Iran als religiöser Begriff im Mazdaismus 9783531073200


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Iran als religiöser Begriff im Mazdaismus
 9783531073200

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Rheinisch-Westfalische Akaclemie cler Wissenschaften Geisteswissenschaften

Herausgegeben von der Rheinisch-Westfalischen Akademie der Wissenschaften

Vortrage . G 320

GHERARDO GNOLI Iran als religioser Begriff im Mazdaismus

Westdeutscher Verlag

355. Sitzung am 18. Mlirz 1992 in DUsseldorf

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gnoli, Gherardo: Iran als religioser Begriff im Mazdaismus / Gherardo Gnoli_ - Opladen: Westdt. VerI., 1993

(Vortrage / Rheinisch-WestfaIische Akademie der Wissenschaften: Geisteswissenschaften: G 320)

ISBN-13: 978-3-531-07320-tJ e-ISBN-13: 978-3-322-85770-5 DOl: 10.1007/978-3-322-85770-5

NE: Rheinisch-WestfaIische Akademie der Wissenschaften (DUsseldorf): Vortrage / Geisteswissenschaften

Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International.

© 1993 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Herstellung: Westdeutscher Verlag

ISSN 0172-2093 ISBN-13: 978-3-531-07320-0

Meinem Vortrag sei vorangestellt, daB sich die heutige Bezeichnung Iran von mittelpersisch eran, dem Genitiv Plural von er, ableitet, welcher den ersten Bestandteil des Ausdrucks Eran-~ahr, "Land der !ranier", bildet. Mittelpersisch er in den sasanidischen Inschriften und in der PahlaVT-Literatur des 9. J ahrhunderts n. Chr. stammt seinerseits von einer Form mit Epenthese ab, von altiranisch *arya-, wie dem awestischen airiia·. Das Altpersische der achamenidischen Inschriften (vom 6. bis zum 5. Jahrhundert v. Chr.) kennt eine ariya-Form, die den Wert einer ethnischen Bezeichnung besitzt (s. u.). Samtliche Nachweise von altiranisch *arya- haben sowohl im Altpersischen als auch im A westischen eine ethnische Bedeutung. Dies wurde bereits richtig von E. Benveniste hervorgehoben 1• Meines Erachtens hat auch das mittelpersische er einen ausgesprochen ethnischen Sinn. Ais nUtzlich werden sich die Artikel A rya und Aryans in der Encyclopaedia Ira· nica erweisen. Der erste Artikel von H. W. Bailey2 soUte mit den zwar interessanten, aber doch nicht Uberzeugenden Erwagungen von O. Szemen!nyil gemeinsam gelesen werden; der zweite Artikel Aryans von RUdiger Schmitt4 zusammen mit dem vom gleichen Autoren in der Enzyklopadie veroffentlichten ArtikelArias. In diesem Zusammenhang mochte ich auf einige meiner Beitrage hinweisen6 •

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Ie vocabulaire des institutions indo·europknnes, Paris 1969, S. 370. "Arya", Encyclopaedia Iranica II, 7,1987, S. 681-683. "Studies in the Kinship Terminology of the Indo-European Langugages, with Special References to Indian, Greek and Latin", Varia 1977, Acta Iranica 16, Teheran-Liege 1977 (S. 1-240), S. 115-124. "Aryans", Encyclopaedia Iranica II, 7, 1987, S. 684-687. "Aria", Encyclopaedia Iranica II, 4,1986, S. 404-405. "Le dieu des Arya", Studia Iranica 12, 1983, S.7-22; "Mittelpersisch er ,Iranier"', Studia Grammatica Iranica. Festschrift for Helmut Humbach, hrsg. von R. Schmitt und P. O. Skjzrv!/!, Mtinchen 1986, S. 115-124; "Er mazdesn. Zum Begriff Iran und seiner Entstehung im 3. Jahrhundert", Transition Periods in Iranian History, Actes du Symposium de Fribourg-en-Brisgau (22-24 mai 1985), Studia Iranica - Cahier 5, Paris 1987, S. 83-100; "BlltaLAEU~ ~mA&WV 'APLIltVWV", Orientalia Iosephi Tucci Memo· riae Dicata II, Serie Orientale Roma LVI, 2, Roma 1987, S. 509-532; The Idea ofIran. An Essay on its Origin, Serie Orientale Roma LXll, Roma 1989. Ich verweise auf diese Arbeit besonders, weil sie tiber eine Bibliographie zu den in diesem Vortrag behandelten Themen verfiigt, die vollstandiger ist, als ich sie heute anfiihren kann.

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Gherardo Gnoli

Die neuen Elemente meines heutigen Vortrags beabsichtigen einen Beitrag darzustellen, der in die diesbezugliche Forschung integriert werden solI. Dabei werden die seit 1989 veroffentlichten Beitrage beriicksichtigt, die vor allem die politischen Beziehungen zwischen Mazdaismus und Manichaismus behandeln und die sich mit dem armenischen ari und weiteren mit Entstehung und Entwicklung des IranBegriffs verbundenen Aspekten beschaftigen. Auf diese Weise nehme ich die Gelegenheit wahr, friihere Forschungsansatze zu korrigieren und zu verbessern, wobei deren Hauptergebnisse im wesentlichen erhalten bleiben. Der Begriff Iran, der gleichzeitig politischen, religiosen und ethnischen Gehalt tragt, war ein charakteristisches Produkt der ersten Halfte des 3. Jahrhunderts n. Chr.: Er bildet die Grundlage der sasanidischen Propaganda. Vor Arda~Ir (ca. 224-240 n. Chr.) war sogar der Name Eran-§ahr unbekannt. Zumindest fand er in keiner Quelle Verwendung. Alles fuhrt zur Annahme, daB der Begriff Eran· §ahr eine Schopfung des ersten Sasaniden sei. Eine derartige Schopfung war etwas Kunstliches und gleichzeitig eine Neuerung, denn sie gab, sozusagen, das Signal zu einer Tendenz, die zur Entstehung von Nationalkulturen fuhrte, welche die heutige Geschichtsschreibung fur das 3. Jahrhundert und den Beginn der Spatantike in der romischen Welt als charakteristisch ansieht. Wir konnen sagen, daB sie fur alle von Alexander dem GroBen zu einem Reich vereinten Regionen der antiken Welt ebenso charakteristisch ist. Ansatze einer derartigen Tendenz finden sich auch in spatparthischer Zeit, eine Tatsache, die Josef Wolski 7 besonders hervorhob. J edoch nur fur die sasanidische Epoche kann sie als Bestandteil eines systematischen Programms politischer Propaganda angenommen werden. Der Begriff Iran als ethnische und religiose Idee entstand jedoch nicht erst im 3. Jahrhundert n. Chr.; er kann auf einen wesentlich alteren Ursprung und eine mehr als tausendjahrige Geschichte zuriickblicken. Sie sei hier kurz zusammengefaBt: Alteste Nachweise von *arya- als einem ethnischen Konzept begegnen uns in den Achamenideninschriften (altpersisch ariya-) und im Awesta (awestisch airiia). Der ethnische Wert in den altpersischen Inschriften ist sicher. Der Begriff erscheint in drei verschiedenen Zusammenhangen: als Definition der Sprache der altpersischen Version der Inschriften des Darius in Bisotun, im Paragraphen 70 8; 7

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"Sur l'imperialisme des Parthes Arsacides", Archaeologia Iranica et Orientalis. Miscellanea in Honorem Louis Vanden Berghe, hrsg. von L. de Meyer und E. Haerinck, Gent 1989, II, S. 637-650, und siehe hierzu G. Gnoli, "Er mazdesn" (vgl. Anm. 6), S. 83-85 (Stand der Forschung und bibliographische Hinweise). Heute erneut Gegenstand der Forschungen von Clarisse Herrenschmidt, "Le paragraphe 70 de l'inscription de Bisotun", Etudes irano-aryennes offertes aGilbert Lazard, hrsg. von C.-H. de Fouchecour und Ph. Gignoux, Studia Iranica - Cahier 7, Paris 1989, S.193-208. Siehe auch R. Schmitt, The Bisitun Inscriptions ofDarius the Great. Old Persian Text, Corpus Inscriptionum Iranicarum, Part I, Vol. I, London 1991, S.73-74.

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als Definition der Aszendenz des Darius in den Inschriften in Naq§-e Rostam und Susa (DNa 14f., DSe 13f.) oder des Xerxes in einer Inschrift von Persepolis (XPh 13 f.); schlieBlich als Definition der Anhanger des Gottes Auramazda: im elamischen Text der Inschrift von Bisotun (Ill, 77-79). In der griechischen Nebentiberlieferung bestatigt Herodot (VII, 62) den ethnischen Wert von *arya-, wenn er behauptet, daB die Meder in der Antike von allen "AptOL genannt wurden: " ••• tXotAtov't'o 8t 7tcXACXL 7tPOt; 7tcXv't'WV"APLOt"; oder aber, als er von einem medischen Stamm berichtet, der sich 'AptCcxv't'o( « *arya-zantu·, "von arischem Stamm") (Herodot 1,101) nannte. Jener Wert wird ebenfalls von Eudemos von Rhodos in einer Passage der 'A7top(cxt XCXL AUcmt; 7ttPL 't'wv 7tpw't'wv &pxwv des Damascius9 bestatigt: Der hier verwendete Ausdruck 7t&v 't'0 "Aptwv ,,(tVOt;, der sicherlich aus der achamenidischen Epoche stammt, ist altpersisch ariya·cira·, "arischen Gebltits", gleichzusetzen. UngewiB ist hingegen der Wert der Aussage des Aischylos (Persai 993 f.); in diesem Fall ist es denn auch unmoglich, festzustellen, ob &ptOv/&peLov/ &pLWV (?) ein Eigenname oder ein Adjektiv sei lo • Helmut Humbach hat z. B. vorgeschlagen, diese Passage wie folgt zu lesen und zu tibersetzen II: "McXp8wv &v8pwv ILUPL6't'cx,,(ov / 3cXvOTjv "APL6v 't"&"(XcXPTj", "Den Kommandeur der mardischen Mannen, Xanthes, und den (ihm) nahverwandten Arios." Der ethnische Wert von altpersisch ariya· hat auf jeden Fall angefangen bei Darius I. (522-486 v. Chr.) und ist bis zu Alexander nachweisbar: Eudemos von Rhodos war, wie bekannt, einer der ersten Anhanger des Aristoteles. GewiBheit besteht auch tiber den ethnischen Wert von airiia· im Awesta: Dies wurde durch seine Verbindung mit daxiiu·, "Landgebiet, Landschaft, Land", bewiesen (aber, ftigt Bartholomae richtig hinzu: "oft zugleich auch von den Bewohnern"12), haufig begegnen wir dem Begriff in den YaSt, wo er auBerdem mit x"'aranah·, "Ruhm, Glanz", in Zusammenhang steht und mit ya! asti airiia~m daxiiunq,m zatanq,m azatanq,mca yaf!:a t#aono zara()u§trahe, "der den arischen V6lkern, den geborenen und den ungeborenen, gehort und dem frommen Zarathustra" 13, definiert ist. In den sogenannten "groBen YaSt", d. h. in den YaSt,

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Damascius Diadochus, Dubitationes et solutiones in Platonis Parmenidem, hrsg. von C.A. Ruelle, Paris 1889, 125 bis, S. 332. Vgl. C. Clemen, Fontes historiae religionis Persicae, Bonnae 1920, S. 95; J. Bidez· F. Cumont, Les Mages heltenisis, Paris 1938, II, S. 69 f.; R. C. Zaehner, Zurvan. A Zoroastrian Dilemma, Oxford 1955, S. 447. Siehe hierzu R. Schmitt, Die Iranier·Namen bei Aischylos, Osterreichische Akad. d. Wiss., Phil·hist. Kl., Sb., 337. Bd. - Veroffentlichungen der Iranischen Kommission 6, hrsg. von M. Mayrhofer, Wien 1978, S. 30f. H. Humbach, ,,'A,,(XcXpTj~ und &:,,(X~P'Il~", Gnomosyne. Menschliches Denken und Handeln in der [rUbgriechischen Literatur. FestschriftjUr Walter Marg zum 70. Geburtstag, hrsg. von G. Kurz, D. Miiller und W. Nicolai, Mlinchen 1981, S. 235-237. Altiranisches Worterbuch, Strafiburg 1904, Sp. 706. So H. Lommel, Die Yast's des A westa, Gottingen-Leipzig 1927, S. 181.

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die Anahita (Yt. 5), Ti§trya (Yt. 8), Miera (Yt. 10), den Frauu~i (Yt. 13), Vayu (Yt. 15), A§i (Yt. 17) und Xvaranah (Yt. 19) gewidmet sind, wird daxiiu· durch airiia- bestimmt: der Ausdruck wird im Plural verwendet: airiia daiJhauuo l4, airiia~m daxiiu~m, airiiabiio daiJhubiio. Weitere awestische Nachweise von airiia- und airiiana-, die einen eindeutig ethnischen Wert beinhalten, sind solche, in denen airiia- saiiana- bestimmt, in dem Kompositum airiio.saiianam, "arischer Wohnsitz" (Yt.l0.13), oder vaejiiah-, "Ausdehnung (unter territorialem Gesichtspunkt)", in dem bekannten Ausdruck airiianam vaejiio vanhuiia daitiiaiia, "die arische Ausdehnung der VanvhI Daitiia", das heiBt des Flusses des religiosen Gesetzes (V. 1.2; 2.20; Yt. 5.17, 104; 15.2). In Yt. 13.143f. erscheint airiia- als erster Name in der Liste der fUnf Lander oder Volker (daxiiu~: airiia-, tUiriia-, sairima', sainu-, daha-. In Yt. 10.13f. bezieht sich airiia- auf den gesamten Wohnsitz der arischen Volker und somit auf die Lander der Hkata, Pouruta, Mourv, Haroiva, Gava (Sux8a), Xvairizam. Das erste Kapitel des widewdad ist wahrscheinlich eine Liste der sechzehn groBen Gebiete, in denen sich das Volk airiia- und die zoroastrische Religion ausgedehnt hatten, die laut einer von mir vorgeschlagenen und von G. Fussman 1S unterstUtzten Interpretation jener Liste der ~o!iaSa mahajanapada in den buddhistischen, jainistischen und epischen Quellen ahnelt, die sich auf Indien im 6. Jahrhundert v. Chr. beziehen. Der ethnische Wert von iranisch *arya- ist, wie Benveniste richtig hervorgehoben hat, auBerdem auch fUr die klassischen Quellen bezeugt, welche sich auf die seleukidische und parthische Epoche beziehen: Wesentliche Dokumente behandeln 'APLotll~ und die 'APLotlioL Besondere Beachtung finden sie bei Strabon, der auf Nearchos von Kreta, Apollodoros von Artemita und vor allem auf Eratosthenes zurUckgreift, und bei Diodor, der auf Megasthenes und vielleicht auf Hekataios von Abdera Bezug nimmt. Die Arianoi waren sicherlich die Volker jener Regionen, welche die Griechen, nachdem sich ihnen derostliche Iran infolge der Eroberungen Alexanders des GroBen geoffnet hatte, als Ariane kennengelernt hatten. Ganz ohne Zweifel spiegelt sich in dem griechischen Namen dieser acppoty£r;bei Strabon l6 finden wir ihre Begrenzung - eine Bezeichnung in der Art von awestisch airiiii daiJhauuo, *airiia~m daiJhauuo oder von altpersisch *ariyaniim dahyava wider. Es ist keineswegs ein Zufall, daB die zu Ariane gehorenden Territorien zum GroBteil mit den in Yt.l0.13f. und V.l erkennbaren Gebieten Uberein-

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Vgl. K. Hoffmann, Aujsatze zur Indoiranistik, II, Wiesbaden 1976, S. 599f. Anm.14; K. Hoffmann -

J. Narten, Der Sasanidische Archetypus, Wiesbaden 1989, S. 54f.

G. Gnoli, De Zoroastre aMani. Quatre lerons au College de France, Travaux de I'Institut d'Etudes Iraniennes 11, Paris 1985, S. 25, 30; G. Fussman, "Histoire du monde indien", Annuaire du College de France 1987-1988-Resumedescoursettravaux, Paris 1988, S.581; Gnoli, Theldea ofIran (vgl.Anm.6), S. 44f., 61. I, 22: vgl. Gnoli, ebenda, S. 4, 77, 105.

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stimmen. Ariane entsprach auf jeden Fall dem ostlichen Teil des iranischen Hochlandes und nicht dem Iran in weiterem Sinne, wie Th. Noldeke 17 und W. Tomaschek18 meinten und wie es noch, wenn auch unter anderem Gesichtspunkt und mit verschiedenen SchluBfolgerungen, E. Herzfeld 19 und H. H. Schmitt20 angenommen hatten. Lohnenswert sind die Bemerkungen Hatto H. Schmitts zu Ariane und Arianoi, der, obwohl er richtigerweise jeglichen politischen Wert des Begriffs Ariane ablehnt, trotzdem folgende Ansicht vertrat: «,Arier' ist eine uralte ethnologische Bezeichnung, die wir z. B. schon aus den Achamenideninschriften und Herodot kennen; und es ist wohl denkbar, daB zur Perserzeit ganz Iran ,Arierland' hieB, daB diese Bezeichnung aber unter griechischer Herrschaft als Sammelname auf die ostlich von Medien und Persis gelegenen Landschaften beschriinkt worden ist, da man fUr die westlichen Provinzen gangige Namen kannte.» Nun muB jedoch gesagt werden, daB auch Namen wie z.B. Arachosia, Areia, Drangiana durchaus "gangige Namen" waren, daB also nichts die Richtigkeit der Hypothese bestatigen kann, nach der Iran in achamenidischer Zeit in seiner Gesamtheit als "Arierland" bezeichnet worden ware. In einer Passage von Strabons Geographie (1,4,9) bezeichnet Eratosthenes die Arianoi nicht als "Iranier" in ihrer Gesamtheit, trotz der von Hatto H. Schmitt gezogenen SchluBfolgerung21 : «Wenn Eratosthenes bei Strab. I, 4.9 (...) Inder und Arianer, Romer und Karthager als "gebildete" Barbaren bezeichnet wegen ihrer ausgezeichneten Regierungsformen, dann kann sich das nicht auf die abgefallenen Provinzen Ostirans beziehen, auch nicht auf die Parther, von deren Regierungsform Eratosthenes nicht viel erfahren haben kann. Mit 'Aptexllo( mussen hier die Perser der Achamenidenzeit gemeint sein.» Strabon spricht aber in der zitierten Stelle weder von der Regierungsform der Inder noch der der Arianer: Er bezeichnet beide lediglich als &cnttOt Barbaren. Nur die Romer und die Karthager werden ausfUhrlich erwahnt wegen ihrer hervorragenden politischen Systeme, wie man der aufmerksamen Lekture der folgenden Stelle entnehmen kann: " ... 1tOnOU~ yOtp XexL 'tWII 'EAA:IIIIWII ttllext xexxou~ XexL 'tWII ~exp~ci.PWII &cnt£OU~, xcx9ci.1ttp '11I8ou~ XexL 'AptcxIlOU~, t'tt 8i 'PwlLex(OU~ XexL KexpX7J8oll(OU~, ou'tW 9exulLexcnw~ 1tOAt'ttUOIL£IIOU~." Ein derartiges Lob der politischen Institutionen der Romer und Karthager ist nicht auBergewohnlich - man denke nur, daB auch die Verfassung

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AUfoi.tze zur persischen Geschichte, Leipzig 1887, S.148. "Ariane", RElI, 1, 1895, Sp. 813f. "Sakastan. Geschichtliche Untersuchungen zu den Ausgrabungen am Kiih i Khwadja", Archaologische Mitteilungen aus Iran 4, 1932 (S. 1-116), S. 36£.; Archaeological History ofIran, London 1935, S. 9; Iran in the Ancient East, London-New York 1941, S.192; Zoroaster and His World, Princeton 1947, S. 699. Untersuchungen zur Geschichte Antiochos' des Groften und seiner Zeit, Historia Einzelschriften Heft 6, Wiesbaden 1964, S.77f. Ebenda, S. 80 Anm.

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Karthagos zu den verschiedenen Formen der 1tOAm:LOtt zahlte: vgl. Aristoteles, Politik, II, 1272 b-1273 b -, wahrend es doch seltsam anmuten wiirde, wollte man sie mit den Verfassungen der Inder und Perser der achamenidischen Epoche in Zusammenhang bringen. In Wirklichkeit differenziert Strabon an dieser Stelle wie ich bereits in einem 1966 veroffentlichten Artikel versucht habe nachzuweisen 22 - einerseits zwischen Indern und Arianern und zwischen Romern und Karthagern andererseits. Wenn wir also bei Strabon (I, 4,9) die Perser mit dem Namen Arianoi identifizieren konnen, geschieht dies nicht, weil mit dem letzteren Begriff eine allgemeinverstandliche Definition der "Iranier" gegeben werden sollte, sondern vielmehr, weil er eine spezifische Bedeutung des Begriffs Ariane widerspiegelt. Ariane war denn auch ein Begriff, der sich eigens auf die mittleren Regionen des ostlichen iranischen Hochlandes bezog, der aber gleichzeitig "Teile" der Perser und Meder benennen konnte und nach Norden hin auch der Baktrer und Sogder: "t1ttx'td\lt'tOtt Ot 'tOU\l0fJ.ex 't7jt; 'AptOt\l7jt; fJ.tXpt fJ.tPOUt; 'tt\lOt; XOtL IItpaw\I xexL M 7}0W\I XexL &'tt 'tW\l1tpOt; &px'tO\l BOtx'tp(w\I XOtL ~O,OtOt\lW\I' e.laL ,cXp 1twt; XOtL ofJ.6, Aw't'tot 1tOtpdt fJ.txp6\1" (wie auch Strabon bestatigt: XV, 2,8). Dieser letztgenannte Passus ist

au6erordentlich wichtig, weil er meines Erachtens beweist, da6 awestisch airiiaund die ariya- der achamenidischen Inschriften Bestandteile einer hoheren ethnischen und sprachlichen Einheit sind: Nur fur die Volker des airiio.ssaiianam- und der airiia daiJhauuo des Awesta oder fur die ariya-Bevolkerung der medischen und achamenidischen Umgebung *arya- stellt er einen "Gesamtnamen" dar 23 , und das hei6t, den Namen eines "Gesamtvolks"24. In dem angefuhrten Zitat des Strabon konnen wir auch analogen Bemerkungen Herodots (VIII, 144) begegnen, mit denen er sich auf das Bewu6tsein der Griechen beruft, zu einer gro6eren Gemeinschaft als nur einer einzelnen Polis zu gehoren, " ... 'to 'EAA7j\ltx6\1, to\l ofJ.OttfJ.6\1 'tt XOtL OfJ.6,Awaao\l, XOtL 9tw\I tOpUfJ.Ot'tcX 'tt xowdt xOtL 9ua(Ott i]9tcX 'tt OfJ.6'tP01tOt",

Hellenikon: gleiches Blut und gleiche Sprache, gemeinsame Heiligtumer und Opfer, ahnliche Sitten und Brauche»25. Eine derartige Analogie mu6 naturlich richtig interpretiert werden: Altiranisch *arya- darf, wenn man es unter geschichtlichem Gesichtspunkt dank der Aussagen des A westa und der Achamenideninschriften exakt auffa6t, nicht dem Begriff "iranisch/Iranier"26 ubergeordnet werden. Wahrend sich jener in der Tat auf einen Teil der Bevolkerungen bezog, der « •••

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G. Gnoli, ,,'AptOtvfJ. Postilla ad AiryoJayana", Rivista degli Studi OrientaliXLI, 1966, S. 329-334. W. Geiger, Ostiranische Kultur im Altertum, Erlangen 1882, S. 167f. R. Schmitt, Die Iranier·Namen bei Aischylos (vgl. Anm. 10), S. 31. Ein antikes BewuBtsein, alter als die Kriege gegen die Perser: vgl. D. Musti, Storia greca. Linee di sviluppo daU'eta micenea all'eta romana, Bari 1989, S. 316. Oder "irano-aryen", nach der gelungenen Definition G. Lazards, "Les etudes de philologie iranienne", Orientalia Romana 6: The First European Colloquium of Iranology, hrsg. von G. Gnoli, Serie Orientale Roma LVII, Roma 1985 (S. 53-71), S. 53f.

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sich iranischer oder irano-arischer Sprachen bediente, deren ausgesprochene Ahnlichkeit ihre Benutzer fast als o!J.6,,(AwaaOt erscheinen lieB, deutet dieser - entsprechend der heutigen Sprachterminologie - auf alle Iranisch sprechenden Volker27 . Auf ethnisch-sprachwissenschaftlicher Ebene sind wir fUr *arya· zu derartigen SchluBfolgerungen gelangt, die sich von denen einer historischen Betrachtung auf politischer Ebene nicht unterscheiden. In der achlimenidischen Epoche finden sich von *ariyanam x§ara· trotz der gegenteiligen Ansicht Herzfelds keinerlei Spuren. Nach Herzfeld ware dies ein geographischer und politischer Name des Reichs der Arier gewesen, «from which», schreibt er28 , «a new ethnikon Erani is derived»: auch wenn es nicht in den achamenidischen Inschriften vorkommt, ware es dank des Vergleichs zwischen altpersisch *ariyanam xSafa· (seinerseits eine theoretische Rekonstruktion) und dem awestischen Kompositum airiilHaiiana· (seines Erachtens sei dies eine "poetischere" Form als die erste) rekonstruierbar. Moglich ware auch der Vergleich zwischen altpersisch *ariyanam xSa~a· und der awestischen U mschreibung airiianam vaejiio vanhuiia daitiiai;,a, «an artificial name for the country of the original home of the Aryans», eine "pseudo-awestic" Formel, die von den "Arsacid redactors" erfunden wurde, «to remedy the lack of relation between the names of the two related concepts, vejo vahvya datiyaya as original home and aryanam x§aOram as actual home»29. Die Rekonstruktion Herzfelds ist nicht haltbar: dieselben awestischen Ausdriicke besitzen unterschiedliche Urspriinge und Bedeutungen. In den altpersischen Inschriften wird der Begriff xSa~a·, "Reich, Konigreich, Herrschaft", durch keine ethnische oder geographische Definition bestimmt, weil dies dem universellen Charakter der achamenidischen Ideologie widersprechen wiirde. Er scheint vielmehr dem Begriff buml-, "Erde"30, iibergeordnet zu sein; die Erde ist ihrer ganzen Weite nach das eigentliche Reich, in dem der GroBe Konig, xSiiyaOiya vazrka, die vom GroBen Gott, baga vazrka, erhaltene rechtliche Autoritat ausiibt. 27

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Es ist hier unwichtig, auf den sprachwissenschaftlichen Gebrauch von arisch in den indoiranischen oder indogermanischen Sprachen hinzuweisen oder gar auf das umfassende Problem seiner Anwendung im weitesten sprachwissenschaftlich-althistorischen Bereich. Es sei hierzu verwiesen auf den jiingst erschienenen Artikel]. Wiesehofers: "Zur Geschichte der Begriffe ,Arier' und ,arisch' in der deutschen Sprachwissenschaft und Althistorie des 19. und der ersten HaIfte des 20.]ahrhunderts", Achaemenid History V: The Roots of the European Tradition - Proceedings of the 1987 Groningen Achaemenid History Workshop, hrsg. von H. Sancisi-Weerdenburg und J. W. Drijvers, Leiden 1990, S.149-165. Archaeological History of/ran (vgl. Anm.19), S. 9. Zoroaster and His World (vgl. Anm. 19), S.700. Vgl. Clarisse Herrenschmidt, "Designation de l'empire et concepts politiques de Darius I d'apres ses inscriptions en vieux-perse", Studia /ranica 5, 1976 (S. 33-65), S. 43f.; Id., "L'Empire perseachemenide", Le concept d'Empire, hrsg. von M. Duverger, Paris 1980 (S. 69-102), S.72; und auch R. N. Frye, "Remarks on Kingship in Ancient Iran", Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungamae xxv, 1977 (S. 75-82), S.75-78.

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Gherardo Gnoli

Alles, was wir auf Grund vor allem des Vergleichs der Landerlisten in den Inschriften des Darius und des Xerxes rekonstruieren konnen, ist, daB sich das Wissen urn eine hohere Einheit ariya- einen Weg bahnen muBte. Wie Clarisse Herrenschmidt bemerkt hat, erfahrt die Reihenfolge der Lander in den Inschriften des Darius in Bisotun und in Persepolis (e) einerseits und die des Darius in Naq§-e Rostam (a) und des Xerxes in Persepolis (h) andererseits eine radikale Anderung. In diesen letztgenannten, es handelt sich urn die jtingeren, folgen unmittelbar die von uns als iranisch bezeichneten Lander Mada und Uja, das heiBt Medien und Elam, aufeinander. Bedeutsamerweise erklan sich der Konig der Konige gerade hier, sicherlich nicht zufallig31 , als ariya- und ariya-ci~a-, "Arier" und "aus arischem Geschlecht stammend". Es ist aber richtig, daB in jeder Landerliste in den achamenidischen Inschriften Persien immer die "Mitte" einnimmt, daB also parsa und nicht etwa ariya- der Begriff war, mit dem Gefiihl und Nationalstolz der Achameniden ausgedriickt wurde (siehe bes. DNa 38-47). Nach dem Ende der Herrschaft der Seleukiden tiber den Iran, unter der Dynastie der Arsakiden, taucht der Name *arya- als ethnische, geographische oder politische Bezeichnung, die sich auf den neuen iranischen Staat bezieht, nicht mehr auf. Dies geschieht nicht ohne Grund: Die Nachfolger der Parner, die im 3. Jahrhundert v. Chr. in Parthien eingedrungen waren, kamen sicherlich nicht aus den Gebieten, die das Awesta als airiia danhauuo bezeichnet. Obwohl die Parther unter sprachwissenschaftlichem Gesichtspunkt "Irano-Arier" waren - und dies nicht mehr und nicht weniger als die Alanen « *Ary.lina-) -, waren sie keineswegs *arya- in dem von uns bis hierher, auf der Grundlage der altpersischen und awestischen Dokumentation erklanen Sinne. Der Beweis der Existenz des Titels BOto"LAe.U~ ~Oto"LAtwV 'APLOtVWV in der Mitte des 1. J ahrhunderts n. Chr. hat sich als unhaltbar erwiesen, da er auf einer falschen Lesart der Inschrift auf einer Mtinze des Gotarzes II. 32 beruhte. Anstelle von Ape.OtvwV miissen wir ApO"OtXou lesen. Auf diese Weise ist die von Alfred von Gutschmid 33 , Joseph Marquart 34 und Ernst Herzfeld 35 vertretene Annahme hinfallig geworden. Iran als gleichzeitig ethnischer, religioser und politischer Begriff ist eine sasanidische Schopfung. In frtiheren Arbeiten habe ich dieses Thema bereits behandelt und 31 32

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Gnoli, The Idea ofIran (vgl. Anm. 6), S. 21-23. Vgl. Gnoli, ,,'ApL«Vl)" (vgl. Anm. 22), S. 334 Anm.1; M.-L. Chaumont, "Etudes d'histoire parthe IV. A propos d'une inscription du ,Grand Roi' Gotarze", Syria LVI, 1979 (S.153-170), S.160£.; D. Sellwood, "Parthian Coins", The Cambridge History ofIran 3/1, hrsg. von E. Yarshater, Cambridge 1983 (S. 279-298), S. 295; V. G. Lukonin, "Political, Social and Administrative Institutions: Taxes and Trade", ebenda (S. 681-746), S. 691; Gnoli, The Idea ofIran (vgl. Anm. 6), S.103. Geschichte !rans und seiner NachbarLinder von Alexander dem Groflen his zum Untergang der Arsaciden, Tiibingen 1888, S. 123. "Beitdige zur Geschichte und Sage von Eran", ZeitschriJt der Deutschen MorgenLindischen Gesellschaft XLIX, 1895 (S. 628-679), S. 629. "Sakastan" (vgl. Anm.19), S. 36 Anm. 2, S. 61.

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aufgezeigt, daB die konigliche Titelverleihung, auch Titel der zivilen und militarischen Verwaltung, die Toponomastik und der mittelpersische Gebrauch von er (PI. eran) in den sasanidischen Inschriften diese These bestatigen. Der Machtantritt der Sasaniden stimmte zeitlich mit der Entstehung des Konzepts Eran·sahr uberein, unter Sabuhr I. (240-272) kam noch der Begriff Aneran-sahr im Konigstitel Sahan sab Eran ud Aneran, "Konig der Konige von Eran und nicht-Eran~ hinzu. Dieser bildete sicherlich den Mittelpunkt der politischen und religiosen Propaganda, die den Dbergang der Macht von den Arsakiden auf die Sasaniden charakterisierte. Auf diese Weise also bildeten sich zusammen mit den Titeln der Souverane und dem offiziellen Namen des Staates (bis dahin unbekannt und ohne ethnischen Bezug36) solche Titel heraus wie Eran-amargar, eine Art staatlicher Generalverwalter, Eran-hambaragbed, Oberaufseher der Vorratsmagazine, Erandilnrbed, Chef der Schreiber, Eran-drustbed, Hofarzt, Eran-spabhbed, Reichsmarschall, und solche Ortsnamen wie Eransahr-Sabuhr, Eran-xwarrah-Sabuhr oder in spaterer Zeit Eran-asan-kar{d)-Kawad, Eran-sad-Kawad, Eran-winardKawad, Eran-xwarrah-Yazdgerd 37 • Auch Ortsnamen besitzen, wie die Titel, bei einer Stadtgrundung oder Neubenennung 38 einen ethnischen Wert. In dem Namen der Stadt, die laut Sahrestanlha 1: £ran (§ 48) von Sabuhr, dem Sohn des Ardaslr (Eran-xwarrah-Sabuhr), laut TabarI hingegen von Sabuhr II. (309-379) (Iranburrah-Sabur) gegrundet wurde, begegnen wir zum Beispiel der Idee Eran xwarrah, einer Wiederholung des awestischen airiianam oder airiian~m xVarano, "Glorie der Arier". In dieser Idee mussen wir die Absicht erkennen, das sasanidische Konigtum mit charakteristischen Elementen einer religiosen Tradition in Verbindung zu bringen, die gleichzeitig zarathustrisch, kayanidisch und arisch war. Beide Bestandteile des mittelpersischen Ausdrucks stammen mit groBer Wahrscheinlichkeit direkt aus dem Awesta: erbenhavn 1943, S. 71ff. The Idea ofIran (vgl. Anm. 6), S. 38-53; "Appunti sull'idea di Iran", Proceedings ofthe First European Conference of Iranian Studies - Part l· Old and Middle Iranian Studies, hrsg. von G. Gnoli und A. Panaino, Serie Orientale Roma LXVII, 1, Roma 1990, S.145-158.

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ist weder das "traditional homeland"so noch das "ancient homeland"Sl der Iranier: Diese Definitionen wiederholen denn auch die alten Interpretationen, nach denen Airyana Vaejah als "Urheimat des Awestavolkes"s2, "Urland der Indo-Iranier"s3, "Wiege aller iranischen Arier"S4 oder auch als "berceau des Iraniens"s5, "pays d'origine des Aryens"S6 bezeichnet wird. Airyana Vaejah ist - es besitzt in Indien absolut keine Parallele - das erste der sechzehn Lander im ersten Kapitel des Widewdad. Es ist also das erste Land des airiilHaiianam, Heimat nicht der urspriinglichen Arier, sondern Zarathustras und der Guten Religion. In Wirklichkeit besitzt Airyana Vaejah, wie es sich fur die Heimat eines immer mehr als ideale Figur verehrten Propheten gehort, alle Charakteristiken eines mythischen Landes, und dies sowohl im Awesta als auch in der PahlavI-Literatur. Es ist der Mittelpunkt der Welt, es ist Sitz des kosmischen Gebirges, auf dem ein Bruckenende der Brucke des Cinuua'f}tS7 ruht; hier wird der Erste Mensch geboren, Gaiia maratan, und der Prototyp des Tiers, Gav aeuuo.data; hier wirkt Yima Xsaeta. Airyana Vaejah scheint also die auf den "Zarathustric priests" beruhende zoroastrische Version einer antiken Idee darzustellen, die der indo-iranischen Kosmographie gleich ist und sich auf die Axis mundi und den Kosmischen Berg als den Sitz der gottlichen Epiphanien und den Beruhrungspunkt zwischen Himmel und Erde beziehtS8 . AufschluBreiche Beispiele der Anpassung der Kosmologie an eine spezifische religiose Tradition finden sich auch im Buddhismus (es sei auf das ausgezeichnete Werk W. Kirfels s9 verwiesen, auch fur die brahmanischen, jainistischen und epischen Traditionen im antiken Indien) mit dem Berg Sumeru60 und im Manichaismus, in dem der Sumeru (smyryryy) bezeichnenderweise in Aryan waizan ('ry'nwyjn)61 angesiedelt war. Es ist also uberaus wichtig, daB die "Zoro50

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Mary Boyce, A History o/Zoroastrianism I, Handbuch der Orientalistik 1. Abt., 8. Bd., 1. Abschn., Lief. 2, Heft 2a, Leiden-Koln 1975, S. 275. R. N. Frye, The History 0/ Ancient Iran, Handbuch der Altertumswissenschaft III. Abt. VII. Teil, Miinchen 1984, S. 61. Geiger, Ostiranische Kultur(vgl. Anm. 23), S. 31. F. Spiegel, Die arische Periode und ihre Zust.inde, Leipzig 1887, S. 123. J. von Pr~ek, Geschichte der Meder und Perser bis zur makedonischen Eroberung I, Gotha 1906, S. 29. Benveniste, "L'Eran-vef. ... " (vgl. Anm. 48), S. 265. Christensen, Le premier chapitre du Vendidad .. . (vgl. Anm. 48), S.75. Vgl. J. Kellens, "Characters of Ancient Mazdaism", History and Anthropology 3, 1987 (S. 239-262), S.248f. Vgl. G. Gnoli, ",Qut' e Ie montagne", Studia Turcologica Memoriae Alexii Bombaci Dicata, Napoli 1982, S. 251-261. Die Kosmographie der Inder nach den Quellen dargestellt, Bonn-Leipzig 1920, S.121f. Was den Iran betrifft, siehe auch die niitzlichen Beobachtungen von M. Boyce: A History 0/ Zoroastrianism (vgl. Anm. 50), S.134f. Vgl. W.B. Henning, "Neue Materialien zur Geschichte des Manichaismus", Zeitschri/tder Deutschen Morgenlandischen Gesellscha/t90, 1936 (S.1-18), S. 5; Id., "The Book of the Giants", BSOASXI, 1943 (S. 52-74), S. 68 f.; vgl. auch J. P. Asmussen, Xvastvam/t. Studies in Manichaeism, Copenhagen 1965, S. 132f.; Gnoli, The Idea 0/ Iran (vgl. Anm. 6), S. 47.

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astrianisierung" der traditionellen Idee yom Mittelpunkt der Welt, die yom "Zarathustricism" verwendet wird, das eindeutige Zeichen einer "Aryanisierung" im gleichen Namen tragt, der diesen Begriff ausdrUckte: Airiiana Vaejah. Auch die Achamenideninschriften tragen Zeichen einer vollzogenen "Aryanisierung" der mazdayasnischen Tradition. In der elamischen Version der Inschrift des Darius in Bisotun tritt in Ubereinstimmung mit dem Satz Auramazda ... uta aniyaha bagaha tayaj hanti (DB IV, 60f., 62f.), "Auramazda: und die anderen Gotter, die existieren"62, eine Erklarung des heiligen Namens auf: nap har-ri-ya-na-um, "Gott der Arier" (= altpersisch *ariyanam) (DB elam. III, 77,79). Dieser Passus, auf den wir uns oben berufen hatten, beweist, daB das ariya-Gesamtvolk als ubergeordnete Einheit nicht nur durch sprachliche, sondern auch durch religiose Bande gekennzeichnet war. Fur einen Darius oder Xerxes war die Zugehorigkeit zum ariya-Stamm Grund zu einem besonderen Stolz, der zum BewuBtsein fuhrte, an einer spezifischen kulturellen, sprachlichen und religiosen Tradition teilzuhaben 63 . Auf die spatachamenidische Zeit gehen zwei griechische Aussagen zurUck, die sich auf den religiosen Wert des altiranischen *arya- beziehen: bei Diodor I, 94;2, dessen Ursprung in den Indika von Megasthenes oder in den Aigyptiaka des Hekataios von Abdera 64 gesucht werden muB; und bei Damascius in dem oben zitierten Passus, der die Reden des Eudemos von Rhodos entMlt. Bei Diodor heiBt es, daB Zarathustra (Zcx9pcxuO"'tTje;) 1tCXpdt 'tore; 'Aptcxvore; die Gesetze aufgedeckt habe, die ihm der IXicx90e; OCXtfJ.WV offenbart habe; bei Damascius findet sich auch eine Beziehung zu der von den Magiern und der arischen Gesamtheit propagierten dualistischen Doktrin: Maim o~ xcxt 1tIXV 'to "APEWV itVOe;65. Beide Angaben enthielten Notizen, die den Griechen nach Alexanders Eroberungen im Osten zuganglich waren, die deshalb als fur die iranische Tradition wichtige Quelle angesehen werden mussen; zumindest sind sie fur die Ausgangsperiode des persischen Reiches giiltig und vielleicht auch, es ist sogar wahrscheinlich, fur einen alteren Zeitraum. Beide Angaben bestatigen die enge Verbindung zwischen dem arischen Yolk und der Religion Zarathustras. 62

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Vgl. Gershevitch, "Zoroaster's Own Contribution" (vgl. Anm. 46), S. 16; Mary Boyce, A History o/Zoroastrianism (vgl. Anm. SO), II, Leiden-Koln 1982, S. 83 Anm. 16; J. Narten, Die Ama!a Spatltas im Avesta, Wiesbaden 1982, S. 93 Anm. 38; G. Gnoli, "Ahuramazda e gli altri dei nelle iscrizioni achemenidi", Orientalia Romana 5: Iranian Studies, hrsg. von G. Gnoli, Serie Orientale Roma LII, Rama 1983, S.135-145; R. Schmitt, "lndairanische Philologie und Sprachwissenschaft", Linguistica e Pilologia - Atti del VII Convegno Internazionale di Linguisti (Milano, 12-14 settembre 1984), Brescia 1987 (S.131-150), S.145. Vgl. Gnoli, "Le dieu des Arya" (vgl. Anm. 6). Vgl. G. Gnali, Ricerche storiche sui Ststiin antico, Istituto Italiano per il Medio ed Estremo Oriente Reports and Memoirs X, Rama 1967, S. 53-58; vgl. auch Anne Burton, Diodorus Siculus, Book l. A Commentary, Etudes preIiminaires aux religions orientales dans l'Empire Romain XXIX, Leiden 1972, S. 4£., 30f., 34. Siehe oben, Anm. 9.

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Diese Verbindung vereinte das Awestavolk - das heiBt die Airya des JungAwesta - und Teile der Perser, der Meder, der Baktrer und der Sogder (laut Strabon). Jene Iranier, die sich selbst als Arier bezeichneten, wie die Achameniden und die awestischen Airya, und solche, die gemeinhin Arioi genannt werden, wie die antiken Meder laut Herodot, waren Menschen, die innerhalb einer hoheren ethnisch-sprachlichen Einheit durch einen gemeinsamen Glauben, die gemeinsame Verehrung Ahura Mazdas, miteinander verbunden waren. Das verbindende Element auf dem Gebiet der Religion konnte die zoroastrische Tradition in der Form eines "Zarathustricism" sein. Es ist fast gewiB, daB die Achameniden, mindestens seit Darius 1., Anhanger Zarathustras waren 66 • Auch in armenischen Quellen finden sich Hinweise auf eine derartige Verbindung. C. de Lamberterie hat in seinem Beitrag in der Festschrift fur Gilbert Lazard 67 bewiesen, daB das armenische ari kein "echtarmenisches" Wort mit der Bedeutung "tapfer, mannlich, adelig"68 sei, das mit dem armenischen ayr "Mann" verwandt ist, sondern ein iranisches Lehnwort (altpersisch ariya·, jung-awestisch airiia', parthisch 'ry, mittelpersisch er), das ein Ganzes bildet mit dem ethnischen Ari, "Arier, Iranier", von dem Formen des Nominativs (ArikC) und des Genitivs Plural (AreacC) bekannt sind. Ursprunglich ist ari also eine ethnische Bezeichnung, nimmt dann die Bedeutung "mannlich, tapfer" an, weil es in das eigentliche armenische Vokabular aufgenommen wurde "non seulement la famille de ayr (... ) mais aussi celle de l'adjectif aru ,male', ancien et usuel"69. Lamberterie beobachtet (ebenda): "Les connotations ideIogiques dont etait pourvu cet ethnique en iranien ont certainement joue un role important dans cette evolution"; was auch durch das zusammengesetzte Privativ anari bewiesen wird, das in den Texten der klassischen Epoche gleichzeitig "riesig, gigantisch, ungeheuerlich" bedeutete und "nicht-arisch" und spater "fremd" und "feige, weich"; auch in diesem Fall auf Grund der Konfusion zwischen zwei iranischen Wortern: an·arya-, "nicht-arisch", und 'fa-narya-, "nicht mannlich" (wie bei den Skythen l\lcXPEE~ bei HerodotI, 105; IV,67 70); fur *nar-ya vgl. awestisch nairiia-, ossetisch nael "mannlich"71. C. de Lamberterie ist es also gelungen, diesen uns interessierenden Fall zufriedenstellend zu erklaren: die Verbindung zwischen ari und dem gottlichen Namen Aramazd in

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Zu diesem Problem siehe den 2. Bd. A History o/Zoroastrianism von Mary Boyce (vgl. Anm. 62) und meinen Beitrag in den Vorlesungen am College de France (vgl. Anm.15). "Armenien ari et anari", Etudes irano-aryennes ... (vgl. Anm. 8), 5.237-246. G. AwetikCean - X. Siwrmelean-M. Awgerean, Nor bargirk' haykazean lezui, I, Venezia 1836, S.116 und 358. Vgl. H. Hiibschmann, Armenische Grammatik. Erster Tc,il: Armenische Etymologie, Leipzig 1895-1897, S. 26 und 418; H. Adjarian, Hayeren armatakan bararan, I, Erevan 19712, S. 172-174 und 316 (zitiert bei C. de Lamberterie, op. cit., S. 240 Anm.15). Lamberterie, ebenda, S. 244. Siehe hierzu G. Dumezil, Romans de Scythie et d'alentours, Paris 1978, S. 213f. V.1. Abaev, Istoriko·etimologileskij slovar' osetinskogo jazyka, II, Moskva-Leningrad 1973, S. 165-167.

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einer beriihmten Passage bei Agathangelos (Geschichte der A rmenier § 127), in dem R. W. Thomson 72 das armenische Wort noch mit "noble" und J. R. Russell 73 mit "manly" iibersetzt. Der Ausdruck an A ramazd muB mit "Aramazd, der Arier", «c'est-a-dire Ie dieu que les Iraniens placent au sommet de leur pantheon»74, iibersetzt werden. Nun aber hat Rudiger Schmitt vollig zu Recht vor kurzem 75 die Analogie zwischen dem armenischen Ausdruck (er fiihrt ihn auch in anderem Zusammenhang an, auch von J. R. Russell zitiert) und dem bereits erwahnten elamischen Ausdruck "Uramasda, Gott der Arier" herausgestellt. SchluBfolgernd hat er gesagt: «Diese Worte eines Elamers sind in der Tat ebenso zu verstehen, wie wenn ein Armenier von "Aramazd, dem Arier" spricht.»76 Die Analogie wird deutlich, ist aber mehr formell. Derselbe Passus des Agathangelos beweist in der Tat, daB die auf den Namen Gottes bezogene ethnische Bedeutung in einem Zusammenhang steht, in dem auch andere Gottheiten wie Anahit und Vahagn erwahnt werden, die zwar nicht weniger iranisch sind, aber kein ethnisches Appellativ besitzen. Deshalb hat an in diesem Fall gewiB einen weniger ausdriicklichen Wert als der elamische Satz in der Inschrift aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Der Begriff scheint nur ein Bestandteil einer stereotypischen Formel zu sein, die ihn mit dem Namen Aramazd verband. Ein derartiger Gebrauch findet sich vielleicht im epigraphischen mittelpersischen )yry mzdysn, dessen parthische Entsprechung )ry mzdyzn ist (siehe Inschrift des Sabuhr an der KaCbe-ye Zardo§t). Es kann moglich sein, daB die Verbindung zwischen an und Aramazd zu erklaren ware, wie auch der Ausdruck asxarhn AreacC (