Wiederkehr von Selbsttötungsabsichten detailreich eingearbeitet, Suizidversuche psychiatrischer Mitpatienten geschildert oder der Suizid Robert Enkes an den Bahngleisen von Eilvese vor Ort gedanklich nachvollzogen. In unterschiedlichen Leidensphasen mit immer akuteren Suizidgedanken Biermanns wird bereits methodologisch ref lektiert: Tod durch Erhängen? Erstickung durch Abgase? Überdosis an Schlafmitteln? Der missglückte Selbsttötungsversuch wird als Scheitern im Scheitern dargestellt (ebd.: 117). Bengtsson (2012: 169) resümiert seine Entscheidung, sich das Leben zu nehmen: »In mir herrschte ein offener Krieg, und ich war nur die Hülle, die das alles zusammenhielt. In diesem Zusammenhang entschied ich mich zu sterben, im Einklang mit der emotionalen Revolte in mir. Es gab keine Alternative: Mich von meinem Traum und all der Zeit, die ich darauf verwendet habe, verabschieden zu können, ging nur, wenn ich mir das Leben nahm.« Auch in jenen Erzählungen, in denen der Suizid nicht explizit thematisiert wird, kommt zum Ausdruck: Auf sich selbst zurückgeworfen, der bekannten Vergangenheit entfremdet und ohne eine neue Herausforderung bleibt das Leben eine Zitterpartie. Sebastian Deisler (ders./Rosentritt 2010: 296) beschreibt die prekäre Lage am biografischen Scheideweg: »Manchmal fehlt mir noch der Mut, nach vorne zu gehen, weiterzugehen. Ich fühle mich nackt, und dann suche ich intuitiv Halt in der Vergangenheit. Sie ist nicht so schön, aber darin kenne ich mich aus.« Bengtsson (2012: 136f.) beobachtet sich im Modus fundamentaler Verunsicherung.
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Immer wieder stellt er sich die Frage: »Wer bin ich […] Was wollte ich eigentlich wirklich?«
2. Schritt: Distanzierung vom alten Ich Mit Abstandnahme von der biografischen Vergangenheit geht die Orientierung für die Zukunft zunächst verloren. Gerade Spitzenathleten büßen mit dem Karriereende ein fundierendes Moment ihrer Identitätskonstruktion ein. Entgegen der gewohnten Identifikation als Sportler müssen Betroffene eine neue Definition ihrer selbst als tragende Ordnung für das zukünftige Leben auf bauen. Die naheliegende Strategie besteht darin, Individualität anfangs nicht als Verkörperung feiner Unterschiede anzustreben, sondern als konsequente Negation der Selbstdefinition als Athlet sowie als selbstbewusste Haltung gegen die Konformitätszumutungen des Spitzensports zu gestalten. Auf diesem Weg verlagern sich die Fremdheits- und Entfremdungsgefühle immer weiter auf die Wahrnehmung des alten Ichs. Sebastian Deisler (ders./Rosentritt 2010: 40) hält sein Karriereende für alternativlos, beschreibt aber (ebd.: 77) die höhere Schwierigkeit seiner ersten Gehversuche: »Ich versuche, mich freizustrampeln von meiner Vergangenheit. Ich habe das aufgeben müssen, was ich seit meinem fünften Lebensjahr gemacht habe. Fußball war mein Lebensinhalt. Jetzt muss ich mich zwingen, davon Abstand zu gewinnen.« Nach überstandener Therapie entscheidet sich Andreas Biermann (ders./Schäfer 2011: 186ff.) zunächst, in den Spitzensport zurückzukehren, einen neuen Verein zu suchen und verbreitete Annahmen von der Chronizität, Leistungsschwäche und devianten Persönlichkeit depressiver Sportler als Irrtümer zu entlarven. Er beendet seine Karriere anschließend deshalb, weil ihm aufgrund seiner Vorgeschichte keine ernsthaften Vertragsangebote mehr gemacht und Karrierewege systematisch verbaut würden.
3. Schritt: Umschalten auf Zukunft Wenngleich die Vergangenheit unabänderlich ist, lässt sich doch die gegenwärtige Einstellung zu ihr verändern. Vor allem lassen sich Schlüsse für das weitere Leben ziehen. In den untersuchten Fällen tritt aus der Beobachtung der Vergangenheit gleichermaßen schleichend wie unumstößlich der »anthropotechnische« Imperativ hervor: Du musst Dein Leben ändern!49 Demnach gelte es, die Präferenzen der bisherigen Selbst- und Weltbeobachtung auszutauschen und neue Denk- und Handlungsroutinen zu entwickeln. Auf diesem Weg münden die traurigen Geschichten in das Narrativ einer »therapeutischen Erzählung« (Illouz 2011: 288ff.). 49 D ieser im Ursprung vom Lyriker Rainer Maria Rilke in seinem berühmten Gedicht »Archäischer Torso Apollos« geprägte Appell ist durch das philosophische Werk Peter Sloterdijks (2009) zum anthroplogischen Basisimperativ ernannt und ausführlich interpretiert worden.
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In deren Kern stecke die Annahme, »[…] daß man Erinnerungsarbeit an vergangenem Leid leistet, um sich von ihm zu befreien« (ebd.: 306).50 Das Klagen über die Fremdbestimmtheit des Athletenlebens weicht folglich einer Rhetorik der Selbstverwirklichung. Dabei wird, der Leitidee therapeutischer Kommunikation gemäß, Zukunft für die dringliche Verbesserung der Lebenslage in Anspruch genommen. Bereits verpasste Gelegenheiten lassen sich zwar nicht zurückholen, doch lässt sich manches nachholen. Zunehmend wird das Bewusstsein regeneriert, dass ab sofort getroffene Entscheidungen die Vergangenheit einer zukünftigen Gegenwart bilden können. Zukunft rückt als Ressource ein, Dinge anders zu machen, andere Dinge zu machen, wieder unbekümmert zu leben und sich in anstehenden Wahlen neu zu erfinden. Dass die autobiografischen Texte als Protokolle einer Genesung verfasst sind, zeigt sich bereits an den Buchtiteln: Die Leitformeln »Freistoß ins Leben« (Bengtsson), »Zurück ins Leben« (Deisler) oder auch »[…] meine Landung im Leben« (Hannawald) stellen klar, dass eine Überwindung der traurigen Vergangenheit dokumentiert wird. In den Feststellungen Deislers greift die Deutung der Depression als einer »Epiphanie« (Denzin 1989: 70f.)51 reibungslos. Seinem Ko-Autoren Michael Rosentritt gegenüber differenziert er die Einschätzung seiner Diagnose im Gespräch neu aus: »Für mich als Fußballer war die Erkrankung, also das Eingeständnis, depressiv zu sein, eine bittere Erkenntnis. Aber für mich als Menschen sah ich darin eine echte Chance zum Neuanfang.« (Deisler/Rosentritt 2010: 210f.) Vor allem auf den letzten Seiten variieren die Texte ihre modalen Formen. In Deislers und Hannawalds Dokumentation werden Verben dort weniger im Vergangenheitsmodus oder Konjunktiv konjugiert, sondern mehr im Indikativ Präsens, Futur und Imperativ. Derart wird suggeriert: Veränderungen werden nicht mehr bloß erhofft oder provoziert, sondern festgestellt und entschieden. Mittels Abstandnahme vom alten Ich wird die Jagd auf ein neues Selbst eingeleitet. Verbindungen zu jener Person, die früher Spitzensport getrieben hat, sollen vollständig abgekappt werden. Das Erzählmuster beschwört den Rückenwind für einen Neuanfang geradezu herauf: »Ich war 33 Jahre alt – und ich wollte einfach ein besseres Leben«, so Hannawald (ders./Pramann 2013: 183). Während die traurige Geschichte die Athleten von der Verantwortung für ihre Vergangenheit freispricht, nimmt die therapeutische Erzählung sie für ihre Selbstaneignung 50 I llouz (2011: 304) weist explizit darauf hin, dass die therapeutische Erzählung den autobiografischen Diskurs in den letzten Jahren verändert habe. Die öffentliche Zurschaustellung seelischer Leiden sei regelrecht in den Mittelpunkt der autobiografischen Selbstdarstellung gerückt – sogar dann, wenn die Autoren sich auf dem Höhepunkt von Ruhm und Reichtum befänden. 51 Als Epiphanien bezeichnet Denzin (ebd.) »[…] interactional moments and experiences which leave marks on people’s lives […] The meanings of these experiences are always given retrospectively, as they are relived and re-experienced in the stories persons tell about what has happened to them.«
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in die Pf licht. Ko-Autor Michael Rosentritt übernimmt die Selbstfestlegung auf Leidensüberwindung in Stellvertretung: »Deisler ist zur Ruhe gekommen, er hat sein Gleichgewicht gefunden und lebt in relativem Frieden mit sich und der Fußballwelt […] So ist er bereit für einen echten Einstieg in ein neues Leben.« (Deisler/ Rosentritt 2010: 317) Bengtsson (2012: 196f.) wird bei Betrachtung eines Theaterstücks über seinen Werdegang bewusst: »Für mich, das spürte ich dort in jenem Augenblick, war es so, dass meine Geschichte mir ein grundlegendes Wissen über das Leben vermittelt hat und eine Plattform war, auf die ich mein zukünftiges Leben bauen konnte.«
4. Schritt: Aneignung neuer Lebensinhalte Da die ehemaligen Spitzenathleten die Dominanz ihrer Vergangenheit über das eigene Leben aufgeben wollen, müssen sie ihre Individualität auf anderen Wegen konstruieren und gesellschaftlich verfügbare Sinnalternativen in ihr neues Leben kopieren.52 Der fast schon buddhistische Anspruch auf Anspruchslosigkeit, das stets achtsame Leben in der Gegenwart und die Neuausrichtung in der Innerlichkeit tragen nicht weit. Zwar wäre es schön, einfach Zweck seiner selbst zu werden. Doch auch die einstigen Athleten stoßen in der Introspektion »[…] nicht auf Identität, sondern auf Differenz« (Luhmann 2008 [1995]: 128). Das Letzte, was ihnen bleibt, sind Ansprüche, mit deren Hilfe die Welt getestet, Informationen gewonnen und die neue Identität »gesampelt« wird (ebd.: 129).53 Aus der Abkehr vom Daueranspruch auf sportlichen Erfolg erwächst die Notwendigkeit, neue Ansprüche, Herausforderungen, Leidenschaften und Projekte generieren zu können. Deisler (ders./Rosentritt 2010: 297) ist sich dessen bewusst: »Wenn ich etwas anderes für mich gefunden habe, spielt meine Vergangenheit keine Rolle mehr.« In der Auseinandersetzung mit Alternativen entdecken die ehemaligen Athleten die Vielfalt gesellschaftlicher Sinnangebote, die ihnen aufgrund ihrer Fixierung bislang verwehrt geblieben war. Für Sven Hannawald wird Sport vor allem dann noch relevant, wenn er nicht mehr die eigene Gier nach Anerkennung forciert, sondern Zweck seiner selbst wird oder als Mittel zum guten Zweck dient, 52 Z um Individuum als »lʼhomme copie« vgl. Luhmann (2008 [1995]: 88ff., 2012 [1984]: 366). 53 Ansprüche dienen »[…] als eine Sonde, die man in Situationen einführt, um die Erfahrung machen zu können, ob und wie weit sie sich durchsetzen lassen« (Luhmann 1983a: 35). Die Methode der Anspruchsgenerierung stelle dabei – wenngleich einigermaßen alternativlos – eine »relativ voraussetzungslose Art der Selbst-Findung« (ebd.: 36) dar. Die Ausdifferenzierung individueller Einzigartigkeit geschieht dabei nicht unabhängig von sozialen Systemen, die eine Bezugnahme auf die Welt in Form von Ansprüchen stimulieren wie honorieren. Insofern Funktionssysteme dazu ermutigen, jene Ansprüche auszureizen, die im Bereich der eigenen Funktion liegen, stehen Ansprüche und gesellschaftliche Funktionsbereiche in einer Beziehung wechselseitiger Aufschaukelung: »Sie bilden eine Steigerungsrelation, in der man weder das eine noch das andere Moment isolieren kann.« (ebd.: 37)
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z.B. im Rahmen von Benefizspielen. Vor allem muss er dem Spaßbegehren entsprechen, was infolge des latenten Wirkens alter Muster nur über das Absehen von der Karrieresportart möglich scheint. Andreas Biermann (ders./Schäfer 2011: 191) entschließt sich, Sportpsychologie zu studieren, um seinerseits »[…] dort zu sein, wo niemand war, als er selbst Hilfe gebraucht hätte«. Sebastian Deisler (ders./Rosentritt 2010: 194) wechselt die Bühne zugunsten einer Welt »[…] außerhalb der viereckigen Kreidelinien der Fußballwelt« – und entdeckt das Reisen für sich. Aufenthalte in der Fremde, entkoppelt von den eigenen Routinen, als jener, der heute kommt und nicht lange bleibt, verschaffen ihm knappe Kontingenzerfahrungen. Insbesondere Kontakte mit Menschen, für die der einstmalige Spitzenfußballer keine Berühmtheit darstellt, sondern als Verbündeter in der Überbrückung von Einsamkeit, Isolation und Weltfremdheit fungiert, erfrischen ihn. Als erwartbare Reaktion auf die Erfahrung tiefer Depression beschäftigt die Autoren das Problem des Glücks. Auch Gesundheit spielt eine wichtige Rolle. In Sebastian Deislers Bücherregal finde sich ein größerer Bestand an Gesundheits- und Ratgeberliteratur »[…] zwischen Anatomie und Anamnese, zwischen Psychologie und Naturheilkunde« (ders./Rosentritt 2010: 46). Speziell in der Autobiografie Sven Hannawalds wird bereits in der Beschreibung seiner Niedergeschlagenheit aus dem Vollen insbesondere alternativmedizinischer Formeln geschöpft. Dort ist von »kinesiologischen Tests«, der »Lebensenergie Qi«, Akupunkturmeridianen, »Kneippgüssen«, »F.X. Mayr-Kuren« oder einer »dramatischen Übersäuerung des Körpers« die Rede (Hannawald/Pramann 2013: 173ff.). Martin Bengtsson hat das Sinnrepertoire der Kunst mit ihren vielfältigen Möglichkeiten zur kreativen Selbstverwirklichung für sich entdeckt. Vor allem für die Musik entwickelt er bereits in seinen depressiven Phasen eine große Leidenschaft. Sie rückt als Medium ein, um unterdrückte Gefühle und die Erfahrung der Krankheit in Moll und den »dunkelsten Tonarten« (ders. 2012: 158) auszudrücken. Der junge Schwede versucht sich sogar an einer Zweitkarriere als Musiker (ebd.: 197ff.). Weiterhin treibt die Autoren ein Bedürfnis nach Freundschaf t, um ihre Gefühle authentisch zeigen zu können, ohne dabei Gesichtsverluste zu riskieren. Über allem aber steht die Liebe. Sie gilt nicht bloß als das »Super-Bamm-Gefühl« (Hannawald/Pramann 2013: 205) des Sichverliebens. Liebe gerät vielmehr zur Möglichkeit der Selbstfindung im Blick des anderen. In der Erfahrung der Liebe erscheint die sportliche Vergangenheit abermals in neuem Licht. Wenngleich es möglich war, Selbstbestätigung in sportlicher Leistung und Wettkampferfolgen zu suchen, sind Lieben und Geliebtwerden von einer anderen Qualität. Bereits im Rückblick auf seinen sportlichen Werdegang erinnert sich Bengtsson (2012: 102f.) an die Gegenwelt zum Fußball, die sich ihm in der geliebten Emilia erschließt. Im Gespräch mit ihr werden nicht nur Selbstzweifel und Identitätsfragen thematisierbar. Mehr noch werden ihre Arme, Augen und Ohren zu einem traumgleichen
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Zuf luchtsort, in dem sich der Erzähler in zeitlich begrenzten, aber sachlich und sozial als unbegrenzt erlebten Aufenthalten geborgen fühlt. Durch den Rückgriff auf das Liebesmedium wird außerdem die Möglichkeit erschlossen, sich selbst im Umweg über den geliebten Partner zu finden. Der andere ist dann nicht mehr die »Hölle«, die ihr Gegenüber zum Objekt degradiert und im Gefühl der Scham ihrer selbst entfremdet.54 Im Gegenteil geht es um die Selbstaneignung im Blick des anderen, darum derjenige zu sein, den die gemeinsame Liebesgeschichte erfindet. Der letzte Schritt wäre jedoch erst vollendet, wenn auch das Reden über die Krankheitserfahrung beizeiten abgeschlossen würde, birgt dessen Inf lationierung doch die heimliche Gefahr der Selbstfestlegung auf das ältere, das »depressive Ich«. Insofern die Autoren nicht nur ihre Autobiografie veröffentlichen, sondern überdies ihr Konterfei als Testimonial für Enttabuisierungsinitiativen55 zur Verfügung stellen, Auf klärungsarbeit über die Krankheit Depression leisten, in Zeitungsinterviews oder Talkshows Rede und Antwort stehen oder an Podiumsdiskussionen, Unternehmensveranstaltungen und Wirtschaftskongressen teilnehmen, entsteht der paradoxe Eindruck, dass der scheinbar überwundene Zustand immer wieder neu thematisiert wird und die Krankenrolle – gleichsam über die Hintertür – ein wesentlicher Teil der Identität bleibt. Stets kontinuiert die Gefahr, dass man immer wieder in diese Form gezwungen wird.56 Auch in Bezug auf die Leserseite mag die Lektüre nicht folgenlos bleiben. Indem die Athleten in der autobiografischen Kommunikation ihren Erkenntnisprozess ref lektieren, formulieren sie nicht zuletzt lebensphilosophische Weisheiten über das gelingende Leben. Einem Aphorismus Jean Pauls über die Bedeutung von Büchern folgend, lassen sich gerade Autobiografien depressiver Spitzenathleten als dicke Briefe an Freunde verstehen. An einzelnen Stellen wird die Beziehung zwischen Autor und Publikum sogar explizit zum Thema und auf das Fundament bester Absichten gestellt. Demgemäß gibt Sven Hannawald (ders./ Pramann 2013: 8) als Motiv an, das ihn zur Veröffentlichung seines Leidens- und Erkenntniswegs veranlasst habe: »Vielleicht macht mein Beispiel jenen Menschen 54 D as Bild der Hölle im Blick des anderen entstammt Sartres (2007 [1947]: 59) Theaterstück »Geschlossene Gesellschaft«. 55 Andreas Biermann trat im Anschluss an sein öffentliches Bekenntnis zu Depressionen als Unterstützer in der Öffentlichkeitsarbeit der Initiative »Freunde fürs Leben« auf. Die Organisation stellt unter anderem Informationen rund um das Thema Depression zur Verfügung und setzt sich für die gesellschaftliche Enttabuisierung depressiver Erkrankungen ein. 56 Sebastian Deisler hat sich seit Publikation seiner Autobiografie weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Martin Bengtsson lebte nach seiner Fußballkarriere als Musiker in Berlin. Inzwischen ist er nach Schweden zurückgekehrt, wo er als Autor und Künstler arbeitet. Sven Hannawald hat sich mit seinem Projekt »4 Gewinnt! – Erfolg in Balance« bzw. seinem Motto »Mein Höhenflug, mein Absturz, meine neue Balance im Leben« selbständig gemacht und tritt überdies als Skisprung-Experte im Fernsehen in Erscheinung. Andreas Biermann hat sich am 18. Juli 2014 das Leben genommen.
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ein wenig Mut, die in ähnlicher Bedrängnis waren oder befürchten müssen, in ein Burn-out zu geraten.« Insbesondere der Text Sven Hannawalds ist auf Beratung aus. Der ehemalige Rekordspringer formuliert die Quintessenz seiner Lernerfahrungen als Regelkatalog. Indem er seine guten Vorsätze publiziert, gibt er dem Leser die Möglichkeit, ebenfalls von der Moral seiner Vergangenheitsbewältigung zu profitieren. Gelassenheit, Stressvermeidung, Neinsagenkönnen, Körperbewusstsein, Ehrlichkeit zu sich selbst und die Pf lege der Humorfähigkeit werden von den besten Absichten für das eigene Leben zu Ratschlägen eines philanthropen Senders an das gemeine Publikum (Hannawald/Pramann 2013: 201). Selbst den momentan Überlasteten soll seine Botschaft Entlastung stiften: »Alles hat seinen Preis. Alles hat seinen Grund. Alles gleicht sich im Leben immer irgendwie aus. Alles zu seiner Zeit – diese Lektionen des Lebens habe ich inzwischen gelernt.« (ebd.: 204) Dass man es dabei mit keiner fiktiven Gestalt zu tun bekommt, sondern ein prominenter Sportler über sich schreibt, mag für die Leser durchaus einen Unterschied machen. Vor allem im englischsprachigen Diskurs wird vielfach darauf hingewiesen, dass die Lebensgeschichten der »Celebrities« aus Film, Fernsehen, Musik und auch Sport das krankheits- und gesundheitsbezogene Denken und Handeln in der Bevölkerung maßgeblich beeinf lussen können (Hinyard/Kreuter 2007; Hoffman/Tan 2013; Caulfield/McGuire 2012; Caulfield 2015). Auf der Publikumsseite soll das Sezieren des Innenlebens demnach nicht nur der voyeuristischen Unterhaltung dienen. Die erzählte Lebensgeschichte appelliert an die Betreff barkeit aller und zielt, mehr noch als der Roman, auf die »[…] Aktivierung von selbst Erlebtem, Erhofftem, Befürchtetem, Vergessenem« (Luhmann 1996a: 109). Die Leser erfahren auf diesem Weg allerdings nicht nur etwas über die dunkle Seite des Spitzensports sowie über Achtsamkeit, Selbstliebe und andere Semantiken des therapeutischen Diskurses. Sie lernen Beobachter beobachten – vor allem im Hinblick darauf, wie diese die Welt, sich selbst und sich selbst in der Welt beobachten. Im Sinne eines »Verstärkereffekts« (ebd.: 108) ermöglicht ihre Lektüre, Parallelen zwischen dem eigenen und dem fremden Schicksal zu ziehen und das beobachtete Schema auf sich selbst anzuwenden.57 Dann könnte auch für das psychische System des Lesers gelten: Woher weiß es, dass es »depressiv« ist? – Es hat darüber gelesen.
57 Z ur Beobachtung zweiter Ordnung als einer Art heimlicher Lehrplan des Romans siehe Luhmann (1996a: 107ff.). Die wegweisende Bedeutung der Literatur für die Verbreitung der romantischen Liebe wird in ders. (2012 [1982]) beschrieben.
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Schlussbetrachtung
»Komplexe und verschlungene Analysen«, so Luhmann (2012 [1982]: 153) mit Bezug auf sein Studium der Liebessemantik im 18. Jahrhundert, »lassen sich schwer zusammenfassen.« Dies gilt uneingeschränkt auch für die vorliegende Arbeit. Zu weit, vielfältig, labyrinthartig und eigendynamisch gestaltet sich der Diskurs über Depressionen im Spitzensport. Ohnehin müssen beobachtungstheoretische Studien ihre finalen Schlüsse kontextsensibel formulieren. Die Teilanalysen in den zurückliegenden Kapiteln stellen bereits für sich wichtige Ergebnisse dar, die größere Forschungsdiskurse anstoßen sollen. In der anstehenden Schlussbetrachtung werden zentrale Beobachtungen der Arbeit zusammengefasst. Anschließend werden wichtige Folgerungen abgeleitet. Auf Basis einer Ref lexion des wissenschaftlichen Diskurses sowie der Limitationen der eigenen Studie, rundet der Ausblick auf die zukünftige Forschung den Text ab.
Zusammenfassung Die Arbeit geht von der Beobachtung aus, dass Spitzenathleten (sowie andere Rolleninhaber im Sport), vor allem seit dem Suizid Robert Enkes im November 2009, in der Öffentlichkeit immer häufiger mit Depressionen und Burnout-Syndromen in Verbindung gebracht werden. In Einzelfällen hat der öffentliche Diskurs über Athletendepressionen bereits dazu geführt, dass Athleten bei sich selbst eine »Depression« vermuten und Therapeuten explizit darum bitten, sie darauf hin zu untersuchen. Indem Sportler, die eine Diagnose erhalten, sich anschließend öffentlichkeitswirksam als »depressiv« oder »ausgebrannt« bekennen, tragen sie ihrerseits zum ökologischen und therapeutischen Diskurs der Gesellschaft bei, verwenden Diagnosen, auf die laut der Meinung von Experten ohnehin zu selten zurückgegriffen würde, und schaffen derart soziale Tatsachen, auf die sich in der Folge auch andere beziehen können. Auf der Grundlage je eigener Logiken und zugrundeliegender Interessen tragen verschiedene Akteure zum Diskurs über depressive Spitzenathleten bei. Die Wissenschaft ermittelt Prävalenzdaten, befragt Sportlerinnen und Sportler nach dem Vorliegen bestimmter Symptome und hält dadurch ebenfalls die Möglichkeit einer Depression in ihren Köpfen präsent. Die Massenmedien greifen Athletenbekenntnisse auf, um ihr Publikum über das knappe Gut der Selbstnegationen,
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Melancholien, Versagensängste, Panikattacken und Erschöpfungszustände der Sportprominenz ins Bild zu setzen. Vereinzelt entfalten die Medienakteure sogar ihrerseits diagnostische Dynamiken, und unterstellen dort krankheitswertige Depressionen, wo die Athletinnen und Athleten selbst dies gar nicht explizieren. Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten äußern sich ebenfalls wiederkehrend zu Depressionen im Spitzensport und schreiben sich die Aufgabe ihrer präventiven und therapeutischen Versorgung zu. Vor diesem Hintergrund ist umso überraschender, dass sich die Sportsoziologie noch kaum mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Der Forschungsdiskurs wird bislang durch den psychiatrischen Blick dominiert, der Depressionen als psychische Krankheiten beobachtet, diagnostiziert und therapiert. Umfassende gesellschaftstheoretische Analysen, die sich mit der sozialen Konstruktion von Athletendepressionen und dem kollektiven Wissen über das Phänomen beschäftigen, fehlen weltweit. Nur vereinzelt liegen soziologische Ref lexionen über das Thema in Artikelform vor. Das Anliegen dieser Studie bestand deshalb darin, in diese Forschungslücke zu stoßen, das noch weitgehend unerschlossene Terrain zu sondieren und an den sportsoziologischen Diskurs anzuschließen. Aufgrund der Annahme, dass die sozialen Folgen der Zuschreibung einer Depression für die betroffenen Athleten insbesondere aus der gesellschaftlichen Konstruktion der Depression im Spitzensport resultieren, wurde folgende Fragestellung gewählt: Wie wird über Depressionen im Spitzensport gesellschaf tlich kommuniziert? Um inkongruente Sichtweisen entwickeln zu können und keine psychiatrischen Blicke zu duplizieren, wurde die neuere soziologische Systemtheorie als Zugang gewählt. In ihrer beobachtungs-, system- und kommunikationstheoretischen Sicht ist die Depression kein Ding-an-sich, das für seine Symptomatik und das Ausmaß seiner gesellschaftlichen Verbreitung selbst verantwortlich ist. Stattdessen wird sie als Beobachtungsschema beobachtet, das sich unter den gegebenen historisch-gesellschaftlichen Kontextbedingungen etabliert hat. In der Öffentlichkeit zeigt sich die ontologisierende Macht der Sprache, die die Depression als »Ungeheuer« (Willke 2005: 11) dämonenhaft ihr Unwesen in der Gesellschaft treiben lässt. Depressionen stellen dabei kein gesellschaftliches Tabuthema dar. Vielmehr ist das Reden über das Krankheitsbild in Mode gekommen, taucht in einer ganzen Reihe von Fremd- und Selbstbeschreibungen auf und wird bisweilen gar zum Signum der Moderne in gesellschaftlichen Selbstthematisierungen. Weil die Gefahr scheinbar für alle bestehe (über alle Altersgruppen hinweg, für Berufstätige in ganz verschiedenen Bereichen, erst recht im Falle der Arbeitslosigkeit, durchaus für beide Geschlechter, auf der ganzen Welt sowie gerade auch dort, wo relativer Wohlstand herrscht), macht das Depressionsthema gesamtgesellschaftlich die Runde. Die »Volkskrankheit« Depression wird häufig als gesellschaftlicher Kollateralschaden interpretiert und stiftet viele Erzählun-
Schlussbetrachtung
gen über ganz verschiedene Befindlichkeiten, Ängste, Sorgen und Probleme des modernen Menschen. Athletenbekenntnissen wird umso größere Aufmerksamkeit zuteil. Spitzensportler, die über ihr leidvolles Erleben sprechen und es als »Depression« bezeichnen, wecken nicht nur das Interesse des Sportpublikums. Als Sozialfiguren, die im therapeutischen Diskurs zunächst keine Rolle gespielt haben, werden ihre Fälle auch darüber hinaus rezipiert und zitiert. Den Leistungsträgern des Spitzensports kommt gar eine diskursive Sonderfunktion zu, durch welche ein sehr komplexes, unscharfes Krankheitsbild anhand binärer Logiken veranschaulicht wird. In der Realität der Kommunikation stehen die Symbolik des Spitzensports und das Imaginarium der Depression in einer konträren Beziehung zueinander. Im Konzept der Athletendepression ergänzen sich beide Diskursbereiche zu einer paradoxen Einheit. Erst recht werden Spitzenathleten häufig als die Gesichter der Krankheit Depression schlechthin instrumentalisiert. Das depressive Leiden taucht in mehrfacher Hinsicht als andere Seite der sinnstiftenden Differenzen im Spitzensport auf. Wenn »Siegertypen« an sich selbst zweifeln, Leistungsträger nicht aus dem Bett kommen, bei Körperkünstlern die Psyche streikt, Helden ihre Latenzen offenbaren oder Sterbewünsche in Gefilden der Vitalität auftauchen, ist das tragisch, aber auch spannend, interessant und vielleicht sogar beruhigend für das gemeine Publikum. Vor allem lassen sich diese Konstruktionen als Referenzen auf den »fiesen«, »hinterhältigen« und »bösartigen« Charakter der Depression instrumentalisieren. Wenn selbst die Stärksten der Starken nicht stark genug sind, würde ersichtlich, so die vielzitierte Deutung, wozu diese Krankheit imstande sei. Entsprechend bereitwillig nutzen die Massenmedien den Nachrichten-, Unterhaltungs- und Sensationswert des Themas und steigern ihn durch eigene Inszenierungsformen. Gemäß ihrer Eigenlogik moralisieren, personalisieren und skandalisieren die Akteure in den Print-, Rundfunk- und Internetmedien das Phänomen nach allen Regeln der publizistischen Kunst. Nach dem Fall Enke beschreiben sie depressive Athleten zwar nur selten als deviante Persönlichkeiten mit einem unprofessionellen Lebenswandel. Ihr Narrativ einer Unmenschlichkeit des Spitzensports und Hypothesen einer Auslese der »Schwachen«, »Gebrechlichen« und »Sensiblen« sind allerdings pseudokritisch und tendenziell affirmativ. Auf indirektem Weg stempeln sie betroffene Sportler dennoch als Personen ab, die dem sportlichen Leistungsbetrieb nicht gewachsen seien. Diese subtile, aber umso wirksamere Stereotypisierung und Stigmatisierung depressiver Athleten wird dadurch verdeckt, dass sich die Medienakteure ihrerseits als moralische Instanzen inszenieren, den Umgang von Sportorganisationen mit ihren depressiven Mitgliedern anprangern und sich die Enttabuisierung und Entstigmatisierung der Depression in Sport und Gesellschaft auf die Fahnen schreiben. Sie versuchen auf diesem Weg, einen Mut zum Bekenntnis in betroffe-
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nen Athleten zu evozieren, um nicht zuletzt selbst über das knappe Intimwissen der gefeierten Sportheroen berichten zu können. Mit jedem neuen Fall vergrößert sich das zitierfähige Sondergedächtnis jener Fälle, bei denen Athletinnen und Athleten depressive Phasen und Burnout-Zustände beschreiben oder durch Dritte mit diesen Konstrukten in Verbindung gebracht werden. Infolgedessen dürften auch korporative Sportakteure immer häufiger mit dem Thema konfrontiert werden – sei es, weil Trainer mit einer Depression ihrer Schützlinge rechnen (sollen);1 sei es, weil Athleten ihren Leidensdruck als »Depression« beschreiben; sei es, weil Psychiater eine krankheitswertige Depression diagnostizieren. In Organisationen, die auf ein symbolträchtiges Bild ihrer selbst in der Öffentlichkeit angewiesen sind, und ein leistungsfähiges Kollektiv zusammenhalten müssen, verbreitet das Wort Depression erst recht die Alarmwirkung, mit der es gesamtgesellschaftlich aufgeladen ist. Sportorganisationen beobachten die Depression eines Kadermitglieds nicht als psychischen Leidensdruck, sondern als Störung der institutionalisierten Erwartungshaltungen und Entscheidungsroutinen. Mit Blick auf das, was sich insbesondere in den Massenmedien über depressive Sportler in Erfahrung bringen lässt, müssen Sportfunktionäre und Trainer gar mit dem Schlimmsten rechnen. Depressive Athleten erscheinen dort nicht nur als paradoxe Gestalten, als die »Fremden« (SZ online 8.10.2016) und »Anderen« (Elf Freunde online vom 11.2.2016), die einfach nicht in den Sport zu passen scheinen. Vor allem werden sie fast schon ref lexhaft mit Leistungsschwäche, Sinnfragen und Motivationsproblemen in Verbindung gebracht. Wenn der Fall Enke zitiert wird, was in den meisten Beiträgen zum Thema der Fall ist, wird bisweilen explizit oder implizit unterstellt, dass Betroffene die Schwere ihres Zustands selbst Vertrauten gegenüber verschweigen. Mit dem Super-GAU eines Athletensuizids, der die Organisation ganz besonders in Misskredit bringen würde, wäre demnach stets zu rechnen. Deshalb liegt nahe, den Heilungsversprechen von Psychiatern und Psychotherapeuten zu folgen, und betroffene Sportlerinnen und Sportler in ambulante oder stationäre Behandlung zu überweisen. Im Gegensatz zur Sportmedizin, die hochwirksame Technologien bereithält, um die Schmerzen von kranken bzw. verletzten Athleten effektiv zu lindern und sie schnell wieder an die Leistungslogik des Sports anzuschließen, geht die Therapie depressiver Erkrankungen mit einem Technologiedefizit einher. Während die verfügbaren Antidepressiva nach wie vor defizitäre Technologien zur Verfügung stellen, lässt sich der Output therapeutischer Kommunikation erst recht weder steuern noch antizipieren. Vielmehr 1 B eispielsweise werden die Teilnehmer auf der internationalen Trainer-Konferenz des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (2014) durch die Robert-Enke-Stiftung dazu angeregt, die Möglichkeit depressiver Erkrankungen in ihren Kadern in Erwägung zu ziehen und u.a. mithilfe von Schnelltests zu überprüfen.
Schlussbetrachtung
arbeiten Therapeuten mit inkongruenten Perspektiven, die nicht primär an der Regeneration von Leistungsfähigkeit im Dienste der Organisation orientiert sind, sondern an der Reduktion von Leidensdruck zum Wohle des Klienten. Indem sie systemfremde Logiken einbringen, das spitzensportliche Engagement des Betroffenen in neuem Licht erscheinen lassen und derart die kognitive Schließung der Athletenpsyche irritieren, können neue Probleme aufseiten der Sportorganisation entstehen. In den Verstehensfiktionen, die das therapeutische System konstruiert, wird die Passion für den Sport jedenfalls immer wieder als Teil des Problems betrachtet. Dass bei den Entscheidungsträgern alle Alarmglocken läuten und im therapeutischen System auf Verständnis gesetzt wird, sagt noch nichts über die Gruppendynamiken aus, die sich vor allem in Mannschaftskadern aufschaukeln können. Dabei sorgen vermutlich weniger Wissensdefizite und fehlende Auf klärungsarbeit für die Stigmatisierung depressiver Kadermitglieder als leistungsschwach, unzuverlässig, hypersensibel, eigenbrötlerisch oder gar ansteckend. Eher ist davon auszugehen, dass die Statusdegradierung Betroffener in Form von Mobbing und Klatsch mit den ambivalenten Beziehungsmustern zusammenhängt, die sich im Wettbewerb der Gruppenmitglieder um knappe Güter und Positionen entwickeln. Gleichzeitig wird die Ref lexion darüber, inwiefern strukturelle Aspekte das leidvolle Erleben mitauslösen, aus der gruppenöffentlichen Sinnstiftung ausgeschlossen. Auch die Trainer stehen ihrerseits unter hohem Erfolgsdruck und tragen nicht prinzipiell zur Entspannung der Lage bei. Dass sich die häufig gestellte Forderung nach einem »Umdenken« im Sport, Entstigmatisierung durch Enttabuisierung (also infolge bloßen, bestenfalls psychiatrisch aufgeklärten Redens über das Thema), verwirklichen lässt, ist unter diesen Bedingungen unwahrscheinlich. Erst recht mag der Versuch betroffener Athleten, symptomaufmerksam und metaphorisch gewandt über ihr idiosynkratisches Erleben zu sprechen, Verstehensprozesse eher strapazieren und derart die Kluft zwischen dem Betroffenen und seinem sportlichen Umfeld vergrößern. Die Kommunikation umgibt das psychische System betroffener Athleten wie ein Netz. Dabei macht es einen signifikanten Unterschied, wo man sich selbst auf welche Weise in dieses Netz einhängt. Der Rückgriff auf den Begriff Depression, evtl. auch auf das Burnout-Konzept, weist zunächst eine Reihe von Vorzügen auf. Das diagnostische Konstrukt Depression verfügt bereits im psychiatrischen Diskurs über ein hohes Fassungsvermögen für eine Vielzahl unspezifischer Leidensphänomene. Wenngleich die Erkenntnis bitter ist, macht sich bei jenen, die diese Diagnose erhalten, doch häufig Erleichterung breit. Dass Depressionen als krankheitswertig gelten, verweist auf die Möglichkeit der Heilung (Gesundheit) und stiftet somit Hoffnung aufseiten der Betroffenen. Im therapeutischen Diskurs wird stets betont, dass es nicht nur bereits guttäte, über seine Probleme zu sprechen, sondern sich gerade Depressionen immer besser behandeln ließen. Der
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Sammelbegriff Depression suggeriert, dass es ein allgemeines Verfahren zur Behebung des individuellen Leidens gebe. Nicht nur in therapeutischen Settings vermag die Diagnose Depression Ungewissheit zu absorbieren. Auch darüber hinaus kann sie Kommunikationsblockaden in der Bezugnahme auf das idiosynkratische Erleben bis auf Weiteres beheben. Gerade aufgrund seiner begriff lichen Verwaschenheit und symptomatologischen Vagheit hat sich das Depressionskonstrukt fest im soziokulturellen Repertoire der »idioms of distress« (Nichter 1981, insb. 2010: 406) etabliert, mit denen negative Gefühlslagen an die Kommunikation angeschlossen werden. Sowohl schwerwiegende Leidensformen als auch belastende »Un-Wohl-Gefühle« (Mixa et al. 2016) können mithilfe der Depressionssemantik auf einen Nenner gebracht werden. Selbstzweifel, Appetitlosigkeit, Identitätsprobleme, Fremdheitsgefühle, Gefühllosigkeit, Versagens- und Zukunftsängste sowie wiederkehrende Suizidgedanken können gleichermaßen auf den Begriff einer »Depression« gebracht werden. Die Glaubwürdigkeit jener, die sich als »depressiv« bezeichnen, steht dabei nicht generell infrage, sondern, wie beispielhaft gesehen, unter Sonderbedingungen. Der Begriff Depression betont vielmehr den Ernst der Lage und steigert die soziale Dramaturgie, macht er doch das persönliche Leid zu einem kollektiven Übel, einer »Volkskrankheit«, vor der niemand wirklich gefeit sei (Ehrenberg 2012: 500). Indessen setzt die Kommunikation über depressive Spitzensportler Eigendynamiken frei, die auf betroffene Athleten nicht selten exkludierend wirken. Dabei greifen nicht ausschließlich soziale Immunstrukturen, die insbesondere Mitspieler, Trainer und Funktionäre zu einer »Entfremdungskoalition« (Goffman 1973 [1961]: 136) zusammenschließen und depressive Sportler als Fremdkörper identifizieren, delegitimieren und an den Rand von Sportorganisationen sortieren. »Mit dem Rücken zur Zukunft« (Luhmann 2008 [1995]: 62) gestellt, wird Exklusion oft sogar zum Wunsch der betroffenen Athleten selbst, so dass Fremd- und Selbstexklusion konvergieren. Das »cooling out« (Goffman 1952) depressiver Sportler läuft besonders dann reibungslos ab, wenn Exklusionsdriften, die in Sportorganisationen ausgelöst werden, mit einer bewussten Lebenswahl durch die »Ausgekühlten« einhergehen. Zur individuellen Sinnstiftung stellt die Gesellschaft den Betroffenen Muster zur Verfügung. Vor allem die am Krankheitsbegriff anschließende Therapiesemantik, insbesondere in therapeutischen Kontexten und autobiografischen Erzählungen am Werk, ermöglicht Personen die Distanzierung ihrer prekären Lage. Das Therapiekonzept (nicht zu verwechseln mit dem medizinischen Heilungsbegriff) wird nicht zufällig im Kontext gesellschaftlicher Wandlungsprozesse geprägt, in der die soziale Herkunft einer Person ihre wegweisende Bedeutung einbüßt und Zukunft zur Möglichkeit wird, sein Leben ändern zu können (Luhmann 2012 [1999]: 91). Die Depression ist in dieser Hinsicht nicht nur ein Sym-
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bol des Scheiterns und Nichtmehrlebenwollens, sondern auch des Neuanfangs. Entsprechend funktional ist, dass gerade die Depressionssemantik Betroffenen ermöglicht, ihren Leidensdruck auf soziale Ursachen zurückzuführen und eine mögliche Eigenverantwortung an der Pathogenese weitgehend auszublenden. In Anleitung durch Psychotherapeuten sowie unter Anwendung des literarischen Genres der Autobiografie wird gleichsam auf Zukunft gesetzt und die biografische Ablösung von der Vergangenheit durch inkongruente Perspektiven und traurige Geschichten vorangetrieben. Auch die Frage nach latenten Funktionen des Leidens, nach einem »Wozu« oder »Sinn« der Depression, den es zu entschlüsseln gelte (Hell 2007: 16ff.), liefert Anknüpfungspunkte für die Distanzierung der Vergangenheit und einen Neubeginn mit Blick auf das kommende Leben. In Entsprechung zur massenmedialen Skandalisierungsroutine wird häufig das Sportengagement, einstmals sinngebendes Moment par excellence, nunmehr als sinnentleerte Praxis nachempfunden und das Athletendasein zur Opferrolle deklariert. Dann wird Abstandnahme zur Devise und der »drop out«, zumindest die Reduktion von Leistungsansprüchen, zur therapeutischen Indikation, die man sich selbst verordnen kann. Aus einer Perspektive zweiter Ordnung wird ersichtlich: Insofern Athleten den Spitzensport anklagen, die Reformbedürftigkeit der sportlichen »Scheinwelt« anprangern, aber ihr authentisches Selbst nunmehr in anderen Gefilden suchen, nehmen sie ihre Erfahrungen, Enttäuschungen und Frustrationen mit und bewältigen sie auf eigene Faust. Auf diesem Weg sorgen sie ihrerseits dafür, dass im Sport zunächst einmal alles beim Alten bleiben kann, während sie für sich selbst neue Projekte finden müssen. Die Therapie der kognitiven Strukturen und der Erhalt sozialer Strukturen gehen Hand in Hand. Wer sein individuelles Leiden einer verbreiteten Diagnose subsumiert, die genaue Bedeutung dieser Diagnose selbst aber nicht einschätzen kann, muss sich zudem am Diskurs orientieren, um in Erfahrung zu bringen, was auf ihn zukommt. Die Kommunikation liefert derart kopierbare Deutungsschemata, anhand derer sich das unspezifische, jedoch zermürbende Leiden einordnen, mit anderen besprechen und auch darstellen lässt. Ohne leidvolle Erfahrungen gäbe es zwar keinen Diskurs über die Depression. Aber ohne das gesellschaftliche Reden über depressive Erkrankungen, gäbe es auch kein Selbsterleben im Medium der Implikationen des Begriffs. Gerade als »depressiv« bezeichnete Selbstbeobachtung lässt etablierte Identitätskonstruktionen prekär werden. Entsprechend wahrscheinlich ist, dass die betroffenen Athleten sich selbst und ihren Fall im Medium der Kommunikation beobachten. Eher unwahrscheinlich ist demgegenüber, dass sie die gesellschaftlich konstruierte Realität der Athletendepression aus einer Perspektive zweiter Ordnung ref lektieren. In dem Maße, wie ein Betroffener sich mit seiner Krankheit beschäftigt – beispielsweise in Broschüren, Ratgeberliteratur, Autobiografien oder Zeitungsartikeln recherchiert –, kann er seine Zustands-
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definition, Verhaltensweisen und vor allem die Erzählungen darüber an diesen diskursiv verfügbaren Kopiervorlagen ausrichten. Was in der Kommunikation über die Depression zirkuliert, klärt so gesehen nicht nur über dringliche Fragen auf, die Betroffene haben: Was sind die Ursachen? Welche Symptome treten häufig auf? Wie ist der typische Krankheitsverlauf? Sind Depressionen (gut) heilbar? Vor allem ist das kollektive Wissen über die Depression imstande, als »self-fulfilling prophecy« (Merton 1948; vgl. außerdem Watzlawick 2016 [1985]) zu wirken. Fast scheint, als bemächtige sich die Kommunikation der psychischen Realität und spiele ihr kurz-, mittel- oder langfristig Konsequenzen zurück, die weniger über die Wirklichkeit des depressiven Bewusstseins aussagen, als vielmehr Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Konstruktion dieser Wirklichkeit erlauben. Nicht folgenlos ist deshalb, wenn depressive Athleten ihren »drop out« aus dem Sportsystem als nahezu alternativlos beschreiben. Leistungsschwäche, Suizidalität, die Entscheidung zum Karriereende und der biografische Neuanfang sind jedoch nicht nur Deutungsmuster, mit deren Hilfe betroffene Athleten ihr Problem einschätzen können. Gleichermaßen werden sie durch ihre soziale Umwelt als Maßstäbe angelegt. Die Medienanalyse offenbart nicht zufällig, dass Athletenbekenntnisse gerade dann mit Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit belegt werden können, wenn die kommunizierte Depression ohne Einf luss auf die sportliche Leistungsfähigkeit bleibt und die konsequente Weiterverfolgung der Athletenkarriere nicht behindert. Wenn zudem Sekundärgewinne vermutet werden, z.B. Medienpräsenz, Legitimation individuellen Fehlverhaltens oder die Durchsetzung von Wechselwünschen, wird das Depressionsbekenntnis potenziell infragegestellt. In diesem Fall muss sich der Betroffene auf die Erwartungen zurückziehen, die das Kommunizieren der Kommunikation gesamtgesellschaftlich erzeugt, will er für die Authentizität seines Leidens verbürgen und Mitgefühl, Anteilnahme, Verständnis und Wohlwollen in seinem Unterstützungsumfeld bewirken. Im Überblick wird deutlich: Therapeutische Intervention, traurige Geschichten über den Sport, Orientierung am öffentlichen Diskurs und der Code authentischer Depressionsbekenntnisse führen nicht über alle Einzelfälle hinweg stets zu denselben Entscheidungen. An einigen Beispielen lässt sich jedoch zeigen, dass sie den Rückzug aus dem Sport zumindest wahrscheinlich werden lassen.
Folgerungen Die Analysen dieser Arbeit zeigen, dass sich im Diskurs über Depressionen im Spitzensport erwartbare Muster herausgebildet haben, die die Zugangsschwellen sowie Plausibilitätschancen für verschiedene Rekonstruktionen von Athletendepressionen bedingen. Sicherlich finden immer wieder neue Unterschiede in Form von Einzelfällen, Forschungswissen, Expertenmeinungen, Praxiserfahrungen
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oder ausführlichen Erzählungen ihren Weg in die gesellschaftliche Kommunikation über depressive Spitzenathleten. Die diskursive Eigendynamik entfaltet sich jedoch vor allem in Abhängigkeit davon, ob, wann, wo, auf welche Art und wie häufig bereits verfügbare Inhalte (z.B. der Fall Hannawald, der Suizid Enkes, der Tabuvorwurf oder die Annahme der guten Behandelbarkeit von Depressionen) im Diskurs zitiert oder nicht zitiert werden. Gerade dann nämlich, wenn neue Fälle diskutiert werden, verweist die Kommunikation auf bereits bekannte Fälle. Häufig werden ehemals Betroffene abermals befragt, um ihre Lebens- und Leidensgeschichte noch einmal zu erzählen. In dem Maße, wie die Kommunikation über das Thema kommuniziert, zitiert sie sich somit vor allem selbst und bestätigt im Zuge dessen das, was sie bereits annimmt. Was in vielen Diskursbeiträgen über depressive Spitzensportler immer wieder zitiert wird, steigert die Redundanz verfügbaren Wissens in der Kommunikation über das Thema.2 Damit sei weniger gemeint, dass diese Informationen überf lüssig würden. Vielmehr sind sie im Überf luss vorhanden, so dass am Thema Interessierte sie an ganz verschiedenen Stellen rezipieren können und bei Gelegenheit ihrerseits wiederum darauf verweisen. Je breiter dabei vielzitierte Inhalte in typischen Darstellungslogiken gestreut werden, desto größer ist ihr Einf luss auf das gesellschaftliche Reden über die Depression im Spitzensport und betroffene Athleten – vor allem dann, wenn sich kaum ref lexive Instanzen ausdifferenzieren, die Zitationsmuster durchschauen, Zitationskartelle identifizieren und den Diskurs durch innovative Beiträge und alternative Deutungen stören. Welche Strategien zur Einf lussnahme bleiben, um die Eigendynamiken der Kommunikation zu durchbrechen und neue Sichtweisen auf das Phänomen ins Spiel zu bringen? Auf Basis der bisherigen Überlegungen können zumindest die theoretischen Möglichkeiten abgeleitet werden, wie sich der gesellschaftliche Diskurs schrittweise beeinf lussen ließe. Spielräume werden ersichtlich, wenn man im Blick behält, dass das, was (häufig) zitiert wird, seine diskursive Bedeutung auch in Differenz zu dem generiert, was nicht bzw. nur vereinzelt zitiert wird. Im Schlagschatten der dominanten Zitationsmuster in der Kommunikation über Athletendepressionen finden sich in der Tat einige diskursive Raritäten, die nur selten wieder aufgegriffen werden. Ihnen soll an dieser Stelle besonderes Augenmerk gelten. Die Tatsache, dass bestimmte Hinweise, Perspektiven, Meinungen und Erfahrungen in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung brachliegen, verweist auf einen diabolischen Zirkel. Sie scheinen, so die hier vertretene Deutung, unplausibel, weil sie nur selten zitiert werden. Gleichzeitig aber werden sie nur selten zitiert, weil sie eben dadurch unplausibel erscheinen. Insbesondere aber widersprechen 2 Z ur Erzeugung von Redundanz und Mustern durch Kommunikation vgl. Bateson (2014 [1985]: 534ff.).
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sie den Deutungsmustern jener Akteure, die sich regelmäßig zum Thema äußern und sich in ihren Problembeschreibungen gegenseitig bestärken. Im Folgenden werden drei Bereiche dieser selten zitierten Originale akzentuiert, um ihre Zitierfähigkeit im Diskurs auf diesem Weg zu regenerieren. Sie beziehen sich allesamt auf den sportlichen Hintergrund der Betroffenen und weisen auf Paradoxien in der Kommunikation über depressive Spitzenathleten hin. Bislang werden diese allerdings weder dialektisch entfaltet noch in groß angelegten Forschungsprojekten empirisch untersucht, sondern lediglich durch Zitationsroutinen abgedunkelt. Erstens lässt sich zeigen, dass die routinierte Darstellung depressiver Sportler als leistungsschwach, fehleranfällig oder undiszipliniert keineswegs dem wissenschaftlichen Forschungsstand entspricht. Vielmehr gibt es noch kaum systematisches Wissen über den Zusammenhang von depressiven Bewusstseinszuständen und sportlicher Funktionsfähigkeit. Einige Sportpsychologen und -psychiater, vor allem im internationalen Diskurs, betonen aufgrund ihrer Praxiserfahrungen in der Athletenbetreuung, dass sich sportliche Leistungsfähigkeit und depressive Selbstbeobachtung keineswegs kategorisch ausschließen würden.3 Bemerkenswert ist, dass gerade der Fall Enke, das Schlüsselereignis in der Debatte über die Athletendepression in Massenmedien, öffentlicher Meinung und Wissenschaft, kaum diskursive Spuren im Hinblick auf die Frage der sportlichen Leistungsfähigkeit depressiver Athleten hinterlassen konnte. Auch wenn in manchen Beiträgen mit Erstaunen bemerkt wird, dass Enke trotz seiner Depressionen als Nummer eins ins Tor der Nationalmannschaft berufen wurde und verlässlich Spitzenleistungen für Hannover 96 abgeliefert habe, werden Laienannahmen depressiver Leistungsschwäche in der Kommunikation über betroffene Spitzensportler nicht infragegestellt. Faktisch jedoch zeigt gerade dieses Beispiel, dass sportliche Höchstleistungen auch dann möglich sind, wenn Athleten »Depressionen haben« – und zwar nicht nur im Anschluss an eine erfolgreiche Therapie. Holger Stanislawski, früherer Trainer beim FC St. Pauli, gibt ein Beispiel dafür, wie über depressive Athleten alternativ berichtet werden kann. Auf die Frage, ob man seinem damaligen Spieler Andreas Biermann die akute Depression auf dem Platz angemerkt habe, versichert er: »Überhaupt nicht, er war immer zuverlässig, er war gerade defensiv eine absolute Bank. […] Heute wissen wir, dass er damals in einer schweren depressiven Phase war. Aber er hat das gut gelöst. Er hat zum Erfolg beigetragen. Generell hat er ganz wenig Fehler gemacht, weil er ein sehr guter Fußballer ist, mit einem unheimlich 3 B erücksichtigt man diese Unentschiedenheit, wäre zu überlegen, ob der Burnout-Begriff im Sportkontext nicht mindestens genauso stigmatisiert wie der Begriff Depression, legt er doch infolge seiner Metaphorik bereits den totalen Leistungs- und Funktionsverlust betroffener Personen nahe.
Schlussbetrachtung
hohen taktischen Verständnis. […] Er war ein Profi, auf den ich mich immer verlassen konnte. Er war immer da, wenn man ihn gebraucht hat.« (zit. in Biermann/ Schäfer 2011: 181) In ähnlicher Weise berichtet Jan Baßler, Geschäftsführer der Robert-Enke-Stiftung, über einen Fall aus dem Eishockeysport. Constantin Braun, Nationalspieler in Diensten der Eisbären Berlin, habe in der Saison 2012/13 als »most valuable player« der Playoffs entscheidend zum deutschen Meistertitel seiner Mannschaft beigetragen. Nach dem Gewinn der Meisterschaft habe er sich unverzüglich zu Depressionen bekannt und in stationäre Behandlung begeben (s. hierzu Tagesspiegel online vom 2.8.2013). »Das bedeutet«, so führt Baßler (BDFL 2014; ab Min. 33:05) aus, »in einer seiner schwersten depressiven Phasen, in der er sich bereits in einer ambulanten Behandlung befunden hat, war er dazu imstande, Höchstleistungen zu erbringen, die überall allerorts anerkannt wurden.« Bei genauerem Hinsehen fällt zweitens auf, dass die routinemäßige Skandalisierung des Sports allzu häufig die Sicht darauf versperrt, dass betroffene Athleten ihren sportlichen Hintergrund nicht immer negativ bewerten. Außerhalb von autobiografischen Narrationen vertreten sie bisweilen sogar die Meinung, dass der Sport keinerlei Schuld an ihrem Dilemma trage. Wenn depressive Athleten ihr Sporttreiben sogar als eine Gesundheitsressource beschreiben, die den Alltag mit Sinn aufrüstet, Lebensziele stiftet, einen festen Rhythmus vorgibt und Glücksgefühle ermöglicht, wird dies in anderen (Kon-)Texten allzu selten zitiert. »Wenn ich Ski fahre, bin ich glücklich«, betont beispielsweise Lindsey Vonn (Welt online 14.12.2012), deren Glaubwürdigkeit an dominanter Stelle in Zweifel gezogen wurde (Spiegel online vom 28.1.2013). Teresa Enke gibt ebenfalls zu bedenken, dass der Fußball ihrem Mann Robert viel bedeutet habe, geradezu sein »Lebenselixier« (Spiegel online vom 11.11.2012) gewesen sei, das er unter keinen Umständen verlieren wollte. Er habe seinen Sport geliebt, »[…] zu einem Team zu gehören, das tägliche Training, den Rhythmus der Spieltage« (Der Spiegel 47/2009: 149). Drittens sollte deutlicher hervorgehoben werden, dass der Rückzug aus dem Sport nicht immer hält, was die therapeutische Erzählung verspricht. Die Vorwegnahme einer besseren Zukunft erfüllt zwar die Funktion, Personen von ihrem biografischen Pfad abzulösen. Es bleibt jedoch im Auge des Betrachters, ob die Chance auf ein neues Leben damit teuer erkauft ist. Eine Entsprechung zwischen erzählter Zukunft und zukünftiger Gegenwart ist jedenfalls nicht garantiert. Eher besteht die Gefahr, dass das sportliche Karriereende, zunächst als Befreiung vom Joch des Athletendaseins gedacht, nicht geradewegs in Richtung auf Achtsamkeit, Lebensglück und Selbstverwirklichung führt. Der Weg der Selbsterkenntnis mag sich sogar als Sackgasse erweisen. Spitzensportler verlieren mit ihrem Karriereende ein tragfähiges Fundament, auf dem sie ihr Lebensgerüst über viele Jahre hinweg aufgebaut haben. Bestehende
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Identitätsfragen, Selbstzweifel und andere Krisensymptome werden durch die Distanzierung vom Sport nicht in Luft aufgelöst, sie können langfristig sogar verstetigt und verschärft werden. Für Athleten, die sich im besten Leistungsalter befinden und auf einen wesentlichen Teil ihrer sportlichen Lauf bahn verzichten, besteht dieses Risiko erst recht. Nicht zufällig rückt die Nachkarriere häufig als Identitätsverlust und Zukunftsungewissheit in den Blick der sportwissenschaftlichen Forschung (z.B. Bette et al. 2002: 356ff.). Im Jahr 2007 gibt beispielsweise Sven Hannawald, der bereits Anfang 2005 seine Sprungski an den Nagel gehängt hatte, in einem Interview mit der FAZ (online vom 30.12.2007) tiefe Einblicke in seine Gefühlslage: »Immer die Füße hochlegen macht keinen Spaß und kann auf die Dauer tödlich sein.« Noch im Februar 2009 zeigt er sich nachdenklich: »Wenn einem die Aufgabe fehlt, geht einem das in den Kopf. […] Ich hätte gerne eine Aufgabe, in der ich dann auch wieder in einen festen Tagesablauf eingebunden bin […] aber wie es jetzt weitergeht, ist nach wie vor im Nebel.« (Welt online am 17.2.2009) Eine Zweitkarriere als Berater bzw. Vortragsredner im Rahmen von Firmen-Events, bei der Auragewinne aus der eigenen Betroffenheit, vor allem aber aus der einstmaligen Berühmtheit geschöpft werden, steht nicht allen Akteuren offen. Aufgrund der damit verbundenen Dauerpräsenz der depressiven Episode als Karriere- und Lebensthema ist sie auch nicht für jeden gleichermaßen erstrebenswert. Anhand der Kommunikation über Depressionen im Spitzensport lassen sich beispielhaft die Gefahren vor Augen führen, die die Selbstbezeichnung als »depressiv«, erst recht ein öffentliches Bekenntnis zur Krankheit, mit sich bringen kann. Einmal mitgeteilt, gerät der mentale Zustand Betroffener schnell ins Fahrwasser eines Diskurses, an dessen Konstruktion sich eine Vielzahl an Akteuren mit ganz unterschiedlichen Logiken beteiligt. Die verschiedenen Diskursakteure sind dabei nicht ausschließlich am Wohlergehen der Betroffenen orientiert, sondern verfolgen ihre Eigeninteressen mithilfe unterschiedlicher Ferndeutungen des Problems. Die Kommunikation lässt auf diesem Weg eine Realität entstehen, die zwar die Karriere Dritter (z.B. Journalisten, Psychiater, Psychologen, andere Wissenschaftler oder sportliche Kontrahenten) befördern kann. Häufig erzeugt sie jedoch Eigendynamiken, die als »depressiv« etikettierte Menschen anhand von Stereotypen beschreiben, ihre Diagnose zu einer sozialen Tatsache verfestigen, ihnen eine Opferrolle kollektiv zuschreiben und Exklusionsdynamiken freisetzen können. Nicht nur für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler gilt: Wird das Erleben von Selbstzweifeln, Erschöpfungszuständen, Zukunftsängsten, Lebenskrisen und Selbsttötungsgedanken durch seine gesellschaftliche Deutung als »Depression« überlagert, ist die Kommunikation durchaus imstande, neue Schwierigkeiten im Leben der Betroffenen zu erzeugen.
Schlussbetrachtung
Ausblick Abschließend soll gefragt werden, welche Rolle das Wissenschaftssystem im gesellschaftlichen Diskurs über die Depression im Spitzensport bislang spielt – und welche es spielen könnte. Gesellschaft lässt in Form von Wissenschaft Perspektiven zu, die etablierte Diskursbereiche, Eigendynamiken, Beobachtungsweisen und Scheinevidenzen irritieren können (Luhmann 1992: 648ff.). Die wissenschaftliche Beobachtung depressiver Erkrankungen im Spitzensport orientiert sich noch kaum an diesen Möglichkeiten. Die sportpsychologisch und -psychiatrisch dominierte Forschung hat ihre Berechtigung. Sie zeichnet sich aber durch eine besondere Nähe zum öffentlichen Diskurs über Athletendepressionen aus, von dessen gesellschaftlicher Bedeutung sie profitiert und dessen Formen sie mitgestaltet. Publikationen über hohe Prävalenzzahlen und vielfältige Risikofaktoren sind jedenfalls nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs anschlussfähig. Sie taugen überdies dazu, das Interesse der Massenmedien zu stimulieren, im Sport die Nachfrage nach den eigenen Problemlösungsangeboten (insb. Psychotherapien, Stressbewältigungsverfahren sowie andere Salutogenese-, Präventions- und Heilungsversprechen) anzukurbeln und die Organisations- und Netzwerkbildung der Profession derweilen voranzutreiben. Soziologische Forschungsansätze, die mit komplex gebauten Theorien arbeiten, inkongruente Perspektiven anlegen und die Beobachter selbst beobachten, bleiben demgegenüber noch weitgehend aus. Dies hängt auch damit zusammen, dass sich die Kommunikation über das Thema in verschiedenen Teilbereichen sowohl gegen das eigene Ref lexivwerden als auch wider die Rückbeobachtung durch Dritte immunisiert. In einem gesellschaftlichen Rahmen, in dem Depressionen als »Volkskrankheit« beobachtet, Gesundheit zur Höchstnorm deklariert, der Spitzensport als »unmenschlich« skandalisiert und das Wunschbild einer solidarischen Gesellschaft gezeichnet werden, geschieht dem Anschein nach alles zum Wohle der Betroffenen und wider die erklärten Hasardeure des Sports. Beobachter, die die Diskursakteure auf blinde Flecken hinweisen sowie nicht-beabsichtigte Folgen ihrer Beiträge in den Blick nehmen, verstoßen gegen diese weit verbreiteten Konventionen. Die vorliegende Arbeit formuliert eine Reihe von Einwänden gegen die bisherige Forschung über das Thema, verlangt die Berücksichtigung zusätzlicher Gesichtspunkte, weist auf Paradoxien im gesellschaftlichen Diskurs hin und versucht somit, der höheren Komplexität des Gegenstands gerecht zu werden. Zudem geht sie von der Annahme aus, dass soziale Systeme, auch die Wissenschaft, über keinen originären Zugang zur psychischen Realität einer Depression verfügen. Folglich schreibt sie das erkenntnistheoretisch Mögliche von Bewusstsein auf Kommunikation um (Fuchs 1995), beobachtet z.B. Wahrheit als Kommunikationsmedium, Moral als rhetorischen Vorteil, Glaubwürdigkeit als soziale Konstruktion, Therapie als gesellschaftliche Semantik oder auch Verstehen als sozial
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wirksame Fiktion. Vor allem folgt sie der Depression als Thema auf ihrem Weg durch den gesellschaftlichen Diskurs. Eine systemtheoretische Auseinandersetzung darf jedoch erst recht nicht auf die Ref lexion von blinden Flecken und Limitationen der eigenen Beobachtungen verzichten. Auch die Ergebnisse dieser Arbeit sind nicht als absolute Wahrheiten misszuverstehen. Denn systemtheoretische Analysen operieren ihrerseits mit Unterscheidungen, die anders sein können, und kommen auf diesem Weg zu ihren Ergebnissen. Die hier vollzogene Analyse versteht sich demgemäß als ein soziologischer Versuch. Sie erschließt ein sehr umfassendes Themengebiet für den sportsoziologischen Diskurs und ordnet aktuelle Entwicklungen in der gesellschaftlichen Beobachtung des Spitzensports in diesen Rahmen ein. Der Anspruch besteht darin, eine differenzierte Analyse der Kommunikation über depressive Spitzenathleten zu liefern. Aufgrund der bewusst weit formulierten Fragestellung, die auf eine Reduktion und Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Komplexität zielt, muss die vorliegende Analyse a priori Abstriche bei der Tiefenschärfe ihrer Teilstudien machen. Ihre Ergebnisse bleiben somit vorläufig und die Belege zuweilen anekdotisch. Umso wichtiger ist es, einen Ausblick auf die weitere Forschung anzuschließen. Insgesamt gilt es, in verschiedene Forschungslücken weiter vorzudringen und relevante Fragestellungen zu bearbeiten. Unter anderem wären internationale Vergleiche interessant, die soziokulturelle Bedingungen in verschiedenen Ländern in den Blick nehmen und dabei auch feinere Unterschiede in den bestehenden Diskursen herausarbeiten. Es ist anzunehmen, dass beispielsweise die Kommunikation über depressive Spitzensportler in den USA oder anderen englischsprachigen Ländern neben Synchronitäten und Parallelen auch eine ganze Reihe von Idiosynkrasien aufweist und die sozialen Folgen für Betroffene in Abhängigkeit davon variieren. Überdies gilt es, Unterschiede in der Darstellung verschiedener Einzelfälle trennschärfer zu analysieren. Trotz aller Parallelen, Analogien und Gemeinsamkeiten, die vor allem diskursiv bedingt sind, zeigen sich in der einzelfallbezogenen Kommunikation eine Reihe von Differenzen, die auf ihre Bedingungen zu überprüfen sind. Auch die Explikation feiner Unterschiede im Diskurs unter einem gendersensiblen Blickwinkel dürfte sich lohnen. Weiterhin muss die zukünftige Entwicklung der Athletendepression im gesellschaftlichen Diskurs beobachtet werden. Nicht zuletzt die mit dem Internet verbundenen Veränderungen, beispielsweise Phänomene der Viralisierung von Depressionsunterstellungen, oder die Online-Kommunikation depressiver Spitzenathleten in sozialen Medien und Selbsthilfeforen, gilt es im Detail zu untersuchen. Gerade die Ebenen der Organisation, Interaktion und Person werden mit den Mitteln dieser Arbeit nicht vollumfänglich ausgeleuchtet. Die Tieferlegung und Ausdifferenzierung der erarbeiteten Forschungserkenntnisse bleibt Aufgabe anschließender Projekte, die auf das gesamte Repertoire der qualitativen Sozial-
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forschung zurückgreifen und stärker empirisch ausgerichtet werden müssen. Bislang gibt es kaum Studien, die über die statistische Erfassung von Prävalenzzahlen und Risikofaktoren bzw. die kasuistische Beschreibung von Therapieverläufen hinausgehen. Deshalb sollten zeitnah groß angelegte empirische Untersuchungen zum Umgang mit depressiven Spitzensportlern in verschiedenen Sportarten und Disziplinen unternommen werden, in dem die Erfahrungswerte und das entscheidungsrelevante Wissen unterschiedlicher Akteure systematisch zu erheben sind. Vor allem die Analyse von korporativen Entscheidungsprogrammen, subjektiven Konstruktionen und Stigmatisierungsdynamiken der Depression im Sport sowie Konf liktlagen an der Schnittstelle von Sportorganisationen, Intimsystemen, therapeutischen Kontexten und den betroffenen Athleten selbst bedarf empirischer Feinanalysen. Unbedingt notwendig ist darüber hinaus, dass interdisziplinär angelegte Studien sich differenzierter mit dem Einf luss depressiver Symptomlagen auf die sportliche Leistungsfähigkeit auseinandersetzen. Was fehlt, ist ein Forschungsdesign zum »playing« bzw. »competing depressed«, das gerade die Wechselwirkungen zwischen biologisch-körperlichen, psychischen und sozialen Ereignissen in den Blick nimmt.4 Auch hierbei können insbesondere qualitative Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung bzw. -interpretation hilfreich sein, um die in der Zeit stattfindenden Veränderungen erfassen, verschiedene Phasenverläufe unterscheiden und typische Muster in ihrer biopsychosozialen Komplexität identifizieren zu können. Ließe sich im Zuge dessen zeigen, dass depressive Spitzensportler ihre Leistungsfähigkeit unter gewissen Bedingungen aufrechterhalten und sich im Training genauso engagieren wie »psychisch gesunde« Athleten, würde dies den gesellschaftlichen Diskurs über Athletendepressionen womöglich stärker entdramatisieren als die allgegenwärtige Enttabuisierungs- und Entstigmatisierungsrhetorik. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit werden durch den Ausblick auf die anstehende Forschung allerdings nicht relativiert. Der Diskurs über depressive Spitzenathleten soll bereits durch die vorliegende Beschreibung verändert werden. Das Wissen, die Konstruktionsleistungen und die Umdeutungen, die diese Analyse erarbeitet hat, können jedoch nicht direkt in die beobachteten Gesellschaftsbereiche einf ließen, um dort umstandslos Änderungen zu bewirken. Denn für autopoietische Systeme gilt: Störungen sind innere Konstruktionen und Strukturänderungen Prozesse der Selbständerung der rezipierenden Systeme 4 Die Formulierungen verweisen auf Studien, die sich mit den strukturellen Bedingungen, sozialen Mechanismen und Akteursdispositionen auseinandersetzen, aufgrund derer Sportler trotz starker Schmerzen oder akuter körperlicher Verletzungen sozial funktionsfähig bleiben und ihre sportliche Leistungsfähigkeit aufrechterhalten. Zum Phänomen des »playing hurt« vgl. Roderick/ Waddington/Parker 2000). Das »competing hurt« wird von Thiel/Schneider/Mayer (2017) beschrieben.
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(Luhmann 1992: 649). Das Ziel besteht also nicht darin, konkrete Handlungsempfehlungen zu liefern, die sich fallübergreifend umsetzen ließen, sondern ein Reflexions-, Ordnungs- und Orientierungswissen für anwendungsorientierte Disziplinen, die therapeutische Praxis und weitere Diskursakteure zur Verfügung zu stellen, das deren Selbstbeobachtung anstoßen und sie auf Unschärfen, Paradoxien, blinde Flecken und nicht-intendierte Folgen ihrer Beiträge hinweisen soll. Wenn es gelingen würde, dass die Massenmedien über ihre Phänomenbeschreibungen nachdächten, Sozialwissenschaftler sich dem Thema mit ihrer Vielfalt an Theorien und Methoden widmeten, die korporativen Entscheidungsträger ihre Problemverfertigung ref lektierten, Therapeuten sich ihre Leitunterscheidungen bewusstmachten und auch betroffene Athleten die in der Kommunikation über ihren Leidensdruck lauernden Gefahren besser einschätzen könnten, würde der Diskurs über Athletendepressionen erheblich irritiert, möglicherweise sogar nachhaltig beeinf lusst. Unter den Bedingungen funktionaler Differenzierung besteht allerdings nicht nur die Gefahr, falsch verstanden zu werden, sondern auch selbst in den blinden Fleck der etablierten Blicke zu geraten und in der Skandal- und Krisenkommunikation über die Depression im Spitzensport unterzugehen. Veränderungen lassen sich umso schwieriger bewirken, wenn sich die beobachteten Diskursakteure in ihren Vorstellungen weitgehend entsprechen, Zitationsroutinen ausbilden und sich auf diesem Weg wechselseitig bestätigen. Dann werden alternative Deutungen häufig gar nicht erst zugelassen.
Siglen ADS Allgemeine Depressionsskala ANSPP Ambulantes Netzwerk Sportpsychiatrie und -psychotherapie Arbeitskreis Sportpsychologie asp BDFL Bund deutscher Fußball-Lehrer BDI Beck Depression Inventory BISp Bundesinstitut für Sportwissenschaft Center for Epidemiologic Studies Depression Scale CES-D Deutscher Fußball-Bund DFB DGPPN Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde DOSB Deutscher Olympischer Sportbund DSM Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders GHQ-12 12-item General Health Questionaire International Classification of Diseases ICD ISP Institut für Sportpsychiatrie ISSP International Society for Sports Psychiatry Personality Assessment Inventory PAI POMS Profile of Mood States SIGH-D Hamilton Rating Scale for Depression WHO World Health Organization ZKS Zentrale Koordinationsstelle Sportpsychologie
Literatur- und Quellenverzeichnis Adler, Jerry, 2006: Freud in our Midst. In: Newsweek online vom 3.6.2006; Zugriff am 24.2.2018 unter http://www.newsweek.com/freud-our-midst-106495. Afremow, Jim, 2013: The Champion’s Mind. How Great Athletes Think, Train and Thrive. New York: Rodale. Agstner, Irene, 2009: Über den Umgang mit Krebs. In: Phänomenal. Zeitschrift für Gestalttheoretische Psychotherapie, 1. Jg., Heft 1, 3-10. Althoff, Gerd, 2010: Aufgeführte Gefühle. Die Rolle der Emotionen in den öffentlichen Ritualen des Mittelalters. In: International Journal for the History and Theory of Emotions, Heft 1, 1-18. Andersen, Mark B., 2013: Psychodynamic models of therapy. In: Stephanie J. Hanrahan/Mark B. Andersen (Hg.), Routledge Handbook of Applied Sport Psychology. A comprehensive guide for students and practicioners. London und New York: Routledge, 160-167. Andersen, Mark B., Eric Denson, Britton W. Brewer und Judy L. van Raalte, 1994: Disorders of Personality and Mood in Athletes: Recognition and Referral. In: Journal of Applied Sport Psychology, 6. Jg., Heft 2, 168-184. Andersen, Mark und Harriet D. Speed, 2013: Therapeutic relationships in applied sport psychology. In: Stephanie J. Hanrahan/Mark B. Andersen (Hg.), Routledge Handbook of Applied Sport Psychology. A comprehensive guide for students and practicioners. London und New York: Routledge, 3-11. Andrade, Laura, Jorge J. Caraveo-Anduaga, Patricia Berglund, Rob V. Bijl, Ron de Graaf, Wilma Vollebergh, Eva Dragomirecka, Robert Kohn, Martin Keller, Ronald C. Kessler, Norito Kawakami, Cengiz Kilic, David Offord, T. Bedirhan Üstün und Hans-Ulrich Wittchen, 2003: The epidemiology of major depressive episodes: results from the International Consortium of Psychiatric Epidemiology (ICPE) Surveys. In: International Journal of Methods in Psychiatric Research, 12. Jg., Heft 1, 3-21. Angermeyer Matthias C. und Herbert Matschinger, 2003: Public beliefs about schizophrenia and depression: similarities and differences. In: Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 38. Jg., Heft 9, 526-534. Antonovsky, Aaron, 1997 [1987]: Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit (2. Auf l.). Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie.
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