Denkwürdigkeiten aus dem Leben Georg Cannings: Band 1 [Reprint 2021 ed.]
 9783112403440, 9783112403433

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Denkwürdigkeiten aus dem Leben

Georg Lannings.

Aus dem Englischen des D. Style« von

D.

C. W. Asher.

Erster Band.

Berlin, 1828. Gedruckt und verlegt bei G. R e i m e r.

,, Zuvörderst strebte er das Regiment und die Herrschaft in seinen eigenen Händen zu halten; . . . endlich war sein Sinn auf solche Handlungen gerichtet, die sein Gedächtniß fortpflanzen, und auf spätere Jahrhunderte die Wirkung seiner guten Re­ gierung bringen möchten." Bacon. „Welche Schatten wir sind, und welche Schatten wir verfolgen!" Burke.

B o r r e d e. jL/er Verfasser dieses Werkes nimmt für sich zwei Dinge in Anspruch — Fleiß und Unparteilichkeit. Er hat keine Mühe gescheut, um sich Alles zu ver­ schaffen, was Canning je in Bezug auf Oeffentlichkeit gesagt oder geschrieben hat. Er hat, nach sei­ ner Einsicht, die beste Auswahl daraus getroffen, und schmeichelt sich, daß es keine Eigenschaft giebt, wo­ durch dieser große Mann sich auszeichnete, die nicht in diesen Blättern aufbewahrt wäre. Seine besten Argumente, seine glänzendsten Reden, überhaupt was nur das Gepräge von Cannings intellectuellem oder politischem Character trägt, wird dem Leser hier in chronologischer Ordnung mitgetheilt. Der Verfasser hat durchgehends gestrebt, seinem ausgezeichneten Ge­ genstände vollkommne Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, während er seine eigene Meinung nicht ver­ hehlte, wenn sie auch oft in Widerspruch mit den

IV

Ansichten stand, bei denen er sie zu äußern für Pflicht hielt.

Das vorliegende Werk giebt einen freien und

unbeschränkten Ueberblick über Cannings öffentliches Leben.

Es ist von keinem Parteigänger gefertigt,

sondern hält durchgehends die Grundsätze fest, denen

Pitt in seiner schönsten Periode anhing, und die Canning in seiner letzten Zeit sich aneignete.

Der

Verfasser beklagt das Erlöschen eines so strahlenden

Lichtes im Augenblick seines höchsten Glanzes, und bedauert, daß die Nation und die Welt so plötzlich

eines Patrioten beraubt sind, der seinem Vaterlande so großen Ruhm brachte, und eines Menschenfreun­

des, der dem Menschengeschlechte noch so manche

Segnung zu bringen verhieß. November 30. 1827.

Inhalt Capitel L CanningS Geburt und Erziehung. — Seine ersten literari­ schen Versuche. ------

Seite 5

Capitel II. Vorbereitungen zur gerichtlichen Praxis. — Einführung in das öffentliche Leben. — Sein Toryism und seine er, sten Reden. -------

44

Capitel III. Von CanningS erster Annahme eines Amtes bis zu seiner Resignation zugleich mit Pitt im 5- 1801. — Seine Parlaments-Reden. — Seine Verheirathung. — Seine Beiträge zum Anti - Jacobin Examiner. * ♦

Capitel IV. Bon Pitts Resignation im 1.1801 bis zu seinem Tode trn 2« 1806, inbegriffen CanningS bedeutendste Reden und seine literarischen Produete während diese- Zeitraums.

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vi ist eine wehmüthige Aufgabe für den Biographen die­ ses großen Mannes, feine Arbeit, mitten in der allgemei­ nen Trauer die sein Tod hervorrief, zu beginnen. Ein Vor­ theil indessen wird aus diesem Umstande erwachsen: er wird unter dem Einflüsse geläuterter Gefühle schreiben, und, während er menschliche Größe auf dem Punkte ihrer höch­ sten Erhebung darstellt, nicht vergessen, daß auch „deS hochgeehrten Mannes Bleibens nicht ist;" daß „sein höch­ stes Glück eitel ist;" und daß die Begebenheiten eines je­ den Lebens nur insofern verdienen ausgezeichnet zu werden, als ihre Folgen in die Zukunft zu reichen, und der Mensch, heit ausgedehnte und bleibende Wohlthaten darzubieten ver­ heißen. Männer die sich durch bewundernswürdige Fähig­ keiten und Talente auszeichnen, und bedeutende Posten be­ kleidet haben, können nie umsonst leben. Sic sind mäch­ tig, zum Bösen oder zum Guten. Zuweilen sind sie die Werkzeuge die beides in seltsamer Verbindung oder Ab­ wechslung ausstreuen; und, bei der Schätzung ihres wah­ ren Werthes für die Menschheit, wird der Sittenrichter zweifelhaft, ob er sie zu den Wohlthätern oder den Fein­ den ihres Geschlechtes rechnen soll. Die Grundsätze Cannings werden verschieden beurtheilt werden: Einige werden sie alö illiberal und despotisch verrufen; Andere sie alö Muster politischer Vollkommenheit bewundern. Aber über seine Talente, und darüber daß er diese Talente dem weihte 1*

4 was er als das wahre Wohl seines Vaterlandes betrach­ tete, kann nur eine Meinung seyn: und wie man auch über seine Politik urtheilen mag, so viel ist gewiß daß ihn eingewurzelte Vorurthcile nicht beherrschten. Er hatte Tact genug um seine Maßregeln nach den Umstanden zu modificiren; und obgleich Tory, aus Stolz sowohl wie aus Intfreffe, so reihcte er sich doch gelegentlich auch den Whigs an, und unterstützte, in einigen sehr wichtigen Punkten, die Rechte des Volks gegen Eingriffe der Aristokratie. Sein Schwanken, wofür er von den Excentrischen aller Parteien heftig getadelt wurde, war nicht so sehr Abweichung von seinen eigentlichen Grundsätzen, als das Mittel das der Augenblick ihm anwies, um ihnen Erfolg und Sieg um so sicherer zu erringen. Auch war seine politische Laufbahn, was nicht vergessen werden darf, eingeengt durch die Eifer­ sucht, die Schwachheiten und die Vorurthcile der Partei der er sich hinzugcben für recht gehalten hatte. Wie der erste Löwe, mußte er sich aus dem Boden stampfen; und, zum Unglück für seinen Ruhm und für die Wohlfahrt sei­ nes Vaterlandes, so wie er seiner Fesseln sich entledigt, und sich erhoben hatte zu seiner wahren Gestalt und Wesen, in allen den schönen Verhältnissen seiner natürlichen Majestät, streckte die Hand deö Todes seinen Glanz in den Staub; so daß in Wahrheit ihm nie gestattet war, seines Vater­ landes berathender Genius, oder der leitende Stern für dessen Geschick zu seyn. Als die Entscheidung des Thro­ nes und die Stimme des Volkes ihm diese hohe Verant­ wortlichkeit auferlegten, sank sein schon geschwächter Kör­ per unter der Last. Was er war, jedoch, gehört seinem Vaterlande an: um uns des rührenden Ausdrucks Burke's zu bedienen, in seiner Klage über seinen Sohn: „er war ein Kind des Staates;'/ und das brittische Publicum be­ sonders müßte mit Dankbarkeit Alles aufnehmen, was dazu

5 dient ihn bekannt zu machen, seinen Charakter in's Licht zu stellen, sein Gedächtniß zu verherrlichen.

Es ist Sache

der Geschichte, nachdem Generationen vergangen seyn wer­ den zu entscheiden, ob er wirklich ein großer Staatsmann

und ein wahrer Freund des Vaterlandes war, und ob er wirklich das Fortschreiten deö Menschengeschlechtes förderte

oder hemmte.

Der Biograph hat eine bescheidnere Auf­

gabe: er soll den Menschen darstellcn, und der Geschichte den Stoff liefern. Das ist der ganze Zweck des Verfassers dieser Blätter; und bei der Erfüllung seiner Pflicht wird

er alle Quellen und Aufschlüsse benutzen zu denen ihm der Zutritt möglich ist.

Er wird es seinen Lesern über,

lassen von dieser Mittheilung nach Gutdünken Gebrauch zu

machen: ihnen steht es zu Beweggründe unterzulegen, zu loben und zu tadeln.

Was ihn selbst betrifft, so hat er

sich nur an Thatsachen zu halten, und an die geistigen und moralischen Produkte, die der berühmte Gegenstand dieser

Memoiren der Nachwelt hinterlassen hat.

Kapitel

I.

Eamstngs Geburt und Erziehung. — Seine ersten literarischen Versuche.

Georg Canning war geboren den Ilten April 1770,

im Kirchspiel Mary - le - bone (London), wo er am 9ten May desselben Jahres getauft wurde.

Der ursprüngliche Sitz

seiner Familie war zu Foxrote in Warwickshire.

Königin

Elisabeth ertheilte die Herrschaft Garvagh, in der Graf­

schaft Londondcrry, den Georg Canning, einen jüngeren Sohn aus der Warwickshire Familie, der hierauf nach

Irland zog,

und von diesen» stammte der jetzt

verstör-

5 dient ihn bekannt zu machen, seinen Charakter in's Licht zu stellen, sein Gedächtniß zu verherrlichen.

Es ist Sache

der Geschichte, nachdem Generationen vergangen seyn wer­ den zu entscheiden, ob er wirklich ein großer Staatsmann

und ein wahrer Freund des Vaterlandes war, und ob er wirklich das Fortschreiten deö Menschengeschlechtes förderte

oder hemmte.

Der Biograph hat eine bescheidnere Auf­

gabe: er soll den Menschen darstellcn, und der Geschichte den Stoff liefern. Das ist der ganze Zweck des Verfassers dieser Blätter; und bei der Erfüllung seiner Pflicht wird

er alle Quellen und Aufschlüsse benutzen zu denen ihm der Zutritt möglich ist.

Er wird es seinen Lesern über,

lassen von dieser Mittheilung nach Gutdünken Gebrauch zu

machen: ihnen steht es zu Beweggründe unterzulegen, zu loben und zu tadeln.

Was ihn selbst betrifft, so hat er

sich nur an Thatsachen zu halten, und an die geistigen und moralischen Produkte, die der berühmte Gegenstand dieser

Memoiren der Nachwelt hinterlassen hat.

Kapitel

I.

Eamstngs Geburt und Erziehung. — Seine ersten literarischen Versuche.

Georg Canning war geboren den Ilten April 1770,

im Kirchspiel Mary - le - bone (London), wo er am 9ten May desselben Jahres getauft wurde.

Der ursprüngliche Sitz

seiner Familie war zu Foxrote in Warwickshire.

Königin

Elisabeth ertheilte die Herrschaft Garvagh, in der Graf­

schaft Londondcrry, den Georg Canning, einen jüngeren Sohn aus der Warwickshire Familie, der hierauf nach

Irland zog,

und von diesen» stammte der jetzt

verstör-

6 bene Premier Minister ab.

Einer seiner Vorfahren grün­

dete die Kirche Et. Mary Ratcliffe in Bristol, und war fünf Mal Mayor dieser Stadt; einem Andren, dem Oberst

Georg Canning, widerfuhr die Ehre unter den protestanti­

schen Edelleuten zu seyn, die von dem Parlamente des er­ bärmlichsten der Stuarts, Jacobs II., das nach seiner Ab­

dankung zu Dublin gehalten wurde, des Hochverraths an­ geklagt worden waren; eine Anklage die von Wilhelm III. cassirt wurde.

Stratford Canning, Esq. von Garvagh,

hatte zwei Söhne, Georg und Paul.

Georg, der Vater

unsers Canning, hatte daö Unglück, sich, durch eine Hei-

rath mit einem unbegüterten Mädchen, den Unwillen sei­ ner Eltern juzujiehen; ein in den Augen seines Vaters so

schweres Vergehen, daß dieser ihn, mit der kärglichen Un­ terstützung von 150 Pfund jährlich, von sich schickte, und mit der Drohung, die er nur zu buchstäblich erfüllte, daß

diese Summe nach seinem Tode nicht vergrößert werden sollte.

Der junge Mann, so von seiner Familie verstoßen,

ohne Freunde, und wegen seiner und seines geliebten Wei­

bes Erhaltung, ganz auf seine eigenen Kräfte verwiesen, verließ Irland, und ging nach London.

Hier ließ er sich

als Student (der Rechte) beim Middle Temple immatricu-

liren, und wurde später zur Gerichts-Praxis zugelaffen. Schon vor seiner Ankunft in England hatte er sich durch

einige Abhandlungen und poetische Produkte, die nicht ohne Verdienst waren, ausgezeichnet; bald zog er die Aufmerk­ samkeit geistreicher Männer auf sich, und wurde Genosse

von Whitehead, Keatö, Lawthore, Churchill, Lloyd und dem ältern Coleman.

Entschieden stark waren seine vorge­

faßten Meinungen in politischer Hinsicht, und «r war bald

einer der geschicktesten und eifrigsten Anhänger von Wilkes *).

*) Herausgeber des North-Breton und gewaltiger Demagoge. Er wurde aus dem Parlamente verwiesen, und ging darauf

7 Poesie und Politik vertragen sich nicht besonders mit dem

ernsten Fleiß und der Beharrlichkeit die daö Studium der Rechte erfordert.

Witzlinge und Demagogen dir von ih­

rem bloßen Witze leben, sind aber nicht die hülfreichsten Gönner für einen jungen Mann der als Jurist fortkom»

men will.

DaS bemerkte diefer talentvolle, freisinnige aber

unglückliche Mann nur zu spät. $r gab sein Geschäft, als seicht und unbelohnend, auf, und sing einen Weinhandel

an.

Auch hierin mißglückte es ihm.

Einige andere Ver­

suche die er machte schlugen ebenfalls fehl; und dem Grame erliegend, den Mangel und Verdruß über getäuschte Hoff­

nungen auf ihn häuften, starb er an gebrochenem Herzen am

Ilten April 1771, an dem Lage wo sein berühmter Sohn

grade ein Jahr alt wurde. Diesen ließ er mit seiner Mut­ ter in einer so hülflosen Lage zurück, daß die Letztere sich zu ihrem Unterhalte gezwungen, sah, ihr Glück auf der

Bühne zu versuchen, wo sie alS Jane Shore in Garrick's Lord Hastings auftrat.

Da ihre Leistungen indessen bei

dem Londoner Publicum keinen Beifall fanden, so war sie genöthigt ein Engagement in der Provinz anzunehmen, und

sie hcirathcte endlich ebenfalls einen Schauspieler. rer Jugend war sie schön und geistreich.

In ih­

Von ihrem spä­

tern Leben ist w/nig mehr bekannt, als daß sie, bis zu ihrer letzten Stunde, sich der ungemcffensten und treusten

Liebe ihres Sohnes zu erfreuen hatte.

Die Familie von Garvagh, obgleich höchlichst unzu­ frieden mit Hrn. Cannings Verbindung, ließ doch bei sei­

nem Tode in soweit von ihrem Unwillen nach, daß sie die

Sorge für die Erziehung seines Sohnes Georg übernahm; und durch die Freigebigkeit seines Oheims, eines bedeuten«

renden Kaufmannes, wurde der künftige erste Minister in

in'» Exil; spater jedoch wurde er wieder erwählt und zugelaffen. ©. u. a. Junius Briefe.

8 Eton untergebracht. Hier waren seine Fortschritte so schnell, daß er bald sich vor allen seinen Genossen auszeichncte; und in seinem fünfzehnten Jahre finden wir ihn schon als einen der Ersten unter den Schülern. Zum großen Ruhme gereicht eö diesem hochftrebenden Knaben und seinen er­ wählten Gefährten, daß fie, anstatt ihre Stunden der Muße in den jugendlichen Spielereien und Belustigungen zu vergeuden, denen man sich allgemein überließ, vielmehr beschlossen, sie mit: „Ergründung der Philosophie, Witz, Eloquenz und Poesie."—

Wissenschaften welche sie liebten, auszufüllen; und daß sie, anstatt an sinnlichen Vergnügungen, daran Freude fanden eine literarische Zeitschrift zu begründen und fortzuführen, in der Art unserer älteren Journale, des Zuschauers und Abentheurers, welche sie den Mikrokosmus betitelten, und die ein, auch wohl zwei Mal die Woche erschien. Canning war der Herausgeber, unter dem angenommenen Na­ men Gregory Griffin. Seine Theilnehmer waren John Smith, Robert Smith, John Frecr, Mellisch, Way, Littlehales und Lord H. Speneer. Das Werk begann im No­ vember 1786 und hörte im July des folgenden Jahres wieder auf. Canning schrieb zehn oder zwölf Blätter; und bedenkt man, daß er damals erst in seinem sechszehnten Jahre war, so muß man diese seine Arbeiten seines späte­ ren Ruhmes wenigstens würdig finden. Griechenland hat gewiß Ursache zu bedauern, daß der Enthusiasmus der Ju­ gend erstirbt unter den kalten Berechnungen des späteren Alters, und daß der Staatsmann so lange der Erinnerun­ gen an die dahin geschwundene Freiheit dieses Landes ver­ gessen konnte, von denen deS Knaben Geist erglühcte, und die seinen heißen Unwillen gegen ihre Unterdrücker erregten. Canningö Gedicht auf diesen Gegenstand verdient einen Platz

9 in diesen Memoiren, als ein Jugend - Product, Gefühle für Freiheit athmend, die im gegenwärtigen Augenblicke beson­ ders ihre rechte Stelle finden möchten. Die Sclaverei Griechenlands. Griechenland! hochgepriesen und unerreichbar von Allen, Strahlende Mutter von Helden unsterblichem Ruhme so theuer! Liegst du der Ehre beraubt, und ist dein Werth auch verkannt jetzt. Ist dein Glanz auch erblichen und ist verstummet dein Siegslied, Folgt die Erinnerung doch mit rückgewendetem Auge Deiner verschwundenen Herrlichkeit Spur, und folgt ihr mit Seufzen. Dich hat Freiheit gepflegt mit mütterlich liebender Hand einst Eingehaucht unzähmbaren Muth in die Brust deiner Kinder, Hier erzog Lacedämon mit starr unbeugsamen Sinne Seine Söhne zum Mangel und zur anstrengenden Arbeit; Dort, von Pallas geliebt, und geliebt von den heiligen Neunen, Hat Athen erhoben sich einst mit glänzenden Zinnen. Wer vermochte zu spannen den fcrnhintreffenden Bogen, Wer das blitzende Schwerdt zu schwingen, des ehernen Schildes Schutz zu erheben, die Wucht zu entsenden des sausenden Speeres, Hoch die strahlende Fahne deö Siegs zu den Lüften zu strecken, Laut vermischend des Angriffs Geschrei mit der Schlachten Ge­ tümmel, Wer Hellenen wie Ihr? Bezeug' es blutige Ebne Marathon du, die die Perser gedüngt mit erschlagenen Leibern; Wo der Besiegten Schaar an Schaar im Tode sich reihte, Und Myriaden des eiteln Volks den Tartarus füllten. Wie Millionen der Held Leonidas kühn widerstritten, Seines Hellas Freiheit besiegelt mit seinem BluteJhr Thermopylen bezeugt'S! wie kräftigen Geistes er aufstand, Sprach wie ein Held, und hehr wie ein Gott zum Angriff dahin­ schritt. Wie sein Arm allein widerstand der Wuth von Nationen, Und umsonst ihn bekämpft der halb entvölkerte Erdkreis. Leuktra sprich, und-laut verkünd' es du Mantinea, EpaminondaS wie groß im Kampf, wie groß er im Tode! Doch dein Ruhm strahlt nicht in des Kriegs zerstörender Kunst nur,

10 Philosophie macht, milderen Sinns, uns werth deinen Namen. Ist ein Ohr das nicht hört, ein Auge wohl das nicht staunet, Wie ein Plato gedacht, wie Sokrates einging zum Tode? Wie die Halle sich wölbt, wie hoch sich Pfeiler erheben, Wie die mächtige Säule des Siegs zum Himmel hinanstrebt, Wie die heiligen Tempel in prächtig erhabener Größe Schmückt die Farbe deö Pinsels, de- Meißels täuschendes Bild­ werk, Lehrte, Hellas, dich Kunst; hold leuchtete jegliche Kunst dir. Kühn entsprang die Bildsäule hier aus lebendem Marmor, Athmete Gluth des Lebens dort die schwellende Leinwand; Reich an hehren Gedanken ertönt das Lied des Aöden, Und ein heiliges Feuer entströmt deinen Lippen, Homeros. Hier stimmt Sappho die Lyra, geweiht den Flammen der Liebe; Dort begeistert der kühne Tyrtäus die zagende Menge, Au dem Ruhme des Kampfs mit feurig mahnendem Liede. Herrlicher noch stürmt Pindar daher auf höheren Bahnen, Und dem stolzen Tyrannen begegnet der Muth des AlkäuS. Tragische Muse! du schreitest einher auf hohem Kothurne, Uns erregend die innerste Tiefe der fühlenden Seele, Während leichteren FußeS die lachende Schwester dahinschwebt, Au dem muntern Takt der fröhlich tönenden Saiten. — Da- warst, Griechenland, du! doch ach! des wechselnden Schicksals, Wie ist alle dein Ruhm dahin gewelket in Schande! Wie liegt darniedergebeugt dein Freiheit athmende- Land jetzt Unter dem schmählichen Joch des fühllosen finstern Tyrannen! Wie trägst drückende Fesseln du jetzt der niedrigsten Knechtschaft, Dem umsonst widerstrebt einst Asiens zahllose Schaaren! Wer vermocht' eß zu ahnen? und wer vermag ohne Seufzen Deine Städte in Trümmern, in Schutt deine Wälle zu schauen? Wie, wo stattlich einst prangten der Götter geweihte Tempel, Jetzt auf ödem Gefilde die mooSbewachsne Ruine Rur dem Auge deS Wandrers sich zcrgt! wo frevelnd zerschlagen Mit dem Staube sich mischen die stolz gewölbeten Hallen, Und die gesunkene Säule sich jetzt dem Boden vermählet Bon den bleichen Armen umschlungen des rankenden Epheu. Und deine Söhne! wehe, sie schmachten in sclavischen Fesseln, Unbtfrtunbet im Leben und unbeklaget im Tode.

11 Wie entschwindet den Armen die Kraft, an das Ruder geschmiedet, Oder verurtheilt daS Erz aus dumpfiger Grube zu fördern. Wie hat das gleißende Joch barbarischer Söhne des Osman Wie der schreckende Prunk der ihre Throne umstarret Ihre knechtische Seele dahingegeben dem Jagen, Daß die Ferse sie küssen, die tief in den Staub sie dahintritt! Mühen des Tages, der Nachte durchwachte traurige Stunden Die geschwungene Geißel der Alles beherrschenden Willkühr, Hier das blutige Prohen des scharf geschliffenen Stahles, Dort der mördrische Spieß, des Rades schreckliche Folter, Oder, (furchtbare Wahl!) die Sehne oder die Kugel — Lödten den letzten Funken der Kraft und entmannen die Seele. Schmähliches Loos! Stets wird das Auge mit Thränen sich füllen, Stets die Erinnerung uns den Seufzer der Wehmuth erpressen, Wenn dein früherer Ruhm dem sinnenden Geiste sich aufdrängt Mit den vernichtenden Schrecken der gegenwärtigen Schande. So erhebt von der Erde sich kühn der starrende Felsen Jedem Sturme des Himmels darbietend die eherne Stirne; Strömen auch schwärzliche Fluthen herab auf den mächtigen Scheitel Tobt mit Donnergebrüll Oceanus auch an dem Fuße, Seine Riesengestalt blickt doch mit stolzem Bewußtsein Unbewegt auf den Sturm, und fordert heraus zu dem Kampf ihn, Dis er, zernaget vom Zahn des Alles vernichtenden Alters, Seine festeste Basis durchspült vom tückischen Wasser, Fällt, und im Fallen zerspaltet das ringsum zitternde Erdreich, Daß noch fern verbreitet der furchtbare Sturz die Verwüstung. Die prosaischen Beiträge CanningS zum MicrocoSmus, zeichnen sich besonders durch die Reinheit ihres StyleS, durch einen leicht spielenden Witz und tiefes Gefühl für Sittlichkeit aus.

Im Ganzen sind sie eher Beweise von

Talent als von Geist.

Er ist in diesen frühen Versuchen

dem jungen Adler vergleichbar, der, wenn auch kaum flügge, doch seinen Kräften so sehr vertraut, daß er die jungen

Schwingen gegen die Sonne ausbreitet, und der, wenn er auch noch nicht hoch sich erhebt,

doch

zeigt daß er

nimmer sinken, oder rühmlos in der Eltern Nest bleiben werde.

12 Wir heben die folgenden als einige der characteristischsten unter den Versuchen Cannings heraus, die wie wir glauben deutlich von den Anlagen zu jener classischen und witzigen Beredtsamkcit zeugen, deretwegcn er spater mit Recht so berühmt wurde. Der Microcosmus.

No. II.

Jurare — et fallere Numen. — Virgil. Eid und Meineid. Nee sine ulla meliercule ironia loquor. — Cicero. Ironisch gesprochen.

„ Da ich, in meinem früheren Blatte, die Natur und den Zweck dieses Werkes vollständig, und, wie ich hoffe, zur Zufriedenheit meiner Leser, auscinandcrgeseht, auch, so weit ich solche vorauszusehcn vermochte, alle Einwendungen die einem Unternehmer dieser Art gemacht werden könnten beseitigt, wenn nicht widerlegt habe, so will ich, ohne mich weiter bei bevorwortendcn Anmerkungen aufzuhalten, sogleich zur Ausführung meines Planes schreiten. Nur das bemerke ich vorgängig noch, daß sollte es dem älteren Theil meiner Leser vielleicht scheinen, als sey der vorliegende Ge­ genstand zu leicht behandelt, ich sie bitte nicht daraus zu schließen als sey ich nicht durchdrungen von seinem innern Werth und Gehalt. Sie werden indessen wohl einsehcn, daß Gregory Eriffin nicht mit der anmaßenden Dreistig­ keit eines allgemeinen Censors diese seine Lucubrationcn, als dictatorische Vorlesungen über Moral, dem Publicum übergicbt, sondern als die Bemerkungen eines unparteiischen Beobachters aller Ereignisse, vor allen freilich der in der kleineren Welt, deren Bürger zu seyn er die Ehre hat. So wie es ihm sowohl Vergnügen als Unterhaltung ge­ währte sie zu bilden, so wagt er zu hoffen, daß sie für den Leser Quelle des einen oder andern werden können. Aus diesem Gesichtspunkte wünsche ich, daß sie in dem

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nachstehenden Blatte mich beurtheilen, und besonders daß sie im Geiste einen Grundsatz festhalten mögen, dessen Au­ torität ihn vielleicht unbestreitbar macht: — — — Ridiculum acri Fortius ac melius magnas plerasque secat res.

— — — Ost Hilst des Witzes Schwerdt Wo strenger Sittenspruch vergebens lehrt.

„Es ist mir, und einigen Freunden die, wie ich Ver­ gnügen an Betrachtungen finden die mehr unmittelbar durch Vorfälle im gewöhnlichen Leben erweckt werden, eö ist uns, sage ich, oft überraschend aufgefallen, daß unter der Anzahl von Bewerbern, die sich erbieten jegliche nöthige oder unnöthige Fertigkeit beizubringen, um den Charakter eines vollkommnen Gentleman zu bilden, noch Niemand bis jetzt versucht hat in einer Wissenschaft Unterricht zu geben, deren Anwendung doch, bei allen Classen von Men­ schen, allgemeiner ist, als vielleicht die irgend einer andern unter der Sonne. Der Leser wird vermuthlich errathen, daß ich die edle Kunst des „Schwörens" meine." „Und wirklich zeigt sich diese Angewohnheit so durch­ gängig, daß alle Stufen und Klassen der Gesellschaft da­ von angesteckt sind, vom Peer bis zum Thürhüter, vom Minister bis zum Handwerksmann. Es ist das Pfand des Zutrauens, das Siegel der Betheurung (die Eidschwüre der Liebenden sind ein zu abgedroschenes Thema als daß sie hier einer Auseinandersetzung bedürften), und das all­ gemeine Surrogat für logische, oder auch nur vernünftige Beweisführung. Und hier kann ich nicht umhin auf die unendlichen Fortschritte aufmerksam zu machen, die die Neue­ ren in der Methode alle Meinungs-Sachen zu erläutern und feftzustellen, gemacht haben. Heut zu Tage braucht ein Mann nur eine Eigenschaft anzunchmen, Unverschämt­ heit, und einen lästigen Begleiter fortzuschickcn, das Ge-

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wissen, am jeden Grundsatz geltend zu machen, der ihm in den Kopf kommt. Laßt ihn nur die unwahrscheinlichsten Muthmaßungen mit einem Eide bekräftigen, und wenn Je­ mand seine Gewissenhaftigkeit bezweifeln sollte, so liegt die Art wie solche Streitigkeiten geschlichtet werden zu sehr oben auf, um noch erörtert werden zu dürfen. Wie viele überflüßige Anstrengungen aber erspart er dadurch den Gei­ steskräften seiner Zuhörer! welche Masse unnützen For­ schens! Wer muß nicht beklagen daß diese Art zu argumentiren nicht schon vor langen Zeiten angenommen worden ist? Wahrscheinlich würden wir dann doch der Plage, der ewigen Disputationen jener unnützen Gattung von Ge­ schöpfen, Philosophen genannt, entgangen seyn; da ein Je­ der, der nur erträglich den Degen zu führen verstünde, ein Weltensystem nach eigenem Plane hätte aufstellen, und die Planeten nach beliebiger Vorschrift hätte in Bewegung setzen können, sobald er nur bereit war, um mich der NewgatePhrase zu bedienen, „durch dick und dünn zu schwören," daß dem so sey." „Aber das ist nur ein kleiner Theil der Vorzüge die die ausgedehnte Uebung dieser Kunst mit sich bringt. In den Berathungen des Eabinets, bei dem Hin- und Her­ streiten vor Gericht, giebt sie den schlagendsten Argumenten noch Gewicht, und erzwingt durch ihr Ansehn Ueberzeugung." „Es ist eine alte sprüchwörtliche Redensart, daß zu einem Handel zwei Worte gehören; nun würde ich aber nicht wenig den Scharfsinn des Rechenmeisters bewundern, der mit nur erträglicher Genauigkeit anzugebcn vermöchte, wie viele Schwüre in unsern Tagen zu einem gehören: denn ich darf wohl behaupten daß kein Handel, von dem bedeutendsten Geschäft an der Börse, bis zum Feilschen für sechs Pfennige bei einem Höker kn St. Giles, abgeschlossen wird, wobei nicht das Schwören eine ansehnliche Rolle spielt.

15 Und fast jeder Handelsmann, — „ sanft und sehr ein Lüg­ ner"— wird, sollte feine Wahrhaftigkeit in Zweifel gezo­ gen werden, bereitwillig sich ganz oder theilweise dem Sa­ tan verschreiben, verfallbar auf Sicht, sobald seine Waa­ ren nicht der Beschreibung die er von ihrer Güte macht entsprechen sollten." „Ich erinnere mich von einem Manne von großen Forschertalenten gehört zu haben, der, um zu erfahren ob Land oder Wasser den größten Bestandtheil unserer Erdku­ gel ausmacht, darauf fiel, mit großer Genauigkeit die ver­ schiedenen Theile eines jeden auS einer Landkarte herauszu­ schneiden, und sie gegen einander abzuwägen, wonach er dann die Frage entschied, gleichviel jetzt zu wessen Gunsten. Könnte dieses Experiment jetzt in Bezug auf daS Verhält­ niß gemacht werden, in welchem Eidfchwüre zu dem übrigen Theil einer modernen Unterhaltung stehen, so bekenne ich, ich bin nicht ohne Furcht, daß die Schale der ersteren ein ziemliches Uebergewicht behaupten möchte; dagegen bin ich überzeugt, daß diese unschuldigen Lückenbüßer bei weitem den bedeutendsten Theil in den Reden derjenigen auSmachen, die entweder wegen ihrer eigenen unwissenden Eitel­ keit, oder wegen ihrer höhnischen Schein-Bewunderung An­ derer, mit dem Titel der „Sans6" (bucks) beehrt worden sind. Und daö ist sowohl in dem kleineren Kreise der Fall, der mehr unmittelbar meinen Augen sich darbietet, als in der größeren menschlichen Gesellschaft, wo, für einen Fant der die Ehre hat im Dienste Sr. Majestät zu stehen, eine Fertigkeit im Schwören eine eben so wesentliche Zugabe ist, als eine Cokarde oder ein Patent, und Mancher aus dieser Gattung wird sich mit eben so vielem Eifer als Selbstgefälligkeit daran begeben einen neuen Schnitt zu ei­ nem Rocke, oder eine neue Formel zu einem Fluche zu er­ sinnen."

16 „Ja, selbst das weibliche Geschlecht hat sich, zu fei­ nem nicht geringen Ruhme, für diese schöne Schwäche em­ pfänglich bewiesen; und cs giebt wohl kaum eine Krämers Frau im Königreich, die nicht ihre unschuldigen, nichts sa­ genden Verwünschungen hat, ihre kleinen Schwüre „in Un­ sinn aufgelöst," und, Gotteslästerung auflösend in „Potz Fiekchen!" u. s. w. — — — — im schnellen Discant „wie girrende Tauben schwört, ja, wie 'ne Nachtigall." — „ Daß es eine ausgezeichnete Eigenschaft für Knaben sei, ist nur zu anerkannt, da es kaum einen Einzigen giebt, -er nicht im fünften Jahre die Schwüre lallt die er aus dem Munde der älteren vernimmt; während der glückliche Vater seineAreude an den frühen Fortschritten scineö Spröß­ lings hat, und an den vielversprechenden Keimen männli­ chen Witzes sich ergötzt, die er in den muntern Ausbrüchen knabenhafter Flüche entdeckt. Ich erinnere mich über die­ sen Gegenstand einst einen ehrlichen irländischen Geistlichen gehört zu haben, dessen Eifer im Sittenpredigen ihn mit­ unter wohl die Grenzen der Grammatik oder des Wortverstandeö außer Acht sehen ließ, und der in der Hitze der ' Deklamation betheuerte: „ daß die kleinen Kinder, die noch nicht einmal sprechen oder gehen könnten, schon lästerlich fluchend auf der Straße umher liefen." „ So, ist denn, durch alle Grade der Gesellschaft, schwö­ ren die wahre Achse der Unterhaltung! Es ist der Schluß­ stein für jedes Argument, das Surrogat für Witz, das Univcrsalmittel um irgend einen Gedanken mitzutheilen; und hinsichtlich der heftigeren Leidenschaften ist es (um mich der Worte des Dichters zu bedienen), „die Hebamme der Seele;" in gleichem Grade behülflich die Gefühle des Zor­ nes oder der Liebe, der Hoffnung oder der Furcht, die Entzückungen ausgelassener Freude, oder den Schmerz trost­ loser Verzweiflung zu äußern. Welcher Sterbliche ist wohl unter

17 unter uns, -er, wenn irgend ein Unglück ihn unerwartet

trifft, sich von der Last seines Kummers nicht wunderbar erleichtert fühlt, wenn er den Ueberfluß seines AergerS in

Strömen von Flüchen auf den Urheber seiner Noth her-

abschüttet?

Welcher Spieler, der vom Wohlstände zum

Bettlerstabe herabgesunken ist, dadurch daß er seiner rafen-

den Verblendung ohne Maß sich hingegeben hat, setzt sich

nicht hin um eine halbe Stunde lang in Verwünschungen über sein Unglück und seine Thorheit auszubrechen, und steht dann, durch ein so glückliches Mittel merklich getrö­ stet wieder auf?"

„Da demnach die Vortheile die aus einer frühzeitigen Einweihung in die Kunst zu schwören, einem Jeden offen­

bar einleuchten müssen, der nicht, etwa durch Begriffe (die

aber jetzt auch fast ganz aus der Tages - Ordnung sind)

von Religion oder Moralität dagegen eingenommen ist, so muß eS mich Wunder nehmen, daß es noch Niemand ver­ sucht hat ein System darüber aufzustellen, und die Theorie

einer Kunst zu lehren, deren praktischer Theil so allgemein

bekannt und in Anwendung ist.

Einem Unternehmen die­

ser Art kann ein günstiger Erfolg nicht fehlen; besonders zu einer Zeit wie der jetzigen, wo Versuche viel schwieri­

gerer Art täglich unserer Aufmerksamkeit sich darbieten; wo Ferkel zur Uebung aller Verrichtungen vernünftiger Wesen

gebracht werden; und wo Hibcrnirr die ächte Aussprache des Englischen zu lehren sich erbieten."

„Es ist noch nicht so lange her daß nicht einige mei­

ner Leser der Zeit sich erinnern sollten, als die edle Kunst zu boxen durch die unsterblichen Figg und Broughton in ein vollständig ausgebildetes System gebracht wurde; und

der Adel - und Herrenstand sowohl theoretisch als practisch lernte, einander den Leib zu zerschlagen, und (um eines tech­

nischen Ausdrucks mich zu bedienen) daS Tageslicht zu ver-

Cannin-S Denkw. I.

2

18 finstern, mit der Kraft eines Hercules, vereint mit dem Anstande eines Apollo. Und erst vor ganz kurzer Zeit hat ein berühmter Fremder wirklich mehrere Personen beiderlei Geschlechts von nicht unbedeutendem Range, in der Kunst unterrichtet, Suppe mit Anmuth und Geschicklichkeit zu essen (wenn auch, meiner bescheidenen Meinung nach, nur wenige Menschen eine- Lehrers bedürfen mögen, der ihnen den Weg zu ihrem Munde zeigt). Von bei weitem größeren Nutzen, und gewiß von nicht geringerem Erfolge würde der Vor­ schlag seyn, den ich empfehle. Viele giebt es, denen ihr zartes Alter oder ihre schwächliche Constitution das Ver­ gnügen deS BoxenS untersagt; viele, für die die Kunst Suppe zu essen unnütz und unpraktisch ist,' — wäre es auch nur weil sie keine zu essen haben; — aber Alle ha­ ben ihre Schwüre in ihrer Gewalt; weder leere Taschen, noch körperliche oder geistige Schwache behinderte ihren freien uneingeschränkten Gebrauch, und fast ein Zeder, so karg er sonst mit seinem Eigenthume wirthschaften mag, streut diese doch mit der freigebigsten Verschwendung aus." „Auf diese Weise also könnte, wenn sie von einem geschickten Sprachkenner bearbeitet wird, diese Wissenschaft vielleicht mit der Zeit, mehr als irgend eine andere, die ausschweifende Idee des scharfsinigen aber schwärmenden Bischofs WilkinS, die einer allgemeinen Sprache, der Realisirung nahe, bringen. Jetzt freilich stehen dem Plane noch einige leichte Hindernisse im Wege, von denen das nicht das unbedeutendste ist, daß die Schwüre, wie man sie jetzt im Allgemeinen gebraucht, wie Porick's fran­ zösischer Friseur, dadurch daß sie zuviel auödrücken, in der Regel nichts sagen; so daß ich es mir zur Regel gemacht habe, von einer jeden Angabe soviel weniger zu glauben, als mehr unnütze betheuernde Eide dafür vorgebracht wer­ den. Gewiß habe ich darin so Unrecht nicht; und wie kann

19 eß in den meisten Fällen auch anders seyn? Ist es wohl möglich zu glauben, wenn einer meiner Freund« sein Ver­ gnügen mich zu sehen, oder seine gütige Theilnahme an meinem Wohlbefinden zu erkennen giebt, indem er von gan­ zem Herzen mich in die ewige Verdammniß verflucht, daß er wirklich meint was er spricht?^ „Irgend ein alter Philosoph, oder Dichter, oder Mo­ ralist (gleichviel welcher), hat einmal die Bemerkung ge­ macht, daß nicht- dem Menschengeschlechte verderblicher seyn könnte, als wenn alle seine Wünsche in Erfüllung gingen; und ich fühle mich wahrlich geneigt ihm Recht zu geben; denn Mancher von meinen Freunden, mancher Mitbürger dieser kleineren Welt, würde schon lange unter dem Zusam­ menfluß fast eines jeden Leidens seufzen, daS menschliche Phantasie nur ersinnen kann, wenn die Verwünschungen, die er gedankenlos selbst auf sich hcrabgcrufen hat, in Er­ füllung gegangen wären. Und wäre dieses in vergrößeren Welt eben so der Fall, so zweifle ich ob in diesem Au­ genblick ein Bein oder irgend ein anderes Glied in dem Dienste Sr. Majestät gesund seyn möchte. Einem Offiziere von meiner Bekanntschaft war diese Gewohnheit so eigen, daß, obgleich er ein Auge in der Vertheidigung seines Va­ terlandes verloren hatte, er doch von seinem Lieblingsschwur nicht abging, sondern beide noch zu verfluchen pflegte, mit eben der Ruhe und Gleichgültigkeit, als ob er sie beide noch hätte: so blind war er gegen seine eigenen Mängel durch das unausgesetzte Ueben dieser Belustigung geworden; denn anders alS eine Belustigung, oder als ein hoher Grad von Feinheit, kann es von denen die es üben nicht betrachtet werden. Betrachteten sie es als ein Laster, sie würden sich gewiß nicht so beharrlich einem hingeben, dem nicht einmal die gewöhnliche Entschuldigung zusteht, daß es irgend ein Vergnügen zum Zwecke habe, oder die Befriedigung einer

20 Lieblings-Neigung. Ich glaube nicht daß sie so ohne Vor­ theil sich verfluchen, und in öffentlicher Gesellschaft Flüche ausstoßen würden, die in der Dunkelheit und Einsamkeit sie nur zu denken zittern möchten." „Als eine Geschicklichkeit, und als ein angenehmes Zeichen jugendlicher Fröhlichkeit muß cs daher ohne Zwei­ fel betrachtet werden; — und sollte irgend Jemand den hier gegebenen Wink benutzen und Lehrer in dieser edlen Wiffenschaft werden wollen, so glaube ich daß ich ihn nicht erst zu warnen brauche, ja kein Engländer zu seyn; oder (sollte er das Unglück haben diesem Lande seine Geburt zu danken) ihn an die leichte Umwandlung unserer gewöhnlich­ sten hausbackenen Namen in die mehr modernen französischen, oder wohlklingenderen italienischen, zu erinnern: wie z. B. Peters in Pedro, Nichols in Nicolini, Gerhard in Geradot u. s. w. — Hat er sich so entanglisirt, so muß er für eine Ankündigung im Grahamschen Style, wenn nicht vom Doctor selbst gefertigt, sorgen, des Inhaltes: „ Da er mit den Vorzügen einer frühen Erziehung zu Billingsgate *) die tiefsten Forschungen und den unermüd­ lichsten Fleiß vereinigt habe u. s. w., so trete er jetzt auf als geschickter und vollendeter Lehrer, in der nie genugsam zu preisenden. Alles bezeichnenden, Alles begreifenden Kunst zu schwören. Damen und Herrn werden in den modern­ sten und elegantesten Schwüren unterrichtet, die alle dem verschiedenen Alter, Character und Gewerbe ganz besonders angemessen sind u. s. w. Fertig für die Presse hat er jetzt ein Buch, betitelt: „Vollständiges Eides-Register; oder Jedermann sein eigner Eideshelfer, enthaltend Eide und Flüche für alle Ta­ ges- und Jahreszeiten, Entzwecke und Vorfälle." Ferner ') Dem Fischmarkt in London.

21



„Empfindsame Schwüre für Damen" und „Verwünschun­

gen für das Jahr 1786." „Laßt ihn das, sage ich, thun, und er wird sich bei der Welt im Ganzen nicht geringer Aufmunterung zu er­ freuen haben; obgleich ich weit entfernt bin ihm irgend eine

ausgezeichnete Unterstützung von Seiten des kleineren Krei­

ses zu versprechen, der mehr unmittelbar die Aufmerksam­ keit des MicrocosmopolitanerS beschäftigt."

Der Microcosmus.

No. XI.

Res gestae regumque ducutnque, et tristia bella, Quo scribi possint numero, monstravit Homerua Horat. Wie der Könige Thaten zu singen, und tapferer Feldherrn, Und daS Jammergeschick des Krieges, lehrt uns Homeroö.

„Es giebt gewisse Formen und eingeführte Gebrauche

im Leben, die, wenn ihre Unterlassung auch nicht gerade der Begehung eines Verbrechens oder der Verletzung einer

Pflicht gleich kommt, doch durch Beispiel so anerkannt, und

durch Gewohnheit so sanctionirt sind, daß sie zu Gesetzen werden, die die Gesellschaft eben so beobachtet, und die für

die Einzelnen eben solche bindende Kraft haben, wie die Gesetze des Landes oder die Vorschriften der Moral.

Ein

Jeder der sich einer Verletzung derselben schuldig macht, wird, kann man ihn auch nicht als Verbrecher deportiren,

oder wegen vcrrätherischer Umtriebe in Anklagestand ver­ setzen, doch, vor dem hohen Tribunal des Brauches, als

offenkundiger Sünder gegen das Decorum, unerhörten Verstoßes

gegen

und wegen

alle Schicklichkeit, verrufen

werden." „Es giebt keine Classe von Menschen gegen welche diese Gesetze strenger sind, als Schriftsteller, und keine Gat­ tung von Schriftstellern, die ihnen mehr unterworfen wa­

ren, als die Verfasser von Aufsätzen in periodischen Blät-

22 fern. Da Homer einmal für epische Gedichte die Form vorgeschriebcn, oder, um mich des neumodischeren Ausdrucks zu bedienen, das Muster aufgestellt hat, so darf Niemand, der es sich herausnimmt davon abzugehn, hoffen an seinem Ruhme Theil zu nehmen; dieselbe Methode welche der „Spectator, Guardian" und Andere, von denen diese Art Schriften zuerst herrührten, bei ihrem Unternehmen beobach­ teten, ist daher auch als Regel für alle ihre Nachfolger auf­ gestellt, und sollte Jemand so verwegen seyn sie zu über­ schreiten, so wird er der Abweichung von dem ursprüngli­ chen Plane, und Verletzung der anerkannten Vorschriften, angeklagt." „Bis jetzt ist es bei allen periodischen Schriftstellern Sitte gewesen, daß sie im Verlaufe ihrer Arbeit irgend eine Gelegenheit ergreifen, ihre kritischen Fähigkeiten zu zeigen, entweder durch Bemerkungen über einen beliebten Autor oder irgend ein Werk von anerkanntem Werthe, oder da­ durch daß sie die Produkte verborgenen Verdienstes zu Tage förderten, und unbekannte Talente an's Licht zogen. Den Kritikern im Speetator verdanken Shakspeare, und ganz vorzüglich Milton, keinen unbeträchtlichen Theil des Rufes dessen sie jetzt so allgemein genießen; und auf diesem Wege sind die roheren Reize und einfacheren Schönheiten der Chevy -Jagd zur allgemeinen Schau gestellt, und der öffent­ lichen Bewunderung angepriescn worden." „Ich würde wahrscheinlich beschuldigt werden von so großen Vorbildern mich zu entfernen, wenn ich nicht eine Gelegenheit benutzte, um zu zeigen, daß auch ich nicht ganz arm an Talenten dieser Art sey; und daß, mit einer an­ ständigen Dosis kritischen Scharfsinns und kritischen Jar­ gons, ich mich schon zu einem erträglichen Commcntator qualifirire. Dieses zu beweisen, will ich lieber die Auf­ merksamkeit meiner Leser auf einen Gegenstand lenken, der

23 noch bis jetzt von keinem meiner unmittelbaren Vorgänger behandelt worden ist, als Bemerkungen über irgend «in Werk einzustreuen wagen, das schon wiederholt die Feuer­ probe der Kritik bestanden hat. Und zwar werde ich daS aus zwei Gründen thun, theils nemlich, weil wenn ich mir ein Feld wähle wo schon Andre vor mir geerndtet haben, ich im ersten Falle doch nur eine Nachlese würde halten können, theils aber aus einer eigennützigeren Absicht, in dem selbstsüchtigen Wunsche doppelten Ruhmes; da, wenn ich ein Werk das bis jetzt noch fast ganz unbekannt ist zum Gegenstände meiner Betrachtungen wähle, ich einen Ruf für Geschmack sowohl als für Urtheilskraft erlange, für Einsicht in der Wahl, wie für Richtigkeit in Bemerkungen, für zweckmäßige Behandlung des Gegenstandes, wie für geschickten Gebrauch der Sprache im Commentiren." „Das epische Gedicht daS den Vorwurf meiner jetzi­ gen Kritik abgeben wird, hat zu seinen Hauptmerkmalen Kürze und Einfachheit. Der Autor, dessen Namen ich, was ich sehr beklage, gewissermaßen verhindert bin un­ sterblichem Ruhme zu weihen, da ich ihn nicht weiß, der Autor, sage ich, hat sein Gedicht nicht mit den Auswüch­ sen von Episoden oder mit weitschweifigen Digressionen be­ laden ; auch sehen wir darin weder eine buntscheckige Menge nichtssagender Gleichnisse, noch den gleißenden Firniß un­ natürlicher Metaphern. DaS Ganze ist einfach und gleich­ förmig, und zwar so sehr, daß es mich kaum Wunder neh­ men sollte, wenn einige grämliche Leser auf die Vermuthung gericthen, der Dichter sey mehr aus Noth als aus Wahl so simpel gewesen, und es habe ihm nicht so sehr unge­ läuterter Lack, als Unfruchtbarkeit der Phantasie Fesseln angelegt." „Ja, es werden vielleicht gar Einige auftreten die ihm den Namen eines epischen Dichters streitig machen, und

24

ihn zu dem Range eineö Balladensängers erniedrigen möch­ ten. Aber ich, alS sein Commentator, werde auch die Würde meines Autors behaupten, und werde deutlich zei­ gen, daß sein Gedicht ein Helden-Gedicht sey, nach dem Beispiel aller Dichter, und den Zugeständnissen aller Kri­ tiker die es je gegeben." „Zuvörderst ist man allgemein dahin überein gekom­ men, daß ein Helden - Gedicht drei Bestandtheile haben müsse: einen Anfang, eine Mitte und ein Ende; zweitens nimmt man an, daß eS eine bedeutende Handlung, einen Hauptplan haben müsse, zu dessen Durchführung alle ein­ zelnen Theile mittelbar oder unmittelbar abzwecken sollen, welcher Plan denn auch, gewissermaßen, irgend einem mo­ ralischen Zwecke entsprechen müsse; und drittens, ist unbe­ stritten festgesetzt, daß es einen Helden haben müsse. Ich lebe der Ueberzeugung, daß in keinem dieser Punkte das vor uns liegende Gedicht mangelhaft befunden werden wird. Andere Nebeneigenschaften werden wir gehörigen OrteS be­ leuchten." „Um meine Leser nicht länger in der Erwartung zu lassen, der Gegenstand des Gedichtes ist: „Die Besserung des Herz-Buben." Es ist nicht unwahrscheinlich daß man mir einwerfen wird, daß ein Bube ein unpassender Held für ein episches Gedicht sey, und daß ein Held alles Große und Gute in sich begreifen müsse. Der Einwurf ist aber frivol. Das größte Gedicht welches die Welt je in dieser Gattung hervorbrachte, hat den Teufel selbst zu seinem Helden; und, da meinem Autor ein so großes Vorbild zur Seite steht, so behaupte ich, daß unser Held ein sehr schick­ licher Held sey; und, zumal er noch den Vorzug vor dem des Milton hat, daß er sich am Ende bessert, so ist er of­ fenbar auch zu einem vcrhältnißmäßigen Antheil an Celebrität berechtigt."



25

„Ich komme jetzt zu der mehr unmittelbaren Untersu­

chung des Gedichtes in seinen einzelnen Theilen.

Der An­

fang, sagen die Kritiker, muß klar und einfach seyn, we­ der geschmückt mit poetischen Blumen, noch schwellend von prunkenden Worten.

Und wie strenge kommt hier unser

Dichter der angenommenen Regel nach!

Er fängt so an:

Herz Kön'gin, mein! Macht Kuchen fein.

Kann Etwas klarer seyn! natürlicher! entsprechender dem

wahren Geiste der Simplicität? Hier sind keine Tropen, keine bildliche Redensarten, nicht einmal eine Anrufung der

Muse.

Er hält seine Leser nicht durch überflüßige Um­

schweife auf, indem er ihnen etwa unnützer Weise sagt, was er besingen will, oder noch unnützerer Weise auf­ zählt was er nicht singen will: sondern, Horazens Vor­

schrift gemäß:

in medias res Non secus ac notas, auditorem rapit. das heißt, er führt uns bei Ihrer Majestät der Herzens-

Königin ein, und setzt uns sofort auf den freundlichsten und vertraulichsten Fuß mit ihr, und erregt in uns einige

Theilnahme an ihren häuslichen Angelegenheiten. Doch um fortzufahren: Herz Kön'gin, mein! Macht Kuchen fein Am Sommertage schon.

„Hier nun erhellt sich der Blick, und wir werden zu

der Erwartung irgend eines lebendigen Gemäldes, eines

warmen poetischen Colorits verleitet; aber es giebt nichts

der Art. Für einen Dichter ist keine Aufgabe schwerer als die Unterdrückung von Gedanken.

Ovid unter den Alten,

und Dryden unter den Neueren, zeichnen sich vielleicht am meisten durch den Mangel dieser Eigenschaft aus.

We-

26 gen der Schnelligkeit, mit welcher der Letztere in der Re­ gel seine Produkte schuf, gab er oft nur wenig Acht auf

das ,, limae labor,” die Mühe des Feilens,

und selten

verwarf er deshalb den Beistand irgend eines Gedankens der sich ihm darbot.

Ovid, nicht zufrieden die Hauptzüge

irgend einer Scene oder eines Charactcrs aufzufaffen, ge­ fällt sich in tausenderlei Details der Beschreibung, tausend

artigen Spielereien, die an sich uninteressant sind, und die

die Wirkung des Ganzen gar sehr vermindern; wie die zahllosen Schößlinge und einzelnen Zweige eines Fruchtbau­

mes, wenn man sie ohne Einhalt wachsen laßt, die Kraft

des Mutter-Stammes bedeutend schwachen, während sie selbst unfruchtbar und unnütz sind. Ovid hat mehr Genie, aber weniger Urtheilskraft als Virgil; Dryden mehr Ein­

bildungskraft, aber weniger Reinheit der Sprache als Pope:

wären sie in diesen Punkten nicht schwach gewesen, so würde der Erstere seinem Landsmann wohl an die Seite

zu stellen seyn, der Letztere den seinen aber unendlich über­ strahlen.

Unser Autor hat ohne Zweifel die Fähigkeit be­

sessen die ihnen abging; und hütete sich den Ausbrüchen

einer lebhaften Einbildungskraft sich zu sehr hinzugeben. Jede Erwähnung des schwülen Syrius, — des Schattens

der Haine, — der einsamen Baumgänge, — grünenden Hügel, — perlenden Bäche, — moosbewachsnen Berge, —

murmelnden Quellen u. s. w., läßt er daher ganz weg,

und sagt uns ganz einfach, es war „am Sommertage

schon." Was mich betrifft, so gestehe ich daß ich eher mir

geschmeichelt als mich getäuscht finde, und glaube daß der Dichter so sehr die Leser in ihren Erwartungen habe leer auögehen lassen, als ihren Talenten ein Compliment ma­ chen wollen.

Es ist gewiß ein großes Vergnügen ein Ge­

mälde schön ausgeführt zu sehen; aber rin viel größeres

ist rö wohl noch, es selbst gut auszumalen.

Hierin also



27



glaube ich, hat der Dichter feinen Gegenstand meisterhaft

gehandhabt.

Jedem Leser ist hier vollkommne Freiheit ge­

lassen seinen eigenen Geschmack zu befriedigen; einen Som­

mertag sich aufzuzeichnen, wie er ihm am besten gefällt; den Schauplatz selbst auszuwählen; Schatten und Licht nach Belieben zu vcrtheilen; und sich an einem Bach oder

einer Pferde-Schwemme, einem Regen-Schauer oder Son­

nenstrahl, einem Park oder Küchengarten zu ergötzen, je nachdem seine Phantasie es ihm eingiebt.

Wie viel besser

bedacht ist dies, als wenn der Dichter, auS irgend einer affectirten Genauigkeit im Beschreiben, unS durch die Hitze der Atmosphäre in eine unanständige Transpiration ver­ setzt, und uns in eine Landschaft die er selbst entworfen ge­

zwängt hätte, mit vielleicht einem oder zwei läppischen un­

nützen Zephyrn, und einer zugemeffcnen Quantität an Holz und Wasser.

haben.

Alles das würde Ovid ohne Zweifel gethan

Ja, um mich des Ausdrucks eines gelehrten Bru­

der Commentators zu bedienen, „ quovis pignore dicertem,” ich will jede Wette eingehen, daß er so weit ge­

gangen sein würde unS zu sagen woraus die Kuchen ge­

macht wären; und sich vielleicht gar in eine Episode, über

die Kunst Kirschen einzumachen, verirrt hätte.

Aber unser

Dichter, über solche Betrachtungen erhaben, überläßt eS jedem Leser seine Ingredienzen zu wählen, und sie nach sei­

nem eigenen Geschmack zu versüßen; ohne Zweifel weislich

voraussehend, daß, je schmackhafter ein Jeder sie für seinen Gaumen zubereitet hätte, desto tiefern Eindruck würde ihr drohender Verlust auf ihn machen."

„Am Gommertage schon." „AU on a summer’3 day.”

„Ich kann diesen Vers nicht ohne die Bemerkung ver­ lassen, daß einer der Scribleri, ein Nachkomme des be-

28 rühmten Martinus *), den Argwohn geäußert hat, als sey der Text hier corrumpirt, und vorschlägt anstatt „ All on" Alone zu lesen, wobei er, zu Gunsten dieser Aenderung, die Wirkung anführt die die Einsamkeit auf die Erregung

der Leidenschaften hat.

Aber Hiecius Doetius, ein hoch­

deutscher Commentator, der indessen in der Brittischen Lite­

ratur sehr bewandert ist, hat, in einer Note von der an

ihm gewohnten Länge und Gelehrsamkeit, die Argumente

des ScriblrruS widerlegt.

Zur Unterstützung der gegen­

wärtigen Lesart, führt er eine Stelle aus einem Gedichte

an, das ungefähr zu derselben Zeit wie daS unsers Autors verfaßt ist, von dem berühmten Johannes Pastor **), und betitelt: „ Elegische Epistel an den Schließer von Newgate," worin der Herr erklärt, daß, freilich mehr um sich einem alten Brauche zu bequemen, als aus irgend einem beson­

dern eignen Wunsche, er im Begriff sey

„ — all hanged sor to be Upon that fatal Tyburn tree.” ,, — Schon hoch zu hangen Am schrecklichen Tyburn Galgen."

„ Da nun Nichts ein helleres Licht auf einen Schrift­

steller wirft, als eine Uebereinstimmung mit seinen Zeitge­ nossen, so bin ich wohl geneigt dem Hiecius beizupfiichten, und das „ All ” als einen eleganten Lückenbüßer zu betrach­

ten, oder, wie er es schicklicher benennt, „ elegans expleti-

vum.”

Die Stelle muß daher so lauten:

The queen of hearts She made some larts All on a summens day. Det Held in Pope- Dunciade.

•)

♦*)

Besser, glaube ich, bekannt unter dem Namen Jack Sh ep.-

herd. —

Anm. d. Orig.

29 Herz - Kin'gin, mein! Macht Kuchen fein Am Sommertag« schon.

„Und damit endet der erste Theil oder der Anfang, der sich einfach und ungeschmückt darstellt, das Thema auf eine leichte und natürliche Weise eröffnet, und unsere Neu­ gierde rege macht, ohne sie jedoch ju weit zu befriedigen; denn ein Leser von etwas scharfer Beobachtungsgabe wird bemerken, daß der Held unseres Gedichtes seine Erscheinung noch nicht gemacht habe." „Ich würde mit meiner Untersuchung des ganzen Ge­ dichtes jetzt nicht fortfahren können, ohne die Grenzen eines einzelnen Blattes weit zu überschreiten. Ich habe sie daher für zwei eingethcilt, werde aber die Mittheilung des zwei­ ten keine Woche aufschieben, da dieses, außer daß es den Zusammenhang der Kritik unterbricht, wesentlich der Ein­ heit des Gedichtes schaden würde." „Ich kann dem Publicum dieses Blatt nicht überge­ ben, ohne ein Gerücht zu berühren das vor kurzem von einigen Leuten verbreitet worden ist, nemlich: daß der Mi­ krokosmus, vor seiner Publication, der Prüfung meiner Vorgesetzten unterworfen, oder (in ihren eigenen Worten) von den Unter-Aufsehern nachgefehrn wird. Das ist in doppelter Hinsicht gefehlt; einmal weil es ein erbärmlich schlechter Ausdruck, und zweitens weil es gewaltig falsch in facto ist." „In England kann eS keine Sclaven geben; Irland erfreut sich eines Mangels an Kröten; auf ähnliche Weise verträgt sich das Clima und die Verfassung von Eton durch­ aus nicht mit der Existenz von „Unter-Aufsehern." Und so schmeichelhaft es für Gregory Griffin sey könnte, daß seine Werke für die Produkte reiferer Jahre angesehen werden sollen, so muß er dagegen diese Ansicht als rin schlechte-

30 Compliment für dirjenigen betrachten, deren Geist und Ta­ lenten sie auf diese Art, theilweise, zugeschrieben werden."

„Ich halte es daher für meine Pflicht, durch diese Erklärung, alle meine Sünden auf meinen eigenen Kopf

zu nehmen, und dem Publicum die Versicherung zu geben, daß sie nicht unter der Aufsicht derer in die Welt gehen,

die eine solche Vermuthung herabwürdigt. — der Direkto­ ren-Assistenten zu Eton."

Der Mikrokosmus.

No. XII.

Servetur ad imum Qualis ab incepto proccsserit, et sibi constet. — Horat. Bewahrt bis zum Ende

Seinen Character, und bleibt sich gleich wie vom Anfang er auftritt. „Nachdem wir so den ersten Theil oder Anfang des

Gedichtes durchgegangen sind, kommen wir, sehr natürlich, zu der Betrachtung des zweiten."

„Der zweite oder mittlere Theil, ist recht eigentlich

der Platz für Getümmel und Handlung, für Begebenhei­ ten und Abentheuer."

„Herz-Bube macht Eich d'ran; und sacht Nimmt er sie all' davon." „Herz-Bube macht sich d'ran. — Hier ist unsere Auf­

merksamkeit rege gemacht; unsere ganze Seele ist auf die

erste Erscheinung des Helden gespannt.

Einige Leser neh­

men vielleicht Anstoß daran, daß er seinen Eintritt in ei­

nem so unvortheilhaften Charakter wie dem eines Diebes macht.

Dagegen schütze ich frühere Muster vor."

„Der Held des Ilias klagt, wie ich das schon in ei­

nem früheren Blatte bemerkt habe, sehr pathetisch, „daß

das Leben nicht, wie alle andern Besitzthümer, durch Dieb­ stahl zu erlangen sey."

Eine Bemerkung die, nach meiner

31 Ansicht, deutlich zeigt, daß, wenn er sich der Uebung die­

ser sinnreichen Kunst enthielt, es nicht aus Mangel an Nei­

gung dazu geschah.

Wir werden uns auch aus Virgils

Gedichten erinnern, daß das Licht in dem der fromme Aeneas uns zuerst erscheint, das eines Wilddiebes ist.

Wobei es

ihm auch nicht sehr zur Entschuldigung dienen mag, daß das Wild ohne Hüter herumstreifte; denn wenn er unter

diesen Umständen auch nicht genau angeben konnte wessen

Eigenthum es sey, so konnte er soviel doch ziemlich sicher

wissen, daß es ihm nicht zugehöre."

„ Nachdem ich so unsern Helden von dem Tadel schlech­ ter Aufführung gereinigt habe, durch daS Beispiel besserer

Leute wie er, komme ich zu dem, was ich als den Meisterstreich des Dichters betrachte."

„Herz-Bube macht Eich d'ran; und sacht Nimmt er — sie all' davon."

„Hier muß Jeder gerührt seyn, der ein Ohr für Har­

monie und ein Herz zum Fühlen hat! Welche wehmüthige Trauer im Fall des letzten Verses! welcher Ton zärtlichen

Bedauerns, in dem Zusatz „all' davon!" ein Etwas den unwiderruflichen Verlust so bezeichnendes!

so gewaltsam

mahnendes an das „Ah nunquam reditura!" ,,Nimmer können sie wiederkehren!" kurz, eine solche Vereinigung von

Sinn und Wohlklang wie wir selten, wenn jemals, bei ir­ gend einem Autor der alten oder neuen Zeit antreffen. Un­ sere Gefühle sind alle rege; aber der Dichter, weißlich be­

sorgt, daß unsere Sympathie für die gekränkte Königin der Zuneigung für seinen Helden Eintrag thun könne, ist so­ gleich bedacht unsere Furcht für ihn zu erregen, indem er

unS sagt: Herz - Kinig frägt Danach; —-

32 „Wir sind Alle von dem Vergehen unseres Helden unterrichtet, und zittern mit ihm vor der Strafe, die der Monarch in seinem Zorne ihm auferlegen wird; — — — und schlägt Den Buben drob gar sehr! „Der entscheidende Schlag ist geschehen! wir müssen

uns freuen daß die Schuld

hat,

ihre gerechte Strafe gefunden

wenn wir auch tief mit dem schuldigen Gegenstände

der Strafe fühlen.

— — — und schlägt Den Buben drob gar sehr/

And beat tbe Knave full sore. „Hier will Scriblcrus, der, beiläufig gesagt, ein gro­ ßer Freund von unnöthi'gen Abänderungen ist, vorschlagen

„score” (ein Stieg) anstatt „sore" zu lesen, um dadurch bestimmt zu bezeichnen, daß die Schläge die der Monarch austheilte, gerade zwanzig an der Zahl gewesen

wären.

Aber das rührt nur von einer Unbekanntschaft mit dem Geiste unserer Sprache her, die den Ausdruck „full score"

nicht zuläßt, sondern das Einschieben der Partikel „a" ver­

langen würde, angeht.

was aber wegen des Metrum's hier nicht

Und das ist wieder ein Beweis großer Kunst bei

unserm Dichter; denn dadurch daß er die Zahl der Schläge

unbestimmt läßt, ertheilt er jedem Leser die Freiheit, sie in genauem Verhältniß zu dem Unwillen den er gegen den Helden gefaßt haben mag, zu appliciren; so daß, nachdem

er seinem Zorne freien Lauf gelassen, er sich nachher um so schneller wieder mit ihm aussöhnen möge.

„Herz-Kinkg frägt Danach; und schlägt Den Buben drob gar sehr!"

„Hier endet der zweite oder mittlere Theil des Ge­

dichts; worin wir den Character und die Thaten unsers Helden mit Meisterhand gezeichnet finden." H 3tht

33

„ Jetzt bleibt uns nur noch der dritte Theil oder das Ende zu betrachten übrig. Eine ziemlich allgemein ange­ nommene Regel ist es, daß am Ende das Werk zu einem gewlffen Schluffe kommt, den unser Autor denn so her­ beiführt r Herz-Bube, hörtl Bringt sie,

„Hier ist alles endlich ausgeglichen, der Diebstahl ist wieder hergestellt, die Kuchen sind ihrem rechtmäßigen Ei­ genthümer wieder gegeben, und poetische Gerechtigkeit ist, in jeder Hinsicht, streng und unparteiisch geübt." „Wir werden bemerken, daß nichts unserem Dichter besser gelungen ist als die Art, wie er die Aufmerksamkeit des Lesers unausgesetzt an die Hauptwcrkzeuge, die Ma­ schinerie seines Gedichtes, die Kuchen ncmlich, gefesselt hält; und zwar dergestalt, daß der mehrbcregte Scriblerus weis­ lich bemerkt hat: „er könn's nicht sagen, er wüßt's aber nicht so recht, ob nicht die Kuchen für die Helden des Ge­ dichtes gelten könnten." Scriblerus, wenn schon ein Mann von Gelehrsamkeit, und oft auch von richtigen Ansichten, hat hier doch wohl eine voreilige Conjectur gewagt. Seine Argumente werden auch von seinem großen Gegner Hiccius durchaus über den Haufen geworfen, der am Schluffe triumphirend fragt: „wären die Kuchen aufgegeffen worden, wo­ mit hätte der Dichter den Verlust seiner Helden ersetzen können?" „Wir kommen jetzt zu dem denouement, zu der Her­ stellung der Verhältnisse; und in der Behandlung seiner Moral übertrifft unser Dichter unstreitig seine großen an­ tiken Vorgänger. Die Moral ihrer Fabeln, wenn sie ir­ gend eine haben, ist so mit den wesentlichen Theilen ihrer Werke verwebt, daß, wollte man sie da heraus wickeln, man daS Ganze zerreißen würde. Unser Autor hat sehr CanningS Denkw. I. 3

34 schicklich die seine ganz und ungetheilt auf daS Ende seines Gedichtes aufgespart, wo er seinen Hauptzweck, die Besse­ rung seines Helden, so vollendet — — — und schwört Nie woll' er stehlen mehr!"

„Nachdem er im Verlaufe des Werkes die schlechten Folgen, die vom Diebstahl entstehen, gezeigt hat, will er offenbaren, daß diese letzte moralische Bemerkung, als eine sanfte und höfliche Abmahnung vom Stehlen auf seine Le­ ser wirke." Herz-Bube, hört! Bringt sie, und schwört, Nie woll' er stehlen mehr!

„So habe ich denn alle einzelnen Theile dieses wun­ dervollen Werkes durchgangen, und klar bewiesen daß es, in jedem dieser Theile wie in ihnen allen zusammengenommcn, ein gehöriges und eigentliches Helden-Gedicht ist; und, wegen seiner Beobachtung der vorgeschriebenen Re­ geln, eben so viel Recht auf diesen Titel habe, wie irgend eines der berühmten Meisterstücke des Alterthumes. Und hier kann ich wieder nicht umhin zu beklagen, daß, dadurch daß ich den Namen des Autors nicht weiß, ich nicht im Stande bin unsere Lorbeern in einen Kranz zusammen zu winden, und den vereinten Ruhm des Genie's und der Ur­ theilskraft des Dichters und seines Commentators auf die Nachwelt zu bringen. Der MicrocosmuS.

No. XXII.

Tantum de medio sumptis accedit honoris. Horat. Solch' Ehre wird zu Theil auch oft gemeinen Dingen.

„ Mein Herr, — Es muß ohne Zweifel einem Schrift­ steller von Ihrem Scharfsinne ausgefallen seyn, daß gewiß nichts ungerechter und illiberaler ist, als jene übel begrün­ deten Vorurtheile, die, ohne zu unterscheiden, ganze Classen

35

ober Stande der Gesellschaft mit allgemeinen Vorwürfen oder gar mit Verachtung belegen. Und dennoch, so sehr wir auch das unschickliche dieser Vorurtheile empfinden, so find wir doch Alle nur zu sehr geneigt unS ihnen hinzugeben; bis, durch lange Gewohnheit genährt, fie in unser Gemüth so tiefe Wurzeln schlagen, als ob fie schon von der Natur darin gepflanzt wären; und solche Kraft erlangen, daß sie fähig sind den stärksten Argumenten zu widerstehen, der gegründetesten Ueberzeugung sich zu widersetzen." „Zn der Türkei giebt es eine Classe von Menschen, welche die allgemeine Verachtung ohne Unterschied, wenn gleich unverdienter Weise, trifft: daS ist die wohllöbliche Zunft der Gewürzkrämer; und zwar in solchem Grade, daß, sollte irgend ein Mitglied einer adelichen Familie sich und die Seinen so erniedrigt haben, daß iS ein ruhiges Le­ ben führt, und in seinem Bette, d. h. eines natürlichen To­ des, stirbt, sein Name von seinen Verwandten nur mit Mißbilligung und Unwillen ausgesprochen, und sein Ge­ dächtniß der Schande übergeben wird, dafür daß es, wie sie sagen, wie ein Raccal oder Gewürzkrämer lebte und starb." „Der Mann der jetzt die Ehre hat zu Ihnen zu reden, ist daö Mitglied einer Gesellschaft, die durch Englands Courtoisie, gleich den Naecals der Türkei, in ihrem ganzen Be­ stände dem rücksichtslosesten Spotte, der umfassendsten Ver­ achtung unterliegt; ich sage in ihrem ganzen Bestände, denn jedem Einzelnen von uns gesteht man gar keine Existenz zu, da die boshafte Spottlust der Welt behaupte», daß neun Weber und neun Schneider dazu gehören um einen Mann zu machen. Ja mein Herr, so weit hat man die Verachtung gegen diese Gewerbe getrieben, daß Jemanden einen Weber oder einen Schneider zu nennen, in den Augen der „Vielzahl" (wie der Dichter sie nennt) nicht nur, wie ftüher, eine Anzüglichkeit hinsichtlich seines Reiterta3*

36 — lents, sondern auch hinsichtlich seines persönlichen Muthe-, ja selbst seines persönlichen Daseyns begreift." „Ich, mein Herr, bin ein Weber, und da ich, Dank sey es meinem Genie, und einer drittehalbjährigen Erzie­ hung in einer Akademie auf Towcrhill, eine recht hübsche Bekanntschaft mit den Klassikern erlangt habe, d. h. ich kenne sie Alle bei Namen, und kann, an jedem beliebigen Tage in der Woche, sagen ob es griechisch ist was man mir zeigt; und da ich, so weit Shakspeare's Stücke und das Monthly Magazine reichen, ziemlich in der englischen Literatur bewandert bin, so glaube ich, Herr Griffin, aus allen diesen Gründen, daß ich mich wohl qualificire als Kämpfer, für den Nutzen und die Achtbarkeit nicht nur, sondern auch für die Ehre der Webekunst, aufzutrcten. Das Schneidern, da es auf das Weben folgt, wird natürlich auch an den Früchten meiner Arbeit Theil nehmen, da, indem ich die Würde des einen behaupte, ich zugleich das An­ sehn des andern aufrecht erhalte." „Zu diesem Ende, Herr Griffin, werde ich nicht an die Milde meiner Leser appclliren, sondern ihre Einsicht herausfordern: ich werde nicht um ihre Nachsicht bitten, sondern, durch die Gewalt der Demonstration, meiner Mei­ nung ihre Beistimmung erzwingen." „Poesie, mein Herr, gilt allgemein für die erste und edelste der Künste und Wissenschaften; dergestalt daß, nach der Meinung der Kritiker, ein Helden-Gedicht daS größte Werk ist das der menschliche Geist zur Vollendung zu brin­ gen vermag. Wenn ich also beweisen kann, daß die We­ bekunst der Dichtkunst in einiger Hinsicht analog sey; wenn diese Analogie von dem ganzen Heere der Kritiker zugegeben wird, so daß, wenn sie von der letzteren sprechen, sie der Ausdrücke der ersteren sich bedienen, und über die Werke des Poeten in der Sprache deS Manufacturisten Urtheile

37 abgegeben haben; ja, wenn die Poesie selbst sich Herabge­ laffen hat diese Ausdrücke nachzuahmen, und die technischen Benennungen in ihr Wörterbuch aufzunehmrn, — dann darf ich gewiß hoffen, daß die Weihe der Kritik die Ehr­ erbietung, und die Schmeichelei der Poesie (denn Nachah­ mung ist der höchste Grad der Schmeichelei) die Bewun­ derung der Menschen für uns in Anspruch nehmen wird."

„Zuerst also, was die Kritik betrifft; um aus der großen Zahl nur einige wenige Beispiele herauszuheben, werden wir nicht in den Werken des Longinus und in Gentleman's Magazine mit ergötzlichen Abhandlungen über das Spinnen von Plänen, und das Einweben von Episo­ den unterhalten? Hören wir nicht beständig, daß der Au­ tor das Gewebe der Intrigue entfafert, oder den Faden der Erzählung abbricht? Außerdem hat ein guter Freund von mir, ein großer Etymologe, mich versichert, daß Bom­ bast und Bombasin unsprünglich von derselben Wurzel stammen, und Zeug *), wie Jedermann weiß, sagt man auch wohl von poetischen Pryducten, so wie es das Ma­ terial für ein Paar Beinkleider bezeichnet. So ähnlich ist sich die Geschicklichkeit der cs zur Fertigung eines HeldenGedichtes oder eines Stückes Tuch bedarf; so parallel ste­ hen die Eigenschaften die, um das Webeschiff zu werfen oder die Feder zu führen, erforderlich sind." „Ich hatte keine geringe Freude als ich in diesen Ta­ gen, in der Kritik eines der bedeutendsten Schriftsteller un­ serer Zeit, die Werke eines Lieblings - Dichters ein Gewebe genannt sah. Es fiel mir dabei eine Idee ein, auf die mich vielleicht freilich meine Parteilichkeit für mein Gewerbe •) Fustkan, Barchent, aber auch Schwulst kn der Poesie, dar Wortspiel ließ sich freilich, „wie Jedermann sieht," nur um vollkommen wiedergeben. A. d. Uebers,

38 gebracht haben mag, die ich aber doch nicht ganz ohne Hoff­

nung bin eines Tages in Erfüllung gehen zu sehen."

„Mit einem geringen Aufwand von Arbeit und Scharf­ sinn wird man gewiß entdecken, daß die Werke verschiede­ ner Autoren (wie jenes Gewebe), eine bedeutende Ver­

wandtschaft mit den verschiedenen Producten des WebestuhlS

haben.

So, um nur, ohne Rücksicht auf chronologische

Ordnung, einige Beispiele anzuführen, könnte nicht daS

Sanfte und Blumenreiche Pope's paffend genug mit geblüm­ tem Taffet verglichen werden? Könnte man nicht die Werke

aller gekrönten Dichter, alter oder neuer Zeit, sehr schicklich Prinzen-Stoff nennen? Und wer möchte dem Homer wohl

den Titel everlasting (ewig dauernd) streitig machen? Was Ehakspeare betrifft, so bin ich freilich wegen eines Gleich­ nisses in Verlegenheit, wenn ich ihn nicht mit jenen changkrenden Seidenzeugcn vergleichen soll, die durch den Glanz

ihrer Farben in mannigfaltigem Hell oder Dunkel bunt ab­

wechseln.

Und, wollte mir die Orthographie das Wort­

spiel nur erlauben, so glaube ich daß eö wenige Dichter giebt, die nicht stolz seyn würden der „ green bays” *)

(grünender Lorbeer») werth gehalten zu seyn." „Zum Beweise des Gebrauches aber, den die Poesie

von des Webers Wörterbuche macht,

vide zehntausend

Oden an den Frühling, wo man den Geruch der DamastRose (Rose von Damaskus) einathmcn, aus das Rauschen

seidncr Blätter horchen, oder dahingestreckt liegen kann in

schmachtenden Träumereien, den Kopf auf sammetnen Ra­

sen gestützt; um nichts vyn dem Webestuhl der Natur zu sagen, der regelmäßig am ersten May in Thätigkeit gesetzt wird, um bunte Decken für Parks und Landschaften zu

weben.

Nun muß ich aber gestehen, Herr Griffin, daß ich

') Bay ist der Lorbeerbaum; Balze ein Wollenzeug, Boy. A. b. U.

39 mit diesen Bildern, obgleich sie recht hübsch und recht propos sind, doch nicht ganz zufrieden bin. Die Genueser übertreffen uns in dem Artikel der Sammete; und die fran­ zösischen Seidenzeuge werden in Hinsicht der Eleganz von vielen Leuten weit über die englischen gestellt. Nun appellire ich an Sie, Hr. Griffin, ob diese Anspielungen nicht für ein brittisches Ohr viel entzückender klingen würden, wenn sie darauf abzweckten solche Fabricate zu fördern die mehr unS eigenthümlich sind. Die Georgica des Virgil sind, müssen Sie wissen, mein Herr, wie einige Leute muthmaßen, eben so in einem politischen wie poetischen Sinne geschrieben, um nemlich die siegötrunknen Geister der römi­ schen Soldaten von der Liebe zum Kriege und dem Ernst militairischer Plackerei, zu den gelinderen Beschäftigungen deS Friedens, und der einträglicheren Arbeit des Ackerbaues hinzuwenden. Eben so erfolgreich würden gewiß die Versuche unserer Dichter seyn, wenn sic kühn jede Gattung fremder Fabricate aus ihren Werken verbannen, und an deren Stelle den Stoff von den fruchtbaren Webestühlen ihrer Lands­ leute nehmen wollten. Wahrlich, wir haben eine Man­ nigfaltigkeit, womit alle Gegenstände und alle Beschreibun­ gen versorgt werden könnten; und ich zweifle nicht daß, wenn dieser Brief die gewünschte Wirkung hat, ich bald die Landschaften schön geziert sehen werde mit Ebenen von Plüsch, Weiden von Poplin, Dünen von Dimity, Thälern von Valveret und Wiesen von Manchester. Wie ruhmwürdig originell würde daö seyn; welche patriotisch poetische Neuerung, der nur bigotte Vorurtheile sich widersetzen, die nur ein Mangel an Gefühlen für das Interesse deS Vater­ landes mißbilligen könnte." „Entschuldigen Sie, mein Herr, wenn ich die gewöhn­ lichen Grenzen eines Briefes überschritten habe, bei einem Gegenstände bei dem ich so höchlich betheiligt bin. Bcr«

40 zeihen Sie die Vorliebe eines alten Mannes für das Ge­ werbe seiner Jugend; und oh! Hr. Griffin, möge Ihr Blatt daS Mittel seyn, vor unverdientem Spott und eng­ herziger Verachtung eine Kunst zu retten, die den Bemer­ kungen der Kritik Klarheit und Politur verliehen, und die Erfindungen der Poesie in die Sprache der Metaphern ge­ kleidet hat; eine Kunst die keiner andern nachsteht alö de­ nen die so oft, und mit solchem Glücke, ihren Beistand er­ borgt haben; und auch diesen nicht, wenn man nicht be­ weisen kann daß dasjenige, waö die nothwendige Beklei­ dung für den Körper schafft, dem nachstehe, was nur eine O-uclle der Ergötzlichkeit für den Geist ist. Ich bin, mein Herr, der Ihre u. s. w. B. Beierwand. „Ich kann nicht umhin zu gestehen, daß der Enthusias­ mus, von dem mein Correspondent beseelt zu seyn scheint, während er einen Gegenstand behandelt der ihm so nahe am Herzen liegt, mir große Freude gemacht habe. Er hat, das kann ich ihm versichern, meinen vollkommnen Beifall zu seinen vorgeschlagenen Verbesserungen; und ich bin über­ zeugt, daß jeder wohlgesinnte Mensch in Sr. Majestät Kö­ nigreichen die Kraft seines Raisonnements fühlen muß. — Wird wohl irgend ein Krittler zu behaupten sich unterfan­ gen, daß unsere Webestühle nicht so fruchtbar an poetischen Bildwerken seyen wie die unserer Nachbarn? Haben wir nicht Schnupftücher von gedrucktem Kattun, gefüllt mit allen Schönheiten ländlicher Scenen? und „blaueBlumen die blühen" in den Decken auö den Manufakturen zu Wil­ ton ? Ja, wenn wir selbst als unbestritten annehmen woll­ ten, daß die englischen Fabriken viel unvollkommner wä­ ren, müßte nicht jeder Engländer doch eine löbliche Partei­ lichkeit für sein Vaterland beweisen? und würde nicht, was

41 er auf diese Weise an Poesie verliert, ihm sein Patriotis­ mus wieder ekntragen?" „Kurz, mich haben des Herrn Beierwand Gründe so

sehr überzeugt, daß ich nicht umhin kann denjenigen mei­

ner Correfpondenten, die die beginnende Jahreszeit bewogen haben mag schon Oden auf den Frühling für den Gebrauch

des Microcosmus anzufangen, zu empfehlen, daß sie ja an die Produkte unserer englischen Stühle sich halten, wenn sie es überall für nothwendig erachten sollten Gleichnisse vom Weben herzunehmen; d. h. wenn sie wirklich glauben daß die Natur durch Kunstausdrücke verschönert, und daß

die Werke des Schöpfers neuen Schmuck dadurch erhalten

können, daß man sie denen des Manufacturisten vergleicht; was, ich will eö gern gestehen, nach meiner bescheidenen Meinung, nicht der Fall zu seyn scheint." „Ich weiß meinen Correfpondenten über diesen Punkt

keinen bessern Rath zu geben als etwa den, überhaupt keine

Oden auf den Frühling zu schreiben." Als Canning zu Eton war, hatte dort seit einigen

Jahren eine Gesellschaft bestanden, die sich zu gewissen Zei­ ten in einer der Hallen versammelte um zu disputiren. Sie

bestand auS den Knaben die damals in der Anstalt waren, und die Lehrer munterten sie weislich in dieser Uebung auf,

wegen ihres offenbaren Nutzens. Sie war die Wiege gro­ ßer Männer, eine Art Unterhaus in Miniatur.

Der Herr

Sprecher nahm seinen Stuhl ein; ein Minister saß auf der Schatzkammerbank, und hatte einer so kühnen Opposi­

tion zu begegnen, wie Eton sie nur hervorbringen konnte. „Der edle Lord," „der sehr achtbare Herr," „mein acht­ barer Freund," so ging eö von einer Seite zur andern»

Die Ordnung, die Gravität und die Wichtigkeit der ur­ sprünglichen Versammlung, wurden mit dem größten Glücke hier in der Nachahmung dargestellt.

Die Krone und das

42 Volk hatten ihre verschiedenen Vertheidiger.

Die Kämpfer

zeigten eben so viel feierlichen Ernst, eben solchen Durst

nach Sieg, und waren eben so thätig ihn zu erringen wie die reiferen Streiter in der St. Etephan's Kapelle.

Herr

Wellesley (jetzt Marquis W.), Herr Grey (jetzt Graf Grey),

und zu einer spätern Zeit Canning, zeichneten sich in den

Geisteskämpfen dieses jugendlichen Hauses der Gemeinen aus.

Canning erinnerte sich immer mit der größten Freude seines Aufenthaltes zu Eton, und emsig unterhielt er seine

Verbindung mit dieser berühmten Schule.

Seine jährli­

chen Besuche des Montem wiederholte er fast ununterbro­ chen; und bei diesen Gelegenheiten schien auch er, mitten

unter der jugendlich muntern Ausgelassenheit die ihn um­ gab, der Fröhlichkeit seines Knabenalters sich ganz wieder hinzugcben.

Bei dem Montem vor 1823 traf er, zum er­

sten Male, nach ihrer unglücklichen Escapade im Hause der Gemeinen zufällig mit Hrn. Brougham öffentlich wieder

zusammen.

Sogleich war die Hand

des großmüthigen

Staats-Secretairs seinem großen Nebenbuhler dargereicht, in der Gegenwart von Tausenden bewundernder Zuschauer.

Am 4ten Zuny des folgenden Jahres, war Canning der

Vorsitzer in der zehnrudrigen Barke bei der Regatta *) zu Eton, ein Ehrenplatz den die Knaben immer für einen Lieb­

lings-Gast aufbewahren.

Er rief Hurrah, und abermals

Hurrah, mit den lautesten unter ihnen, während sie bei

den mit Menschen besäeten Ufern vorbcifuhren, und Eton stand stolz auf seinen Schüler und seinen Staatsmann.

1787. — Nachdem Canning, in seinem 17ten Jahre, Eton verlassen hatte, trat er in das Christ Church College

zu Oxford.

Hier war er unermüdlich im Studiren; und

seine Fortschritte in den Klassikern machen seinem Fleiß und *)

Einem Wettfahren in Gondeln.

43 seinen Talenten unendliche Ehre. Er war kein bloßer Sprach­ forscher, sondern ein Gelehrter, und mit seinen gelehrten Kenntnissen verband er den feinsten Geschmack. Er gewann verschiedene Male den Preis für lateinische Ausarbeitungen, und seine Reden erregten große Aufmerksamkeit. Die all­ gemeine Meinung im Collegium war, daß er in einem je­ den Fache, das er ergreifen möchte, sich zu der höchsten Stufe aufschwingen würde. Doch wußte man eben sowohl daß er durch Talente, und durch Talente allein, sich die schwierige Bahn zu Glück und Ruhm würde erzwingen müssen. Er hatte sich freilich, mit ungewöhnlicher Emsig­ keit, um die Freundschaft deS achtbaren Charles Jenkinson (jetzt Lord Liverpool) beworben, und es machte dem Kopf wie dem Herzen dieses äußerst schätzcnswerthen jungen Adlichen gleiche Ehre, daß er zu seinem Busenfreunde den jun­ gen Bürgerlichen erwählte, der damals ohne Freunde und Verbindungen allein in der Welt stand. Indessen schienen die liberalen Ansichten, der Ultra -Whiggismus, den Canning von seinem Vater geerbt hatte, und den auch sein Onkel nährte, der ein eifriger Vertheidiger des Wilkes und ein entschiedener Anti-Pittist war, verbunden mit der na­ türlichen Begeisterung für Freiheit, welche klassische Stu­ dien in der Regel in dem glühenden Busen der Jugend entzünden, frei von dem starren Frost ariftocratischen Stol­ zes, — der Welt die Versicherung zu geben, daß wenn er sein Glück dem Ocean der Politik anvertrauen, es auch in dem herrlichen Schiffe der Freiheit geschehen würde. Die­ ses leiteten damals die großen Choragen der Opposition, deren wunderbare Talente einen ganz besondern Glanz auf eine Sache warfen, die nie deS äußern Ruhmes bedurft hatte, um des Genir'S und des jugendlichen Patriotismus Bewunderung zu erregen und mit Anhänglichkeit zu fesseln. Auch ist ist soviel gewiß, daß, als Canning Oxford ver-

— 44 —

ließ, er keine Vorliebe für das damalige Ministerium, oder die Grundsätze und Maßregeln desselben hatte.

Kapitel

II.

Vorbereitung zur gerichtlichen Praxi«. — Einführung in bas bst fentliche Leben. — Sein Toryismus und seine ersten Reden.

Jurisprudenz schien daS einzige Fach zu seyn das den Talenten Cannings genügenden Raum gewahrte, und zu dessen Wahl ihn sowohl die Noth antrieb, als die Aus­ sicht ermunterte, sich zu einem der hohen Staats-Aemter emporzuschwingen die dem Ehrgeize sich darbieten. Er ver­ tauschte daher Oxford mit Lincolns-Inn, und gab freudigen Muthes die sichere Erlangung akademischer Würden und Grade, die ihm die Universität verhieß, auf, um sein Glück in der großen Lotterie zu versuchen, die ihre Haupt-Ge­ winne in den Gerichts-Sälen austheilt. Cannings Ruf wegen Talent und Kenntnissen ging ihm schon in der Haupt­ stadt voran, und er wurde in den Cirkeln, in denen er sich bewegte, allgemein als ein außerordentlicher junger Mann betrachtet, den das Schicksal bestimmte einst eine Rolle in der Welt zu spielen. Ob er ein eben so fleißiger Student war, um sich zu der neuen Laufbahn, die er zu betreten im Begriff stand, tüchtig zu machen, wie er es in Eton und Oxford gewesen um sich Ruhm und Auszeichnung zu er­ werben, steht wohl zu bezweifeln. Sein natürlicher Cha­ rakter war zuthulich und gesellig; seine Gesellschaft wurde sehr gesucht; sein Witz war der Gegenstand allgemeiner Bewunderung, und er war ein äußerst willkommner Gast, sobald es ihm gefiel Einladungen in dem zahlreichen und ausgedehnten Kreise seiner Bekannten anzunehmen. Die

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ließ, er keine Vorliebe für das damalige Ministerium, oder die Grundsätze und Maßregeln desselben hatte.

Kapitel

II.

Vorbereitung zur gerichtlichen Praxi«. — Einführung in bas bst fentliche Leben. — Sein Toryismus und seine ersten Reden.

Jurisprudenz schien daS einzige Fach zu seyn das den Talenten Cannings genügenden Raum gewahrte, und zu dessen Wahl ihn sowohl die Noth antrieb, als die Aus­ sicht ermunterte, sich zu einem der hohen Staats-Aemter emporzuschwingen die dem Ehrgeize sich darbieten. Er ver­ tauschte daher Oxford mit Lincolns-Inn, und gab freudigen Muthes die sichere Erlangung akademischer Würden und Grade, die ihm die Universität verhieß, auf, um sein Glück in der großen Lotterie zu versuchen, die ihre Haupt-Ge­ winne in den Gerichts-Sälen austheilt. Cannings Ruf wegen Talent und Kenntnissen ging ihm schon in der Haupt­ stadt voran, und er wurde in den Cirkeln, in denen er sich bewegte, allgemein als ein außerordentlicher junger Mann betrachtet, den das Schicksal bestimmte einst eine Rolle in der Welt zu spielen. Ob er ein eben so fleißiger Student war, um sich zu der neuen Laufbahn, die er zu betreten im Begriff stand, tüchtig zu machen, wie er es in Eton und Oxford gewesen um sich Ruhm und Auszeichnung zu er­ werben, steht wohl zu bezweifeln. Sein natürlicher Cha­ rakter war zuthulich und gesellig; seine Gesellschaft wurde sehr gesucht; sein Witz war der Gegenstand allgemeiner Bewunderung, und er war ein äußerst willkommner Gast, sobald es ihm gefiel Einladungen in dem zahlreichen und ausgedehnten Kreise seiner Bekannten anzunehmen. Die

45 Debatten - ClubbS die damals sehr in Gange, die aber sehr verschieden von den gemeinen, bettelhaften Verbindungen waren, die seit der französischen Revolution, besonders die Hauptstadt verunzierten, besuchte er sehr häufig. Durch seine Reden in diesen Versammlungen, erlangte er Dreistig­ keit als öffentlicher Redner, und Takt und Schärfe im Dis­ putiren. Diese Proben des Talents waren von ungemei­ nem Nutzen für ihn; nicht bloß weil seine Gabe der Be­ redsamkeit dadurch zur Reife und in Uebung gebracht wurde, sondern weil sie seinen Namen, als eines jungen Mannes fähig einst eine glänzende und wichtige Rolle auf der Bahn des öffentlichen Lebens zu spielen, rrhöheten. Es war bald nach seiner Niederlassung zu Lincolns-Inn, daß seine Ta­ lente die Aufmerksamkeit des ersten Lord Lansdown auf sich zogen, der Hr. Bentham prophezeite, er würde einst er­ ster Minister von England werden. Damals pflegten die Anführer der Parteien im Hause der Gemeinen aufmerk­ sam, in den Collegicn und öffentlichen Schulen, nach jun­ gen Leuten zu spüren, die Proben ganz besonderen Genie's von sich gaben, um sie zu ihren Fahnen zu werben. Alles was Canning je von politischen Ansichten gezeigt hatte, sein Benehmen zu Eton, wo er, mit dem Feuer des Enthusias­ mus, bei einem Streit um die Repräsentation von Wind­ sor, die Volkspartei gegen den ministeriellen Candidaten er­ griffen hatte, die Lehren der alten Whig-Schule, in denen er erzogen war, und vor allen Dingen, seine Verwandt­ schaft mit Sheridan, von mütterlicher Seite, der damals in seinem Culminations-Punkte stand, und der ihn bei Fox, Burke, Grey und den andern großen Anführern der Whig-Partei einführte, alles deutete darauf hin ihn als eine neue Stütze der Opposition zu bezeichnen. Es heißt, daß er auf die Vorstellungen Burke's die Gerichtsbank ver­ ließ, um jur Administration überzutreten, und so sicher hat-

46 ten die Whigs auf seinen Beistand gerechnet, sobald er sei­ nen Sitz im Parlamente einnehmen würde, daß, als sein Schulfreund Zenkinson seine Antritts-Rede auf der mini­ steriellen Seite gehalten hatte, und die Freunde desselben ihm als dem künftigen Verfechter ihrer Grundsätze von allen Seiten Glück und Beifall zuriefen, Sheridan eine persön­ liche Anspielung auf Canning, den frühen Genossen des jugendlichen Redners, der seine Aufgabe so sehr zur Zufrie­ denheit des Hauses gelöst habe, machte, und versicherte, daß dieser, in der Sache freier und liberaler Ansichten, den Ruhm den Hr. Zenkinson so verdienter Weise geerndtet, mehr alS verdunkeln würde. Doch ist es bekannt, daß Cannings erste Erscheinung im Parlament auf den ministe­ riellen Banken Statt hatte. Moore, in seinem Leben Eheridan's, versucht ein Benehmen zu erklären, daß allen Versprechungen seines früheren Lebens so ganz entgegen zu seyn schien. „Durch das politische Glaubensbekenntniß, sagt Moore, in welchem er, unter den Augen Sheridan's, der lange Zeit der Freund seiner Familie gewesen, und in dessen Hause er in der Regel seine Ferien zubrachte, erzogen worden war, schien ihm, nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge, die Richtung die er im Hause der Gemeinen nehmen würde, schon ganz vorgezeichnet zu seyn. Sheridan hatte, mit ei­ nem Eifer der, so voreilig er war, doch den Werth zeigte den er und andere auf die Verbindung legten, die Gele­ genheit ergriffen, während er Hrn. Zenkinson (jetzt Grafen v. Liverpool) über den Erfolg seines ersten Versuches im Parlamente seinen Beifall bezeugte, seiner eignen Partei Verstärkung die Talente eines andern jungen Mannes zu verkünden, — des Gefährten und Freundes des jungen Redners, der sich so eben ausgezeichnet habe. Ob diese und andere Freundschaften, die Canning auf der Universität an-

47 geknüpft hatte, dazu beitrugen ihn von seinem politischen Credo abtrünnig zu machen, das er bis jetzt vielleicht mehr aus Gewohnheit und Anleitung als auS Wahl angenom­ men hatte, — oder ob er bei dem Gedanken stutzte, seinen ersten Eintritt in die Welt als der erklärte Zögling und Freund eines Mannes zu machen, der durch die Heftigkeit seiner politischen Grundsätze, und seinen unregelmäßigen Lebenswandel gewissermaßen in den Bann der öffentlichen Meinung gerathen war, — oder ob er endlich die Schwie­ rigkeilen voraussah, denen selbst ein Geist wie der seinige zu begegnen haben würde, um, unter den schattenden Zwei­ gen einer Whig »Aristokratie, und bei dem überwiegenden Einfluß von Geburt und Verbindungen, die selbst mitge­ wirkt hatte Männer wie Burke und Sheridan aus dem Cabinet entfernt zu halten, zu den endlichen Früchten sei­ nes ehrgeizigen Strebens zu gelangen, — welcher dieser Gründe es war, der jetzt die Wahl des jungen politischen Herkules zwischen den beiden Pfaden entschied, die gleich dringend ihn zu sich forderten, kann nur er allein bestimmt entscheiden. Seine Entscheidung war, wie wir wissen, zu Gunsten der Minister und des Toryismus; und nach einer freundschaftlichen und offenherzigen Erklärung gegen Sheri­ dan über die Gründe und Gefühle die ihn zu diesem Schritt bewogen, trat er mit Pitt in Unterhandlung, und wurde von diesem alsbald in das Parlament gebracht. Wie ge­ fährlich es auch seyn mag ein solches Beispiel zu einem Prejudicat zu erheben, so fragt es sich doch sehr, ob nicht Canning durch seinen Entschluß zu der herrschenden Partei überzutreten, seinem Vaterlande eine größere Wohlthat er­ zeigt habe, als er ihm je in den Reihen seiner ursprüngli­ chen Freunde hätte erzeigen können. Jene Partei, die nun so lange einzige Inhaberin der Macht im Staate gewesen ist, hatte bei ihren an sich schon engeren Grundsätzen, noch

48

jenes stolze und eigensinnige Festhalten an veraltete Irr­ thümer angenommen, welches das Wesen solcher Monopole ohne Ausnahme bezeichnet, und welches, wie angemessen eS auch ihrem Berufe, als dem erwählten Werkzeuge bet Krone ist, sie doch schon lange als unfähig für den Dienst eines freien und aufgeklärten Volkes dargestellt haben mußte. Etwas von dem Geist der Zeit diesem Körper einzuhauchcn, war selbst zu dessen Erhaltung nothwendig geworden, auf dieselbe Art wie einige Aerzte den Altersschwachen das Ein­ athmen jugendlichen OdemS anempfohlcn haben. Diese verjüngende Belebung hat der Geist CanningS ekngehaucht. Sein erster Unterricht in der Politik war Quellen ent­ sprossen, die seiner jugendlichen Ehrerbietung zu heilig wa­ ren, alS daß er ihrer je hätte vergessen können. Den Geist dieses Unterrichts hat er mit in die berathende Versamm­ lung hinüber genommen, der er sich zugesellte, und durch die Kraft dieser Impfung, die sich allerdings schon in den Früchten zeigt, erregt er Hoffnung die Natur des Toryismuö gänzlich umzuwandeln." Wir sind ganz der Meinung Moore's, hinsichtlich des Wohlthätigen, daS jener Entschluß Cannings für das Land hatte. Was aber die offenherzige Erklärung gegen Sheri­ dan betrifft, über die Ursachen und Gefühle die ihn bewo­ gen mit Pitt in Unterhandlung zu treten, so erinnern wir uns, daß damals zweierlei Angaben in Umlauf waren. Man sagte daß dieser Schritt ursprünglich von Sheridan ausging, der, mit mehr Privat-Aufrichtigkeit und persön­ licher Freundschaft als öffentlicher Redlichkeit, seinem hoch­ strebenden Günstling die Ueberzeugung bcibrachte, daß libe­ rale Ansichten und excentrische Grundsätze über Freiheit, zu nichts führten, als zu leerem Ruhme und zur Bewunderung des großen Haufens: so daß es für einen armen Mann sicheres und unabwendbares Verderben sey in das Unter­ haus,

49 hau-, mit der Absicht auf öffentliche Anstellung, zu treten,

sobald er nicht im voraus entschlossen sey, seine Talente der Unterstützung de- Minister- zu weihen;

daß dagegen

für Talente, verbunden mit einer schmiegsamen Natur und

Kenntniß menschlicher Handlungsweise, das Haus der Ge­

meinen der reichste Markt in der Welt sey.

Die andere

Erzählung ist die, daß bei einem Abendessen, welches die

berühmte schöngeisterische Dame jener Zeit, Mrs. Crew, gab,

in deren gastlichen Sälen alle Whigs und Bels

Esprits in der Stadt sich zu versammeln pflegten, und zu deren beständigen Gästen auch Fox und Sheridan gehörten, Canning, der damals ungefähr 23 Jahr alt war, in einem

tete ä tete mit Sheridan (den er deshalb aus dem Kreise seiner Freunde bei Seite genommen) diesen förmlich über

die Zweckmäßigkeit zu Rathe gezogen habe, eine unvortheil-

hafte Gattung von Grundsätzen gegen andere aufzugeben,

die besser anzubringen und einträglicher wären, oder in an­ dern Worten, seine Freunde zu verlassen und zu den Mi­ nistern überzugehen; und daß Sheridan, nachdem er dieser

Mittheilung mit gehöriger Gravität, als ob ihn die Frage höchlich intereffire, zugehört habe, anstatt wieder im Ver­

trauen dem Ohr des ängstlichen Fragers zu antworten, in eine laute und komische Berufung an die Dame vom Hause

und die sie umgebende Coterie ausgebrochen sey, ihre Mei­ nung verlangend über einen Punkt von solcher Wichtigkeit für den Charakter und die Consequenz des bedächtigen und

gewissenhaften jungen Manneö, der um ihren Rath bitte. Ohne von den eigennützigen und ehrgeizigen Motiven

bedeutend abzugrhen,

denen diese Angaben den größten

Einfluß auf die Abtrünnigkeit Cannings von seiner Partei und seinen frühesten Freunden zuschreiben, können wir doch

wohl mit Recht glauben, daß der Charakter den die fran­ zösische Revolution damals annahm, die Gräuel und ScheußLanninz» Denkw. L

4

50 lichkeiten,

die sie jum Schandfleck

und

zum Schrecken

der eivilisirten Welt machten, dazu die heftigen Parteiun­ gen im Parlament, so wie die wilden und schwärmerischen

Lehren, die unter den Reformatoren außerhalb deö HauseS sich zu bilden anfingen, ohne daß die großen Anführer der

Opposition ihnen den geringsten Einhalt gethan hätten, daS Zhrige dazu beitrugen, seine Anhänglichkeit an die Volks-

Partei zu erschüttern.

Auch das Beispiel Burke's, dessen

hochsinniges Benehmen und dessen ausgezeichnete Talente ihn

zum Abgott seiner Freunde und zur Bewunderung seiner Feinde machten, hatte seinen Antheil an der Bekehrung deS

angehenden Staatsmannes, den, während er in einem Gemüthszustande war, dem Garrick'S ähnlich, in welcher da­

schöne Gemälde Reynold'S ihn darstellt, wie nrmlich Tra­ gödie und Komödie um ihn werben und er zu beiden glei­

che Neigung zeigt, — ohne Zweifel sein Freund Zenkinson sanft bei der Hand nahm, und ihn zu dem großen politi­

schen Apollo, dem Gott des Unterhauses führte, der dann

entschied daß er die komischen Rollen übernehmen solle, um den feierlichen Ernst der Bande von Tragikern zu beleben,

die er weniger zur Unterhaltung als zur Einschüchterung Europas engagirt hatte.

Die Folge dieser Einführung bei

Pitt war, daß er bald, als Sir Richard Worsley'S Sitz

für Newport auf der Insel Wight erledigt wurde, knS

Parlament kam, um dem Minister anstatt eines stummen, einen beredten Beistand zu gewähren.

Dies war im Jahr

1793, als Canning in seinem drei und zwanzigsten Jahre

war; doch wagte er seine erste Rede erst am 31stenJanuar 1794.

Die Gelegenheit war keineswegeS günstig; er kam

dabei in unmittelbare Collision mit Fox,

und die Gemä­

ßigten von allen Parteien waren nichts weniger als damit zufrieden, daß der erste Minister feinen mächtigen und edlen Nebenbuhler den vorwitzigen Angriffen eines jungen Man-

51 nes aussetzte, der ihn mit eben solcher Gleichgültigkeit und Geringschätzung behandelte, alS ob er Einer von der Mock, Opposition von der Zeit zu Eton her gewesen wäre. Fox hatte den Traktat angegriffen, wodurch Pitt dem Könige von Sardinien sehr große Subsidien zugesichert hatte, da­ für nemlich, daß er seine eigenen Schlachten schlüge, und ein Corps Truppen unterhielte, das unbedeutend an Anzahl, und unvrrhältnißmaßig zu der Größe der Subsidien war. Cannings Erwiederung zeichnet sich durch zweierlei aus; einmal durch ihren außerordentlichen Takt, der eine voll­ kommene Kenntniß mit den Ansichten und Vorurtheilen der Gesellschaft bewies, an die sie gerichtet und für die sie aus­ schließlich berechnet war; sodann durch ihre unbedingte, un­ gemessene, selbst heftige Vertheidigung des Krieges. ES war, sagt Woodfall, der Berichterstatter, eine geschickte und genaue Rekapitulation der Argumente, welche in einer frü­ heren Sitzung vom Kanzler der Schatzkammer und andern Mitgliedern beider Häuser vorgebracht worden waren, um die Nothwendigkeit des Krieges zu zeigen, so wie die Uebel, deren Abhülfe man von ihm erwarte, und die, wenn man ihnen nicht kräftig widerstände, Großbrittannien zum Schau, platz eben solcher Anarchie und Irreligiosität machen wür­ den, als wodurch Frankreich jetzt ein Feld der Verwüstung und des Blutvergießens geworden sey. Unter andern schlagenden Bemerkungen in der Canningfchen Rede war auch die, daß, wäre der Krieg nicht, vielleicht irgend eine correspondirende Revolutions-Gesell­ schaft die Bänke im Hause jetzt einnehmen möchte; oder daß sie, anstatt über einen Allianz-Traktat, über die Mit­ tel zur Erhebung einer gezwungenen Anleihe debattiren könn­ ten, die ein proconsularischer Deputirtcr von Seiten der französischen Convention von ihnen verlangte. Er sey erst kürzlich, sagte er, vom Volke hergekommen, bei dem er die 4*

52 größte Einmüthigkeit zur Fortsetzung des Kriege- bemerkt;

und es habe ihn nun glücklich gemacht, in den Aeußerungen der Repräsentanten desselben zu erkennen, daß ihre Gesin­

nungen, wie das ja auch der Fall seyn müsse, mit denen ihrer Constituenten übereinftimmten.

Von seiner Geschicklichkeit ein Argument zu handha­ ben, das von keinem sehr analogen Beispiele hergeleitet war, mag das folgende eine Probe geben; es ist ebenfalls aus

diesem seinem ersten Versuche im Parlament entnommen, und der Leser wird sich erinnern, daß es alS Erwiederung

auf eine sehr lichtvolle und verständige Auseinandersetzung

von Seiten Foxens diente.

Indem er die Bewilligungen

an den König von Sardinien vertheidigte, die man deshalb angriff, weil sie einen größer» Preis für ähnliche Vortheile begriffen, oder geringere Leistungen für einen ähnlichen Preis

annahmen, als in früheren Subsidien - Traktaten mit aus­

wärtigen Mächten geschehen

war,

führte Canning

den

Tractat von 1758 zwischen England und Preußen an, wel­ ches mitten in einem Kriege, in den es verwickelt war,

Subsidien bis zum Belauf von 670,000Pfund jährlicher­

halten habt, wobei die Gründe, aus denen diese Subsidien bewilligt worden, ausdrücklich folgende drei gewesen seyen: daß es von Feinden unterdrückt werde, die es von allen

Seiten angriffen; daß es allem Anscheine nach unfähig sey ihnen zu widerstehen,

und

daß seine Vernichtung das

Gleichgewicht der Macht in Europa zerstören würde. Hier

sey also ein Beispiel, das im Princip wie in facto dem jetzigen Tractat zur Seite stehe; ein Beispiel, wohl zu mer­ ken, das nicht nur ohne Widerstand, sondern selbst im

Triumph im Hause durchging, und den einstimmigen Bei­ fall der ganzen Nation erhielt.

Die Frage betreffe also

das Gleichgewicht der Macht, und wie weit die Nothwen­

digkeit Subsidien zu bewilligen, damit zusammenhänge? Er

53 wünsche nun zu wissen, ob diese Frage etwa behülflicher seyn würde, den unwissenden Bauern dazu zu bringen, daß er den Beutel öffne, als eine die sein nächstes Interesse anginge, ja die selbst seine Existenz bedinge? Könnte man ihm wohl sagen, daß das Gleichgewicht der Macht davon abhange, daß er die Hand in die Tasche stecke, um einen Mann zu unterstützen, der verhältnißmäßig eben so arm ist wie er? oder ist es wahrscheinlich, daß er das Verhält­ niß besser verstehen wird, wenn man ihm sagt, daß er zu seiner unmittelbaren Selbsterhaltung beiträgt, wenn er dem Könige von Sardinien Substdien bezahle? Da man von allen Seiten zugegeben habe, daß der König von Sardinien zu arm und zu ohnmächtig sey, um den Krieg allein fort­ zuführen, so frage eö sich nur, ob wir ihn unterstützen sol­ len, oder ob wir, eben so wie wir meinen, daß der Graf von Parmouth am besten für unS unterhandelt habe, weil er uns nichts gekostet hat, auch annehmen wollen, daß der König von Sardinien um so besser für uns fechten werde, wenn wir ihn unbezahlt lassen? Er wolle damit dem acht­ baren Herrn, auf den sich das beziehe, nichts unehrerbietiges sagen, aber nach seiner Argumentation müsse eigentlich der König von Sardinien uns Substdien geben, das heißt, da wir sehen daß diese Macht schwächer und unfähiger ist sich zu vertheidigen, als unsere übrigen Alliirten, so sollten wir zu ihr sagen: „ficht du und bezahle uns dafür, daß wir eben nichts thun als zusehen." — Da jenes Beispiel also den gegenwärtigen Tractat, sowohl den Principien als den Thatsachen nach rechtfertige, so, sagte Canning, müssen die einzigen möglichen Einwendungen aus dem Kriege selbst hergenommen werden. Das gab ihm denn Veranlassung in das Verlangen nach Krieg mit einzuftimmen, wie wir oben schon erwähnt haben, und damit seine Antrittsrede zu schließen, die in dem damaligen Bericht als eine mei­ sterhafte bezeichnet wird.

54 Am lOftn April desselben Jahres finden wir Canning an der Debatte Theil nehmend, die über den Feldzug des vorhergehenden Jahres Statt hatte.

Major Maitland trug

in einer Rede von großer Ausführlichkeit, Gründlichkeit und Beredsamkeit auf eine Untersuchung der Kriegführung, be­

sonders während des letzten Feldzuges an.

Sein Antrag

war: daß das HauS fich in eine Committee bilde, um die Gründe zu untersuchen, auS denen das Unternehmen der Armee, unter dem Befehl Sr. Königs. Hoheit des Herzogs

von Pork, gegen Dünkirchen fehlgeschlagen sey; ferner zu untersuchen, waS die Räumung ToulonS unter den Befeh­

len des General Dundas und des Vice-AdmiralS Lord

Howe veranlaßt habe. Zn dieser Debatte zeichnete Hr. Jenkinson sich auS. Er antwortete in seiner Rede, nach der Reihe, auf alle Vorwürfe, die Major Maitland den

Ministern gemacht hatte.

Dieser Versuch deö Freundes

Cannkngs und nachmaligen ersten Ministers von Großbrit­

tannien bewies Verstand, aber keinen Geist; doch bekundete er ihn als einen Mann von ruhiger Forschungskraft, der fein Ziel mit Geduld und Festigkeit verfolgte, ohne sich irre machen zu lassen.

Canning hatte im Anfänge seiner Rede

nur eine Art Vorposten - Gefecht leichter Truppen gegen die

Opposition geführt; gegen das Ende aber überließ er sich seinem Hange zur Satyre und zu Sarcasmen, der ihn

späterhin feinen Gegnern furchtbar, dagegen um so schätz­

barer für seine weniger ausgezeichneten Collegen machte. Sm gegenwärtigen Falle entging er nicht dem Tadel eines Mitgliedes des Hauses, welches meinte, daß Sarcasmen

schlecht angebracht wären, wo sie großmüthige Anstrengun­

gen zu Gunsten eines gekränkten und unterdrückten Volkes in ein geringschätziges Licht stellten.

Es scheint, Canning

habe etwas vorwitzig die Inkonsequenz und Sophisterei ei­

niger Herren getadelt, die für Pohlen Summen unterschrie-

— 55



ben, und dagegen gleichgültig blieben gegen den Ruf ihreeigenen Vaterlandes und zu Gunsten ihrer eigenen Regie­ rung. Hr. Francis meinte, diese Bemerkung sey anzüglich und beleidigend, und widerlegte sie, indem er zeigte, daß die Gründe, die ihn zu jener Subskription veranlaßt hät­ ten, die wären, daß er sie für verfassungsmäßig, rechtlich und ehrenvoll für den Character der Nation gehalten habe. Als er einen Beitrag für sein eignes Vaterland verweigert habe, sey es geschehen, weil die Aufforderung dazu ver­ fassungswidrig gewesen sey, er also kein Recht dazu gehabt habe. Auch sey sie unnöthig, und da- sey ein Grund mehr; und er werde sie gewiß so lange für unnö­ thig halten, als eö daS besondere Vorrecht deS Hauses der Gemeinen sey, diese Art Geschäfte zu reguliren. Der junge Gentleman, eben erst seiner Schule und seinen Klassikern entronnen, und noch nicht recht bekannt mit den Gesetzen und der Verfassung seines Vaterlandes, habe unvorsichtiger Weise Gesinnungen geäußert, die ihn herabwürdigten, und wodurch er in der Meinung der Welt verlieren müßte. (Hier wurde er zur Ordnung gerufen.) Er wolle dem achtbaren Mitgliede nicht- persönlich beleidigendes gesagt, sondern nur seinen Abscheu vor solchen Gesinnungen aus­ gedrückt haben; und daß eS ihm um so mehr leid thäte, da sie von einem jungen Manne herrührtrn, indem sie so we­ nig dem offenen und hochherzigen Geiste entsprächen, den man sonst in diesem Lebensalter anzutreffm pflegte. Der Schluß der Rede Cannings bei dieser Gelegen­ heit ist zu charactrristisch, al- daß wir sie weglaffen könn­ ten. Viele der Herren, sagte er, haben eö für zweckmäßig gehalten, über daS Unglück des Krieges fromme Klagelie­ der ertönen zu lassen. Ihre reizbaren Gefühle vermögen wohl nicht einmal den Gedanken zu ertragen, jene- schöne System, jene herrliche Regierung zu zerstören , die jetzt in



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Frankreich die Oberhand hat, und die sich durch Humani­ tät, Philantropie und Rrligiösität so sehr auszeichnet. Wolle man einen Blick auf die Geschichte deS menschlichen Her­ zens werfen, so würde man sehen, daß, wie bei Nationen, Anarchie und Verwirrung nothwendig eintreten, wo ehr­ geizige Absichten der Hauptgegenstand seyen; wenn eS aber der Zweck dieses Landes (Englands) sey, Frieden herbeizu­ führen, so müsse eS die Einführung der Monarchie wün­ schen, welche Regierungsform immer eine gleich­ förmige Milde beweise, und die Wohlfahrt des Ganzen auf gleiche Weise befördere. Das Verfahren der Regierung, auS ihrem Wunsche den Loyalisten der Vendve beizuspringen entstanden, sey wenigsten­ äußerst lobenswerth zu nennen; ihr Zweck war Monarchie, wie denn die Weltgeschichte ihnen beweisen müsse, daß diese das sios qua non des Friedens sey. ES thue ihm leid, daß die Minister so sehr gegeizt seyen, und die Papiere nicht alle vorgelegt hätten, die die Opposition von ihnen verlangt habe. Die Liste der Getödteten und Verwundeten, hätte man sie nur auf den Tisch gelegt, würde gewiß reichlichen Stoff für empfindsame Declamation gegeben haben. Schreck­ lich würde eS seyn zu sehen, daß Salpeter, den man tief aus der Erde gräbt, so manchen schönen Kerl dahin strecke. Ein gelehrtes Mitglied (Hr. Zrkyll) könnte, bei Betrach­ tung der Liste, ausrufen: wäre es nicht um des abscheuli­ chen Schießgewehrs, ich möchte selbst wohl Soldat seyn. Er, Canning, meine, eS müsse ihm wohl gestattet seyn, einmal das Benehmen des Ministeriums während des Feld­ zuges zu betrachten, und es mit dem zu vergleichen, das die Opposition, wäre sie am Ruder gewesen, wahrscheinlich befolgt haben würde. Wir würden dann in Frieden mit Frankreich seyn, und das Bündniß mit dem Blute der Könige besiegelt haben. Wir würden im Kriege seyn mit

57



Rußland, Oesterreich und Preußen. Wir würden gegen die Freiheit Pohlens uns verschworen und dieses Land in Krieg verwickelt haben. Diejenigen, die jetzt zur Unterftüzzung dieses Landes Unterzeichnungen eröffnen, die sie zu Gunsten ihres eigenen Vaterlandes verweigern, würden als dessen entschiedene Feinde aufgetreten seyn. Anstatt der Fremden-Bill und der Arte zur Beschützung französischen Eigenthums in unsern Fonds, würden wir unsere Städte mit französischen Citoyens angefüllt gesehen haben; und anstatt englischer Banknoten würden französische Assignaten unser Land überschwemmen. Am 17trn desselben Monats kam die Frage über die Suspension der Habeas Corpus-Acte vor, damals eine noch verhältnißmäßig sehr neue Frage im Parlament, die das brittische Volk im höchsten Grade in Schrecken versetzte. Bei dieser Gelegenheit zog sich Canning, durch seinen gro­ ßen Eifer die Abwesenheit des Premier-Ministers zu ent­ schuldigen, einen bittern Spott von Seiten Sheridans zu, welcher bemerkte: „des Kanzlers Anwesenheit sey gewiß unnöthig; denn die mit denen er die Ehre habe jetzt zu verhandeln, schienen entschlossen, daß man sie vom ersten bis zum letzten Augenblick auf ihren Posten antreffen solle. Wenn der achtbare Gentleman (Hr. Canning) nur aufge­ standen sey, um durch Sprechen Zeit zu gewinnen, so sey feine Rede sehr kurz; und solle sie als Entschuldigung für die Abwesenheit seines sehr achtbaren Freundes gelten, so sey sie eine der kahlsten, die er je gehört habe." Der Grund den man angab, um jene Gesetze zu suspendiren, und den Ministern die Macht in die Hände zu geben, die Besten wie die Schlechtesten im Lande zu ver­ haften, so wie augenblickliche Laune oder persönliche Feindschast es ihnen eingab, ohne sie der geringsten Verantwort­ lichkeit auszusrßen, oder den Betheiligten die Rechte, die

58 allen Engländern gemein sind, zu gewahren, war die an­ gebliche Unzufriedenheit des Volks mit der Regierung, und der Vorsatz mehrerer selbst eonstituirter Gesellschaften, auf offenem verfassungswidrigen *) Wege eine Reform deS Un­ terhauses im Parlament zu bewerkstelligen. Die Nation war über die erste Beschuldigung, Unzufriedenheit betreffend, wie auS den Wolken gefallen: denn anerkannt hatte die öffentliche Stimme noch nie ein Ministerium so kräftig un­ terstützt, als dasjenige, welches damals am Ruder war; und was das Verfahren der eorrespondirenden und anderer ähnlicher Gesellschaften damals betraf, so war dieses, so viel auch in einzelnen Punkten daran zu tadeln seyn mochte, oder Verdacht erregen konnte gegen die thätigsten Mitglie­ der derselben, doch durchaus nicht der Art, um Besorgnisse zu erwecken, und Maßregeln zu rechtfertigen, die über eine verständige Wachsamkeit hinauSgingen, und über eine Auf­ forderung an die bestehenden Gesetze, die durchaus hinreichtcn, um jedem etwa vorkommenden Vergehen zu begegnen. Die Freunde der Constitution im Parlament waren über diesen dreisten Angriff auf die Volksrechte höchst aufgebracht, besonders da der Minister, der so eifrig war ihn durchzu­ setzen, selbst das Beispiel zu dem gegeben hatte, was er jetzt verdammte, und eigentlich die Fackel angrzündet, die er jetzt mit Blut auslöschen wollte. Hr. (jetzt Graf) Grey warf dem Premier-Minister diese grausame Ineonsequenz in Ausdrücken bittern und schmähenden Tadels vor. Was, sagte er, that der Minister, als im 3. 1782 sein angebli­ cher Eifer für eine Parlaments-Reform, durch einen Antrag zur Tagesordnung zu schreiten, eine Niederlage erlitt? Er

') Sm Text steht freilich constitu tional; ich hielt mich aber durch den Zusammenhang berechtigt, es al« uncon•titutional zu übersetzen, A. d, Ueb.



59

gab sie für immer auf. William Pitt, der Reformer jener Zeit, sey William Pitt, der Ankläger, ja der Verfolger der Reformer heut zu Tage. Derselbe, der eS damals für Recht halten konnte die Leidenschaften des Volkes zu entflammen, und ihm eine Verachtung gegen daö Haus der Gemeinen beijubringen, wolle jetzt dem Volke nicht einmal gestatten, über seine eigenen Rechte und theuersten Interessen zu ur­ theilen, sondern verfolge, recht mit der Bitterkeit eineS Apostaten, seinen früheren Mitkämpfer in jener Frage der Parlaments-Reform. Noch an dem heutigen Tage habe er John Hörne Tooke abgehört, der im Gefängniß sey, dafür daß er auf seinen Gesinnungen beharre*). Derselbe Wil­ liam Pitt, der einst daS Publicum gelehrt habe, daß keine Ehrlichkeit vom Haufe der Gemeinen zu erwarten sey, und daß daS Volk AlleS für sich selbst thun müsse, verlange jetzt, daß das Volk Nichts für sich selbst thun, sondern dem Hause der Gemeinen selbst das Recht seiner persönli­ chen Freiheit Preis geben solle. „Wenn, fuhr Grey fort, auS dem Grundsätze sich an das Volk, anstatt an daS Parlament zu wenden, irgend ein Unheil entstanden, so wolle er zuversichtlich behaupten, daß der Kanzler der Schatzkammer der Urheber dieses Uebels •) Z. H. Look« war mit vielen andern Mitgliedern der Lon­ don corresponding society des Hochverrats angeklagt wor­ ben ; sie wurden aber sämmtlich frekgesprochen, ober vielmehr nachdem Loake und ein Anderer, Hardy, frekgesprochen wa­ ren, ließ der StaatS-Anwald die Anklage gegen die Uebrigen fallen. Tooke hatte zur Rechtfertigung seiner Grundsätze sich auf Pitt und den Herzog von Richmond berufen, und bei sei, nem späteren Berhtre diese sogar alr Entschuldigung-zeugen sistirt. Hardy, «in Schuster, war Secretair der Gesellschaft, und sein Schreiber war es gewesen, aus welchem die franzt« fische National-Versammlung die Stimm« des englische» Vol­ kes zu vernehmen geglaubt hatte.

60 sey. Er frage, in welchen Ländern, in welchen Gesellschaf­ ten, wohl nicht partcisüchtige Menschen gefunden würden? fände man sie häufig, auch häufiger wie verderbte und schändliche Minister, die, um ihre schlecht erworbene Macht zu vermehren oder zu erhalten, alle Rechte mit Füßen trä­ ten, und alle Pflichten verletzten? Träfe man die erste Classe von Menschen an, wie wahr sey es, daß sie in der Regel nur durch die unzeitige und übelwollende Strenge der an­ dern, hervorgerufcn würde. Man behaupte, daß jene Ge­ sellschaften, mit dem Worte Reform im Munde, im Herzen den Umsturz der Constitution beabsichtigten; und diese Be­ hauptung stütze man auf den Ausdruck, daß eine Reform nicht vom Hause selbst, sondern nur vom Volke zu erwar­ ten stehe. Welches sey der Zweck dieser Leute? Ihr osten­ sibler Zweck, sagt der Minister, sey dir Parlaments-Re­ form ; ihre wahre Absicht aber gehe auf Vernichtung der Regierungsform dieses Landes. Wie erkläre man das? durch die Aussprüche, wie der Minister sagt, dieser Leute selbst; denn sie reden nicht davon an das Parlament, son­ dern an das Volk sich zu wenden, um eine ParlamentsReform zu erwirken. Wenn daö verbrecherische Reden seyen, bemerkte Grey, so sey er selbst einer der größten Verbre­ cher. Er scheue sich nicht öffentlich zu erklären, daß er vom Haufe der Gemeinen nichts für eine Parlaments-Re­ form hoffe; daß feine Hoffnung in dieser Hinsicht lediglich auf dem Volk beruhe; daß das HauS nie zu einer Reform oder zur Beseitigung der Mißbräuche, die eS jetzt aufrecht erhielten, gebracht werden könne, als durch Beschlüsse deS Volks, die auf dessen Klugheit einwlrkten, und die das Volk daher ergreifen müsse. Diesen Punkt könne eS aber nur dadurch erreichen, daß es sich truppweise versammle. So habe auch der Minister im 3. 1782 geredet; wie er aber jetzt gesinnt sey, wisse er nicht, denn wer könne die

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Gesinnungen eines Apostaten kennen, der sich nur von sei­ nem Gutdünken leiten ließe?" „Ein achtbares Mitglied (Hr. Windham) habe, in einer früheren Debatte, behauptet, daß die Lehre von einem allgemeinen Stimmrechte nur für den Auswurf deö Vol­ kes sich eigne; wenn dem aber so wäre, so paffe diese Be­ zeichnung gerade auf William Pitt und den Herzog von Richmond. Der Herzog sey der Anwald für allgemeines Stimmrecht gewesen; und in der Vertheidigung dieser Lehre habe ihn der sehr achtbare Gentleman aufs eifrigste unter­ stützt. Zum Beweise dieser Behauptung führte er ein Stelle auS einem Briefe des Herzog- an Colonel Sharman an, worin es hieß: „es seyen schon oftmals so vergebliche Ver­ suche zu einer Parlaments-Reform im Hause der Gemei­ nen gemacht worden, daß von dieser Seite nicht- mehr zu erwarten sey, und daß, wenn noch eine Reform je Statt finden solle, man sie allein vom Volke erwarten könne." Nicht nur seyen dieses damals die Gesinnungen deö Herzogs von Richmond gewesen, sondern er habe sie auch mit eben den Vorschlägen begleitet, die jetzt jene Gesellschaften anempföh­ len, — allgemeines Stimmrecht, und jährliche Repräsen­ tantenwahl. Was also hätten sich jene Leute mehr zu Schulden kommen lassen, als der Kanzler der Schatzkam­ mer und der Herzog von Richmond? und waS hätten jene unglücklichen Opfer, Muir und Palmer*), deren harte Strafe selbst den Gleichgültigsten aufbringen müsse, mehr gesagt oder gethan, um sie ihren jetzigen Leiden Preis zu •) Der Eine ein Advocat, der Andere ein Geistlicher, waren in Schottland aufrührerischer Umtriebe schuldig befunden wor­ den. Das schottische Gesetz hat dafür die Strafe der Out« lawry - Aechtung; «- wurde damals den Richtern zum Vor­ wurf gemacht, daß sie diese Strafe bestimmter in 14jährige

62 geben? Wären, damals die Papiere deS Herzogs von Rich­ mond weggenommen, und darauf der Antrag gegründet

worden, die HabeaS-CorpuS-Actr zu suspendiren, würde

man es sich nur einen Augenblick haben gefallen lassen?

und doch sey der einzige Unterschied der,

daß die welche

damals auf der einen Seite des Hauses saßen, jetzt auf der andern sitzen."

Für die Partei seines mächtigen Gönners geworben, von diesem wegen seiner Talente geschmeichelt, und in der

Erwartung von etwaS materiellerem als bloße Schmeiche­

lei, dabei jung', seiner Kräfte sich bewußt, und weniger überlegt als seinem Feuereifer sich hingebend, dürfen wir

uns unter diesen Umständen nicht wundern, Canning als den Advocaten seines Gebieters auftretrn zu sehen, unvor­ sichtig und daS Maaß überschreitend.

die Vertheidigung jener Maßregel.

Heftig stritt er für Auf seine rednerische

Weise rief er aus: „Großer Gott! wie können die Her­ ren sich nur einer Maßregel widersetzen, bar nothwendig ist!"

die

so offen­

Zn Erwiederung auf die Behaup­

tung von Seiten der Opposition, daß, wenn man nur Zeit

geben wolle, von allen Gegenden des Landes Bittschriften

sich herandrängen, und die Tische im Hause bedecken wür­ den, sagte Canning, er habe weder vor dem Recht noch vor

dessen Ausübung die geringste Achtung, und erklärte, er

würde sich durch keine Petition, sie möge Herkommen wo­

her sie wolle, einschüchtcrn lassen, so lange er überzeugt sey, daß er seine Pflicht alS Repräsentant des Volkes, und

Deportation nach einer Verbrecher-Colonie verwandelt hat­ ten. Außerdem waren noch einige Unregelmäßigkeiten bei dem Transport, durch Detention der Gefangenen in einem Ver­ brecher, Schiff »u Woolwich vorgefallen. S, Bisset, Hist, of George III,

63

-um Besten deS Landes, gehörig erfüllt. Er fühle sich in dieser Hinsicht auf einen so hohen und erhabenen Poften gestellt, daß er jede andere Rücksicht durchaus übersehen zu müssen glaube; und so lange er die ihm übertragene Ge­ walt nach den Aussprüchen seines Gewissens übe, würde er sich durch keine andere Unterweisung leiten lassen, aus welcher O-uelle sie auch fließen möge. Canning ging dar­ auf zu dem Benehmen des Kanzlers der Schatzkammer über, da dieser als Anwald für Parlaments-Reform auf­ getreten war. Wie er damals darüber gedacht habe, könne jetzt nur wenig in Betracht kommen; indessen sey er selbst ganz der Meinung seine- sehr achtbaren Freundes: und er komme mit ihm darin überein, daß, wenn solche Reform auch in Friedenszeiten schicklich zur Erörterung käme, es doch ein Gegenstand sey, der in Zeiten stürmischer Unruhen nicht in An­ regung gebracht werden dürfe. Es sey jetzt nicht an der Zeit solche Dinge von einem partiellen Gesicht-punkte auS zu betrachten; man müsse nicht einzelne Theile nur, sondern das Ganze in's Auge fassen. Die Bemerkungen die man über die vermeintliche politische Apostasie seinesehr achtbaren Freundes gemacht habe, stünden in keiner Verbindung mit der vorliegenden Frage, und wären an sich so frivol und nichtig, daß sie kaum einer Widerlegung be­ dürfen; dagegen trüge er selbst kein Bedenken zu erklären, daß, wie sehr er auch vielleicht die Vortheile abzuwägen habe, die auS solcher Maßregel entstehen würden, gegen die Uebel die der so laut gedrohete Austritt des achtbaren Mitgliedes und seiner Collegen mit sich bringen könnte, er wahrscheinlich dem Kanzler der Schatzkammer wieder bei­ stimmen würde, wenn dieser in Zukunft wieder zu seiner früheren Ansicht zurückkehren sollte. Es würden die Mi­ nister, falls sie in dieser Angelegenheit weiter gingen, mit

64 drr Rache deö Volk- bedroht, und dem Parlament drohe man mit einer Verminderung an Mitgliedern; er vermöge indessen die furchtbaren Folgen nicht zu entdecken, die eine Ausführung dieser Drohungen für das Land haben könne. Er sey vielmehr der Meinung, daß rin jeder solcher Aus­ tritt ausgewogen werden würde durch das Gute, welches aus dem weisen Vorschläge, der jetzt dem Hause vorli'ege, für die Nation erwachsen müsse. Was das Volk betreffe, so habe er eine bessere Meinung von dessen Verstand, alS die, welche glaubten, daß es seine Freunde nicht zu unter­ scheiden wisse; es sey durch die Subskriptionen, welche die Minister vorgeschlagen hätten, auf die Probe gestellt wor­ den; und habe bewiesen daß seine Gefühle mit denen der Minister übereinstimmten, wie sehr auch jene Maßregel verrufen worden sey. Canning schloß mit der Bemerkung, daß, wie man auch ihm nebst seinem Freunde, mit Austritten aus dem Hause und mit Unruhen von außen her, drohen möge, man sie doch nie bewegen würde sich alS Gesandte auswärtiger Staaten zu betrachten; sondern daß sie, im Gefühl und Bewußtseyn ihrer eigenen Würde, dle spätere Billigung drr Nation erwarten würden. In gewöhnlichen Zeiten sey es die Pflicht des HauseS darauf zu sehen, daß jeder einzelne Theil der Verfassung aufrecht erhalten werde; jetzt müsse es für die Beschützung des Gan­ zen Sorge tragen. Er wisse daß die Mitglieder des Hau­ ses alS die besten Hüter und Beschützer des Volkes ange­ sehen würden, und daß jede Ader und jeder Pulsschlag dieses letzteren, mit denen des Parlaments gleichstimmig schlage. Entweder muß diese letztere Behauptung ungegründet gewesen seyn, oder das Argument für jenen Eingriff in die Freiheit des Volks, da- sich auf dessen Unzufriedenheit stützte, war eine kahle Sophisterei, und ein offenbarer Wi­ der-

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derfpruch. Uebrigens wußte man im Hause, wie außer­ halb desselben, sehr wohl, daß, so wie der Kanzler der Schatzkammer Minister der Krone, so der im Embryo ge. blkebene Advocat, der mit einem Male zum Staatsmann herangewachsen war, Minister deö Kanzlers sey. Einige gingen so weit, ihn den Mignon des Ministers zu nennen. Hr. Courtenay fing seine Rede in dieser Debatte mit einer ironischen Lobrede auf die glänzenden Talente Cannings an: er sagte, er bewundere sie ganz ausnehmend, wisse aber nicht ob er mehr über die Argumente die er vorbringt, oder über den Scharfsinn staunen solle, mit dem er seinen sehr achtbaren Freund, den Kanzler der Schatzkammer, ver­ theidige. Einer seiner Freunde, Hr. Grey, habe auf eine Thatsache hingewiesen, und der achtbare Gentleman habe sie zugegeben, und dem Eingeständniß, daß der Minister ein Apostat sey, aus Gefälligkeit die Erklärung beigefügt, daß er ebenfalls einer seyn wolle. Seinen Freund habe er für schuldig erklärt, und zugleich Schuld auf sich geladen. Er habe erklärt, daß er nicht nur an der Schmach seines Freundes Theil nehmen, sondern sogar derselben Strafe sich aussetzen wolle, sobald dieser zu seinen früheren Grund­ sätzen zurückkehren würde. Wahrscheinlich beweise er solche Anhänglichkeit an seinen Freund, weil er ihn als nothwen­ dig zur Förderung seines Glückeö betrachte: So wie den leichten Halm, den jeder Wind bewegt, Ein Hund zuletzt im Schwanz mit sich von dannen trägt.

Fox hielt bei dieser Gelegenheit eine seiner lichtvollsten und nachdrücklichsten Reden. Indessen spricht sich durchgängig der Ton der Melancholie darin aus, besonders in einer Stelle, wo er, mit dem wärmsten Zartgefühl, den Verlust von Freunden als eines der peinlichsten Opfer schildert, das die Pflicht zuweilen vom Gefühle heischt. Ein edler Lord neben ihm (Lord G. Cavendish), habe in den Ausdrücken Cannln-r Denkw. I.

5

66

tiefen Gefühls eS beklagt, daß er im gegenwärtigen Au­ genblicke von Männern abweichen müsse, die seinem Herzen so nahe stünden und so theuer wären, daß er sich gleich­ sam mit sich selbst im Zwiespalt fühle; so könne auch er sagen, daß er für einige Personen, obgleich durch keine Bande deS Blutes mit ihnen verknüpft, eine so aufrichtige Achtung hege, und so tiefen Schmerz darüber empfinde, nicht mit ihnen übereinstimmen zu können, daß es ihm vor­ käme als müsse er von sich selbst sich trennen. Frühe Ge­ wöhnung der Hochachtung, warme Zuneigung, Alles mache dieses Gefühl in ihm rege; aber dieses sey nicht eine Zeit der Höflichkeitsbezeugung gegen Männer, oder der Abwei­ chung von den ernsten Pflichten an die das Gewissen mahnte, um Empfindungen des HerzenS und der Achtung willen. Bei der Eröffnung der nächsten Parlamentssitzung, am ZOsten December 1794, unterstützte Canm'ng die Addreffe, welche die königliche Rede beantworten sollte. Ungeachtet der Veränderung die in der französischen Regierung einge­ treten war, vom wüthenden IacobinismuS zu einem in Ver­ hältniß gemäßigten Systeme, so athmeten doch die Rede wie die Addreffe nichts wie Krieg, und Hr. Wilberforee bemerkte, daß es unmöglich sey für den letzteren zu stim­ men, ohne zugleich aufs bündigste zu erklären, daß man so lange Krieg führen müsse, bis eine Contra-Revolution in Frankreich eingetreten sey. Da Canning in einer frü­ heren Sitzung behauptet hatte, daß zur Erhaltung des Friedens in jedem Lande Monarchie nothwendig, und daß weder für den Continent noch für Groß-Brittanien Ruhe möglich sey, so lange die Regierungsform in Frankreich, oder in irgend einem andern großen Staate, republicanifch bleibe, so war er gewiß ein sehr paffendes Organ für den Minister, um eine Addreffe aufrecht zu erhalten, welche den­ selben Grundsatz aufstellte. Einen Handels- und Freund-

67 schafts -Tractat mit America ausgenommen, war der ein­ zige erfreuliche Gegenstand für die Nation (oh! wie blind sind doch Nationen wie Individuen in Bezug auf die Zu­ kunft ), dessen die Rede und die Addreffe erwähnte, die vor» geschlagene Vermahlung des Prinzen von Wales mit der Prinzessinn Caroline von Braunschweig. Nachdem er diese kurz berührt hatte, bemerkte Canning: „daß, in Betreff an­ derer Theile der Rede Sr. Majestät, er wohl einsehe, daß eS vergebens seyn würde eine vollkommene Uebereinstim­ mung der Meinungen zu erwarten; indessen sey er doch nicht ohne Hoffnung, daß, für den einen Abend, man sich entschließen werde allen Zwiespalt zu beseitigen, um ein­ stimmig die Addreffe zu bewilligen, auf die so eben an­ getragen worden sey." Er vertheidigte die Minister gegen die Beschuldigung, als seyen die Nachtheile und die un­ glückliche Führung des Krieges Folge ihrer Unkenntniß und Mißgriffe, und eröffnete hierauf, wie gewöhnlich, ein hefti­ ges Feuer gegen die Opposition, waS in diesem Falle wohl nicht das beste Mittel gewesen seyn dürfte, um eine einstim­ mige Bewilligung der Addreffe zu erwirken, die er doch im Eingänge so sehr gewünscht hatte. Indem er der Warnun­ gen und Prophezeihungen der Mitglieder der Opposition spottete, sagte Canning: „ Es sey wahr, sie haben die Ab­ trünnigkeit unserer Alliirten, und die erstaunlichen Anstren­ gungen unserer Feinde vorher gesagt, und er könne nicht umhin zu gestehen, der Erfolg habe unglücklicherweise ihre Weissagung gerechtfertigt. Indessen dürfe er wohl bemer­ ken, daß es keineswegeS schwer sey. Mißlingen und Un­ glück zu prophezeihrn; denn sey die Weissagung falsch,' so würde man sich über das Glück des Vaterlandes zu sehr freuen, um an die Prophezeihung zu denken; sey sie wahr, so würden die die sie machten wieder triumphirrn, da sie 5*

63 gewiß einige Freude über ihren bedeutenden Scharfsinn empfinden würden. Wenn er aber jenen Herren für ihre Prophezeihungen von ganzem Herzen alle Ehre gönne, so bäte er auch nicht zu vergessen, daß auch die Minister, und diejenigen die für den Krieg gestimmt, einige Prophczcihungen gemacht hät­ ten, die der Erfolg ebenfalls gerechtfertigt habe. Die Ne­ gierungsform, die damals in Frankreich bestanden, und die man als durchaus befestigt und sicher dargestellt habe, wäre von Männern an dieser Seite des Hauses ganz anders be­ zeichnet worden, welche behaupteten, daß ein Bau der Art unmöglich von Dauer seyn könne. Als Nobespierre auf dem Gipfel der Macht stand, als er Frankreich mit der unumschränktesten Gewalt beherrschte, und als fein Wille in ganz Frankreich alö Gesetz galt, eben da wurde sein naher Fall vorausgesagt; mit welchem Rechte hat der Er­ folg gelehrt. Als der Jacobinismus auf die höchste Spitze getrieben worden war, als sein Einfluß in jedem Theil der französischen Negierung vorherrschte, als er daö Triebrad aller ihrer Unternehmungen zu sein schien, eben da wurde sein Fall hier im Hause vorhergesagt, und zum Glück für die Menschheit, mit Recht. Doch bäte er, ihn nicht mißzuverstehen. Er wolle nicht gesagt haben, daß dadurch daß die höchste Gewalt in Frankreich in die Hände von Gemäßigteren gekommen, die Möglichkeit, von unserer Seite mit ihnen zu unterhandeln, größer geworden sey; denn der einzige Unterschied zwischen ihnen und den Jakobinern sey der, daß sie die Gesinnungen, aber nicht die Macht dieser Letzteren haben: ihre Feindschaft gegen die Gemäßigten in diesem Lande sey dieselbe, nur haben sie nicht die Macht sie so in's Werk zu setzen. „Was das gegenwärtige System der Mäßigung be­ treffe, so sey er weit entfernt cs als günstiger für das In-

69 tmiffc Englands zu betrachten. Er gäbe zu, daß sie nicht jenem Lluthandel im Großen trieben, mit dem die Iaeobineer ihre Herrschaft bezeichnet; dagegen beschäftigten sie sich mit der unschuldigeren Aufgabe, Rechnungen aufzunuachcn, und einem Jeden seinen Antheil an Mord und Vertbrcchen zuzumeffen." „Das HauS könne leicht abnehmen wie sehr man sich auf ihre Mäßigung verlassen dürfe, nach den Bedingungen die sie den Holländern böten, die doch nicht Anstifter des Krieeges wären, sondern die man gezwungen hätte daran Thetil zu nehmen. Waren aber die Bedingungen die sie den Holländern machten hart, welche könne man wohl für dicsecs Land erwarten, das für das entschlossenste gelte den Krieeg fortzuführen, und von dem die Franzosen, bei allen Gelegenheiten auf eine feindselige Weife redeten, die von eingzcwurzrltem Haffe zeugte? Selbst wenn wir jetzt Frie­ den mit Frankreich haben könnten, so würde cs ein unsichereer seyn; cs müßte ein Frieden seyn, den alle Unbcqucrmlichkeiten und Ausgaben eines Kriegsstandes begleite­ ten,, und könnten wir wohl annchmen daß die Franzosen uns! in einer solchen Verfassung sehen würden ohne eine Erklärung zu fordern, waS denn natürlicher Weise ausis Neme zu Zwistigkeiten führen müsse? In Bezug auf die allgemein gestellte Bemerkung, wann wir daran denken wür­ den Friedensuntcrhandlungen'anzuknüpfcn? bemerke er, daß dies; von zukünftigen Umständen abhänge; denn die Frage sey nicht, ob wir jemals unterhandeln würden? sondern ob,, unter obwaltenden Umständen, wir jetzt unterhandeln wolllten? — Er behauptete, daß vom Anfänge der französischhen Revolution bis zum jetzigen Augenblicke, keine Festigtkcit in ihrer Regierung gewesen sey: eben so wenig kömne das gegenwärtige System Bestand haben, und jeder Tagg würde neue Aenderungen bringen. Er behauptete,

70 daß sogar die Energie die ihre Militair- Macht belebe, be­ weise daß sie nicht von langer Dauer seyn könne; denn auch die Armeen die solche Wunder verrichtet, hätten un­ ter jedem Anführer nur in der Idee gefochten, daß sie ge­ gen Gesetze und anerkannte Regierungen kämpften; und er sey überzeugt, daß von dem Augenblick wo in Frank­ reich eine Regierungsform bestehe, mit der es thunlich sey zu unterhandeln, und wo man Unterhandlungen anfinge, das System für daS ihre Armee gefochten zu Ende seyn, und sie ihre Waffen niederlegen würde. In diesen Punk­ ten bestehe die eigentliche Schwäche der Franzosen; wir seyen glücklicher Weise das Gegentheil von diesem Allen; auf unsere Stärke und ihre Schwäche baue er daher. Er bemerkte, es sey Pflicht gegen jede bestehende Regierung in Europa, und gegen unsere eigene Wohlfahrt, den gegen­ wärtigen Kampf fortzusetzen; denn wenn wir jetzt nicht auöharrten, so müßten wir unvermeidlich fallen, und mit unö ganz Europa. Der Krieg mit unserm Lande habe schon manche Aenderung zum Guten in Frankreich hervor­ gebracht, und es sey Grund zu hoffen, daß eine Fortsetzung des Krieges es in eine Lage bringen würde, wo wir mit Ehre und Sicherheit Frieden mit ihm schließen könnten." Der Minister und seine Freunde wurden an diesem Abend durch eine Opposition in Bestürzung versetzt, die von einer Seite herkam, von der sie sie nicht erwartet hat­ ten. Wilberforce und seine Partei, die bis zu diesem Au­ genblick die stärksten Maßregeln der Regierung unabänder­ lich unterstützt hatten, und deren Vertrauen in den ersten Minister fast an abergläubige Verehrung grenzte, standen plötzlich auf, erschreckt durch die furchtbaren Grundsätze die vom Throne ausgegangen, und von den Ministern wieder­ holt worden waren. Ein ewiger Krieg, der nur mit der Wiederherstellung der französischen Monarchie, oder mit dem

71 Untergänge ihres eigenen Landes aufhiren sinnt, war eine Aue sicht, bei der sie stutzten, die ihre Grundsätze erschütterte, und wovor ihre Gefühle zurückbcbten. Wilbrrforce war der Erste der aufstand. Er protestirte gegen die Rede wie gegen dieAddreffe, und bemerkte über Canning: „das acht­ bare Mitglied, das sich so eben niedergesetzt, habe sich von seiner eigenen Beredsamkeit dahinreißen lassen. Sähe aufzustrllen, die eS unmöglich sey zu behaupten, und Fragen zu thun, die unglücklicherweise nur zu leicht zu beantwor­ ten seyen." Er verglich darauf, in einer ausführlichen Darstellung, den Zustand beider Länder nach einem langen und blutigen Kampfe, worin beide in einem nicht gewöhn­ lichen Grade gelitten hätten, und schloß mit einem Anträge auf ein Amendment der Addreffe. Die Art wie dieser An­ trag unterstützt wurde, und die Gesinnungen die Viele laut werden ließen, von denen man glaubte daß sie unter dem Einflüsse des Ministers ständen, mußte den Stolz Pitt's tief verwunden, und die Ueberzeugung in ihm er­ wecken, daß der Zauber seiner Macht gebrochen sey. Auch konnte er seinen Unwillen und Verdruß nicht verbergen. Er erhob sich noch während des Streites, und »vandte sich mit Ernst und Nachdruck an die neu erstandene Opposition. Folgendergestalt redete er, im Anfänge, den Sprecher an: Sir, die Ursachen die Einige der Herren bewogen haben von ihrer Meinung für die Fortsetzung des Krieges abzu­ gehen, scheinen großen Einfluß auf die Art zu haben, in der sie von der Gerechtigkeit und Nothwendigkeit des Krie­ ges in seinem Beginn reden; und ihre Sprache ist wahr­ lich schwächer und nichtssagender alö ich geglaubt hatte erwarten zu müssen. Gestritten wie wir haben, diese Her­ ren und ich, gegen das neue und unerhörte System von Grausamkeit, Anarchie und Gottlosigkeit, gegen die Grund­ sätze derjenigen die Civilisation, Religion und Gesetz mit



72



Füßen treten, streitend noch gegen ein solches System, konnte ich nicht im geringsten erwarten daß von ihnen rin solcher Vorschlag auögrhen würde. Es hat der unerforschlichen Vorsehung gefallen, daß diese Macht, Frankreich, Alles darnieder treten solle, waS sich ihm widersetzte'; aber laßt unS darum nicht fallen, ohne nur zu versuchen ihr zu widerstehen, — nicht sinken ohne unsere Kräfte mit ihr zu messen. Wenn mich irgend EtwaS dazu bestimmen könnte mich vom Kampfe zurückzuziehen, so müßte eS das Gefühl der Unfähigkeit ihn fortzufetzen, seyn. Wenigstens wollte ich keine Ursache haben, mir bei dem Rückblicke Vor­ würfe zu machen. Ich würde nicht eher weichen, als bis ich auörufen könnte: — Potuit quae plurima virlus Esse, fuit; toto certatum est corpore regni.

Wenn ich, Sir, vielleicht bewegter gesprochen habe als die Ruhe der Debatte es verlangt, so möge die besondere Lage in der ich mich befinde, gegenüber und im Kampf mit de­ nen, mit deren Meinungen ich sonst bei allen Gelegenhei­ ten, und fast in allen Punkten so glücklich war übereinzu­ stimmen, der Wärme meiner Gefühle zur Entschuldigung dienen." Im März des folgenden Jahres, bei dem großen Kampf, in welchem die Minister und die Opposition ihre Kräfte gegen einander versuchten, — über den Zustand der Nation, — trat Canning nach Sheridan auf, der dem Kanz­ ler der Schatzkammer geantwortet hatte. Fox's Rede, die den Gegenstand eingeleitet hatte, war ungemein geistreich ; er hatte sich in der That selbst übertroffen. Sein berühm­ ter Gegner selbst bezeichnete sie als einen Vortrag von der größten Beredsamkeit, wie er nur jemals im Parlament gehalten worden sey. Seine eigene Rede gab jener kaum etwa- nach; und Sheridan wenn auch weniger launig und

73 glänzend wie gewöhnlich, büßte doch von seinem früheren Ruhme, als eines Parlaments-Redners erster Classe, nichtrin. Den Zustand von Irland, den Fox nur beiläufig in die Diskussion mit ausgenommen hatte, behandelte der Mi­ nister, alS ob sein Gegner ihn zu einem Punkte von we­ sentlicher Wichtigkeit gemacht habe, und indem er die stärk­ sten Sätze in Foxens Rede unberührt ließ, wandte er den größten Theil seiner Argumente und Deklamation auf die Erörterung dieses Punktes. Canning befolgte denselben Weg wie sein Gönner; und in dieser Rede finden wir zuerst seine Gefühle über eine Frage ausgesprochen, in Beziehung auf welche er sich später als den Vertheidiger gerechter und liberaler Grundsätze so sehr auszeichnete. Es ist klar daß er damals eine jede Anerkennung dieser Grundsätze geschickt vermied. Er spricht von Irland und dem kritischen Zu­ stande der Angelegenheiten desselben, protestirt aber gegen jegliche Einmischung von Seiten des englischen Parlaments, um die unseligen Zwistigkeiten beizulegen die damals den verbrüderten Staat in die größte Verwirrung gestürzt hat­ ten. Cannings Rede galt als Erwiederung für Sheridan's Vortrag. Er fing mit der Bemerkung an: „daß, nach den Redm die fie schon gehört hätten, er ihre Aufmerksamkeit nicht länger in Anspruch nehmen wolle, als nur um einige Bemerkungen die fie von seinem achtbaren Freunde, der so eben sich gesetzt, vernommen, kurz zu berühren. Diese Be­ merkungen hätten vorzüglich zwei Sätze Herstellen sollen; einmal, daß die Angelegenheiten von Irland nicht der ein­ zige Gegenstand seyen) wodurch man die Nothwendigkeit sich aufs Neue zu einer Committee zu bilden, bewiesen habe; zweitens, daß, wenn sie auch die einzige, sie schon an und für sich eine genügende Ursache dazu abgäben. Mit keinem dieser Sätze könne er sich aber einverstanden erklären. Er sey noch immer der Meinung, die ihn in das



74 —

HauS begleitet habe; einer Meinung die durch die Rede des Ätitgliedes, welches den Antrag gemacht, nur bestätigt sey, die auch sein Freund Pitt ausgesprochen habe, und die, wie er glaube, ziemlich allgemein, im Hause wie bei der Nation, vorherrsche; daß, wäre cs nicht um des au­ genblicklichen Zustandes der Angelegenheiten in Irland wil­ len, man heute wohl keinen Vorschlag der Art, über die Nothwendigkeit einer Committee gehört haben würde: und ferner glaube er, daß das Daseyn jenes kritischen Zustan­ des, weit entfernt ein Grund zu seyn um jenem Vorschläge beizustimmen, vielmehr entscheidend für die Ablehnung des­ selben spreche. Er sey weit entfernt daS Recht des englischen Parla­ mentes zu bestreiten, die Minister der Krone hinsichtlich ihres Verfahrens gegen Irland, einen integrirendcn Theil des Reiches, zur Rechenschaft zu ziehen. Dagegen aber müsse er gar sehr die Politik und Zweckmäßigkeit bestreiten, dieses Recht in einem Augenblicke zu üben, wo dadurch weder auf eine wohlthätige noch vernünftige Weife gewirkt werden könne, ohne daß man zugleich die inneren, unabhängigen Angelegenheiten des verbrüderten Königrei­ ches in Anregung bringe, und sich so der Verlegenheit aus­ setze, entweder zu untersuchen was man nicht die Macht zu entscheiden, oder zu entscheiden was man nicht das Recht zu erzwingen habe.

Die Frage der römisch-katholischen Emancipation schien« ihm, so weit man vom Gerücht urtheilen könne (und er erlaube sich dem Hause in Erinnerung zu bringen, daß bloß durch Gerüchte die jetzige Aufforderung zur Untersuchung begründet werde), innig mit der gegenwärtigen Lage der irländischen Angelegenheiten verknüpft zu seyn, und- die Rechtfertigung oder Verdammung eines oder des andern der

75 königlichen Minister schon in stch zu begreifen. Möge das Resultat nun aber seyn welches es wolle, mögen sie schul­ dig oder unschuldig erscheinen, wie schwer müsse es auf je­ den Fall seyn, zu einem Urtheil über ihr Verfahren zu kommen, ohne zugleich, nebenher, ein Urtheil in der ka­ tholischen Frage zu fällen? Und wie auch dieses Urtheil ausfalle, wie könne, auf der einen Seite, ein Mitglied des brittischen Unterhauses dieses zu einem bloßen debatLi­ ren den Clubb erniedrigen wollen, der ohne Wirkung deliberirt und entscheidet? oder welcher Freund der Unab­ hängigkeit Irlands könne, auf der andern Seite, geduldig zusehen, daß ein Votum des brittischen Parlaments der gesetzgebenden Gewalt für Irland in ihrem Urtheile vor­ greife, und ihr die Entscheidung über einen Gegenstand diktire, der so nahe, so ausschließlich mit den Rechten und dem Interesse dieses Landes verknüpft ist? Aus diesen Gründen sey er gegen eine Committee über die irländischen Angelegenheiten, und von anderen Gründen habe er nicht gehört, solche ausgenommen, die schon oft vorgekommen und aufs förmlichste beseitigt seyen. Die Land- und Seemacht, der Krieg, in seinem Entstehen, Zweck, Princip und in seiner Führung, alles dieses sey schon häu­ fig Gegenstand der Verhandlung gewesen. Einen Zweck freilich habe das achtbare Mitglied offen eingeftanden, der auch freilich bei Manchem derer die ihn umgäben von Ge­ wicht seyn würde, aber gewiß nicht bei der Mehrzahl im Hause oder im Lande überhaupt, — die sofortige Entlas­ sung des gegenwärtigen Ministeriums. Und er habe eS als einen besondern Mangel in der Verfassung dieses Lan­ des dargestellt, daß hier, und nur hier unter allen Län­ dern der Welt, es einem Minister, bei so wiederholt fehl­ geschlagenen Versuchen und unglücklichen Erfolgen, möglich sey seinen Posten zu behalten."



76



„ Dieser Mangel, wenn wir ihn so nennen sollen, ist offenbar einer, der aus der besondern Freiheit unserer Verfassung entsteht, und auS dem Antheil, welchen das Volk an den öffentlichen Angelegenheiten nimmt, und an der Politik der Negierung. In Landern, wo bloße Willkühr herrscht, wo keine Verbindung zwischen der vollziehen­ den Gewalt und dem Volke Statt findet, wo das letztere nichts von den Staatöverhandlungen erfahrt, sondern nur nach dem Erfolge zu beurtheilen vermag, in wiefern sie mit Weisheit beschlossen und mit Redlichkeit durchgeführt sind, da ist es kein Wunder, daß es ein jedes Mißlingen alö ein Verbrechen betrachtet, und für jeden unglücklichen Aus­ gang ein Opfer fordert. Aber in freien, gebildeten Staa­ ten, wo dem Volke die Möglichkeit gegeben ist, einen jeden Schritt der Regierung zu verfolgen, wo cs gleichsam Hand in Hand mit seinen Repräsentanten geht, wie diese wiede­ rum die Minister durch alle Stationen eines jeden Unter­ nehmens begleiten, da braucht jenes nicht erst auf Erfolge zu warten, um ihnen seinen Beifall zu schenken, und wird gewiß nicht die Bestrafung derjenigen verlangen, die die Leitung hatten, sobald cs sich Ursachen für das Mißlingen angeben kann." „Ein anderer Zweck, den der achtbare Gentleman durch seine Committee zu erreichen wünsche, oder den er doch, sehr natürlich, wenigstens angäbe, da er sich dabei, und vermuthlich ohne sich einer Erwiederung auszusetzen, man­ chen Witz auf Kosten der Mitglieder an dieser Seite deö Hauseö erlauben könne, sey der, daß eine Taxe von fünf und zwanzig Procent auf alle Gehalte und Pensionen ge­ legt werden solle, so wie dieses neulich in Spanien ge- schehrn sey." „ Wenn wir aufgcfordcrt werden Spanien nachzuahmen, so muß cö wohl auffallen, daß man nicht einsieht,

77 daß Spanien nur unser Beispiel nachgeahmt hat. Eine Abgabe dieser Art existirt schon in diesem Lande, und das zu einem höheren Belauft als 5 Schill, vom Pfunde (Hier wurde nein! nein! von der Opposition gerufen). Canning bemerkte, er glaube daß die Land-Taxe, mit andern zusam­ men, sich auf ungefähr 5 Sch. 6 Pence vom Pfunde be­ liefen, doch wolle er um die 6 Pence nicht streiten und sagen, zu einem ähnlichen Belauft. Er frage aber dieje­ nigen, die dieses Princip noch weiter ausdehnen wollten, ob sie im Ernste der Meinung seyen, daß dadurch der de­ mokratische Theil der Verfassung ein bedeutenderes Gewicht erlangen würde? Wenn das der Fall sey, so besänne er sich keinen Augenblick ihnen zu zeigen, daß gerade das Ge­ gentheil eintreten würde; daß es im höchsten Grade alle Volkkbestandtheile aus der Constitution entfernen, alle Ge­ walt in die Hande der Reichen bringen, und alle diejeni­ gen »on bedeutenden und wichtigen Posten ausschließen würde, deren Talente und Tugenden einer Unterstützung durch Geburt und Vermögen entbehrten. Gehalte für Aem­ ter und Belohnungen für frühere Dienste an diejenigen, die dem Staate ruhmvoll gedient haben, können freilich leicht lächerlich gemacht werden; auch ist wohl mancher Mißbrauch, manche unrichtige Vertheilung nicht zu läugnen. Aber das Princip welches sie begründet, ist doch das, wodurch das Gleichgewicht der verschiedenen Klaffen der Gesellschaft hergestellt wird, indem es den Staat in den Stan) setzt, die Talente aller seiner Mitbürger zu benutzen, und welches die Pforten zum Senate und zum Cabinette angeeigneten Vorzügen und bürgerlichem Verdienste eben so weit eröffnet, als angestammter Würde und adelichen Tu­ genden. Der achtbare Gentleman habe seine Rede mit ei­ nem Vorwurfe von einer etwas ungewöhnlichen Natur ge­ gen die Minister beschlossen: daß sie nemlich durchaus

78

nicht angegeben haben, welche Art der Regierungsform sie in Frankreich eingeführt zu sehen wünschen; woraus er denn glaubt schließen zu müssen, daß sie verlangen, der alte Despotismus solle mit allen seinen Schrecknissen wieder hcrgestellt werden, und obendrein, daß ein ähnlicher Des­ potismus sich nach und nach über dieses Land ausbreite. Er selbst habe zu gleicher Zeit bekannt, daß es sein innig­ ster Wunsch sey, in Frankreich eine republicanische Verfas­ sung begründet zu sehen, und dabei doch einem Jedem ver­ wehrt daraus zu folgern, als ob er wünsche, daß Republicanismus auch in diesem Lande herrschend werde. Ge­ gen diese oder andre Wünsche seines achtbaren Freundes, glaube er (Canning), werde Niemand etwas einzuwenden haben, oder daraus Folgerungen irgend einer Art oder Be­ deutung ziehen wollen. Indessen müsse er sich doch darü­ ber einigermaßen beschweren, daß derselbe nicht für gut be­ funden habe, die Billigkeit, die er für sich in Anspruch nähme, vor allen Dingen auch gegen Andere zu üben. Wenn es unbillig seyn sollte von seiner ausgesproche­ nen Vorliebe für eine einzige und untheilbare Republik in Frankreich darauf zu schließen, daß er dieselbe Negie­ rungsform auch gern nach England verpflanzen möchte; so schiene es doch wenigstens eben so unbillig zu seyn, daraus, daß die Minister gar keine Vorliebe über­ haupt ausgesprochen hätten (wie ja seine Anklage gegen sie lautet), zu schließen, daß sie deshalb gewiß, auswärts wie zu Hause, den Despotismus herrschend zu sehen wünschten. Aber welcher Art auch die Meinungen und Wünsche von Individuen, oder die Folgerungen die man daraus ziehen könne seyn mögen, so schienen sie ihm nicht mehr Grund zu enthalten eine Committee zu veranlas­ sen, als die anderen Gründe, die vorgebracht worden wä­ ren. Ohne die Zeit des Hauses daher länger in Anspruch zu nehmen, stimme er für die Vertagung."

79 Am 29sten Oktober desselben Jahres, drei Tage nach

einer allgemeinen Versammlung berLondon Corresponding

Society, die in den Feldern neben Copenhagen-House ge­

halten worden war, und die, trotz der ungeheuren Men­

schenmasse, sich musterhaft betragen und ohne Unruhe oder Tumult wieder getrennt hatte, gcrieth der König, der nach

dem Hause der Lords fuhr, um das vom Juny bis dahin

prorogirte Parlament wieder zu eröffnen, in dringende Ge­ fahr, indem ein Pöbelhaufen der verworfensten Klaffe, der

sich um seinen Staatswagen versammelt hatte, während er

durch St. James Park fuhr, sich die frechsten Gewaltthä­ tigkeiten erlaubte*).

Der Minister stellte jedoch beide Be­

gebenheiten in eine Categorie, und die öffentliche Stimmung benutzend, die durch die letztere sehr aufgeregt war, eröff­

nete er im Unterhause seinen nächsten Angriff auf die Frei­ heit des englischen Volkes.

Er stützte sich auf eine Menge

von Petitionen, die in dem ersten Eifer zufammengebracht worden waren, und worin vom Parlament die schleunige

Ergreifung von Maßregeln, um den aufrührerischen Zu­ sammenkünften Einhalt zu thun, verlangt wurde.

Die

Acte, zu der diese Bittschriften den Vorwand hergaben, war

gegen alle Volkszusammenkünfte gerichtet, die zur Untersu­ chung und Erörterung von Rechten und Beschwerden ver­ anstaltet würden.

Der Pöbel, der im Park des Königs

Majestät angegriffen hatte, wurde mit der friedlichen und

ordentlichen Versammlung in den Copenhagen Leids identifici'rt, obgleich kein Umstand auch nur entfernt einen Be­ weis enthielt, daß die geringste Verbindung zwischen ihnen *) ES wurde mit Steinen nach dem Wagen geworfen und ein Fenster, angeblich durch eine Kugel aus einer Windbüchse, zerschmettert. Glücklicher Weise kam jedoch Niemand zu Scha­ den, und der Kdnkg verlor nicht einen Augenblick seine unbe­ fangene Miene. Bisset. 1. eil. V. p. 165. ed. 2.

so Statt gehabt habe. Wahrscheinlicher war eS, daß die blu­ tigen Bösewichter, die sich des Hochverraths gegen des Königs Person schuldig gemacht hatten, eben so feindselig gegen die Freiheit der Nation gesinnt waren. Wenn eine Negierung sich dazu herabläßt, eine große Anzahl von Spionen zu unterhalten, die schon durch ihren Beruf zu den verworfensten Menschen gehören, so müßte sie auch die Kraft haben sie abzuhalten dieselben Verbrechen zu begehen, die oft der Gegenstand ihrer schändlichen Angeberei sind. Bei der Versammlung nahe bei Copcnhagcn-House war ein Zettel emsig in Umlauf gesetzt worden mit der Auf­ schrift: „Todtschlag des Königs kein Mord." Drei Tage nachher fiel der Angriff auf den König vor. Nun mag es sehr natürlich seyn, jenen Zettel mit den an­ gehenden Königsmördern in Verbindung zu bringen, und sehr wahrscheinlich hatte eine innige und direkte Verbindung Statt. Die einzige Schwierigkeit war nur, beide oder ei­ nen von diesen Vorfällen mit der Londoner correspondircnden Gesellschaft zu vereinigen; und doch, so unmöglich es auch war diese Schwierigkeit zu beseitigen, stellten der Mi­ nister und seine Assistenten die Thatsache als unbestreitbar auf. Hr. Sheridan behauptete dagegen freilich, das Ganze müsse eine Erdichtung von Jemand seyn, der die Gesell­ schaft in Verdacht zu bringen suche. Er sagte, er erinnere sich eines ähnlichen Umstandes, der in der „Gesellschaft der Freunde der Freiheit" Statt gefunden habe. Jemand der, wegen seines übertriebenen Eifers, für einen Spion gehalten wurde, wußte es zu veranstalten, daß die Lichter ausgelöfcht wurden, worauf eine große Menge von Zetteln aufrührerischen Inhalts im Zimmer herumgestreut worden seyen. Als das Licht wieder gebracht war, und man die Zettel las, sprach die Gesellschaft ihren Abscheu über dieseVergehen, und ihre Mißbilligung des Inhalte- der Zettel laut

81 laut aus, und versuchte auf alle Weise die Urheber zu ent­ decken, die wahrscheinlich Angeber der Negierung gewesen waren. Wäre cs nun wohl recht, fragte er, daß daS Haus es als Thatsache annehmen solle, daß die correspondirende Gesellschaft jene Zettel verbreitet habe, und auf diese Annahme hin Gesetze erlassen, die in ihrer Ausdehnung das ganze Königreich träfen? Canning erhob sich jedoch zur Unterstützung der Bill. „Daß eine innige Verbindung zwischen dem Vorfälle bei Copenhagen - House und dem Verbrechen das darauf folgte statt habe, sey so offenbar, sagte er, daß er ganz erstaunt wäre, wie irgend Jemand, der nur seinen gewöhnlichen Verstand habe, daran zweifeln könne. Es sey ein Attentat gegen den König gemacht, und eine Lehre über „Königsmord" gepredigt worden. Beide Um­ stände seyen erwiesen; auch sey die Absicht der Schreier keineswcges verborgen, da sie laut gegen Königthum und Negierung loszdgen. Er sehe also nicht ein, wie man so blind gegen klare und deutliche Thatsachen seyn, und etwas könne bemänteln wollen, was jene Schreier und Redner selbst keine Absicht hätten zu verhehlen. So wie der An­ griff auf unfern allergnädigsten Fürsten unmittelbar auf die Verbreitung jener verabscheuungswürdigen Lehre gefolgt sey, so könne nach seiner Ansicht auch der Zusammenhang bei­ der nicht in Abrede gestellt werden. Es sey allerdings vor­ geschützt worden, daß sie versammelt wären, um eine Pe­ tition an daS Parlament zu veranstalten; das sey indessen, wie leicht zu sehen, nur ein bloßer Vorwand. So unterstützte Canning unabänderlich eine jede Maß­ regel Pitts, und es ist nur sehr zu bedauern, daß deffen Lieblings-Maßregeln damals Angriffe gegen die heiligsten Bollwerke der Verfassung enthielten. Obgleich sie wohl durch eine große Majorität durchgesetzt wurden, so wurde doch nie ihre Nothwendigkeit bewiesen. Grey, indem er CanningS Denkw. I. 6

82 gegen die Bill proteftirte, die Canning so eifrig verfocht, bemerkte: „Seine Ansicht der Dinge wäre, die Bill sey unnöthig, weil die schon bestehenden Gesetze vollkommen hinreichend erschienen, dem Uebel zu steuern. Wenn die Minister säumig gewesen wären, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die ein so schändliches Attentat auf das Leben unseres Fürsten gewagt hätten, so sey das kein Grund, um das ganze englische Volk seiner Freiheit zu berauben." Man muß gestehen, daß diese ersten Versuche Cannings im Parlament nicht viel versprechend für seinen späteren Ruhm sind. Man hat im Ernst behaupten wollen, Can­ ning habe sich, zu dieser Zeit, als Parlaments-Redner Burke'n zum Vorbilde genommen; seine Bewunderung für den Geist dieses außerordentlichen Mannes, den er zugleich als seinen Lehrer betrachtete in den politischen Grundsätzen, wo­ durch dieser sich, am Ende seines öffentlichen Lebens, von dem Schandflecken des Whiggismus zu reinigen hoffte, in­ dem er sich einer entgegengesetzten Tory-Wuth hingab, die ihn beredt, ja göttlich toll machte, — habe in dem jungen Staatsmann die Leidenschaft der Nachahmung erregt; und diese Nachahmung habe er wieder zu einem Extrem getrie­ ben, indem zu seiner Art weder der Styl noch die Manier Jenes paßten, die nur für einen ernsten und philosophischen Vortrag sich eigneten, der sich mehr an den Verstand als an die Leidenschaften wendet, und mehr zu überzeugen als zu überreden sucht. Es ist aber auch in der That, in dem was wir bis jetzt gesehen haben, keine Spur von Aehnlichkcit zwischen der Beredsamkeit Cannings und der Bur­ kes zu finden. Bis jetzt haben wir noch keinen Geist zum Gcncralifiren entdeckt; kein mächtiges Ergreifen eines Ge­ genstandes, nicht die ausgedehnte Fähigkeit, Alles was sich auf eine Frage bezieht und zu ihrer Erläuterung dient, dem Auge darzulcgen, mit einem Worte, nichts von der Philo-

83 sophie der Redekunst.

Die Reden, die wir bisher gelesen

haben, sind die eines Advoeaten oder Parteigängers; eines geschickten Dialectikerö, entschlossen die zu beschädigen die

er nicht gewinnen kann, und der Partei, deren Sache er zu verfechten unternommen hat, Siegesmuth einzuflößen. Wir sehen ihn freilich, nach so vielen Jahren, nur aus der

Ferne, und die Schatten der Zeit hüllen ihn in ein Dun­ kel das wir nicht zu durchdringen vermögen.

Aber Pitt,

der kein gewöhnlicher Menschenkenner war, sah in ihm ein mächtiges und bereitwilliges Werkzeug; er erwählte ihn aus einer großen Zahl von Mitbewerbern und Nebenbuhlern, und fuhr fort ihm, bis an sein Ende, eine große und aus­ gezeichnete Vorliebe zu beweisen.

Wir dürfen wohl hin-

zufügen, daß die spätere Laufbahn seines Günstling- seine Wahl vollkommen rechtfertigte.

Kapitel III. Don CanningS erster Annahme eine« Amtes bis zu seiner Resigna­ tion zugleich mit Hrn. Pitt 1801. — Seine Parlaments - Re­ den. — Seine Verheirathung. — Seine Beiträge zum AntiJacobin Examiner.

Zu dem neuen Parlament von 1796, wurde Canning

für Wendover, in Buckinghamfhire, erwählt, und in den ersten Sitzungen erschien er in seiner amtlichen Würde, als einer der Unter-Staatssecretaire, wozu er durch den ersten Minister ernannt worden war.

Außer dem gewöhnlichen

Vorurtheil gegen Beamte, die zugleich Sitze im Parlament einnthmrn, hatte Canning noch gegen einen Vorwurf zu

kämpfen, der ihm im Untrrhause aufs schonungsloseste ge­ macht wurde: daß man nemlich seinen Vorgänger alS In6*

83 sophie der Redekunst.

Die Reden, die wir bisher gelesen

haben, sind die eines Advoeaten oder Parteigängers; eines geschickten Dialectikerö, entschlossen die zu beschädigen die

er nicht gewinnen kann, und der Partei, deren Sache er zu verfechten unternommen hat, Siegesmuth einzuflößen. Wir sehen ihn freilich, nach so vielen Jahren, nur aus der

Ferne, und die Schatten der Zeit hüllen ihn in ein Dun­ kel das wir nicht zu durchdringen vermögen.

Aber Pitt,

der kein gewöhnlicher Menschenkenner war, sah in ihm ein mächtiges und bereitwilliges Werkzeug; er erwählte ihn aus einer großen Zahl von Mitbewerbern und Nebenbuhlern, und fuhr fort ihm, bis an sein Ende, eine große und aus­ gezeichnete Vorliebe zu beweisen.

Wir dürfen wohl hin-

zufügen, daß die spätere Laufbahn seines Günstling- seine Wahl vollkommen rechtfertigte.

Kapitel III. Don CanningS erster Annahme eine« Amtes bis zu seiner Resigna­ tion zugleich mit Hrn. Pitt 1801. — Seine Parlaments - Re­ den. — Seine Verheirathung. — Seine Beiträge zum AntiJacobin Examiner.

Zu dem neuen Parlament von 1796, wurde Canning

für Wendover, in Buckinghamfhire, erwählt, und in den ersten Sitzungen erschien er in seiner amtlichen Würde, als einer der Unter-Staatssecretaire, wozu er durch den ersten Minister ernannt worden war.

Außer dem gewöhnlichen

Vorurtheil gegen Beamte, die zugleich Sitze im Parlament einnthmrn, hatte Canning noch gegen einen Vorwurf zu

kämpfen, der ihm im Untrrhause aufs schonungsloseste ge­ macht wurde: daß man nemlich seinen Vorgänger alS In6*

84 validen auf Pension gesetzt habe, um seiner Anstellung im Amte Platz zu machen, und zwar in einem Lebens - Alter wo jener, neben einer langjährigen Erfahrung in den Pflich­ ten die ihm oblagen, in der vollen Reife ungeschwächter Kräfte stehe. Glücklicherweise haben wir Cannings Ver­ theidigung über beide Punkte; den einen widerlegte er, viele Jahre später, siegreich in einer Rede, die er an seine Conftituenten zu Liverpool hielt,worin er zeigte, wie abgeschmackt es seyn würde, Beamte von Sitzen im Parlament auszu­ schließen ; den andern beantwortete er sogleich, zur Nieder­ lage seines Gegners; und dieser Gegner war kein Gerin­ gerer als Fox. Wir wollen den letzten Punkt zuerst be­ rühren. Nachdem Fox seine Anmerkungen über die ©ine» euren gemacht hatte, mit denen Pitt und Lord Grenville sich versorgten, während sie auf das Volk verdoppelte La­ sten häuften, ging er zu einem Tadel der neuen Einrichtung in dem Bureau des Staats - Seeretairs über, wodurch Hr. Aust von seinem Posten daselbst entfernt worden, obgleich er sich noch ganz vorzüglich zu demselben eigne, und in ei­ nem Alter wo er so tauglich wie nur je zu seinem Ge­ schäfte sey, lediglich um Hrn. Canning eine Versorgung zu geben, der das Geschäft seines Amtes nicht versehen könne, ehe ihn nicht Hr. Aust unterwiesen habe. Canning stand auf, und da es ihm schien als habe man gegen die Art wie er zu der Stelle gelangt sey, sich anzüglich geäußert, so sagte er, das Publicum sey um seinetwillen mit keiner neuen Last beschwert worden. Hr. Aust, in dessen Stelle er trete, sey zu andern einträglicheren Aemtern berufen wor­ den; aber seine Ernennung habe keine neuen Ausgaben veranlaßt. „Hätte ich nach schmutzigem Gewinne gestrebt, sagte Canning, so hätte ich lieber die Stellen angenommen die Hr. Aust erhalten hat, als den Posten, den ich jetzt bekleide."

85

Der folgende Auszug ist aus der Liverpooler Rede, und bezieht sich auf den ersten Punkt. Er ist sehr inte­ ressant, da er eine wichtige Frage für immer beseitigt, und wir werden deshalb im Laufe dieser Memoiren nicht wei­ ter darauf zurück zu kommen brauchen. „Gentlemen! — Man hat behauptet, daß ein Jeder der ein Amt bekleide, besonders ein hohes und verantwort­ liches Amt, aus eben dem Grunde unfähig sey alS Re­ präsentant des Volkes aufzutreten. — (Man ruft: Nein! Nein!) Ich führe den Grundsatz an, Gentlemen, nur um ihn zu beantworten, — nur um, wenn gleich in einer weit schwächeren Sprache, die Widerlegung auszusprechen, die ihm so eben, in Ihrer einstimmigen Verneinung, auf eine so gerechte und nachdrucksvolle Art geworden ist." Gentlemen! wenn in jener Lehre unserer Gegner Wahrheit seyn sollte, so habe ich unsere Verfassung falsch begriffen. Denn ich habe immer geglaubt daß es eine große praktische Gewahr für die Freiheit sey, der wir uns auf so glückliche Weise erfreuen, und von der wir nur den Namen besitzen würden, wäre sie nicht in den politischen Einrichtungen unseres Landes verkörpert; — ich habe es immer, sage ich, als eine große Gewähr dafür betrachtet, daß, obgleich kein geschriebenes Gesetz die Wahl der Krone bei Ernennung der Minister beschränkt, dennoch, so lange England gewesen, was es jetzt ist, der Monarch seine Mi­ nister stets unter den Mitgliedern der beiden Häuser des Parlaments gewählt habe. Ist es möglich, Gentlemen, daß Leute von scharfem Verstände, wie diejenigen die heute gegen mich aufgetreten sind, nicht einsehen sollten, daß wenn Minister nicht Parl