Denationalisierung und Europäisierung im Informationsmodell des UWG: Die Irreführung durch Unterlassen zwischen Transparenzgebot und Wahrheitsgebot [1 ed.] 9783428550623, 9783428150625

Die Einführung echter Informationspflichten durch die Umsetzung der UGP-Richtlinie etabliert im UWG verbraucherschützend

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German Pages 296 Year 2017

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Denationalisierung und Europäisierung im Informationsmodell des UWG: Die Irreführung durch Unterlassen zwischen Transparenzgebot und Wahrheitsgebot [1 ed.]
 9783428550623, 9783428150625

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 296

Denationalisierung und Europäisierung im Informationsmodell des UWG Die Irreführung durch Unterlassen zwischen Transparenzgebot und Wahrheitsgebot

Von

Mark-Oliver Mackenrodt

Duncker & Humblot · Berlin

MARK-OLIVER MACKENRODT

Denationalisierung und Europäisierung im Informationsmodell des UWG

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 296

Denationalisierung und Europäisierung im Informationsmodell des UWG Die Irreführung durch Unterlassen zwischen Transparenzgebot und Wahrheitsgebot

Von

Mark-Oliver Mackenrodt

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft, hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-15062-5 (Print) ISBN 978-3-428-55062-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85062-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Herzlich danke ich für hilfreichen Rat, wertvolle Anregungen sowie freundliche Förderung der Arbeit Herrn Professor Dr. Thomas Dreier, M.C.J. (NYU), sowie Herrn Professor Dr. Christof Weinhardt, Institut für Informationswirtschaft und Marketing (IISM), als Doktorvater und Betreuer. Für das der Arbeit entgegengebrachte Interesse sowie für ihre Mitwirkung im Prüfungsverfahren danke ich zudem Herrn Professor Dr. Maximilian Haedicke, LL.M. (Georgetown), und Herrn Professor Dr. Thomas Lützkendorf. Dankbar verbunden bin ich dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft, und seinen Mitarbeitern. Außerdem danke ich dem Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb für hervorragende Forschungsmöglichkeiten und das freundliche wissenschaftliche Umfeld, dem Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort für die Unterstützung der Arbeit sowie dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Der Studienstiftung des Deutschen Volkes sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft gilt mein herzlicher Dank für Studienförderung und besonders für die damit verbundenen Studienmöglichkeiten an der New York University (NYU), an der Stern Business School sowie in Law and Economics in Harvard. Mit großem Dank widme ich die Arbeit meinen lieben Eltern und meiner lieben Familie. München, im Mai 2017

Mark-Oliver Mackenrodt

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Forschungsgegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Methodische Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 § 2 Die zentralen Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel und das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Die Ausweitung des Lauterkeitsrechts zu einem Recht der Marktkommunikation. 48 C. Europäisierung und Denationalisierung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 § 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots und Gegenüberstellung mit dem Wahrheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG als Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG als Wahrheitsgebot . 172 § 4 Einzelergebnisse zur Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG . . . . . . . . . 222 A. Das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Das traditionelle Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 § 5 Übergreifende Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 A. Kritik an der dogmatischen Doppelspurigkeit des § 5a UWG . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Auswirkung der UGP-Richtlinie auf das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell 232 C. Bruchstellen und Komplexitäten des Lauterkeitsrechts im Spiegel von § 5a UWG 240

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Inhaltsübersicht

§ 6 Ausblick: Schlussfolgerungen bezüglich eines lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells für den unternehmerischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . 249 Anhang: Gesetzestexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Verzeichnis der Rechtsakte und Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Forschungsgegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Methodische Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 § 2 Die zentralen Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel und das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Europarechtliche Vorgaben für das Irreführungsverbot in § 5a UWG . . . . . . 25 1. Harmonisierungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Schutzzweck und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Das Irreführungsverbot in der Werbe-Richtlinie und seine Umsetzung 5. Die Regelungsstruktur der UGP-Richtlinie und des Transparenzgebots

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a) Die Dreistufigkeit der UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Das Transparenzgebot als Prüfungsmaßstab für Unternehmenskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Das traditionelle Konzept eines Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Die Normgenese des traditionellen Verbotes der Irreführung durch Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Die dogmatische Struktur des traditionellen Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Die Debatte um Informationspflichten in der UWG-Reform 2004 . . . . . . 34 4. Die zurückhaltende Position von Gesetzgeber und Rechtsprechung im Umfeld der UWG-Reform 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Die verhaltene Position in der UWG-Novelle des Jahres 2004 . . . . . . 36 b) Die kritische Position der Rechtsprechung gegenüber lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Das moderne Konzept eines Irreführungsverbotes als Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Die Normgenese des Irreführungsverbotes als Transparenzgebot . . . . . . . 39

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Inhaltsverzeichnis 2. Die dogmatische Struktur des Irreführungsverbotes als Transparenzgebot 41 a) Markttransparenz als Telos des Irreführungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Absenkung der Schwelle zur lauterkeitsrechtlichen Haftung durch das Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 c) Lauterkeitsrechtliche Informationspflichten als Kompensation für eine Lockerung beim Verbraucherleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 d) Der marktordnungsrechtliche Charakter des Transparenzgebots und seine Nähe zum Rechtsbruchtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 e) Existenz echter Informationspflichten auch in § 5a Abs. 2 UWG? . . . 44 f) Das Transparenzgebot als Baustein für ein lauterkeitsrechtliches Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Die Ausweitung des Lauterkeitsrechts zu einem Recht der Marktkommunikation 48 I. Erstreckung des Irreführungsverbotes über den Bereich der Werbung hinaus 49 II. Die Ausweitung des Irreführungsverbotes auf geschäftliche Handlungen . . 50 1. Definition von Geschäftspraktiken und geschäftlichen Handlungen . . . . . 50 2. Das Weglassen einer Information als geschäftliche Handlung . . . . . . . . . 51 3. Keine strikte Begrenzung auf den Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Keine strikte Begrenzung auf eine Wettbewerbswirkung . . . . . . . . . . . . . 55 5. Kein Erfordernis einer Wettbewerbsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 6. Anwendbarkeit auf Kommunikationsverhalten durch Beauftragte . . . . . . 58 7. Anwendbarkeit auch bei Erfüllung von gesetzlichen Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 C. Europäisierung und Denationalisierung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Europäisierung des Informationsmodells im Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . 62 II. Denationalisierung des Informationsmodells im Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . 62 1. Vollharmonisierung und Vorrang der UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Der Anwendungsbereich als Grenze der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. EuGH-Rechtsprechung zur Europäisierung und Denationalisierung durch die UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Sperrwirkung gegenüber strengeren nationalen Informationspflichten 65 b) Sperrwirkung gegenüber fehlenden oder milderen nationalen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Sperrwirkung gegenüber strengeren nationalen Regelungen . . . . . . . . 66 d) Sperrwirkung gegenüber nationalen per se-Verboten . . . . . . . . . . . . . . 66 e) Sperrwirkung bereits bei gemischter Zwecksetzung . . . . . . . . . . . . . . . 67 f) Sperrwirkung bereits bei unmittelbarem Kontakt mit Verbrauchern . . 69 4. Nationale Informationspflichten als Hindernis im Binnenmarkt und Funktionsgrenzen des Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

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5. Folgen der Denationalisierung für die Sanktionierung von Informationspflichtverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Deckungsgleichheit zwischen mitgliedstaatlicher Informationspflicht und unionsrechtlicher Vorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Keine Sanktionierung mitgliedstaatlicher Informationspflichten bei überschießender Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Keine Sanktionierung rein mitgliedstaatlicher Informationspflichten 72 d) Keine Anwendung der Generalklausel zur Umgehung der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Folgerungen für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell des UWG . . 73 1. Der Rechtsbruchtatbestand als bisherige Zentralnorm des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Rechtsprechung zur Einwirkung der UPG-Richtlinie auf das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Keine Sanktionierung von überschießenden nationalen Informationsanforderungen der PAngV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Keine Sanktionierung von überschießenden nationalen Informationsanforderungen des EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Beschränkung der Sanktionierung auf den Umfang der europäischen Vorgaben bei der Emissionskennzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Beschränkungen bei der Durchsetzung der deutschen Preisangabenverordnung (PAngV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4. Rechtsprechung des EuGH zum lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell des UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Keine Sperrwirkung bei Fehlen einer Geschäftspraktik . . . . . . . . . . . . 80 b) Anwendbarkeit auf öffentliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 IV. Das Vertragsrecht und das Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Asymmetrie bei nationalen Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Beispiele für Abweichungen der Informationsmodelle im Lauterkeitsund Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Asymmetrie bei Verstößen gegen die Pflicht zur Widerrufsbelehrung 84 b) Asymmetrie bei Verstößen gegen die Pflicht zur Identitätsangabe . . . 86 c) Asymmetrie bei fehlender Übergabe eines reiserechtlichen Sicherungsscheines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Die Annäherung der Informationsmodelle im Lauterkeits- und Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots und Gegenüberstellung mit dem Wahrheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG als Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Dogmatische Grundlagen des § 5a Abs. 2 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Die Verbrauchergeneralklausel in § 5a Abs. 2 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Keine Dichotomie im unternehmerischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . 90 II. Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Die Schaffung eines Sonderwettbewerbsrechts für Verbraucher . . . . . . . . 91 a) Grundsätzliche Zulässigkeit einer überschießenden Richtlinienumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Folgen einer überschießenden Richtlinienumsetzung . . . . . . . . . . 92 bb) Überschießende Richtlinienumsetzung und inhaltliche Übererfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 cc) Die UGP-Richtlinie und überschießende Umsetzung . . . . . . . . . . 93 b) Rechtspolitische Erwägungen bei einer überschießenden Richtlinienumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Der Begriff des Verbrauchers und seine europarechtskonforme Auslegung 96 a) Irrelevanz eines tatsächlichen Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Zulässigkeit eines weiteren mitgliedstaatlichen Verbraucherbegriffs 97 III. Vorenthalten einer Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Information und ihre Bezugspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Zusammenhang mit einer geschäftlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Abgrenzung des Vorenthaltens vom Verschweigen und Irrelevanz einer Fehlvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Echtes Schweigen als Vorenthalten von Information . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5. Positives Tun und beredtes Schweigen als ein Vorenthalten? . . . . . . . . . . 103 a) Unklare, unverständliche oder zweideutige Angaben als Vorenthalten 103 b) Abgrenzung zwischen positivem Tun und Unterlassen . . . . . . . . . . . . . 105 6. Berücksichtigung von Beschränkungen des Kommunikationsmittels . . . . 107 a) Richtlinienvorgaben und Ungenauigkeiten in der ersten deutschen Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Die Zuordnung der Medienklausel zum Merkmal des Vorenthaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (1) Die Medienklausel als Teil des Vorenthaltens von Information 108 (2) Die alte deutsche Medienklausel als Teil der Wesentlichkeit? 109 (3) Signifikanz und Europarechtswidrigkeit der Zuordnung zur Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Berücksichtigung ausschließlich von medienbezogenen Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

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cc) Die Zweigliedrigkeit der Medienklausel und das Erfordernis einer anderweitigen Übermittlung der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Beschränkungen des Kommunikationsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) Anderweitiges Zur-Verfügung-Stellen der Information und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Generelle kommunikationsmittelbezogene Einschränkung von Informationspflichten im UWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 e) Zwischenergebnis: Zweck und Inhalt der Medienklausel . . . . . . . . . . . 116 7. Zwischenergebnis zum Vorenthalten von Informationen . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Die Einzelfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 V. Die Wesentlichkeit einer Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Die Reichweite der Wesentlichkeitsvermutung in § 5a Abs. 3 und § 5a Abs. 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Vermutung der Wesentlichkeit bei europarechtlichen Informationsgeboten, § 5a Abs. 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Unionsrechtliche Informationspflichten zur kommerziellen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Überschießende Umsetzung unionsrechtlicher Informationspflichten und § 5a Abs. 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Bewertung von § 5a Abs. 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Vermutung der Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 3 UWG . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Anbieten von Waren und Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Rechtspolitische Erwägungen bei Auslegung des Angebotsbegriffs 127 bb) Europarechtliche Anforderungen bei Auslegung des Angebotsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (1) Europäische Begriffsvorgabe: „Aufforderung zum Kauf“ . . . . 128 (2) Kein pauschaler Rückgriff auf nationale Rechtsbegriffe . . . . . 130 cc) Keine Beschränkung auf Kaufverträge und Angebote im Sinne des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 dd) Bindende Angebote und invitatio ad offerendum . . . . . . . . . . . . . . 131 ee) Ausschluss von Aufmerksamkeits- und Imagewerbung . . . . . . . . . 133 ff) Werbung mit Eckpreisen und für Produktvarianten als Aufforderung zum Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 gg) Die Preisangabenverordnung (PAngV) als Modell? . . . . . . . . . . . . 136 hh) Zwischenergebnis zum Anbieten von Waren und Dienstleistungen 137 b) Informationspflichten in Bezug auf wesentliche Merkmale der Ware, § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Die Merkmalbezogenheit der Aufklärungspflicht aus § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Funktionsbezogene Auslegung des Merkmals der Wesentlichkeit 139 (1) Bewusste Ungleichheit der Vorschriften beim Beispielkatalog 140

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Inhaltsverzeichnis (2) Dogmatische Unterscheidung zwischen Transparenzgebot und Wahrheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (3) Gefahr einer Pflicht zur Überinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Wesentliche Produktmerkmale und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Wesentliche Produkteigenschaften und die §§ 312a ff. BGB 142 (a) Parallelität in Wortlaut und Telos von § 312a ff. BGB und von § 5a Abs. 3 Nr. 1 – 5 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (b) § 5a Abs. 3 Nr. 1 – 5 UWG als Verallgemeinerung der Informationspflichten aus den §§ 312d Abs. 1 BGB . . . . . . . 144 (2) Wesentliche Eigenschaften im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB 144 dd) Gesetzliche Informationspflichten und wesentliche Merkmale im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (1) Vorrang des § 5a Abs. 4 UWG für europäische Kennzeichnungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (2) Produktkennzeichnungspflichten als normative Wertungen . . . 146 ee) Kasuistik zu § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 ff) Wesentliche Eigenschaften bei Werbung für Produktvarianten . . . 149 gg) Beschränkung der Informationspflicht in § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG 150 (1) Das Medienelement und Unterscheidung von der Medienklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) Das Warenelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 hh) Zwischenergebnis zu wesentlichen Produktmerkmalen . . . . . . . . . 152 c) Informationspflichten in Bezug auf die Identität, § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 d) Informationspflichten in Bezug auf Preise, § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG . . 154 e) Informationspflichten in Bezug auf Vertragsbedingungen, Rücktrittsund Widerrufsrechte, § 5a Abs. 3 Nr. 4 und 5 UWG . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 2 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Eigenständige Auslegung der „Wesentlichkeit“ in § 5a Abs. 2 UWG

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b) Wesentlichkeit und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 VI. Kein Erfordernis eines Sorgfaltspflichtverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Die deutsche Rechtslage vor der UWG-Reform des Jahres 2015 . . . . . . . 161 2. Kritik in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Kein Sorgfaltserfordernis nach der UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Kein Sorgfaltserfordernis nach der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 163 5. Kein Sorgfaltserfordernis nach der UWG-Novelle des Jahres 2015 . . . . . 164 VII. Geschäftliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Verzicht auf eine Relevanzprüfung durch den Bundesgerichtshof . . . . . . 165 2. Ablehnung einer Relevanzprüfung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Erfordernis einer selbstständigen Relevanzprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Inhaltsverzeichnis

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4. Rechtsprechung des EuGH zum Relevanzerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . 169 5. Die Unzulässigkeit nationaler per se-Verbote nach der UGP-Richtlinie

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6. Inhaltliche Abweichung im früheren deutschen Lauterkeitsrecht . . . . . . . 170 7. Die eigenständige Relevanzklausel in § 5a Abs. 2 UWG 2015 . . . . . . . . . 171 VIII. Zwischenergebnis zu § 5a Abs. 2 – 5 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG als Wahrheitsgebot

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I. Normgenese und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Übertragbarkeit der Kasuistik zur alten Rechtslage auf § 5a Abs. 1 UWG 175 III. Tatsachenbegriff und fehlende Begrenzung von § 5a Abs. 1 UWG auf Regeltatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 IV. Verschweigen und seine Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung . . . 179 1. Das Erfordernis einer Aufklärungspflicht in § 5a Abs. 1 UWG . . . . . . . . 180 2. Bedeutung für die Geschäftsentscheidung des Käufers und Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Abwägung mit Interessen des Verkäufers und Aufklärungspflichten . . . . 184 V. Eignung zur Irreführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Abgrenzung zum Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Irreführungsmaßstab und mögliche Annäherung an ein Transparenzgebot 187 3. Anlockwirkung und Irreführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4. Empfängerhorizont und Irreführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5. Geforderter Aufmerksamkeitsgrad und Produkttypus . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Suchgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Erfahrungsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Vertrauensgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 6. Empirische oder normative Bestimmung der Irreführung . . . . . . . . . . . . . 196 a) Beweislast für das Entstehung einer Fehlvorstellung . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Empirische Feststellung der Irreführungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Formen der empirischen Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Zweistufige Bestimmung der Irreführungsquote . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Normative Feststellung des Irreführungserfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Konsequenzen einer normativen Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Gründe für eine normative Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 cc) Unionsrechtliche Vorgaben für eine normative Vorgehensweise

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d) Empirische und normative Vorgehensweise im Wandel der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 aa) Empirische Vorgehensweise und normative Korrekturen . . . . . . . . 203 bb) Abstellen auf eine feste Irreführungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 cc) Abstellen auf eine variable Irreführungsquote und Änderung des Verbraucherleitbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 dd) Stärkere normative Orientierung an Erfahrungssätzen . . . . . . . . . . 207

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Inhaltsverzeichnis ee) Befugnisse des Richters bei der Feststellung der Irreführung . . . . 207 (1) Der Richter als Teil des angesprochenen Verkehrskreises . . . . 208 (2) Differenzierung zwischen Bejahung und Verneinung der Irreführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 7. Gesetzliche Informationspflichten und normative Verkehrsauffassung . . 210 a) Normative Verkehrsauffassung und Irreführung durch positives Tun

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aa) Gesetzlich zwingende Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (1) Abstellen auf die Soll-Verkehrsauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (2) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Übernahme von Bezeichnungen aus dem EU-Recht . . . . . . . . . . . 213 cc) Übernahme von offiziellen Begriffen bei unsicherem Verkehrsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (1) Verweisende Verkehrsvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 dd) Übernahme von offiziellen Begriffen und abweichende Verkehrsauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 ee) Abweichen von einem offiziellen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . 216 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Normative Verkehrsauffassung und Irreführung durch Unterlassen . . . 218 aa) Wirkung einer normativen Verkehrsauffassung bei Unterlassungen 218 bb) Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 VI. Das Fehlen einer Medienklausel in § 5a Abs. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 § 4 Einzelergebnisse zur Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG . . . . . . . . . 222 A. Das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Das traditionelle Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 § 5 Übergreifende Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 A. Kritik an der dogmatischen Doppelspurigkeit des § 5a UWG . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Terminologische Konsequenzen der dogmatischen Doppelgesichtigkeit des § 5a UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Terminologische Differenzierung zwischen Verschweigen und Vorenthalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Irreführung als gesetzliche Überschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Informationsgebote und Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Redaktionelle Kritik an der Hybridstruktur des § 5a UWG . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Fehlende Präzision im Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis

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2. Vermischung mit Sonderprivatrecht für Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Keine Vorgabe der Hybridstruktur durch die UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . 228 4. Die Unsicherheit der Abgrenzung zwischen Unterlassen und positivem Tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Keine Beschränkung des § 5a UWG auf Fälle des Unterlassens . . . . . 229 b) Fälle des Unterlassens in § 5 UWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Klärungsbedarf bei der alten Dogmatik zur Abgrenzung von positivem Tun und Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 5. Die Unüblichkeit separater Unterlassungsnormen im Privatrecht . . . . . . . 231 III. Redaktioneller Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 B. Auswirkung der UGP-Richtlinie auf das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell 232 I. Europäisierung des Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 II. Denationalisierung des Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 III. Sanktionierbarkeit von Verstößen gegen Informationspflichten . . . . . . . . . . 234 1. Sanktionierung bei europäischen Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Keine Sanktionierung bei mitgliedstaatlichen Informationspflichten . . . . 235 3. Annäherung der Informationsmodelle des Lauterkeitsrechts und des Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Ablösung des Rechtsbruchtatbestandes als Zentralnorm des Informationsmodells im deutschen UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 IV. Beschränkungen des harmonisierten Transparenzgebots bei der Schaffung eines europäischen Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Fehlende Harmonisierung bei den lauterkeitsrechtlichen Rechtsfolgen 236 2. Fehlende Harmonisierung bei der institutionellen Durchsetzung . . . . . . . 238 3. Beschränkung der Harmonisierungswirkung auf Verbrauchergeschäfte 238 V. Funktionelle Grenzen des Informationsmodells im UWG . . . . . . . . . . . . . . . 239 C. Bruchstellen und Komplexitäten des Lauterkeitsrechts im Spiegel von § 5a UWG 240 I. Das Nebeneinander von harmonisierten und nicht harmonisierten Regelungen im UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Verbraucherschutz und die deutsche Schutzzwecktrias . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Die ausschließliche Verbraucherorientierung der UGP-Richtlinie . . . . . . 242 2. Dualismus im deutschen UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Das Integrationsmodell im deutschen UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4. Sonderwettbewerbsrecht für Verbraucher in § 5a Abs. 2 – 5 UWG . . . . . . 246 § 6 Ausblick: Schlussfolgerungen bezüglich eines lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells für den unternehmerischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Anhang: Gesetzestexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A. § 5a UWG Irreführung durch Unterlassen in der Fassung 2015 . . . . . . . . . . . . . . . 251 B. § 5a UWG Irreführung durch Unterlassen in der Fassung 2008 . . . . . . . . . . . . . . . 252

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Inhaltsverzeichnis C. § 3a UWG 2015 Rechtsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 D. § 4 Nr. 11 UWG 2004 (aufgehoben) Rechtsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 E. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie 2005/29/EG) . . . . 254

Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Verzeichnis der Rechtsakte und Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

§ 1 Einleitung A. Forschungsgegenstand und Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit hat die Denationalisierung und Europäisierung des Informationsmodells im Lauterkeitsrecht zum Gegenstand. Sie analysiert die grundlegende Neudefinition und Neuausrichtung, die das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell durch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG (UGP-Richtlinie)1 und durch die Einführung eines Transparenzgebots mit echten Informationspflichten in das deutsche Lauterkeitsrecht erfahren hat. Zunächst identifiziert und analysiert die Arbeit drei zentrale, konstituierende Bausteine für ein Informationsmodell im Lauterkeitsrecht (siehe § 2). Das wichtigste Element besteht in der Einführung von echten Informationspflichten durch das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG (siehe § 2 A. der Arbeit): Die gesetzliche Überschrift von § 5a UWG benutzt den Terminus „Irreführungsverbot“ als Oberbegriff für das Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG und für das allgemeine Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG. Traditionell enthielt das Verbot der Irreführung durch Unterlassen lediglich ein Wahrheitsgebot, wie es heute in § 5a Abs. 1 UWG geregelt ist. Nach dieser rein nationalen Regelung erfolgt eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung nur dann, wenn durch das Unterlassen einer Information beim Kunden eine Fehlvorstellung entstehen kann. Die Unternehmenskommunikation muss nach diesem Wahrheitsgebot also lediglich so gestaltet sein, dass keine Täuschung des Kunden erfolgt; die Information muss also durch den Kunden der Wahrheit gemäß wahrgenommen werden. Eine Pflicht zur Vollständigkeit der Information besteht nach dieser traditionellen dogmatischen Konzeption des Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot nicht. Demgegenüber stellt das auf europäischem Recht beruhende Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG für das deutsche Lauterkeitsrecht einen dogmatischen Paradigmenwechsel dar. Die praktische Tragweite dieses Systemwechsels hat häufig nur

1 Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, S. 22 – 39.

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§ 1 Einleitung

untergeordnete Aufmerksamkeit gefunden.2 Transparenzgebot bedeutet, dass eine Pflicht zur vollständigen Information des Kunden besteht. Bereits das bloße Weglassen einer bestimmten Basisinformation kann zu einer lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung führen. Das Entstehen einer Fehlvorstellung beim Kunden ist nicht erforderlich. Durch das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG wurden erstmals allgemeine Informationspflichten als Grundlage für ein Informationsmodell in das Lauterkeitsrecht eingeführt. Die Informationspflichten sollen die Verbraucher in die Lage versetzen, eine informierte Entscheidung zu treffen. In einem Informationsmodell soll der Verbraucherschutz durch die Versorgung des Kunden mit bestimmten Basisinformationen gewährleistet werden. Sodann wird als zweiter Baustein des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells die Ausweitung des Lauterkeitsrechts zu einem Recht der Marktkommunikation untersucht (siehe § 2 B.). Der Anwendungsbereich des Irreführungsverbotes war nämlich ursprünglich auf Werbeaussagen beschränkt. Mit seiner Ergänzung um ein Transparenzgebot wurde die Anwendbarkeit des Irreführungsverbotes nun umfassend auf alle geschäftlichen Handlungen erweitert, insbesondere auch auf solche, die erst nach Vertragsschluss erfolgen. Dadurch erhält das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell eine größere Tragweite. Schließlich wird als drittes Element, welches das Informationsmodell konstituiert, die Europäisierungs- und Denationalisierungswirkung der UGP-Richtlinie identifiziert (siehe § 2 C.): Die Einführung europaweit harmonisierter lauterkeitsrechtlicher Informationspflichten stellt eine Europäisierung des Informationsmodells dar (siehe § 2 C. I.). Die vorliegende Arbeit untersucht jedoch auch die häufig übersehene Tatsache, dass – im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie – das nationale Informationsmodell abgeschafft wurde: Aus dem Prinzip der Vollharmonisierung der UGP-Richtlinie folgt nämlich eine Sperrwirkung. Den Mitgliedstaaten wird es dadurch untersagt, durch ihr Lauterkeitsrecht Verstöße gegen mitgliedstaatliche Informationspflichten zu sanktionieren. Im lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell können daher nur noch Verstöße gegen europäische Informationspflichten geahndet werden; hingegen müssen Verstöße gegen rein nationale Informationspflichten ohne lauterkeitsrechtliche Sanktion bleiben. Dies wird in dieser Arbeit als Denationalisierung des Informationsmodells interpretiert (siehe § 2 C. II.). Die Europäisierung geht also mit einer Denationalisierung einher, und es wird ein rein europäisches lauterkeitsrechtliches Informationsmodell geschaffen. Die Arbeit analysiert die Rechtsprechung des EuGH, die den Mitgliedstaaten die lauterkeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen rein mitgliedstaatliche Informationspflichten untersagt. Sodann werden die bedeutsamen Auswirkungen der Denationalisierung auf das deutsche Lauterkeitsrecht untersucht (siehe § 2 C. III.): Der deutsche Rechts-

2 So – noch zwei Jahre nach der Novellierung – auch die Einschätzung von Fezer, WRP 2010, 577, 578.

A. Forschungsgegenstand und Gang der Untersuchung

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bruchtatbestand in § 3a UWG3 wurde nämlich – mit dem Ablaufen der Übergangsfrist im Sommer 2013 – als bisherige Zentralnorm des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells durch § 5a Abs. 2 – 5 UWG abgelöst. Der deutsche Rechtsbruchtatbestand muss als rein nationale Vorschrift zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Europarecht nun einschränkend ausgelegt werden. Er darf – im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie – nicht mehr zur Sanktionierung von Verstößen gegen rein nationale Informationspflichten herangezogen werden. Anschließend wird in § 3 der Arbeit die inhaltliche Ausgestaltung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells in § 5a UWG untersucht. Dabei wird zunächst das dogmatisch neuartige Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG analysiert, das im Verhältnis zu Verbrauchern echte Informationspflichten etabliert (siehe unten § 3 A.). Das Transparenzgebot zählt zu den wichtigsten und umstrittensten dogmatischen und rechtspolitischen Neuerungen nach der Umsetzung der europäischen UGP-Richtlinie. Die Informationspflichten des Transparenzgebots wurden durch die UWG-Novelle des Jahres 20084 neu in das UWG eingeführt und durch die UWGNovelle des Jahres 20155 überarbeitet. Zudem ist mittlerweile eine Konkretisierung der Vorschriften durch umfangreiche Rechtsprechung des EuGH, des BGH sowie durch das Schrifttum erfolgt. Die Arbeit analysiert, welche Konkretisierungsspielräume durch den Normtext und durch die europäischen Vorgaben beim Transparenzgebot ermöglicht werden und inwieweit den Voraussetzungen und Wirkungsmöglichkeiten eines Informationsmodells tatsächlich Raum gegeben werden kann. Ein Konterkarieren des verbraucherschutzrechtlichen Regelungszieles droht vor allem durch eine Überinformation. Zudem kann sich auf der Unternehmensseite eine zu starke Belastung mit Informationskosten ergeben. In praktisch-ökonomischer Hinsicht sind die untersuchten Fragen von großer Bedeutung für die Gestaltung der Unternehmenskommunikation. Sodann wird eine Gegenüberstellung mit dem Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG vorgenommen (siehe unten § 3 B.), das dem traditionellen dogmatischen Konzept eines Irreführungsverbotes folgt. Für den Geschäftsverkehr zwischen zwei Unternehmen erfolgt eine lauterkeitsrechtliche Kontrolle des unternehmerischen Informationsverhaltens beim Unterlassen einer Information ausschließlich über diese Vorschrift. Dabei wird auch untersucht, inwieweit bereits durch die Auslegung in der früheren Rechtsprechung eine punktuelle Annäherung dieser Vorschrift an ein Transparenzgebot erfolgt ist. Schließlich werden im Rahmen der Schlussfolgerungen zunächst Einzelergebnisse zu § 5a UWG zusammengefasst (siehe § 4). Sodann erfolgt im Rahmen von 3 Vor der UWG-Novelle des Jahres 2015 war der Rechtsbruchtatbestand in § 4 Nr. 11 UWG 2004 geregelt. 4 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 1 – 41. 5 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 18/4535, 2015, S. 1 – 27.

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§ 1 Einleitung

übergreifenden Schlussfolgerungen (siehe § 5) eine Bewertung des § 5a UWG und seiner Rolle für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell (siehe § 5 A. und B.). Sodann werden generelle Ergebnisse in Bezug auf das europäisierte deutsche Lauterkeitsrecht formuliert, die sich aus einer Betrachtung von § 5a UWG ergeben (siehe § 5 C.). Die dabei identifizierten Bruchstellen und Komplexitäten ermöglichen in Kombination mit den Ergebnissen zum Transparenzgebot in Gestalt eines Ausblicks Schlussfolgerungen bezüglich eines lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (siehe § 6).

B. Methodische Vorgehensweise Die Methodik der Vorgehensweise ergibt sich aus der Sachmaterie sowie aus dem spezifischen Charakter der untersuchten Rechtsnormen. Im Ausgangspunkt wird bei der Analyse und Auslegung der Gesetzesnormen dogmatisch vorgegangen, da dies auch für den Rechtsanwender den ersten Schritt darstellt. Zugleich werden der jeweilige Gesetzeszweck sowie rechtspolitische Erwägungen herangezogen. Bei der Bewertung der Informationspflichten wird auch auf Argumentationen aus der Informationsökonomie zurückgegriffen. Die vorliegende Arbeit analysiert schwerpunktmäßig Normen aus dem Lauterkeitsrecht. Im deutschen Lauterkeitsrecht beruht ein Teil der Regelungen – das so genannte harmonisierte Lauterkeitsrecht – auf europarechtlichen Vorgaben; ein weiterer Teil des UWG – der so genannte nicht harmonisierte Bereich – basiert auf dem autonomen Willen des deutschen Gesetzgebers. Daher ergibt sich aus der behandelten Rechtsmaterie des UWG in besonderem Maße das Erfordernis, europäische Auslegungsgrundsätze sowie die europäische Methodenlehre heranzuziehen. Im Bereich des Lauterkeitsrechts erweist sich die Anwendung der europäischen Methodenlehre aus mehreren Gründen als besonders komplex. Zum einen ist das Rechtsgebiet lediglich in Teilbereichen unionsrechtlich harmonisiert. Zudem beruht die Harmonisierung gleich auf mehreren europäischen Rechtsakten, die auch noch unterschiedliche Harmonisierungskonzepte verfolgen. Stellenweise ist der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung einer unionsrechtlichen Vorgabe über diese hinausgegangen. Es liegt dann eine überschießende Umsetzung europäischen Rechts vor. Bei der Irreführung durch aktives Tun gilt beispielsweise Artikel 6 UGP-Richtlinie ausschließlich für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung in § 5 UWG jedoch eine Anwendung auch auf den Geschäftsverkehr gegenüber Unternehmern vorgesehen. Ein und dieselbe Vorschrift hat also je nach der konkreten Anwendung einmal einen unionsrechtlichen und einmal einen rein mitgliedstaatlichen Kontext. Daraus folgen schwierige Fragen, etwa ob eine einheitliche oder gespaltene Auslegung vorzunehmen ist und unter welchen Umständen eine Vorlage möglich oder verpflichtend ist.

B. Methodische Vorgehensweise

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Zusammenfassend ergeben sich aus dieser vielschichtigen Gemengelage für den Rechtsanwender schwierige Rechtsanwendungsprobleme. Es stehen nicht nur rein mitgliedstaatliche Normen neben Regelungen, die einen unionsrechtlichen Hintergrund haben. Vielmehr kann auch der Regelungsbereich einer einzigen nationalen Norm teilweise auf einer oder auf mehreren europäischen Richtlinienumsetzungen beruhen und in anderen Teilen auf dem autonomen Regelungswillen des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers. Zudem folgt aus der traditionell starken Prägung und Fortentwicklung des Lauterkeitsrechts durch die Rechtsprechung die Notwendigkeit einer eingehenden Fallanalyse. Dabei spielt die europäische Rechtsprechung wegen des – äußerst komplexen – unionsrechtlichen Hintergrunds der Regelungen und wegen des kasuistischen Charakters des Rechtsgebiets und wegen der häufigen Verwendung von Generalklauseln eine besonders herausgehobene Rolle. Gerade im Bereich des Transparenzgebots und vor allem in Bezug auf die Denationalisierung des Informationsmodells hat der EuGH bereits in den ersten Jahren des Bestehens der Regelung wegweisende Entscheidungen gesprochen.

§ 2 Die zentralen Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht Das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell wird durch drei zentrale Bausteine konstituiert, die in Umsetzung der UGP-Richtlinie oder zeitgleich dazu in das UWG eingeführt worden sind. Diese für das Informationsmodell zentralen Regelungen haben jeweils durch erste Rechtsprechung des EuGH eine erste Ausformung erfahren. Zudem haben sie mit dem Ablauf der Übergangsfrist für widersprechende mitgliedstaatliche Regelungen im Sommer 2013 eine verstärkte praktische Wirkung erlangt. Die Zentralnorm des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells bildet das in Umsetzung der UGP-Richtlinie in das deutsche UWG eingeführte allgemeine Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG. Dieses stellt gegenüber dem traditionellen deutschen Irreführungsverbot in § 5a Abs. 1 UWG einen dogmatischen Paradigmenwechsel dar (siehe unten A.). Die Tragweite des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells wurde zudem durch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschriften maßgeblich vergrößert. Es wird nun nicht mehr nur Werbung erfasst, sondern ein wesentlich größerer Ausschnitt des Kommunikationsverhaltens von Unternehmen (siehe unten B.). Schließlich erhält das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell durch das in der UGP-Richtlinie verankerte Prinzip der Vollharmonisierung eine europäische Dimension (siehe unten C.).

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel und das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell Die Einführung des Transparenzgebots in § 5a Abs. 2 – 5 UWG erfolgte ursprünglich als Umsetzung der europäischen Vorgaben durch die UGP-Richtlinie (siehe unten I.). Gehalt und dogmatische Struktur des § 5a UWG erschließen sich vor dem Hintergrund der Normgenese des Irreführungsverbotes im deutschen UWG und vor dem Hintergrund einer Gegenüberstellung der unterschiedlichen Konzepte: In seiner traditionellen dogmatischen Konzeption, die im heutigen § 5a Abs. 1 UWG verkörpert ist, entspricht das Verbot der Irreführung durch Unterlassen einem Wahrheitsgebot (siehe unten II.). Das Weglassen einer Information darf also nicht zu einem Irrtum führen.

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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Demgegenüber repräsentiert die Kodifikation des modernen Verbotes der Irreführung durch Unterlassen in § 5a Abs. 2 – 5 UWG1, die durch die UWG-Novelle des Jahres 2008 erfolgte, einen dogmatischen Paradigmenwechsel hin zu einem Transparenzgebot (siehe unten III.). Dies bedeutet, dass eine Pflicht des Unternehmens besteht, den Verbraucher vollständig zu informieren. Dies stellt die Übernahme eines Informationsmodells in das Lauterkeitsrecht dar.

I. Europarechtliche Vorgaben für das Irreführungsverbot in § 5a UWG Das Verbot der Irreführung durch Unterlassen in § 5a UWG steht unter den unionsrechtlichen Vorgaben der UGP-Richtlinie 2005/29 sowie der Richtlinie 2006/ 114 über irreführende und vergleichende Werbung (Werbe-Richtlinie). § 5a UWG wurde durch die UWG-Reform im Jahre 2008 eingeführt und im Dezember 2015 novelliert und stellt in § 5a Abs. 2 – 5 UWG eine Umsetzung der europarechtlichen Vorgabe von Artikel 7 UGP-Richtlinie dar. Neben der UGP-Richtlinie2 hat das Verbot der Irreführung in der Richtlinie 2006/114 über irreführende und vergleichende Werbung3 (Werbe-Richtlinie), welche die Richtlinie 84/450/EWG4 ablöste, eine europäische Regelung erfahren.5 Damit ist das Irreführungsverbot in zwei separate europarechtliche Regelungsvorgaben aufgespalten.6 Diese beiden Regelungswerke unterscheiden sich erheblich in Hinblick auf die ihnen zu Grunde liegende Harmonisierungstechnik (siehe unten 1.), ihren Schutzzweck (siehe unten 2.) und ihren sachlichen Anwendungsbereich (siehe unten 3.). Diese Aspekte sind bei der europarechtskonformen Auslegung des § 5a UWG von großer Bedeutung. Gleichzeitig führen diese punktuelle Harmonisierung und Europäisierung des 1 Zur Diskussion der Frage, ob auch § 5a Abs. 2 UWG oder ausschließlich § 5a Abs. 3 und 4 UWG echte Aufklärungspflichten enthalten und dogmatisch dem Transparenzgebot zuzuordnen sind, siehe § 2 A. III. 2. e). 2 Allgemeine Ausführungen zur UGP-Richtlinie finden sich etwa bei Köhler, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, Einl UWG, Rn. 3.56 ff.; Gamerith, WRP 2005, 391; Keßler/Micklitz, BB 2003, 2073; Seichter, WRP 2005, 1087; Schulte-Nölke/Busch, ZEuP 2004, 99; Köhler/Lettl, WRP 2003, 1019. 3 Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung, ABl. L 376 vom 27. 12. 2006, S. 21. 4 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19. 9. 1984, S. 17 – 20. 5 Allgemein zur Richtlinie 2006/114 über irreführende und vergleichende Werbung siehe etwa Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, Einl UWG, Rn. 3.41 ff. 6 Henning-Bodewig, GRUR Int 2005, 629, 630 bezeichnet dies als Fragmentierung; von einem willkürlichen Extrahieren spricht Drexl, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009, S. 227, 238; allgemein zur Vielfalt der Quellen im europäischen Lauterkeitsrecht Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1313.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

Lauterkeitsrechts zu einer hohen Komplexität der Regelungsmaterie.7 Das Irreführungsverbot ist zudem vor dem Hintergrund der Regelungsstruktur der WerbeRichtlinie (siehe unten 4.) sowie vor allem der UGP-Richtlinie (siehe unten 5.) zu sehen. 1. Harmonisierungstechnik Als Harmonisierungstechnik statuiert die UGP-Richtlinie das Prinzip der abschließenden Angleichung beziehungsweise der Vollharmonisierung.8 Dies ergibt sich aus der Übergangsregelung in Artikel 3 Abs. 5 UGP-Richtlinie, nach der die Mitgliedstaaten Regelungen, die strenger als die Richtlinienvorgaben sind, lediglich für eine Übergangszeit aufrechterhalten dürfen. Daraus folgt im Gegenschluss, dass die Mitgliedstaaten keine lauterkeitsrechtlichen Regelungen einführen oder aufrechterhalten dürfen, die strikter oder milder als die europarechtlichen Anforderungen sind. So hat der EuGH wiederholt mitgliedstaatliche Regelungen für europarechtswidrig erklärt, weil die Regelungen gegen das Prinzip der Vollharmonisierung der UGP-Richtlinie verstießen.9 Allerdings beschränkt sich die europarechtliche Sperrwirkung des Grundsatzes der Vollharmonisierung auf den tatsächlichen Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie.10 Hingegen untersteht die Richtlinie über vergleichende und irreführende Werbung in Bezug auf das in ihrem Artikel 5 geregelte Verbot der irreführenden Werbung dem Grundsatz der Mindestharmonisierung. Dies bedeutet, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, strengere Regelungen einzuführen. Die mitgliedstaatlichen Regelungen müssen jedoch mindestens so streng wie die europarechtlichen Vorgaben sein. Auch Erwägungsgrund 7 unterstreicht das auch von der Rechtsprechung des EuGH11 weiter ausgeformte Prinzip, dass die Werbe-Richtlinie in Hinblick auf irreführende Werbung eine Festlegung von objektiven Mindestkriterien beabsichtigt. Artikel 8 7 Historisch stellt die Europäisierung des Lauterkeitsrechts einen höchst komplexen Prozess dar. Instruktive Darstellungen und Analysen finden sich etwa bei Micklitz/Keßler, GRUR Int 2002, 885; Köhler/Lettl, WRP 2003, 1019. 8 Henning-Bodewig, GRUR Int 2005, 629, 631; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1316; Steinbeck, WRP 2006, 632, 632. Siehe zu diesem Bereich auch die – allerdings rechtlich nicht verbindlichen – Auslegungshilfen im Arbeitspapier der Europäischen Kommission, European Commission, Guidance on the Implementation / Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC(2009) 1666, S. 17. 9 Detaillierte Ausführungen zum Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie und zum Prinzip der Vollharmonisierung finden unter § 2 C. 10 Für den Geschäftsverkehr gegenüber Unternehmern verbietet die UGP-Richtlinie es beispielsweise auf Grund ihres beschränkten Anwendungsbereiches den Mitgliedstaaten hingegen nicht, strengere Regelungen einzuführen. Auf dieses Spannungsfeld weist etwa hin: Drexl, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009, S. 227, 237; Steinbeck, WRP 2006, 632, 632. 11 Siehe etwa das Vorlageverfahren EuGH, Rs. C-44/01, Pippig Augenoptik, Slg. 2003 I03095, Rn. 40.

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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Abs. 1 der Richtlinie über vergleichende und irreführende Werbung führt dazu näher aus, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, im nationalen Recht in Bezug auf Irreführungen einen weiter reichenden Schutz der Gewerbetreibenden und Mitbewerber vorzusehen. Eine andere Angleichungstechnik verfolgt dieselbe Richtlinie in Hinblick auf vergleichende Werbung, die in Artikel 4 der Richtlinie über vergleichende und irreführende Werbung geregelt wird: In diesem Bereich nimmt die WerbeRichtlinie laut Artikel 8 Abs. 1 Satz 2 eine Vollharmonisierung vor.12 2. Schutzzweck und persönlicher Anwendungsbereich In Hinblick auf den Schutzzweck ist die UGP-Richtlinie in ihrem Anwendungsbereich auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern (sogenannten B2CGeschäftsverkehr) beschränkt; sie beabsichtigt nach ihrem Artikel 1 einen Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sowie einen Beitrag zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Hingegen bezweckt die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung nach ihrem Artikel 1 den Schutz von Gewerbetreibenden vor irreführender Werbung und vor deren unlauteren Auswirkungen sowie die Festlegung der Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung.13 3. Sachlicher Anwendungsbereich Die UGP-Richtlinie und die Werbe-Richtlinie unterscheiden sich auch hinsichtlich ihres sachlichen Anwendungsbereiches: Die Werbe-Richtlinie ist ausschließlich für Werbung anwendbar. Werbung stellt nach der Legaldefinition in Artikel 2 a) der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Berufs dar, die darauf abzielt, den Absatz von Waren zu fördern. Produktkennzeichnungen, die auf eine gesetzliche Pflicht zurückgehen, erfüllen beispielsweise die Voraussetzungen einer Werbung im Regelfall nicht. Produktkennzeichnungen sind nämlich häufig deswegen verpflichtend, weil sie den Käufer auf eine Eigenschaft der Kaufsache hinweisen sollen, die der Käufer als nachteilig empfinden könnte. Auch sind nachvertragliche Handlungen, also etwa ein Verstoß gegen eine nachvertragliche Informationspflicht, grundsätzlich nicht vom Begriff der Werbung erfasst, da Werbung der Kaufentscheidung typischerweise vorgelagert ist. Im Vergleich dazu ist der Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie weiter, indem allgemein auf „Geschäftspraktiken“ abgestellt wird. Der Begriff „Geschäftsprakti12 Fezer, WRP 2006, 781, 782; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, Einl UWG, Rn. 3.43; bereits zum Richtlinienentwurf: Gamerith, WRP 2005, 391, 406. 13 Siehe etwa Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1316.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

ken“ in der UGP-Richtlinie umfasst die Definition von „Werbung“ im Sinne der Richtlinie für irreführende und vergleichende Werbung sowie auch den Begriff „kommerzielle Kommunikation“ im Sinne der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 2000/31/EG14 Daher werden auch nachvertragliche Sachverhalte15 sowie Produktkennzeichnungen von der UGP-Richtlinie erfasst, während die WerbeRichtlinie in diesen Fällen nicht einschlägig ist. Damit ist das Irreführungsverbot in Bezug auf Verbraucher durch die UGP-Richtlinie in sachlicher Hinsicht weiter geregelt als durch die Werbe-Richtlinie. 4. Das Irreführungsverbot in der Werbe-Richtlinie und seine Umsetzung In der Werbe-Richtlinie stellt – in Bezug auf den Schutz der Gewerbetreibenden – die irreführende Werbung gegenüber einer unzulässigen vergleichenden Werbung eine selbstständige Zuwiderhandlung dar. In dem Vorlageverfahren „Posteshop” stellte der EuGH folgerichtig fest, es sei zur Sanktionierung einer irreführenden Werbung nicht erforderlich, dass diese Werbung zugleich eine vergleichende Werbung darstellt.16 Für das Verbot irreführender Werbung enthält Artikel 4 a) Werbe-Richtlinie zwei Verweisungen: Für das Verhältnis zu Verbrauchern verweist Artikel 4 a) WerbeRichtlinie auf die Artikel 6 und 7 UGP-Richtlinie. Hier gilt also in beiden Richtlinien ein identischer Irreführungsmaßstab, der in Deutschland in den §§ 5, 5a Abs. 2 – 5 UWG umgesetzt worden ist. Hinsichtlich des Verhältnisses zu sonstigen Marktteilnehmern verweist Artikel 4 a) Werbe-Richtlinie auf den in Artikel 3 WerbeRichtlinie formulierten Irreführungsmaßstab. Im deutschen UWG erfolgte eine Umsetzung dieser Vorgabe in den §§ 5 und 5a Abs. 1 UWG. Artikel 3 WerbeRichtlinie ist weniger streng als die Vorgaben der UGP-Richtlinie. Wegen des in diesem Bereich geltenden Grundsatzes der Mindestangleichung war hier eine strengere mitgliedstaatliche Regelung zulässig,17 welche die Voraussetzungen beider Richtlinien erfüllt. Diese deutschen Vorschriften gelten zudem sowohl im Verhältnis zu Verbrauchern als auch in Bezug auf sonstige Marktteilnehmer.18 Außerdem sind sie nicht auf den Bereich der Werbung beschränkt. Bei den §§ 5, 5a Abs. 1 UWG handelt es sich dabei um traditionelle Irreführungsverbote, die eine Täuschung des Kunden als Voraussetzung haben. Dabei regelt der § 5 UWG die Begehungsweise 14 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. L 178 vom 17. 7. 2000, S. 1. 15 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, Einl UWG, Rn. 3.58. 16 EuGH, Rs. C-52/13, Posteshop, Rn. 28 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 17 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, Einl UWG, Rn. 3.44. 18 Auch im Schrifttum wird es befürwortet, eine strengere Umsetzung vorzunehmen und diese auch auf sonstige Marktteilnehmer zu erstrecken. Siehe Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 23.

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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des aktiven Tuns und der § 5a Abs. 1 UWG die vorliegend untersuchte Handlungsmodalität des Unterlassens. Für die vorliegende Untersuchung der in § 5a UWG geregelten Irreführung durch Unterlassen ergibt sich damit Folgendes: § 5a Abs. 2 – 5 UWG ist als Umsetzung der UGP-Richtlinie richtlinienkonform auszulegen. Aus der Werbe-Richtlinie ergibt sich insoweit keine Abweichung. Die Werbe-Richtlinie kann lediglich bei § 5a Abs. 1 UWG eine Rolle spielen, der seinerseits keine Umsetzung der UGP-Richtlinie darstellt und auch kein Transparenzgebot, sondern ein klassisches Irreführungsverbot enthält. Etwaige Vorgaben der Werbe-Richtlinie für § 5a Abs. 1 UWG gelten jedoch nur, soweit man diese Vorschrift auf Werbung anwendet. 5. Die Regelungsstruktur der UGP-Richtlinie und des Transparenzgebots Die Regelungsstruktur der UGP-Richtlinie und des Transparenzgebots stellt sich wie folgt dar: a) Die Dreistufigkeit der UGP-Richtlinie Das Unlauterkeitssystem der UGP-Richtlinie ist dreistufig. Der Artikel 5 Abs. 1 UGP-Richtlinie spricht ein Verbot für unlautere Geschäftspraktiken aus. Gemäß Artikel 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie ist eine Geschäftspraxis unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht und wenn sie das Verbraucherverhalten wesentlich beeinflusst. Hierbei handelt es sich um eine Generalklausel und um das allgemeine Spürbarkeits- beziehungsweise Relevanzerfordernis. Das Relevanzerfordernis soll sicherstellen, dass ein Lauterkeitsrechtsverstoß nicht schon bei jedem Bagatellfall angenommen wird, sondern nur dann, wenn eine Abwägung in Hinblick auf eine Beeinflussung des Verbraucherverhaltens erfolgt ist. Auf der zweiten Stufe definiert Artikel 5 Abs. 4 UGP-Richtlinie in zwei Gruppen besondere Fälle der Unlauterkeit. Dies umfasst zum einen aggressive Geschäftspraktiken, die in den Artikeln 8 und 9 UGP-Richtlinie näher geregelt sind. Zum anderen stellen irreführende Geschäftspraktiken im Sinne von Artikel 6 und 7 UGPRichtlinie einen Spezialfall der Unlauterkeit dar. Dabei regelt Artikel 6 UGPRichtlinie die Irreführung durch aktives Tun in Gestalt eines traditionellen Wahrheitsgebots. Demgegenüber ist in Artikel 7 UGP-Richtlinie die Irreführung durch Unterlassen kodifiziert. Dieses Transparenzgebot stellt die Zentralnorm für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell dar. Es sanktioniert nämlich Verstöße gegen Informationspflichten. Der Artikel 7 UGP-Richtlinie enthält eine eigene spezielle Relevanzschwelle, die darauf abstellt, ob die fehlende Information das Entscheidungsverhalten des Verbrauchers beeinflussen könnte.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

Auf der dritten Stufe formuliert schließlich Artikel 5 Abs. 5 UGP-Richtlinie in Bezug auf die in Anhang I abschließend vorgegebenen Geschäftspraktiken per seVerbote. Dies bedeutet, dass diese typischerweise besonders schädlichen Geschäftspraktiken automatisch verboten sind, ohne dass eine Abwägung erfolgt. b) Das Transparenzgebot als Prüfungsmaßstab für Unternehmenskommunikation Das Transparenzgebot beziehungsweise das Verbot der Irreführung durch Unterlassen in Artikel 7 UGP-Richtlinie wurde im deutschen § 5a Abs. 2 – 6 UWG umgesetzt. Diese Vorschriften bilden den maßgeblichen lauterkeitsrechtlichen Prüfungsmaßstab für die Unternehmenskommunikation und für Informationspflichtverletzungen. Innerhalb der Regelungen ergibt sich unter den Gesichtspunkten der Reichweite und der Spezialität der Transparenzpflicht folgende Prüfungsreihenfolge: Ausgehend von der Legaldefinition der Unlauterkeit in Artikel 7 Abs. 1 UGPRichtlinie beziehungsweise in § 5a Abs. 2 UWG ist zuerst Artikel 7 Abs. 5 UGPRichtlinie beziehungsweise § 5a Abs. 4 UWG zu prüfen. Daraus ergibt sich eine vereinfachte Sanktion für Verstöße gegen außerhalb des Lauterkeitsrechts bestehende gesetzliche Informationspflichten, die ihren Ursprung im europäischen Recht haben und der kommerziellen Kommunikation dienen. Soweit es sich bei dieser gesetzlichen Informationspflicht um eine mitgliedstaatliche Vorschrift handelt, muss diese deckungsgleich mit einer europäischen Regelung sein.19 Sodann ist Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie beziehungsweise § 5a Abs. 3 UWG zu prüfen. Hier ergibt sich eine selbstständige lauterkeitsrechtliche Informationspflicht, wenn die besondere Situation einer Aufforderung zum Kauf vorliegt. Dann sind die in diesem Absatz aufgelisteten Pflichtinformationen zu liefern. Schließlich kann sich eine lauterkeitsrechtliche Informationspflicht aus Artikel 7 Abs. 1 UGPRichtlinie beziehungsweise aus § 5a Abs. 1 UWG ergeben, wenn eine Information wesentlich ist.

II. Das traditionelle Konzept eines Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG Der heutige § 5a Abs. 1 UWG steht in Hinblick auf seine Dogmatik und seine Normgenese in einer Linie mit der ursprünglichen Regelung und Konzeption des Irreführungsverbotes im deutschen Lauterkeitsrecht (siehe unten 1.). Die Dogmatik in dieser Vorschrift verkörpert das traditionelle Verständnis des Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot (siehe unten 2.). Zwar war bereits die Reform des UWG im Jahre 19 Zum Umfang der Berücksichtigung mitgliedstaatlicher Informationspflichten im Rahmen von § 5a Abs. 4 UWG siehe § 3 A. V. 2.

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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2004 von einer Debatte über die Einführung echter lauterkeitsrechtlicher Informationspflichten begleitet (siehe unten 3.); gleichwohl übten der Gesetzgeber und die anschließende Rechtsprechung zunächst Zurückhaltung in Bezug auf die Etablierung solcher Pflichten (siehe unten 4.). 1. Die Normgenese des traditionellen Verbotes der Irreführung durch Unterlassen Die Regelung des Verbotes der Irreführung durch Unterlassen in § 5a UWG wurde durch die UWG-Reform des Jahres 2008 eingeführt und im Dezember 2015 novelliert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass zuvor eine Irreführung nicht durch die Handlungsmodalität eines Unterlassens begangen werden konnte. Vielmehr war die Möglichkeit, dass eine Irreführung auch in der Begehungsform des Unterlassens erfolgen kann, für das deutsche UWG bereits durch die Rechtsprechung zu § 3 des UWG aus dem Jahre 1909 anerkannt, also lange bevor die Begehungsmodalität des Unterlassens ausdrücklich im Gesetzeswortlaut des Irreführungsverbotes seinen Niederschlag gefunden hatte.20 Eine explizite gesetzliche Regelung der Modalität des Unterlassens wäre daher eigentlich gar nicht notwendig gewesen, da sie auch nach allgemeinen Grundsätzen von dem jeweils die Irreführung durch aktives Tun regelnden lauterkeitsrechtlichen Tatbestand erfasst werden könnte.21 Eine – klarstellende – explizite Erwähnung im Gesetzestext fand die Irreführung durch Unterlassen erstmals durch die UWG-Reform aus dem Jahre 2004.22 § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG 200423 stellte explizit klar, dass der Unlauterkeitstatbestand der Irreführung auch in der Handlungsform des Unterlassens erfüllt werden kann. Die 20

So die gänzlich übereinstimmende Ansicht; siehe den Hinweis bei Dreyer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 9; aus der Kasuistik siehe etwa BGH GRUR 1952, 416, 418 – Dauerdose: Der Fall hat die Zulässigkeit eines Systemvergleichs (einer Dauerdose und eines Einmachglases) zum Gegenstand. Der BGH stellte insbesondere darauf ab, ob die Gegenüberstellung wahrheitsgemäß ist. BGH GRUR 85, 450, 451 – Benzinverbrauch: Der BGH bezeichnete es als in der Regel irreführend, wenn bei der Gegenüberstellung von Kraftstoffverbrauch nicht darauf hingewiesen wird, dass einige Autos Superbenzin und andere Normalbenzin verwenden. Das Irreführungsverbot wird also in einer Unterlassungsmodalität untersucht. BGH GRUR 1999, 1122 – EG-Neuwagen I; BGH GRUR 1999, 1125 – EG-Neuwagen II; BGH GRUR 2000, 616, 618 – Auslaufmodelle III: Der BGH bejahte – vor Einführung der heutigen §§ 5, 5a UWG – eine grundsätzliche Aufklärungspflicht bei Elektrohaushaltsgroßgeräten, wenn das fragliche Modell vom Hersteller nicht mehr produziert, nicht mehr im Sortiment geführt oder von ihm selbst als Auslaufmodell bezeichnet wird. 21 Bornkamm, WRP 2012, 1, 3. 22 Siehe auch den Vorschlag zu einem europäischen Rechtsakt und einer UWG-Reform von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317. 23 Im Wortlaut der alten Fassung von § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG aus dem Jahre 2004 heißt es: Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die Entscheidung zum Vertragsschluss nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

Begehungsformen des positiven Tuns und des Unterlassens waren also zunächst gemeinsam in einer einheitlichen Norm, § 5 UWG 2004, geregelt. Durch die UWGReform im Jahre 2008 wurde die Begehungsmodalität einer Irreführung durch Unterlassen erstmalig in einer separaten Norm, § 5a UWG, kodifiziert. Dabei wurde die bestehende Regelung aus dem § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG des Jahres 2004 – mit lediglich geringfügigen Änderungen im Wortlaut – in den § 5a Abs. 1 UWG übernommen.24 Dies bringt zum Ausdruck, dass der Regelungsgehalt von § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG 2004 bei der Novellierung im Jahr 2008 erhalten bleiben sollte.25 Bereits dem Wortlaut nach ist § 5a Abs. 1 UWG als Fortsetzung von § 5 UWG zu verstehen. Der § 5a Abs. 1 UWG stellt daher eine Ergänzung von § 5 UWG dar und bildet keinen eigenständigen Unlauterkeitstatbestand. Hingegen schuf die Novellierung des Jahres 2008 in § 5a Abs. 2 – 5 UWG ein Irreführungsverbot, das einer andersartigen dogmatischen Konzeption folgt. Durch die UWG-Novelle im Jahr 2015 erfolgte eine verbesserte Abstimmung des § 5a Abs. 2 – 5 UWG mit den Vorgaben der UGP-Richtlinie.

2. Die dogmatische Struktur des traditionellen Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot In seiner traditionellen Ausgestaltung in § 5a Abs. 1 UWG für den Bereich des Unterlassens sowie in § 5 UWG für die Handlungsmodalität des positiven Tuns entspricht die dogmatische Konzeption des Irreführungsverbotes grundsätzlich einem Wahrheitsgebot.26 Dies bedeutet, dass der Verkäufer zwar an die Wahrheit gebunden ist; jedoch erwächst aus dem Wahrheitsgebot alleine für den Verkäufer noch keine allgemeine Informationspflicht in dem Sinne, dass er den Käufer von sich aus und ungefragt auf alle nachteiligen Umstände oder Produktmerkmale hinzuweisen hätte. In dem Fall „Benzinverbrauch“27 hatte der BGH beispielsweise eine Werbeanzeige zu beurteilen, in welcher der Kraftstoffverbrauch verschiedener PKW-Modelle bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h gegenübergestellt wurde. Die in der Werbeanzeige in Bezug genommene DIN-Norm enthielt jedoch ein Schema, das auch Verbrauchsangaben für andere Geschwindigkeiten vorsah. In Bezug auf die gegenüber dem DIN-Schema unvollständigen Angaben verneinte der BGH eine Unlauterkeit.28 Der BGH wies das Argument zurück, die selektiv vorgenommenen Angaben seien nicht geeignet, den von den DIN-Normen angestrebten Zweck einer 24

Die Änderungen im Wortlaut waren der Tatsache geschuldet, dass das Irreführungsverbot nun nicht mehr lediglich auf Werbung Anwendung finden sollte, sondern allgemein auf geschäftliche Handlungen. 25 So auch Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 10. 26 So auch Fezer, WRP, 2007, 1021, 1024. 27 BGH GRUR 1985, 450 – Benzinverbrauch. 28 BGH GRUR 1985, 450, 451 – Benzinverbrauch.

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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Verbraucheraufklärung zu erreichen.29 Der BGH hielt fest, dass nicht jede unvollständige Angabe irreführend sei.30 Vielmehr müsse die unterlassene Angabe bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Fehlvorstellung hervorrufen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bestehe keine lauterkeitsrechtliche Pflicht zur vollständigen Angabe von Verbrauchswerten gemäß dem Schema der DIN-Norm.31 Das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot diene dem Schutz vor Irreführungen, nicht jedoch der Durchsetzung einer möglichst weit gehenden Verbraucheraufklärung.32 Der BGH erteilt hier somit einer allgemeinen Pflicht zur Vollständigkeit von unternehmerischen Angaben, einem Vollständigkeits- beziehungsweise einem Transparenzgebot, eine Absage. Damit kommt zum Ausdruck, dass das klassische Irreführungsverbot ein Wahrheitsgebot darstellt, das ausschließlich dazu dient, die Richtigkeit von Angaben sicherzustellen. Das bloße Fehlen von Informationen ist daher selbst dann unbeachtlich, wenn diese Informationen für den Konsumenten eine besondere Aussagekraft oder einen besonderen Wert bei ihrer Entscheidungsbildung hätten. Zur Annahme einer Unlauterkeit wegen des Weglassens von Informationen sind also ein Täuschungselement beziehungsweise das Entstehen einer Fehlvorstellung auf Seiten des Kunden erforderlich. Ein solches Täuschungselement ergab sich im Fall „Benzinverbrauch“ aus einem anderen Umstand: In der Gegenüberstellung des Kraftstoffverbrauchs war nämlich nicht angegeben, dass einige der verglichenen PKW-Modelle mit Superbenzin und andere mit Normalbenzin betrieben wurden. In Bezug auf diesen Umstand bejahte der BGH einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot.33 Die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise würden – so der BGH – nicht davon ausgehen, dass die verglichenen Kraftfahrzeuge mit unterschiedlichen Kraftstoffen betrieben würden, die auch einen erheblich unterschiedlichen Preis aufwiesen.34 An diesem Fall wird deutlich, dass sich eine generelle Aufklärungspflicht aus dem Wettbewerbsrecht – in der Gestalt des traditionellen Irreführungsverbotes – nicht ergibt.35 Dementsprechend rechtfertigt sich danach auch auf Seiten der Konsumenten 29

BGH GRUR 1985, 450, 451 – Benzinverbrauch. BGH GRUR 1985, 450, 451 – Benzinverbrauch. 31 BGH GRUR 1985, 450, 451 – Benzinverbrauch. 32 BGH GRUR 1985, 450, 451 – Benzinverbrauch. 33 BGH GRUR 1985, 450, 452 – Benzinverbrauch. 34 BGH GRUR 1985, 450, 451 – Benzinverbrauch. 35 So die ganz allgemeine Auffassung in Literatur und Rechtsprechung auch bereits zu § 3 des UWG aus dem Jahre 1909; siehe etwa Keyßner, Täuschung durch Unterlassen – Informationspflichten in der Werbung, 1986, S. 7; Tilmann, GRUR 1976, 544, 555; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 14; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 2, 10; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 1, 8; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 10; Wiegand, MMR 2002, 722, 728; BGH GRUR 1999, 760, 761 – Auslaufmodelle II; BGH GRUR 1996, 367 – Umweltfreundliches Bauen: Der BGH betonte, dass das Irreführungsverbot kein Informationsgebot darstelle. 30

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

keine allgemeine Erwartungshaltung, dass mögliche negative Eigenschaften eines Produktes durch ein Unternehmen umfänglich offengelegt werden.36 Eine lauterkeitsrechtliche Rolle des Unterlassens kommt nach dieser Konzeption also nur dann zum Tragen, wenn eine Aufklärungspflicht besteht; eine solche kann etwa aus einer gesetzlichen Verpflichtung, aus einem Vertrag oder aus einem vorangegangenen Tun abgeleitet werden.37 Traditionellerweise ergaben sich jedoch aus dem UWG selber keine (lauterkeitsrechtlichen) Aufklärungspflichten, und das klassische Irreführungsverbot war von der Konzeption des Lauterkeitsrechts als Sonderdeliktsrecht geprägt.38 Ferner ist das traditionelle Irreführungsverbot dadurch gekennzeichnet, dass auf der Seite des Kunden eine konkrete Fehlvorstellung entsteht oder möglich ist. 3. Die Debatte um Informationspflichten in der UWG-Reform 2004 Eine Einführung allgemeiner, originärer Aufklärungspflichten in das UWG – und eine entsprechende dogmatische Fortentwicklung von einem Wahrheits- zu einem Transparenzgebot – war während des Gesetzgebungsverfahrens zur UWG-Reform im Jahre 2004 Gegenstand der Diskussion.39 Eine Einordnung dieser Debatte ergibt sich aus einer Betrachtung der allgemeinen rechtspolitischen Tendenz, welche die Novellierung im Jahre 2004 antrieb. Diese Novellierung war Ausdruck einer allgemeinen Deregulierungs- und Liberalisierungstendenz im Wettbewerbsrecht, was sich vor allem in einer Rücknahme von

36 Loewenheim, GRUR 1980, 14, 15; Wiegand, MMR 2002, 722, 728; BGH GRUR 1952, 416, 418; BGH GRUR 1999, 757, 758 – Auslaufmodelle I; BGH WRP 1999, 1141, 1145 – Generika-Werbung: Ein Pharmakonzern hatte ein Programm zum Vertrieb von Generika begonnen und gegenüber Ärzten damit geworben, die Verordnung dieser Generika komme der innovativen Forschung im Konzern zugute. Der BGH verneinte unter verschiedenen Gesichtspunkten eine Unlauterkeit. Eine Irreführung sei – entgegen der Vorinstanz – insbesondere nicht schon darin zu sehen, dass die Äußerung auch so verstanden werden könne, dass die Forschung künftig in jedem Fall unterstützt würde, auch wenn die Generika-Sparte keine Gewinne erwirtschaften würde. Der Verkehr gehe nicht davon aus, dass er über jede Möglichkeit, die ein Werbeversprechen in Frage stellen könnte, aufgeklärt wird. 37 So die allgemeine Ansicht: Siehe etwa Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 8. 38 Fezer, WRP, 2007, 1021, 1024; Keßler, WRP 2007, 714, 720. 39 Weitere Nachweise sowie ein kurzer Abriss der nachfolgend skizzierten Diskussion finden sich etwa bei: Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 19, 20; Steingass/Teworte, WRP 2005, 676; mit Hinweis auf Vorbildregelungen in den skandinavischen Ländern: Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 92; Keßler, WRP 2007, 714, 719, 720; einen mittlerweile historischen Hinweis auf die skandinavischen Länder gibt Keyßner, Täuschung durch Unterlassen – Informationspflichten in der Werbung, 1986, S. 107, 159.

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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starren per se-Verboten und von abstrakten Gefährdungstatbeständen niederschlug.40 Diese wurden als Hemmschuh für die Entwicklung innovativer Vertriebsformen41 wahrgenommen und erwiesen sich häufig als Hindernis bei der Verwirklichung der europäischen Grundfreiheiten.42 Insbesondere die europäische Warenverkehrsfreiheit war in vielen Fällen durch divergierende mitgliedstaatliche Regelungen im Bereich des Lauterkeitsrechts beeinträchtigt. Transparenzgebote in Gestalt von Aufklärungspflichten wurden als Kompensation für diesen Rückbau der Regulierung betrachtet; diese Vorgehensweise stand auch im Einklang mit dem europäischen Leitbild eines aufgeklärten, aufmerksamen Verbrauchers,43 das etwa seit den Jahren 2001/2002 verstärkt Eingang auch in die deutsche lauterkeitsrechtliche Rechtsprechung fand.44 Anhand des früheren Leitbilds eines Verbrauchers, der nur flüchtig und mit geringer Aufmerksamkeit am Geschäftsverkehr teilnimmt, ließen sich strikte Verbotsnormen noch besser unter Hinweis auf das Erfordernis eines Schutzes der Konsumenten legitimieren. Mit der Annahme, dass der Durchschnittsverbraucher sich sorgfältig informiert und mit der angemessenen Aufmerksamkeit am Geschäftsleben teilnimmt, steigt auch die Argumentationskraft für die Regulierungswirkung des Informationsmodells. Dies bedeutet, dass durch eine Vielzahl dezentraler Kaufentscheidungen von aufmerksamen Verbrauchern eine Regulierung des Geschäftslebens von unten nach oben erfolgt. Eine Voraussetzung für das Funktionieren dieses Modells ist jedoch, dass den Verbrauchern tatsächlich ausreichend Informationen zur Verfügung stehen, damit ihre Entscheidungen auf einer vollständigen und unverzerrten Grundlage beruhen. In dieser Argumentation besteht die Rolle von Informationspflichten darin, den Wettbewerbsprozess zu stärken.45 Ferner wurde argumentiert, dass sich durch die Aufhebung genereller Verbote ein Paradigmenwechsel46 ergeben habe und dass als Gegengewicht eine Ausweitung der Informationspflichten geboten sei. Durch Transparenz könne sich eine Selbstregulierung des Marktes über informierte Entscheidungen der Verbraucher ergeben. Für Fälle, in denen ein entsprechendes berechtigtes Interesse besteht, wurde etwa auch die Einführung einer allgemeinen 40 Siehe etwa Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1312; Peifer, WRP 2008, 556, 556; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 46; Fezer, WRP, 2007, 1021, 1023. 41 So etwa der Hinweis von Keßler, WRP 2007, 714, 720. 42 Glöckner, WRP 2009, 1175, 1176. Siehe etwa die ausführlichen Fallbeispiele bei Glöckner, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, Einl B, Rn. 13 ff. 43 Auf den Zusammenhang mit dem europäischen Verbraucherleitbild weist hin: Fezer, WRP, 2007, 1021, 1023. 44 Grundlegende Erwägungen zum Verbraucherleitbild finden sich etwa bei Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 414 ff. 45 Ähnlich Keßler, WRP 2007, 714, 720. 46 Die Formulierung „Paradigmenwechsel“ verwendet Fezer, WRP, 2007, 1021, 203 sowie Fezer, WRP 2006, 781, 787.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

lauterkeitsrechtlichen Informationspflicht vorgeschlagen.47 Ein weiterer Zusammenhang zwischen dem europäischen Verbraucherleitbild und Informationspflichten besteht darin, dass von einem informierten Verbraucher ja nur dann ausgegangen werden kann, wenn er die Möglichkeit hat, die Informationen zu erlangen, die er für seine Entscheidungen benötigt.48 4. Die zurückhaltende Position von Gesetzgeber und Rechtsprechung im Umfeld der UWG-Reform 2004 Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung haben bei und im Gefolge der UWGNovelle aus dem Jahre 2004 eine lediglich verhaltene bis ablehnende Position gegenüber echten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten eingenommen. a) Die verhaltene Position in der UWG-Novelle des Jahres 2004 Die Reform des UWG im Jahre 2004 blieb in Hinblick auf die Einführung lauterkeitsrechtlicher Informationspflichten zunächst noch stark zurückhaltend. Die Gesetzesbegründung zur UWG-Reform aus dem Jahre 2004 diskutiert kurz die Forderung nach einem Paradigmenwechsel durch die Einführung von Informationspflichten und nennt zu hohe Informationslasten für die Unternehmen als wichtigsten Grund für die zurückhaltende Position des Gesetzgebers.49 Es wurde durch die UWG-Novelle des Jahres 2004 keine allgemeine Informationspflicht etabliert, sondern es wurden lediglich für bestimmte Verkaufsförderungsmaßnahmen und für Gewinnspiele Informationspflichten in § 4 Nr. 4 und Nr. 5 UWG50 eingeführt.51 Diese Regelungen sind durch die spätere UWG-Novelle des Jahres 2015 in den § 5a UWG überführt worden und dort aufgegangen. Nachdem im Jahre 2008 in den § 5a Abs. 2 – 5 UWG schließlich dann doch lauterkeitsrechtliche Informationspflichten etabliert worden sind, ist diese Verschiebung als systematisch konsequent zu bezeichnen. Zum damaligen Zeitpunkt der UWG-Novelle im Jahre 2004 erachtete jedenfalls der lauterkeitsrechtliche Gesetzgeber den allgemeinen Rechtsbruchtat-

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Ein solcher Vorschlag erfolgte durch Fezer, WRP 2003, 127, 142. Ähnlich Fezer, WRP 2006, 781, 787. 49 Siehe Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 20. 50 Der Wortlaut dieser Vorschriften war wie folgt: § 4 Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen: Unlauter handelt insbesondere, wer (…) 4. bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angibt; 5. bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig angibt; (…). 51 Zu diesen Informationspflichten siehe etwa Heermann, WRP 2005, 141. 48

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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bestand im damaligen § 4 Nr. 11 UWG 200452 sowie die Möglichkeit der Begründung von Aufklärungspflichten im Einzelfall für ausreichende Regulierungsinstrumente, da – so die Gesetzesbegründung – in der UWG-Reform aus dem Jahre 2004 auch kein Paradigmenwechsel im Sinne einer generellen Aufhebung von Verboten stattgefunden habe.53 b) Die kritische Position der Rechtsprechung gegenüber lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung blieb im Gefolge der UWG-Reform aus dem Jahre 2004 bei ihrer restriktiven Position gegenüber der Begründung einer allgemeinen Informationspflicht auf der Basis des alten § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG aus dem Jahre 2004.54 So wurde etwa die Annahme eines allgemeinen Informationsgebotes durch die höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem Hinweis verneint, dass der Gesetzgeber dieses bewusst auf bestimmte Fälle – wie etwa in § 4 Nr. 4 und 5 UWG 2004 – beschränkt habe.55 Besonders deutlich wird dieses Argument in den Entscheidungen des BGH „Regenwaldprojekt I“56 und „Regenwaldprojekt II“57 aus dem Jahre 2006. Beide Fälle bezogen sich auf die Werbung einer Brauerei, in der sie versprach, beim Kauf eines Kasten Biers ihrer Marke in Zusammenarbeit mit einer Naturschutzorganisation, dem World Wide Fund for Nature (WWF), durch eine Spende den Schutz von einem Quadratmeter Regenwald in Afrika nachhaltig sicherzustellen. Im Fall „Regenwaldprojekt I“ wandten sich die Kläger unter anderem gegen die Aussage, der Erwerber des Kasten Biers „kaufe“ einen Quadratmeter Regenwald. Dadurch entstehe die Erwartung, die Brauerei oder der WWF würden eine dinglich gesicherte Rechtsposition an dem Regenwald erwerben, die ihn vor dem Zugriff durch Dritte schütze, während tatsächlich lediglich eine rein finanzielle Unterstützung erfolge. Im Fall „Regenwaldprojekt II“ machte ein Verbraucherverband als Kläger geltend, es bestehe die Gefahr einer Täuschung, da die Höhe der Spende pro gekauftem Kasten nicht angegeben werde. Durch die Koppelung des Bierverkaufs mit einer Zusatzleistung – in Gestalt der Sponsoringleistung – ergebe sich eine mögliche Fehlvorstellung über den tatsächlichen Wert des Angebotes.

52 Seit der UWG-Novelle aus dem Jahre 2015 ist der Rechtsbruchtatbestand in § 3a UWG geregelt. 53 So das explizite Argument in: Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 20. 54 Keßler, WRP 2007, 714, 720. 55 Siehe etwa BGH GRUR 2007, 247, 250 – Regenwaldprojekt I; BGH GRUR 2006, 161, 163 – Zeitschrift mit Sonnenbrille; BGH GRUR 2007, 251, 252 – Regenwaldprojekt II. 56 BGH GRUR 2007, 247 – Regenwaldprojekt I. 57 BGH GRUR 2007, 251 – Regenwaldprojekt II.

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Beide Klagen enthielten also den Vorwurf einer Intransparenz in der Werbeaussage. Der BGH verneinte58 einen Verstoß gegen das lauterkeitsrechtliche Verbot der unsachgemäßen Einflussnahme auf Marktteilnehmer nach den §§ 3, 4 Nr. 1 UWG59 und bejahte damit die grundsätzliche Zulässigkeit von Sponsoringwerbung.60 Ferner sei das Irreführungsverbot nicht schon deswegen einschlägig, weil der Käufer nicht ausreichend darüber informiert wurde, auf welche Weise der versprochene Schutz des Regenwaldes erfolgen solle.61 Aus dem – traditionellen – Irreführungsverbot folge keine generelle Pflicht, über die Details der konkret ergriffenen Umweltmaßnahmen aufzuklären. Da eben kein allgemeines Transparenzgebot bestehe, greife das Lauterkeitsrecht erst ein, wenn durch die Werbung eine für die Kaufentscheidung relevante irrige Vorstellung hervorgerufen werde.62 Dies wurde vorliegend verneint. Der BGH argumentierte, dass der Gesetzgeber sich im Rahmen der UWG-Reform des Jahres 2004 explizit gegen ein allgemeines Transparenzgebot entschieden habe.63 Der BGH verneinte einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht auch unter dem Gesichtspunkt der missbräuchlichen Koppelung. In Koppelungsfällen sei über den Inhalt der zusätzlichen Leistung hinreichend zu informieren. Auch daraus folge jedoch keine umfassende Aufklärungspflicht. Der Konsument erwarte lediglich, dass die Brauerei überhaupt zeitnah eine nicht nur geringfügige Unterstützung für den Regenwald leiste.64 Das Beispiel unterstreicht den Charakter des traditionellen Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot und zeigt zugleich, dass eine Fortentwicklung zu einem allgemeinen Transparenzgebot im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung für unzulässig erachtet wurde.65 In der Zusammenschau mit den Diskussionen, die den Gesetzgebungsprozess begleitet haben, kann aus der damaligen Begrenzung der im UWG verankerten echten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten auf Spezialfälle tatsächlich – zunächst – ein bewusster Verzicht des Gesetzgebers darauf gesehen werden, eine

58 BGH GRUR 2007, 247 – Regenwaldprojekt I; BGH GRUR 2007, 251, 253 – Regenwaldprojekt II. 59 § 4 Nr. 1 UWG wurde durch die Novellierung des UWG im Jahre 2015 abgeschafft. Die Regelung ging in dem durch diese Novelle neu eingeführten § 4a UWG auf. Der Wortlaut der alten Vorschrift war wie folgt: § 4 UWG 2004: Unlauter handelt insbesondere, wer § 4 1. geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen; (…). 60 So auch die Interpretation von Fezer, WRP, 2007, 1021, 1025. 61 BGH GRUR 2007, 247, 250 – Regenwaldprojekt I. 62 BGH GRUR 2007, 247, 250 – Regenwaldprojekt I. 63 BGH GRUR 2007, 247, 250 – Regenwaldprojekt I. 64 BGH GRUR 2007, 251 – Regenwaldprojekt II. 65 Fezer, WRP, 2007, 1021, 1026; Fezer, WRP 2006, 781, 787.

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allgemeine lauterkeitsrechtliche Informationspflicht zu normieren.66 Gleichwohl ist bereits im UWG aus dem Jahre 2004 für das Wettbewerbsrecht der Grundsatz, dass Aufklärungspflichten nur in Ausnahmefällen bestehen, aufgeweicht worden. Zwar ergibt sich daraus nach wie vor keine allgemeine Informationspflicht, nach der auf negative Eigenschaften des Produktes hinzuweisen wäre;67 dennoch müssen ungefragt entscheidungserhebliche Gesichtspunkte offenbart werden, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind und dies zum Schutz der Käuferseite unerlässlich ist.68

III. Das moderne Konzept eines Irreführungsverbotes als Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG Das Irreführungsverbot durch Unterlassen in § 5a Abs. 2 – 5 UWG ist eine Umsetzung der UGP-Richtlinie und das Ergebnis einer allgemeinen rechtspolitischen Reregulierungstendenz in der UWG-Reform des Jahres 2008 (siehe unten 1.). Die Regelung wurde durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 enger an die Vorgaben der UGP-Richtlinie angepasst. Die Konzeption dieser Vorschriften als Transparenzgebot mit der Einführung echter lauterkeitsrechtlicher Informationspflichten für Verbrauchergeschäfte stellt einen dogmatischen Paradigmenwechsel dar (siehe unten 2.). 1. Die Normgenese des Irreführungsverbotes als Transparenzgebot Bei der UWG-Novelle des Jahres 2008 wurde mit Einführung des § 5a UWG erstmals die Irreführung durch Unterlassen in einer separaten Norm geregelt, die eigenständig neben der Vorschrift zum Verbot der Irreführung durch positives Tun in § 5 UWG steht. Damit folgt der deutsche Gesetzgeber auch in der äußeren Form der UGPRichtlinie, die in den Artikeln 6 und 7 irreführende Handlungen und Unterlassungen 66 Eine kritische Stellungnahme zu dieser Zurückhaltung findet sich bei Fezer, WRP, 2007, 1021, 1023; Fezer, WRP 2006, 781, 788. Der Autor verweist vor allem auf die lauterkeitsrechtliche Schutzwürdigkeit von Informationswerbung. 67 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 14. So für den Bereich der Werbung Loewenheim, GRUR 1980, 14, 15, der auf das Erfordernis einer Aufklärungspflicht verweist. 68 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 14; Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 10; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 14; BGH GRUR 1999, 757, 758 – Auslaufmodelle I; BGH GRUR 1999, 760, 761 – Auslaufmodelle II: Der BGH bejahte eine Hinweispflicht auf den Charakter einer Ware als Auslaufmodell. Die Bezeichnungen „Einzelstück“ und „Restposten“ seien nicht ausreichend; BGH GRUR 2000, 616, 618 – Auslaufmodelle III; BGH GRUR 1999, 1122, 1123 – EG-Neuwagen I; BGH GRUR 1999, 1125, 1126 – EG-Neuwagen II.

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ebenfalls in getrennten Normen regelt. Mit der äußerlichen Verselbstständigung der Unterlassungsmodalität im Normtext hat sich der Gesetzgeber für die sogenannte große Lösung entschieden.69 Jedoch handelt es sich lediglich bei § 5a Abs. 2 – 5 UWG um eine Umsetzung der europarechtlichen Vorgabe von Artikel 7 UGP-Richtlinie, während § 5a Abs. 1 UWG eine rein mitgliedstaatliche Norm darstellt. Im Vorfeld der UWG-Novelle aus dem Jahre 2008 wurde – als Kompensation für den vorhergegangenen Abbau von starren lauterkeitsrechtlichen Verboten – zusehends das Bedürfnis nach Regelungen zur Schaffung von Markttransparenz wahrgenommen.70 Zugleich gelangte die allgemeine Liberalisierungstendenz durch die UWG-Reform im Jahre 2008 zum Erliegen.71 So wurden etwa in § 3 Abs. 3 UWG bestimmte per se-Verbote eingeführt, und mit § 5a Abs. 2 – 5 UWG fanden nun – unter Umsetzung europäischer Vorgaben – standardisierte Informationspflichten ihren Eingang in das deutsche Lauterkeitsrecht, deren Gesetzeszweck auf die Herstellung von Markttransparenz gerichtet ist.72 Markttransparenz ermöglicht es Verbrauchern, durch ihre individuellen Entscheidungen das Marktverhalten der Anbieter zu beeinflussen. Daher stellt Markttransparenz ein Mittel der dezentralen Regulierung von unten nach oben dar. Gleichzeitig verkörpern Informationspflichten zur Schaffung von Markttransparenz ihrerseits eine Form der Regulierung für das unternehmerische Verhalten im Umfeld des Vertragsschlusses. Im Rahmen der UWG-Novelle aus dem Jahr 201573 wurde das allgemeine Transparenzgebot um einen Absatz erweitert und in § 5a Abs. 2 – 5 UWG besser an die Vorgaben der UGP-Richtlinie und an die mittlerweile ergangene Rechtsprechung des EuGH angepasst. Die speziellen Transparenzgebote in § 4 Nr. 4 und 5 UWG 2004 wurden aufgehoben. Zudem wurde in § 5a Abs. 6 UWG ein spezielles Transparenzgebot eingeführt. Dieses erfordert die Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks einer geschäftlichen Handlung. Zudem umfasst die „Schwarze Liste“ im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG einige Regelungen, die Züge eines Transparenzgebots aufweisen. So statuiert etwa Nr. 17 des UWG-Anhanges ein per seVerbot in Bezug auf die unwahre Angabe oder auf das Erwecken des Eindrucks, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen habe. Die speziellen Transparenzgebote stehen teilweise in einem starken Zusammenhang mit einem aktiven Tun und regeln jeweils eine sehr punktuelle Situation. Für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell ist daher jedenfalls das allgemeine Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG prägend.

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Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 92. Ähnlich die Begründung von Fezer, WRP 2010, 577, 581. 71 So auch der Hinweis von Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 46. 72 Fezer, WRP, 2007, 1021, 1028. 73 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BTDrucks. 18/4535, 2015, S. 1 – 27. 70

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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2. Die dogmatische Struktur des Irreführungsverbotes als Transparenzgebot Die Irreführung durch Unterlassen hat in § 5a Abs. 2 – 5 UWG auch in dogmatischer Hinsicht gegenüber der Irreführung durch aktives Tun eine eigenständige Fundierung erlangt.74 Die Einführung echter Informationspflichten, die auf eine Herstellung von Markttransparenz abzielen, wird in der Literatur gar als dogmatischer Paradigmenwechsel75 oder als Systembruch76 gegenüber dem tradierten deutschen Lauterkeitsrecht qualifiziert.77 a) Markttransparenz als Telos des Irreführungsverbotes Ein Transparenzgebot geht in seiner Zielsetzung über ein bloßes Wahrheitsgebot hinaus. Wahrheitspflichten zielen darauf ab, den Markt vor falschen Informationen beziehungsweise vor dem pflichtwidrigen Bestehenlassen von Fehlinformationen oder Fehlvorstellungen zu schützen. Es geht also um die Verhinderung von Intransparenz, die durch falsche oder missverständliche Informationen entsteht und entsprechende konkrete Fehlvorstellungen auslöst.78 Demgegenüber besteht das Telos des Transparenzgebots darin, den Markt – in standardisierter Weise – mit bestimmten Mindestinformationen zu versorgen. Lauterkeitsrechtliche Informationspflichten sollen sicherstellen, dass der Vertragspartner eine Informationsgrundlage erhält, die vollständig ist und ihn in die Lage versetzt, eine informierte Entscheidung zu treffen.79 Dies wird besonders in § 5a Abs. 4 UWG deutlich80, der bereits bei einem bloßen Verstoß gegen Informationspflichten, die außerhalb des UWG liegen und die auf einer europarechtlichen Vorgabe beruhen, eine vereinfachte lauterkeitsrechtliche Haftung vorsieht.

74

Peifer, WRP 2008, 556, 559. So auch die Einschätzung durch Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 92; Fezer, WRP 2010, 577, 581; Keßler, WRP 2007, 714, 717. 76 Keßler, WRP 2007, 714, 717, 719. 77 Die qualitative Andersartigkeit der Vorschriften wird generell betont; siehe etwa Steinbeck, WRP 2006, 632, 633; Seichter, WRP 2005, 1087, 1091 f.; Apostolopoulos, Die Liberalisierung des griechischen Lauterkeitsrechts im Rahmen der europäischen Rechtsangleichung, 2007, S. 80, 81. 78 Ähnlich Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 3, 14. 79 Keßler, WRP 2007, 714, 717; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 6; Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 31; ähnlich zum Entwurf der UGP-Richtlinie Apostolopoulos, Die Liberalisierung des griechischen Lauterkeitsrechts im Rahmen der europäischen Rechtsangleichung, 2007, S. 80. 80 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 18. 75

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

b) Absenkung der Schwelle zur lauterkeitsrechtlichen Haftung durch das Transparenzgebot Durch die Einführung eines Transparenzgebots wird die Schwelle zur Annahme eines Verstoßes gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot abgesenkt. Haftungsauslösendes Element ist bereits der bloße Verstoß gegen eine standardisierte Informationspflicht, da dies die Entscheidungsgrundlage verkürzt, und nicht erst das Verfälschen der Entscheidungsgrundlage oder das Hervorrufen einer konkreten Fehlvorstellung oder eine entsprechende Eignung. In funktioneller Hinsicht stellt eine Zuwiderhandlung gegen eine Informationspflicht eine Vorstufe gegenüber dem Hervorrufen einer Fehlvorstellung dar; denn ein solcher Verstoß mündet nicht notwendig in eine Fehlvorstellung, etwa wenn die Information der anderen Partei ohnehin bereits bekannt war, diese ihr gleichgültig ist oder wenn sie sich gar keine Gedanken über den konkreten Umstand gemacht hat. Ebenso wenig führt eine unvollständige Entscheidungsgrundlage notwendigerweise zu einer verzerrten Entscheidungsgrundlage, sondern stellt gegenüber dieser ein Minus dar. Dementsprechend kann nach § 5a Abs. 2 – 5 UWG bereits beim bloßen Fehlen einer Information – also bei einem echten Schweigen – ein UWG-Verstoß angenommen werden, ohne dass es darauf ankäme, dass dies in eine Fehlvorstellung mündet oder eine entsprechende Eignung besteht.81 Es ist nicht einmal notwendig, dass der Verkäufer überhaupt Angaben gemacht hat, die durch ihre Unvollständigkeit einen Irrtum auslösen oder einen solchen provozieren können. Die Vorschrift stellt in Hinblick auf die Haftung eine Intransparenz auf eine Stufe mit einer Irreführung im klassischen Sinne. Diese wird bereits bei einer bloßen Verletzung von Informationspflichten gegenüber Verbrauchern unwiderleglich vermutet.82 c) Lauterkeitsrechtliche Informationspflichten als Kompensation für eine Lockerung beim Verbraucherleitbild Die Verschärfung des lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbotes durch das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG kann in einem Zusammenhang mit der Europäisierung des Verbraucherleitbildes gesehen werden. Mit dem Abstellen auf den verständigen, angemessen informierten Durchschnittsverbraucher als Maßstab im Rahmen des Täuschungskriteriums beim traditionellen Irreführungsverbot ist eine Absenkung des Schutzniveaus – in Bezug auf oberflächliche Käufer – verbunden. Die Einführung von Informationspflichten stellt dafür eine Kompensation

81 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 17. 82 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 5; Peifer, WRP 2008, 556, 559; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5; differenzierend: Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 30.

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dar.83 Beispielsweise kann eine lauterkeitsrechtliche Haftung nach dem der traditionellen Dogmatik folgenden § 5a Abs. 1 UWG – der gegenüber Unternehmern wie auch gegenüber Verbrauchern anwendbar ist – entfallen, weil der konkrete Verbraucher weniger aufmerksam war, als es der normative Begriff des Durchschnittsverbrauchers von ihm erfordert. Das Gesetz nimmt es also beim klassischen Irreführungsverbot in Kauf, dass immer ein bestimmter Anteil der – weniger aufmerksamen – Kunden einer Fehlvorstellung erliegt. Die Unternehmen sollen hierfür nicht lauterkeitsrechtlich in Haftung genommen werden. Die Festlegung der Aufmerksamkeitsanforderungen an den Adressatenkreis eines unternehmerischen Kommunikationsverhaltens stellt eine normative Entscheidung dar. Nur wenn auch bei solchen Kunden, die diese Aufmerksamkeitsanforderungen erfüllen, eine Fehlvorstellung eintritt, greift das traditionelle lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot ein. Eine Haftung nach dem traditionellen Irreführungsverbot entfällt jedoch, wenn ausschließlich Kunden getäuscht werden, die den Aufmerksamkeitsanforderungen nicht gerecht werden. Dennoch kommt in solchen Fällen eine wettbewerbliche Haftung in Betracht, wenn diese Verbraucher nicht gemäß den Erfordernissen des § 5a Abs. 2 – 5 UWG informiert und damit ihre Entscheidungsgrundlage verkürzt wurde. Die gesetzliche Definition des Kreises von Basisinformationen, die für einen Geschäftsabschluss für wesentlich gehalten werden, stellt ebenfalls eine normative Entscheidung dar. d) Der marktordnungsrechtliche Charakter des Transparenzgebots und seine Nähe zum Rechtsbruchtatbestand Das Irreführungsverbot erhält durch seine Überführung in ein Transparenzgebot einen marktordnungsrechtlichen Charakter. Dies äußert sich darin, dass sich der Haftungsmaßstab nicht aus der Auswirkung der Unterlassung auf den Verkehr oder gar auf den individuellen Geschäftspartner ergibt, sondern – in typisierter und entindividualisierter Weise – aus den standardisierten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten, die für alle Marktteilnehmer gelten. Daher ist das traditionelle Irreführungsverbot adressatenorientiert, während das Transparenzgebot marktorientiert ist. Durch das Transparenzgebot werden Marktregeln geschaffen, die das Informationsverhalten der Marktteilnehmer und das Funktionieren der Märkte beeinflussen.84 Rechtspolitisch spiegelt sich hier eine Tendenz wider, die auch im Kaufrecht zu beobachten ist und die darin besteht, dass als rechtlicher Maßstab nicht ausschließlich auf Faktoren aus dem konkreten Vertragsverhältnis abgestellt wird, 83

Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 22; Micklitz, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2014, EG D Art. 7, Rn. 4. 84 Auf den allgemeinen Zusammenhang zwischen den Marktregeln und dem Verhalten der Marktteilnehmer weisen etwa hin Dreier, Krämer, Studer, Weinhardt, in: Dreier/Krämer/ Studer/Weinhardt (Hrsg.), Information Management and Market Engineering, 2010, S. VI.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

sondern auch auf den allgemeinen Geschäftsverkehr. Ein Beispiel hierfür ist die Mängelhaftung für öffentliche Äußerungen nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, bei welcher der Maßstab für das Vorliegen eines Mangels nicht ausschließlich aus dem konkreten Vertragsverhältnis, sondern aus dem Empfängerhorizont der Marktöffentlichkeit abzuleiten ist. Innerhalb des Lauterkeitsrechts ergibt sich für das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG eine dogmatische Nähe zu § 3a UWG, der lauterkeitsrechtlichen Haftung für bestimmte Rechtsbrüche.85 In beiden Normkomplexen stellt eine Pflichtverletzung in Gestalt eines Gesetzesverstoßes den zentralen Anknüpfungspunkt zur Qualifizierung einer geschäftlichen Handlung als unlauter dar; die Verletzung einer Informationspflicht wird durch § 5a Abs. 2 – 5 UWG als Rechtsbruch im weiteren Sinne eingestuft.86 Gesetzestechnisch steht § 5a Abs. 2 – 5 UWG damit dem Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG näher als den konkreten Irreführungsvorschriften in § 5 UWG und in § 5a Abs. 1 UWG. Der § 3a UWG ist jedoch in seinem Anwendungsbereich – anders als § 5a Abs. 2 – 5 UWG – nicht auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern beschränkt. Bei § 3a UWG handelt es sich zudem um eine rein mitgliedstaatliche Vorschrift; sie gehört also nicht zum europäisch harmonisierten Bereich des UWG. Die Einführung des § 5a Abs. 2 – 5 UWG verwischt daher die bisherige Dichotomie zwischen dem Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG einerseits und dem konkreten Irreführungsverbot in § 5 UWG 2004 andererseits87 und unterstellt die fehlende Erteilung von Informationen zusätzlich dem Bereich der Irreführung. Schließlich zeigt sich die Marktorientierung des lauterkeitsrechtlichen Transparenzgebots auch in seiner Nähe zu Informations- und Produktkennzeichnungspflichten, die außerhalb des UWG bestehen. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten treten selbstständig neben diese und formen die Marktordnung. In Hinblick auf die Voraussetzungen und die Sanktionierung von Transparenzpflichten könnten sich aus dem Lauterkeitsrecht Impulse für eine Vereinheitlichung ergeben. e) Existenz echter Informationspflichten auch in § 5a Abs. 2 UWG? Die Dichotomie zwischen Transparenzgebot und dem klassischen Wahrheitsgebot besteht jedenfalls § 5a Abs. 3 und 4 UWG auf der einen Seite und § 5a Abs. 1 UWG sowie § 5 UWG auf der anderen Seite. Es entspricht nämlich der einhelligen Meinung, dass § 5a Abs. 3 und 4 UWG echte Informationspflichten

85 Die lauterkeitsrechtliche Haftung für Rechtsbruch war bis zur UWG-Novelle im Jahre 2015 in § 4 Nr. 11 UWG geregelt. 86 Peifer, WRP 2008, 556, 558. 87 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a Rn. 4 sowie § 5, Rn. 36.

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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etabliert88 und dass hingegen aus § 5a Abs. 1 UWG keine echten Informationspflichten abgeleitet werden können.89 In Bezug auf die dogmatische Qualifikation des § 5a Abs. 2 UWG wird jedoch auch vertreten, dass dieser – wie nach dieser Ansicht auch Artikel 7 Abs. 1 und 2 UGP-Richtlinie – keine echten Informationspflichten enthalte und dass deshalb das Erfordernis einer Fehlvorstellung bestehe; daher befinde sich § 5a Abs. 2 UWG in einer Linie mit der hergebrachten deutschen Praxis.90 Zum Teil wurde diese Diskussion vor dem Hintergrund geführt, ob die alte Regelung – der heutige § 5a Abs. 1 UWG – bereits eine ausreichende Umsetzung von Artikel 7 Abs. 1 und 2 UGP-Richtlinie darstellte.91 Ganz überwiegend werden § 5a Abs. 2 UWG sowie Artikel 7 Abs. 1 und 2 UGPRichtlinie jedoch dogmatisch ebenfalls als echte Informationspflichten charakterisiert und dem Transparenzgebot zugeordnet.92 Für die Qualifizierung des § 5a Abs. 2 UWG als echte Informationspflichten spricht bereits eine richtlinienkonforme Auslegung anhand der europarechtlichen Vorgabe in Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie:93 Dieser enthält eine Vorverlagerung des wettbewerbsrechtlichen sanktionierten Unterlassens in den Bereich, in dem es auf eine tatsächliche Irreführung nicht ankommt. Dies ergibt sich aus der Formulierung in Artikel 7 Abs. 2 UGP-Richtlinie, nach der eine Geschäftspraxis unter den genannten Umständen als irreführend „gilt“. Die systematische Stellung des Artikel 7 UGP-Richtlinie im Abschnitt 1 unter der Überschrift „Irreführende Geschäftspraktiken“ steht einer Qualifizierung von Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie und § 5a Abs. 2 UWG als echte Informationspflichten nicht entgegen.94 Zunächst 88 So die einhellige Ansicht für die Abs. 3 und 4 des § 5a UWG; siehe etwa Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 17, 20. Zugleich bezogen auf § 5a Abs. 2 UWG: Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 29. 89 Siehe etwa Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 14. 90 Glöckner, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, Einl B, Rn. 383 – 385, der jedoch andererseits auch von gestuften Informationspflichten spricht; Seichter, WRP 2005, 1087, 1093. 91 In diesem Kontext steht etwa die Aussage von Seichter, WRP 2005, 1087, 1093. 92 Bezogen auf den Richtlinienentwurf Apostolopoulos, GRUR Int 2005, 292, 298; Keßler, WRP 2005, 1203, 1211; bereits im Vorfeld der Richtlinienumsetzung in Deutschland Fezer, WRP 2006, 781, 787; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 21; Fezer, WRP, 2007, 1021, 1027 sieht in der Vorschrift ein „allgemeines Informationsgebot“ und spricht von „subjektiven Verbraucherrechten“; Keßler, WRP 2007, 714, 720; siehe auch Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 29 ff. 93 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 21. 94 Die Überschrift wird generell für missverständlich gehalten; siehe etwa Keßler, WRP 2007, 714, 720.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

könnte man annehmen, aus der Überschrift des Abschnitts ergebe sich für den Grundtatbestand in Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie das Erfordernis einer Fehlvorstellung. Dieses Argument spiegelt jedoch ein mitgliedstaatliches beziehungsweise deutsches Begriffsverständnis wider. Nach allgemeinen europarechtlichen Auslegungsgrundsätzen ist der Begriff der Irreführung in der UGP-Richtlinie autonom europarechtlich auszufüllen, jedoch nicht vor dem Hintergrund des Verständnisses eines Mitgliedstaates.95 Sodann ist in dem mitgliedstaatlichen der Umsetzung dienenden Gesetz der nationale Begriff unter Beachtung des Gebotes der richtlinienkonformen Auslegung zu bestimmen. Dieser Auslegungsgrundsatz findet seine Stütze in dem europarechtlichen effet utile-Grundsatz, nach dem die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, der europarechtlichen Vorgabe größtmögliche Wirksamkeit zu verschaffen. Hierbei ist zu beachten, dass eine empirische Sichtweise des Begriffs der Irreführung – also die Rückführung auf das Entstehen einer Fehlvorstellung – typisch für den deutschen Rechtskreis ist.96 Dem europäischen Recht liegt jedoch ein normatives Verständnis des Irreführungsbegriffs zu Grunde, das nicht notwendigerweise an eine konkrete Fehlvorstellung anknüpft. Vor diesem Hintergrund spricht die Bezeichnung „Irreführung“ nicht für das grundsätzliche Erfordernis einer Fehlvorstellung im Grundtatbestand des Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie.97 Auch aus Erwägungsgrund 14 UGP-Richtlinie lässt sich nicht entnehmen, dass das bloße Fehlen einer Information für eine lauterkeitsrechtliche Haftung nicht bereits ausreichend wäre.98 Damit ist festzuhalten, dass die UGP-Richtlinie Verstöße gegen Informationspflichten zwar dem Terminus der „Irreführung durch Unterlassen“ zuordnet; dieser europäische Begriff ist jedoch mit einem anderen konzeptionellen Inhalt verbunden als im traditionellen deutschen Lauterkeitsrecht. Auch der Schutzzweck der Vorschrift spricht für die Annahme einer echten Informationspflicht: Nach Erwägungsgrund 8 der UGP-Richtlinie bezweckt die UGPRichtlinie den Schutz der wirtschaftlichen Verbraucherinteressen. Diese werden jedoch nicht nur dann beeinträchtigt, wenn bei dem Verbraucher eine konkrete Fehlvorstellung vorliegt, sondern bereits dann, wenn seine Informationsgrundlage verkürzt wurde,99 da er bestimmte Fakten in seiner Entscheidung nicht berücksichtigen kann. Ist ein Käufer beispielsweise über sein Widerrufsrecht nicht infor-

95

Allgemein zu dieser Vorgehensweise Keßler, WRP 2007, 714, 718. So der Hinweis von Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 22. 97 So auch Fezer, WRP 2010, 577, 577. 98 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 23; entgegengesetzt die Ansicht von Glöckner, in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, Einl B, Rn. 383. 99 Bereits zur UGP-Richtlinie, Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 21. 96

A. Das Transparenzgebot als Paradigmenwechsel

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miert worden, so sind seine wirtschaftlichen Interessen auch dann beeinträchtigt, wenn er sich beim Kauf keine Gedanken darüber gemacht hat.100 Schließlich spricht im deutschen UWG auch ein Vergleich des Wortlauts von § 5a Abs. 1 und § 5a Abs. 2 UWG für eine dogmatische Zuordnung des § 5a Abs. 2 UWG zu den echten Informationspflichten in § 5a UWG Abs. 3 und 4. Während § 5a Abs. 1 UWG den Begriff des Verschweigens wählt, benutzt § 5a Abs. 2 UWG den Terminus des Vorenthaltens. Diese differenzierende Begriffswahl des Gesetzgebers stellt ein Argument dar für eine unterschiedliche Auslegung der beiden Absätze und für die Annahme einer echten Informationspflicht in § 5a Abs. 2 UWG. Zwar wird – bezogen auf den ebenfalls in Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie verwendeten Terminus des Vorenthaltens – die Meinung vertreten, auch dieser Begriff setze voraus, dass die Information von der Gegenseite erwartet werde.101 Jedoch wird semantisch in der englischen102 und in der französischen103 Sprachfassung noch deutlicher, dass die Informationen schlicht nicht enthalten sind.104 Jedenfalls aber bleibt es dabei, dass der deutsche Gesetzgeber zwischen den beiden Absätzen eine semantische Unterscheidung getroffen hat. In der Gesamtschau mit den europarechtlichen Vorgaben spricht dies dafür, § 5a Abs. 2 UWG in dogmatischer Hinsicht dem § 5a Abs. 3 und 4 UWG zuzuordnen. Daher ist auch § 5a Abs. 2 UWG als echte lauterkeitsrechtliche Informationspflicht zu qualifizieren. Jedenfalls dürfte – angesichts des breiten Regelungsbereiches des § 5a Abs. 3 und 4 UWG – die praktische Bedeutung dieser Debatte nicht sonderlich groß sein.105 Unbestritten stellt nämlich § 5a Abs. 3 und 4 UWG eine echte lauterkeitsrechtliche Informationspflicht dar. f) Das Transparenzgebot als Baustein für ein lauterkeitsrechtliches Informationsmodell Die transparenzorientierte Regelung des § 5a Abs. 2 – 5 UWG steht in einer Linie mit dem bereits durch die UWG-Reform des Jahres 2004 eingeführten § 4 Nr. 4 und Nr. 5 UWG 2004, der einen klaren und deutlichen Hinweis auf die Bedingungen von Verkaufsförderungsmaßnahmen sowie auf Teilnahmebedingungen bei Preisausschreiben erfordert.106 Diese Regelungen sind nach der UWG-Novelle des Jahres 100

So das Beispiel von Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 21. 101 So Glöckner, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, Einl B, Rn. 384, der von dem Erfordernis einer Fehlvorstellung ausgeht. 102 Die englische Sprachfassung benutzt den Terminus „omit“. 103 Im Französischen verwendet die Vorschrift den Begriff „omettre“. 104 So der Hinweis von Steinbeck, WRP 2006, 632, 635. 105 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 25. 106 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 6.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

2015 im § 5a UWG aufgegangen. Zuvor war bereits im Schrifttum darauf hingewiesen worden, dass § 4 Nr. 4, 5, 6 UWG 2004 nach Einführung der §§ 5, 5a UWG im Jahre 2008 eigentlich gestrichen werden könnte.107 Der § 4 Nr. 4 und Nr. 5 UWG 2004 kann daher als vorsichtiger erster Versuch der Einführung von Transparenzgeboten in das Lauterkeitsrecht interpretiert werden. Informationspflichten als marktorientiertes Instrumentarium könnten auch in der künftigen Fortentwicklung des Lauterkeitsrechts rechtspolitisch gegenüber den klassischen Irreführungsverboten an Bedeutung gewinnen.108 Sie dienen dazu, die Informiertheit des Verbrauchers institutionell zu ermöglichen und abzusichern, und heben hervor, dass die Rolle des Konsumenten als Marktakteur109 als Mechanismus für die Optimierung des Verbraucherschutzes Wirkung entfaltet. Daher bildet das Transparenzgebot einen zentralen Baustein für ein lauterkeitsrechtliches Informationsmodell.

B. Die Ausweitung des Lauterkeitsrechts zu einem Recht der Marktkommunikation Das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG erlangt seine Bedeutung für ein lauterkeitsrechtliches Informationsmodell ganz wesentlich dadurch, dass seine Einführung mit einer Ausweitung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereiches kombiniert wurde. Der sachliche Anwendungsbereich des Irreführungsverbotes im UWG hat nämlich in Folge der UGP-Richtlinie und deren Umsetzung in das deutsche UWG in zweifacher Hinsicht für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell relevante Erweiterungen erfahren. Zuvor war nämlich das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot auf den Bereich der Werbung beschränkt (siehe unten I.). Zudem wurde zeitgleich mit der Einführung des Transparenzgebots in § 5a UWG generell der Anwendungsbereich des UWG erweitert. Der sachliche Anwendungsbereich wird seitdem nicht mehr durch den Begriff der „Wettbewerbshandlung“, sondern durch das breitere Tatbestandsmerkmal der „geschäftlichen Handlung“ (siehe unten II.) definiert. Die Bedeutung dieser Erweiterungen für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell liegt darin, dass damit das Informationsverhalten von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, bei und sogar nach Vertragsschluss vom Lauterkeitsrecht erfasst wird. Damit werden insbesondere auch gesetzliche Produktkennzeichnungspflichten und nachvertragliches Informationsverhalten – etwa in Bezug auf 107

Peifer, WRP 2012, 1432, 1437, 1439. Peifer, WRP 2008, 556, 557; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 46. 109 Ähnlich Keßler, WRP 2007, 714, 717; Keßler/Micklitz, BB-Special 13/2005, 1, 6. 108

B. Ausweitung des Lauterkeitsrechts zum Recht der Marktkommunikation

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Gewährleistungsrechte – in das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell einbezogen. Gegenüber der früheren Beschränkung auf Werbemaßnahmen stellt dies in Kombination mit der Etablierung eines Transparenzgebots eine bedeutsame Aufwertung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells dar. Es wird nun ein wesentlich weiterer Bereich der unternehmerischen Marktkommunikation vom Lauterkeitsrecht erfasst.

I. Erstreckung des Irreführungsverbotes über den Bereich der Werbung hinaus Das Verbot der Irreführung – sowohl durch ein positives Tun als auch durch ein Unterlassen – war bis zur UWG-Reform im Jahre 2008 in § 5 UWG 2004110 geregelt. Dabei war die Begehungsweise der Unterlassung – umschrieben als das Verschweigen einer Tatsache – in § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG 2004111 als Unterform der Irreführung innerhalb eines einheitlichen Irreführungstatbestandes erfasst. Der Anwendungsbereich des Irreführungsverbotes war – ausweislich des Wortlauts von § 5 Abs. 1 UWG 2004 – auf den Bereich der Werbung beschränkt. Diese Begrenzung galt auch für die Irreführung durch Unterlassen, die formal und dogmatisch ja lediglich eine Unterkategorie des Irreführungsverbotes darstellte. Die UGP-Richtlinie behandelt die Irreführung durch positives Tun und diejenige durch Unterlassen in zwei separaten Vorschriften, Artikel 6 und Artikel 7, denen auch eigenständige Irreführungskonzepte zu Grunde liegen. Beide Vorschriften knüpfen nicht an Werbung, sondern an „Geschäftspraktiken“ an. Die auf diesen europäischen Vorgaben basierenden § 5 und § 5a UWG nehmen in ihrer Neufassung aus dem Jahre 2008 ebenfalls eine tatbestandliche – und dogmatische – Trennung der Irreführung durch Unterlassen von derjenigen durch positives Tun vor. Gemeinsam ist beiden Vorschriften jedoch, dass sie nicht mehr lediglich auf die Werbung abstellen, sondern bei irreführenden geschäftlichen Handlungen jeglicher Art zur Anwendung gelangen.112 Der Rechtsbegriff der „geschäftlichen Handlung“ im deutschen UWG stellt dabei eine Umsetzung des europarechtlichen Begriffs der Geschäftspraktiken dar. Mit dem Wegfall der Begrenzung auf Werbeverhalten erfährt das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot eine bedeutende Ausweitung, da das Konzept der 110

§ 5 Abs. 1 UWG 2004 lautete: Unlauter im Sinne von § 3 handelt, wer irreführend wirbt. § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG 2004 hatte folgenden Wortlaut: Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die Entscheidung zum Vertragsschluss nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen. 112 Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1330; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 15; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 6. 111

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

Werbung enger ist als das der Geschäftspraxis.113 Der Begriff der Werbung im UWG von 2004 wurde unter Rückgriff auf die Legaldefinition in Artikel 2 a) der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung ausgefüllt, da § 5 UWG 2004 in Hinblick auf diese Richtlinie europarechtskonform auszulegen war. Danach handelt es sich bei Werbung um jede Äußerung bei Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren zu fördern. Produktkennzeichnungspflichten haben oft rein sachliche Informationen oder Hinweise auf Eigenschaften der Ware zum Gegenstand, die durch den Käufer als negativ oder als Warnhinweis wahrgenommen werden können. Damit wohnt ihnen zumeist nicht das Ziel der Absatzförderung inne. Unter dem UWG 2004 konnten Produktkennzeichnungen daher im Grundsatz nicht als Werbung qualifiziert und daher vom Irreführungsverbot auch nicht erfasst werden. Durch die Ausweitung des Anwendungsbereiches des Irreführungsverbotes über den Bereich der Werbung hinaus durch das UWG 2008 werden insbesondere auch fehlende oder unrichtige Produktkennzeichnungen einer möglichen Sanktionierung durch das Lauterkeitsrecht zugeführt.

II. Die Ausweitung des Irreführungsverbotes auf geschäftliche Handlungen Die Ausweitung des Anwendungsbereiches des Irreführungsverbotes über den Bereich der Werbung hinaus geht einher mit einer Ausdehnung des Geltungsbereiches des UWG insgesamt: Der sachliche Anwendungsbereich des UWG wird seit der grundlegenden UWG-Reform aus dem Jahre 2008 nicht mehr mit dem Begriff der Wettbewerbshandlung, sondern durch das Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Handlung umgrenzt. Dies erweitert in mehrfacher Hinsicht die Möglichkeit, das Kommunikationsverhalten von Unternehmen lauterkeitsrechtlich zu erfassen. Das deutsche Lauterkeitsrecht kann nämlich nur dann zur Anwendung kommen, wenn das fragliche Verhalten eine geschäftliche Handlung darstellt. 1. Definition von Geschäftspraktiken und geschäftlichen Handlungen Eine geschäftliche Handlung wird durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG definiert als jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das objektiv mit der Förderung des Absatzes oder des Bezuges von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen zusammenhängt. Die europarechtliche Vorgabe in Gestalt der UGP-Richtlinie benutzt demgegenüber den Terminus „Geschäftspraktiken“, der in Artikel 2 d) UGP-Richtlinie gesetzlich definiert wird und zugleich die Grundlage für eine richtlinienkonforme 113

Steinbeck, WRP 2006, 632, 633.

B. Ausweitung des Lauterkeitsrechts zum Recht der Marktkommunikation

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Auslegung des deutschen Begriffs der „geschäftlichen Handlung“ bildet. Nach Artikel 2 d) UGP-Richtlinie sind Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produktes an Verbraucher zusammenhängen. Der deutsche Rechtsbegriff der geschäftlichen Handlung ist in mehrfacher Hinsicht weiter als derjenige der „Geschäftspraktik“ in der UGP-Richtlinie.114 Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Begriff der „geschäftlichen Handlung“ auch für den nicht harmonisierten Bereich des deutschen Lauterkeitsrechts gilt. Dementsprechend umfasst der Begriff im deutschen Recht auch den Geschäftsverkehr mit Bezug zu Unternehmern oder zu sonstigen Marktteilnehmern sowie Maßnahmen, die sich gegen Mitbewerber richten. Des Weiteren erstreckt sich der Geltungsbereich des deutschen UWG auch auf den Bezug – und nicht lediglich auf den Absatz – von Waren und Dienstleistungen sowie auf Maßnahmen Dritter, die nicht im Namen oder Auftrag des Unternehmens handeln. Damit ist der deutsche Gesetzgeber bei der Umschreibung des Anwendungsbereiches der deutschen Regelungen durch den Begriff der geschäftlichen Handlung in sachlicher wie in persönlicher Hinsicht über die Vorgaben der UGP-Richtlinie hinausgegangen. Dadurch wurden auf Grund einer autonomen Entscheidung des mitgliedstaatlichen Parlaments bestimmte Regelungskonzepte der Richtlinie auch auf weitere Sachverhalte ausgedehnt. Darin liegt kein Verstoß gegen das von der UGP-Richtlinie verfolgte Prinzip der Vollharmonisierung, sondern eine europarechtlich zulässige überschießende Richtlinienumsetzung. Es wird nämlich nicht innerhalb des – rein verbraucherschutzbezogenen – Anwendungsbereiches der UGP-Richtlinie das Schutzniveau erhöht oder abgesenkt. 2. Das Weglassen einer Information als geschäftliche Handlung Durch den Begriff der geschäftlichen Handlung werden auch Konstellationen erfasst, in denen ein Unternehmen eine Information einfach weglässt. In diesem Fall liegt ein Unterlassen vor. Der Begriff des Verhaltens als Tatbestandselement der geschäftlichen Handlung ist grundsätzlich weit zu verstehen. Dies zielt darauf ab, möglichst viele marktrelevante Maßnahmen zu erfassen. So kann das Verhalten von einer natürlichen oder auch von einer juristischen Person ausgehen.115 Neben einem positiven Tun wird auch ein Unterlassen erfasst.116 Dies ergibt sich zum einen aus einer richtlinien114 Eine Gegenüberstellung findet sich etwa bei: Seichter, WRP 2005, 1087, 1089; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 8. 115 Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 16; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 11, 62. 116 Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 168; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 11, 12; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 21; Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den un-

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konformen Auslegung des deutschen Begriffs der geschäftlichen Handlung in Hinblick auf die Vorgabe der UGP-Richtlinie: Die Legaldefinition für Geschäftspraktiken in Artikel 2 d) UGP-Richtlinie umfasst nämlich neben Handlungen, Verhaltensweisen und Erklärungen explizit auch Unterlassungen. Ein Argument für eine Anwendung des deutschen Lauterkeitsrechts auf ein Unterlassen ergibt sich auch aus dem Wortlaut der deutschen Vorschrift. Diese spricht nämlich von einem Verhalten und nicht von einer Handlung. Der Begriff des Verhaltens umfasst die Handlungsmodalitäten sowohl des aktiven Tuns als auch des Unterlassens. Eine juristische Gleichstellung des Unterlassens mit einem aktiven Tun setzt im Allgemeinen voraus, dass den Handelnden eine Erfolgsabwendungspflicht zur Beseitigung eines wettbewerbswidrigen Zustands trifft.117 Eine solche Pflicht kann sich aus dem Gesetz, aus Ingerenz, aus einer dienstlichen Verpflichtung oder aus einem Vertrag ergeben.118 In dem lauterkeitsrechtlichen Fall „Neu in Bielefeld“119 etwa verneinte der BGH eine Haftung des Franchisegebers für eine vom Franchisenehmer durchgeführte Werbung. Den Franchisegeber treffe keine Erfolgsabwendungspflicht etwa aus Gesetz oder aus vorausgegangenem gefährdendem Tun.120 Damit entspricht die Dogmatik des klassischen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsdelikts im Grundsatz derjenigen zur Rechtserheblichkeit des Unterlassens im allgemeinen Deliktsrecht. In Bezug auf die Tatbestände der Irreführung durch Unterlassen geht die dogmatische Begründung teilweise über diese Fallgruppen hinaus oder weist zumindest unterschiedliche Nuancierungen auf.121 So wird – ohne eine genauere dogmatische Festlegung – schlicht darauf verwiesen, dass sich eine Gleichstellung von positivem Tun und Unterlassen aus dem jeweiligen Tatbestand der Irreführung ergibt.122 Eine weitere Begründungslinie hebt hervor, dass sich bei der Irreführung durch Unterlassen eine Gleichstellung mit einem aktiven Tun daraus ergebe, dass auf Grund der Informationspflichten eine Erfolgsabwendungspflicht bestehe.123 Diese Erklärung erkennt implizit die dogmatische Einordnung des § 5a Abs. 2 – 5 UWG als echte lauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 15; Lettl, GRUR-RR 2009, 41, 42; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2 Nr. 1, Rn. 60. 117 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 21; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2 Nr. 1, Rn. 62; Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 15. 118 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 12; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2 Nr. 1, Rn. 62; Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 15. 119 BGH GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld. 120 BGH GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld. 121 Weitere Ausführungen zur Dogmatik der Irreführung durch Unterlassen und zur Rolle dieser Dogmatik in § 5a UWG finden sich unten S. 161 f. 122 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 12. 123 Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 15.

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Informationspflichten an. Schließlich wird auch in ausdrücklicher Weise darauf hingewiesen, dass durch den Regelungsansatz der UGP-Richtlinie lauterkeitsrechtliche Informationspflichten im Sinne eines europäischen Informationsmodells begründet werden, die sich vom deliktsrechtlichen Ansatz unterscheiden und von der Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG 2004 nur zurückhaltend anerkannt worden waren.124 3. Keine strikte Begrenzung auf den Vertragsschluss Aus der Einführung des Begriffs der „geschäftlichen Handlung“ ergibt sich eine weitere grundlegende Ausdehnung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells. Entsprechend der europarechtlichen Vorgabe erfasst die Definition der geschäftlichen Handlung – anders als der zuvor maßgebliche Begriff der Wettbewerbshandlung – auch Geschäftspraktiken nach Vertragsschluss und bei der Durchführung des Vertrags. Damit wird der sachliche Anwendungsbereich des UWG insgesamt über den Zeitraum der Geschäftsanbahnung und des Vertragsschlusses hinaus auch auf nachvertragliche Sachverhalte und die Vertragsabwicklung erweitert.125 Die lauterkeitsrechtliche Kontrolle der Unternehmenskommunikation gegenüber dem Verbraucher ist also weniger stark als früher durch eine Orientierung auf den Vertragsschluss als solchen begrenzt. Konsequenterweise stellt auch der Wortlaut des § 5a Abs. 1 UWG – entgegen der Vorgängerregelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG 2004 – nicht mehr darauf ab, dass die Entscheidung, die durch die Irreführung beeinflusst wurde, diejenige war, die zum Vertragsschluss führte. Daher ist die Eignung zur Irreführung nun nicht mehr lediglich in Bezug auf Vertragsschlüsse zu prüfen, sondern in Bezug auf alle geschäftlichen Entscheidungen. Der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ erschließt sich seinerseits durch eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts anhand der europarechtlichen Vorgabe des Artikel 2 k) UGP-Richtlinie, der eine Legaldefinition enthält. Darunter fallen über den eigentlichen Entschluss des Verbrauchers bezüglich eines Vertragsschlusses zu bestimmten Bedingungen hinaus auch Entscheidungen über die Tätigung von Zahlungen, die Rückgabe eines Produktes und die Ausübung vertraglicher Rechte im Zusammenhang mit dem Produkt. So kann etwa auch das Verschweigen von Widerrufsrechten oder Vertragsbedingungen irreführend sein126 oder die Behinderung des Verbrauchers beim Vertrags124 Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2 Nr. 1, Rn. 63, 64; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, Einl E, Rn. 153; ein Überblick zur deliktsrechtlichen Tradition des klassischen Irreführungsverbotes findet sich auch bei Fezer, WRP 2007, 1021, 1024; Glöckner, WRP 2009, 1175, 1176. 125 Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1326; Peifer, WRP 2008, 556, 557; Köhler, WRP 2009, 109, 112; Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 6. 126 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 15.

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wechsel.127 Der EuGH hat dabei eine weite Auslegung des Begriffs der geschäftlichen Entscheidung vorgenommen. Nach der Rechtsprechung des EuGH im Vorlageverfahren „Trento Sviluppo“128 erfasst der Begriff der geschäftlichen Entscheidung im Sinne von Artikel 2 k) nicht nur Entscheidungen über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produktes, sondern auch damit zusammenhängende Entscheidungen wie etwa diejenige zum Betreten eines Geschäftes. In dem Fall hatte eine italienische Supermarktkette im Rahmen einer Sonderaktion mit günstigen Preisen für ein bestimmtes Produkt geworben. Dieses Produkt war aber in einer Filiale gar nicht verfügbar. Der EuGH bejahte das Eingreifen der UGP-Richtlinie. Werden also beispielsweise unzureichende Angaben über einen Warenvorrat gemacht, so kann ein Eingreifen des Lauterkeitsrechts nicht mit der Begründung verneint werden, der Kunde hätte die Ware im konkreten Fall ohnehin nicht kaufen können. Es ist nämlich bereits ausreichend, wenn der Entschluss zum Betreten des Geschäfts durch die Unternehmenskommunikation beeinflusst wurde. Die Fallgruppe der Behinderung beim Vertragswechsel dürfte insbesondere im Bereich der Telekommunikation Bedeutung aufweisen. Im Fallrecht ist die Behinderung beim Vertragswechsel durch Unternehmenskommunikation im Bereich der Krankenkassen konkret relevant geworden: Der Bundesgerichtshof hatte in dem Fall „Irreführende Angaben auf Homepage – Betriebskrankenkasse II“129 eine Vorlageentscheidung beim EuGH unter dem Fallnamen „BKK Mobil Oil“130 erwirkt. In dem Fall hatte eine deutsche gesetzliche Krankenkasse auf ihrer Homepage unzutreffende und unzureichende Angaben über angebliche Nachteile gemacht, die angeblich eintreten sollten, wenn die Kunden zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse wechseln würden. Gegenstand des Vorlageverfahrens zum EuGH war die im Ergebnis bejahte Frage, ob es sich bei einer gesetzlichen Krankenkasse trotz ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts um ein Unternehmen im Sinne des Lauterkeitsrechts handelt.131 Sowohl der BGH als auch der EuGH gingen jedoch unstreitig davon aus, dass das Lauterkeitsrecht zur Anwendung gelangt, obgleich das in Frage stehende Informationsverhalten der Krankenkasse zeitlich nach dem Vertragsschluss mit dieser Krankenkasse lag. Weitere Beispiele für Sachverhalte der Unternehmenskommunikation, die vom Lauterkeitsrecht erfasst werden, ergeben sich aus dem Arbeitspapier der Kommission aus dem Jahre 2009.132 Bei dem Arbeitspapier handelt es sich um eine Ausle127

Blank/Tenkhoff, GRUR-Prax 2010, 95. EuGH, Rs. C-281/12 – Trento Sviluppo, (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht); siehe auch Heidinger, Medien und Recht, 2013, 329,330. 129 BGH MMR 2014, 815 – Irreführende Angaben auf Homepage – Betriebskrankenkasse II. 130 EuGH, Rs. C-59/12 – BKK Mobil Oil (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 131 Zur Diskussion der Frage, ob die Informationsregeln des Lauterkeitsrechts gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse zur Anwendung kommen, siehe auch § 2 B. II. 7. 132 European Commission, Guidance on the Implementation / Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC(2009) 1666. 128

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gungshilfe der Europäischen Kommission, wobei allerdings zu beachten ist, dass eine Auslegung des europäischen Rechts in rechtsverbindlicher Weise ausschließlich durch den EuGH erfolgen kann.133 Neben Behinderungen beim Vertragswechsel nennt das Arbeitspapier als Beispiele für lauterkeitsrechtlich relevante nachvertragliche geschäftliche Handlungen das Eintreiben von Schulden im Zusammenhang mit dem Vertrieb eines Produktes und die Nichteinhaltung von Versprechungen bezüglich eines Produkt-Service nach Vertragsschluss wie beispielsweise die Verfügbarkeit einer Hotline.134 Zur Annahme einer geschäftlichen Handlung ist eine tatsächliche Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung nicht erforderlich. Vielmehr ist dies erst im Rahmen des Merkmals der Spürbarkeit bei der Frage des Vorliegens eines Verstoßes gegen das UWG zu prüfen. 4. Keine strikte Begrenzung auf eine Wettbewerbswirkung Seit der Ablösung des Begriffs der Wettbewerbshandlung durch das Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Handlung in Folge der Novellierung im Jahre 2008 erfasst das UWG grundsätzlich auch Handlungen, die keine Auswirkungen auf den Wettbewerb haben,135 da es bei ihnen nicht mehr um die Gewinnung des Kunden für den konkreten Vertragsschluss geht, sondern allenfalls um den Erhalt oder die Ausgestaltung einer bestehenden Kundenbeziehung. Damit tritt der Charakter des UWG als reines Wettbewerbsrecht in den Hintergrund, während die Funktion der Regelungen als ein Recht der unlauteren Handlungen verstärkt wird.136 Aus diesem Grund wird auch dafür plädiert, für das UWG die Bezeichnung „Lauterkeitsrecht“ zu verwenden, zumal der Begriff „Wettbewerbsrecht“ sich für das europäische Kartellrecht eingebürgert habe.137 Die Loslösung der Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts von den Kriterien der Wettbewerbswirkung und des Vertragsschlusses erweitert die Geltung in Bezug auf das Kommunikationsverhalten von Unternehmen. Neben nachvertraglichem Informationsverhalten werden etwa auch Verstöße gegen Produktkennzeichnungspflichten leichter erfasst. Produktkennzeichnungen können vom Käufer häufig erst nach dem Erwerb und damit erst nach dem Vertragsschluss wahrgenommen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn die Ware im Fernabsatz erworben wird oder die Kennzeichnung im Moment des Kaufs durch die Außenverpackung verdeckt wird. 133

Blank/Tenkhoff, GRUR-Prax 2010, 95. European Commission, Guidance on the Implementation / Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC(2009) 1666, S. 8. 135 So auch Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 31; Sosnitza, in: Ohly/ Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 5. 136 So Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 31. 137 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 31; Glöckner, WRP 2009, 1175, 1176. 134

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5. Kein Erfordernis einer Wettbewerbsabsicht Eine Erleichterung der Anwendung des UWG auf unternehmerisches Kommunikationsverhalten ergibt sich auch daraus, dass zu dessen Anwendbarkeit keine Wettbewerbsabsicht auf der Seite des Unternehmens erforderlich ist. Nach der früheren Rechtslage musste zur Anwendbarkeit des UWG eine „Wettbewerbshandlung“ vorliegen, was eine Wettbewerbsabsicht erforderte. Demgegenüber ist bei dem nunmehr maßgeblichen Begriff der „geschäftlichen Handlung“ allein auf objektive Elemente abzustellen; eine Wettbewerbsabsicht ist nun nicht mehr erforderlich.138 Darin liegt eine Objektivierung des Anwendungsbereichs des UWG. Die Objektivierung der Unlauterkeit wurde bereits durch die UWGReform im Jahre 2004 eingeleitet und durch die Novellierung im Jahre 2008 fortgeschrieben,139 indem der Terminus der Wettbewerbshandlung durch denjenigen der geschäftlichen Handlung ersetzt wurde. Auch nach dem UWG in den Fassungen aus den Jahren 1909 und 2004140 war jedoch – neben einer Wettbewerbsabsicht – ein objektives Element erforderlich.141 Ein wesentliches Argument für diese Objektivierung besteht darin, dass die Schutzwürdigkeit des lauteren Wettbewerbes unabhängig ist von der subjektiven Absicht des Wettbewerbers zur wirtschaftlichen Betätigung.142 Ein Grund für die Objektivierung der geschäftlichen Handlung ergibt sich auch aus dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung: Artikel 2 d) UGP-Richtlinie, der dem deutschen § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu Grunde liegt, fordert explizit lediglich, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen der Handlung und einer Absatzförderung besteht.143 Zur Annahme einer geschäftlichen Handlung muss das Verhalten lediglich objektiv mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren in einem Zu-

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Henning-Bodewig, GRUR Int 2005, 629, 630; Fezer, WRP 2009, 1163, 1168; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 46; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 27. 139 Zur Diskussion, ob auf die subjektive Komponente des Begriffs verzichtet werden soll, siehe etwa Steinbeck, WRP 2006, 632, 634 mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand. 140 Einen historischen Abriss zum Begriff der geschäftlichen Handlung gibt etwa Glöckner, WRP 2009, 1175, 1178. 141 Aus der Rechtsprechung siehe etwa BGH GRUR 2007, 987, Rn. 22 – Änderung der Voreinstellung: In diesem Fall wies der BGH einen zu weit formulierten Unterlassungsantrag ab, da er auch Verhaltensweisen umfasst, die keinen Marktbezug aufwiesen. BGH GRUR 2007, 805, Rn. 16 – Irreführender Kontoauszug: Der BGH hob hervor, dass es nach dem neuen Recht nicht mehr darauf ankommt, ob zum Nachteil eines anderen Unternehmens gehandelt wurde. 142 Fezer, WRP 2009, 1163, 1168; bereits vor der Umsetzung zur UGP-Richtlinie: Fezer, WRP 2006, 781, 785. 143 Glöckner, WRP 2009, 1175, 1180; Fezer, WRP 2006, 781, 785, 786; Köhler, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 43 ff.; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 27.

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sammenhang stehen, also einen Marktbezug aufweisen.144 Die Begriffe „Ware“ und „Dienstleistungen“, auf die sich das Verhalten beziehen muss, sind weit zu verstehen und umfassen sowohl sämtliche wirtschaftlichen Güter, die Gegenstand eines Handelns im wirtschaftlichen Verkehr sein können, als auch alle geldwerten unkörperlichen Leistungen.145 Es werden also auch immaterielle Produkte erfasst. Maßgeblich ist, ob die funktional-objektiv zu bestimmende Zielrichtung des Handelns in der Beeinflussung einer geschäftlichen Entscheidung des Vertragspartners besteht.146 Dabei ist es ausreichend, wenn die Beeinflussung ein Fernziel darstellt, und das Handeln muss mit dem Ziel nicht unbedingt in einem Kausalzusammenhang stehen, der unmittelbar ist.147 Ferner ist es unerheblich, ob der Erfolg einer Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren auch tatsächlich eintritt.148 Rein private, publizistische, soziale oder wissenschaftliche Aktivitäten stellen keine geschäftliche Handlung dar und unterfallen daher nicht dem Anwendungsbereich des UWG.149 Ebenfalls keinen Marktbezug weisen rein betriebsinterne Handlungen auf, die nicht auf die Marktteilnehmer einwirken können.150 Hierzu hat sich in der Rechtsprechung eine fein differenzierte höchstrichterliche Kasuistik herausgebildet. Diese ist zwar unter der Vorgängerregelung ergangen; jedoch waren auch unter dieser rein betriebsinterne Handlungen vom Anwendungsbereich des UWG ausgenommen. Im Fall „Branchenverzeichnis“151 hatte ein Unternehmen seinem Handelsvertreter eine Weisung zur Verwendung einer lauterkeitsrechtswidrigen Werbeaussage gegeben. Der BGH bewertete dies als einen rein internen Vorgang und verneinte ein Handeln im geschäftlichen Verkehr.152 Allenfalls könne ein solcher Vorgang die Grundlage für eine vorbeugende Unterlassungsklage bilden.153 Eine Abgrenzung zu seiner Entscheidung „Branchenverzeichnis“ nahm der 144 Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 92; bereits zur UGP-Richtlinie Henning-Bodewig, GRUR Int 2005, 629, 630; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 35, 37; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 25 f.; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2, Rn. 33; Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 12, 59; Götting, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 2, Rn. 13. 145 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 48; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 39; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2, Rn. 190. 146 Köhler, WRP 2009, 898, 913; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 45, 48. 147 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 47, 53. 148 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 37. 149 Lettl, GRUR-RR 2009, 41, 42. 150 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 14; Keller, in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 49; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 36; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2, Rn. 75. 151 BGH GRUR 1971, 119 – Branchenverzeichnis. 152 BGH GRUR 1971, 119, 120 – Branchenverzeichnis. 153 BGH GRUR 1971, 119, 120 – Branchenverzeichnis.

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BGH in der Rechtssache „Reparaturversicherung“154 vor. In diesem Fall versandte eine Versicherung zur Werbung für ihre Versicherungsdienstleistungen Rundschreiben an Reparaturbetriebe von Fernsehgeräten. Der BGH bejahte eine geschäftliche Handlung, da sich die Werbung nicht ausschließlich an bereits mit der Versicherung kooperierende Händler richtete, sondern auch darauf abzielte, neue Kooperationspartner zu gewinnen.155 Hingegen wertete der BGH im Fall „Internes Rundschreiben“156 das Rundschreiben eines Kaffeerösters an die Betreiber seiner Depots als rein internen Vorgang.157 Ebenso qualifizierte der BGH in der Rechtssache „Handlung im Geschäftsverkehr“158 das Rundschreiben eines Gewerbetreibenden an seine Handelsvertreter wegen seines internen Charakters nicht als Handlung im Geschäftsverkehr.159 Nach dem Wegfall des subjektiven Elementes der Wettbewerbsabsicht als Anwendungsvoraussetzung für das Lauterkeitsrecht kann sich ein Unternehmen nicht mehr darauf berufen, dass bei einer Unternehmenskommunikation eine Außenwirkung nicht beabsichtigt gewesen sei. Vielmehr ist der Marktbezug objektiv zu bestimmen. Insoweit erweitert die diskutierte Gesetzesänderung die mögliche Reichweite des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells. 6. Anwendbarkeit auf Kommunikationsverhalten durch Beauftragte Die geschäftliche Handlung kann zugunsten des eigenen oder zugunsten eines fremden Unternehmens erfolgen.160 Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ist Unternehmer jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. Dabei sind auch Personen erfasst, die im Namen oder im Auftrag eines Unternehmers handeln.161 Entscheidend ist dabei nicht die formale Qualifikation des Handelnden, sondern die tatsächliche Art seiner Betätigung.162

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BGH GRUR 1974, 666 – Reparaturversicherung. BGH GRUR 1974, 666, 667 f. – Reparaturversicherung. 156 OLG Hamburg WRP 1985, 652 – Internes Rundschreiben. 157 OLG Hamburg WRP 1985, 652 – Internes Rundschreiben. 158 OLG Koblenz WRP 1988, 557 – Handlung im Geschäftsverkehr. 159 OLG Koblenz WRP 1988, 557, 558 – Handlung im Geschäftsverkehr. 160 Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 16; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 54; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 28; vgl. auch Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2, Rn. 164. 161 Siehe auch Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 55; Keller, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 25. 162 Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 16. 155

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Wird eine Zuwiderhandlung durch einen Mitarbeiter oder Beauftragten eines Unternehmens begangen, so ist auf Grund der Zurechnungsnorm des § 8 Abs. 2 UWG auch der Inhaber des Unternehmens Adressat des lauterkeitsrechtlichen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs. Dies bedeutet, dass das Lauterkeitsrecht auch ein Kommunikationsverhalten erfasst, bei dem Mitarbeiter oder bestimmte dritte Personen tätig werden. 7. Anwendbarkeit auch bei Erfüllung von gesetzlichen Informationspflichten Wenn das Kommunikationsverhalten eines Unternehmens der Erfüllung einer gesetzlich vorgegebenen Informationspflicht dient, so stellen sich in Bezug auf das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung bislang kaum erörterte Fragen: Zum einen ist zu untersuchen, ob es der Qualifikation als geschäftliche Handlung entgegensteht, dass ein solches Kommunikationsverhalten in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht und nicht aus freien Stücken erfolgt. Zum anderen stellt sich die Frage, ob es für die Einordnung als geschäftliche Handlung einen Unterschied macht, wenn die Produktkennzeichnungspflicht – wie es häufig der Fall ist – eine Negativinformation zum Gegenstand hat, die den Konsumenten eher zu einem Überdenken seines Kaufentschlusses bewegen könnte. Die Rechtsprechung hat zu ähnlichen Sachverhalten Stellung bezogen, die jedoch nach dem alten Lauterkeitsrecht zu beurteilen waren, das zum einen auf den stärker subjektiv geprägten Begriff der Wettbewerbshandlung – und nicht den der geschäftlichen Handlung – abstellte und das zudem die Irreführung lediglich in Bezug auf Werbung als speziellem Unterfall einer Wettbewerbshandlung untersagte. Nach Einführung des Begriffs der geschäftlichen Handlung ergibt sich aber ohnehin ein weiterer Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts. So hatte der Bundesgerichtshof darüber zu befinden, ob die auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhende Kennzeichnung von Benzinkraftstoff in Bezug auf die Erfüllung einer bestimmten DINNorm einer Sanktionierung durch das Lauterkeitsrecht zugänglich ist, wenn diese Kennzeichnung irreführende Elemente enthält:163 Dabei stellte der Bundesgerichtshof fest, dass aus der gleichzeitigen Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Auszeichnungspflicht nicht geschlossen werden könne, dass nicht zusätzlich eine wettbewerbliche Absicht vorliege. Da die Angabe der DIN-Norm beim Konsumenten als Kaufargument wahrgenommen werde, sei zudem eine Werbung und damit auch eine Wettbewerbshandlung im Sinne des Lauterkeitsrechts zu bejahen. Das OLG Hamburg164 befasste sich – ebenfalls unter dem alten Irreführungsverbot – 163 BGH GRUR 1988, 832, 834 – Benzinwerbung: Der BGH stellte außerdem fest, dass es auf den guten Glauben des Tankstellenbetreibers nicht ankomme, wenn dieser darauf vertraut hätte, dass das gelieferte Benzin der DIN-Norm entspreche. 164 OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 377 – ad hoc-Mitteilung: Das Gericht bejahte eine Wettbewerbshandlung jedenfalls für den Fall, dass der mitgeteilte Inhalt nicht in vollem

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mit der Frage, ob es eine Wettbewerbshandlung in Gestalt einer Werbung darstelle, wenn irreführende Angaben innerhalb einer kapitalmarktrechtlichen ad hoc-Mitteilung erfolgen, die auf Grund der gesetzlichen Verpflichtung aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vorzunehmen ist. Das Gericht stellte fest, dass ein Handeln lediglich zum Zwecke der pflichtgemäßen Information der Kapitalanleger schon deswegen einer Anwendung des Lauterkeitsrechts nicht entgegenstehe, da eine irreführende Angabe überhaupt keine Mitteilung im Sinne des WpHG darstelle. Zudem sei eine Werbung zu bejahen, weil die Angabe geeignet war, den Absatz und die Wertschätzung des Finanzinstruments zu verbessern. Daraus ergibt sich, dass eine geschäftliche Handlung nicht auf Grund der Doppelnatur einer Handlung zu verneinen ist, die darin besteht, dass zugleich eine gesetzliche Pflicht erfüllt wird. Dafür spricht auch die positive Beurteilung der ähnlich gelagerten Frage, ob bei einem Tätigwerden der öffentlichen Hand eine geschäftliche Handlung im Sinne des Lauterkeitsrechts angenommen werden kann.165 Für diese Fälle ist anerkannt, dass zwar keine allgemeine Vermutung für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung besteht;166 jedenfalls aber schließen sich die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und geschäftliches Handeln nicht gegenseitig aus. In dem Fall „Werbung im Programm“167 war die Beklagte eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt, die in dem redaktionellen Teil ihres Programms Werbung – unter Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag – für ein Buch gemacht hatte.168 Der BGH betonte, dass weder die Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Körperschaft noch die Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Programmauftrags durch die fragliche Handlung einer Anwendung des Lauterkeitsrechts entgegenstünden.169 Vielmehr unterliege wirtschaftliches Handeln der öffentlichen Hand – auch wenn ihr allgemeiner Aufgabenbereich eröffnet ist – dem Lauterkeitsrecht.170 In dem Fall „Irreführende Angaben auf Homepage – Betriebskrankenkasse II“171 erklärte der BGH das Lauterkeitsrecht in einem Fall für anwendbar, in dem eine gesetzliche Krankenkasse irreführende Angaben auf ihrer Homepage gemacht hatte. Die Tatsache, dass es sich Umfang den Tatsachen entspricht und irreführend ist; siehe hierzu auch Lettl, ZGR 2003, 853, 859; und teilweise kritisch Klöhn, ZHR 172 (2008), 388, 402, der eine Differenzierung nach Primär- und Sekundärmarkt vornimmt sowie danach, was genau den Inhalt der Pflicht darstellt. 165 Siehe hierzu etwa Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 4, Rn. 13.22. 166 BGH GRUR 1990, 463, 464 – Firmenrufnummer: Wird eine Gemeinde außerhalb des erwerbswirtschaftlichen Tätigkeitsbereiches tätig, so verfolge sie in der Regel nicht das Ziel einer Förderung fremden Wettbewerbs. In diesem Fall hatte eine Gemeinde bei einer automatischen Telefonansage die Nummer eines bestimmten Bestattungsunternehmens mitgeteilt. 167 BGH GRUR 1990, 611 – Werbung im Programm. 168 Im Zusammenhang mit einer Programmankündigung für ein Kriminalspiel war ein Buch eingeblendet worden mit der Bemerkung, es könne bei der Auflösung des Kriminalfalles hilfreich sein. 169 BGH GRUR 1990, 611, 613 – Werbung im Programm. 170 BGH GRUR 1990, 611, 613 – Werbung im Programm. 171 BGH MMR 2014, 815 – Irreführende Angaben auf Homepage – Betriebskrankenkasse II.

C. Europäisierung und Denationalisierung

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um eine im Allgemeininteresse tätige Körperschaft des öffentlichen Rechts handelte, stand dem nicht entgegen. Ebenfalls unbeachtlich für eine Anwendung des Lauterkeitsrechts ist die Tatsache, dass es sich bei dem Inhalt einer Informationspflicht oft um eine Negativinformation in dem Sinne handelt, dass sie geeignet sein kann, den Käufer von einem Erwerb abzubringen. Bezogen auf die Angabe von Kapitalmarktinformationen etwa, lässt sich die Kursreaktion auf eine bestimmte Mitteilung ja oft gar nicht voraussagen.172 So ist etwa auch eine Gewinnmitteilung in der Lage, einen negativen Kursausschlag nach sich zu ziehen, wenn am Markt eine andere Erwartung bestand. Die Anwendbarkeit eines Gesetzes kann sich jedoch nicht erst ex post ergeben. Ebenso kann eine Produktkennzeichnung verschiedene Stufen einer Qualität widerspiegeln, so dass sich der positive oder negative Charakter einer Angabe erst in Relation zu einer Erwartung ergibt. So folgt etwa aus einer Kennzeichnung mit einer bestimmten DIN-Norm, dass im negativen Sinne eine etwaige höhere DIN-Norm nicht erfüllt wird. Jedenfalls aber ist das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot seit der Novellierung im Jahre 2008 nicht mehr auf Werbung als Untergruppe einer geschäftlichen Handlung begrenzt, so dass es nicht mehr auf den zum Kauf bestimmenden Charakter einer Äußerung ankommt. Schließlich würde eine Differenzierung nach Negativund Positivinformationen ignorieren, dass bei geschäftlichen Handlungen eine Unterlassung mit positivem Tun gleichgestellt ist. Das Weglassen einer Negativinformation stellt einen möglichen Anreiz für einen Kauf dar. Daher verkörpert auch die unterlassene Kennzeichnung mit einer Negativinformation eine geschäftliche Handlung. Damit erfasst das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell auch Unternehmenskommunikationen, die der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung dienen.

C. Europäisierung und Denationalisierung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells Der dritte Baustein des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells gibt diesem eine europäische Dimension: Durch den Regelungsmechanismus der UGP-Richtlinie erfolgt für die Mitgliedstaaten bei der lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung von Verstößen gegen Informationspflichten zum einen eine Europäisierung (siehe unten I.) sowie zum anderen zugleich eine Denationalisierung (siehe unten II.). Denationalisierung bedeutet dabei, dass es den Mitgliedstaaten – im Anwendungsbereich der UGP-

172

Klöhn, ZHR 172 (2008), 388, 400.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

Richtlinie – beispielsweise verboten wird, Verstöße gegen rein nationale Informationspflichten zu sanktionieren. Für das deutsche Lauterkeitsrecht hat dies insbesondere zur Folge, dass im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie der lauterkeitsrechtliche Rechtsbruchtatbestand als bisherige Zentralnorm des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells seine Bedeutung verliert (siehe unten III.). Schließlich haben die Denationalisierung und Europäisierung auch Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem lauterkeitsrechtlichen und dem vertragsrechtlichen Informationsmodell (siehe unten IV.).

I. Europäisierung des Informationsmodells im Lauterkeitsrecht Die Europäisierung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells besteht darin, dass durch die UGP-Richtlinie europaweit einheitliche lauterkeitsrechtliche Informationspflichten in Gestalt eines Transparenzgebots geschaffen werden. Der § 5a Abs. 2 – 5 UWG schafft einen europäischen Prototyp an lauterkeitsrechtlich sanktionierbaren Informationspflichten: Dabei führt der Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie, umgesetzt in § 5a Abs. 4 UWG, bestimmte spezialgesetzliche Informationspflichten einer Sanktionierung zu, soweit diese einen europäischen Ursprung haben. Der Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie, umgesetzt in § 5a Abs. 3 UWG, stellt standardisierte Kriterien auf, die Gegenstand einer Informationspflicht sind. Diese finden sich fast deckungsgleich für Informationspflichten in anderen europäischen Rechtsakten wieder, so etwa in Artikel 6 Verbraucherrechte-Richtlinie, die im Jahr 2011 die Fernabsatz-Richtlinie und andere verbraucherschützende Richtlinien abgelöst und vereinheitlicht hat. Schließlich stellt Artikel 7 Abs. 1 UGPRichtlinie, umgesetzt in § 5a Abs. 2 UWG, unter dem Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit Kriterien auf, die ein Sachverhalt aufweisen muss, damit eine Informationspflicht besteht. Damit wird für eine bestimmte Anzahl von Basisinformationen festgelegt, dass der Verbraucher diese für eine informierte Entscheidung benötigt.173 Damit kommt es zu einer einheitlichen europäischen Überformung der Informationspflichten.

II. Denationalisierung des Informationsmodells im Lauterkeitsrecht Neben der Europäisierung bewirkt die UGP-Richtlinie zugleich eine Denationalisierung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells. Es besteht also ein 173

Siehe hierzu auch Erwägungsgrund 14 UGP-Richtlinie.

C. Europäisierung und Denationalisierung

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Verbot für die Mitgliedstaaten, durch ihr nationales Lauterkeitsrecht Verstöße gegen Informationspflichten zu sanktionieren, es sei denn es handelt sich um europäisch harmonisierte Transparenzgebote. 1. Vollharmonisierung und Vorrang der UGP-Richtlinie Gesetzestechnisch ergibt sich die Denationalisierung der nationalen Lauterkeitsrechte aus dem der UGP-Richtlinie zu Grunde liegenden Prinzip der Vollharmonisierung. Daraus erfolgen ein Vorrang sowie eine Sperrwirkung der UGPRichtlinie. Das Verbot strengerer mitgliedstaatlicher Vorschriften ergibt sich im Gegenschluss aus Artikel 3 Abs. 5 UGP-Richtlinie, der ausschließlich während einer im Sommer 2013 abgelaufenen Übergangsfrist von sechs Jahren, den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen die Beibehaltung strengerer Vorschriften gestattete. An diesem Verbot ändert sich auch nicht dadurch etwas, dass solche strengere Vorschriften ein höheres Verbraucherschutzniveau anstreben würden.174 2. Der Anwendungsbereich als Grenze der Sperrwirkung Die Vorrangs- und Sperrwirkung der UGP-Richtlinie besteht nur innerhalb ihres Anwendungsbereiches, der von Artikel 3 UGP-Richtlinie umgrenzt wird. Nach ihrem Artikel 3 Abs. 1 gilt die UGP-Richtlinie nur für Geschäftspraktiken im Verhältnis zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Dies bedeutet, dass im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern die Mitgliedstaaten lauterkeitsrechtliche Sanktionen in Bezug auf Verstöße gegen Informationspflichten treffen dürfen. In Hinblick auf die Informationslast für Unternehmen mag es zwar begrüßenswert sein, dass die von der UGP-Richtlinie neu geschaffenen Informationspflichten nicht im unternehmerischen Geschäftsverkehr gelten. Allerdings tritt hier damit auch nicht die haircut-Wirkung in Bezug auf nationale Informationspflichten, deren Einhaltung ebenfalls belasten kann. Die UGP-Richtlinie lässt nach ihrem Artikel 3 Abs. 3 außerdem nationale und europäische Vorschriften unberührt, die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten regeln. Eine Ausnahme vom Prinzip der Vollharmonisierung besteht zudem laut Artikel 3 Abs. 9 UGP-Richtlinie für den Bereich von Finanzdienstleistungen und für Immobilien; in diesen Gebieten dürfen die Mitgliedstaaten strengere Regelungen erlassen, da das Prinzip der Mindestangleichung Anwendung findet.175 174 EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949, Rn. 52. 175 Die Etablierung eines Ausnahmebereiches für Finanzdienstleistungen lässt sich damit erklären, dass in diesem Bereich spezialisierte Regelungen für notwendig erachtet werden. In Finanzmärkten spielen Informationen und ihre technologische Verarbeitung durch Intermediäre im Vergleich zu anderen Märkten eine noch weitaus komplexere Rolle. Siehe hierzu bereits frühzeitig Weinhardt, Financial Engineering und Informationstechnologie, 1995.

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Der Artikel 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie räumt außerdem spezielleren europäischen Lauterkeitsregelungen den Vorrang ein. Schließlich gelten nach Artikel 3 Abs. 8 UGP-Richtlinie bestimmte Einschränkungen in Bezug auf reglementierte Berufe. 3. EuGH-Rechtsprechung zur Europäisierung und Denationalisierung durch die UGP-Richtlinie Zur Europäisierung und Denationalisierung durch die UGP-Richtlinie hat sich in relativ kurzer Zeit eine umfangreiche Rechtsprechung durch den EuGH herausgebildet. Dies trifft vor allem für die Sperrwirkung zu, also für die Denationalisierung der nationalen Lauterkeitsrechte. Darin zeigt sich, dass die Mitgliedstaaten – wenn man von einem allgemeinen Rechtsbefolgungswillen ausgeht – die Reichweite dieses Aspektes stark unterschätzt haben. Die Sperrwirkung gilt gegenüber nationalen Verboten aller Strategien, die Geschäftspraktiken im Sinne der UGP-Richtlinie darstellen. Verstöße gegen das Transparenzgebot beziehungsweise gegen Informationspflichten stellen eine Untergruppe solcher Geschäftspraktiken dar. Die vom EuGH in Bezug auf andere Geschäftspraktiken entwickelten Grundsätze zur Reichweite der Sperrwirkung gelten also auch für das Transparenzgebot und das Informationsmodell. Der EuGH hatte in mehreren Fällen darüber zu entscheiden, ob Mitgliedstaaten auf bestimmte Geschäftsstrategien ihr nationales Lauterkeitsrecht anwenden dürfen.176 Dabei zeigt sich im Fallrecht des EuGH eine Tendenz, den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie weit auszulegen. Dadurch soll den Regelungen der UGPRichtlinie eine möglichst große Wirksamkeit eingeräumt werden. Dies hat zwei Effekte in Bezug auf das Informationsmodell: Zum einen wird die einheitliche lauterkeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen europäisch fundierte Informationspflichten ausgeweitet. Zum anderen führt ein weiter Anwendungsbereich auch zu einer Erweiterung der Sperrwirkung. Dadurch wird für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung von Verstößen gegen rein mitgliedstaatliche Informationspflichten eingeschränkt. Die Wirkungen einer Denationalisierung und Europäisierung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells werden also stärker zur Geltung gebracht. Der Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie und ihre Sperrwirkung werden wesentlich durch die Ausrichtung auf den Verbraucherschutz, durch den Begriff der Geschäftspraxis sowie durch die Ausnahmebereiche bestimmt.

176 Eine Darstellung der EuGH-Fälle zu diesem Themenbereich mit Bezug auf das deutsche Lauterkeitsrecht findet sich unten, siehe § 2 C. III. 4.

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a) Sperrwirkung gegenüber strengeren nationalen Informationspflichten Die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie untersagt es den Mitgliedstaaten, strengere nationale Informationspflichten lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren. Das belgische Gesetz zur Umsetzung der UGP-Richtlinie sah bei Preisangaben gegenüber der UGP-Richtlinie strengere Maßstäbe vor. Der EuGH rügte dies in einem Vertragsverletzungsverfahren als Verstoß gegen die durch die UGP-Richtlinie angestrebte Vollharmonisierung.177 b) Sperrwirkung gegenüber fehlenden oder milderen nationalen Regelungen Die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie untersagt es Mitgliedstaaten auch, mildere oder keine Sanktionen für eine Wettbewerbsstrategie vorzusehen, wenn es sich dabei um eine Geschäftspraktik handelt, also um eine mit dem Warenabsatz zusammenhängende Verhaltensweise.178 Das belgische Gesetz zur Anwendung der UGP-Richtlinie hatte Heilgymnasten, Zahnärzte und Freiberufler vom Anwendungsbereich ausgenommen. Diese Ausnahmen sind in der UGP-Richtlinie nicht vorgesehen. Daher erkannte der EuGH in diesen nationalen Ausnahmen im Rahmen Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 258 AEUV einen Verstoß gegen die UGP-Richtlinie.179 Der EuGH hielt zudem fest, dass es dem Erfolg des Vertragsverletzungsverfahrens nicht entgegenstand, dass zwischenzeitlich das belgische Verfassungsgericht die Regelungen ohnehin für verfassungswidrig erklärt hatte.180 Interne Umstände der Rechtsordnung eines Mitgliedstaates und insbesondere eine bloße etwaige nationale Rechtsprechung zur Auslegung nationaler Vorschriften können – so der EuGH – gerade im Bereich des Verbraucherschutzes nicht die für eine Richtlinienumsetzung notwendige Klarheit, Bestimmtheit und Rechtssicherheit bieten.181

177

EuGH, Rs. C-421/12, Kommission/Belgien, Rn. 54 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). Der EuGH stellte zudem fest, dass sich auch aus der Übergangsregelung des Artikel 3 Abs. 5 UGP-Richtlinie nichts anderes ergebe. 178 Eine ausführliche Diskussion des Begriffs der Geschäftspraktik findet sich oben siehe § 2 B. II. 2. 179 EuGH, Rs. C-421/12, Kommission/Belgien, Rn. 42 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 180 EuGH, Rs. C-421/12, Kommission/Belgien, Rn. 43 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 181 EuGH, Rs. C-421/12, Kommission/Belgien, Rn. 43 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht); siehe bereits EuGH, Rs. C-144/99, Kommission/Niederlande, Slg. 2001 I03541, Rn. 21.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

c) Sperrwirkung gegenüber strengeren nationalen Regelungen Strengere nationale lauterkeitsrechtliche Regelungen stehen nach dem Konzept der UGP-Richtlinie im Widerspruch zum Binnenmarkt. Ein belgisches Gesetz sah Verbote für bestimmte Verkäufe im Wandergewerbe vor. Solche Verbote waren in der UGP-Richtlinie nicht vorgesehen. Der EuGH sah in der belgischen Regelung einen Verstoß gegen Artikel 4 der UGP-Richtlinie.182 Diese Vorschrift untersagt es den Mitgliedstaaten, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr aus Gründen, die mit den durch diese Richtlinie angeglichenen Bereichen zusammenhängen, einzuschränken. Der EuGH fügte in dem Fall hinzu, dass die Beibehaltung der gegenüber der UGPRichtlinie strengeren Vorschriften auch nicht durch die Übergangsvorschrift des Artikel 3 Abs. 5 UGP-Richtlinie gedeckt sei, da die belgischen Vorschriften erst nach der UGP-Richtlinie in Kraft getreten waren.183 Die vom EuGH gewählte Begründung verdeutlicht, dass nationale Eigenarten des Lauterkeitsrechts und damit auch nationale Unterschiede beim Transparenzgebot als Hindernis im Binnenmarkt zu betrachten sind. d) Sperrwirkung gegenüber nationalen per se-Verboten In der verbundenen Rechtssache „VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/ Sanoma Magazines Belgium NV“184 erklärte der EuGH unter Berufung auf die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie eine mitgliedstaatliche Vorschrift für europarechtswidrig. Das Vorlageverfahren hatte eine belgische Vorschrift zum Gegenstand, die – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – Koppelungsangebote gegenüber Verbrauchern unabhängig von den spezifischen Umständen des konkreten Falles untersagte. Es handelte sich also um per se-Verbote. Bei einem Koppelungsgeschäft wird der Erwerb eines Produktes von dem gleichzeitigen Erwerb eines weiteren Produktes abhängig gemacht. Im deutschen Recht waren Koppelungsangebote beim gemeinsamen Erwerb von Mobiltelefonen zusammen mit einem Mobilfunkvertrag Gegenstand des Lauterkeitsrechts.185 Die belgische Vorschrift stand – so das Ergebnis des EuGH – inhaltlich im Widerspruch zur UGP-Richtlinie und durfte daher nicht angewendet werden.186 Die UGP-Richtlinie enthält nämlich – so der Hinweis des 182

EuGH, Rs. C-421/12, Kommission/Belgien, Rn. 71 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 183 EuGH, Rs. C-421/12, Kommission/Belgien, Rn. 74 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 184 Verbundene Rechtssachen EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949. 185 Eine Diskussion des Koppelungsverbotes als Gegenstand der deutschen lauterkeitsrechtlichen Irreführungsregelungen findet sich unten, siehe § 3 B. 186 Verbundene Rechtssachen EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949, Rn. 68.

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EuGH187 – in Anhang I eine Liste von 31 Geschäftspraktiken, die ohne eine weitere Prüfung des Einzelfalles als unlauter eingestuft werden. Dabei handelt es sich um so genannte per se-Verbote. Diese Liste ist nach Erwägungsgrund 17 der UGPRichtlinie abschließend. Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie über diese Liste hinausgehend keine Geschäftspraktiken festlegen dürfen, für die ohne eine Einzelfallabwägung eine Vermutung der Rechtswidrigkeit eintritt.188 Die belgische Koppelungsvorschrift war mangels einer Abwägungsmöglichkeit daher strenger als die UGP-Richtlinie und stand im Widerspruch zum abschließenden Charakter der Liste mit per se-Verstößen.189 Die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie gilt nicht nur für das in Artikel 7 UGPRichtlinie geregelte Verbot der Irreführung durch Unterlassen, sondern für die gesamte Richtlinie. Dennoch besteht bei Regelungen zur Koppelung ein Bezug zum lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell. In der deutschen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt die lauterkeitsrechtliche Beurteilung von Koppelungsgeschäften nämlich beispielsweise davon ab, ob der Kunde bezüglich des Inhalts und des Wertes der einzelnen Bestandteile des Angebotes irregeführt wird. Es muss also diesbezüglich eine hinreichende Aufklärung erfolgen. Für einen solchen Sachverhalt dürfte der mitgliedstaatliche Gesetzgeber im Lauterkeitsrecht also ebenfalls kein per se-Verbot vorsehen. e) Sperrwirkung bereits bei gemischter Zwecksetzung Der Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie ist gemäß Artikel 3 Abs. 1 UGPRichtlinie auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern beschränkt. Dabei bezweckt die UGP-Richtlinie nach ihrem Erwägungsgrund 6 Satz 1 einen Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher im Geschäftsverkehr zwischen Verbrauchern und Unternehmen. Nur insoweit entfaltet die UGP-Richtlinie ihre Sperrwirkung gegenüber abweichenden nationalen Vorschriften. Mitbewerber, also etwa rechtmäßig handelnde Unternehmen, werden grundsätzlich nicht beziehungsweise lediglich mittelbar geschützt.190 Wenn nämlich das Lauterkeitsrecht zum Schutz eines Verbrauchers eingreift, werden mittelbar zugleich diejenigen Unternehmen geschützt, die sich rechtskonform verhalten. Sie sollen wegen ihres rechtskonformen Verhaltens keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Unternehmen haben, das gegen das Lauterkeitsrecht verstößt, indem es sich etwa die Kosten für eine Information der Verbraucher spart. 187 Verbundene Rechtssachen EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949, Rn. 56. 188 Verbundene Rechtssachen EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949, Rn. 59. 189 Verbundene Rechtssachen EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949, Rn. 63. 190 Siehe auch Erwägungsgrund 8 der UGP-Richtlinie.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

In der Rechtsprechung des EuGH haben die Zwecksetzung des Verbraucherschutzes und damit die Sperrwirkung eine weite Auslegung erfahren. So greift die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie bereits dann ein, wenn der Verbraucherschutz lediglich eines von mehreren Zielen einer Regelung darstellt oder wenn der Verbraucherschutz nur ein untergeordnetes Ziel ist. Das Vorlageverfahren „Mediaprint“191 hatte vor dem EuGH eine österreichische Vorschrift zum Gegenstand, die ein Verbot von Zugaben vorsah. Ein solches Verbot ist in der UGP-Richtlinie nicht vorgesehen und könnte daher im Widerspruch zur Sperrwirkung der UGP-Richtlinie stehen. Das österreichische Zugabenverbot sollte neben dem Verbraucherschutz auch der Sicherung der Medienvielfalt und dem Schutz der schwächeren Mitbewerber dienen.192 Die Vorschrift verfolgte also eine gemischte Zwecksetzung. In dem Vorlageverfahren ging es um die Frage, ob die UGP-Richtlinie der Anwendung der gegenüber der UGP-Richtlinie strengeren österreichischen Vorschrift entgegensteht. Der EuGH entschied, dass die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie einer mitgliedstaatlichen Vorschrift bereits dann entgegensteht, wenn die nationale Vorschrift neben anderen Zielen zumindest auch dem Verbraucherschutz dient.193 Eine gemischte Zwecksetzung war also ausreichend. Dabei äußerte der EuGH sogar, dass die Anwendung der von der UGP-Richtlinie abweichenden nationalen Vorschrift selbst dann zu unterbleiben habe, wenn sie im Wesentlichen der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt in Österreich diene.194 Der EuGH sah daher den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie als eröffnet an und erklärte die dem Verfahren zu Grunde liegende österreichische Vorschrift für europarechtswidrig.195 Sie durfte daher nicht angewendet werden. Selbst in Bezug auf die anderen mit der österreichischen Vorschrift verfolgten Zwecke der Medienfreiheit und des Mitbewerberschutzes durfte also keine Sanktionierung durch das österreichische Lauterkeitsrecht erfolgen. Der Fall zeigt, wie durch die UGP-Richtlinie ein haircut und damit eine Vereinheitlichung in Bezug auf die mitgliedstaatlichen Lauterkeitsrechte erfolgt. Die Gestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers wird dabei eingeschränkt. Bezogen auf das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell bedeutet diese weite Auslegung der verbraucherschutzrechtlichen Zwecksetzung, dass der Europäisie-

191

EuGH, Rs. C-540/08, Mediaprint, Slg. 2010 I-10909. In dem Vorlageverfahren „Mediaprint“ wurde zudem diskutiert, ob es zur Anwendbarkeit der UGP-Richtlinie bereits ausreichend ist, wenn der Verbraucherschutz neben anderen Zielen der mitgliedstaatlichen Vorschrift lediglich einen – möglicherweise untergeordneten – Zweck darstellt. Siehe hierzu § 2 C. II. 3. e). 193 EuGH, Rs. C-540/08, Mediaprint, Slg. 2010 I-10909, Rn. 41. 194 EuGH, Rs. C-540/08, Mediaprint, Slg. 2010 I-10909, Rn. 26. 195 EuGH, Rs. C-540/08, Mediaprint, Slg. 2010 I-10909, Rn. 41. 192

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rung und Denationalisierung des Informationsmodells eine breitere Wirkung eingeräumt wird. f) Sperrwirkung bereits bei unmittelbarem Kontakt mit Verbrauchern Eine weite Auslegung des Anwendungsbereiches der UGP-Richtlinie und damit der Sperrwirkung hat der EuGH in der verbundenen Rechtssache „VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV“196 vorgenommen. Der Fall hatte ein bestimmtes mitgliedstaatliches Verbot von Koppelungsgeschäften in Belgien zum Gegenstand. Dieses Verbot war strenger als die Regelungen der UGPRichtlinie.197 Der EuGH hatte zu entscheiden, ob eine Geschäftspraktik vorlag und daher die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie ausgelöst wurde. Eine Geschäftspraktik erfordert nach Artikel 2 d UGP-Richtlinie einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern. Der Fall hatte eine Koppelung des Verkaufs von Kraftfahrzeugtreibstoff mit einem kostenlosen Pannendienst-Service zum Gegenstand. Dies bedeutet, dass die Verbraucher kostenlos einen Pannendienst in Anspruch nehmen konnten, wenn sie Benzin bei einem bestimmten Anbieter kauften. Da bei dieser Koppelung eine ausreichende Transparenz gegeben war und der Pannendienst ohne weitere Kosten für den Konsumenten erfolgte, war in diesem Fall weniger eine Schädigung der Konsumenten zu befürchten; vielmehr waren im Wesentlichen die Wettbewerbsinteressen der Mitbewerber im Markt für Pannendienste sowie im Markt für Kraftstoff betroffen.198 In Anbetracht der Orientierung der UGP-Richtlinie auf Verbraucherinteressen war daher nicht ohne Weiteres klar, ob die UGP-Richtlinie in solch einem Fall eine Sperrwirkung entfaltet. Der EuGH nahm jedoch keine nähere Prüfung vor, ob konkret die Verbraucherinteressen beeinträchtigt wurden. Er hielt es vielmehr bereits für ausreichend, dass die Maßnahme im Rahmen eines unmittelbaren Kontaktes mit Verbrauchern erfolgte. Damit nahm er also eine weite Auslegung des Begriffs der Geschäftspraktik199 und der Verbraucherbezogenheit der UGP-Richtlinie vor. Der EuGH erklärte die belgische Regelung daher wegen Verstoßes gegen das in der UGPRichtlinie verankerte Prinzip der Vollharmonisierung für europarechtswidrig.200 196 Verbundene Rechtssachen EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949. 197 Zur Diskussion dieser Abweichung siehe § 2 C. II. 3. d). 198 So der Hinweis von Glöckner, WRP 2009, 1175, 1177; Glöckner, 41 IIC 2010, 570, 579. 199 Verbundene Rechtssachen EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949, Rn. 49 ff. 200 Verbundene Rechtssachen EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949, Rn. 68.

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Belgien durfte diese Geschäftsstrategie daher nicht durch sein Lauterkeitsrecht sanktionieren. Der EuGH zeigt hier eine Tendenz, den unmittelbaren Kontakt zu Verbrauchern mit Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers gleichzusetzen. Durch das Abstellen auf das Kriterium der Unmittelbarkeit des Kontaktes mit den Verbrauchern entsteht jedoch tendenziell eine Diskrepanz zwischen dem verbraucherbezogenen Schutzzweck der Richtlinie und ihrem Anwendungsbereich.201 Im deutschen Lauterkeitsrecht werden Koppelungsangebote vom Transparenzgebot erfasst.202 Die Konstellation weist daher auch einen unmittelbaren Zusammenhang zum lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell auf. 4. Nationale Informationspflichten als Hindernis im Binnenmarkt und Funktionsgrenzen des Informationsmodells Nationale Informationspflichten werden durch die UGP-Richtlinie also nicht abgeschafft, jedoch wird ihre lauterkeitsrechtliche Sanktionierung unterbunden. Damit wird die Bedeutung von solchen Informationspflichten gemindert, die nicht dem europäisch vereinheitlichten Prototyp entsprechen. In Bezug auf nationale Informationspflichten wird das Informationsmodell auf diese Weise zurückgebaut. Stattdessen werden die einheitlichen europäischen Transparenzgebote eingeführt. Man kann daher in Bezug auf die nationalen Informationspflichten von einem „haircut“ sprechen.203 Insoweit liegt eine konsequente Deregulierung vor.204 Diese Deregulierung bei nationalen Informationspflichten kann man so interpretieren, dass der europäische Gesetzgeber anscheinend die Hypertrophie an unterschiedlichen nationalen Informationspflichten in den Mitgliedstaaten zusehends als Hindernis für den Binnenmarkt wahrgenommen hat. Für Unternehmen wird es schwieriger, grenzüberschreitend tätig zu werden, wenn sie in den Mitgliedstaaten verschiedene Informationsanforderungen erfüllen müssen. Diese gewandelte Wahrnehmung zumindest von nationalen Informationspflichten ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Informationspflichten in der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten einst als Wegbereiter des Binnenmarktes galten und dass Informationsmittel häufig als Allheilmittel des Gesetzgebers angesehen werden. Grundsätzlich stellen Informationspflichten gegenüber dem Verbot eines bestimmten Produktes eine mildere Maßnahme dar. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Aufnahmefähigkeit des Verbrauchers beschränkt ist. Ein 201

So die Analyse von Glöckner, WRP 2009, 1175, 1178; Glöckner, 41 IIC 2010, 570, 581. Koppelungsangebote wurden bereits vom traditionellen deutschen Irreführungsverbot erfasst. Dieses wurde gerade bei Koppelungsangeboten so ausgelegt, dass es an ein Transparenzgebot angenähert wurde. 203 So – bezogen auf die in ihrer Bedeutung nun geminderte – deutsche Preisangabenverordnung Köhler, WRP 2013, 723. 204 So die Interpretation von Podszun, GRUR-Prax 2012, 17. 202

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Übermaß an Informationen kann dazu führen, dass die einzelne Information ihre Wirkung für die Entscheidungsfindung des Verbrauchers nicht mehr erfüllen kann. Die beschränkende Wirkung der UGP-Richtlinie gegenüber nationalen Informationspflichten trägt daher auch der Erkenntnis Rechnung, dass das Informationsmodell funktionelle Grenzen aufweist. 5. Folgen der Denationalisierung für die Sanktionierung von Informationspflichtverstößen Die UGP-Richtlinie ist damit im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern abschließend, und zwar insbesondere für die lauterkeitsrechtliche Sanktionierung von in diesem Verhältnis bestehenden Informationspflichten.205 Dadurch wird das Transparenzgebot zum maßgeblichen lauterkeitsrechtlichen Prüfungsmaßstab für die Unternehmenskommunikation. Bezüglich der lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung von Verstößen gegen mitgliedstaatliche Informationspflichten ergeben sich aus der Denationalisierung beziehungsweise aus der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie innerhalb ihres Anwendungsbereiches folgende Konsequenzen: a) Deckungsgleichheit zwischen mitgliedstaatlicher Informationspflicht und unionsrechtlicher Vorgabe Ist eine mitgliedstaatliche Informationspflicht auf Unionsrecht zurückzuführen, das die kommerzielle Kommunikation regelt, und ist die mitgliedstaatliche Informationspflicht deckungsgleich mit der europäischen Vorgabe, so erfolgt eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung über § 5a Abs. 4 UWG, der europäische Informationspflichten einer lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung zuführt. Soweit die UGP-Richtlinie eingreift, kann auch eine Sanktionierung durch rein mitgliedstaatliches Lauterkeitsrecht erfolgen, insbesondere durch den deutschen Rechtsbruchtatbestand in § 3a UWG.206 Diese Sanktionierung erlangt jedoch keine eigenständige Bedeutung. b) Keine Sanktionierung mitgliedstaatlicher Informationspflichten bei überschießender Umsetzung Wenn eine unionsrechtliche Grundlage für eine mitgliedstaatliche Informationspflicht dem Prinzip der Mindestharmonisierung folgt, so ist es den Mitgliedstaaten europarechtlich gestattet, eine strengere nationale Informationspflicht ein205

Auch die deutschen Gerichte sind zu diesem Ergebnis gekommen. Siehe etwa OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2012, 647, 648 – Stromkennzeichnungsvorschriften. 206 So auch v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 2012, Rn. 782.

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zuführen. Der deutsche Gesetzgeber macht häufig von dieser Möglichkeit einer überschießenden Umsetzung Gebrauch. In diesem Fall greift der § 5a Abs. 4 UWG nicht ein. Gemäß Erwägungsgrund 15 Satz 4 UGP-Richtlinie gelten ausschließlich die durch Unionsrecht vorgeschriebenen Informationen als wesentlich im Sinne von Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie, der in § 5a Abs. 4 UWG umgesetzt wird. Zudem stellt Erwägungsgrund 15 Satz 5 UGPRichtlinie klar, dass bei einer überschießenden Umsetzung einer Informationspflicht in nationales Recht eine Irreführung durch Unterlassen nach der UGP-Richtlinie zu verneinen ist. Wegen der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie darf in diesem Fall auch keine Sanktionierung durch andere Vorschriften des mitgliedstaatlichen Lauterkeitsrechts erfolgen. Daher kann zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Europarecht in dieser Konstellation auch nicht der Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG zur Anwendung gebracht werden.207 Der Verstoß gegen eine solche Informationspflicht bleibt also ohne lauterkeitsrechtliche Sanktionierung. Daher stellt sich für die Mitgliedstaaten künftig die Frage, ob bei Informationspflichten eine überschießende Umsetzung Sinn macht. c) Keine Sanktionierung rein mitgliedstaatlicher Informationspflichten Bei einer rein mitgliedstaatlichen Informationspflicht greift ebenfalls die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie ein. Gemäß Erwägungsgrund 15 Satz 4 UGPRichtlinie gelten ausschließlich die durch Unionsrecht vorgeschriebenen Informationen als wesentlich im Sinne von Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie, der in § 5a Abs. 4 UWG umgesetzt ist. Wie auch im Falle einer nationalen Informationspflicht, die das Produkt einer überschießenden Richtlinienumsetzung darstellt, können in der Situation, die der Informationspflicht zu Grunde liegt, die Kriterien des § 5a Abs. 3 UWG erfüllt sein. Dann wäre die Annahme eines Lauterkeitsrechtsverstoßes möglich, er hätte seinen Grund jedoch nicht in dem Verstoß gegen die Informationspflicht. Wegen des Grundsatzes der abschließenden Harmonisierung in der UGPRichtlinie ist anlässlich eines Verstoßes gegen eine rein mitgliedstaatliche Informationspflicht keine Sanktionierung durch das nationale Lauterkeitsrecht zulässig. Damit entfällt auch eine Anwendung des deutschen Rechtsbruchtatbestandes in § 3a UWG.

207 Zur Diskussion der eingeschränkten Rolle des deutschen Rechtsbruchtatbestandes im Informationsmodell siehe § 2 C. III.

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d) Keine Anwendung der Generalklausel zur Umgehung der Sperrwirkung Die Sperrwirkung der UWG-Richtlinie darf auch nicht durch Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel umgangen werden. Bei einer Informationspflicht mit rein nationalem Charakter kann ein Verstoß gegen die lauterkeitsrechtliche Generalklausel daher nicht mit dem Argument begründet werden, dass dieser Informationspflichtverstoß der fachlichen Sorgfalt widerspreche.208 Ansonsten könnten die Mitgliedstaaten das Ziel der Harmonisierung des Lauterkeitsrechts beliebig unterlaufen und ihre strengeren hergebrachten Konzepte aufrechterhalten.

III. Folgerungen für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell des UWG Auch für das deutsche Recht ergeben sich durch die Denationalisierungs- und Europäisierungswirkung der UGP-Richtlinie tief greifende Veränderungen für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell. 1. Der Rechtsbruchtatbestand als bisherige Zentralnorm des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells Traditionell stellte im deutschen Lauterkeitsrecht der Rechtsbruchtatbestand die zentrale Sanktionsnorm im lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell dar. Der Rechtsbruchtatbestand wurde durch die UWG-Novelle des Jahres 2004 neu in den § 4 Nr. 11 UWG 2004209 eingeführt. Durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 wurde er – mit leichten Modifikationen – in den § 3a UWG 2015210 verschoben. Bei dem Rechtsbruchtatbestand handelt es sich um eine rein nationale Vorschrift; er beruht also nicht auf einer europäischen Richtlinie. Das europäisierte Lauterkeitsrecht kennt keinen Rechtsbruchtatbestand.211

208 Köhler, WRP 2012, 638, 647; OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2012, 647, 650 – Stromkennzeichnungsvorschriften; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 3, Rn. 36; ebenfalls in diese Richtung: Ebert-Weidenfeller, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 4 Nr. 11, Rn. 11.15. 209 Der Wortlaut des § 4 Nr. 11 UWG 2004 war: „Unlauter handelt insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.“. 210 Der Wortlaut von § 3a UWG 2015 ist: „Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmer oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.“. 211 Fezer, WRP 2010, 577, 582.

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Die Vorschrift ermöglicht eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung, wenn ein Unternehmen gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt, die zumindest auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten zu regeln. Dabei besteht das Ziel der Vorschrift nicht darin, generell Gesetzesverstöße zu erfassen.212 Vielmehr muss die verletzte Norm ein Marktverhalten in dem Sinne regeln, dass sie eine sekundäre Schutzfunktion zugunsten des Wettbewerbs entfaltet.213 Informationspflichten regeln das Marktverhalten. Daher ist bei einem Verstoß gegen Informationspflichten grundsätzlich der Rechtsbruchtatbestand als Sanktionsgrundlage einschlägig. Er bildete daher vor Umsetzung der UGP-Richtlinie die Zentralnorm des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells. Mit dem lauterkeitsrechtlichen Rechtsbruchtatbestand konnte eine Sanktionierung von Informationspflichtverstößen unabhängig davon erfolgen, ob es sich um rein nationale Informationspflichten handelte oder um solche mit europäischer Grundlage. Nach der Einführung eines allgemeinen Transparenzgebots in das UWG und vor allem mit dem vollen Wirksamwerden der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie im Sommer 2013 hat sich dies grundlegend verändert: Der deutsche Rechtsbruchtatbestand hat – im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie – seine Rolle als Zentralnorm des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells eingebüßt und an das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG verloren. Das unionsrechtliche Prinzip der Vollharmonisierung zwingt dazu, den deutschen Rechtsbruchtatbestand im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie richtlinienkonform auszulegen.214 Ein Verstoß gegen mitgliedstaatliche Informationspflichten kann eine Unlauterkeit nach dem deutschen Rechtsbruchtatbestand ausschließlich dann begründen, wenn die Informationspflichten eine deckungsgleiche Grundlage im Unionsrecht haben215 oder wenn der § 5a Abs. 2 – 5 UWG die fragliche Konstellation anderweitig erfasst. Das Lauterkeitsrecht darf also keine von der UGP-Richtlinie abweichende Sanktionierung vorsehen. Ein Verstoß gegen eine rein mitgliedstaatliche Informationspflicht bleibt damit lauterkeitsrechtlich ohne Sanktion. Im Anwendungsbereich der UGPRichtlinie hat der Rechtsbruchtatbestand daher keine eigenständige Rolle mehr bei der Sanktionierung von Verstößen gegen Informationspflichten und für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell. Lediglich außerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie – etwa im Rechtsverkehr zwischen Unternehmen – kann der Rechtsbruchtatbestand weiterhin unbeschränkt zur Sanktionierung von Informationspflichten angewendet werden. 212

Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 19. 213 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 19. 214 Ebert-Weidenfeller, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 4 Nr. 11, Rn. 11.1. 215 BGH GRUR 2010, 852, Rn. 15 – Gallardo Spyder; BGH GRUR 2009, 1180, Rn. 24 – 0,00 Grundgebühr; Ebert-Weidenfeller, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 4 Nr. 11, Rn. 11.15.

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Unberührt von der UGP-Richtlinie bleiben also Marktverhaltensregeln, die nicht zumindest auch dem Schutz der Verbraucher dienen.216 Wurde innerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie dennoch erfolgreich ein Unterlassungstitel erwirkt – etwa basierend auf dem Rechtsbruchtatbestand – so ist dagegen eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO möglich.217 Bei Vorliegen einer entsprechenden Unterlassungserklärung kommt eine Anwendung der Regelung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB in Frage.218 2. Rechtsprechung zur Einwirkung der UPG-Richtlinie auf das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell in Deutschland Die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs und der Obergerichte hat bei der lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung von Informationsverstößen die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie zutreffend erkannt: a) Keine Sanktionierung von überschießenden nationalen Informationsanforderungen der PAngV In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall „0,00 Grundgebühr“219 hatte ein Anbieter von Telefondienstleistungen zwar die Grundgebühr und die variablen Kosten angegeben, jedoch weiter anfallende Kosten wie etwa die Anschlussgebühr lediglich in sehr kleiner Schrift angegeben. Der BGH bejahte einen Verstoß gegen die deutsche Preisangabenverordnung, also gegen § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 6 Satz 2 PAngV. Er nahm daher eine Haftung nach dem damaligen lauterkeitsrechtlichen Rechtsbruchtatbestand in § 4 Nr. 11 UWG 2004 an.220 Dabei konstatierte der BGH jedoch ausdrücklich, dass eine Sanktionierung durch § 4 Nr. 11 UWG 2004 nur möglich sei, wenn die verletzte Informationspflicht – also die konkrete Vorschrift in der Preisangabenverordnung – ihre Grundlage im Unionsrecht habe. Das Gericht stellte fest, dass die genannten Vorschriften der Preisangabenverordnung deckungsgleich mit den europäischen Informationspflichten in Artikel 1 und 2 a), Artikel 3 Abs. 1 sowie in Artikel 4 Abs. 1 Preisangaben-Richtlinie 98/6/EG221 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise sind. Der BGH sah außerdem 216 von Walter, Rechtsbruch als unlauteres Marktverhalten, 2007, S. 182; Alexander, WRP 2012, 660, 665. 217 Köhler, WRP 2013, 723, Rn. 57. 218 Köhler, WRP 2013, 723, Rn. 57. 219 BGH GRUR 2009, 1180 – 0,00 Grundgebühr. 220 BGH GRUR 2009, 1180, Rn. 22, 27 – 0,00 Grundgebühr. 221 Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, ABl. L 80 vom 18. 3. 1998, S. 27 – 31.

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in der schwer lesbaren Angabe ein Vorenthalten von Informationen im Sinne von § 5a Abs. 2, 4 UWG.222 Damit wurde auch klargestellt, dass das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG nicht auf das reine Unterlassen einer Angabe beschränkt ist, sondern auch unklare und undeutliche Informationen erfasst.223 b) Keine Sanktionierung von überschießenden nationalen Informationsanforderungen des EnWG Ähnlich hat das OLG Frankfurt in dem Fall „Stromkennzeichnungsvorschriften“224 in Bezug auf Stromkennzeichnungspflichten entschieden: Das deutsche Energiewirtschaftsgesetz sieht in § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG gegenüber Letztverbrauchern bestimmte Informationspflichten bei der Rechnungsstellung vor. Dazu zählen Informationen über den Anteil der einzelnen Energieträger (also etwa Kohle, Erdgas, erneuerbare Energien) sowie Informationen über die Umweltauswirkungen sowie über die Durchschnittswerte der Stromerzeugung in Deutschland. Die Informationspflicht zielt darauf ab, dem Letztverbraucher die aktive Teilnahme am Energiemarkt zu ermöglichen.225 Nach den §§ 32, 65 EnWG kann die Regulierungsbehörde Aufsichtsmaßnahmen zur Einhaltung von Vorschriften des EWG treffen. Dadurch wird jedoch eine parallele lauterkeitsrechtliche Sanktionierung für die in Rede stehenden Informationspflichten nicht ausgeschlossen.226 Seit der UWG-Novelle des Jahres 2008 erfasst das Lauterkeitsrecht auch geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, die erst nach Vertragsschluss liegen, soweit ein objektiver Zusammenhang mit Bezug und Absatz von Waren oder Dienstleistungen oder mit Durchführung eines entsprechenden Vertrages besteht. Die nachvertraglichen Informationspflichten des deutschen EnWG stellen daher eine geschäftliche Handlung im Sinne des UWG dar. Zudem fällt die nachvertragliche Erteilung oder Nichterteilung dieser Informationen in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie, da es sich auch um Geschäftspraktiken im Sinne von Artikel 2 d) UGP-Richtlinie handelt. Das OLG Frankfurt stellte fest, dass die Informationspflichten in der deutschen Regelung des EnWG inhaltlich über die Angaben hinausgehen, die nach Artikel 3 Abs. 6 Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 2009/72/EG verpflichtend sind.227 So fordert die deutsche Regelung, dass auf bestimmte Umweltauswirkungen unmit222

BGH GRUR 2009, 1180, Rn. 30 – 0,00 Grundgebühr. Zur Diskussion der Frage, ob das Transparenzgebot über die Fälle eines reinen Unterlassens hinausgeht, siehe § 3 A. III. 224 OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2012, 647 – Stromkennzeichnungsvorschriften. 225 Alexander, WRP 2012, 660, 664. 226 Alexander, WRP 2012, 660, 664. 227 OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2012, 647, 648 – Stromkennzeichnungsvorschriften; ebenso Alexander, WRP 2012, 660, 666. 223

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telbar in dem Werbeflyer hinzuweisen ist, während nach der Richtlinie etwa ein Verweis auf eine Internetseite ausreichend ist. Ebenso ist eine Angabe der Durchschnittswerte der Stromerzeugung in dem Mitgliedstaat nach der europäischen Richtlinie nicht erforderlich; dies wird jedoch vom deutschen Gesetz gefordert. Die deutschen Informationspflichten sind damit inhaltlich strenger als die Richtlinie für den Elektrizitätsbinnenmarkt 2009/72/EG.228 Das OLG Frankfurt konstatierte, dass wegen der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie eine europarechtskonforme Auslegung des deutschen UWG notwendig sei.229 Eine Sanktionierung in Bezug auf nationale Informationspflichten, die über die europäischen Vorgaben hinausgehen, sei daher ausgeschlossen. Das OLG Frankfurt verneinte daher eine Anwendbarkeit des deutschen Rechtsbruchtatbestandes im damaligen § 4 Nr. 11 UWG 2004, da dessen Anwendung in diesem Fall nicht mit europäischem Recht vereinbar sei.230 c) Beschränkung der Sanktionierung auf den Umfang der europäischen Vorgaben bei der Emissionskennzeichnung Im Fall „Gallardo Spyder“231 ging es vor dem BGH um die Frage, ob in der Werbung für ein Lamborghini-Kraftfahrzeug ausreichende Angaben über Kraftstoffverbrauch sowie über Kohlendioxid-Emissionen gemacht wurden. Der BGH stellte einen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten in § 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 PKW-EnVKV fest und konstatierte sodann, dass diese Verpflichtungen deckungsgleich sind mit denjenigen der europäischen Vorgabe in Artikel 1 Kraftstoffverbrauch-Richtlinie 1999/94/EG232 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen zum Kraftstoffverbrauch und zu Kohlendioxid-Emissionen.233 Das Gericht bejahte einen Verstoß und stützte seine Entscheidung sowohl auf den damaligen deutschen Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG 2004234 als auch auf einen Verstoß gegen das europäisierte Transparenzgebot in § 5a Abs. 2, 4 UWG.235

228

Richtlinie 2009/72/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG, ABl. L 211/55 vom 14. 8. 2009. 229 OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2012, 647, 648 – Stromkennzeichnungsvorschriften. 230 OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2012, 647, 649 – Stromkennzeichnungsvorschriften. 231 BGH GRUR 2010, 852 – Gallardo Spyder. 232 Richtlinie 1999/94/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen, ABl. L 12/16 vom 18. 01. 2000. 233 BGH GRUR 2010, 852, Rn. 16 – Gallardo Spyder. 234 BGH GRUR 2010, 852, Rn. 12 ff. – Gallardo Spyder. 235 BGH GRUR 2010, 852, Rn. 21 – Gallardo Spyder.

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3. Beschränkungen bei der Durchsetzung der deutschen Preisangabenverordnung (PAngV) Der Vorrang der UGP-Richtlinie führte insbesondere in Bezug auf die deutsche Preisangabenverordnung zu Spannungen. Wegen der Sperrwirkung der UGPRichtlinie durften nach Ablauf der Übergangsfrist der UGP-Richtlinie im Sommer 2013 einige rein nationale Anforderungen für die Angabe von Preisen nicht mehr durch das deutsche Lauterkeitsrecht sanktioniert werden. Vor Ablauf der Umlauffrist ergab sich bei einem Verstoß gegen die Preisangabenverordnung regelmäßig eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung aus dem Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG 2004. Wegen der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie ist dies nun nur noch möglich, wenn und soweit die deutsche Preisangabepflicht einer unionsrechtlichen Vorgabe entspricht. Die deutsche Preisangabenverordnung diente ursprünglich der Umsetzung von gleich fünf europäischen Richtlinien, die Kriterien für die Angabe von Preisen enthalten. Vier dieser Richtlinien folgten dem Prinzip der Mindestharmonisierung. Dabei handelt es sich um die Pauschalreisen-Richtlinie 90/314/EWG236, die Preisangaben-Richtlinie 98/6/EG, die Dienstleistungs-Richtlinie237 2006/123/EG238 sowie die Fernabsatz-Richtlinie 97/7239. Letztere wurde mittlerweile durch die durch die Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU240 ersetzt, die dem Prinzip der Vollharmonisierung folgt. Zudem wurde in der deutschen Preisangabenverordnung die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 2000/31/EG umgesetzt, die ebenfalls keine Mindestangleichungsklausel erhält. Soweit die in der Preisangabenverordnung umgesetzten europäischen Richtlinien dem Prinzip der Mindestangleichung folgen, durfte der deutsche Gesetzgeber 236 Richtlinie 90/314/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 6. 1990 über Pauschalreisen, ABl. EG Nr. L 158/59 vom 23. 6. 1990. 237 Die Dienstleistungs-Richtlinie wird nicht im Anhang II der UGP-Richtlinie als unionsrechtliche Regelung zur kommerziellen Kommunikation genannt. Dies hängt damit zusammen, dass der Erlass der Dienstleistungs-Richtlinie zeitlich nach dem Erlass der UGP-Richtlinie lag. Die Liste in Anhang II der UGP-Richtlinie ist jedoch nicht abschließend und insbesondere offen in Hinblick auf unionsrechtliche Unionspflichten, die später als die UGP-Richtlinie erlassen wurden. 238 Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376/36 vom 27. 12. 2006. 239 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz – Erklärung des Rates und des Parlaments zu Artikel 6 Absatz 1 – Erklärung der Kommission zu Artikel 3, Absatz 1, erster Gedankenstrich, ABl. L 144 vom 04. 06. 1997, S. 19 – 27. 240 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22. 11. 2011, S. 64 – 88.

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strengere Regelungen bezüglich der Angabe der Preise vorsehen. Der deutsche Gesetzgeber hatte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und erließ in der deutschen Preisangabenverordnung mehrfach Regelungen zur Preisangabe, die keine Entsprechung in den zu Grunde liegenden unionsrechtlichen Richtlinien hatten und zugleich eine Verschärfung darstellen:241 Beispielsweise verlangt § 1 Abs. 6 Satz 3 PAngV 2012 eine Hervorhebung des Endpreises. Diese Pflicht fand keine Entsprechung in Artikel 4 PreisangabenRichtlinie 98/6/EG.242 Dieser fordert lediglich, dass die Preisangabe unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar ist. Diese unionsrechtliche Anforderung kann auch erfüllt sein, wenn der Preis nicht ausdrücklich hervorgehoben ist, wie es die deutsche Regelung erfordert. Eine ähnliche Konstellation besteht in Hinblick auf § 2 Abs. 1 PAngV; dieser verlangt, dass der Grundpreis in „unmittelbarer Nähe“ zum Endpreis angegeben wird. Eine „unmittelbare Nähe“ liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann vor, wenn beide Preisangaben mit einem Blick wahrnehmbar sind.243 Damit liegt in der deutschen Preisangabenverordnung eine strengere Umsetzung gegenüber Artikel 4 Preisangaben-Richtlinie 98/6/EG. vor. Dieser etabliert lediglich eine generelle Pflicht zur Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit. Die Angabe muss zudem wiederum unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar erfolgen. Dieses Erfordernis könnte auch erfüllt sein, wenn die Angaben nicht bereits mit nur einem Blick wahrnehmbar sind. In beiden Fällen sind die strengeren deutschen Informationsanforderungen ausschließlich durch die Mindestanpassungsklausel der Richtlinien gedeckt, nicht jedoch durch die unionsrechtliche Vorgabe selber. Für eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung greift daher § 5a Abs. 4 UWG – beziehungsweise die unionsrechtliche Vorgabe in Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie – nicht ein. Auch eine lauterkeitsrechtliche Ahndung nach § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG – beziehungsweise nach der unionsrechtlichen Vorgabe in Artikel 7 Abs. 4 c) UGP-Richtlinie – entfällt. Gegenüber der dort geregelten allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Preisangabepflicht ist die deutsche Preisangabenverordnung in den beiden genannten Beispielen nämlich ebenfalls strenger. Schließlich greift auch nicht § 5a Abs. 2 UWG beziehungsweise dessen unionsrechtliche Vorgabe in Artikel 7 Abs. 1 UWG ein. Zwar ist es nach § 5a Abs. 2 UWG beziehungsweise nach Artikel 7 Abs. 2 UGP-Richtlinie einem Vorenthalten gleichgestellt, wenn die Angabe unklar, unverständlich oder zweideutig erfolgt; jedoch ist die deutsche Preisangabenverordnung in den genannten Beispielen strenger. 241

Einen ausführlichen Abgleich der Regelungen in der PAngV mit den verschiedenen europäischen Vorgaben findet sich bei Köhler, WRP 2013, 723, Rn. 30 ff. Siehe auch die Beispiele bei Omsels, WRP 2013, 1286, Rn. 17 ff. 242 Köhler, WRP 2013, 723, Rn. 47; LG Hamburg GRUR-Prax 2012, 18. 243 Köhler, WRP 2013, 723, Rn. 46; BGH GRUR 2009, 982 – Dr. Clauder’s Hufpflege.

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Wegen der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie muss daher in diesen Fällen auch eine Sanktionierung durch den Rechtsbruchtatbestand in § 3a UWG244 entfallen. Ein Verstoß gegen die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie kann durch eine Nichtanwendung dieser Vorschrift vermieden werden.245 4. Rechtsprechung des EuGH zum lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell des UWG Die Rechtsprechung des EuGH mit Bezug zum lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell des UWG hatte die Reichweite der Europäisierung zum Gegenstand. a) Keine Sperrwirkung bei Fehlen einer Geschäftspraktik In dem „Good News II“246 vor dem deutschen Bundesgerichtshof ging es um die Frage, ob das Prinzip der Vollharmonisierung der UGP-Richtlinie einer Anwendung des damaligen deutschen Rechtsbruchtatbestandes in § 4 Nr. 11 UWG 2004247 in einem presserechtlichen Fall wegen der fehlenden Kennzeichnung einer Anzeige entgegensteht. In dem Fall hatte eine Zeitschrift einen Presseartikel veröffentlicht und dafür eine Bezahlung von einem Dritten erhalten. Eine wegen der Bezahlung durch einen Dritten erforderliche Kennzeichnung des Artikels nach § 10 LPresseG BW war jedoch nicht erfolgt. Da es in dem Fall um eine Kennzeichnungsvorschrift geht, weist er auch einen unmittelbaren Bezug zum Informationsmodell auf. Auf Vorlage durch den Bundesgerichtshof hatte der Generalanwalt Wathelet248 – unter dem Fallnamen „RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH“ – zunächst eine Anwendbarkeit und damit eine Sperrwirkung der UGPRichtlinie befürwortet. Der Generalanwalt stellte fest, dass die presserechtliche Vorschrift dem vorlegenden Bundesgerichtshof zufolge neben der Erhaltung der Objektivität und der Neutralität der Presse zumindest auch dem Verbraucherschutz diene.249 Dies wäre grundsätzlich ausreichend, um die Sperrwirkung der UGPRichtlinie auszulösen. Von der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie nicht erfasst seien 244 Vor der UWG-Novelle des Jahres 2015 war der Rechtsbruch in § 4 Nr. 11 UWG 2004 geregelt. 245 Siehe aber auch die Hinweise von Omsels, WRP 2013, 1286, Rn. 20, 23. Dieser weist darauf hin, dass die bloße Nichtanwendung des deutschen Rechtsbruchtatbestandes in bestimmten Konstellationen nicht geeignet ist, um eine Europarechtswidrigkeit zu vermeiden. 246 Die nach Vorlage an den EuGH abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofs in diesem Fall findet sich in BGH WRP 2014, 1058 – Good News II. 247 Der Rechtsbruchtatbestand im deutschen Lauterkeitsrecht findet sich seit der UWGNovelle des Jahres 2015 in § 3a UWG. 248 GA, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 25 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 249 GA, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 30 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht).

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nämlich nur solche nationale Regelungen, die ausschließlich andere Zwecke als den Verbraucherschutz verfolgen. Hingegen greife die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie ein, wenn die dem Sachverhalt zu Grunde liegende nationale Vorschrift zumindest auch auf einen Schutz der Verbraucher abzielt.250 Der EuGH251 sah hingegen in diesem Fall – „RLvS Verlagsgesellschaft mbH/ Stuttgarter Wochenblatt GmbH“ – den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie im Ergebnis als nicht eröffnet an. Unabhängig von der Frage der verbraucherschutzrechtlichen Zwecksetzung der dem Fall zu Grunde liegenden mitgliedstaatlichen Vorschrift prüfte252 und verneinte der EuGH das Vorliegen einer Geschäftspraktik im Sinne von Artikel 2 d) UGP-Richtlinie.253 Der EuGH argumentierte dabei im Wesentlichen damit, dass durch die fehlende Kennzeichnung als Anzeige nicht der Absatz des eigenen Produktes des Presseverlegers – des kostenlosen Anzeigenblattes – gefördert worden sei.254 Um eine Geschäftspraktik im Sinne der UGP-Richtlinie darzustellen, müsste die Verhaltensweise – also die Veröffentlichung der Artikel – nämlich bezüglich des eigenen Produktes – also bezüglich der kostenlosen Zeitschrift – eine unmittelbare Absatzförderung darstellen.255 Vorliegend würden jedoch durch die bezahlten Zeitungsartikel die Produkte von nicht am Verfahren beteiligten Dritten beworben. Unstreitig – so der EuGH – bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der nicht gekennzeichneten Anzeige und der Förderung des Absatzes der (kostenlosen) Zeitschrift des beklagten Presseverlages.256 Es sei auch nicht Aufgabe der UGP-Richtlinie, Mitbewerber des Presseverlages zu schützen,257 die sich an die Gesetze halten. Daher fehle es – so der EuGH – an der Unmittelbarkeit des Zusammenhangs mit der eigenen Absatzförderung gegenüber Verbrauchern.258 Damit war die UGP-Richtlinie mangels einer Geschäftspraktik nicht anwendbar und entfaltete auch keine Sperrwirkung. Mangels Anwendbarkeit der UGP-Richt250 GA, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 33 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 251 EuGH, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 50 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 252 EuGH, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 36 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 253 Eine Diskussion der unterschiedlich weiten Begriffe „Geschäftspraktik“ im Sinne der UGP-Richtlinie und „geschäftliche Handlung “ im Sinne des UWG findet sich oben, siehe § 2 B. II. 1. 254 EuGH, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 39 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 255 EuGH, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 36 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 256 EuGH, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 39, 40 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 257 EuGH, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 42 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 258 EuGH, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH, Rn. 41 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht).

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linie konnte der BGH daher unter dem Fallnamen „Good News II“259 einen Verstoß nach der rein mitgliedstaatlichen Vorschrift § 4 Nr. 11 UWG 2004 bejahen, ohne dass er die Vorgaben beziehungsweise eine Sperrwirkung der UGP-Richtlinie beachten musste. Ein Verstoß gegen den deutschen § 4 Nr. 11 UWG 2004 erfordert das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Der BGH konnte das deutsche Lauterkeitsrecht zur Anwendung bringen, da der deutsche Begriff „geschäftliche Handlung“ weiter ist als der europäische Begriff „Geschäftspraktik“.260 Der Begriff der geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG gilt nämlich auch für Verhaltensweisen gegenüber Unternehmen und sonstigen Marktteilnehmern und für Verhaltensweisen gegenüber Mitbewerbern.261 Daher konnte der Bundesgerichtshof – anders als der EuGH – auf die Interessen der Mitbewerber abstellen. Der Bundesgerichtshof bejahte daher einen Verstoß gegen die §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 in Verbindung mit § 10 LPresseG BW. Damit hat der EuGH zwar den weiten verbraucherschutzbezogenen Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie bestätigt. Jedoch hat er durch die Verlagerung der Diskussion auf den Begriff „Geschäftspraktik“ und durch die gegenüber dem nationalen Recht in Deutschland engere Auslegung dieser Anwendungsvoraussetzung das Prinzip der Vollharmonisierung und die Sperrwirkung abgeschwächt.262 Es ist jedoch zu beachten, dass die Annahme einer fehlenden Förderung des eigenen Absatzes durch die Sonderkonstellation der kostenlosen Abgabe der Zeitschrift bedingt war. b) Anwendbarkeit auf öffentliche Unternehmen Eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie haben der EuGH und der Bundesgerichtshof bei der Auslegung des Unternehmensbegriffs vorgenommen. Der BGH hatte in dem Fall „Irreführende Angaben auf Homepage – Betriebskrankenkasse II“263 darüber zu entscheiden, ob die Irreführungsvorschriften des deutschen UWG auch gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse anwendbar sind. Die gesetzliche Krankenkasse hatte auf ihrer Homepage falsche und unvollständige Informationen über angebliche nachteilige Rechtsfolgen gegeben, die angeblich eintreten würden, wenn ein Mitglied die Krankenkasse wechselt. Der Fall hatte also unmittelbar eine Kommunikation gegenüber Verbrauchern zum Gegenstand. Die Anwendbarkeit des – europäisch durch die UGP-Richtlinie harmonisierten – deut259 260 261 262 263

II.

BGH WRP 2014, 1058 – Good News II. BGH WRP 2014, 1058, Rn. 13 ff. – Good News II. BGH WRP 2014, 1058, Rn. 13 – Good News II. In diese Richtung auch die Einschätzung von Hamacher, GRUR-Prax 2014, 365, 366. BGH MMR 2014, 815 – Irreführende Angaben auf Homepage – Betriebskrankenkasse

C. Europäisierung und Denationalisierung

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schen Lauterkeitsrechts hing davon ab, ob eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG vorliegt. Dazu müsste die gesetzliche Krankenkasse trotz ihrer Tätigkeit im Allgemeininteresse als Gewerbetreibender beziehungsweise als Unternehmen einzustufen sein. Der BGH legte diese Rechtsfrage dem EuGH vor. In dem Vorlageverfahren unter dem Namen „BKK Mobil Oil“264 stellte der EuGH fest, dass auch gesetzliche Krankenkassen als Gewerbetreibende im Sinne der UGPRichtlinie zu behandeln sind und damit in den persönlichen Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie fallen. Der EuGH konstatierte, dass der Begriff des Gewerbetreibenden in der UGP-Richtlinie besonders weit konzipiert sei und dass dies der Erzielung eines hohen Verbraucherschutzniveaus diene.265 Die Verbraucherschutzfunktion der UGP-Richtlinie müsse daher gerade dann zum Tragen kommen, wenn sich der Verbraucher in der unterlegenen Position des wirtschaftlich Schwächeren und Unerfahrenen befinde, was gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse der Fall sei.266 Der Charakter als Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit der im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, stünde daher einer Qualifikation als Unternehmen im Sinne der UGP-Richtlinie nicht entgegen.267 Auf Grund einer auf die UGP-Richtlinie gestützten weiten Auslegung des Begriffs der geschäftlichen Handlung kam in diesem Fall daher das europäisierte Lauterkeitsrecht zur Anwendung. Der BGH kam zum Ergebnis, dass in der unzutreffenden Information auf der Internetseite der gesetzlichen Krankenkasse ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht vorlag.268 Der Fall stellt zugleich ein Beispiel dafür dar, dass ein unternehmerisches Verhalten, das nach Vertragsschluss liegt, von dem lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell erfasst wird.269 Zudem erinnert der Fall daran, dass das mitgliedstaatliche Lauterkeitsrecht keine Ausnahmebereiche vorsehen darf, die in der UGP-Richtlinie nicht vorgesehen sind.

264

EuGH, Rs. C-59/12, BKK Mobil Oil (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). EuGH, Rs. C-59/12, BKK Mobil Oil, Rn. 32, 34 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 266 EuGH, Rs. C-59/12, BKK Mobil Oil, Rn. 35, 37 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 267 EuGH, Rs. C-59/12, BKK Mobil Oil, Rn. 52 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 268 Der BGH stützte seine Entscheidung im konkreten auf das Verbot der Irreführung durch aktives Tun in § 5 UWG. Für eine Anwendung von § 5 UWG ist gleichermaßen wie für § 5a UWG Voraussetzung, dass eine geschäftliche Handlung vorliegt. Ist dies der Fall, dann gelangen die genannten europäisch harmonisierten lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zur Anwendung. 269 Zur Ausweitung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells auf nachvertragliche Sachverhalte durch Einführung des Begriffs der geschäftlichen Handlung siehe § 2 B. II. 3. 265

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

IV. Das Vertragsrecht und das Informationsmodell Die Denationalisierung und die Europäisierung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells haben auch Einfluss auf das Verhältnis zum vertragsrechtlichen Informationsmodell. Im Vertragsrecht spielen Informations- und Aufklärungspflichten ebenfalls eine herausgehobene Rolle. Da die UGP-Richtlinie das Vertragsrecht Mitgliedstaaten ausdrücklich unberührt lässt, besteht zwischen dem lauterkeitsrechtlichen und dem vertraglichen Informationsmodell zunächst eine Asymmetrie (siehe unten 1. und 2.). Jedoch ist hier durch Änderungen im Vertragsrecht auf europäischer Ebene eine Annäherung zu beobachten (siehe unten 3.). 1. Asymmetrie bei nationalen Informationspflichten Die UGP-Richtlinie gilt nach ihrem Erwägungsgrund 15 Satz 2 und Satz 6 nicht in Bezug auf das Vertragsrecht. Auch Artikel 3 Abs. UGP-Richtlinie hält ausdrücklich fest, dass die UGP-Richtlinie das Vertragsrecht und insbesondere mitgliedstaatliche Bestimmungen über die Wirksamkeit und das Zustandekommen von Verträgen unberührt lässt. Die Mitgliedstaaten können daher in Bezug auf das Vertragsrecht für Verstöße gegen nationale Informationspflichten, die strenger als europäische Vorgaben sind, zivilrechtliche Sanktionen vorsehen. Voraussetzung ist lediglich, dass solche strengeren mitgliedstaatlichen Regelungen des Zivilrechts auf Grund von Mindestharmonisierungsklauseln in anderen europäischen Rechtsakten als der UGPRichtlinie zulässig sind. Strengere mitgliedstaatliche Informationspflichten können daher durch das mitgliedstaatliche Vertragsrecht sanktioniert werden, nicht aber durch das Lauterkeitsrecht. Bezogen auf das Informationsmodell ergibt sich daher zunächst eine Asymmetrie zwischen dem Vertrags- und dem Lauterkeitsrecht. 2. Beispiele für Abweichungen der Informationsmodelle im Lauterkeits- und Vertragsrecht Nach Inkrafttreten der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie zeigte sich an mehreren Beispielen, dass Verstöße gegen nationale Informationspflichten durch das Lauterkeitsrecht nicht mehr sanktioniert werden konnten, während gleichzeitig eine vertragsrechtliche Durchsetzung dieser Pflichten weiterhin möglich war. a) Asymmetrie bei Verstößen gegen die Pflicht zur Widerrufsbelehrung Die Asymmetrie zwischen dem vertragsrechtlichen und dem lauterkeitsrechtlichen Informationsmodell lässt sich etwa am – alten – Fernabsatzrecht verdeutlichen:

C. Europäisierung und Denationalisierung

85

Dieses war bis Juni 2014 in Kraft270, während die UGP-Richtlinie bis Juni 2007 in nationales Recht umgesetzt werden musste271 und die Übergangsfrist für bestimmte strengere mitgliedstaatliche Regelungen des Lauterkeitsrechts im Sommer 2013 abgelaufen war. Das Fernabsatzrecht war als vertragsrechtliche Regelung in Bezug auf seine vertragsrechtlichen Rechtsfolgen von der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie ausgenommen, so dass insoweit keine Pflicht zur Änderung der Regelungen bestanden hatte. Die alte Fernabsatz-Richtlinie 97/7/EG folgte nach ihrem Artikel 14 dem Prinzip der Mindestangleichung und gestattete es den Mitgliedstaaten, strengere Vorschriften einzuführen, die ein höheres Verbraucherschutzniveau darstellen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit einer überschießenden Umsetzung an mehreren Stellen Gebrauch gemacht.272 So sah etwa Artikel 6 Abs. 1 Fernabsatz-Richtlinie 97/7/EG bei Fernabsatzverträgen eine Widerrufsfrist von mindestens 7 Werktagen vor. Demgegenüber gewährte die deutsche Regelung in den §§ 312d, 355 Abs. 2 BGB alte Fassung eine Widerrufsfrist von 14 Tagen. Der Artikel 246 § 1 Nr. 10 EGBGB erfordert Hinweise auf das Bestehen eines Widerrufsrechts sowie auf die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung. Im gegenüber der Fernabsatz-Richtlinie strengeren deutschen Recht waren die Einführung einer zweiwöchigen Widerrufsfrist und das Erfordernis des Hinweises darauf im Zeitpunkt ihrer Einführung ausschließlich durch die Mindestanpassungsklausel der Fernabsatz-Richtlinie gedeckt. Bei einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung konnte daher wegen der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie keine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung erfolgen. Der Anhang II der UGP-Richtlinie benennt die Informationspflichten der Artikel 4 und 5 Fernabsatz-Richtlinie 97/7/EG als europäische Regelung über kommerzielle Kommunikation. Damit wäre also grundsätzlich § 5 Abs. 4 UWG anwendbar. Dieser greift nicht ein, da die überschießende Umsetzung ins deutsche Recht inhaltlich von der europäischen Vorgabe abweicht. Auch der § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG ist nicht anwendbar, da er lediglich eine Information bezüglich des Bestehens eines Widerrufsrechts fordert. Demgegenüber war die deutsche Regelung inhaltlich strenger, weil die Bedingungen der Ausübung angegeben werden mussten. Eine Anwendung des Rechtsbruchtatbestandes des § 3a UWG273 war damit aus europarechtlichen Gründen unzulässig. 270 Das Fernabsatzrecht wurde zum Zwecke der Umsetzung der VerbraucherrechteRichtlinie grundlegend überarbeitet. Siehe Gesetz zur Umsetzung der VerbraucherrechteRichtlinie, Bundesgesetzblatt 2013 Teil I Nr. 58, S. 3642 – 3670. 271 Zur Umsetzungsfrist siehe Artikel 19 UGP-Richtlinie. 272 Siehe auch Ebert-Weidenfeller, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 4 Nr. 11, Rn. 11.17. 273 Bis zur UWG-Novelle des Jahres 2015 war der Rechtsbruchtatbestand in § 4 Nr. 11 UWG geregelt.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

b) Asymmetrie bei Verstößen gegen die Pflicht zur Identitätsangabe Während damit also eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung ausgeschlossen war, konnten die Mitgliedstaaten hingegen weiterhin eine vertragsrechtliche Sanktion für Verstöße gegen die Belehrungspflicht vorsehen. Damit konnte das Informationsmodell also über das Vertragsrecht durchgesetzt werden, nicht jedoch über das Lauterkeitsrecht. Darin lag eine Asymmetrie. Eine ähnliche Konstellation bestand bezüglich des fernabsatzrechtlichen Erfordernisses der Identitätsangabe durch den Verkäufer: Der Artikel 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB in der alten Fassung des Jahres 2013274 forderte vom Unternehmer dabei neben der Identitätsangabe auch die Angabe seiner Registereintragung. Hingegen war die unionsrechtliche Vorgabe in Artikel 4 Abs. 1 a) Fernabsatz-Richtlinie weniger streng, indem sie lediglich eine Information über die Identität des Verkäufers und im Falle einer Vorauszahlung seine Anschrift verlangte.275 Bei einem Verstoß gegen die strengere deutsche Regelung war hier wiederum eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung nach § 5a Abs. 4 UWG und auch nach dem Rechtsbruchtatbestand im heutigen § 3a UWG ausgeschlossen. Dennoch war es den Mitgliedstaaten unbenommen, eine vertragsrechtliche Sanktionierung vorzusehen. c) Asymmetrie bei fehlender Übergabe eines reiserechtlichen Sicherungsscheines Ein weiteres Beispiel für eine Asymmetrie in der Durchsetzung zwischen dem lauterkeitsrechtlichen und dem vertragsrechtlichen Informationsmodell ergab sich aus der Pauschalreisen-Richtlinie: Der Artikel 7 Pauschalreisen-Richtlinie 90/314/EWG verpflichtet den Reiseveranstalter oder Reisevermittler, bei einer Insolvenz die Rückreise des Verbrauchers sicherzustellen sowie gezahlte Beträge zu erstatten. Der § 651 k Abs. 1, 3 BGB in Verbindung mit dem alten § 9 Abs. 3 BGB-InfoV aus dem Jahr 2011 sah als besondere Formbestimmung die Übergabe eines Sicherungsscheines an den Reisenden vor. Dieser Sicherungsschein hat deklaratorische Wirkung und war in der insoweit milderen europäischen Regelung nicht vorgesehen. Nach Artikel 8 PauschalreiseRichtlinie sind strengere mitgliedstaatliche Regelungen zulässig. Der § 5 Abs. 4 UWG griff nicht ein, da die deutsche Regelung strenger war als die unionsrechtliche Vorgabe. Bei einer fehlenden Vorlage des Sicherungsscheines war daher wegen der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie der Rechtsbruchtatbestand in § 4

274

In der Fassung aus dem Jahre 2014 sieht das EGBGB das Erfordernis der Angabe der Registereintragung nicht mehr vor. Es ist lediglich die Identität anzugeben. 275 Ebert-Weidenfeller, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 4 Nr. 11, Rn. 11.17.

C. Europäisierung und Denationalisierung

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Nr. 11 UWG 2004 nicht mehr anwendbar.276 Die überschießende Umsetzung in der strengeren deutschen Regelung lief also ins Leere. 3. Die Annäherung der Informationsmodelle im Lauterkeits- und Vertragsrecht Durch die Einführung des Prinzips der Vollharmonisierung wurde eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung für rein nationale Informationspflichten unterbunden, während eine vertragliche Sanktionierung weiterhin möglich ist. Diese Asymmetrie wird jedoch zusehends reduziert. So sind auch von der Seite des Vertragsrechts Schritte zu einer europäischen Vereinheitlichung der Informationspflichten erkennbar: Bei neuen Richtlinien zur europäischen Harmonisierung des Vertragsrechts ist zusehends ein Übergang zum Prinzip der Vollharmonisierung zu beobachten. Dies bedeutet, dass auch im Vertragsrecht eine Europäisierung und Vereinheitlichung der Informationspflichten erfolgt. Darin wird zudem deutlich, dass unterschiedliche nationale Informationspflichten auch aus der Perspektive des Vertragsrechts zusehends als Hindernis für den Binnenmarkt und für grenzüberschreitende Verbrauchergeschäfte wahrgenommen wurden. So wurde beispielsweise die Fernabsatz-Richtlinie 97/7/EG durch die Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher (Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/ 83/EU) aufgehoben und ersetzt. Nach ihrem Artikel 4 folgt die VerbraucherrechteRichtlinie 2011/83/EU dem Prinzip der Vollharmonisierung und untersagt es den Mitgliedstaaten, strengere oder weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus einzuführen oder beizubehalten. Im Anwendungsbereich der Verbraucherrechte-Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten also keine strengeren Informationspflichten einführen. In Deutschland trat die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie am 13. Juni 2014 in Kraft. Die deutschen Informationspflichten in den §§ 312 ff. BGB enthalten nun keine überschießende Umsetzung mehr und wurden dabei an die neuen europäischen Vorgaben angepasst. Damit ist also auch hier eine Denationalisierung und Europäisierung eingetreten. Somit ist aber bei einem Verstoß gegen die vertragsrechtlichen Aufklärungspflichten der §§ 312 ff. BGB eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung nach § 5a Abs. 4 UWG zulässig. Daher konnte aus europäischer Perspektive ein Gleichlauf der Informationsmodelle im Lauterkeits- und Vertragsrecht erreicht werden. Eine solche Tendenz ergibt sich auch aus einem weiteren Aspekt: Die Kriterien zum Bestehen einer Informationspflicht in § 5a Abs. 3 UWG beziehungsweise in Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie sind nahezu deckungsgleich mit den Kriterien für 276 Ebert-Weidenfeller, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 4 Nr. 11, Rn. 11.17.

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§ 2 Bausteine des europäischen Informationsmodells im Lauterkeitsrecht

Informationspflichten im europäisierten Vertragsrecht. Dies zeigt sich etwa in einem Vergleich des Artikel 246 EGBGB mit § 5a Abs. 3 UWG: Die Aufzählung von Faktoren, über die informiert werden muss, ist in beiden Vorschriften nahezu wortgleich. Dadurch wird die Einschätzung bestätigt, dass durch § 5a Abs. 3 UWG ein Prototyp für eine europäische Informationspflicht geschaffen wurde. Bezüglich der Denationalisierung und Europäisierung des Informationsmodells ist daher im Ergebnis zusehends eine Parallelität im Lauterkeits- und Vertragsrecht zu beobachten.

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots und Gegenüberstellung mit dem Wahrheitsgebot Unter der Überschrift „Irreführung durch Unterlassen“ sind in § 5a Abs. 2 – 5 UWG echte lauterkeitsrechtliche Informationspflichten in Gestalt eines Transparenzgebots geregelt (siehe unten A.). Demgegenüber enthält – unter derselben gesetzlichen Überschrift – § 5a Abs. 1 UWG das Verbot einer traditionellen Irreführung durch Unterlassen in Gestalt eines Wahrheitsgebotes (siehe unten B.).

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG als Transparenzgebot Der § 5a UWG bildet einen Beispielstatbestand für die Unlauterkeit im Sinne von § 3 UWG. Bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern agiert nach § 5a Abs. 2 UWG unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.1

I. Dogmatische Grundlagen des § 5a Abs. 2 UWG Für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern stellt die Unterlassungsregelung in § 5a Abs. 2 – 5 UWG gegenüber der Regelung des positiven Tuns eine dogmatisch eigenständige Verbrauchergeneralklausel dar (siehe unten 1.). Demgegenüber besteht für den unternehmerischen Geschäftsverkehr eine solche dogmatische Dichotomie zwischen Tun und Unterlassen nicht (siehe unten 2.). 1. Die Verbrauchergeneralklausel in § 5a Abs. 2 UWG Der § 5a Abs. 2 UWG stellt eine Umsetzung von Artikel 7 Abs. 1 und 2 der UGPRichtlinie dar und ist ebenso wie die europarechtliche Vorgabe auf das Verhältnis zu Verbrauchern beschränkt. Es handelt sich für den Bereich der Irreführungen durch 1 So der Wortlaut des § 5a Abs. 2 UWG in der Fassung, die er durch die UWG-Novelle aus dem Jahre 2015 erhalten hat.

90

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Unterlassen – ähnlich wie bei § 3 Abs. 2 UWG im allgemeinen Lauterkeitsrecht – um eine kleine Verbrauchergeneralklausel, die in § 5a Abs. 3 und 4 UWG jeweils spezielle Ausformungen erfährt. Dabei bildet für den Verbraucherbereich die Unterlassungsregelung in § 5a Abs. 2 UWG gegenüber der Irreführung durch positives Tun nach § 5 UWG einen separaten Grundtatbestand, der einen eigenständigen dogmatischen Charakter aufweist.2 Der § 5 UWG findet zudem über den Verbraucherbereich hinaus Anwendung. Die Regelung der beiden Begehungsformen in getrennten Normen dokumentiert auch äußerlich, dass ihnen – im Bereich der Verbrauchergeschäfte – dogmatisch unterschiedliche Konzepte zu Grunde liegen: Bei dem verbraucherrechtlichen Unterlassungstatbestand in § 5a Abs. 2 – 5 UWG handelt es sich um ein Transparenzgebot, und es kommt nicht darauf an, ob eine konkrete Fehlvorstellung eintritt. Vielmehr etabliert § 5a Abs. 2 – 5 UWG echte lauterkeitsrechtliche Informationspflichten sowie eine Art gesetzliche Vermutung, dass eine Informationspflichtverletzung zu einer Fehlvorstellung führt.3 Hingegen entspricht die Begehungsform durch positives Tun im Verbraucherbereich dem klassischen Irreführungsverbot, und es muss eine konkrete Fehlvorstellung konstatiert werden. 2. Keine Dichotomie im unternehmerischen Geschäftsverkehr Demgegenüber besteht im Bereich des unternehmerischen Geschäftsverkehrs diese dogmatische Dichotomie zwischen den Begehungsformen nicht. Sowohl bei positivem Tun als auch bei einem Unterlassen folgt das Gesetz dem klassischen Konzept des Irreführungsverbotes, und es erfordert eine konkrete Fehlvorstellung. Lauterkeitsrechtliche Informationspflichten werden nicht begründet. Konsequenterweise fehlt daher für den unternehmerischen Geschäftsverkehr ein eigenständiger Grundtatbestand für die Irreführung in der Begehungsform des Unterlassens. Die Unterlassungsregelung des § 5a Abs. 1 UWG, die – auch – auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr Anwendung findet, knüpft in einfacher Form an § 5 UWG an, indem § 5a Abs. 1 UWG klarstellt, dass das Tatbestandsmerkmal der Irreführung aus § 5 UWG „insbesondere“ auch in der Handlungsmodalität des Unterlassens erfüllt werden kann.4 Dabei zeigt sich auch im Wortlaut, dass § 5a Abs. 1 UWG dogmatisch lediglich einen Unterfall des § 5 UWG darstellt. Im kaufmännischen Bereich ist die Regelung des Irreführungsverbotes in unterschiedlichen Normen – differenziert nach der Begehungsform – nicht durch dogmatische Gründe gerechtfertigt. § 5a Abs. 1 UWG gehört eigentlich zu § 5 UWG. Allein die Tatsache, dass § 5a Abs. 1 UWG auch – wenngleich hilfsweise – im Verbraucherbereich Anwendung findet, mag ausschlaggebend für die redaktionelle Gestaltung der Vorschriften gewesen sein. 2

Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 168. Peifer, WRP 2008, 556, 559; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 5; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5. 4 So Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 6. 3

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Im Unterlassungsbereich ist § 5a Abs. 2 UWG – gemäß seinem Charakter als Verbrauchergeneralklausel – vorrangig vor § 5a Abs. 1 zu prüfen, da das Merkmal des Entstehens einer Fehlvorstellung hier vermutet wird und es diesbezüglich keiner gesonderten Prüfung bedarf.

II. Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern § 5a Abs. 2 UWG – wie auch seine speziellen Ausformungen in den Absätzen 3 und 4 – gelangt ausweislich des Wortlauts der Vorschrift ausschließlich im Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern zur Anwendung, also im sogenannten B2CVerkehr. Dies entspricht der Vorgabe der UGP-Richtlinie. 1. Die Schaffung eines Sonderwettbewerbsrechts für Verbraucher Für den Bereich von lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten hat der deutsche Gesetzgeber damit im UWG ein Sonderwettbewerbsrecht für Verbraucher geschaffen. Damit wendet er sich von dem im deutschen Lauterkeitsrecht lange verfolgten Grundsatz der Einheitlichkeit des Lauterkeitsrechts insoweit ab.5 Nach diesem Prinzip sollen im Rechtsverkehr gegenüber Verbrauchern und gegenüber Unternehmern grundsätzlich einheitliche Regeln und Rechtsbegriffe zur Anwendung gelangen. Es findet seinen Niederschlag in der Schutzzwecktrias des § 1 Satz 1 UWG, nach der das Lauterkeitsrecht gleichermaßen den Schutz von Mitbewerbern6, Verbrauchern und von sonstigen – also auch von unternehmerischen – Marktteilnehmern bezweckt. a) Grundsätzliche Zulässigkeit einer überschießenden Richtlinienumsetzung Die Begrenzung des deutschen § 5a Abs. 2 UWG auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern ergibt sich jedoch nicht zwingend aus der europarechtlichen Vorgabe der auf den Schutz von Verbrauchern beschränken UGP-Richtlinie. Vielmehr hätte es – unter europarechtlichen Gesichtspunkten – dem deutschen Gesetzgeber freigestanden, eine überschießende Richtlinienumsetzung dergestalt vorzunehmen, dass die deutschen Regelungen zur Irreführung durch Unterlassen sowohl gegenüber Verbrauchern als auch gegenüber Unternehmern zur Anwendung gelangen. Im Bereich der Irreführung durch aktives Tun hat sich der deutsche Gesetzgeber für eine überschießende Richtlinienumsetzung entschieden. Der 5

Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 92; Fezer, WRP 2006, 781, 784. Zur Rolle des Mitbewerberschutzes im europäisierten Lauterkeitsrecht siehe etwa Beater, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009, S. 207; kritisch gegenüber einer Zurückdrängung des Mitbewerberschutzes Fezer, WRP 2006, 781, 784; Hoeren, WRP 2009, 789, 790. 6

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

§ 5 UWG, der eine Umsetzung von Artikel 6 UGP-Richtlinie darstellt, ist nämlich – anders als die UGP-Richtlinie – auf den Geschäftsverkehr sowohl gegenüber Verbrauchern als auch gegenüber Unternehmern anwendbar. aa) Folgen einer überschießenden Richtlinienumsetzung In einem solchen Fall liegt eine überschießende Umsetzung einer europäischen Richtlinie in der Fallgruppe einer Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereiches der Vorschriften vor.7 Solche doppelfunktionalen Vorschriften im mitgliedstaatlichen Recht werden als hybride Rechtsnorm bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine nationalstaatliche Vorschrift, die zum einen der Umsetzung einer europäischen Richtlinie dient, gleichzeitig jedoch auf Grund der autonomen Willensentscheidung des nationalen Gesetzgebers einen Sachverhalt regelt, der von der Richtlinienvorgabe nicht umfasst ist.8 Dieser Doppelcharakter der Rechtsnorm mündet in methodisch komplexe und zugleich praktisch höchst relevante Fragestellungen wie etwa diejenige, ob auch im überschießenden Anwendungsbereich der Norm – also in Fällen, die allein durch die mitgliedstaatliche Vorschrift, nicht jedoch durch die europäische Richtlinie geregelt werden – eine europarechtskonforme und damit einheitliche Auslegung des Gesetzes zu erfolgen hat.9 Kommen Gesichtspunkte zum Tragen, die eine differenzierte Auslegung rechtfertigen, so spricht man demgegenüber von einer gespaltenen Auslegung. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob in Bezug auf den überschießenden Anwendungsbereich einer Norm eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof möglich oder gar verpflichtend ist.10

7 Allgemein zur überschießenden Umsetzung Drexl, in: Lorenz et al. (Hrsg.), FS Heldrich, 2005, S. 67; Habersack/Mayer, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2010, § 15. 8 So die Definition von Drexl, in: Lorenz et al. (Hrsg.), FS Heldrich, 2005, S. 67, 68. 9 Eingehender zu diesem Fragenkreis siehe Drexl, in: Lorenz et al. (Hrsg.), FS Heldrich, 2005, S. 67, 69, 70, 83 – 85, der in Hinblick auf eine mögliche Schwächung des Europarechts durch eine gespaltene Auslegung auf den effet utile-Grundsatz sowie auf die Pflicht aus Artikel 4 (3) EUV verweist, Maßnahmen zu unterlassen, welche die Ziele der Union gefährden könnten. Jedoch kämen im überschießenden Bereich einer Norm über den Grundsatz der teleologischen Auslegung auch Gesichtspunkte zum Tragen, die zu einem differenzierenden Auslegungsergebnis führen. Habersack/Mayer, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2010, § 15, Rn. 23 – 48 verneinen eine aus Europarecht – unmittelbar oder mittelbar – abgeleitete Pflicht zur einheitlichen Auslegung sowie auch eine solche Pflicht aus nationalem Recht. Jedoch ergebe sich im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung das Erfordernis einer richtlinienorientierten Auslegung, wobei eine generelle Vermutung für eine einheitliche Auslegung identischer Normen spreche. 10 Eine eingehendere Diskussion findet sich bei Drexl, in: Lorenz et al. (Hrsg.), FS Heldrich, 2005, S. 67, 78; Habersack/Mayer, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2010, § 15, Rn. 52 ff.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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bb) Überschießende Richtlinienumsetzung und inhaltliche Übererfüllung Von der überschießenden Umsetzung einer Richtlinie ist – in Hinblick auf den unterschiedlich großen Handlungsspielraum des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers – die inhaltliche Übererfüllung im Sinne einer Veränderung der Schutzstandards zu unterscheiden: Während bei der überschießenden Umsetzung einer Richtlinie das nationale Recht Sachverhalte erfasst, die außerhalb des persönlichen oder sachlichen Anwendungsbereiches der Richtlinie liegen, geht bei einer Übererfüllung der nationale Gesetzgeber über den Regelungsplan der Richtlinie inhaltlich hinaus, ohne dabei im nationalen Recht einen gegenüber der Richtlinie in sachlicher oder persönlicher Hinsicht weiteren Anwendungsbereich zu schaffen.11 Innerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie werden strengere Rechtsfolgen etabliert. Die inhaltliche Übererfüllung ist europarechtlich nur dann zulässig, wenn der entsprechende Sachverhalt von der Richtlinie nicht abschließend – also nicht im Wege einer Vollharmonisierung – geregelt wird. Basiert eine Richtlinie hingegen auf dem Prinzip der Mindestangleichung, so ist eine inhaltliche Übererfüllung der Richtlinie durch strengere nationale Regelungen ohne Weiteres zulässig. cc) Die UGP-Richtlinie und überschießende Umsetzung Die UGP-Richtlinie etabliert den Grundsatz der Vollharmonisierung.12 Daher wäre innerhalb des Anwendungsbereiches der UGP-Richtlinie eine inhaltliche Übererfüllung bei der Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht europarechtlich nicht zulässig. Jedoch verbietet der Grundsatz der Vollharmonisierung in der UGP-Richtlinie es den Mitgliedstaaten lediglich, eine über die Vorgaben der Richtlinie inhaltliche hinausgehende Umsetzung dergestalt vorzunehmen, dass innerhalb des Regelungsbereiches der UGP-Richtlinie strengere mitgliedstaatliche Vorschriften erlassen werden. In diesem Fall läge eine – unzulässige – inhaltliche Übererfüllung vor. Hingegen wäre eine personelle Ausweitung des Anwendungsbereiches der deutschen Vorschriften auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr europarechtlich zulässig, ohne dass dies einen Verstoß gegen das Prinzip der Vollharmonisierung darstellt. Die Beschränkung des Anwendungsbereiches der UGPRichtlinie auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern gilt nämlich auch in Bezug auf die Reichweite der Sperrwirkung, die aus dem Prinzip der Vollharmonisierung folgt. Diese Argumentation entspricht auch dem Grundsatz der Subsidiarität. Für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern sowie für das Verhältnis zu Mitbewerbern steht daher den Mitgliedstaaten eine Gestaltungsfreiheit zu, die auch die Möglichkeit umfasst, für das Verhältnis von Unternehmern denselben

11

Habersack/Mayer, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2010, § 15, Rn. 14, 20 mit weiteren Nachweisen zum Schrifttum. 12 Siehe etwa Keßler, WRP 2007, 714, 716; differenzierend Sosnitza, WRP 2006, 1. Der Autor diskutiert Abweichungen von dieser Grundstruktur der UGP-Richtlinie.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

wettbewerbsrechtlichen Standard einzuführen wie für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern. Auch Erwägungsgrund 6 der UGP-Richtlinie stützt diese Schlussfolgerung. Darin wird klargestellt, dass auch im Verhältnis zu Mitbewerbern und zu Unternehmern Schädigungen des Wettbewerbes eintreten können und dass diesbezügliche mitgliedstaatliche Vorschriften durch die UGP-Richtlinie unberührt bleiben. Daher können in diesem Bereich gleichfalls neue mitgliedstaatliche Vorschriften eingeführt werden, auch wenn diese inhaltlich mit der Richtlinie übereinstimmen.13 Bei der Irreführung durch aktives Tun in § 5 UWG hat der deutsche Gesetzgeber – anders als im Unterlassungsbereich bei § 5a Abs. 2 – 5 UWG – diesen Weg einer überschießenden Richtlinienumsetzung gewählt. b) Rechtspolitische Erwägungen bei einer überschießenden Richtlinienumsetzung Für eine solche Vorgehensweise der überschießenden Richtlinienumsetzung durch den nationalen Gesetzgeber kann zum einen sprechen, dass der Gesetzgeber es als rechtspolitisch sinnvoll erachtet, für einen von der Richtlinie nicht erfassten Bereich Regelungen zu schaffen, die mit denen einer Richtlinie inhaltsgleich sind. Ferner können auch Erwägungen der Rechtsetzungstechnik und der effizienten Rechtsanwendung für eine überschießende Richtlinienumsetzung ins Feld geführt werden: Die Schaffung eines Sonderrechts für Verbraucher kann zu einer Aufspaltung von Rechtsbegriffen führen, wenn gleichlautende Tatbestandsmerkmale unterschiedlich ausgelegt werden müssen, je nachdem, ob ein Verbraucher oder ein Unternehmer beteiligt ist. Dabei kann die Rechtsklarheit beeinträchtigt und die Rechtsanwendung erschwert werden. Dadurch kann zudem das europarechtliche Harmonisierungsziel konterkariert werden.14 So hat der deutsche Gesetzgeber auch in anderen Bereichen wie etwa dem Verbrauchsgüterkauf weitgehend davon abgesehen, ein Sonderprivatrecht zu schaffen. Dort hat er Regelungskonzepte der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die nur für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern verpflichtende Vorgaben an die Mitgliedstaaten enthalten, in europarechtlich zulässiger Weise und basierend auf einem autonomen nationalen gesetzgeberischen Willen auch für den unternehmerischen Geschäftsverkehr zu Grunde gelegt.15 Hier wollte der deutsche Gesetzgeber vermeiden, dass es beispielsweise einen unterschiedlichen Sachmangelbegriff für Verbraucher und für Unternehmer gibt. Im Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen hat der deutsche Gesetzgeber sich ebenfalls für eine überschießende Umsetzung entschlossen. Während die 13

Siehe hierzu die vertiefende Diskussion von Glöckner, WRP 2009, 1175, 1177. Seichter, WRP 2005, 1087, 1088. 15 Drexl, in: Lorenz et al. (Hrsg.), FS Heldrich, 2005, S. 67, 71; Habersack/Mayer, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2010, § 15, Rn. 7. 14

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen16 nach ihrem Artikel 1 (1) in ihrem Anwendungsbereich auf Verbrauchergeschäfte beschränkt ist, greift im deutschen Recht die Klauselkontrolle nach § 307 BGB auch in Bezug auf Verträge gegenüber Nichtverbrauchern. Dabei ergibt sich zwar aus § 310 BGB eine Absenkung der Kontrolldichte für den unternehmerischen Geschäftsverkehr, jedoch ist durch die europäische Vorgabe für diesen Bereich keinerlei Inhaltskontrolle vorgesehen. Ebenso hat sich im Lauterkeitsrecht der deutsche Gesetzgeber historisch bestrebt gezeigt, die Entstehung eines Sonderwettbewerbsrechts für Verbraucher zu vermeiden, und zum Teil europarechtliche Vorgaben, die auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern beschränkt waren, auch auf den Bereich des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausgedehnt.17 Bereits frühzeitig hat in Deutschland die Beschränkung des Anwendungsbereiches der UGP-Richtlinie auf Verbraucher Kritik erfahren.18 Wenn der deutsche Gesetzgeber im Bereich der echten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten bei der Irreführung durch Unterlassen auf eine überschießende Richtlinienumsetzung verzichtet und dadurch die Schaffung eines Sonderwettbewerbsrechts für Verbraucher in Kauf nimmt, so deutet dies auf rechtspolitische Erwägungen hin, welche die Überlegungen der einheitlichen Rechtsanwendung überlagern und nach Einschätzung des deutschen Gesetzgebers deren Vorteile übertreffen. Gegen eine Erstreckung der wettbewerbsrechtlichen Aufklärungspflichten auf den unternehmerischen Verkehr spricht, dass dadurch eine Belastung des unternehmerischen Verkehrs mit – unter Umständen kostenintensiven – Informationspflichten vermieden wird. Zumindest bei Verkäufen an Unternehmen ergeben sich auf diese Weise keine Informationspflichten aus § 5a Abs. 2 und 3 UWG. Die Gesetzesbegründung fügt dem hinzu, dass die Aufklärungspflichten des § 5a Abs. 2 – 5 UWG in erster Linie dem Verbraucherschutz dienen.19 Durch die Beschränkung auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern sind die echten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten aus § 5a Abs. 2 – 5 UWG enger als viele Produktkennzeichnungspflichten, die oft unabhängig davon zur Anwendung gelangen, ob ein Produkt an gewerbliche oder private Abnehmer verkauft wird.

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Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 095 vom 21. 04. 1993, S. 29. 17 So der allgemeine Hinweis von Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 39. Zur Erweiterung des Begriffs der geschäftlichen Handlung siehe etwa Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 8; Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 9. 18 So der Hinweis von Seichter, WRP 2005, 1087, 1087 mit Nachweisen zum Schrifttum und mit der Anmerkung, dass Deutschland wie auch Österreich bereits bei der Beratung der UGP-Richtlinie im Rat diese Kritik zum Ausdruck gebracht haben. 19 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25; zustimmend Köhler, WRP 2009, 898, 908.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

2. Der Begriff des Verbrauchers und seine europarechtskonforme Auslegung Der persönliche Anwendungsbereich der lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG wird somit durch das Tatbestandsmerkmal des Verbrauchers bestimmt. Nach Artikel 2 a) UGP-Richtlinie ist Verbraucher jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Im deutschen UWG ist zur Ausfüllung des Begriffs des Verbrauchers nach § 2 Abs. 2 UWG die Legaldefinition des § 13 BGB sinngemäß anzuwenden.20 Nach dem ähnlich formulierten § 13 Abs. 1 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. a) Irrelevanz eines tatsächlichen Vertragsschlusses Die Legaldefinition des Begriffs „Verbraucher“ in § 13 BGB erweist sich jedoch für das Unlauterkeitsrecht insoweit als zu eng, als sie an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts anknüpft.21 Dies gilt besonders für die wichtigen Anwendungsbereiche der Produktkennzeichnung, der Werbung und der Information des Käufers im Umfeld des Vertragsschlusses. In rechtspolitischer Hinsicht ist es schwierig zu begründen, warum der lauterkeitsrechtliche Schutz in Bezug auf Produktkennzeichnungen und Werbung davon abhängen soll, ob später tatsächlich ein Vertrag zustande kommt.22 In diesem Fall würde ein präventiver etwa auf Unterlassung zielender lauterkeitsrechtlicher Rechtsschutz von vornherein erheblich eingeschränkt. Die Verbraucherdefinition in § 13 BGB wird selbst in ihrer Anwendung auf das (deutsche) Zivilrecht als zu begrenzt kritisiert:23 Auch der zivilvertragliche Verbraucherschutz beginnt bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses, und auch einige verbrauchervertragliche Vorschriften setzen keinen Abschluss eines Rechtsgeschäfts voraus, wie etwa die unbestellte Zusendung von Waren an Verbraucher nach § 241a BGB. Zudem ist bei der Auslegung des Verbraucherbegriffs in § 2 Abs. 2 UWG zu beachten, dass die Legaldefinitionen des Begriffs des Verbrauchers in Artikel 2 a) UGP-Richtlinie sowie in 20

Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1325; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 94 f.; Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 206. Kritisch: Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 134. § 13 BGB wurde im Jahr 2014 neu gefasst. 21 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 2, Rn. 95; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2 I Rn. 5. 22 Ebenfalls kritisch: Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2 I Rn. 5. 23 Pfeiffer, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, § 13, Rn. 2; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 2014, § 13, Rn. 6.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Artikel 2 e) der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr das tatsächliche Zustandekommen eines Vertrages nicht voraussetzen, um die Verbrauchereigenschaft zu bejahen. Diese Normen stellen lediglich darauf ab, ob das Handeln zu Zwecken erfolgt, die nicht der gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen sind. An diesen Vorgaben hat sich auch eine – richtlinienkonforme – Auslegung des Verbraucherbegriffs zu orientieren. Es handelt sich um einen unionsautonomen Begriff,24 dessen Ausfüllung durch Heranziehung eines mitgliedstaatlichen Rechtsverständnisses sich verbietet. Vielmehr ist – in methodisch umgekehrter Vorgehensweise – der nationale Rechtsbegriff den europarechtlichen Vorgaben nachzubilden, soweit er auf einen harmonisierten Sachverhalt angewandt wird. Die Verbrauchereigenschaft kann daher – zumindest im harmonisierten Bereich des Lauterkeitsrechts – nicht aus dem Grund verneint werden, dass später kein Vertragsschluss zustande gekommen ist.25 In methodischer Hinsicht bietet der Wortlaut des § 2 Abs. 2 UWG auch einen Spielraum für eine gegenüber dem § 13 BGB abweichende – funktionsbezogene – Auslegung des Verbraucherbegriffs. § 2 Abs. 2 UWG ordnet nämlich lediglich eine sinngemäße und nicht eine deckungsgleiche Anwendung der zivilrechtlichen Legaldefinition des Verbrauchers an. b) Zulässigkeit eines weiteren mitgliedstaatlichen Verbraucherbegriffs Der deutsche Verbraucherbegriff in § 2 Abs. 2 UWG in Verbindung mit § 13 BGB ist im Verhältnis zu dem europäischen Begriff der UGP-Richtlinie weiter: § 13 BGB nimmt die berufliche Tätigkeit vom Verbraucherbegriff lediglich insoweit aus, als es sich um eine selbstständige berufliche Tätigkeit handelt. Demgegenüber führt nach Artikel 2 a) UGP-Richtlinie sowie nach Artikel 2 e) der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ein Bezug zu jeglicher – auch unselbstständiger – beruflicher Tätigkeit zu einem Wegfall der Verbrauchereigenschaft. Damit ist unselbstständige berufliche Tätigkeit von dem deutschen Verbraucherbegriff im Sinne von § 13 BGB erfasst, jedoch von dem Begriff der Richtlinie ausgenommen. Wird beispielsweise ein Kaufgegenstand – etwa Arbeitskleidung – zur Verwendung im Rahmen einer arbeitsvertraglichen (also unselbstständigen) Tätigkeit erworben,26 so ist zwar die europäische Richtlinie nicht einschlägig; jedoch gelangt nach der breiteren deutschen Umsetzung dennoch Verbraucherschutzrecht zur Anwendung. Es handelt sich um einen Fall der überschießenden Richtlinienumsetzung.27

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Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2010, § 11, Rn. 4. Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 2, Rn. 206; Fezer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 2 I, Rn. 6. 26 Dieses Beispiel gibt Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 140. 27 Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1325. 25

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Gleichwohl stellt das deutsche UWG eine europarechtskonforme Umsetzung dar,28 da es sich um einen Fall der überschießenden Richtlinienumsetzung handelt: Zwar untersagt die UGP-Richtlinie wegen des Prinzips einer vollständigen Harmonisierung den Mitgliedstaaten die Einführung eines höheren Verbraucherschutzniveaus; jedoch beschränkt sich dieses Verbot auf den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie. Außerhalb des durch den europarechtlichen Verbraucherbegriff abgesteckten Bereiches steht es daher den Mitgliedstaaten frei, den Schutz der Richtlinie auf weitere Personengruppen auszudehnen, indem sie einen weiter gefassten nationalen Begriff des Verbrauchers zu Grunde legen. Auch soweit es sich bei den deutschen UWG-Vorschriften um eine Umsetzung der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung handelt, ist die Zugrundelegung eines gegenüber der europarechtlichen Vorgabe breiteren nationalen Verbraucherbegriffs zulässig. Die Irreführungsrichtlinie verfolgt im Bereich der Irreführung das Konzept einer Mindestharmonisierung und gestattet daher ohne Weiteres eine Einführung höherer Verbraucherschutzstandards.

III. Vorenthalten einer Information Eine Unlauterkeit nach § 5a Abs. 2 UWG erfordert ferner das Vorenthalten einer Information. 1. Information und ihre Bezugspunkte Als Information gilt jede dem Beweis zugängliche Tatsache.29 In Hinblick auf den Bezugspunkt der Information wird von einem Teil der Literatur die Ansicht vertreten, dass – sowohl im Rahmen des Abs. 1 als auch im Rahmen des Absatzes 2 des § 5a UWG – das Irreführungsverbot auf die Liste von Bezugspunkten zu beschränken sei, die in § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG für das Verbot der Irreführung durch aktives Tun gilt.30 Nach dieser Ansicht sollen Informationen – außerhalb des Anwendungsbereiches von § 5a Abs. 3 und 4 UWG – nicht als wesentlich im Sinne von

28 So im Ergebnis auch Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BTDrucks. 16/10145, 2008, S. 12. Eine Abweichung zwischen dem deutschen und dem europäischen Verbraucherbegriff wird hingegen – anders als in der Auflage von 2013 – von Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 2, Rn. 142, verneint. 29 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 57. 30 Diese Ansicht wird – für § 5a Abs. 2 UWG wie auch für § 5a Abs. 1 UWG – vertreten von Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 38, 57 f.; demgegenüber wird – allerdings ohne nähere Begründung – eine Übertragbarkeit des Regelbeispielkataloges ausschließlich im Fall des § 5a Abs. 1 UWG angenommen von Nordemann, in: Götting/Nordemann, UWG, 2013, § 5a, Rn. 78.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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§ 5a Abs. 2 angesehen werden können, wenn sie nicht in der Liste des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG aufgeführt sind.31 Für § 5a Abs. 1 UWG ergibt sich tatsächlich bereits aus dem Wortlaut eine gewisse Verbindung zu § 5 UWG, da die Vorschrift inhaltlich lediglich klarstellt, dass auch die Begehungsmodalität des Unterlassens von dem Irreführungskonzept der Regelung für aktives Tun in § 5 UWG erfasst wird.32 Hingegen weist der Wortlaut des § 5a Abs. 2 UWG eine solche Verbindung zu § 5 UWG nicht auf. Dennoch werden in der Literatur folgende Gründe für eine Übertragung des Kataloges angeführt:33 Der – europäische wie der deutsche – Gesetzgeber habe auch für die Handlungsmodalität des Unterlassens in § 5a Abs. 3 UWG und in Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie Kataloge aufgestellt und sich damit um einen Gleichklang mit den Bezugspunkten bemüht, die er für die Irreführung durch positives Tun geschaffen hat. Zudem sei es rechtspolitisch verfehlt, wenn der Unternehmer bei einer aktiven Täuschung – beschränkt auf den Regelbeispielkatalog – wettbewerbsrechtlich weniger scharf haften würde als bei einer – unter Umständen lediglich fahrlässigen oder gar gänzlich vorsatzlosen – Unterlassung. Schließlich habe der Gesetzgeber nur wegen der nicht abgeschlossenen Vereinheitlichung der Informationspflichten auf europäischer Ebene auf einen Katalog mit Bezugspunkten für den Bereich der Unterlassung verzichtet. Gegen diese Ansicht sprechen ähnliche Gründe, wie sie bereits gegen eine Übertragung des Regelbeispielkataloges für wesentliche Merkmale eines Produktes von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG aus dem Bereich des positiven Tuns auf das Verbot der Irreführung durch Unterlassen nach § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG angeführt wurden.34 Zunächst weist wie bereits erwähnt – anders als im Fall des § 5a Abs. 1 UWG – der Wortlaut keine Verknüpfung des § 5a Abs. 2 UWG mit der Regelung des positiven Tuns in § 5 UWG auf. Zudem folgt § 5a Abs. 2 UWG der gegenüber § 5 UWG abweichenden dogmatischen Konzeption eines Transparenzgebots, während § 5a Abs. 1 UWG und § 5 UWG dogmatisch immerhin beide ein Wahrheitsgebot enthalten. Dies spricht gegen eine einheitliche Handhabung. Außerdem ergibt sich aus einer gesetzlichen Wertung in § 5 UWG, dass über eine bestimmte Tatsache nicht aktiv getäuscht werden darf, nicht der zwingende Schluss, dass ein gänzliches Verschweigen dieser Tatsache die Entscheidungsfähigkeit des Kunden negativ beeinflusst und daher eine Aufklärungspflicht bestehen sollte. Zudem kann je nach Situation auch eine im Regelbeispielkatalog nicht genannte Tatsache so wichtig sein, 31 So explizit Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 57 f. 32 Zur Diskussion, ob beim Verbot der Irreführung durch Unterlassen nach § 5a Abs. 1 UWG eine Beschränkung auf die Bezugspunkte der Irreführung durch positives Tun – in § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG aufgelistet – zu erfolgen hat, siehe unten § 3 B. III. 33 Die nachfolgend skizzierte Argumentation stammt von Dreyer, in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 57 f. 34 Zur Diskussion im Rahmen von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG siehe § 3 A. V. 3. b) (aa).

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

dass eine Aufklärungspflicht angenommen werden sollte. Schließlich liegt es im Wesen des Transparenzgebots, dass es – verglichen mit einem bloßen Wahrheitsgebot – zu einer in mehrfacher Hinsicht strengeren lauterkeitsrechtlichen Haftung führt. Zudem bietet die UGP-Richtlinie keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Katalog des Artikel 6 UGP-Richtlinie auf Artikel 7 UGP-Richtlinie zu übertragen wäre. Vielmehr spricht das Fehlen eines solchen Kataloges in Artikel 7 UGP-Richtlinie für eine bewusste gesetzgeberische Abweichung von Artikel 6 UGP-Richtlinie. Nähme man bei der Auslegung des mitgliedstaatlichen Rechts eine entsprechende Änderung des Irreführungsverbotes vor, so läge darin ein Verstoß gegen das europarechtliche Prinzip der Vollharmonisierung. Wenn der Gesetzgeber tatsächlich bewusst nur wegen der nicht abgeschlossenen Vereinheitlichung der Informationspflichten auf europäischer Ebene auf einen Katalog mit Bezugspunkten für den Bereich der Unterlassung verzichtet hat, so sollte diese gesetzgeberische Entscheidung auch nicht im Wege der Auslegung korrigiert werden. Schließlich würde eine Übertragung des Regelbeispielkataloges zu Widersprüchen führen, wenn beim Irreführungsverbot durch Unterlassen die Wesentlichkeitsvermutungen von § 5a Abs. 3 und 4 UWG zur Anwendung gelangen, wenn also echte Informationspflichten bestehen. So wird etwa für Informationspflichten auf europarechtlicher Grundlage nach § 5a Abs. 4 UWG die Wesentlichkeit unwiderleglich vermutet. Damit strebt das Gesetz eine nahezu automatische wettbewerbsrechtliche Sanktionierung von Informationspflichtverstößen an. Dieses Ziel würde relativiert, wenn das Wettbewerbsrecht zusätzlich zu dem Informationspflichtverstoß noch fordern würde, dass sich die Informationspflicht auf die im Katalog genannten Umstände beziehen muss. Dadurch könnte für bestimmte europarechtliche Informationspflichten eine wettbewerbsrechtliche Sanktionierung entfallen. Für einen solchen Filter besteht rechtspolitisch kein Bedürfnis und für eine entsprechende gesetzgeberische Absicht kein Anhaltspunkt. Der Tatbestand des § 5a Abs. 4 UWG ist bewusst nicht abschließend in Bezug auf außerhalb des UWG liegende europarechtliche Informationspflichten. Diese Offenheit würde durch die Anwendung des Kataloges von § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG konterkariert. Eine ähnliche Relativierungswirkung bestünde in Bezug auf die Wesentlichkeitsvermutung des § 5a Abs. 3 UWG. Die Rolle von Informations- und Produktkennzeichnungspflichten würde durch eine solche Auslegung erheblich relativiert. Schließlich spricht noch ein weiterer Punkt dagegen, das Verbot des § 5a Abs. 2 UWG auf das Unterlassen von Informationen aus der Liste des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG zu begrenzen: Diese Liste würde auch bei ihrer Übertragung auf § 5a UWG diesen gar nicht einschränken, da der Katalog in § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG – entgegen einiger Stimmen in der Literatur35 – ohnehin gar nicht abschließend36 ist. 35 Von einem abschließenden Charakter der Liste in § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG geht etwa aus: Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 57. Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den un-

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Dies lässt sich dem Wortlaut des § 5 UWG zwar nicht zwingend entnehmen, ergibt sich jedoch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung anhand von Artikel 6 UGP-Richtlinie, in dem der Katalog nicht abschließend ist.37 Selbst innerhalb des Artikel 6 UGP-Richtlinie gilt der Katalog nicht für den Fall, dass Angaben unwahr sind, sondern lediglich für den Fall, dass Informationen wahr, jedoch zur Täuschung geeignet sind. Bei einem Unterlassen macht die Differenzierung zwischen unwahren und wahren Angaben schon keinen Sinn. Auch die Gesetzgebungsgeschichte des deutschen § 5 UWG verdeutlicht den nicht abschließenden Charakter des Kataloges, da zwar zunächst die Liste explizit als abschließend bezeichnet wurde, dies jedoch in der Gesetzesbegründung – zu Recht – dann nicht mehr erwähnt wurde.38 Daher ist jedenfalls in Bezug auf § 5a Abs. 2 UWG eine analoge Anwendung des Regelbeispielkataloges des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG abzulehnen. 2. Zusammenhang mit einer geschäftlichen Entscheidung Der Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie erfordert, dass der Verbraucher die vorenthaltene Information zur Herausbildung einer informierten geschäftlichen Entscheidung benötigt. Daher soll eine Haftung ausscheiden, wenn die Information nicht in einem Zusammenhang mit einer geschäftlichen Entscheidung wie etwa einem Produkterwerb steht39 oder wenn der Verbraucher die Information bereits kennt und daher für seine geschäftliche Entscheidung nicht auf sie angewiesen ist.40 In der früheren deutschen Umsetzung dieses Merkmals in § 5a Abs. 2 UWG 2008 wurde der erforderliche Zusammenhang der Information mit der geschäftlichen Entscheidung nur andeutungsweise widergespiegelt.41 Der § 5a Abs. 2 UWG 200842 stellte nämlich nur lauteren Wettbewerb, 2013, § 5, Rn. B 95; v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 2012, Rn. 214. 36 So auch Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 785; Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1031; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 1.25 b; Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2014, § 5, Rn. 288. 37 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 1.25 b; Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2014, § 5, Rn. 288. Bezogen auf Artikel 6 UGP-Richtlinie: Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1331; Henning-Bodewig, GRUR Int 2005, 629, 632. 38 Auf die Gesetzgebungsgeschichte weisen hin Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1028, 1029 sowie Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 1.25 b. 39 Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 27. 40 Köhler, in: 100 Jahre Wettbewerbszentrale, S. 129, 134; Köhler, GRUR 2012, 1073, 1077. 41 Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 29. 42 § 5a Abs. 2 UWG 2008 hatte folgenden Wortlaut: „Unlauter handelt, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Absatz 2 dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

allgemein darauf ab, dass die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern beeinflusst wird, und konkretisierte nicht, worauf sich die Entscheidungsfähigkeit beziehen muss. Durch die UWG-Novelle aus dem Jahre 2015 wurde in § 5a Abs. 2 UWG 2015 das Erfordernis eines Zusammenhangs der vorenthaltenen Information mit einer geschäftlichen Entscheidung klargestellt. 3. Abgrenzung des Vorenthaltens vom Verschweigen und Irrelevanz einer Fehlvorstellung Der Terminus des Vorenthaltens in § 5a Abs. 2 UWG stellt eine dogmatische und inhaltliche Differenzierung gegenüber dem Tatbestandsmerkmal des Verschweigens dar, das sich in § 5a Abs. 1 UWG und in dessen Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG aus dem Jahre 2004 findet.43 Verschweigen spiegelt die Dogmatik des traditionellen Irreführungsverbotes wider und bedeutet, dass eine Information unterlassen wurde und dass dies in der konkreten Situation zu einer Täuschung geeignet ist.44 Demgegenüber erfasst der Begriff des Vorenthaltens – entsprechend dem Charakter der Vorschrift des § 5a Abs. 2 UWG als Transparenzgebot – auch das bloße Fehlen einer Information, über die sich die Gegenseite unter Umständen keine Gedanken gemacht hat. Daran wird noch einmal deutlich, dass neben dem traditionellen echten Unterlassungsdelikt in § 5a Abs. 1 UWG ein unechtes Unterlassungsdelikt in § 5a Abs. 2 – 5 UWG geschaffen wurde. Es handelt sich um ein echtes Unterlassungsdelikt, da die Tatbestandsverwirklichung den Erfolg in Gestalt einer Irreführungseignung nicht erfordert.45 4. Echtes Schweigen als Vorenthalten von Information Mit dem gegenüber einem bloßen Verschweigen breiteren Tatbestandsmerkmal des Vorenthaltens in § 5a Abs. 2 UWG wird nun auch das echte Verschweigen lauterkeitsrechtlich erfasst. Echtes Verschweigen bezeichnet – in Abgrenzung zum beredten Schweigen46 – das gänzliche Unterbleiben einer Information über Umstände, die zwar von Bedeutung für eine geschäftliche Entscheidung sein können, einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 43 Zur terminologischen Differenzierung zwischen „Vorenthalten“ in § 5a Abs. 2 UWG einerseits und „Verschweigen“ in § 5a Abs. 1 UWG andererseits siehe auch § 3 B. IV. 3. 44 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 16. 45 Bornkamm, WRP 2012, 1, 5. 46 Zum beredten Schweigen siehe § 3 A. III. 4.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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über die sich der Käufer jedoch keine konkreten Gedanken gemacht hat.47 Dazu zählen – bezogen auf den Käufer – die Fälle, in denen dieser sich gerade keine falsche durch lückenhafte Angabe provozierte Vorstellung macht, sondern vollkommen uninformiert handelt.48 Die Irreführung im Rechtssinne ergibt sich dabei nicht aus einer Information, die – unter Umständen lückenhaft – mitgeteilt wird, sondern aus der Verkürzung der Entscheidungsgrundlage und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Qualität der Kaufentscheidung des Verbrauchers. Dem echten Schweigen kann nur dann ein Informationsgehalt beigelegt werden, wenn eine Informationspflicht existiert. Da das echte Verschweigen ausschließlich von § 5a Abs. 2 UWG erfasst wird, bestehen hierfür auch keine Abgrenzungsprobleme wegen einer etwaigen Zuordnung der Verhaltensweise zu den Irreführungsregelungen, die nach dem Wahrheitsgebot konzipiert sind: Eine Irreführung in der Handlungsmodalität eines positiven Tuns nach § 5 UWG entfällt schon deshalb, weil bei echtem Verschweigen tatbestandlich überhaupt keine Angabe durch den Verkäufer vorliegt. 5. Positives Tun und beredtes Schweigen als ein Vorenthalten? Jedoch ist § 5a Abs. 2 UWG in seinem Anwendungsbereich nicht auf die Fälle des echten Schweigens beschränkt. Vielmehr werden auch Verhaltensweisen erfasst, die nach der bisherigen Dogmatik ebenso den Handlungsmodalitäten des positiven Tuns zugeordnet werden konnten. Daher ergeben sich Abgrenzungsprobleme, die von erheblicher praktischer Bedeutung sind. a) Unklare, unverständliche oder zweideutige Angaben als Vorenthalten § 5a Abs. 2 UWG beruht auf Artikel 7 Abs. 2 UGP-Richtlinie. Dieser enthält die explizite Präzisierung, dass neben dem Vorenthalten im Sinne des Abs. 1 von Artikel 7 UGP-Richtlinie auch das Bereitstellen der Information auf unklare, unverständliche oder zweideutige Weise erfasst ist.49 In der ersten Umsetzung des § 5a Abs. 2 UWG 2008 fehlt diese ausdrückliche Erweiterung des Tatbestandsmerkmals des Vorenthaltens. Gleichwohl sollte nach einhelliger Auffassung auch der damalige deutsche § 5a Abs. 2 UWG 2008 auf diese Verhaltensweisen anwendbar sein.50 Ein entsprechend weites Verständnis des Begriffs des Vorenthaltens ergab sich schon aus dem Postulat einer europarechtskonformen Auslegung. Auch die deutsche Geset47 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 25. 48 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 7. 49 Siehe bereits zum Richtlinienvorschlag Gamerith, WRP 2005, 391, 422. 50 So auch die einhellige Auffassung in der Literatur: Siehe etwa Lettl, GRUR-RR 2009, 41, 43; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 9; Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 784; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 7; Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1031.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

zesbegründung zur UWG-Novelle aus dem Jahr 200851 stellt klar, dass diese Verhaltensweisen abgedeckt sein sollten. Nach der Regierungsbegründung zur UWGNovelle des Jahres 2008 wurde damals also eine genauere Umsetzung nicht für notwendig gehalten.52 Es wurde auch vorgeschlagen, das Tätigen von unklaren, unverständlichen oder zweideutigen Angaben über das Tatbestandsmerkmal „unter Berücksichtigung aller Umstände“ im damaligen § 5a Abs. 2 UWG 2008 aufzufangen.53 Aus dieser Argumentation ergibt sich bereits, dass das Kriterium „unter Berücksichtigung aller Umstände“ dem Merkmal des Vorenthaltens zuzuordnen war und nicht dem der Wesentlichkeit.54 Das Merkmal des Vorenthaltens im alten § 5a Abs. 2 UWG 2008 mag einer richtlinienkonformen Auslegung zugänglich sein. Allerdings stellt eine denkbare richtlinienkonforme Auslegung nicht notwendig bereits eine richtlinienkonforme Umsetzung mit dem erforderlichen Maß an Rechtsklarheit dar.55 Es bleibt daher festzuhalten, dass § 5a Abs. 2 UWG 2008 beim Tatbestandsmerkmal des Vorenthaltens nicht deutlich genug widerspiegelte, dass nach Artikel 7 Abs. 2 UGPRichtlinie eine Haftung auch eintreten kann, wenn die Informationen verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder gar nicht rechtzeitig bereitgestellt werden.56 Daher ist es zu begrüßen, dass durch die UWG-Novelle des Jahres 2008 in § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG 2015 eine Klarstellung in Hinblick auf die Europarechtskonformität der deutschen Regelung erfolgt ist. Nach § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG gilt es explizit als Vorenthalten, wenn eine wesentliche Information verheimlicht wird, ihre Bereitstellung nicht rechtzeitig oder nur in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise erfolgt. Damit können dem § 5a UWG also grundsätzlich auch Verhaltensweisen zugerechnet werden, die ebenso als positives Tun qualifiziert werden könnten.57 Dies war auch bei den früheren lauterkeitsrechtlichen Transparenzgeboten in dem – mittlerweile durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 – wieder aufgehobenen § 4 Nr. 4 und Nr. 5 UWG 2004 der Fall. Diese Vorschrift forderte explizit, dass die bei Preisnachlässen und Gewinnspielen geforderten Angaben auch klar und eindeutig ge51 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25. 52 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 17. 53 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 2. 54 Zur Diskussion dieser praktisch äußerst bedeutsamen Zuordnungsfrage siehe § 3 A. IV. 55 EuGH, Rs. C-144/99, Niederlande, Rn. 21 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 56 So auch die Einschätzung von Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 43; Köhler, WRP 2013, 1419, Rn. 13; Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 30; Köhler, WRP 2012, 251, 254. 57 Seichter, WRP 2005, 1087, 1092; Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 172.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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macht werden. Unklare und mehrdeutige Angaben – also ein positives Tun – wurden also auch hier einer Nichtangabe gleichgestellt. Somit stellt sich die Frage der Grenzziehung zwischen den Tatbeständen des § 5 und des § 5a UWG. b) Abgrenzung zwischen positivem Tun und Unterlassen Die Abgrenzung der Handlungsmodalität von der Begehungsweise durch Unterlassen ist angesichts der unterschiedlich hohen Eingriffsschwellen und der divergierenden Voraussetzungen des § 5 UWG und des § 5a UWG von hoher praktischer Relevanz. Gemäß der alten Rechtslage bestand der bedeutendste Unterschied darin, dass bei Annahme einer Unterlassung für eine Haftung eine Aufklärungspflicht festgestellt werden musste. Die bestehende Dogmatik zu Abgrenzung von Tun und Unterlassen innerhalb des traditionellen Irreführungsgebotes behält weiterhin Bedeutung. Für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern tritt mit der Einfügung des Transparenzgebots noch eine weitere Komplexität hinzu. Grundsätzlich können hier auf eine Irreführung drei grundlegend verschiedene Regelungsbereiche zur Anwendung gelangen, nämlich das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG, das traditionelle Verbot der Irreführung durch Unterlassen nach § 5a Abs. 1 UWG oder aber das Verbot der Irreführung durch positives Tun nach § 5 UWG. Lediglich für das echte Schweigen ist eindeutig, dass ausschließlich das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG heranzuziehen ist, das keine Fehlvorstellung erfordert und echte Informationsgebote begründet. Vor allem bei geschäftlichen Handlungen, die nach Vertragsschluss erfolgen, können regelmäßig Fälle des reinen Nichtstuns auftreten.58 Eine Einordnung sowohl als Unterlassen als auch als positives Tun kommt jedoch grundsätzlich in Betracht, wenn die Fehlvorstellung durch tatsächlich getätigte – lückenhafte oder missverständliche – Angaben entstanden ist und der Käufer daher einer falschen Annahme unterliegt.59 In diesen Fällen besteht das Unterlassenselement in der Nichtaufklärung dieser falschen Annahme. Als Anknüpfungspunkt für ein positives Tun kommt die aktiv getätigte Angabe in Betracht. So soll beispielsweise60 etwa in einer Werbung ohne Hinweis auf den Charakter eines Produkts als Auslaufmodell die Aussage enthalten 58

Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1222. Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 28. 60 So die Argumentation von Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 6. Der BGH war in den genannten Fällen von einer Irreführung durch Unterlassen ausgegangen. 59

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

sein, dass ein Produkt im Sortiment fortgeführt wird.61 Ebenso sei bei einer Autowerbung mit dem Begriff Serienausstattung die Aussage enthalten, dass es sich um die landestypische Serienausstattung handelt.62 Nach einer Ansicht soll in solchen Fällen als Regelfall eine Irreführung durch ein positives Tun angenommen werden.63 Nach einer weiteren Ansicht soll hingegen – ähnlich wie im Strafrecht – auf den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit abgestellt werden.64 Danach soll ein positives Tun anzunehmen, wenn eine konkludente oder mittelbare Angabe vorliegt, wenn also der Verkehr der geschäftlichen Handlung einen Informationsgehalt zumisst.65 Hingegen sei an ein Unterlassen anzuknüpfen, falls der Verkehr die geschäftliche Handlung im negativen Sinne um fehlende Bestandteile ergänzt.66 Grundsätzlich sollen sich also die Begehungsformen des aktiven Tuns und des Unterlassens gegenseitig ausschließen.67 Nach einer Ansicht gilt dies jedoch lediglich innerhalb des klassischen Irreführungsverbotes.68 Danach sollen das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 UWG und das Verbot der aktiven Irreführung in § 5 Abs. 1 UWG nebeneinander anwendbar sein. So hat auch der Bundesgerichtshof in mehreren Fällen – „Preiswerbung ohne Umsatzsteuer“69, „Versandkosten bei Froogle“70, „Original Kanchipur“71 – in denen unter anderem die Preisangabe ohne Mehrwertsteuer erfolgt war, einen gleichzeitigen Verstoß gegen das traditionelle Verbot der Irreführung durch aktives Tun in § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG sowie – wegen Unterlassens – gegen das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 UWG angenommen.72 Zudem hatte der BGH in diesen Fällen noch zusätzlich den Rechtsbruchtatbestand im damaligen § 4 Nr. 11 UWG73 angewendet.

61 Siehe etwa den Sachverhalt in BGH GRUR 1999, 760, 761 – Auslaufmodelle II; BGH GRUR 1999, 757; 758 – Auslaufmodelle I. 62 Siehe etwa den Sachverhalt in BGH GRUR 1999, 1122, 1123 – EG-Neuwagen I. 63 Bornkamm, WRP 2012, 1, 2; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 6. 64 Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1222. 65 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 67. 66 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 28; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 65, 67. 67 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5, Rn. B 64; Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1222. 68 Bornkamm, WRP 2012, 1, 2. 69 BGH GRUR 2011, 82 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer. 70 BGH GRUR 2010, 251 – Versandkosten bei Froogle. 71 BGH GRUR 2011, 1151 – Original Kanchipur. 72 Eine Kritik zu dieser Vorgehensweise findet sich etwa bei Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1222. 73 Seit der UWG-Novelle aus dem Jahre 2015 ist der Rechtsbruch in § 3a UWG geregelt.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Insgesamt wird jedoch die bestehende Dogmatik zur Zuordnung der verschiedenen Handlungsweisen noch einer weiteren Klärung und Neujustierung durch die Rechtsprechung bedürfen. 6. Berücksichtigung von Beschränkungen des Kommunikationsmittels Die Informationspflichten aus § 5a Abs. 2 – 5 UWG unterliegen einer Begrenzung durch die sogenannte Medienklausel74 in § 5a Abs. 5 UWG. Danach sind bei der Festlegung der Informationsanforderungen die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels zu berücksichtigen. Zudem ist zu beachten, inwieweit der Anbieter Maßnahmen getroffen hat, um dem Verbraucher die Informationen anderweitig als über das solchen Beschränkungen unterliegende Kommunikationsmittel – etwa im Internet – zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Vorschrift soll die Verwendung moderner Technologien zum Vertragsschluss ermöglicht werden. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten werden in diesem Fall also in Hinblick auf die Art ihrer Erfüllung abgemildert. a) Richtlinienvorgaben und Ungenauigkeiten in der ersten deutschen Umsetzung Die Medienklausel stellt eine Umsetzung der europarechtlichen Vorgabe in Artikel 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie75 dar. Die erste Umsetzung der Medienklausel in das deutsche Recht in Gestalt des § 5a Abs. 2 UWG 200876 wies jedoch mehrere Ungenauigkeiten beziehungsweise inhaltliche Abweichungen gegenüber der unionsrechtlichen Regelung auf, die im Ergebnis zu stärkeren oder schwächeren Informationspflichten führen konnten. Da die UGP-Richtlinie das Prinzip einer Vollharmonisierung verfolgt, steht es den Mitgliedstaaten nicht frei, innerhalb des harmonisierten Bereiches strengere oder mildere Regeln zu schaffen oder aufrechtzuerhalten. Daher sind abweichende na74 Zur Medienklausel siehe etwa: Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 9; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 69 f.; zum anderweitigen Zur-Verfügung-Stellen Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25; bezogen auf die Richtlinie Peifer, WRP 2008, 556, 560. 75 Artikel 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie lautet: „Werden durch das für die Geschäftspraxis verwendete Kommunikationsmedium räumliche oder zeitliche Beschränkungen auferlegt, so werden diese Beschränkungen und alle Maßnahmen, die der Gewerbetreibende getroffen hat, um den Verbrauchern die Informationen anderweitig zur Verfügung zu stellen, bei der Entscheidung darüber, ob Informationen vorenthalten wurden, berücksichtigt.“. 76 § 5a Abs. 2 UWG lautet: „Unlauter handelt, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser).

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

tionale Regelungen wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts entweder nicht anzuwenden oder richtlinienkonform auszulegen. Die Abweichungen der ersten deutschen Regelung gegenüber den europäischen Vorgaben konnten zudem auch in der Rechtspraxis zu anderen Ergebnissen führen. Der deutsche Gesetzgeber hat im Zuge der UWG-Novelle des Jahres 2015 die Medienklausel in § 5a Abs. 5 UWG 201577 neu gefasst und damit eine Angleichung an die europäischen Vorgaben vorgenommen. Eine Betrachtung der früheren Umsetzungsdefizite im deutschen UWG und ihrer Korrektur erleichtert ein zutreffendes inhaltliches Verständnis der Medienklausel. aa) Die Zuordnung der Medienklausel zum Merkmal des Vorenthaltens Eine Unklarheit beziehungsweise eine Abweichung der ersten deutschen Umsetzung der Medienklausel von der unionsrechtlichen Vorgabe bestand in Bezug auf die tatbestandliche Zuordnung der Medienklausel, also bei der Frage, welches Tatbestandsmerkmal zu verneinen ist, wenn die Voraussetzungen der Medienklausel erfüllt sind. (1) Die Medienklausel als Teil des Vorenthaltens von Information Die unionsrechtliche Medienklausel ist dem Tatbestandsmerkmal des Vorenthaltens zuzuordnen. Dies bedeutet, dass Beschränkungen des Kommunikationsmittels und kompensierende Maßnahmen bei der Frage zu beachten sind, ob die Information vorenthalten wurde. Der Artikel 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie ordnet nach seinem expliziten Wortlaut an, dass die Beschränkungen des Kommunikationsmittels sowie Maßnahmen des Verkäufers zur anderweitigen Übermittlung der Information „bei der Entscheidung, ob Informationen vorenthalten wurden“, zu berücksichtigen sind. Damit wird unmissverständlich klar, dass es an dem Merkmal des Vorenthaltens der Information fehlen soll, wenn das bei dem Angebot verwendete Kommunikationsmittel die Übermittlung der Angaben erschwert und diese dem Käufer anderweitig zur Verfügung gestellt werden. Auch die eindeutigen Formulierungen in anderen Sprachfassungen der UGP-Richtlinie stützen diese Auslegung.78 77 In dem durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 neu eingefügte § 5a Abs. 5 UWG lautet die Medienklausel wie folgt: § 5a (5) Bei der Beurteilung, ob Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen 1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie 2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher die Informationen auf andere Weise als durch das Kommunikationsmittel nach Nummer 1 zur Verfügung zu stellen. 78 So lautet etwa die englischsprachige Version von Artikel 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie: „Where the medium used to communicate the commercial practice imposes limitations of space

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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(2) Die alte deutsche Medienklausel als Teil der Wesentlichkeit? Der deutsche § 5a Abs. 2 UWG stellte demgegenüber darauf ab, ob jemand „… eine Information vorenthält, die … unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.“ Diese Formulierung erweckt den Eindruck, als würde es an der Wesentlichkeit fehlen, wenn die Beschränkung des Kommunikationsmittels einer Übermittlung der Information entgegensteht. Diese grammatisch genaue Lesart wäre jedoch bereits inhaltlich widersprüchlich: Eine Information verliert für einen Käufer nicht deswegen an Bedeutung, weil ihre Übermittlung für den Verkäufer zu kompliziert oder zu aufwendig ist; daher entfällt auch nicht die Wesentlichkeit einer Information für die Kaufentscheidung, nur weil das verwendete Kommunikationsmittel ihr ZurVerfügung-Stellen erschwert. Die Frage, ob eine Information für die Kaufentscheidung eines Verbrauchers wesentlich ist, hängt vielmehr in der Rechtswirklichkeit allein vom Informationsbedürfnis des Käufers ab, und nicht von dem verwendeten Kommunikationsmittel.79 Auch die deutsche Gesetzesbegründung zur UWG-Novelle des Jahres 2008 erweist sich in Hinblick auf die damals zunächst vorgenommene tatbestandliche Zuordnung der Medienklausel als missverständlich. Nach der Gesetzesbegründung wären Beschränkungen des Kommunikationsmittels bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob das Unterbleiben der Information wettbewerbsrechtlich relevant ist.80 Jedoch erschöpft sich die Bedeutung der Medienklausel im Sinne der europäischen Vorgabe nicht darin, das damalige allgemeine Relevanzkriterium des deutschen UWG zu wiederholen.81 Damit stellt die Zuordnung der Medienklausel im alten § 5a Abs. 2 UWG 2008 zu dem Kriterium der Wesentlichkeit oder zu dem allgemeinen Relevanzkriterium eine Abweichung gegenüber der unionsrechtlichen Vorgabe dar.82 (3) Signifikanz und Europarechtswidrigkeit der Zuordnung zur Wesentlichkeit Die korrekte Zuordnung der Medienklausel zum Merkmal des Vorenthaltens und nicht zum Kriterium der Wesentlichkeit ist von erheblicher praktischer und europarechtlicher Bedeutung: or time, these limitations and any measures taken by the trader to make the information available to consumers by other means shall be taken into account in deciding whether information has been omitted.“. 79 So auch Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 23. 80 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25. 81 Im Ergebnis ebenso Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 31. 82 So auch Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 40; Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 22; Köhler, GRUR 2012, 1073, 1076; Köhler, in: Greipl/Münker (Hrsg.), 100 Jahre Wettbewerbszentrale, 2012, S. 147, 150.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Das Kriterium der Wesentlichkeit wird nämlich – einschließlich seiner Unterelemente – von den Wesentlichkeitsvermutungen in § 5a Abs. 3 und 4 UWG erfasst. Diese Vermutungen sind unwiderleglich.83 Wäre die Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmittels Teil der Wesentlichkeit, so bestünde beim Eingreifen dieser gesetzlichen Vermutungen für den Richter keine Wertungsmöglichkeit darüber, ob die Informationspflichten auf andere Weise hinreichend erfüllt worden sind. Beispielsweise könnte dann bei Vorliegen einer europarechtlichen Informationspflicht im Sinne von § 5a Abs. 4 UWG ein Unternehmen kein innovatives Kommunikationsmittel einsetzen, bei dem es darauf angewiesen ist, seine Informationspflichten anderweitig erfüllen zu dürfen. Die wettbewerbsrechtliche Haftung könnte durch ein anderweitiges Zur-Verfügung-Stellen der Information nicht vermieden werden. Die Zuordnung der Medienklausel zum Kriterium der Wesentlichkeit würde die Wesentlichkeitsvermutung über die unionsrechtliche Vorgabe hinaus ausweiten. Dies würde bedeuten, dass in den Fällen von § 5a Abs. 3 und 4 UWG im deutschen Recht eine strengere lauterkeitsrechtliche Haftung als nach der UGP-Richtlinie eintreten würde, da im deutschen Recht in diesen Fällen die Abmilderung durch die Medienklausel entfiele. Da die UGP-Richtlinie dem Prinzip der Vollharmonisierung folgt, wäre dies europarechtswidrig. Der BGH hatte bereits vor der UWG-Novelle des Jahres 2015 in Bezug auf die frühere deutsche Medienklausel in § 5a Abs. 2 UWG 2008 bei der Entscheidung „Brandneu von der IFA“ eine korrigierende richtlinienkonforme Auslegung vorgenommen.84 Er stellte in diesem Urteil fest, dass sich die Medienklausel auf die Frage bezieht, ob ein Vorenthalten der Information vorliegt.85 Schließlich hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der UWG-Novelle aus dem Jahre 2015 eine Neufassung der Medienklausel in § 5a Abs. 5 UWG 2015 vorgenommen. Der neue Wortlaut in § 5a Abs. 5 UWG stellt klar, dass Beschränkungen des Kommunikationsmittels und kompensierende Maßnahmen „bei der Beurteilung, ob Informationen vorenthalten wurden,“ zu berücksichtigen sind. Daraus ergibt sich, dass – in Übereinstimmung mit der unionsrechtlichen Vorgabe – die Medienklausel dem Tatbestandsmerkmal des Vorenthaltens zuzuordnen ist. bb) Berücksichtigung ausschließlich von medienbezogenen Beschränkungen Eine weitere Abweichung zwischen der unionsrechtlichen Vorgabe für die Medienklausel und der ersten deutschen Umsetzung in § 5a Abs. 2 UWG bestand in Bezug auf die Frage, welche Art von Beschränkungen zu einer Milderung der Informationspflicht führen kann.

83 Siehe etwa Peifer, WRP 2008, 556, 559; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5. 84 BGH WRP 2013, 1459 – Brandneu von der IFA. 85 BGH WRP 2013, 1459, Rn. 16 – Brandneu von der IFA.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Nach der unionsrechtlichen Vorgabe in Artikel 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie sind – übereinstimmend in verschiedenen Sprachfassungen86 – ausschließlich solche räumlichen und zeitlichen Beschränkungen als relevant, die durch das für die Geschäftspraxis verwendete Kommunikationsmedium auferlegt werden. Nach der ursprünglichen deutschen Regelung in § 5a Abs. 2 UWG 2008 erfolgt eine Berücksichtigung „aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels“. Diese Formulierung führte die Beschränkungen des Kommunikationsmittels als Unterfall zum Oberbegriff „alle Umstände“ auf. Dadurch entstand der Eindruck, es könnten auch solche Beschränkungen berücksichtigt werden, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Kommunikationsmedium stehen. Bereits in sachlicher Hinsicht erscheint es als Doppelung, wenn hierdurch neben dem damaligen allgemeinen wettbewerblichen Relevanzkriterium und der Wesentlichkeit ein unbeschränktes Abwägungskriterium eingeführt worden wäre. Der Zweck der Medienklausel besteht darin, die Verwendung moderner Kommunikationsmittel zu erleichtern. Über diese Zwecksetzung ging die frühere deutsche Umsetzung hinaus, wenn man sie weit in dem Sinne verstand, dass auch Beschränkungen, die keinen Bezug zu dem Kommunikationsmedium aufweisen, berücksichtigt werden konnten. Damit war bei einem weiten Verständnis die deutsche Umsetzung der Abmilderung der Informationspflicht durch die Medienklausel stärker als in der UGPRichtlinie; die Informationspflicht wäre in dieser Hinsicht also weniger streng als in der UGP-Richtlinie. Dies stünde unionsrechtlich wiederum in Widerspruch zum Prinzip der Vollharmonisierung der UGP-Richtlinie. Die durch die UWG-Novelle im Jahr 2015 in § 5a Abs. 5 UWG neu gefasste Medienklausel stellt klar, dass – übereinstimmend mit der UGP-Richtlinie – nur solche Beschränkungen von der Medienklausel erfasst werden, die mit dem für die geschäftliche Handlung gewählten Kommunikationsmittel zusammenhängen. cc) Die Zweigliedrigkeit der Medienklausel und das Erfordernis einer anderweitigen Übermittlung der Information Zwischen der unionsrechtlichen Medienklausel und der ersten deutschen Umsetzung in § 5a Abs. 2 UWG 2008 bestand eine weitere Diskrepanz: Artikel 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie benennt für die Abwägung, ob die Informationspflicht abgemildert ist, neben den Beschränkungen des Kommunikationsmittels einen zweiten Faktor: So sind Maßnahmen zu berücksichtigen, die der Verkäufer trifft, um die Informationen anderweitig als unmittelbar beim Anbieten zur Verfügung zu stellen. Dabei kann es sich beispielsweise um einen Link auf der Website handeln. Aus dieser Zweigliedrigkeit der europäischen Medienklausel erschließt sich deren sachlicher 86 So lautet etwa in der englischsprachigen Version von Artikel 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie die relevante Formulierung: „Where the medium used to communicate the commercial practice imposes limitations of space or time …“.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Gehalt: Eine Abmilderung der Informationspflicht findet nicht in dem Sinne statt, dass von der Übermittlung der Informationen oder entsprechenden Bemühungen gänzlich abgesehen werden könnte. Vielmehr bezieht sich die Rücknahme der Informationspflicht auf die Art und den Zeitpunkt des Zur-Verfügung-Stellens der Information; sie kann unter bestimmten Umständen anders als in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Anbieten der Ware erfolgen. Dabei sind die Beschränkungen des Kommunikationsmittels und die Maßnahmen, die der Verkäufer zum Zwecke einer anderweitigen Übermittlung der Information trifft, miteinander abzuwägen. Der frühere deutsche § 5a Abs. 2 UWG 2008 erwähnt dieses zweite Element der Medienklausel nicht explizit. Wäre im deutschen Recht generell eine Abmilderung der Informationspflicht möglich, ohne dass der Verkäufer Maßnahmen zum anderweitigen Zur-Verfügung-Stellen der Information getroffen hat, so wäre die Ausnahmeregelung breiter und die Informationspflicht milder als in der europäischen Vorgabe. Jedoch enthält die Gesetzesbegründung den ausdrücklichen Hinweis, dass in bestimmten Fällen die Informationspflicht auch anderweitig erfüllt werden kann.87 Auch die deutsche Gesetzesfassung bietet Raum, dies als Abwägungsfaktor unter dem Merkmal der „Berücksichtigung aller Umstände“ zu beachten. Damit wäre dieses Merkmal in Hinblick auf die europäischen Vorgaben so zu verstehen, dass zwar keine Beschränkungen beachtet werden dürfen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Kommunikationsmedium stehen. Jedoch sind anderweitige Maßnahmen des Verkäufers zur Übermittlung der Information als notwendiger Faktor in die Abwägung einzubeziehen. Es ist jedoch fraglich, ob eine entsprechende Erwähnung in der Gesetzesbegründung aus dem Jahre 2008 für eine hinreichend klare Richtliniensetzung ausreichend war. Daher ist es zu begrüßen, dass sich in der durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 neu gefassten Medienklausel in § 5a Abs. 5 UWG deren Zweigliedrigkeit klar aus dem Gesetzeswortlaut ergibt. b) Beschränkungen des Kommunikationsmittels Beschränkungen des Kommunikationsmittels können sich bei der Übermittlung von Informationen in räumlich-funktionaler sowie in zeitlicher Hinsicht ergeben. Kommunikationsmittel bezeichnet das Medium, über das die geschäftliche Kommunikation mit dem Abnehmer erfolgt, also etwa eine Zeitung, das Internet oder auch ein Mobiltelefon. Eine räumliche Beschränkung ist gegeben, wenn das Kommunikationsmedium lediglich begrenzten Platz zur Darstellung der geforderten Angaben bietet. Typischerweise liegt eine räumliche Beschränkung etwa bei einer Kommunikation über ein Mobiltelefon und im Einzelfall auch bei Internetpräsenzen vor, da schon die 87 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Bildschirmgröße sehr begrenzt ist.88 Auch Medien, die ausschließlich akustische Informationen übermitteln, wie etwa Werbung im Hörfunk, weisen eine funktionalräumliche Beschränkung auf. Kostenfragen – etwa die Aufwendungen für das Zeitfenster im Werbefernsehen – stellen grundsätzlich keine Beschränkungen im Sinne der Vorschrift dar, da die Medienklausel ausschließlich technisch bedingte Restriktionen im Auge hat.89 Davon zu unterscheiden ist das Problem, ob Kosten bei der Interessenabwägung relevant sind, und die Frage, auf welche anderweitige Weise die Information nachgeholt werden kann und muss.90 Jedoch kann sich bei Hör- und Fernsehrundfunk eine zeitliche Beschränkung daraus ergeben, dass die Sender ihrerseits Restriktionen bei den Werbezeiten unterliegen und dass damit nicht genügend Zeit für eine vollumgängliche Information zur Verfügung steht.91 Offen ist, ob wegen der Mündlichkeit eines Angebotes eine Beschränkung des Kommunikationsmediums anzunehmen ist. So werden mündliche Angebote nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 PAngV unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht zur detaillierten Preisangabe befreit, wobei dieses Privileg sowohl fernmündliche Äußerungen als auch Werbung im Hörfunk umfasst.92 Jedoch entbindet im Fernabsatz Artikel 246a § 3 EGBGB für Fernabsatzverträge, die mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen werden, lediglich von der Pflicht zur Angabe der Anschrift des Unternehmers, während über alle anderen Umstände des Artikel 246a § 1 Abs. 1 EGBGB auch bei der fernmündlichen Kommunikation eine Aufklärung ohne Einschränkung zu erfolgen hat. Dies spricht dagegen, im Rahmen des § 5a Abs. 5 UWG wegen der Fernmündlichkeit der Kommunikation zu weitläufige Ausnahmen von der Informationspflicht zu gestatten.93 c) Anderweitiges Zur-Verfügung-Stellen der Information und Interessenabwägung Ist auf Grund der zeitlichen und räumlichen Beschränkungen des Kommunikationsmittels die Erfüllbarkeit der Informationspflichten erschwert, so besteht für den Verkäufer die Möglichkeit, jedoch auch die Pflicht, den Käufer zur Erlangung der Angaben auf andere Kommunikationswege zu verweisen.94 Die Medienklausel gestattet es Unternehmern also, eine Information dem Käufer auch anderweitig zugänglich zu machen als vollumfänglich über das für die geschäftliche Handlung 88

Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 33. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 32. 90 Für eine Berücksichtigung von Kosten bei der Interessenabwägung spricht sich etwa aus Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 78. 91 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 33, 34. 92 Weitere Einzelheiten siehe bei Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 32. 93 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 32. 94 Steinbeck, WRP 2006, 632, 635; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1331. 89

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

gewählte Kommunikationsmittel. Dies ergibt sich aus Artikel 7 Abs. 3 UGPRichtlinie. Für das deutsche Recht ergab sich dies vor der UWG-Novelle des Jahres 2015 lediglich aus der Gesetzesbegründung95 zu § 5a Abs. 2 UWG 2008. Der deutsche Gesetzgeber hat im Jahr 2015 in der neu gefassten Medienklausel in § 5a Abs. 5 UWG dieses zweite Element der Medienklausel explizit in § 5a Abs. 5 Nr. 2 UWG verankert und so eine bessere Abstimmung mit den Vorgaben der UGPRichtlinie erreicht. An einem Vorenthalten im Sinne der Vorschrift fehlt es jedoch nur dann, wenn der Verkäufer angemessene Maßnahmen trifft, damit dem Käufer die Informationen anderweitig als im Zusammenhang mit der geschäftlichen Handlung mitgeteilt werden. Darin liegt eine Modifizierung der Informationspflichten in Bezug auf die Art und Weise ihrer Erfüllung. Das Gericht hat also eine Interessenabwägung vorzunehmen, und zwar zwischen dem Interesse an der Verwendung innovativer Kommunikationsmedien und dem verbleibenden Informationsinteresse des Verkehrs. Maßgeblich ist, ob auf Grund der Anstrengungen des Unternehmers der Durchschnittsverbraucher die Information mit zumutbarem Aufwand erlangen kann. Dabei ist zum Beispiel zu beachten, ob die Zielgruppe – etwa altersbedingt – mit dem Medium ausreichend vertraut ist, um die Information zumutbar erlangen zu können.96 Diese Differenzierung entspricht der Wertung in Artikel 5 Abs. 3 UGP-Richtlinie und in § 3 Abs. 4 UWG. Danach ist für den Fall, dass sich eine Geschäftspraktik an besonders schutzbedürftige Adressaten wendet, der Sorgfaltsmaßstab eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe maßgeblich.97 Bei Internetpräsenzen kann etwa durch Verlinkung auf tiefer liegende Seiten die Informationspflicht erfüllt werden. Abwägungsgesichtspunkte in Hinblick auf die anderweitige zumutbare Erlangbarkeit von Informationen können sich aus der Rechtsprechung zu anderen Rechtsbereichen oder zum traditionellen Irreführungsverbot ergeben: So hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit ähnlichen Informationspflichten aus dem Fernabsatzrecht und dem Rundfunkrecht die über einige wenige Klicks erlangbare Information als noch ausreichend gut erreichbar qualifiziert.98 In dem Fall „Internet Reservierungssysteme“99 verneinte der BGH einen Verstoß gegen § 1 PAngV, wenn der Endpreis zwar nicht sofort angegeben wird, sondern nur ein vorläufiger Flugtarif, soweit dann bei der fortlaufenden Eingabe der Endpreis ermittelt und abschließend

95 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25. 96 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 35. 97 Allgemein zu dieser Differenzierung siehe Seichter, WRP 2005, 1087, 1091. 98 BGH GRUR 2007, 159, 160 – Anbieterkennzeichnung im Internet; zum damaligen § 312c Abs. 1 BGB sowie den damaligen § 6 TDG und § 10 Abs. 2 MDStV: Der BGH hielt eine über zwei Links erreichbare Information für ausreichend. 99 BGH GRUR 2003, 889 – Internet Reservierungssysteme.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

115

mitgeteilt wird.100 In dem lauterkeitsrechtlichen Fall „Epson-Tinte“101 hatte der BGH zu entscheiden, ob eine Internet-Werbung irreführend ist. Bei der Frage, ob Angaben auf verschiedenen Internetseiten von einem Durchschnittsverbraucher als zusammengehörig aufgefasst werden, stellte der BGH auf den Einzelfall ab. Er untersuchte, ob von dem Adressaten der Information ein Anklicken des Links zum Zwecke der Informationssuche zu erwarten ist.102 In der Rechtssache „Internet-Versandhandel“103 lehnte der BGH ebenfalls eine lauterkeitsrechtliche Irreführung bei einem Online-Auftritt ab. Er hielt es für ausreichend, dass eine klarstellende Information auf einer durch einen gut erkennbaren Internetlink verknüpften Internetseite des Verkäufers erfolgt.104 Zugunsten eines besonderen Informationsinteresses des Verkehrs spricht es, wenn bezüglich eines bestimmten Umstandes eine Verkehrserwartung vorhanden ist, aufgeklärt zu werden, oder wenn ein Hinweis üblich ist.105 Das Bestehen einer gesetzlichen dem Verbraucherschutz dienenden Aufklärungspflicht oder einer vertraglichen Aufklärungspflicht spricht für eine berechtigte Erwartungshaltung der Durchschnittsverbraucher auf Erteilung der Information.106 In einem solchen Fall sind also gesteigerte Anstrengungen des Verkäufers zur Erteilung der Information notwendig. Ebenso kann die Existenz von gesetzlichen Kennzeichnungspflichten eine entsprechende Verkehrserwartung begründen. Allerdings ist zu beachten, dass die Medienklausel unmittelbar nur für die lauterkeitsrechtliche Informationspflicht gilt, die selbstständig neben die Produktkennzeichnungspflichten tritt. Letztere erfordern meist, dass die Information am Produkt selber anzubringen ist, so dass eine anderweitige Nachholung dieser Pflicht oft ausscheidet. Daher hat in diesen Fällen neben der lauterkeitsrechtlich geforderten Information zusätzlich eine Kennzeichnung am Produkt selber zu erfolgen. d) Generelle kommunikationsmittelbezogene Einschränkung von Informationspflichten im UWG? Innerhalb des UWG ergibt sich in Hinblick auf die Zielsetzung der Medienklausel ein Spannungsverhältnis: Die Informationspflichten in dem früheren § 4 Nr. 4 und Nr. 5 UWG 2004, die bei Verkaufsfördermaßnahmen sowie bei Preisausschreiben einschlägig waren, sahen nämlich – ausweislich des Gesetzeswortlauts – keine Einschränkung der Informationspflichten wegen des gewählten Informationsmediums vor. Ebenso hat der Gesetzgeber der UWG-Novelle des Jahres 2015 in dem neu eingefügten § 5a Abs. 6 UWG eine Transparenzpflicht in Bezug auf den kommer100

BGH GRUR 2003, 889, 890 – Internet Reservierungssysteme. BGH GRUR 2005, 438, 441 – Epson-Tinte. 102 BGH GRUR 2005, 438, 441 – Epson-Tinte. 103 BGH GRUR 2005, 690 – Internet-Versandhandel. 104 BGH GRUR 2005, 690, 692 – Internet-Versandhandel. 105 BGH GRUR 2000, 76, 77 – Shareware. 106 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 79 f. 101

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

ziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung geschaffen,107 dabei jedoch ebenfalls keine Einschränkung der Informationspflicht durch eine Medienklausel vorgenommen. Daher wurde in der Literatur die Frage erörtert, ob zur Erleichterung von Vertragsschlüssen mittels moderner Kommunikationsmittel eine Übertragung der Beschränkung von Informationspflichten aus § 5a Abs. 3 UWG in Frage kommt oder ob eine Differenzierung innerhalb des UWG hingenommen werden kann.108 Grundsätzlich ist das Anliegen, die Verwendung moderner Verkaufstechnologien zu fördern, zu begrüßen. Eine Differenzierung könnte jedoch im vorliegenden Fall dadurch gerechtfertigt sein, dass die Angabe des kommerziellen Zweckes regelmäßig weniger Raum einnehmen dürfte als die durch § 5a Abs. 2 – 5 UWG verpflichtenden Angaben. e) Zwischenergebnis: Zweck und Inhalt der Medienklausel Aus den Vorgaben der UGP-Richtlinie folgt, dass die Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmittels keinen Teil des Tatbestandsmerkmals der Wesentlichkeit109, sondern ein Element des Vorenthaltens darstellt. Der Wortlaut des durch die UWG-Novelle im Jahre 2008 eingeführten § 5a Abs. 2 UWG war missverständlich und in Hinblick auf seine Europarechtskonformität zweifelhaft. Die entsprechende gesetzgeberische Korrektur in dem durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 neu eingefügten § 5a Abs. 5 UWG ist zu begrüßen. Es sind ausschließlich solche Erschwernisse bei der Erfüllung der Informationspflicht zu berücksichtigen, die einen Bezug zu dem Kommunikationsmedium aufweisen, das bei der geschäftlichen Handlung verwendet wird. Die Berücksichtigung der Beschränkungen der Kommunikationsmittel soll vor allem gewährleisten, dass auch innovative Kommunikationsmittel zur kommerziellen Kommunikation und zum Absatz von immateriellen Gütern eingesetzt werden können.110 Bei immateriellen Gütern, deren Vertrieb oft über moderne Kommunikationsmittel erfolgt, können die Medienklausel und die Möglichkeit der anderweitigen Information des Konsumenten besondere praktische Bedeutung erlangen. Die Bedeutung der Medienklausel besteht darin, dass – vorausgesetzt, aus dem benutzten Kommunikationsmedium ergeben sich Beschränkungen – eine Abwägung darüber erfolgt, ob der Unternehmer die Informationen auch ausreichend anderweitig als im Zusammenhang der konkreten geschäftlichen Kommunikation zur Verfügung stellen kann. Diese Abwägungsmöglichkeit stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz der Vorschrift dar, dass in Bezug auf wesentliche Informationen der Unternehmer die (vollen) Informations107 108

1032. 109

Zum neuen § 5a Abs. 6 UWG siehe § 3 A. VIII. Ähnlich – bezogen auf § 4 Nr. 4 und Nr. 5 UWG 2004 – Sosnitza, WRP 2008, 1014,

So im Ergebnis auch Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 53 f. 110 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 31; Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 784.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

117

kosten zu tragen hat. Das Informationsinteresse des Verkehrs wird in der Abwägung jedoch ein starkes Gewicht einzunehmen haben.111 Die Medienklausel kann eine Stellschraube sein, um zu hohe Informationslasten für die Unternehmen zu reduzieren. 7. Zwischenergebnis zum Vorenthalten von Informationen Zusammenfassend liegt ein Vorenthalten von Informationen vor, wenn der aufmerksame Durchschnittsverbraucher eine Information nicht oder nicht auf eine Weise erhält, so dass er sie in seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann.112 Der Hauptunterschied des § 5a Abs. 2 UWG gegenüber dem § 5a Abs. 1 besteht darin, dass bereits die Vorenthaltung der Information selber den Tatbestand des § 5a Abs. 2 erfüllt und nicht erst das Verschweigen, welches das Element einer Fehlvorstellung enthält. Das Gesetz vermutet dann unwiderleglich113 – also ohne dass dies noch näherer Prüfung bedürfte – dass die allgemeine oder besondere Informationspflichtverletzung zu einer Irreführung bei der Vertragsgegenseite führt und eine Auswirkung auf die Marktentscheidung haben kann. Es kommt nicht darauf an, welche Informationen der Käufer tatsächlich erwartet, sondern welche Informationen auf Grund der gesetzlichen Vorgaben erteilt werden müssen und daher erwartet werden dürfen. Der Gesetzgeber legt normativ fest, welche Informationen er als Basisinformationen für notwendig hält. Hauptgegenstand des Vorwurfs ist die Unvollständigkeit der Information. Auf eine konkrete Fehlvorstellung des Verkehrs über die nicht offengelegten Umstände kommt es bei § 5a Abs. 2 – 5 UWG nicht an.114 Echtes Schweigen wird ausschließlich § 5a Abs. 2 – 5 UWG erfasst. Jedoch gelangt § 5a Abs. 2 – 5 UWG auch dann zur Anwendung, wenn Information auf unklare, unverständliche oder zweideutige Weise erteilt wird. Die entsprechende gesetzgeberische Klarstellung in § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 ist zu begrüßen. Die Medienklausel ist dem Tatbestandsmerkmal des Vorenthaltens zuzuordnen, und sie ermöglicht es dem Verkäufer unter bestimmten Umständen, die Information anderweitig zur Verfügung zu stellen.

111

Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 77. Zum Teil wird sogar angenommen, dass ein Entlastungsbeweis durch den Unternehmer notwendig ist; siehe Apostolopoulos, GRUR Int 2005, 292, 299. 112 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 68. 113 So auch – bezogen auf Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie – Peifer, WRP 2008, 556, 559; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 5. 114 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 29; Dreyer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 25; ebenso, jedoch bezogen auf Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie, Peifer, WRP 2008, 556, 559.

118

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

IV. Die Einzelfallklausel Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie enthält als Einschränkung des Transparenzgebots, dass die Geschäftspraxis „im konkreten Fall und unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände“ wesentliche Informationen vorenthalten muss. Dieses Erfordernis einer Einzelfallbetrachtung verhindert, dass jedes Weglassen einer Information als Verstoß gegen das Transparenzgebot eingestuft werden muss. Es handelt sich daher um eine wichtige Stellschraube, um einer zu hohen Belastung von Unternehmen mit Informationspflichten entgegenzuwirken. Die erste deutsche Umsetzung der UGP-Richtlinie hatte im § 5a Abs. 2 UWG 2008115 diese Vorgabe zunächst nur unzureichend umgesetzt.116 So bezieht sich in Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie diese Einschränkung auf den Begriff der Geschäftspraxis. Dieses Ergebnis ergibt sich auch bei einer Betrachtung der englischund französischsprachigen Fassungen von Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie. Demgegenüber war in § 5a Abs. 2 UWG 2008 die Einzelfallklausel fälschlich dem Merkmal der wesentlichen Information zugeordnet.117 In Fällen, in denen die Wesentlichkeit einer Information aber nach § 5a Abs. 3 oder Abs. 4 UWG vermutet wird, wäre somit kein Raum für eine Einzelfallabwägung. Nach Erwägungsgrund 17 Satz 2 der UGP-Richtlinie dürfen jedoch ausschließlich die im Anhang der UGP-Richtlinie genannten Geschäftspraktiken der schwarzen Liste ohne eine Einzelfallabwägung als unlauter eingestuft werden. Damit wäre die frühere Fassung des § 5a Abs. 2 UWG vermutlich europarechtswidrig gewesen. Es ist auch zweifelhaft, ob das damalige allgemeine Spürbarkeitskriterium im deutschen Lauterkeitsrecht der europarechtlichen Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung ausreichend gerecht wurde.118 So hat der EuGH im Fall „Plus Warenhandelsgesellschaft“119, bezogen auf das Transparenzgebot in § 4 Nr. 6 UWG 2004, die allgemeine Relevanzprüfung nicht für eine europarechtlich geforderte Einzelfallprüfung ausreichen lassen.120 Außerdem wird bei Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie die

115 Der Wortlaut von § 5a Abs. 2 UWG 2008 war: „Unlauter handelt, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Absatz 2 dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.“ (Hervorhebung durch den Autor). 116 Köhler, WRP 2013, 1419, Rn. 12. 117 Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 39; Köhler, WRP 2013, 1419, Rn. 10; Dreyer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 52. 118 Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 24; Köhler, in: Greipl/Münker (Hrsg.), 100 Jahre Wettbewerbszentrale, 2012, S. 147, 151 f. 119 EuGH, Rs. C-304/08, Plus Warenhandelsgesellschaft, (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 120 EuGH, Rs. C-304/08, Plus Warenhandelsgesellschaft, Rn. 54 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht).

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

119

Einzelfallprüfung ausdrücklich im Tatbestand, also neben der allgemeinen Spürbarkeitsprüfung, gefordert.121 Es ist daher zu begrüßen, dass durch die UWG-Novelle aus dem Jahre 2015 eine gesetzgeberische Korrektur des § 5a Abs. 2 UWG 2015122 erfolgte, welche die Einzelfallklausel in Wortlaut und Inhalt in größere Übereinstimmung mit der unionsrechtlichen Vorgabe brachte.

V. Die Wesentlichkeit einer Information Das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 UWG erfordert zudem, dass die vorenthaltene Information wesentlich ist. Das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit dient einer Begrenzung der Informationspflichten, da keine Verpflichtung zu einer umfassenden Unterrichtung des Käufers etabliert werden soll. Gleichzeitig soll das Kriterium der Wesentlichkeit jedoch bewirken, dass dem Verbraucher diejenigen Basisinformationen zur Verfügung gestellt werden, die dieser benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen.123 Dieses in Erwägungsgrund 14 UGP-Richtlinie formulierte Ziel einer Versorgung des Verbrauchers mit Informationen verdeutlicht, dass es sich bei § 5a Abs. 2 – 5 UWG um ein Irreführungsverbot handelt, das – entgegen der traditionellen Konzeption – keine Fehlvorstellung beim Verbraucher erfordert; vielmehr zielt das primäre Anliegen auf das Erzeugen von Transparenz und auf die Bereitstellung bestimmter Informationen,124 die sich aus der Masse der Informationen durch ihre besondere Entscheidungsrelevanz hervorheben; in der informationsökonomischen Literatur werden solche Informationen auch als Schlüsselinformationen oder information chunks bezeichnet.125 Die Wesentlichkeit einer vorenthaltenen Information kann sich aus den Vermutungstatbeständen der Abs. 3 und 4 des § 5a UWG und aus einer Verletzung der dort begründeten Informationspflichten ergeben oder – da insbesondere die Liste in 5a Abs. 3 UWG nicht abschließend ist – unmittelbar aus den Umständen.126

121

Köhler, in: Greipl/Münker (Hrsg.), 100 Jahre Wettbewerbszentrale, 2012, S. 147, 151 f. Der Wortlaut von § 5a Abs. 2 UWG 2015 ist: „Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält …“ (Hervorhebung durch den Autor). 123 Siehe auch Erwägungsgrund 14 der UGP-Richtlinie, Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 7. 124 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 36. 125 Siehe etwa die Hinweise von Keßler, WRP 2007, 714, 720; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 74. 126 Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1031; Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 785. 122

120

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

1. Die Reichweite der Wesentlichkeitsvermutung in § 5a Abs. 3 und § 5a Abs. 4 UWG Eine Konkretisierung des Begriffs der Wesentlichkeit ergibt sich aus § 5a Abs. 3 und 4 UWG. Es handelt sich dabei um Umsetzungen von Artikel 7 Abs. 4 und 5 UGP-Richtlinie in das deutsche Recht. Dabei stellen § 5a Abs. 3 und 4 UWG keine eigenständigen Unlauterkeitstatbestände beziehungsweise keine gegenüber dem § 5a Abs. 2 UWG eigenständigen Irreführungsverbote dar.127 Vielmehr handelt es sich bei § 5a Abs. 3 und 4 UWG um – unwiderlegliche – Rechtsvermutungen in Bezug auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Wesentlichkeit in § 5a Abs. 2 UWG.128 Dabei beschränkt sich die Wesentlichkeitsvermutung in § 5a Abs. 3 und 4 UWG lediglich auf das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit.129 Das Merkmal des Vorenthaltens in § 5a Abs. 2 UWG, das ein gegenüber der Wesentlichkeit selbstständiges Tatbestandselement darstellt, sowie das Relevanzerfordernis und die Medienklausel werden nicht von der Reichweite der Vermutung erfasst. Ist einer der Tatbestände von § 5a Abs. 3 oder 4 UWG erfüllt, steht es dem Richter auf Grund des unwiderleglichen Charakters der Vermutung nicht frei, die Wesentlichkeit einer Information zu verneinen, selbst wenn er diese im konkreten Fall als nicht bedeutsam für die Kaufentscheidung erachtet.130 Allerdings kann in solch einem Fall ein lauterkeitsrechtlicher Anspruch deswegen zu verneinen sein, weil Merkmale des wettbewerbsrechtlichen Tatbestands fehlen, die außerhalb der Reichweite der Wesentlichkeitsvermutung liegen, also etwa weil kein Vorenthalten im Sinne der Vorschrift vorliegt, weil die Medienklausel eingreift oder weil es an der wettbewerblichen Relevanz mangelt. So hebt auch die Begründung zum Gesetzentwurf hervor, dass das Vorenthalten der in § 5a Abs. 3 UWG genannten Informationen lediglich „in aller Regel“ eine Irreführung darstelle.131

127 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 55. 128 So die allgemeine Ansicht für § 5a Abs. 3 UWG; siehe Dreyer, in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 55, 85; bezogen auf § 5a Abs. 4 UWG siehe etwa Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 127 f. 129 Siehe etwa Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 52. 130 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 85 f. 131 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25; Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1031 scheint aus der Entwurfsbegründung abzuleiten, dass das Merkmal der Wesentlichkeit entgegen Abs. 3 im Einzelfall verneint werden könne. Dagegen jedoch Dreyer, in: Harte-Bavendamm/HenningBodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 85 f. sowie Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5, der sogar weiter geht, indem er anmerkt, dass es sich bei § 5a Abs. 3 UWG nicht lediglich um eine unwiderlegliche Vermutung, sondern möglicherweise gar um eine gesetzliche Fiktion handele.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

121

Die Wesentlichkeitsvermutung in § 5a Abs. 3 und 4 UWG tritt neben die – gleichfalls unwiderlegliche – Vermutung in § 5a Abs. 2 UWG, wonach eine Unlauterkeit in Gestalt einer Irreführung anzunehmen ist, wenn auch die weiteren Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, und zwar ohne dass es darauf ankäme, ob beim Verbraucher tatsächlich eine Fehlvorstellung vorlag oder ob er sich überhaupt Gedanken über eine bestimmte Tatsache gemacht hat.132 Bei Eingreifen dieser zweiten Vermutung ist das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit in § 3 UWG, der eine Unzulässigkeit anordnet, zu bejahen. 2. Vermutung der Wesentlichkeit bei europarechtlichen Informationsgeboten, § 5a Abs. 4 UWG § 5a Abs. 4 UWG enthält eine Vermutungsregelung in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit. a) Unionsrechtliche Informationspflichten zur kommerziellen Kommunikation Danach gelten Informationen als wesentlich, die dem Verbraucher auf Grund bestimmter europarechtlicher Regelungen nicht vorenthalten werden dürfen. Zu diesen unionsrechtlichen Vorschriften zählen sowohl direkt anwendbare Verordnungen als auch nationale Rechtsvorschriften, die eine Umsetzung europäischer Richtlinien darstellen. Die genannten Regelungen müssen zudem die kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing zum Gegenstand haben. Anhang II zur UGP-Richtlinie enthält eine Liste mit unionsrechtlichen Rechtsakten, die Informationsanforderungen für die kommerzielle Kommunikation aufstellen und in den Anwendungsbereich von Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie beziehungsweise § 5a Abs. 4 UWG fallen. Die Liste in Anhang II zur UGP-Richtlinie ist – wie Artikel 7 Abs. 5 UGPRichtlinie ausdrücklich feststellt – nicht erschöpfend und lediglich beispielhaft.133 Maßgeblich ist, ob die europarechtliche Regelung dem Bereich der kommerziellen Kommunikation zuzuordnen ist. Zur Ausfüllung des Begriffs der kommerziellen Kommunikation kann auf die Legaldefinition in Artikel 2 f der Richtlinie 2000/31/ EG zum elektronischen Geschäftsverkehr zurückgegriffen werden.134 Danach wer132 Zu dieser Vermutung siehe etwa Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 5. 133 Ausführliche Beispiele für die unionsrechtlichen Rechtsakte, die unter die dynamische Verweisung fallen, finden sich etwa bei Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 134 ff.; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 67 ff.; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 48; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 38, 41 ff., 54a. 134 So der zutreffende Hinweis von Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 131.

122

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

den alle Formen der Kommunikation erfasst, die zumindest mittelbar der Förderung des Warenabsatzes dienen. Der § 5a Abs. 4 UWG enthält keinen Verweis auf die Liste in Anhang II der UGPRichtlinie von unionsrechtlichen Anforderungen an die kommerzielle Kommunikation. Darin könnte man eine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit sehen.135 Andererseits ist die Liste in Anhang II der UGP-Richtlinie ohnehin nicht abschließend, und es kommen neue Gesetzesakte hinzu, während andere in der Liste genannte Regelungen ersetzt werden.136 So ist ja beispielsweise die in der Liste genannte Fernabsatz-Richtlinie in die Verbraucherrechte-Richtlinie integriert worden. Die Liste im Anhang II stellt also ohnehin nur eine Momentaufnahme dar und kann zumindest als exemplarisches Muster dafür dienen, welche Art von Rechtsakten dem Bereich der kommerziellen Kommunikation zuzurechnen sind. Neben allgemeinen unionsrechtlichen Informationspflichten fallen insbesondere auch unionsrechtliche Produktkennzeichnungspflichten im Regelfall unter § 5a Abs. 4 UWG. Die Kennzeichnung oder Nichtkennzeichnung von Produkten dient nämlich als Maßnahme im Vertrieb dem Warenabsatz. Daher fallen unionsrechtlich begründete Produktkennzeichnungs- und Etikettierungsvorschriften grundsätzlich in den Regelungsbereich von § 5a Abs. 4 UWG.137 b) Überschießende Umsetzung unionsrechtlicher Informationspflichten und § 5a Abs. 4 UWG Sehen mitgliedstaatliche Gesetze Informationspflichten vor und beruhen diese nicht auf einer unionsrechtlichen Richtlinienvorgabe, so löst ein Verstoß keine wettbewerbsrechtliche Sanktionierung nach § 5a Abs. 4 UWG beziehungsweise nach Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie aus. Rein nationale Informationspflichten stehen den unionsrechtlichen folglich nicht gleich. Dies ergibt sich aus dem von der UGP-Richtlinie verfolgten Prinzip der Vollharmonisierung, das dem nationalen Gesetzgeber bei der Richtlinienumsetzung die Einführung eines höheren Verbraucherschutzniveaus untersagt, sowie aus Artikel 3 Abs. 5 UGP-Richtlinie. Dieser legt eine zeitliche Frist sowie Voraussetzungen fest, unter denen Mitgliedstaaten strengere Regeln bestehen lassen dürfen. Im Gegenschluss ergibt sich daraus, dass nach Ablauf der Frist im Jahre 2007 strengere nationale Regelungen nicht mehr zulässig waren. Die Sanktionierung von Verstößen gegen rein nationale Kennzeichnungspflichten über § 5a Abs. 4 UWG würde gegen Unionsrecht verstoßen.

135

Köhler, WRP 2012, 251, 255. Ebert-Weidenfeller, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 4 Nr. 11, Rn. 11.14. 137 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 67; Dreyer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 135 f. 136

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

123

Die Frage einer Anwendbarkeit von § 5a Abs. 4 UWG beziehungsweise von Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie auf nationale Informationspflichten erweist sich als komplexer, wenn die mitgliedstaatliche Informationspflicht das Ergebnis einer – zulässigen – überschießenden Richtlinienumsetzung darstellt. Diese Konstellation tritt beispielsweise ein, wenn eine Produktkennzeichnungspflicht im Zusammenhang mit einer unionsrechtlichen Richtlinie steht, die ihrerseits das Prinzip der Mindestangleichung verfolgt, und wenn der Mitgliedstaat mit dieser Kennzeichnungspflicht zulässigerweise ein höheres Verbraucherschutzniveau eingeführt hat. Auf Grund der Gesetzestechnik der dynamischen Verweisung in § 5a Abs. 4 UWG beziehungsweise in Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie kollidieren in diesem Fall das Gebot der Vollharmonisierung in der UGP-Richtlinie und das Prinzip der Mindestangleichung in einer anderen Richtlinie, die Regelungen zur kommerziellen Kommunikation zum Gegenstand hat. Da Mindeststandards bei unionsrechtlichen Informationspflichten ein häufig anzutreffendes Strukturelement darstellen,138 ist diese in der Literatur lediglich ansatzweise erörterte Frage von erheblicher praktischer Relevanz und hoher dogmatischer Bedeutung. Eine überschießende Umsetzung kann in diesem Zusammenhang zum einen darin bestehen, dass ein Mitgliedstaat eine Kennzeichnungspflicht eingeführt hat, die im Unionsrecht nicht vorgesehen, jedoch auch nicht untersagt ist; zum anderen kann das nationale Parlament eine durch Unionsrecht vorgegebene Kennzeichnungspflicht verschärfen, indem etwa zusätzliche Angaben gefordert werden. Nach einer früheren,139 mittlerweile jedoch aufgegebenen140 Ansicht sollen auch solche überschießenden nationalen Informationspflichten in den Anwendungsbereich von § 5a Abs. 4 UWG fallen, wenn diese auf unionsrechtlichen Mindestklauseln beruhen. Eine solche Interpretation basiert auf einer ungenauen Lesart von Erwägungsgrund 15 der UGP-Richtlinie und sie begegnet systematischen sowie rechtspolitischen Bedenken: Erwägungsgrund 15 der UGP-Richtlinie hebt unter Hinweis auf das Prinzip der Vollharmonisierung hervor, dass ausschließlich die im Unionsrecht vorgeschriebenen Informationsanforderungen von der Wesentlichkeitsvermutung des Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie erfasst werden. Dabei bezieht sich die Formulierung von Erwägungsgrund 15 nur auf solche Informationspflichten, die durch die Richtlinie „festgelegt“ oder „vorgeschrieben“ sind. Deshalb sind auch nur die in einer Richtlinie als Pflichten enthaltenen Vorgaben gemeint. Nicht erfasst werden hingegen nationale Informationspflichten, die lediglich das Ergebnis einer überschießenden Richtlinienumsetzung sind. Zur Einführung dieser Pflichten bestand nämlich gerade keine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten; vielmehr wurden sie nur an138

So der Hinweis von Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 66. So in einer früheren Auflage Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2009, § 5a, Rn. 74. 140 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 133. 139

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

lässlich der Umsetzung auf Grund eines autonomen gesetzgeberischen Willens des nationalen Parlaments eingeführt. Überschießende Informationspflichten stellen rein nationales Recht dar und werden daher nicht erfasst. Nichts anderes ergibt sich aus den weiteren Ausführungen von Erwägungsgrund 15, da diese sich ausschließlich auf die vertragsrechtlichen Wirkungen von Informationsanforderungen beziehen. Danach steht es den Mitgliedstaaten frei, im Rahmen einer überschießenden Umsetzung zulässigerweise eingeführte strengere nationale Informationsanforderungen aufrechtzuerhalten, allerdings nur insoweit, als das „Vertragsrecht“, die „vertragsrechtlichen Auswirkungen“ beziehungsweise die „individuellen vertraglichen Rechte der Verbraucher“ betroffen sind. Dies steht in Einklang mit Artikel 3 Abs. 2 UGP-Richtlinie, wonach die UGP-Richtlinie das Vertragsrecht unberührt lassen soll. Folglich kann die UGP-Richtlinie den Mitgliedstaaten auch nicht vorschreiben, welche vertragsrechtlichen Rechtsfolgen beim Verstoß gegen Informationsanforderungen eintreten sollen. Der zentrale Regelungsgegenstand von Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie ist die Etablierung einer unionsrechtlich vereinheitlichten, wettbewerbsrechtlichen Informationshaftung,141 und er erstreckt sich nicht auf allgemeine zivilrechtliche Fragen. Daher ist für den überschießenden Bereich der Umsetzung einer unionsrechtlichen Informationspflicht die wettbewerbsrechtliche Sanktion aus Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie beziehungsweise aus § 5a Abs. 4 UWG nicht einschlägig. Dieses Ergebnis stellt eine systematisch schlüssige Abgrenzung der Regelungsbereiche der UGP-Richtlinie einerseits und der Richtlinie, auf die verwiesen wird, andererseits dar. Soweit es um eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung geht, setzt sich das Prinzip der Vollharmonisierung der UGP-Richtlinie durch. Wenn andere unionsrechtliche Rechtsakte zur Einführung eigenständiger weiter gehender Rechtsfolgen verpflichten oder dazu die Möglichkeit eröffnen, strebt die UGP-Richtlinie hier keine Modifikation an. Dieses Ergebnis steht auch mit dem rechtspolitischen Anliegen der UGP-Richtlinie im Einklang, Verzerrungen im Binnenmarkt durch unterschiedliche Rechtsvorschriften abzumildern.142 Die durch UGP-Richtlinie eingeführte wettbewerbsrechtliche Informationshaftung in den Mitgliedstaaten erhält nämlich eine einheitliche Gestalt, wenn die lauterkeitsrechtliche Sanktion in allen Mitgliedstaaten – zumindest auf der Tatbestandsseite – an dieselben unionsrechtlichen Kennzeichnungspflichten anknüpft.

141

Im Ergebnis ebenso mit Hinweis auf das Ziel der UGP-Richtlinie, einheitliche Informationsanforderungen zu schaffen Köhler, WRP 2009, 109, 117. 142 Siehe Erwägungsgrund 3 der UGP-Richtlinie; siehe auch Brömmelmeyer, GRUR 2007, 295, 297 ff.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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c) Bewertung von § 5a Abs. 4 UWG § 5a Abs. 4 UWG stellt gegenüber der Vermutungsregelung in § 5a Abs. 3143 den vorrangig zu prüfenden allgemeineren Tatbestand dar. In Abgrenzung zu Abs. 3 gelten die Informationspflichten des § 5a Abs. 4 UWG für alle Formen der kommerziellen Kommunikation und nicht nur – wie diejenigen des § 5a Abs. 3 – für konkrete Verkaufssituationen, in denen Angebote unterbreitet werden. Ferner kommt es für § 5a Abs. 4 – neben dem Merkmal der kommerziellen Kommunikation – lediglich auf den unionsrechtlichen Ursprung der – außerhalb des UWG bereits begründeten – Informationspflichten an, während bei § 5a Abs. 3 zur Begründung der Informationspflichten Sachmerkmale aus dem Katalog der Vorschrift erfüllt sein müssen. Der unionsrechtliche Besitzstand an bestimmten Informationspflichten wird durch § 5a Abs. 4 UWG in seiner Gesamtheit in das lauterkeitsrechtlich verpflichtende Informationsgebot integriert und dadurch einer Sanktionierung durch das Lauterkeitsrecht zugeführt. Dadurch wird also gezielt ein europäisches Informationsmodell im Lauterkeitsrecht angelegt. Allerdings birgt die Regelungstechnik einer pauschalen, dynamischen Bezugnahme auf spezialgesetzliche Informationspflichten und die damit verbundene Erhöhung der Sanktionsdichte Risiken. So entsteht eine höhere Dichte an Informationspflichten und eine Verstärkung der Sanktionierung. Nach einer Phase der Deregulierung des Wettbewerbsrechts in Deutschland, die in erster Linie dem Abbau von nationalen Hindernissen für den grenzüberschreitenden Warenverkehr in Gestalt von national unterschiedlichen Wettbewerbsregelungen diente,144 ist mit der Kodifikation von unionsrechtlich vereinheitlichten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten im Lauterkeitsrecht wieder eine starke Tendenz zur Regulierung zu diagnostizieren.145 Für die Unternehmer besteht die Gefahr einer zu hohen, kostenintensiven Informationslast und für die Konsumenten das Risiko einer Überfrachtung mit Informationen, so dass die Verbraucher Gefahr laufen, den für sie wesentlichen Informationen zu wenig Beachtung zu schenken.146 Die Wirkung eines lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells würde auf diese Weise konterkariert. Dies kann noch verstärkt werden, wenn sich der Gesetzgeber der spezialgesetzlichen Informationspflichten der zusätzlichen lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung möglicherweise nicht bewusst ist. Auf der anderen Seite kann die Regelung einen Ausgangspunkt für ein einheitliches Konzept bei der Schaffung von Informationspflichten durch Unionsrecht und für die Entstehung eines europäischen Informationsmodells darstellen. Sieht man 143

Detaillierte Ausführungen zu § 5a Abs. 3 UWG finden sich unten, siehe § 3 A. V. 3. Das deutsche Lauterkeitsrecht wurde als das strengste in Europa bezeichnet; siehe etwa Henning-Bodewig, WRP 2001, 771. 145 Ebenso die Einschätzung von Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 39. 146 Bezogen auf die Richtlinienvorgabe spricht Peifer, WRP 2008, 556, 560, 562, von einem Potential zur Regulierung. 144

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

davon ab, dass die Rechtsfolgen des Lauterkeitsrechts nicht europäisch harmonisiert sind,147 so werden auf diese Weise zumindest unionsrechtliche Informationspflichten auf einheitliche Weise einer Sanktionierung zugeführt. Dadurch wird auch der Gefahr entgegengewirkt, dass folgenlose Informationspflichten als Scheinkompromisse implementiert werden. Häufig ergibt sich nämlich nun Sanktionierung aus dem Lauterkeitsrecht. Gegenüber einer denkbaren Überlastung der Unternehmen mit Informationspflichten enthält das Gesetz verschiedene Stellschrauben. So bergen die Medienklausel sowie die Tätigkeit von Informationsintermediären und die Möglichkeit, in bestimmten Fällen die Informationen auf alternativen Wegen zu liefern,148 eine gewisse Flexibilität gegenüber einer Überregulierung des Informationsverhaltens.149 Schließlich sind die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern beschränkt. Wegen einer möglicherweise zu hohen Informationslast sollte § 5a Abs. 2 – 5 UWG nicht auf sonstige Marktteilnehmer erstreckt werden.150 Sonstige Marktteilnehmer sind nicht in gleicher Weise durch Informationspflichten schutzwürdig wie Verbraucher.151 Jedenfalls sollte § 5a Abs. 4 UWG aber eng ausgelegt werden, damit tendenziell nur solche Informations- und Kennzeichnungspflichten einer lauterkeitsrechtlichen Sanktion zugeführt werden, die auch eine lauterkeitsrechtliche Zielsetzung im Bereich von Werbung und kommerzieller Kommunikation verfolgen. Der Wortlaut des § 5a Abs. 4 UWG enthält hier eine leichte Unsicherheit bezüglich des Kreises der in Bezug genommenen unionsrechtlichen Verordnungen: Die Beschränkung auf solche unionsrechtlichen Rechtsakte, die der Werbung und kommerziellen Kommunikation gelten, bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut in der europäischen Vorgabe des Artikel 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie sowohl auf Verordnungen als auch auf Richtlinien. Hingegen ist im Wortlaut des deutschen § 5a Abs. 4 UWG nicht ganz eindeutig, dass sich diese sachliche Beschränkung auch auf Verordnungen bezieht. Hier sollte einer engen – und auch pflichtgemäß richtlinienkonformen – Auslegung gefolgt werden. Danach sind also nur solche Verordnungen gemeint, die sich auf Werbung und kommerzielle Kommunikation beziehen.

3. Vermutung der Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 3 UWG Die Wesentlichkeit einer unterbliebenen Information wird vermutet, wenn diese in dem Katalog des § 5a Abs. 3 UWG aufgeführt wird. Damit werden Basisinfor147

Zur fehlenden Harmonisierung des lauterkeitsrechtlichen Rechtsfolgensystems siehe § 5 B. IV. 1. 148 Zur Medienklausel und zur anderweitigen Zurverfügungstellung von Informationen siehe § 3 A. III. 6. 149 Fezer, WRP 2010, 577, 581. 150 So auch Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 38. 151 Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 38.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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mationen gesetzlich normiert, die der Verbraucher – nach den Vorstellungen des Gesetzgebers – benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen.152 Die bloße Nichtmitteilung dieser Umstände wird über § 5a Abs. 2 UWG einer Irreführung gleichgestellt, wenn dessen zusätzliche Voraussetzungen gegeben sind. Der § 5a Abs. 3 UWG enthält eine – vor allem im Vergleich mit dem allgemeinen Zivilrecht – äußerst weit gefasste Pflicht des Verkäufers zur ungefragten Offenbarung der essentialia negotii gegenüber dem Käufer. Diese Offenbarungspflicht unterliegt jedoch zwei wichtigen Einschränkungen, die eine Reduzierung der unternehmerischen Informationslast darstellen: Zum einen gilt § 5a Abs. 3 UWG – wie sich aus dem Zusammenhang mit Abs. 2 ergibt – ausschließlich gegenüber Verbrauchern und nicht für die Kommunikation zwischen Unternehmern.153 Zum anderen greift die spezielle Informationspflicht des § 5a Abs. 3 UWG nicht bei jeglicher Kommunikation – oder etwa bei jedem Gespräch – des Verkäufers mit dem Verbraucher, sondern erst, wenn ein bestimmtes Stadium des Vertragsschlusses erreicht ist. Das Gesetz umschreibt diese Situation mit dem Tatbestandsmerkmal des Anbietens von Waren und Dienstleistungen und geht davon aus, dass in diesem Stadium ein erhöhtes Informationsbedürfnis des Verbrauchers besteht, das Informationspflichten auf Seiten des Verkäufers rechtfertigt. a) Anbieten von Waren und Dienstleistungen Der § 5a Abs. 3 UWG findet daher ausschließlich in Situationen Anwendung, in denen Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten werden, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann. aa) Rechtspolitische Erwägungen bei Auslegung des Angebotsbegriffs Damit gelten die Informationspflichten des § 5a Abs. 3 nicht für jegliche geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern, sondern nur für das konkrete Anbieten von Waren oder Dienstleistungen.154 Demgegenüber greifen die speziellen – an europarechtliche Vorgaben anknüpfenden – Informationsgebote in § 5a Abs. 4 bei allen geschäftlichen Handlungen. Die mehrstufige Regelungstechnik in Abs. 3 zielt darauf ab, die Informationspflichten nach der Nähe zum Vertragsschluss abzustufen.155 Dies stellt eine Absicherung gegenüber möglicherweise zu weit gehenden 152

Siehe Erwägungsgrund 14 der UGP-Richtlinie. Zur Schaffung eines Sonderwettbewerbsrechts für Verbraucher siehe § 3 A. II. 154 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 30; Dreyer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 90; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 36; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 32. 155 Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 92; Alexander, WRP 2012, 125, 126. 153

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Informationspflichten dar und lindert die Informationslast für Unternehmer.156 Gleichzeitig trägt dieses einschränkende Tatbestandsmerkmal dem Umstand Rechnung, dass die geschäftliche Kommunikation durch allgegenwärtige Informationspflichten zu schwerfällig werden kann. Es entspricht auch nicht dem Interesse und der Aufnahmefähigkeit des Käufers, bereits in einem sehr frühen Stadium vollumfänglich informiert zu werden. Zunächst wird er seine Suche an den für seine individuelle Präferenzstruktur relevanten Gesichtspunkten ausrichten und erst bei einer näheren Konkretisierung des Entscheidungsprozesses mehr Wert auf detailliertere Information legen. Der Anwendungsbereich von § 5a Abs. 3 Nr. 1 – 5 UWG würde erheblich erweitert, wenn man großzügig ein konkretes Anbieten bejaht und etwa lediglich einzelne Situationen des informellen Geschäftskontaktes von der Informationspflicht ausnimmt.157 Auf diese Weise könnte der Fall des § 5a Abs. 3 UWG in der Praxis leicht zum Normalfall werden158 und eine allgemeine Aufklärungspflicht begründet werden. Unter diesem Gesichtspunkt spricht einiges für eine enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals. Andererseits spricht das von der UGP-Richtlinie angestrebte hohe Verbraucherschutzniveau für eine weite Auslegung.159 Bejaht man aus diesem Grund eine weite Auslegung des Angebotsbegriffs das Eingreifen der Informationspflicht, so sollte dem Gesichtspunkt der Informationslast zumindest bei der Frage Rechnung getragen werden, wie detailliert die Informationsverpflichtung zu verstehen ist. bb) Europarechtliche Anforderungen bei Auslegung des Angebotsbegriffs Zur Auslegung des Begriffs des Anbietens sind im Wege der richtlinienkonformen Auslegung die europarechtlichen Vorgaben zu beachten. (1) Europäische Begriffsvorgabe: „Aufforderung zum Kauf“ Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie verwendet die Formulierung „Aufforderung zum Kauf“, was wiederum in Artikel 2 i) UGP-Richtlinie gesetzlich definiert wird als jede kommerzielle Kommunikation, welche die Merkmale des Produktes und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und die den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen. Dabei ist es nicht notwendig, dass – etwa durch die Angabe einer Telefonnummer – ein Kauf konkret durchführbar ist; maßgeblich ist vielmehr, ob die über das Produkt 156

Peifer, WRP 2008, 556, 560; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 37. 157 Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 785. 158 Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 93. 159 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 29; siehe hierzu auch Emmerich, JuS 2012, 651.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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zur Verfügung gestellte Information grundsätzlich eine Kaufentscheidung ermöglicht.160 Bei Angabe des Preises dürfte dies häufig der Fall sein. Der EuGH hat im Vorlageverfahren „Konsumentombudsmannen/Ving Sverige“161 hervorgehoben, dass es für das Entstehen einer Informationspflicht nicht erforderlich ist, dass die Kommunikation gegenüber dem Verbraucher eine tatsächliche Möglichkeit zum Erwerb des Produktes enthält oder mit einer solchen Möglichkeit in einem Zusammenhang steht. Die Legaldefinition der Aufforderung zum Kauf in Artikel 2 i) UGP-Richtlinie wurde nicht als separate Definition in das UWG übernommen, sondern innerhalb von § 5a Abs. 3 UWG umgesetzt. Gesetzestechnisch wäre es jedoch vorzugswürdig, wenn auch im deutschen Recht eine separate Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals vorgenommen würde. Die Verbotstatbestände Nr. 5 (Verbot von Lockangeboten) und Nr. 6 (Verbot der bait and switch-Technik) des Anhangs enthalten nämlich das Tatbestandsmerkmal „Vertragsangebote im Sinne von § 5a Abs. 3“ und verweisen daher auf § 5a Abs. 3 UWG. Diese Bezugnahme könnte als ein Verweis auch auf die weiteren Voraussetzungen des § 5a Abs. 3 UWG missverstanden werden.162 Eine solche Lesart der Vorschriften im Anhang wäre jedoch ein Verstoß gegen die Vorgaben der UGP-Richtlinie, die eine Vollharmonisierung fordert. Bei den Tatbeständen der so genannten schwarzen Liste im Anhang handelt es sich nämlich um per se-Verbote.163 Dies bedeutet, dass die dort aufgeführten Praktiken verboten sind, ohne dass weitere Voraussetzungen zu prüfen wären oder geprüft werden dürfen. Die Legaldefinition in Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie enthält den Begriff der kommerziellen Kommunikation. Darin liegt eine Einschränkung in dem Sinne, dass die Informationspflichten bei einer nicht-kommerziellen Kommunikation nicht zum Tragen kommen. Zur Ausfüllung des Begriffs der kommerziellen Kommunikation kann seinerseits auf die Legaldefinition in Artikel 2 f) der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zurückgegriffen werden.164 Danach erfasst „kommerzielle Kommunikation“ alle Formen der Kommunikation, die der mittelbaren oder unmittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes eines Unternehmens dienen. Ausgenommen sind dabei Angaben, die direkten Zugang zur Tätigkeit des Unternehmens ermöglichen, wie etwa Domain-Namen sowie Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden. 160 European Commission, Guidance on the Implementation / Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC(2009) 1666, S. 48. 161 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 27 ff. Der BGH ist dieser Rechtsprechung gefolgt; siehe BGH WRP 2014, 435, Rn. 8 – Der Neue. 162 So der Hinweis von Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 36. 163 Köhler/Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, Anh zu § 3 III, Rn. 0.10. 164 Ebenso Lettl, WRP 2008, 155, 157; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 91.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Neben expliziten Äußerungen werden auch rein tatsächliche Verhaltensweisen165 sowie implizites Handeln vom Begriff der kommerziellen Kommunikation erfasst. Für den engeren Begriff „Anbieten“ im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG ist es daher ebenfalls ausreichend, wenn sich die Bedingungen für das Geschäft aus den Umständen ergeben. Die Informationspflichten kommen daher nicht nur etwa bei einer konkreten Kaufmöglichkeit in einem Online-Shop zum Tragen, sondern auch bei anderen Formen der kommerziellen Kommunikation wie etwa bei Flyern, Anzeigen und bei Prospekten.166 (2) Kein pauschaler Rückgriff auf nationale Rechtsbegriffe Bei der Auslegung eines unionsrechtlichen Rechtsbegriffs ist ferner der europarechtliche Grundsatz der autonomen Auslegung zu beachten.167 Danach sind Begriffe des Unionsrechts unabhängig von einem nationalen Rechts- und Begriffsverständnis auszufüllen. Dieser methodische Grundsatz ergibt sich aus dem Anliegen, durch die unionsrechtlichen Rechtsakte in effektiver Weise eine Rechtsharmonisierung oder Rechtsvereinheitlichung in den Mitgliedstaaten herbeizuführen. Dieses Ziel würde – unter Verstoß gegen den effet utile-Grundsatz – konterkariert, wenn ein und derselbe Rechtsbegriff in verschiedenen Mitgliedstaaten unter Rückgriff auf ein jeweils unterschiedliches nationales Rechtsverständnis ausgefüllt würde. Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Anbietens im deutschen § 5a Abs. 3 UWG orientiert sich die ein Teil der Literatur an deutschen zivilrechtlichen Begrifflichkeiten.168 Diese Vorgehensweise kann den Vorteil einer einfacheren Handhabung und der Wahrung der begrifflichen Einheitlichkeit in der (nationalen) Rechtsordnung für sich verzeichnen; sie muss jedoch jedenfalls unter den zuvor diskutierten Vorbehalt gestellt bleiben, dass die europarechtlich geprägten Begriffe nicht einem rein nationalen Begriffsverständnis weichen dürfen. Dabei erweist es sich als hilfreich, zunächst die Fälle zu identifizieren, die jedenfalls beziehungsweise jedenfalls nicht zum Entstehen einer lauterkeitsrechtlichen Informationspflicht ausreichen.169 Bei dieser Vorgehensweise wird zwar auf nationale Rechtsbegriffe Bezug genommen, jedoch sollte dabei nicht ein nationaler Rechtsbegriff pauschal an die Stelle des autonom auszufüllenden europäischen Tatbestandsmerkmals gesetzt werden.

165

Lettl, WRP 2008, 155, 157; Köhler/Lettl, WRP 2003, 1019, 1034. Birk, GRUR-Prax 2014, 100. 167 Zum Prinzip der autonomen Auslegung siehe etwa Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2010, § 11. 168 So orientiert sich ein Teil der Literatur beispielsweise an der deutschen PAngV; siehe hierzu unten § 3 A. V. 3. a) gg). Eine eigenständig lauterkeitsrechtliche Begriffsbildung wird verfolgt von Schulte-Nölke/Busch, ZEuP 2004, 99, 106. 169 So die nachfolgend gewählte Vorgehensweise. 166

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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cc) Keine Beschränkung auf Kaufverträge und Angebote im Sinne des BGB So ist etwa der Begriff „Kauf“ in Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie sowie in Artikel 2 i) UGP-Richtlinie nicht im Sinne der deutschen Rechtsterminologie zu verstehen. Vielmehr werden nicht nur Kaufverträge, sondern etwa auch Verträge über Dienstleistungen erfasst.170 Die UGP-Richtlinie ist schon in ihrer Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, Informationspflichten lediglich in Bezug auf Vertragsschlüsse zu etablieren, die einem Sachkauf im Sinne des deutschen Rechts entsprechen. Zudem ergibt sich in der UGP-Richtlinie an zahlreichen Stellen, dass ihr Anwendungsbereich sich nicht auf Sachkäufe beschränkt. Beispielsweise umfasst der Terminus „Produkt“ nach der Legaldefinition in Artikel 2 c) UGP-Richtlinie Waren, Dienstleistungen, Immobilien, Rechte sowie Verpflichtungen. Daher werden durch die Formulierung „Kauf“ auch Austauschverträge erfasst, die beispielsweise eine Dienstleistung zum Gegenstand haben. Der deutsche Gesetzgeber hat dies bei der Umsetzung im Wortlaut des § 5a Abs. 3 UWG beachtet. So vermeidet er in der deutschen Vorschrift den Begriff „Kauf“, der in der deutschen Rechtssprache durch das Verständnis im Sinne der §§ 433 ff. BGB belegt ist. Die deutsche Vorschrift führt Angebote sowohl für Waren als auch für Dienstleistungen auf und stellt damit klar, dass die Informationspflicht nicht auf Sachkäufe beschränkt ist.171 Aus denselben methodischen Auslegungsgründen ist etwa auch der Begriff des Anbietens in § 5a Abs. 3 UWG nicht mit dem Rechtsterminus des Angebotes im Sinne der §§ 145 ff. BGB gleichzusetzen.172 Vielmehr ist zunächst der Begriff in der Richtlinie autonom und unabhängig von einem mitgliedstaatlichen Begriffsverständnis auszufüllen. Erst dann ist anhand des so gewonnenen Inhalts des unionsrechtlichen Begriffs in Artikel 7 Abs. 4 UGPRichtlinie die deutsche Regelung in § 5a Abs. 3 UWG richtlinienkonform auszulegen.173 dd) Bindende Angebote und invitatio ad offerendum Liegt ein rechtlich bindendes Angebot im Sinne von § 145 BGB vor, so ist eine lauterkeitsrechtliche Informationspflicht jedenfalls zu bejahen. In diesem Zeitpunkt 170

Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 93. 171 Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1031; Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 785; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 37; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 30a; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 93. 172 Zur Feststellung, dass der Begriff „Angebot“ im Sinne von § 145 BGB den Begriff „Anbieten“ im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG zwar erfüllt, aber nicht erschöpfend ausfüllt, siehe § 3 A. V. 3. a) (dd). 173 Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1031 f.; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 32.

132

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

kommt mit der Annahme bereits ein rechtlich bindender Vertrag zustande, und das Angebot muss zur zivilrechtlichen Wirksamkeit ohnehin Angaben über alle essentialia negotii enthalten. Würden nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt auch die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten eingreifen, so würde das Ziel der Regelung gänzlich verfehlt, das darin besteht, eine informierte Kaufentscheidung des Verbrauchers sicherzustellen. Ebenso sind die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten jedenfalls dann anwendbar, wenn zivilrechtlich eine invitatio ad offerendum174 vorliegt. Bei einer invitatio ad offerendum handelt es sich um eine unverbindliche Mitteilung über die eigene Bereitschaft zum Vertragsschluss, die jedoch noch kein rechtlich bindendes Angebot im Sinne von § 145 BGB darstellt.175 Diese Mitteilung muss den Empfänger seinerseits in die Lage versetzen, ein rechtlich bindendes Angebot im Sinne von § 145 BGB abzugeben. Dies ist beispielsweise bei einem Verkaufsprospekt oder der Auslage von Waren der Fall. In dieser Situation legt sich der Verkäufer in Bezug auf die Vertragsbedingungen und die Charakteristika des Vertragsgegenstands bereits weitgehend fest, die aus seiner Perspektive Inhalt des Rechtsgeschäfts werden sollen. Eine weitere Verhandlung findet im Verbraucherbereich dann typischerweise nicht mehr statt. Der Käufer muss sich bei der Abgabe seiner Erklärung daher im Regelfall zu den im Wesentlichen vorgegebenen Bedingungen bereits rechtlich verbindlich festlegen, und der Verkäufer entscheidet dann – etwa wenn die Lieferbarkeit geklärt ist – durch die Annahme dieses Angebotes über das endgültige Zustandekommen des Vertrages. Damit der Käufer in dieser Situation eine informierte Entscheidung treffen kann, muss er die dazu notwendigen Informationen bereits mit der invitatio ad offerendum erhalten. Soll die lauterkeitsrechtliche Informationspflicht ihr Ziel erreichen, eine informierte Käuferentscheidung zu ermöglichen, so sollte sie daher bereits bei der Abgabe einer invitatio ad offerendum eingreifen. Daher stellen sowohl rechtlich bindende Angebote als auch Aufforderungen zur Abgabe eines solchen Angebotes eine ausreichende Voraussetzung zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals des Anbietens dar;176 in diesen Situationen greift die lauterkeitsrechtliche Informationspflicht jedenfalls ein. Der Entscheidungsprozess hat dann bereits ein Stadium erreicht, in dem die Konturen des späteren Geschäfts schon im Wesentlichen festliegen.

174 So bereits die allgemeine Ansicht zum Richtlinienentwurf: Keßler/Micklitz, BB 2003, 2073, 2077; Seichter, WRP 2005, 1087, 1093; Apostolopoulos, WRP 2004, 841, 848; Apostolopoulos, GRUR Int 2005, 292, 298. 175 Bork, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2010, § 145, Rn. 3; Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2012, § 145, Rn. 9, 11 ff. 176 So – wenngleich ohne nähere Argumentation – die allgemeine Ansicht; siehe etwa Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 32; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 30a f.; Peifer, WRP 2008, 556, 560; Apostolopoulos, WRP 2004, 841, 848; Seichter, WRP 2005, 1087, 1093.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Jedoch ist weder ein bindendes Angebot noch eine invitatio ad offerendum eine notwendig erforderliche Voraussetzung zur Anwendung von § 5a Abs. 3 UWG;177 sie füllen den Tatbestand also nicht abschließend aus. In dem Fall „Preiswerbung ohne Umsatzsteuer“178 wurden in einem Internetportal für Autos die Preise ohne Umsatzsteuer angegeben. Der BGH hielt fest, dass für eine Aufforderung zum Kauf ein bindendes Angebot im Sinne von § 145 BGB nicht erforderlich ist;179 die Präsentation auf der Internetplattform war daher ausreichend. Der Bundesgerichtshof wies zugleich den Einwand zurück, dass keine Veräußerung an Letztverbraucher geplant sei und daher eine Angabe des Preises inklusive der Umsatzsteuer nicht erforderlich sei.180 Eine Veräußerung an private Endkunden sei – so der Bundesgerichtshof – vorliegend nicht auszuschließen und §5a Abs. 3 UWG enthalte eine unwiderlegliche Vermutung, dass die Informationspflichtverletzung sich auf die Entscheidung auswirken könne. Zusammenfassend kann daher der Begriff des Anbietens im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG bereits in früheren auf den Produktabsatz bezogenen Phasen erfüllt sein. So hebt auch die Gesetzesbegründung hervor, dass die Informationspflichten in § 5a Abs. 3 UWG nicht auf Fälle beschränkt sind, in denen bereits die – recht engen – Voraussetzungen einer invitatio ad offerendum erreicht sind.181 Dies ergibt sich methodisch wiederum aus dem europarechtlichen Grundsatz der autonomen Auslegung. ee) Ausschluss von Aufmerksamkeits- und Imagewerbung Die Frage, wann die lauterkeitsrechtliche Informationspflicht jedenfalls nicht eingreifen soll, wann also kein Anbieten im Sinne der Vorschrift vorliegt, lässt sich im Hinblick auf die dadurch geschaffene Informationslast beantworten.182 Die unternehmerische Kommunikation gegenüber Verbrauchern kann vielfältige und auch unverbindliche Formen annehmen. Wäre bei jedem Kontakt eine umfassende Information der Gegenseite vorzunehmen, so würde dies eine erhebliche Belastung für die Unternehmen wie auch für die Konsumenten, welche die Information verarbeiten müssen, mit sich bringen und zu einer Schwerfälligkeit der Kommunikation zwischen Verkäufern und potentiellen Käufern führen, da jedes Mal ein umfangreicher Hinweis in Bezug auf die essentialia negotii des möglichen Vertrages gegeben 177 So auch in Bezug auf die UGP-Richtlinie European Commission, Guidance on the Implementation / Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC (2009) 1666, S. 51. 178 BGH GRUR 2011, 82 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer. 179 BGH GRUR 2011, 82, Rn. 33 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer. 180 BGH GRUR 2011, 82, Rn. 33 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer. 181 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25. 182 Allgemein für die Berücksichtigung von Informationskosten plädiert Apostolopoulos, GRUR Int 2005, 292, 299.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

werden müsste. Daher begründet auch das Gesetz die Informationspflicht explizit nicht für jegliche geschäftlichen Handlungen, sondern lediglich für Situationen, in denen ein Vertragsschluss hinreichend konkret bevorsteht. Bei einer reinen Aufmerksamkeits- und Imagewerbung, bei der die konkreten Eigenschaften eines Produktes noch nicht im Vordergrund stehen, liegt daher nach der überwiegenden Meinung jedenfalls kein „Anbieten“ im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG vor.183 Zudem greift die Informationspflicht nicht ein, wenn allgemein eine Marke und nicht ein bestimmtes Produkt beworben wird.184 ff) Werbung mit Eckpreisen und für Produktvarianten als Aufforderung zum Kauf Wenn eine Werbung nicht den allgemeinen Charakter einer Image-Werbung hat, jedoch bezüglich eines konkreten Produktes lediglich eine geringer ausgeprägte Detailliertheit aufweist, so stellt sich die Frage, ob ein Anbieten im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG beziehungsweise eine Aufforderung zum Kauf im Sinne der UGPRichtlinie vorliegt. Dann nämlich würden die Informationspflichten ausgelöst. Vom Schutzzweck her sollte eine Informationspflicht dann ausgelöst werden, wenn die Angaben zu einem Produkt so konkret sind, dass der Verbraucher in einen Entscheidungsprozess versetzt wird, der vor einer Verzerrung durch unvollständige Informationen geschützt werden sollte. In dem Vorlageverfahren „Konsumentombudsmannen/Ving Sverige“185 ging es um die Frage, ob die Angabe eines Eckpreises bereits ausreichend ist, um eine Aufforderung zum Kauf anzunehmen. Die Legaldefinition der Aufforderung zum Kauf Artikel 2 i) UGP-Richtlinie nimmt nämlich auf die Nennung des Preises Bezug. In dem Fall machte ein schwedisches Reisebüro Werbung für Reisen nach New York, die für einen bestimmten Zeitraum von verschiedenen Heimatflughäfen aus und mit verschiedenen Unterbringungsmöglichkeiten offeriert wurden. Als Preis wurde dabei, begleitet von einer Webadresse und einer Telefonnummer, ein Eckpreis angegeben, also ein Preis, ab dem eine Buchung möglich war. Der EuGH hebt hervor, dass Artikel 2 i) UGP-Richtlinie nicht die Angabe des Endpreises verlangt, sondern lediglich von „Preis“ spricht.186 Ein Unternehmen könnte sich der Hinweispflicht 183 Birk, GRUR-Prax 2014, 100, 101; Lettl, GRUR-RR 2009, 41, 44; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 37; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 32; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 93; Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 785; Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25; zur alten Rechtslage, aber mit derselben Wertung: Steingass/Teworte, WRP 2005, 676, 681. Bezogen auf die UGP-Richtlinie Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 2004, S. 31. 184 Alexander, WRP 2012, 125, 126. 185 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903. 186 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 36.

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leicht entziehen und damit die praktische Wirksamkeit der UGP-Richtlinie beeinträchtigen, indem das Unternehmen sich darauf beschränkt, immer nur Eck- oder Mindestpreise anzugeben, wenn man dies nicht als Aufforderung zum Kauf wertet.187 Wenn für Produktgruppen oder verschiedene Ausführungen geworben wird, so kann zudem – gerade in Hinblick auf die Beschränkungen des Kommunikationsmittels – bei der Werbung für Produktgruppen eine ausdifferenzierte Preisangabe praktisch schwierig sein.188 Der EuGH hielt daher fest, dass bei der Werbung für eine Produktgruppe oder verschiedene Ausführungen eines Produktes auch bei der Angabe eines Mindestpreises eine Aufforderung zum Kauf vorliegt, soweit der Verbraucher dadurch in die Lage versetzt wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen.189 Artikel 2 i) UGP-Richtlinie stellt zudem für das Vorliegen einer Aufforderung zum Kauf darauf ab, dass Merkmale des Produktes angegeben werden. Der EuGH hatte zu entscheiden, ob es bei einer Werbung für verschiedene Ausführungen eines Produktes ausreichend ist, wenn in Wort und Bild ein und dieselbe Bezugnahme auf das Produkt erfolgt. Der EuGH weist darauf hin, dass Artikel 2 i) UGP-Richtlinie auf die verwendeten Mittel der kommerziellen Kommunikation abstellt und daher bei verschiedenen Kommunikationsformen wie Fernsehen, Hörfunk oder Internet nicht derselbe Grad an Detailliertheit bei der Produktbeschreibung zu fordern sei.190 Den mitgliedstaatlichen Gerichten obliege die Prüfung, ob der Verbraucher so hinreichend informiert werde, um das Produkt in Hinblick auf eine geschäftliche Entscheidung zu unterscheiden und zu identifizieren.191 Da könne bei einer Werbung für Produktvarianten oder mit Mindestpreisen grundsätzlich – so der EuGH – eine Aufforderung zum Kauf mit entsprechenden Informationspflichten vorliegen.192 Die weite Auslegung bezüglich des Eintretens der Informationspflicht wird von dem Umstand getragen, dass die UGP-Richtlinie ein hohes Verbraucherschutzniveau anstrebt. Gleichzeitig erhöht jedoch eine weite Auslegung potentiell die Informationslast für den Werbenden. Eine solche negative Auswirkung könnte dadurch begrenzt werden, dass man an den Inhalt der Informationspflicht nicht zu hohe Anforderungen stellt. Vom Vorliegen einer Aufforderung zum Kauf ist nämlich die Frage zu unterscheiden, auf welche Weise bei einer solchen Werbung für Produkt-

187 EuGH, Rn. 39. 188 EuGH, Rn. 37. 189 EuGH, Rn. 41. 190 EuGH, Rn. 45. 191 EuGH, Rn. 48. 192 EuGH, Rn. 49.

Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903,

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gruppen oder Produktvarianten den Informationspflichten zu Preis und Produktmerkmalen Rechnung getragen werden kann.193 gg) Die Preisangabenverordnung (PAngV) als Modell? Zur Auslegung des Begriffs des Angebotes in § 5a Abs. 3 UWG wird in Teilen der Literatur als Richtschnur auf den Angebotsbegriff in § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV sowie auf die diese Vorschrift konkretisierende Rechtsprechung zurückgegriffen.194 Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet sich die Aussage, dass ein Angebot von Waren im Sinne von § 1 PAngVeiner Aufforderung zum Kauf im Sinne von Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie entspreche.195 Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV besteht eine Pflicht zur Angabe des Endpreises unter anderem dann, wenn ein Anbieten von Waren gegenüber dem Letztverbraucher vorliegt oder wenn unter Angabe von Preisen geworben wird. Der Begriff des Anbietens in § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV geht ebenfalls über den zivilrechtlichen Begriff des Angebotes im Sinne von § 145 BGB hinaus.196 Nach der PAngV sind Preisangaben bei jeder Kommunikation im Geschäftsverkehr vorzunehmen, die inhaltlich so konkret gefasst ist, dass sie nach der Verkehrsauffassung den Abschluss eines Geschäfts auch aus Sicht des Kunden ohne Weiteres zulässt.197 Maßgeblich ist also, ob eine Erklärung – unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Wirkung – im rein tatsächlichen Sinn als auf den Verkauf einer konkreten Ware gerichtet verstanden wird. Wenn bei einer Herstellerwerbung kein Preis angegeben wird oder wenn es bei einer Werbung noch weiterer Verhandlungen und Informationen bedarf, um das Geschäft zum Abschluss zu bringen, dann liegt noch kein Anbieten im Sinne des PAngV vor.198 Allerdings ist ein Rückgriff auf § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV einer Einschränkung zu unterwerfen: Der europarechtlich geprägte und daher autonom zu bestimmende Begriff des Anbietens in § 5a Abs. 3 UWG darf aus Gründen der Rechtsquellenhierarchie nicht konstitutiv durch ein nationales Rechtsverständnis ausgefüllt werden; daher ist lediglich eine Anlehnung an nationale Konzepte möglich, soweit sie 193 Zu den Anforderungen an die Pflichtangaben bei der Werbung für Produktgruppen siehe § 3 A. V. 3. b) ff). 194 Siehe etwa Steinbeck, WRP 2006, 632, 636; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 32. 195 BGH GRUR 2010, 248, Rn. 16 – Kamerakauf im Internet. 196 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 1 PAngV, Rn. 5. 197 BGH GRUR 2003, 971, 972 – Telefonischer Auskunftsdienst: Der BGH stellte fest, dass es ein – preisangabepflichtiges – Leistungsangebot darstelle, wenn bei der Werbung für eine konkrete Dienstleistung eine Telefonnummer angegeben wird, die es dem Verbraucher ermöglicht, unmittelbar auf die angebotene Dienstleistung zuzugreifen. BGH GRUR 1983, 658, 659, 660 – Hersteller-Preisempfehlung in KfZ-Händlerwerbung: Das Gericht betonte, dass ein Anbieten im Sinne der PAngV nicht nur bei einem förmlichen Angebot im Sinne von § 145 BGB vorliegt. Vielmehr ist bereits eine Ankündigung ausreichend, die in ihrem Inhalt so konkret ist, dass sie den Abschluss eines Geschäfts ohne Weiteres zulässt. 198 BGH GRUR 2004, 960, 961 – 500 DM Gutschein für Autokauf.

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den europarechtlichen Vorgaben entsprechen.199 Neben dieser dogmatischen Begründung ergibt sich auch ein rechtspolitisches Argument für eine eigenständige Begriffsbildung in § 5a Abs. 3 UWG: § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV etabliert mit der Pflicht zur Preisangabe eine Informationslast, die gerade für kleinere Unternehmen beträchtlich sein kann. Inhaltlich geht demgegenüber die durch § 5a Abs. 3 UWG geschaffene Informationspflicht über eine bloße Angabe des Endpreises noch hinaus, indem sie etwa Ausführungen zu nahezu den gesamten essentialia negotii verlangt. Dies stellt eine weitaus größere Informationslast dar. Dieser Unterschied in der Belastung der Unternehmen spiegelt sich auch im Gesetz wider, indem das UWG – quasi als Ausgleich – weitere Merkmale zur Einschränkung der Informationspflicht enthält. So ist bei § 5a Abs. 2, 3 UWG – anders als bei § 1 Abs. 1 PAngV – die Angabepflicht durch das Erfordernis der Berücksichtigung der zeitlichen und räumlichen Beschränkungen des Kommunikationsmittels eingeschränkt sowie durch die Möglichkeit, unterbliebene Angaben unter bestimmten Voraussetzungen anderweitig zu machen.200 In beiden Vorschriften stellt jedoch der Begriff des Anbietens eine wesentliche Stellschraube zur Justierung der Informationslast dar. Da die Informationslast bei § 5a Abs. 3 UWG umfassender ist, sollte auch der Begriff des Anbietens in den beiden Vorschriften eigenständig ausgelegt werden. hh) Zwischenergebnis zum Anbieten von Waren und Dienstleistungen Der Begriff des Anbietens ist unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben zu entwickeln. Bei der Bestimmung der Nähe des geschäftlichen Kontaktes, ab der die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten eingreifen sollen, hat eine Abwägung zu erfolgen zwischen dem berechtigten Informationsinteresse des Käufers und der Belastung des Verkäufers dadurch, dass er – auch ungefragt – Auskünfte erteilen muss. Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich, dass ein konkretes Anbieten im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG bei jeder Erklärung vorliegt, auf Grund derer der Verbraucher in die Lage versetzt wird, sich zum Erwerb des Produktes unter bestimmten Bedingungen zu entschließen.201 Die Möglichkeit eines tatsächlichen Erwerbs ist jedoch nicht erforderlich. Dabei ist es jedenfalls ausreichend, wenn die

199 Ähnlich der Hinweis von Lettl, GRUR-RR 2009, 41, 44, dass nicht per se eine gleichbedeutende Auslegung mit einem rein mitgliedstaatlichen Rechtsbegriff erfolgen darf. 200 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 37; ähnlich in Bezug auf die UGP-Richtlinie: European Commission, Guidance on the Implementation/Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC(2009) 1666, S. 48. 201 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 32; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 30a; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 94; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 37.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

essentialia negotii bekannt sind.202 Eine rechtlich relevante Willenserklärung des Unternehmers ist dabei nicht notwendig. Jedenfalls greift die lauterkeitsrechtliche Informationspflicht des § 5a Abs. 3 UWG dann ein, wenn eine spezifische Verkaufssituation besteht, wie etwa in konkreten Verkaufsgesprächen, bei der Warenauslage, bei Warenautomaten, bei Katalogen oder bei Warenprospekten.203 Im Internetverkehr liegt im Regelfall ein Anbieten in Gestalt einer invitatio ad offerendum vor, wenn Waren auf eine Art und Weise präsentiert werden, so dass ein Angebot durch den Konsumenten möglich ist.204 Sind hingegen weitere Verhandlungen oder konkretisierende Mitteilungen erforderlich, so findet § 5a Abs. 3 UWG grundsätzlich keine Anwendung.205 Bei einer bloßen Imagewerbung bestehen keine Informationspflichten. Erfolgen beispielsweise keine Preisangaben, so ist das Erfordernis eines konkreten Anbietens ebenfalls nicht erfüllt. Dementsprechend wird auch Produktwerbung – sei es in Druck- oder Rundfunkmedien oder im Internet – ausschließlich dann erfasst, wenn sie die für eine Kaufentscheidung erforderlichen Details aufführt. Dies wird bei der Werbung eines Händlers für ein spezifisches Angebot regelmäßig der Fall sein, während es bei einer Werbung durch den Hersteller ohne Verweis auf Vertriebswege und Preise an dieser Voraussetzung meist mangeln wird. Bei einer Werbung mit Mindestpreisen oder bei der Angabe von Produktdetails in Bezug auf verschiedene Produktvarianten kann bereits eine Aufforderung zum Kauf vorliegen. Der § 1 PAngV kann – vor allem wegen der Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung – nur bedingt zur Auslegung von § 5a Abs. 3 UWG herangezogen werden. b) Informationspflichten in Bezug auf wesentliche Merkmale der Ware, § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG Für den Fall, dass ein Anbieten von Waren vorliegt, formuliert der § 5a Abs. 3 UWG einen Katalog von Basisinformationen. Diese werden für wesentlich erklärt und damit zum Inhalt der lauterkeitsrechtlichen Informationspflicht gemacht. Als wesentlich für den Kaufentschluss gelten gemäß § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG beziehungsweise gemäß der – nahezu wortgleichen206 – unionsrechtlichen Vorgabe 202

Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 30a. Allerdings müssen nicht bereits alle essentialia negotii bekannt sein. 203 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 38. 204 Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 2014, § 312b, Rn. 4; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 2014, § 145, Rn. 2. 205 So bezogen auf die PAngV Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 1 PAngV, Rn. 8. 206 Ein terminologischer Unterschied zwischen den Vorschriften besteht darin, dass die UGP-Richtlinie von Produkten spricht, während § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG sich auf Waren und Dienstleistungen bezieht. Die Wortwahl in der deutschen Umsetzung stellt klar, dass die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten sich nicht auf Sachkäufe im Sinne der deutschen Rechtsterminologie beschränken.

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in Artikel 7 Abs. 4 a) UGP-Richtlinie die Informationen über wesentliche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung in einem der Ware und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang. aa) Die Merkmalbezogenheit der Aufklärungspflicht aus § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG Der Gesetzeswortlaut des § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG erscheint auf Grund der doppelten Verwendung des Wortes „wesentlich“ auf den ersten Blick zirkulär: Eine Information wird dann als wesentlich definiert, wenn sie sich auf ein Warenmerkmal bezieht, das wesentlich ist. Der Eindruck einer begrifflichen Doppelung wird in anderen Sprachfassungen der zu Grunde liegenden UGP-Richtlinie besser vermieden.207 Die englische Sprachfassung verwendet die Begriffspaare „material information“ und „main characteristics of the product“. Die französische Version lautet „information substantielle“ sowie „caractéristiques principales“. Auch in der deutschen Umsetzung kommt der Wesentlichkeit eine eigenständige Bedeutung zu:208 Da sich das Adjektiv „wesentlich“ in den beiden Teilen der Definition auf verschiedene Substantive bezieht, sind die beiden Elemente in der Definition nicht deckungsgleich. Vielmehr wird klargestellt, dass die aus Nr. 1 abgeleitete Vermutungswirkung nur dann ausgelöst wird, wenn sich die Information auf ein Produktmerkmal bezieht; es handelt sich bei § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG um eine merkmalbezogene Aufklärungspflicht. Besteht hingegen kein Zusammenhang mit einem Produktmerkmal, so wird die Vermutungswirkung des § 5a Abs. 1 Nr. 3 UWG nicht ausgelöst. In diesem Fall kann jedoch die Information immer noch im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG wesentlich sein. bb) Funktionsbezogene Auslegung des Merkmals der Wesentlichkeit Das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit der Produktmerkmale findet sich in wortgleicher Formulierung im Bereich der Irreführung durch positives Tun in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG beziehungsweise in Artikel 6 Abs. 1 b) UGP-Richtlinie. Allerdings enthält das Wahrheitsgebot in § 5 UWG beziehungsweise in Artikel 6 UGP-Richtlinie einen Regelbeispielskatalog, während beim Transparenzgebot in § 5a UWG beziehungsweise in Artikel 7 UGP-Richtlinie keine Regelbeispiele genannt werden. Nach einer Ansicht209 in der Literatur ist das Element der Wesentlichkeit in beiden Vorschriften inhaltsgleich auszulegen und entsprechend dem Beispielkatalog des § 5 207

So der Hinweis von Bornkamm, WRP 2012, 1, 4. Bornkamm, WRP 2012, 1, 4. 209 Nordemann, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 5a, Rn. 128; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 101 weist zudem auf eine Wortlautidentität auch in der englischen und in der französischen Sprachfassung der Richtlinie hin. 208

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

auf § 5a UWG zu übertragen. Der Gesetzgebungsprozess lege nahe, dass die Wortgleichheit der Vorschriften vom Gesetzgeber bewusst angestrebt wurde. Dieser Ansicht kann nur begrenzt gefolgt werden, da eine Übertragung des Beispielkataloges zu übermäßig umfangreichen Informationspflichten führen würde. Die Tatsache, dass über eine bestimmte Produkteigenschaft des Regelbeispielkataloges nicht irregeführt werden darf, bedeutet nicht, dass das Verschweigen dieser Eigenschaft für die Kaufentscheidung des Käufers so wichtig ist, dass ungefragt darüber informiert werden muss. So darf nach dem Regelbeispielkatalog etwa keine Irreführung über die Verwendungsmöglichkeit einer Ware erfolgen. Dies bedeutet aber nicht, dass etwa beim Verkauf von Gemüse eine Aufklärungspflicht über dessen Verwendungsmöglichkeit besteht. Gesetzestechnische (siehe unten (1)), dogmatische (siehe unten (2)) und sachliche (siehe unten (3)) Unterschiede sprechen daher für eine funktionsbezogene, eigenständige Auslegung der beiden Vorschriften. Bei einer funktionsbezogenen Auslegung ist ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal, das sich in zwei unterschiedlichen Vorschriften findet, trotz seiner Wortidentität gemäß den sachlichen und funktionalen Unterschieden der Vorschriften jeweils autonom auszulegen. Eine parallele Auslegung kommt lediglich insoweit in Betracht, als sich die Vorschriften tatsächlich gleichen. (1) Bewusste Ungleichheit der Vorschriften beim Beispielkatalog Zunächst ist zu beachten, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG beziehungsweise Artikel 6 Abs. 1 b) UGP-Richtlinie einerseits und § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG beziehungsweise Artikel 7 Abs. 4 a) UGP-Richtlinie andererseits sich dadurch unterscheiden, dass für den Bereich der Irreführung durch positives Tun eine Beispielliste in den Gesetzeswortlaut eingefügt wurde. Diese nennt – in nicht abschließender Form – Produktmerkmale, die als wesentlich zu qualifizieren sind und in Hinblick auf die eine aktive Irreführung untersagt ist. Dazu zählen Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder wesentliche Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen. Bei der Irreführung durch Unterlassen fehlt es an einem solchen Beispielkatalog. Im Rahmen der Wortlautauslegung einer Vorschrift ist zu beachten, dass in einem Verzicht auf einen Beispielkatalog im Bereich der Irreführung durch Unterlassen auch eine bewusste gesetzgeberische Intention liegen kann; dies gilt vor allem dann, wenn der Gesetzgeber in anderen Teilen der Vorschrift anscheinend gezielt eine Gleichheit im Wortlaut angestrebt hat. Vorliegend ist daher das Weglassen eines Beispielkataloges als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu werten. Schon allein in Hinblick auf diesen im Beispielkatalog liegenden Unterschied zwischen den

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Vorschriften wird in der Literatur betont, dass § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG eigenständig auszulegen sei.210 (2) Dogmatische Unterscheidung zwischen Transparenzgebot und Wahrheitsgebot Eine parallele Auslegung des Täuschungsverbotes und des Aufklärungsgebotes ignoriert ferner die dogmatische und teleologische Andersartigkeit der Vorschriften. Das im Verbot der Irreführung durch Unterlassen enthaltene Aufklärungsgebot zielt darauf ab, sicherzustellen, dass der Käufer genau diejenigen Informationen erhält, die für seine Entscheidungsbildung von Relevanz sind. Es handelt sich um eine Ausformung des Transparenzgebots. Demgegenüber enthält § 5 UWG ein Wahrheitsgebot beziehungsweise ein echtes Täuschungsverbot; es wird das aktive Hervorrufen einer Fehlvorstellung sanktioniert. Die lauterkeitsrechtliche Haftung bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot ist in mehrfacher Hinsicht strenger als bei dem Verbot der aktiven Täuschung; bei diesem ist etwa das Hervorrufen einer Fehlvorstellung beim Käufer notwendig. Das Verbot der aktiven Täuschung kann auch in Bezug auf Tatsachen greifen, die nicht zu dem Minimalkanon der Entscheidungsgrundlage gehören. Nicht jeder Umstand, über den ein Käufer getäuscht werden kann, ist auch gleichzeitig zum Treffen einer informierten Entscheidung notwendig. Durch eine aktive Aussage des Verkäufers kann ein Gesichtspunkt eine Relevanz erlangen, die er bei einem bloßen Verschweigen nicht hätte. Es wäre sehr weitgehend, für alle solche Gesichtspunkte auch ungefragt eine Aufklärungspflicht und eine relativ strenge lauterkeitsrechtliche Haftung anzunehmen, nur weil man die Vorschriften parallel auslegt. Diesen Unterschieden sollte eine mögliche parallele Interpretation der beiden Vorschriften differenziert Rechnung tragen, vor allem wenn es um die Übertragbarkeit des Regelbeispielkataloges in den Bereich der wettbewerbsrechtlichen Aufklärungspflichten geht.211 (3) Gefahr einer Pflicht zur Überinformation In sachlicher Hinsicht besteht bei einer Übertragung des Regelbeispielkataloges für das Täuschungsverbot auf das Transparenzgebot die Gefahr, dass zu weite Aufklärungspflichten beziehungsweise eine Pflicht zur Überinformation etabliert werden. Beim Transparenzgebot kann durch eine Überinformation – wie auch durch zu weit gefasste Aufklärungspflichten – das Regelungsziel konterkariert werden. In der Informationsökonomie werden die für eine Entscheidung maßgeblichen Informationen auch mit dem Anglizismus information chunks bezeichnet, während die 210

Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 42. Im Ergebnis ebenso Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 42. Ebenfalls in diese Richtung Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 29d, der darauf hinweist, dass der Regelbeispielkatalog des § 5 UWG bei einer Übertragung auf § 5a Abs. 3 UWG tendenziell zu weit ist. 211

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

unter Transparenzgesichtspunkten negative Wirkung einer Überinformation als information overload diskutiert wird.212 Würde man für die Irreführung durch Unterlassen fordern, dass der Begriff der wesentlichen Produktmerkmale in § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG durch den umfangreichen Katalog des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG auszufüllen ist, so bestünde die Gefahr, dass im Einzelfall sehr weit reichende Informationspflichten begründet werden und dass diese in eine Überinformation münden. Diese Bedenken sind jedenfalls dann stark ausgeprägt, wenn man den Katalog aus § 5 UWG in § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG hineininterpretiert und dies so versteht, dass der Verkäufer ungefragt über alle darin aufgeführten Umstände auch unaufgefordert Auskunft erteilen muss. Demgegenüber besteht das Dilemma einer möglichen Überinformation im Bereich des Verbotes der Irreführung durch aktives Tun nicht. Das darin enthaltene Wahrheitsgebot wird nicht dadurch in seiner Wirkung abgeschwächt, dass auch noch in Bezug auf weitere Umstände eine Irreführung verboten ist. (4) Zwischenergebnis Zusammenfassend sollte aus der Tatsache, dass über ein bestimmtes Produktmerkmal des Beispielkataloges nicht getäuscht werden darf, nicht der automatische Schluss gezogen werden, dass im Einzelfall über dieses Merkmal eine Aufklärung geboten ist. Jedoch können bei der Auslegung des Transparenzgebots die Wertungen der Vorschrift gegen Irreführungen durch aktives Tun beachtet werden, soweit die dogmatischen und teleologischen Unterschiede dies gestatten. So kann etwa für die Frage, ob eine Angabe merkmalbezogen ist, unter Berufung auf die Wortlautidentität eine inhaltsgleiche Auslegung zwischen den Vorschriften erfolgen. cc) Wesentliche Produktmerkmale und Zivilrecht Weitere Anhaltspunkte zur Ermittlung der Wesentlichkeit eines Produktmerkmals ergeben sich aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, die ebenfalls darauf abzielen, die Entscheidungsgrundlage des Käufers zu schützen. Bei der Übertragung von Begriffsdefinitionen sind jeweils europarechtliche Grenzen, der Charakter des Transparenzgebots sowie Besonderheiten der Rechtsgebiete zu beachten. (1) Wesentliche Produkteigenschaften und die §§ 312a ff. BGB Eine Besonderheit des § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG beziehungsweise der entsprechenden europarechtlichen Vorgabe in Artikel 7 Abs. 4 a) UGP-Richtlinie besteht darin, dass hier – außerhalb des Bereiches von spezialgesetzlichen Produktkennzeichnungspflichten – durch eine allgemeine Regelung Informationspflichten etabliert werden, die sich auf bestimmte Produkteigenschaften beziehen. Neben dieser lauterkeitsrechtlichen Aufklärungspflicht findet sich eine auf die Produkteigen212 Siehe etwa die Ausführungen von Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 74; Keßler, WRP 2007, 714, 720.

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schaften bezogene Pflicht zur Information im allgemeinen Zivilrecht in den §§ 312a ff. BGB, die eine Umsetzung der europäischen Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU darstellen. So etabliert § 312a BGB in Verbindung mit Artikel 246 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB für Verbraucherverträge ebenfalls Informationspflichten in Bezug auf wesentliche Merkmale der Ware oder der Dienstleistung, soweit sich diese Information nicht bereits aus den Umständen ergibt. Für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und für Fernabsatzverträge werden – soweit diese keine Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben213 – Informationspflichten durch § 312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246a Abs. 1 EGBGB begründet. Bei dieser Informationspflicht findet sich – genauso wie bei § 5a Abs. 3 UWG – nicht die Einschränkung, dass die Informationen sich auch aus den Umständen ergeben können. Die lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflicht in § 5a Abs. 3 UWG weist in Wortlaut und Telos Parallelen mit den Informationspflichten der §§ 312a ff. BGB auf und stellt gegenüber den Pflichten für Fernabsatzverträge und für außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge eine Verallgemeinerung dar. (a) Parallelität in Wortlaut und Telos von § 312a ff. BGB und von § 5a Abs. 3 Nr. 1 – 5 UWG Sowohl in den europäischen Vorgaben als auch in der jeweiligen deutschen Umsetzung besteht eine Parallelität zwischen der lauterkeitsrechtlichen Informationspflicht und der zivilrechtlichen Informationspflicht aus § 312a ff. BGB in Verbindung mit Artikel 246 und 246a EGBGB. Das EGBGB enthält dabei jeweils den genaueren Inhalt der Informationspflicht. Die Nummern in § 5a Abs. 3 UWG sowie in Artikel 246 und 246a EGBGB sind inhaltlich und sprachlich ähnlich und zum Teil identisch formuliert: Die jeweilige Nr. 1 fordert Angaben zu den wesentlichen Eigenschaften und die jeweilige Nr. 2 zu der Identität des Unternehmens. Angaben zum Gesamtpreis haben zu erfolgen nach § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG sowie nach Artikel 246 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB sowie nach Artikel 246a Abs. 1 Nr. 4 EGBGB. Informationen zu bestimmten Leistungsbedingungen müssen nach § 5a Abs. 3 Nr. 4 UWG sowie nach Artikel 246 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB sowie nach Artikel 246a Abs. 1 Nr. 7 EGBGB gemacht werden. Eine Aufklärung über bestimmte Rückabwicklungsrechte muss nach § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG sowie nach Artikel 246 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB sowie nach Artikel 246a Abs. 1 Nr. 8 EGBGB erfolgen. Die Informationspflichten in §§ 312a ff. BGB in Verbindung mit Artikel 246, 246a EGBGB – zielen so wie die lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflicht – darauf ab, die Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlage des Verbrauchers sicherzustellen; es handelt sich um Transparenzgebote. Dies bedeutet, dass bereits bei einem 213 Wenn Finanzdienstleistungen Gegenstand der Fernabsatzverträge oder der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge sind, so ergeben sich Informationspflichten aus § 312d Abs. 2 BGB in Verbindung mit Artikel 246b Abs. 1 EGBGB.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

bloßen Weglassen der Informationen eine Sanktionierung eintritt, und zwar unabhängig davon, ob dadurch eine Irreführung ausgelöst wurde. Da sich damit sowohl Wortlaut als auch Telos weitgehend decken, ist ein Rückgriff auf die Termini aus den §§ 312a ff. BGB gerechtfertigt. Danach gilt ein Produktmerkmal als wesentlich, wenn die Information über diesen Umstand für den Käufer notwendig ist, um das Produkt zu bewerten und mit konkurrierenden Angeboten zu vergleichen.214 (b) § 5a Abs. 3 Nr. 1 – 5 UWG als Verallgemeinerung der Informationspflichten aus den §§ 312d Abs. 1 BGB Die lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflicht aus § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG kann gegenüber der Pflicht bei Fernabsatzverträgen und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen aus § 312d Abs. 1 BGB in mehrfacher Hinsicht als eine Verallgemeinerung und Erweiterung interpretiert werden: Beide Regelungsbereiche stellen zunächst ein Sonderprivatrecht für Verbraucher dar. Jedoch ist die Informationspflicht des § 312d Abs. 1 BGB in ihrem Anwendungsbereich auf die besondere Situation eines Fernabsatzgeschäfts oder eines Geschäfts außerhalb von Geschäftsräumen beschränkt.215 Diese Informationspflicht kommt zudem nur vollständig zum Tragen, wenn auch tatsächlich ein Vertragsschluss erfolgt. Die zivilrechtliche Sanktionierung für eine unterlassene Aufklärung des Käufers besteht nämlich darin, dass der Käufer ein Widerrufsrecht zur Auflösung des Vertrages erhält. Demgegenüber stellt § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG eine Generalisierung dar: Er gilt nämlich für alle Arten von Geschäften im Bereich des Geschäftsverkehrs gegenüber Verbrauchern.216 Für alle Arten von Vertragsschlüssen soll durch das UWG die Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlage des Verbrauchers sichergestellt werden. Gleichzeitig werden die Informationspflichten im Lauterkeitsrecht nach vorne verlagert; sie greifen bereits in einem früheren Stadium des Vertragsschlusses beim Anbieten von Waren und damit etwa auch schon bei bestimmten Formen der Werbung. (2) Wesentliche Eigenschaften im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB Ferner kann zur Auslegung von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG auch auf den Begriff der wesentlichen Eigenschaften bei der Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB Bezug genommen werden, um den Terminus der Wesentlichkeit in § 5a Abs. 3 214 Bezogen auf die alte Regelung zum Fernabsatzrecht: Westermann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2012, § 312c, Rn. 22. 215 Die allgemeine zivilrechtliche Informationspflicht aus § 312a Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 246 EGBGB kommt nur zum Tragen, wenn sich die Informationen nicht bereits aus den Umständen ergeben. 216 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 41.

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Nr. 1 UWG zu bestimmen.217 Dabei sind jedoch die Unterschiede zwischen den Vorschriften und den beiden Rechtsgebieten zu beachten: § 119 Abs. 2 BGB schützt vor Fehlern bei der Willensbildung und damit die Freiheit von Fehlvorstellungen beim Vertragsschluss. Jedoch zielt er nicht darauf ab, die Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlage zu sichern, und begründet keine Aufklärungspflicht im Sinne eines Transparenzgebots. Ein Irrtum über die Eigenschaft einer Sache berechtigt nach § 119 Abs. 2 BGB dann zur Anfechtung, wenn die Eigenschaft im Verkehr als wesentlich angesehen wird. Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache sind neben den natürlichen (körperlichen) Eigenschaften auch tatsächliche und rechtliche Verhältnisse einer Sache, die nach der Verkehrsanschauung einen Einfluss auf die Wertschätzung der Sache auszuüben pflegen.218 Diese Eigenschaften sind dann verkehrswesentlich, also für das Anfechtungsrecht beachtlich, wenn sie durch den anderen Vertragspartner erkennbar für den Vertragsschluss zu Grunde gelegt wurden.219 dd) Gesetzliche Informationspflichten und wesentliche Merkmale im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG Besteht bezüglich eines Produktmerkmals – außerhalb des UWG – eine gesetzliche Informationspflicht, so stellt sich die Frage, wie diese bei der Feststellung zu berücksichtigen ist, ob eine Wesentlichkeit im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG vorliegt. Solche gesetzlichen Informationspflichten können insbesondere in Gestalt von Produktkennzeichnungspflichten bestehen.220 Häufig beziehen diese sich auch auf Merkmale und Eigenschaften des Produktes. (1) Vorrang des § 5a Abs. 4 UWG für europäische Kennzeichnungspflichten Beruht eine gesetzliche Informations- oder Produktkennzeichnungspflicht auf einer europarechtlichen Vorschrift im Sinne von § 5a Abs. 4 UWG – betrifft sie also die kommerzielle Kommunikation gegenüber Verbrauchern – so greift die – gegenüber Abs. 2 und 3 vorrangige – Wesentlichkeitsvermutung des § 5a Abs. 4 UWG. In solchen Fällen ist also ohne weitere Prüfung von einer Wesentlichkeit auszugehen; die lauterkeitsrechtliche Haftung tritt also im vereinfachten Wege ein. Außerhalb des § 5a Abs. 4 UWG – etwa bei rein mitgliedstaatlichen gesetzlichen Informations-

217 So auch – ohne ausdrücklichen Verweis auf die nachfolgend genannten Einschränkungen – Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 43. 218 Arnold, in: Erman, BGB, 2014, § 119, Rn. 35; Wendtland, in: Bamberger/Roth, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2012, § 119, Rn. 40 f. 219 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2012, § 119, Rn. 103; Singer, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2012, § 119, Rn. 80; BGH NJW 1961, 772. 220 So etwa auch Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 10.

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pflichten – besteht ein solcher Automatismus nicht; vielmehr muss das Merkmal der Wesentlichkeit separat festgestellt werden. (2) Produktkennzeichnungspflichten als normative Wertungen Jedoch kann sich aus der Tatsache, dass der mitgliedstaatliche Gesetzgeber durch den Erlass einer Kennzeichnungspflicht einem bestimmten Warenmerkmal eine besondere Bedeutung für die Kaufentscheidung eines Verbrauchers zugemessen hat, eine normative Wertung ableiten lassen, dieses Merkmal als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG einzuschätzen. Daher spricht einiges dafür, bei einem Verstoß gegen eine gesetzliche Informations- oder Produktkennzeichnungspflicht zur Feststellung die Wesentlichkeit im Sinne von § 5a Abs. 2 und 3 UWG auf den Normzweck des Spezialgesetzes zurückzugreifen.221 Dieser kann sich insbesondere aus der entsprechenden Gesetzesbegründung ergeben. Die Berücksichtigung einer solchen normativen Grundentscheidung des Gesetzgebers entspricht auch dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung. Zudem zeigt sich an der Rolle der – europarechtlich fundierten – gesetzlichen Informationspflichten bei der Begründung der Wesentlichkeitsfiktion über § 5a Abs. 4 UWG, dass Informationspflichten bei der Bestimmung der Wesentlichkeit von besonderer Bedeutung sind.222 Auch Erwägungsgrund 14 der UGP-Richtlinie bestätigt diese Rechtsauffassung: In Bezug auf Kennzeichnungspflichten, die durch das Recht der Mitgliedstaaten eingeführt worden sind, trifft Erwägungsgrund 14 UGP-Richtlinie die ausdrückliche Regelung, dass Kennzeichnungspflichten im Rahmen des § 5a Abs. 2, 3 UWG zulässigerweise eine Rolle spielen dürfen: Die UGP-Richtlinie verfolge zwar das Ziel einer vollständigen Angleichung; jedoch hindere dies die Mitgliedstaaten nicht daran, für „bestimmte Produkte … die wesentlichen Kennzeichen festzulegen, deren Weglassen bei einer Aufforderung zum Kauf rechtserheblich wäre“. Durch die Formulierung „Aufforderung zum Kauf“ nimmt diese Stelle der Erwägungsgründe Bezug auf Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie, also auf die Wesentlichkeitsvermutung wegen des Vorliegens wesentlicher Produktmerkmale. In der englischsprachigen – wie auch in der französischen – Formulierung von Erwägungsgrund 14 der UGPRichtlinie wird besser deutlich, was hiermit gemeint ist: Es wird den Mitgliedstaaten freigestellt, durch nationale Produktkennzeichnungsvorschriften festzulegen, welche Merkmale des Produktes als wesentlich zu betrachten sind. Die deutschsprachige Formulierung benutzt im Erwägungsgrund und im Rechtstext unterschiedliche Wörter, die Synonyme darstellen: Der Erwägungsgrund verwendet die Termini „Kennzeichen“ und „rechtserheblich“, während im Normtext in Artikel 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie von „wesentlichen Merkmalen“ die Rede ist. Hingegen spricht die

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Im Ergebnis ähnlich mit Bezugnahme auf § 5a Abs. 2 UWG Fezer, WRP 2010, 577, 582. Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 65. 222

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englische Version der UGP-Richtlinie223 wortgleich im Erwägungsgrund und im Normtext von „main characteristics of particular products“. Ebenso trifft die französischsprachige Version224 an beiden Stellen eine identische Wortwahl und verwendet die Bezeichnung „caractéristiques principales“. Verschiedene Sprachversionen eines europäischen Rechtsaktes sind nach den Grundsätzen der europäischen Methodenlehre bei der Auslegung einer Norm grundsätzlich als gleichwertig zu betrachten. Vorliegend jedoch entspricht auch die deutsche Version der genannten Interpretation und spiegelt keine abweichende Rechtsauffassung wider. Durch die Verwendung von sprachlichen Synonymen anstelle von identischen Wörtern fehlt es ihr an dieser Stelle lediglich an Deutlichkeit. Die deutsche Übersetzung kann daher als unglücklich bezeichnet werden. Damit wird den Mitgliedstaaten ein Spielraum eröffnet, durch nationale Kennzeichnungsvorschriften in normativer Weise bestimmte Produkteigenschaften für wesentlich zu erklären. Allerdings erfasst Erwägungsgrund 14 UGP-Richtlinie nur solche Aufklärungspflichten, die sich auf ein Produktmerkmal und dessen Wesentlichkeit beziehen.225 Vertriebs- und unternehmensbezogene mitgliedstaatliche Aufklärungspflichten werden von dieser Argumentationslinie etwa nicht erfasst. Daher ist die Argumentationslinie mit Erwägungsgrund 14 UGP-Richtlinie auf solche mitgliedstaatliche Aufklärungspflichten beschränkt, die Produktmerkmale betreffen. Damit lässt sich ableiten, dass normative Wertungen in Gestalt von Produktkennzeichnungspflichten bei der Ausfüllung des Begriffs der Wesentlichkeit eines Produktmerkmals eine Rolle spielen. Zur Annahme eines Verstoßes gegen Lauterkeitsrecht müssen dann zusätzlich noch die weiteren Voraussetzungen von § 5a Abs. 2 und 3 UWG sowie die Verbraucherentscheidungsrelevanz226 im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG vorliegen. Soweit sich – insbesondere nach der Berücksichtigung des Gesetzeszwecks – aus dem Bestehen einer gesetzlichen Informationspflicht kein Argument für die Wesentlichkeit entnehmen lässt, bleibt zu untersuchen, ob der Sachverhalt, welcher der gesetzlichen Informations- oder Kennzeichnungspflicht zu Grunde liegt, eigenständig die Voraussetzungen zur Annahme einer Wesentlichkeit erfüllt.

223 Die relevante Formulierung in der englischsprachigen Version von Erwägungsgrund 14 UGP-Richtlinie lautet: „… specifying in national law the main characteristics of particular products such as, for example, collectors’ items or electrical goods, the omission of which would be material when an invitation to purchase is made.“. 224 Der relevante Wortlaut der französischsprachigen Version von Erwägungsgrund 14 UGP-Richtlinie heißt: „… préciser dans leur droit national les principales caractéristiques de produits particuliers, par exemple les objets de collection ou les biens électriques, dont l’omission serait substantielle lors d’une invitation à l’achat.“. 225 Ebenso, jedoch in einem anderen Kontext, Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 36. 226 Zum Relevanzkriterium und zur Diskussion des Verhältnisses von § 3 Abs. 2 UWG zu der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG siehe Scherer, WRP 2010, 586.

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ee) Kasuistik zu § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt beispielsweise die Typenbezeichnung eines Elektrohaushaltsgerätes ein wesentliches Merkmal i.S.d. § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG dar.227 Ein wesentliches Merkmal müsse nicht zwingend einen Bezug zur Qualität oder Brauchbarkeit eines Produktes aufweisen, sondern es genüge, wenn das Merkmal dem Verbraucher eine Individualisierung des Produkts ermöglicht.228 Auch in der Rechtsprechung zum Irreführungsverbot des alten UWG finden sich zahlreiche Fallkonstellationen, in denen das Unterlassen einer merkmalbezogenen Information im Mittelpunkt stand und die Zwecktauglichkeit oder Verwendungsmöglichkeit des Produktes betroffen war. Das Verbot der Irreführung durch Unterlassen in der Version des UWG aus dem Jahre 2004 und die Vorgängerregelungen, die auf diese Fälle zur Anwendung gelangten, entsprachen jedoch nicht vollständig dem Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG, das im Jahr 2008 eingeführt wurde. Vielmehr folgten die älteren Regelungen der klassischen Konzeption eines Irreführungsverbotes, wie es auch nach der Novelle des Jahres 2008 in § 5a Abs. 1 UWG und – für die Begehungsform des positiven Tuns – in § 5 UWG verankert blieb. Damit stellt sich die Frage nach einer Übertragbarkeit des zu älteren Versionen des Verbotes der Irreführung durch Unterlassen ergangenen Fallrechts auf das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG. Tatsächlich dürfte ein Großteil der Fälle, in denen die Rechtsprechung eine Aufklärungspflicht nach § 3 UWG aus dem Jahr 1909 oder nach § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG aus dem Jahr 2004 angenommen hat, heute unter § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG fallen, der bei Verbrauchergeschäften eine echte Aufklärungspflicht in Bezug auf wesentliche Produkteigenschaften normiert.229 Hingegen können beim Fallrecht zur Irreführung durch positives Tun noch stärkere Bedenken gegen eine Übertragbarkeit des Fallrechts auf die Neuregelung ins Feld geführt werden: Aus dem Verbot einer aktiven Täuschung über eine bestimmte Tatsache kann nämlich nicht automatisch hergeleitet werden, dass das gänzliche Weglassen dieser Tatsache für die Kaufentscheidung wesentlich ist. Wenn jedoch im älteren Fallrecht für ein Unterlassen eine Irreführung in Gestalt des Entstehens einer Fehlvorstellung bejaht wurde, so liegt der Schluss näher, dass bereits das bloße Weglassen dieser Tatsache – unabhängig von einem von der Neuregelung nicht geforderten Täuschungserfolg – eine Unvollständigkeit darstellt, die für die Kaufentscheidung wesentlich ist. Natürlich ist beim Rückgriff auf das zu den Vorgängerregelungen ergangene Fallrecht jeweils zu prüfen, ob dieses den Besonderheiten des Transparenzgebots entspricht und ob es mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, denen § 5a Abs. 3 UWG unterliegt. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Einführung des Transparenzgebots eine strengere Haftung darstellt als das 227 228 229

BGH WRP 2014, 686 – Typenbezeichnung. BGH WRP 2014, 686, Rn. 17 – Typenbezeichnung. So auch der Hinweis von Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 10.

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klassische Verbot der Irreführung durch Unterlassen. Wurde die Unterdrückung einer merkmalbezogenen Information nach der Vorgängerregelung als Irreführung gewertet, so spricht einiges dafür, dass das Unterlassen dieser Angabe auch von der neuen Regelung erfasst wird, wenn deren weitere Voraussetzungen gegeben sind. Auf § 5a Abs. 1 UWG hingegen ist das ältere Fallrecht zur Irreführung durch Unterlassen jedenfalls vollumfänglich übertragbar,230 soweit der Geschäftsverkehr gegenüber Unternehmern betroffen ist. Diese Norm ist gegenüber der Vorgängerregelung weitgehend unverändert und beruht auch nicht auf einer europäischen Vorgabe durch die UGP-Richtlinie. § 5a Abs. 1 UWG ist nach der heutigen Rechtslage weiterhin auch in Bezug auf merkmalbezogene Informationen einschlägig. Sie kommt insbesondere zur Geltung, wenn etwa kein Verbrauchergeschäft gegeben ist oder wenn kein Anbieten im Sinne der Vorschrift vorliegt. Daher erfolgt eine nähere Darstellung bei der Diskussion von § 5a Abs. 1 UWG. ff) Wesentliche Eigenschaften bei Werbung für Produktvarianten Bezieht sich eine Werbung auf verschiedene Varianten eines Produktes, so stellt sich die Frage, ob zur Erfüllung der Informationspflicht ein und dieselbe Bezugnahme auf die Produkteigenschaften in Wort und Bild ausreichend ist oder ob alle Eigenschaften erläutert werden müssen. In dem Vorlageverfahren „Konsumentombudsmannen/Ving Sverige“231 hatte der EuGH eine Werbung zu beurteilen, die sich auf Produktgruppen und Produkte in verschiedenen Ausführungen bezog. In dem Fall hatte ein Reisebüro eine Werbung für Reisen nach New York zu verschiedenen Terminen und von verschiedenen Abflughäfen lediglich mit einem Mindestpreis („ab …“) versehen und zugleich auf seine Internetseite verwiesen. Nachdem der EuGH eine Aufforderung zum Kauf bejaht hatte,232 ging es um die Frage, wie in einer solchen Situation die Verpflichtung zur Angabe der wesentlichen Produkteigenschaften nach Artikel 7 Abs. 4 a) UGP-Richtlinie beziehungsweise § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG ausreichend erfüllt werden kann. Der EuGH wies darauf hin, dass bei der Erfüllung der Informationspflicht Beschränkungen des Werbemediums zu berücksichtigen seien sowie Maßnahmen des Werbenden, um dem Verbraucher die Informationen anderweitig – etwa über eine Internetseite – zur Verfügung zu stellen.233 Dem mitgliedstaatlichen Gericht obliege – so der EuGH – die Prüfung, ob die erteilte Information ausreichend ist, damit die Auslassung nicht dazu führt, dass der Verbraucher eine Entscheidung trifft, die er bei vollständiger Information nicht getroffen 230 Eine detailliertere Erörterung der Übertragbarkeit älteren Fallrechts auf § 5a Abs. 1 UWG erfolgt unten, siehe § 3 B. II. 231 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903. 232 Eine Diskussion, ob eine Werbung für Produktvarianten eine Aufforderung zum Kauf darstellt und somit die Aufklärungspflichten auslöst, findet sich oben, siehe § 3 A. V. 3. a) ff). 233 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 54.

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hätte.234 Es ist daher – so der EuGH – dem Werbenden nicht untersagt, nur bestimmte das Produkt kennzeichnende Merkmale anzugeben, wenn der Werbende im Übrigen auf eine Internetseite verweist.235 Der EuGH nimmt also zwar eine weite Auslegung bei der Frage vor, ob die Informationspflichten ausgelöst werden. Jedoch schafft er bei der Bestimmung des Inhalts der Informationspflichten einen gewissen Spielraum, um eine zu starke Informationslast des Werbenden zu begrenzen. Durch diese engere Auslegung des Inhalts der Informationspflichten wird dem Informationskatalog in Artikel 7 Abs. 4 a) und c) UGP-Richtlinie beziehungsweise in § 5a Abs. 3 Nr. 1 und 3 UWG die Starrheit genommen. Es wird mehr Raum geschaffen für die Umstände des Einzelfalles und für deren Bewertung durch die mitgliedstaatlichen Gerichte. gg) Beschränkung der Informationspflicht in § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG Die wesentlichen Warenmerkmale sind ausweislich des Gesetzeswortlauts von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG lediglich in dem für die Ware und für das Kommunikationsmittel angemessenen Umfang von der lauterkeitsrechtlichen Informationspflicht erfasst. Dies entspricht wortgleich der unionsrechtlichen Vorgabe in Artikel 7 Abs. 4 a) UGP-Richtlinie. Diese Einschränkung enthält zwei Elemente, indem sie sich einmal auf die Ware bezieht und einmal auf das für die Unterbreitung des Angebotes gewählte Kommunikationsmittel: (1) Das Medienelement und Unterscheidung von der Medienklausel Die Bezugnahme auf das verwendete Kommunikationsmittel im zweiten Teil der Tatbestandseinschränkung weist eine Ähnlichkeit mit der Medienklausel in § 5a Abs. 5 UWG auf, nach dem bei der Feststellung des Umfangs der Informationspflichten insbesondere Beschränkungen des Kommunikationsmittels zu beachten sind. Aus diesem Grund wird in der Literatur zum Teil von einer Redundanz des Kriteriums ausgegangen.236 Dieser Ansicht ist zu widersprechen. Zutreffend ist, dass in beiden Vorschriften das bei der geschäftlichen Handlung verwendete Kommunikationsmittel eine Rolle spielt. Allerdings unterscheidet sich die Einschränkung in § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG in mehrfacher Hinsicht von der Medienklausel des § 5a Abs. 5 UWG, und zwar sowohl bei den Voraussetzungen als auch bei den Rechtsfolgen: Zum einen sind auf der Voraussetzungsseite der Medienklausel in § 5a 234 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 58. 235 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 59. 236 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 34; siehe demgegenüber jedoch für eine eigenständige Bedeutung Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 102; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 42.

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Abs. 5 UWG237 ausschließlich Beschränkungen zu berücksichtigen, die einen Bezug zu dem Kommunikationsmittel aufweisen. Hingegen kann sich bei § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG eine Einschränkung der Informationspflicht auch aus den Eigenschaften der Ware ergeben. Zum anderen hat bei der Medienklausel in § 5a Abs. 5 UWG eine Abwägung mit Maßnahmen des Verkäufers zur anderweitigen Übermittlung der Information zu erfolgen. Solche Maßnahmen des Verkäufers finden in § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG und in der unionsrechtlichen Vorgabe des Artikel 7 Abs. 4 a) UGPRichtlinie keine Erwähnung. Des Weiteren besteht die Rechtsfolge der Medienklausel in § 5a Abs. 5 UWG darin, dass als Kompensation für die Beschränkungen bei der Übermittlung der Information ein anderweitiges Zur-Verfügung-Stellen berücksichtigt werden kann. Damit sind Abstriche bei der Art und Weise der Übermittlung der Information zulässig; jedoch findet keine inhaltliche Kürzung der Informationspflicht statt. Hingegen reduziert die Einschränkung in § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG als Rechtsfolge das Maß der zu übermittelnden Information auf einen angemessenen Umfang. Trotz dieser Unterschiede wird jedoch in beiden Vorschriften eine gemeinsame Zielsetzung verfolgt: Die Informationspflicht soll – sei es nun durch ihren Umfang oder durch die geforderte Art der Übermittlung – der Verwendung moderner Kommunikationsmittel beim Vertragsschluss möglichst wenig im Wege stehen. Daher ist in beiden Vorschriften zumindest insoweit auf ähnliche Auslegungsgrundsätze zurückzugreifen.238 (2) Das Warenelement Jedenfalls durch ihr erstes Element, das sich auf die Ware bezieht, erlangt die Einschränkung der Informationspflicht in § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG eine eigenständige Bedeutung gegenüber der Medienklausel in § 5a Abs. 5 UWG. Aus § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG folgt nämlich zusätzlich das Gebot, dass das Maß der vom Unternehmer zu leistenden Information mit der Bedeutung des Merkmals korrespondieren muss. Daher ergeben sich in Hinblick auf geringwertige Gegenstände des täglichen Bedarfs niedrigere Aufklärungsanforderungen.239 Gleichwohl entsteht durch die Annahme einer intensiveren Informationspflicht des Verkäufers bei höherwertigen Gegenständen ein systematischer Widerspruch zum Leitbild des aufgeklärten Verbrauchers.240 Dieses Leitbild fordert von einem Verbraucher ein erhöhtes Maß an In237 Siehe § 3 A. III. 6. b) zu der europäischen Vorgabe, nach der in der Medienklausel des § 5a Abs. 5 UWG ausschließlich Beschränkungen berücksichtigungsfähig sind, die sich aus den räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des bei der Geschäftspraxis verwendeten Kommunikationsmittels ergeben. 238 So im Ergebnis auch Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 48. 239 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 34; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 48, Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 786; Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 26; Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1032. 240 Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 786.

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formiertheit und Umsicht, wenn er ein Geschäft tätigt, das von besonderer Bedeutung ist; in solch einem Fall erhöht sich also die Informationslast, die dem Verbraucher zugemutet wird. Hingegen legt die vorliegende Regelung dem Verkäufer höhere Informationspflichten für gerade solche Fälle auf, in denen von dem Käufer seinerseits erwartet wird, dass er besonders gut informiert ist. Unter Beachtung des Leitbildes vom aufgeklärten und angemessen aufmerksamen Verbraucher sollte die Einschränkung der Informationspflicht für Bagatellgeschäfte daher nicht so verstanden und angewendet werden, dass bei einem bedeutsameren Geschäft an die Aufmerksamkeit des Käufers deswegen niedrigere Anforderungen gestellt werden, weil den Verkäufer eine intensivere Informationspflicht trifft. hh) Zwischenergebnis zu wesentlichen Produktmerkmalen Die Wesentlichkeitsvermutung in § 5a Abs. 3 UWG wird ausgelöst, wenn eine Information auf ein Produktmerkmal bezogen ist und dieses wesentlich ist. Andere Vorschriften des Zivil- und Lauterkeitsrechts sowie das Fallrecht zur lauterkeitsrechtlichen Vorgängerregelung können zur Ausfüllung des Kriteriums herangezogen werden, soweit dabei den unionsrechtlichen Vorgaben sowie dem Charakter von § 5a Abs. 2 – 5 UWG als Transparenzgebot Rechnung getragen wird. Gesetzliche Informationspflichten lösen die Wesentlichkeitsvermutung des § 5a Abs. 4 UWG aus, soweit sie auf europarechtlichen Vorgaben beruhen. Mitgliedstaatliche Informationsund Produktkennzeichnungspflichten, die sich auf Produktmerkmale beziehen, können als normative Wertung des Gesetzgebers dafür berücksichtigt werden, dass diese Eigenschaften der Ware für den Verbraucher von besonderer Bedeutung sind. Eine Interpretation des Kriteriums der Wesentlichkeit eines Produktmerkmals hat anhand des Zwecks der Vorschrift zu erfolgen. Dieser Zweck besteht darin, eine Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlage für den Verbraucher sicherzustellen. Daher sind alle diejenigen Warenmerkmale wesentlich, die für den Durchschnittsverbraucher von besonderem Interesse sind, um eine informierte Entscheidung zu treffen.241 Der Verbraucher muss dabei nicht über sämtliche Eigenschaften der Ware informiert werden.242 Eine Haftung nach § 5a Abs. 3 UWG besteht beispielsweise nicht, wenn sich die Tatsache bereits unmittelbar aus den Umständen ergibt.243 Eine Beschränkung der Informationspflicht ergibt sich aus einer geringeren Bedeutung des Merkmals oder aus dem verwendeten Kommunikationsmittel. Zudem müssen 241 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 31; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 42. 242 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 32. 243 Bezogen auf die UGP-Richtlinie: Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1331 sowie Seichter, WRP 2005, 1087, 1093. Nordemann, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 5a, Rn. 68; Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25. Kritisch hierzu Steinbeck, WRP 2006, 632, 636. Die Autorin argumentiert, dass eine Information, die sich bereits aus den Umständen ergibt, ohnehin nicht vorenthalten werden könne.

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nicht alle Merkmale angegeben werden, wenn dadurch die Möglichkeit einer informierten Entscheidung nicht beeinträchtigt wird. c) Informationspflichten in Bezug auf die Identität, § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG Nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG besteht eine Informationspflicht in Bezug auf die Identität und Anschrift des Unternehmers sowie gegebenenfalls auf die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den gehandelt wird. Zur Frage, wer Anbieter im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG ist, hat der BGH im Fall „Alpenpanorama im Heißluftballon“244 Stellung genommen. In dem Fall wurden über das Internet Gutscheine für „Erlebnisse“ wie etwa eine Ballonfahrt über die Alpen vertrieben. Die Einlösung des Gutscheines war flexibel ausgestaltet. So konnte er übertragen werden, hatte über einen dreijährigen Zeitraum Gültigkeit und konnte nach Wahl bei einer Mehrzahl von Anbietern von Ballonfahrten eingelöst werden, die von dem Gutscheinverkäufer benannt wurden. Die Ballonfahrt wurde also später je nach der Auswahl des Kunden von einer dritten Person durchgeführt, deren Identität und Anschrift beim Erwerb des Erlebnisgutscheines nicht angegeben wurden. Der BGH stellte – in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht – zunächst fest, dass ein Anbieten im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG vorliegt, obgleich der genaue Ort und das genaue Datum der vermittelten Ballonfahrt beim Gutscheinerwerb noch nicht feststanden.245 Es sei ausreichend, dass das Produkt mit der beschriebenen Flexibilität bei der Einlösung des Gutscheines konkret beschrieben und das Entgelt genannt wurden.246 Entgegen dem Berufungsgericht verneinte der BGH eine Pflicht für den Anbieter der Erlebnisgutscheine nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG, bereits auf seiner Internetseite anzugeben, welcher Veranstalter die Erlebnisveranstaltung tatsächlich durchführt.247 Der § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG fordere zwar die Offenbarung eines Vertragspartners, der beim Abschluss des Geschäfts selber nicht in Erscheinung tritt. Jedoch müsse nicht bereits beim Abschluss die Person angegeben werden, die bei der späteren Durchführung des Geschäfts – möglicherweise – eingebunden wird.248 Der Zweck der Vorschrift bestehe darin, dem Kunden einen primären Verantwortlichen zu benen-

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BGH MMR 2014, 667 – Alpenpanorama im Heißluftballon. BGH MMR 2014, 667, Rn. 12, 13 – Alpenpanorama im Heißluftballon. 246 BGH MMR 2014, 667, Rn. 12 – Alpenpanorama im Heißluftballon. 247 BGH MMR 2014, 667, Rn. 18 ff. – Alpenpanorama im Heißluftballon; siehe zu diesem Fall mit Bezug zur Vorinstanz auch Müller, GRUR-Prax 2011, 118. 248 BGH MMR 2014, 667, Rn. 18 ff. – Alpenpanorama im Heißluftballon; siehe zu diesem Fall mit Bezug zur Vorinstanz auch Müller, GRUR-Prax 2011, 118. 245

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

nen. Die entgeltliche Vermittlung der Heißballonfahrt erfolge durch den Aussteller des Erlebnisgutscheines, der daher auch Anbieter im Sinne der Vorschrift sei.249 Geschützt werde ausschließlich das Informationsinteresse des Kunden an einer Kontaktaufnahme mit dem Verantwortlichen. Nicht erfasst werde von § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG jedoch das Interesse des Kunden, sich etwa über die Vertrauenswürdigkeit und die Sicherheitsstandards des konkreten Anbieters der Ballonfahrt zu informieren.250 Eine solches Interesse könne allenfalls durch § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG als wesentliches Merkmal der Dienstleistung erfasst werden. Im konkreten Fall verneinte der BGH jedoch auch eine Informationspflicht aus § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG.251 Bei Feststellung der Umfangs der Informationspflicht aus § 5a Abs. 3 UWG seien nämlich die Umstände und Besonderheiten des Angebotes zu berücksichtigen. Im Falle einer großzügigen Einlösefrist von drei Jahren sei der Gutscheinanbieter nicht ohne Weiteres in der Lage, alle die Ballonfahrt möglicherweise konkret durchführenden Unternehmen zu benennen. Auf Grund der besonderen Umstände in Gestalt der zeitlichen und personellen Flexibilität des Dienstleistungsangebotes könne der Gutscheinverkäufer daher die geforderte Identitätsangabe nicht erbringen. Gegenüber einem vollständigen Verbot des Geschäftsmodells sei daher kein nach § 5a Abs. 3 UWG schützenswertes Informationsinteresse des Kunden anzunehmen.252 Der Fall zeigt, dass der BGH – anders als noch die Vorinstanz – die Starrheit der Informationspflicht aus § 5a Abs. 3 UWG abmildert. Der BGH erkennt zudem an, dass gegenüber dem Informationsinteresse auch das Bedürfnis an der Entwicklung und Durchführung neuer Geschäftsmodelle zu beachten ist. d) Informationspflichten in Bezug auf Preise, § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG Der § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG enthält Informationspflichten in Bezug auf Preise. Die Angabepflicht umfasst den Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können.253

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BGH MMR 2014, 667, Rn. 21 – Alpenpanorama im Heißluftballon. BGH MMR 2014, 667, Rn. 25 – Alpenpanorama im Heißluftballon. 251 BGH MMR 2014, 667, Rn. 25 – Alpenpanorama im Heißluftballon. 252 BGH MMR 2014, 667, Rn. 34 – Alpenpanorama im Heißluftballon. 253 Weitere Einzelheiten finden sich etwa bei Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 2014, S. 162 ff. 250

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Die Preisangabepflicht nach § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG weist Unterschiede gegenüber anderen Preisangabenregelungen auf, etwa gegenüber der deutschen PAngV. Die mit der UGP-Richtlinie deckungsgleichen Vorschriften im § 5a Abs. 3 UWG sind jedoch wegen der Sperrwirkung der UGP-Richtlinie gegenüber rein mitgliedstaatlichen Vorschriften zur Preisangaben vorrangig. Strengere mitgliedstaatliche Vorschriften dürfen daher nicht zu einer lauterkeitsrechtlichen Sanktion führen.254 In dem Vorlageverfahren „Konsumentombudsmannen/Ving Sverige“255 hatte der EuGH zu beurteilen, ob die Angabe eines Mindestpreises ausreichend ist, wenn in einer Werbung für Reisen nach New York von verschiedenen Abflughäfen aus und zu verschiedenen Terminen lediglich ein Mindestpreis angegeben wird. Die Werbung enthielt also weder einen Endpreis noch Einzelheiten zu dessen Berechnung oder zu Zusatzkosten. Die Angabe eines Mindestpreises kann jedoch – so der EuGH – insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Endpreis erst aus variablen Faktoren wie etwa dem Abflugort und dem Reisetermin ergibt, so dass der Endpreis vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden könne.256 Dafür spreche auch, dass nach Artikel 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie bei der Frage, ob eine Information vorenthalten wurde, die Beschränkungen des Kommunikationsmittels sowie alternative Informationsmaßnahmen – wie etwa der Verweis auf eine Internetseite – zu berücksichtigen sind.257 Daher sei die Angabe eines Mindestpreises nicht automatisch als Verstoß gegen die Informationspflicht einzustufen. Vielmehr müsse das mitgliedstaatliche Gericht – unter Beachtung der Beschränkungen des Kommunikationsmittels sowie alternativer Informationsmaßnahmen – entscheiden, ob die Auslassung den Verbraucher daran hindert, eine informierte Entscheidung zu treffen.258 Wiederum hat also der EuGH zwar eine weite Auslegung bei der Frage vorgenommen, ob ein Mindestpreis die Informationspflicht auslöst.259 Der damit verbundenen Ausweitung der Informationslast für den Werbenden stellt er jedoch eine flexible Auslegung bei der Bestimmung des Inhalts der Informationspflicht entgegen.

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Zur Sperrwirkung der UGP-Richtlinie gegenüber der deutschen Preisangabenverordnung siehe § 2 C. III. 4. 255 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903. 256 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 64. 257 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 68. 258 EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903, Rn. 72. 259 Zur Frage, ob die Angabe eines Mindestpreises eine Aufforderung zum Kauf darstellt, siehe § 3 A. V. 3. a) ff).

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

e) Informationspflichten in Bezug auf Vertragsbedingungen, Rücktritts- und Widerrufsrechte, § 5a Abs. 3 Nr. 4 und 5 UWG Der § 5a Abs. 3 Nr. 4 UWG etabliert eine Informationspflicht in Bezug auf Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie auf Verfahren zum Umgang mit Beschwerden, soweit sie von Erfordernissen der fachlichen Sorgfalt abweichen. Ferner haben nach § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG Angaben über das Bestehen eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf zu erfolgen. Es spricht einiges dafür, die Vorschrift auch in Bezug auf vertragliche Widerrufs- und Rücktrittsrechte anzuwenden.260 4. Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 2 UWG Greift die Vermutung des Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 3 und Abs. 4 UWG nicht ein, so kann sich die Wesentlichkeit einer Information auch aus § 5a Abs. 2 ergeben. § 5a Abs. 3 und 4 UWG ist – ebenso wie Artikel 7 Abs. 4 und 5 UGP-Richtlinie – in seiner Aufzählung der wesentlichen Informationen nicht abschließend in dem Sinne, dass das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit in § 5a Abs. 2 UWG bereits erschöpfend erläutert wäre;261 vielmehr definiert § 5a Abs. 3 UWG die Wesentlichkeit lediglich in Bezug auf die dort behandelte Kaufsituation des konkreten Anbietens. Damit besteht Raum für eine Beurteilung der Wesentlichkeit im Einzelfall nach § 5a Abs. 2 UWG. Das Merkmal der Wesentlichkeit sollte – trotz seiner Nähe zu § 5a Abs. 1 UWG – eigenständig ausgelegt werden (siehe unten a)). Maßgeblicher Faktor ist dabei eine Interessenabwägung, bei der die Bedeutung der Information für die Marktentscheidung sowie die Informationslasten für die Unternehmer im Vordergrund stehen (siehe unten b)). 260 v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 2012, Rn. 680 ff. 261 Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 169; Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1031; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 36; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 98; mit weiterer Differenzierung: Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 31; leicht abweichend und mit weiterer Differenzierung: Köhler, WRP 2009, 109, 116. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Katalog des § 5a Abs. 3 UWG als abschließend betrachtet werden kann in Hinblick auf die Tatsachen, welche die Wesentlichkeitsvermutung auslösen. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass der Katalog insoweit nicht abschließend ist, und verweist darauf, dass auch § 5a Abs. 4 UWG nicht abschließend ist. Siehe Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25, 26. In der Literatur wird der Katalog zum Teil als abschließend im genannten Sinne betrachtet; siehe etwa Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 98 und Nordemann, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 5a, Rn. 68.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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a) Eigenständige Auslegung der „Wesentlichkeit“ in § 5a Abs. 2 UWG Die Anforderungen an die Wesentlichkeit einer Information werden im Gesetz nicht definiert. Nach allgemeiner Ansicht in der Literatur kann im Ausgangspunkt bei Bestimmung der Wesentlichkeit im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG an die Kasuistik zum alten § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG aus dem Jahre 2004 angeknüpft werden262, der seinerseits nun in § 5a Abs. 1 UWG fortgeschrieben ist. Mehrere Gründe sprechen jedoch für eine eigenständige Auslegung des Begriffs der Wesentlichkeit in § 5a Abs. 2 UWG gegenüber dem § 5a Abs. 1 UWG: So ist jedenfalls bei der Anknüpfung an frühere – rein mitgliedstaatliche – Rechtsprechung zu beachten, dass die Auslegung von § 5a Abs. 2 UWG den europarechtlichen Vorgaben der UGP-Richtlinie gerecht werden muss und daher im Einzelfall eine Korrektur der bisherigen Rechtsprechung geboten sein kann, soweit das Postulat einer richtlinienkonformen Auslegung dies erfordert.263 Zudem muss die frühere Rechtsprechung natürlich Elemente zum Gegenstand haben, die auch Gegenstand der Neuregelung sind. Ein Unterschied des § 5a Abs. 2 UWG gegenüber § 5a Abs. 1 UWG besteht in seiner Beschränkung auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern. Bei der Bezugnahme auf älteres Fallrecht muss daher geprüft werden, ob dieses in Hinblick auf die spezifische Verbraucherorientierung des § 5a Abs. 2 UWG zu modifizieren ist. Steht jedoch auf der Käuferseite kein Verbraucher, sondern ein Unternehmer, so fällt der Sachverhalt ohnehin nur unter § 5a Abs. 1 UWG. Ferner ist zu prüfen, ob das Fallrecht dem Charakter der neuen Regelung als Transparenzgebot entspricht. Ein wichtiger Unterschied des § 5a Abs. 2 UWG gegenüber § 5a Abs. 1 UWG ist sein Verzicht auf das Entstehen einer Fehlvorstellung. Letzteres ist das entscheidende Element, das die Vorschrift zu einer Informationspflicht verdichtet; denn der Verstoß gegen die Informationspflicht stellt das haftungsauslösende Element dar. Daher kommt insbesondere ein Rückgriff auf Fälle in 262 So implizit auch, wenngleich teilweise ohne die nachfolgend genannten Einschränkungen, Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 30; Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 29a. Eine Ausformung des Wesentlichkeitskriteriums für das traditionelle Irreführungsverbot erfolgte etwa durch BGH GRUR 1952, 416, 417 – Dauerdose: Der Fall hatte die Zulässigkeit eines Systemvergleichs zum Gegenstand. Der BGH untersuchte insbesondere, ob die Darstellung wahrheitsgemäß ist. BGH GRUR 1973, 206, 207 – Skibindungen: Der BGH verneinte eine Irreführung bei einer Werbung für Skibindungen mit den Erfolgen von bestimmten Rennläufern, auch wenn die Bindungen für die Rennläufer mit härteren Federn ausgestattet waren. BGH GRUR 1999, 1017, 1018 – Kontrollnummernbeseitigung I: Der Fall hatte die Beseitigung von Kontrollnummern bei exklusiven Parfums zum Gegenstand. Der BGH stellte auf den Einzelfall ab und verneinte eine Irreführung jedenfalls dann, wenn die nachträgliche Veränderung der Verpackungen für die Konsumenten überhaupt nicht erkennbar ist. BGH GRUR 2000, 76, 77 – Shareware; BGH GRUR 2000, 616, 617 – Auslaufmodelle III. 263 Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 90; Köhler, WRP 2009, 109, 110.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Betracht, bei denen – auch unter der bisherigen Regelung – ein Fehlen von Informationen im Vordergrund stand.264 Des Weiteren lässt § 5a Abs. 2 UWG – in Abgrenzung gegenüber § 5a Abs. 1 UWG – weniger Raum für eine Bewertung des Einzelfalls.265 Dies zeigt sich im Wortlaut des § 5a Abs. 1 UWG: Danach sind „bei der Beurteilung“, ob ein Verschweigen irreführend ist, „insbesondere“ die im Weiteren genannten Kriterien zu berücksichtigen; hingegen eröffnet § 5a Abs. 2 UWG mit der Formulierung „unlauter handelt“ dem Richter weniger Spielraum. Zudem ist zu untersuchen, ob die konkreten Fallkonstellationen nicht bereits unter die spezielleren und daher vorrangigen Neuregelungen in § 5a Abs. 3 und 4 UWG fallen.266 Der § 5a Abs. 3 und 4 UWG enthält keine eigenständigen Unlauterkeitstatbestände, sondern lediglich konkretisierende Ausformungen des § 5a Abs. 2 UWG. Für den § 5a Abs. 2 UWG dürfte – angesichts des weit gefassten § 5a Abs. 3 und 4 – lediglich ein eher beschränkter praktischer Anwendungsbereich verbleiben.267 b) Wesentlichkeit und Interessenabwägung Für eine Informationspflicht, die nicht die Vermutung des § 5a Abs. 3, 4 UWG erfüllt – etwa weil sie sich nicht auf einen der Bezugspunkte des Kataloges bezieht oder weil keine unionsrechtlich fundierte Informationspflicht besteht – ist zur Feststellung der Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 2 UWG eine umfangreiche Interessenabwägung durch das Gericht vorzunehmen. Dabei stehen die Eignung zur Beeinflussung der Marktentscheidung sowie die Informationslasten für die Unternehmer im Vordergrund. Nach einer etwas strengeren Auffassung ist eine Information bereits dann wesentlich, wenn sie in der konkreten Situation zum Fällen einer informierten Entscheidung benötigt wird.268 Eine etwas weitere Ansicht hebt demgegenüber hervor, dass es einer Überspannung der Informationsanforderungen gleichkäme und das Kriterium der Wesentlichkeit überflüssig wäre, wenn man jegliche Informationen als 264 Hinweise auf solche Fälle gibt Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 29a; siehe etwa BGH GRUR 1999, 264 – Handy für 0,00 DM; BGH GRUR 2002, 967 – Koppelungsangebot I, BGH GRUR 2002, 979 – Koppelungsangebot II: In den beiden Fällen zu Koppelungsangeboten sprach der BGH jeweils von der Gefahr, dass der Käufer über den tatsächlichen Wert des Angebots „getäuscht oder unzureichend informiert“ werde, und er forderte eine „Transparenz“ des Angebots. Diese Wortwahl enthält bereits Elemente eines Transparenzgebots, wie es heute in § 5a Abs. 2 UWG verankert ist. 265 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 30. 266 Nordemann, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 5a, Rn. 64. 267 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 25. 268 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 10; in diese Richtung auch Fezer, WRP, 2007, 1021, 1029.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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wesentlich charakterisieren würde, die der Durchschnittsverbraucher für eine informierte Entscheidung benötigt.269 Schon nach dem Gesetzeswortlaut muss jedoch eine Information zum einen wesentlich sein und zum anderen zusätzlich noch vom Verbraucher für eine informierte Entscheidung benötigt werden.270 Auch aus dem Zusammenhang zwischen den Absätzen 1 und 4 von Artikel 7 UGP-Richtlinie ergibt sich dieses Verständnis.271 Daher ist der etwas weiteren Ansicht zu folgen. Die Information muss also für das angemessene Abwägen des Für und Wider der geschäftlichen Entscheidung erforderlich sein. Es erfolgt eine Abwägung zwischen Interessen der Verbraucher – etwa daran, eine sachlich fundierte Entscheidung zu treffen – und Interessen der Unternehmer, die etwa in der Verwendung moderner Kommunikationsmittel liegen können.272 Auf Seiten des Unternehmers sind in der Abwägung auch die mit der Annahme einer Informationspflicht verbundenen Belastungen des Unternehmers zu berücksichtigen. So muss es dem Unternehmer zumutbar sein, die Information an den Kunden zu geben.273 Ein Maßstab hierfür lässt sich aus der UGP-Richtlinie ableiten: So sind § 5 Abs. 2 UWG sowie Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie im Lichte des Grundtatbestands des Artikel 5 Abs. 2 a) UGP-Richtlinie auszulegen, der auf die berufliche Sorgfalt des Unternehmers Bezug nimmt.274 Diese Sorgfalt wird in Artikel 2 h) UGP-Richtlinie legal definiert als der Standard von Fachkenntnissen und Sorgfalt, bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder entsprechend dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet. Auf Seiten des Kunden ist eine Information nicht wesentlich, wenn ihre Kenntnis von einem Durchschnittsverbraucher erwartet werden kann.275 Ferner sind Informationen jedenfalls dann nicht wesentlich, wenn sie nach der Verkehrsauffassung nicht entscheidungsrelevant sind. Maßgeblich ist also nicht, ob ein individueller Verbraucher für seine Geschäftsentscheidung auf diese Information angewiesen ist. Maßstab ist vielmehr – nach dem europäischen Verbraucherbegriff – der angemessen aufmerksame und informierte Durchschnittsverbraucher276. Es kommt darauf an, ob 269

Köhler, WRP 2009, 109, 116; Köhler, WRP 2009, 898, 908; Köhler, WRP 2009, 109, 116; ähnlich: Steinbeck, WRP 2006, 632, 636; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1331. 270 Köhler, WRP 2009, 898, 908. 271 Steinbeck, WRP 2006, 632, 636. Demgegenüber wird jedoch auch gegen eine Selbstständigkeit der beiden Merkmale plädiert; siehe Seichter, WRP 2005, 1087, 1093. 272 Bornkamm, WRP 2012, 1, 4; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 29b. 273 Köhler, WRP 2009, 109, 116. 274 Köhler, WRP 2009, 898, 908, 909. 275 Köhler, WRP 2009, 109, 116; Köhler, WRP 2009, 898, 909. 276 Allgemein zum europäischen Verbraucherleitbild siehe Dreyer, in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 15 ff.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

dieser die Information als erforderlich ansehen und nach der Verkehrsauffassung ihre Mitteilung erwarten durfte und ob der Unternehmer sie als notwendig betrachten musste. Eine Information ist umso eher wesentlich, je eher sie seine Entscheidung bestimmt und von dem Üblichen abweicht.277 Im Rahmen der Interessenabwägung ist ferner eine situationsbezogene Betrachtung vorzunehmen, die insbesondere die Tragweite des Geschäfts, die Konkretheit der Verkaufssituation und die daraus resultierenden Risiken berücksichtigt. Aus § 5a Abs. 3 UWG ergibt sich die allgemeine Wertung, dass die Informationspflicht umso intensiver ist, je konkreter der Geschäftsabschluss bevorsteht. In der Situation, in der etwa eine Produktkennzeichnung zum Tragen kommt, steht der Vertragsschluss in der Regel unmittelbar bevor; dies ist bei der Abwägung zu beachten. Ein Hinweis darauf, welche Produktmerkmale wesentlich sein können, kann sich aus dem Katalog des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UWG ergeben, der jedoch nicht abschließend und teilweise recht weit reichend ist.278 Allerdings ist zu beachten, dass bei den wesentlichen Merkmalen der Ware nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG der Einzelfall keine Rolle spielt. Es wird insoweit eine im Vergleich zu § 5a Abs. 2 UWG strengere Informationspflicht etabliert. In ähnlicher Weise ergibt sich aus § 5a Abs. 4 UWG die allgemeine Wertung, dass gesetzlichen Informationspflichten eine besondere Bedeutung in der Abwägung zukommt.279 Im Unterschied zu § 5a Abs. 4 UWG, bei dessen Einschlägigkeit stets von einer Wesentlichkeit auszugehen ist, erfolgt bei § 5a Abs. 2 UWG eine situationsbezogene Bestimmung der Information, die für wesentlich gehalten wird. Bei der Wesentlichkeit der Information im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG wird hingegen auf den konkreten Fall abgestellt, und die Informationen müssen nicht notwendig für sämtliche Verbraucher von Bedeutung sein.280 Außerdem zu beachtende Faktoren umfassen ferner die Langfristigkeit der Bindung, die Kosten des Produktes sowie die geschäftliche Nähe. Je bedeutsamer die Information für die geschäftliche Entscheidung ist, desto detaillierter muss diese sein.281 Erwägungsgrund 10 UGP-Richtlinie betont das besondere Bedürfnis für lauterkeitsrechtliche Regelungen bei komplexen Produkten, wie etwa bei Finanzanlagen, die für den Konsumenten schwer zu durchschauen sind.282 In ähnlicher Weise kann es von besonderer Bedeutung sein, wenn eine Kennzeichnungspflicht sich auf Eigenschaften des Produktes bezieht, die auf andere Weise nicht ohne Weiteres wahrnehmbar sind. 277

Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1222. Bornkamm, WRP 2012, 1, 4. 279 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 65. 280 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 32a. 281 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 65. 282 Ebenso das Arbeitspapier der Europäischen Kommission: European Commission, Guidance on the Implementation / Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC(2009) 1666, S. 49. 278

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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VI. Kein Erfordernis eines Sorgfaltspflichtverstoßes Zur Annahme eines Verstoßes gegen das lauterkeitsrechtliche Transparenzgebot ist keine Feststellung eines Verstoßes gegen die berufliche Sorgfalt erforderlich. Daher kommt es auch etwa nicht darauf an, ob bezüglich eines fehlenden aufklärenden Hinweises ein Verschulden auf Seiten des Unternehmens vorliegt. Die erste deutsche Umsetzung des Transparenzgebots in § 5a Abs. 2 UWG 2008 ließ jedoch die Interpretation zu, dass auch ein Sorgfaltsverstoß zu prüfen ist, und der BGH ist einer solchen Auslegung auch – fälschlicherweise – gefolgt (siehe unten 1.). Dies hat in der Literatur Kritik erfahren (siehe unten 2.). Gegen das Erfordernis eines Sorgfaltspflichtverstoßes können die UGP-Richtlinie (siehe unten 3.) und die EuGH-Rechtsprechung (siehe unten 4.) angeführt werden. Schließlich hat der deutsche Gesetzgeber in der UWG-Novelle des Jahres 2015 daher eine Korrektur vorgenommen (siehe unten 5.). 1. Die deutsche Rechtslage vor der UWG-Reform des Jahres 2015 Der § 5a Abs. 2 UWG 2008 stellte darauf ab, ob die „Entscheidungsfreiheit von Verbraucher im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG“ beeinflusst wird. Es wurde also auf den zweigliedrigen Tatbestand des § 3 Abs. 2 UWG alte283 Fassung284 verwiesen. Durch diesen Verweis beabsichtigte der Gesetzgeber eine Bezugnahme auf das Spürbarkeitserfordernis in § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung.285 Jedoch war § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung zweigliedrig und enthielt neben dem Spürbarkeitskriterium auch das Erfordernis eines Verstoßes gegen die fachliche beziehungsweise unternehmerische oder berufliche286 Sorgfalt. In dem Fall „Kamerakauf im Internet“287 leitete der Bundesgerichtshof aus dem Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 UWG 2008 ab, dass bei der Werbung mit Testergebnissen die Fundstelle entweder bereits deutlich angegeben werden muss oder

283 Der § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung hatte folgenden Wortlaut: „Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. …“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 284 Der § 3 UWG wurde durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 geändert. 285 Köhler, GRUR 2012, 1073, 1076 unter Hinweis auf Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 17, 25. 286 Die Bezeichnung „unternehmerische Sorgfalt“ wurde durch die UWG-Reform des Jahres 2015 eingeführt. Zuvor verwendete das deutsche UWG den Terminus „fachliche Sorgfalt“. Die UGP-Richtlinie benutzt die Bezeichnung „berufliche Sorgfalt“. 287 BGH GRUR 2010, 248 – Kamerakauf im Internet.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

durch Sternchenhinweis leicht aufzufinden sein muss.288 In der Werbung mit Testergebnissen, die Gegenstand des Verfahrens war, fehlte jedoch eine solche Fundstellenangabe. Dabei führte der Bundesgerichtshof nach Subsumtion des § 5a Abs. 2 UWG aus, dass die Angabe der Fundstelle eines Testergebnisses auch ein Gebot der fachlichen Sorgfalt im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung darstelle. Damit hat der BGH daher angenommen, dass der Verweis in dem früheren § 5a Abs. 2 UWG 2008 sich auch auf das Erfordernis der Sorgfaltsverletzung in § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG alte Fassung – also auf den gesamten zweigliedrigen Tatbestand – bezieht.289 Unter Annahme einer Gesamtverweisung prüfte der BGH dann insoweit konsequent auch das Vorliegen eines Verstoßes gegen die fachliche Sorgfalt. Das OLG Düsseldorf kam in dem Fall „Werbung mit Prüfsiegel und wesentliche Information“290 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass auf Grund von § 5a Abs. 2 UWG 2008 zu einem Prüfsiegel nähere Angaben gemacht werden müssen. In der Begründung der Entscheidung nimmt der Bundesgerichtshof dabei ebenfalls Bezug auf die fachliche Sorgfalt.291 2. Kritik in der Literatur Diese Entscheidungspraxis war in der Literatur zu Recht kritisiert worden.292 Es wird hervorgehoben, dass eine Verletzung der unternehmerischen Sorgfalt bereits in Gestalt der Informationspflichtverletzung automatisch gegeben ist.293 Ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt steht also bereits fest, wenn man zuvor eine Informationspflichtverletzung bejaht hat.294 Der Verweis in § 5a Abs. 2 UWG 2008 sollte daher so zu verstehen sein, dass er sich ausschließlich auf das letzte Element von § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG alte Fassung – also auf die Spürbarkeit – bezieht.295 Hingegen war in dieser Auslegung eine gesonderte Prüfung der beruflichen Sorgfalt nicht erforderlich.296 Das zweite in § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung in Bezug genommene Element der Spürbarkeit sollte lediglich die Funktion haben, dem Relevanzerfordernis des Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie gerecht zu werden, und war daher oh288

BGH GRUR 2010, 248, Rn. 30, 32 – Kamerakauf im Internet. BGH GRUR 2010, 248 – Kamerakauf im Internet. 290 OLG Düsseldorf WRP 2015, 365 – Werbung mit Prüfsiegel. 291 OLG Düsseldorf WRP 2015, 365, Rn. 40 – Werbung mit Prüfsiegel. 292 Köhler, WRP 2013, 1419; Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 17; Köhler, GRUR 2012, 1073, 1076 f. 293 Köhler, in: Greipl/Münker (Hrsg.), 100 Jahre Wettbewerbszentrale, 2012, S. 147, 151. 294 Alexander, GRUR Int 2012, 1; Köhler, GRUR 2012, 1073, 1076; Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 55 plädiert für eine entsprechende Lesart der genannten BGH-Entscheidungen. 295 Köhler, in: Greipl/Münker (Hrsg.), 100 Jahre Wettbewerbszentrale, 2012, S. 147, 151; Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 19. 296 Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 17. 289

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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nehin im Rahmen des § 5 Abs. 2 UWG 2008 zu beachten.297 Die Verweisung des § 5a Abs. 2 UWG 2008 war daher zum einen missverständlich und läuft zum anderen ins Leere.298 Außerdem stellte der § 5a Abs. 2 UWG 2008 eine Konkretisierung des Unlauterkeitsmerkmals in § 3 Abs. 1 UWG alte Fassung dar. Mit dem zusätzlichen Verweis auf § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung erweckte der deutsche Gesetzgeber den Eindruck, als ob bei § 5a Abs. 2 UWG 2008 eine doppelte Relevanzprüfung zu erfolgen hätte. 3. Kein Sorgfaltserfordernis nach der UGP-Richtlinie Auch aus den unionsrechtlichen Vorgaben der UGP-Richtlinie ergibt sich, dass eine lauterkeitsrechtliche Sanktion von Transparenzverstößen keinen Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt erfordert. Dies ergibt sich aus der Regelungsstruktur der UGP-Richtlinie: Artikel 5 Abs. 1 UGP-Richtlinie spricht ein Verbot für unlautere Geschäftspraktiken aus. Artikel 5 Abs. 2 a) UGP-Richtlinie definiert Verstöße gegen die berufliche Sorgfalt als unlauter. Daneben definiert Artikel 5 Abs. 4 a) UGP-Richtlinie Irreführungen als weitere Gruppe von unlauteren Geschäftspraktiken. Daher ist beim Vorliegen einer Irreführung durch Unterlassen nicht noch zusätzlich das Vorliegen eines Sorgfaltspflichtverstoßes zu prüfen. 4. Kein Sorgfaltserfordernis nach der EuGH-Rechtsprechung Diese Auslegung der UGP-Richtlinie hat der EuGH in mehreren Fällen in Bezug auf das Verbot der Irreführung durch aktives Tun in Artikel 6 UGP-Richtlinie bestätigt. Diese Rechtsprechung zu Artikel 6 UGP-Richtlinie ist auf das Verbot der Irreführung durch Unterlassen in Artikel 7 UGP-Richtlinie übertragbar.299 Die beiden Regelungen stehen nämlich im selben systematischen Zusammenhang. Durch Artikel 5 Abs. 4 a) UGP-Richtlinie werden nämlich sowohl die Irreführung durch aktives Tun in Artikel 6 UGP-Richtlinie als auch die Irreführung durch Unterlassen in Artikel 7 UGP-Richtlinie in Bezug genommen. So hat der EuGH hat im Vorlageverfahren „UPC Magyarorszag“300 sowie im Vorlageverfahren „CHS Tour Services/Team4“301 gleichlautend festgehalten, dass nach Feststellung einer irreführenden Praxis im Sinne von Artikel 6 UGP-Richtlinie zur Annahme einer Unlauterkeit nicht noch zusätzlich zu prüfen ist, ob auch ein 297

Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 28. Köhler, GRUR 2012, 1073, 1076, 1076. 299 Alexander, WRP 2015, 286, Rn. 37. 300 EuGH, Rs. C-388/13, UPC Magyarorszag, Rn. 63 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 301 EuGH, Rs. C-435/11, CHS Tour Services/Team4, Rn. 48 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 298

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt nach Artikel 5 Abs. 2 a) UGP-Richtlinie vorliegt. Dies ergebe sich aus der Regelungsstruktur sowie aus dem Wortlaut der UGP-Richtlinie.302 In dem Fall „UPC Magyarorszag“303 hatte ein Unternehmen auf eine Anfrage, die dem Zweck der Ausübung des Kündigungsrechts diente, eine falsche Auskunft über die Dauer der Vertragsbeziehung gegeben. Der EuGH erklärte es für ausreichend, dass die Irreführung über die Kündigungsmöglichkeit in einem einzigen Fall und nur gegenüber einem einzigen erfolgt war, da die UGP-Richtlinie ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau anstrebe.304 Auch ein Vorsatz sei auf Seiten des Angeklagten zur Annahme einer Unlauterkeit nicht erforderlich.305 In dem Fall „CHS Tour Services/Team4“306 hatte das Reisebüro Team4 mit Hotels Exklusivitätsvereinbarungen getroffen, um sicherzustellen, dass in den maßgeblichen Zeiträumen keine anderen Reisegruppen in diesen Hotels Platz finden würden. Die Vereinbarungen waren durch Vertragsstrafen und Rücktrittsrechte gegenüber den Hotels abgesichert. Nachfolgend gelang es dem konkurrierenden Reisebüro CHS Tour Services, in denselben Hotels und in denselben Zeiträumen Bettenkontingente zu reservieren. In Unkenntnis dieser Tatsache bezeichnete Team4 gegenüber seinen Kunden seine Angebote weiterhin als exklusiv. Team4 wurde daraufhin von seinem Konkurrenten CHS Tour Services wegen Irreführung verklagt. Team4 berief sich – im Ergebnis erfolglos – darauf, dass kein Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt vorgelegen habe. Team4 habe nämlich von den Vertragsverstößen durch die Hotels keine Kenntnis gehabt. Der EuGH entschied, dass es auf ein Verschulden oder einen Vorsatz – in Gestalt eines Verstoßes gegen die berufliche Sorgfalt – für die Annahme einer Unlauterkeit in Gestalt einer Irreführung nicht ankommt.307 5. Kein Sorgfaltserfordernis nach der UWG-Novelle des Jahres 2015 Der deutsche Gesetzgeber hat in der UWG-Novelle des Jahres 2015 eine Neufassung von § 5a Abs. 2 UWG 2015 vorgenommen. Dabei hat er den missverständlichen Verweis auf § 3 Abs. 2 UWG gänzlich gestrichen und durch eine Übernahme der besonderen Relevanzschwelle des Artikel 7 Abs. 1 und 3 UGP302

EuGH, Rs. C-435/11, CHS Tour Services/Team4, Rn. 45 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 303 EuGH, Rs. C-388/13, UPC Magyarorszag, (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 304 EuGH, Rs. C-388/13, UPC Magyarorszag, Rn. 41 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 305 EuGH, Rs. C-388/13, UPC Magyarorszag, Rn. 47 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 306 EuGH, Rs. C-435/11, CHS Tour Services/Team4, (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 307 EuGH, Rs. C-435/11, CHS Tour Services/Team4, Rn. 48 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht).

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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Richtlinie ersetzt.308 Da nun die Relevanz unmittelbar in § 5a Abs. 2 UWG 2015 geregelt ist, ist auch kein Verweis mehr erforderlich. Dadurch wurde eine Angleichung der deutschen Rechtslage an die unionsrechtlichen Vorgaben erreicht.

VII. Geschäftliche Relevanz Der Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie enthält eine wichtige Einschränkung der lauterkeitsrechtlichen Haftung für Transparenzverstöße. Eine Haftung tritt nur dann ein, wenn der Verbraucher die vorenthaltene Information für eine informierte Entscheidung benötigt und die somit geeignet ist, ihn zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Durch diese Relevanzklausel beziehungsweise Spürbarkeitsklausel werden das starre Transparenzgebot und die damit verbundene Informationslast abgemildert. Das Kriterium der geschäftlichen Relevanz ist von hoher praktischer Bedeutung, etwa wenn der Verbraucher bereits ohnehin zuvor Kenntnis von der vorenthaltenen Information erlangt hatte309 oder wenn er sie seiner Entscheidung gar nicht zu Grunde gelegt hat. Der deutsche Bundesgerichtshof (siehe unten 1.) und Teile der Literatur (siehe unten 2. und 3.) weisen eine Neigung auf, die geschäftliche Relevanz stets automatisch zu bejahen. Die Ablehnung einer Relevanzprüfung ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH (siehe unten 4.) und unionsrechtlicher Vorgaben kritisch zu sehen (siehe unten 5.). Die erste Fassung des deutschen Transparenzgebots aus dem Jahre 2008 weist gegenüber den unionsrechtlichen Vorgaben auch inhaltliche Abweichungen bei der Spürbarkeitsschwelle auf (siehe unten 6.). Mit der UWG-Novelle des Jahres 2015 erfolgte eine inhaltliche Korrektur bezüglich der Spürbarkeitsklausel in der deutschen Regelung. Diese lässt auch Raum, um der geschäftlichen Relevanz eine größere Bedeutung zuzumessen und um ökonomischen Bedenken wegen einer Überinformation zu begegnen (siehe unten 7.). 1. Verzicht auf eine Relevanzprüfung durch den Bundesgerichtshof Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 5a Abs. 2 UWG 2008 weist eine Tendenz auf, die Spürbarkeit stets automatisch zu bejahen. Dies bedeutet, dass der BGH in jüngeren Entscheidungen darauf verzichtet hat, eine selbstständige Spürbarkeitsprüfung vorzunehmen.310 Dies war jedenfalls dann der Fall, wenn sich 308

So bereits die Forderung von Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 40. So das Beispiel von Köhler, GRUR 2012, 1073, 1078. 310 BGH GRUR 2011, 82, Rn. 33 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; BGH GRUR 2012, 842 – Neue Personenkraftwagen; BGH GRUR 2010, 852, Rn. 21 – Gallardo Spyder. BGH MMR 2010, 29 – Holzhocker. Anders noch: BGH GRUR 2009, 1180 – 0,00 Grundgebühr. 309

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

eine Vermutung der Wesentlichkeit der vorenthaltenen Information aus § 5a Abs. 3 UWG oder aus § 5a Abs. 4 UWG ergab. Demgegenüber haben die deutschen Untergerichte uneinheitlich geurteilt und teilweise eine eigenständige Relevanzprüfung vorgenommen.311 In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall „Neue Personenkraftwagen“312 waren auf einer Internet-Verkaufsplattform Kraftfahrzeuge zum Verkauf angeboten worden, ohne dass die nach Unionsrecht und deutschem Recht erforderlichen Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu Kohlendioxidemissionen gemacht worden waren. Der BGH argumentierte, dass auf Grund des Verstoßes gegen die unionsrechtlichen Hinweispflichten eine Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 4 UWG anzunehmen sei.313 Bei einer Einstufung als wesentlich nach § 5a Abs. 4 UWG sei aber zugleich geklärt, dass eine Spürbarkeit nach dem damaligen § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung gegeben sei.314 In dem Fall „Gallardo Spyder“315 waren ebenfalls in Bezug auf Kraftfahrzeuge unzureichende Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu Kohlendioxidemissionen gemacht worden. Bei der Frage der Spürbarkeit nach dem damaligen § 3 Abs. 1 und Abs. 2 UWG alte Fassung stellte der BGH zwar die Spürbarkeit zunächst ausdrücklich fest.316 Er argumentierte, dass die beanstandete Werbung nicht in einer Kleinanzeige enthalten war, sondern in einer weit verbreiteten Fachzeitschrift. Jedoch fügt der BGH hinzu, dass ohnehin die Spürbarkeit zu bejahen sei, da die Information ja wesentlich im Sinne der UGP-Richtlinie sei.317 In dem BGH-Fall „Holzhocker“318 hatte ein Internethändler in einer fernabsatzrechtlichen Widerrufsbelehrung die Reichweite des Widerrufsrechts unzutreffend dargestellt. Die Pflicht zur Widerrufsbelehrung ergab sich auf unionsrechtlich fundierten Vorgaben im Sinne von § 5a Abs. 4 UWG. Bezüglich der Spürbarkeit nahm der BGH zwar auch eine kurze inhaltliche Argumentation vor, führte jedoch aus, dass bereits das Vorliegen einer Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 4 UWG für eine Spürbarkeit spreche.319 Auch außerhalb unionsrechtlicher Informationspflichten im Sinne von § 5a Abs. 4 UWG hat der BGH eine Spürbarkeit automatisch bejaht: In dem Fall

311 So etwa KG Berlin GRUR-RR 2011, 278, 279, – Lesbarkeit. Weitere Nachweise zur untergerichtlichen Rechtsprechung finden sich bei Steinbeck, WRP 2011, 1221, Fußnote 17. 312 BGH GRUR 2012, 842 – Neue Personenkraftwagen. 313 BGH GRUR 2012, 842, Rn. 25 – Neue Personenkraftwagen. 314 BGH GRUR 2012, 842, Rn. 25 – Neue Personenkraftwagen. 315 BGH GRUR 2010, 852 – Gallardo Spyder. 316 BGH GRUR 2010, 852, Rn. 21 – Gallardo Spyder. 317 BGH GRUR 2010, 852, Rn. 21 – Gallardo Spyder. 318 BGH MMR 2010, 29 – Holzhocker. 319 BGH MMR 2010, 29, Rn. 24 – Holzhocker.

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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„Preiswerbung ohne Umsatzsteuer“320 war entgegen dem Transparenzgebot in § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG bei einer Preisangabe die Umsatzsteuer nicht ausgewiesen worden. Zur Bejahung der Spürbarkeit argumentierte der BGH pauschal, dass bei § 5a Abs. 3 UWG unwiderleglich zu vermuten sei, dass sich die Informationspflichtverletzung auf die geschäftliche Entscheidung auswirken könne.321 2. Ablehnung einer Relevanzprüfung in der Literatur Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur soll beim Transparenzgebot des § 5a Abs. 2 UWG das Relevanzkriterium automatisch erfüllt und eine gesonderte Prüfung entbehrlich sein.322 Dies wird für das gesamte Transparenzgebot des § 5a Abs. 2 UWG vertreten, also nicht nur für die Fälle der Wesentlichkeitsvermutung nach § 5a Abs. 3 und Abs. 4 UWG.323 Aus dem Tatbestand des § 5a Abs. 2 UWG ergebe sich im Wege einer unwiderleglichen Vermutung, dass auch eine Spürbarkeit gegeben ist.324 Teilweise wird auch von einer tatsächlichen, jedoch widerlegbaren Vermutung dafür ausgegangen, dass eine Information, die der Verbraucher für eine Entscheidung benötigt, auch geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen.325 Eine Information könne nicht gleichzeitig wesentlich, jedoch ohne geschäftliche Relevanz sein.326 Es sei ein Widerspruch in sich, wenn eine Information zwar als wesentlich eingestuft werde, der Verbraucher sie aber für eine informierte Entscheidung dann doch nicht benötige.327 Auch aus den Vorgaben der UGP-Richtlinie ergebe sich nichts anderes.328 Die zweigliedrige Struktur des Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie deute zwar zunächst darauf hin, dass die Relevanz neben der Wesentlichkeit eine selbstständige Vor-

320

BGH GRUR 2011, 82 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer. BGH GRUR 2011, 82, Rn. 33 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer. 322 Bornkamm, WRP 2012, 1, 5; Seichter, WRP 2005, 1087, 1093; Bergmann, in: Blaurock/ Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 170 ff.; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 4; Peifer, WRP 2008, 556, 558; Köhler, GRUR 2012, 1073, 1077; Köhler, WRP 2013, 1419, Rn. 4, 47; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 57; Lindacher, in: Teplitzky/Peifer/Leistner (Hrsg.), UWG, 2013, § 5a, Rn. 40 ff. 323 So ausdrücklich Bornkamm, WRP 2012, 1, 5. 324 Bornkamm, WRP 2012, 1, 5. 325 Köhler, WRP 2013, 1419, Rn. 47. 326 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 4; Bergmann, in: Blaurock/ Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 170 ff. 327 Bornkamm, WRP 2012, 1, 5. 328 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 56; Bergmann, in: Blaurock/ Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 171. 321

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

aussetzung darstelle:329 Nach dem Wortlaut muss die vorenthaltene Information wesentlich sein und „somit“ der Verbraucher zu einer Entscheidung veranlasst werden können, die er sonst nicht getroffen hätte. Jedoch – so ein Teil der Literatur – gestatte der Konnektor „somit“ die Auslegung, dass bei einer wesentlichen Information die Relevanz stets zu bejahen sei.330 Danach wäre das Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Relevanz bei § 5a Abs. 2 UWG überflüssig. 3. Erfordernis einer selbstständigen Relevanzprüfung Nach anderer Ansicht in der Literatur ist bei § 5a Abs. 2 UWG eine selbstständige Relevanzprüfung notwendig.331 Trotz Wesentlichkeit könne es etwa an einer geschäftlichen Relevanz insbesondere dann fehlen, wenn die Wesentlichkeit einer Information nicht positiv festgestellt wird, sondern sich normativ aus § 5a Abs. 3 und 4 UWG ergebe.332 Tatsächlich kann es sein, dass sich eine Informationspflicht aus einer unionsrechtlichen Kennzeichnungspflicht ergibt, die jedoch für den Verbraucher in Wirklichkeit keine besondere Bedeutung hat. Bei der großen Anzahl an unionsrechtlichen Informationspflichten kann dies durchaus einmal der Fall sein. In dieser Konstellation wird die Wesentlichkeit über § 5a Abs. 4 UWG vermutet. Wenn man nun – sogar unwiderleglich – auch die geschäftliche Relevanz automatisch unterstellt, so kann es schnell zu einer rechtspolitisch nicht erwünschten Übersanktionierung kommen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass der Wortlaut der UGP-Richtlinie auf eine selbstständige Bedeutung des Spürbarkeitskriteriums hinweist.333 Angesichts der zweigliedrigen Struktur der Unlauterkeitstatbestände in den Artikeln 6 – 9 UGPRichtlinie sei nicht davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber die Entscheidungsrelevanz im jeweils zweiten Halbsatz als überflüssige Klarstellung verstanden hat.334 Schließlich sei auch bei der Irreführung durch aktives Tun nach § 5 UWG eine selbstständige Spürbarkeitsprüfung erforderlich.335

329

Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 171. Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 171. 331 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 81 ff.; Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1224; Steinbeck, WRP 2006, 632, 636; v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 2012, Rn. 452 ff. 332 Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1224. 333 Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1224. 334 Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1224. 335 Steinbeck, WRP 2011, 1221, 1224. 330

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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4. Rechtsprechung des EuGH zum Relevanzerfordernis Der EuGH hat in dem italienischen Vorlageverfahren „Trento Sviluppo“336 zum Relevanzerfordernis in der UGP-Richtlinie Stellung genommen. Dabei stellte der EuGH fest, dass bei der Irreführungsvorschrift des Artikel 6 UGP-Richtlinie zur Feststellung eines Verstoßes neben der Unwahrheit beziehungsweise der Täuschungseignung auch das Relevanzerfordernis erfüllt sein muss.337 Dafür sprächen, so der EuGH, die spanische, englische und französische Sprachfassung der UGPRichtlinie.338 Zwar seien grundsätzlich alle Sprachfassungen einer Richtlinie gleichermaßen verbindlich.339 Für eine selbstständige Bedeutung des Spürbarkeitserfordernisses spreche – so der EuGH weiter – jedoch auch die Regelungsstruktur der UGP-Richtlinie:340 Bei der Unlauterkeit wegen eines Verstoßes gegen die berufliche Sorgfalt bestehe ein selbstständiges Relevanzkriterium. Dies gelte parallel bei irreführenden Geschäftspraktiken, da sie neben Sorgfaltspflichtverstößen eine besondere Kategorie der Unlauterkeit darstellen. Die Regelungsstruktur des Transparenzgebots in Artikel 7 UGP-Richtlinie ist mit derjenigen in Artikel 6 UGP-Richtlinie vergleichbar. Dies spricht dafür, auch beim Transparenzgebot des Artikel 7 UGP-Richtlinie dem Relevanzerfordernis eine eigene Bedeutung einzuräumen.341 5. Die Unzulässigkeit nationaler per se-Verbote nach der UGP-Richtlinie Der vom Bundesgerichtshof und Teilen der Literatur beschrittene Weg des Verzichts auf eine Relevanzprüfung steht nicht nur im Widerspruch zu Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie. Vielmehr kann darin auch ein Verstoß gegen das Prinzip der Vollharmonisierung der UGP-Richtlinie gesehen werden. In dem Verzicht auf die Einzelfallprüfung in Gestalt einer Relevanzprüfung liegt eine Annäherung des Transparenzgebots an ein per se-Verbot.342 Die per se-Verbote nach Artikel 5 Abs. 5 UGP-Richtlinie in Verbindung mit Anhang II der UGPRichtlinie sind jedoch abschließend. Die Mitgliedstaaten dürfen im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie keine weiter gehenden Verbote einführen. 336

EuGH, Rs. C-281, 12, Trento Sviluppo (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). EuGH, Rs. C-281, 12, Trento Sviluppo, Rn. 33 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 338 EuGH, Rs. C-281, 12, Trento Sviluppo, Rn. 25 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 339 EuGH, Rs. C-281, 12, Trento Sviluppo, Rn. 26 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 340 EuGH, Rs. C-281, 12, Trento Sviluppo, Rn. 28 ff. (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). 341 So auch die Interpretation von Alexander, WRP 2015, 286, Rn. 33. 342 So auch die Einschätzung von Köhler, WRP 2013, 1419, Rn. 2, 17 f. 337

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

An diesem Befund ändert sich auch dann nichts, wenn man bei dem Transparenzgebot das allgemein im deutschen Lauterkeitsrecht geltende Relevanzkriterium des früheren § 3 Abs. 1 UWG343 alte Fassung angewendet hätte. Es ist nämlich zweifelhaft, ob das damalige allgemeine Spürbarkeitskriterium im deutschen Lauterkeitsrecht der europarechtlichen Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung ausreichend gerecht wurde.344 6. Inhaltliche Abweichung im früheren deutschen Lauterkeitsrecht Selbst wenn man – richtigerweise – eine Relevanzprüfung für geboten hält, so ist anzumerken, dass beim deutschen Transparenzgebot in seiner ersten Fassung aus dem Jahre 2008 die im Gesetz vorgesehenen Spürbarkeitsschwellen in inhaltlicher Hinsicht von den unionsrechtlichen Vorgaben abwichen: Der § 5a Abs. 2 UWG 2008 enthielt als Relevanzschwelle eine Verweisung auf die Verbrauchergeneralklausel in § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung. Der Verweis im alten § 5a Abs. 2 UWG 2008 auf den zweigliedrigen § 3 Abs. 2 UWG alte Fassung wurde von Literatur und Rechtsprechung in Deutschland als ein Verweis nicht nur auf das Relevanzkriterium, sondern auch auf die fachliche Sorgfalt fehlinterpretiert.345 Zudem wich aber die alte Verbrauchergeneralklausel in § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG inhaltlich leicht von dem Relevanzkriterium in Artikel 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie ab.346 Daher war auch inhaltlich eine Reform des Relevanzkriteriums durch den Gesetzgeber wünschenswert.347 Auch die allgemeine Relevanzschwelle im früheren § 3 Abs. 1 UWG alte Fassung entsprach – soweit man sie bei § 5a Abs. 2 UWG für anwendbar hielt – inhaltlich nicht den speziellen Relevanzanforderungen aus Artikel 7 UGP-Richtlinie.348 Der frühere § 3 Abs. 1 UWG alte Fassung stellte nämlich lediglich allgemein auf eine mögliche Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher ab. Hingegen fordert die UGP-Richtlinie eine Eignung zur Beeinflussung von Entscheidungen der Verbraucher. Obgleich hier eine richtlinienkonforme Auslegung der früheren deutschen Regelung denkbar gewesen sein mag, erschien eine gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert.349 343

Durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 wurde § 3 UWG grundlegend geändert. Köhler, in: Greipl/Münker (Hrsg.), 100 Jahre Wettbewerbszentrale, 2012, S. 147, 151 f.; Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 24. 345 Zur Frage, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung eine Voraussetzung einen Verstoß gegen das Transparenzgebot darstellt, siehe § 3 A. VI. 346 So der Hinweis von Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 23, Fußnote 18, bezüglich des Begriffs „informierte Entscheidung“. Siehe auch Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 29. 347 Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 29. 348 Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 22; Alexander, WRP 2013, 17, Rn. 26 a.E. 349 So bereits die Forderung von Köhler, GRUR 2012, 1073, 1075. 344

A. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG

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7. Die eigenständige Relevanzklausel in § 5a Abs. 2 UWG 2015 Durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 ist der – missverständliche und inhaltlich unscharfe – Verweis des § 5a Abs. 2 UWG auf § 3 Abs. 2 UWG aus dem Gesetzestext entfernt worden. Im Gegenzug hat § 5a Abs. 2 UWG eine eigene Relevanzschwelle erhalten, die das deutsche Recht besser an die Vorgaben der UGPRichtlinie annähert. Nach dem neuen zweistufigen Relevanzerfordernis des § 5a Abs. 2 UWG 2015 muss der Verbraucher die Information zum einen für eine informierte Entscheidung benötigen, und zum anderen muss das Vorenthalten dieser Information geeignet sein, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gerade in Hinblick auf den sehr weiten § 5a Abs. 4 UWG ist dies begrüßenswert. Durch § 5a Abs. 4 UWG wird eine große Bandbreite an europäischen Informationspflichten pauschal einer lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung unterstellt. Bei einzelnen dieser Pflichten ist die Wirksamkeit umstritten, oder ihre Einführung stellte einen politischen Kompromiss dar, ohne dass man die Frage einer Sanktionierung im Auge hatte. Zudem trägt gerade § 5a Abs. 4 UWG zu einer starken Erhöhung der Informationslast für Unternehmen bei. Das neu gefasste Relevanzerfordernis bietet Raum, um Transparenzpflichten abzumildern, wenn sie sich als zu stark erweisen.

VIII. Zwischenergebnis zu § 5a Abs. 2 – 5 UWG Die Haftung für das Vorenthalten von Informationen gegenüber Verbrauchern ist in § 5a Abs. 2 – 5 UWG in drei Stufen geregelt: § 5a Abs. 2 UWG sieht eine allgemeine Haftung für das Vorenthalten von Informationen vor, die wesentlich sind. § 5a Abs. 3 UWG etabliert gesteigerte Informationspflichten, wenn eine Verkaufssituation so konkret ist, dass eine Aufforderung zum Kauf vorliegt. Schließlich begründet § 5a Abs. 4 UWG eine Haftung für Verstöße gegen unionsrechtlich begründete Informationspflichten. Die durch § 5a Abs. 2 – 5 UWG begründeten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten können sehr weitgehend sein. Außerhalb des Bereiches von § 5a Abs. 2 – 5 UWG – also etwa im unternehmerischen Geschäftsverkehr sowie außerhalb konkreter Verkaufssituationen – obliegt die Feststellung der Wesentlichkeit einer Information beziehungsweise einer lauterkeitsrechtlichen Aufklärungspflicht weiterhin der Rechtsprechung.350 Durch eine einschränkende Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale sowie durch eine Berücksichtigung der für die Unternehmer entstehenden Informations350 So bereits bezogen auf das UWG 2004: Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 20.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

lasten351 sollte eine Ausuferung der Informationspflichten verhindert und der Gefahr begegnet werden, dass es zu einer Umkehrung des Grundsatzes des Nichtbestehens einer allgemeinen Informationspflicht kommt. Auch auf der Käuferseite könnte sonst eine nachteilige Wirkung eintreten, wenn ein Überfluss von Informationen zu einer Desinformation führt. Allerdings bietet die Unterlassungsvorschrift des § 5a Abs. 2 – 5 UWG keinen wirksamen Schutz vor einer Verwässerung durch eine Überinformation, da ja die Hinzufügung von gesetzlich nicht geforderten Informationen durch das Merkmal der Wesentlichkeit nicht verhindert wird. Dem könnte allenfalls im Rahmen des § 5 UWG begegnet werden, wenn der Vermischung und Kontextualisierung von Informationen eine irreführende Wirkung zukommt.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG als Wahrheitsgebot Eine lauterkeitsrechtliche Haftung wegen Irreführung durch Unterlassen kann sich auch aus den §§ 3, 5a Abs. 1 UWG ergeben. Gemäß § 5a Abs. 1 UWG sind – so der Gesetzeswortlaut – für die Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung zu berücksichtigen sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung des Käufers. In Hinblick auf die Bedeutung des § 5a Abs. 1 UWG für das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell ist Folgendes zu beachten: Die Vorschrift stellt anders als § 5a Abs. 2 – 5 UWG kein Transparenzgebot dar, sondern folgt dem traditionellen Konzept eines Irreführungsverbotes und stellt damit grundsätzlich auf das Entstehen einer Fehlvorstellung ab. Dennoch ist im Kontext einer Untersuchung des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells eine Untersuchung auch des § 5a Abs. 1 UWG vor allem aus zwei Gründen aufschlussreich: Zum einen werden bei einer Untersuchung von § 5a Abs. 1 UWG im Wege eines Vergleichs die besonderen Charakteristika des Transparenzgebots in § 5a Abs. 2 – 5 UWG und dessen Bedeutung für das Informationsmodell deutlich. Zum anderen ist von Bedeutung, dass § 5a Abs. 1 UWG das traditionelle Irreführungsverbot in der Handlungsmodalität des Unterlassens regelt. Hier hat die Rechtsprechung nämlich in bestimmten Fällen schon früher eine Tendenz gezeigt, beim Weglassen bestimmter Informationen beinahe automatisch auch die Eignung zur Irreführung zu bejahen.352 So wurde etwa bei Koppelungsangeboten aus dem traditionellen Irreführungsverbot eine Pflicht zu detaillierten Angaben

351 Allgemein zum Aspekt der Informationslast: Steingass/Teworte, WRP 2005, 676, 684; siehe jedoch auch Fezer, WRP, 2007, 1021, 1027. 352 Bornkamm, WRP 2012, 1, 2.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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bezüglich der Bestandteile des Koppelungsangebotes und des Preises hergeleitet.353 Darin kann man eine Annäherung des traditionellen Verbotes der Irreführung durch Unterlassen an ein Transparenzgebot im Sinne einer Pflicht zur vollständigen Information sehen. Diese Tendenz könnte man als ersten Vorboten für einen Übergang zu einem Transparenzgebot und somit zu einem Informationsmodell im Lauterkeitsrecht deuten. Steht auf der Käuferseite ein Unternehmer, so gelangt bei einer Irreführung durch Unterlassen von § 5a UWG ausschließlich der Abs. 1 zur Anwendung. Dieser gilt einheitlich und ohne Unterschied sowohl gegenüber Verbrauchern als auch im Geschäftsverkehr mit sonstigen Marktteilnehmern;354 § 5a Abs. 1 UWG stellt daher eine Generalklausel für Irreführungen durch Unterlassen dar.355 Jedoch kommt dem § 5a Abs. 1 UWG dann lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu, wenn ein Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern vorliegt. In diesem Fall ist nämlich die Verbrauchergeneralklausel des § 5a Abs. 2 UWG einschlägig, der eine lauterkeitsrechtliche Haftung bereits unter weniger strengen Voraussetzungen etabliert. Aus diesem Grund wird im Schrifttum auch argumentiert, dass § 5a Abs. 2 – 5 UWG die vorrangige und speziellere Regelung darstelle.356 Da das Transparenzgebot des § 5a Abs. 2 – 5 UWG ausschließlich im Verhältnis zu Verbrauchern echte Informationspflichten etabliert, erfolgt eine lauterkeitsrechtliche Kontrolle des unternehmerischen Informationsverhaltens im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen für den Bereich des Unterlassens einer Information ausschließlich über das traditionelle Irreführungsverbot des § 5a Abs. 1 UWG. Zudem kann der Rechtsbruchtatbestand anwendbar sein.

I. Normgenese und Dogmatik § 5a Abs. 1 UWG geht nicht auf eine Umsetzung von Artikel 7 Abs. 1 UGPRichtlinie zurück.357 Daher unterliegt er – anders als die übrigen Absätze der Vorschrift – insoweit auch nicht dem Postulat einer richtlinienkonformen Auslegung in Bezug auf die UGP-Richtlinie.358 § 5a Abs. 1 UWG entspricht weitgehend dem § 5 353

So der Hinweis von Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 2. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 6; Dreyer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 14, 31; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 3. 355 Lettl, GRUR-RR 2009, 41, 43; Körber/Heinlein, WRP 2009, 780, 784. 356 Köhler, in: Erdmann/Leistner/Rüffer/Schulte-Beckhausen (Hrsg.), FS Loschelder, 2010, S. 151, 152. 357 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 6. 358 Bei einer Anwendung von § 5a Abs. 1 UWG auf den Geschäftsverkehr gegenüber sonstigen Marktteilnehmern können jedoch Vorgaben der Werbe-Richtlinie zu beachten sein; siehe § 2 A. I. 4. 354

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Abs. 2 Satz 2 UWG des UWG359 aus dem Jahre 2004.360 Die lediglich geringfügige Änderung im Wortlaut ist darauf zurückzuführen, dass das UWG nunmehr nicht mehr ausschließlich für den Vertragsschluss selber, sondern nach dem expliziten Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch auf vor- und nachvertragliche geschäftliche Handlungen Anwendung findet.361 Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es daher nun nicht mehr auf die Bedeutung der Tatsache nur für einen Vertragsschluss an, sondern allgemeiner auf deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung. Der § 5a Abs. 1 UWG folgt dem klassischen Irreführungskonzept und ist in systematischer sowie in dogmatischer Hinsicht daher eigentlich eher dem § 5 UWG als dem § 5a Abs. 2 – 5 UWG zuzuordnen. Dies zeigt sich auch daran, dass ja der heutige § 5a Abs. 1 UWG – nahezu wortgleich – zuvor ein Teil des § 5 UWG war. In seinem Wortlaut – „bei der Beurteilung, ob ein Verhalten irreführend ist“ – knüpft § 5a Abs. 1 UWG weiterhin an den § 5 UWG an und verwendet den Terminus „Irreführung“, der als deutscher Rechtsbegriff das Entstehen einer Fehlvorstellung impliziert. Angesichts dieses systematischen Zusammenhangs und der Normgenese ist es diskussionswürdig, ob § 5 UWG, also die allgemeine Irreführungsvorschrift, nicht auch weiterhin – ohne explizite Erwähnung – Irreführungen in der Begehungsform eines Unterlassens abdeckt, da die Unterlassensmodalität ja auch bereits erfasst war, als sie nicht im Gesetzeswortlaut explizit Erwähnung fand.362 Jedoch soll der Gesetzgebungshistorie zu entnehmen sein, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass alle Konstellationen, die ein Unterlassen enthalten, nun dem § 5a UWG zuzuordnen sind.363 Damit stellt die schon unter dem alten Recht äußerst komplexe Abgrenzung zwischen positivem Tun und Unterlassen nun auch eine Entscheidung zwischen zwei formell separaten Normen dar. In Bezug auf § 5a Abs. 1 UWG behält die zur Abgrenzung der Begehungsformen von positivem Tun und Unterlassen unter den Vorgängerregelungen entwickelte Dogmatik ihre Gültigkeit, während sie in Hinblick auf § 5a Abs. 2 UWG einer Fortentwicklung bedarf, da dieser – trotz seiner Bezeichnung als Unterlassungsvorschrift – auch verspätete und unklare Angaben 359 § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG 2004 hatte folgenden Wortlaut: Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die Entscheidung zum Vertragsschluss nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen. 360 So auch der Hinweis von Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 92; Köhler, WRP 2009, 109, 115. 361 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25. 362 Zur Diskussion der Frage, ob § 5 UWG bei einer konsequenten Subsumtion nicht weiterhin die Fallgestaltung der Irreführung durch Unterlassen umfasst, siehe § 5 A. II. 4. b). 363 So wurde es von am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten als Argument für die Schaffung der separaten Norm des § 5a UWG angeführt, dass dadurch die Handlungsmodalitäten des positiven Tuns und des Unterlassens in zwei getrennten Normen geregelt sind; siehe Seichter, WRP 2005, 1087, 1093.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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erfasst.364 Eine Zuordnung zum Tatbestand der Irreführung durch positives Tun des § 5 UWG kommt in Betracht, wenn die Fehlvorstellung gerade durch eine Angabe, die tatsächlich gemacht wurde, ausgelöst und dann nicht korrigiert wurde.365 Hingegen liegt ein Verschweigen, das nur unter den Voraussetzungen des § 5a UWG den Tatbestand der Irreführung erfüllen kann, dann vor, wenn der Verkehr die geschäftliche Handlung nur im negativen Sinne um scheinbar fehlende Bestandteile ergänzt.366 Jedoch tritt die Bedeutung dieser Differenzierung dadurch in den Hintergrund, dass ohnehin beide Vorschriften der Konzeption eines Wahrheitsgebotes folgen und in der Rechtsprechung eine Tendenz besteht, eine Offenbarungspflicht beziehungsweise die Wesentlichkeit einer Information dann zu bejahen, wenn zu diesem Aspekt überhaupt – wenngleich lückenhafte – Angaben gemacht werden.367 Dadurch nähern sich die Voraussetzungen der beiden Regime an.

II. Übertragbarkeit der Kasuistik zur alten Rechtslage auf § 5a Abs. 1 UWG Das ältere lauterkeitsrechtliche Fallrecht zum Verbot der Irreführung durch Unterlassen, das zu Vorgängerregelungen des § 5a UWG ergangen ist, kann aus mehreren Gründen weitgehend auf § 5a Abs. 1 UWG übertragen werden.368 Zum einen ist § 5a Abs. 1 UWG weitgehend wort- und inhaltsgleich mit dem alten § 5 Abs. 2 Satz 2 aus dem UWG des Jahres 2004, der als Teil der Norm zum allgemeinen Verbot der Irreführung klarstellte, dass auch durch die Handlungsmodalität des Unterlassens der Irreführungstatbestand verwirklicht werden kann. Zum anderen entspricht § 5a Abs. 1 UWG auch in dogmatischer Hinsicht der Vorgängerregelung aus dem Jahre 2004, da beide Vorschriften dem klassischen Konzept eines Irreführungsverbotes folgen und daher Entstehung einer Fehlvorstellung beim Käufer als Voraussetzung haben. Auch Fallrecht, das zum alten § 3 UWG aus dem Jahre 1909 erlassen wurde, ist grundsätzlich auf § 5a Abs. 1 UWG aus dem Jahre 2008 übertragbar: Unter 364 Zur Abgrenzung von positivem Tun und Unterlassen und zur Feststellung, dass in Hinblick auf § 5a Abs. 2 UWG eine Modifizierung dieser Abgrenzung erforderlich ist siehe § 3 A. III. 3. 365 Umfangreiche und detaillierte Ausführungen zur Abgrenzung von positivem Tun und Unterlassen finden sich etwa bei Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 60 ff.; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 200. 366 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 67. 367 So der Hinweis von Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 200. 368 Für eine generelle Übertragbarkeit sprechen sich etwa aus: Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 8; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 14.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

§ 3 UWG aus dem Jahre 1909 fielen nämlich die Fallkonstellationen der Irreführung durch Unterlassen, ohne dass die Unterlassungsmodalität einer Begehung explizit im Wortlaut der Vorschrift aufgeführt war. Mit Erlass des alten § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG im Jahre 2004 wiederum verfolgte der Gesetzgeber gemäß explizitem Hinweis in der Gesetzesbegründung369 die Zielsetzung, das durch höchstrichterliche Rechtsprechung geformte Fallrecht zu kodifizieren, das zu § 3 des UWG von 1909 ergangen war. Damit steht § 5a Abs. 1 UWG aus dem Jahre 2008 grundsätzlich in einer Linie mit den Vorgängerregelungen und dem entsprechenden Fallrecht.370 Durch das Postulat einer richtlinienkonformen Auslegung wird die Übertragbarkeit des älteren Fallrechts auf § 5a Abs. 1 UWG nur geringfügig eingeschränkt: Der § 5a Abs. 1 UWG geht nämlich – anders als die anderen Absätze dieser Vorschrift – nicht auf die UGP-Richtlinie zurück. Bei der Anwendung im Verhältnis zu Unternehmern tritt kein Konflikt zwischen § 5a Abs. 1 UWG und der UGP-Richtlinie auf, da diese ja nur das Verhältnis zu Verbrauchern regelt. Dennoch darf natürlich bei der Anwendung von § 5a Abs. 1 UWG auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern kein Widerspruch zur UGP-Richtlinie entstehen.371 Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Vollharmonisierung der UGP-Richtlinie. Der § 5a Abs. 1 UWG darf also insbesondere kein weiter gehendes Verbot aussprechen als der § 5a Abs. 2 – 5 UWG, welcher der UGPRichtlinie entstammt. Dies dürfte jedoch ohnehin selten der Fall sein, da § 5a Abs. 2 – 5 UWG – insbesondere in Hinblick auf seinen Charakter als Transparenzgebot – gegenüber dem traditionellen Verbot einer Irreführung durch Unterlassen in § 5a Abs. 1 UWG jedenfalls die speziellere und strengere Vorschrift darstellt. Daher ist vorrangig zu prüfen, ob die Fallkonstellation nicht bereits die Voraussetzungen des Transparenzgebots in § 5a Abs. 2 – 5 UWG erfüllt. Bei einer Anwendung von § 5a Abs. 1 UWG im Verhältnis zu sonstigen Marktteilnehmern gilt Folgendes: Hier ist die UGP-Richtlinie nicht anwendbar und daher nicht zu beachten. Grundsätzlich sind jedoch die Vorgaben der WerbeRichtlinie372 einzuhalten. Jedoch folgt die Werbe-Richtlinie dem Prinzip der Mindestharmonisierung und gestattet daher strengere mitgliedstaatliche Verbote. Ferner macht die Werbe-Richtlinie nur für den Bereich der Werbung Vorgaben. § 5a Abs. 1 UWG gilt jedoch allgemeiner für Geschäftspraktiken und damit einen größeren Bereich der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden. Der § 5a

369 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 19. 370 So auch Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1318; Fezer, WRP, 2007, 1021, 1025. 371 So auch Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 15. 372 Zur Werbe-Richtlinie, dem Prinzip der Mindestharmonisierung und der Bedeutung für § 5a Abs. 1 UWG siehe § 2 A. I.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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Abs. 1 UWG373 und seine sehr ähnliche unmittelbare Vorgängerregelung werden zudem grundsätzlich als europarechtskonform eingeordnet. Im Ergebnis ergibt sich damit eine weitgehende Übertragbarkeit des älteren Fallrechts auf § 5a Abs. 1 UWG.

III. Tatsachenbegriff und fehlende Begrenzung von § 5a Abs. 1 UWG auf Regeltatbestände Bei der fehlenden Information muss es sich um eine Tatsache handeln, also um inhaltlich nachprüfbare Umstände.374 Eine – unterbliebene – Angabe muss folglich ein Mindestmaß an Information enthalten.375 Nicht abgedeckt werden nicht nachprüfbare Anpreisungen ohne objektiven Informationsgehalt sowie bloße Werturteile.376 Werturteile werden in höherem Maße vom verfassungsrechtlichen Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Abs. 1 GG erfasst und unterliegen daher in geringerem Umfang einer Kontrolle durch das Lauterkeitsrecht: In dem Fall „Das Beste jeden Morgen“377 stellte der BGH fest, dass es sich bei dem Slogan „Das Beste jeden Morgen“ nicht um eine Tatsache im Sinne der Behauptung einer Alleinstellung handele, sondern um eine reklamehafte Anpreisung, die als Werturteil nicht dem Irreführungsverbot unterfalle.378 Enthält ein Werturteil jedoch einen Tatsachenkern, dann greift das Irreführungsverbot, da auf diesen Tatsachenkern abzustellen ist:379 In dem Fall „Ski-Sicherheitsbindung“380 hatte der BGH eine Werbung für Wintersportgeräte zu beurteilen, welche die Bezeichnung „deutsches Spitzenprodukt“ enthielt. Der BGH entschied, dass diese Angabe zwar im Verkehr als Werturteil betrachtet werde; jedoch beruhe das Urteil auf nachprüfbaren Tatsachen und enthalte damit einen sachlichen Kern. Daher liege eine Angabe im Sinne 373

Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, Einl UWG, Rn. 3.44. Köhler, WRP 2009, 898, 907; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 37; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 85; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 182; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.37. 375 Bezogen auf eine tatsächlich erfolgte Angabe: Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.37; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 181. 376 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 87; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 183; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.40; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 43. 377 BGH GRUR 2002, 182 – Das Beste jeden Morgen. 378 BGH GRUR 2002, 182, 183 – Das Beste jeden Morgen. 379 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 184; Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.49; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 43; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 87. 380 BGH GRUR 1973, 594 – Ski-Sicherheitsbindung. 374

178

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

des Lauterkeitsrechts vor.381 Der BGH bejahte eine Irreführung, da weder das Produkt noch die dem Produkt im Wesentlichen zu Grunde liegende Technologie aus Deutschland waren. Produktkennzeichnungspflichten, die auf eine bestimmte Qualitätsstufe hinweisen, stellen zwar eine Bewertung dar, enthalten jedoch meist die nachprüfbare Tatsache, dass ein Produkt bestimmten objektiven Kriterien entspricht. In diesem Fall handelt es sich daher um eine lauterkeitsrechtlich relevante Angabe, und das Verbot der Irreführung greift ein. Auf eine bestimmte Ausdrucksform kommt es bei der Angabe nicht an; insbesondere ist keine verbale Form notwendig.382 Dafür spricht auch § 5 Abs. 3 UWG, der ebenso bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen ausreichen lässt, die darauf zielen und dazu geeignet sind, explizite Angaben zu ersetzen. Bei Produktkennzeichnungen werden oft Symbole oder graphische Kennzeichnungen eingesetzt, die an die Stelle eines Textes treten und dem Käufer eine schnelle Information ermöglichen sollen. Auch solche Symbole können eine Angabe darstellen und in den Anwendungsbereich des § 5a Abs. 1 UWG fallen. In dem Fall „Hühnergegacker“383 hatte der BGH eine Rundfunkwerbung für Teigwaren zu beurteilen, die akustisch mit Hühnergegacker unterlegt war. Der BGH wertete diese akustische Untermalung als Angabe im Sinne das Lauterkeitsrechts und brachte daher das Irreführungsverbot zur Anwendung. Durch die akustische Untermalung werde – so der BGH – den Eindruck erweckt, dass bei der Herstellung der Teigwaren Frischei verwendet werde. In Hinblick auf den Bezugspunkt der irreführenden Angabe wird vertreten, das Verbot der Irreführung durch Unterlassen in § 5a Abs. 1 UWG auf die Liste von Bezugspunkten zu beschränken, die in § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG das Verbot der Irreführung durch aktives Tun begrenzt.384 Anders als im Falle einer Übertragung des Regelbeispielkataloges von § 5 UWG auf § 5a Abs. 2 UWG385 greifen einige Gegenargumente gegen eine solche Auslegung hier nicht ein. Zudem besteht bereits im Wortlaut des § 5a Abs. 1 UWG eine Verbindung zu § 5 UWG. Inhaltlich bewirkt § 5a Abs. 1 UWG außerdem lediglich eine Klarstellung, dass eine Irreführung auch durch die Modalität eines Unterlassens erfüllt werden kann. Vor der Novellierung im Jahr 2008 war der heutige § 5a Abs. 1 UWG auch äußerlich noch ein Teil des § 5 UWG. Schließlich folgen beide Vorschriften dogmatisch dem klassischen Konzept eines Irreführungsverbotes in Gestalt eines Wahrheitsgebotes. Außerdem beruht § 5a Abs. 1 UWG nicht auf einer europarechtlichen Vorgabe der UGP381

BGH GRUR 1973, 594, 595 – Ski-Sicherheitsbindung. Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 94; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 193; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.33. 383 BGH GRUR 1961, 544 – Hühnergegacker. 384 Befürwortend Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 38, 57, 58; Nordemann, in: Götting/Nordemann, UWG, 2013, § 5a, Rn. 78. 385 Eine Diskussion zur Ablehnung der Übertragbarkeit des Regelbeispielkataloges aus § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG auf § 5a Abs. 2 UWG findet sich oben, siehe § 3 A. III. 1. 382

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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Richtlinie, die gegen eine solche Auslegung spräche. Durch die UWG-Reform im Jahre 2008 wurde der heutige § 5a Abs. 1 UWG aus dem § 5 Abs. 2 Satz 2 des UWG des Jahres 2004 herausgelöst. § 5 Abs. 2 Satz 1 UWG 2004 enthielt ebenfalls einen Regelbeispielkatalog. Dieser war nicht abschließend. Er ordnete an, dass alle Bestandteile einer Werbung zu berücksichtigen seien und insbesondere die in ihr enthaltenen Angaben über die in dem Regelbeispielkatalog genannten Tatsachen.386 Der Regelbeispielkatalog des heutigen § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG hat – anders als es teilweise in der Literatur angenommen wird387 – keinen abschließenden Charakter.388 Eine Übertragung des Regelbeispielkatalogs von § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG auf § 5a Abs. 1 UWG würde dessen Anwendungsbereich daher nicht einschränken, sondern lediglich eine Auslegungshilfe darstellen.

IV. Verschweigen und seine Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung Der § 5a Abs. 1 UWG sanktioniert das Verschweigen einer Angabe. Demgegenüber genügt beim Transparenzgebot des § 5a Abs. 2 UWG bereits das bloße Fehlen einer Angabe.389 Das bloße Weglassen einer Information stellt jedoch noch kein Verschweigen im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG dar; vielmehr ist der Verstoß gegen eine Aufklärungspflicht erforderlich (siehe unten 1.). Eine wichtige Fallgruppe zur Annahme einer Aufklärungspflicht stellt auf die Bedeutung der Tatsache für die angesprochenen Verkehrskreise ab (siehe unten 2.). Zudem hat eine Abwägung der Interessen von Verkäufer und Käufer zu erfolgen (siehe unten 3.).

386 In der Fassung des UWG aus dem Jahre 2004 lautet § 5 Abs. 1 Satz 1: „Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung irreführend ist, sind alle ihre Bestandteile zu berücksichtigen, insbesondere in ihr enthaltene Angaben über: …“. 387 Von einem abschließenden Charakter der Liste in § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG geht etwa aus: Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 57; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5, Rn. B 95; v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 2012, Rn. 214. 388 Siehe etwa Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1028; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 1.25 b; Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2014, § 5, Rn. 288. 389 Zur terminologischen Differenzierung zwischen „Vorenthalten“ in § 5a Abs. 2 UWG einerseits und „Verschweigen“ in § 5a Abs. 1 UWG andererseits siehe auch § 3 A. III. 3.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

1. Das Erfordernis einer Aufklärungspflicht in § 5a Abs. 1 UWG Mit § 5a Abs. 1 UWG beabsichtigte der Gesetzgeber – ausweislich der Gesetzesbegründung zum UWG aus dem Jahre 2004390 – eine Kodifizierung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Danach ist das Bestehen einer Aufklärungspflicht eine Voraussetzung dafür, dass der Verkäufer auch auf negative Eigenschaften eines Angebotes oder Produktes hinweisen muss.391 Jedoch ergibt sich aus dem traditionellen Irreführungsverbot keine allgemeine Aufklärungspflicht392 in dem Sinne, dass ungefragt auf jegliche für den Käufer möglicherweise negative Aspekte aufmerksam gemacht werden müsste.393 So hatte etwa der BGH im Fall „Dauerdose“394 über die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit einer Werbung zu entscheiden, die einen Systemvergleich zwischen Einmachgläsern und Dauerdosen vornahm. Das Gericht hielt fest, dass das Verschweigen von nachteiligen Eigenschaften nur dann als unlauter qualifiziert werden könne, wenn dadurch ein falscher Gesamteindruck erweckt wird, der geeignet ist, den Anschein eines besonders günstigen Angebotes zu erwecken.395 Die Entscheidung dokumentiert, dass sich aus dem klassischen Irreführungsverbot alleine keine Pflicht zur Vollständigkeit der Gegenüberstellung ergibt, sondern dass vielmehr ein Täuschungselement mit einer möglichen negativen Beeinflussung der Geschäftsentscheidung erforderlich ist. Nach der in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Dogmatik zum Irreführungsverbot als Wahrheitsgebot können sich Aufklärungspflichten vor allem aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun – wie etwa aus früheren Äußerungen – ergeben.396 Bestehen beispielsweise Produktkennzeichnungspflichten, so können diese zur Annahme einer Aufklärungspflicht im Rahmen des Verbotes der Irreführung durch Unterlassen führen.397 So enthält etwa das Lebensmittelrecht eine Reihe 390 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 19. 391 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 11; BGH GRUR 1952, 416 – Dauerdose; BGH GRUR 2000, 76, 77 – Shareware, BGH GRUR 1964, 269, 271 – Grobdesin. 392 Zur Ablehnung einer allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Aufklärungspflicht unter dem traditionellen Konzept des Irreführungsverbotes siehe § 2 A. II. 393 So die allgemeine Ansicht; siehe etwa Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 10; Nordemann, in: Götting/Nordemann, UWG Handkommentar, 2013, § 5a, Rn. 81; Wiegand, MMR 2002, 722, 728; BGH GRUR 1952, 416, 418; BGH GRUR 1999, 757, 758 – Auslaufmodelle I; BGH WRP 1999, 1141, 1145 – Generika-Werbung; Loewenheim, GRUR 1980, 14, 15. 394 BGH GRUR 1952, 416 – Dauerdose. 395 BGH GRUR 1952, 416, 417 – Dauerdose. 396 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5a, Rn. 13; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 9; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 8; Wiegand, MMR 2002, 722, 728; BGH GRUR 2000, 76 – Shareware. OLG Köln, GRUR-RR 2003, 118 – i-mode: Das OLG nahm eine Aufklärungspflicht dahingehend an, dass ein Telekommunikationsdienst nur mit einem bestimmten Handy nutzbar ist. 397 Siehe bereits Burmann, DB 1967, 1358, 1359.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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von Vorschriften, die eine Aufklärungspflicht des Werbenden hinsichtlich der Verwendung von Zusatzstoffen oder Zutaten. Insgesamt sind gesetzliche Hinweis- und Informationspflichten in der Rechtsordnung häufig anzutreffen. Soweit diese gesetzlichen Pflichten auf einer europäischen Grundlage basieren, kann sich eine – vereinfachte – lauterkeitsrechtliche Haftung bereits über das Transparenzgebot des § 5a Abs. 4 UWG ergeben. Jedoch ist bei einem Verstoß gegen solche gesetzliche Informationspflichten auch eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung nach dem traditionellen Verbot der Irreführung durch Unterlassen möglich, wenn dessen weiteren Voraussetzungen wie insbesondere etwa das Entstehen einer Fehlvorstellung beim Kunden vorliegen. Eine Aufklärungspflicht aus vorangegangenem Tun ergibt sich beispielsweise, wenn der Verkäufer mehrdeutige Informationssignale setzt, so dass er damit zu rechnen hat, missverstanden zu werden.398 In diesem Fall muss er unter Umständen eine Aufklärung leisten. 2. Bedeutung für die Geschäftsentscheidung des Käufers und Aufklärungspflichten Bereits nach dem Wortlaut des § 5a Abs. 1 UWG ergeben sich wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflichten insbesondere aus der Bedeutung der Information für die Geschäftsentscheidung des Kunden,399 wobei die Verkehrsauffassung sowie die Eignung zur Beeinflussung der Geschäftsentscheidung zu berücksichtigen sind. Auf Grund der Verwendung des Wortes „insbesondere“ im Gesetzestext handelt es sich dabei allerdings nicht um die einzige Möglichkeit der Begründung einer wettbewerbsrechtlichen Aufklärungspflicht; jedoch bildet diese Fallgruppe eine häufige Grundlage für die Entwicklung von Aufklärungspflichten durch die Rechtsprechung. Eine Hinweispflicht besteht, wenn die Marktgegenseite durch das Unterbleiben der aufklärenden Hinweise in einem wesentlichen relevanten Punkt, der eine geschäftliche Entscheidung zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht wird und zum Schutz ihrer Interessen unter Beachtung der berechtigten Interessen des Unternehmens eine Aufklärung unerlässlich ist.400 So stellte der BGH beispielsweise im Fall „Fertiglesebrillen“401 fest, dass bei einer frei verkäuflichen Ware wie Lesebrillen zwar nicht generell auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzuweisen ist; jedoch greife eine Hinweispflicht ein, wenn der – unrichtige – Eindruck einer gesund-

398

Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 387. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 8. 400 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 14, 32, 33; BGH GRUR 2000, 76, 77 – Shareware; BGH GRUR 2000, 616, 618 – Auslaufmodelle III; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 8, 14; Wiegand, MMR 2002, 722, 728; BGH GRUR 1982, 374, 375 – Skiauslaufmodelle; BGH GRUR 1999, 757, 758 – Auslaufmodelle I; BGH GRUR 1999, 760, 761 – Auslaufmodelle II; BGH GRUR 1999, 1125, 1126 – EG-Neuwagen II. 401 BGH GRUR 1996, 793 – Fertiglesebrillen. 399

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

heitlichen Unbedenklichkeit erweckt wird.402 Die Aufklärungspflicht ergibt sich also durch Bezugnahme auf die Wirkungen für die Marktgegenseite und deren berechtigten Interessen. Generell sollen die Verbraucher nicht durch irreführende Angaben zu falschen Marktentscheidungen veranlasst werden; die Allgemeinheit hat ein schützenswertes Interesse an der Wahrheit der Werbung, und die Mitbewerber, die sich an den Wahrheitsgrundsatz halten, sollen keinen Nachteil im Wettbewerb durch irreführende Konkurrenten erleiden.403 Der Markt – in Gestalt der Summe der einzelnen Kunden – kann beim Vorliegen von Täuschungen seine Schiedsrichterfunktion zwischen konkurrierenden Angeboten nicht mehr erfüllen, und es kann zu Fehlallokationen von Ressourcen kommen. Für die Annahme einer Informationspflicht spricht, wenn die Bereitstellung der Information den Wettbewerb auf dem Markt in dem gewünschten Sinne verändert, dass durch die Individualentscheidungen eine dezentrale Regulierung des Marktgeschehens von unten nach oben eintritt und dass dadurch eine normative Richtigkeitsgewähr404 für den einzelnen Vertragsschluss erfolgt. Bei der Frage, ob ein Umstand für den Geschäftsverkehr von Bedeutung ist, kommt es nicht auf die individuelle Aufmerksamkeit des Kunden an,405 sondern auf die Reaktionsweise eines durchschnittlich aufmerksamen Kunden.406 Für eine Entscheidungserheblichkeit und somit für ein Informationsinteresse spricht es grundsätzlich, wenn das Äquivalenzinteresse des Käufers berührt wird, also wenn von dieser Information die Höhe der Gegenleistung abhängen kann.407 In dem Fall „Grobdesin“408 stellte der BGH beispielsweise eine Aufklärungspflicht bei einer unterlassenen Kennzeichnung eines Desinfektionsmittels als giftig fest und argumentierte, dass das Produkt dem Käufer ohne diese Kennzeichnung in einem günstigeren Licht erscheine. Dieses Argument nimmt also darauf Bezug, dass durch das Unterlassen der Aufklärung die Marktchancen des Produktes verbessert werden, weil sich der Kunde über eine negative Eigenschaft des Produktes im Unklaren ist. In dem Fall „Auslaufmodelle III“409 hatte der BGH zu entscheiden, ob bei Elektrohaushaltsgroßgeräten eine Aufklärungspflicht des Verkäufers besteht, wenn ein bestimmtes Modell vom Hersteller nicht mehr produziert wird, nicht mehr in seinem Sortiment geführt wird oder von dem Hersteller selber als Auslaufmodell bezeichnet wird. Bei der Bestimmung des Informationsinteresses des Käufers stellte der BGH explizit in Rechnung, dass solche Geräte eine lange Lebensdauer aufweisen und ihr

402 403 404 405 406 407 408 409

BGH GRUR 1996, 793, 795 – Fertiglesebrillen. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 47. So die Formulierung von Keßler, WRP 2007, 714, 721. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 15. Zum Empfängerhorizont eines Durchschnittskunden siehe § 3 B. V. 2. BGH GRUR 1964, 269, 272 – Grobdesin. BGH GRUR 1964, 269, 272 – Grobdesin. BGH GRUR 2000, 616 – Auslaufmodelle III.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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Erwerb mit relativ hohen Kosten verbunden ist.410 Er betonte zudem, dass die Wesentlichkeit allein schon daraus abgeleitet werden könne, dass es sich bei einem Aspekt um einen preisbildenden Faktor handelt.411 In dem konkreten Fall bejahte er eine grundsätzliche Hinweispflicht. Auch in dem Fall „Auslaufmodelle II“412 räumte der BGH der Tatsache, dass es sich bei einer Eigenschaft um einen preisbildenden Faktor handelt, ausdrücklich Gewicht bei der Bestimmung der Wesentlichkeit ein.413 Für ein besonderes Informationsinteresse des Käufers spricht es ferner, wenn eine Information für den Käufer nur schwer oder unter Aufbringung von höheren Transaktionskosten als für den Verkäufer zugänglich ist.414 Dies ist in der Regel der Fall, wenn Umstände oder Produkteigenschaften durch eine vorherige äußere Untersuchung des Produktes nicht erkennbar sind. Auch auf der Seite des Käufers ist eine Gewichtung der Berechtigung seines Interesses an einer Information durch den Verkäufer vorzunehmen. Daher kommt Selbstverständlichkeiten keine verkehrswesentliche Bedeutung zu, etwa wenn Eigenschaften zwar für den Kunden nachteilig, jedoch typisch für die Leistung sind und dieser daher redlicherweise mit ihnen rechnen muss.415 Ist zudem eine als nachteilig empfundene Eigenschaft typisch für eine Ware, so wird eine lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflicht im Regelfall zu verneinen sein; jedoch ist es erforderlich, dass auf Kundenseite eine klare Vorstellung in Bezug auf die marktüblichen Standards existiert.416 Hingegen kann sich eine Aufklärungspflicht aus dem Fehlen von Produkteigenschaften ergeben, die marktüblich sind. Eine Aufklärungspflicht besteht also, wenn das Produkt marktuntypische Eigenschaften aufweist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn im konkreten Markt ein Hinweis auf negative Eigenschaften üblich ist. In dem Fall „EG-Neuwagen II“417 hatten Neuwagen eine Serienausstattung, wie sie in einem ausländischen Markt üblich war. Der BGH verglich diese mit der im deutschen Markt üblichen Grundausstattung. In Abwägung mit den Interessen des werbenden Unternehmens418 bejahte der BGH bei der Werbung für solche Reimportfahrzeuge eine lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflicht.

410

BGH GRUR 2000, 616, 618 – Auslaufmodelle III. BGH GRUR 2000, 616, 618 – Auslaufmodelle III. 412 BGH GRUR 1999, 760 – Auslaufmodelle II. 413 BGH GRUR 1999, 760, 761 – Auslaufmodelle II. 414 Keßler/Micklitz, Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Reform des UWG, 2003, S. 69; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 15. 415 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 23; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 16; Schünemann, BB 1997, 2061, 2065. 416 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 22. 417 BGH GRUR 1999, 1125, 1126 – EG-Neuwagen II. 418 Zum Erfordernis einer Abwägung von Verkäufer- und Käuferinteressen bei der Begründung einer lauterkeitsrechtlichen Aufklärungspflicht siehe § 3 B. IV. 3. 411

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe einer Offenbarungspflicht für Umstände, die verkehrswesentlich sind, weist eine inhaltliche Nähe zur kaufrechtlichen Mängelhaftung für öffentliche Äußerungen nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB auf.419 Danach kommt es darauf an, ob der Käufer – gemessen an den öffentlichen Äußerungen – das Vorhandensein einer Eigenschaft erwarten kann. Im Kaufrecht führt dies sogar zu einer Sachmangelhaftung. Der § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB beruht ebenfalls auf einer europäischen Vorgabe in Gestalt von Artikel 2 Abs. 2 d) Verbrauchsgüterrichtlinie.420 Das europäisierte Recht im Bereich des Kaufrechts und im Bereich des Lauterkeitsrechts greift hier auf ähnliche Konzepte zurück. Berechtigte und vernünftige Erwartungen der Konsumenten stellen hier in beiden Konstellationen ein maßgebliches Haftungskriterium dar. 3. Abwägung mit Interessen des Verkäufers und Aufklärungspflichten Bei der Begründung von Aufklärungspflichten hat im Rahmen des § 5a Abs. 1 UWG eine Interessenabwägung zu erfolgen. Die Abwägung erfolgt zwischen dem berechtigten Informationsinteresse des Käufers einerseits und andererseits dem Interesse des Verkäufers daran, keine übermäßigen Informationslasten421 tragen zu müssen. Es kommt bei der Begründung einer Aufklärungspflicht aus § 5a Abs. 1 UWG also nicht nur auf Aspekte auf der Seite des Käufers, sondern auch auf der Seite des Verkäufers an. Daran zeigt sich, dass § 5a Abs. 1 UWG – verglichen mit § 5a Abs. 2 UWG – mehr Raum für eine Wertung im Einzelfall lässt.422 Auf der Seite des Verkäufers sind neben den Informationslasten sein Interesse am Warenabsatz sowie der Grundsatz zu berücksichtigen, dass auch den Käufer eine Informationsverantwortung trifft. Nach zivilrechtlichen Grundsätzen obliegt es im Ausgangspunkt dem Käufer, von dem Verkäufer oder anderweitig die für ihn wichtigen Informationen einzuholen. Auf Verkäuferseite existiert zudem keine allgemeine Pflicht zur Herabsetzung der eigenen Ware im Sinne einer Selbstanschwärzung.423 Das Bestehen einer Aufklärungspflicht bedeutet noch nicht automatisch, dass sämtliche Eigenschaften eines Produktes zu erläutern sind.424 Vielmehr sind lediglich solche – auch negative – Eigenschaften und Umstände zu offenbaren, 419

So auch der Hinweis von Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 13. Zur Verbrauchsgüterrichtlinie siehe etwa Staudenmayer, NJW 1999, 2393, 2394; Reich, NJW 1999, 2397; eine kritische Darstellung findet sich etwa bei Medicus, ZIP 1996, 1925. Weitere Entwicklungen in diesem Bereich werden dargestellt von Micklitz/Reich, EuZW 2009, 279. 421 Köhler, WRP 2009, 109, 116; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 14; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 11. 422 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 30. 423 So schon Loewenheim, GRUR 1980, 14. 424 Fezer, WRP, 2007, 1021, 1024. 420

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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deren Nennung unter Berücksichtigung der Kundeninteressen unerlässlich ist.425 Auch der Umfang und die Art und Weise einer Hinweispflicht ergeben sich aus Zumutbarkeitskriterien.426 Es ist jedoch zu beachten, dass das Interesse der Allgemeinheit an einem Schutz vor Irreführungen grundsätzlich als vorrangig einzuschätzen ist gegenüber dem bloßen Interesse des Unternehmers am Warenabsatz427 und daran, eine Produkteigenschaft zu verschweigen, die von den Marktteilnehmern als negativ eingeordnet wird. Auch der BGH hat in seiner höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Diskussion von lauterkeitsrechtlichen Aufklärungspflichten die Informationslasten und Nachteile für die Unternehmen ausdrücklich berücksichtigt und gegenüber den Interessen der Allgemeinheit und den Kunden abgewogen: Im Fall „EG-Neuwagen I“428 erörterte der BGH ausdrücklich, ob es dem Händler zumutbar ist, darauf hinzuweisen, dass ein reimportierter Neuwagen bereits im Ausland zugelassen war und daher bereits ein erheblicher Teil der Garantiezeit abgelaufen ist. Das Gericht berücksichtigte also Informationskosten und Nachteile bei den Verkaufsaussichten. In der anschließenden Abwägung kam es jedoch dann zu dem Ergebnis, dass sich der beklagte Verkäufer nicht auf eine unzumutbare Erschwerung der Werbung für parallel- oder reimportierte Kraftfahrzeuge berufen kann.429 Damit wurde dem Informationsinteresse der Kunden Vorrang eingeräumt und eine Informationspflicht bejaht. Auf ähnliche Weise erörterte der BGH im Fall „EG-Neuwagen II“430, ob es dem Beklagten zumutbar ist, darauf hinzuweisen, dass die Serienausstattung eines Neuwagens von der in Deutschland üblichen Grundausstattung abweicht. Er bejahte diese Frage jedenfalls dann, wenn die Werbung keine Anhaltspunkte darüber enthält, dass es sich um reimportierte Produkte handelt.431

V. Eignung zur Irreführung Zur Anwendung von § 5a Abs. 1 UWG muss das Verschweigen der Tatsache geeignet sein, eine Fehlvorstellung herbeizuführen. Dieses Erfordernis ergibt sich 425

Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 14; Wiegand, MMR 2002, 722, 729; BGH GRUR 1999, 757, 758 – Auslaufmodelle I; BGH GRUR 2000, 616, 618 – Auslaufmodelle III. 426 So genügt nach Wiegand, MMR 2002, 722, 729, bei möglichen Inkompatibilitäten eines Produktes auf Grund eines Kopierschutzes ein abstrakter Hinweis aus. Hingegen sei eine Auflistung sämtlicher CD-Player, bei denen Probleme auftreten können, nicht erforderlich. 427 So hinsichtlich einer Hinweispflicht auf den Charakter von Unterhaltungselektronik als Auslaufmodell BGH GRUR 1999, 757, 759 – Auslaufmodelle I. 428 BGH GRUR 1999, 1122 – EG-Neuwagen I. 429 BGH GRUR 1999, 1122, 1123 – EG-Neuwagen I. 430 BGH GRUR 1999, 1125, 1126 – EG-Neuwagen II. 431 BGH GRUR 1999, 1125, 1126, 1127 – EG-Neuwagen II.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

aus der Anknüpfung des § 5a Abs. 1 UWG an den § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG, der für den Begriff der Irreführung auf eine Eignung zur Täuschung abstellt. Zudem muss die Fehlvorstellung die geschäftliche Entscheidung beeinflussen können. Eine Fehlvorstellung besteht bei einer Abweichung zwischen der Vorstellung der Käufer und der tatsächlichen objektiven Sachlage. In diesem Fall ist – wenn man zuvor auf Grund einer Abwägung eine Aufklärungspflicht bejaht hat – ein Tätigen der unterlassenen Angabe oder ein aufklärender Hinweis zur Ausräumung einer möglichen Fehlvorstellung erforderlich. Das Irreführungserfordernis unterscheidet § 5a Abs. 1 UWG vom Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG (siehe unten 1.). Die Strenge der Haftung und damit der Unterschied zwischen dem Irreführungsverbot und dem Transparenzgebot wird durch den Maßstab gesteuert, der zur Feststellung einer Irreführung angelegt wird (siehe unten 2.). Der Irreführungsmaßstab wiederum kann unter verschiedenen Gesichtspunkten strenger oder weniger streng ausgelegt werden (siehe unten 3. bis 7.). 1. Abgrenzung zum Transparenzgebot Das Erfordernis einer möglichen Fehlvorstellung unterscheidet das traditionelle Irreführungsverbot in § 5a Abs. 1 UWG vom Transparenzverbot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG: Machen sich sie Kunden überhaupt keine Gedanken über einen Umstand, so entfällt eine Anwendung des § 5a Abs. 1 UWG, da ja keine Fehlvorstellung entstehen konnte. Dieser Fall wird – begrenzt auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern – lediglich unter den engeren Voraussetzungen des Transparenzgebots in § 5a Abs. 2 – 5 UWG erfasst. War den Kunden die verschwiegene Information bereits anderweitig bekannt oder wurde sie ihnen auf andere Weise mitgeteilt, dann ist ebenfalls keine Fehlvorstellung entstanden, und das Verschweigen konnte die geschäftliche Entscheidung ebenfalls nicht mehr beeinträchtigen.432 Hier liegt eine Parallele vor zu § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, nach dem die Haftungserweiterung für die kaufrechtliche Sachmängelhaftung nicht eingreift, wenn die öffentliche Äußerung die Entscheidung des Käufers nicht beeinflussen konnte oder berichtigt worden ist.433 Das Erfordernis einer möglichen Irreführungswirkung hat auch Konsequenzen für die Sanktionierung eines Verstoßes gegen Produktkennzeichnungspflichten: Zwar wird sich aus einer gesetzlichen Hinweispflicht regelmäßig eine lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflicht ergeben. Dennoch würde im Geschäftsverkehr gegenüber sonstigen Marktbeteiligten eine Haftung nach § 5a Abs. 1 UWG entfallen, wenn 432 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 5; Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 25. 433 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 28.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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man die Möglichkeit einer Irreführung nicht bejaht. Hingegen wäre im Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern eine Sanktionierung durch § 5a Abs. 2 – 5 UWG bereits ohne das Erfordernis einer Irreführung möglich und der bloße Verstoß gegen eine Kennzeichnungspflicht ausreichend. 2. Irreführungsmaßstab und mögliche Annäherung an ein Transparenzgebot Das Irreführungserfordernis verdeutlicht zudem, dass das traditionelle Irreführungsverbot nicht unbedingt zu vollständigen Angaben zwingt.434 Vielmehr erfordert das Irreführungsverbot lediglich, dass richtige Angaben erfolgen beziehungsweise dass so viele Angaben gemacht werden, dass die Vorstellung des Kunden grundsätzlich richtig ist. Das Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG schützt somit die Richtigkeit der Entscheidungsgrundlage.435 Hingegen schützt das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG die Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlage, da umfassend über alle im Gesetz genannten Umstände aufgeklärt werden muss und es auf die Möglichkeit einer Täuschung nicht ankommt. Der Maßstab, der bei der Feststellung einer Irreführungsmöglichkeit angelegt wird, bestimmt die Strenge der Haftung. Das Merkmal der Eignung zur Irreführung stellt also eine Stellschraube dar, mit deren Hilfe graduell die Schärfe der Haftung für eine unterlassene Information gesteuert werden kann. Geringe Anforderungen an die mögliche Irreführung bewirken dabei eine schärfere Haftung. Dabei kann eine Verschärfung der Haftung für unterlassene Informationen eine Annäherung an ein Transparenz- beziehungsweise Wahrheitsgebot bewirken, wie es dogmatisch eigentlich in § 5a Abs. 2 – 5 UWG geregelt ist. Stellt man nämlich geringere Anforderungen an die Eignung zur Irreführung in § 5a Abs. 1 UWG, so sind mehr Angaben erforderlich, und das Verbot der Irreführung durch Unterlassen wird in seiner Wirkung an ein Transparenzgebot angenähert.436 Beim Transparenzgebot des § 5a Abs. 2 – 5 UWG kann eine Haftung nämlich bereits beim bloßen Fehlen der Information eintreten. Zwei Aspekte des Irreführungsmerkmals in § 5a Abs. 1 UWG zeigen, dass die Anforderungen auch sehr niedrig sein können: Zum einen ist auf der Seite des Kunden kein Nachweis erforderlich, dass eine Fehlvorstellung auch tatsächlich eingetreten ist. Vielmehr ist schon die bloße Eignung zur Irreführung ausreichend. Zum anderen ist auf der Seite des Werbenden oder Verkäufers kein Verschulden bezüglich einer Irreführungswirkung notwendig. Es handelt sich bei § 5a Abs. 1 UWG nämlich um einen konkreten Gefährdungstatbestand, bei dem es auf ein 434

BGH GRUR 1964, 269, 271 – Grobdesin. Alexander, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2014, § 5a, Rn. 23. 436 Eine Diskussion des Irreführungsmaßstabes bei gesetzlichen Hinweispflichten findet sich unten, siehe § 3 B. V. 7. 435

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Verschulden bereits ausweislich des Wortlautes von § 5a Abs. 1 UWG nicht ankommt. Schon eine schuldlose Irreführung kann damit eine Haftung auslösen. 3. Anlockwirkung und Irreführung Nach Literatur und Rechtsprechung kann es für eine Eignung zur Irreführung bereits ausreichen, wenn von einer Angabe oder ihrem Verschweigen eine Anlockwirkung ausgeht.437 Dies stellt einen wenig strengen Irreführungsmaßstab dar. In diesen Fällen werden Kunden angelockt und sie befassen sich auf Grund der irreführenden Angaben überhaupt erst mit dem Angebot. Bei einer solchen Anlockwirkung ist es – so die Rechtsprechung – dann nicht mehr erforderlich, dass die ursprüngliche Angabe bei der Geschäftsentscheidung selbst noch eine Rolle gespielt hat.438 Im Fallrecht wurde die Anlockwirkung besonders bei Irreführungen durch aktives Tun thematisiert. Die Anlockwirkung kann jedoch auch durch ein Unterlassen erfolgen. Für die Diskussion der Absenkung der Irreführungsschwelle durch das Abstellen auf die Anlockwirkung macht die konkrete Handlungsmodalität jedoch keinen Unterschied. In dem Fall „Gründerbildnis“439 etwa hatte ein Sekthersteller auf den Produkten die Lebensdaten des Unternehmensgründers abgedruckt.440 Der BGH bejahte eine Irreführung, wenn nicht ausdrücklich auf die Bedeutung der Jahreszahlen hingewiesen werde.441 Das Gericht hob hervor, dass im Spirituosenhandel die angesprochenen Verkehrskreise gesteigerten Wert auf das erste Herstellungsjahr legen und dass diese sich die erste Jahreszahl intensiver einprägen würden; wegen des relativ späten Beginns der Sektherstellung würden durch diesen ersten Eindruck eine Fehlvorstellung sowie eine anlockende Wirkung erreicht.442 Der BGH ließ dies für eine Irreführungshaftung ausreichen. Ähnlich hat der BGH in der Rechtssache „Mindestverzinsung“443 dem ersten Eindruck ein besonderes Gewicht bei der Beurteilung der möglichen Irreführungswirkung zugemessen: Ein Anlageprospekt enthielt auf der ersten Seite eine optisch hervorgehobene Angabe, die der BGH als irreführend beurteilte. Das höchste Gericht konstatierte, dass sich auch aus einem warnenden Hinweis im Innern des Prospekts keine andere Beurteilung 437 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 106; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 206; BGH GRUR 1955, 251, 252 – Silberal; BGH GRUR 1962, 310, 313 – Gründerbildnis; BGH GRUR 2000, 911, 913 – Computerwerbung I. 438 BGH GRUR 1962, 310, 313 – Gründerbildnis. 439 BGH GRUR 1962, 310 – Gründerbildnis. 440 Bei der Diskussion von Anlockwirkung und Irreführung ist es unbeachtlich, ob in den hier diskutierten Fällen die Anlockwirkung durch ein Unterlassen oder durch ein aktives Tun ausgelöst wurde. Im Zeitpunkt der Entscheidung „Gründerbildnis“ war die Irreführung durch Unterlassen noch nicht explizit im Gesetz geregelt. Jedoch wurde die Handlungsmodalität des Unterlassens von der allgemeinen Irreführungsvorschrift erfasst. 441 BGH GRUR 1962, 310, 313 – Gründerbildnis. 442 BGH GRUR 1962, 310, 312 – Gründerbildnis. 443 BGH GRUR 2004, 162 – Mindestverzinsung.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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rechtfertige. Hier hat also der BGH die Irreführungsschwelle dadurch abgesenkt, dass er der anlockenden Angabe eine hohe Wirkung zumaß und gleichzeitig einer weiteren aufklärenden Angabe lediglich eine geringe korrigierende Wirkung in Bezug auf die Fehlvorstellung des Kunden zubilligte. Ähnlich hat der BGH im Fall „Silberal“444 argumentiert: Die Verwendung der Bezeichnung „Silberal“ durch einen Hersteller von Tisch- und Küchengeschirr sei mehrdeutig und erwecke den Eindruck, dass das angebotene Geschirr silberhaltig sei.445 Die Irreführungsgefahr könne in diesem Fall nicht ausreichend durch einen zusätzlichen aufklärenden Hinweis verhindert werden, da der Hersteller bereits einen wettbewerblichen Vorsprung vor ähnlichen Angeboten erlangt habe, der nicht notwendig wieder entfalle, wenn der Käufer erst im Kaufgespräch von der wahren Zusammensetzung der Legierung erfahre.446 Die lauterkeitsrechtliche Bedeutung der Anlockwirkung zeigt sich auch in den Fällen, in denen eine Werbung mit einem besonders günstigen Produkt erfolgt, das dann in den Filialen bereits nach kurzer Zeit ausverkauft ist. In dem Fall „Computerwerbung I“447 stellte der BGH fest, der Verkehr gehe davon aus, dass ein beworbener Computer zumindest am Tag des Angebotes zur Mitnahme bereitstehe.448 Beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen stellt eine mangelnde Aufklärung über die unzureichende Bevorratung bei Lockangeboten nach Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG sogar einen per se-Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht dar. Im Ergebnis kann es durch das Abstellen auf eine bloße Anlockwirkung zu einer erheblichen Absenkung des Irreführungserfordernisses kommen. 4. Empfängerhorizont und Irreführung Das Merkmal der Irreführungseignung hängt davon ab, ob man auf den Empfängerhorizont eines leichter oder schwerer zu täuschenden Konsumenten abstellt. Eine Fehlvorstellung besteht bei einer Abweichung zwischen der objektiven Sachlage und der Vorstellung der Kunden. Dabei können unterschiedliche Käufer eine Information verschieden gut verstehen, weil sich ihre Empfängerhorizonte unterscheiden. Der jeweilige Empfängerhorizont wird geprägt durch die jeweiligen Kenntnisse, Erfahrungen und intellektuellen Fähigkeiten der Konsumenten sowie durch die konkrete Verkaufssituation. Damit ergibt sich für die Feststellung der Eignung zur Irreführung die Frage, auf welchen Empfängerhorizont abzustellen ist.

444 445 446 447 448

BGH GRUR 1955, 251 – Silberal. BGH GRUR 1955, 251, 252 – Silberal. BGH GRUR 1955, 251, 252 – Silberal. BGH GRUR 2000, 911 – Computerwerbung I. BGH GRUR 2000, 911, 913 – Computerwerbung I.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Grundsätzlich ist die maßgebliche subjektive Vorstellung der Käufer nach dem Empfängerhorizont der angesprochenen Verkehrskreise zu ermitteln.449 In dem Fall „EG-Neuwagen I“450 hatte der BGH eine Werbung für reimportierte Fahrzeuge zu beurteilen. Er legte dabei den Empfängerhorizont der potentiellen inländischen Käufer zu Grunde und folgte der Feststellung des Berufungsgerichts, dass diese auch bei reimportierten Fahrzeugen eine volle Werksgarantie erwarten würden. Falls mehrere Verkehrskreise angesprochen werden, genügt es, wenn einer dieser Verkehrskreise getäuscht wurde.451 Zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen neben den unmittelbar adressierten Personen auch diejenigen, welche die Angabe zur Kenntnis nehmen und selber potentielle Abnehmer des Produktes sind. Liefert beispielsweise ein Unternehmen zwar nicht an Letztabnehmer, sondern ausschließlich an Zwischenhändler, so kann – unter bestimmten Bedingungen – dennoch auf den Empfängerhorizont der Endverbraucher abzustellen sein. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Werbeschrift von den Zwischenhändlern typischerweise auch den Endverbrauchern vorgelegt wird. In dem Fall „Acrylglas“452 wurden Broschüren für Fenster nicht unmittelbar an die Letztabnehmer geliefert, sondern ausschließlich an fachkundige Architekten, Betriebsingenieure und Elektroinstallateure. Der BGH stellte dennoch zusätzlich auf die Auffassung der Endverbraucher ab, da diesen typischerweise die Broschüren vorgelegt würden.453 Bei einer Produktkennzeichnung ist regelmäßig eine vergleichbare Konstellation einschlägig, weil diese über den Zwischenhändler meist unverändert zur Kenntnisnahme durch den Endkonsumenten gelangt. In der Rechtssache „Plastic-Folien“454 bezeichnete ein Hersteller Kunststofffolien, die für die Herstellung von Täschnerware verwendet wurden, mit Begriffen, die auf Naturmaterialien hindeuteten. Das Gericht stellte fest, dass bezogen auf die unmittelbaren Abnehmer dieser Kunststofffolien eine Irreführung ausgeschlossen sei. Allerdings war – so der BGH – nicht auszuschließen, dass die Bezeichnungen auch durch die Einzelhändler gegenüber den Letztverbrauchern zur Verwendung gelangten und damit eine Irreführung der Endverbraucher erfolgen 449

Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 112; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.69; BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft: Der BGH stellte in diesem Fall auf das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers ab. Dieses könne auch dann vom Richter selber auf Grund seines Erfahrungswissens ermittelt werden, wenn der Richter nicht selber zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählt. Der Verleger eines Nachrichtenmagazins hatte dieses als marktführend bezeichnet und damit nicht die Auflagenzahl, sondern die geografische Verbreitung gemeint. Der BGH bejahte eine Irreführung. Siehe auch BGH GRUR 1983, 651, 653 – Feingoldgehalt. 450 BGH GRUR 1999, 1122, 1123 – EG-Neuwagen I. 451 European Commission, Guidance on the Implementation / Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC(2009) 1666, S. 24; Sosnitza, in: Ohly/ Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 123; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.75; BGH GRUR 1961, 545, 547 – Plastic-Folien. 452 BGH GRUR 1968, 200 – Acrylglas. 453 BGH GRUR 1968, 200, 201 – Acrylglas. 454 BGH GRUR 1961, 545 – Plastic-Folien.

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könnte.455 Das Gericht erklärte dies als ausreichend, um eine Irreführung zu bejahen.456 Innerhalb des angesprochenen Verkehrskreises ist bei der Ermittlung der Verkehrsauffassung – gemäß dem europäischen Verbraucherleitbild – auf den angemessen informierten, aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbraucher abzustellen.457 Mögliche Missverständnisse bei flüchtigen und schlecht informierten Verbrauchern haben dabei außer Betracht zu bleiben.458 Irreführungen in dieser Personengruppe werden vom Gesetz also hingenommen. Dies ist unter dem heutigen UWG nahezu eine Selbstverständlichkeit und entspricht dem Wandel des Verbraucherleitbilds vom flüchtigen zum aufgeklärten Verbraucher, der in der Folge der Rechtsprechung des EuGH kurz nach der Jahrtausendwende auch in das deutsche UWG Einzug gehalten hat.459 5. Geforderter Aufmerksamkeitsgrad und Produkttypus Die Irreführungsgefahr hängt von dem Verständnishorizont beziehungsweise Aufmerksamkeitsgrad des Kunden ab. Der Grad an Aufmerksamkeit, der von einem Durchschnittsverbraucher zu erwarten und zu fordern ist, ist anhand einer Gesamtwertung zu beurteilen; einzelne Elemente dürfen nicht aus dem Gesamtzusammenhang genommen werden. Die konkreten Umstände der Verkaufssituation können zu einer Verschiebung der situationsadäquaten Aufmerksamkeitsschwelle führen. Dabei ist beispielsweise maßgeblich, wie stark der Konsument bei seiner Entscheidung von der Information durch den Verkäufer abhängig ist, und mit welcher Intensität der Käufer mit der Information konfrontiert wird. Häufig wird die Angemessenheit des Aufmerksamkeitsgrades des Käufers auch aus der Art des Produktes hergeleitet. Je schwerwiegender die wirtschaftlichen oder persönlichen Folgen einer Entscheidung für den Durchschnittsverbraucher sind, desto höhere Anforderungen sind an die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers zu stellen,460 und umso niedriger ist das Irreführungsrisiko. Dabei lässt sich in der Rechtsprechung sowie in der juristischen Literatur eine Orientierung an der in der

455

BGH GRUR 1961, 545, 547 – Plastic-Folien. BGH GRUR 1961, 545, 547 – Plastic-Folien. 457 European Commission, Guidance on the Implementation / Application of Directive 2005/29/EC on Unfair Commercial Practices, SEC(2009) 1666, S. 25; Henning-Bodewig, GRUR Int 2005, 629, 632; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 113; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 99; BGH GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster; BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft. 458 BGH GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster. 459 Zur Entwicklung des Verbraucherleitbilds im Unionsrecht und im UWG siehe etwa Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 1, Rn. 21 ff. 460 BGH GRUR 2000, 619 – Orient-Teppichmuster. 456

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

ökonomischen Literatur von Nelson461 entwickelten Differenzierung zwischen Such-, Erfahrungs-, Vertrauensgütern erkennen. a) Suchgüter Suchgüter sind teure, selten erworbene und hochwertige Produkte von langer Lebensdauer,462 bei denen der Käufer die Möglichkeit hat, vor dem Kauf die Eigenschaften des Produktes zu ermitteln, indem er es etwa vor dem Kauf ausprobiert.463 Schon wegen der hohen Ausgaben lohnt es sich für den Konsumenten, vor der Kaufentscheidung gründlich nachzudenken und sich eingehend zu informieren.464 Typischerweise findet vor dem Erwerb eines Suchguts durch den Durchschnittsverbraucher eine gründliche Prüfung der Werbung und des Angebotes statt, und die ist ihm auch zumutbar. Die situationsadäquate Aufmerksamkeit des Verbrauchers ist in solchen Fällen daher höher. Auch wenn damit mögliche Missverständnisse flüchtiger Betrachter nicht berücksichtigt werden, bleibt der Unternehmer lauterkeitsrechtlich dazu verpflichtet, auch bei solchen Gütern wichtige Informationen klar und deutlich darzustellen.465 Nelson hält fest, dass bei Suchgütern ein geringerer Anreiz für irreführende Werbung besteht.466 Dies könnte man mit der ohnehin in diesen Fällen höheren Aufmerksamkeit der Konsumenten und der besseren Nachprüfbarkeit der Aussagen erklären. Zugleich könnte man schlussfolgern, dass in diesem Fall daher auch ein geringeres Bedürfnis für das Eingreifen eines gesetzlichen Verbotes besteht.467 Auch im Fallrecht wird von dem Käufer bei Suchgütern eine höhere Aufmerksamkeitsschwelle abverlangt: Der BGH hat beispielsweise in dem Fall „OrientTeppichmuster“468 festgehalten, dass die zu fordernde Aufmerksamkeit von der jeweiligen Situation abhängig ist. Die Besonderheit beim Erwerb von Orient-Teppichen sah er darin, dass es sich um besonders hochwertige Ware mit einer langen Lebensdauer handelt. Mit diesem Argument stellte der BGH – entgegen der Vor461 Die ökonomische Grundlegung geht zurück auf Nelson, 78 J. Pol. Econ., 311 – 329 (1970); Nelson, 82 J. Pol. Econ. 729 – 754 (1974). Nelson differenziert zwischen Such- und Erfahrungsgütern. 462 Groeschke/Kiethe, WRP 2001, 230, 234; Lettl, GRUR 2004, 449, 454; Ulbrich, WRP 2005, 940, 949. 463 Nelson, 82 J. Pol. Econ. 729, 730 (1974); Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 53. 464 Ulbrich, WRP 2005, 940, 949; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 222. 465 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 1, Rn. 35. 466 Nelson, 82 J. Pol. Econ. 729, 730 (1974). 467 Allerdings merkt Nelson auch an, dass wiederum eine Zunahme von irreführender Werbung zu erwarten ist, wenn es bekannt ist, dass das Gesetz nur schwach durchgesetzt wird. Siehe Nelson, 82 J. Pol. Econ. 729, 749 (1974). 468 BGH GRUR 2000, 619 – Orient-Teppichmuster.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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instanz – nicht auf den Aufmerksamkeitshorizont eines flüchtigen Lesers der Werbeanzeigen ab, sondern eines Durchschnittskunden, der sich der besonderen Situation entsprechend fachkundig informiert.469 Eine Irreführung wurde in dem konkreten Fall verneint. b) Erfahrungsgüter Hingegen kann der Käufer bei Erfahrungsgütern die Qualität des Produktes – zumindest in Hinblick auf bestimmte Eigenschaften – erst durch die Ingebrauchnahme nach dem Erwerb in Erfahrung bringen.470 Erfahrungsgüter können häufig gekaufte, billige und kurzlebige Produkte des täglichen Bedarfs sein, aber auch wertvollere Güter, bei denen eine höhere Kauferfahrung besteht. Der Verbraucher trifft seine sich wiederholenden Marktentscheidungen hier auf Grund der Erfahrungen, die er in der Vergangenheit mit dem gekauften Produkt gemacht hat.471 Der verständige Verbraucher wendet sich daher diesen Produkten in der Regel nur flüchtig zu und prüft das Angebot und die Werbung nicht umfassend, sondern erwirbt das Erfahrungsgut ohne längeres Nachdenken.472 Es handelt sich bei dem Entscheidungsprozess um einfache gewohnheitsmäßige Denkabläufe,473 und es ist daher typischerweise von einem geringeren Aufmerksamkeitsgrad des Verkäufers auszugehen. Nelson hält fest, dass bei Erfahrungsgütern der Konsument über weniger Macht zur Kontrolle einer Werbung verfügt.474 Dies könnte man damit erklären, dass vor dem Erstkauf eines Erfahrungsgutes die Nachprüfbarkeit einer Werbung auch geringer ist. Daraus könnte man ableiten, dass ein höheres Schutzbedürfnis des Konsumenten gegenüber einer Irreführung besteht. Daher ist es auch konsequent, bei Erfahrungsgütern durch Annahme einer niedrigeren Aufmerksamkeitsschwelle eine schärfere Haftung zu etablieren. Bei Erfahrungsgütern kann sich insbesondere eine Verkehrserwartung dahin gehend herausbilden, dass ein Produkt bei gleichartiger äußerer Erscheinung in einer bestimmten Weise verwendbar ist. Wegen seines Vertrauens in eine gleichbleibende Qualität ist seine Aufmerksamkeit beim Kauf niedriger. Gerade bei Markenware besteht in Hinblick auf die Qualitätsfunktion der Marke bei den Konsumenten einer Erwartungshaltung bezüglich einer gleichbleibenden Beschaffenheit. Daraus wird eine besondere Verantwortung des Anbieters hergeleitet475 und für den Fall einer

469

BGH GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster. Nelson, 82 J. Pol. Econ. 729, 730 (1974). Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 53. 471 Groeschke/Kiethe, WRP 2001, 230, 234. 472 Lettl, GRUR 2004, 449, 454; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 1, Rn. 35. 473 Ulbrich, WRP 2005, 940, 949, 950. 474 Nelson, 82 J. Pol. Econ. 729, 730 (1974). 475 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 21. 470

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Änderung von Qualität und Ausstattung eine Hinweispflicht angenommen.476 Diese gilt zumindest für eine Übergangszeit, in der sich die Verkehrsauffassung dann aber auch anpassen kann. Auch im Fallrecht wird bei der Diskussion der Irreführung darauf abgestellt, ob sich bei einer Produktänderung – ähnlich wie bei einem Erfahrungsgut – zuvor eine Erwartung dahingehend herausgebildet hatte, dass das Produkt weiterhin unverändert angeboten wird: Das OLG Hamburg befasste sich in der Rechtssache „Davidoff“477 mit einer Produktänderung bei Zigarren. Diese kamen nunmehr aus der Dominikanischen Republik und waren im Geschmack leichter als die früher unter demselben Namen vertriebenen Waren. Das OLG konstatierte, dass eine Aufklärungspflicht bestehe, wenn der Verkehr mit einer Produktbezeichnung eine bestimmte Güte verbinde. In solch einem Fall bestehe eine Irreführungsgefahr, wenn das Produkt auf Grund einer Produktänderung von diesen Vorstellungen abweicht. Alleine aus einem plötzlich niedrigeren Preis würden die Konsumenten nicht zuverlässig auf eine Produktänderung schließen, da eine Preissenkung auf vielfältige Gründe rückführbar sein kann.478 Eine ähnliche Argumentation greift auch bei Fällen ein, in denen ein Produkt eine Abweichung gegenüber den in einem Markt üblichen Produkteigenschaften aufweist. Auch in dieser Konstellation wird von dem Durchschnittskunden ein geringerer Aufmerksamkeitsgrad gefordert, wenn eine berechtigte Erwartung dahingehend besteht, dass keine Abweichung gegenüber den ansonsten bei solchen Produkten üblichen Eigenschaften vorliegt. In dem Fall „Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag“479 wurden auf dem deutschen Markt Kraftfahrzeuge angeboten, die in ihrer Ausstattung und Ausrüstung wesentlich von dem abwichen, was für gleichnamige Fahrzeuge im deutschen Markt üblich war. Insbesondere fehlte der DreiWege-Katalysator. Der BGH bejahte eine Pflicht zu einem unübersehbaren Hinweis auf die gegenüber dem Marktstandard geringwertigere Ausrüstung.480 Eine ähnliche Konstellation lag dem Fall „EG-Neuwagen II“481 zu Grunde: In diesem Fall wich die Fahrzeugausstattung der reimportierten Neuwagen von dem üblichen inländischen Ausrüstungsstandard ab. Der BGH bejahte auch hier eine entsprechende Hinweispflicht.482 Geringere Anforderungen an die Aufmerksamkeit eines Durchschnittsverbrauchers und damit eine höhere Irreführungsgefahr wird man auch dann annehmen 476 477 478 479 480 481 482

Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 222. OLG Hamburg WRP 1992, 395 – Davidoff. OLG Hamburg WRP 1992, 395, 396 – Davidoff. BGH GRUR 1992, 171 – Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag. BGH GRUR 1992, 171, 173 – Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag. BGH GRUR 1999, 1125 – EG-Neuwagen II. BGH GRUR 1999, 1125, 1127 – EG-Neuwagen II.

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können, wenn ein Unternehmen zuvor durch eigene Aussagen eine bestimmte Erwartung des Kunden bezüglich der Produkteigenschaften geweckt hat. In dem Fall „Außenleuchte“483 hatte ein Unternehmen damit geworben, dass für ein Produkt eine „hochwirksame Spezial-Bleigrundierung“ anstelle der „wenig wirksamen Eisenmennige“ verwendet worden sei. Die Methode der Bleigrundierung war dann jedoch bei diesen Produkten nicht zur Verwendung gelangt. Der BGH bejahte eine grundsätzliche Pflicht zur Berichtigung dieser Aussage, da eine Verkehrserwartung bestehe, dass die ursprünglich getätigte Werbeaussage weiterhin zutreffend ist.484 c) Vertrauensgüter Bei Vertrauensgütern vermag der Käufer weder durch konkrete Produkttests noch durch schnelle Erfahrungen nach dem Erwerb die Qualität oder die Eigenschaften der Verkaufssache in Erfahrung zu bringen.485 Dies ist etwa der Fall bei Antiquitäten, Gebrauchtwagen oder ärztlichen Behandlungsdienstleistungen.486 Der Käufer hat ein erhöhtes Informationsbedürfnis und muss bei der Einschätzung des Produktes in besonderer Weise auf detaillierte Informationen durch den Verkäufer oder durch Dritte vertrauen.487 Er wird daher das Gut nur erwerben, wenn er auf Grund von Marktsignalen – etwa in Gestalt von Qualitäts- und Gütezeichen – oder durch Wiederholungsgeschäfte Vertrauen in die Qualität des Produktes aufgebaut hat. Auch klassische Such- und Erfahrungsgüter können zu Vertrauensgütern werden, wenn eine vorherige Prüfung durch den Käufer ausscheidet, etwa weil die Produkte im Fernabsatz vertrieben werden.488 Auf der Seite des Verkäufers sind bei Vertrauensgütern erhöhte Informationsanstrengungen erforderlich. Auf Konsumentenseite ist die situationsadäquate Aufmerksamkeit in Bezug auf das Einholen anderweitiger Informationen niedriger anzusetzen489, da ihm dies ja nur schwer möglich ist und auch eine anderweitige Prüfung der Produktqualität wenig Erfolg verspricht. Der Käufer ist daher auf Informationssignale seitens des Verkäufers angewiesen. Liegen trotz der höheren Verantwortung des Verkäufers keine aufklärenden Hinweise vor, so bestärkt dies die Erwartung des Verkäufers, dass auch keine weitere Information erforderlich ist.

483 484 485 486 487 488 489

BGH GRUR 1958, 30 – Außenleuchte. BGH GRUR 1958, 30, 31 – Außenleuchte. Lettl, GRUR 2004, 449, 454. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 53, 224, 228. Groeschke/Kiethe, WRP 2001, 230, 234; Ulbrich, WRP 2005, 940, 950. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 228. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 228.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

6. Empirische oder normative Bestimmung der Irreführung Der Maßstab für eine Eignung zur Irreführung hängt auch davon ab, auf welche Weise man in einem gerichtlichen Verfahren eine Bestimmung der Irreführung vornimmt. Für die Eignung zur Irreführung ergibt sich die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach den allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen, wobei sich jedoch Modifikationen ergeben können (siehe unten a)). In einem Wettbewerbsprozess lässt sich die Verkehrsauffassung und damit die Eignung zur Irreführung einer Bezeichnung grundsätzlich auf zwei unterschiedlichen Wegen feststellen:490 Zum einen könnte durch eine empirische Vorgehensweise (siehe unten b)) die tatsächliche Irreführungsquote ermittelt werden;491 zum anderen könnte der Richter – unter bestimmten Voraussetzungen – normativ (siehe unten c)) vorgehen und ohne Beweiserhebung selbst entscheiden, wie der Verkehr eine Angabe auffasst und ob eine Eignung zur Irreführung vorliegt.492 Das Verhältnis von empirischer und normativer Feststellung der Irreführungsgefahr war in der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung einer fortschreitenden Ausdifferenzierung und Wandlung unterworfen (siehe unten d)). a) Beweislast für das Entstehung einer Fehlvorstellung Die Darlegungs- und Beweislast über die Eignung einer geschäftlichen Handlung zur Irreführung – eine rechtsbegründende Tatsache – trägt im Prozess grundsätzlich der Kläger.493 Dies entspricht dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz, nach dem ein Kläger die rechtsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat. Hiervon kann sich nach dem in § 242 BGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben eine Ausnahme ergeben, wenn der Kläger – anders als der Beklagte – über keine Möglichkeit verfügt, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, etwa weil Umstände innerhalb des Betriebes des Beklagten in Frage stehen.494 In dem Fall 490 Ein Überblick findet sich etwa bei Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 134. 491 Siehe beispielsweise BGH GRUR 1963, 270, 273; Peifer in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5 Rn. 23. 492 Siehe etwa Scherer, WRP 1999, 991, 993; Peifer in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5 Rn. 23. Für diese Vorgehensweise sprechen sich etwa aus: Scherer, GRUR 2000, 273, 275; vom Stein, WRP 1970, 332; Fezer, WRP 1995, 671, 672, 675. 493 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 3.19; Sosnitza, in: Ohly/ Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 110. BGH GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise; BGH GRUR 1997, 229, 230 – Beratungskompetenz: Der BGH betonte, dass somit die allgemeinen Grundsätze zur Beweis- und Darlegungslast gelten. BGH GRUR 1985, 140, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt; BGH GRUR 2007, 247, 251 – Regenwaldprojekt I. 494 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 110; BGH GRUR 2007, 247, 251 – Regenwaldprojekt I.

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„Bärenfang“495 hat der BGH beispielsweise eine Ausnahme von der allgemeinen Beweislastverteilung anerkannt. Die Beklagte rühmte sich in ihrer Werbung des Besitzes eines alten ostpreußischen Familienrezeptes zur Herstellung von Honiglikör. Der BGH konstatierte, dass in Ausnahmefällen den Beklagten nach Treu und Glauben die Beweislast trifft, wenn der Kläger außerhalb des Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt nicht selber ermitteln kann, während dies dem Beklagten ohne weiteres möglich und auch zumutbar ist.496 Es obliege daher im vorliegenden Fall ausnahmsweise der Beklagten, von einem angesehenen Fachberater der Spirituosenindustrie die Herkunft ihres Rezeptes bestätigen zu lassen.497 Dabei hat der BGH auch geprüft, ob der Beklagten eine Aufklärung zumutbar ist, und festgestellt, dass bei der Beweiserhebung die Geschäftsgeheimnisse der Beklagten zu wahren sind.498 In dem Fall „Beratungskompetenz“499 präzisierte der BGH die Voraussetzungen für die Verschiebung der Darlegungslast, indem er forderte, dass die Klägerin über bloße Verdachtsmomente hinaus die für eine Irreführung sprechenden Tatsachen darlegen müsse.500 In der Rechtssache „Größtes Teppichhaus der Welt“501 konkretisierte der BGH die Grundsätze der Beweislastverteilung im Falle einer Alleinstellungsbehauptung. Erhebe der Beklagte die Behauptung einer – weltweiten – Spitzenstellung auf, so obliege es ihm nach den Grundsätzen des Lauterkeitsrechts ohnehin, die maßgeblichen Verhältnisse auf dem Weltmarkt als Grundlage seiner Behauptung zu kennen und fortlaufend zu überprüfen.502 Den Kläger hingegen träfen in solch einem Fall besondere Beweisschwierigkeiten.503 Nach Treu und Glauben obliege die Beweislast in Bezug auf die Größe und die Stellung seiner Mitbewerber daher dem Beklagten, der sich einer Spitzenstellung rühmt.504 In dem Fall „Mondpreise“505 hat der BGH jedoch eine solche Beweislasterleichterung abgelehnt. Es ging um die im konkreten Fall verneinte Frage, ob eine Irreführung vorliegt, wenn neben dem Verkaufspreis die deutlich darüber liegende unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers angegeben ist. Der Beklagte sei – so der BGH – ebenso gut wie der Kläger in der Lage, die Marktverhältnisse dahingehend zu überprüfen, ob die angegebenen Herstellerpreise realistischen Verkaufspreisen entsprechen.506 Auch

495 496 497 498 499 500 501 502 503 504 505 506

BGH GRUR 1963, 270 – Bärenfang. BGH GRUR 1963, 270, 271 – Bärenfang. BGH GRUR 1963, 270, 271 – Bärenfang. BGH GRUR 1963, 270, 271 – Bärenfang. BGH GRUR 1997, 229 – Beratungskompetenz. BGH GRUR 1997, 229, 230 – Beratungskompetenz. BGH GRUR 1985, 140 – Größtes Teppichhaus der Welt. BGH GRUR 1985, 140, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt. BGH GRUR 1985, 140, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt. BGH GRUR 1985, 140, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt. BGH GRUR 2004, 246 – Mondpreise. BGH GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

die Tatsache, dass der Kläger ebenfalls vor der Preisauszeichnung eine solche Überprüfung vorzunehmen habe, ändere nichts an der Beweislastverteilung.507 b) Empirische Feststellung der Irreführungsgefahr Eine Feststellung der Verkehrsauffassung beziehungsweise der Gefahr einer Irreführung kann im Wege eines empirischen Vorgehens erfolgen.508 aa) Formen der empirischen Vorgehensweise Dabei können etwa eine demoskopische Befragung der angesprochenen Verkehrskreise vorgenommen werden oder ein Gutachten eingeholt werden. Prozessrechtlich handelt es sich um einen Sachverständigenbeweis im Sinne der §§ 402 ff. ZPO.509 Soweit es um das Verständnis von Fachkreisen geht, können auch Kammern oder Verbände befragt werden.510 So wurde beispielsweise in dem Fall „Roter mit Genever“511 zur Ermittlung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr eine Umfrage durch die IHK herangezogen. Der BGH verneinte im konkreten Fall bei einer Wort-/Bildmarke eine Verwechslungsgefahr, weil nur ein Teil betroffen war, dem keine prägende Bedeutung zukomme.512 Der BGH hat sogar eine Tendenz gezeigt, unter Kostengesichtspunkten der Befragung von Fachkreisen einen Vorrang vor allgemeinen Umfragen einzuräumen. So konstatierte der BGH in der Rechtssache „Bärenfang“513, dass das Gericht – bevor es eine allgemeine Meinungsumfrage anordnet – prüfen müsse, ob ein Weg mit geringerem Kostenaufwand beschritten werden könne. Eine solche Möglichkeit stelle insbesondere eine Befragung bei Industrie- und Handelskammern dar.514 Die Befragung von Industrie- und Handelskammern spielte auch in dem Fall „Last-Minute-Reise“515 eine Rolle. Der BGH hatte die Frage zu beurteilen, ob die Werbung eines Reiseveranstalters unter der Bezeichnung „Last Minute“ irreführend ist, wenn der Reisebeginn mehr als 14 Tage in der Zukunft liegt. Das Gericht stellte fest, dass die Richter nicht ohne Weiteres auf ihre eigene Sachkunde vertrauen und von einer Beweiserhebung absehen dürfen, 507

BGH GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise. Siehe etwa BGH GRUR 1963, 270, 273; Peifer in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5 Rn. 23. 509 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 3.16; Sosnitza, in: Ohly/ Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 142. 510 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 3.17; BGH GRUR 1963, 270, 273 – Bärenfang; BGH GRUR 1992, 203, 207 – Roter mit Genever; BGH GRUR 2000, 239, 240 – Last-Minute-Reise. 511 BGH GRUR 1992, 203 – Roter mit Genever. 512 BGH GRUR 1992, 203, 207 – Roter mit Genever. 513 BGH GRUR 1963, 270 – Bärenfang. 514 BGH GRUR 1963, 270, 273 – Bärenfang. 515 BGH GRUR 2000, 239 – Last-Minute-Reise. 508

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wenn die Einschätzung der Verkehrsvorstellung nicht einfach und nicht naheliegend ist.516 In dem Fall „Last-Minute-Reise“ sei die Verkehrserwartung von der Branchenüblichkeit bei Reiseangeboten geprägt.517 Zur Feststellung der Branchenüblichkeit sei es jedoch nicht zwingend, ein Meinungsforschungsgutachten zu erstellen; vielmehr könne bereits eine Einholung von Auskünften etwa bei der Industrieund Handelskammern genügen.518 bb) Zweistufige Bestimmung der Irreführungsquote Bei einer empirischen Vorgehensweise ist eine Irreführungsquote zu ermitteln. Diese gibt an, bei wie viel Prozent des maßgeblichen Adressatenkreises eine Fehlvorstellung ausgelöst wird. Nach Feststellung der Irreführungsquote ist – im Sinne eines zweistufigen Vorgehens – noch zu ermitteln, ob und in welchem Umfang der Adressat in seiner Entscheidung durch die Fehlvorstellung beeinflusst wird.519 Das Ergebnis dieser zweiten Stufe kann unter Umständen deutlich niedriger liegen als das der ersten Stufe, wenn die Fehlvorstellung ein Merkmal betrifft, das für die Käufer bei der Kaufentscheidung nicht von Bedeutung ist. Unterhalb dieser Irreführungsquote muss die durch die geschäftliche Handlung verursachte Irreführung hingenommen werden.520 In diesem Fall greift das Irreführungsverbot also nicht ein, und diejenigen Konsumenten, die zu der Teilgruppe der irregeführten Personen gehören, werden durch das Irreführungsverbot in diesem Fall nicht geschützt. Das Abstellen auf eine Mindestquote rechtfertigt sich daraus, dass Werbung und andere geschäftliche Handlungen immer von einem Teil der angesprochenen Adressaten missverstanden werden kann. Zudem steht das Irreführungsverbot – stärker als andere lauterkeitsrechtliche Verbotstatbestände – unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Den Unternehmen, die ein berechtigtes Interesse an einer Kommunikation mit den Konsumenten haben, kann daher nicht das Entstehen jedweder Fehlvorstellung angelastet werden. c) Normative Feststellung des Irreführungserfolges Als Gegenpol zur empirischen Vorgehensweise könnte der Richter normativ vorgehen und die Irreführung auf Grund eigener Sachkunde ohne Beweiserhebung ermitteln.521 Ein Teil der Literatur plädiert für einen normativen Ansatz bei Feststellung der Irreführung und sieht hierfür auch im europäischen Recht eine Vorgabe 516

BGH GRUR 2000, 239, 240 – Last-Minute-Reise. BGH GRUR 2000, 239, 240 – Last-Minute-Reise. 518 BGH GRUR 2000, 239, 240 – Last-Minute-Reise. 519 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.103. 520 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.101, 2.102. 521 Siehe beispielsweise Scherer, WRP 1999, 991, 993; Peifer in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5 Rn. 23. 517

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für die deutsche Vorgehensweise, die traditionell eigentlich empirisch geprägt ist.522 Danach käme dem Nachweis einer tatsächlichen Irreführung allenfalls eine lediglich unterstützende Indizwirkung zu. aa) Konsequenzen einer normativen Vorgehensweise Bei einer normativen Vorgehensweise wäre die Irreführungsgefahr nicht als Tatsachenfrage, sondern als Rechtsfrage zu qualifizieren. Dies hätte bei den lauterkeitsrechtlichen Irreführungsregelungen, die auf einer unionsrechtlichen Grundlage beruhen, die bedeutende Konsequenz, dass bei Rechtsfragen – anders als bei Tatsachenfragen – eindeutig eine Vorlage an den EuGH möglich und gegebenenfalls zwingend ist. Ebenso unterliegen im nationalen Instanzenzug Rechtsfragen anders als Tatsachenfragen der Revision. bb) Gründe für eine normative Vorgehensweise Für eine normative Vorgehensweise bei der Feststellung der Irreführungsgefahr sprechen mehrere Gründe: So wird etwa auch im Markenrecht die Verwechslungsgefahr normativ bestimmt und als Rechtsfrage behandelt.523 So nahm der BGH in dem Markenrechtsfall „frei öl“524 als Revisionsinstanz eine eigenständige Würdigung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr vor. Dabei stützte er sich jedoch auch auf Befragungsgutachten. In dem Fall „Attaché/Tisserand“525 stellte der BGH zur Ermittlung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ab. Die Vorinstanz hatte unzutreffend einen flüchtigen Verbraucher als Maßstab genommen. Sodann konstatierte der BGH, dass der Senat als Revisionsinstanz die Verwechslungsgefahr selber beurteilen könne, da es sich um eine Rechtsfrage handele.526 Schließlich hielt der BGH in dem Fall „Compunet/Comnet“527 fest, dass das Berufungsgericht an die Beurteilung der im Revisionsurteil des BGH vorgenommenen Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gebunden ist.

522 Für eine normative Vorgehensweise sprechen sich etwa aus: Scherer, GRUR 2000, 273, 275; vom Stein, WRP 1970, 332; Fezer, WRP 1995, 671, 672, 675; Scherer, GRUR 2000, 273, 275; Omsels, GRUR 2005, 548, 553; Keßler, WRP 2007, 714, 717; Wuttke, WRP 2004, 820, 826; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 8 – 10. 523 Omsels, GRUR 2005, 548, 557; Lettl, NJW-Sonderheft 100 Jahre Markenverband 2003, 44; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 9. 524 BGH GRUR 1992, 48, 53 – frei öl. 525 BGH GRUR 2000, 506 – Attaché/Tisserand. 526 BGH GRUR 2000, 506, 509 – Attaché/Tisserand. 527 BGH GRUR 2005, 61, 62 – Compunet/Comnet.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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Der Rückgriff auf die Kunstfigur eines eigentlich nicht existierenden Durchschnittsverbrauchers trägt ohnehin bereits normative Züge.528 Auch das Bestehen eines Regelbeispielkataloges in § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG zeigt, dass normative Elemente bei der Sanktionierung einer Irreführung eine gewisse Rolle spielen, da diesen Gesichtspunkten eine höhere Bedeutung beigemessen wird als anderen, die nicht im Gesetz genannt werden. cc) Unionsrechtliche Vorgaben für eine normative Vorgehensweise Für eine normative Vorgehensweise bei der Bestimmung der Irreführungsgefahr werden auch unionsrechtliche Vorgaben ins Feld geführt. Auf europäischer Ebene spricht einiges für eine normative Vorgehensweise. Dieses Argument ist zwingend, soweit die mitgliedstaatliche Vorschrift auf einer europäischen Vorgabe beruht und diese keine Abweichung bei der Umsetzung zulässt. Dies ist etwa bei der UGPRichtlinie der Fall. Hingegen folgen die Irreführungsvorschriften der WerbeRichtlinie dem Prinzip der Mindestharmonisierung. Hier wäre es also unzulässig, wenn eine empirische Vorgehensweise zu einer weniger strengen Regelung führt. Das deutsche Verbot einer Irreführung durch aktives Tun in § 5 UWG stellt eine Umsetzung der UGP-Richtlinie dar, soweit Verbraucher betroffen sind. Da eine überschießende Umsetzung vorgenommen wurde, gilt diese deutsche Regelung auch für sonstige Marktteilnehmer. Bei einer einheitlichen Auslegung für die verschiedenen Personengruppen wäre die europäische Vorgabe zwingend. Im Bereich der Unterlassung beruht zwar § 5a Abs. 2 – 5 UWG auf der UGP-Richtlinie; diese Vorschrift enthält aber kein Täuschungselement. Der § 5a Abs. 1 UWG beruht nicht auf der UGP-Richtlinie, jedoch ist bei der Auslegung die Werbe-Richtlinie zu beachten. Aus der unionsrechtlichen Perspektive spricht einiges für eine normative Vorgehensweise. Gleichwohl gesteht der EuGH bei der Wahl ihrer Vorgehensweise den Mitgliedstaaten einen gewissen Freiraum zu. Erwägungsgrund 18 der UGP-Richtlinie hält fest, dass der „Begriff des Durchschnittsverbrauchers … nicht auf einer statistischen Grundlage“ beruht und dass die nationalen Gerichte sich bei ihrer Einschätzung, wie der Durchschnittsverbraucher reagieren würde, „auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlassen“ müssten. Darin wird zum Teil ein Argument für ein strikt normatives Verkehrsverständnis gesehen, das im Wege der europarechtskonformen Auslegung auch für den deutschen § 5 UWG verbindlich sei.529 Für diese Auffassung spricht außerdem die Zielsetzung der UGP-Richtlinie, einen einheitlichen europäischen

528

Omsels, GRUR 2005, 548, 553; Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 2004, S. 92. 529 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 9; Keßler, WRP 2007, 714, 716.

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Binnenmarkt zu schaffen.530 Diese Zwecksetzung ergibt sich aus Erwägungsgrund 3 der UGP-Richtlinie. Das Binnenmarktziel droht konterkariert zu werden, wenn in empirischer Weise auf die Erwartungshaltung von Konsumenten mit unterschiedlichen nationalen und kulturellen Hintergründen abgestellt wird.531 Der EuGH hat sich im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens „Gut Springenheide“532 – bezogen auf eine Verordnung, welche die Kennzeichnung von Eiern im Vertrieb zum Gegenstand hat – mit dem Verhältnis von normativer und empirischer Bestimmung der Irreführung befasst. Der EuGH stellte fest, dass das europäische Recht es dem nationalen Richter, wenn er besondere Schwierigkeiten hat, die Irreführungswirkung zu beurteilen, nicht untersagt, nach Maßgabe des nationalen Rechts durch ein Sachverständigengutachten oder eine Verbraucherbefragung zu ermitteln. Allerdings macht die Übung des EuGH, der sich selbst in der Vergangenheit durch ein normatives Vorverständnis hat leiten lassen,533 deutlich, dass die empirische Ermittlung des Verkehrsverständnisses lediglich einen Faktor für die Entscheidung darstellen kann, im Übrigen aber normative Elemente für die Entscheidung maßgeblich sind.534 Der EuGH stellte zudem fest, dass die nationalen Gerichte in der Regel der auch vom EuGH selbst praktizierten normativen Vorgehensweise folgen können.535 Auch in der Entscheidung „Lifting-Creme“536 überließ es der EuGH ausdrücklich den nationalen Gerichten, etwaige Verkehrsbefragungen oder Meinungsforschungsgutachten einzuholen.537 Dabei ging es um die Frage, ob die Warenverkehrsfreiheit und bestimmte Vorschriften des Sekundärrechts einer bestimmten nationalen Regelung entgegenstehen. Auf Grundlage dieser Regelung hatte ein Mitgliedstaat die Einfuhr eines kosmetischen Mittels mit der Bezeichnung „Lifting“ untersagt, weil eine mögliche Irreführung der Verbraucher vorliege. Der EuGH hielt fest, dass die Entscheidung über eine mögliche Irreführungswirkung der Bezeichnung den nationalen Gerichten zusteht.538 Es ist jedoch zu beachten, dass die 530

Keßler, WRP 2007, 714, 716. Keßler, WRP 2007, 714, 717. 532 EuGH, Rs. C-210/96, Gut Springenheide, Slg. 1998 I-04657 = EuGH GRUR Int 1998, 795 – Gut Springenheide; weitere Ausführungen zu diesem Urteil finden sich etwa bei Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 1.47; Gamerith, WRP 2005, 391, 421. 533 So machte der EuGH deutlich, dass er in der eigenen Entscheidungspraxis selber eine Beurteilung des irreführenden Charakters von Marken und Werbeaussagen vorgenommen hat und dies nicht den nationalen Gerichten zur Entscheidung überlassen hat; siehe mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung EuGH, Rs. C-210/96, Gut Springenheide, Slg. 1998 I04657. 534 Reese, WRP 1998, 1035, 1039 f. Der Autor spricht sich bei Verbraucherbefragungen für eine normative Korrektur aus. Siehe auch Lettl, NJW-Sonderheft 100 Jahre Markenverband 2003, 44, 48; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 1.49. 535 EuGH, Rs. C-210/96, Gut Springenheide, Slg. 1998 I-04657. 536 EuGH, Rs. C-220/98, Lifting-Creme, Slg. 2000 I-00117, Rn. 31. 537 Zur Interpretation der Entscheidung „Lifting Creme“ siehe etwa Peifer in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 216. 538 EuGH, Rs. C-220/98, Lifting-Creme, Slg. 2000 I-00117, Rn. 31. 531

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EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen „Lifting-Creme“ und „Gut Springenheide“ beide noch unter Geltung der alten Irreführungsrichtlinie 84/450/EWG ergingen.539 d) Empirische und normative Vorgehensweise im Wandel der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs In der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH hat sich das Verhältnis von empirischer und normativer Feststellung der Eignung zur Irreführung in differenzierter Form entwickelt. aa) Empirische Vorgehensweise und normative Korrekturen Die BGH-Rechtsprechung540 ging zunächst davon aus, dass das Verkehrsverständnis empirisch zu ermitteln sei.541 Dabei war es aber – beschränkt auf Ausnahmefälle – möglich, eine normative Korrektur durchzuführen,542 etwa wenn mit wahren Tatsachen geworben wird oder wenn von einer eigentlich unwahren Tatsache keine Irreführungsgefahr ausgeht. Eine normative Vorgehensweise kann hier darin gesehen werden, dass nicht auf den tatsächlichen Wahrheitsgehalt abgestellt wurde, sondern auf andere Wertungen. In dem Fall „Erstes Kulmbacher“543 verneinte der BGH eine Irreführung, obgleich eine Angabe eigentlich unzutreffend war. In dem Fall war für eine Brauerei schon seit etwa 1900 das Warenzeichen „Erstes Kulmbacher“ eingetragen. Ein Konkurrent sah in der Verwendung dieses Slogans eine Irreführung, da es sich nicht um die älteste Brauerei am Ort handele, die Angabe also fehlerhaft sei. Der BGH stellte fest, dass es 539 Die früher geltende Irreführungsrichtlinie 84/450/EG wurde abgelöst durch die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/ 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, S. 22. 540 Die Frage nach der Vorgehensweise bei der Feststellung der Irreführung stellt sich gleichermaßen im Bereich des aktiven Tuns und des Unterlassens. Daher ist im vorliegenden Zusammenhang auch eine Betrachtung von Fällen aus dem Bereich des aktiven Tuns aufschlussreich. 541 Siehe – jeweils mit weiteren Nachweisen – etwa die Darstellungen bei Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 231; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 13; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 134. 542 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 8. Siehe BGH GRUR 1958, 444 – Emaillelack: Der BGH stellte bei einem Produkt, das überwiegend gewerblich verarbeitet wurde, auf den in Fachkreisen üblichen Sprachgebrauch ab und nicht auf das allgemeine Verständnis der Konsumenten. 543 BGH GRUR, 1957, 285 – Erstes Kulmbacher.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

maßgeblich sei, ob diese Bezeichnung tatsächlich geeignet ist, die Käufer über die Qualität des vertriebenen Biers zu täuschen.544 Er verneinte dies vorliegend, da die Bezeichnung von den Adressaten nicht als sachliche Aussage wahrgenommen werde, sondern sich zur Identifizierung des Unternehmens durchgesetzt habe.545 In dem Fall „Skibindungen“546 machte ein Hersteller Werbung für Skibindungen und verwies dabei auf die Erfolge bestimmter Rennläufer. Die Skibindungen der Rennläufer waren jedoch mit härteren Federn ausgestattet als die zum Verkauf angepriesenen Produkte. Trotz der Unrichtigkeit der Angaben verneinte der BGH einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot. Durch die stärkeren Federn würde nicht die Konstruktion des Produkts, sondern lediglich die Auslösehärte verändert. Daher sei dieser Unterschied für die Kaufentscheidung weder des erfahrenen und sachkundigen noch des unerfahrenen Kunden relevant.547 Umgekehrt hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auch bei objektiv richtigen Angaben eine Irreführung bejaht. Im Fall „Mindestverzinsung“548 wurde in einer Werbebroschüre für eine Kapitalanlage an hervorgehobener Stelle auf der ersten Seite das Wort „Mindestverzinsung“ herausgestellt. Durch Lektüre der Broschüre konnte jedoch ein geschulter Leser erkennen, dass bei einem Wertverfall eben keine Garantie eines Mindestertrags erfolgte und dass – je nach Marktentwicklung – auch ein Verlust des angelegten Kapitals möglich war. Der BGH stellte fest, dass zwar keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen vorlagen, aber dennoch der – unzutreffende – Eindruck erweckt werde, es sei eine sichere Rendite in Gestalt einer Mindestverzinsung zu erwarten. Er bejahte daher eine Irreführung.549 bb) Abstellen auf eine feste Irreführungsquote Bei einer empirischen Bestimmung der Irreführungsgefahr wurde in der früheren Rechtsprechung auf eine feste Irreführungsquote abgestellt.550 Es ist jedoch festzuhalten, dass die Festlegung einer Irreführungsquote bereits eine normative Wertung enthält: Damit wird nämlich ausgesprochen, dass bezüglich des Anteils der Konsumenten, der unterhalb der Quote liegt und irregeführt wird, kein gesetzliches Schutzbedürfnis angenommen wird. Daher stellt die Handhabung der Irreführungsquote durch die Rechtsprechung auch einen graduellen Wandel zwischen einer empirischen und normativen Vorgehensweise dar.

544 545 546 547 548 549 550

BGH GRUR, 1957, 285, 286 – Erstes Kulmbacher. BGH GRUR, 1957, 285, 287 – Erstes Kulmbacher. BGH GRUR 1973, 206 – Skibindungen. BGH GRUR 1973, 206, 207 – Skibindungen. BGH GRUR 2004, 162 – Mindestverzinsung. BGH GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung. Zur Rolle der Irreführungsquote siehe § 3 B. V. 6. b) aa).

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In dem älteren Fallrecht wurde eine feste Irreführungsquote bei 10 – 15 % angesetzt, d. h., dass es darauf ankam, ob ein nicht völlig unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise irregeführt wurde.551 Im Fall „Königlich Bayerische Weisse“552 stellte der BGH bei der für ein Verbot notwendigen Höhe der Irreführungsquote auf den Einzelfall ab und differenzierte danach, ob die Fehlvorstellung durch eine richtige oder durch eine unrichtige Angabe verursacht wurde. Bei einer unrichtigen Angabe bestehe ein höheres Schutzbedürfnis, und die Irreführungsquote sei entsprechend niedriger anzusetzen.553 Im konkreten Fall brauche der Anteil der irregeführten Konsumenten jedenfalls nicht höher als 15 % zu sein.554 In diesem Fall verwendete ein Brauereiunternehmen die Bezeichnung „Königlich Bayerische Weisse“, obgleich es erst nach dem Zweiten Weltkrieg von einem Mitglied der vormaligen bayerischen Königsfamilie, den Wittelsbachern, erworben worden war. Der BGH bejahte ein Irreführung, da der Geschäftsverkehr annehme, das Unternehmen habe bereits zu Zeiten der Königsherrschaft – etwa als Hoflieferant – in einem besonderen Verhältnis zum Königshaus gestanden.555 In der Rechtssache „Kontinent Möbel“556 ließ der BGH zur Annahme eines Verstoßes eine Irreführungsquote von 10 % genügen. In diesem Fall wertete der BGH die Firmenbezeichnung „Kontinent Möbel“ als irreführend, da der Geschäftsverkehr hinter dieser Bezeichnung ein Unternehmen erwarte, das in Hinblick auf seine Filialstandorte und seine Größe europaweit tätig ist.557 Im Fall „Lübecker Marzipan“558 ging es um die Frage, ob ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot vorliegt, wenn eine Süßigkeit, die außerhalb der Stadtgrenze von Lübeck hergestellt wurde, mit der Bezeichnung „Lübecker Marzipan“ angeboten wird. Nach der Feststellung des Gerichts nahmen 40 % der Konsumenten die Bezeichnung als eine Herkunftsangabe wahr und nicht als Gattungsbezeichnung.559 Damit sei – so der BGH – die Angabe unwahr im rechtlichen Sinne, da ein „großer Teil“ der Verbraucher davon ausgehe, dass eine Herstellung durch ortsansässige Produzenten erfolgt sei.560 Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot erfordert – so der BGH weiter – jedoch zusätzlich, dass die unrichtige Angabe auch die Kaufentscheidung eines nicht unbeträchtlichen Teils der

551 Gamerith, WRP 2005, 391, 421; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 1.59; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 147; BGH GRUR 1979, 716, 718 – Kontinent Möbel; BGH GRUR 1981, 71, 74 – Lübecker Marzipan. 552 BGH GRUR 1992, 66 – Königliche Bayrische Weisse. 553 BGH GRUR 1992, 66, 68 – Königliche Bayrische Weisse. 554 BGH GRUR 1992, 66, 68 – Königliche Bayrische Weisse. 555 BGH GRUR 1992, 66, 69 – Königliche Bayrische Weisse. 556 BGH GRUR 1979, 716 – Kontinent Möbel. 557 BGH GRUR 1979, 716, 718 – Kontinent Möbel. 558 BGH GRUR 1981, 71 – Lübecker Marzipan. 559 BGH GRUR 1981, 71, 72 – Lübecker Marzipan 560 BGH GRUR 1981, 71, 73 – Lübecker Marzipan.

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Konsumenten beeinflusst hat.561 Die dabei ermittelte Quote von 13,7 % hielt der BGH für nicht mehr unbeachtlich.562 cc) Abstellen auf eine variable Irreführungsquote und Änderung des Verbraucherleitbildes Im späteren Fallrecht stellte der BGH nicht mehr auf eine feste Irreführungsquote ab. Mit der Wandlung des Verbraucherleitbildes vom ungezwungenen, flüchtigen Verbraucher zum durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher war eine Anhebung der Sorgfaltsanforderungen verbunden, die an den Adressatenkreis zu stellen sind. Damit war auch eine generelle, derart niedrig liegende Quote nicht mehr gerechtfertigt und eine Anhebung geboten,563 da der fiktive Durchschnittsadressat bei der Bewertung einer Angabe im Geschäftsverkehr ja nun sorgfältiger vorgeht. So hat der BGH in der Entscheidung „Mindestverzinsung“564 zum Ausdruck gebracht, dass eine Irreführung von 15 – 20 % der Adressaten für das Eingreifen des Irreführungsverbotes nicht ausreichend sei; damit sei noch kein erheblicher Teil der Durchschnittsverbraucher irregeführt.565 Gleichwohl hat die Rechtsprechung – bislang – die Festlegung einer exakten numerischen Höhe der erforderlichen Irreführungsquote vermieden. Es spricht einiges dafür, keine generelle Fixierung der erforderlichen Täuschungsquote vorzunehmen,566 sondern diese im konkreten Einzelfall in Hinblick auf die berührten Interessen der Konsumenten, der Mitbewerber sowie der Allgemeinheit festzulegen. Zudem ist eine Abwägung der Interessen verschiedener Verbrauchergruppen vorzunehmen.567 Jedenfalls ist aber festzuhalten, dass bei der Handhabung der Irreführungsquote durch die Rechtsprechung normative Elemente sichtbar werden. Normative Züge zeigen sich im Abrücken von einer festen Irreführungsquote, in der Wahl des Verbraucherleitbildes sowie in der situationsspezifischen, flexiblen Handhabung der Irreführungsquote.

561

BGH GRUR 1981, 71, 73 – Lübecker Marzipan. BGH GRUR 1981, 71, 74 – Lübecker Marzipan: Der BGH hat den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen – unter anderem, weil die konkrete Formulierung der Frage bei der demoskopischen Ermittlung der Irreführungsquote zur Rechtsfindung nicht geeignet war. 563 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.102; Sosnitza, in: Ohly/ Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 148; BGH, GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung. 564 BGH GRUR 2004, 162 – Mindestverzinsung. 565 BGH, GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung. 566 So auch Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 149; Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.105. 567 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 202. 562

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dd) Stärkere normative Orientierung an Erfahrungssätzen Etwa seit den Jahren 2000/2001 kann eine weitere Tendenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einer normativen Bestimmung der Irreführung konstatiert werden, im Rahmen derer der Richter – in normativer Weise – Erfahrungssätze zur Anwendung bringt und im Einzelfall Beweis erheben kann.568 Wird beispielsweise ein von § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG genanntes Regelbeispiel in Gestalt einer falschen Angabe erfüllt, so ist es dem Unternehmen nicht möglich, sich zur Verteidigung auf die tatsächliche Verkehrsauffassung dahin gehend zu berufen, die Unrichtigkeit sei von einem Großteil der Verbraucher erkannt worden.569 In dem Fall „Falsche Herstellerpreisempfehlung“570 hatte ein Unternehmen im Haupttext einer Anzeige eine unzutreffende Herstellerpreisempfehlung angegeben. Es wurde ihm vom Gericht verwehrt, sich darauf zu berufen, dass der Großteil der Konsumenten bei sorgfältigem Studium der Anzeige dies erkannt hätte.571 In der Rechtssache „Scanner-Werbung“572 war eine Werbung mit der Abbildung eines Produktes versehen, das nicht den tatsächlich beworbenen Flachbrettscanner zeigte, sondern ein mehr als doppelt so teures Gerät. Das höchste Gericht wertete es als unbeachtlich, dass ein mit den Produkten besonders vertrauter Betrachter den Widerspruch zu dem niedrigen Preis sofort bemerken könne.573 Eine Irreführung sei daher zu bejahen.574 ee) Befugnisse des Richters bei der Feststellung der Irreführung Auch in Bezug auf die Befugnisse des Richters bei der Feststellung der Irreführung war die Rechtsprechung einem Wandel unterworfen, der eine Tendenz weg von einer empirischen und hin zu einer normativen Vorgehensweise erkennen lässt: Die Möglichkeit des Richters, selber eine Feststellung der Irreführung zu treffen, wurde nämlich durch die frühere Rechtsprechung zwei Einschränkungen unterworfen: Zum einen musste der Richter selber Teil der angesprochenen Verkehrskreise sein (siehe unten (1)); zum anderen sei der Richter eher dazu in der Lage, eine Irreführung zu bejahen als zu verneinen (siehe unten (2)).

568 Siehe etwa Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 234; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 134. 569 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 2.107; BGH GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. 570 BGH GRUR 2001, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung. 571 BGH GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung. 572 BGH GRUR 2002, 715 – Scanner-Werbung. 573 BGH GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. 574 BGH GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Jedoch wurden beide Einschränkungen im Rahmen von Rechtsprechungswechseln aufgegeben und damit ein weiterer Raum für eine normative Vorgehensweise geschaffen. (1) Der Richter als Teil des angesprochenen Verkehrskreises Nach der früheren Rechtsprechung des BGH durfte der Richter einen Sachverhalt nur dann auf Grund eigener Lebenserfahrung beurteilen, wenn er ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise war.575 Diese Rechtsprechung hat der BGH jedoch später explizit aufgegeben:576 Der BGH hielt in dem Fall „Marktführerschaft“ fest, dass auch dann, wenn der Richter nicht selber zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählt, nicht in jedem Fall eine Beweiserhebung notwendig sei.577 Damit ist nun maßgeblich, ob der Richter dazu in der Lage ist, die Verkehrsanschauung auf Grund eigener Sachkunde festzustellen.578 Das ist etwa dann der Fall, wenn es keiner besonderen Erfahrung zur Feststellung der Verkehrsauffassung bedarf, weil auch Fachkreise für die Beurteilung der in Frage stehenden Werbeangabe keine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen einsetzen579, wenn die Gerichte ständig mit Wettbewerbssachen befasst sind oder wenn vorgelegte Privatgutachten die Sachkunde erhöhen.580 In dem Fall „Rechenzentrum“581 wurden EDV-AuswertungsDienstleistungen unter den Schlagworten „Finanzbuchhaltung“ sowie „Einrichtung der Buchführung“ angeboten; die Anbieterin erfüllte jedoch nicht die gesetzlichen Voraussetzungen dafür, um steuerberatend tätig zu werden. Der BGH betonte, dass die Richter selber die Beurteilung der Irreführungswirkung vornehmen könnten.582 Die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise – Existenzgründer und Kleingewerbetreibende – würden nämlich ihrerseits zur Beurteilung der Werbung nicht auf besondere Fachkenntnisse zurückgreifen.583 (2) Differenzierung zwischen Bejahung und Verneinung der Irreführung Nach einer älteren – inzwischen ebenfalls aufgegebenen584 – Rechtsprechung war in den Fällen, in denen das Gericht damals schon grundsätzlich eine eigene Fest575

Siehe etwa BGH GRUR 1990, 607 – Meister-Kaffee. Siehe BGH GRUR, 2004, 244, 245 – Marktführerschaft. 577 BGH GRUR, 2004, 244 – Marktführerschaft. 578 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 139. 579 BGH GRUR 2002, 77, 79, 80 – Rechenzentrum; BGH GRUR, 2004, 244, 245 – Marktführerschaft. 580 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 139. 581 BGH GRUR 2002, 77 – Rechenzentrum. 582 BGH GRUR 2002, 77, 80 – Rechenzentrum. 583 BGH GRUR 2002, 77, 80 – Rechenzentrum. 584 Eine explizite Aufgabe der genannten Rechtsprechung erfolgte in BGH GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe: In diesem Fall hatte eine Behörde gemeinsam mit sogenannten 576

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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stellung der Irreführungsgefahr vornehmen durfte585, danach zu differenzieren, ob das Gericht eine Irreführung verneinen oder bejahen wollte.586 Dabei sollte eine eigenhändige Beurteilung durch den selber zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählenden Richter eher dann in Betracht kommen, wenn es um die Bejahung einer Irreführungsgefahr gehe, als dann, wenn diese verneint werden solle.587 In dem Fall „Beschädigte Verpackung“588 waren hochwertige Kosmetik- und Parfümerieartikel in beschädigten Verpackungen verkauft worden, ohne dass zuvor ein entsprechender Hinweis erfolgt war. Der BGH stellte fest, es obliege in diesem Fall nicht dem Richter, auf der Basis der eigenen Lebenserfahrung eine Irreführung zu verneinen und festzustellen, dass der Verkehr eine einwandfreie Verpackung nicht erwarte. Diese Ansicht hatte Geltung, als der BGH noch auf das Leitbild eines flüchtigen Verbrauchers abstellte, und beruhte auf folgender Erwägung:589 Für die Bejahung eines lauterkeitsrechtlichen Verstoßes war bereits die mögliche Irreführung eines nicht unerheblichen Teils der Adressaten – also eines relativ kleinen Personenkreises von flüchtigen Verbrauchern – ausreichend. Hingegen war für die Ablehnung eines Verstoßes hinsichtlich einer Mehrheit der Adressaten festzustellen ist, dass keine Fehlvorstellung vorliegt. Die eigene Lebenserfahrung und Sachkunde des Gerichts seien jedoch – so der BGH – in Bezug auf die Einschätzung des kleineren Personenkreises zuverlässiger. Mittlerweile hat der BGH – unter Aufhebung dieser Differenzierung – die beweisrechtlichen Anforderungen für eine Bejahung oder Verneinung der Irreführungsgefahr aneinander angeglichen, so dass der Richter, gestützt auf eigene Sachkunde, Irreführungen sowohl bejahen als auch verneinen kann.590 Der BGH begründete dies damit, dass mittlerweile auf das Leitbild eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers abzustellen sei. Damit sei jedoch nicht mehr die – irrige – Anschauung einer Minderheit von Verbrauchern zur BeElternbriefen Werbematerial einer Bausparkasse versendet, die im Gegenzug die Portokosten übernahm. Der BGH sah in dieser Praxis eine lauterkeitsrechtswidrige Randnutzung amtlich erlangter Informationen. 585 Dies waren die Fälle, in denen der Richter selber Teil der angesprochenen Verkehrskreise war; siehe etwa BGH GRUR 1990, 607 – Meister-Kaffee. Diese Beschränkung und diese Rechtsprechung wurden jedoch später aufgegeben; siehe BGH GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe. 586 BGH GRUR 1992, 406, 407 – Beschädigte Verpackung. 587 BGH GRUR 1992, 406, 407 – Beschädigte Verpackung. 588 BGH GRUR 1992, 406 – Beschädigte Verpackung. 589 So etwa die Argumentation in BGH GRUR 1992, 406, 407 – Beschädigte Verpackung. Ebenso die nach dem Rechtsprechungswechsel rückblickende Wiedergabe der aufgegebenen Argumentation durch BGH GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe. 590 Siehe BGH GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe. In BGH GRUR 2003, 247, 248 – Thermalbad wurden Badetabletten mit „Thermal Bad“ bezeichnet, obgleich die darin enthaltenen Mineralien nicht einer natürlichen Mineralquelle entstammten. Jedoch entsprach die Zusammensetzung der Tabletten einer natürlichen Thermalquelle. Der BGH verneinte eine Irreführung und hielt fest, dass der Richter sich bei der Beurteilung auf seine eigene Erfahrung stützen darf. BGH GRUR, 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 139.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

jahung eines Verstoßes ausreichend und folglich eine Differenzierung zwischen der Bejahung und der Verneinung eines Verstoßes nicht mehr sinnvoll.591 ff) Zwischenergebnis Die Feststellung der Irreführungsgefahr ist durch empirische und normative Elemente geprägt. In der Rechtsprechung des BGH bleiben zwar auch empirische Aspekte relevant, jedoch wird eine Tendenz zugunsten einer normativen Vorgehensweise sichtbar. Normative Tendenzen zeigen sich etwa bei der Handhabung der Irreführungsquote, bei der Wahl des Verbraucherleitbildes sowie bei der Ausweitung der Möglichkeiten für den Richter, die Feststellung der Irreführung selber vorzunehmen, Maßgeblich für diesen Trend zur normativen Entscheidung ist auch die Prozessökonomie: Verkehrsbefragungen und Meinungsgutachten sind teuer und können den Prozess nicht unerheblich verlängern.592 Allerdings birgt ein rein normativer Begriff des Verkehrsverständnisses auch das Risiko, dass die Richter den Irreführungsbegriff in Abweichung von dem tatsächlichen Verkehrsverständnis und von empirischen Erkenntnissen beeinflussen.593 Daher wird gefordert, dass den Parteien jederzeit die Möglichkeit gegeben werden sollte, eine Verkehrsbefragung anzubieten, und dass die gerichtliche Entscheidung über die Vorgehensweise angreifbar sein muss.594 Stellt der Richter die Verkehrsauffassung kraft eigener Sachkunde fest, so sind daher jedenfalls die Gründe dafür im Urteil darzulegen.595 Dementsprechend hat auch die Rechtsprechung des BGH keinen vollständigen Übergang zu einer normativen Vorgehensweise vollzogen, sondern den Mittelweg gewählt, dass die Verkehrsauffassung grundsätzlich durch den Richter auf Grund seines speziellen Erfahrungswissens festgestellt werden kann, dass jedoch im Einzelfall ein Beweis durch empirische Untersuchungen erhoben werden kann.596 7. Gesetzliche Informationspflichten und normative Verkehrsauffassung Da grundsätzlich die Möglichkeit existiert, die Irreführung normativ zu bestimmen, stellt sich die Frage, welche Rolle dem Bestehen gesetzlicher Hinweis- und Kennzeichnungspflichten bei einer normativen Festlegung der Verkehrsauffassung zuzusprechen ist. Solche gesetzlichen Pflichten enthalten nämlich eine normative 591

Siehe BGH GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe. Peifer in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 216. 593 Peifer in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 216. 594 Peifer in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 216. 595 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 140; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 3.13. 596 So auch die Einschätzung von Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 134. 592

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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Wertung dahingehend, dass der Gesetzgeber diesen verpflichtenden Informationen eine besondere Bedeutung zumisst. Ein Verstoß gegen eine spezialgesetzliche Kennzeichnungspflicht und eine etwaige spezialgesetzliche Sanktionierung stehen der Annahme eines lauterkeitsrechtlichen Verstoßes grundsätzlich nicht entgegen.597 Vielmehr kann dies die Grundlage für eine lauterkeitsrechtliche Sanktion bilden: Über das Transparenzgebot des § 5a Abs. 2 – 5 UWG kann beim Verstoß gegen gesetzliche Kennzeichnungspflichten eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung erfolgen, ohne dass es überhaupt auf eine Irreführung ankommt. Das Transparenzgebot greift jedoch nur im Verhältnis gegenüber Verbrauchern, und die vereinfachte Haftung über § 5a Abs. 4 UWG ist nur bei unionsrechtlichen Informationspflichten einschlägig. Demgegenüber erfordert das traditionelle Verbot der Irreführung durch Unterlassen in § 5a Abs. 1 UWG eine Irreführungsgefahr. Wenn man bei Irreführungserfordernis durch eine normative Vorgehensweise niedrige Voraussetzungen fordert, dann würde dies eine Annäherung an das Transparenzgebot darstellen. In Literatur und in der Rechtsprechung des BGH ist grundsätzlich anerkannt, dass Kennzeichnungspflichten für die Ermittlung des Inhalts der Verkehrsauffassung von Bedeutung sind.598 Im Bereich der Irreführung durch aktives Tun hat sich dabei eine sehr ausdifferenzierte Praxis herausgebildet (siehe unten a)). Für die in diesem Punkt gleich zu behandelnde Irreführung durch Unterlassen wird dieser Aspekt hingegen seltener erörtert (siehe unten b)). a) Normative Verkehrsauffassung und Irreführung durch positives Tun Wenn ein Begriff im Gesetz oder in Fachkreisen mit einer bestimmten Bedeutung benutzt wird, dann kann es vorkommen, dass das tatsächliche Verständnis der etwa in einer Werbung mit solch einem Begriff angesprochenen Verkehrskreise von diesem offiziellen normativen Verständnis abweicht. Dann stellt sich die Frage, worauf im Rahmen des Verbotes der Irreführung durch positives Tun abzustellen ist. Benutzt das Unternehmen den Begriff im Sinne der normativen Vorgabe, so entfällt eine Irreführung, wenn man dieses normative Verständnis zu Grunde legt. Stellt man hingegen auf ein abweichendes tatsächliches Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ab, so ist eine Irreführung zu bejahen.

597

Rathke, ZLR 2006, 555, 574; v. Jagow, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, Einl. I, Rn. 31 mit weiteren Nachweisen; bezogen auf § 5 UWG Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 22. 598 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 254; BGH GRUR 1964, 269, 272 – Grobdesin. Bezogen auf lebensmittelrechtliche Kennzeichnungspflichten: Dreyer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 42.

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

aa) Gesetzlich zwingende Vorgaben Wird – etwa im Rahmen einer Produktkennzeichnungsvorschrift – die Verwendung eines bestimmten Begriffs gesetzlich zwingend vorgeschrieben, so ist dies nicht als irreführend zu qualifizieren und kann daher auf der Basis von § 5 UWG nicht untersagt werden.599 (1) Abstellen auf die Soll-Verkehrsauffassung Das gilt selbst dann, wenn diese gesetzlich vorgeschriebene Bezeichnung bei dem Geschäftsverkehr eine Fehlvorstellung auslöst; dies ist nach übereinstimmender Ansicht auf Grund der gesetzgeberischen Entscheidung hinzunehmen.600 Entscheidend ist in diesen Fällen nicht die tatsächliche Verkehrsauffassung, sondern die sogenannte Soll-Verkehrsauffassung.601 Der Unternehmer hat in solchen Fällen keine Möglichkeit, auf eine andere Bezeichnung auszuweichen, ohne sich dem Risiko einer Sanktion auszusetzen. Der Sprachgebrauch wird in diesem Fall normativ beeinflusst.602 Allenfalls kann in einer solchen Konstellation eine nach § 5 UWG relevante Irreführung daraus abzuleiten sein, dass die gesetzlich vorgegebene Bezeichnung verkürzt, mit anderen Hinweisen kombiniert oder in einen missverständlichen Kontext gestellt wird. (2) Beispielsfall In dem Fall „Sofort-Kaufen-Option“603 hatte das OLG Köln darüber zu befinden, ob eine beim Internetvertrieb nach den §§ 312a ff, 355 BGB erforderliche Belehrung den gesetzlichen Vorgaben entsprach. Das Gericht bejahte, dass – in einer komplexen Konstellation – die Anforderungen des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Fernabsatzrechts beachtet worden seien;604 es konstatierte jedoch, dass mit der komplizierten Fassung der Widerrufsbelehrung keine besonders gelungene Aufklärung des Verbrauchers erreicht werde.605 Das Gericht prüfte daher, ob – für den Fall, dass man die Angaben zugleich als Teil der Werbung betrachtet – ein Verstoß gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot vorliegt.606 Das OLG Köln verneinte hier einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot mit einem lapidaren Hinweis: 599

Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 112, 198, 255. Siehe etwa Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 38, 241. 601 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 198 f., 112; Dreyer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 90, 134; OLG Köln GRUR-RR 2008, 88, 91 – „Sofort-Kaufen“-Option. 602 Siehe etwa Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 2004, S. 91. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 241, 285 jeweils mit Beispielen und weiteren Nachweisen. 603 OLG Köln GRUR-RR 2008, 88 – „Sofort-Kaufen“-Option. 604 OLG Köln GRUR-RR 2008, 88, 91 – „Sofort-Kaufen“-Option. 605 OLG Köln GRUR-RR 2008, 88, 91 – „Sofort-Kaufen“-Option. 606 OLG Köln GRUR-RR 2008, 88, 91 – „Sofort-Kaufen“-Option. 600

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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Eine Textfassung, die dem für derartige Angaben geltenden besonderen gesetzlichen Transparenzgebot des Fernabsatzrechts genüge, könne aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers nicht in relevanter Weise falsch oder missverständlich sein.607 Es ist zu beachten, dass die Entscheidung vor Einführung des § 5a UWG unter dem § 5 UWG aus dem Jahre 2004 getroffen wurde, der sowohl die Begehungsform des positiven Tuns und diejenige des Unterlassens regelte. Da das Gericht nur § 5 UWG und nicht einzelne Sätze zitierte, lässt sich nicht feststellen, welche Begehungsmodalität das Gericht im Auge hatte. Weil das Irreführungsverbot zudem damals ausschließlich auf Werbung Anwendung fand, musste das Gericht mit der etwas holprigen Fiktion argumentieren, die Widerrufsbelehrung sei eventuell auch als Teil der Werbung anzusehen. In der Funktion als Werbung wäre die Verwendung des gesetzlichen Wortlauts für eine Widerrufsbelehrung nicht als zwingend zu betrachten. Diese Bedenken treten jedoch angesichts der weiteren Fassung von § 5 beziehungsweise von § 5a Abs. 1 UWG durch die UWG-Reform aus dem Jahre 2008 in den Hintergrund. Bedeutsam ist, dass das Gericht – ohne nähere Begründung608 – eine normativ geprägte Verkehrsauffassung zu Grunde legte. In diesem Fall ergab sich der Inhalt der Kennzeichnung aus – vorrangigem – europäischem Recht, da der damals gültige § 312c BGB eine Umsetzung der – mittlerweile durch die VerbraucherrechteRichtlinie 2011/83/EU ersetzten – Fernabsatz-Richtlinie darstellte. Das Abstellen auf ein durch eine Kennzeichnungsvorschrift normativ geprägtes Verbraucherleitbild kann ein Instrument sein, um ein einheitliches – gegebenenfalls auch ein einheitlich europäisches – Begriffsverständnis zu fördern. Der Fall verdeutlicht zudem, dass bei einem normativen Verkehrsverständnis der Charakter des klassischen Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot in Richtung eines Transparenzgebots verschoben wird. Bei genauer Betrachtung verwischt die Argumentation des Gerichts diesen dogmatischen Unterschied nämlich etwas, wenn es den Schluss zieht, das besondere Transparenzgebot des Fernabsatzrechts sei eine lex specialis zum lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot in seiner traditionellen dogmatischen Form als Wahrheitsgebot. bb) Übernahme von Bezeichnungen aus dem EU-Recht Von der Verwendung einer gesetzlich zwingend vorgesehenen Bezeichnung sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Unternehmer aus freien Stücken eine Bezeichnung wählt, die vom Gesetzgeber, von Behörden oder von Expertenkreisen mit einem bestimmten Inhalt benutzt wird. 607

OLG Köln GRUR-RR 2008, 88, 91 – „Sofort-Kaufen“-Option. Das Gericht zitierte an dieser Stelle: Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 19. Mit diesem Zitat bezog sich das Gericht allerdings auf das anzuwendende Verbraucherleitbild. Die Gesetzesbegründung gibt an dieser Stelle keinen Hinweis auf die normative Bestimmung der Verkehrsauffassung. 608

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Jedenfalls wenn sich der Inhalt der Angabe aus – vorrangigem – europäischem Recht ergibt, kommt es nicht darauf an, wie die angesprochenen Verkehrskreise die in Frage stehende Bezeichnung tatsächlich begreifen.609 Dies folgt aus dem Postulat einer effektiven Durchsetzung des europäischen Rechts, dem effet utile-Grundsatz. Hier kommt also das Anliegen einer einheitlichen europäischen Begriffsbildung zum Tragen. Dies ist jedoch auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die europäische Konzeption des Lauterkeitsrechts – wie sich etwa auch bei der Ermittlung der Irreführungsquote zeigt610 – stärker normativ geprägt ist und dass eine empirische Vorgehensweise eher dem früheren Verständnis im deutschen Recht zuzuordnen ist. cc) Übernahme von offiziellen Begriffen bei unsicherem Verkehrsverständnis In den übrigen Fällen, in denen ein Unternehmen eine ausschließlich vom mitgliedstaatlichen Gesetzgeber oder von Expertenkreisen mit einem bestimmten Inhalt definierte Bezeichnung freiwillig verwendet, hat sich in der Rechtsprechung eine differenzierte Form des Abstellens auf eine normativ geprägte Verkehrsauffassung herausgebildet. (1) Verweisende Verkehrsvorstellung Besteht in den angesprochenen Verkehrskreisen Unsicherheit über eine Bezeichnung und sieht der Verkehr von einer eigenen Beurteilung ab, so nehmen die Kunden an, dass die Ware den Standards entspricht, die vom Gesetz vorgesehen sind; es besteht eine sogenannte „verweisende Verkehrsvorstellung“.611 Es wird also auf das normative Begriffsverständnis abgestellt, da eine davon etwaig abweichende, unklare tatsächliche Vorstellung nicht schützenswert ist.612 Das Irreführungsverbot greift dann nicht ein. (2) Beispielsfälle In dem Fall „Scotch Whiskey“613 beurteilte der BGH die Benennung einer Spirituose als „Scotch Whiskey“ als irreführend. In Großbritannien ist die Bezeichnung „Scotch Whiskey“ nur gestattet, wenn das Produkt bestimmte Voraussetzungen erfüllt; so muss beispielsweise ein bestimmtes Destillationsverfahren verwendet werden, und der Whiskey muss drei Jahre in einem Fass reifen. Im vorliegenden Fall 609 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 134. 610 Zur Frage, ob die Irreführungsquote empirisch oder normativ zu ermitteln ist, siehe § 3 B. V. 6. d). 611 Helm, in: Loschelder/Erdmann, Handbuch Wettbewerbsrecht, 2010, § 59, Rn. 110; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 184. 612 BGH GRUR 1967, 30, 32 – Rum-Verschnitt. 613 BGH GRUR, 1969, 280 – Scotch Whiskey.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

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wurde eine Spirituose mit dieser Etikettierung nach Deutschland eingeführt, die diese Voraussetzungen nicht erfüllte. Der BGH konstatierte, dass die Konsumenten erwarten, dass das Produkt die in Großbritannien geltenden Voraussetzungen erfülle, und zwar auch dann, wenn dem Verkehr nicht konkret bekannt sei, worin diese Voraussetzungen bestehen.614 In der Entscheidung „Rum-Verschnitt“615 erklärte der BGH eine auf das Begriffsverständnis von Expertenkreisen verweisende Verkehrsvorstellung für maßgeblich. Er konstatierte, dass bei einer Verständnisunsicherheit der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich der Bezeichnung „echter Rum“ zu prüfen sei, ob die Konsumenten davon ausgehen, das Erzeugnis entspreche den von den relevanten Fachkreisen an ein solches Produkt gestellten Anforderungen.616 In diesem Fall sei eine unsichere, vage, unklare und nicht feste Verbrauchervorstellung bezüglich der Produktbezeichnung nicht schutzwürdig.617 Der Unternehmer darf in den Fällen, in denen die Voraussetzungen zur Annahme einer verweisenden Verkehrsvorstellung vorliegen, also grundsätzlich darauf vertrauen, dass der verständige Durchschnittsverbraucher eine gesetzliche Angabe gemäß ihrem vom Gesetzgeber vorgesehenen Sinn auffasst618 beziehungsweise dass die in Fachkreisen verbreiteten Vorstellungen maßgeblich sind; es besteht in gewisser Weise eine gesetzliche Berechtigung zur Verwendung dieser Bezeichnung. dd) Übernahme von offiziellen Begriffen und abweichende Verkehrsauffassung Dies gilt jedoch nicht, wenn die tatsächliche Verkehrsauffassung von der des Gesetzgebers oder von derjenigen in Expertenkreisen abweicht.619 In dieser Konstellation ist die tatsächliche Verkehrsauffassung maßgeblich, und das Irreführungsverbot greift ein. In dem Fall „Feingoldgehalt“620 war die Bezeichnung „Goldschmuck“ trotz eines relativ geringen Mindestgoldgehalts für die Bezeichnung eines bestimmten Produktes zwar gesetzlich zulässig; jedoch assoziierten die angesprochenen Verkehrskreise bei dieser Bezeichnung einen höheren Goldgehalt, als das angepriesene 614

BGH GRUR, 1969, 280, 281 – Scotch Whiskey. BGH GRUR 1967, 30 – Rum-Verschnitt. 616 BGH GRUR 1967, 30, 32 – Rum-Verschnitt. 617 BGH GRUR 1967, 30, 32 – Rum-Verschnitt. 618 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 90. 619 Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5 B, Rn. 135; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 242; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5, Rn. 4.30; BGH GRUR 1983, 651 – Feingoldgehalt; BGH GRUR 1958, 492 – Eis-Pralinen; BGH GRUR 1983, 245 – naturrot. 620 BGH GRUR 1983, 651 – Feingoldgehalt. 615

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§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Produkt wirklich aufwies. Der BGH stellte auf die tatsächliche Verkehrsauffassung ab und bejahte in diesem Fall eine Eignung der Bezeichnung „Goldschmuck“ zur Irreführung.621 In dem Fall „Eis-Pralinen“622 sah das Gesetz für Süßigkeiten mit einer bestimmten Zusammensetzung die Bezeichnung „massive Pralinen“ vor, und der Unternehmer wählte für ein Produkt, das diese Voraussetzungen erfüllte, die Kennzeichnung „Eis-Pralinen“. Der BGH konstatierte zwar, dass die Verkehrsauffassung durch gesetzliche Bezeichnungen geformt werden könne;623 er stellte jedoch eine Irreführung fest, weil nach der tatsächlichen Auffassung der Konsumenten der Wortbestandteil „Pralinen“ auf ein echtes Schokoladenprodukt hindeute; das Erzeugnis erfülle diese Erwartung jedoch nicht. In dem Fall „naturrot“624 wurde durch Behörden und Satzungen für Dachbedeckungen die Farbe „naturrot“ vorgeschrieben. Ein Unternehmer vertrieb rote Betondachsteine unter dieser Bezeichnung. Der BGH sah darin eine mögliche Irreführung,625 da der Durchschnittsverbraucher bei Verwendung dieser Bezeichnung die tatsächliche Vorstellung hatte, es handele sich bei dem Produkt um Ziegeln und nicht um Betondachsteine626. In diesen Fällen hat sich also die tatsächliche Verkehrsauffassung gegenüber dem Begriffsverständnis durch den Gesetzgeber durchgesetzt. Der Unternehmer muss entweder – in Abweichung von der nicht zwingenden gesetzlichen Vorgabe – eine andere Bezeichnung wählen oder einen klärenden Hinweis hinzufügen. ee) Abweichen von einem offiziellen Sprachgebrauch In einer weiteren – umgekehrten – Konstellation kommt ebenfalls das tatsächliche Verkehrsverständnis zum Tragen und nicht die normative Verkehrsauffassung: Dies sind Fälle, in denen eine gesetzliche Bezeichnung627 – etwa für ein Produkt mit dieser Zusammensetzung – existiert, der Unternehmer jedoch dieses Produkt unter einer anderen Wortwahl vertreibt. Versteht der angesprochene Geschäftsverkehr die Kennzeichnung in einer Weise, dass er sich zutreffende Vorstellungen von dem Produkt macht, so haben der Unternehmer und der Rechtsverkehr ein übereinstimmendes Verständnis des Begriffs, das jedoch von dem des Gesetzgebers – also von der normativen Begriffsdefinition – abweicht. Jedenfalls wenn die gesetzliche Bestimmung dem Verkehr unbekannt ist und eine entsprechende Kennzeichnung auch nicht erwartet wird, entfällt eine lauterkeitsrechtliche Haftung aus §§ 3, 5,

621

BGH GRUR 1983, 651 – Feingoldgehalt. BGH GRUR 1958, 492, 496 – Eis-Pralinen. 623 BGH GRUR 1958, 492, 496 – Eis-Pralinen. 624 BGH GRUR 1983, 245 – naturrot. 625 Der BGH hielt in dem konkreten Fall jedoch eine weitere Beweisaufnahme für erforderlich; siehe BGH GRUR 1983, 245, 247 – naturrot. 626 BGH GRUR 1983, 245, 246 – naturrot. 627 Es kommt bei der vorliegenden Argumentation nicht darauf an, ob diese gesetzliche Vorgabe zwingend ist oder nicht. 622

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

217

8 UWG wegen fehlender Relevanz der Irreführung.628 Die bloße Abweichung von der gesetzlichen Vorgabe begründet also nicht notwendig eine lauterkeitsrechtliche Haftung unter dem traditionellen Irreführungsverbot des § 5 UWG.629 ff) Zwischenergebnis Bei der Betrachtung dieser Konstellationen ergibt sich Folgendes. Besteht eine gesetzliche Pflicht zur Verwendung einer bestimmten Bezeichnung, so kommt die normative Verkehrsauffassung zum Tragen, wenn der Unternehmer diese Verpflichtung erfüllt. Dafür spricht vor allem, dass der Unternehmer sonst einen anderweitigen Rechtsverstoß begehen müsste, um den lauterkeitsrechtlichen Anforderungen zu genügen, oder dass er eben weitere klärende Zusätze hinzufügen müsste. Bei europarechtlichen Begriffen erhält die normative Verkehrsauffassung Vorrang. Eine unsichere Verkehrsauffassung ist nicht schützenswert. Daher setzt sich hier die normative Wertung über die Figur der verweisenden Verkehrsauffassung durch. Bestehen kein europarechtlicher Hintergrund und keine Pflicht zur Verwendung eines bestimmten Begriffs, so erweist sich die tatsächliche Verkehrsauffassung demgegenüber als von stärkerem Gewicht. Allerdings ist hier zu beachten, dass die gesetzliche Regelung der Irreführung durch positives Tun in § 5 UWG mittlerweile auf einer europäischen Vorgabe beruht. Beim Abstellen auf die analysierte Rechtsprechung, die älteren Datums ist, muss grundsätzlich jeweils die Frage ihrer Richtlinienkonformität geprüft werden. Zudem könnte der generelle Trend zu einer stärker normativen Vorgehensweise auch in diesem Bereich stärker zum Tragen kommen.

628

Siehe Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 2014, § 5, Rn. 254. Die Kommentarstelle bezieht sich auf eine gesetzliche Pflicht zur Kennzeichnung. Das Entfallen der Haftung muss im Wege eines Erst-recht-Schlusses auch gelten, wenn die gesetzliche Bezeichnung nicht als Verpflichtung ausgestaltet ist. 629 Gleichwohl ist eine Sanktionierung durch andere Vorschriften denkbar, wenn es sich um eine gesetzlich zwingende Bezeichnung handelt. Zudem ist bei der Verwendung einer anderen als der gesetzlich vorgesehenen Bezeichnung nicht nur eine mögliche Täuschung durch die Wahl einer anderen Bezeichnung zu untersuchen, sondern auch eine mögliche Begehungsform des Unterlassens durch Weglassen der gesetzlichen Bezeichnung. In der vorliegenden Argumentation kommt es jedoch lediglich darauf an, die Rolle der normativen Verkehrsauffassung aufzuzeigen.

218

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

b) Normative Verkehrsauffassung und Irreführung durch Unterlassen Damit stellt sich die in der Literatur weitaus weniger630 behandelte Frage, welches Gewicht im Falle einer Irreführung durch Unterlassen nach § 5a Abs. 1 UWG der Existenz von Kennzeichnungsvorschriften zuzuschreiben ist. aa) Wirkung einer normativen Verkehrsauffassung bei Unterlassungen Es wäre zunächst denkbar, strikt ein durch die Kennzeichnungspflicht normativ geprägtes Verkehrsverständnis zu Grunde zu legen. Dann bestünde etwa ein Automatismus dergestalt, dass beim Fehlen einer verpflichtenden Produktkennzeichnung der Durchschnittskonsument stets davon ausgeht, dass die zu bezeichnenden negativen Produkteigenschaften nicht vorliegen. In diesem Fall würde einem echten Schweigen immer eine sprechende Bedeutung beigemessen, etwa in dem Sinne, dass ein Produkt ohne Kennzeichnung die negativen Eigenschaften, auf die sich die Kennzeichnung beziehen würde, auch nicht aufweist. bb) Fallbeispiel Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH wurde anlässlich eines Verstoßes gegen gesetzliche Kennzeichnungspflichten bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung dem Bestehen von Kennzeichnungspflichten in differenzierter Weise Bedeutung zugeschrieben: In dem Fall „Grobdesin“631 war ein Reinigungsmittel entgegen einer zwingenden gesetzlichen Vorschrift nicht als giftig gekennzeichnet worden. Die Annahme einer Irreführung durch Unterlassen war – gemäß der gesetzlichen Regelung – von dem Vorliegen einer dadurch ausgelösten Fehlvorstellung abhängig. Der BGH wies darauf hin, dass das Verbot der Irreführung durch Unterlassen632 zu richtigen, jedoch nicht unbedingt zu vollständigen Angaben zwinge.633 Bereits bei der Begründung der lauterkeitsrechtlichen Aufklärungspflicht argumentierte der BGH mit dem Bestehen der gesetzlichen Kennzeichnungspflicht: Die Kennzeichnungspflicht zeige nämlich, welch hohe Bedeutung der verschwiegenen Tatsache durch das Publikum beigemessen werde.634 Sodann stellte der BGH 630 Ein Grund hierfür könnte sein, dass sich bei einem Verstoß gegen eine Kennzeichnungsvorschrift nach der früheren Rechtslage eine lauterkeitsrechtliche Sanktion häufig bereits aus dem Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG 2004 oder aus Spezialvorschriften ergab. 631 BGH GRUR 1964, 269, 271 – Grobdesin. 632 Im Zeitpunkt der Entscheidung war das Irreführungsverbot in § 3 UWG geregelt, und es erfasste sowohl die Begehungsform des aktiven Tuns als auch die Handlungsmodalität des Unterlassens. 633 BGH GRUR 1964, 269, 271 – Grobdesin. 634 BGH GRUR 1964, 269, 271 – Grobdesin.

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

219

explizit fest, dass die Verkehrserwartung durch die Handhabung einer Kennzeichnungsvorschrift beeinflusst und gebildet werde.635 Das Gericht konstatierte, im vorliegenden Fall seien viele Käufer darüber unterrichtet, dass es Vorschriften über die Kennzeichnung von Giften gebe und dass die Käufer beim Fehlen einer Kennzeichnung daher davon ausgehen würden, das Desinfektionsmittel sei nicht als Gift anzusehen.636 cc) Bewertung Damit gestand der BGH also dem Bestehen einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht eine gewisse normative Wirkung bei der Feststellung der Verkehrsanschauung zu. Jedoch machte der BGH dabei seine Argumentation von der empirischen Feststellung abhängig, dass ein relevanter Teil der Verkehrskreise über die Existenz der Kennzeichnungsvorschrift informiert sei. Hingegen wurde dabei nicht diskutiert, ob nicht automatisch unterstellt werden könnte, dass die Verkehrsauffassung eine Kenntnis gesetzlicher Kennzeichnungspflichten umfasst und zudem davon ausgeht, dass Kennzeichnungspflichten auch eingehalten werden. Bei der Vielzahl gesetzlicher Kennzeichnungspflichten stellen das Erfordernis einer konkreten Kenntnis der Vorschrift und das Erfordernis einer generellen Einhaltung der Pflichten eine gewisse Hürde dar, wenn diese beiden Aspekte jeweils empirisch festgestellt werden müssten. Eine Unterstellung von Rechtskenntnis und von Rechtstreue hätte der Argumentation des BGH noch eine stärkere normative Prägung bei der Feststellung der Verkehrserwartung verliehen. Allerdings ist zu beachten, dass die Entscheidung „Grobdesin“ aus einer Zeit stammt, in der eine empirische Vorgehensweise vorherrschend war. Angesichts der aufgezeigten Entwicklung im Bereich der Irreführung durch positives Tun ist eine stärkere Beachtung normativer Aspekte auch im Bereich des Unterlassens gut denkbar. Gerade bei Produkten, bei denen der Kunde bestimmte Eigenschaften nicht auf Basis der eigenen Wahrnehmung erkennen kann, besteht zudem ein besonderes Bedürfnis für eine konsequente Durchsetzung von Kennzeichnungsvorschriften auch über den Weg des Lauterkeitsrechts. Jedoch ist zu bedenken, dass der § 5a Abs. 1 UWG stark an ein Transparenzgebot angenähert würde, wenn ein Verstoß gegen eine Kennzeichnungspflicht automatisch auch dann sanktioniert würde, falls diese dem Durchschnittskäufer überhaupt nicht bekannt ist und er sich auch sonst keine Gedanken gemacht hat. § 5a Abs. 1 UWG stellt eine Fortschreibung des traditionellen deutschen Irreführungsverbotes als Wahrheitsgebot dar und beruht auch nicht auf einer europäischen Vorgabe, aus der eine Modifikation in Richtung eines normativen Verständnisses abzuleiten wäre. Eine – weitgehend automatische – 635 BGH GRUR 1964, 269, 271, 272 – Grobdesin. Siehe zuvor bereits BGH GRUR 1958, 32, 33 – Haferschleim: Dieser Fall hatte eine Täuschung durch positives Tun zum Gegenstand. Der BGH hielt fest, dass eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht die Verkehrsauffassung steuere und forme. 636 BGH GRUR 1964, 269, 271, 272 – Grobdesin.

220

§ 3 Die Ausgestaltung des Transparenzgebots

Sanktionierung von Verstößen gegen Informationspflichten, die einen europäischen Hintergrund haben, erfolgt durch § 5a Abs. 4 UWG, der auf Artikel 7 Abs. 5 UGPRichtlinie beruht. Diese Vorschrift ist aber auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern und auf bestimmte Informationspflichten beschränkt. Der deutsche Gesetzgeber hat hier bewusst auf eine überschießende Umsetzung verzichtet und – anders als bei § 5 UWG – keine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf andere Personen als Verbraucher vorgenommen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass § 5a Abs. 4 UWG angesichts der Vielzahl von Informationspflichten als zu streng kritisiert worden ist.637 Damit spricht einiges dafür, im Rahmen des § 5a Abs. 1 UWG nicht von einer völligen Gleichstellung mit einem Transparenzgebot auszugehen, jedoch beim Bestehen von Produktkennzeichnungspflichten eine gewisse normative Prägung der Verkehrsauffassung anzunehmen.

VI. Das Fehlen einer Medienklausel in § 5a Abs. 1 UWG Das traditionelle Verbot der Irreführungen durch Unterlassen nach § 5a Abs. 1 UWG enthält – anders als das Transparenzgebot für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern in § 5a Abs. 2 UWG – keine Medienklausel, die das Verbot in Hinblick auf die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels zurücknimmt. Dies erscheint zunächst als ein rechtspolitischer Widerspruch. Die Medienklausel dient nämlich dazu, die Verwendung moderner Kommunikationsmittel bei der kommerziellen Kommunikation nicht zu erschweren. So könnte es als schwer verständlich und gar gleichheitswidrig erscheinen, dass ausgerechnet im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern, diese Zwecksetzung nicht auch eingreifen sollte und die Benutzung moderner Medien nicht auch gefördert werden sollte. Zudem könnte der – im Ergebnis allerdings unzutreffende – Einwand vorgebracht werden, es sei widersprüchlich, das Transparenzgebot gegenüber Verbrauchern durch eine Medienklausel abzuschwächen, jedoch gleichzeitig das Irreführungsverbot gegenüber Unternehmern ungemildert eingreifen zu lassen. Es ist jedoch zu beachten, dass Gründe als Rechtfertigung für eine solche Ungleichbehandlung zwischen den Absätzen des § 5a UWG ins Feld geführt werden können: Der Unterschied zwischen § 5a Abs. 1 UWG einerseits und § 5a Abs. 2 – 5 UWG andererseits besteht ja nicht lediglich darin, dass sie verschiedene Personenkreise – nämlich einmal Unternehmer und einmal Verbraucher – betreffen. Vielmehr handelt es sich um dogmatisch unterschiedliche Kategorien: Absatz 1 verkörpert ein klassisches Täuschungsverbot, bei dem für eine Haftung eine tat637

Zur Kritik an § 5a Abs. 4 UWG siehe § 3 A. V. 2. c).

B. Das traditionelle Irreführungsverbot nach § 5a Abs. 1 UWG

221

sächliche Fehlvorstellung der Marktgegenseite erforderlich ist sowie im stärkeren Maße eine Abwägung vorzunehmen ist. Demgegenüber enthält – gleichsam als dogmatisches aliud – § 5a Abs. 2 – 5 UWG ein Transparenzgebot mit echten Aufklärungspflichten. Das Transparenzgebot stellt eine schärfere Form der lauterkeitsrechtlichen Haftung dar und bedeutet eine stärkere Belastung des Verkäufers mit Informationspflichten. Daher ist bei § 5a Abs. 2 – 5 UWG die Rechtfertigung für eine Rücknahme der umfangreichen Informationspflichten durch eine Medienklausel stärker ausgeprägt.

§ 4 Einzelergebnisse zur Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG Unter der gesetzlichen Überschrift „Irreführung durch Unterlassen“ sind in § 5a UWG die beiden dogmatisch unterschiedlichen Konzepte eines Transparenzgebots und eines Wahrheitsgebotes geregelt.

A. Das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 4 UWG In § 5a Abs. 2 – 4 UWG wurde ein allgemeines Transparenzgebot eingeführt, das erstmals im deutschen Lauterkeitsrecht allgemeine echte Informationspflichten etabliert. Dies stellt gegenüber dem traditionellen deutschen Konzept der Irreführung einen dogmatischen Paradigmenwechsel dar. Die lauterkeitsrechtliche Haftung tritt nach § 5a Abs. 2 – 4 UWG bereits beim bloßen Weglassen – einem Vorenthalten – bestimmter gesetzlich definierter Informationen ein; eine Fehlvorstellung oder eine Irreführung auf Seiten des Kunden ist nicht erforderlich. Es handelt sich daher um ein Vollständigkeits- und Transparenzgebot im Sinne einer Pflicht zur Informationsgewährleistung. Das traditionelle Irreführungsverbot ist adressatenorientiert, da es auf einen Irrtum bei den Kunden abstellt. Hingegen ist das Transparenzgebot marktorientiert, weil es Regeln für das Kommunikationsverhalten der Unternehmen bei der Marktteilnahme etabliert. Das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 4 UWG stellt eine Umsetzung von Artikel 7 der europäischen UGP-Richtlinie 2005/29/EG dar. Es bildete den wichtigsten und umstrittensten Bereich der UWG-Novelle. In Rechtsprechung und Literatur zum Transparenzgebot sind zahlreiche dogmatische und konzeptionelle Streitfragen deutlich geworden. Zugleich spiegeln sich in § 5a UWG typische Konstruktionsmerkmale des teilweise europäisierten Lauterkeitsrechts wider. In seiner ersten Fassung entsprach der § 5a Abs. 2 – 4 UWG 2008 in zentralen Punkten nicht der UGP-Richtlinie. Ohne Kenntnis oder ohne gleichzeitige Lektüre der Richtlinienvorgaben war ein Erkennen der Rechtslage oft schwierig. Auch durch den BGH erfolgte nicht in allen Punkten eine richtlinienkonforme Auslegung. Durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 wurde auch das allgemeine Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 4 UWG überarbeitet und eine bessere Abstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben der UGP-Richtlinie erreicht. Mittlerweile ist auch eine große Anzahl an EuGH-Urteilen zum Transparenzgebot ergangen.

B. Das traditionelle Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG

223

Die Informationspflichten gelten – wie die UGP-Richtlinie – nur gegenüber Verbrauchern. Der deutsche Gesetzgeber hat auf eine überschießende Richtlinienumsetzung verzichtet; der § 5a Abs. 2 UWG bildet eine Verbrauchergeneralklausel. Das Tatbestandsmerkmal des Vorenthaltens zeigt, dass eine Haftung bereits beim bloßen Weglassen einer Information einschlägig sein kann. Allerdings werden nicht nur Fälle des Unterlassens erfasst, sondern auch unklare, unverständliche und zweideutige Angaben. Dies ergab sich nach dem ersten Versuch der Richtlinienumsetzung in § 5a Abs. 2 UWG 2008 lediglich im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung, wurde jedoch durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 klargestellt. Die Medienklausel im Transparenzgebot soll ausschließen, dass umfangreiche Informationspflichten die Verwendung moderner Technologien zum Vertragsschluss verhindern. Eine Abmilderung der Informationslast kann zudem durch die Einzelfallklausel erreicht werden. Die lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten beziehen sich auf Informationen, die wesentlich sind. Nach § 5a Abs. 4 UWG gelten Informationspflichten, die sich aus europäischen Rechtsakten ergeben, automatisch als wesentlich. Bestimmte europäische Aufklärungspflichten werden also pauschal einer lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung zugeführt. Bei der überschießenden Umsetzung einer europäischen Informationspflicht greift § 5a Abs. 4 UWG jedoch nicht ein. Der § 5a Abs. 3 UWG etabliert eine lauterkeitsrechtliche Informationspflicht, wenn ein Anbieten zum Kauf, also eine besondere Nähe zum Vertragsschluss, vorliegt. Der Begriff des Anbietens ist dabei autonom europäisch auszulegen. Die Informationspflicht bezieht sich auf die im Katalog des § 5a Abs. 3 UWG genannten Umstände. Diese Kriterien für Informationspflichten finden sich ähnlich auch in anderen europäischen Rechtsakten. Daher könnte man sie als prototypisch für europäische Informationspflichten bezeichnen. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist nach der Rechtsprechung des EuGH und entgegen der Rechtsprechung des BGH nicht davon abhängig, ob zugleich ein Sorgfaltspflichtverstoß vorliegt. Jedoch ist zur Feststellung eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot entgegen der BGHRechtsprechung die geschäftliche Relevanz eigenständig zu prüfen. Dies wurde auch durch die UWG-Novelle des Jahres 2015 klargestellt.

B. Das traditionelle Wahrheitsgebot in § 5a Abs. 1 UWG Das Verbot der Irreführung durch Unterlassen in § 5a Abs. 1 UWG folgt dogmatisch dem traditionellen deutschen Irreführungskonzept und stellt darauf ab, ob bei den Kunden eine Fehlvorstellung entstanden ist. Es handelt sich daher um ein Wahrheitsgebot und nicht um ein Vollständigkeitsgebot.

224

§ 4 Einzelergebnisse zur Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG

Die Regelung geht nicht auf die UGP-Richtlinie zurück, sondern wurde aus der alten deutschen Irreführungsregelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG 2004 übernommen. Das Wahrheitsgebot knüpft schon seinem Wortlaut nach an die Regelung der traditionellen Irreführung durch aktives Tun in § 5 UWG an und stellt die Selbstverständlichkeit klar, dass nicht nur aktives Tun, sondern auch ein Unterlassen vom UWG erfasst wird. Die Vorschrift gilt sowohl im unternehmerischen Geschäftsverkehr als auch gegenüber Verbrauchern. Obgleich die Vorschrift keine für ein Informationsmodell charakteristischen Informationspflichten etabliert, werden durch eine gegenüberstellende Untersuchung die Besonderheiten des Transparenzgebots deutlicher. Zudem hat bereits vor Einführung des Transparenzgebots die Irreführung durch Unterlassen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Auslegung erfahren, die eine Annäherung an ein Transparenzgebot darstellt. Die Irreführung in der Handlungsform des Unterlassens war historisch bereits durch die Rechtsprechung zu § 3 UWG aus dem Jahre 1909 anerkannt. Inhaltlich ist die Ausgestaltung des heutigen § 5a Abs. 1 UWG durch ein umfangreiches Fallrecht geprägt. Der § 5a Abs. 1 UWG etabliert selber keine Informationspflicht. Ein Verschweigen ist nur dann relevant, wenn eine entsprechende Aufklärungspflicht besteht; eine solche kann sich etwa aus Gesetz, aus Vertrag, aus vorangegangenem Tun oder aus einer umfassenden Interessenabwägung ergeben. Ferner muss das pflichtwidrige Unterlassen einer Information dazu geeignet sein, eine Fehlvorstellung auszulösen. Das Eingreifen des Irreführungsverbotes hängt dabei davon ab, auf welchen Empfängerhorizont man bei den Kunden abstellt. Nimmt man beispielsweise eine besonders aufmerksame Gruppe von Kunden als Maßstab, die sich nicht so einfach täuschen lässt, dann ist die Eingriffsschwelle für das Lauterkeitsrecht höher. In diesem Fall ist die Gefahr einer rechtlich relevanten Irreführung geringer. In der deutschen und europäischen Rechtsprechung haben sich zudem differenzierte Regeln dafür herausgebildet, ob die Irreführungsgefahr empirisch oder normativ zu bestimmen ist.

§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen Als übergreifende Schlussfolgerung zeigt sich, dass die dogmatische Doppelspurigkeit des § 5a UWG Unsicherheiten in der Gesetzesanwendung begünstigt, die durch redaktionelle Korrekturen abgemildert werden könnten (siehe unten A.). Zudem ergeben sich Schlussfolgerungen für das Informationsmodell im Lauterkeitsrecht (siehe unten B.). Schließlich zeigt sich, dass sich in der Untersuchung von § 5a UWG gleichsam exemplarisch für das gesamte deutsche Lauterkeitsrecht Spannungsfelder und Bruchstellen des lediglich teilweise europäisch harmonisierten Rechtsgebietes widerspiegeln (siehe unten C.).

A. Kritik an der dogmatischen Doppelspurigkeit des § 5a UWG In der Gesamtschau weist die Regelung der Irreführung durch Unterlassen des § 5a UWG eine dogmatische Doppelspurigkeit in Gestalt einer Zweiteilung in zwei qualitativ unterschiedliche Regelungsbereiche auf. § 5a Abs. 1 UWG ist systematisch und dogmatisch dem klassischen Irreführungstatbestand des § 5 UWG zuzuordnen, da beide Vorschriften das Herbeiführen einer Fehlvorstellung erfordern,1 die für die geschäftliche Entscheidung von Bedeutung sein kann. Hingegen stellt § 5a Abs. 2 – 5 UWG den bereits diskutierten Übergang zu einem Transparenzgebot dar. In § 5a sind somit unterschiedliche Regelungskonzepte zusammengefasst. Die Hybridstruktur des § 5a UWG bringt terminologische Konsequenzen mit sich (siehe unten I.) und bietet Grund zu redaktioneller Kritik (siehe unten II.).

I. Terminologische Konsequenzen der dogmatischen Doppelgesichtigkeit des § 5a UWG Der Doppelcharakter des § 5a UWG hat terminologische Differenzierungen im Gesetzestext notwendig gemacht, jedoch besteht in einiger Hinsicht weiterer Klärungsbedarf.

1

Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 5.

226

§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

1. Terminologische Differenzierung zwischen Verschweigen und Vorenthalten Der dogmatische Paradigmenwechsel beim Irreführungsverbot spiegelt sich wider in einer terminologischen Differenzierung zwischen den verschiedenen Absätzen des § 5a UWG sowie in einer semantischen Verschiebung beim Wortlaut der neuen Regelung: Der alte § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG sowie der im Wesentlichen mit diesem deckungsgleiche neue § 5a Abs. 1 UWG verwenden den Begriff des Verschweigens. Er bedeutet, dass eine Information weggelassen wurde und dies in der konkreten Situation zu einer Täuschung geeignet ist.2 In Abgrenzung dazu benutzt § 5a Abs. 2 – 5 UWG für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern die Terminologie „Vorenthalten“ und erfasst damit etwa auch das bloße Fehlen einer Information, über die sich die Gegenseite unter Umständen keine Gedanken gemacht hat. Die Regelung ist also auch auf ein echtes Schweigen anwendbar, wenn weder konkret noch konkludent überhaupt eine Aussage getätigt wird, die eine Fehlvorstellung auslösen könnte. 2. Irreführung als gesetzliche Überschrift Terminologisch nicht ganz eindeutig ist hingegen die gesetzliche Überschrift des § 5a UWG, die den Begriff der Irreführung verwendet. Das traditionelle Verständnis dieses Begriffs im deutschen Lauterkeitsrecht beinhaltet das Hervorrufen einer Fehlvorstellung im Sinne eines Irreführungserfolges (oder eine entsprechende Eignung). Dies trifft nur auf § 5a Abs. 1 UWG zu. Hingegen enthalten die Transparenzgebote in § 5a Abs. 2 – 5 UWG – trotz der gesetzlichen Überschrift – das Tatbestandsmerkmal einer Irreführungswirkung überhaupt nicht; hier kommt es nur auf die Handlung des Weglassens einer gesetzlich geforderten Information an. Diese Absätze nennen – bezeichnenderweise – den Terminus des Irreführens auch überhaupt nicht. Für § 5a Abs. 2 – 5 UWG wäre die gesetzliche Überschrift „Transparenzgebote“ oder „Informationsgebote“ dogmatisch präziser. Auch im Schrifttum wird gefordert, die Überschrift des § 5a UWG, die den Begriff der Irreführung verwendet, besser durch die Bezeichnung „Vorenthalten von Informationen“ zu ersetzen.3 Zwar verwendet auch die UGP-Richtlinie in der deutschen Fassung der gesetzlichen Überschrift von Artikel 6 und Artikel 7 UGP-Richtlinie sowie in der Überschrift des Abschnitts, in dem sich diese Artikel befinden, das Wort „Irreführung“. Hier ist allerdings zu beachten, dass nach dem europäischen Grundsatz der autonomen Auslegung der unionsrechtliche Terminus der Irreführung unabhängig von dem mitgliedstaatlichen Begriff der Irreführung auszufüllen ist. Der unionsrechtli2

Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2013, § 5a, Rn. 16. 3 So auch Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 37; Alexander, WRP 2013, 716, Rn. 14; Köhler, WRP 2012, 251, 254.

A. Kritik an der dogmatischen Doppelspurigkeit des § 5a UWG

227

che Begriff der Irreführung erfordert aber – wie Artikel 7 UGP-Richtlinie zeigt – nicht notwendigerweise das Element einer konkreten Fehlvorstellung. Auf ähnliche Weise ließe sich auch die gesetzliche Überschrift des deutschen § 5a UWG interpretieren; sie erfasst dann den gesamten § 5a UWG, wenn unter „Irreführung“ auch der Verstoß gegen ein Informationsgebot verstanden wird. 3. Informationsgebote und Aufklärungspflichten Mit der Einführung echter Informationspflichten in das Lauterkeitsrecht ergibt sich bei der Bezeichnung dieser Pflichten eine Verwechslungsgefahr. In Bezug auf das klassische Irreführungsverbot wird der Terminus „Aufklärungspflichten“ mit einem anderen Inhalt verwendet. Er bezeichnet nicht Pflichten, die sich aus dem UWG selbst ergeben, sondern vielmehr außerhalb des UWG liegende Pflichten aus Gesetz, Vertrag oder Vorverhalten, deren Existenz dazu führt, dass ein Unterlassen nach der allgemeinen Dogmatik einem positiven Tun gleichgestellt wird. Zur terminologischen Abgrenzung gegenüber diesen Aufklärungspflichten empfiehlt daher Peifer4 die Verwendung des Begriffs „Informationsgebote“, um im europäisch harmonisierten Bereich des UWG die echten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten zu bezeichnen.

II. Redaktionelle Kritik an der Hybridstruktur des § 5a UWG Die dogmatische Hybridstruktur des § 5a UWG steht – auch nach der UWGNovelle des Jahres 2015 – in mehrfacher Hinsicht in einem Konflikt mit dem Anliegen der Rechtsklarheit von Normen. Aus systematischer wie aus dogmatischer Sicht wäre es redaktionell vorzuziehen, wenn der Inhalt von § 5a Abs. 1 UWG – also die traditionelle Irreführung durch Unterlassen – weiterhin in § 5 UWG – also bei der traditionellen Irreführung durch aktives Tun – geregelt wäre. Auf diese Weise käme es zu einer klareren Trennung zwischen dem Irreführungsverbot und dem Transparenzgebot. Außerdem wäre die nur für Verbraucher geltende Regelung von der auch für sonstige Marktteilnehmer geltenden Regelung deutlicher getrennt. 1. Fehlende Präzision im Wortlaut Bereits die Schwierigkeit, eine präzise Gesetzesüberschrift für § 5a UWG zu formulieren, welche die Vorschrift in ihrer Gesamtheit dogmatisch exakt charakterisiert, macht deutlich, dass die redaktionelle Entscheidung des Gesetzgebers, den § 5 Abs. 2 Satz 2 des UWG aus dem Jahre 2004 in § 5a Abs. 1 UWG zu verschieben, unter dogmatischen Gesichtspunkten als unglücklich bezeichnet werden kann. 4

Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 8.

228

§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

Dogmatisch stellen nämlich der § 5a Abs. 1 UWG und der gesamte § 5 UWG – also die Irreführung durch positives Tun – beide traditionelle Irreführungsverbote dar, und daher steht § 5a Abs. 1 UWG dem § 5 UWG näher als dem § 5a Abs. 2 – 5 UWG. 2. Vermischung mit Sonderprivatrecht für Verbraucher Aus einem weiteren Grund passt § 5a Abs. 1 UWG besser zu § 5 UWG: Beide regeln nämlich den Geschäftsverkehr sowohl gegenüber sonstigen Marktteilnehmern als auch gegenüber Verbrauchern. Hingegen etabliert § 5a Abs. 2 – 5 UWG ein Sonderprivatrecht für Verbraucher. In dieser Hinsicht stellt daher in der gegenwärtigen Fassung § 5a UWG eine Hybridnorm dar, da die persönlichen Anwendungsbereiche der einzelnen Absätze unterschiedlich sind. Zudem unterliegen die Absätze in unterschiedlicher Weise dem Gebot einer unionsrechtlichen Auslegung. 3. Keine Vorgabe der Hybridstruktur durch die UGP-Richtlinie Auch aus der UGP-Richtlinie lässt sich kein Argument für die Form der deutschen Umsetzung – einer Regelung von aktivem Tun und Unterlassen in zwei separaten Normen – herleiten. Zwar sind auch in der UGP-Richtlinie die Begehungsformen von Unterlassen und positivem Tun in zwei selbstständigen Normen geregelt, nämlich in Artikel 6 und in Artikel 7 UGP-Richtlinie. Jedoch handelt es sich hierbei gleichzeitig auch um eine klare Trennung zwischen dem traditionellen Irreführungsverbot in Artikel 6 UGP-Richtlinie einerseits und dem Transparenzgebot in Artikel 7 UGPRichtlinie andererseits. Eine dogmatische Hybridnorm wie in der deutschen Umsetzung besteht daher nicht. 4. Die Unsicherheit der Abgrenzung zwischen Unterlassen und positivem Tun Wenig überzeugend für die redaktionelle Fassung des § 5a UWG ist auch das Argument, man habe die Absicht verfolgt, die verschiedenen Begehungsformen des Unterlassens in einer einzigen Norm, dem § 5a UWG, zusammenzuführen und zugleich in § 5 UWG ausschließlich die Handlungsmodalität des positiven Tuns zu regeln.5 Dieses Ziel wurde verfehlt. Denn weder hat § 5a UWG ausschließlich Fälle des Unterlassens zum Gegenstand (siehe unten a)), noch kann man zweifelsfrei darlegen, warum bestimmte Fälle des Unterlassens nicht weiterhin von § 5 UWG erfasst sein sollten (siehe unten b)). Schließlich besteht in Anbetracht der Neuregelungen ein Klärungsbedarf bezüglich der alten Dogmatik zur Abgrenzung von positivem Tun und Unterlassen; deshalb sollte diese unsichere Abgrenzung nur mit 5 Für eine Regelung in zwei getrennten Normen sprechen sich aus: Seichter, WRP 2005, 1087, 1093; Steinbeck, WRP 2006, 632, 636.

A. Kritik an der dogmatischen Doppelspurigkeit des § 5a UWG

229

Vorsicht als Grundlage für eine gesetzgeberische Entscheidung herangezogen werden (siehe unten c)). a) Keine Beschränkung des § 5a UWG auf Fälle des Unterlassens Der § 5a UWG ist in seiner Anwendung nicht auf reine Fälle des Unterlassens beziehungsweise des Weglassens von Informationen beschränkt. So umgreift der Terminus „Vorenthalten“ in § 5a Abs. 2 UWG auch Fälle, in denen bei der Information „Einzelheiten verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig bereitgestellt wurden.“ Dies ergibt sich explizit aus Artikel 7 Abs. 2 UGP-Richtlinie, der als unionsrechtliche Vorgabe für den deutschen § 5a Abs. 2 UWG verbindlich ist.6 Eine entsprechende Anpassung des § 5a Abs. 2 UWG an die Vorgaben der UGP-Richtlinie erfolgte durch die UWG-Novelle des Jahres 2015. Einige der genannten Verhaltensweisen könnten genauso gut von § 5 UWG – also der Regelung zum Verbot der Irreführung durch ein aktives Tun – erfasst werden.7 Eine Angabe, die unklar, zweideutig oder unverständlich ist, stellt nämlich regelmäßig ein aktives Tun dar. Damit umfasst also § 5a Abs. 2 UWG – entgegen seiner gesetzlichen Überschrift – auch Fälle des positiven Tuns. Zudem wird auch in der Literatur darauf hingewiesen, dass einige Fälle der Irreführung durch Unterlassen, die § 5a UWG zu regeln beabsichtigt, auch dem § 5 UWG zugeordnet werden könnten:8 Dies ist etwa bei lückenhaften Angaben der Fall. Werden etwa Angaben bezüglich der Serienausstattung eines Autos gemacht, ohne dass darauf hingewiesen wird, dass diese Serienausstattung für einen ausländischen Markt gedacht ist, und würden Funktionen fehlen, die im Inland üblich sind,9 so könnten diese lückenhaften Angaben durch die Regelung des positiven Tuns in § 5 UWG erfasst werden und nicht nur durch die Unterlassungsregelung in § 5a UWG. Eine solche lückenhafte Information könnte nämlich auch als positives Tun gewertet werden. In diesem Fall sei nämlich die Fehlvorstellung durch die – wenngleich unvollständige – positive Aussage entstanden. Dennoch wurde der genannte Fall mit den fehlenden Angaben zur Sonderausstattung eines Kraftfahrzeuges – „EG-Neuwagen I“ – vom BGH als Fall der Irreführung durch Unterlassen behandelt.10 Zum damaligen Entscheidungszeitpunkt war die Irreführung in den Mo6 Zur Pflicht einer Berücksichtigung dieser genannten Verhaltensweisen auch im deutschen § 5a Abs. 2 UWG siehe § 3 A. III. 5. a). 7 Siehe etwa auch die Ausführungen von Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 30. 8 Siehe den Hinweis und das nachfolgend aufgeführte Beispiel bei Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 6. In Bezug auf zweideutige Informationen siehe Gamerith, WRP 2005, 391, 422. 9 So der Sachverhalt in BGH GRUR 1999, 1125 – EG-Neuwagen II. 10 BGH GRUR 1999, 1125, 1126 – EG-Neuwagen II.

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§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

dalitäten des positiven Tuns und des Unterlassen noch in derselben Vorschrift – dem damaligen § 3 UWG – verankert. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Regelungslage zeigt das Beispiel, dass eine redaktionelle Trennung der Regelungen nach der Handlungsmodalität mit Unsicherheiten belastet ist. Der § 5a UWG ist also entgegen seiner redaktionellen Überschrift gar nicht auf Fälle des Unterlassens beschränkt. b) Fälle des Unterlassens in § 5 UWG? Auch in umgekehrter Perspektive ist zumindest unklar, warum bestimmte Fälle, die vor der UWG-Reform von § 5 UWG abgedeckt wurden, nun nicht mehr von diesem erfasst sein sollten. Bei konsequenter Subsumtion des § 5 UWG ist nicht überzeugend erkennbar, weshalb die dem traditionellen Konzept folgende Irreführung durch Unterlassen, die nun in § 5a Abs. 1 UWG geregelt ist, in bestimmten Fällen nicht ohnehin nach wie vor von § 5 UWG erfasst sein sollte:11 § 5 UWG findet auf alle geschäftlichen Handlungen Anwendung. Der Begriff der geschäftlichen Handlung umfasst gemäß der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch ein Unterlassen als Unterfall eines Verhaltens im Sinne dieser Vorschrift.12 Auch aus dem Begriff „Vornehmen“ einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG ergibt sich keine Beschränkung des Tatbestands des § 5 UWG auf ein positives Tun. In dem heutigen Irreführungstatbestand des § 5 UWG ist durch die UWG-Novelle des Jahres 2008 lediglich der Satz weggefallen, dass „insbesondere“ auch die Begehungsform des Unterlassens erfasst werde. Diesem Zusatz war jedoch lediglich eine klarstellende Funktion eigen, da es ja auch vor der Einführung dieses Zusatzes bereits unstreitig anerkannt war, dass eine Irreführung auch in der Handlungsmodalität des Unterlassens erfolgen kann. Danach würde durch die Verschiebung des ehemaligen § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG nach § 5a Abs. 1 UWG für den Geschäftsverkehr gegenüber Unternehmern allein aus dem Gesetzeswortlaut inhaltlich keine Änderung beim Irreführungsverbot erfolgen. Ein entsprechender Änderungswille des Gesetzgebers ließe sich allenfalls der Gesetzesbegründung entnehmen. Jedenfalls aber spricht dieses Abgrenzungsproblem ebenso gegen eine redaktionelle Aufteilung der Regelungsmaterie auf zwei unterschiedliche Vorschriften. Die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Unterlassen und positivem Tun – etwa bei beredtem Schweigen – fanden früher innerhalb eines Paragrafen statt und wurden durch die Verschiebung eines Teiles des § 5 UWG nach § 5a UWG nun zu einem Problem der Abgrenzung zweier unterschiedlicher Normen gemacht.

11 Zu dem Ergebnis, dass die Fälle des § 5a Abs. 1 UWG nach wie vor von § 5 UWG erfasst werden, kommt etwa Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 168. 12 Zur Diskussion der Frage, ob der Begriff der geschäftlichen Handlung auch ein Unterlassen erfasst, siehe § 2 B. II. 2.

A. Kritik an der dogmatischen Doppelspurigkeit des § 5a UWG

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c) Klärungsbedarf bei der alten Dogmatik zur Abgrenzung von positivem Tun und Unterlassen Die Trennung der Normen nach den Kriterien „positives Tun“ oder „Unterlassen“ ist auch deswegen wenig tragfähig, weil mit der Einführung echter Informationsgebote in § 5a Abs. 2 – 5 UWG die bisherige Dogmatik zur Qualifizierung der Irreführung als Handlungs- oder Unterlassungsdelikte unscharf geworden ist13 und daher einer neuen Klärung bedarf. So wird sogar dafür plädiert, den Verstoß gegen ein Informationsgebot nach § 5a Abs. 2 – 5 UWG als Handlungsdelikt und nicht als Unterlassungsdelikt zu qualifizieren.14 Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung ist jedoch die Verwendung des Wortes „Unterlassung“ in der gesetzlichen Überschrift dieser Norm erst recht unglücklich.15 5. Die Unüblichkeit separater Unterlassungsnormen im Privatrecht Generell finden sich im Privatrecht keine separaten Normen für die Begehungsmodalität des Unterlassens und diejenige des positiven Tuns; vielmehr werden die beiden Begehungsformen häufig ohne explizite Klarstellung in einer einzigen Norm geregelt. Die Relevanz eines Unterlassens ergibt sich dabei – beim Verstoß gegen eine entsprechende Pflicht – aus allgemeinen dogmatischen Grundsätzen. So werden etwa im Deliktsrecht – beim Lauterkeitsrecht handelt es sich ja im Ausgangspunkt um ein Sonderdeliktsrecht16 – ohne gesonderte Erwähnung beide Begehungsformen erfasst; ebenso kann bei der Anfechtung die Erweckung des Irrtums durch ein Unterlassen erfolgen.

III. Redaktioneller Vorschlag Zusammenfassend sollte daher aus mehreren Gründen nicht dem Anliegen gefolgt werden, die beiden Vorschriften § 5 UWG und § 5a UWG nach den Kriterien „Unterlassung“ und „positives Tun“ voneinander abzugrenzen; vielmehr sollten die Normen einer dogmatischen Gliederung folgen. Danach sollte in § 5a UWG das Transparenzgebot geregelt werden, das ein Sonderprivatrecht für Verbraucher darstellt, das auf der europäischen Vorgabe beruht und das echte Informationspflichten enthält. Als gesetzliche Überschrift käme „Informationsgebote“ oder „Transparenzgebote“ in Betracht. Dagegen sollte § 5 UWG die Irreführung nach der tradi13

So auch etwa auch Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 2015, § 5a, Rn. 6. Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 4. 15 Zur ausführlicheren Diskussion, inwieweit § 5a Abs. 2 UWG auch ein positives Tun erfasst, siehe § 3 A. III. 5. 16 Einen Überblick zur deliktsrechtlich orientierten Tradition des klassischen Irreführungsverbotes gibt Fezer, WRP, 2007, 1021, 1024. 14

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§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

tionellen dogmatischen Konzeption regeln, die auf das Entstehen einer Fehlvorstellung oder auf eine entsprechende Eignung abstellt. Als gesetzliche Überschrift wäre „Irreführungsverbot“ mit dem bestehenden Sprachverständnis vereinbar. Verschöbe man dabei den jetzigen § 5a Abs. 1 UWG wieder zu § 5 UWG,17 so würde § 5a UWG dann in seiner Gesamtheit auf der UGP-Richtlinie beruhen und unterläge so gänzlich europäischen Auslegungsvorgaben. Auch wäre dann der gesamte § 5a UWG ausschließlich für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern anwendbar. § 5 UWG gilt ohnehin bereits in seiner jetzigen Fassung sowohl gegenüber Verbrauchern als auch gegenüber Unternehmern und geht damit über den Regelungsbereich von Artikel 6 UGP-Richtlinie hinaus. Damit wäre also auch in Bezug auf den personellen Anwendungsbereich und hinsichtlich des europäischen Hintergrundes bei § 5a UWG eine Vereinfachung erreicht.

B. Auswirkung der UGP-Richtlinie auf das lauterkeitsrechtliche Informationsmodell Mit der Einführung echter Informationspflichten in § 5a Abs. 2 – 5 UWG auf Grund von einheitlichen europäischen Vorgaben wird eine Vereinheitlichung bei der Schaffung eines europäischen Informationsmodells angestrebt. Informationspflichten sollen zu Markttransparenz und Aufklärung beitragen18 und über die Individualentscheidungen der Käufer zu einer dezentralen Regulierung führen, die eine Ausgewogenheit der Interessendurchsetzung zwischen verschiedenen Vertragsparteien absichern soll. Es handelt sich um eine Form der verbraucherschutzrechtlichen Regulierung von unten nach oben über das Instrument des Wettbewerbes. Das traditionelle Irreführungsverbot in § 5a Abs. 1 UWG ist adressatenorientiert, indem es auf die Irreführungswirkung beim Adressaten abstellt. Hingegen ist das Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG marktorientiert, indem es zum Offenlegen von bestimmten standardisierten Basisinformationen verpflichtet. Damit wird der Grundstein für ein Informationsmodell im Lauterkeitsrecht gelegt. Zudem wurde der Anwendungsbereich der Irreführung durch Unterlassen und damit des Transparenzgebots bedeutend ausgeweitet, so dass das Transparenzgebot ein Recht der Marktkommunikation etabliert. Während früher nur Aussagen in der Werbung erfasst wurden, erstreckt sich das Informationsmodell nun auf alle geschäftlichen Handlungen. Damit wird insbesondere auch eine Unternehmenskommunikation nach Vertragsschluss erfasst. 17

Eine solche systematische Korrektur befürwortet etwa auch Köhler, WRP 2013, 403, Rn. 36. 18 Keßler/Micklitz, Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Reform des UWG, 2003, S. 69; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 14; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 52, 71, 84.

B. Auswirkung der UGP-Richtlinie

233

Schließlich bewirken die UGP-Richtlinie und das Transparenzgebot eine Europäisierung (siehe unten I.) sowie eine Denationalisierung (siehe unten II.) des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells. Daraus ergeben sich Schlussfolgerungen für die lauterkeitsrechtliche Sanktionierbarkeit von Verstößen gegen Informationspflichten (siehe unten III.). Unter mehreren Gesichtspunkten (siehe unten IV.) erweist sich die Vereinheitlichungswirkung in Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Informationsmodells jedoch als lückenhaft. Zudem ist zu beachten, dass das Informationsmodell funktionellen Begrenzungen unterliegt (siehe unten V.).

I. Europäisierung des Informationsmodells Durch die UGP-Richtlinie wurden europaweit einheitliche echte Informationspflichten geschaffen und in dem allgemeinen Transparenzgebot des § 5a Abs. 2 – 5 UWG verankert. Damit werden abschließend europaweit einheitliche Kriterien für lauterkeitsrechtlich sanktionierbare Sachverhalte der Unternehmenskommunikation aufgestellt. Diese Kriterien sind nahezu deckungsgleich mit denjenigen, die bei der europäischen Harmonisierung des Vertragsrechts den vertragsrechtlichen Informationspflichten zu Grunde liegen. Insoweit stellen die Kriterien in § 5a Abs. 2 – 5 UWG den Prototyp einer europäischen Informationspflicht dar. Man kann dies als Nukleus für ein europäisches Informationsmodell bezeichnen. Die Einführung einheitlicher europäischer Informationspflichten in das Lauterkeitsrecht ist grundsätzlich mit einer Ausweitung der Informationslast für Unternehmen verbunden.

II. Denationalisierung des Informationsmodells Gleichzeitig erfolgt jedoch eine Denationalisierung des Informationsmodells. Wegen des Prinzips der Vollharmonisierung entfaltet die UGP-Richtlinie nämlich eine Sperrwirkung. Daher ist es den Mitgliedstaaten europarechtlich untersagt, im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie Sachverhalte lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren, die nicht auch von der UGP-Richtlinie sanktioniert werden. Damit wird aber den Mitgliedstaaten die lauterkeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen rein nationale Informationspflichten untersagt. Im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie wird dadurch das nationale Informationsmodell – bislang fast unbemerkt – abgeschafft. Dafür wird ein rein europäisches lauterkeitsrechtliches Informationsmodell etabliert. Die Denationalisierung ergänzt die Europäisierung und schafft eine europaweite Vereinheitlichung für die Unternehmen. Angesichts der Vielzahl von rein nationalen Kennzeichnungs- und Informationspflichten in den verschiedenen Mitgliedstaaten findet also insoweit ein haircut

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§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

statt. Darin liegt – soweit auch keine anderweitige Sanktionierung etwa durch das Vertragsrecht erfolgt – eine Senkung der Informationslast für Unternehmen und eine gewisse Reduzierung der Hypertrophie an nationalen Informationspflichten vor. Das Verbot der UGP-Richtlinie an die Mitgliedstaaten, rein nationale Informationspflichten lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren, kann wie folgt interpretiert werden: In den verschiedenen Mitgliedstaaten sind im Laufe der Zeit – quasi als Allheilmittel – immer mehr unterschiedliche nationale Informationspflichten eingeführt worden. Dieser Wildwuchs an nationalen Informationspflichten wird offenbar aus der Perspektive der UGP-Richtlinie nicht nur als Belastung für international tätige Unternehmen empfunden, sondern auch als ein Hindernis für den Binnenmarkt.

III. Sanktionierbarkeit von Verstößen gegen Informationspflichten Auf Grund der Denationalisierungswirkung der UGP-Richtlinie stellt sich die lauterkeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen Informationspflichten im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie konkret wie folgt dar: Es ist zu unterscheiden zwischen einerseits Informationspflichten, die mit einer europarechtlichen Vorgabe deckungsgleich sind, und andererseits rein mitgliedstaatlichen Kennzeichnungspflichten, die auf einem autonomen Willensentschluss des nationalen Gesetzgebers beruhen. 1. Sanktionierung bei europäischen Informationspflichten Informationspflichten, die auf eine europarechtliche Vorgabe zurückgehen und zugleich die kommerzielle Kommunikation betreffen, werden pauschal von § 5a Abs. 4 UWG dem Sanktionsmechanismus des Lauterkeitsrechts zugeführt. Voraussetzung ist allerdings, dass die mitgliedstaatliche Informationspflicht deckungsgleich mit der europäischen ist. Zudem kann eine Sanktionierung erfolgen, wenn ein Fall des § 5a Abs. 3 UWG vorliegt. Dann muss eine Aufforderung zum Kauf vorliegen, und es müssen Informationen über die im Katalog des § 5a Abs. 3 UWG genannten Tatsachen gegeben werden. Schließlich kann auch ein Verstoß angenommen werden, wenn nach § 5a Abs. 2 UWG eine Information wesentlich ist. Soweit eine der genannten Konstellationen einschlägig ist, dürfen auch andere rein nationale Vorschriften des Lauterkeitsrechts zur Anwendung gebracht werden. Sie entfalten jedoch keine eigenständige Bedeutung.

B. Auswirkung der UGP-Richtlinie

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2. Keine Sanktionierung bei mitgliedstaatlichen Informationspflichten Ist keine der genannten Konstellationen einschlägig, so entfällt eine Sanktionierung. Daher darf insbesondere keine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung erfolgen, wenn ein Verstoß gegen eine rein mitgliedstaatliche Informations- oder Kennzeichnungspflicht vorliegt. Das Europarecht entfaltet diese Sperrwirkung auch insoweit, als eine Informationspflicht zwar im Zusammenhang mit einer europäischen Vorgabe steht, jedoch über diese hinausgeht. Dies ist zum einen der Fall, wenn der nationale Gesetzgeber – wie es häufig geschieht – eine überschießende Richtlinienumsetzung vorgenommen hat, die nationale Informationspflicht also etwa einen erweiterten Anwendungsbereich erhalten hat. Zum anderen kann der nationale Gesetzgeber im Anwendungsbereich einer Richtlinie eine strengere nationale Informationspflicht einführen Dies ist zulässig, wenn diese Richtlinie dem Prinzip der Mindestharmonisierung folgt. In diesen Fällen greift die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie, und es darf keine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung erfolgen. Daher muss sich der Gesetzgeber künftig gut überlegen, ob eine überschießende oder eine strengere Richtlinienumsetzung von Informationspflichten überhaupt noch sinnvoll ist. 3. Annäherung der Informationsmodelle des Lauterkeitsrechts und des Vertragsrechts Die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie gilt nicht für das Vertragsrecht. Eine vertragsrechtliche Sanktionierung darf daher auch beim Verstoß gegen eine rein mitgliedstaatliche Informationspflicht erfolgen. Hat der mitgliedstaatliche Gesetzgeber eine zulässige überschießende Umsetzung einer Informationspflicht vorgenommen, so ist daher eine vertragsrechtliche Sanktion möglich, während eine lauterkeitsrechtliche Sanktion ausgeschlossen ist. In diesem Fall liegt eine Asymmetrie zwischen den Informationsmodellen des Vertragsrechts und des Lauterkeitsrechts vor. Allerdings wird in den neueren Richtlinien zur Harmonisierung des europäischen Vertragsrechts immer häufiger das Prinzip der Vollharmonisierung an Stelle des Prinzips der Mindestharmonisierung verankert. Dann sind eine überschießende Umsetzung und eine vertragsrechtliche Sanktionierung einer solchen Informationspflicht nicht mehr zulässig. Damit ergibt sich eine Annäherung der Informationsmodelle des Lauterkeitsrechts und des Vertragsrechts.

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§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

4. Ablösung des Rechtsbruchtatbestandes als Zentralnorm des Informationsmodells im deutschen UWG Die Zentralnorm für das Informationsmodell im deutschen Lauterkeitsrecht war bislang der Rechtsbruchtatbestand in § 3a UWG19, der eine rein nationale Vorschrift darstellt. Fast unbemerkt hat nun § 5a Abs. 2 – 5 UWG in seinem Anwendungsbereich den Rechtsbruchtatbestand als Zentralnorm des Informationsmodells abgelöst. Ein Verstoß gegen Informationspflichten, die im Regelfall Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG darstellen, konnte bislang unumschränkt durch den Rechtsbruchtatbestand sanktioniert werden. Durch das von der UGP-Richtlinie verfolgte Prinzip der Vollharmonisierung und durch das Ablaufen der Übergangsfrist im Sommer 2013 hat sich dies grundlegend verändert: Im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten über ihr Lauterkeitsrecht – also auch über eine Vorschrift wie den rein nationalen § 3a UWG – einen Verstoß gegen nationale Informationspflichten nur noch dann sanktionieren, wenn diese Informationspflichten mit europäischen Vorgaben deckungsgleich sind. In diesem Fall ergibt sich eine Sanktionierung aus § 5a Abs. 2 – 5 UWG. Eine parallele Anwendung von § 3a UWG bleibt möglich, hat jedoch keine eigenständige Bedeutung.

IV. Beschränkungen des harmonisierten Transparenzgebots bei der Schaffung eines europäischen Informationsmodells Die Erweiterung des Irreführungsverbotes um ein Transparenzgebot erweist sich jedoch lediglich als ein erster Schritt zu einem europäisch vereinheitlichten Informationsmodell. Die Harmonisierung besteht zunächst lediglich – wenngleich bedeutsamerweise – darin, dass bestimmte Kriterien eingeführt werden, die lauterkeitsrechtliche Informationspflichten auslösen, sowie darin, dass das Lauterkeitsrecht zum allgemeinen Sanktionsinstrument für Verstöße gegen bestimmte europarechtlich fundierte, spezialgesetzliche Informationspflichten erklärt wird. Die Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten bestehen jedoch fort bei der Ausgestaltung der Sanktionen (siehe unten 1.) und bei ihrer institutionellen Durchsetzung (siehe unten 2.) sowie außerhalb des Geschäftsverkehrs gegenüber Verbrauchern (siehe unten 3.). 1. Fehlende Harmonisierung bei den lauterkeitsrechtlichen Rechtsfolgen Den nationalen Lauterkeitsrechten wird unvermittelt die Rolle zugewiesen, als allgemeines Sanktionsinstrument für Verstöße gegen europarechtliche Informationspflichten zu dienen. Es sollte allerdings nicht der falsche Eindruck entstehen, dass 19

Bis zur UWG-Novelle des Jahres 2015 war der Rechtsbruch in § 4 Nr. 11 UWG geregelt.

B. Auswirkung der UGP-Richtlinie

237

damit in den verschiedenen Mitgliedstaaten etwa eine einheitliche Sanktionierung erreicht würde. Zwar handelt es sich bei § 5a Abs. 2 – 5 UWG um harmonisierte Vorschriften. Allerdings wird inhaltlich ausschließlich die Tatbestandsseite harmonisiert, indem in allen Mitgliedstaaten ein Verstoß gegen eine europarechtlich fundierte Aufklärungspflicht als unlauter definiert wird, beziehungsweise indem einheitliche Kriterien geschaffen werden, nach denen lauterkeitsrechtliche Informationspflichten entstehen. Hingegen sind die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Lauterkeitsrecht in den einzelnen Mitgliedstaaten gerade nicht harmonisiert. Das mitgliedstaatliche Lauterkeitsrecht ist lediglich partiell angeglichen, und der Bereich der Sanktionen ist dem nicht koordinierten Bereich des Lauterkeitsrechts zuzurechnen. Artikel 11 UGP-Richtlinie unterstellt die Frage der Durchsetzung von Bestimmungen der Richtlinie weitgehend der Entscheidungsbefugnis der Mitgliedstaaten und gibt nur einige Eckpunkte vor.20 Ferner weist Artikel 13 UGP-Richtlinie die Festlegung von Rechtsfolgen für Verstöße gegen harmonisiertes nationales Lauterkeitsrecht explizit den Mitgliedstaaten zu. Die bedeutet jedoch nicht, dass für ein Sanktionensystem gar keine unionsrechtlichen Vorgaben bestehen.21 Artikel 13 Satz 2 der UGP-Richtlinie enthält die Vorgabe, dass die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Da es sich hierbei jedoch um sehr weite Kriterien handelt, können sich aus den mitgliedstaatlichen Lauterkeitsrechten ganz unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben.22 Zudem lässt die UGP-Richtlinie nach Erwägungsgrund 15 ausdrücklich auch solche Rechtsfolgen unberührt, die sich bei einem Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht aus anderen Rechtsvorschriften, etwa dem Zivilrecht, ergeben.23 In den nationalen Zivilrechtsordnungen existieren zwischen den Mitgliedstaaten jedoch erhebliche Unterschiede, und zu deren Harmonisierung besteht auch keine allgemeine zivilrechtliche Kompetenz der Europäischen Union.24 Dadurch kommen bei der Sanktionierung lauterkeitsrechtlicher Verstöße die Unterschiede in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten sowohl bei den lauterkeitsrechtlichen Rechtsfolgen als auch im Bereich des Zivilrechts zum Tragen. Im Ergebnis wird damit im Bereich von § 5a Abs. 2 – 5 UWG zwischen den Mitgliedstaaten lediglich ein geringes Maß an Harmonisierung bei der Sanktionierung von Verstößen gegen Informations- beziehungsweise gegen Produktkennzeichnungspflichten erreicht. Es fehlt an der Errichtung eines einheitlichen 20

Ein Überblick findet sich etwa bei Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1317. So der Hinweis von Fezer, WRP 2006, 781, 788. 22 Ein verbraucherschützendes Sanktionenrecht innerhalb des Lauterkeitsrechts fordert etwa Fezer, WRP 2006, 781, 788; Keßler, WRP 2005, 264, 272; Fezer, WuW 2002, 217; Fezer, WRP 2003, 127. 23 Siehe etwa de Cristofaro, GRUR Int 2010, 1017. 24 So begründet etwa das Anliegen des Verbraucherschutzes keine allgemeine Rechtsetzungskompetenz nach Artikel 169 AEUV (vormals Artikel 153 EG). Daher ist oft ein Rückgriff auf die Binnenmarktkompetenz nach Artikel 114 AEUV (vormals Artikel 95 EG) erforderlich. 21

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§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

Rechtsfolgenregimes. Dadurch kann sich zwischen den Mitgliedstaaten eine ganz unterschiedliche Durchsetzungsintensität ergeben. 2. Fehlende Harmonisierung bei der institutionellen Durchsetzung Auch in institutioneller Hinsicht besteht eine Zersplitterung zwischen den Mitgliedstaaten. In einigen Mitgliedstaaten existiert überhaupt keine spezielle Wettbewerbsbehörde, die für den Vollzug des Lauterkeitsrechts zuständig ist; die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts erfolgt vielmehr über die Gerichte. Dies ist etwa in Deutschland der Fall. Es existiert also eine private Rechtsdurchsetzung, jedoch keine öffentlichrechtliche Rechtsdurchsetzung. Wegen der unterschiedlichen prozessualen Ausgestaltung der privaten Rechtsdurchsetzung in den verschiedenen Mitgliedstaaten können sich im Ergebnis Unterschiede bei der Wirkung ergeben, welche die vereinheitlichten lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten in der jeweiligen Rechtsordnung entfalten. Dadurch kann aber auch ein vereinheitlichtes Informationsmodell in den verschiedenen Mitgliedstaaten jeweils unterschiedlich zum Tragen kommen. In einigen Mitgliedstaaten kann eine Durchsetzung des Lauterkeitsrechts auch durch spezielle Behörden oder Organisationen erfolgen. Existiert daneben in diesen Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit einer privaten Rechtsdurchsetzung, so können sich Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen des Vollzugs ergeben. Jedenfalls sind aber Unterschiede im Vergleich mit Mitgliedstaaten möglich, in denen keine Behörde tätig wird. In Mitgliedstaaten, in denen zum Vollzug des Lauterkeitsrechts eine spezielle Behörde existiert, besteht zudem eine mögliche Doppelzuständigkeit mit einer etwaigen Fachbehörde, die für die Überwachung der Einhaltung spezieller Informationspflichten – etwa im Gesundheitsbereich – zuständig ist. Dabei verfügt eine Fachbehörde auf Grund ihrer Spezialisierung möglicherweise über die größere Sachkompetenz. Hier können daher ebenfalls Kompetenzkonflikte entstehen. 3. Beschränkung der Harmonisierungswirkung auf Verbrauchergeschäfte Eine weitere bedeutsame Begrenzung der Vereinheitlichungswirkung des § 5a Abs. 2 – 5 UWG in Bezug auf ein europäisches Informationsmodell ergibt sich aus der Beschränkung des Anwendungsbereiches auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern. Europarechtliche Kennzeichnungspflichten, die auch oder gar ausschließlich im unternehmerischen Verkehr gelten, unterfallen daher nicht dem dogmatischen Modell des § 5a Abs. 2 – 5 UWG. Diese können lediglich über das nicht harmonisierte traditionelle Modell der Irreführung durch Unterlassen des § 5a

B. Auswirkung der UGP-Richtlinie

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Abs. 1 UWG eine unmittelbare lauterkeitsrechtliche Sanktionierung zur Folge haben unter den höheren Voraussetzungen dieser Vorschrift etwa in Hinblick auf das Erfordernis einer tatsächlichen Irreführung und in Hinblick auf die geschäftliche Relevanz. Es besteht jedoch auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr ein Bedürfnis nach einer Unverzerrtheit der Marktkommunikation sowie nach einer gewissen Einheitlichkeit des Informationsmodells im Binnenmarkt. Von einer Ausweitung des § 5a Abs. 2 – 5 UWG auf den Bereich des unternehmerischen Geschäftsverkehrs im Wege einer überschießenden Richtlinienumsetzung hat der Gesetzgeber möglicherweise deswegen abgesehen, weil er eine zusätzliche Ausweitung der Informationslasten für Unternehmen vermeiden wollte. Es ist jedoch zu beachten, dass wegen ihrer Beschränkung auf den Verbraucherbereich die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie in Bezug auf eine Sanktionierung mitgliedstaatlicher Aufklärungspflichten im Unternehmensbereich nicht eingreift. Hier tritt daher nicht nur keine Vereinheitlichung ein, sondern es greift auch die haircut-Wirkung in Bezug auf nationale Informationspflichten nicht durch. Daher bleibt es hier in den verschiedenen Mitgliedstaaten bei einer Vielzahl unterschiedlicher Aufklärungspflichten, die von den Unternehmen zur Vermeidung einer lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung beachtet werden müssen. Dies stellt für die Unternehmen ebenfalls eine Form der Informationslast dar. Durch den nationalen Alleingang einer überschießenden Umsetzung der UGP-Richtlinie hätte jedoch die Wirkung einer europaweiten Sperrwirkung in Bezug auf nationale Informationspflichten für den unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht herbeigeführt werden können. In Bezug auf diesen Aspekt einer Sperrwirkung wäre daher ein gemeinsames Handeln auf europäischer Ebene notwendig.

V. Funktionelle Grenzen des Informationsmodells im UWG Das Informationsmodell stößt zudem an seine Grenzen,25 wenn die Information bei der Entscheidungsfindung des Käufers überhaupt nicht zum Tragen kommt. Dies kann der Fall sein – und übermäßige Informationspflichten können ihr Ziel daher verfehlen – wenn bei Konsumenten eine Überinformation in Gestalt eines information overload vorliegt.26 In diesem Fall führt eine umfassende Unterrichtung für den Käufer in einer Entscheidungssituation nicht zu einer Verbesserung seiner Entscheidungsfähigkeit. Daher ist immer die Frage zu stellen, ob ein detaillierter Katalog an Informationspflichten tatsächlich zu mehr Verbraucherschutz oder nicht

25

Allgemein kritisch zum Informationsmodell siehe etwa Schön, in: Heldrich/Prölss/ Koller/Langenbucher (Hrsg.), FS Canaris I, 2007, S. 1191. 26 Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5a, Rn. 1; Peifer, in: Fezer, Lauterkeitsrecht: UWG, 2010, § 5, Rn. 55.

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§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

eher zu einer Informationsüberfrachtung führt.27 Zudem ist zu bedenken, dass Informationspflichten finanzielle Lasten für den Geschäftsverkehr schaffen,28 besonders wenn sie zu umfangreich sind und bei einer Vielzahl von Formen des geschäftlichen Kontaktes eingreifen. Informationspflichten können ihrer ökonomischen Funktion der tatsächlichen Verbesserung der Markttransparenz am besten gerecht werden, wenn genau diejenigen Informationselemente – information chunks – mitgeteilt werden, die in der konkreten Situation und für das konkrete Produkt von Bedeutung sind.29 Das Lauterkeitsrecht kann einer Überinformation allerdings auch nur in beschränktem Maße begegnen. Im Einzelfall könnte man eine überbordende Information oder eine Vermischung und mehrdeutige Kontextualisierung von Informationen als relevante Irreführung nach § 5 UWG werten. Jedoch wird wohl das Lauterkeitsrecht nur geringe Wirkung als Mittel gegen eine gezielte Überinformation des Verbrauchers haben, sondern eher einen Anreiz zu einer Überinformation liefern. Bezogen auf § 5a UWG ergibt sich eine mögliche Tendenz zu einer Informationsüberfrachtung zunächst aus der verwendeten Gesetzestechnik: Durch die Einführung selbständiger Informationspflichten in das UWG wird die Informationslast für Unternehmen tendenziell weiter erhöht, da sie sich einem zusätzlichen – und unter Umständen vielschichtigen – Sanktionensystem gegenüber sehen. Kombiniert mit einem weiten Anwendungsbereich, könnte sich eine Gefahr für missbräuchliche lauterkeitsrechtliche Klagen ergeben. Andererseits ist zu bedenken, dass die Vorschrift des § 5a Abs. 2 – 5 UWG mehrere Stellschrauben enthält, die eine Begrenzung der Informationspflichten gewährleisten können. So ist die Vorschrift auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern sowie auf wesentliche Informationen begrenzt. Ferner greifen die Pflichten des § 5a Abs. 3 UWG nicht bei jedem geschäftlichen Kontakt, sondern nur in bestimmten Verkaufssituationen.

C. Bruchstellen und Komplexitäten des Lauterkeitsrechts im Spiegel von § 5a UWG Bei der Betrachtung von § 5a UWG zeigen sich – quasi stellvertretend für das gesamte Lauterkeitsrecht – charakteristische Merkmale des Rechtsgebietes und sich aus diesen Merkmalen ergebende Bruchstellen.30 Daraus folgern besondere Komplexitäten für den Gesetzgeber sowie für die Rechtsanwendung. So finden sich im selben lauterkeitsrechtlichen Rechtstext des UWG europäisch harmonisierte Vor27

Ähnlich Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 93. Siehe etwa Henning-Bodewig, WRP 2001, 771, 776. Von einer „Informations-Hypertrophie“ spricht Hoeren, WRP 2009, 789, 791. 29 Von Schlüsselinformationen spricht etwa Keßler, WRP 2007, 714, 720. 30 So die Formulierung von Bornkamm, WRP 2012, 1. 28

C. Bruchstellen und Komplexitäten des Lauterkeitsrechts

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schriften und rein nationale Vorschriften nebeneinander (siehe unten I.). Zudem spiegelt sich bei der Analyse von § 5a UWG die unterschiedliche starke Fokussierung auf den Verbraucherschutz und weitere Schutzziele im europäischen sowie im deutschen Lauterkeitsrecht wider (siehe unten II.).

I. Das Nebeneinander von harmonisierten und nicht harmonisierten Regelungen im UWG Auf europäischer Ebene existiert keine umfassende Harmonisierung des Lauterkeitsrechts. Vielmehr erfolgt die Harmonisierung punktuell bezüglich bestimmter Personengruppen und bezüglich bestimmter Sachverhalte. Dabei wird die Harmonisierung nicht über einen einheitlichen europäischen Rechtsakt vorgenommen, sondern durch eine Mehrzahl verschiedener Richtlinien. Die Anwendungsbereiche der verschiedenen Richtlinien unterscheiden sich grundsätzlich in persönlicher und sachlicher Hinsicht. Jedoch kann es auch zu Überschneidungen und damit zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Die europäischen Richtlinien im Bereich des Lauterkeitsrechts unterscheiden sich auch nach dem von ihnen verfolgten Harmonisierungskonzept. Dabei verfolgt die UGP-Richtlinie das Konzept einer Vollharmonisierung. Die Vorschriften innerhalb des deutschen UWG, die auf europäische Vorgaben zurückgehen, stellen den so genannten koordinierten oder harmonisierten Bereich des Lauterkeitsrechts dar.31 Daneben enthält das deutsche UWG in seinem nicht harmonisierten beziehungsweise in seinem nicht koordinierten Bereich auch Vorschriften, die nicht auf europäische Vorgaben zurückgehen. Aus dieser Struktur auf europäischer und nationaler Ebene ergeben sich für die Rechtsanwendung und die Rechtssetzung komplexe Anforderungen. Zum einen muss innerhalb des harmonisierten Bereichs den Anforderungen der verschiedenen europäischen Vorgaben Rechnung getragen werden, die nicht immer widerspruchsfrei sind. Innerhalb des harmonisierten Bereichs greift zudem der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung, und es besteht eine Pflicht zur Vorlage an den EuGH. Zum anderen müssen Widersprüche zwischen dem harmonisierten und dem nicht harmonisierten Bereich vermieden werden. Dies ist oft schwierig, wenn die nationale Rechtstradition nicht ohne Weiteres mit der europäischen Konzeption kompatibel ist. Innerhalb des nicht harmonisierten Bereiches besteht grundsätzlich keine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung. Wenn jedoch ein und demselben Rechtsbegriff im europäischen und im rein nationalen Kontext eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen wird, so kann es zu Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung kommen.

31 Zur Unterscheidung von harmonisiertem und nicht harmonisiertem Bereich siehe Fezer, WRP 2009, 1163, 1164.

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§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

Bei der Betrachtung der Irreführung durch Unterlassen schlägt sich die komplexe Struktur des Lauterkeitsrechts beispielsweise wie folgt nieder: Die deutschen Vorschriften zur Irreführung durch Unterlassen in § 5a Abs. 2 – 5 UWG sind dem harmonisierten Bereich des deutschen Lauterkeitsrechts zuzurechnen. Daher ist etwa der Begriff des Angebots in § 5a Abs. 3 UWG autonom europäisch und damit anders als etwa im deutschen Zivilrecht auszulegen. Grundsätzlich gelten die Vorgaben der UGP-Richtlinie, die dem Prinzip der Vollharmonisierung folgt. Jedoch können bei einer irreführenden Werbung, die zugleich vergleichend ist, auch einzelne Vorgaben aus der Werbe-Richtlinie beachtlich sein. Die Werbe-Richtlinie folgt jedoch teilweise dem Prinzip der Mindestharmonisierung und teilweise dem Prinzip der Vollharmonisierung. Zudem weicht das in § 5a Abs. 2 – 5 UWG an einem Vollständigkeitsgebot orientierte Irreführungskonzept von dem traditionellen deutschen Irreführungskonzept eines Wahrheitsgebotes in § 5a Abs. 1 UWG ab. Es besteht also eine dogmatische Spannung zwischen dem harmonisierten und dem nicht harmonisierten Bereich des Lauterkeitsrechts.

II. Verbraucherschutz und die deutsche Schutzzwecktrias In § 5a UWG treffen die ausschließliche Verbraucherorientierung der UGPRichtlinie und die weiter gefasste Schutzzwecktrias des deutschen Lauterkeitsrechts aufeinander. So ist die europäische Vorgabe in Gestalt der UGP-Richtlinie ausschließlich auf den Verbraucherschutz fokussiert (siehe unten 1.), während das deutsche UWG einen weiter gehenden Schutzzweck verfolgt (siehe unten 2.) und ein so genanntes Integrationsmodell etabliert (siehe unten 3.). Dennoch wurde bei der Umsetzung der lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten ein Sonderwettbewerbsrecht für Verbraucher geschaffen (siehe unten 4.). 1. Die ausschließliche Verbraucherorientierung der UGP-Richtlinie Der Regelungszweck der UGP-Richtlinie zielt nach Artikel 1 UGP-Richtlinie ausschließlich auf den Schutz der Verbraucher und ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes. Damit nimmt die UGP-Richtlinie ausschließlich mit Bezug auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern eine Harmonisierung vor, während der Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern vom Anwendungsbereich der UGPRichtlinie ausgenommen bleibt. Verbraucherinteressen bilden in der UGP-Richtlinie daher das konstitutive Element für den Rechtsschutz und genießen Priorität gegenüber anderen Interessen, wie etwa den Interessen der Mitbewerber. Die Interessen der Mitbewerber und sonstigen Marktteilnehmer erfahren allenfalls einen mittel-

C. Bruchstellen und Komplexitäten des Lauterkeitsrechts

243

baren Schutz in Gestalt eines objektiven Reflexes.32 Soweit ausschließlich die Interessen von Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern beeinträchtigt werden, findet die UGP-Richtlinie jedoch keine Anwendung.33 Auf diese Verbraucherorientierung weist auch Erwägungsgrund 8 der UGP-Richtlinie explizit hin. Zugleich hebt jedoch Erwägungsgrund 8 der UGP-Richtlinie hervor, dass zumindest mittelbar auch die Interessen derjenigen Mitbewerber geschützt werden, die sich regelkonform verhalten und daraus keinen Wettbewerbsnachteil erleiden sollen. In Hinblick auf die Berücksichtigung der Interessen von anderen Personengruppen als denjenigen der Verbraucher stellt Erwägungsgrund 8 der UGP-Richtlinie außerdem klar, dass über den verbraucherschutzrechtlichen Regelungsbereich der UGP-Richtlinie hinaus Geschäftspraktiken existieren, die sich nachteilig für Wettbewerber und sonstige Kunden auswirken können. Zugleich trägt Erwägungsgrund 8 der UGP-Richtlinie der Europäischen Kommission auf, sorgfältig den Bedarf einer europarechtlichen Regelung in diesem Bereich zu prüfen. Eine solche europarechtliche Harmonisierung des Lauterkeitsrechts – etwa für den Bereich des Geschäftsverkehrs zwischen Unternehmern – steht gegenwärtig noch aus. Eine europäische Harmonisierung im Lauterkeitsrecht in Bezug auf den Geschäftsverkehr gegenüber Unternehmen ist bislang lediglich punktuell erfolgt.34 2. Dualismus im deutschen UWG Im Gegensatz zur UGP-Richtlinie enthalten die Lauterkeitsrechte der Mitgliedstaaten auch Regelungen, die den Schutz von Mitbewerbern sowie den unternehmerischen Geschäftsverkehr zum Gegenstand haben. Das deutsche UWG bezweckt in seiner Gesamtkonzeption nach § 1 UWG neben dem Schutz der Verbraucher explizit auch den Schutz von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern sowie den Schutz des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.35 Diese Interessen sind durch das Lauterkeitsrecht des UWG also zu einem Ausgleich zu bringen. Für die mitgliedstaatlichen Regelungen, die dem Schutz anderer Marktteilnehmer dienen, gilt also die einseitige Orientierung auf Verbraucherinteressen grundsätzlich nicht. Diese Regelungen sind typischerweise dem nicht koordinierten Bereich des Lauterkeitsrechts zuzurechnen. 32

Siehe etwa die Schlussanträge: GA Trstenjak, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949, Rn. 72. 33 Siehe auch Erwägungsgrund 6 der UGP-Richtlinie sowie Fezer, WRP 2009, 1163, 1164; Glöckner, WRP 2009, 1175, 1177; Glöckner, 41 IIC 2010, 570, 576. Der Autor weist darauf hin, dass im Gesetzgebungsprozess Erwägungsgrund 6 auf Betreiben der österreichischen und der deutschen Delegation eingefügt wurde. Ebenso Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1315. Siehe auch Gamerith, WRP 2005, 391, 412. 34 So erfolgte etwa – in zeitlicher Hinsicht vor der UGP-Richtlinie – durch die WerbeRichtlinie eine punktuelle Harmonisierung in Bezug auf vergleichende Werbung. 35 So die Schutzzwecktrias; siehe etwa Glöckner, WRP 2009, 1175, 1176; Glöckner/ Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1317.

244

§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

Das Prinzip der Vollharmonisierung der UGP-Richtlinie steht solchen Regelungen zum Schutz von anderen Marktteilnehmern als Verbrauchern nicht entgegen. Der Begriff „Vollharmonisierung“ bezieht sich nämlich lediglich darauf, dass innerhalb des durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Teils der mitgliedstaatlichen Lauterkeitsrechte die Mitgliedstaaten kein höheres und auch kein tieferes Verbraucherschutzniveau festlegen dürfen.36 Außerhalb des wesentlich durch den Verbraucherschutz definierten Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie steht es den Mitgliedstaaten daher frei, lauterkeitsrechtliche Regelungen in Bezug auf andere Personengruppen oder andere Sachverhalte zu erlassen. Die einseitige Orientierung der europarechtlichen Vorgaben am Schutz der Verbraucher hat nach der Umsetzung in das deutsche UWG jedoch eine Stärkung der verbraucherschützenden Aspekte des UWG zur Folge. Daher ergeben sich im deutschen UWG – innerhalb eines einheitlichen Rechtstextes – materiellrechtlich betrachtet grundsätzlich zwei Bereiche des Lauterkeitsrechts, die unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen. Es wird daher auch von einem Dualismus37 der Lauterkeitsrechtsordnungen innerhalb eines formell einheitlichen Gesetzestextes beziehungsweise von einer Rechtsspaltung38 gesprochen.

3. Das Integrationsmodell im deutschen UWG Der deutsche Gesetzgeber hat sich im UWG für ein Integrationsmodell entschieden. Er hat sich also zum Ziel gesetzt, nach Möglichkeit gemeinsame Vorschriften zur Berücksichtigung der Interessenlage der verschiedenen Gruppen zu schaffen. Dadurch wird auch die Möglichkeit geschaffen, diese Interessen gegeneinander abzuwägen. Das Integrationsmodell stellt in rechtshistorischer Hinsicht das Ergebnis eines schrittweisen Prozesses dar:39 § 1 UWG aus dem Jahre 1909 untersagte in Gestalt einer Generalklausel sittenwidrigen Wettbewerb und schützte – zumindest in den ersten Jahrzehnten – ausschließlich die Konkurrenten und erst seit den 70er Jahren weiter gehend auch die Interessen sowohl der Mitbewerber als auch der Verbraucher sowie der Allgemeinheit. Das UWG aus dem Jahre 2004 führte eine Generalklausel in § 3 UWG ein und normierte in einer separaten Schutzzweckklausel in § 1 Satz 1 UWG den Schutz der Mitbewerber und der Verbraucher und in § 1 Satz 2 UWG zusätzlich den Schutz der Allgemeinheit als Schutzziel. Im UWG aus dem Jahre 2008 wurde schließlich die Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG hinzugefügt. 36

Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 163; Fezer, WRP 2006, 781, 782. 37 Fezer, WRP 2009, 1163, 1163, 1165; Fezer, WRP 2010, 577, 578. 38 Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1316. Die Autoren geben auch weitere Nachweise zur Kritik an diesem Ansatz. 39 Einen historischen Abriss gibt Fezer, WRP 2009, 1163, 1169.

C. Bruchstellen und Komplexitäten des Lauterkeitsrechts

245

Mit Blick auf das Integrationsmodell hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, die Umsetzung der UGP-Richtlinie nicht etwa in einem separaten auf den Verbraucherschutz bezogenen Rechtstext vorzunehmen, sondern innerhalb des UWG, das auch dem Schutz von Mitbewerbern dient und auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr Anwendung findet. Zudem hat der deutsche Gesetzgeber – auch in der Vergangenheit – das Ziel verfolgt, dem Trend zu einer Zweiteilung des Lauterkeitsrechts entgegenzuwirken. So hat der Gesetzgeber in einigen Regelungsbereichen versucht, die Einheit des UWG dadurch aufrechtzuerhalten, dass er – in europarechtlich zulässiger Weise – überschießende Richtlinienumsetzungen40 vorgenommen hat. Bei einer überschießenden Richtlinienumsetzung hat die europarechtliche Vorgabe beispielsweise nur den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern zum Gegenstand. Der deutsche Gesetzgeber setzt diese Vorgabe dann jedoch in einer nationalen Vorschrift um, die über den Verbraucherbereich hinaus Anwendung findet. So wurde beispielsweise die Ausdehnung des Anwendungsbereiches des UWG auf den vor- und nachvertraglichen Bereich sowohl für den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern als auch für das Verhältnis zu Unternehmern vorgenommen, indem der Begriff der geschäftlichen Handlung für beide Bereiche an die UGP-Richtlinie angepasst wurde.41 Dadurch sollten gegenüber Verbrauchern und im kaufmännischen Geschäftsverkehr identische Regelungen zur Anwendung gelangen. Dieser Strategie ist der deutsche Gesetzgeber auch in bestimmten Bereichen des Kaufrechts gefolgt, da er vermeiden wollte, dass einzelne Rechtsbegriffe unterschiedlich ausgelegt werden müssen, je nachdem, ob sie auf Verbrauchergeschäfte oder auf Kaufverträge mit Unternehmern angewendet werden. Bei der überschießenden Umsetzung einer europäischen Richtlinie ergeben sich schwierige Fragen für die Rechtsanwendung. Wird die nationale Vorschrift auf einen Sachverhalt angewendet, der in der UGP-Richtlinie geregelt ist, so bestehen unstreitig eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung und eine Pflicht der nationalen Gerichte zur Vorlage von Rechtsfragen an den EuGH. Wird hingegen dieselbe mitgliedstaatliche Vorschrift auf einen nicht von der Richtlinie erfassten Fall angewendet, so stellt sich die Frage, ob dann in Hinblick auf die europäischen Fälle eine einheitliche Auslegung vorzunehmen ist oder ob eine gespaltene Auslegung möglich ist. Zudem ist umstritten, ob in diesen Fällen eine Vorlage an den EuGH möglich ist. Für die Vorgehensweise nach einem Integrationsmodell spricht, dass das Verhalten von Unternehmen am Markt nicht teilbar ist und dass Verbraucher, gewerb-

40 Allgemein zur überschießenden Umsetzung von Richtlinien, zur Frage einer gespaltenen Auslegung und zur Möglichkeit, Vorlagefragen an den EuGH zu richten; siehe: Drexl, in: Lorenz et al. (Hrsg.), FS Heldrich, 2005, S. 67. 41 Drexl, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009, S. 227, 239.

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§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

liche Abnehmer und Mitbewerber gleichermaßen geschädigt werden können.42 Gerade eine Unternehmenskommunikation wie eine Werbung oder eine Produktkennzeichnung wird sich in der praktischen Wirklichkeit meist gleichzeitig an Verbraucher und an Gewerbetreibende als potentielle Abnehmer wenden.43 Beim Bestehen eines Sonderwettbewerbsrechts für Verbraucher müsste ein Verkäufer seine Marktkommunikation – je nach dem möglichen Empfängerkreis – an unterschiedlichen Wettbewerbsregeln ausrichten. Dies dürfte nur begrenzt möglich sein. Ein reines Sonderwettbewerbsrecht für den Verbraucherbereich stünde in einem Spannungsverhältnis zu dem durch die Schutzzwecktrias definierten Integrationsmodell. 4. Sonderwettbewerbsrecht für Verbraucher in § 5a Abs. 2 – 5 UWG Bei der Umsetzung der UGP-Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber teilweise eine überschießende Umsetzung vorgenommen. So gilt etwa das Verbot der Irreführung durch positives Tun im deutschen § 5 UWG über den Verbraucherbereich hinaus, obgleich die europäische Vorgabe in Artikel 6 UGP-Richtlinie auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern beschränkt ist. Hingegen hat der deutsche Gesetzgeber bei der Irreführung durch Unterlassen in § 5a UWG keine überschießende Umsetzung vorgenommen und damit ein Sonderwettbewerbsrecht für Verbraucher in Kauf genommen. Grundsätzlich kann jedoch die Schaffung eines Sonderwettbewerbsrechts auch rechtspolitische Bedenken auslösen. Bei einem Verzicht auf eine überschießende Umsetzung bewirkt die Beschränkung des Anwendungsbereiches der UGP-Richtlinie auf das Verhältnis zu Verbrauchern nach der Umsetzung in das deutsche UWG eine Verschiebung hin zu einer verstärkt verbraucherschutzrechtlichen Ausrichtung des deutschen UWG.44 Durch diese Tendenz gerät das Integrationsmodell der Schutzzwecktrias, das gleichermaßen auf einen Schutz von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern abzielt, unter Druck.45

42 Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 11; Bergmann, in: Blaurock/Bornkamm/Kirchberg (Hrsg.), FS Krämer, 2009, S. 163, 164. 43 Insbesondere bezogen auf Werbung, weist auf solche Fälle von „doppelrelevanten“ Tatsachen hin: Drexl, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009, S. 227, 235. 44 Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88, 89. 45 Hoeren, WRP 2009, 798, 790. Der Autor prognostiziert sogar, dass der Mitbewerberschutz als Schutzzweck des europäischen Lauterkeitsrechts zugunsten des Verbraucherschutzes gänzlich entfallen könnte. Siehe allgemein auch skeptisch: Drexl, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009, S. 227; Fezer, WRP 2006, 781, 784.

C. Bruchstellen und Komplexitäten des Lauterkeitsrechts

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In rechtspolitischer Hinsicht kann sich eine Schutzlücke ergeben, wenn der Schutz des Wettbewerbes davon abhängig gemacht wird, ob konkret das wirtschaftliche Interesse von Verbrauchern beeinträchtigt ist. Eine einseitige Fokussierung auf Verbraucherinteressen kann Auswirkungen auf den allgemeinen Beurteilungsmaßstab im Lauterkeitsrecht sowie auf den Abwägungsprozess haben und den Schutz von Verbraucherinteressen dabei auch schwächen:46 Eine irreführende oder unvollständige Produktkennzeichnung beispielsweise beeinträchtigt auch die Interessen der Wettbewerber, die sich regelkonform verhalten, sowie die Position von gewerblichen Abnehmern. Diese Aspekte werden jedoch nicht berücksichtigt, wenn ausschließlich die Interessen des Verkäufers mit denen der Verbraucher abgewogen werden. Dadurch kann es im Einzelfall zu einem Unterliegen des Verbrauchers und damit zu einer Verschlechterung seiner Rechtsposition kommen, nur weil die ebenfalls negativen Auswirkungen des Wettbewerbsverhaltens auf Wettbewerber und kommerziellen Abnehmer in der Abwägung nicht zum Ansatz gebracht worden sind. In einer solchen Konstellation könnte die Schädigung des Verbrauchers nicht als angemessener Maßstab dafür dienen, ob ein Marktverhalten rechtlich untersagt werden soll, und der Verbraucherschutz könnte nicht wirksam als mittelbares Instrument zum Schutz des Wettbewerbes als solchem und der Interessen der anderen Marktteilnehmer fungieren. Auch ein Blick auf die generelle ökonomische Funktion des Lauterkeitsrechts spricht gegen die Einführung eines Sonderwettbewerbsrechts für Verbraucher. Das Vorliegen eines – durch das Lauterkeitsrecht zu korrigierenden – Marktversagens ist nämlich nicht darauf beschränkt, dass ein Geschäft gegenüber einem Verbraucher getätigt wird.47 Gerade in Bezug auf die Marktkommunikation ist – außer dem Aspekt der Informationslast – kein rechtspolitischer Grund dafür ersichtlich, dass diese nur im Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern einem lauterkeitsrechtlichen Schutz unterliegen sollen. Auch in Hinblick auf unternehmerische Abnehmer besteht ein schützenswertes Bedürfnis nach Unversehrtheit und Vollständigkeit der Marktkommunikation. Dem Anspruch des Lauterkeitsrechts, ein Recht der Marktkommunikation zu sein, wird eine Beschränkung auf den Verbraucherbereich nicht gerecht. Daher ist es jedenfalls zu befürworten, dass durch § 5a Abs. 1 UWG – also durch das klassische Irreführungsverbot – zumindest die Unverzerrtheit der Entscheidungsgrundlage auch im Verhältnis zwischen Unternehmern geschützt wird. Hingegen werden im Verhältnis zu Verbrauchern mit dem Transparenzgebot in § 5a Abs. 2 – 5 UWG zum Schutz der Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlage Informationspflichten geschaffen. Hier hat der Gesetzgeber von einer Ausdehnung der 46 So – bezogen auf das allgemeine Lauterkeitsrecht – die Argumentation von Drexl, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009, S. 227, 235. 47 So die Argumentation von Drexl, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009, S. 227, 228.

248

§ 5 Übergreifende Schlussfolgerungen

Vorschriften auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr abgesehen, um eine Belastung von Unternehmen mit weiteren Informationspflichten zu vermeiden. Zudem kann einem unternehmerischen Käufer eher eine selbstständige Beschaffung von Informationen über ein Produkt zugemutet werden. Dies gilt umso eher, als es sich im unternehmerischen Bereich häufig um Wiederholungskäufe handelt.

§ 6 Ausblick: Schlussfolgerungen bezüglich eines lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells für den unternehmerischen Geschäftsverkehr Die Untersuchung des lauterkeitsrechtlichen Transparenzgebots sowie die übergreifenden Schlussfolgerungen ermöglichen in Gestalt eines Ausblicks Schlussfolgerungen bezüglich eines lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells für den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Es hat sich gezeigt, dass das durch die UGP-Richtlinie etablierte lauterkeitsrechtliche Informationsmodell lediglich im Verhältnis zu Verbrauchern gilt und dass sich im Lauterkeitsrecht durch das Nebeneinander von europäisch harmonisierten und nicht harmonisierten Vorschriften, die auch noch verschiedene Schutzzwecke aufweisen, Bruchstellen und Komplexitäten ergeben, die in der vorliegenden Arbeit paradigmatisch an § 5a UWG analysiert werden. Damit stellt sich jedoch die Frage nach Schlussfolgerungen in Bezug auf die Etablierung eines lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells für den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Dabei ist zu bedenken, dass mit der UGP-Richtlinie auch die Sperrwirkung der UGP-Richtlinie auf den Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern beschränkt ist. Im Verhältnis zu Unternehmern tritt daher keine europaweite haircut-Wirkung in Bezug auf mitgliedstaatliche Informationspflichten ein. Unternehmen müssen im unternehmerischen Geschäftsverkehr also weiterhin die vielen unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Informationspflichten beachten. Daraus können sich – genauso wie es der europäische Gesetzgeber der UGP-Richtlinie für den Verbraucherbereich befürchtet hat – Hindernisse bei der Verwirklichung des Binnenmarktes ergeben. Der deutsche Gesetzgeber kann alleine keine europaweite haircut-Wirkung in Bezug auf nationale Informationspflichten erreichen. Wenn der deutsche Gesetzgeber eine überschießende Umsetzung der UGP-Richtlinie auch für den unternehmerischen Geschäftsverkehr vorgenommen hätte, so hätte er die Unternehmen mit neuen europäischen Informationspflichten belastet, ohne dass im Gegenzug die lauterkeitsrechtliche Sanktionierung in Bezug auf mitgliedstaatliche Informationspflichten entfallen wäre. Aus diesem Grund sollte ein Ausbau des lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells für den unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht durch den mitgliedstaatlichen, sondern durch den europäischen Gesetzgeber erfolgen. Denn nur so kann eine Europäisierung des Informationsmodells mit einer Denationalisierung kombiniert werden. Dies ermöglicht durch den Wegfall der Sanktionierung für rein mit-

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§ 6 Ausblick

gliedstaatliche Informationspflichten zumindest eine teilweise Reduzierung der Informationslast und zugleich eine Abstufung der Informationslast gegenüber dem Verbraucherbereich. Außerdem können auf diese Weise auch Störungen des Binnenmarktes durch eine Vielzahl divergierender nationaler Informationspflichten beseitigt werden. Beim Aufbau eines lauterkeitsrechtlichen Informationsmodells für den unternehmerischen Geschäftsverkehr kann zudem auf die Erfahrungsgrundlage aufgebaut werden, die sich aus dem Erlass der UGP-Richtlinie, aus ihrer Umsetzung in das nationale Recht, aus der Korrektur dieses ersten Umsetzungsversuches, aus der Rechtsprechung des BGH, aus der Rechtsprechung des EuGH und aus dem Schrifttum ergibt. Zur Fruchtbarmachung dieser Erfahrungsgrundlage möchte diese vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.

Anhang: Gesetzestexte A. § 5a UWG Irreführung durch Unterlassen in der Fassung von 2015 B. § 5a UWG Irreführung durch Unterlassen in der Fassung von 2008 C. § 3a UWG Rechtsbruch in der Fassung von 2015 D. § 4 Nr. 11 UWG Rechtsbruch in der Fassung von 2004 (aufgehoben 2015) E. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie 2005/29/EG)

A. § 5a UWG Irreführung durch Unterlassen in der Fassung 2015 (1) Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen. (2) Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten geeignet ist den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als Vorenthalten gilt auch 1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen 2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise 3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen (3) Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gelten folgende Informationen als wesentlich im Sinne des Absatzes 2, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: 1. alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem dieser und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang; 2. die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den er handelt; 3. der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustell-

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Anhang: Gesetzestexte kosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können;

4. Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie Verfahren zum Umgang mit Beschwerden, soweit sie von Erfordernissen der unternehmerischen Sorgfalt abweichen, und 5. das Bestehen eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf. (4) Als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 gelten auch Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. (5) Bei der Beurteilung, ob Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen 1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie 2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher die Informationen auf andere Weise als durch das Kommunikationsmittel nach Nummer 1 zur Verfügung zu stellen. (6) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

B. § 5a UWG Irreführung durch Unterlassen in der Fassung 2008 (1) Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen. (2) Unlauter handelt, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Absatz 2 dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. (3) Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gelten folgende Informationen als wesentlich im Sinne des Absatzes 2, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: 1. alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem dieser und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang;

Anhang: Gesetzestexte

253

2. die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den er handelt; 3. der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können; 4. Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie Verfahren zum Umgang mit Beschwerden, soweit sie von Erfordernissen der fachlichen Sorgfalt abweichen, und 5. das Bestehen eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf. (4) Als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 gelten auch Informationen, die dem Verbraucher auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

C. § 3a UWG 2015 Rechtsbruch Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmer oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

D. § 4 Nr. 11 UWG 2004 (aufgehoben) Rechtsbruch Unlauter handelt insbesondere, wer … 11. einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

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Anhang: Gesetzestexte

E. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie 2005/29/EG) (Fußnotennummerierung weicht vom Originaltext ab) RICHTLINIE 2005/29/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (Text von Bedeutung für den EWR) DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION — gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschusses1, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags2, in Erwägung nachstehender Gründe: (1)

Nach Artikel 153 Absatz 1 und Absatz 3 Buchstabe a des Vertrags hat die Gemeinschaft durch Maßnahmen, die sie nach Artikel 95 erlässt, einen Beitrag zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus zu leisten.

(2)

Gemäß Artikel 14 Absatz 2 des Vertrags umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen sowie die Niederlassungsfreiheit gewährleistet sind. Die Entwicklung der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs innerhalb dieses Raums ohne Binnengrenzen ist für die Förderung grenzüberschreitender Geschäftstätigkeiten wesentlich.

(3)

Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken unterscheiden sich deutlich voneinander, wodurch erhebliche Verzerrungen des Wettbewerbs und Hemmnisse für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes entstehen können. Im Bereich der Werbung legt die Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung3 Mindestkriterien für die Angleichung der Rechtsvorschriften im Bereich der irreführenden Werbung fest, hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, Vorschriften aufrechtzuerhalten oder zu erlassen, die einen weiterreichenden Schutz der Verbraucher vorsehen. Deshalb unterscheiden sich die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der irreführenden Werbung erheblich. 1

ABl. C 108 vom 30. 4. 2004, S. 81. Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 20. April 2004 (ABl. C 104 E vom 30. 4. 2004, S. 260), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 15. November 2004 (ABl. C 38 E vom 15. 2. 2005, S. 1) und Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 24. Februar 2005 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Beschluss des Rates vom 12. April 2005. 3 ABl. L 250 vom 19. 9. 1984, S. 17. Richtlinie geändert durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 290 vom 23. 10. 1997, S. 18). 2

Anhang: Gesetzestexte

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(4)

Diese Unterschiede führen zu Unsicherheit darüber, welche nationalen Regeln für unlautere Geschäftspraktiken gelten, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schädigen, und schaffen viele Hemmnisse für Unternehmen wie Verbraucher. Diese Hemmnisse verteuern für die Unternehmen die Ausübung der Freiheiten des Binnenmarkts, insbesondere, wenn Unternehmen grenzüberschreitend Marketing-, Werbe- oder Verkaufskampagnen betreiben wollen. Auch für Verbraucher schaffen solche Hemmnisse Unsicherheit hinsichtlich ihrer Rechte und untergraben ihr Vertrauen in den Binnenmarkt.

(5)

In Ermangelung einheitlicher Regeln auf Gemeinschaftsebene könnten Hemmnisse für den grenzüberschreitenden Dienstleistungs- und Warenverkehr oder die Niederlassungsfreiheit im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gerechtfertigt sein, sofern sie dem Schutz anerkannter Ziele des öffentlichen Interesses dienen und diesen Zielen angemessen sind. Angesichts der Ziele der Gemeinschaft, wie sie in den Bestimmungen des Vertrags und im sekundären Gemeinschaftsrecht über die Freizügigkeit niedergelegt sind, und in Übereinstimmung mit der in der Mitteilung der Kommission „Folgedokument zum Grünbuch über kommerzielle Kommunikationen im Binnenmarkt“ genannten Politik der Kommission auf dem Gebiet der kommerziellen Kommunikation sollten solche Hemmnisse beseitigt werden. Diese Hemmnisse können nur beseitigt werden, indem in dem Maße, wie es für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes und im Hinblick auf das Erfordernis der Rechtssicherheit notwendig ist, auf Gemeinschaftsebene einheitliche Regeln, die ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten, festgelegt und bestimmte Rechtskonzepte geklärt werden.

(6)

Die vorliegende Richtlinie gleicht deshalb die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Werbung an, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und dadurch die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber mittelbar schädigen. Im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip schützt diese Richtlinie die Verbraucher vor den Auswirkungen solcher unlauteren Geschäftspraktiken, soweit sie als wesentlich anzusehen sind, berücksichtigt jedoch, dass die Auswirkungen für den Verbraucher in manchen Fällen unerheblich sein können. Sie erfasst und berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen; die Mitgliedstaaten können solche Praktiken, falls sie es wünschen, unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin regeln. Diese Richtlinie erfasst und berührt auch nicht die Bestimmungen der Richtlinie 84/450/EWG über Werbung, die für Unternehmen, nicht aber für Verbraucher irreführend ist, noch die Bestimmungen über vergleichende Werbung. Darüber hinaus berührt diese Richtlinie auch nicht die anerkannten Werbe- und Marketingmethoden wie rechtmäßige Produktplatzierung, Markendifferenzierung oder Anreize, die auf rechtmäßige Weise die Wahrnehmung von Produkten durch den Verbraucher und sein Verhalten beeinflussen können, die jedoch seine Fähigkeit, eine informierte Entscheidung zu treffen, nicht beeinträchtigen.

(7)

Diese Richtlinie bezieht sich auf Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen. Sie bezieht sich nicht auf Geschäftspraktiken, die vorrangig anderen Zielen dienen, wie etwa bei kommerziellen, für Investoren gedachten Mitteilungen, wie Jahresberichten und Unternehmensprospekten. Sie bezieht sich nicht auf die

256

Anhang: Gesetzestexte gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. Geschäftspraktiken wie beispielsweise das Ansprechen von Personen auf der Straße zu Verkaufszwecken können in manchen Mitgliedstaaten aus kulturellen Gründen unerwünscht sein. Die Mitgliedstaaten sollten daher im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands verbieten können, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen. Bei der Anwendung dieser Richtlinie, insbesondere der Generalklauseln, sollten die Umstände des Einzelfalles umfassend gewürdigt werden.

(8)

Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Sie schützt somit auch mittelbar rechtmäßig handelnde Unternehmen vor Mitbewerbern, die sich nicht an die Regeln dieser Richtlinie halten, und gewährleistet damit einen lauteren Wettbewerb in dem durch sie koordinierten Bereich. Selbstverständlich gibt es andere Geschäftspraktiken, die zwar nicht den Verbraucher schädigen, sich jedoch nachteilig für die Mitbewerber und gewerblichen Kunden auswirken können. Die Kommission sollte sorgfältig prüfen, ob auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs über den Regelungsbereich dieser Richtlinie hinausgehende gemeinschaftliche Maßnahmen erforderlich sind, und sollte gegebenenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag zur Erfassung dieser anderen Aspekte des unlauteren Wettbewerbs vorlegen.

(9)

Diese Richtlinie berührt nicht individuelle Klagen von Personen, die durch eine unlautere Geschäftspraxis geschädigt wurden. Sie berührt ferner nicht die gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften in den Bereichen Vertragsrecht, Schutz des geistigen Eigentums, Sicherheit und Gesundheitsschutz im Zusammenhang mit Produkten, Niederlassungsbedingungen und Genehmigungsregelungen, einschließlich solcher Vorschriften, die sich im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auf Glücksspiele beziehen, sowie die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung derselben. Die Mitgliedstaaten können somit unabhängig davon, wo der Gewerbetreibende niedergelassen ist, unter Berufung auf den Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Verbraucher in ihrem Hoheitsgebiet für Geschäftspraktiken Beschränkungen aufrechterhalten oder einführen oder diese Praktiken verbieten, beispielsweise im Zusammenhang mit Spirituosen, Tabakwaren und Arzneimitteln. Für Finanzdienstleistungen und Immobilien sind aufgrund ihrer Komplexität und der ihnen inhärenten ernsten Risiken detaillierte Anforderungen erforderlich, einschließlich positiver Verpflichtungen für die betreffenden Gewerbetreibenden. Deshalb lässt diese Richtlinie im Bereich der Finanzdienstleistungen und Immobilien das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher über ihre Bestimmungen hinauszugehen. Es ist nicht angezeigt, in dieser Richtlinie die Zertifizierung und Angabe des Feingehalts von Artikeln aus Edelmetall zu regeln.

(10) Es muss sichergestellt werden, dass diese Richtlinie insbesondere in Fällen, in denen Einzelvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken in speziellen Sektoren anwendbar sind auf das geltende Gemeinschaftsrecht abgestimmt ist. Diese Richtlinie ändert daher die Richtlinie 84/450/EWG, die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fern-

Anhang: Gesetzestexte

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absatz4, die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen5 und die Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher6. Diese Richtlinie gilt dementsprechend nur insoweit, als keine spezifischen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorliegen, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wie etwa Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind. Sie bietet den Verbrauchern in den Fällen Schutz, in denen es keine spezifischen sektoralen Vorschriften auf Gemeinschaftsebene gibt, und untersagt es Gewerbetreibenden, eine Fehlvorstellung von der Art ihrer Produkte zu wecken. Dies ist besonders wichtig bei komplexen Produkten mit einem hohen Risikograd für die Verbraucher, wie etwa bestimmten Finanzdienstleistungen. Diese Richtlinie ergänzt somit den gemeinschaftlichen Besitzstand in Bezug auf Geschäftspraktiken, die den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schaden. (11) Das hohe Maß an Konvergenz, das die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften durch diese Richtlinie hervorbringt, schafft ein hohes allgemeines Verbraucherschutzniveau. Diese Richtlinie stellt ein einziges generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken auf, die das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinträchtigen. Sie stellt außerdem Regeln über aggressive Geschäftspraktiken auf, die gegenwärtig auf Gemeinschaftsebene nicht geregelt sind. (12) Durch die Angleichung wird die Rechtssicherheit sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen beträchtlich erhöht. Sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmen werden in die Lage versetzt, sich an einem einzigen Rechtsrahmen zu orientieren, der auf einem klar definierten Rechtskonzept beruht, das alle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken in der EU regelt. Dies wird zur Folge haben, dass die durch die Fragmentierung der Vorschriften über unlautere, die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schädigende Geschäftspraktiken verursachten Handelshemmnisse beseitigt werden und die Verwirklichung des Binnenmarktes in diesem Bereich ermöglicht wird. (13) Zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaft durch die Beseitigung von Hemmnissen für den Binnenmarkt ist es notwendig, die in den Mitgliedstaaten existierenden unterschiedlichen Generalklauseln und Rechtsgrundsätze zu ersetzen. Das durch diese Richtlinie eingeführte einzige, gemeinsame generelle Verbot umfasst daher unlautere Geschäftspraktiken, die das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher beeinträchtigen. Zur Förderung des Verbrauchervertrauens sollte das generelle Verbot für unlautere Geschäftspraktiken sowohl außerhalb einer vertraglichen Beziehung zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern als auch nach Abschluss eines Vertrags und während dessen Ausführung gelten. Das generelle Verbot wird durch Regeln über die beiden bei weitem am meisten verbreiteten Arten von Geschäftspraktiken konkretisiert, nämlich die irreführenden und die aggressiven Geschäftspraktiken.

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ABl. L 144 vom 4. 6. 1997, S. 19. Richtlinie geändert durch die Richtlinie 2002/65/EG (ABl. L 271 vom 9. 10. 2002, S. 16). 5 ABl. L 166 vom 11. 6. 1998, S. 51. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2002/ 65/EG. 6 ABl. L 271 vom 9. 10. 2002, S. 16.

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Anhang: Gesetzestexte

(14) Es ist wünschenswert, dass der Begriff der irreführenden Praktiken auch Praktiken, einschließlich irreführender Werbung, umfasst, die den Verbraucher durch Täuschung davon abhalten, eine informierte und deshalb effektive Wahl zu treffen. In Übereinstimmung mit dem Recht und den Praktiken der Mitgliedstaaten zur irreführenden Werbung unterteilt diese Richtlinie irreführende Praktiken in irreführende Handlungen und irreführende Unterlassungen. Im Hinblick auf Unterlassungen legt diese Richtlinie eine bestimmte Anzahl von Basisinformationen fest, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Solche Informationen müssen nicht notwendigerweise in jeder Werbung enthalten sein, sondern nur dann, wenn der Gewerbetreibende zum Kauf auffordert; dieses Konzept wird in dieser Richtlinie klar definiert. Die in dieser Richtlinie vorgesehene vollständige Angleichung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, in ihren nationalen Rechtsvorschriften für bestimmte Produkte, zum Beispiel Sammlungsstücke oder elektrische Geräte, die wesentlichen Kennzeichen festzulegen, deren Weglassen bei einer Aufforderung zum Kauf rechtserheblich wäre. Mit dieser Richtlinie wird nicht beabsichtigt, die Wahl für die Verbraucher einzuschränken, indem die Werbung für Produkte, die anderen Produkten ähneln, untersagt wird, es sei denn, dass diese Ähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr für die Verbraucher hinsichtlich der kommerziellen Herkunft des Produkts begründet und daher irreführend ist. Diese Richtlinie sollte das bestehende Gemeinschaftsrecht unberührt lassen, das den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Wahl zwischen mehreren Regelungsoptionen für den Verbraucherschutz auf dem Gebiet der Geschäftspraktiken lässt. Die vorliegende Richtlinie sollte insbesondere Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation7 unberührt lassen. (15) Legt das Gemeinschaftsrecht Informationsanforderungen in Bezug auf Werbung, kommerzielle Kommunikation oder Marketing fest, so werden die betreffenden Informationen im Rahmen dieser Richtlinie als wesentlich angesehen. Die Mitgliedstaaten können die Informationsanforderungen in Bezug auf das Vertragsrecht oder mit vertragsrechtlichen Auswirkungen aufrechterhalten oder erweitern, wenn dies aufgrund der Mindestklauseln in den bestehenden gemeinschaftlichen Rechtsakten zulässig ist. Eine nicht erschöpfende Auflistung solcher im Besitzstand vorgesehenen Informationsanforderungen ist in Anhang II enthalten. Aufgrund der durch diese Richtlinie eingeführten vollständigen Angleichung werden nur die nach dem Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Informationen als wesentlich für die Zwecke des Artikels 7 Absatz 5 dieser Richtlinie betrachtet. Haben die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Mindestklauseln Informationsanforderungen eingeführt, die über das hinausgehen, was im Gemeinschaftsrecht geregelt ist, so kommt das Vorenthalten dieser Informationen einem irreführenden Unterlassen nach dieser Richtlinie nicht gleich. Die Mitgliedstaaten können demgegenüber, sofern dies nach den gemeinschaftsrechtlichen Mindestklauseln zulässig ist, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht strengere Bestimmungen aufrechterhalten oder einführen, um ein höheres Schutzniveau für die individuellen vertraglichen Rechte der Verbraucher zu gewährleisten. (16) Die Bestimmungen über aggressive Handelspraktiken sollten solche Praktiken einschließen, die die Wahlfreiheit des Verbrauchers wesentlich beeinträchtigen. Dabei 7

ABl. L 201 vom 31. 7. 2002, S. 37.

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handelt es sich um Praktiken, die sich der Belästigung, der Nötigung, einschließlich der Anwendung von Gewalt, und der unzulässigen Beeinflussung bedienen. (17) Es ist wünschenswert, dass diejenigen Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind, identifiziert werden, um größere Rechtssicherheit zu schaffen. Anhang I enthält daher eine umfassende Liste solcher Praktiken. Hierbei handelt es sich um die einzigen Geschäftspraktiken, die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 als unlauter gelten können. Die Liste kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden. (18) Es ist angezeigt, alle Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen; der Gerichtshof hat es allerdings bei seiner Rechtsprechung im Zusammenhang mit Werbung seit dem Erlass der Richtlinie 84/450/EWG für erforderlich gehalten, die Auswirkungen auf einen fiktiven typischen Verbraucher zu prüfen. Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend und um die wirksame Anwendung der vorgesehenen Schutzmaßnahmen zu ermöglichen, nimmt diese Richtlinie den Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren in der Auslegung des Gerichtshofs als Maßstab, enthält aber auch Bestimmungen zur Vermeidung der Ausnutzung von Verbrauchern, deren Eigenschaften sie für unlautere Geschäftspraktiken besonders anfällig machen. Richtet sich eine Geschäftspraxis speziell an eine besondere Verbrauchergruppe wie z. B. Kinder, so sollte die Auswirkung der Geschäftspraxis aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe beurteilt werden. Es ist deshalb angezeigt, in die Liste der Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind, eine Bestimmung aufzunehmen, mit der an Kinder gerichtete Werbung zwar nicht völlig untersagt wird, mit der Kinder aber vor unmittelbaren Kaufaufforderungen geschützt werden. Der Begriff des Durchschnittsverbrauchers beruht dabei nicht auf einer statistischen Grundlage. Die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden müssen sich bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall typischerweise reagieren würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlassen. (19) Sind Verbraucher aufgrund bestimmter Eigenschaften wie Alter, geistige oder körperliche Gebrechen oder Leichtgläubigkeit besonders für eine Geschäftspraxis oder das ihr zugrunde liegende Produkt anfällig und wird durch diese Praxis voraussichtlich das wirtschaftliche Verhalten nur dieser Verbraucher in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise wesentlich beeinflusst, muss sichergestellt werden, dass diese entsprechend geschützt werden, indem die Praxis aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe beurteilt wird. (20) Es ist zweckmäßig, die Möglichkeit von Verhaltenskodizes vorzusehen, die es Gewerbetreibenden ermöglichen, die Grundsätze dieser Richtlinie in spezifischen Wirtschaftsbranchen wirksam anzuwenden. In Branchen, in denen es spezifische zwingende Vorschriften gibt, die das Verhalten von Gewerbetreibenden regeln, ist es zweckmäßig, dass aus diesen auch die Anforderungen an die berufliche Sorgfalt in dieser Branche ersichtlich sind. Die von den Urhebern der Kodizes auf nationaler oder auf Gemeinschaftsebene ausgeübte Kontrolle hinsichtlich der Beseitigung unlauterer Geschäftspraktiken könnte die Inanspruchnahme der Verwaltungsbehörden oder Gerichte unnötig machen und sollte daher gefördert werden. Mit dem Ziel, ein hohes Verbraucher-

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Anhang: Gesetzestexte schutzniveau zu erreichen, könnten Verbraucherverbände informiert und an der Ausarbeitung von Verhaltenskodizes beteiligt werden.

(21) Personen oder Organisationen, die nach dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse geltend machen können, müssen über Rechtsbehelfe verfügen, die es ihnen erlauben, vor Gericht oder bei einer Verwaltungsbehörde, die über Beschwerden entscheiden oder geeignete gerichtliche Schritte einleiten kann, gegen unlautere Geschäftspraktiken vorzugehen. Zwar wird die Beweislast vom nationalen Recht bestimmt, die Gerichte und Verwaltungsbehörden sollten aber in die Lage versetzt werden, von Gewerbetreibenden zu verlangen, dass sie den Beweis für die Richtigkeit der von ihnen behaupteten Tatsachen erbringen. (22) Es ist notwendig, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße gegen diese Richtlinie festlegen und für deren Durchsetzung sorgen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. (23) Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken die durch derartige Vorschriften verursachten Handelshemmnisse zu beseitigen und ein hohes gemeinsames Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Beseitigung der Handelshemmnisse und die Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Verbraucherschutzniveaus erforderliche Maß hinaus. (24) Diese Richtlinie sollte überprüft werden um sicherzustellen, dass Handelshemmnisse für den Binnenmarkt beseitigt und ein hohes Verbraucherschutzniveau erreicht wurden. Diese Überprüfung könnte zu einem Vorschlag der Kommission zur Änderung dieser Richtlinie führen, der eine begrenzte Verlängerung der Geltungsdauer der Ausnahmeregelung des Artikels 3 Absatz 5 vorsehen und/oder Änderungsvorschläge zu anderen Rechtsvorschriften über den Verbraucherschutz beinhalten könnte, in denen die von der Kommission im Rahmen der verbraucherpolitischen Strategie der Gemeinschaft eingegangene Verpflichtung zur Überprüfung des Besitzstands zur Erreichung eines hohen gemeinsamen Verbraucherschutzniveaus zum Ausdruck kommt. (25) Diese Richtlinie achtet die insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundrechte und Grundsätze — HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: KAPITEL 1 ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN Artikel 1: Zweck der Richtlinie Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen. Artikel 2: Definitionen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

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a) „Verbraucher“ jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können; b) „Gewerbetreibender“ jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt; c) „Produkt“ jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen; d) „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern“ (nachstehend auch „Geschäftspraktiken“ genannt) jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt; e) „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Anwendung einer Geschäftspraxis, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte; f) „Verhaltenskodex“ eine Vereinbarung oder ein Vorschriftenkatalog, die bzw. der nicht durch die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschrieben ist und das Verhalten der Gewerbetreibenden definiert, die sich in Bezug auf eine oder mehrere spezielle Geschäftspraktiken oder Wirtschaftszweige auf diesen Kodex verpflichten; g) „Urheber eines Kodex“ jede Rechtspersönlichkeit, einschließlich einzelner Gewerbetreibender oder Gruppen von Gewerbetreibenden, die für die Formulierung und Überarbeitung eines Verhaltenskodex und/oder für die Überwachung der Einhaltung dieses Kodex durch alle diejenigen, die sich darauf verpflichtet haben, zuständig ist; h) „berufliche Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet; i) „Aufforderung zum Kauf“ jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen; j) „unzulässige Beeinflussung“ die Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt; k) „geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbraucher darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen;

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Anhang: Gesetzestexte

l) „reglementierter Beruf“ eine berufliche Tätigkeit oder eine Reihe beruflicher Tätigkeiten, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an das Vorhandensein bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist. Artikel 3: Anwendungsbereich (1)

Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts.

(2)

Diese Richtlinie lässt das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags unberührt.

(3)

Diese Richtlinie lässt die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt.

(4)

Kollidieren die Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, so gehen die Letzteren vor und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend.

(5)

Die Mitgliedstaaten können für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beibehalten, die restriktiver oder strenger sind als diese Richtlinie und zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. Diese Maßnahmen müssen unbedingt erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Verbraucher auf geeignete Weise vor unlauteren Geschäftspraktiken geschützt werden und müssen zur Erreichung dieses Ziels verhältnismäßig sein. Im Rahmen der nach Artikel 18 vorgesehenen Überprüfung kann gegebenenfalls vorgeschlagen werden, die Geltungsdauer dieser Ausnahmeregelung um einen weiteren begrenzten Zeitraum zu verlängern.

(6)

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission unverzüglich die auf der Grundlage von Absatz 5 angewandten nationalen Vorschriften mit.

(7)

Diese Richtlinie lässt die Bestimmungen über die Zuständigkeit der Gerichte unberührt.

(8)

Diese Richtlinie lässt alle Niederlassungs- oder Genehmigungsbedingungen, berufsständischen Verhaltenskodizes oder andere spezifische Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können, gewährleistet bleiben.

(9)

Im Zusammenhang mit „Finanzdienstleistungen“ im Sinne der Richtlinie 2002/65/EG und Immobilien können die Mitgliedstaaten Anforderungen stellen, die im Vergleich zu dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich restriktiver und strenger sind.

(10) Diese Richtlinie gilt nicht für die Anwendung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Zertifizierung und Angabe des Feingehalts von Artikeln aus Edelmetall. Artikel 4: Binnenmarkt Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr nicht aus Gründen, die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen, einschränken.

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KAPITEL 2 UNLAUTERE GESCHÄFTSPRAKTIKEN Artikel 5: Verbot unlauterer Geschäftspraktiken (1) Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten. (2) Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn a) sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und b) sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. (3) Geschäftspraktiken, die voraussichtlich in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die aufgrund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese Praktiken oder die ihnen zugrunde liegenden Produkte besonders schutzbedürftig sind, werden aus der Perspektive eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe beurteilt. Die übliche und rechtmäßige Werbepraxis, übertriebene Behauptungen oder nicht wörtlich zu nehmende Behauptungen aufzustellen, bleibt davon unberührt. (4) Unlautere Geschäftspraktiken sind insbesondere solche, die a) irreführend im Sinne der Artikel 6 und 7 oder b) aggressiv im Sinne der Artikel 8 und 9 sind. (5) Anhang I enthält eine Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Diese Liste gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten und kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden. Abschnitt 1 Irreführende Geschäftspraktiken Artikel 6: Irreführende Handlungen (1) Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf einen oder mehrere der nachstehend aufgeführten Punkte täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist und ihn in jedem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte: a) das Vorhandensein oder die Art des Produkts; b) die wesentlichen Merkmale des Produkts wie Verfügbarkeit, Vorteile, Risiken, Ausführung, Zusammensetzung, Zubehör, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, Verfahren und Zeitpunkt der Herstellung oder Erbringung, Lieferung, Zwecktauglichkeit, Verwendung, Menge, Beschaffenheit, geografische oder kommerzielle Herkunft oder die von der Verwendung zu erwartenden Ergebnisse oder die Ergebnisse und wesentlichen Merkmale von Tests oder Untersuchungen, denen das Produkt unterzogen wurde;

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Anhang: Gesetzestexte c) den Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden, die Beweggründe für die Geschäftspraxis und die Art des Vertriebsverfahrens, die Aussagen oder Symbole jeder Art, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Gewerbetreibenden oder des Produkts beziehen; d) der Preis, die Art der Preisberechnung oder das Vorhandensein eines besonderer Preisvorteils; e) die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur; f) die Person, die Eigenschaften oder die Rechte des Gewerbetreibenden oder seines Vertreters, wie Identität und Vermögen, seine Befähigungen, seinen Status, seine Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen sowie gewerbliche oder kommerzielle Eigentumsrechte oder Rechte an geistigem Eigentum oder seine Auszeichnungen und Ehrungen; g) die Rechte des Verbrauchers einschließlich des Rechts auf Ersatzlieferung oder Erstattung gemäß der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter8 oder die Risiken, denen er sich möglicherweise aussetzt.

(2) Eine Geschäftspraxis gilt ferner als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und Folgendes beinhaltet: a) jegliche Art der Vermarktung eines Produkts, einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet; b) die Nichteinhaltung von Verpflichtungen, die der Gewerbetreibende im Rahmen von Verhaltenskodizes, auf die er sich verpflichtet hat, eingegangen ist, sofern i) es sich nicht um eine Absichtserklärung, sondern um eine eindeutige Verpflichtung handelt, deren Einhaltung nachprüfbar ist, und ii) der Gewerbetreibende im Rahmen einer Geschäftspraxis darauf hinweist, dass er durch den Kodex gebunden ist. Artikel 7: Irreführende Unterlassungen (1) Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte. (2) Als irreführende Unterlassung gilt es auch, wenn ein Gewerbetreibender wesentliche Informationen gemäß Absatz 1 unter Berücksichtigung der darin beschriebenen Einzelheiten verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig bereitstellt oder wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich 8

ABl. L 171 vom 7. 7. 1999, S. 12.

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macht, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und dies jeweils einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte. (3) Werden durch das für die Geschäftspraxis verwendete Kommunikationsmedium räumliche oder zeitliche Beschränkungen auferlegt, so werden diese Beschränkungen und alle Maßnahmen, die der Gewerbetreibende getroffen hat, um den Verbrauchern die Informationen anderweitig zur Verfügung zu stellen, bei der Entscheidung darüber, ob Informationen vorenthalten wurden, berücksichtigt. (4) Im Falle der Aufforderung zum Kauf gelten folgende Informationen als wesentlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: a) die wesentlichen Merkmale des Produkts in dem für das Medium und das Produkt angemessenen Umfang; b) Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, wie sein Handelsname und gegebenenfalls Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, für den er handelt; c) der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können; d) die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie das Verfahren zum Umgang mit Beschwerden, falls sie von den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt abweichen; e) für Produkte und Rechtsgeschäfte, die ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht beinhalten, das Bestehen eines solchen Rechts. (5) Die im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II verwiesen wird, gelten als wesentlich. Abschnitt 2 Aggressive Geschäftspraktiken Artikel 8: Aggressive Geschäftspraktiken Eine Geschäftspraxis gilt als aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder durch unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Artikel 9: Belästigung, Nötigung und unzulässige Beeinflussung Bei der Feststellung, ob im Rahmen einer Geschäftspraxis die Mittel der Belästigung, der Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder der unzulässigen Beeinflussung eingesetzt werden, ist abzustellen auf: a) Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer des Einsatzes;

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b) die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen; c) die Ausnutzung durch den Gewerbetreibenden von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers beeinträchtigen, worüber sich der Gewerbetreibende bewusst ist, um die Entscheidung des Verbrauchers in Bezug auf das Produkt zu beeinflussen; d) belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Gewerbetreibende den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einem anderen Produkt oder einem anderen Gewerbetreibenden zu wechseln; e) Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen. KAPITEL 3 VERHALTENSKODIZES Artikel 10: Verhaltenskodizes Diese Richtlinie schließt die Kontrolle – die von den Mitgliedstaaten gefördert werden kann – unlauterer Geschäftspraktiken durch die Urheber von Kodizes und die Inanspruchnahme solcher Einrichtungen durch die in Artikel 11 genannten Personen oder Organisationen nicht aus, wenn entsprechende Verfahren vor solchen Einrichtungen zusätzlich zu den Gerichts- oder Verwaltungsverfahren gemäß dem genannten Artikel zur Verfügung stehen. Die Inanspruchnahme derartiger Kontrolleinrichtungen bedeutet keineswegs einen Verzicht auf einen Rechtsbehelf vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde gemäß Artikel 11. KAPITEL 4 SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 11: Durchsetzung (1) Die Mitgliedstaaten stellen im Interesse der Verbraucher sicher, dass geeignete und wirksame Mittel zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken vorhanden sind, um die Einhaltung dieser Richtlinie durchzusetzen. Diese Mittel umfassen Rechtsvorschriften, die es Personen oder Organisationen, die nach dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse an der Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken haben, einschließlich Mitbewerbern, gestatten, a) gerichtlich gegen solche unlauteren Geschäftspraktiken vorzugehen und/oder b) gegen solche unlauteren Geschäftspraktiken ein Verfahren bei einer Verwaltungsbehörde einzuleiten, die für die Entscheidung über Beschwerden oder für die Einleitung eines geeigneten gerichtlichen Verfahrens zuständig ist. Jedem Mitgliedstaat bleibt es vorbehalten zu entscheiden, welcher dieser Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen wird und ob das Gericht oder die Verwaltungsbehörde ermächtigt werden soll, vorab die Durchführung eines Verfahrens vor anderen bestehenden Einrichtungen zur Regelung von Beschwerden, einschließlich der in Artikel 10 genannten Einrichtungen, zu verlangen. Diese Rechtsbehelfe stehen unabhängig davon zur Verfügung, ob die Verbraucher sich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, oder in einem anderen Mitgliedstaat befinden. Jedem Mitgliedstaat bleibt vorbehalten zu entscheiden,

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a) ob sich diese Rechtsbehelfe getrennt oder gemeinsam gegen mehrere Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors richten können und b) ob sich diese Rechtsbehelfe gegen den Urheber eines Verhaltenskodex richten können, wenn der betreffende Kodex der Nichteinhaltung rechtlicher Vorschriften Vorschub leistet. (2) Im Rahmen der in Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften übertragen die Mitgliedstaaten den Gerichten oder Verwaltungsbehörden Befugnisse, die sie ermächtigen, in Fällen, in denen sie diese Maßnahmen unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen und insbesondere des öffentlichen Interesses für erforderlich halten, a) die Einstellung der unlauteren Geschäftspraktiken anzuordnen oder ein geeignetes gerichtliches Verfahren zur Anordnung der Einstellung der betreffenden unlauteren Geschäftspraxis einzuleiten, oder b) falls die unlautere Geschäftspraxis noch nicht angewandt wurde, ihre Anwendung jedoch bevorsteht, diese Praxis zu verbieten oder ein geeignetes gerichtliches Verfahren zur Anordnung des Verbots dieser Praxis einzuleiten, auch wenn kein tatsächlicher Verlust oder Schaden bzw. Vorsatz oder Fahrlässigkeit seitens des Gewerbetreibenden nachweisbar ist. Die Mitgliedstaaten sehen ferner vor, dass die in Unterabsatz 1 genannten Maßnahmen im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens mit – vorläufiger Wirkung oder – endgültiger Wirkung getroffen werden können, wobei jedem Mitgliedstaat vorbehalten bleibt zu entscheiden, welche dieser beiden Möglichkeiten gewählt wird. Außerdem können die Mitgliedstaaten den Gerichten oder Verwaltungsbehörden Befugnisse übertragen, die sie ermächtigen, zur Beseitigung der fortdauernden Wirkung unlauterer Geschäftspraktiken, deren Einstellung durch eine rechtskräftige Entscheidung angeordnet worden ist, a) die Veröffentlichung dieser Entscheidung ganz oder auszugsweise und in der von ihnen für angemessen erachteten Form zu verlangen; b) außerdem die Veröffentlichung einer berichtigenden Erklärung zu verlangen. (3) Die in Absatz 1 genannten Verwaltungsbehörden müssen a) so zusammengesetzt sein, dass ihre Unparteilichkeit nicht in Zweifel gezogen werden kann; b) über ausreichende Befugnisse verfügen, um die Einhaltung ihrer Entscheidungen über Beschwerden wirksam überwachen und durchsetzen zu können; c) in der Regel ihre Entscheidungen begründen. Werden die in Absatz 2 genannten Befugnisse ausschließlich von einer Verwaltungsbehörde ausgeübt, so sind die Entscheidungen stets zu begründen. In diesem Fall sind ferner Verfahren vorzusehen, in denen eine fehlerhafte oder unsachgemäße Ausübung der Be-

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Anhang: Gesetzestexte fugnisse durch die Verwaltungsbehörde oder eine fehlerhafte oder unsachgemäße Nichtausübung dieser Befugnisse von den Gerichten überprüft werden kann.

Artikel 12: Gerichte und Verwaltungsbehörden: Begründung von Behauptungen Die Mitgliedstaaten übertragen den Gerichten oder Verwaltungsbehörden Befugnisse, die sie ermächtigen, in den in Artikel 11 vorgesehenen Verfahren vor den Zivilgerichten oder Verwaltungsbehörden a) vom Gewerbetreibenden den Beweis der Richtigkeit von Tatsachenbehauptungen im Zusammenhang mit einer Geschäftspraxis zu verlangen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gewerbetreibenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint, und b) Tatsachenbehauptungen als unrichtig anzusehen, wenn der gemäß Buchstabe a verlangte Beweis nicht angetreten wird oder wenn er von dem Gericht oder der Verwaltungsbehörde für unzureichend erachtet wird. Artikel 13: Sanktionen Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie anzuwenden sind, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um ihre Durchsetzung sicherzustellen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Artikel 14: Änderung der Richtlinie 84/450/EWG Die Richtlinie 84/450/EWG wird wie folgt geändert: 1. Artikel 1 erhält folgende Fassung: „Artikel 1 Zweck dieser Richtlinie ist der Schutz von Gewerbetreibenden vor irreführender Werbung und deren unlautere Auswirkungen sowie die Festlegung der Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung.“ 2. Artikel 2 wird wie folgt geändert: – Die Nummer 3 erhält folgende Fassung: „3.,Gewerbetreibender‘ jede natürliche oder juristische Person, die im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt;“ – Folgende Nummer wird angefügt: „4.,Urheber eines Kodex‘ jede Rechtspersönlichkeit, einschließlich einzelner Gewerbetreibender oder Gruppen von Gewerbetreibenden, die für die Formulierung und Überarbeitung eines Verhaltenskodex und/oder für die Überwachung der Einhaltung dieses Kodex durch alle diejenigen, die sich darauf verpflichtet haben, zuständig ist.“ 3. Artikel 3a erhält folgende Fassung: „Artikel 3a (1) Vergleichende Werbung gilt, was den Vergleich anbelangt, als zulässig, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:

Anhang: Gesetzestexte

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a) Sie ist nicht irreführend im Sinne der Artikel 2 Nummer 2, Artikel 3 und Artikel 7 Absatz 1 der vorliegenden Richtlinie oder im Sinne der Artikel 6 und 7 der Richtlinie 2005/29/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern9 ; b) sie vergleicht Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung; c) sie vergleicht objektiv eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften dieser Waren und Dienstleistungen, zu denen auch der Preis gehören kann; d) durch sie werden weder die Marken, die Handelsnamen oder andere Unterscheidungszeichen noch die Waren, die Dienstleistungen, die Tätigkeiten oder die Verhältnisse eines Mitbewerbers herabgesetzt oder verunglimpft; e) bei Waren mit Ursprungsbezeichnung bezieht sie sich in jedem Fall auf Waren mit der gleichen Bezeichnung; f) sie nutzt den Ruf einer Marke, eines Handelsnamens oder anderer Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers oder der Ursprungsbezeichnung von Konkurrenzerzeugnissen nicht in unlauterer Weise aus; g) sie stellt nicht eine Ware oder eine Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer Ware oder Dienstleistung mit geschützter Marke oder geschütztem Handelsnamen dar; h) sie begründet keine Verwechslungsgefahr bei den Gewerbetreibenden, zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den Warenzeichen, Warennamen, sonstigen Kennzeichen, Waren oder Dienstleistungen des Werbenden und denen eines Mitbewerbers. 4. Artikel 4 Absatz 1 erhält folgende Fassung: „(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Interesse der Gewerbetreibenden und ihrer Mitbewerber sicher, dass geeignete und wirksame Mittel zur Bekämpfung der irreführenden Werbung und zur Gewährleistung der Einhaltung der Bestimmungen über vergleichende Werbung vorhanden sind. Diese Mittel umfassen Rechtsvorschriften, die es den Personen oder Organisationen, die nach dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse am Verbot irreführender Werbung oder an der Regelung vergleichender Werbung haben, gestatten, a) gerichtlich gegen eine solche Werbung vorzugehen oder b) eine solche Werbung vor eine Verwaltungsbehörde zu bringen, die zuständig ist, über Beschwerden zu entscheiden oder geeignete gerichtliche Schritte einzuleiten. Es obliegt jedem Mitgliedstaat zu entscheiden, welches dieser Mittel gegeben sein soll und ob das Gericht oder die Verwaltungsbehörden ermächtigt werden sollen, vorab die Durchführung eines Verfahrens vor anderen bestehenden Einrichtungen zur Regelung von Beschwerden, einschließlich der in Artikel 5 genannten Einrichtungen, zu verlangen. Es obliegt jedem Mitgliedstaat zu entscheiden, a) ob sich diese Rechtsbehelfe getrennt oder gemeinsam gegen mehrere Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors richten können und

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ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, S. 22.

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Anhang: Gesetzestexte

b) ob sich diese Rechtsbehelfe gegen den Urheber eines Verhaltenskodex richten können, wenn der betreffende Kodex der Nichteinhaltung rechtlicher Vorschriften Vorschub leistet.“ 5. Artikel 7 Absatz 1 erhält folgende Fassung: „(1) Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Bestimmungen aufrechtzuerhalten oder zu erlassen, die bei irreführender Werbung einen weiterreichenden Schutz der Gewerbetreibenden und Mitbewerber vorsehen.“ Artikel 15: Änderung der Richtlinien 97/7/EG und 2002/65/EG 1. Artikel 9 der Richtlinie 97/7/EG erhält folgende Fassung: „Artikel 9: Unbestellte Waren oder Dienstleistungen Angesichts des in der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern10 festgelegten Verbots von Praktiken bezüglich unbestellter Waren oder Dienstleistungen treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall zu befreien, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung gilt.“ 2. Artikel 9 der Richtlinie 2002/65/EG erhält folgende Fassung: „Artikel 9: Angesichts des in der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern11 festgelegten Verbots von Praktiken bezüglich unbestellter Waren oder Dienstleistungen und unbeschadet der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die stillschweigende Verlängerung von Fernabsatzverträgen, soweit danach eine stillschweigende Verlängerung möglich ist, treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um die Verbraucher für den Fall, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, von jeder Verpflichtung zu befreien, wobei das Ausbleiben einer Antwort nicht als Zustimmung gilt.“ Artikel 16: Änderung der Richtlinie 98/27/EG und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 1. Der Anhang Nummer 1 der Richtlinie 98/27/EG erhält folgende Fassung: „1. Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, S. 22).“ 2. Im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden12 wird folgende Nummer angefügt: „16. Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, S. 22).“ 10 11 12

ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, S. 22. ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, S. 22. ABl. L 364 vom 9. 12. 2004, S. 1.

Anhang: Gesetzestexte

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Artikel 17: Information Die Mitgliedstaaten treffen angemessene Maßnahmen, um die Verbraucher über die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung dieser Richtlinie zu informieren, und regen gegebenenfalls Gewerbetreibende und Urheber von Kodizes dazu an, die Verbraucher über ihre Verhaltenskodizes zu informieren. Artikel 18: Änderung (1) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens am 12. Juni 2011 einen umfassenden Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie, insbesondere von Artikel 3 Absatz 9, Artikel 4 und Anhang I, den Anwendungsbereich einer weiteren Angleichung und die Vereinfachung des Gemeinschaftsrechts zum Verbraucherschutz sowie, unter Berücksichtigung des Artikels 3 Absatz 5, über Maßnahmen vor, die auf Gemeinschaftsebene ergriffen werden müssen, um sicherzustellen, dass ein angemessenes Verbraucherschutzniveau beibehalten wird. Dem Bericht wird erforderlichenfalls ein Vorschlag zur Änderung dieser Richtlinie oder anderer einschlägiger Teile des Gemeinschaftsrechts beigefügt. (2) Das Europäische Parlament und der Rat streben gemäß dem Vertrag danach, binnen zwei Jahren nach Vorlage eines Vorschlags der Kommission nach Absatz 1 geeignete Maßnahmen zu treffen. Artikel 19: Umsetzung Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 12. Juni 2007 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie setzen die Kommission davon und von allen späteren Änderungen unverzüglich in Kenntnis. Sie wenden diese Vorschriften ab dem 12. Dezember 2007 an. Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. Artikel 20: Inkrafttreten Diese Richtlinie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Artikel 21: Adressaten Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Straßburg am 11. Mai 2005. In Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident J. P. BORRELL FONTELLES Im Namen des Rates Der Präsident N. SCHMIT

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Anhang: Gesetzestexte ANHANG I GESCHÄFTSPRAKTIKEN, DIE UNTER ALLEN UMSTÄNDEN ALS UNLAUTER GELTEN

Irreführende Geschäftspraktiken 1.

Die Behauptung eines Gewerbetreibenden, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodex zu gehören, obgleich dies nicht der Fall ist.

2.

Die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung.

3.

Die Behauptung, ein Verhaltenskodex sei von einer öffentlichen oder anderen Stelle gebilligt, obgleich dies nicht der Fall ist.

4.

Die Behauptung, dass ein Gewerbetreibender (einschließlich seiner Geschäftspraktiken) oder ein Produkt von einer öffentlichen oder privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden sei, obwohl dies nicht der Fall ist, oder die Aufstellung einer solchen Behauptung, ohne dass den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung entsprochen wird.

5.

Aufforderung zum Kauf von Produkten zu einem bestimmten Preis, ohne dass darüber aufgeklärt wird, dass der Gewerbetreibende hinreichende Gründe für die Annahme hat, dass er nicht in der Lage sein wird, dieses oder ein gleichwertiges Produkt zu dem genannten Preis für einen Zeitraum und in einer Menge zur Lieferung bereitzustellen oder durch einen anderen Gewerbetreibenden bereitstellen zu lassen, wie es in Bezug auf das Produkt, den Umfang der für das Produkt eingesetzten Werbung und den Angebotspreis angemessen wäre (Lockangebote).

6.

Aufforderung zum Kauf von Produkten zu einem bestimmten Preis und dann a) Weigerung, dem Verbraucher den beworbenen Artikel zu zeigen, oder b) Weigerung, Bestellungen dafür anzunehmen oder innerhalb einer vertretbaren Zeit zu liefern, oder c) Vorführung eines fehlerhaften Exemplars in der Absicht, stattdessen ein anderes Produkt abzusetzen („bait-and-switch“-Technik).

7.

Falsche Behauptung, dass das Produkt nur eine sehr begrenzte Zeit oder nur eine sehr begrenzte Zeit zu bestimmten Bedingungen verfügbar sein werde, um so den Verbraucher zu einer sofortigen Entscheidung zu verleiten, so dass er weder Zeit noch Gelegenheit hat, eine informierte Entscheidung zu treffen.

8.

Verbrauchern, mit denen der Gewerbetreibende vor Abschluss des Geschäfts in einer Sprache kommuniziert hat, bei der es sich nicht um eine Amtssprache des Mitgliedstaats handelt, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, wird eine nach Abschluss des Geschäfts zu erbringende Leistung zugesichert, diese Leistung wird anschließend aber nur in einer anderen Sprache erbracht, ohne dass der Verbraucher eindeutig hierüber aufgeklärt wird, bevor er das Geschäft tätigt.

9.

Behauptung oder anderweitige Herbeiführung des Eindrucks, ein Produkt könne rechtmäßig verkauft werden, obgleich dies nicht der Fall ist.

10. Den Verbrauchern gesetzlich zugestandene Rechte werden als Besonderheit des Angebots des Gewerbetreibenden präsentiert.

Anhang: Gesetzestexte

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11. Es werden redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt und der Gewerbetreibende hat diese Verkaufsförderung bezahlt, ohne dass dies aus dem Inhalt oder aus für den Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig hervorgehen würde (als Information getarnte Werbung). Die Richtlinie 89/552/EWG13 bleibt davon unberührt. 12. Aufstellen einer sachlich falschen Behauptung über die Art und das Ausmaß der Gefahr für die persönliche Sicherheit des Verbrauchers oder seiner Familie für den Fall, dass er das Produkt nicht kauft. 13. Werbung für ein Produkt, das einem Produkt eines bestimmten Herstellers ähnlich ist, in einer Weise, die den Verbraucher absichtlich dazu verleitet, zu glauben, das Produkt sei von jenem Hersteller hergestellt worden, obwohl dies nicht der Fall ist. 14. Einführung, Betrieb oder Förderung eines Schneeballsystems zur Verkaufsförderung, bei dem der Verbraucher die Möglichkeit vor Augen hat, eine Vergütung zu erzielen, die hauptsächlich durch die Einführung neuer Verbraucher in ein solches System und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Produkten zu erzielen ist. 15. Behauptung, der Gewerbetreibende werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen, obwohl er dies keineswegs beabsichtigt. 16. Behauptung, Produkte könnten die Gewinnchancen bei Glücksspielen erhöhen. 17. Falsche Behauptung, ein Produkt könne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen. 18. Erteilung sachlich falscher Informationen über die Marktbedingungen oder die Möglichkeit, das Produkt zu finden, mit dem Ziel, den Verbraucher dazu zu bewegen, das Produkt zu weniger günstigen Bedingungen als den normalen Marktbedingungen zu kaufen. 19. Es werden Wettbewerbe und Preisausschreiben angeboten, ohne dass die beschriebenen Preise oder ein angemessenes Äquivalent vergeben werden. 20. Ein Produkt wird als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder Ähnliches beschrieben, obwohl der Verbraucher weitere Kosten als die Kosten zu tragen hat, die im Rahmen des Eingehens auf die Geschäftspraktik und für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbar sind. 21. Werbematerialien wird eine Rechnung oder ein ähnliches Dokument mit einer Zahlungsaufforderung beigefügt, die dem Verbraucher den Eindruck vermitteln, dass er das beworbene Produkt bereits bestellt hat, obwohl dies nicht der Fall ist. 22. Fälschliche Behauptung oder Erweckung des Eindrucks, dass der Händler nicht für die Zwecke seines Handels, Geschäfts, Gewerbes oder Berufs handelt, oder fälschliches Auftreten als Verbraucher.

13 Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298 vom 17. 10. 1989, S. 23). Geändert durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 202 vom 30. 7. 1997, S. 60).

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Anhang: Gesetzestexte

23. Erwecken des fälschlichen Eindrucks, dass der Kundendienst im Zusammenhang mit einem Produkt in einem anderen Mitgliedstaat verfügbar sei als demjenigen, in dem das Produkt verkauft wird. Aggressive Geschäftspraktiken 24. Erwecken des Eindrucks, der Verbraucher könne die Räumlichkeiten ohne Vertragsabschluss nicht verlassen. 25. Nichtbeachtung der Aufforderung des Verbrauchers bei persönlichen Besuchen in dessen Wohnung, diese zu verlassen bzw. nicht zurückzukehren, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen dies nach dem nationalen Recht gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen. 26. Kunden werden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien geworben, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen. Dies gilt unbeschadet des Artikels 10 der Richtlinie 97/7/EG sowie der Richtlinien 95/46/EG14 und 2002/58/EG. 27. Aufforderung eines Verbrauchers, der eine Versicherungspolice in Anspruch nehmen möchte, Dokumente vorzulegen, die vernünftigerweise nicht als relevant für die Gültigkeit des Anspruchs anzusehen sind, oder systematische Nichtbeantwortung einschlägiger Schreiben, um so den Verbraucher von der Ausübung seiner vertraglichen Rechte abzuhalten. 28. Einbeziehung einer direkten Aufforderung an Kinder in eine Werbung, die beworbenen Produkte zu kaufen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, die beworbenen Produkte für sie zu kaufen. Diese Bestimmung gilt unbeschadet des Artikels 16 der Richtlinie 89/552/EWG über die Ausübung der Fernsehtätigkeit. 29. Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Bezahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewebetreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat (unbestellte Waren oder Dienstleistungen); ausgenommen hiervon sind Produkte, bei denen es sich um Ersatzlieferungen gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 97/7/EG handelt. 30. Ausdrücklicher Hinweis gegenüber dem Verbraucher, dass Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt des Gewerbetreibenden gefährdet sind, falls der Verbraucher das Produkt oder die Dienstleistung nicht erwirbt. 31. Erwecken des fälschlichen Eindrucks, der Verbraucher habe bereits einen Preis gewonnen, werde einen Preis gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis oder einen sonstigen Vorteil gewinnen, obwohl: – es in Wirklichkeit keinen Preis oder sonstigen Vorteil gibt, oder – die Möglichkeit des Verbrauchers, Handlungen in Bezug auf die Inanspruchnahme des Preises oder eines sonstigen Vorteils vorzunehmen, in Wirklichkeit von der Zahlung

14 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23. 11. 1995, S. 31). Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 (ABl. L 284 vom 31. 10. 2003, S. 1).

Anhang: Gesetzestexte

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eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig gemacht wird.

ANHANG II BESTIMMUNGEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS ZUR REGELUNG DER BEREICHE WERBUNG UND KOMMERZIELLE KOMMUNIKATION Artikel 4 und 5 der Richtlinie 97/7/EG Artikel 3 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen15 Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien16 Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse17 Artikel 86 bis 100 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel18 Artikel 5 und 6 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“)19 Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 98/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit20 Artikel 3 und 4 der Richtlinie 2002/65/EG Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks Festlegung von Bestimmungen für Verwaltungsgesellschaften und vereinfache Prospekte21 Artikel 12 und 13 der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung22 15

ABl. L 158 vom 23. 6. 1990, S. 59. ABl. L 280 vom 29. 10. 1994, S. 83. 17 ABl. L 80 vom 18. 3. 1998, S. 27. 18 ABl. L 311 vom 28. 11. 2001, S. 67. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/ 27/EG (ABl. L 136 vom 30. 4. 2004, S. 34). 19 ABl. L 178 vom 17. 7. 2000, S. 1. 20 ABl. L 101 vom 1. 4. 1998, S. 17. 21 ABl. L 41 vom 13. 2. 2002, S. 20. 22 ABl. L 9 vom 15. 1. 2003, S. 3. 16

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Anhang: Gesetzestexte

Artikel 36 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen23 Artikel 19 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente24 Artikel 31 und 43 der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung)25 (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) Artikel 5, 7 und 8 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen26

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ABl. L 345 vom 19. 12. 2002, S. 1. Richtlinie geändert durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates (ABl. L 168 vom 1. 5. 2004, S. 35). 24 ABl. L 145 vom 30. 4. 2004, S. 1. 25 ABl. L 228 vom 11. 8. 1992, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2002/ 87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 35 vom 11. 2. 2003, S. 1). 26 ABl. L 345 vom 31. 12. 2003, S. 64.

Entscheidungsverzeichnis Urteile ohne Namen BGH BGH NJW 1961, 772. LG Hamburg LG Hamburg GRUR-Prax 2012, 18. Urteile mit Namen 500 DM Gutschein für Autokauf BGH GRUR 2004, 960 – 500 DM Gutschein für Autokauf. Acrylglas BGH GRUR 1968, 200 – Acrylglas. ad hoc-Mitteilung OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 377 – ad hoc-Mitteilung. Alpenpanorama im Heißluftballon BGH MMR 2014, 667 – Alpenpanorama im Heißluftballon. Anbieterkennzeichnung im Internet BGH GRUR 2007, 159 – Anbieterkennzeichnung im Internet. Änderung der Voreinstellung BGH GRUR 2007, 987 – Änderung der Voreinstellung. Attaché/Tisserand BGH GRUR 2000, 506 – Attaché/Tisserand. Auslaufmodelle I BGH GRUR 1999, 757 – Auslaufmodelle I. Auslaufmodelle II BGH GRUR 1999, 760 – Auslaufmodelle II. Auslaufmodelle III BGH GRUR 2000, 616 – Auslaufmodelle III. Außenleuchte BGH GRUR 1958, 30 – Außenleuchte. Bärenfang BGH GRUR 1963, 270 – Bärenfang. Benzinverbrauch BGH GRUR 1985, 450 – Benzinverbrauch.

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Entscheidungsverzeichnis

Benzinwerbung BGH GRUR 1988, 832 – Benzinwerbung. Beratungskompetenz BGH GRUR 1997, 229 – Beratungskompetenz. Beschädigte Verpackung BGH GRUR 1992, 406 – Beschädigte Verpackung. Betriebskrankenkasse II BGH MMR 2014, 815 – Irreführende Angaben auf Homepage – Betriebskrankenkasse II. BKK Mobil Oil EuGH, Rs. C-59/12, BKK Mobil Oil (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). Branchenverzeichnis BGH GRUR 1971, 119 – Branchenverzeichnis. Brandneu von der IFA BGH WRP 2013, 1459 – Brandneu von der IFA. CHS Tour Services/Team4 EuGH, Rs. C-435/11, CHS Tour Services/Team4 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). Compunet/Comnet BGH GRUR 2005, 61 – Compunet/Comnet. Computerwerbung I BGH GRUR 2000, 911 – Computerwerbung I. Das Beste jeden Morgen BGH GRUR 2002, 182 – Das Beste jeden Morgen. Dauerdose BGH GRUR 1952, 416 – Dauerdose. Davidoff OLG Hamburg WRP 1992, 395 – Davidoff. Dr. Clauder’s Hufpflege BGH GRUR 2009, 982 – Dr. Clauder’s Hufpflege. EG-Neuwagen I BGH GRUR 1999, 1122 – EG-Neuwagen I. EG-Neuwagen II BGH GRUR 1999, 1125 – EG-Neuwagen II. Eis-Pralinen BGH GRUR 1958, 492 – Eis-Pralinen. Elternbriefe BGH GRUR 2002, 550 – Elternbriefe. Emaillelack BGH GRUR 1958, 444 – Emaillelack.

Entscheidungsverzeichnis Epson-Tinte BGH GRUR 2005, 438 – Epson-Tinte. Erstes Kulmbacher BGH GRUR, 1957, 285 – Erstes Kulmbacher. Falsche Herstellerpreisempfehlung BGH GRUR 2001, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung. Feingoldgehalt BGH GRUR 1983, 651 – Feingoldgehalt. Fertiglesebrillen BGH GRUR 1996, 793 – Fertiglesebrillen. Firmenrufnummer BGH GRUR 1990, 463 – Firmenrufnummer. frei öl BGH GRUR 1992, 48 – frei öl. Gallardo Spyder BGH GRUR 2010, 852 – Gallardo Spyder. Generika-Werbung BGH WRP 1999, 1141 – Generika-Werbung. Good News II BGH WRP 2014, 1058 – Good News II. Grobdesin BGH GRUR 1964, 269 – Grobdesin. Größtes Teppichhaus der Welt BGH GRUR 1985, 140 – Größtes Teppichhaus der Welt. Gründerbildnis BGH GRUR 1962, 310 – Gründerbildnis. Grundgebühr 0,00 Grundgebühr BGH GRUR 2009, 1180 – 0,00 Grundgebühr. Gut Springenheide EuGH, Rs. C-210/96, Gut Springenheide, Slg. 1998 I-04657. Haferschleim BGH GRUR 1958, 32 – Haferschleim. Handlung im Geschäftsverkehr OLG Koblenz WRP 1988, 557 – Handlung im Geschäftsverkehr. Handy für 0,00 DM BGH GRUR 1999, 264 – Handy für 0,00 DM. Hersteller-Preisempfehlung in KfZ-Händlerwerbung BGH GRUR 1983, 658 – Hersteller-Preisempfehlung in KfZ-Händlerwerbung.

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Entscheidungsverzeichnis

Holzhocker BGH MMR 2011, 29 – Holzhocker. Hühnergegacker BGH GRUR 1961, 544 – Hühnergegacker. i-mode OLG Köln, GRUR-RR 2003, 118 – i-mode. Internes Rundschreiben OLG Hamburg WRP 1985, 652 – Internes Rundschreiben. Internet Reservierungssysteme BGH GRUR 2003, 889 – Internet Reservierungssysteme. Internet-Versandhandel BGH GRUR 2005, 690 – Internet-Versandhandel. Irreführender Kontoauszug BGH GRUR 2007, 805 – Irreführender Kontoauszug. Kamerakauf im Internet BGH GRUR 2010, 248 – Kamerakauf im Internet. Kommission/Belgien EuGH, Rs. C-421/12, Kommission/Belgien (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). Kommission/Niederlande EuGH, Rs. C-144/99, Kommission/Niederlande, Slg. 2001 I-03541. Königliche Bayrische Weisse BGH GRUR 1992, 66 – Königliche Bayrische Weisse. Konsumentombudsmannen/ Ving Sverige EuGH, Rs. C-122/10, Konsumentombudsmannen/Ving Sverige, Slg. 2011 I-03903. Kontinent Möbel BGH GRUR 1979, 716 – Kontinent Möbel. Kontrollnummernbeseitigung I BGH GRUR 1999, 1017 – Kontrollnummernbeseitigung I. Koppelungsangebot I BGH GRUR 2002, 967 – Koppelungsangebot I. Koppelungsangebot II BGH GRUR 2002, 979 – Koppelungsangebot II. Last-Minute-Reise BGH GRUR 2000, 239 – Last-Minute-Reise. Lesbarkeit KG Berlin GRUR-RR 2011, 278 – Lesbarkeit. Lifting-Crème EuGH, Rs. C-220/98, Lifting-Creme, Slg. 2000 I-00117.

Entscheidungsverzeichnis Lübecker Marzipan BGH GRUR 1981, 71 – Lübecker Marzipan. Marktführerschaft BGH GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft. Mediaprint EuGH, Rs. C-540/08, Mediaprint, Slg. 2010 I-10909. Meister-Kaffee BGH GRUR 1990, 607 – Meister-Kaffee. Mindestverzinsung BGH GRUR 2004, 162 – Mindestverzinsung. Mondpreise BGH GRUR 2004, 246 – Mondpreise. naturrot BGH GRUR 1983, 245 – naturrot. Neu in Bielefeld BGH GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld. Neue BGH WRP 2014, 435 – Der Neue. Neue Personenkraftwagen BGH GRUR 2012, 842 – Neue Personenkraftwagen. Orient-Teppichmuster BGH GRUR 2000, 619 – Orient-Teppichmuster. Original Kanchipur BGH GRUR 2011, 1151 – Original Kanchipur. Pippig Augenoptik EuGH, Rs. C-44/01, Pippig Augenoptik, Slg. 2003 I-03095. Plastic-Folien BGH GRUR 1961, 545 – Plastic-Folien. Plus Warenhandelsgesellschaft EuGH, Rs. C-304/08, Plus Warenhandelsgesellschaft, Slg. 2010 I-254. Posteshop EuGH, Rs. C-52/13, Posteshop (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). Preiswerbung ohne Umsatzsteuer BGH GRUR 2011, 82 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer. Prüfsiegel OLG Düsseldorf WRP 2015, 365 – Werbung mit Prüfsiegel. Rechenzentrum BGH GRUR 2002, 77 – Rechenzentrum.

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Entscheidungsverzeichnis

Regenwaldprojekt I BGH GRUR 2007, 247 – Regenwaldprojekt I. Regenwaldprojekt II BGH GRUR 2007, 251 – Regenwaldprojekt II. Reparaturversicherung BGH GRUR 1974, 666 – Reparaturversicherung. RLvS Verlagsgesellschaft mbH/ Stuttgarter Wochenblatt GmbH EuGH, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). GA, Rs. C-391/12, RLvS Verlagsgesellschaft mbH/Stuttgarter Wochenblatt GmbH (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). Roter mit Genever BGH GRUR 1992, 203 – Roter mit Genever. Rum-Verschnitt BGH GRUR 1967, 30 – Rum-Verschnitt. Scanner-Werbung BGH GRUR 2002, 715 – Scanner-Werbung. Scotch Whisky BGH GRUR, 1969, 280 – Scotch Whisky. Shareware BGH GRUR 2000, 76 – Shareware. Siberal BGH GRUR 1955, 251 – Siberal. Skiauslaufmodelle BGH GRUR 1982, 374 – Skiauslaufmodelle. Skibindungen BGH GRUR 1973, 206 – Skibindungen. Ski-Sicherheitsbindung BGH GRUR 1973, 594 – Ski-Sicherheitsbindung. Sofort-Kaufen-Option OLG Köln GRUR-RR 2008, 88 – „Sofort-Kaufen“-Option. Stromkennzeichnungspflicht OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2012, 647, 648 – Stromkennzeichnungsvorschriften. Telefonischer Auskunftsdienst BGH GRUR 2003, 971 – Telefonischer Auskunftsdienst. Thermalbad BGH GRUR 2003, 247 – Thermalbad. Trento Sviluppo EuGH, Rs. C-281, 12, Trento Sviluppo (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht).

Entscheidungsverzeichnis

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Typenbezeichnung BGH WRP 2014, 686 – Typenbezeichnung. Umweltfreundliches Bauen BGH GRUR 1996, 367 – Umweltfreundliches Bauen. UPC Magyarorszag EuGH, Rs. C-388/13, UPC Magyarorszag (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht). Versandkosten bei Froogle BGH GRUR 2010, 251 – Versandkosten bei Froogle. Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag BGH GRUR 1992, 171 – Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag. VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV EuGH, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949. GA, Rs. C-261/07 und C-299/07, VTB/Total Belgium und Galatea BVBA/Sanoma Magazines Belgium NV, Slg. 2009 I-02949. Werbung im Programm BGH GRUR 1990, 611 – Werbung im Programm. Zeitschrift mit Sonnenbrille BGH GRUR 2006, 161 – Zeitschrift mit Sonnenbrille.

Verzeichnis der Rechtsakte und Gesetzesmaterialien Dienstleistungs-Richtlinie: Richtlinie 2006/123/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376/36 vom 27. 12. 2006. Zitiert als: Artikel Dienstleistungs-Richtlinie 2006/123/EG. Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie: Richtlinie 2009/72/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG, ABl. L 211/55 vom 14. 8. 2009. Zitiert als: Artikel Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 2007/72/EG. Elektronischer Geschäftsverkehr-Richtlinie: Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. L 178 vom 17. 7. 2000, S. 1 – 16. Zitiert als: Artikel Elektronischer Geschäftsverkehr-Richtlinie 2000/31/EG. Fernabsatz-Richtlinie: Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz – Erklärung des Rates und des Parlaments zu Artikel 6 Absatz 1 – Erklärung der Kommission zu Artikel 3, Absatz 1, erster Gedankenstrich, ABl. L 144 vom 04. 06. 1997, S. 19 – 27. Zitiert als: Artikel Fernabsatz-Richtlinie 97/7/EG. Irreführende und vergleichende Werbung Richtlinie: Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung, ABL. L 376 vom 27. 12. 2006, S. 21 – 27. Zitiert als: Artikel Werbe-Richtlinie 2006/114/EG. Irreführende Werbung: Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19. 9. 1984, S. 17 – 20. Zitiert als: Artikel Richtlinie 85/450/EWG irreführende Werbung. Klauselrichtlinie: Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 095 vom 21. 04. 1993 S. 29 – 34. Zitiert als: Artikel Klauselrichtlinie 93/13/EWG. Kraftstoffverbrauch-Richtlinie: Richtlinie 1999/94/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen, ABl. L 12/16 vom 18. 1. 2000. Zitiert als: Artikel Kraftstoffverbrauch-Richtlinie 1999/ 94/EG. Pauschalreisen-Richtlinie: Richtlinie 90/314/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 6. 1990 über Pauschalreisen, ABl. EG Nr. L 158/59 vom 23. 6. 1990. Zitiert als: Artikel Pauschalreisen-Richtlinie 90/314/EWG.

Verzeichnis der Rechtsakte und Gesetzesmaterialien

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Preisangaben-Richtlinie: Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, ABl. L 80 vom 18. 3. 1998, S. 27 – 31. Zitiert als: Artikel Preisangaben-Richtlinie 98/94/EG. Unlautere Geschäftspraktiken-Richtlinie: Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, S. 22 – 39. Zitiert als: Artikel UGP-Richtlinie 2005/29/ EG. UWG 2004: Gesetzesbegründung: Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, 2004, S. 1 – 45. Zitiert als: Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 15/1487, 2004. UWG 2008: Gesetzesbegründung: Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 16/10145, 2008, S. 1 – 41. Zitiert als: Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 16/10145, 2008. UWG 2015: Gesetzesbegründung: Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 18/4535, 2015, S. 1 – 27. Zitiert als: Bundesregierung, Begründung Regierungsentwurf zum UWG, BT-Drucks. 18/4535, 2015. Verbraucherrechte-Richtlinie: Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22. 11. 2011, S. 64 – 88. Zitiert als: Artikel Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU. Verbraucherrechte-Richtlinie – Umsetzungsgesetz: Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Wohnungsvermittlung, Bundesgesetzblatt 2013 Teil I Nr. 58, S. 3642 – 3670. Zitiert als: Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, Bundesgesetzblatt 2013 Teil I Nr. 58. Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie: Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. L 171 vom 7. 7. 1999, S. 12 – 16. Zitiert als: Artikel Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44/EG.

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Stichwortverzeichnis allgemeine Aufklärungspflicht 128, 180 Allgemeine Geschäftsbedingungen 94 Anbieten 111 f., 127 f., 130 ff., 136 ff., 144, 149, 153, 156, 223 anderweitige Zurverfügungstellung 107 ff., 111 f., 113, 116, 137, 149 ff. Angebot 37, 67, 108, 113, 125, 127 ff., 131 ff., 136, 138, 150, 164, 180, 182, 188 f., 192 ff., 242 Anlockwirkung 188 f. Aufforderung zum Kauf 30, 128 f., 133 ff., 146, 149, 171, 173 Aufmerksamkeitsanforderungen 43 Auslaufmodelle 31, 33 f., 39, 106, 157, 180 ff., 185 Berufliche Sorgfalt 29, 159, 161 ff., 169 Beschränkung des Kommunikationsmittels 107 ff., 112 f., 116, 149, 220 Denationalisierung 62 ff. Deregulierung des Lauterkeitsrechts 34, 70, 125 Dienstleistungs-Richtlinie 78 dogmatische Doppelspurigkeit 225 ff. Dreistufigkeit 29 Dualismus 243 f. Durchschnittsverbraucher 35, 42 f., 114 f., 117, 152, 159, 190 ff., 200 f., 206, 209, 215 f. Eckpreise 134 Einzelfallklausel 118 f. Emissionskennzeichnung 77, 166 empirische Feststellung des Irreführungserfolges 198 f. Erfahrungsgüter 193, 195 Essentialia negotii 127, 133, 137 f. Europäisierung 62 europarechtskonforme Auslegung 25, 77, 96, 103, 201

Fehlvorstellung 19 f., 33, 41 ff., 45 f., 90, 102, 117, 172, 174 ff., 185 ff., 188 f., 196, 199, 212, 219, 221 ff. Fernabsatz 84 ff., 113 ff., 143 f., 166, 195, 213 Fernabsatzgeschäft 144 Fernabsatz-Richtlinie 62, 78, 85 ff., 122, 213 geschäftliche Relevanz 165, 167 f., 223, 239 Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern 27, 69, 89, 91 ff., 144, 157, 176, 186, 220 gesetzliche Informationspflichten 59, 53, 125, 145, 152, 160, 181, 210, 236 Gewinnspiele 36, 104 haircut-Wirkung 63, 68, 70, 233, 239, 249 Harmonisierungstechnik 26 Hybridstruktur 227 f. Identitätsangabe 86, 154 Imagewerbung 133 f., 134, 138 information overload 142, 239 institutionelle Durchsetzung 238 Integrationsmodell 242, 244 ff. Interesse der Mitbewerber 82 invitatio ad offerendum 131 ff., 138 Irreführungsbegriff 46, 210 Irreführungsgefahr 189, 191, 194, 196, 198, 200 f., 203 f., 209, 210 f. Irreführungsquote 199, 204 ff., 210 Irreführungsschwelle 188 f. kommerzieller Zweck 40, 116 Koppelungsangebot 66, 70, 158, 172 f. Kraftstoffverbrauch 31 ff., 77, 166 Krankenkasse 54, 60, 82 f.

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Stichwortverzeichnis

lebensmittelrechtliche Kennzeichnungsvorschriften 180 f. Lockangebot 129, 189

Sperrwirkung 20, 26, 63 ff., 73 ff., 80 ff., 155, 233, 235, 239 Sprache 131

Marktkommunikationsrecht 48 f. Medienklausel 107 ff., 120, 126, 150 f., 220 f., 223 Mindestpreise 135, 138, 155

Täuschung 19, 28, 33 f., 37, 42, 99, 101 f., 141, 148, 169, 180, 182, 186 f., 201, 206, 217, 219 f., 226 Täuschungseignung 169 Telefonvertrag 66, 75 Transparenzgebot 24 ff., 89 ff., 222 ff.

nachvertragliche Informationspflichten 27 f., 48, 53, 55, 174, 245 nationale Informationspflichten 20 f., 62 f., 65, 70, 74, 77, 84, 87, 122 f., 233 f., 236, 239, 249 f. normative Feststellung des Irreführungserfolges 199 ff. normative Verkehrsauffassung 210 f., 216 ff. öffentliche Unternehmen

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per se-Verbote 30, 40, 62 f., 66, 129, 169 Preisangaben-Richtlinie 75 Preisangabenverordnung 65, 75, 78, 137 f., 155 Preisberechnung 154 Produktgruppen 135, 149 Produktvarianten 135 ff., 149 Rechtsbruch 21, 36 f., 43 f., 62, 71 ff., 80, 85 f., 106, 173, 218, 236 Rechtsfolgen 236 Regelbeispiele 99 ff., 139 ff., 178 f., 201, 207 Relevanzkriterium 29, 109, 111, 147, 165 ff., 169 f. Reregulierungstendenz 39 Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 29, 63 f., 93, 163, 169, 228, 232 ff., 242 richtlinienkonforme Auslegung 29, 41 f., 46, 52, 97, 101, 104, 110, 126, 128, 138, 157, 170, 173, 222 f., 240, 245 Richtlinienkonformität 173, 217 Rücktrittsrecht 156, 164 Schutzzwecktrias 91, 240 ff., 246 Sonderprivatrecht 94, 144, 228, 231 Sonderwettbewerbsrecht 91, 95, 246 ff.

überschießende Richtlinienumsetzung 71 f., 75 ff., 85, 87, 91 ff., 97 f., 122 ff., 220, 223, 235, 239, 245 f., 249 Übertragbarkeit der Kasuistik 175 unklare Angaben 76, 79, 103 ff. unsicheres Verkehrsverständnis 214 unternehmerischer Geschäftsverkehr 63, 90, 93 ff., 171, 224, 239, 249 Verbrauchergeneralklausel 89, 170, 173, 233, 244 Verbraucherleitbild 35 f., 42, 159, 191, 206, 210, 213 Verbraucherrechte-Richtlinie 62, 78, 85, 87, 122, 143, 213, 285 Verbraucherschutz 20 f., 27, 51, 63 f., 65, 68, 80, 82 f., 87, 95 ff., 115, 122 f., 128, 135, 164, 232, 237, 239, 241, 242 ff. vergleichende Werbung 25, 27 f., 50, 98 Verkaufsgespräch 138 Verschweigen 31, 47, 49, 53, 99, 102 f., 117, 140 f., 158, 174 f., 179 f., 185 f., 188, 224, 226 Vertrauensgüter 192, 195 verweisende Verkehrsvorstellung 214 f. Vollharmonisierung 20, 24, 26, 51, 63, 65, 74, 78, 80, 82, 87, 93, 100, 107, 110 f., 122 ff., 129, 169, 176, 233, 235 f., 241 f., 244 Vorenthalten 47, 76, 89, 98, 101 ff., 107 ff., 114, 116 f., 119 ff., 152, 155, 165, 166, 168, 171, 179, 222 f., 226, 229 Vorrang der UGP-Richtlinie 63 ff., 78 Wahrheitsgebot 19, 30 ff., 89 ff., 141, 172 ff., 223 ff. Weglassen von Information 20, 24, 51, 61, 118, 144, 146, 148, 172, 179, 222 f.

Stichwortverzeichnis Werberichtlinie 25 ff., 28 f., 176, 201, 242 f. Werbung 28 ff., 49 ff., 133 ff., 149 f. wesentliche Merkmale 138 f., 142 ff., 148 ff., 261, 263, 265 Wesentlichkeitsvermutung 100, 110, 120 f., 123, 145 f., 152, 167

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Wettbewerbsabsicht 56, 58 Widerrufsbelehrung 212 Widerrufsrecht 46, 53, 85, 144, 156, 166, 265 zweideutige Angaben 76, 79, 103 ff. Zweigliedrigkeit der Medienklausel 111