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German Pages [385] Year 2016
Dirk Franken
Das Wesen des Erscheinens Eine Untersuchung über phänomenales Bewusstsein und die Intentionalität der Erfahrung
ALBER PHILOSOPHIE
https://doi.org/10.5771/9783495808191
.
B
Dirk Franken Das Wesen des Erscheinens
VERLAG KARL ALBER
A
https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Wann immer wir etwas sehen, hören, fühlen oder riechen, erscheint uns etwas. Was aber bedeutet es, dass jemandem etwas erscheint? Was ist der mentale Zustand, in dem sich jemand befindet, wenn ihm etwas erscheint (der Zustand des Erscheinens)? Diese nur scheinbar harmlose Frage steht im Zentrum der vorliegenden Untersuchung. Die Antwort, die verteidigt wird, lautet: Zustände des Erscheinens sind ihrem Wesen nach transparent. D. h. in einem Zustand des Erscheinens sind dem Subjekt dieses Zustandes ausschließlich die Gegenstände dieser Zustände präsent, niemals aber das Subjekt oder der Zustand selbst (zumindest nicht als solche). Diese Antwort widerspricht einigen in der Philosophie des Geistes tief verwurzelten Auffassungen. Eine davon ist die Auffassung, das phänomenale Bewusstsein von Zuständen des Erscheinens bestünde in irgendeiner unmittelbaren Bekanntschaft mit eben diesen Zuständen. In Wahrheit, so wird argumentiert, hat das fragliche Bewusstsein eine auf die Welt gerichtete Struktur. Es ist nichts anderes als das Präsent-Sein von Gegenständen in Zuständen des Erscheinens. Dieses Ergebnis hat bedeutende Konsequenzen. Es stellt insbesondere die klassische Taxonomie mentaler Zustände in Frage. Einerseits lässt sich die Unterscheidung von intentionalen und phänomenalen Eigenschaften nicht aufrechterhalten. Denn das phänomenale Bewusstsein von Zuständen des Erscheinens ist eine Art der Intentionalität. Andererseits lässt sich die Einheit des Merkmals der Intentionalität nicht aufrechterhalten. Denn die Intentionalität von Zuständen des Erscheinens ist von grundsätzlich anderer Art als die Intentionalität propositionaler Einstellungen. Es wird daher vorgeschlagen, nicht weiter zwischen intentionalen und phänomenalen Zuständen zu unterscheiden, sondern zwischen verschiedenen Arten intentionaler Zustände.
Der Autor: Dirk Franken hat in Münster Philosophie studiert und mit dieser Arbeit promoviert. Seit 2015 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Marburg.
https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Dirk Franken
Das Wesen des Erscheinens Eine Untersuchung über phänomenales Bewusstsein und die Intentionalität der Erfahrung
Verlag Karl Alber Freiburg / München
https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Originalausgabe © VERLAG KARL ALBER in der Verlag Herder GmbH, Freiburg / München 2015 Alle Rechte vorbehalten www.verlag-alber.de Satz und PDF-E-Book: SatzWeise GmbH, Trier ISBN (Buch) 978-3-495-48734-1 ISBN (PDF-E-Book) 978-3-495-80819-1
https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Vorwort
Das vorliegende Buch ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung der Arbeit, die unter demselben Titel im Jahr 2014 von der philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen wurde. Ich bin einer Reihe von Personen zu großem Dank verpflichtet, die mich bei der Fertigstellung der Arbeit in vielfältiger Weise unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Oliver Scholz, nicht nur für seine geduldige, stets wohlwollende und sehr inspirierende Betreuung der Arbeit, sondern auch dafür, dass er mir überhaupt die Möglichkeit eingeräumt hat, diese Arbeit zu verfassen. Ebenfalls danken möchte ich Peter Rohs für die unkomplizierte Übernahme des Zweitgutachtens sowie für zahlreiche wertvolle Anregungen, die ich bei verschiedenen Gelegenheiten von ihm erhalten habe. Tim Henning, Eva-Maria Jung, Martin Pleitz und Ansgar Seide haben, ungeachtet diverser eigener Verpflichtungen, die große Mühe auf sich genommen, lange (und zu dem Zeitpunkt teilweise schwer zu lesende) Passagen einer ersten Version der Arbeit durchzulesen. Dafür danke ich allen sehr herzlich. Ihre überaus hilfreichen Einwände und Änderungsvorschläge haben sehr zur Verbesserung der Arbeit beigetragen. Tim Henning möchte ich darüber hinaus für die unzähligen interessanten philosophischen Diskussionen danken, die wir im Verlauf der Jahre geführt haben. Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen sind nicht nur in vielfältiger Weise in die vorliegende Arbeit eingeflossen, sondern haben auch darüber hinaus meine fachliche Entwicklung nachhaltig geprägt. Weiterhin danke ich den Veranstaltern (insbesondere Oliver Scholz und Peter Rohs) sowie den Teilnehmern des Kolloquiums für theoretische Philosophie in Münster für etliche überaus hilfreiche Diskussionen früherer Versionen einzelner Kapitel der Arbeit. Die Arbeit ist mit dem Karl Alber Preis des Philosophischen Jahrbuchs 2015 ausgezeichnet worden. Den beteiligten Gutachtern 5 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Vorwort
danke ich für zahlreiche wertvolle Hinweise und Verbesserungsvorschläge, die mir bei der Erstellung der vorliegenden Endfassung eine große Hilfe waren. Mein größter Dank schließlich gilt den Personen, die mich während der langen und phasenweise schwierigen Zeit, in der ich an dieser Arbeit geschrieben habe, privat begleitet haben. Meine Eltern, denen diese Arbeit gewidmet ist, haben mich in meinem Vorhaben stets vorbehaltlos unterstützt und mir jede moralische und finanzielle Hilfe zukommen lassen, die ich mir nur wünschen konnte. Meine Freundin Dr. Anna Ulrike Schütte hat nicht nur ein großes Maß an Geduld und Verständnis aufgebracht, sie war auch bei der Lösung vielfältiger, die Arbeit betreffender Probleme eine unschätzbare Hilfe. Ohne sie wäre diese Arbeit entweder überhaupt nicht fertiggestellt worden, oder sie wäre in einem weit schlechteren Zustand als sie tatsächlich ist. Münster, März 2015
6 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Inhalt
Vorwort 1
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einleitung
5
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Teil I Der Begriff des Erscheinens . . . . . . . . . . . . . . .
27
2
Drei Sinne von »erscheinen« . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.1 Der komparative und der phänomenale Sinn . . . . . . .
30
. . . . . .
32
Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens und die Methode ihrer Beantwortung . . . . . . . . . . .
42
3.1 Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe . . . . . . . . . .
45
Exkurs 1: Kognitive Signifikanz ohne kognitiven Gehalt?
. . . .
56
3.2 Begriffe des Erscheinens und Begriffe des Bewusstseins .
62
3.3 Die Tatsächlichkeitsunabhängigkeit phänomenaler Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
3.4 Was phänomenale Begriffe nicht sind . . . . . . . . . .
71
3.5 Phänomenale Begriffe als erstpersönliche Wiedererkennungsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
3.6 Zusammenfassung Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . .
91
1.1 Überblick
2.2 Der epistemische und der phänomenale Sinn 3
22
7 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Inhalt
Teil II Die Natur des Erscheinens . . . . . . . . . . . . . . . 4
Erscheinen im Spektrum der mentalen Zustände: eine vorläufige begriffliche Orientierung . . . . . . . . . .
93
94
5
Die Transparenzthese
6
Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt . . .
117
6.1 Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
6.2 Subjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125
6.3 Die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Erfahrung . . . .
133
Exkurs 2: Subjekte, Erfahrungen und Subjekte von Erfahrungen .
152
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 . . . 169 6.6 Zusammenfassung Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . 179 6.4 Erscheinen als …
6.5 Warum es unmöglich ist als Subjekt zu erscheinen
7
Die Transparenz des Erscheinens und die Flüchtigkeit des Ichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
Die Transparenz der visuellen Wahrnehmung . . . . . . .
192
8.1 Die Transparenz der visuellen Wahrnehmung und das Bild vom phänomenalen Anstrich . . . . . . . . . . . . . .
193
8.2 Die präsentationale Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
8.3 Zusammenfassung Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . .
206
9
Kritik an der Transparenzthese . . . . . . . . . . . . . .
208
9.1 Einwände gegen die Transparenzthese . . . . . . . . . .
208
9.2 Sollte es uns auf die Transparenzthese ankommen? . . .
221
9.3 Zusammenfassung Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . .
242
8
8 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Inhalt
Teil III Erscheinen, phänomenales Bewusstsein und Intentionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245
10
Erscheinen und phänomenales Bewusstsein . . . . . . . .
246
11
Erscheinen und Intentionalität
253
. . . 11.1 Der Begriff der Intentionalität . . . 11.2 Separatismus und Inseparatismus . 11.3 Die inseparatistische Intuition . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . . 11.4 Das Problem des invertierten Spektrums . 11.5 Zusammenfassung Kapitel 11 . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
253 266 273 277 300
Exkurs 3: Der Separatismus in der jüngeren Philosophie des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
302
12
Gedankenintentionalität und Wahrnehmungsintentionalität
305
12.1 Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität . . . . .
305
12.2 Wahrnehmungsintentionalität . . . . . . . . . . . . . .
327
12.3 Zusammenfassung Kapitel 12 . . . . . . . . . . . . . .
337
13
340
Fragen und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
9 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit versteht sich in erster Linie als kritischer Beitrag zur sogenannten analytischen Philosophie des Geistes. 1 Trotz der erheblichen Heterogenität der Arbeiten, die diesem Bereich der Philosophie zugerechnet werden können, lässt sich ohne Schwierigkeiten ein Problem benennen, dessen Bearbeitung darin die dominierende Rolle gespielt hat und noch immer spielt: gemeint ist das sogenannte Leib-Seele-Problem. 2 Die vorliegende Arbeit ist zwar ausdrücklich kein Beitrag zur Debatte um das Leib-Seele-Problem. Nicht zuletzt aufgrund seiner zentralen Stellung innerhalb der analytischen Philosophie des Geistes 3 bietet es sich jedoch als Kontext für die Einführung und Motivation des Themas der Arbeit an. Beginnen wir also mit einem kurzen Blick auf das Leib-SeeleProblem. Das Leib-Seele-Problem gehört zu einem Typ von Problemen, die Frank Jackson als Lokalisierungs-Probleme hlocation problemsi bezeichnet hat. 4 Lokalisierungs-Probleme ergeben sich aufgrund der simplen Tatsache, dass bestimmte Eigenschaften und Tatsachen auf bestimmte andere Eigenschaften und Tatsachen reduzierbar sind. Eine Eigenschaft ist auf eine oder mehrere andere Eigenschaften reduzierbar, wenn erstere nur instanziiert ist, indem letztere instanziiert ist (sind). Und eine Tatsache ist auf eine oder mehrere Dabei verstehe ich die analytische Philosophie des Geistes nicht als einen Bereich der Philosophie, der durch einen bestimmten Gegenstandsbereich oder durch einen Kanon methodischer oder inhaltlicher Prinzipien eindeutig bestimmt wäre. Ich verstehe sie eher als eine bestimmte Traditionslinie. Sie umfasst in etwa die Menge der Arbeiten, die seit den 50/60er Jahren die Philosophie des Geistes im englischen Sprachraum geprägt haben, sowie die Arbeiten, die methodisch und inhaltlich in deren Tradition stehen. 2 Nicht selten wird das Leib-Seele-Problem sogar als das eigentliche Thema der Philosophie des Geistes angesehen (vgl. Schröder (2004), S. 10). Eine solche Engführung scheint mir jedoch in jedem Fall verfehlt zu sein. 3 Der Einfachheit halber werde ich den Zusatz »analytisch« im Folgenden weglassen. 4 Vgl. Jackson (1998), S. 5. 1
11 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
andere Tatsachen reduzierbar, wenn erstere nur besteht indem letztere besteht bzw. bestehen. 5 (Da in der gegenwärtigen Philosophie des Geistes die Rede über Eigenschaften dominiert, werde ich sie im Folgenden ebenfalls bevorzugen.) Aus naheliegenden Gründen können jedoch nicht alle Eigenschaften auf andere Eigenschaften reduzierbar sein. Es muss also einige nicht-reduzierbare, fundamentale Eigenschaften geben. Und es wird allgemein angenommen, dass zu diesen Eigenschaften in jedem Fall die fundamentalen physikalischen Eigenschaften zählen (welche das auch immer sein mögen). Dadurch stellt sich für jede Eigenschaft, die nicht zu den fundamentalen physikalischen Eigenschaften zählt, die Frage, wie sie relativ zu diesen Eigenschaften zu ›lokalisieren‹ ist. Ist sie auf diese Eigenschaften reduzierbar oder nicht? Und falls nicht, ist sie eine zusätzliche fundamentale Eigenschaft oder ist sie vielleicht gar nicht erst instanziiert? Probleme dieses Typs sind Lokalisierungs-Probleme. Den drei möglichen Antworten auf diese Fragen entsprechen drei Arten von Lösungen von Lokalisierungs-Problemen: Wenn die fraglichen Eigenschaften auf die fundamentalen physikalischen Eigenschaften reduzierbar sind, handelt es sich um eine reduktionistische Lösung. Wenn sie nicht auf die fundamentalen physikalischen Eigenschaften reduzierbar sind, aber dennoch instanziiert sind, handelt es sich um eine dualistische oder pluralistische Lösung. Und wenn sie nicht nur nicht auf die fundamentalen physikalischen Eigenschaften reduzierbar sind, sondern (meist entgegen dem ersten Anschein) überhaupt nicht instanziiert sind, handelt es sich um eine eliminativistische Lösung. 6 Das Leib-Seele-Problem ist das Lokalisierungs-Problem in Bezug auf mentale Eigenschaften. Da es verschiedene Arten mentaler Eigenschaften gibt, ist es auch sinnvoll, zwischen verschiedenen Leib-Seele-Problemen zu unterscheiden. Das Leib-Seele-Problem, das für uns in erster Linie interessant ist, ist dasjenige, das Chalmers das schwierige Leib-Seele-Problem genannt hat. 7 Das schwierige Leib-Seele-Problem ist das Lokalisierungs-Problem in Bezug auf phänomenales Bewusstsein bzw. phänomenale Eigenschaften. Für Diese Charakterisierung der Reduzierbarkeits-Relation ist stark vereinfacht und geht über viele Details und Probleme hinweg (für ausführliche Darstellungen vgl. u. a. Chalmers (1996), Kap. 2 oder Levine (1993)). 6 Ob man im Fall eines eliminativistischen Ergebnisses von einer Lösung sprechen möchte, ist letztlich Geschmackssache. Man könnte in diesem Fall ebenso gut von einer Auflösung sprechen. 7 Chalmers (1996), S. 24. 5
12 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
eine allgemeine Charakterisierung phänomenalen Bewusstseins und phänomenaler Eigenschaften können wir zunächst auf eine bekannte Beschreibung von Thomas Nagel zurückgreifen: 8 Ein Subjekt hat phänomenales Bewusstsein, wenn es für dieses Subjekt irgendwie ist, sich in bestimmten mentalen Zuständen zu befinden. Und die Arten, wie es für Subjekte ist, sich in bestimmten mentalen Zuständen zu befinden, sind phänomenale Eigenschaften. 9 Der Grund, aus dem Chalmers das schwierige Leib-Seele-Problem als schwierig bezeichnet, ist die Tatsache, dass von den drei möglichen Lösungen des Problems gerade die beiden, die mit einer physikalistischen Ontologie vereinbar sind (d. i. die eliminativistische und die reduktionistische Lösung), nicht auf den ersten Blick überzeugen können. Eine eliminativistische Lösung scheint, wenn es um phänomenales Bewusstsein geht, ausgeschlossen zu sein. Die Idee, dass sich herausstellen könnte, dass es das, was wir unter phänomenalem Bewusstsein verstehen, in Wahrheit überhaupt nicht gibt, erscheint abwegig. 10 Die Aussicht auf eine reduktionistische Lösung ist zwar um einiges besser, auch dieser Lösung steht jedoch eine hartnäckige Intuition im Weg. Joseph Levine beschreibt sie sehr treffend anhand des Beispiels Schmerz: 11 »[…] what is left unexplained by the discovery of c-fiber firing is why pain should feel the way it does! For there seems to be nothing about c-fiber firing which makes it naturally ›fit‹ the phenomenal properties of pain, any more than it would fit some other set of phenomenal properties.« 12
Siehe aber Kap. 15. Vgl. Nagel (1974). In der Philosophie des Geistes hat es sich eingebürgert, phänomenale Eigenschaften als Eigenschaften mentaler Zustände zu beschreiben. Wie wir feststellen werden, ist diese Beschreibung jedoch höchstens in einem abgeleiteten Sinn zutreffend. Angemessener ist es, phänomenale Eigenschaften als Eigenschaften von Subjekten zu beschreiben (siehe dazu Kapitel 4). 10 Obwohl diese Idee verschiedentlich vertreten worden ist (vgl. u. a. P. M. Churchland (1985), Dennett (1988), Feyerabend (1963) sowie Rorty (1965) und (1970)), werde ich hier und im Folgenden davon ausgehen, dass sie in der Tat abwegig ist. 11 Der Leser mag hier die Art von Antwort vermissen, zu der der sog. nicht-reduktive Physikalismus zählt. Vertreter dieser Position verneinen, dass uns die Nicht-Reduzierbarkeit des Mentalen auf das Physische auf einen Dualismus von Mentalem und Physischem festlege (vgl. z. B. Davidson (1970)). Ob eine solche Position haltbar ist, wird am Ende von dem genauen Begriff der Reduzierbarkeit abhängen, von dem darin ausgegangen wird. Unter der Voraussetzung des relativ schwachen Begriffes von Reduzierbarkeit den wir oben skizziert haben, ist dies sicher nicht der Fall. 12 Levine (1983), S. 357. 8 9
13 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
Wir haben den Eindruck, dass die Instanziierung irgendeiner physikalischen Eigenschaft keine hinreichende Erklärung dafür liefern kann, dass eine ganz bestimmte phänomenale Eigenschaft instanziiert ist. In dem Spannungsfeld zwischen der Standardauffassung des Physikalismus und dieser Intuition der Nicht-Reduzierbarkeit und Nicht-Eliminierbarkeit phänomenaler Qualitäten hat sich eine umfangreiche Debatte um die richtige Lösung des Leib-Seele-Problems entwickelt. Hier und im Folgenden soll es aber nicht um die vielfältigen Argumente für die eine oder andere Lösung gehen, die in dieser Debatte ausgetauscht worden sind. Für uns ist vielmehr eine Voraussetzung interessant, auf der jeder Versuch einer Lösung des Leib-Seele-Problems beruhen muss. Auf diese Voraussetzung macht Frank Jackson aufmerksam: »When bounty hunters go searching, they are searching for a person and not a handbill. But they will not get very far if they fail to attend to the representational properties of the handbill on the wanted person. These properties give them their target, or, if you like, define the subject of their search. Likewise, metaphysicians will not get very far with questions like: Are there Ks? Are Ks nothing over and above Js? And, Is the K way the world is fully determined by the J way the world is? in the absence of some conception of what counts as a K, and what counts as a J.« 13
Was Jackson hier betont ist Folgendes: Um das Lokalisierungs-Problem in Bezug auf eine bestimmte Eigenschaft lösen zu können, ist es nötig, bereits zu wissen, wie etwas sein muss, um unter den Begriff von dieser Eigenschaft zu fallen. Machen wir uns den Grund hierfür anhand des Beispiels des schwierigen Leib-Seele-Problems klar: Angenommen, wir hätten keine Vorstellung davon, wie etwas sein muss, um unter den Begriff des phänomenalen Bewusstseins zu fallen. Auf welcher Grundlage könnten wir dann entscheiden, ob die Eigenschaft des phänomenalen Bewusstseins unter denjenigen Eigenschaften ist, die auf die fundamentalen physikalischen Eigenschaften reduzierbar sind – oder eben nicht? Wenn diese Entscheidung nicht ein reiner
13
Jackson (1998), S. 30 f.
14 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
›Akt des Glaubens‹ 14 sein soll, müssen wir offenbar bereits wissen, was die Eigenschaft des phänomenalen Bewusstseins ist (d. i. wie etwas sein muss, um diese Eigenschaft aufzuweisen). Aus Gründen, auf die ich im ersten Teil dieser Arbeit ausführlich eingehen werde, müssen wir über dieses Wissen zudem a priori verfügen. Das heißt, die Tatsache, dass wir über den Begriff des phänomenalen Bewusstseins verfügen, muss für dieses Wissen hinreichend sein. Den Prozess der Gewinnung von Wissen dieser Art wollen wir als Begriffsanalyse bezeichnen. 15 Wir können also festhalten: Eine Voraussetzung jeder begründeten Lösung des schwierigen Leib-Seele-Problems ist eine Analyse des Begriffes des phänomenalen Bewusstseins. 16 Kommen wir damit zur eigentlichen Fragestellung dieser Arbeit: Das zentrale Anliegen dieser Arbeit wird es sein, die Voraussetzung zu schaffen, auf deren Notwendigkeit ich soeben hingewiesen habe. Das heißt, ich werde versuchen, die Frage zu beantworten, wie etwas sein muss, um unter den Begriff des phänomenalen Bewusstseins zu fallen. Die Wahl dieses Themas beruht auf zwei Überzeugungen. Die erste Überzeugung ist, dass die soeben genannte Voraussetzung bislang nur in unzureichender Weise geschaffen worden ist. Viele Autoren haben die Notwendigkeit, den Begriff des phänomenalen Bewusstseins im Vorfeld der Diskussion des schwierigen Leib-SeeleProblems gründlich und unvoreingenommen zu klären, entweder übersehen oder fälschlicherweise geleugnet. Und die Autoren, für die dies nicht gilt und die sich um eine Klärung des Begriffes des phänomenalen Bewusstseins bemüht haben, waren darin nicht oder nicht vollständig erfolgreich. Die zweite Überzeugung ist, dass phänomenales Bewusstsein ein weit wichtigeres Phänomen ist als häufig angenommen wird. Seine Bedeutung reicht weit über seine Rolle im schwierigen Leib-Seele-Problem hinaus, auf die sie oft reduziert wird. Ein adäquates Verständnis der Natur des phänomenalen BewusstVgl. ebenda, S. 29. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass unter diesen Begriff von Begriffsanalyse sehr viel mehr fällt als die Zerlegung eines Begriffes in die in ihm enthaltenen Begriffe. 16 Der Begriff, der analysiert werden muss, ist natürlich jeweils der, der in der Formulierung des Problems ausgedrückt wird, das wir zu lösen versuchen. Es mag z. B. verschiedene Begriffe von Bewusstsein geben. Wenn die Frage, ob Bewusstsein auf Physisches reduzierbar ist, eine eindeutige Antwort haben soll, muss in dieser Frage jedoch ein bestimmter Begriff von Bewusstsein ausgedrückt werden. Und es ist die Analyse dieses Begriffes, die die Voraussetzung einer begründeten Antwort auf diese Frage ist. 14 15
15 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
seins, so möchte ich behaupten, hat wichtige Konsequenzen für unser Verständnis einer Vielzahl von Phänomenen, denen in der Philosophie des Geistes und darüber hinaus traditionell besondere Bedeutung zugemessen wird. Zu nennen wären unter anderem Subjektivität und die Erste-Person-Perspektive, Selbstbewusstsein, Selbstwissen, die Intentionalität der Wahrnehmung, Wahrnehmungswissen, die Natur indexikalischer Bezugnahmen oder auch die diachrone Identität der Person. Mit dieser zweiten Überzeugung verbindet sich zugleich die Hoffnung, dass die Ergebnisse dieser Arbeit dazu beitragen können, auch das Verständnis dieser und weiterer wichtiger Phänomene zu verbessern. 17 Um diese Überlegungen noch besser nachvollziehbar zu machen, möchte ich im Folgenden einen kurzen Blick auf die wichtigsten Gründe werfen, die den beiden in der ersten Überzeugung genannten Fehlern zugrunde liegen. Beginnen wir mit Gründen, aus denen die Notwendigkeit einer Analyse des Begriffes des phänomenalen Bewusstseins geleugnet wird. Der wichtigste dieser Gründe ist zweifellos, dass viele Autoren den Begriff des phänomenalen Bewusstseins einer Kategorie von Begriffen zuordnen, die ich später als tatsächlichkeitsabhängige Begriffe einführen werde. Für diese Begriffe ist es charakteristisch, dass wir nur auf empirischem Wege und nicht durch die Analyse des Begriffes allein herausfinden können, wie etwas sein muss, um unter ihn zu fallen. 18 Seit Hilary Putnams berühmtem Zwillingserde-Gedankenexperiment ist der Begriff des Wassers das Standardbeispiel für einen solchen Begriff: 19 Dass etwas, um unter den Begriff des Wassers zu fallen, die chemische Struktur H2O aufweisen muss, haben wir nicht durch Begriffsanalyse herausgefunden, sondern indem wir Vorkommnisse von Wasser untersucht haben. Aus der Annahme, der Begriff des phänomenalen Bewusstseins sei ebenfalls ein solcher tatsächlichkeitsabhängiger Begriff, schließen die betreffenden Autoren, eine Analyse dieses Begriffes sei weder Verschiedene Ansätze in diese Richtung werden sich bereits in der vorliegenden Arbeit finden. 18 Zu den tatsächlichkeitsabhängigen Begriffen zählen z. B. Begriffe natürlicher Arten hnatural kind termsi sowie demonstrative Begriffe. Dass sie tatsächlichkeitsabhängig sind, bedeutet, dass ihr Gehalt von der Beschaffenheit der tatsächlichen Welt abhängt. Aus diesem Grund können wir nicht durch Begriffsanalyse allein herausfinden, wie etwas sein muss, um unter einen tatsächlichkeitsabhängigen Begriff zu fallen. Dazu mehr in Kapitel 3. 19 Vgl. Putnam (1975). 17
16 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
möglich noch nötig. Diese Überlegung enthält jedoch gleich zwei Fehler. Zum einen ist der Begriff des phänomenalen Bewusstseins kein tatsächlichkeitsabhängiger Begriff. 20 Zum anderen haben Autoren wie David Chalmers und Frank Jackson gezeigt, dass auch dann, wenn dem so wäre, eine Analyse des Begriffes sowohl möglich als auch nötig wäre. 21 Ein anderer Grund für die Skepsis gegenüber der Möglichkeit und Notwendigkeit einer Analyse des Begriffes des phänomenalen Bewusstseins ist die Überzeugung, dass sich dieser Begriff überhaupt nicht analysieren lasse. Den Grund für diese Überzeugung nennt beispielsweise David Chalmers: »Trying to define conscious experience in terms of more primitive notions is fruitless. One might as well try to define matter or space in terms of something more fundamental.« 22
Was Chalmers hier feststellt, scheint korrekt zu sein. Es wäre jedoch ein Fehler, daraus auf die Unmöglichkeit einer Begriffsanalyse im oben eingeführten Sinn zu schließen. Richtig ist lediglich, dass eine bestimmte Art von Analyse im Fall des Begriffes des phänomenalen Bewusstseins nicht möglich ist. Der Begriff lässt sich nicht in grundlegendere Begriffe zerlegen, so wie sich etwa der Begriff eines Junggesellen in die Begriffe des Männlich-Seins und des UnverheiratetSeins zerlegen lässt. Dieses Verständnis von Begriffsanalyse ist jedoch unnötig eng. Unter Begriffsanalyse kann auch das verstanden werden, was manchmal die Methode der möglichen Fälle genannt wird. 23 Eine elegante Schilderung dieser Methode gibt uns Paul Grice: »If I philosophize about the notion of cause, or about perception or about knowledge and belief, I expect myself considering, among other things, in what sort of situations we should, in our ordinary talk, be willing to speak (or again be unwilling to speak) of something as causing something else to happen; or again of someone as seeing a tree; or again of someone as knowing rather than merely believing that something is the case.« 24 Dafür werde ich in Kapitel 3 ausführlich argumentieren. Vgl. u. a. Chalmers (1996), Chalmers und Jackson (2001) sowie Jackson (1998) und (2004). 22 Chalmers (1996), S. 4. Chalmers selbst gehört allerdings nicht zu den Autoren die daraus auf die Unmöglichkeit einer Analyse des Begriffes in dem oben geschilderten schwächeren Sinn schließen. 23 Vgl. Jackson (1998), S. 35. 24 Grice (1989), S. 172. Vgl. auch: Chalmers und Jackson (2001) sowie Jackson (1998), Kap. 2. 20 21
17 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
Gemäß diesem Verständnis von Begriffsanalyse besteht die Analyse eines Begriffes darin, für interessante mögliche Fälle festzustellen, ob sie etwas enthalten, was unter diesen Begriff fällt oder nicht. Versteht man Begriffsanalyse in diesem Sinn, lassen sich auch Begriffe analysieren, die, wie der Begriff des phänomenalen Bewusstseins, nicht sauber in grundlegendere Begriffe zerlegbar sind. Chalmers einflussreiches Argument gegen den Materialismus beispielsweise beruht vornehmlich auf dieser Art von Analyse des Begriffes des phänomenalen Bewusstseins. Eine Prämisse des Argumentes lautet: Es gibt eine mögliche Welt, die sich physikalisch nicht von der tatsächlichen Welt unterscheidet, in der es aber kein phänomenales Bewusstsein gibt. 25 In der Annahme dieser Prämisse sind wir nach Chalmers dadurch gerechtfertigt, dass wir in der Lage sind, für beliebige mögliche Szenarien in Bezug auf die wir über hinreichend viele Informationen verfügen zu entscheiden, ob darin Bewusstsein vorkommt oder nicht. Sie ist also das Ergebnis einer Begriffsanalyse im Sinn der Methode der möglichen Fälle. Ein verwandtes Bedenken drückt sich in einer Bemerkung von Ned Block aus: »You ask: What is it that philosophers have called qualitative states? I answer, only half in jest: As Louis Armstrong said when asked what jazz is, ›If you got to ask, you ain’t never gonna get to know.‹« 26
Selbst wenn sich der Begriff des phänomenalen Bewusstseins vielleicht in dem geschilderten Sinn analysieren lässt, so können wir Blocks Bemerkung deuten, lässt er sich doch in keiner Weise erklären oder erläutern. Er lässt sich niemandem verständlich machen, der nicht über diesen Begriff verfügt oder nicht weiß, von welchem Begriff die Rede ist. Auch dieser Pessimismus ist unbegründet. Er geht häufig mit der Auffassung einher, phänomenales Bewusstsein habe keine beschreibbare Struktur und sei zudem eine Art Epiphänomen, das in keiner kausalen Interaktion mit anderen mentalen und physischen Eigenschaften stehe und dementsprechend keinerlei Funktion habe. Wäre das richtig, wäre es in der Tat schwer, etwas Verständliches zur Charakterisierung phänomenalen Bewusstseins zu sagen. Wir werden im Verlauf der Arbeit jedoch feststellen, dass diese Auffassung kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte. Ins25 26
Vgl. Chalmers (1996), S. 123. Block (1978), S. 178. Vgl. z. B. auch Chalmers (1996), S. 3 f.
18 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
besondere werden wir feststellen, dass in Wahrheit gerade eine spezifische Struktur das Wesen des phänomenalen Bewusstseins ausmacht, die sich sehr wohl beschreiben und erläutern lässt. 27 Neben Gründen für die Skepsis gegenüber der Möglichkeit und Notwendigkeit einer Analyse des Begriffes des phänomenalen Bewusstseins gibt es auch Gründe für die Inadäquatheit vieler der Analysen und Erläuterungen, die angeboten werden. Häufig stößt man zum Beispiel auf theoretisch überformte Analysen, das heißt auf Analysen, in die bereits starke theoretische Annahmen eingehen. Ein ebenso bekanntes wie eklatantes Beispiel ist die Definition des Begriffes phänomenaler Qualitäten, die Daniel Dennett in seinem Aufsatz Quining Qualia anbietet. Dort heißt es, phänomenale Qualitäten seien unaussprechlich, intrinsisch, privat und dem Bewusstsein unmittelbar oder direkt zugänglich. 28 Es ist offenkundig, dass in diesem Begriff phänomenaler Qualitäten sehr viel mehr enthalten ist als in der Nagelschen Rede von der Art, wie es ist, sich in einem mentalen Zustand zu befinden. Der von Dennett zugrunde gelegte Begriff kann nur das Ergebnis einer fortgeschrittenen philosophischen Theoriebildung sein. Dafür, dass derart theoretisch überformte Begriffe als Grundlage einer Untersuchung verwendet werden, lassen sich zwei Gründe ausmachen. Einer dieser Gründe ist, dass der Autor der Untersuchung von einer oder beiden der folgenden Annahmen ausgeht: (a) Alle Begriffe, die kontingente Aspekte der Welt erfassen, sind theoretische Begriffe. (b) Alle mentalen Begriffe sind theoretische Begriffe. Theoretische Begriffe sind dabei als Begriffe zu verstehen, die Bestandteile einer empirisch widerlegbaren Theorie sind und deren Gehalt durch eben diese Theorie bestimmt wird. Derartige Begriffe haben zwei Eigenschaften, die, wenn es um mentale Begriffe geht, sehr problematisch sind. Erstens: Man verfügt über diese Begriffe in einem für eine Begriffsanalyse hinreichend anspruchsvollen Sinn nur, wenn man die Theorie kennt, durch die ihr Gehalt bestimmt wird. Zweitens: Wenn die Theorie, durch die ihr Gehalt bestimmt wird, empirisch widerlegt oder durch eine überlegene Theorie verdrängt wird, folgt daraus, dass der fragliche Begriff leer ist. Aus dieser Ich werde für diese Struktur die Bezeichnung Subjekt-Gegenstands-Struktur einführen (siehe Abschnitt 6.3). 28 Vgl. Dennett (1988). 27
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zweiten Eigenschaft folgt unmittelbar die Möglichkeit des Eliminativismus. Und einige Autoren, unter ihnen Dennett, haben die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Sie haben angenommen, dass der Gehalt unserer mentalen Begriffe durch unsere Alltagstheorie des Geistes bestimmt sei und dass diese Alltagstheorie irgendwann durch eine bessere neurowissenschaftliche Theorie ersetzt werden könnte. In diesem Fall erginge es diesen Begriffen wie es den Begriffen eines Dämons oder des Phlogistons ergangen ist: Sie würden sich als leer erweisen. 29 Wie wir bereits festgestellt haben, ist das eine abwegige Position. Es ist ausgeschlossen, dass uns eine noch so gute wissenschaftliche Theorie des Gehirns jemals davon überzeugen könnte, dass es das, was wir heute unter Schmerzen, Überzeugungen und Wahrnehmungen oder unter Bewusstsein und Intentionalität verstehen, nicht gibt und nie gegeben hat. Der Gehalt dieser Begriffe wird nicht von einer empirisch widerlegbaren Theorie bestimmt und dementsprechend kann durch die empirische Widerlegung einer Theorie nicht gezeigt werden, dass diese Begriffe leer sind. Tatsächlich ist das Verhältnis umgekehrt. Eine Theorie des phänomenalen Bewusstseins muss sich nach dem Begriff des phänomenalen Bewusstseins richten. Es ist eine Adäquatheitsbedingung für eine Theorie des phänomenalen Bewusstseins, dass sie das erklären kann, was unter den Begriff des phänomenalen Bewusstseins fällt. Und sollte eine entsprechende Theorie empirisch widerlegt werden, würde daraus ebenfalls lediglich folgen, dass es sich nicht um eine adäquate Theorie des phänomenalen Bewusstseins gehandelt hat. Die Existenz von phänomenalem Bewusstsein bliebe davon unberührt. In vielen Fällen lässt sich der Fehler, dass theoretisch überformte Begriffe wie der, den Dennett vorlegt, als Grundlage einer Untersuchung verwendet werden, aber nicht auf allgemeine Thesen wie (a) und (b) oben zurückführen. Oft beruht er lediglich auf tief verwurzelten theoretischen Überzeugungen, deren Aufgabe nicht in Betracht gezogen wird. Die theoretische Überzeugung, die in der Debatte um das schwierige Leib-Seele-Problem in dieser Hinsicht die größte Wirkung erzielt hat, ist ohne Zweifel die Überzeugung, dass irgendeine Spielart des Funktionalismus die richtige Theorie der Intentionalität mentaler Zustände ist. Danach ist die Intentionalität mentaler Zustände in irgendeiner Weise durch ihre kausale Rolle be29
Vgl. die Literatur in Fn. 10 in diesem Kapitel.
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stimmt. Diese Überzeugung hat unverkennbare Auswirkungen darauf, von welchem Begriff des phänomenalen Bewusstseins viele Autoren ausgehen. Da funktionale Eigenschaften problemlos auf fundamentale physikalische Eigenschaften reduzierbar sind, schließt man daraus, dass eben dies für phänomenale Qualitäten nicht zu gelten scheint, dass phänomenale Qualitäten von der Intentionalität mentaler Zustände unabhängig sein müssen. Der Begriff der phänomenalen Qualitäten, so könnte man es ausdrücken, wird von vornherein in die Nische eingepasst, die der Funktionalismus frei lässt – und das ist eben die Nische einer intrinsischen, unstrukturierten Eigenschaft mentaler Zustände. 30 Im Verlauf der Arbeit werde ich versuchen, deutlich zu machen, dass diese Auffassung phänomenalen Bewusstseins einer unvoreingenommenen Überprüfung nicht standhält. Und da sich hier aus den oben genannten Gründen die Theorie nach dem Begriff richten muss, muss die funktionalistische Vorannahme gegebenenfalls aufgegeben werden. Dieser letzte Punkt ist schließlich der Grund für eine ungewöhnliche Komplikation in dieser Arbeit. Insbesondere der Funktionalismus ist in der analytischen Philosophie des Geistes so tief verankert, dass es schwer ist, die gängige Terminologie zu verwenden, ohne dadurch bereits eine Verpflichtung auf den Funktionalismus nahezulegen. Ausdrücke wie »Qualia« oder »phänomenale Qualität« zum Beispiel sind beinahe unauflöslich mit der folgenden Alternative verbunden: entweder nicht-reduzierbar und nicht-intentional (d. i. nicht-funktional) oder reduzierbar und intentional (funktional). Um diese Voreinstellung aufzubrechen, werde ich zunächst keinen dieser Ausdrücke verwenden. Ich werde stattdessen über phänomenales Erscheinen und phänomenale Arten des Erscheinens sprechen. Der Begriff des phänomenalen Erscheinens weist zwei in diesem Zusammenhang wünschenswerte Eigenschaften auf. Erstens: Er legt keine Unabhängigkeit von intentionalen Eigenschaften nahe. Im Gegenteil: Das Erscheinen von etwas ist wesentlich ein intentionaler Zustand. Zweitens: Es handelt sich weder um einen theoretischen Begriff, noch um einen Begriff, der in ähnlicher Weise theoretisch überformt ist, wie der gängige Begriff des phänomenalen Bewusstseins. Und dementsprechend ist dieser Begriff auch nicht in der geschilderten Weise Diese Art der Überlegung findet sich besonders deutlich in den einflussreichen Arbeiten von Ned Block und David Chalmers (vgl. z. B. Chalmers (1996) und Block (1990) und (2003)). Siehe dazu auch Exkurs 3.
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1 · Einleitung
mit der Auffassung des Funktionalismus assoziiert, sondern ist dem Funktionalismus gegenüber neutral. Mit der Entscheidung für den Begriff des phänomenalen Erscheinens soll die kontroverse Annahme, phänomenales Bewusstsein sei wesentlich intentional, aber keineswegs stillschweigend vorweggenommen werden. Vielmehr wird die Frage, ob phänomenales Erscheinen und phänomenales Bewusstsein tatsächlich zusammenfallen, zunächst ausdrücklich offen bleiben. Erst auf der Grundlage eines klaren Verständnisses des Begriffes des phänomenalen Erscheinens werde ich für die, dann allerdings, wie ich hoffe, nicht mehr kontroverse Annahme argumentieren, dass phänomenales Erscheinen in der Tat nichts anderes als phänomenales Bewusstsein ist. 31
1.1 Überblick Die Arbeit besteht aus drei Teilen. Der zentralen Fragestellung der Arbeit »Was ist phänomenales Erscheinen?« werde ich mich erst im zweiten Teil zuwenden. Der erste Teil dient der Vorbereitung der Behandlung dieser Frage. Um die Frage »Was ist phänomenales Erscheinen?« beantworten zu können, gilt es zunächst, zwei andere Fragen zu beantworten: Welcher Begriff wird durch den Ausdruck »phänomenales Erscheinen« in dieser Frage ausgedrückt? Und um was für eine Art von Begriff handelt es sich dabei? Die erste Frage beantworte ich in Kapitel 2. Dort unterscheide ich im Anschluss an Chisholm drei Verwendungsweisen des Ausdrucks »erscheinen«: die komparative, die epistemische und die phänomenale Verwendungsweise. Der Begriff, um den es mir geht, entspricht der phänomenalen Verwendungsweise. Verschiedene Autoren haben allerdings bezweifelt, dass es diesen Begriff des Erscheinens überhaupt gibt. Ich argumentiere dafür, dass es ihn nicht nur gibt, sondern dass er den anderen beiden Verwendungsweisen zudem zugrunde liegt. In Kapitel 3 wende ich mich dann der Frage zu, um was für eine Art von Begriff es sich dabei handelt. Diese Frage ist deswegen von Bedeutung, weil von ihrer Antwort abhängt, was die richtige Methode zur Beantwortung unserer Hauptfrage ist. Es gilt, zwei Arten von Begriffen zu unterscheiden: Für einige Begriffe gilt, dass es hinrei31
Siehe Kapitel 15.
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Überblick
chend ist, über sie zu verfügen, um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter sie zu fallen. Für andere Begriffe gilt dies nicht. Das heißt, es sind empirische Erkenntnisse nötig um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter sie zu fallen. Handelt es sich bei dem Begriff des phänomenalen Erscheinens um einen Begriff der ersten Art, reicht eine Analyse des Begriffes aus, um herauszufinden, wie etwas sein muss, damit ihm etwas phänomenal erscheint (d. i. was phänomenales Erscheinen ist). Würde es sich dagegen um einen Begriff der zweiten Art handeln, würde eine Analyse des Begriffes hierfür nicht ausreichen. Es wären darüber hinaus empirische Erkenntnisse nötig. Ich werde zeigen, dass es sich bei dem Begriff des phänomenalen Erscheinens um einen Begriff der ersten Art handelt. Im zweiten Teil der Arbeit setze ich mich dann mit der Frage auseinander, was phänomenales Erscheinen ist. Den Kern der Antwort, die ich auf diese Frage geben werde, ist in vielen Arbeiten der jüngeren Philosophie des Geistes bereits angelegt. Dort findet sich häufig die These, die Erfahrung sei transparent. 32 Die Version dieser These, die ich vertreten werde, weicht allerdings erheblich von den gängigen Formulierungen ab. Sie lautet: Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm als Gegenstand und nicht als Subjekt seiner Erfahrung. Diese These werde ich als die Transparenzthese bezeichnen. Meine Hypothese wird sein, dass sich in der Transparenzthese die Natur des phänomenalen Erscheinens ausdrückt. Der zweite Teil der Arbeit ist daher als Verteidigung dieser These angelegt. Nach der Einführung der Transparenzthese in Kapitel 5 gebe ich in Kapitel 6 zunächst eine ausführliche Erläuterung. Dafür unterscheide ich zwischen dem positiven und dem negativen Teil der Transparenzthese. Der positive Teil lautet: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, erscheint es ihm notwendigerweise als Gegenstand. Der negative Teil lautet: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, erscheint es ihm notwendigerweise nicht als Subjekt. Das zentrale Ergebnis der Erläuterung wird Folgendes sein: Der positive Teil der Transparenzthese besagt, dass Zustände des Erscheinens wesentlich eine Subjekt-Gegenstands-Struktur aufweisen, d. i. eine Struktur, die durch eine Instanziierung der Eigen32
Vgl. z. B. Harman (1990) oder Tye (2000).
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schaft, ein Subjekt zu sein sowie mindestens eine Instanziierung der Eigenschaft, ein Gegenstand zu sein, konstituiert wird. Dabei gilt allerdings: Es liegt in der Natur der Eigenschaft, ein Subjekt zu sein, dass es nicht möglich ist, dass etwas als Träger dieser Eigenschaft erscheint (d. i. als Subjekt erscheint). Und das ist, was durch den negativen Teil der Transparenzthese ausgedrückt wird. Letzterer kann also als eine Art Erläuterung des positiven Teils angesehen werden. Der Rest des zweiten Teils ist dann der Verteidigung der Transparenzthese in verschiedenen Kontexten und gegen verschiedene Einwände gewidmet. Da der negative Teil der Transparenzthese das ausdrückt, was an dieser These in erster Linie kontrovers ist, wird er dabei im Vordergrund stehen. Nach einem abstrakt gehaltenen Argument in Abschnitt 6.5 werde ich die Transparenzthese in Kapitel 8, 9 und 10 anhand des paradigmatischen Beispiels der visuellen Wahrnehmung diskutieren. Während ich in Kapitel 8 zunächst die Bedeutung der Transparenzthese für die visuelle Wahrnehmung erläutern werde, werde ich in den folgenden Kapiteln jeweils eine bestimmte Art von Einwänden gegen diese These diskutieren. In Kapitel 9 werde ich verschiedene Einwände diskutieren, die sich direkt gegen die Wahrheit der Transparenzthese richten. Es wird sich schnell zeigen, dass sie entweder auf einem Missverständnis der Transparenzthese oder auf einer Fehleinschätzung der phänomenologischen Evidenz für diese These beruhen. Stärker sind die Einwände, um die es in Kapitel 10 gehen wird. Diese Einwände richten sich nicht gegen die Wahrheit, sondern gegen die Relevanz der Transparenzthese. Sie beruhen auf der Annahme, dass die Falschheit dessen, was in der Philosophie des Geistes mit der Transparenz der Wahrnehmung gemeint ist, mit der Wahrheit der Transparenzthese vereinbar ist. Hinter dieser Annahme steht die folgende Überlegung: Die Transparenzthese schließt lediglich aus, dass unser fundamentaler kognitiver Zugang zu unserem Geist (d. i. unser Selbstbewusstsein) in einem Erscheinen unserer selbst als Subjekte unserer Erfahrungen besteht. Wenn in der Philosophie des Geistes von der Transparenz der Wahrnehmung die Rede ist, ist damit jedoch etwas gemeint, was jede Art von beobachtungsartigem Selbstbewusstsein ausschließt. Und es gibt Arten beobachtungsartiger kognitiver Zugänge zu unserem Geist, die als Selbstbewusstsein in Frage kommen, jedoch keine Form des Erscheinens sind. Ich werden argumentieren, dass diese letzte Annahme falsch ist. Tatsächlich ist es nicht der Fall, dass es eine Art von beobachtungsartigem kogniti24 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Überblick
vem Zugang zu unserem Geist gibt, der als Selbstbewusstsein in Frage kommt und kein Erscheinen (in einem hinreichend weiten Sinne) ist. Auch Einwände gegen die Relevanz der Transparenzthese werden sich also als gegenstandslos erweisen. In der Philosophie des Geistes werden die Zustände, die ich als Zustände des Erscheinens bezeichnet habe, für gewöhnlich durch die Begriffe des phänomenalen Bewusstseins und der Intentionalität charakterisiert. Im dritten und letzten Teil der Arbeit wird es darum gehen, das Verhältnis des Begriffes des phänomenalen Erscheinens zu diesen beiden Begriffen zu klären. In Kapitel 11 geht es um das Verhältnis zum Begriff des phänomenalen Bewusstseins. Auf der Grundlage der Ergebnisse des zweiten Teils der Arbeit wird sich die Hypothese, phänomenales Erscheinen sei nichts anderes als phänomenales Bewusstsein, leicht bestätigen lassen. In Kapitel 12 werde ich mich dann dem Verhältnis zwischen phänomenalem Erscheinen und Intentionalität zuwenden. Dieses Verhältnis wird sich als komplizierter herausstellen. Ich werde zwei Auffassungen in Bezug auf dieses Verhältnis unterscheiden: den Separatismus und den Inseparatismus. Während Separatisten der Ansicht sind, dass phänomenales Erscheinen (d. i. phänomenales Bewusstsein) und Intentionalität voneinander unabhängig sind, wird dies von Inseparatisten verneint. Es wird sich zeigen, dass der Separatismus, ungeachtet seiner tiefen Verankerung in der analytischen Philosophie des Geistes, eine recht unplausible Auffassung ist und dass die stärksten Argumente, die zu seinen Gunsten vorgebracht worden sind (sogenannte Inversions-Argumente), einer näheren Überprüfung ebenfalls nicht standhalten können. Dementsprechend werde ich zu dem Ergebnis gelangen, dass phänomenales Erscheinen (d. i. phänomenales Bewusstsein) und (eine bestimmte Art von) Intentionalität ebenfalls zusammenfallen. In Kapitel 13 schließlich werde ich eine richtige Konsequenz aus diesem Ergebnis ziehen und diese verteidigen. Aus dem Zusammenfallen von phänomenalem Erscheinen beziehungsweise phänomenalem Bewusstsein und Intentionalität in bestimmten mentalen Zuständen folgt, dass die Intentionalität dieser Zustände von anderer Art sein muss als die Intentionalität von mentalen Zuständen (zum Beispiel propositionalen Einstellungen), die keine Zustände des Erscheinens sind. Ein Vergleich der Intentionalität von Zuständen des Erscheinens und der Intentionalität propositionaler Einstellungen bestätigt dies. Während propositionale Einstellungen propositionale 25 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
1 · Einleitung
Gehalte aufweisen und den Besitz der in der entsprechenden Proposition enthaltenen Begriffe durch das Subjekt voraussetzen, gilt beides im Fall von Zuständen des Erscheinens nicht. Die Arbeit wird mit einem kurzen Ausblick auf die wichtigsten Konsequenzen und Fragen enden, die sich aus den erzielten Ergebnissen ergeben (Kapitel 14). Abschließend noch ein formaler Hinweis. Ich werde im Verlauf der Arbeit zwei Schreibweisen verwenden, die erwähnenswert sind: • Zitate in Fußnoten werden kursiv gesetzt. • Ausdrücke, die Begriffe oder Propositionen bezeichnen, werden ebenfalls kursiv gesetzt. (So bedeutet beispielsweise »der Begriff Bewusstsein« so viel wie »der Begriff des Bewusstseins« und »die Proposition Wasser ist H2O« so viel wie »die Proposition, die durch den Satz ›Wasser ist H2O‹ ausgedrückt wird« oder »die Proposition, die der Gehalt der Überzeugung ist, dass Wasser H2O ist«.)
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Teil I Der Begriff des Erscheinens 2 Drei Sinne von »erscheinen«
Es empfiehlt sich, eine Untersuchung des Begriffes des Erscheinens mit einer Untersuchung des Ausdrucks »erscheinen« zu beginnen. Der Ausdruck »erscheinen« weist verschiedene Verwendungsweisen (Sinne) auf und kann dementsprechend verschiedene Begriffe des Erscheinens ausdrücken. Zur Bestimmung des eigentlichen Themas unserer Untersuchung ist es daher notwendig, zunächst die Verwendungsweise zu identifizieren, in der der Ausdruck »erscheinen« denjenigen Begriff des Erscheinens ausdrückt, um den es uns geht. Die erste Einschränkung ist dabei unproblematisch: Es geht uns um Verwendungsweisen in Zuschreibungen von Wahrnehmungsepisoden. 1 Vorkommnisse in Sätzen wie: »Die Begründung erscheint mir ziemlich fadenscheinig.« »Eine Kündigung erscheint mir in diesem Fall unangemessen.« »Die Ausgangslage erschien ihm vielversprechend.« sind für uns also nicht von Interesse. Die Vorkommnisse, um die es uns geht, finden sich in Sätzen wie: 2 »Die Melone erscheint reif.« »Es erscheint so, als würde die Sonne hinter dem Horizont versinken.« »Die Wand erschien ihm rot, obwohl er wusste, dass sie weiß war.« Der Grund für die Verwendung des Ausdrucks »Wahrnehmungsepisoden« an Stelle von »Wahrnehmungen« ist folgender: »Wahrnehmen« ist in seiner alltäglichen Verwendung ein Erfolgswort. D. h. wenn es im alltäglichen Sinn verwendet wird, zählen Halluzinationen und eventuell Illusionen nicht zu den Wahrnehmungen. Der Ausdruck »Wahrnehmungsepisoden« soll deutlich machen, dass es hier ausdrücklich auch um die Zuschreibungen von Halluzinationen und Illusionen geht. 2 In vielen dieser Sätze würde man im Alltag eher den Ausdruck »aussehen« (oder vielleicht »scheinen«) verwenden. Um keine unnötige Verwirrung zu stiften, werde ich dennoch auch dann den Ausdruck »erscheinen« verwenden, wenn es ein wenig holperig klingt. 1
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2 · Drei Sinne von »erscheinen«
Wie von verschiedenen Autoren festgestellt wurde, kommt der Ausdruck »erscheinen« jedoch auch in Zuschreibungen von Wahrnehmungsepisoden in verschiedenen Verwendungsweisen vor. 3 Vor diesem Hintergrund ist es zunächst einmal wichtig, ein mögliches Missverständnis auszuräumen. Die verschiedenen Verwendungsweisen von »erscheinen« stehen keineswegs für verschiedene metaphysische Arten von Zuständen des Erscheinens. Es gibt vielmehr nur eine Art von Zuständen des Erscheinens und der Ausdruck »erscheinen« bezieht sich in jeder seiner Verwendungsweisen auf verschiedene Weise auf diese Art von Zuständen des Erscheinens. 4 Sobald dies klar ist, können wir zwischen zwei Arten von Begriffen unterscheiden, die durch die genannten Verwendungsweisen von »erscheinen« ausgedrückt werden: Unter Begriffe der einen Art fallen Zustände des Erscheinens, insofern diese irgendwelche kontingenten Eigenschaften aufweisen. Unter Begriffe der zweiten Art fallen sie, insofern sie eben Zustände des Erscheinens sind. Zur Verdeutlichung dieser Unterscheidung betrachte man das folgende einfache Beispiel: Angenommen, Blau sei Caesars Lieblingsfarbe. Dann fällt die Farbe Blau sowohl unter den Begriff Caesars Lieblingsfarbe als auch unter den Begriff Blau. Unter den ersten Begriff fällt sie jedoch nur, insofern sie zufällig die Farbe ist, die Caesar am liebsten mag. Unter den zweiten dagegen fällt sie, insofern sie die Farbe ist, die sie eben ist. Der Begriff des Erscheinens, der für uns interessant ist, ist natürlich der, der sich in dieser Hinsicht so verhält wie der Begriff Blau und nicht wie der Begriff Caesars Lieblingsfarbe. Im Anschluss an Roderick Chisholm ist es üblich, zwischen drei Verwendungsweisen von »erscheinen« in Zuschreibungen von Wahrnehmungsepisoden zu unterscheiden: der komparativen, der epistemischen und der phänomenalen Verwendungsweise. 5 Wir werden uns diese Unterteilung zu eigen machen, sie jedoch etwas anders auslegen, als es üblich ist. Für gewöhnlich wird zunächst eine Erläuterung des Gehaltes aller drei Verwendungsweisen angeboten. Dabei wird der phänomenale Sinn zum Beispiel als derjenige Sinn charakterisiert, der sich auf Zustände des Erscheinens anhand ihrer phänomenalen QualiVgl. z. B. Austin (1962), Chisholm (1957) oder Jackson (1977). Vgl. Alston (1998), S. 79 und (2002), S. 76. 5 Vgl. Chisholm (1957), S. 43 ff. Die Bezeichnung »phänomenale Verwendungsweise« findet sich bei Chisholm noch nicht. Sie geht wohl auf Frank Jackson zurück (vgl. Jackson (1977)). Inzwischen hat sie sich durchgesetzt (vgl. z. B. Alston (2002), Lanz (1996) oder Maund (1986)). 3 4
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2 · Drei Sinne von »erscheinen«
tät bezieht. 6 Wir werden dagegen in Bezug auf den phänomenalen Sinn zunächst von einer Charakterisierung des Gehaltes absehen. Wir legen stattdessen fest, dass er derjenige Sinn ist, durch den der gesuchte Begriff des Erscheinens ausgedrückt wird (d. h. der Begriff, unter den Zustände des Erscheinens fallen, insofern sie Zustände des Erscheinens sind) – welcher auch immer das sein mag. 7 Durch diese Festlegung wird es zu einer offenen Frage, ob zum Beispiel der komparative oder der epistemische Sinn mit dem phänomenalen Sinn identisch ist oder nicht. Der Grund für diese Vorgehensweise ist schlicht, dass eine Charakterisierung des Gehaltes des phänomenalen Sinns nichts anderes als das zentrale Anliegen der vorliegenden Arbeit ist. Viele Autoren haben die Unterscheidung zwischen der komparativen, der epistemischen und der phänomenalen Verwendungsweise insofern bestritten, als sie die Ansicht vertreten haben, die komparative oder die epistemische Verwendungsweise seien die phänomenale Verwendungsweise (im eben erläuterten Sinn). 8 Gegen diese Ansicht zu argumentieren, wird das Hauptanliegen dieses Kapitels sein. 9 Die Frage, ob die komparative oder die epistemische Verwendungsweise die phänomenale Verwendungsweise sind, lässt sich am
Vgl. Alston (2002), S. 74. Es gibt auch andere Arten, diesen Sinn zu charakterisieren, vgl. z. B. Jackson (1977), S. 33. 7 Dabei gehe ich von der nicht selbstverständlichen Voraussetzung aus, dass es eine alltagssprachliche Verwendungsweise gibt, die den so verstandenen phänomenalen Begriff des Erscheinens ausdrückt. 8 Das ist so nicht vollkommen korrekt. Die phänomenale Verwendungsweise haben wir als diejenige Verwendungsweise charakterisiert, durch die derjenige Begriff des Erscheinens ausgedrückt wird, unter den Zustände des Erscheinens fallen, insofern sie die Zustände sind, die sie sind. Einige der Autoren, denen ich diese Auffassung zuschreiben werde, bestreiten jedoch ausdrücklich, dass »erscheinen« für einen mentalen Zustand steht. Um die Ansicht dieser Autoren nicht von vornherein auszuschließen, dürfte in der Charakterisierung der phänomenalen Verwendungsweise also strenggenommen nicht von Zuständen die Rede sein. Mir scheint aber, dass wir an dieser Stelle über diesen Punkt hinweggehen können, ohne Missverständnisse zu provozieren. Zu verschiedenen Versionen der genannten Auffassung vgl. dann z. B. Armstrong (1968), Blumenfeld (1979), Dennett (1992), Hacker (1987), Pitcher (1971), Roxbee-Cox (1971) oder Ryle (1965). 9 Strenggenommen wäre der phänomenale Sinn dadurch allerdings noch nicht eindeutig identifiziert. Denn die Möglichkeit, dass es neben der komparativen und der epistemischen Verwendungsweise noch mehr als einen Kandidaten gibt, wäre noch nicht ausgeschlossen. Sollte dies der Fall sein, müsste eine entsprechende Argumentation wiederholt werden. Bei allen mir bekannten Kandidaten ist es jedoch offenkundig, dass das Ergebnis dasselbe sein wird (vgl. z. B. Alston (2002), S. 74 f.). 6
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2 · Drei Sinne von »erscheinen«
besten anhand eines Beispielsatzes diskutieren. Wir wollen für diesen Zweck den folgenden Satz verwenden: 10 (1) »Die Wand erscheint mir (als) rot.« Zunächst einmal können wir zwischen einer de re- und einer de dictoLesart von Satz (1) unterscheiden. Wir erhalten: (1-de dicto) »Es erscheint mir, als gäbe es (da) eine Wand, die rot ist.« (1-de re) »Es gibt eine Wand, und diese Wand erscheint mir (als) rot.« Die Wahrheit von (1–de dicto) ist damit kompatibel, dass keine Wand existiert, für die gilt, dass sie mir erscheint. Damit wird die Möglichkeit zugelassen, dass (1) die Zuschreibung einer halluzinatorischen Wahrnehmungsepisode ist. Die Wahrheit von (1–de re) dagegen schließt eben dies aus, da (1–de re) nicht damit kompatibel ist, dass keine Wand existiert, für die gilt, dass sie mir erscheint. Der Einfachheit halber wollen wir (1) im Folgenden ausschließlich im Sinne von (1–de re) lesen. Die Unterschiede in den Lesarten von Lutz (1), für die wir uns interessieren, sind jedoch andere. Sie beruhen auf verschiedenen Lesarten des Ausdrucks »erscheinen«. In den folgenden beiden Abschnitten werden wir uns mit der komparativen und der epistemischen Lesart von Satz (1) befassen.
2.1 Der komparative und der phänomenale Sinn Zunächst zum komparativen Sinn von »erscheinen«: Gemäß dem komparativen Sinn ist (1) gleichbedeutend mit (1K) »Die Wand erscheint mir so, wie mir rote Dinge unter Standardbedingungen erscheinen.« In (1K) charakterisiert der Sprecher die Art, wie ihm die Wand erscheint, durch einen Vergleich. Er sagt, dass sie auf eine Art erscheint, die genauso ist, wie die Art, auf die ihm unter Standardbedingungen Die Wahl dieses Satzes ist natürlich nicht vollkommen willkürlich. Für gewöhnlich wird angenommen, dass nur solche Zuschreibungen von Zuständen des Erscheinens eine phänomenale Lesart zulassen, in denen jemandem das Erscheinen sog. sensorischer Eigenschaften (zum Begriff der sensorischen Eigenschaften siehe Abschnitt 6.4.1) zugeschrieben wird. Es ist daher sinnvoll, dass auch unser Beispielsatz diese Bedingung erfüllt. Und da Farben als typische Beispiele sensorischer Eigenschaften gelten, ist genau dies der Fall.
10
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Der komparative und der phänomenale Sinn
Dinge erscheinen, die rot sind. Die Art des Erscheinens, die hier die Vergleichsgröße bildet, weist drei wichtige Aspekte auf. Erstens: Es handelt sich um eine Art, wie Dinge erscheinen, die tatsächlich die Eigenschaft aufweisen, von der in dem Satz die Rede ist – in diesem Fall: eine Art, wie Dinge erscheinen, die tatsächlich rot sind. 11 Zweitens: Die Art, wie Dinge, die tatsächlich eine bestimmte Eigenschaft aufweisen, jemandem erscheinen, hängt von den Bedingungen ab, unter denen sie demjenigen erscheinen. Der Begriff der Art, wie Dinge mit einer bestimmten Eigenschaft jemandem erscheinen, muss daher eine Relativierung auf bestimmte Bedingungen enthalten. Für die Interpretation von (1) im komparativen Sinn bedeutet das, dass (1) nur dann eine bestimmte Art des Erscheinens benennen kann, wenn die Bedingungen der Art des Erscheinens, mit der verglichen wird, festgelegt sind. Satz (1K) wird dem gerecht, indem er (explizit) auf Standardbedingungen verweist. Das entspricht der normalen Interpretation, von der auch wir hier ausgehen wollen. 12 Drittens: Während die Abhängigkeit von Umweltbedingungen von allen Autoren hervorgehoben wird, ist eine zweite Abhängigkeit nicht immer erkannt worden. Auf sie weist Frank Jackson nachdrücklich hin: »There is a further respect in which the way an F normally looks is relative, namely to persons: the way an F normally looks in a given set of circumstances to one person may be very different to the way it looks to another person in the same circumstances. […] For example, when I say that Irish tweed looks like Harris tweed, I mean to normal persons; and when an expert on tweeds says they look quite different, he means to a tweed expert.« 13
Die Art des Erscheinens, mit der in der komparativen Interpretation verglichen wird, muss also auch auf Personen relativiert werden. Auch dieser Aspekt taucht in (1K) explizit auf. Dort wird auf den Sprecher relativiert. 14 Vgl. dazu auch Chisholm (1957), S. 46. Selbstverständlich lässt der komparative Sinn auch die Relativierung auf andere Bedingungen zu. Welche Relativierung der Sprecher jeweils wählen sollte, hängt davon ab, was er mit dem entsprechenden Satz sagen möchte (vgl. auch Chisholm (1957), S. 45 f. und Jackson (1977), S. 32). 13 Jackson (1977), S. 32. 14 Wie Jacksons Beispiel bereits deutlich macht, gilt auch hier, dass andere Interpretationen möglich sind. So kann beispielsweise auch auf eine bestimmte Gruppe von Personen, wie etwa die Gruppe der normalsichtigen Personen, relativiert werden. Dann erhalten wir z. B.: (1K)* »Die Wand erscheint mir so, wie normalsichtigen Personen rote Dinge unter Standardbedingungen erscheinen« 11 12
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2 · Drei Sinne von »erscheinen«
Kann der komparative Sinn von »erscheinen« nun der phänomenale Sinn sein? Machen wir uns zunächst klar, was dafür der Fall sein muss beziehungsweise was nicht der Fall sein darf. Da der phänomenale Sinn von »erscheinen« für Zustände des Erscheinens als solche steht, darf er nicht auf andere Sinne von »erscheinen« reduzierbar sein. Genau diese Bedingung erfüllt der komparative Sinn von »erscheinen« jedoch nicht. In (1K) wird die Art, wie dem Sprecher die Wand erscheint, mit der Art verglichen, wie ihm rote Dinge unter Standardbedingungen erscheinen. Es werden also zwei verschiedene Arten, wie etwas erscheint, miteinander verglichen. Wie aber soll man die Begriffe dieser Arten, wie etwas erscheint, jeweils verstehen? Würde man sie ebenfalls komparativ deuten, hieße das: In jedem dieser beiden Begriffe würde eine Art, wie etwas erscheint, wiederum durch einen Vergleich mit einer anderen Art, wie etwas erscheint, spezifiziert werden. Dann würde sich aber erneut die Frage stellen, wie man den Begriff dieser Art, wie etwas erscheint, jeweils verstehen soll … usw. Man geriete in einen infiniten Regress. Daher gilt, was Barry Maund sagt: »The ways of looking that the comparative use compares must be non-comparative ways of looking.« 15
Das bedeutet: Der komparative Sinn von »erscheinen« ist mit Hilfe eines nicht-komparativen Sinns analysierbar. Und daher kann er selbst nicht der phänomenale Sinn sein.
2.2 Der epistemische und der phänomenale Sinn Damit zum epistemischen Sinn. In Sätzen, in denen »erscheinen« im epistemischen Sinn verwendet wird, wird die Art, wie jemandem etwas erscheint (in einer noch zu erläuternden Weise), mit Bezug auf dessen Überzeugungen bestimmt. Eine erste, dieser Idee entsprechende Paraphrase von (1) ist die folgende: (1E) »Die Wand erscheint mir so, dass ich glaube, dass sie rot ist.« In Bezug auf (1E) sind zwei Punkte von Bedeutung. Erstens: In (1E) wird dem Subjekt eine Überzeugung zugeschrieben, dass etwas Bestimmtes der Fall ist (dass die Wand rot ist). Und die wahrheitsge15
Maund (1986), S. 171.
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Der epistemische und der phänomenale Sinn
mäße Zuschreibung einer Überzeugung impliziert, dass das Subjekt dieser Überzeugung über die Begriffe verfügt, die deren Inhalt bilden (hier: der Begriff der (einer) Wand sowie der Begriff des Rot-Seins). 16 Zweitens: Dass die Wand dem Subjekt in (1E) so erscheint, wie sie ihm erscheint, stellt für dieses Subjekt eine Evidenz dar, zu glauben, dass die Wand rot ist. 17 Könnte der in (1E) enthaltene epistemische Sinn eventuell der gesuchte phänomenale Sinn sein? Dagegen lässt sich ein Einwand vorbringen, der analog zu dem oben vorgebrachten Einwand gegen die entsprechende Annahme bezüglich des komparativen Sinnes ist. Wie wir festgestellt haben, ist in (1E) enthalten, dass die Art, wie die Wand dem Sprecher erscheint, der Grund für seine Überzeugung ist, dass die Wand rot ist. Die Relation der Begründung ist jedoch eine Relation, die zwischen verschiedenen mentalen Zuständen (kraft ihrer Gehalte) besteht. (1E) setzt also voraus, dass es eine von der fraglichen Überzeugung des Sprechers unabhängige Art gibt, wie ihm die Wand erscheint. Ein Begriff dieser Art, wie ihm die Wand erscheint, kann aber natürlich nicht wiederum der durch (1E) selbst ausgedrückte epistemische Sinn von »erscheinen« sein. 18 (1E) setzt also die Existenz eines Sinnes von »erscheinen« voraus, der von dem in (1E) selbst ausgedrückten Sinn verschieden ist. Und das bedeutet:
Dies gilt selbstverständlich unabhängig von der Tatsache, dass in diesem Fall das Subjekt zufällig auch der Sprecher des Satzes ist und als solcher ohnehin über die fraglichen Begriffe verfügen muss. 17 Wie oben bereits angesprochen, ist es Teil der Wahrheitsbedingungen von (1) in der de re Lesart, dass der Sprecher tatsächlich die Wand wahrnimmt. Das bedeutet für (1E), dass es auch die Wahrnehmung der Wand sein muss, die der Grund für den Glauben des Sprechers ist. Das unterscheidet (1E) von »Es erscheint mir so, dass ich glaube, dass die Wand rot ist.« oder »Es erscheint mir so, als wäre die Wand rot.« Diese Sätze können, anders als (1E), auch dann wahr sein, wenn nicht die Wahrnehmung der Wand selber, sondern irgendeine andere Wahrnehmung der Grund für den Glauben des Sprechers ist, dass die Wand rot ist. Im vorliegenden Fall bräuchte man etwas Phantasie, um sich auszumalen, welche Wahrnehmung das sein könnte. In anderen Fällen ist es jedoch unproblematisch. So z. B. in: »Es erscheint mir so, als würde der Zug fahren« Diesen Satz könnte jemand wahrheitsgemäß äußern, während er aus dem Zugfenster herausschaut. Die Wahrnehmung, die dann der Grund für seinen Glauben wäre, dass der Zug fährt, wäre jedoch keine Wahrnehmung des Zuges (vgl. Maund (2003), S. 137). 18 Vgl. Maund (1986), S. 172. 16
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2 · Drei Sinne von »erscheinen«
Auch der in (1E) ausgedrückte epistemische Sinn von »erscheinen« ist mit Hilfe eines nicht-epistemischen Sinnes analysierbar. Diese Art von Einwand lässt sich leicht verallgemeinern. Jeder Sinn von »erscheinen«, der durch eine Paraphrase von (1) ausgedrückt wird, in der der Ausdruck »erscheinen« selbst wiederum vorkommt, lässt sich durch einen anderen Sinn von Erscheinen analysieren. Und dementsprechend kann kein Sinn von »erscheinen«, für den dies gilt, der phänomenale Sinn von »erscheinen« sein. Wenn der epistemische Sinn also der phänomenale Sinn sein soll, muss es eine dem epistemischen Sinn entsprechende Paraphrase von (1) geben, in der der Ausdruck »erscheinen« selbst nicht wiederum vorkommt. Und in der Tat sind entsprechende Vorschläge vorgebracht worden. Diesen Vorschlägen wollen wir uns jetzt zuwenden. Um sie von Vorschlägen der soeben diskutierten Art zu unterscheiden, wollen wir sie als radikale Vorschläge beziehungsweise radikale Interpretationen bezeichnen. Den Hintergrund für Vorschläge dieser Art bilden Theorien der Wahrnehmung, in denen die Annahme bestritten wird, Wahrnehmungen seien eigenständige, von Überzeugungen verschiedene mentale Zustände. Die bekannteste Version eines solchen Vorschlages stammt von David Armstrong. 19 An ihr werde ich mich bei der folgenden Darstellung und Diskussion der radikalen Interpretation orientieren. Armstrong formuliert seine Kernthese wie folgt: »[…] perception is nothing but the acquiring of true or false beliefs concerning the current state of the organism’s body and environment. […] Veridical perception is the acquiring of true beliefs, sensory illusion the acquiring of false beliefs.« 20
Gemäß dieser Theorie sind Wahrnehmungen zwar nicht mit Überzeugungen identisch, sie sind aber auch keine von Überzeugungen verschiedene mentale Zustände. Vielmehr sind sie überhaupt keine mentalen Zustände, sondern Ereignisse. 21 Genauer: sie sind Ereignisse des Hervorbringens von Überzeugungen (d. i. einer bestimmten Zu verwandten Vorschlägen vgl. insbesondere Pitcher (1971), Ryle (1956) und Roxbee-Cox (1971). 20 Armstrong (1968), S. 209. 21 Vgl. Armstrong (1968), S. 214. Ansätze, Wahrnehmungen direkt mit Arten von Überzeugungen zu identifizieren, sind relativ selten. Eine Autorin, die in jüngerer Zeit ausführlich für eine entsprechende These argumentiert hat, ist jedoch Kathrin Glüer (vgl. Glüer (2009)). 19
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Der epistemische und der phänomenale Sinn
Art von Zuständen) am Ende einer bestimmten Art von Kausalkette. Es wird hilfreich sein, einen Ausdruck für diese Art der Kausalkette zur Verfügung zu haben. Daher werde ich im Folgenden davon sprechen, dass das jeweilige Subjekt der Überzeugung kausalw affiziert wird. 22 Aus dem Ereignischarakter von Wahrnehmungen ergibt sich, dass sie nicht im selben Sinn Inhalte haben wie Überzeugungen und andere mentale Zustände. Letztere fasst Armstrong als Dispositionen auf. Welchen Inhalt sie haben, hängt dementsprechend davon ab, welche Disposition sie sind (d. i. in welchen Verhaltensweisen sie sich manifestieren). Wahrnehmungen dagegen haben nur insofern einen bestimmten Inhalt, als sie eine Überzeugung mit einem bestimmten Inhalt hervorbringen. Dass eine Wahrnehmung zum Beispiel von einer Wand und deren Röte handelt, bedeutet in etwa so viel wie: Sie ist das Hervorbringen einer Überzeugung, dass da eine rote Wand ist, durch eine kausalew Affizierung des Subjektes der Überzeugung. Daraus ergeben sich einige Bedingungen für eine Interpretation von (1), im Rahmen dieser Theorie. Zunächst einmal gilt: Da (1) ein Bericht über eine Wahrnehmung ist, muss es sich um einen Bericht über ein Ereignis handeln, und zwar ein Ereignis des Kausalw-Affiziert-Werdens. Satz (1) ist aber offenbar auch ein Bericht über den Inhalt der Wahrnehmung beziehungsweise über die Wahrnehmung, insofern sie einen bestimmten Inhalt hat. In Satz (1) wird berichtet, dass es sich um eine Rot-Wahrnehmung handelt. Das bedeutet für die gesuchte Interpretation, dass es sich auch um einen Bericht über die (vermeintlich) hervorgebrachte Überzeugung handeln muss, kraft derer die Wahrnehmung ihren Inhalt hat. Der folgende Satz bietet sich daher als vorläufige Interpretation an: (1ER) »Die Wand affiziert mich kausalw so, dass ich glaube, dass sie rot ist.« In (1ER) ist der Ausdruck »erscheinen« ganz verschwunden. Das entspricht genau der Idee der radikalen Interpretation. Der Wortlaut von (1) (»Die Wand erscheint mir rot.«) legt den Eindruck nahe, »erscheinen« beschreibe einen eigenständigen mentalen Zustand (eine WahrVon welcher Art eine Kausalkette, an deren Ende ein Wahrnehmungsereignis steht, sein muss, deutet Armstrong selber nur an. Notwendig, aber, nach Armstrong, nicht hinreichend, ist natürlich, dass sie von dem wahrgenommenen Objekt ausgeht (vgl. Armstrong (1968), S. 229 ff.). Zudem kann man sagen, dass sie, im Fall einer visuellen Wahrnehmung, normalerweise durch die Augen verläuft. Armstrong zögert allerdings, dies ebenfalls als eine notwendige Bedingung anzuerkennen (vgl. ebenda, S. 211 f.).
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2 · Drei Sinne von »erscheinen«
nehmung) mit dem Inhalt, dass die Wand rot ist. Gemäß Armstrongs Theorie ist jedoch genau dieser Eindruck verfehlt. Sätze, die den Ausdruck »erscheinen« enthalten, müssen vielmehr als Kurzformen komplexerer Sätze gelesen werden, in denen ausschließlich von Ereignissen und Überzeugungen die Rede ist. An dieser Stelle tritt allerdings ein anderes Problem auf. (1ER) ist einfach keine adäquate Interpretation von (1). Denn es gibt offenkundig Situationen, in denen jemandem eine Wand rot erscheint (d. i. in denen (1) wahr ist), ohne dass derjenige glaubt, dass sie rot ist (d. i. ohne, dass (1ER) wahr ist). Lässt sich dieses Problem eventuell beheben, indem man die radikale Interpretation verbessert? Dazu sind zwei Vorschläge gemacht worden. Der erste Vorschlag besteht darin, die in (1ER) enthaltene epistemische Behauptung abzuschwächen. Danach lässt sich (1) paraphrasieren als: 23 (1ER)* »Die Wand affiziert mich kausalw so, dass ich geneigt bin zu glauben, dass sie rot ist.« (1ER)* ist zweifellos eine Verbesserung gegenüber (1ER). Es gibt Situationen, in denen bei jemandem zwar eine Neigung vorhanden ist, etwas zu glauben, derjenige es aber dennoch nicht glaubt, weil hinreichend starke Gründe dagegen sprechen. 24 Eine befriedigende Interpretation von (1) ist jedoch auch (1ER)* nicht. Man stelle sich die folgende mögliche Situation vor: Der Sprecher ist eine Person mit guten Kenntnissen optischer Effekte, der sich wissentlich eine Brille mit roten Gläsern aufgesetzt hat. Mit dieser Brille blickt er nun auf eine ihm wohlbekannte weiße Wand. Es gibt, so würden wohl die meisten sagen, 25 einen Sinn, in dem (1) in dieser Situation wahr ist. Dasselbe gilt allerdings nicht für (1ER)*. Denn der Sprecher wird – aufgrund seiner Kenntnisse optischer Effekte, seines Wissens darum, dass er eine rote Brille trägt sowie seiner Bekanntschaft mit der fraglichen Wand – nicht nur nicht glauben, dass die Wand tatsächlich rot Der Vorschlag ist selbstverständlich auch auf die nicht-radikale Interpretation anwendbar. Wir erhielten dann: (1E)* »Die Wand erscheint mir so, dass ich geneigt bin zu glauben, dass sie rot ist« 24 Zum Konzept der Neigung, etwas zu glauben, vgl. Armstrong (1968), S. 221 sowie Pitcher (1971), S. 93. 25 Wer das nicht sagen möchte (etwa, weil er lediglich eine Beschreibung wie »Die Wand erscheint weiß-durch-rote-Brillengläser« o. ä. für adäquat hält), möge sich ein Beispiel vorstellen, in Bezug auf das er bereit ist, etwas Entsprechendes zu sagen. Ich gehe hier davon aus, dass es solche Beispiele gibt. 23
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Der epistemische und der phänomenale Sinn
ist, er wird auch nicht geneigt sein, dies zu glauben. 26 (1ER)* ist also keine adäquate Interpretation von (1). 27 Damit zum zweiten Vorschlag zur Verbesserung von (1ER). Er wird von Armstrong vorgebracht und ist dementsprechend im Rahmen von dessen Theorie formuliert. Armstrong gesteht zu, dass es Wahrnehmungen gibt, die in uns nicht einmal die Neigung hervorrufen, etwas Bestimmtes zu glauben. 28 Er schlägt daher eine kontrafaktische Analyse von Sätzen wie (1) vor: »[…] in such cases of perception without belief and even without inclination to believe, it is possible to formulate a true counterfactual statement of the form. ›But for the fact that the perceiver had other, independent, beliefs about the world, he would have acquired certain beliefs – the beliefs corresponding to the content of his perception‹.« 29
Das ist natürlich nicht notwendigerweise der Fall. Die genannten Aspekte dieser Situation (die Kenntnisse optischer Effekte auf Seiten des Sprechers, sein Wissen darum, dass er eine rote Brille trägt …) legen es lediglich nahe, dass der Sprecher nicht glaubt, dass die Wand tatsächlich rot ist. Selbstverständlich kann man die Beschreibung der Situation aber in einer Weise erweitern, dass dies nicht mehr gilt. Man könnte beispielsweise annehmen, dass der Sprecher einem wunderlichen Aberglauben verfallen ist, der besagt, dass zu einer bestimmten Tageszeit alle Gegenstände eine blass-rote Farbe annehmen und dass es Glück bringt, in diesem Zeitraum eine Brille mit roten Gläsern zu tragen (o. ä.). In einer solchen Situation würde der Sprecher zu der fraglichen Tageszeit sehr wohl glauben beziehungsweise geneigt sein zu glauben, dass die Wand rot ist ((1ER)* wäre dann wahr). Das Argument bleibt dadurch aber natürlich unberührt. Für den Erfolg des Argumentes ist es ausreichend, dass es mindestens eine mögliche Situation gibt, in der (1) in einer Lesart wahr ist, (1ER)* jedoch nicht. 27 An dieser Stelle sei noch auf einen anderen, sehr nahe liegenden, Einwand hingewiesen. Er findet sich beispielsweise bei Peter Lanz (vgl. Lanz (1996), S. 34 f.). Lanz wendet ein, dass die Wahrheit jeder Analyse von (1) gemäß dem epistemischen Sinn voraussetzt, dass das fragliche Subjekt über die in der zu erwerbenden Überzeugung enthaltenen Begriffe verfüge, dass eine entsprechende Voraussetzung für die Wahrheit von (1) jedoch nicht gelte. Ich halte diesen Einwand für berechtigt. Allerdings ist die Prämisse, auf der er beruht, nicht unumstritten. Es ist nicht unumstritten, dass die Wahrheit von (1) davon unabhängig ist, ob das fragliche Subjekt über die in der fraglichen Überzeugung enthaltenen Begriffe verfügt. Nicht wenige Autoren sind der Ansicht, dass die Gehalte von Wahrnehmungen begrifflich seien und Subjekte von Wahrnehmungen daher sehr wohl über die entsprechenden Begriffe verfügen müssten (vgl. u. a. McDowell (1996), Willaschek (2003) oder Sellars (1956)). Und wir wollen an dieser Stelle nicht voraussetzen, dass diese Autoren im Unrecht sind (siehe aber Kapitel 17). 28 Vgl. Armstrong (1968), S. 222. 29 Ebenda, S. 222. 26
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2 · Drei Sinne von »erscheinen«
Wenn wir diesem Vorschlag folgen, erhalten wir als Paraphrase von (1) einen Satz der Form: (1ER)** »Die Wand affiziert mich kausalw so, dass gilt: Wenn ich nicht glauben würde, dass […], dann würde ich glauben, dass die Wand rot ist.« Dabei wird die Lücke in (1ER)** durch Beschreibungen von Überzeugungen des Sprechers gefüllt, die ihn davon abhalten, zu glauben, dass die Wand rot ist. Die Adäquatheit dieses Vorschlages ist jedoch ebenfalls zweifelhaft. Das erste Problem ergibt sich aus der Frage, welche Überzeugungen des Sprechers in einer solchen Paraphrase erwähnt werden müssen. Armstrong gibt ein Beispiel: »We might […] say among high mountains: ›If I had not been told of the effects of a clear rarefied atmosphere I should have believed the mountain was quite near‹.« 30
Der Satz, den Armstrong hier vorschlägt, soll die Paraphrase eines Satzes sein wie: (2) »Der Berg erscheint mir nahe.« Diesem Anspruch kann der Satz jedoch nicht gerecht werden. Der Satz, den Armstrong vorschlägt, mag zwar in vielen Situationen wahr sein, in denen auch (2) wahr ist. Das reicht jedoch nicht aus. Wenn es sich um eine echte Paraphrase von (2) handeln soll, muss er in allen möglichen Situationen wahr sein, in denen (2) wahr ist. Armstrongs Vorschlag erfüllt diese Bedingung jedoch nicht. Der von Armstrong vorgeschlagene Konditionalsatz ist falsch, wenn es eine mögliche Situation gibt, in der das Antezedens wahr und die Konsequenz falsch ist, das heißt, eine Situation, in der dem Sprecher nichts über die Effekte einer klaren und dünnen Atmosphäre gesagt worden ist, er aber dennoch nicht glaubt, dass die Berge nah sind. Es bedarf nur ein wenig Phantasie, sich eine solche Situation auszumalen. Der Sprecher könnte zuvor eine Landkarte der Gegend studiert haben. Er könnte am Fuß des einen Berges losgelaufen und schon zwei Tage unterwegs gewesen sein. Er könnte glauben, dass es seine neue Brille ist, die ihm die Berge nahe erscheinen lässt … usw. Selbstverständlich ließe sich der von Armstrong vorgeschlagene Satz um Beschreibungen von Überzeugungen des Sprechers erweitern, die diese Möglichkeiten ausschließen. Mit etwas mehr Phantasie ließen sich jedoch wiederum mögliche Szenarien finden, in denen Satz (2) wahr, dieser erweiterte 30
Ebenda, S. 222.
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Der epistemische und der phänomenale Sinn
Satz jedoch falsch wäre. Kurz: Es wird sich kein endlicher Konditionalsatz der von Armstrong vorgeschlagenen Art formulieren lassen, der als Paraphrase von (2) in Frage käme. Und dieses Ergebnis ist ohne Zweifel verallgemeinerbar. 31 Ein zweites Problem zeigt, so glaube ich, dass die Idee einer konditionalen Analyse nicht nur nicht hinreichend ausgearbeitet, sondern grundsätzlich verfehlt ist: 32 In Armstrongs Theorie haben Wahrnehmungen nur insofern einen Gehalt, als sie Überzeugungen hervorbringen, die einen Gehalt haben. Die kontrafaktische Analyse ist jedoch gerade eingeführt worden, um Fällen gerecht zu werden, in denen jemandem etwas erscheint, ohne dass eine Überzeugung hervorgebracht wird. In dem oben geschilderten Beispielfall etwa kommt der Sprecher nicht zu der Überzeugung (oder zu der Neigung, überzeugt zu sein), dass die Wand rot ist. Daraus würde, im Rahmen von Armstrongs Theorie, jedoch folgen, dass die Wahrnehmung in dieser Situation keinen Gehalt hat – zumindest nicht den Gehalt, dass die Wand rot ist. Denn ein Ereignis des Kausalw-Affiziert-Werdens kann nicht dadurch einen Gehalt erhalten, dass ein Ereignis der (vermeintlich) selben Art in einer anderen bloß möglichen Situation, in der es eine Überzeugung verursacht, einen Gehalt hat. Dieses Ergebnis widerspricht jedoch klar den Tatsachen. Es ist zwar eine umstrittene Frage, was der Gehalt von Wahrnehmungen ist – unumstritten ist jedoch, dass jede Wahrnehmung irgendeine Art von Gehalt hat. Das gilt unabhängig davon, ob die jeweilige Person aufgrund dieser Wahrnehmung etwas Entsprechendes glaubt, geneigt ist, etwas Entsprechendes zu glauben, oder keines von beidem der Fall ist. Dadurch wird der grundsätzliche Fehler in der Idee der kontrafaktischen Analyse erkennbar. Im Rahmen einer Theorie wie der Armstrongs, die den Gehalt von Wahrnehmungen mit dem Gehalt der von ihnen hervorgebrachten Überzeugungen identifiziert, lässt sich die Tatsache, dass eine tatsächliche Wahrnehmung einen Gehalt hat, auch nur dadurch erklären, dass sie tatsächlich eine Überzeugung hervorbringt. Armstrongs kontrafaktische Analyse kann dieser Tatsache aber aus prinzipiellen Gründen nicht gerecht werden. Damit kann auch der Versuch einer radikalen Interpretation als gescheitert angesehen werden. Weder mit Hilfe des Begriffes der NeiDas ist u. a. auch von Jackson überzeugend gezeigt worden (vgl. Jackson (1977), S. 40 ff.). 32 Zum Folgenden vgl. auch Lanz (1996), S. 33 f. 31
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2 · Drei Sinne von »erscheinen«
gung, etwas zu glauben, noch mit Hilfe kontrafaktischer Konditionalsätze ist es möglich, (1) auf eine Weise zu analysieren, dass es sich nicht mehr um einen Bericht über eine Wahrnehmung, verstanden als eigenständigen mentalen Zustand, handelt. Wir sind somit in der Lage, das folgende Ergebnis festzuhalten: Keine der Spielarten des komparativen oder des epistemischen Sinnes, die wir kennengelernt haben, kommt als phänomenaler Sinn in Frage. Einige sind durch einen grundlegenderen Sinn von »erscheinen« analysierbar. Und die, für die dies nicht gilt, sind inadäquat. Die Begriffe, die der Ausdruck »erscheinen« in seiner epistemischen, komparativen und phänomenalen Verwendungsweise ausdrückt sollen im Folgenden epistemische, komparative und phänomenale Erscheinens-Begriffe heißen. Das Verhältnis dieser Begriffe zueinander stellt sich nun so dar, wie William Alston (bezugnehmend auf seine Unterscheidung zwischen vier Arten von Erscheinens-Begriffen) 33 es beschreibt: »[…] my […] distinction is not between different kinds of looks, but between different ways of conceptualizing or identifying a look. When S sees a red object in standard conditions, all four concepts can be used to say, truly, how the object looks to him. Only one of the concepts, the phenomenal one, can be used to specify the intrinsic character of that look; the others identify it by its relations to other things. But it is the same look that is identified, now intrinsically and now relationally.« 34
Betrachten wir dazu noch einmal die Paraphrasen von Satz (1) für den komparativen und den epistemischen Sinn von »erscheinen«, die sich nicht als inadäquat herausgestellt haben: (1K) »Die Wand erscheint mir so, wie mir rote Dinge unter Standardbedingungen erscheinen.« (1E)* »Die Wand erscheint mir so, dass ich geneigt bin zu glauben, dass sie rot ist.«
Alston unterscheidet, neben dem phänomenalen und dem komparativen Sinn, noch einen doxastischen und einen epistemischen Sinn. Sein doxastischer Sinn entspricht unserem epistemischen Sinn, während sein epistemischer Sinn der folgenden Paraphrase von (1) entspricht: »Die Wand erscheint mir so, dass ich prima facie gerechtfertigt bin zu glauben, dass sie rot ist« (vgl. Alston (2002), S. 74 f.). Darüber, ob wir diesen vierten Sinn wirklich benötigen, lässt sich streiten. Aus ihm würde sich aber weder für das Bisherige noch für das Folgende ein entscheidender Unterschied ergeben. 34 Alston (2002), S. 76. Vgl. auch Alston (1998), S. 79. 33
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Der epistemische und der phänomenale Sinn
In beiden Paraphrasen kommt der Ausdruck »erscheinen« wieder vor, das heißt, der jeweilige Erscheinens-Begriff wird darin nicht mit Hilfe von Begriffen analysiert, die keine Erscheinens-Begriffe sind. Er wird vielmehr jeweils mit Hilfe eines anderen Erscheinens-Begriffes analysiert. Wie das jeweils geschieht, haben wir in den letzten Abschnitten gesagt. In (1K) wird der komparative Erscheinens-Begriff analysiert als Begriff eines Zustandes des Erscheinens, der in einer bestimmten Hinsicht genau so ist, wie ein bestimmter anderer Zustand des Erscheinens. Und in (1E)* wird der epistemische Erscheinens-Begriff analysiert als Begriff eines Zustandes des Erscheinens, der die Neigung hervorruft, etwas Bestimmtes zu glauben. In beiden Fällen gilt: Die Eigenschaft, die den Zustand des Erscheinens, 35 um den es jeweils geht, zu einem Zustand des Erscheinens macht, der unter den jeweiligen Erscheinens-Begriff (komparativ/epistemisch) fällt, ist eine kontingente und keine wesentliche Eigenschaft dieses Zustandes des Erscheinens. Dass ein Zustand des Erscheinens in einer bestimmten Hinsicht genau so ist, wie ein bestimmter anderer Zustand des Erscheinens, ist keine Eigenschaft, die ihn zu dem Zustand des Erscheinens macht, der er ist. Und dass ein Zustand des Erscheinens die Neigung hervorruft, etwas Bestimmtes zu glauben, ist ebenfalls keine Eigenschaft, die ihn zu dem Zustand des Erscheinens macht, der er ist. Nachdem damit das Verhältnis phänomenaler Erscheinens-Begriffe zu epistemischen und komparativen Erscheinens-Begriffen geklärt ist, stellt sich die Frage nach der positiven Charakterisierung phänomenaler Erscheinens-Begriffe. Wir können dabei zwei Fragen unterscheiden: Um was für eine Art von Begriffen handelt es sich bei phänomenalen Erscheinens-Begriffen? Und: Für was für eine Art von Eigenschaften oder Zuständen stehen phänomenale Erscheinens-Begriffe? (Oder anders ausgedrückt: Was ist phänomenales Erscheinen?) Die Antwort auf die erste Frage haben wir bereits angedeutet. Wir werden auf sie in Kapitel 3 aber ausführlich eingehen. Und die zweite Frage ist das Thema von Teil II und III dieser Arbeit.
Wenn hier und im weiteren Verlauf der Arbeit von Zuständen des Erscheinens die Rede ist, dann sind damit (selbstverständlich) die Zustände gemeint, in denen sich Subjekte befinden, wenn ihnen etwas erscheint. Es sind nicht etwa Zustände gemeint, in denen sich Gegenstände befinden, wenn sie einem Subjekt erscheinen.
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3 Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens und die Methode ihrer Beantwortung
Mit dem phänomenalen Sinn von »erscheinen« haben wir nun den Begriff vor uns, der das zentrale Thema dieser Arbeit bestimmt. 36 Es geht um die Frage: Was ist Erscheinen im phänomenalen Sinn? Oder auch: Was ist phänomenales Erscheinen? 37 Diese Frage gehört zu einem Typ von Fragen, die im Folgenden Wesens-Fragen heißen sollen. Fragen dieses Typs haben üblicherweise die Form »Was ist F (ein F, das F)?« (»Was ist Wissen?«, »Was ist Gerechtigkeit?«, »Was ist ein Mensch?«, »Was ist das Schöne?« … usw.). In Wesens-Fragen wird nach dem Wesen einer Sache gefragt. Das heißt, es wird danach gefragt, wie etwas sein muss, um ein F (Wissen, gerecht, ein Mensch, schön … usw.) zu sein. In der Frage, was phänomenales Erscheinen ist, wird also danach gefragt, wie ein Zustand sein muss, um ein Zustand des phänomenalen Erscheinens zu sein. Bevor wir uns jedoch der Beantwortung dieser Frage zuwenden können, müssen wir uns noch mit einem anderen Problem befassen. Wesens-Fragen wie die von uns gestellte werfen unweigerlich die Frage nach der richtigen Methode ihrer Beantwortung auf. Und obwohl wir an dieser Stelle keine ausführliche Methodendiskussion führen können, sollten wir auf einen zentralen Aspekt dieser Frage eingehen. Die Methode, die wir bei der Beantwortung der Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens anwenden werden, ist die Methode der Begriffsanalyse. 38 Die Methode der Begriffsanalyse Vgl. Jackson (1998), S. 30 f. Wie wir bereits angedeutet haben, wird sich diese Frage als dieselbe herausstellen, wie zwei Fragen, die häufig von ihr unterschieden werden: Was ist phänomenales Bewusstsein? Und: Was ist (nicht-begriffliche) Intentionalität? Darum soll es an dieser Stelle jedoch noch nicht gehen. 38 Begriffsanalyse ist hier in dem weiten Sinn zu verstehen, den wir in Kapitel 1 bereits skizziert haben. Die Methode der Begriffsanalyse in diesem Sinn weist viele der Beschränkungen, die mit diesem Begriff häufig assoziiert werden, nicht auf. Sie ist beispielsweise nicht auf Begriffe beschränkt, für die wir über Ausdrücke in der All36 37
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
weist jedoch ein Merkmal auf, das ihre Anwendung in der entsprechenden Debatte äußerst umstritten macht: Sie ist eine rein a priorische Methode. Heute bekennen sich viele Autoren zum sogenannten methodologischen Naturalismus, das heißt, sie vertreten die Ansicht, die Philosophie und ihre Methoden stünden in einem Verhältnis der Kontinuität zur Naturwissenschaft und ihren Methoden. 39 40 Da die Methoden der Naturwissenschaft aber empirische Methoden sind, ist der Versuch, ein philosophisches Problem allein durch Begriffsanalyse zu lösen, gemäß dieser Auffassung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Anwendung der Methode der Begriffsanalyse zur Beantwortung der Frage, was phänomenales Erscheinen ist, bedarf daher der Rechtfertigung. In diesem Kapitel werde ich versuchen, eben diese Rechtfertigung zu liefern. Zunächst einmal gilt es zu verstehen, warum wir uns zu diesem Zweck mit dem Begriff des phänomenalen Erscheinens auseinandersetzen müssen. Unsere Frage lautet: Was ist phänomenales Erscheinen? Der Ausdruck »phänomenales Erscheinen« in dieser Frage drückt einen bestimmten Begriff aus. Und dieser Begriff bestimmt, was als richtige Antwort auf die Frage zählt und was nicht. Keine tagssprache verfügen. Ebenso wenig erschöpft sie sich in der Suche nach expliziten Definitionen oder Explikationen der fraglichen Begriffe. Gemäß diesem weiten Verständnis von Begriffsanalyse besteht die Analyse eines Begriffes einfach darin, das Wissen explizit zu machen, über das man allein dadurch verfügt, dass man über diesen Begriff verfügt. Das kann auf vielfältige Weise geschehen. Im Rahmen der Methode möglicher Fälle (siehe Kapitel 1) geschieht es beispielsweise, indem für interessante mögliche Fälle festgestellt wird, ob sie etwas enthalten, was unter den fraglichen Begriff fällt oder nicht. Es kann aber auch einfach durch Erläuterungen und Umschreibungen geschehen. So verstanden steht die Methode der Begriffsanalyse auch nicht in Konkurrenz zu z. B. phänomenologischen oder transzendentalphilosophischen Methoden. Vielmehr ist es möglich und legitim, diese Methoden im Rahmen von Begriffsanalysen anzuwenden. Die Tatsache, dass die Begriffsanalyse eine apriorische Methode ist, bleibt von alldem jedoch unberührt. 39 Wie z. B. Timothy Williamson richtig bemerkt, entspricht das Philosophieren dieser Autoren allerdings nicht immer diesem Bekenntnis: »Many contemporary philosophers have some sympathy for crude empiricism, particularly when it goes under the more acceptable name of ›naturalism‹. However, that sympathy sometimes has little effect on their philosophical practice: they philosophize in the grand old manner, merely adding naturalism to their list of a priori commitments.« (Williamson (2005), S. 2). 40 Der methodologische Naturalismus geht vor allem auf W. v. O. Quine zurück (vgl. z. B. Quine (1981)). Für einen Überblick über die Diskussion um den Naturalissmus vgl. z. B. die Arbeiten in De Caro und Macarthur (2004) oder Keil und Schnädelbach (2000)).
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
Antwort, die Auskunft darüber gibt, wie etwas sein muss, um unter einen anderen Begriff zu fallen, kann eine adäquate Antwort auf diese Frage sein. Unsere Frage ist also eine Frage danach, wie etwas sein muss, um unter den Begriff des phänomenalen Erscheinens zu fallen, der in ihr ausgedrückt wird. 41 Damit wird erkennbar, dass die richtige Methode zur Beantwortung dieser Frage von der Art eben dieses Begriffes abhängt. Es hängt von der Art dieses Begriffes ab, ob man allein durch Begriffsanalyse herausfinden kann, wie etwas sein muss, um unter ihn zu fallen, oder ob dafür empirische Erkenntnisse notwendig sind. Vor diesem Hintergrund wollen wir eine vereinfachende Redeweise einführen: Eine Wesens-Frage der Form »Was ist ein F?« heiße eine Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes F. Unsere Frage, was phänomenales Erscheinen ist, ist also eine Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes des phänomenalen Erscheinens. Und das Ziel dieses Kapitels ist es zu zeigen, dass der Begriff des phänomenalen Erscheinens so ist, dass die Wesens-Frage hinsichtlich dieses Begriffes allein durch Begriffsanalyse beantwortet werden kann. In Abschnitt 3.1 werden wir klären, wie ein Begriff sein muss, damit die Wesens-Frage hinsichtlich dieses Begriffes allein durch eine Begriffsanalyse beantwortet werden kann. Das Merkmal, das diese Begriffe aufweisen müssen, werden wir Tatsächlichkeitsunabhängigkeit nennen und präzise definieren. In Abschnitt 3.2 werden wir die Diskussion der Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes des phänomenalen Erscheinens mit der etablierten und gut sortierten Debatte um die Natur sogenannter phänomenaler Begriffe zusammenführen. Und in Abschnitt 3.3 und 3.4 werden wir ausführlich
Manchmal stößt man auch in philosophischen Texten auf Überlegungen wie diese: Wenn ein Metaphysiker eine Frage der Form »Was ist ein F?« stellt, geht es ihm um Fs. Es geht ihm nicht um einen Begriff von Fs. Dementsprechend sollte er sich auch mit Fs befassen und nicht mit einem Begriff von Fs. Es sollte klar sein, dass diese Überlegung verfehlt ist. Sobald der Metaphysiker eine Frage der genannten Art stellt – und eine solche Frage muss er stellen – verwendet er einen Begriff von einem F. Und was als richtige Antwort auf die Frage gilt, hängt davon ab, welcher Begriff dies ist. Den fraglichen Begriff richtig verstanden zu haben, ist also zumindest eine notwendige Bedingung für die erfolgreiche Beantwortung der Frage. Selbstverständlich kann es passieren, dass der Metaphysiker im Verlauf der Untersuchung feststellt, dass seine ursprüngliche Frage nicht gut gestellt war (etwa, weil es keine Fs gibt, oder weil Fs aus anderen Gründen keine interessante Kategorie sind). Auch solche Erkenntnisse sind jedoch erst auf der Grundlage eines klaren Verständnisses des in der ursprünglichen Frage enthaltenen Begriffes eines Fs möglich.
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Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe
dafür argumentieren, dass phänomenale Begriffe und phänomenale Erscheinens-Begriffe tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind. In Abschnitt 3.5 schließlich werden wir auf der Grundlage der zuvor erzielten Ergebnisse eine kurze positive Charakterisierung dieser Begriffe anbieten.
3.1 Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe Wie muss ein Begriff sein, damit die Wesens-Frage hinsichtlich dieses Begriffes allein durch Begriffsanalyse beantwortet werden kann? Eine vorläufige Antwort lautet wie folgt: Der Begriff muss so sein, dass keine empirische Erkenntnis notwendig ist, um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter ihn zu fallen. Mit anderen Worten: Um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter diesen Begriff zu fallen, muss es ausreichen, über diesen Begriff zu verfügen. Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, reicht es aus, den Begriff zu analysieren, um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter ihn zu fallen. Begriffe, die die genannte Bedingung erfüllen, sollen tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe heißen. 42 Keineswegs alle Begriffe erfüllen diese Bedingung. Machen wir uns das zunächst anhand eines bekannten Beispiels klar, des Beispiels des Begriffes Wasser. Spätestens seit Hilary Putnams berühmtem Zwillingserde-Gedankenexperiment besteht Einigkeit darüber, dass die richtige Antwort auf die Frage »Was ist Wasser?« »H2O« (oder sehr ähnlich) lauten muss. 43 Mit anderen Worten: Etwas fällt genau dann unter den Begriff Wasser, wenn es die chemische Struktur H2O aufweist. Um diese Antwort geben zu können, reicht es jedoch nicht aus, über den Begriff Wasser zu verfügen. Über diesen Begriff, so können wir annehmen, haben Menschen bereits verfügt, bevor Lavoisier herausfand, dass Wasser die chemische Struktur H2O aufweist. Aber erst diese empirische Entdeckung ermöglichte es uns, die Frage, was Wasser ist (d. i. die Frage nach dem Wesen von Wasser), richtig zu beantworten. Der Begriff Wasser ist also kein tatsächlichkeitsunabhängiger Begriff. Ähnliche Beispiele ließen sich in großer Zahl anführen.
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Der Grund für diese Bezeichnung wird erst später klar werden. Vgl. Putnam (1975).
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
Die Rede von tatsächlichkeitsunabhängigen Begriffen erlaubt es uns nun, das Ziel des Kapitels präziser zu formulieren. Wir versuchen zu zeigen, dass der Begriff des phänomenalen Erscheinens ein tatsächlichkeitsunabhängiger Begriff ist. Um für diese Annahme argumentieren zu können, müssen wir jedoch zunächst genauer verstehen, was genau es bedeutet, dass ein Begriff tatsächlichkeitsunabhängig ist. Darum wird es in diesem Abschnitt gehen. Unsere vorläufige Charakterisierung lautete: Begriffe, die so sind, dass es ausreichend ist, über sie zu verfügen, um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter sie zu fallen. Um den Begriff eines tatsächlichkeitsunabhängigen Begriffes zu verstehen, gilt es also zwei Fragen zu beantworten: Was bedeutet es zu wissen, wie etwas sein muss, um unter einen Begriff zu fallen? Und: Was bedeutet es, über einen Begriff zu verfügen? Wir wollen zunächst kurz auf die erste Frage eingehen. Für ihre Beantwortung ist der Begriff des wahrheitskonditionalen Gehaltes entscheidend. Der wahrheitskonditionale Gehalt eines Begriffes ist das, was dieser Begriff zu den Wahrheitsbedingungen einer Proposition beiträgt, die ihn enthält. Der wahrheitskonditionale Gehalt eines Begriffes bestimmt damit, wie etwas sein muss, um unter diesen Begriff zu fallen. Das erlaubt es uns, eine vorläufige Antwort auf die erste Frage zu geben: Zu wissen, wie etwas sein muss, um unter einen Begriff zu fallen, bedeutet, den wahrheitskonditionalen Gehalt des Begriffes zu kennen. (Den Sinn, in dem jemand dazu den wahrheitskonditionalen Gehalt kennen muss, werden wir später allerdings noch näher spezifizieren müssen.) Betrachten wir zur Verdeutlichung die beiden folgenden Ausdrücke: (a) »Wasser« (b) »H2O« Die Begriffe, die durch diese Ausdrücke ausgedrückt werden, haben einen gemeinsamen wahrheitskonditionalen Gehalt. Das heißt, beide tragen dasselbe zu den Wahrheitsbedingungen einer Proposition bei, in der sie enthalten sind. Ihr wahrheitskonditionaler Gehalt entspricht einer Intension, die jeder möglichen Welt genau die Substanz zuordnet, die die chemische Struktur H2O aufweist. Und da der wahrheitskonditionale Gehalt auch das ist, was jemand kennen muss, um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter einen Begriff zu fallen, gilt: Zu wissen, wie etwas sein muss, um unter diese Begriffe zu fallen bedeutet, zu wissen, dass etwas die chemische Struktur H2O aufweisen muss, um unter diese Begriffe zu fallen. Dieses Beispiel verweist zudem bereits auf eine Tatsache, die im Folgenden noch eine Rolle 46 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe
spielen wird: Unter der Voraussetzung einer bestimmten Konzeption von Begriffen sind die wahrheitskonditionalen Gehalte von Begriffen nicht deren einzige Gehalte. Gemeint ist eine Konzeption, in der Begriffe durch ihre sog. kognitive Signifikanz individuiert werden. Der Kern dieser Konzeption wird durch das folgende Kriterium für Begriffsverschiedenheit eingefangen: 44 Zwei Begriffe A und B sind genau dann verschiedene Begriffe, wenn es zwei Propositionen gibt, für die gilt: (i) Sie unterscheiden sich allein dadurch, dass eine an einer oder mehreren Stellen A anstelle von B enthält und (ii) eine kann für jemanden, der über beide Begriffe verfügt, informativ sein, die andere jedoch nicht. Im Fall der Begriffe Wasser und H2O lassen sich zwei Propositionen, die (i) und (ii) erfüllen, leicht finden. Für die Propositionen Wasser ist Wasser und Wasser ist H2O gilt: (i) sie unterscheiden sich nur dadurch, dass eine Wasser anstelle von H2O enthält und (ii) die zweite, nicht aber die erste kann für jemanden, der über die Begriffe Wasser und H2O verfügt, informativ sein. Gemäß diesem Kriterium sind die Begriffe Wasser und H2O also verschiedene Begriffe. Wären die wahrheitskonditionalen Gehalte aber deren einzige Gehalte, müsste es sich um dieselben Begriffe handeln. Mindestens einer dieser Begriffe muss also noch einen weiteren Gehalt aufweisen. Bevor ich mich der zweiten Frage zuwende, was es bedeutet, über einen Begriff zu verfügen, möchte ich noch ein formales Instrument einführen, dessen ich mich im Folgenden hin und wieder bedienen werde. Wahrheitskonditionale Gehalte lassen sich formal als Intensionen darstellen. Eine Intension, die dem wahrheitskonditionalen Gehalt eines Begriffes entspricht, ist eine Funktion, die jeder möglichen Welt die Extension des jeweiligen Begriffes in dieser Welt zuordnet. Mit dem Begriff der Extensionen ist dabei eine kleinere Komplikation verbunden. Extensionen lassen sich in zwei Weisen auffassen: entweder als die Eigenschaft, die der Begriff in der jeweiligen Welt ausdrückt, oder als die Menge derjenigen Gegenstände, die dort diese Eigenschaft aufweisen. 45 Beide Optionen haben Vor- und
Vgl. Peacocke (1992), S. 2. Der Einfachheit halber untesrcheide ich hier und im Folgenden nicht zwischen Eigenschaften und Arten von Gegenständen.
44 45
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
Nachteile. Die zweite Option hat den Vorteil, dass sie die Entsprechung zwischen dem wahrheitskonditionalen Gehalt des Begriffes und der Eigenschaft, die er ausdrückt, transparent macht. Denn die Intension, die jeder möglichen Welt die Mengen der Gegenstände zuordnet, die dort die Eigenschaft aufweisen, die der Begriff ausdrückt, entspricht der Intension, durch die sich auch diese Eigenschaft selbst formal darstellen lässt. 46 Die erste Option scheint eine bessere Darstellung dessen zu ermöglichen, was der Fall ist, wenn der Begriff die Subjekt-Position in einer Proposition einnimmt. Denn in diesem Fall kann mit Ausdrücken, die diesen Begriff einnehmen, eine Referenz vollzogen werden – weshalb die Extension des Begriffes auch dem Referenten dieser Referenz entsprechen sollte. Der Referent ist in diesem Fall jedoch die Eigenschaft, die der Begriff ausdrückt, und nicht die Menge der Gegenstände, die diese Eigenschaft aufweisen. Angesichts dessen ist es sinnvoll, die Auffassung der Extension von der Rolle abhängig zu machen, die der jeweilige Begriff in einer Proposition spielt. Spielt er die Rolle des Subjektes, ist die Extension die Eigenschaft, die er ausdrückt, spielt er die Rolle des Prädikates, ist sie die Menge der Gegenstände, die diese Eigenschaft aufweisen. Im ersten Fall wollen wir sagen, dass der Begriff oder der Ausdruck auf die Eigenschaft referiert. Im zweiten Fall wollen wir sagen, dass er die Eigenschaft ausdrückt oder für sie steht. 47
3.1.1 Über Begriffe verfügen Kommen wir damit zu unserer zweiten und interessanteren Frage: Was bedeutet es, über einen Begriff zu verfügen? 48 Wir haben gesehen, dass es nicht einfach bedeuten kann, dessen wahrheitskonditionalen Gehalt zu kennen. Was aber könnte es dann bedeuten? Bei der Beantwortung dieser Frage gehe ich von der folgenden Bedingung aus, die ich die Rationalitätsbedingung nennen möchte: 49
Vgl. z. B. Nida-Rümelin (2007a), S. 311 f. Indem die Extension von der Rolle des Begriffes in der Proposition abhängt, bleibt eine große Stärke des formalen Rahmens der intentionalen Semantik bestehen: Die Relation zwischen Subjekt und Prädikat kann formal als das Enthalten-Sein der Extension des Subjektes in der Extension des Prädikates dargestellt werden. 48 Zum Folgenden vgl. auch Boghossian (1994). 49 Vgl. dazu auch White (1991b), Kap. 2 und (2010). 46 47
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Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe
Ein rationaler Sprecher verfügt genau dann über einen Begriff, wenn er in der Lage ist, diesen Begriff in rationalen Überlegungen zu verwenden, d. h. wenn ihm bestimmte logische Relationen bekannt sind, in denen dieser Begriff zu anderen Begriffen steht, über die der Sprecher ebenfalls verfügt. In einer ersten Annährung können wir also sagen, dass wir einem Sprecher nur dann den Besitz eines Begriffes F zuschreiben dürfen, wenn dieser Sprecher z. B. im Prinzip in der Lage ist, die logische Falschheit der Proposition Fa & : Fa einzusehen. Oder, angenommen der Begriff F sei in dem Begriff G enthalten, dann sind wir nur dann berechtigt, einem Sprecher den Besitz beider Begriffe zuzuschreiben, wenn dieser Sprecher im Prinzip in der Lage ist, die logische oder begriffliche Wahrheit der Proposition Ga ! Fa einzusehen. (Dass der Sprecher zu den genannten Einsichten lediglich im Prinzip in der Lage sein muss, bedeutet zunächst einmal, dass das vereinzelte Vorkommen von Fehlern uns noch nicht dazu berechtigt, ihm den Besitz der entsprechenden Begriffe abzusprechen.) Sind diese Bedingungen für einen Sprecher und eine Menge von Begriffen erfüllt, wollen wir davon sprechen, dass diese Begriffe für den Sprecher logisch transparent sind. Eine vorläufige Antwort auf unsere Frage lautet also: Ein Sprecher verfügt über einen Begriff, wenn dieser Begriff Teil einer Menge von Begriffen ist, die für ihn logisch transparent sind. Ein wichtiger Punkt, der in dieser vorläufigen Antwort deutlich wird, ist, dass ein Sprecher niemals nur über einen einzigen Begriff verfügen kann. Der unmittelbare Grund hierfür liegt in dem Begriff der logischen Transparenz. Die logischen Relationen, die einem Sprecher bekannt sein müssen, damit ein Begriff für ihn logisch transparent ist, sind überwiegend Relationen zwischen Begriffen. Der Punkt scheint mir aber auch unabhängig davon überaus plausibel zu sein. Darüber hinaus zwingen uns bestimmte Beispiele allerdingsdazu, das gewonnene Bild noch stärker zu differenzieren. Angenommen die folgenden beiden Sätze werden jeweils von einem kompetenten Sprecher des Deutschen geäußert: (1) »Diese Substanz [begleitet von einer eindeutigen Zeigegeste auf ein Vorkommnis von Wasser] ist Wasser und nicht H2O.« (2) »Ich bin traurig und der Sprecher dieser Äußerung ist nicht traurig.«
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
Zunächst zu Satz (1). In Bezug auf diesen Satz können wir zwei Dinge feststellen. Erstens, da die Ausdrücke »Wasser« und »H2O«, wie wir bereits festgestellt haben, Begriffe mit demselben wahrheitskonditionalen Gehalt ausdrücken, ist der wahrheitskonditionale Gehalt des Satzes selbstwidersprüchlich. Zweitens, es ist nicht der Fall, dass jemand, der über die Begriffe verfügt, die in der durch den Satz ausgedrückten Proposition enthalten sind, im Prinzip in der Lage sein muss, diese Selbstwidersprüchlichkeit zu erkennen. Wie sieht es bei Satz (2) aus? Hier verhält es sich genau umgekehrt. Erstens, da die Ausdrücke »ich« und »der Sprecher dieser Äußerung« Begriffe mit verschiedenem wahrheitskonditionalem Gehalt ausdrücken, ist der wahrheitskonditionale Gehalt des Satzes nicht selbstwidersprüchlich. Zweitens, es ist sehr wohl der Fall, dass jemand, der über die Begriffe verfügt, die in der durch den Satz ausgedrückten Proposition enthalten sind, im Prinzip allein dadurch in der Lage sein muss, die Falschheit des Satzes einzusehen. Die Gültigkeit der Rationalitätsbedingung vorausgesetzt, zwingen uns diese Feststellungen zu einer wichtigen Schlussfolgerung. Die logischen Relationen zwischen Begriffen, die einem Sprecher bekannt sein müssen, damit er über diese Begriffe verfügen kann, werden nicht immer durch die wahrheitskonditionalen Gehalte der fraglichen Begriffe bestimmt. Offenbar weisen einige Begriffe einen zweiten, von ihrem wahrheitskonditionalen Gehalt verschiedenen, Gehalt auf, dem diese Rolle stattdessen zukommt – der also die logischen Relationen der fraglichen Begriffe zu anderen Begriffen bestimmt, die einem Sprecher bekannt sein müssen, damit er über diesen Begriff verfügt. Für den Gehalt eines Begriffes, dem diese Rolle zukommt, wollen wir einen neuen Begriff einführen: den Begriff des kognitiven Gehaltes. Dabei gilt es zu beachten, dass durch diese Definition nicht ausgeschlossen ist, dass der wahrheitskonditionale Gehalt eines Begriffes zugleich dessen kognitiver Gehalt ist. Später werden wir feststellen, dass genau dies bei tatsächlichkeitsunabhängigen Begriffen der Fall ist. Mit dieser Differenzierung muss zudem eine Präzisierung des Begriffes der logischen Transparenz einhergehen. Es gelte: Zwei oder mehr Gehalte von Begriffen sind für einen Sprecher S genau dann logisch transparent, wenn S alle zwischen diesen Gehalten bestehenden logischen Relationen im Prinzip bekannt sind. 50 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe
Damit erhalten wir als Antwort auf unsere ursprüngliche Frage: Ein rationaler Sprecher verfügt genau dann über einen Begriff, wenn dieser Begriff Teil einer Menge von Begriffen ist, deren kognitive Gehalte für ihn logisch transparent sind. Diese Antwort, das sei betont, ist ganz und gar nicht unkontrovers. Viele Autoren halten die ihr entsprechende Konzeption eines Verfügens über einen Begriff für übertrieben anspruchsvoll. An dieser Stelle kann ich jedoch nicht ausführlich auf diese Zweifel eingehen. Stattdessen möchte ich ein etwas konkreteres Bild davon zeichnen, in welchem Sinn und auf welche Weise wir Kenntnis von den Gehalten unserer Begriffe haben. Ich hoffe, dass die vorgeschlagene anspruchsvolle Konzeption des Verfügens über einen Begriff im Rahmen dieses Bildes an Überzeugungskraft gewinnt. Das fragliche Bild ist von Autoren wie David Chalmers, Frank Jackson oder Martine NidaRümelin gründlich ausgearbeitet und verteidigt worden. 50 In seinem Zentrum steht die Idee, dass die Gehalte von Begriffen Intensionen entsprechen. Den Gehalt eines Begriffes zu kennen, muss demgemäß bedeuten, die Intension zu kennen, die diesem Gehalt entspricht. Eine Intension zu kennen bedeutet selbstverständlich nicht, sich einer unüberschaubaren Menge möglicher Welten und möglicher Gegenstände bewusst zu sein. Es bedeutet einfach, über eben die Fähigkeit zu verfügen, die es uns auch erlaubt, die Methode möglicher Fälle anzuwenden. 51 Es bedeutet: im Prinzip in der Lage zu sein, für jede vollständig beschriebene mögliche Welt zu entscheiden, welche Entitäten darin Teil der Extension sind, die die fragliche Intension dieser möglichen Welt zuordnet, und für welche das nicht gilt. Eine große Stärke dieser Explikation ist es, dass in ihr nicht gefordert wird, dass Personen, die den Gehalt eines Begriffes kennen, in der Lage sein müssen, eine explizite Analyse dieses Begriffes oder irgendetwas, was dem nahekommt, vorzulegen. Sie müssen lediglich in der Lage sein, wenn ihnen eine mögliche Situation hinreichend genau beschrieben wird, zu entscheiden, ob etwas in dieser Situation unter den fraglichen Begriff fällt und wenn ja, was unter ihn fällt. 52 53 Vgl. u. a. Chalmers (1996), (2002b), (2004) und (2012), Chalmers und Jackson (2001), Jackson (1998), (2004) und (2010) oder Martine Nida-Rümelin (2006b) und (2007). 51 Siehe Kapitel 1. 52 Vgl. z. B. Chalmers und Jackson (2001), S. 320 ff. sowie Jackson (2004), S. 271 ff. 53 Insbesondere in Bezug auf viele philosophisch interessante Begriffe aus der All50
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
Es sollte aber nicht verschwiegen werden, dass die Explikation auch zwei neuralgische Punkte aufweist. Der erste verbirgt sich hinter der Formulierung »im Prinzip …«. Diese Formulierung drückt irgendeine Art der Idealisierung aus, die notwendig ist, da wir aufgrund begrenzter kognitiver Ressourcen nicht in der Lage sind, vollständige Beschreibungen möglicher Welten zu erfassen. Neben der Frage, wie genau diese Idealisierung zu spezifizieren ist, 54 stellt sich jedoch die Frage, ob eine solche Idealisierung in einer Explikation unseres tatsächlichen Wissens um die Gehalte von Begriffen auftauchen sollte. Der zweite neuralgische Punkt betrifft das Vokabular, in dem die möglichen Welten beschrieben werden. Wenn die Explikation eine Chance haben soll, adäquat zu sein, müssen wir selbstverständlich auch den Gehalt der Begriffe kennen, die durch die Ausdrücke dieses Vokabulars ausgedrückt werden. Für unser Wissen um die Gehalte dieser Begriffe ist die vorgelegte Explikation jedoch bestenfalls trivial. Und es ist nicht zu erwarten, dass sich eine andere informative Explikation finden lässt. Unser Wissen um die Gehalte dieser Begriffe muss, so scheint es, irgendwie fundamental und nicht reduzierbar sein. 55 Damit haben wir nun die beiden eingangs des Abschnittes 3.1 gestellten Fragen beantwortet. Was bedeutet es, zu wissen, wie etwas sein muss, um unter einen Begriff zu fallen? Und: Was bedeutet es, tagssprache, scheint diese Auffassung sehr gut einzufangen, was es bedeutet, dass wir über diese Begriffe verfügen. Der Begriff Wissen ist ein gutes Beispiel. Die Diskussion um eine explizite Definition dieses Begriffes ist bis heute nicht abgeschlossen und wird möglicherweise auch zu keinem Abschluss kommen. Dennoch deutet gerade diese Diskussion darauf hin, dass wir den Gehalt des Begriffes Wissen in dem geschilderten Sinn kennen. Denn Versuche expliziter Definitionen wurden in dieser Diskussion gerade dadurch kritisiert und widerlegt, dass auf mögliche Fälle hingewiesen wurde, in denen etwas der vorgeschlagenen Definition entspricht, das eben kein Wissen ist. Die berühmten Gettier-Fälle (vgl. Gettier (1963)) sind das klassische Beispiel hierfür. Die beste Erklärung für die Tatsache, dass wir erkennen, dass die Gettier-Fälle Fälle sind, in denen kein Wissen vorliegt, ist aber, dass wir im oben geschilderten Sinn den Gehalt des Begriffes des Wissens kennen. Wir sind offenbar in der Lage, für hinreichend genau geschilderte mögliche Fälle zu entscheiden, ob darin Wissen vorliegt oder nicht (vgl. Jackson (1998), S. 28 f.). 54 Vgl. dazu insbesondere Chalmers (2012), S. 114 ff. 55 Chalmers schlägt in Anlehnung an Ideen von Carnap und Russell (vgl. Russell (1912) sowie Carnap (1928)) vor, dass diese fundamentalen Begriffe die Begriffe der Eigenschaften sind, zu denen wir in der Relation der Bekanntschaft im Sinne Russells stehen und dass wir durch eben diese Bekanntschaft mit diesen Eigenschaften die Gehalte der fundamentalen Begriffe direkt erfassen (vgl. Chalmers (2012), Kap. 8.5.).
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Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe
über einen Begriff zu verfügen? Zu wissen, wie etwas sein muss, um unter einen Begriff zu fallen, bedeutet, den wahrheitskonditionalen Gehalt eines Begriffes zu kennen und über einen Begriff zu verfügen bedeutet, dass der kognitive Gehalt dieses Begriffes für einen logisch transparent ist. Damit haben wir die Voraussetzungen für eine präzise Definition des Begriffes eines tatsächlichkeitsunabhängigen Begriffes geschaffen. Unsere vorläufige Charakterisierung war: Begriffe, die so sind, dass es ausreichend ist, über sie zu verfügen, um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter sie zu fallen. Aus den Antworten auf unsere Fragen ergibt sich also: Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind Begriffe, die so sind, dass es für jemanden ausreichend ist, dass der kognitive Gehalt eines solchen Begriffes für ihn logisch transparent ist, um den wahrheitskonditionalen Gehalt des Begriffes zu kennen. Wie Begriffe sein müssen, damit dies der Fall ist, liegt auf der Hand: Ihr wahrheitskonditionaler Gehalt muss mit ihrem kognitiven Gehalt zusammenfallen. Das heißt, ein Sprecher, der über einen solchen Begriff verfügt, darf nicht zusätzlich dazu auf empirische Erkenntnisse angewiesen sein, um zu Wissen über den wahrheitskonditionalen Gehalt des Begriffes zu gelangen. Wann aber ist das der Fall? Machen wir uns das erneut anhand unseres Beispiel-Begriffes Wasser klar: Der Begriff Wasser hat, wie jeder andere Begriff, einen bestimmten kognitiven Gehalt. Darauf, was dieser kognitive Gehalt genau ist, müssen wir uns hier nicht festlegen. Er dürfte aber etwas mit den Oberflächeneigenschaften von Wasser zu tun haben. 56 Wie wir festgestellt haben, entspricht der kognitive Gehalt des Begriffes Wasser jedoch nicht seinem wahrheitskonditionalen Gehalt. Warum ist das so? Die Antwort ist: Der wahrheitskonditionale Gehalt des Begriffes Wasser hängt von kontingenten Eigenschaften der tatsächlichen Welt ab. Er hängt zum Beispiel davon ab, welche chemische Struktur die Substanz mit den Oberflächeneigenschaften von Wasser tatsächlich hat. 57 Wäre die tatVgl. z. B. Chalmers (1996), S. 57. Daran zeigt sich, dass auch bei tatsächlichkeitsabhängigen Begriffen wie Wasser der wahrheitskonditionale Gehalt von dem kognitiven Gehalt nicht vollkommen unabhängig ist. Vielmehr gilt, dass der kognitive Gehalt die Art der Abhängigkeit des wahrheitskonditionalen Gehaltes von der Beschaffenheit der tatsächlichen Welt bestimmt. Mit anderen Worten: Der kognitive Gehalt bestimmt, in welcher Hinsicht die tatsächliche Welt anders sein müsste, damit der wahrheitskonditionale Gehalt anders wäre. Da es uns ausschließlich um tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe geht, sind dieser und andere Aspekte tatsächlichkeitsabhängiger Begriffe für uns aber nicht von
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sächliche Welt in dieser Hinsicht anders, das heißt, wäre die chemische Struktur von Wasser nicht H2O, wäre der wahrheitskonditionale Gehalt des Begriffes Wasser ebenfalls anders. 58 Und aus dieser Abhängigkeit des wahrheitskonditionalen Gehaltes von der Beschaffenheit der tatsächlichen Welt folgt, dass ein Sprecher, der über den Begriff Wasser verfügt, zusätzlich dazu auf empirische Erkenntnisse angewiesen ist, um zu Wissen über den wahrheitskonditionalen Gehalt des Begriffes zu gelangen. Offenbar unterscheiden sich der wahrheitskonditionale Gehalt und der kognitive Gehalt eines Begriffes also genau dann, wenn der wahrheitskonditionale Gehalt des Begriffes von kontingenten Eigenschaften der tatsächlichen Welt abhängt. Und sie fallen dementsprechend genau dann zusammen, wenn dies nicht der Fall ist. Wie diese Erläuterung nahelegt, lässt sich der Begriff der Tatsächlichkeitsunabhängigkeit am besten als Negation des Begriffes der Tatsächlichkeitsabhängigkeit definieren. Dabei gelte: Wenn ein wahrheitskonditionaler Gehalt W durch einen kognitiven Gehalt K bestimmt wird, ist W der wahrheitskonditionale Gehalt zu K. Wir erhalten dann: 59 Für einen Begriff B mit einem kognitiven Gehalt K und einem wahrheitskonditionalen Gehalt W zu K gilt: B ist genau dann tatsächlichkeitsabhängig, wenn gilt: Wäre die tatsächliche Welt in der durch K bestimmten Hinsicht anders, wäre nicht W, sondern ein anderer Gehalt der wahrheitskonditionale Gehalt zu K. Und dementsprechend gilt: Für einen Begriff B mit einem kognitiven Gehalt K und einem wahrheitskonditionalen Gehalt W zu K gilt: B ist genau dann tatsächlichkeitsunabhängig, wenn er nicht tatsächlichkeitsabhängig ist (das heißt, wenn es nicht der Fall ist, dass gilt: Wäre die tatsächliche Welt in einer bestimmten Hinsicht anders …).
entscheidender Bedeutung (vgl. aber u. a. Chalmers (1996), (2002b), (2004) und (2006), Haukioja (2009) und (2012) sowie Jackson (1998)). 58 Nicht alle Beispiele tatsächlichkeitsabhängiger Begriffe sind von dieser Art. Häufig hängt der wahrheitskonditionale Gehalt z. B. davon ab, wie andere Mitglieder der Sprachgemeinschaft bestimmte Ausdrücke verwenden. Die Bedeutung von tatsächlichkeitsabhängigen Begriffen dieser Art hat vor allem Tyler Burge betont (vgl. insbesondere Burge (1979)). 59 Vgl. u. a. auch Nida-Rümelin (2006b) und (2007) sowie Haukioja (2012).
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Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe
(Die Definition der Tatsächlichkeitsabhängigkeit ist bewusst so formuliert, dass in ihr nicht enthalten ist, dass der wahrheitskonditionale Gehalt zu dem kognitiven Gehalt eines Begriffes ebenfalls Bestandteil dieses Begriffes ist. Der Grund hierfür ist folgender: Später wird uns eine Klasse von Begriffen beschäftigen (sogenannte demonstrative Begriffe), die am sinnvollsten als tatsächlichkeitsabhängig klassifiziert werden, für die sich die Auffassung, sie bestünden aus einem kognitiven und einem wahrheitskonditionalen Gehalt, jedoch nicht aufrechterhalten lässt. Daher sollte die Definition in dieser Hinsicht neutral sein.)
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Exkurs 1: Kognitive Signifikanz ohne kognitiven Gehalt?
Wie ich bereits angedeutet habe, ist die in Abschnitt 3.1.1 entwickelte Auffassung darüber, was es bedeutet, über einen Begriff zu verfügen, keineswegs unumstritten. Viele der Einwände gegen diese Auffassung beruhen auf einem bestimmten Typus (vermeintlicher) Gegenbeispiele. In diesem Exkurs wollen wir ein Beispiel diskutieren, das repräsentativ für diesen Typus (vermeintlicher) Gegenbeispiele ist. Es stammt von Ned Block und ist für die Zwecke dieser Untersuchung unter anderem deswegen gut geeignet, weil es darin ebenfalls um allgemeine Begriffe und nicht um singuläre Ausdrücke geht. 60 Blocks gibt folgende Beschreibung: »An English speaker learns the term ›chat‹ from a monolingual french speaker who exhibits cats, and then is taught the term ›chat‹ again by the same forgetful teacher exhibiting the same cats. The student tacitly supposes that there are two senses of ›chat‹ that refer to creatures that are different in some respect that the student has not noticed or perhaps in some respect that the student could not have noticed, something biological beneath the surface that is not revealed in the way they look and act. We can imagine that the student retains two separate mental files for ›chat‹. Each file has some way of specifying some observable properties of chats, for example that they are furry, purr, are aloof, are called ›chat‹. Most important, each of the files says that there are two kinds of creatures called ›chat‹ : chats in the current sense are not the same as chats in the other sense. So if the student learns ›this chat = this chat,‹ where the first ›chat‹ is linked to one file, and the second is linked to the other, that will be informative.« 61
Irritierend an Blocks Schilderung ist zunächst einmal die Wahl des Beispiel-Satzes (»This chat = this chat«). Ins Deutsche übertragen bedeutet er so viel wie: »Diese Katze ist identisch mit dieser Katze.« Die Vorlage für Beispiele dieses Typs ist Saul Kripkes berühmtes Paderewski-Beispiel (vgl. Kripke (1979)). Zu weiteren Versionen derartiger Beispiele vgl. z. B. Salmon (1990) oder Schiffer (1990). 61 Block (2007a), S. 266 f. 60
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Exkurs 1: Kognitive Signifikanz ohne kognitiven Gehalt?
In dieser Lesart wäre die (mögliche) Informativität des Satzes jedoch nicht auf einen Unterschied in der kognitiven Signifikanz zwischen den beiden darin enthaltenen Vorkommnissen von »Katze« zurückzuführen. Sie wäre vielmehr auf einen Unterschied in der kognitiven Signifikanz zwischen den beiden darin enthaltenen Vorkommnissen von »diese(r)« zurückzuführen. In dem Beispiel geht es jedoch um den ersten Unterschied. Und um dem gerecht zu werden, müsste der Satz im Sinne von »Diese Katzenart ist identisch mit dieser Katzenart« oder gar »Diese mit dem Ausdruck ›Katzen‹ bezeichnete Tierart ist identisch mit dieser mit dem Ausdruck ›Katzen‹ bezeichneten Tierart« gelesen werden. Angesichts dessen ist es sinnvoll, das Beispiel leicht zu modifizieren und auf demonstrative Ausdrücke innerhalb des Beispiel-Satzes zu verzichten. Ein für die Zwecke des Beispiels besser geeigneter Satz ist: (1) »Alle Katzen sind Katzen.« 62 Nach Blocks Ansicht soll in dem Beispiel Folgendes gelten: Erstens: sobald der Lehrer dem Schüler zum zweiten Mal den Ausdruck »Katze« beigebracht hat, verfügt der Schüler über zwei Begriffe von Katzen. Zweitens: Satz (1) ist für den Schüler informativ. Oder, um den Punkt noch deutlicher zu machen, der Schüler hält zunächst (das heißt, bevor er von der Wahrheit von Satz (1) überzeugt wird) Sätze wie den folgenden für wahr: (2) »Einige Katzen sind keine Katzen.« Für ihn besteht also ein Unterschied in der kognitiven Signifikanz zwischen den beiden Vorkommnissen von »Katzen« in (1) und (2). Drittens: Die Erklärung dafür ist nicht, dass die beiden Vorkommnisse von »Katzen« in (1) und (2) sich in irgendeiner Weise in ihrem Gehalt unterscheiden. Die Erklärung für den Unterschied in der kognitiven Signifikanz zwischen den beiden Vorkommnissen von »Katzen« ist also nicht, dass es eine mögliche Welt gibt, in der sich die Menge der Tiere, die in die Extension des einen Vorkommnisses fallen, von der Menge der Tiere unterscheidet, die in die Extension des anderen Vorkommnisses fallen. 63 Inwiefern würde es sich, wenn diese Deutung des Beispiels kor-
Der Einfachheit halber verwende ich deutsche Sätze. Man möge sich die Geschichte als entsprechend angepasst denken (ein deutscher Muttersprachler statt eines französischen …). Die Wirkung des Beispiels bleibt davon natürlich unberührt. 63 An anderer Stelle drückt Block das auch so aus, dass die mit den beiden Vorkommnissen des Ausdruck assoziierten Eigenschaften dieselben sind (vgl. ebenda, S. 266). 62
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Exkurs 1: Kognitive Signifikanz ohne kognitiven Gehalt?
rekt wäre, um ein Gegenbeispiel gegen die oben skizzierte Auffassung über das Verfügen über Begriffe handeln? Nun, gemäß dieser Auffassung verfügt ein Sprecher nur dann über einen Begriff, wenn der kognitive Gehalt dieses Begriffes für ihn logisch transparent ist. Sollte Blocks Deutung seines Beispiels korrekt sein, ließe sich diese Annahme jedoch nicht aufrechterhalten. Denn gemäß dieser Deutung verfügt der Schüler über zwei Begriffe von Katzen, ohne dass die kognitiven Gehalte beider Begriffe für ihn logisch transparent wären. Das zeigt sich, nach Block, in der Tatsache, dass der Schüler Satz (2) für wahr hält. Da sich, nach Blocks Ansicht, die durch die beiden Vorkommnisse von »Katzen« in (2) ausgedrückten Begriffe in ihrem kognitiven und wahrheitskonditionalen Gehalt nicht unterscheiden, ist der Gehalt des Satzes selbstwidersprüchlich. Wären die Begriffe von Katzen, über die der Schüler angeblich verfügt, für ihn jedoch logisch transparent, würde er diesen Satz nicht für wahr halten. Dass er es doch tut, zeigt, dass ein Sprecher über einen Begriff verfügen kann, ohne dass dessen kognitiver Gehalt für ihn logisch transparent ist. Sollte sich diese Deutung des Beispiels als korrekt herausstellen, hätten wir es also in der Tat mit einem Gegenbeispiel gegen die von uns vertretene Auffassung über das Verfügen über Begriffe zu tun. Eine notwendige Bedingung für die Korrektheit der Deutung ist zunächst einmal ihre eigene Konsistenz. Die hierfür entscheidende Frage ist, ob die ersten beiden Aspekte dieser Deutung mit dem dritten vereinbar sind, ob es also möglich ist, dass der Schüler einen Satz wie (2) versteht und für wahr hält, ohne dass sich die beiden Vorkommnisse von »Katzen« darin in ihrem Gehalt unterscheiden. Wer diese Frage, wie Block, positiv beantwortet, muss eine Erklärung dazu anbieten, worin dann der Unterschied in der kognitiven Signifikanz beider Vorkommnisse des Ausdrucks »Katzen« in Satz (2) besteht. Und in der Tat bleibt Block einer solchen Erklärung nicht schuldig. Er erläutert den (vermeintlichen) Unterschied in der kognitiven Signifikanz beider Vorkommnisse im Rahmen des beliebten Modells mentaler Dateien: 64 Da der Schüler glaubt, dass der Lehrer ihm Ausdrücke für zwei verschiedene Arten von Katzen beigebracht habe, öffnet er zwei mentale Katzen-Dateien. Beide Dateien haben zum Zeitpunkt der Äußerung von Satz (2) exakt denselben Inhalt, was im Rahmen dieses Modells so viel bedeutet wie: Die mit ihnen 64
Vgl. z. B. Perry (1998), Recanati (2012) oder Schroeter (2007).
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Exkurs 1: Kognitive Signifikanz ohne kognitiven Gehalt?
verbundenen Ausdrücke haben exakt denselben Gehalt. Das Modell enthält jedoch die Ressourcen, den Unterschied in der kognitiven Signifikanz zwischen den beiden Vorkommnissen von »Katzen« auf andere Weise zu erklären. Der Unterschied besteht danach einfach darin, dass jedes dieser Vorkommnisse mit einer anderen Datei verbunden ist. Das, was nach diesem Modell dem kognitiven Gehalt entspricht, ist also jeweils eine kausale Verbindung mit einer bestimmten mentalen Datei. In dieser Situation haben wir verschiedene Möglichkeiten. Eine ist, die Konsistenz von Blocks Deutung in Frage zu stellen, indem wir diese Erklärung direkt attackieren. Es besteht jedoch die Gefahr, dass wir mit dieser Strategie nicht sehr weit kommen. Denn über die Adäquatheit einer Erklärung lässt sich nur vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Verständnisses dessen diskutieren, was darin erklärt werden soll. Gerade ein solches gemeinsames Verständnis scheint in diesem Fall jedoch nicht gegeben zu sein. Block bietet eine Erklärung für die Rationalität der Äußerung des Schülers von Satz (2) an, die damit vereinbar ist, dass sich die darin enthaltenen Vorkommnisse von »Katzen« nicht in ihrem Gehalt unterscheiden. Gemäß unserer Konzeption davon, was es bedeutet, über Begriffe zu verfügen und Sätze zu verstehen, in denen solche Begriffe vorkommen, kann die Äußerung nicht rational sein. Denn gemäß dieser Konzeption verfügt ein Sprecher genau dann über einen Begriff, wenn er die Rationalitätbedingung erfüllt. Und die Erfüllung dieser Bedingung durch den Sprecher ist damit unvereinbar, dass er Sätze mit widersprüchlichem kognitivem Gehalt, wie Satz (2), für wahr hält. Wenn wir nicht einfach auf diesem Standpunkt beharren wollen, empfiehlt es sich daher, eine andere Strategie zu verfolgen. Wir wollen versuchen zu zeigen, dass in dem Beispiel nichts enthalten ist, was überhaupt für Blocks Deutung spricht, und dass es eine zufriedenstellende alternative Deutung gibt, die mit unserer Auffassung über das Verfügen von Begriffen vereinbar ist. Sollten wir darin erfolgreich sein, würde sich die Frage nach der Adäquatheit von Blocks Erklärung gar nicht erst stellen. Schauen wir uns dazu nochmal genau an, was in dem Szenario, soweit es unstrittig ist, eigentlich geschieht: Der Schüler lernt zweimal das Wort »Katze« und nimmt an, dass es sich beim zweiten Mal um den Ausdruck für eine andere Art von Tier handelt als beim ersten Mal. Ihm ist jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Eigenschaft bewusst, die beide Arten von Tieren unterscheidet. Gibt es einen Grund für die Annahme, dass er unter die59 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Exkurs 1: Kognitive Signifikanz ohne kognitiven Gehalt?
sen Bedingungen zunächst einen Satz wie (2) für wahr hält und dass ein Satz wie (1) für ihn informativ ist? Tatsächlich ist das alles andere als selbstverständlich. Vielmehr spricht alles dafür, dass er zunächst zu der Überzeugung kommen wird, dass es zwei Arten von Tieren gibt, die dieselben Oberflächeneigenschaften aufweisen und beide »Katzen« genannt werden. Um sie auszudrücken, müsste der Schüler etwas äußern wie: (3) »Es gibt zwei Arten von Katzen.« oder (4) »Es gibt zwei Arten von Tieren, die »Katzen« genannt werden.« Die Sätze (3) und (4) sind jedoch von ganz anderer Art als (2). Während in (3) und (4) über Arten von Tieren quantifiziert wird, beziehen sich die beiden Vorkommnisse von »Katzen« in (2) jeweils auf eine bestimmte Art von Tieren. Und es ist nicht zu erkennen, warum der Schüler zu einer Überzeugung wie der durch (2) ausgedrückten gelangen sollte. Was er in der geschilderten Situation lernt, scheint vollständig durch (3) und (4) ausdrückbar zu sein. Und dementsprechend wird ein Satz wie (1) für ihn auch nicht informativ sein. Vielmehr wird er ihn entweder nicht verstehen oder für eine Tautologie halten. 65 Das Beispiel enthält also keine guten Gründe für die Annahme, der Schüler habe die durch (2) ausgedrückte Überzeugung und Satz (1) sei für ihn informativ. Vor diesem Hintergrund ist es sehr aufschlussreich, einen Blick auf Blocks eigene Begründung der Annahme, der Schüler verfüge über zwei Begriffe von Katzen, zu werfen. In und direkt im Anschluss an die oben zitierte Passage heißt es: »We can imagine that the student retains two separate mental files for ›chat.‹ […] It is certainly plausible that there are different CMoPs [cognitive modes of presentations; D. F.], given that there are two mental files. [Hervorhebung D. F.].« 66
Hier wird deutlich, dass sich Blocks Begründung der genannten Annahme bereits im Rahmen des Modells der mentalen Dateien bewegt: Weil der Schüler zwei mentale Dateien öffnen kann (öffnet), kann er Ein Satz, den er verstehen wird und der für ihn informativ sein wird, ist dagegen der folgende: (5) »Es gibt nur eine Art von Katzen.« Satz (5) unterscheidet sich jedoch auf dieselbe Weise von Satz (1) wie Satz (3) und (4) sich von Satz (2) unterscheiden. 66 Block (2007a), S. 267. 65
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Exkurs 1: Kognitive Signifikanz ohne kognitiven Gehalt?
über zwei Katzen-Begriffe verfügen (verfügt er über zwei KatzenBegriffe). Dasselbe stellen wir fest, wenn wir nach einer Begründung für die schwächere Annahme suchen, dass es (unter der Voraussetzung, dass sich die beiden Vorkommnisse von »Katzen« darin nicht in ihrem Gehalt unterscheiden) überhaupt möglich sei, dass der Schüler Satz (2) für wahr halte, ohne die Rationalitätsbedingung zu verletzen. Wenn ich beispielsweise, als kompetenter Sprecher des Deutschen, diese Sätze äußern würde, wären andere berechtigt, mir die Widersprüchlichkeit des Gehaltes dieser Sätze zum Vorwurf zu machen. Wenn der Schüler aus Blocks Beispiel sie äußert, soll das nicht der Fall sein. Es muss also irgendeinen Unterschied zwischen meiner hypothetischen Äußerung dieser Sätze und der des Schülers geben. Die naheliegende Erklärung dieses Unterschiedes, dass sich die beiden Vorkommnisse von »Katzen« in der Äußerung des Schülers in ihrem Gehalt unterscheiden, während dies bei meiner Äußerung nicht der Fall wäre, schließt Block per Voraussetzung aus. Worin also könnte der Unterschied bestehen? Und welche Gründe haben wir überhaupt, anzunehmen, dass ein solcher Unterschied besteht? Die einzige Antwort, die wir bei Block finden, ist die, die wir bereits kennen: »We can imagine that the student retains two separate mental files for ›chat.‹ […] It is certainly plausible that there are different CMoPs [cognitive modes of presentations; D. F.], given that there are two mental files. [Hervorhebung D. F.]« 67
Erneut bewegt sich Blocks Antwort also vollständig innerhalb des Modells der mentalen Dateien. Dieses Merkmal von Blocks Erklärungen gibt Anlass zu einer grundsätzlichen Kritik. Block räumt dem Modell der mentalen Dateien darin eine Rolle ein, die ihm nicht zusteht. Der Zweck eines Modells wie dem der mentalen Dateien besteht darin, bestimmte Tatsachen zu erklären, die unabhängig von diesem Modell bekannt sind, und/oder bestimmte Probleme zu lösen, die unabhängig von diesem Modell bestehen. Und allein aus der Erfüllung dieses Zweckes bezieht ein solches Modell seine Berechtigung. In Blocks Erklärung wird dieser Grundsatz jedoch verletzt. Das Modell der mentalen Dateien liefert selbst den einzigen Grund für die Annahme, dass die (vermeint67
Ebenda, S. 267.
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
lichen) Tatsachen, für deren Erklärung Block das Modell der mentalen Dateien verwendet, überhaupt bestehen. Setzt man dieses Modell nicht voraus, gibt es weder einen Grund für die Annahme, der Schüler halte einen Satz wie (2) für wahr, ohne die Rationalitätsbedingung zu verletzen, noch für die Annahme, es sei überhaupt möglich, dass er ihn für wahr halte, ohne die Rationalitätsbedingung zu verletzen. Aus den oben genannten Gründen ist es jedoch unzulässig, eine dieser Annahmen durch das Modell selber zu begründen. Die Richtung der Begründung kann nur andersherum verlaufen. 68 Solange also keine von dem Modell der mentalen Dateien unabhängigen Gründe für diese Annahmen vorliegen, gibt es für uns auch keinen Grund, sie zu akzeptieren. Und da Blocks Beispiel nur unter der Voraussetzung der Wahrheit dieser Annahmen ein Gegenbeispiel gegen unsere Auffassung über das Verfügen über Begriffe ist, gibt uns sein Beispiel keinen Grund, diese Auffassung in Frage zu stellen.
3.2 Begriffe des Erscheinens und Begriffe des Bewusstseins Damit haben wir die wesentlichen Vorarbeiten geleistet, um uns dem eigentlichen Ziel dieses Kapitels zuwenden zu können: die These zu Fairerweise müssen wir zugestehen, dass andere Stellen des Textes nahelegen, dass Block sich dieses Zusammenhangs durchaus bewusst ist. So führt er das Modell beispielsweise im Anschluss an eine kurze Schilderung von Kripkes berühmtem Paderewski-Beispiel mit den folgenden Worten ein: »Prima facie, the cognitive properties of the two uses of ›Paderewski‹ are the same. For the referent is the same and every property associated by the subject with these terms is the same. However, there is a cognitive difference. We could give a name to the relevant cognitive difference by saying that the subject has two ›mental files‹ corresponding to the two uses of ›Paderewski.‹« (Block (2007a), S. 266) Hier scheint Block zunächst, d. h. unabhängig von dem Modell der mentalen Dateien, festzustellen, dass es zwischen den beiden Vorkommnissen von »Paderewski« einen kognitiven Unterschied ohne Unterschied im Gehalt gibt, um daraufhin das Modell einzuführen – so wie es sein sollte. An der oben geäußerten Kritik ändert das jedoch nichts. Denn zum einen gilt: Sollte die Einführung des Modells in Bezug auf das Paderewski-Beispiel berechtigt sein, bedeutet das noch nicht, dass dies auch für Blocks eigenes Beispiel der Fall ist. Schließlich geht es im Paderewski-Beispiel um einen Eigennamen, während es in Blocks Beispiel um einen allgemeinen Begriff geht. Zum zweiten ist keineswegs klar, ob die Einführung des Modells in Bezug auf das Paderewski-Beispiel tatsächlich berechtigt ist. Es lässt sich sehr wohl bezweifeln, ob es sich dabei um einen Fall eines kognitiven Unterschiedes ohne Unterschied im Gehalt handelt. Und die Argumente dagegen ähneln den oben vorgebrachten.
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Begriffe des Erscheinens und Begriffe des Bewusstseins
verteidigen, dass zur Beantwortung unserer Kernfrage »Was ist phänomenales Erscheinen?« die Methode der Begriffsanalyse erforderlich ist. Zunächst wollen wir jedoch versuchen, unsere Diskussion dieser Frage an eine nahe verwandte und bereits gut strukturierte Debatte anzuknüpfen: der Debatte um die Natur sogenannter phänomenaler Begriffe. 69 Dazu müssen wir uns zunächst klarmachen, welche Begriffe gemeint sind, wenn von phänomenalen Begriffen die Rede ist. Phänomenale Begriffe sind eine Unterklasse von Begriffen für phänomenale Qualitäten. Diese Unterklasse lässt sich gut durch die Art bestimmen, wie phänomenale Begriffe eingeführt werden: Phänomenale Begriffe werden mit Hilfe von demonstrativen Bezugnahmen auf phänomenale Eigenschaften der jeweils eigenen mentalen Zustände eingeführt. 70 Angenommen, ich wollte einen phänomenalen Begriff der (komplexen) phänomenalen Qualität meiner aktuellen visuellen Wahrnehmung meines Computers einführen. Dann könnte ich das tun, indem ich einen Ausdruck wähle – sagen wir »Φ« – und dann etwas sage wie: »Diese Art, wie es ist, etwas wahrzunehmen, heiße Φ« oder »Φ sei diese Art, wie es ist, etwas wahrzunehmen« – wobei
Für einen guten Überblick über diese Debatte vgl. Balog (2009) sowie die Arbeiten in Alter und Walter (2007). 70 Die Möglichkeit einer demonstrativen Bezugnahme auf die phänomenale Eigenschaft eines eigenen mentalen Zustandes könnte zweifelhaft erscheinen. Es gibt zwei Überlegungen, die nahelegen, dass eine solche Bezugnahme nicht möglich ist. Erstens: Demonstrative Bezugnahmen können sich nur auf konkrete Gegenstände beziehen. Phänomenale Eigenschaften sind jedoch keine konkreten Gegenstände. Zweitens: Demonstrative Bezugnahmen müssen auf einer Zeigegeste oder zumindest einem Konzentrieren der Aufmerksamkeit auf den Gegenstand der Bezugnahme beruhen. Auf die eigenen phänomenalen Eigenschaften können wir jedoch weder zeigen noch unsere Aufmerksamkeit konzentrieren. Relativ zu dem Begriff einer demonstrativen Bezugnahme, von dem wir hier ausgehen, sind jedoch (mindestens) die Prämissen beider Überlegungen falsch. Mit einer demonstrativen Bezugnahme ist einfach eine Bezugnahme gemeint, die wir mittels eines Demonstrativpronomens (»dies«, »das«, »jenes«) ausdrücken. In diesem Sinne können wir sowohl auf Eigenschaften demonstrativ Bezug nehmen (»Dieses Blau ist typisch für Picasso«), als auch auf Entitäten, auf die wir weder zeigen noch unsere Aufmerksamkeit konzentrieren. Beispielsweise ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, sich mit einem Ausdruck wie »dieses Bild« auf ein Bild an der Wand hinter sich zu beziehen, das man nicht sieht (vgl. Kaplan (1970)). Dementsprechend spricht auch nichts gegen die Annahme, wir könnten uns demonstrativ auf phänomenale Eigenschaften unserer mentalen Zustände beziehen. 69
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
»diese Art« sich auf die spezifische phänomenale Qualität meiner jeweiligen Wahrnehmung bezöge. 71 Damit haben wir bereits eine hinreichend klare Vorstellung davon, welche Begriffe gemeint sind, wenn von phänomenalen Begriffen die Rede ist. Es ist jedoch wichtig, aus dieser Vorstellung keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Zwei solcher Schlüsse liegen nahe. Erstens: Aus der Tatsache, dass phänomenale Begriffe mit Hilfe von demonstrativen Bezugnahmen eingeführt werden, könnte jemand schließen, dass es sich um demonstrative Begriffe handelt. Dieser Schluss ist jedoch nicht gerechtfertigt. Ein Begriff muss kein demonstrativer Begriff sein, um mit Hilfe einer demonstrativen Bezugnahme eingeführt werden zu können. 72 Zweitens: Da ein phänomenaler Begriff einer bestimmten phänomenalen Eigenschaft auf die geschilderte Art (d. i. anhand eines eigenen phänomenalen Zustandes) nur von jemandem eingeführt werden kann, der sich hinreichend lange in einem Zustand mit dieser phänomenalen Eigenschaft befindet, haben viele Autoren phänomenale Begriffe als Begriffe beschrieben, über die nur jemand verfügen kann, der sich selbst hinreichend lange in einem entsprechenden phänomenalen Zustand befunden hat. 73 Auch dieser Schluss scheint mir jedoch ungerechtfertigt zu sein. Richtig dürfte sein, dass phänomenale Begriffe tatsächlich immer anhand eines eigenen phänomenalen Zustandes eingeführt werden. Für die Annahme, dies sei notwendigerweise der Fall, gibt es jedoch, soweit ich sehe, keinen zwingenden Grund. Warum sollte es zum Beispiel unmöglich sein, dass jemand, aus welchen Gründen auch immer, von Geburt an über einen phänomenalen Begriff verfügt? 74 Wir sollten die Art, wie phänomenale Begriffe eingeführt werden also als kontingente Eigenschaft auffassen, die unsere phänomenalen Begriffe aufweisen. Um unsere Diskussion an die Debatte um phänomenale Begriffe anknüpfen zu können, müssen wir zunächst das Verhältnis beider Vgl. z. B. Papineau (2007), S. 113. Auf diesen Punkt haben verschiedene Autoren hingewiesen (vgl. z. B. Chalmers (2003), S. 223 ff., Hawthorne (2007), S. 196 oder Papineau (2007), S. 113 f.). Auch in unserer Diskussion wird er noch eine Rolle spielen. 73 Vgl. z. B. Block (2007a), Balog (1999) und (2012), Chalmers (2003), Hill und McLaughlin (1999), Loar (1997) sowie Papineau (2002) und (2007). 74 Eine verwandte Notwendigkeits-Annahme ist dagegen korrekt. Es ist unmöglich, dass phänomenale Begriffe anhand des phänomenalen Zustandes einer anderen Person eingeführt werden. 71 72
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Begriffe des Erscheinens und Begriffe des Bewusstseins
Diskussionen zueinander klären. Eine erste Frage betrifft dabei das Verhältnis der Gegenstände beider Diskussionen zueinander. Der Gegenstand der Diskussion unserer Kernfrage ist der Begriff des phänomenalen Erscheinens und der Gegenstand der Debatte um die Natur phänomenaler Begriffe sind phänomenale Begriffe. Ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Begriffen beziehungsweise Arten von Begriffen ist, dass der Begriff des phänomenalen Erscheinens ein allgemeinerer Begriff ist, als es einzelne phänomenale Begriffe sind. Die Entsprechung zum Begriff des phänomenalen Erscheinens ist der Begriff des phänomenalen Bewusstseins, während die Entsprechung zu phänomenalen Begriffen phänomenale Erscheinens-Begriffe (d. i. Begriffe für bestimmte Arten des phänomenalen Erscheinens (Rot-Erscheinen, Grün-Erscheinen usw.)) sind. Die beiden letztgenannten sind dabei jeweils Bestimmungen der erstgenannten (allgemeineren) Begriffe. Obwohl dieser Unterschied nicht bedeutungslos ist, steht er der Anknüpfung unserer Diskussion an die Diskussion phänomenaler Begriffe nicht im Weg. Denn obwohl es in unserer Diskussion primär um den allgemeineren Begriff, den Begriff des phänomenalen Erscheinens geht, werden wir sie überwiegend anhand bestimmter Begriffe führen. 75 Ein Grund für diese Entscheidung ist, dass dadurch eben die genannte Anknüpfung möglich wird. Sie ist aber auch aus davon unabhängigen Gründen sinnvoll. Erstens: In Bezug auf die bestimmten Begriffe (phänomenale Erscheinens-Begriffe und phänomenale Begriffe) haben wir die klareren Intuitionen als in Bezug auf die allgemeineren Begriffe (den Begriff des phänomenalen Erscheinens und den Begriff des phänomenalen Bewusstseins). Zweitens: Wenn Klarheit hinsichtlich der bestimmten Begriffe besteht, lässt sich auch relativ leicht Klarheit in Bezug auf die allgemeineren Der Grund, weshalb Teilnehmer der Diskussion um phänomenale Begriffe nicht in erster Linie an dem allgemeinen Begriff des phänomenalen Bewusstseins, sondern eben an phänomenalen Begriffen interessiert sind, ist, dass sie in der Regel versuchen, den a posteriori Status (vermeintlich) wahrer Identitätsaussagen wie »Schmerz = CFaserreizung« o. ä. zu erklären. Und diese Aussagen enthalten phänomenale Begriffe. Wie mir scheint, wird dabei (von beiden Seiten) jedoch Folgendes oft vergessen: Wenn der Physikalismus wahr ist, muss es auch eine wahre Identitätsaussage der Form »Phänomenales Bewusstsein = Φ« geben – wobei »Φ« für eine, eventuell disjunktive, physikalische Eigenschaft steht. Wenn aber »Schmerz = C-Faserreizung« a posteriori wahr ist, ist davon auszugehen, dass für diese Aussage dasselbe – und zwar aus denselben Gründen – gilt. Es ist jedoch sehr fraglich, ob die vorgeschlagenen Erklärungen des a posteriori Status der ersten Aussage auch auf die zweite Aussage anwendbar sind. Das ist an dieser Stelle jedoch nicht unser Thema. 75
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
Begriffe schaffen. Denn letztere lassen sich durch Abstraktion aus ersteren gewinnen. Die Frage nach dem Verhältnis der Gegenstände beider Diskussionen zueinander stellt sich jedoch auch auf der Ebene der bestimmten Begriffe als die Frage nach dem Verhältnis zwischen phänomenalen Erscheinens-Begriffen und phänomenalen Begriffen. Wie sich herausstellen wird, ist das gesuchte Verhältnis das der Identität. Phänomenale Erscheinens-Begriffe sind nichts anderes als phänomenale Begriffe. Die Richtigkeit dieser Antwort können wir an dieser Stelle allerdings noch nicht voraussetzen, da wir die Identität der Gehalte beider Arten von Begriffen nicht voraussetzen können. Während phänomenale Begriffe für phänomenale Eigenschaften stehen, stehen phänomenale Erscheinens-Begriffe für phänomenale Arten des Erscheinens. Und es ist nicht selbstverständlich, dass beide Eigenschaften miteinander identisch sind. Phänomenale Arten des Erscheinens sind intentionale Eigenschaften einer bestimmten Art. Phänomenale Eigenschaften werden jedoch von vielen Autoren explizit als nichtintentionale Eigenschaften aufgefasst. 76 Es gibt jedoch eine Gemeinsamkeit, die wir sehr wohl voraussetzen können. Und diese Gemeinsamkeit ist für das Folgende entscheidend. Phänomenale Begriffe und phänomenale Erscheinens-Begriffe sind Begriffe derselben Art. Auf die Frage, ob es sich um tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe handelt, werden wir also in beiden Fällen dieselbe Antwort aus denselben Gründen erhalten. Auch dieser Unterschied steht der Anknüpfung unserer Diskussion an die Diskussion phänomenaler Begriffe also nicht im Weg. Neben den Fragen nach dem Verhältnis der Gegenstände beider Diskussionen zueinander, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der tatsächlichen Strukturen und Inhalte beider Diskussionen zueinander. Hier gibt es zwei Unterschiede, auf die ich kurz eingehen möchte. Erstens: Der Ausdruck »Begriff« wird in philosophischen Kontexten in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet. Manchmal ist ein abstrakter Gegenstand gemeint, das heißt, ein Bestandteil von Propositionen, der die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks
Graham, Horgan und Tienson haben diese Ansicht treffend als Separatismus bezeichnet (vgl. u. a. Graham, Horgan und Tienson (2009)). Separatistische Auffassungen finden sich u. a. in Block (1990) und (2003), Chalmers (1996), Levine (1983) und (1993) oder Searle (1992)). Mit diesen Auffassungen werden wir uns ausführlich in Teil IV der Arbeit befassen.
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Die Tatsächlichkeitsunabhängigkeit phänomenaler Begriffe
sein kann. Und manchmal ist ein Bestandteil eines konkreten mentalen Zustandes gemeint. 77 Wenn Philosophen über phänomenale Begriffe reden, meinen sie damit meist Begriffe im zweiten Sinn. 78 Wir werden dagegen vorwiegend über Begriffe im ersten Sinn sprechen. Dabei wollen wir von der folgenden Voraussetzung ausgehen: Die Rede von Begriffen im zweiten Sinn ist nur sinnvoll, wenn sie von der Rede von Begriffen im ersten Sinn abgeleitet ist. Mit anderen Worten: Dass ein Begriff ein konkreter Bestandteil eines konkreten mentalen Zustandes ist, ist nur dann eine sinnvolle Behauptung, wenn damit so viel gemeint ist wie: die Person, um deren mentalen Zustand es sich handelt, verfügt über einen abstrakten Begriff (das heißt über einen Begriff im ersten Sinn) und wendet ihn an. Zweitens: Die Diskussion über die Natur phänomenaler Begriffe wird überwiegend vor dem Hintergrund des sogenannten schwierigen Leib-Seele-Problems geführt – des Problems also, wie sich physikalische Systeme (insbesondere Gehirne) und ihre Eigenschaften zu phänomenalen Eigenschaften verhalten. 79 Der Hintergrund unserer Diskussion phänomenaler Erscheinens-Begriffe beziehungsweise des Begriffes des phänomenalen Erscheinens ist dagegen ein anderer. Sie ist primär durch die oben aufgeworfene Frage nach der richtigen Methode zur Beantwortung unserer Kernfrage (»Was ist phänomenales Erscheinen?«) motiviert. Es ist wichtig, diese Unterschiede im Auge zu behalten. Einer engen Anknüpfung unserer Diskussion an die Debatte um phänomenale Begriffe stehen sie aber ebenso wenig im Weg, wie die zuvor beschriebenen.
3.3 Die Tatsächlichkeitsunabhängigkeit phänomenaler Begriffe Damit können wir uns nun dem eigentlichen Ziel dieses Kapitels zuwenden. Wir hatten angekündigt, die Auffassung verteidigen zu wollen, dass zur Beantwortung unserer Kernfrage »Was ist phänomena-
Diese Doppeldeutigkeit ›erbt‹ der Ausdruck »Begriff« von dem Ausdruck »Gedanke«, der bekanntlich eine analoge Doppeldeutigkeit aufweist. 78 Vgl. u. a. Ball (2009), Balog (2009) oder Papineau (2007). 79 Siehe Kapitel 1. 77
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
les Erscheinen?« die Methode der Begriffsanalyse geeignet ist. Das Argument für diese These enthält zwei Prämissen: (P1) Zur Beantwortung einer Wesens-Frage hinsichtlich eines tatsächlichkeitsunabhängigen Begriffes ist die Methode der Begriffsanalyse geeignet. (P2) Der Begriff des phänomenalen Erscheinens sowie alle phänomenalen Erscheinens-Begriffe sind tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe. Der neuralgische Punkt dieses Argumentes ist natürlich (P2). Werfen wir aber zunächst einen kurzen Blick auf (P1). Warum ist zur Beantwortung einer Wesens-Frage hinsichtlich eines tatsächlichkeitsunabhängigen Begriffes die Methode der Begriffsanalyse geeignet? Die Antwort ergibt sich aus zwei Punkten, die wir weiter oben herausgearbeitet haben. Erstens: Um eine Wesens-Frage hinsichtlich irgendeines Begriffes überhaupt stellen zu können, muss man über diesen Begriff verfügen, das heißt, man muss seinen kognitiven Gehalt kennen. Die Frage nach der richtigen Methode zur Beantwortung einer Wesens-Frage ist also die Frage, wie man auf der Grundlage dieses Wissens zur richtigen Antwort gelangt. Zweitens: Eine Wesens-Frage hinsichtlich eines bestimmten Begriffes ist die Frage danach, wie etwas sein muss, um unter diesen Begriff zu fallen. Wie etwas sein muss, um unter einen Begriff zu fallen, wird aber durch den wahrheitskonditionalen Gehalt dieses Begriffes bestimmt. Die Antwort auf eine Wesens-Frage hinsichtlich eines bestimmten Begriffes erhalten wir also, indem wir den wahrheitskonditionalen Gehalt dieses Begriffes explizit machen – soweit das möglich ist. Daraus ergibt sich unmittelbar die Wahrheit von (P1). Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind Begriffe, für die gilt: Wer ihren kognitiven Gehalt kennt (d. i. über sie verfügt), ist nicht zusätzlich dazu auf empirische Erkenntnisse angewiesen, um herauszufinden, was ihr wahrheitskonditionaler Gehalt ist. Und das bedeutet vor dem Hintergrund des soeben Gesagten: Er ist nicht auf empirische Erkenntnisse angewiesen, um die Wesens-Frage hinsichtlich dieses Begriffes beantworten zu können. Er kann sie durch Begriffsanalyse beantworten. Und das ist, was (P1) besagt. Kommen wir damit zu unserer zweiten Prämisse, (P2): Mit der Verteidigung dieser Prämisse werden sich dieser und der folgende Abschnitt befassen. Wie wir oben bereits angekündigt haben, werden wir uns dabei zunächst auf bestimmte Begriffe, das heißt auf phänomenale Begriffe und phänomenale Erscheinens-Begriffe, konzentrie68 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Die Tatsächlichkeitsunabhängigkeit phänomenaler Begriffe
ren. Wir werden also zunächst die These verteidigen, dass phänomenale Begriffe und phänomenale Erscheinens-Begriffe tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind. Dabei werden wir allerdings nicht auf irgendein deduktives Argument zurückgreifen können. Es wird sich kein härteres Kriterium für die Richtigkeit dieser Annahme finden lassen als die Intuition eines kompetenten Sprechers. Vor diesem Hintergrund werden wir die folgende Doppelstrategie verfolgen: Wir werden zunächst (in diesem Abschnitt) versuchen, die genannte Intuition so klar wie möglich herauszuarbeiten. Anschließend (in Abschnitt 3.4) werden wir Auffassungen phänomenaler Begriffe diskutieren, die ihr widersprechen und versuchen zu zeigen, dass sie inadäquat sind. Die Intuition, dass phänomenale Begriffe tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind, lässt sich am besten anhand eines Beispiels herausarbeiten. Ein ebenso beliebtes wie gut geeignetes Beispiel ist der Begriff Schmerz. 80 Der Begriff Schmerz ist ein Begriff, über den wir alle verfügen. Und das bedeutet gemäß der oben vertretenen Auffassung: Uns allen ist der kognitive Gehalt dieses Begriffes bekannt. Was aber ist dieser kognitive Gehalt? Was ist uns allein dadurch bekannt, dass wir über den Begriff Schmerz verfügen? Die Antwort ist: Uns ist die phänomenale Qualität von Schmerzen bekannt. Wir wissen, wie es sich anfühlt, Schmerzen zu haben. Wie sieht es nun mit dem wahrheitskonditionalen Gehalt unseres Schmerz-Begriffes aus? Ist er von der Beschaffenheit der tatsächlichen Welt abhängig? Wenn das der Fall wäre, müssten die folgenden beiden Möglichkeiten bestehen: Es müsste möglich sein, auf empirischem Wege irgendetwas über die Welt herauszufinden, das uns etwas darüber verriete, was Schmerzen sind, das wir nicht bereits wüssten, indem wir über den Schmerz-Begriff verfügen. Und es müsste unter bestimmten Bedingungen möglich sein, dass etwas ein Schmerz ist, was sich nicht anfühlt wie ein Schmerz, und dass sich etwas anfühlt wie ein Schmerz, was kein Schmerz ist. Keine dieser Möglichkeiten besteht. Es ist nicht möglich, auf empirischem Wege etwas über die Welt herauszufinden, das uns
Möglicherweise bestehen Zweifel daran, dass unser alltagssprachlicher Schmerzbegriff wirklich ein phänomenaler Begriff ist. Sollte Letzteres nicht der Fall sein, gäbe es jedoch einen diesem Begriff nahe verwandten Begriff, der ein phänomenaler Begriff wäre. Im Folgenden könnte man dann unseren Schmerzbegriff durch diesen verwandten Begriff ersetzen.
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
etwas darüber verriete, was Schmerzen sind, das wir nicht bereits wüssten, indem wir über den Schmerz-Begriff verfügen. Wir können auf empirischem Wege zwar eine Menge über Schmerzen herausfinden. Wir können herausfinden, dass Menschen stöhnen oder schreien und Schutzhaltungen einnehmen, wenn sie Schmerzen haben. Und wir können herausfinden, dass Schmerzen durch Stöße, Schnitte und verschiedene andere Schädigungen des Körpers entstehen – und noch vieles mehr. Nichts davon verrät uns aber etwas Neues über das Wesen von Schmerzen. Für all diese Dinge gilt: Sie sind nicht das, was einen Schmerz zu einem Schmerz macht. Was einen Schmerz zu einem Schmerz macht, ist allein seine phänomenale Qualität – die Art, wie es ist, ihn zu haben. Ebenso wenig besteht die Möglichkeit, dass etwas ein Schmerz ist, das sich nicht anfühlt wie ein Schmerz, und dass sich etwas anfühlt wie ein Schmerz, was kein Schmerz ist. Das hat Saul Kripke in der folgenden bekannten Passage treffend ausgedrückt: »To be in the same epistemic situation that would obtain if one had a pain is to have a pain; to be in the same epistemic situation that would obtain in the absence of pain is not to have a pain.« 81
Der wahrheitskonditionale Gehalt unseres Schmerz-Begriffes entspricht also exakt derselben phänomenalen Eigenschaft, der auch sein kognitiver Gehalt entspricht. Und sobald uns dieser kognitive Gehalt bekannt ist, wissen wir alles, was es darüber zu wissen gibt, was Schmerzen sind. Oder anders ausgedrückt: Schmerzen sind genau das, was sie zu sein scheinen. Betrachten wir zum Vergleich noch einmal den Begriff Wasser. Wir hatten gesagt, dass der kognitive Gehalt des Begriffes Wasser ungefähr den Oberflächeneigenschaften von Wasser entspricht. Was wir wissen, indem wir über den Begriff Wasser verfügen, ist also, wie etwas sein muss, um die Oberflächeneigenschaften von Wasser aufzuweisen. 82 Dies zu wissen bedeutet jedoch nicht, zu wissen, wie etwas sein muss, um Wasser zu sein. Um Letzteres zu wissen, muss man den wahrheitskonditionalen Gehalt des Begriffes Wasser kenKripke (1980), S. 152. Das ist eine etwas vereinfachte Darstellung. Präziser wäre: Wir verfügen über Begriffe der Oberflächeneigenschaften von Wasser. Sollten einige dieser Begriffe, wovon wir ausgehen können, ihrerseits tatsächlichkeitsabhängig sein, wäre das nicht damit gleichbedeutend, dass wir wissen, wie etwas sein muss, um die Oberflächeneigenschaften von Wasser aufzuweisen.
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Was phänomenale Begriffe nicht sind
nen. Und der unterscheidet sich von dessen kognitivem Gehalt. Er hängt davon ab, welche chemische Struktur Wasser in der tatsächlichen Welt aufweist. Er entspricht also der Eigenschaft, die die chemische Struktur H2O aufweist. Daraus ergibt sich, dass in Bezug auf den Begriff Wasser die beiden Möglichkeiten bestehen, die in Bezug auf den Begriff Schmerz nicht bestehen. Jemand, der über den Begriff Wasser verfügt, kann auf empirischem Wege etwas darüber herausfinden, was Wasser ist. Und es ist möglich, dass etwas, was die Oberflächeneigenschaften von Wasser aufweist, was also dem kognitiven Gehalt des Begriffes Wasser entspricht, kein Wasser ist. 83 Diese Überlegungen, so scheint mir, lassen sich ohne große Schwierigkeiten für alle für uns interessanten Begriffe verallgemeinern. Das heißt: Dasselbe, was für unseren Schmerz-Begriff gilt, gilt für alle phänomenalen Erscheinens-Begriffe sowie für den Begriff des phänomenalen Erscheinens selbst: Nichts, was nicht unter den kognitiven Gehalt eines phänomenalen Erscheinens-Begriffes fällt, kann eine Art des phänomenalen Erscheinens sein. Und alles, was unter den kognitiven Gehalt eines phänomenalen Erscheinens-Begriffes fällt, muss eine Art des phänomenalen Erscheinens sein. Mit anderen Worten: Phänomenales Erscheinen sowie Arten des phänomenalen Erscheinens sind genau das, was sie zu sein scheinen. 84
3.4 Was phänomenale Begriffe nicht sind Die Annahme, dass phänomenale Begriffe tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind, wird nicht von allen Autoren geteilt. In diesem Abschnitt wollen wir daher einige Auffassungen über phänomenale Begriffe betrachten, die mit dieser Annahme unvereinbar sind. Wir werden zu dem Ergebnis kommen, dass sie nicht überzeugend sind. Eine erste Auffassung ist bereits mit den Voraussetzungen unvereinbar, auf deren Grundlage wir den Begriff tatsächlichkeitsunab-
Das Umgekehrte ist allerdings nicht möglich, da die Oberflächeneigenschaften von Wasser auf seiner chemischen Struktur supervenieren. 84 Für phänomenales Erscheinen gilt also gewissermaßen das Gegenteil von dem, was Jerry Fodor in einem berühmten Zitat über Intentionalität gesagt hat: »If aboutness [Intentionalität; D. F.] is real, it must be really something else.« (Fodor (1987), S. 97). 83
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
hängiger Begriffe überhaupt eingeführt haben. Sie lässt sich anhand der folgenden Passage von Janet Levin verdeutlichen: »The denotation of a phenomenal type-demonstrative will be the property – presumably physical – that’s causally responsible for the application of that concept in the introspective recognition or reidentification of an experience as ›that (kind) again‹ or ›another of those‹. These concepts […] are taken to refer directly; that is, to have no reference-fixing ›modes of presentation‹ or Kaplanian ›characters‹ […]. Rather, their references are determined solely by the causal and dispositional relations an individual has to her internal states that are effected by an introspective ›pointing in‹ ; that is, by the fact that she’s in causal contact with a certain property and is disposed to reidentify it on subsequent occasions.« 85
Wichtig ist zunächst, dass Levin hier von Anwendungen phänomenaler Begriffe spricht. Das heißt, sie spricht von konkreten Ereignissen, die in kausalen Verbindungen zu phänomenalen Zuständen stehen, nicht aber über phänomenale Begriffe im Sinne abstrakter Gegenstände, die Bestandteile von Propositionen sein können. Dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Mit der Rede von Anwendungen von Begriffen ist im Rahmen der von uns entwickelten Auffassung allerdings eine Bedingung verbunden. Diese Rede ist nur dann sinnvoll, wenn damit die Anwendung von Begriffen im Sinne abstrakter Gegenstände gemeint ist. Und es ist zweifelhaft, ob diese Bedingung hier erfüllt ist. Um einen Begriff (im Sinne eines abstrakten Gegenstandes) anwenden zu können, muss ein Sprecher über diesen Begriff verfügen. Levins Hinweis darauf, dass phänomenale Begriffe keine Gegebenheitsweisen oder Charaktere hätten, kann jedoch so gedeutet werden, dass genau dies nicht möglich ist. Das wäre dann der Fall, wenn dieser Hinweis bedeuten soll, dass phänomenale Begriffe überhaupt keinen kognitiven Gehalt haben. Sollte das Levins Auffassung sein, müssten wir sie ablehnen. 86 Wenden wir uns damit hoffnungsvolleren Kandidaten zu. Wir wollen zwei Auffassungen betrachten, wonach phänomenale Begriffe keine tatsächlichkeitsunabhängigen Begriffe sind. Die Arten von BeLevin (2007), S. 89. Die Unhaltbarkeit einer solchen Auffassung spiegelt sich darin wider, dass in ihrem Rahmen eine positive Charakterisierung, die es rechtfertigt, von der Anwendung eines Begriffes zu sprechen, kaum möglich erscheint. Was übrig bleibt, scheint nicht viel mehr zu sein, als ein Ereignis im Gehirn, das durch einen phänomenalen Zustand verursacht wird. Es ist jedoch nicht zu erkennen, was ein solches Ereignis zu dem Ereignis einer Anwendung eines Begriffes machen könnte.
85 86
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Was phänomenale Begriffe nicht sind
griffen, unter die phänomenale Begriffe gemäß diesen Auffassungen fallen, sollen demonstrative Begriffe und Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten heißen. 87 Im nächsten Unterabschnitt wollen wir uns zunächst klarmachen, was damit gemeint ist.
3.4.1 Demonstrative Begriffe Unter demonstrativen Begriffen sollen hier sowohl die Bedeutungen von Demonstrativpronomen (»dies«, »das«, »jenes«, »dort« usw.) als auch die von komplexen Demonstrativpronomen (»dieses Haus«, »dieses Blau« usw.) verstanden werden (im Folgenden kurz: demonstrative Ausdrücke). Diese Begriffe machen zunächst einmal eine Anpassung unserer bisherigen Rede über Begriffe erforderlich. Es ist sinnvoll, wenn auch nicht zwingend, Begriffe so zu individuieren, dass ein Begriff der Bedeutung eines Ausdrucks einer Sprache oder innerhalb einer Sprachgemeinschaft entspricht. In Bezug auf die Beispiele, die wir bis hierher behandelt haben (Wasser, Schmerzen), war es möglich, Begriffe als aus einem kognitiven und einem wahrheitskonditionalen Gehalt zusammengesetzt zu betrachten, ohne diese Vorgabe zu verletzen. Der Grund, aus dem diese Möglichkeit besteht, ist, dass alle Vorkommnisse von Ausdrücken wie »Wasser« und »Schmerzen« innerhalb einer Sprachgemeinschaft (näherungsweise) denselben kognitiven Gehalt und denselben wahrheitskonditionalen Gehalt aufweisen. In Bezug auf demonstrative Begriffe ist diese Bedingung jedoch nicht erfüllt. Demonstrative Begriffe sind, im Gegensatz zu Begriffen wie Wasser und Schmerzen, kontextsensitiv. Das heißt, der wahrheitskonditionale Gehalt von Vorkommnissen eines demonstrativen Ausdrucks variiert mit den Kontexten eben dieser Vorkommnisse. Es ist dementsprechend nicht der Fall, dass alle Vorkommnisse eines demonstrativen Ausdrucks innerhalb einer Sprachgemeinschaft denselben kognitiven Gehalt und denselben wahrheitskonditionalen Gehalt aufweisen. Sie weisen lediglich denselben kognitiven Gehalt auf, während ihr wahrheitskonditionaler Gehalt variiert. Um der Vorgabe, Begriffe so zu individuieren, dass ein Begriff der Bedeutung eines Ausdrucks innerhalb einer Sprachgemeinschaft entspricht, gerecht zu werden, wollen wir festlegen, dass demonstrative Begriffe ihren kognitiven Gehalten entsprechen. Demonstrative 87
Die Gründe für diese Bezeichnungen werden im Folgenden klar.
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Begriffe an sich haben also, anders als die Begriffe Wasser und Schmerzen, keine wahrheitskonditionalen Gehalte. Wahrheitskonditionale Gehalte kommen lediglich einzelnen Vorkommnissen demonstrativer Ausdrücke zu. Vorkommnisse demonstrativer Ausdrücke sind rigide Designatoren, d. h. sie steuern zu den Propositionen, die die Wahrheitsbedingungen der in ihnen vorkommenden Sätze bestimmen, die Gegenstände bei, auf die sie sich beziehen – und nicht lediglich Beschreibungen dieser Gegenstände. 88 Bei diesen Gegenständen kann es sich sowohl um konkrete Gegenstände als auch um Eigenschaften handeln. 89 Demonstrative Begriffe haben keinen oder nur einen unvollständigen deskriptiven Gehalt. Abgesehen von (i) dem beigeordneten Sortal in komplexen Demonstrativpronomen (»dieses Haus« referiert auf ein Haus usw.) und (ii) dem, wie ich es hier ausdrücken möchte, intrinsischen Sortal in Demonstrativpronomen (»er« referiert auf etwas männliches, »sie« auf etwas weibliches, »dort« auf einen Ort usw.), gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich der Art von Gegenstand, die in einem Kontext unter einen demonstrativen Begriff fallen können. Für den kognitiven Gehalt demonstrativer Begriffe hat David Kaplan den Begriff des Charakters geprägt. 90 Der Charakter eines demonstrativen Begriffes ist also das, was einem Sprecher bekannt sein muss, um über diesen Begriff zu verfügen. Der Charakter eines demonstrativen Begriffes bestimmt, von welchen Aspekten des Kontextes eines Vorkommnisses des entsprechenden demonstrativen Ausdrucks der wahrheitskonditionale Gehalt dieses Vorkommnisses abhängt. Allgemein gilt: Der wahrheitskonditionale Gehalt eines Vorkommnisses eines demonstrativen Ausdrucks hängt davon ab, welcher Gegenstand oder welche Instanziierung einer Eigenschaft in Die gängige, auf Saul Kripke zurückgehende, Erläuterung des Begriffes eines rigiden Designators bewegt sich in dem weiter oben eingeführten Begriffs-Rahmen der intensionalen Semantik. Danach ist ein rigider Designator ein Ausdruck, der in jeder (als contrafaktisch aufgefassten) möglichen Welt denselben Gegenstand bezeichnet – gegeben dieser Gegenstand existiert in der fraglichen Welt (vgl. Kripke (1980), S. 48). 89 Im Rahmen der intensionalen Semantik ausgedrückt: Im ersten Fall sind ihre wahrheitskonditionalen Gehalte Intensionen, die jeder möglichen Welt (in der der fragliche Gegenstand existiert) denselben Gegenstand zuordnen, und im zweiten Fall sind es Intensionen, die jeder möglichen Welt dieselbe Eigenschaft zuordnen. 90 Vgl. Kaplan (1989a). 88
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Was phänomenale Begriffe nicht sind
einer bestimmten Relation zu eben diesem Vorkommnis steht. Der Charakter eines demonstrativen Begriffes legt also fest, in welcher Relation ein Gegenstand oder eine Instanziierung einer Eigenschaft zu einem Vorkommnis des entsprechenden demonstrativen Ausdrucks stehen muss, um der Referent dieses Vorkommnisses zu sein. Anders als bei sogenannten Indexwörtern (»ich«, »hier«, »jetzt«) ist diese Relation bei demonstrativen Begriffen durch den Charakter allerdings nicht eindeutig bestimmt. 91 Typischerweise handelt es sich um die Relation des Wahrgenommen-Werdens. Das ist jedoch nicht notwendigerweise der Fall. Eine andere Möglichkeit, die im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse ist, ist, dass der Gegenstand (die Instanziierung der Eigenschaft), auf den (die) ein Vorkommnis eines demonstrativen Ausdrucks referiert, ein Gegenstand des Selbst-Bewusstseins des Sprechers ist. Es ist beispielsweise möglich, dass ich auf meine aktuelle Erfahrung des Computer-Bildschirms vor mir mit dem komplexen Demonstrativpronomen »diese Erfahrung« Bezug nehme. Diese Kontextabhängigkeit des wahrheitskonditionalen Gehaltes demonstrativer Ausdrücke ist nun eine Form der Tatsächlichkeitsabhängigkeit. Erinnern wir uns an unsere Definition: Für einen Begriff B mit einem kognitiven Gehalt K und einem wahrheitskonditionalen Gehalt W zu K gilt: B ist genau dann tatsächlichkeitsabhängig, wenn gilt: Wäre die tatsächliche Welt in der durch K bestimmten Hinsicht anders, wäre nicht W, sondern ein anderer Gehalt der wahrheitskonditionale Gehalt zu K. Angenommen, ich beziehe mich auf eine vor mir stehende Blume mit dem komplexen Demonstrativpronomen »diese Blume«. Da »dies« ein rigider Designator ist, entspricht der wahrheitskonditionale Gehalt dieser Äußerung einer Intension, die jeder möglichen Welt (in der die Blume existiert) diese Blume als Extension zuordnet. Wäre die tatsächliche Welt aber in der Hinsicht anders, dass eine andere Blume vor mir stünde, wäre der wahrheitskonditionale Gehalt ebenfalls anders. 92
Vgl. ebenda, S. 490. In dem vor allem durch Kaplan geprägten formalen Rahmen wird dieser Punkt dadurch deutlich, dass mögliche tatsächliche Welten Bestandteile der Äußerungskontexte demonstrativer Begriffe sind (vgl. Kaplan (1989a)).
91 92
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3.4.2 Wiedererkennungsbegriffe, reine Wiedererkennungsbegriffe und Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten Einer Idee von Brian Loar folgend, zählen viele Philosophen phänomenale Begriffe zur Kategorie der sogenannten Wiedererkennungsbegriffe hrecognitional conceptsi. 93 Für das Verständnis phänomenaler Begriffe ist es daher äußerst wichtig, diese Begriffe von demonstrativen Begriffen zu unterscheiden. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich nicht wenige Autoren über die Art dieses Unterschiedes im Unklaren zu sein scheinen. Ein Beispiel hierfür scheint Loar selbst zu sein. 94 Schauen wir uns an, wie er die Kategorie der Wiedererkennungsbegriffe einführt: »They have the form ›x is one of that kind‹ ; they are type-demonstratives. [Hervorhebung D. F.] These type-demonstratives are grounded in dispositions to classify, by way of perceptual discriminations, certain objects, events, situations. Suppose you go into a California desert and spot a succulent never seen before. You become adept at recognizing instances, and gain a recognitional command of their kind, without a name for it; you are disposed to identify positive and negative instances and thereby pick out a kind.« 95
Loar sagt hier explizit, dass Wiedererkennungsbegriffe demonstrative Begriffe sind. Um die Falschheit dieser Annahme verdeutlichen zu können, müssen wir zunächst besser verstehen, was Wiedererkennungsbegriffe sind. Dazu können wir Loars eigenes Beispiel verwenden. Darin entwickelt ein Sprecher allein dadurch, dass er Pflanzen einer bestimmten Art häufig genug sieht, die Fähigkeit, Pflanzen dieser Art anhand ihres Aussehens wiederzuerkennen und von anderen Arten von Gegenständen zu unterscheiden. Im Folgenden soll der Sprecher einfach »der Sprecher« heißen und die fragliche Art von Pflanzen einfach »Sukkulenten«.
Vgl. neben Loar (1997) u. a. Balog (1999) und (2012), Block (2007a), Chalmers (2003), Carruthers (2004), Hill und McLaughlin (1999), Nida-Rümelin (2006b) und (2007) sowie Papineau (2007). Allerdings haben nicht alle Autoren, die diese Idee aufgenommen haben, auch die Bezeichnung »Wiedererkennungsbegriffe« übernommen. 94 Zu weiteren Beispielen vgl. auch Hawthorne (2007), Levin (2007), Papineau (2002), Perry (2001), Tye (2003a). Papineau kritisiert sich in Papineau (2007) selber für diese Verwechslung. 95 Loar (1997), S. 600. 93
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Was phänomenale Begriffe nicht sind
Wichtig ist zunächst einmal, dass in dem Beispiel der Prozess der Aneignung nicht die Anwendung eines Wiedererkennungsbegriffes beschrieben wird. Der Sprecher besitzt den Wiedererkennungsbegriff erst dann, wenn er die Fähigkeit ausgeprägt hat, Sukkulenten anhand ihres Aussehens wiederzuerkennen. Was für eine Art von Begriff hat er sich dadurch aber angeeignet? Loars Idee scheint zu sein, dass es sich um einen Begriff handelt, der für eine natürliche Art (die der Sukkulenten) steht. Begriffe dieser Art sollen dementsprechend Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten heißen. 96 Neben Wiedererkennungsbegriffen natürlicher Arten gibt es jedoch noch eine andere Art von Begriff, die als Wiedererkennungsbegriff bezeichnet werden kann. Die Fähigkeit, die der Sprecher erwirbt, wenn er sich einen Wiedererkennungsbegriff einer natürlichen Art für Sukkulenten aneignet ist, Sukkulenten von Nicht-Sukkulenten anhand ihres Aussehens unterscheiden zu können. Der Sprecher muss sich also offenbar zunächst einen Begriff davon aneignen, wie Sukkulenten aussehen. Ein solcher Begriff drückt aber keine natürliche Art aus. Er drückt eine Art aus, wie Dinge aussehen. Mögliche Gegenstände, die wie Sukkulenten aussehen, jedoch nicht der natürlichen Art der Sukkulenten angehören, fallen unter diesen Begriff, nicht aber unter den Wiedererkennungsbegriff einer natürlichen Art, den Loar im Sinn zu haben scheint. Wiedererkennungsbegriffe dieser Art sollen reine Wiedererkennungsbegriffe heißen. Zwischen Wiedererkennungsbegriffen natürlicher Arten und reinen Wiedererkennungsbegriffen bestehen wichtige Gemeinsamkeiten und wichtige Unterschiede. Die Gemeinsamkeit beider Arten von Begriffen besteht in der Art ihres kognitiven Gehaltes. Nehmen wir wieder unser Beispiel: Der Wiedererkennungsbegriff einer natürlichen Art für Sukkulenten und der reine Wiedererkennungsbegriff des Aussehens von Sukkulenten, die sich der Sprecher aneignet, weisen denselben kognitiven Gehalt auf. Er entspricht jeweils der Art, wie Sukkulenten aussehen. 97 Eine Bedingung der Möglichkeit der Einführung eines Wiedererkennungsbegriffes einer natürlichen Art ist, dass die Gegenstände, die so aussehen wie die, anhand derer sich der Sprecher den Begriff aneignet, auch wirklich eine natürliche Art bilden. Diese Bedingung ist nicht immer erfüllt und der Sprecher ist oft nicht in der Lage, zu beurteilen, ob sie erfüllt ist. Beides verhindert jedoch nicht, dass Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten häufig erfolgreich eingeführt werden. 97 An dieser Stelle ist es notwendig, ein mögliches Missverständnis auszuräumen, dass sich aus der Art ergeben könnte, wie Sprecher sich Wiedererkennungsbegriffe 96
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Der entscheidende Unterschied zwischen Wiedererkennungsbegriffen natürlicher Arten und reinen Wiedererkennungsbegriffen ist, dass erstere tatsächlichkeitsabhängig sind, während letztere tatsächlichkeitsunabhängig sind. Machen wir uns das erneut anhand unseres Beispiels klar. Der wahrheitskonditionale Gehalt des Wiedererkennungsbegriffes einer natürlichen Art für Sukkulenten, den sich der Sprecher aneignet, hängt davon ab, welche natürliche Art in der tatsächlichen Welt so aussieht, wie Sukkulenten eben aussehen. Die natürliche Art, für die das gilt, ist die der Sukkulenten. Wäre die tatsächliche Welt in dieser Hinsicht jedoch anders, würde eine andere natürliche Art (oder keine) so aussehen, wie Sukkulenten eben aussehen. Und der wahrheitskonditionale Gehalt des Wiedererkennungsbegriffes einer natürlichen Art wäre dementsprechend ebenfalls ein anderer. Der Begriff ist also tatsächlichkeitsabhängig. Der wahrheitskonditionale Gehalt des reinen Wiedererkennungsbegriffes des Sprechers dagegen entspricht der Art, wie Sukkulenten aussehen, das heißt unter ihn fallen in jeder möglichen Welt diejenigen Gegenstände, die in dieser Welt so aussehen, wie Sukkulenten tatsächlich aussehen. Ob es dort Sukkulenten sind, spielt dabei keine Rolle. Der wahrheitskonditionale Gehalt dieses reinen Wiedererkennungsbegriffes entspricht also dessen kognitivem Gehalt. Der Begriff ist tatsächlichkeitsunabhängig.
aneignen. Sprecher eignen sich Wiedererkennungsbegriffe an, indem sie eine bestimmte Anzahl von Gegenständen sehen, die unter den Begriff fallen. Das legt das Missverständnis nahe, diese Gegenstände als solche würden den kognitiven Gehalt des Begriffes bestimmen. Angenommen ein Sprecher eignet sich einen Wiedererkennungsbegriff anhand der Gegenstände a, b und c an. Gemäß diesem Missverständnis entspräche der kognitive Gehalt dieses Begriffes dann der Eigenschaft, so auszusehen wie a, b und c. Ein Begriff mit diesem kognitiven Gehalt wäre in jedem Fall tatsächlichkeitsabhängig. Denn es hängt von der Beschaffenheit der tatsächlichen Welt ab, wie die Gegenstände a, b und c gerade aussehen. Diese Vorstellung ist jedoch verfehlt. Beide Arten von Wiedererkennungsbegriffen sind nicht Begriffe des Aussehens derjenigen Gegenstände, anhand derer sie eingeführt werden. Es sind Begriffe des Aussehens, das die Gegenstände, anhand derer sie eingeführt werden, (zufällig) haben. Und dementsprechend wird ihr kognitiver Gehalt nicht durch die (numerische) Identität der Gegenstände bestimmt, anhand derer sie eingeführt werden, sondern eben durch die Art wie diese aussehen.
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Was phänomenale Begriffe nicht sind
3.4.3 Wiedererkennungsbegriffe vs. demonstrative Begriffe Wiedererkennungsbegriffe beider Arten und demonstrative Begriffe unterscheiden sich grundsätzlich voneinander. Wie wir weiter oben bereits angedeutet haben, kommt es dennoch nicht selten zu Verwechslungen beider Kategorien. Da die genannte Verwechslung für Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten näherliegt als für reine Wiedererkennungsbegriffe, können wir uns dabei auf erstere konzentrieren. Betrachten wir dazu erneut den Wiedererkennungsbegriff einer natürlichen Art für Sukkulenten des Sprechers in Loars Beispiel. Es gibt demonstrative Ausdrücke, deren Vorkommnisse wahrheitskonditionale Gehalte aufweisen könnten, die dem wahrheitskonditionalen Gehalt dieses Begriffes entsprächen: zum Beispiel »auszusehen, wie diese Pflanze« oder einfach »so auszusehen« – wobei der Kontext ihrer Äußerung so sein müsste, dass eine Sukkulente in der entsprechenden Relation zu dem Vorkommnis des Ausdrucks steht. Hinsichtlich ihres kognitiven Gehaltes unterscheiden sich der demonstrative Begriff, der durch diese Ausdrücke ausgedrückt würde, und der Wiedererkennungsbegriff einer natürlichen Art des Sprechers jedoch grundsätzlich. Da es sich bei ersteren um demonstrative Begriffe handelt, entspricht ihr kognitiver Gehalt der Art, wie die wahrheitskonditionalen Gehalte der Äußerungen des demonstrativen Ausdrucks, der ihn ausdrückt, von ihrem Kontext abhängen. Und wie wir festgestellt haben, besteht diese Abhängigkeit darin, dass die jeweilige Pflanze im Kontext der Äußerung in einer bestimmten Relation zu eben dieser Äußerung stehen muss. Andere Eigenschaften der Pflanze spielen dabei keine Rolle. Der kognitive Gehalt des Wiedererkennungsbegriffes einer natürlichen Art ist dagegen von ganz anderer Art. Welche Gegenstände in der tatsächlichen Welt unter ihn fallen, hängt gerade von einer bestimmten Eigenschaft dieser Gegenstände ab – der Art, wie sie aussehen. In welcher Relation sie im Kontext der Äußerung zum Sprecher der Äußerung stehen, spielt dagegen keine Rolle. Angesichts der relativen Deutlichkeit dieses Unterschiedes mag es überraschen, dass es so häufig zu Verwechslungen kommt. Dafür gibt es jedoch Gründe. Einer ist der, auf den David Papineau hinweist: »[…] it is quite wrong to classify perceptual concepts [in etwa: Wiedererkennungsbegriffe; D. F.] as demonstratives. […] It is possible to be dis-
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tracted from this basic point by failing to distinguish clearly between perceptual concepts and their linguistic expression.« 98
Wiedererkennungsbegriffe lassen sich sprachlich besonders gut mit Hilfe von Demonstrativpronomen ausdrücken. Wenn der Sprecher beispielsweise seinen Wiedererkennungsbegriff sprachlich ausdrücken möchte, tut er das am besten, indem er auf eine der Sukkulenten zeigt, die unter seinen Wiedererkennungsbegriff fallen, und etwas sagt wie: »Pflanzen, die aussehen wie diese«. Diese Art, Wiedererkennungsbegriffe mit Hilfe von Demonstrativpronomen auszudrücken, legt den Schluss nahe, es handle sich auch um demonstrative Begriffe. Dem ist jedoch nicht so. Wiedererkennungsbegriffe lassen sich sprachlich mit Hilfe von Demonstrativpronomen ausdrücken, ohne dass sie selbst demonstrative Begriffe wären. 99 Ein zweiter Grund scheint mir noch stärker zu wiegen: Demonstrative Bezugnahmen sind für uns nötig, um Wiedererkennungsbegriffe einzuführen. Man kann sich diesen Prozess als eine Art os-
Papineau (2007), 113 f. Das wirft natürlich die Frage auf, was in solchen Fällen eigentlich genau vor sich geht. Eine Antwort erhalten wir, wenn wir uns der Frage von einer anderen Seite aus nähern und uns zunächst fragen, wie ein adäquater sprachlicher Ausdruck eines Wiedererkennungsbegriffes eigentlich aussehen müsste. Die richtige Antwort können wir mit Hilfe des Begriffes eines Ausstellungsausdrucks formulieren. Ein Ausstellungsausdruck ist ein Ausdruck, der einen konkreten Gegenstand als echten Bestandteil enthält. (Die Idee eines Ausstellungsausdrucks ist eine Abwandlung von Eddy M. Zemachs Konzeption eines Ausstellungssatzes hdisplay sentencei (vgl. Zemach (1985), S. 195). Mit Hilfe von Ausstellungsausdrücken lassen sich Wiedererkennungsbegriffe auf adäquate Weise ausdrücken. In unserem Beispiel hätte ein solcher Ausdruck die Form: »so auszusehen wie …«, wobei die Leerstelle einfach durch eine geeignete Pflanze eingenommen werden würde. (Darüber, dass die Leerstelle dafür zu klein ist, bitte ich an dieser Stelle hinwegzusehen.) Die Rolle der Pflanze darin ist, die Art des Aussehens, die der Begriff ausdrückt, zu exemplifizieren. Es ist also nicht entscheidend, welche Pflanze Teil des Ausdrucks ist. Entscheidend ist, wie sie aussieht. Wenn die Leerstelle durch verschieden aussehende Pflanzen eingenommen wird, ergeben sich also verschiedene Ausdrücke. Damit haben wir eine einfache Erklärung der Tatsache, dass Wiedererkennungsbegriffe sich durch demonstrative Ausdrücke ausdrücken lassen: Wenn ein demonstrativer Ausdruck wie »Pflanzen, die aussehen wie diese« als Ausdruck eines Wiedererkennungsbegriffes verwendet wird, wird er nicht in der gewöhnlichen Weise verwendet, sondern als Ausstellungsausdruck. Gemäß diesem Verständnis ist die demonstrative Bezugnahme nicht selber ein Bestandteil des Ausdrucks. Sie ist vielmehr ein Mittel, um den Gegenstand herauszugreifen, der in dem Ausdruck ›ausgestellt‹ werden soll. Und es ist dieser Gegenstand selbst, der Bestandteil des Ausdrucks ist.
98 99
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Was phänomenale Begriffe nicht sind
tensiver Definition vorstellen. In einer ostensiven Definition wird ein Begriff anhand eines bestimmten Musters eingeführt. 100 Unter einen so eingeführten Begriff fallen diejenigen Gegenstände, die in einer näher zu bestimmenden Hinsicht so sind wie das Muster. Die ostensive Definition selbst enthält eine demonstrative Bezugnahme auf das Muster. Sie hat die Form: »Alles, was in der Hinsicht x so ist wie dies [das Muster], sei ein F.« Wir können uns vorstellen, dass der Sprecher in Loars Beispiel auf diese Weise seinen Wiedererkennungsbegriff einführt. Er steht vor einer Pflanze (die tatsächlich eine Sukkulente ist) und sagt: »Alles, was so aussieht, wie dies [die Pflanze], sei eine [irgendein sprachlicher Ausdruck].« Daraus, dass ostensive Definitionen demonstrative Bezugnahmen enthalten und Wiedererkennungsbegriffe durch (so etwas Ähnliches wie) ostensive Definitionen eingeführt werden, folgt aber nicht, dass Wiedererkennungsbegriffe demonstrative Begriffe enthalten. Das hieße, die Einführung eines Begriffes mit seiner Anwendung zu verwechseln. Die Vermutung liegt nahe, dass die Annahme, Wiedererkennungsbegriffe seien demonstrative Begriffe, auf einer solchen Verwechslung beruht. Und es gibt eine einfache Erklärung dafür, dass dies im vorliegenden Fall besonders leicht geschieht: Der demonstrative Begriff, der in der ostensiven Definition verwendet wird, ist derselbe, dessen sprachlicher Ausdruck verwendet wird, um den Wiedererkennungsbegriff selbst sprachlich auszudrücken: »auszusehen wie dies«. Kommen wir damit zurück zum eigentlichen Gegenstand unserer Diskussion – den phänomenalen Begriffen: Wir haben drei Kategorien unterschieden, die dafür in Frage kommen, dass phänomenale Begriffe unter sie fallen: • Demonstrative Begriffe • Wiedererkennungsbegriffe für natürliche Arten • Reine Wiedererkennungsbegriffe Wie wir festgestellt haben, sind die Begriffe der ersten beiden Kategorien tatsächlichkeitsabhängige Begriffe. Im Folgenden wollen wir also untersuchen, ob phänomenale Begriffe einer dieser beiden Kategorien angehören.
100
Vgl. Wittgenstein (1984), § 28 – § 33.
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3.4.4 Sind phänomenale Begriffe Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten? Bei Wiedererkennungsbegriffen natürlicher Arten unterscheidet sich der wahrheitskonditionale Gehalt vom kognitiven Gehalt. Während ersterer einer Art entspricht, wie Gegenstände aussehen, entspricht letzterer der natürlichen Art, der in der tatsächlichen Welt die Gegenstände angehören, die so aussehen. Sollten phänomenale Begriffe Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten sein, müssen sich ihre kognitiven und ihre wahrheitskonditionalen Gehalte in analoger Weise unterscheiden. Das heißt, ihre wahrheitskonditionalen Gehalte müssten natürlichen Arten entsprechen und ihre kognitiven Gehalte müssten Eigenschaften entsprechen, an denen ein Sprecher Entitäten, die diesen natürlichen Arten angehören, wiedererkennt. Und da phänomenale Begriffe Begriffe phänomenaler Eigenschaften sind, gilt zudem: Eine dieser beiden Rollen muss die phänomenale Eigenschaft spielen, von der der jeweilige phänomenale Begriff ein Begriff ist. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten: (a) Die phänomenalen Eigenschaften entsprechen den kognitiven Gehalten. (b) Die phänomenalen Eigenschaften entsprechen den wahrheitskonditionalen Gehalten. Betrachten wir zunächst Möglichkeit (a): Unter der Voraussetzung, dass die kognitiven und die wahrheitskonditionalen Gehalte verschieden sein müssen, ergeben sich aus dieser Möglichkeit wiederum zwei Möglichkeiten: (i) Neben den kognitiven Gehalten entsprechen auch die wahrheitskonditionalen Gehalte phänomenalen Eigenschaften. Und die ersteren sind höherstufige Eigenschaften der letzteren. Oder: (ii) Nur die kognitiven Gehalte, nicht aber die wahrheitskonditionalen Gehalte, entsprechen phänomenalen Eigenschaften. Die erste Möglichkeit können wir leicht ausschließen. Sie würde uns auf die nicht akzeptable Annahme phänomenaler Eigenschaften von phänomenalen Eigenschaften festlegen. Wie verhält es sich aber mit der zweiten Möglichkeit? Sie wirft zunächst die Frage auf, was in diesem Fall die natürlichen Arten wären, denen die wahrheitskonditionalen Gehalte phänomenaler Begriffe entsprechen würden. Die naheliegenden Kandidaten hierfür sind bestimmte Arten von Gehirnzuständen. 101 Das entscheidende Problem mit dieser Auffassung ist schlicht, 101
Das entspricht in etwa der Idee der klassischen Identitätstheorie, wie sie von Ullin
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Was phänomenale Begriffe nicht sind
dass sie dem falschen Begriff den Titel »phänomenaler Begriff« zuerkennt. Dass der kognitive Gehalt eines Wiedererkennungsbegriffes einer natürlichen Art einer phänomenalen Eigenschaft entspricht, bedeutet nichts anderes, als dass ein Sprecher, indem er über diesen Begriff verfügt, über einen reinen Wiedererkennungsbegriff eben dieser phänomenalen Eigenschaft verfügt. Und es ist keine Frage, dass wir unter diesen Bedingungen eben diesem reinen Wiedererkennungsbegriff den Titel »phänomenaler Begriff« zusprechen würden. Unter der Voraussetzung der Möglichkeit (a) ist die These, phänomenale Begriffe seien Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten, also nicht aufrechtzuerhalten. Wenden wir uns damit Möglichkeit (b) zu. Gemäß dieser Möglichkeit entspricht die phänomenale Eigenschaft, von der ein phänomenaler Begriff ein Begriff ist, dem wahrheitskonditionalen Gehalt dieses Begriffes. Das heißt, wenn phänomenale Begriffe Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten wären, wären danach die phänomenalen Eigenschaften die natürlichen Arten, die durch diese Begriffe ausgedrückt würden. Das wirft die schwierige Frage auf, was dann die Rolle des kognitiven Gehaltes eines phänomenalen Begriffes spielen könnte. Wenn es sich um einen Wiedererkennungsbegriff einer natürlichen Art handeln soll, muss dem kognitiven Gehalt eine Eigenschaft entsprechen, an der ein Sprecher die phänomenale Eigenschaft, die der Begriff ausdrückt, wiedererkennen kann. Um welche Eigenschaft könnte es sich dabei aber handeln? Offenbar erkennen wir die phänomenale Eigenschaft unserer mentalen Zustände nicht anhand irgendwelcher höherstufigen Eigenschaften wieder – seien es wiederum phänomenale Eigenschaften oder nicht. Wir erkennen sie vielmehr direkt wieder – anhand ihrer selbst, wenn man so will. Diese Antwort ist mit der These, phänomenale Begriffe seien Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten, aber wiederum unvereinbar. Denn ein Begriff kann nur dann ein Wiedererkennungsbegriff einer natürlicher Art sein, wenn ein Unterschied besteht zwischen der natürlichen Art, die dieser Begriff ausdrückt, und der Eigenschaft, anhand derer ein Sprecher Entitäten dieser natürlichen Art wiedererkennt. Auch unter der Voraussetzung der Möglichkeit (b) ist die These, phänomenale Begriffe seien Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten, also nicht aufrechtzuerhalten. Place, John Smart und Anderen vertreten wurde (vgl. z. B. Place (1956) sowie Smart (1959)).
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Damit können wir folgendes Ergebnis festhalten: Wenn phänomenale Begriffe Wiedererkennungsbegriffe sind, sind sie reine Wiedererkennungsbegriffe und nicht Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten. Und das wiederum bedeutet: Wenn phänomenale Begriffe Wiedererkennungsbegriffe sind, sind sie nicht tatsächlichkeitsabhängig.
3.4.5 Sind phänomenale Begriffe demonstrative Begriffe? Wir haben festgestellt, dass demonstrative Begriffe zwar, ebenso wie Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten, tatsächlichkeitsabhängige Begriffe sind, sich von diesen jedoch in einer grundsätzlichen Hinsicht unterscheiden: Der wahrheitskonditionale Gehalt von Wiedererkennungsbegriffen natürlicher Arten ist ein Bestandteil dieses Begriffes. Er variiert also nicht mit dem Kontext der Äußerungen der Ausdrücke dieser Begriffe. Das heißt, er hängt nicht davon ab, welche Entitäten in dem Kontext einer solchen Äußerung in einer bestimmten Relation zu dieser Äußerung stehen. Demonstrative Begriffe dagegen weisen keinen wahrheitskonditionalen Gehalt auf. Wahrheitskonditionale Gehalte kommen nur den Äußerungen demonstrativer Ausdrücke zu. Und der wahrheitskonditionale Gehalt einer solchen Äußerung hängt von ihrem Kontext ab. Er hängt davon ab, welche Entitäten in dem Kontext dieser Äußerung in einer bestimmten Relation zu ihr stehen. Wären phänomenale Begriffe demonstrative Begriffe, müsste für sie also etwas Entsprechendes gelten: sie dürften selbst keinen wahrheitskonditionalen Gehalt aufweisen. Lediglich Äußerungen von Ausdrücken für diese Begriffe dürften wahrheitskonditionale Gehalte aufweisen. Und was der wahrheitskonditionale Gehalt einer solchen Äußerung wäre, dürfte allein (oder beinahe allein) davon abhängen, welche Eigenschaft im Kontext dieser Äußerung in einer bestimmten Relation zu ihr stünde. Um was für eine Eigenschaft es sich dabei handelte, dürfte dagegen keine Rolle spielen. 102 Diese Konsequenz lässt sich sehr schön an einer Idee aufzeigen, die John O’Dea vorbringt. O’Dea betrachtet zwei Äußerungen des Ausdrucks »GrünEmpfindung« durch zwei verschiedene Sprecher: 102 Zu Arbeiten, in denen phänomenale Begriffe als demonstrative Begriffe aufgefasst werden, vgl. Fn. 99 in diesem Kapitel.
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Was phänomenale Begriffe nicht sind
»The character of ›green sensation‹ in both cases is ›the state I am normally in when I look at grass‹ – that is what makes them two occurrences of a single type – while the content in one case is state X and in the other state Y. In fact, of course, it is likely that the content of ›green sensation‹ is the same, or at least similar, for all of us, but the logic of ›green sensation‹ allows for it not to be. Character does not, by the nature of indexicals, entail any particular content.« 103
Nehmen wir für den Moment an, »Grün-Empfindung« sei der Ausdruck eines phänomenalen Begriffes. Dass O’Dea phänomenale Begriffe mit Hilfe des Ausdrucks »ich« und nicht mit Hilfe des demonstrativen Ausdrucks »dies« paraphrasiert, zeigt, dass sich seine Idee leicht von der Auffassung, phänomenale Begriffe seien demonstrative Begriffe, unterscheidet. Er fasst sie stattdessen als verkappte indexikalische Begriffe auf. Zur Erinnerung: Indexikalische Begriffe unterscheiden sich von demonstrativen Begriffen dadurch, dass ihr Charakter eindeutig bestimmt, was der wahrheitskonditionale Gehalt einer Äußerung eines indexikalischen Ausdrucks in einem Kontext ist. Diesen Unterschied können wir hier aber vernachlässigen, denn das für uns interessante Merkmal teilen sich demonstrative und indexikalische Ausdrücke: Was der wahrheitskonditionale Gehalt einer ihrer Äußerungen ist, hängt allein davon ab, welche Eigenschaft in einer bestimmten Relation zu dieser Äußerung steht. Dieser Aspekt wird in O’Deas Beschreibung sehr schön deutlich. Wie er betont, sind die Äußerungen beider Sprecher Äußerungen desselben Ausdruckstyps. Dennoch können sie verschiedene Arten von Zuständen ausdrücken. Oder, um es noch deutlicher zu machen, ihre Zugehörigkeit zu dem (indexikalischen) Ausdruckstyp, dem sie angehören, bleibt davon vollkommen unberührt, welche Art von Zustand sie ausdrücken. Was das bedeutet, wird klar, wenn man zum Beispiel annimmt, dass das Farbspektrum eines der beiden Sprecher invertiert ist. Vorausgesetzt, beide Sprecher schauen tatsächlich gerade auf eine Grasfläche, dann gilt für den Sprecher mit dem invertierten Farbspektrum zweierlei: Erstens: Was er sagt, ist nicht etwa etwas Falsches, dessen Falschheit nicht überprüfbar ist. Was er sagt, ist wahr. Zweitens: Was er sagt, ist nicht etwa etwas ganz anderes als das, was der andere Sprecher sagt. Es ist vielmehr (in einer wichtigen Hinsicht) dasselbe. Es ist eine Äußerung desselben indexikalischen Ausdrucks. Wären phänomenale Begriffe also indexikalische Begriffe der Art, wie sie 103
O’Dea (2002), S. 177 f.
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
O’Dea beschreibt, würde ein phänomenaler Begriff nicht eine bestimmte phänomenale Eigenschaft ausdrücken. Vielmehr würden verschiedene Äußerungen von Ausdrücken für diesen Begriff verschiedene phänomenale Eigenschaften in verschiedenen Kontexten ausdrücken. Aus dem, was wir über demonstrative Begriffe gesagt haben, wird klar, dass sich aus der Auffassung, phänomenale Begriffe seien demonstrative Begriffe, Konsequenzen derselben Art ergeben. Was immer genau der Charakter der fraglichen demonstrativen Begriffe sein mag – in jedem Fall gilt: Weil es sich um demonstrative Begriffe handelt, ist die Tatsache, dass einzelne Äußerungen Äußerungen dieses Begriffes sind, unabhängig davon, welche Eigenschaften sie ausdrücken. Die Eigenschaften, die verschiedene Äußerungen eines demonstrativen Ausdrucks ausdrücken, können dementsprechend genauso verschieden sein wie die, die verschiedene Äußerungen eines indexikalischen Ausdrucks ausdrücken. Dafür, dass diese Tatsache in Bezug auf demonstrative Begriffe besonders leicht übersehen wird, gibt es einen Grund. Die Relation, in der ein Sprecher zum Referenten eines demonstrativen Ausdrucks in einem Äußerungskontext steht, ist häufig von einer Art, die es dem Sprecher (auch) ermöglicht, etwas über die Beschaffenheit des Referenten zu erfahren. Im Fall gewöhnlicher demonstrativer Begriffe ist häufig die Wahrnehmung diese Art von Relation. Im Fall phänomenaler Begriffe wäre es das Selbst-Bewusstsein (das Bewusstsein der eigenen phänomenalen Zustände). Für die Logik demonstrativer Begriffe macht es jedoch keinen Unterschied, ob die Relation, in der der Sprecher in einem Äußerungskontext zum Referenten eines demonstrativen Ausdrucks steht, von dieser Art ist. Dass wir de facto häufig wissen, welche Eigenschaften unsere Äußerungen demonstrativer Ausdrücke ausdrücken, bedeutet nicht, dass diese Eigenschaften Teil des kognitiven Gehaltes dieser Ausdrücke sind – auch dann nicht, wenn die Relation, auf der dieses Wissen beruht, dieselbe ist wie die, die die fragliche Eigenschaft zum Referenten unserer Äußerung macht. Es gibt allerdings eine Art von Begriffen, deren kognitiver Gehalt – anders als der demonstrativer Begriffe – sehr wohl durch die Informationen über Gegenstände oder Eigenschaften bestimmt wird, die wir auf der Grundlage der Wahrnehmung oder des Bewusstseins dieser Gegenstände oder Eigenschaften erhalten. Und diese Art von Begriffen haben wir bereits kennengelernt: Es sind Wiedererken86 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Was phänomenale Begriffe nicht sind
nungsbegriffe (und, wie wir ebenfalls bereits festgestellt haben, lassen sie sich leicht mit demonstrativen Ausdrücken verwechseln). Erinnern wir uns an unser Beispiel: Der Sprecher führt seinen Wiedererkennungsbegriff für Sukkulenten auf der Grundlage seiner Wahrnehmung einiger Sukkulenten ein und der kognitive Gehalt seines Wiedererkennungsbegriffes wird durch eine Information über diese Sukkulenten bestimmt, die er auf der Grundlage eben dieser Wahrnehmung enthält: der Information, wie sie aussehen. Wir können also festhalten, dass einige der Relationen zwischen einem Sprecher und einem Gegenstand oder einer Eigenschaft, die es dem Sprecher erlauben, mit einem demonstrativen Ausdruck auf diesen Gegenstand oder diese Eigenschaft Bezug zu nehmen, es dem Sprecher ebenfalls erlauben, einen Wiedererkennungsbegriff dieser Gegenstände oder Eigenschaften einzuführen, dessen kognitiver Gehalt durch die Informationen bestimmt ist, die er auf der Grundlage der genannten Relation von diesen Gegenständen oder Eigenschaften erhält. Für die Auffassung, phänomenale Begriffe seien demonstrative Begriffe, ergibt sich daraus ein ernstes Problem: Sollte die Relation, auf deren Grundlage ein Sprecher sich mit einem demonstrativen Ausdruck auf eine phänomenale Eigenschaft beziehen kann, von dieser Art sein, müssten wir dem Sprecher aus eben diesem Grund auch zugestehen, über einen auf der Grundlage dieser Relation eingeführten Wiedererkennungsbegriff dieser phänomenalen Eigenschaft zu verfügen. Und es ist keine Frage, welchem Begriff wir in einem solchen Fall den Status eines phänomenalen Begriffes zuerkennen würden: es ist der Wiedererkennungsbegriff und nicht etwa der demonstrative Begriff, den der genannte demonstrative Ausdruck ausdrückt. Die Auffassung, phänomenale Begriffe seien demonstrative Begriffe, hat also nur dann eine Chance, wenn die Relation, in der ein Sprecher zu den phänomenalen Eigenschaften seiner mentalen Zustände steht, so ist, dass sie ihm zwar eine Bezugnahme auf diese Eigenschaften mit Hilfe eines demonstrativen Ausdrucks ermöglicht, nicht aber die Einführung eines Wiedererkennungsbegriffes dieser Eigenschaften. Machen wir uns zunächst klar, was das bedeutet. Wir sind in der Lage, einen Wiedererkennungsbegriff einer Eigenschaft einzuführen, sobald wir zu einer Instanziierung dieser Eigenschaft in einer Relation stehen, die es uns erlaubt, diese Eigenschaft wiederzuerkennen, sobald wir wieder in dieser Relation zu ihr stehen. Es ist also eine Bedingung der Wahrheit der Annahme, phänomenale Begriffe seien demonstrative Begriffe, dass die Relation, in der wir zu 87 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
den phänomenalen Eigenschaften unserer mentalen Zustände stehen, nicht von dieser Art ist, das heißt, dass sie es uns nicht erlaubt, die phänomenalen Eigenschaften unserer mentalen Zustände wiederzuerkennen, sobald wir wieder in dieser Relation zu ihnen stehen. Joseph Levine stellt einen geeigneten Vergleich für eine solche Situation an: »[…] take the following example, involving a demonstrative: I point blindly in front of me and say, ›I wonder what that is.‹ I have no more substantive idea of what I’m pointing at than that it’s an object occupying space.« 104
In diesem Beispiel kann sich Levine zwar auf einen Gegenstand mit Hilfe eines demonstrativen Ausdrucks beziehen. Er wird diesen Gegenstand, welcher es auch immer sein mag, aber nicht dadurch wiedererkennen, dass er erneut in der Relation zu ihm steht, die ihm diese demonstrative Bezugnahme ermöglicht. Die Relation, in der wir zu den phänomenalen Eigenschaften unserer mentalen Zustände stehen, ist aber gerade nicht von dieser Art. Wir sind mit den phänomenalen Eigenschaften unserer mentalen Zustände vielmehr auf eine Weise bekannt, die uns in die Lage versetzt, sie auf sehr zuverlässige Weise wiederzuerkennen und Wiedererkennungsbegriffe für sie einzuführen. 105 Wir müssen daher auch die Auffassung, phänomenale Begriffe seien demonstrative Begriffe, als verfehlt ansehen. Wir hatten zwei Auffassungen, wonach phänomenale Begriffe tatsächlichkeitsabhängige Begriffe sind, als erwägenswert eingestuft: die Auffassung, sie seien Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten, und die Auffassung, sie seien demonstrative Begriffe. Da sich beide Auffassungen als nicht haltbar erwiesen haben, wollen wir die Annahme, phänomenale Begriffe seien tatsächlichkeitsabhängige Begriffe, als widerlegt betrachten. Mit anderen Worten: Wir wollen die in Abschnitt 3.3 geschilderte Intuition, wonach phänomenale Begriffe tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind, als bestätigt ansehen. Levine (2001), S. 82. Diese Schwäche der Auffassung, phänomenale Begriffe seien demonstrative Begriffe, ist von vielen Autoren erkannt worden. Stellvertretend sei hier wiederum Levine zitiert: »[…] with phenomenal concepts, such as a concept of a reddish quale, there is a ›thick‹, substantive mode of presentation. We are not just labeling some ›we know not what‹ with the term ›reddish‹, but rather we have a fairly determinate conception of what it is for an experience to be reddish.« (Levine (2001), S. 84) Vgl. aber auch Block (2007a), Carruthers (2004), Chalmers (2003), Horgan and Tienson (2001), Schroer (2010) oder White (2007). 104 105
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Phänomenale Begriffe als erstpersönliche Wiedererkennungsbegriffe
3.5 Phänomenale Begriffe als erstpersönliche Wiedererkennungsbegriffe Im letzten Abschnitt haben wir festgestellt, dass phänomenale Begriffe tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind. Das ist das entscheidende Ergebnis hinsichtlich der Methodenfrage, die wir zu Beginn dieses Kapitels gestellt haben. Als Antwort auf die Frage, was für eine Art von Begriffen phänomenale Begriffe sind, ist sie jedoch nicht hinreichend. Denn neben phänomenalen Begriffen gibt es noch weitere Arten tatsächlichkeitsunabhängiger Begriffe. 106 Die Antwort auf diese zweite Frage haben wir allerdings ebenfalls bereits kennengelernt: Phänomenale Begriffe sind reine Wiedererkennungsbegriffe. Im Unterschied zu vielen anderen reinen Wiedererkennungsbegriffen drücken sie jedoch nicht die Art aus, wie bestimmte Dinge aussehen. Sie drücken vielmehr die Art aus, wie es für ein Subjekt ist, dass etwas (für dieses Subjekt) auf eine bestimmte Art aussieht. Mit anderen Worten: Sie drücken aus, wie es für ein Subjekt ist, sich in einem bestimmten Zustand des Erscheinens zu befinden. 107 Damit haben wir die Frage nach der Art von Begriff, unter die phänomenale Begriffe fallen, beantwortet. Phänomenale Begriffe sind jedoch nur eine Art von Begriffen, die uns interessieren. Sie sind, so hatten wir zu Beginn der Diskussion festgestellt, Bestimmungen des allgemeinen Begriffes des phänomenalen Bewusstseins. Und obwohl wir die Diskussion in Kapitel 3 beinahe ausschließlich in Bezug auf phänomenale Begriffe geführt haben, ist der für uns eigentlich interessante Begriff der allgemeine Begriff des phänomenalen Bewusstseins. Denn er steht – die Identität von phänomenalem Bewusstsein und phänomenalem Erscheinen vorausgesetzt – für den Gegenstand unserer Kernfrage. Wir sollten die Frage, um was für eine Art von Begriff es sich handelt, daher auch in Bezug auf den Begriff des phänomenalen Bewusstseins beantworten. 106 So z. B. mathematische Begriffe wie die kleinsten Primzahl oder die Quadratwurzel aus sieben (vgl. Kripke (1980), S. 21). 107 Dieser Unterschied ist allerdings geringer, als es auf den ersten Blick scheinen mag. In jedem Fall besteht der Unterschied nicht darin, dass phänomenale Begriffe die Art ausdrücken, wie die eigenen mentalen Zustände aussehen, während andere reine Wiedererkennungsbegriffe die Art ausdrücken, wie äußere Gegenstände aussehen. Wie im weiteren Verlauf der Arbeit deutlich werden wird, gibt es so etwas wie das Aussehen der eigenen mentalen Zustände nicht (auch nicht in einem uneigentlichen Sinn). Denn diese Zustände können uns nicht erscheinen.
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
Bei dieser Antwort können wir uns kurzfassen. Der Begriff des phänomenalen Bewusstseins ist zunächst einmal sicherlich ebenfalls ein tatsächlichkeitsunabhängiger Begriff. Dieses Ergebnis hatten wir oben bereits vorweggenommen. Wir hatten gesagt: Nichts, was nicht unter den kognitiven Gehalt des Begriffes des phänomenalen Erscheinens (d. i. den Begriff des phänomenalen Bewusstseins) fällt, kann ein Zustand des phänomenalen Erscheinens sein. Und alles, was unter den kognitiven Gehalt des Begriffes des phänomenalen Erscheinens (d. i. den Begriff des phänomenalen Bewusstseins) fällt, muss ein Zustand des phänomenalen Erscheinens sein. Mit anderen Worten: Phänomenales Erscheinen (d. i. phänomenales Bewusstsein) ist genau das, was es zu sein scheint. Wir wollen davon ausgehen, dass dieses Ergebnis vor dem Hintergrund der Diskussion in Kapitel 3 keiner weiteren Argumente bedarf. Etwas schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob es sich bei dem Begriff des phänomenalen Bewusstseins ebenfalls um einen Wiedererkennungsbegriff handelt. Ob wir diese Frage letztlich mit Ja oder Nein beantworten, ist jedoch nicht entscheidend. Entscheidend ist, sich über das Verhältnis dieses Begriffes zu seinen Bestimmungen, den einzelnen phänomenalen Begriffen, klar zu werden. Der Begriff des phänomenalen Bewusstseins ist der Begriff, den man erhält, wenn man von allen Unterschieden zwischen einzelnen phänomenalen Begriffen abstrahiert. Ob wir einen solchen Begriff einen reinen Wiedererkennungsbegriff nennen wollen, dürfte auf eine terminologische Entscheidung hinauslaufen. Grundsätzlich erkennen wir einige Begriffe als reine Wiedererkennungsbegriffe an, die sich durch Abstraktion von den Unterschieden zwischen anderen reinen Wiedererkennungsbegriffen ergeben. Unser Schmerzbegriff beispielsweise dürfte ein Wiedererkennungsbegriff sein. Sollte das richtig sein, entstünde er durch Abstraktion von den Unterschieden zwischen den reinen Wiedererkennungsbegriffen eines Kopfschmerzes, eines Zahnschmerzes, eines Rückenschmerzes usw. Vor diesem Hintergrund scheint mir nichts Grundsätzliches dagegen zu sprechen, auch den Begriff des phänomenalen Bewusstseins als reinen Wiedererkennungsbegriff zu akzeptieren. Davon, ob wir uns letztlich für diese Kategorisierung entscheiden, hängt jedoch nichts Wichtiges ab. Damit haben wir die Frage, um was für eine Art von Begriff es sich handelt, sowohl für phänomenale Begriffe als auch für den Begriff des phänomenalen Bewusstseins beantwortet. Abschließend wollen wir noch kurz auf eine weitere im vorliegenden Zusammen90 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Zusammenfassung Kapitel 3
hang interessante Frage eingehen: die Frage, wie wir uns diese Begriffe aneignen. 108 Auch hier wird unsere Antwort kurz ausfallen: Jedes Subjekt verfügt über einen erstpersönlichen kognitiven Zugang zu seinen phänomenalen Zuständen, über den niemand außer ihm verfügt. Und auf der Grundlage dieses erstpersönlichen kognitiven Zugangs eignen wir uns phänomenale Begriffe ebenso wie den Begriff des phänomenalen Bewusstseins an. Dabei gilt: Unter diese Begriffe fällt jeweils etwas, wozu wir aus der Erste-Person-Perspektive Zugang haben, insofern wir dazu aus der Erste-Person-Perspektive Zugang haben. Kein Aspekt, für den dies nicht gilt, kann dafür von Bedeutung sein, ob ein Zustand unter einen dieser Begriffe fällt, oder nicht. Begriffe, für die diese Antwort richtig ist, wenn es um Personen wie uns geht, wollen wir daher erstpersönliche oder phänomenologische Begriffe nennen. 109 110
3.6 Zusammenfassung Kapitel 3 In Kapitel 3 haben wir dafür argumentiert, dass sich die Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes des phänomenalen Erscheinens durch eine Begriffsanalyse beantworten lässt. Dazu haben wir in Abschnitt 3.1 zunächst herausgearbeitet, wie ein Begriff sein muss, damit die Wesens-Frage hinsichtlich dieses Begriffes allein durch eine Begriffsanalyse beantwortet werden kann. Das Merkmal, das diese Begriffe aufweisen müssen, haben wir Tatsächlichkeitsunabhängigkeit genannt. Tatsächlichkeitsunabhängig ist ein Begriff, wenn er nicht tat108 Wie wir oben bereits betont haben, ist es wichtig, beide Fragen säuberlich auseinanderzuhalten. 109 Dass phänomenale Begriffe sowie der Begriff des phänomenalen Bewusstseins erstpersönliche Begriffe sind, werde ich im Folgenden voraussetzen, ohne gesondert dafür zu argumentieren. Mir scheint, dass diese Annahme nicht übermäßig umstritten sein sollte. Sie wirft aber dennoch wichtige Fragen auf, auf die wir aber ebenfalls nicht eingehen können. Die wichtigste dieser Fragen ist möglicherweise die nach der Natur des genannten erstpersönlichen kognitiven Zugangs. Im Verlauf der Arbeit werden wir zumindest eine mögliche Antwort auf diese Frage ausschließen: Es handelt sich nicht um irgendeine Art von beobachtungsartigem kognitivem Zugang. 110 Diese Antwort hat eine wichtige Konsequenz: Weil wir uns phänomenale Begriffe sowie den Begriff des phänomenalen Bewusstseins anhand eigener phänomenaler Zustände und auf der Grundlage unseres erstpersönlichen kognitiven Zugangs zu diesen Zuständen aneignen, können wir ausschließen, dass diese Begriffe leer sind. Diese Art von Irrtum lässt der besagte erstpersönliche kognitive Zugang nicht zu.
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3 · Die Frage nach dem Wesen des phänomenalen Erscheinens
sächlichkeitsabhängig ist. Und Tatsächlichkeitsabhängigkeit haben wir wie folgt definiert: Für einen Begriff B mit einem kognitiven Gehalt K und einem wahrheitskonditionalen Gehalt W zu K gilt: B ist genau dann tatsächlichkeitsabhängig, wenn gilt: Wäre die tatsächliche Welt in der durch K bestimmten Hinsicht anders, wäre nicht W, sondern ein anderer Gehalt der wahrheitskonditionale Gehalt zu K. In Abschnitt 3.2 haben wir die Diskussion der Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes des phänomenalen Erscheinens an die gut etablierte Debatte um die Natur sogenannter phänomenaler Begriffe angebunden. In den Abschnitten 3.3 und 3.4 haben wir dann zu zeigen versucht, dass phänomenale Begriffe und damit der Begriff des phänomenalen Erscheinens tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe sind. Dabei haben wir in Abschnitt 3.3 zunächst am Beispiel des Begriffes Schmerz die Intuitionen herausgearbeitet, die dafür sprechen. In Abschnitt 3.4 haben wir dann zwei Vorschläge diskutiert, wonach phänomenale Begriffe keine tatsächlichkeitsunabhängigen Begriffe sind. Gemäß dem ersten Vorschlag sind phänomenale Begriffe Wiedererkennungsbegriffe natürlicher Arten. Gemäß dem zweiten Vorschlag handelt es sich um demonstrative Begriffe. Beide Vorschläge haben sich als unhaltbar erwiesen. In Abschnitt 3.5 schließlich haben wir eine positive Charakterisierung phänomenaler Begriffe angeboten, wonach sie reine erstpersönliche Wiedererkennungsbegriffe sind.
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Teil II Die Natur des Erscheinens
Im ersten Teil der Arbeit habe ich eine Frage formuliert, die ich als die Kernfrage bezeichnet habe: Was ist Erscheinen im phänomenalen Sinn? Diese Frage bildet das Thema des zweiten Teils der Arbeit. Den Kern der Antwort wird eine These bilden, die ich die Transparenzthese nennen werde. In Kapitel 5 werde ich die Transparenzthese einführen und gegen verwandte Thesen abgrenzen. Kapitel 6, das Hauptkapitel des zweiten Teils, wird in einer ausführlichen Erläuterung und einer allgemeinen Begründung der Transparenzthese bestehen. In Kapitel 7 werde ich das Verhältnis der Transparenzthese zu einer anderen wichtigen These klären, mit der man sie möglicherweise verwechseln könnte: der sogenannten Flüchtigkeits-These. Und in Kapitel 8 schließlich werde ich die Transparenzthese auf den konkreten Fall der visuellen Wahrnehmung anwenden. Beginnen werde ich diesen Teil aber mit einer vorläufigen Einordnung des phänomenalen Erscheinens in das Spektrum mentaler Zustände (Kapitel 4).
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4 Erscheinen im Spektrum der mentalen Zustände: eine vorläufige begriffliche Orientierung
Bevor wir uns der Frage nach der Natur des Erscheinens widmen können, ist es wichtig, einen begrifflichen Rahmen festzulegen, in dem wir uns dabei bewegen. Beginnen wir mit dem Begriff eines mentalen Zustandes. 1 Das Erscheinen von etwas ist ein mentaler Zustand. Die Frage, was die definierenden Merkmale mentaler Zustände sind, ist nicht unumstritten. Es gibt jedoch eine Standardauffassung, wonach ein Zustand dann mental ist, wenn er ein phänomenaler oder ein intentionaler Zustand ist. Dieser Auffassung schließe ich mich ohne weitere Argumente an. Mit den Begriffen der phänomenalen Qualität und der Intentionalität werde ich mich später ausführlich befassen. 2 An dieser Stelle können wir uns mit einer groben Charakterisierung zufriedengeben: Ein mentaler Zustand weist genau dann eine phänomenale Qualität auf, wenn es für ein Subjekt irgendwie ist, sich in diesem Zustand zu befinden. 3 Ein mentaler Zustand weist genau dann Intentionalität auf, wenn er von etwas handelt beziehungsweise auf etwas gerichtet ist. Insbesondere der Begriff der Intentionalität bedarf einer näheren Erläuterung. Denn es ist keineswegs eindeutig, was damit gemeint ist, dass ein mentaler Zustand von etwas handelt beziehungsweise auf etwas gerichtet ist. An dieser Stelle wollen wir von einem relativ weiten Verständnis dieser Begriffe ausgehen – ein Verständnis, wonach Der Ausdruck »mentaler Zustand« hat sich in der Philosophie des Geistes durchgesetzt. Daher werde ich ihn ebenfalls verwenden, obwohl er mir nicht immer in jeder Hinsicht passend erscheint. 2 Das wird in den Kapiteln 10 (phänomenale Qualität) und 11 (Intentionalität) geschehen. 3 Siehe Kap. 1. 1
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4 · Erscheinen im Spektrum der mentalen Zustände
zum Beispiel Wahrnehmungen gemäß jeder plausiblen Theorie der Wahrnehmung intentionale Zustände sind. 4 Daneben möchte ich noch einen dritten Aspekt mentaler Zustände betonen, der häufig übersehen oder ignoriert wird: Mentale Zustände sind wesentlich Zustände, in denen sich Personen beziehungsweise Subjekte befinden. Das heißt: Nichts kann ein mentaler Zustand sein, wenn es nicht jemanden gibt, der sich in diesem Zustand befindet. Diesen Aspekt des Begriffes eines mentalen Zustandes zu betonen, ist von großer Bedeutung. Denn er steht in auffälliger Spannung zu einer gängigen Praxis in der Philosophie des Geistes und nicht zuletzt in der Debatte um phänomenales Bewusstsein, die für uns von besonderem Interesse ist. Dort ist es üblich, phänomenale Qualitäten Gehirnzuständen zuzuschreiben. Diese Redeweise ist (bestenfalls) irreführend. Sie suggeriert, dass Gehirnzustände als solche phänomenale Qualitäten oder andere mentale Eigenschaften aufweisen könnten. Das ist jedoch nicht der Fall. Darauf hat zum Beispiel Martine Nida-Rümelin nachdrücklich hingewiesen: »Die Eigenschaften, die im Zusammenhang mit der Frage nach dem ontologischen Status von Bewusstsein in Wahrheit zu betrachten sind, sind aber Eigenschaften erlebender Subjekte: die Eigenschaft, über eine Frage nachzudenken, die Eigenschaft, eine Landschaft zu betrachten, die Eigenschaft, einen Traum zu haben etc. Diese eigentlich interessierenden Eigenschaften sind keine Eigenschaften neuronaler Vorgänge, es sind Eigenschaften von Personen oder allgemein von Subjekten von Erfahrung. […] Diese besonderen Individuen werden in der Standardauffassung nicht explizit erwähnt und sind nicht Gegenstand der Reflektion. Dieses Ausklammern des erlebenden Subjekts scheint mir ein grundlegender Fehler zu sein, der eine Reihe weiterer Irrtümer und Missverständnisse nach sich zieht.« 5
Mentale Zustände sind dementsprechend als Instanziierungen mentaler Eigenschaften an Subjekten aufzufassen. Phänomenale Zustände sind Instanziierungen phänomenaler Eigenschaften an Subjekten, während intentionale Zustände Instanziierungen intentionaler Eigenschaften an Subjekten sind. Und Gehirnzuständen kann nur dadurch der Status mentaler Zustände zukommen, dass sie Instanziie-
Später werden wir auch anspruchsvollere Begriffe von Intentionalität kennenlernen, unter deren Voraussetzung es nicht selbstverständlich ist, dass Wahrnehmungen intentionale Zustände sind. 5 Nida-Rümelin (2008), S. 47. 4
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4 · Erscheinen im Spektrum der mentalen Zustände
rungen phänomenaler oder intentionaler Eigenschaften an Subjekten sind – nicht aber dadurch, dass sie ihrerseits phänomenale oder intentionale Eigenschaften aufweisen. Wenden wir uns damit der Art von Zustand zu, die im Mittelpunkt unserer Untersuchung stehen wird: den Zuständen des Erscheinens von etwas. Eine vorläufige Bestimmung gelingt am besten durch den Hinweis auf paradigmatische Beispiele. Paradigmatische Beispiele für Zustände des Erscheinens von etwas sind wirklichkeitsgetreue visuelle Wahrnehmungen, wie wir sie die meiste Zeit des Tages haben. Das bedeutet: Ein Zustand des Erscheinens ist ein Zustand von derselben Art, wie der, in dem wir uns befinden, wenn wir unter ganz alltäglichen Bedingungen irgendeinen Gegenstand visuell wahrnehmen. Durch den Hinweis auf ein paradigmatisches Beispiel eines Zustandes des Erscheinens ist allerdings noch nicht festgelegt, in welcher Hinsicht Zustände des Erscheinens von etwas von derselben Art sind wie dieses Beispiel. Den Begriff eines Zustandes des Erscheinens genau zu bestimmen, bedeutet, auf eben diese Frage eine eindeutige Antwort zu finden. Dieser Antwort kommen wir ein Stück näher, indem wir den Begriff eines Zustandes des Erscheinens von Begriffen anderer mentaler Zustände abgrenzen. Der wichtigste Unterschied ist zweifellos der zu der Klasse von Zuständen, die häufig unter der Bezeichnung »propositionale Einstellungen« zusammengefasst werden: Gedanken, Überzeugungen, Wünsche usw. 6 Dabei können uns Überzeugungen als paradigmatische Beispiele für diese Klasse dienen. Angenommen zu einem bestimmten Zeitpunkt hat Person 1 die Überzeugung, dass Angela Merkel eine rote Jacke trägt, während Person 2 eine wirklichkeitsgetreue Wahrnehmung von Angela Merkel in einer roten Jacke hat. Es ist klar, dass sich beide Zustände auf eine Weise unterscheiden, die sie zu mentalen Zuständen verschiedener Art macht. Beginnen wir jedoch mit den Gemeinsamkeiten: Beide Zustände sind intentionale Zustände – zumindest in dem relativ weiten Sinn von Intentionalität, den wir oben skizziert haben. Danach ist es für Intentionalität hinreichend, wenn mentale Zustände in irgendeinem Sinn auf etwas gerichtet sind oder von etwas handeln. Und die Wahrnehmung der Person 2 handelt ohne Zweifel ebenso von Angela Merkel in einer Der Begriff der propositionalen Einstellung ist hier so zu verstehen, dass Wahrnehmungen auch dann nicht darunter fielen, wenn sie Gehalte hätten, die Propositionen entsprächen.
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roten Jacke wie die Überzeugung von Person 1, dass Angela Merkel eine rote Jacke trägt. Was aber unterscheidet Zustände des Erscheinens von propositionalen Einstellungen? Auf diese Frage gibt es zwei Standardantworten: Erstens: Zustände des Erscheinens, nicht aber propositionale Einstellungen sind wesentlich phänomenale Zustände. 7 Dass jemandem etwas irgendwie erscheint, ist nicht möglich, ohne dass es für ihn irgendwie ist beziehungsweise sich irgendwie anfühlt. 8 Für propositionale Einstellungen dagegen soll das nicht gelten. Zweitens: Während propositionale Einstellungen Propositionen als Gehalte haben, gilt das für Zustände des Erscheinens nicht. Letztere weisen nicht-begriffliche Gehalte auf. Keine dieser beiden Antworten ist allerdings unumstritten. Hinsichtlich der ersten Antwort besteht zwar Konsens, dass Zustände des Erscheinens wesentlich phänomenale Zustände sind. Es wird jedoch angezweifelt, dass dasselbe nicht auch für propositionale Einstellungen gilt. 9 Hinsichtlich der zweiten Antwort wird von vielen Autoren bestritten, dass Zustände des Erscheinens nicht-begriffliche Gehalte aufweisen. 10 Ich möchte mich an dieser Stelle auf keine der beiden genannten Antworten festlegen und stattdessen die folgende, alternative Beschreibung des grundlegenden Unterschiedes zwischen Zuständen des Erscheinens und propositionalen Einstellungen vorschlagen: Zustände des Erscheinens, nicht aber propositionale Einstellungen, erfordern irgendeine Art der unmittelbaren Anwesenheit oder Präsenz dessen, was erscheint. Eine schöne Beschreibung dieses Unterschiedes finden wir bei William Alston: »First my eyes are shut. In this condition I think about the scene before me. I remember the trees in my yard. I wonder whether there are squirrels and robins out there at the moment. I hypothesize that my neighbour is working in his garden. That is, I form propositional attitudes concerning what is or might be in front of me. Then I open my eyes and take a look. My Einige Autoren räumen implizit oder explizit die Möglichkeit von Wahrnehmungen ohne phänomenale Qualitäten ein. Mit dem Begriff von Wahrnehmungen, von dem wir hier ausgehen (d. i. mit dem Begriff, gemäß dem Wahrnehmungen paradigmatische Beispiele von Zuständen des phänomenalen Erscheinens sind), ist diese Möglichkeit nicht vereinbar. 8 Eine andere Frage ist, ob phänomenale Qualitäten auch hinreichend für phänomenales Erscheinen sind, d. i. ob phänomenale Arten des Erscheinens mit phänomenalen Qualitäten identisch sind. Auf diese Frage werde ich in Kapitel 15 zurückkommen. 9 Vgl. z. B. Graham, Horgan und Tienson (2004), Horgan und Tienson (2002) oder Pitt (2004). 10 Vgl. z. B. McDowell (1994) oder Willaschek (2003). 7
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cognitive condition is radically transformed. Whereas before I was just thinking about, wondering about, remembering the trees, the squirrels, the houses, and so on, these items (or some of them) are now directly presented to me, to my awareness. They are, to use a currently contentious phrase, given to my consciousness. They are present to me, whereas before I was merely dealing with propositions about them [Hervorhebungen; D. F.].« 11
Allgemein zu sagen, in welchem Sinn etwas anwesend beziehungsweise präsent sein muss, um erscheinen zu können, ist nicht ganz leicht. Klar ist, dass nicht einfach Nähe im physikalischen Raum gefordert ist. Denn in diesem Sinn lässt sich beispielsweise von der Sonne sicher nicht sagen, dass sie anwesend ist. Dennoch erscheint sie uns manchmal. Und Anwesenheit mit einer bestimmten Art kausaler Einwirkung gleichzusetzen, ist ebenfalls voreilig. Schließlich scheint es möglich zu sein, dass uns etwas erscheint, was gar nicht existiert. Trotz dieser Schwierigkeiten haben wir, so scheint mir, eine hinreichend klare Vorstellung davon was gemeint ist. Und zumindest in Bezug auf visuelle Wahrnehmungen lässt sich diese Vorstellung zudem durchaus gut verständlich ausdrücken: Um einem Subjekt in der visuellen Wahrnehmung erscheinen zu können, muss ein Gegenstand ein Inhalt des Wahrnehmungsfeldes dieses Subjektes sein. In diesem Sinn ist die Sonne häufig anwesend, während meine Nase beispielsweise meist nicht anwesend ist. Und in eben diesem Sinn müssen die Gegenstände unserer propositionalen Einstellungen eben nicht anwesend sein – auch, wenn sie es natürlich manchmal sind. 12 Neben der Kategorie der propositionalen Einstellungen gibt es eine weitere Kategorie mentaler Zustände, von der Zustände des Erscheinens gegebenenfalls unterschieden werden müssen. Wir können sie die Kategorie der rein-phänomenalen Zustände nennen. Reinphänomenale Zustände weisen, ebenso wie Zustände des Erscheinens, phänomenale Qualitäten auf, aber, anders als diese, keine IntentionaAlston (1998), S. 59 f. Eine Ausnahme könnten propositionale Einstellungen darstellen, die demonstrative Bezugnahmen enthalten. Einige Autoren vertreten die Ansicht, man könne genuin demonstrative Bezugnahmen nur durchführen, wenn der Gegenstand der Bezugnahme in dem hier zur Debatte stehenden Sinn anwesend ist (siehe dazu auch Kap. 11). An dieser Stelle müssen wir uns jedoch nicht mit derartigen Grenzfällen befassen. In jedem Fall gilt: Sollten die genannten Autoren recht haben, dann deswegen und nur deswegen, weil propositionale Einstellungen, die genuin demonstrative Bezugnahmen enthalten, eben auf Zuständen des Erscheinens beruhen.
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4 · Erscheinen im Spektrum der mentalen Zustände
lität. Als Beispiele werden häufig Schmerzen oder Orgasmen genannt. Die Annahme, dass es mentale Zustände gibt oder geben kann, die zur Kategorie der rein-phänomenalen Zustände gehören, ist allerdings umstritten. Verschiedene Autoren haben sich der auf Brentano zurückgehenden These angeschlossen, dass Intentionalität eine wesentliche Eigenschaft mentaler Zustände sei. 13 Ich habe große Sympathie für diese Ansicht. Ich werde jedoch weder hier noch im weiteren Verlauf der Arbeit zwingende Argumente gegen die Existenz rein-phänomenaler Zustände vorbringen können. Zur Einordnung von Zuständen des Erscheinens in das Spektrum mentaler Zustände gehört neben der Abgrenzung gegenüber anderen Arten mentaler Zustände auch die Unterteilung der Kategorie der Zustände des Erscheinens selber in weitere Unter-Kategorien. Ich möchte eine Unterteilung in drei Unter-Kategorien vorschlagen, die ich als Zustände des Erfahrens, der Bekanntschaft und des Vorstellens bezeichnen möchte. Ich werde sie im Folgenden unter der Bezeichnung Modi des Erscheinens oder Modi von Zuständen des Erscheinens zusammenfassen. 14 Dabei gilt: Da der Begriff des Erscheinens ein erstpersönlicher Begriff ist (das heißt, der Begriff eines Zustandes, dessen Wesen uns aus der Erste-Person-Perspektive (und nur aus dieser) vollständig bekannt ist), unterscheiden sich diese verschiedenen Modi des Erscheinens nur in solchen Aspekten voneinander, die uns nicht aus der Erste-Person-Perspektive zugänglich sind. Die entsprechenden Unterschiede lassen sich mit Bezug auf Merkmale von Berichten über die jeweiligen Modi des Erscheinens beschreiben. Berichte über Zustände des Erfahrens sollen Erfahrens-Sätze heißen, Berichte über Zustände der Bekanntschaft, BekanntschaftsSätze usw. Wir wollen zunächst die folgenden drei Standardformen für die drei Arten von Erscheinens-Sätzen festlegen: Erfahrens-Sätze: (α-Erf.) »s erfährt g als F« Bekanntschafts-Sätze: (α-Bek.) »s ist mit g als F bekannt« Vgl. Brentano (1874). Zu zeitgenössischen Autoren, die sich zu der genannten These bekennen, vgl. Crane (1998), (2001a) sowie (2003), Dretske (1995) oder Lycan (1996). 14 Dieser Sinn des Ausdrucks »Modi des Erscheinens« ist streng von einem anderen, bekannteren Sinn zu unterscheiden, wonach z. B. Hören und Sehen verschiedene Modi des Erscheinens sind. 13
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4 · Erscheinen im Spektrum der mentalen Zustände
Vorstellens-Sätze: (α-Vor.) »s stellt sich g nur als F vor« Diese drei Standardformen sind jeweils mit der Wahrheit verschiedener der folgenden Sätze vereinbar. Und mit welchen dieser Sätze sie vereinbar sind, dient uns als Unterscheidungskriterium der Modi der Zustände, über die sie berichten: (I) »g ist G und G ist nicht mit F identisch« (II) »g ist nicht F« (III) »g existiert nicht« Beginnen wir mit Zuständen des Erfahrens: Ein Erfahrens-Satz der Standardform (α-Erf.) »s erfährt g als F« ist mit der Wahrheit der Sätze (I) und (II) vereinbar. (Ob er zudem mit der Wahrheit von Satz (III) vereinbar ist, soll vorläufig offen bleiben.) Dass (α-Erf.) mit (I) vereinbar ist, bedeutet, dass Zustände des Erfahrens ein Merkmal aufweisen, das ich, einen Ausdruck von John Searle übernehmend, Aspektgestalt haspectual shapei nennen möchte. 15 Ein mentaler Zustand einer bestimmten Art weist genau dann eine Aspektgestalt auf, wenn (i) der Gegenstand, auf den dieser Zustand gerichtet ist, dem Subjekt dieses Zustandes (kraft dieses Zustandes) nur unter bestimmten Aspekten zugänglich ist, obwohl er (ii) weitere Aspekte aufweist, unter denen er einem Subjekt eines Zustandes dieser Art zugänglich sein könnte. Betrachten wir als Beispiel den folgenden Erfahrens-Satz: 16 (1) »Paul erfährt die Wand als rot.« Die Wahrheit von (1) ist damit vereinbar, dass die Wand zum Beispiel stabil oder hoch ist, Paul sie jedoch nicht als stabil oder als hoch erfährt – ebenso wenig wie er sie als nicht-stabil oder als nicht-hoch erfährt [Vereinbarkeit mit (I)]. Das bedeutet: Paul erfährt die Wand nur unter einem bestimmten Aspekt (ihrer Röte), nicht aber unter anderen Aspekten (zum Beispiel ihrer Stabilität und ihrer Höhe), obwohl es sich dabei um Aspekte handelt, unter denen jemand die Wand erfahren könnte. Das macht die Aspektgestalt seines Zustandes des Erfahrens aus. Dass (α-Erf.) mit (II) und/oder (III) vereinbar ist, bedeutet, dass Erfahrens-Sätze die Eigenschaft der Intensionalität aufweisen. Die Vgl. Searle (1992), S. 155. Ich bitte über die Tatsache hinwegzusehen, dass Satz (1) kein sehr gutes Deutsch ist.
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Intensionalität eines Berichtes über einen mentalen Zustand wiederum ist ein Indikator dafür, dass dieser Zustand Intentionalität in einem strengeren als dem oben eingeführten Sinn aufweist. Um Intentionalität in diesem strengen Sinn aufzuweisen, muss ein mentaler Zustand neben einer Aspektgestalt noch ein zweites Merkmal aufweisen, das ich, wiederum mit einem von John Searle stammenden Ausdruck, Erfüllungsbedingungen hconditions of satisfactioni nennen möchte. 17 Dass ein intentionaler Zustand Erfüllungsbedingungen aufweist, bedeutet, dass es bestimmte Bedingungen gibt, für die gilt: Wenn sie erfüllt sind, ist auch der Zustand erfüllt, und wenn sie nicht erfüllt sind, ist der Zustand nicht erfüllt. Dass ein Zustand erfüllt ist, kann Verschiedenes bedeuten. Für Zustände des Erfahrens bedeutet es, dass das, was in ihnen erfahren wird, (i) existiert und (ii) so ist, wie es erfahren wird. Betrachten wir dazu wiederum unseren Beispielsatz (1): Damit die Erfahrung, über die der Satz berichtet, erfüllt ist, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Erstens: Es muss eine Wand existieren, die Paul erfährt (d. i. es darf keine Halluzination vorliegen). Zweitens: Diese Wand muss rot sein (d. i. es darf keine Illusion vorliegen). Diese zweite Bedingung beziehungsweise der zweite Aspekt dieser Erfüllungsbedingungen lässt sich mit Hilfe des Begriffes der Aspektgestalt beschreiben: Ein Zustand des Erfahrens ist nur dann erfüllt, wenn sein Gegenstand tatsächlich den Aspekt aufweist, unter dem er, gemäß seiner Aspektgestalt, auf diesen Gegenstand gerichtet ist. Der Zusammenhang zwischen der Vereinbarkeit von (α-Erf.) mit (II) und/oder (III) und dem Vorliegen von Erfüllungsbedingungen bei Zuständen des Erfahrens ist folgender: Die Satzmengen (II) und (III) sind (in erster Linie) Berichte über die Nicht-Erfüllung der Erfüllungsbedingungen des Zustandes des Erfahrens, über den (α-Erf.) berichtet. Die Instanziierung eines Zustandes mit bestimmten Erfüllungsbedingungen ist jedoch nicht von der Erfüllung dieser Erfüllungsbedingungen abhängig. Und demzufolge ist die Erfüllung dieser Erfüllungsbedingungen nicht Teil der Wahrheitsbedingungen eines Satzes, der über den Zustand berichtet. 18 Pauls Zustand des Erfahrens der Wand als rot beispielsweise ist zwar nur dann erfüllt, wenn eine Wand existiert, die Paul erfährt, und wenn diese Wand rot ist. Satz (1), in dem über Pauls Zustand des Erfahrens berichtet 17 18
Vgl. Searle (1983), S. 10. Vgl. Crane (2001), S. 21 sowie Searle (1983), S. 23.
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wird, kann jedoch auch dann wahr sein, wenn keine Wand existiert, die Paul erfährt, oder wenn diese Wand nicht rot ist. Eine alternative Beschreibung der Tatsache, dass Zustände des Erscheinens Erfüllungsbedingungen aufweisen, ist mit Hilfe der Begriffe der Illusion und der Halluzination möglich: Eine Illusion liegt genau dann vor, wenn (i) es einen Gegenstand gibt, für den gilt, dass er einem Subjekt unter einem bestimmten Aspekt erscheint und (ii) der Gegenstand diesen Aspekt nicht aufweist. Eine Halluzination liegt genau dann vor, wenn (i) einem Subjekt ein Gegenstand erscheint und (ii) kein Gegenstand existiert, für den gilt, dass er dem Subjekt erscheint. 19 Dadurch, dass die Tatsache, dass einem Subjekt etwas erscheint, jeweils Teil der Bedingung (i) ist, gilt, dass die Begriffe der Illusion und der Halluzination nur für Zustände des Erscheinens definiert sind. Es ist gemäß dieser Definition also sinnlos, beispielsweise in Bezug auf Überzeugungen von Illusionen zu sprechen. Wir wollen sagen, dass ein Modus des Erscheinens Illusionen (Halluzinationen) zulässt, wenn eine Einsetzung des Begriffes dieses Modus in die oben gegebene Definition einer Illusion (Halluzination) eine konsistente Beschreibung ergibt. Für Zustände des Erfahrens ist dies in Bezug auf Illusionen der Fall. Es ist konsistent, dass gilt: (i) Es gibt einen Gegenstand für den gilt, dass ein Subjekt ihn unter einem bestimmten Aspekt erfährt und (ii) der Gegenstand weist diesen Aspekt nicht auf. Zustände des Erfahrens lassen also Illusionen zu. Ob sie Halluzinationen ebenfalls zulassen, soll an dieser Stelle offen bleiben. 20 Wie unschwer zu erkennen ist, ist die Tatsache, dass ein Modus des Er-
Der Einfachheit halber ignoriere ich hier die Möglichkeit partieller Halluzinationen. 20 Die Mehrheit der Autoren, die annehmen, dass Wahrnehmungen Zustände des Erfahrens sind (d. i. Zustände die Erfüllungsbedingungen aufweisen), nehmen auch an, dass Wahrnehmungen Halluzinationen zulassen. Eine Ausnahme sind Vertreter einer Theorie, die häufig als Theorie des Erscheinens htheory of appearingi bezeichnet wird. Sie bestreiten zwar, dass es (in unserer Terminologie) Zustände des Erscheinens geben kann, ohne dass ein Gegenstand existiert, der darin erscheint (d. i. dass Halluzinationen möglich sind), räumen jedoch die Möglichkeit ein, dass dieser Gegenstand nicht so erscheint, wie er in Wahrheit ist (d. i. die Möglichkeit von Illusionen) (vgl. u. a. Alston (1999), Barnes (1944/45) oder Langsam (1997)). 19
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scheinens Illusionen oder Illusionen und Halluzinationen zulässt, äquivalent mit der Tatsache, dass er Erfüllungsbedingungen aufweist. Denn dass eine Illusion oder eine Halluzination vorliegt, bedeutet nichts anderes, als dass mindestens eine der Bedingungen, die de facto die Erfüllungsbedingungen des Zustandes sind, nicht erfüllt ist. Und dass ein Modus des Erscheinens diese Möglichkeit zulässt bedeutet, dass seine Instanziierung von der Erfüllung dieser Bedingungen unabhängig ist. Und genau das macht ihn, wie wir gesehen haben, zu einem Zustand, der Erfüllungsbedingungen aufweist. Kommen wir als nächstes zu Zuständen der Bekanntschaft: Ein Bekanntschafts-Satz der Standardform (α-Bek.) »s ist mit g als F bekannt« ist mit Satz (I), nicht aber mit Satz (II) und (III) vereinbar. Was das bedeutet, ist im Wesentlichen bereits gesagt worden: Zustände der Bekanntschaft weisen Aspektgestalten, jedoch keine Erfüllungsbedingungen auf. Betrachten wir zur Verdeutlichung wiederum einen Beispielsatz: (2) »Paul ist mit der Wand als rot bekannt.« Die Aspektgestalt von Pauls Zustand der Bekanntschaft zeigt sich darin, dass die Wahrheit von (2) wie die von (1) oben damit vereinbar ist, dass die Wand zum Beispiel stabil oder hoch ist, Paul mit ihr jedoch nicht als stabil oder als hoch bekannt ist, obwohl dies der Fall sein könnte [Vereinbarkeit mit (I)]. Dass Pauls Zustand der Bekanntschaft keine Erfüllungsbedingungen aufweist, zeigt sich darin, dass Satz (2), in dem über Pauls Zustand der Bekanntschaft berichtet wird, anders als Satz (1), nicht wahr sein kann, ohne dass eine Wand existiert, mit der Paul bekannt ist und ohne dass diese Wand rot ist. Allgemein können wir dies wiederum mit Hilfe der Begriffe der Illusion und Halluzination ausdrücken. Zustände der Bekanntschaft lassen weder Illusionen noch Halluzinationen zu. Das heißt, es ist nicht konsistent, dass gilt: (i) Es gibt einen Gegenstand für den gilt, dass ein Subjekt mit ihm unter einem bestimmten Aspekt bekannt ist und (ii) der Gegenstand weist diesen Aspekt nicht auf. Und es ist ebenfalls nicht konsistent, dass gilt: (i) Ein Subjekt ist mit einem Gegenstand bekannt und (ii) es existiert kein Gegenstand, mit dem das Subjekt bekannt ist. Bevor wir zum dritten Modus des Erscheinens, dem des Vorstellens kommen, sollten wir noch auf eine mögliche Quelle von Missver103 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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ständnissen in Bezug auf den Begriff der Bekanntschaft eingehen. Der Ausdruck »Bekanntschaft« h»acquaintance«i geht bekanntlich auf Bertrand Russell zurück. 21 Die Art, wie ich ihn hier und im Folgenden verstehe, weicht jedoch in mindestens zwei Hinsichten von der ab, auf die Russell ihn verwendet. Erstens: Für Russell ist der Begriff der Bekanntschaft in erster Linie ein epistemischer Begriff. Nach Russell sind wir mit Entitäten bekannt, wenn wir eine bestimmte Art von nicht-inferentiellem epistemischem Zugang zu ihnen haben. Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass diese Art von nichtinferentiellem epistemischem Zugang in unserem Begriff der Bekanntschaft enthalten ist, das heißt, es ist nicht selbstverständlich, dass die Unmöglichkeit von Illusionen oder Halluzinationen für das Vorliegen eines solchen epistemischen Zugangs zu den Gegenständen der Bekanntschaft hinreichend ist. Zudem gilt: Sollte das der Fall sein, wäre das Vorliegen dieses epistemischen Zugangs – in unserem Begriffsrahmen – anders als bei Russell, kein hinreichendes Kriterium für Bekanntschaft, denn Zustände des Vorstellens lassen ebenfalls keine Illusionen oder Halluzinationen zu. 22 Zweitens: Nach Russells Begriff stehen wir auch zu abstrakten Gegenständen wie Universalien und Propositionen im Verhältnis der Bekanntschaft. 23 Diese Möglichkeit lässt unser Begriff der Bekanntschaft nicht zu. Propositionen können nicht in der oben skizzierten Weise anwesend oder präsent sein. Kommen wir schließlich zu Zuständen des Vorstellens: Ein Vorstellens-Satz der Standardform (α-Vor.) »s stellt sich g nur als F vor« ist nicht nur, wie (α-Bek.), weder mit den Sätzen (II) und (III) unvereinbar. Er ist überdies mit Satz (I) unvereinbar. Das bedeutet: Zustände des Vorstellens weisen nicht nur keine Erfüllungsbedingungen auf, sie weisen auch keine Aspektgestalten auf. Betrachten wir dazu wiederum die entsprechende Version unseres Beispielsatzes: (3) »Paul stellt sich eine Wand nur als rot vor.« Dass Pauls Zustand des Vorstellens keine Erfüllungsbedingungen aufweist, zeigt sich darin, dass Satz (3) nicht wahr sein kann, ohne Vgl. Russell (1912), Kap. 5. Tatsächlich kommt unser Begriff des Vorstellens Russells Begriff der Bekanntschaft sogar ein wenig näher als unser Begriff der Bekanntschaft. Sinnesdaten beispielsweise, die Russell als paradigmatische Beispiele für Gegenstände der Bekanntschaft anführt, wären, wenn es sie geben sollte, Gegenstände des Vorstellens. 23 Vgl. ebenda. 21 22
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dass in Pauls Vorstellung eine Wand existiert und ohne dass diese Wand rot ist. Dass Pauls Zustand des Vorstellens zudem keine Aspektgestalt aufweist, zeigt sich darin, dass die Wahrheit von (3) damit unvereinbar ist, dass die Wand in Pauls Vorstellung neben ihrer Röte noch andere Aspekte aufweist, wie zum Beispiel Stabilität oder Höhe, die sich Paul an ihr nicht vorstellt, obwohl es sich um Aspekte handelt, die sich jemand an einem Gegenstand vorstellen könnte. (Dass dies durch Satz (3) tatsächlich ausgeschlossen ist, wird durch das »nur« gewährleistet.) Die Annahme, Zustände des Erscheinens wären Zustände des Vorstellens, hat einige bemerkenswerte Implikationen. Wäre beispielsweise Satz (3) wahr, könnte die fragliche Wand in Pauls Vorstellung keine Wand sein, wie wir sie kennen. Das heißt, sie könnte kein physischer Gegenstand sein. Denn physische Gegenstände weisen notwendigerweise mehr Aspekte auf, als für endliche Wesen wie uns in einem kognitiven Akt erfassbar wäre. Das bedeutet, dass Gegenstände der Vorstellung ontologisch dünn sein müssten. Ontologisch dünne Entitäten sind Entitäten, für die gilt, was für physische Zustände nicht gilt: Sie sind durch endliche Wesen wie uns in einem kognitiven Akt in all ihren Aspekten erfassbar. 24 Die ontologische Dünnheit von Gegenständen der Vorstellung bringt eine zweite bemerkenswerte Eigenschaft dieser Gegenstände mit sich: Sie sind in ihrer Existenz und ihrer Beschaffenheit von ihrem Vorgestellt-Werden abhängig. Mit anderen Worten: Für sie gilt Berkeleys Prinzip esse est percipi. 25 Andernfalls ließe sich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie vorstellbare Aspekte aufwiesen, die nicht vorgestellt würden. 26 Damit verfügen wir nun über ein solides vorläufiges Verständnis des Begriffes des phänomenalen Erscheinens. Zudem haben wir uns Vgl. White (1986) und (2007). Vgl. Berkeley (1996), S. 25. 26 Das klassische Beispiel für Gegenstände des Vorstellens sind die bereits erwähnten Sinnesdaten. Daraus folgt allerdings nicht, dass Sinnesdatentheoretiker auf die Annahme festgelegt wären, Wahrnehmungen seien Zustände des Vorstellens. Das wäre nur dann der Fall, wenn auch das, was wahrgenommen würde (d. i. der intentionale Gegenstand der Wahrnehmung), ein Gegenstand des Vorstellens wäre. Die meisten Sinnesdatentheoretiker nehmen jedoch an, dass es sich bei diesen Gegenständen sehr wohl um physische Gegenstände handelt (vgl. z. B. Ayer (1940), Jackson (1977), Maund (2003) oder Perkins (1983)). Es gibt jedoch Ausnahmen (vgl. z. B. Berkeley (1996), Foster (2000) oder Robinson (1994)). Die entsprechenden Theorien werden meist als Phänomenalismus bezeichnet. 24 25
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einen Begriffsrahmen angeeignet, in dem wir uns im Folgenden bewegen können. Damit können wir uns der Frage nach der Natur des Erscheinens zuwenden.
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Was also ist die Natur des phänomenalen Erscheinens? Was sind notwendige und hinreichende Bedingungen dafür, dass ein Zustand ein Zustand des Erscheinens ist? Erfreulicherweise liefert uns die jüngere Geschichte der Philosophie des Geistes einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Beantwortung dieser Frage. Dort wird ein Phänomen rege diskutiert, auf das, wie es heißt, als erster G. E. Moore aufmerksam gemacht hat und das heute meist mit dem Schlagwort Transparenz der Erfahrung bezeichnet wird. Moores ursprüngliche Formulierung lautet: »[…] the moment we try to fix our attention upon consciousness and to see what, distinctly, it is, it seems to vanish: it seems as if we had before us a mere emptiness. When we try to introspect the sensation of blue, all we can see is the blue: the other element is as if it were diaphanous.« 27
Das Verdienst, das Phänomen der Transparenz der Erfahrung in den Mittelpunkt des Interesses der jüngeren Philosophie des Geistes gerückt zu haben, kommt in erster Linie Gilbert Harman zu. 28 Auch seine Formulierung kann inzwischen als klassisch gelten: »When Eloise sees a tree before her, the colours she experiences are all experienced as features of the tree and its surroundings. Nor does she experience any features of anything as intrinsic features of her experiences. And that is true of you too […]. Look at a tree and try to turn your attention to intrinsic features of your visual experience. I predict that you will find that the only features there to turn your attention to will be features of the tree […].« 29
Moore (1903), S. 450. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass es in der Zwischenzeit überhaupt keine Beachtung gefunden hätte. Vgl. beispielsweise Castañeda (1977), S. 286 f. 29 G. Harman (1990), S. 667. 27 28
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Inzwischen findet sich eine Vielzahl verschiedener Beschreibungen des Phänomens der Transparenz der Erfahrung, die nicht nur im Wortlaut, sondern auch in ihrem Sinn zum Teil deutlich voneinander abweichen. Tatsächlich ist die Menge dieser Beschreibungen so heterogen, dass es nur noch schwer möglich ist, eine Idee zu formulieren, die ihren gemeinsamen Kern ausmacht. Die meisten von ihnen sind jedoch Variationen der folgenden, noch relativ unbestimmten Auffassung: Wenn ein Subjekt sich in einer bestimmten Art von erfahrungsartigem mentalen Zustand befindet, dann hat es eine bestimmte Art von direktem kognitiven Zugang nur zu den Entitäten, von denen die Erfahrung eine Erfahrung ist, nicht aber zu dieser Erfahrung selbst. Um eine diskutierbare These zu erhalten, muss diese Auffassung in verschiedenen Hinsichten präzisiert werden. Ich gehe dabei von zwei Adäquatheitsbedingungen aus. Erstens, die Eigenschaft der Erfahrung, von der darin die Rede ist – ihre Transparenz – ist ein Aspekt der Phänomenologie der Erfahrung. Die These, die diesen Aspekt beschreibt, muss also eine rein phänomenologische These sein. Das heißt, sie darf weder der Phänomenologie der Erfahrung widersprechen, noch über diese hinausgehen. 30 31 Zweitens, die gesuchte These sollte – im Rahmen der oben gegebenen vorläufigen Beschreibung – die stärkste sein, die sich aus der Phänomenologie der Erfahrung ergibt. 32 Diese Bedingungen, so möchte ich behaupten, werden von der Diese Bedingung akzeptieren, soweit ich sehe, die meisten Vertreter der These der Transparenz der Erfahrung. Sie verstehen ihre entsprechenden Thesen zumindest implizit als phänomenologische Thesen in diesem Sinn. Tatsächlich werden viele dieser Thesen dieser Bedingung jedoch nicht gerecht. 31 Im Fall der These, die ich vertreten werde, beruht diese Bedingung allerdings auf einer nicht unumstrittenen Voraussetzung: der Voraussetzung, dass sich notwendige Wahrheiten durch phänomenologische Betrachtungen rechtfertigen lassen (vgl. z. B. Kriegel (2009b), S. 364). Ich werde jedoch nicht den Versuch unternehmen, diese Voraussetzung zu verteidigen. 32 Diese Bedingung bedarf der Erläuterung: Die These wird einen negativen Teil enthalten, in dem ausgeschlossen wird, dass Subjekte eine bestimmte Art von kognitivem Zugang zu ihren Erfahrungen haben. Eine Kritik an dieser These, mit der ich mich in Kapitel 10 ausführlich auseinandersetzen werde, lautet, dass sie zwar wahr ist, aber nicht stark genug, da sie nicht die Möglichkeit ausschließt, dass Subjekte eine bestimmte andere Art von direktem kognitiven Zugang zu ihren Erfahrungen haben, deren Vorliegen unserem Vorverständnis der Transparenz der Erfahrung widersprechen würden. Diese Möglichkeit wird durch die Erfüllung der zweiten Bedingung ausgeschlossen. Ob unsere These diese Bedingung wirklich erfüllt, werden wir jedoch endgültig erst in Kapitel 10 feststellen. 30
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folgenden These erfüllt. Sie soll von jetzt an die Transparenzthese heißen: Transparenzthese: Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm als Gegenstand und nicht als Subjekt seiner Erfahrung. Die Transparenzthese wird im Mittelpunkt des zweiten Teils der Arbeit stehen. In ihr, so möchte ich behaupten, drückt sich die Natur (das Wesen) des Erscheinens aus. Diese Auffassung werde ich in den folgenden Kapiteln erläutern und verteidigen. Zunächst wollen wir aber einen Blick auf verschiedene Aspekte werfen, in denen sich die Transparenzthese von anderen Beschreibungen der Transparenz der Erfahrung unterscheidet. (Dabei berücksichtigen wir auch Beschreibungen von Autoren, die die Behauptung, die Erfahrung sei transparent im Sinne ihrer eigenen Beschreibung, ablehnen.) Um einen allgemeinen Ausdruck zur Verfügung zu haben, sollen diese anderen Beschreibungen im Folgenden Transparenz-Beschreibungen heißen. Wie sich zeigen wird, sind die verschiedenen Transparenz-Beschreibungen jeweils mit bestimmten Schwierigkeiten behaftet. Insbesondere erfüllen sie in vielen Fällen mindestens eine der beiden oben genannten Adäquatsheitbedingungen nicht. Erstens: Die Transparenzthese ist (i) eine These über Zustände des Erscheinens im Allgemeinen und (ii) eine Notwendigkeits-These. In vielen anderen Transparenz-Beschreibungen sind diese Aspekte nicht oder nicht explizit enthalten. Häufig ist zum Beispiel ausschließlich von visuellen Wahrnehmungen die Rede. 33 Und ob es sich 33 Hier zwei Beispiele von Frank Jackson und A. D. Smith: »That experience is diaphanousness (or transparent) is a thesis about the phenomenology of perceptual experience. It is the thesis that the properties that make an experience the kind of experience it is are properties of the object of experience.« (Jackson (2007), S. 55) »The suggestion is that all the perceptual experience even seems to present you with are worldly objects and their perceptible characteristics. You are never, so the claim goes, aware of features of your own experience, even when you introspect.« (A. D. Smith (2008), S. 197) Ein Beispiel für eine Transparenz-Behauptung, die ähnlich allgemein ist wie die Transparenzthese, findet sich bei Andrew Brook: »The transparency thesis is the thesis that we are not directly, noninferentially aware of our own representations. [Hervorhebung D. F.]« (Brook (2006), S. 107) In den meisten Transparenz-Behauptungen, die einen höheren Grad an Allgemeinheit aufweisen, ist von Erfahrungen die Rede (vgl. z. B. Kind (2003)). Ob diese Thesen so allgemein zu verstehen sind
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um eine Notwendigkeits-These handelt, wird nur in den seltensten Fällen explizit gemacht. 34 Beides scheint mir ein Mangel der entsprechenden Beschreibungen zu sein. Zweitens: In den mir bekannten Transparenz-Beschreibungen ist ausnahmslos davon die Rede, dass wir nicht über irgendeine Art von kognitivem Zugang zu unseren Erfahrungen oder anderen mentalen Zuständen verfügen. Die oben zitierte Transparenz-Beschreibung von Gilbert Harman ist ein gutes Beispiel: »When Eloise sees a tree before her, the colours she experiences are all experienced as features of the tree and its surroundings. Nor does she experience any features of anything as intrinsic features of her experiences. And that is true of you too […]. Look at a tree and try to turn your attention to intrinsic features of your visual experience. I predict that you will find that the only features there to turn your attention to will be features of the tree […] [Hervorhebung D. F.].« 35
In der Transparenzthese dagegen heißt es, dass es unmöglich sei, dass einem etwas als Subjekt seiner Erfahrung erscheine. Das lässt es auf den ersten Blick so erscheinen, als sei die Transparenzthese in dieser Hinsicht eine stärkere These. Ich möchte jedoch bestreiten, dass dies der Fall ist. Und zwar mit der folgenden Begründung: Erfahrungen sind Instanziierungen von Eigenschaften an Subjekten. Und es ist nicht möglich, dass jemandem eine Eigenschaft von etwas (in dem hier relevanten Sinn) erscheint, ohne dass ihm dasjenige erscheint, um dessen Eigenschaft es sich handelt. Dessen ungeachtet erscheint es mir wichtig, das Nicht-Erscheinen des Subjektes in der Transparenzthese explizit zu erwähnen. Denn zum einen ist die gerade wie die Transparenzthese, hängt von dem Begriff der Erfahrung ab, der in ihnen verwendet wird. Gemäß dem begrifflichen Rahmen, in dem wir uns bewegen (siehe Kapitel 4), sind Erfahrungen eine Unterart von Zuständen des Erscheinens. Viele Transparenz-Behauptungen, wie etwa die von Harman (siehe oben), bestehen aus Beschreibungen konkreter (meist visueller) Erfahrungssituationen (vgl. z. B. auch Martin (2002), S. 380 f. oder Rowlands (2001), S. 161). In diesen Fällen ist der Grad der beabsichtigten Allgemeinheit schwer einzuschätzen. 34 Die einzige mir bekannte Ausnahme ist die Transparenz-Beschreibung von Amy Kind: »[…] it is impossible to attend directly to our experience, i. e., we cannot attend to our experience except by attending to the objects represented by that experience.« (Kind (2003), S. 230) Man sollte daraus jedoch nicht den Schluss ziehen, dass die Autoren, die die von ihnen formulierten Transparenz-Beschreibungen für wahr halten, nicht auch einer entsprechenden Notwendigkeits-Behauptung zustimmen würden. Tatsächlich dürfte das in den meisten Fällen der Fall sein. 35 G. Harman a. a.O.
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skizzierte Begründung nicht unumstritten, und zum anderen wird die Gefahr von häufig auftretenden Missverständnissen auf diese Weise reduziert. 36 Drittens: Die Art des kognitiven Zugangs zu den eigenen Erfahrungen, die im negativen Teil der Transparenzthese ausgeschlossen wird, ist die des Erscheinens seiner Erfahrungen. Viele TransparenzBeschreibungen scheinen davon in der einen oder anderen Weise abzuweichen. Einige schließen ein (vermeintlich) weiteres Spektrum von Arten kognitiver Zugänge aus. Dies scheint zum Beispiel auf die Beschreibung von Smith zuzutreffen: »The suggestion is that all the perceptual experience even seems to present you with are worldly objects and their perceptible characteristics. You are never, so the claim goes, aware of features of your own experience, even when you introspect [Hervorhebung D. F.].« 37
Das Erscheinen von etwas fällt unter den Begriff des Bewusstseins von etwas hawareness of sth.i. Auf den ersten Blick erscheint es jedoch nicht abwegig, dass es Formen des Bewusstseins von etwas geben könnte, die kein Erscheinen von etwas sind. Und in der Tat wird dies von verschiedenen Autoren behauptet. 38 Sollten diese Autoren Recht haben, wäre die Wahrheit der Transparenzthese mit der Falschheit zum Beispiel der Transparenz-Beschreibung von Smith vereinbar. Und das wiederum würde bedeuten, dass diese Thesen und nicht die Transparenzthese eventuell die eigentlich interessanten Thesen wären. Ich werde diese Möglichkeit später ausführlich diskutieren und verwerfen. 39 Andere Transparenz-Beschreibungen fassen das Spektrum der ausgeschlossenen Arten kognitiver Zugänge enger als es die Transparenzthese tut. 40 Ein Beispiel ist die ebenfalls bereits zitierte Formulierung von Kind: Siehe dazu auch Kapitel 7. A. D. Smith (2008), S. 197. 38 Die Autoren, die ich im Auge habe, würden diese Formulierung ihrer Position allerdings ablehnen. Sie halten es strenggenommen für unzulässig, die fragliche Art des kognitiven Zugangs als Bewusstsein von zu beschreiben (vgl. Zahavi (2005), S. 23). 39 Siehe Kapitel 8. 40 In wieder anderen Beschreibungen werden Ausdrücke verwendet, die so vage sind, dass unklar ist, was der Autor meint. Hill und Rowlands beispielsweise sprechen davon, dass dem Subjekt bestimmte Eigenschaften nicht begegnen hencounteri (vgl. Hill (2006b), S. 253 und Rowlands (2001), S. 161) und Crane davon, dass sich dem Subjekt bestimmte Eigenschaften nicht offenbaren hreveali (vgl. Crane (2006), S. 128). 36 37
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»[…] it is impossible to attend directly to our experience, i. e., we cannot attend to our experience except by attending to the objects represented by that experience [Hervorhebung D. F.].« 41
In Kinds Transparenz-Beschreibung ist lediglich ausgeschlossen, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf unsere Erfahrungen lenken können. 42 Und es ist nicht selbstverständlich, dass dadurch bereits ausgeschlossen ist, dass uns unsere Erfahrungen erscheinen. Einige Autoren charakterisieren unser grundlegendes Selbstbewusstsein beispielsweise als ein peripheres oder implizites Erscheinen (Bewusstsein) mentaler Zustände. 43 Dass einem etwas nur peripher oder implizit erscheint (bewusst ist), bedeutet aber gerade, dass es nicht im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Sollte die Charakterisierung also zutreffend sein und zudem mit Notwendigkeit gelten, wäre die Wahrheit von Kinds Transparenz-Beschreibung mit der Falschheit der Transparenzthese vereinbar. 44 Da ich jedoch hoffe, zeigen zu können, dass die Transparenzthese wahr ist, ist eine schwächere These wie die von Kind für meine Untersuchung nicht von Interesse. Viertens: In der Transparenzthese findet sich kein Hinweis auf den scheinbaren oder tatsächlichen ontologischen Status der Gegenstände der Erfahrung. Das ist bei vielen Transparenz-Beschreibungen anders. So zum Beispiel bei Michael Tye oder Mark Rowlands: »Focus your attention on the scene before your eyes and on how things look to you. You see various objects; and you see these objects by seeing their surfaces. […] Intuitively the surfaces you see directly are publicly observable physical surfaces. […] you experience them as being qualities of the surfaces. None of the qualities of which you are directly aware in seeing the Kind (2003), S. 230. Die Rolle des Begriffes der Aufmerksamkeit in verschiedenen Transparenz-Beschreibungen ist recht verwirrend. Bei Moore und Harman war dieser Begriff noch Teil einer praktischen Handlungsanweisung. Wenn es dort heißt, man solle versuchen, seine Aufmerksamkeit auf die Erfahrung zu lenken, ist so viel gemeint wie: man solle konzentriert nach etwas anderem als den Gegenständen der Erfahrung suchen, das einem eventuell erscheint, um auf diese Weise festzustellen, dass es da nichts gibt. Spätere Formulierungen, wie die von Kind, suggerieren dann, dass die jeweilige Transparenz-Beschreibung tatsächlich in erster Linie eine Behauptung darüber ist, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken können. 43 Vgl. u. a. Block (1996) und (2003), Janzen (2006), Kriegel (2009a) oder Zahavi (2005). Die entsprechende Idee geht auf Franz v. Brentano zurück (vgl. Brentano (1874)). 44 Das scheint beispielsweise die Auffassung von Ned Block zu sein (vgl. Block (1996), S. 27 sowie Block (2003), S. 171 f.). 41 42
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various surfaces look to you to be qualities of your experience. You do not experience any of these qualities as qualities of your experience.« 45 »As I write this passage, I can look out of my study window […] I can see […] the early morning mist […] seagulls […] the droplets of dew […]. But I can also reflect on what it is like for me to be staring at the mist and the seagulls and the dew. That is, I can direct my attention on my experience of these items. What is noticeable is that when my attention is thus turned inwards, the mist and seagulls and dewdrops are not replaced by some other entities, ones belonging to the inner realm of mind. Rather I focus on my experience by perceptually attending to the external items themselves, and reflecting on this while I do it [Hervorhebung D. F.].« 46
Tye und Rowlands legen sich in ihren Transparenz-Beschreibungen entweder darauf fest, dass die Gegenstände der Erfahrung als öffentliche (externe, physische …) Gegenstände erscheinen (Tye) oder sogar darauf, dass sie öffentliche (externe, physische …) Gegenstände sind (Rowlands). Meiner Ansicht nach verlassen beide Behauptungen damit den Bereich phänomenologischer Betrachtungen und Überlegungen. Und da die Transparenzthese eine phänomenologische These sein soll, darf sie keine derartigen Festlegungen enthalten. Fünftens: In überraschend vielen Transparenz-Beschreibungen ist (wörtlich oder sinngemäß) davon die Rede, dass Subjekte introspektiven Zugang zu ihren Erfahrungen haben. Beispiele sind die folgenden, teilweise bereits bekannten Formulierungen von Uriah Kriegel, Michael Martin und Mark Rowlands: »The only introspectively accessible aspect of a phenomenal experience is its world-directed representational content [Hervorhebung D. F.].« 47 »When my attention is directed out at the world, the lavender bush and its features occupy center stage. It is also notable that when my attention is turned inwards instead to my experience, the bush is not replaced by some other entity belonging to the inner realm of the mind in contrast to the […] street […]. I attend to what it is like for me to inspect the lavender bush through perceptually attending to the bush itself while at the same time reflecting on what I am doing.« 48 »As I write this passage, I can look out of my study window […] I can see […] the early morning mist […] seagulls […] the droplets of dew […]. But I 45 46 47 48
Tye (2000), S. 45 f. Rowlands (2001), S. 161. Kriegel (2009b), S. 371. Martin (2002), S. 380 f.
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can also reflect on what it is like for me to be staring at the mist and the seagulls and the dew. That is, I can direct my attention on my experience of these items. What is noticeable is that when my attention is thus turned inwards, the mist and seagulls and dewdrops are not replaced by some other entities, ones belonging to the inner realm of mind. Rather I focus on my experience by perceptually attending to the external items themselves, and reflecting on this while I do it [Hervorhebung D. F.].« 49
Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass sich aus dem Vorkommen des Ausdruckes »Introspektion« allein noch nicht viel ableiten lässt. Fred Dretske beispielsweise bemerkt an einer Stelle: »[…] ›introspection‹ is just a convenient word to describe our way of knowing what is going on in our own mind […].« 50
Versteht man Introspektion in diesem losen Sinn, ist es beinahe eine Selbstverständlichkeit, dass wir introspektiven Zugang zu unseren Erfahrungen haben. 51 Der Wortlaut und der Zusammenhang der zitierten Transparenz-Beschreibungen legt jedoch nahe, dass die Autoren »Introspektion« in einem engeren Sinn verstehen als einen direkt auf die eigenen mentalen Zustände gerichteten wahrnehmungsartigen Zustand. 52 Die Möglichkeit einer Introspektion in diesem Sinn scheint sich aber gerade sehr schlecht mit der Idee der Transparenz der Erfahrung zu vertragen. Wir können dabei zwei Fälle unterscheiden. Ein Beispiel für den ersten Fall ist Kriegels Formulierung: »The only introspectively accessible aspect of a phenomenal experience is its world-directed representational content [Hervorhebung D. F.].« 53
Rowlands (2001), S. 161. Dretske (2003a), S. 7. 51 Dretske selber beispielsweise hat eine Zeitlang die Auffassung vertreten, Introspektion sei eine verschobene Wahrnehmung hdisplaced perceptioni der eigenen mentalen Zustände. In einer solchen verschobenen Wahrnehmung nimmt ein Subjekt seinen jeweiligen mentalen Zustand nicht direkt wahr, sondern schließt aus dem, was es in diesem Zustand wahrnimmt, auf das Vorliegen dieses Zustandes. Diese Konzeption von Introspektion hat erkennbar nichts mehr mit der herkömmlichen Idee eines direkt auf die eigenen mentalen Zustände gerichteten erfahrungsartigen Zustandes zu tun. 52 Ein deutliches Indiz dafür ist, dass einige von ihnen ausführlich von der Innen/ Außen-Metaphorik Gebrauch machen (siehe insbesondere Martin). Für die Beschreibung einer Auffassung wie der Dretskes beispielsweise wäre diese Metaphorik aber vollkommen unpassend. 53 Kriegel (2009b), S. 371. 49 50
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5 · Die Transparenzthese
Gemäß dieser Transparenz-Beschreibung besteht die Transparenz der Erfahrung darin, dass einem in der Introspektion nur eine bestimmte Eigenschaft der Erfahrung, nämlich deren repräsentationaler Gehalt erscheint (zugänglich ist). Das Problem dieser Behauptung lässt sich in Form eines Dilemmas formulieren: Entweder es ist dafür, dass ein Subjekt introspektiven Zugang zum repräsentationalen Gehalt seiner Erfahrung hat, hinreichend, dass das Subjekt diese Erfahrung hat. Dann ist die Rede von Introspektion allerdings fehl am Platz. Oder der fragliche Zugang des Subjektes zum repräsentationalen Gehalt seiner Erfahrung ist introspektiv im (oben skizzierten) herkömmlichen Sinn. Dann macht es jedoch keinen Sinn mehr, von der Transparenz der Erfahrung zu sprechen. 54 Den zweiten Fall finden wir in den übrigen Zitaten. Betrachten wir zur Verdeutlichung die folgende Stelle aus Rowlands Transparenz-Beschreibung: »[…] I focus on my experience by perceptually attending to the external items themselves […].« 55
Rowlands behauptet hier, dass er sich auf seine Erfahrung fokussiere, indem er seine Aufmerksamkeit auf die äußeren Gegenstände seiner Erfahrung lenke. Das Problem dieser Behauptung ist offensichtlich. Was in ihr behauptet wird, ist unter einer bestimmten, von Rowlands explizit geteilten, Voraussetzung schlicht unmöglich. Die Voraussetzung ist, dass meine Erfahrung und der Gegenstand meiner Erfahrung verschiedene, voneinander unabhängige ›Dinge‹ sind. Diese Voraussetzung schließt zwar noch nicht aus, dass ich beide erfahren und/oder auf beide meine Aufmerksamkeit lenken kann. Ganz sicher schließt sie jedoch aus, dass ich meine Erfahrung erfahren und/oder meine Aufmerksamkeit auf sie lenken kann, indem ich den Gegenstand meiner Erfahrung erfahre und/oder meine Aufmerksamkeit auf ihn lenke. Dementsprechend ist die Rede von Introspektion im herkömmlichen Sinn auch im zweiten Fall fehl am Platz. Aufgrund dieser Probleme erscheint es mir sinnvoll, auf die Rede von einer Introspektion in der Formulierung der Transparenzthese ganz zu verzichten. Abschließend können wir also festhalten, dass es gute Gründe gibt, die Transparenzthese den alternativen Transparenz-BehauptunDahinter steckt ein tieferes Problem: Ein repräsentationaler Gehalt ist einfach nicht die Art von Eigenschaft, die sich überhaupt wahrnehmen lässt (siehe dazu Kapitel 6). 55 Rowlands (2001), S. 161. 54
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5 · Die Transparenzthese
gen vorzuziehen. Damit allein ist natürlich noch lange nicht gezeigt, dass die Transparenzthese auch tatsächlich wahr ist. Ob das der Fall ist, werden wir in den folgenden Kapiteln untersuchen. Dafür wird es unter anderem hilfreich sein, die Transparenzthese in einen positiven und einen negativen Bestandteil zu unterteilen, die sich gegebenenfalls getrennt voneinander untersuchen lassen. Wir erhalten: (Trans.-pos.)
Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm als Gegenstand seiner Erfahrung.
(Trans.-neg.)
Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm nicht als Subjekt seiner Erfahrung.
Wie unschwer zu erkennen ist, ist (Trans.-neg.) die interessantere der beiden Thesen. Sie wird daher auch im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen.
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6 Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Um entscheiden zu können, ob die Transparenzthese wahr ist, müssen wir zunächst ihre Bedeutung genau verstehen, wozu es wiederum nötig ist, die Bedeutung ihrer Bestandteile genau verstehen. Das heißt, wir müssen verstehen, was es bedeutet, dass etwas als Gegenstand erscheint und was es bedeutet, dass etwas als Subjekt einer Erfahrung erscheint. Dazu zunächst einige Vorbemerkungen. Erstens: In Berichten über Zustände des Erscheinens werden Formulierungen der Form »als F« dazu verwendet, die Aspektgestalt des jeweiligen Zustandes auszudrücken (»Die Wand erscheint mir als rot.« usw.). 56 Sie werden also dazu verwendet, eine von verschiedenen möglichen Arten des Erscheinens von etwas auszudrücken. Der Ausdruck »als Gegenstand« in der Transparenzthese ist nicht in dieser Weise zu verstehen. Die Transparenzthese besagt, dass notwendigerweise alles, was erscheint, als Gegenstand erscheint. Sollte die Transparenzthese also wahr sein, könnte es keine andere Art des Erscheinens geben als eben das Erscheinen als Gegenstand. Mit anderen Worten: Erscheinen hieße, als Gegenstand erscheinen und das Zweite wäre lediglich eine Art Erläuterung oder Betonung des Ersten. Zweitens: Die Transparenzthese besagt, dass es unmöglich ist, dass etwas als Subjekt einer Erfahrung erscheint. Sollte die Transparenzthese also wahr sein, würde der Ausdruck »als Subjekt einer Erfahrung erscheinen« für etwas Unmögliches stehen. Das könnte die Befürchtung nahelegen, dass es sich um einen sinnlosen Ausdruck handelt, dessen Bedeutung sich gar nicht verstehen lässt. Diese Befürchtung ist unbegründet. Der Ausdruck »als Subjekt einer Erfahrung erscheinen« ist, ebenso wie Ausdrücke wie »ein rundes Quadrat« oder »ein verheirateter Junggeselle«, aus bedeutungsvollen Ausdrücken zusammengesetzt. Derartige Ausdrücke haben (in einem Das gilt nicht, wenn es sich um Zustände des Vorstellens handelt (siehe Kapitel 4). Diese Möglichkeit können wir an dieser Stelle jedoch ignorieren.
56
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Sinn) selbstverständlich eine Bedeutung. Und die ergibt sich, wie gewöhnlich, aus den Bedeutungen der Einzelausdrücke und der Art ihrer Zusammensetzung. Dass dem so ist, kann man sich dadurch klarmachen, dass, wenn es sich um einen Ausdruck handelt, der für etwas Unmögliches steht, wir dies eben deshalb wissen, weil wir die Bedeutungen der Einzelausdrücke kennen, aus denen er besteht. Unabhängig davon, ob die Transparenzthese wahr oder falsch ist, gilt also: Die Antwort auf die Frage, was es bedeutet, dass etwas als Subjekt einer Erfahrung erscheint, ergibt sich aus den Antworten auf die Fragen: Was bedeutet es, dass etwas als etwas erscheint? Und: Was bedeutet es, ein Subjekt einer Erfahrung zu sein? Was also bedeutet es, dass etwas als Gegenstand erscheint und was bedeutet es, dass etwas als Subjekt einer Erfahrung erscheint? Bei der Beantwortung dieser Fragen werde ich wie folgt vorgehen: Ich werde zunächst erläutern, was es heißt, ein Gegenstand zu sein (Abschnitt 6.1) und was es heißt, ein Subjekt einer Erfahrung zu sein (Abschnitt 6.2). Erst dann werde ich mich der Frage zuwenden, was es bedeutet, als Subjekt einer Erfahrung beziehungsweise als Gegenstand zu erscheinen (Abschnitt 6.5). Das Vorgehen in dieser Reihenfolge ist aus folgendem Grund sinnvoll: Die Eigenschaften ein Subjekt einer Erfahrung zu sein und ein Gegenstand zu sein stehen in einem besonderen Verhältnis zueinander (Abschnitt 6.3). Und erst dieses Verhältnis macht verständlich, warum es nicht möglich ist, dass etwas als Subjekt erscheint (Abschnitt 6.6). Es ist daher sinnvoll, das fragliche Verhältnis zunächst herauszuarbeiten, bevor man der Frage nachgeht, was es bedeutet, als Subjekt einer Erfahrung beziehungsweise als Gegenstand zu erscheinen.
6.1 Gegenstände Der Ausdruck »Gegenstand« wird in der Transparenzthese nicht in seiner alltagssprachlichen Bedeutung verwendet, das heißt, er wird nicht im Sinne von »Ding« oder »Sache« verwendet. 57 Er wird statt-
J. J. Valberg macht darauf aufmerksam, dass uns die Ersetzbarkeit oder Nicht-Ersetzbarkeit von »Gegenstand« (»Objekt«) durch »Ding« ein gutes Kriterium dafür an die Hand gibt, in welchem Sinn der Ausdruck verwendet wird: »[…] ›object‹ in ›external (internal) object‹ does not mean what it means in ›object of experience‹. Thus for ›object‹ in ›external object‹ we may substitute ›thing‹. The same substitution in
57
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Gegenstände
dessen in einer Bedeutung verwendet, die wir aus Ausdrücken wie »Gegenstand der Aufmerksamkeit« oder »Gegenstand der Sehnsucht« kennen. In diesen Ausdrücken bezeichnet »Gegenstand« keinen Status, der einer Entität unabhängig davon zukommt, dass jemandes Aufmerksamkeit oder Sehnsucht auf sie gerichtet ist. Ein Gegenstand der Aufmerksamkeit oder ein Gegenstand der Sehnsucht ist etwas allein dadurch, dass jemandes Aufmerksamkeit oder Sehnsucht auf es gerichtet ist. Wir wollen Gegenstände in diesem Sinn subjekt-bezogene Gegenstände nennen. Ein subjekt-bezogener Gegenstand ist etwas dadurch, dass er in einer kognitiven Relation zu einem Subjekt steht. Verschiedenen kognitiven Relationen entsprechen verschiedene Arten subjekt-bezogener Gegenstände. Für das Verständnis der Transparenzthese und der Natur des Erscheinens sind zwei Arten subjekt-bezogener Gegenstände interessant. Sie sollen phänomenale und intentionale Gegenstände heißen. Zunächst zu den phänomenalen Gegenständen: Was phänomenale Gegenstände sind, lässt sich am Beispiel der visuellen Wahrnehmung erläutern. Dabei wollen wir zunächst einmal voraussetzen, dass die folgende phänomenologische Beschreibung verständlich und – soweit sie reicht – korrekt ist: In jeder visuellen Wahrnehmungsepisode, sei sie wirklichkeitsgetreu, illusorisch oder halluzinatorisch, breitet sich vor dem Subjekt ein Wahrnehmungsfeld aus, das (auf eine näher zu bestimmende Weise) mit Inhalten gefüllt ist. Die Inhalte von Wahrnehmungsfeldern stehen zu dem Subjekt der Wahrnehmung in einer bestimmten Relation, die wir als ein SichPräsentieren oder Präsent-Sein beschreiben können. 58 Diese Relation des Sich-Präsentierens ist die Relation, in der eine Entität zu einem Subjekt stehen muss, um ein phänomenaler Gegenstand zu sein. 59 ›object of experience‹ not only fails to preserve meaning; it fails to make sense.« (Valberg (1992), S. 8). 58 Wenn es nötig ist, diese Relation vom Subjekt aus zu beschreiben, werden wir von der Relation des Einem-Präsentiert-Werdens sprechen. 59 Ein Punkt, der in bestimmten Kontexten von Bedeutung ist, ist, dass es sich dabei um eine Relation auf der personalen Ebene handelt – eine Relation also, deren Bestehen für das jeweilige Subjekt phänomenologisch manifest ist. Die Behauptung, dass die Inhalte von Wahrnehmungsfeldern sich uns präsentieren, ist daher mit verschiedenen Auffassungen darüber vereinbar, was dabei auf der sub-personalen Ebene vor sich geht (siehe dazu auch Kap. 10.1.1).
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Phänomenale Gegenstände sind also Entitäten, die sich uns präsentieren. Nun besteht in einer zentralen Hinsicht bekanntlich keine Einigkeit in der Frage, um was für eine Art von Entitäten es sich bei Inhalten von Wahrnehmungsfeldern handelt. Die meisten Autoren behaupten, es handle sich um objektive, physische Gegenstände. Einige behaupten aber auch, es handle sich um subjektive, nicht-physische Gegenstände (sogenannte Sinnesdaten). Und wieder andere behaupten, es handle sich in einigen Fällen um irgendeine Art von abstrakten Gegenständen. Diese Uneinigkeit betrifft jedoch nicht den Begriff eines phänomenalen Gegenstandes. Der Begriff eines phänomenalen Gegenstandes erschöpft sich in dem Begriff von etwas, was in der Relation des Sich-Präsentierens zu einem Subjekt steht. Um was für eine Art von Ding es sich dabei in anderen Hinsichten handelt, ist unerheblich. Voraussetzung ist lediglich, dass es in dieser Relation zu einem Subjekt stehen kann. 60 Soweit es den Begriff eines phänomenalen Gegenstandes betrifft, ist es also auch möglich, dass in verschiedenen Wahrnehmungsepisoden Dinge mit ganz verschiedenem ontologischem Status die Rolle von phänomenalen Gegenständen spielen. 61 Von der Antwort auf die Frage nach dem ontologischen Status von (zum Beispiel) Inhalten von Wahrnehmungsfeldern hängt allerdings ab, welche Art von Begriff der Begriff eines phänomenalen Gegenstandes ist. Die Optionen sind uns bereits aus anderen Zusammenhängen bekannt. Entweder ist der Begriff eines phänomenalen Gegenstandes ein Begriff unter den Gegenstände aufgrund einer wesentlichen Eigenschaft fallen, oder er ist ein Begriff, unter den Gegenstände aufgrund einer kontingenten Eigenschaft fallen. Eine Ausdrucksweise von Tim Crane übernehmend, möchte ich Begriffe der ersten Art als substanzielle Begriffe bezeichnen und Begriffe der zweiten Art als schematische Begriffe. 62 Später werden wir feststellen, dass tatsächlich nicht jeder der aufgeführten Kandidaten diese Bedingung erfüllt. 61 Phänomenale Gegenstände sind also mit einer (moderaten) Version des Disjunktivismus vereinbar. Gemäß dieser Version unterscheiden sich wirklichkeitsgetreue Wahrnehmungen und Halluzinationen nicht in ihrer metaphysischen Struktur. In beiden Fällen stehen Subjekte in derselben Art von Relation (der Relation des Erscheinens bzw. des Einem-Präsentiert-Werdens) zu etwas. Der Unterschied besteht allein in der Art der Entitäten, zu denen sie in dieser Relation stehen (vgl. Sturgeon (2008), S. 117). Ob ein solcher Disjunktivismus letztlich haltbar ist, ist eine andere Frage. 62 Vgl. Crane (2001a), S. 15. 60
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Gegenstände
Sollte sich also herausstellen, dass immer (normalerweise) konkrete physische Dinge die Inhalte von Wahrnehmungsfeldern sind, das heißt, die Rolle von phänomenalen Gegenständen spielen, wäre der Begriff eines phänomenalen Gegenstandes ein schematischer Begriff. Da physische Dinge existieren können, ohne wahrgenommen zu werden, wäre die Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, lediglich eine kontingente Eigenschaft. Sie würde physischen Dingen solange zukommen, wie sie wahrgenommen werden (jemandem erscheinen), würde aber selbst keine ontologische Kategorie konstituieren. Bekanntlich gibt es jedoch auch andere Antworten auf die Frage nach dem ontologischen Status von (zum Beispiel) Inhalten von Wahrnehmungsfeldern. Erinnern wir uns an den Modus des Erscheinens, den ich als Vorstellen eingeführt habe. Für Gegenstände des Vorstellens (d. i. das, was in einem Zustand des Vorstellens vorgestellt wird) gilt: Sie sind ontologisch dünne Entitäten, für die das Prinzip des esse est percipi gilt. Sollte sich herausstellen, dass visuelle Wahrnehmungen Zustände des Vorstellens sind, wären die Inhalte von Wahrnehmungsfeldern also ontologisch dünne Entitäten, für die das Prinzip des esse est percipi gelten würde. 63 Selbstverständlich wären auch diese Entitäten phänomenale Gegenstände. Anders als physischen Objekten, käme ihnen diese Eigenschaft jedoch nicht nur kontingenterweise zu. Dass für sie das Prinzip des esse est percipi gelte, bedeutet gerade, dass sie wesentlich phänomenale Gegenstände wären, das heißt, dass sie diese Eigenschaft nicht verlieren könnten, ohne aufzuhören zu existieren. Unter dieser Voraussetzung wäre der Begriff eines phänomenalen Gegenstandes also ein substanzieller Begriff. Mit dem Begriff des phänomenalen Gegenstandes können wir unabhängig davon arbeiten, welche der beiden Optionen die richtige ist. Kommen wir damit zu der zweiten für uns interessanten Art subjekt-bezogener Gegenstände, den intentionalen Gegenständen. Intentionale Gegenstände haben zunächst einmal einige interessante Merkmale mit phänomenalen Gegenständen gemeinsam. Ebenso wie letzteren, kommt ihnen ihr Status nur aufgrund der Tatsache zu, dass sie in einer bestimmten kognitiven Relation zu Subjekten stehen. Für gewöhnlich wird diese Relation vom Subjekt beziehungsweise vom Das ist bekanntlich die Auffassung, die in den meisten Versionen der Sinnesdatentheorie vertreten worden ist.
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
mentalen Zustand des Subjektes aus beschrieben, als ein GerichtetSein auf … oder ein Handeln von … 64 Wenn ich die Relation im Folgenden vom Gegenstand aus beschreiben werden, was überwiegend der Fall sein wird, werde ich von der Relation des Gegeben-Seins sprechen. Unter einem intentionalen Gegenstand versteht man also das, worauf irgendein intentionaler Zustand gerichtet ist (d. i. das, was einem Subjekt in einem intentionalen Zustand gegeben ist) – was immer das sein mag. Für den Begriff des intentionalen Gegenstandes stellt sich, ebenso wie für den des phänomenalen Gegenstandes, die Frage, ob es sich um einen substanziellen oder einen schematischen Begriff handelt. Und sie stellt sich darüber hinaus in sehr ähnlicher Weise. Wenn das, worauf intentionale Zustände gerichtet sind, also normalerweise (nicht notwendigerweise) physische Gegenstände sind, dann ist der Begriff des intentionalen Gegenstandes ein schematischer Begriff. Denn physische Gegenstände können existieren, ohne dass irgendein intentionaler Zustand auf sie gerichtet ist. Anders verhielte es sich, wenn sich das als wahr herausstellen sollte, was häufig als ObjektTheorie der Intentionalität bezeichnet wird. 65 Gemäß dieser Theorie ist das, worauf ein intentionaler Zustand (unmittelbar) gerichtet ist, weder ein physischer Gegenstand noch irgendeine andere Art von Entität, die unabhängig davon existiert, dass dieser Zustand auf sie gerichtet ist. Es ist stattdessen ein immanenter, von dem intentionalen Zustand abhängiger Gegenstand. 66 Derartige Gegenstände sind wesentlich Gegenstände, auf die ein intentionaler Zustand gerichtet ist. Sollte die Objekt-Theorie der Intentionalität also wahr sein, wäre der Begriff des intentionalen Gegenstandes dementsprechend ein substanzieller Begriff. Wie aber stellt sich, über diese Ähnlichkeiten hinaus, das Verhältnis zwischen phänomenalen und intentionalen Gegenständen dar? Die Antwort auf diese Frage hängt natürlich davon ab, in welchem Verhältnis die Relationen zueinander stehen, die beiden Arten von Gegenständen ihren Status verleihen. Sie hängt also davon ab, wie das Verhältnis der Relation des Sich-Präsentierens und der des Gegeben-Seins ist. Da unser Interesse den Zuständen des Erscheinens Vgl. u. a. Anscombe (1968), Crane (2002), S. 37, McGinn (2004), S. 220 oder Searle (1983), S. 16. Siehe auch Kapitel 16. 65 Vgl. u. a. Chrudzimski (2001), S. 120 oder McIntyre und Smith, (1982), S. 21 ff. 66 Vgl. Brentano (1874), S. 124. 64
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Gegenstände
gilt, interessiert uns zunächst einmal auch nur, wie dieses Verhältnis in Wahrnehmungen und anderen Zuständen des Erscheinens aussieht. Die Antwort auf diese Frage hängt allerdings von theoretischen Überlegungen ab. Im Folgenden wollen wir die verschiedenen Möglichkeiten kurz betrachten. Dabei können wir von der folgenden Voraussetzung ausgehen: Wahrnehmungen und andere Zustände des Erscheinens haben sowohl Gegenstände, die sich dem Subjekt präsentieren (d. i. phänomenale Gegenstände), als auch solche, die dem Subjekt gegeben sind (d. i. intentionale Gegenstände) – womit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, dass die Relation des Sich-Präsentierens und die des Gegeben-Seins zusammenfallen. Ersteres ergibt sich aus der Phänomenologie der Wahrnehmung, 67 Letzteres aus der allgemein akzeptierten Annahme, dass Wahrnehmungen und andere Zustände des Erscheinens intentionale Zustände sind. 68 Die genannte Voraussetzung lässt zwei Möglichkeiten zu: Entweder fällt in Wahrnehmungen und andere Zustände des Erscheinens die Relation des Sich-Präsentierens mit der des Gegeben-Seins zusammen, oder dies ist nicht der Fall. Betrachten wir zunächst die erste Möglichkeit: Diese Möglichkeit ist zum Beispiel in Theorien verwirklicht, die unter der Bezeichnung direkter oder naiver Realismus firmieren. Gemäß dieser Art von Theorie gilt mit Notwendigkeit: Die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes sind nichts anderes als die existierenden, physischen Gegenstände, von denen die Wahrnehmung handelt. Das bedeutet: Die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes sind das, was uns in der Wahrnehmung gegeben ist, und sind dementsprechend auch die intentionalen Gegenstände unserer Wahrnehmung. Die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes sind aber zugleich diejenigen Gegenstände, die sich uns präsentieren und damit die Rolle von phänomenalen Gegenständen spielen. Folglich gilt: Gemäß dem direkten oder naiven Realismus fallen in Wahrnehmungen und andere Zustände des Erscheinens die Relation des Sich-Präsentierens und die Die Überlegung ist folgende: Wir haben die Begriffe des phänomenalen Gegenstandes und der Relation des Sich-Präsentierens anhand einer Beschreibung der Phänomenologie der Wahrnehmung eingeführt. Und da der Aspekt der Beschreibung, anhand dessen wir sie eingeführt haben, einen wesentlichen Aspekt der Phänomenologie von Zuständen des Erscheinens beschreibt, ist es auch wesentlich für Zustände des Erscheinens, dass sich ihrem jeweiligen Subjekt etwas präsentiert. 68 Dass diese Annahme allgemein akzeptiert ist, gilt natürlich nur unter der Voraussetzung des weiten Begriffes von Intentionalität, den wir in Kapitel 4 eingeführt haben und der auch den Überlegungen dieses Abschnitts zugrunde liegt. 67
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
des Gegeben-Seins ebenso zusammen wie die Kategorien der phänomenalen und intentionalen Gegenstände. Die zweite Möglichkeit, dass in Wahrnehmungen und anderen Zuständen des Erscheinens die Relation des Sich-Präsentierens mit der des Gegeben-Seins nicht zusammenfällt, finden wir zum Beispiel in der sogenannten Sinnesdatentheorie verwirklicht. Gemäß dieser Theorie gilt unter anderem: (i) Die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes sind subjektive, konkrete, nicht-physische Entitäten – sogenannte Sinnesdaten – und (ii): indem wir diese Sinnesdaten direkt wahrnehmen, nehmen wir physische Gegenstände indirekt wahr. 69 Die Gegenstände, die zu uns, gemäß dieser Theorie, in der Relation des SichPräsentierens stehen (d. i. die phänomenalen Gegenstände), sind also die Sinnesdaten. Die Sinnesdaten sind jedoch nicht die Gegenstände, zu denen wir in der Relation des Gegeben-Seins stehen (d. i. die intentionalen Gegenstände der Wahrnehmung). Das, was uns gegeben ist – wenn auch nur in einer indirekten Weise 70 –, sind physische Gegenstände. Sie, nicht aber die Sinnesdaten, sind die Gegenstände, von denen die Wahrnehmung handelt. Somit sind beide Relationen im Rahmen der Sinnesdatentheorie voneinander verschieden. Diese Verschiedenheit bedeutet aber nicht, dass beide Relationen auch voneinander unabhängig sind. Das wird in Bedingung (ii) oben deutlich. Sie lässt sich paraphrasieren als: Indem sich uns Sinnesdaten präsentieren, sind uns physische Gegenstände gegeben. In diesem Sinne ist die Relation des Sich-Präsentierens ein Bestandteil der Relation des Gegeben-Seins. Kommen wir damit zurück zur Transparenzthese: Unser Ziel ist es, die Bedeutung der Transparenzthese genau zu verstehen. In der Transparenzthese ist von einem Erscheinen als Gegenstand die Rede. Eine erste Frage, die wir beantworten müssen, ist also: Welcher der beiden oben eingeführten Relationen entspricht die Relation des Erscheinens – der Relation des Sich-Präsentierens oder der des Gegeben-Seins? Die Antwort auf diese Frage ist letztlich eine terminologische Entscheidung. Da es dem Gebrauch in der Alltagssprache besser entspricht, wollen wir festlegen, dass die Relation des Erscheinens mit der Relation des Gegeben-Seins in Zuständen des Erscheinens zusammenfällt. Sollte also zum Beispiel eine Version der SinVgl. Jackson (1977), S. 1 ff. In diesem Zusammenhang ist der Ausdruck »Gegeben-Sein« ein Stück weit irreführend.
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Subjekte
nesdatentheorie wahr sein, hieße das: Die intentionalen Gegenstände unserer Wahrnehmung erscheinen uns, indem sich uns Sinnesdaten präsentieren. 71 Das erlaubt es uns nun, auch die »als«-Formulierung in »als Gegenstand erscheinen« besser zu verstehen. Sie bedeutet einfach so viel wie »ein intentionaler Gegenstand eines Zustandes des Erscheinens zu sein«. Der positive Teil der Transparenzthese ließe sich also umformulieren in: (Trans.-pos.)* Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann ist es ein intentionaler Gegenstand seines Zustandes des Erscheinens. Das entspricht der Ankündigung, dass »als Gegenstand erscheinen« nichts anderes bedeutet als »erscheinen«. Entscheidend ist dabei aber das soeben erzielte Ergebnis: Ein intentionaler Gegenstand eines Zustandes des Erscheinens ist einem Subjekt nur dadurch gegeben, dass sich dieser Gegenstand selbst oder ein ihn repräsentierender Gegenstand dem Subjekt präsentiert.
6.2 Subjekte Damit zu unserer zweiten Frage: Was bedeutet es, das Subjekt einer Erfahrung beziehungsweise eines Zustandes des Erscheinens zu sein? Einen geeigneten Anknüpfungspunkt für eine Antwort auf diese Frage finden wir bei Thomas Nagel. In einer viel zitierten Passage aus seinem bekannten Aufsatz What is it Like to Be a Bat? heißt es: »[…] every subjective phenomenon is essentially connected with a single point of view […] [Hervorhebung D. F.].« 72
Die Rede von einem Standpunkt (einer Perspektive), die Nagel hier einführt, steht für den wesentlichen Aspekt von Subjektivität, den ich in meiner Antwort auf die oben genannte Frage hervorheben möchte.
Wenn nicht die Gefahr von Missverständnissen besteht, werde ich mir im Folgenden nicht immer die Mühe machen, beide Relationen sauber auseinanderzuhalten. Vor allem werde ich häufiger von »Erscheinen« reden, wenn es strenggenommen »Sich-Präsentieren« heißen müsste. Dadurch werden einige sprachliche Härten vermieden. 72 Nagel (1974), S. 437. 71
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Standpunkte (Perspektiven) in diesem Sinn sollen im Folgenden Erfahrungs-Standpunkte beziehungsweise Erfahrungs-Perspektiven heißen. Die Auffassung, die ich vertreten möchte, lautet also: Das Subjekt einer Erfahrung zu sein bedeutet (unter anderem), einen Erfahrungs-Standpunkt (eine Erfahrungs-Perspektive) einzunehmen. Diese Auffassung ist weder originell noch neu. Viele Autoren machen in diesem Zusammenhang von Nagels Ausdruck Gebrauch. Leider bieten sie dabei selten eine aussagekräftige Erläuterung an. Dieses Versäumnis hat zu einigen folgenschweren Missverständnissen geführt. Denn die fragliche Phrase ist keineswegs selbsterklärend. Das zentrale Missverständnis besteht in der Annahme, Erfahrungs-Perspektiven seien nichts anderes als Perspektiven in einem herkömmlichen Sinn. Im Folgenden möchte ich versuchen, deutlich zu machen, inwiefern es sich dabei um ein Missverständnis handelt und was Erfahrungs-Perspektiven tatsächlich sind. Betrachten wir als Ausgangspunkt die beiden folgenden Zitate von Tim Crane und Katalin Farkas: »What the daffodil lacks and the ›minded‹ creature has is a point of view on things or (as I shall mostly say) a perspective. The minded creature is one for which things are a certain way: the way they are from the creature’s perspective. A lump of rock has no such perspective; the daffodil has no such perspective. We might express this by saying that a minded creature is one which has a world: its world. Its having a perspective consists in having a world. Having a world is something different from there simply being a world. It is true of the rock or the daffodil that it is part of the world; but it is not true that they have a world.« 73 »To be a subject is to possess a point of view. For a minded being, things do not just surround one, but they appear to one in a certain way, they feel in a certain way, they are enjoyed or they fill one with despair, things are desired or doubted or believed. […] There is a certain way for me to be when I am cold or when I am hot, when I am at ease or when I am worried. Only a creature capable of having a point of view can be engaged in such a fact. Things simply surround a church tower or a mountain top; but there is no such thing as how things are for the church tower [Hervorhebungen D. F.].« 74
73 74
Crane (2001a), S. 4. Farkas (2008), S. 31.
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Subjekte
Beide Autoren unternehmen den Versuch, Nagels Redeweise von einer Perspektive zu erläutern und verständlich zu machen. Die Versuche sind identisch angelegt und gehen grundsätzlich in die richtige Richtung. In einer wichtigen Hinsicht sind sie, wie wir gleich sehen werden, jedoch auch irreführend. Treffend scheinen mir die erläuternden Paraphrasen zu sein, die Crane und Farkas anbieten. Einen Erfahrungs-Standpunkt einzunehmen bedeutet, jemand zu sein, für den etwas irgendwie ist. Die Dinge in seiner Umgebung existieren nicht einfach nur in räumlicher Nachbarschaft zu ihm, sondern sie sind – wenn er sie denn wahrnimmt – irgendwie für ihn. Das meint auch Crane, wenn er davon spricht, dass der Inhaber eines Erfahrungs-Standpunktes eine Welt hat. Die Welt ist seine Welt, insofern die Dinge darin für ihn sind. Was diese Ausdrücke umschreiben, ist uns bereits bekannt und wir verfügen auch bereits über einen Ausdruck dafür: Ein Inhaber eines Erfahrungs-Standpunktes ist jemand, dem sich Dinge präsentieren. Nun haben all diese Umschreibungen zwar eine gewisse suggestive Kraft. Es besteht jedoch durchaus noch Raum für Zweifel, dass sie für irgendein interessantes Merkmal stehen, das über das Einnehmen einer Perspektive im herkömmlichen Sinn hinausgeht. Es ist daher nötig, weitere Überzeugungsarbeit zu leisten. Die geeignete Strategie dafür können wir zunächst wiederum von Crane und Farkas übernehmen. Beide ergänzen die Umschreibungen, die sie anbieten, durch Beispiele für Dinge, auf die diese Umschreibungen nicht zutreffen. Crane nennt einen Felsbrocken und eine Narzisse hdaffodili, Farkas einen Kirchturm und einen Berggipfel. Der Vergleich mit diesen Dingen dient dazu, uns auf das Merkmal, das mit den Umschreibungen gemeint ist, aufmerksam zu machen. Die Strategie macht sich die Tatsache zunutze, dass wir häufig in der Lage sind, Unterschiede zwischen Dingen oder Situationen zu erkennen, obwohl wir über keinen klaren Begriff der Merkmale verfügen, die für diese Unterschiede verantwortlich sind. 75 Ein gut gewählter Vergleich eignet sich daher dafür, jemandem ein bestimmtes Merkmal auf eine Weise vor Augen zu führen, auf die dies durch sprachliche Umschreibungen häufig nicht möglich ist. 76 Auf dieser Einsicht beruht im Wesentlichen die Analyse von Begriffen mit Hilfe der sog. Methode möglicher Fälle (siehe Kapitel 1). 76 Umgekehrt gilt allerdings: Wenn wir durch einen gut gewählten Vergleich zwischen bestimmten Dingen oder Situationen auf ein bestimmtes Merkmal aufmerksam 75
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Das Problem mit den Vergleichen, die Crane und Farkas anbieten, ist allerdings, dass sie eben nicht gut gewählt sind. Gut gewählt, so könnte man sagen, ist ein Vergleich dann, wenn er das Merkmal, auf das durch ihn hingewiesen werden soll, isoliert; wenn der Unterschied in diesem Merkmal also der einzige – oder zumindest der einzig interessante – Unterschied zwischen den verglichenen Dingen oder Situationen ist. Denn nur wenn dies der Fall ist, kann der Vergleich seinen Zweck, auf ein bestimmtes Merkmal hinzuweisen, erfüllen. Betrachtet man dagegen die Vergleiche, die Crane und Farkas anbieten, fällt sofort auf, dass die Arten von Dingen, die beide zum Vergleich heranziehen, sich in einer Vielzahl von Hinsichten von uns (als Subjekten von Erfahrungen) unterscheiden. Und darunter findet sich ein Unterschied, von dem offensichtlich ist, dass er im vorliegenden Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist: Felsbrocken, Narzissen, Kirchtürme und Berggipfel sind, im Gegensatz zu uns, keine repräsentationalen oder intentionalen Systeme. 77 Dieser Unterschied verhindert, dass die Vergleiche den ihnen zugedachten Zweck erfüllen können und sorgt zudem dafür, dass sie das oben angesprochene Missverständnis, dass eine Erfahrungs-Perspektive einzunehmen nichts anderes bedeutet, als eine Perspektive im alltagssprachlichen Sinn einzunehmen, nahelegen. Um das zu erkennen, muss man sich lediglich den Zusammenhang zwischen den Eigenschaften, ein repräsentationales System zu sein und eine Perspektive im herkömmlichen Sinn einzunehmen, klarmachen. Eine präzise Beschreibung dessen, was es bedeutet, eine Perspektive im herkömmlichen Sinn einzunehmen, finden wir bei Dretske: »If we compare two representational systems that represent the same set of determinables (speed, weight, temperature, etc.), their points of view are fixed by the objects they represent and the determinate forms of these determinable properties they represent these objects as having. Both S1 and S2 represent O, but S1 represents it as blue while S2 represents it as cyan (a shade of blue). Or both represent something to be cyan, but it turns out that they represent different objects – or different parts of the same object – to be cyan. In either case they have a different point of view […].« 78
gemacht werden – ein Merkmal, in dem sie sich unterscheiden –, kann uns das dabei helfen, einen klareren Begriff von diesem Merkmal zu gewinnen. 77 An dieser Stelle mache ich keinen Unterschied zwischen beiden Begriffen. 78 Dretske (1995), S. 78 f.
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Subjekte
Eine Perspektive im herkömmlichen Sinn einzunehmen bedeutet also so viel wie: einen bestimmten Ausschnitt der Welt auf eine bestimmte Art (d. i. unter bestimmten Aspekten) zu repräsentieren. Wie aus dieser Bestimmung unmittelbar hervorgeht, ist ein repräsentationales System zu sein eine notwendige Bedingung für das Einnehmen einer Perspektive im herkömmlichen Sinn. Diese Bedingung ist darüber hinaus jedoch auch hinreichend. Denn es kann kein repräsentationales System geben, für das nicht gilt, dass es (nur) einen bestimmten Ausschnitt der Welt (nur) auf eine bestimmte Art repräsentiert. Mit einer weiteren berühmten Metapher von Thomas Nagel ausgedrückt: Es gibt keinen Blick von Nirgendwo hView from nowherei. 79 Da Felsbrocken, Narzissen usw. die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für das Einnehmen einer Perspektive im herkömmlichen Sinn nicht erfüllen, scheint es in erster Linie dieses Merkmal zu sein, das uns durch Vergleiche mit diesen Dingen vor Augen geführt wird. Sie geben uns keinen Grund, nach einem zusätzlichen Merkmal zu suchen. Wenn die von Crane und Farkas angebotenen Umschreibungen tatsächlich für ein Merkmal stehen, das über das Einnehmen einer Perspektive im herkömmlichen Sinn hinausgeht, dann ist eine andere Art von Vergleich nötig, um auf dieses Merkmal hinzuweisen. Und es ist auch klar, wie dieser Vergleich aussehen muss. Es muss ein Vergleich zwischen uns (als Subjekten von Erfahrungen) und anderen repräsentationalen Systemen sein. Nur durch einen solchen Vergleich lässt sich ein Merkmal isolieren, das in der geforderten Weise über das Einnehmen einer Perspektive im herkömmlichen Sinn hinausgeht. Bevor wir einen entsprechenden Vergleich durchführen, sollten wir uns zunächst aber genauer anschauen, was repräsentationale Systeme eigentlich sind. Dabei wollen wir uns an die Erläuterungen von Fred Dretske halten. Das bietet sich nicht nur deswegen an, weil Dretske eine gut ausgearbeitete Konzeption repräsentationaler Systeme vorlegt. Es bietet sich auch deswegen an, weil Dretske ein Autor ist, der explizit bestreitet, dass es irgendein mentales Phänomen gibt, dessen Erklärung sich nicht darin erschöpft, dass wir repräsentationale Systeme sind. 80 Den Begriff eines repräsentationalen Systems führt Dretske wie folgt ein: Vgl. Nagel (1986). Sein Slogan lautet: »All mental facts are representational facts.« (Dretske (1995), S. xiii.)
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
»The fundamental idea is that a system, S, represents a property, F, if and only if S has the function of indicating (providing information about) the F of a certain domain of objects. The way S performs its function (when it performs it) is by occupying different states s1, s2, … sn corresponding to the different determinate values f1, f2, … fn, of F.« 81
Von dieser Konzeption wollen wir im Folgenden ausgehen. Sie muss noch durch den Hinweis ergänzt werden, dass der Begriff einer Funktion so zu verstehen ist, dass er die Möglichkeit einer Fehl-Funktion einschließt. Eine Fehl-Funktion eines repräsentationalen Systems ist eine Fehl-Repräsentation. Eine Fehl-Repräsentation durch S liegt zum Beispiel dann vor, wenn sich S in s1 befindet (d. i. in dem Zustand, der die Funktion hat, f1 anzuzeigen), obwohl an den Gegenständen im Repräsentationsbereich von S f2 instanziiert ist. 82 Ein Beispiel eines solchen repräsentationalen Systems, das für den von uns gesuchten Vergleich geeignet ist, ist nicht schwer zu finden. Nehmen wir eines, das Dretske selbst mit Vorliebe verwendet: das Beispiel eines Tachometers. Ein Tachometer erfüllt die Bedingungen, die Felsbrocken, Narzissen usw. nicht erfüllen. Es ist (a) ein repräsentationales System. (Es hat die Funktion, die Geschwindigkeit des Autos anzuzeigen, in das es eingebaut ist. Es erfüllt diese Funktion, indem es sich in verschiedenen Zuständen befindet (Position der Tacho-Nadel), die ihrerseits die Funktion haben, bestimmte Geschwindigkeiten des Autos anzuzeigen. Sollte der Zustand des Tachometers nicht der tatsächlichen Geschwindigkeit des Autos entsprechen, liegt eine Fehl-Repräsentation vor.) Und dadurch, dass ein Tachometer ein repräsentationales System ist, nimmt es auch (b) eine Perspektive im herkömmlichen Sinn ein. (Es repräsentiert einen beDretske (1995), S. 2. Eine Frage, die für das Verständnis repräsentationaler Systeme zudem von zentraler Bedeutung ist, ist die Frage, auf welche Weise sie ihre Funktion erhalten. Da der Begriff der Funktion ein normativer Begriff ist (deswegen gibt es Fehl-Funktionen), ist es unklar, ob repräsentationale Systeme ihre Funktion auf natürlichem Wege erhalten können, d. h. ohne dass es jemanden gibt, der ihnen diese Funktion zuschreibt. Eine der zentralen Thesen Dretskes ist, dass dies sehr wohl möglich ist und dass mentale Zustände repräsentationale Zustände sind, bei denen eben dies der Fall ist (vgl. Dretske (1995), S. 7). Andere Autoren, wie Searle oder Dennett, bestreiten die Möglichkeit derartiger natürlicher Repräsentationen (vgl. Dennett (1987), S. 287 ff. sowie Searle (1992), S. 52 oder (1998), S. 121 f.). Wir müssen uns auf die Diskussion dieser Frage hier aber nicht einlassen. Wir können (und sollten) zum Zwecke der Argumentation die Möglichkeit akzeptieren, dass repräsentationale Systeme ihre Funktion auf natürlichem Wege erhalten.
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Subjekte
stimmten Ausschnitt der Welt (den Wagen, in den es eingebaut ist) auf eine bestimmte Art (hinsichtlich seiner Geschwindigkeit)). Trotz dieser Gemeinsamkeiten erfassen wir, so möchte ich behaupten, einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Subjekten von Erfahrungen, wie wir es sind, und Dingen wie Tachometern. Und diesmal kann der Unterschied nicht darin bestehen, dass wir, nicht aber das Tachometer, eine Perspektive im herkömmlichen Sinn einnehmen. Denn Tachometer nehmen eine Perspektive im herkömmlichen Sinn ein. Sobald uns der fragliche Unterschied aber vor Augen steht, erkennen wir auch, so möchte ich weiter behaupten, dass das Merkmal, das ihn ausmacht, dasjenige ist, das mit Formulierungen wie denen von Crane und Farkas umschrieben wird. Es ist nicht irgendwie für ein Tachometer, dass der Wagen eine bestimmte Geschwindigkeit hat. Das Tachometer ist nicht jemand, dem sich die Geschwindigkeit des Wagens irgendwie präsentiert. Es ist dagegen sehr wohl irgendwie für mich, dass zum Beispiel der Baum, den ich wahrnehme, grün ist. Ich bin jemand, dem sich der Baum als grün präsentiert. Und eben dieses Merkmal – das Merkmal, das den grundsätzlichen Unterschied zwischen uns (als Subjekten von Erfahrungen) und anderen repräsentationalen Systemen wie Tachometern ausmacht – ist das Merkmal, das mit dem Einnehmen einer Erfahrungs-Perspektive gemeint ist. Damit, so scheint mir, verfügen wir über ein recht gutes Verständnis des Begriffes einer Erfahrungs-Perspektive. 83 Zum Abschluss der Diskussion des Begriffes der Erfahrungs-Perspektive sollten wir aber noch ein mögliches Missverständnis ausräumen. Das Missverständnis ist, dass man sich durch das erzielte Ergebnis (dass das Einnehmen einer Erfahrungs-Perspektive mehr ist als das Einnehmen einer Perspektive im herkömmlichen Sinn) bereits auf irgendeine Art von Anti-Physikalismus festläge. Der Grund für dieses mögliche Missverständnis ist leicht auszumachen. Es beruht auf der Dieses Verständnis vorausgesetzt, können wir auch etwas dazu sagen, in welchem Verhältnis Erfahrungs-Perspektiven zu Perspektiven im herkömmlichen Sinn stehen. Beide sind keineswegs voneinander unabhängig. Vielmehr gilt: Wir können eine Erfahrungs-Perspektive nicht einnehmen, ohne zugleich eine Perspektive im herkömmlichen Sinn einzunehmen. Denn Erfahrungen (Zustände des Erscheinens) sind intentionale Zustände. Und als solche sind sie nicht ohne das Einnehmen einer Perspektive im alltagssprachlichen Sinne denkbar. Eine Erfahrungs-Perspektive einzunehmen ist also, so könnte man es ausdrücken, die Art, auf die Subjekte von Erfahrungen Perspektiven im herkömmlichen Sinn einnehmen.
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Tatsache, dass Nagel selbst den Hinweis auf das Phänomen des Einnehmens von Erfahrungs-Perspektiven von vornherein als Herausforderung für den Physikalismus formuliert hatte und es beinahe ausschließlich unter dieser Fragestellung diskutiert worden ist. 84 Das verführt zu der Annahme, jeder Hinweis auf den Begriff der Erfahrungs-Perspektive habe diese Funktion. Das muss jedoch nicht der Fall sein. Sich darauf festzulegen, dass es das Phänomen des Einnehmens einer Erfahrungs-Perspektive – so wie wir es oben erläutert haben – gibt, ist eine Sache. Sich in der Frage festzulegen, ob dieses Merkmal auf physikalische Eigenschaften reduzierbar ist, eine andere. Wir legen uns an dieser Stelle ausschließlich auf Ersteres fest. 85 Am Anfang des Abschnittes habe ich die Auffassung, die ich vertreten möchte, wie folgt formuliert: Das Subjekt einer Erfahrung zu sein bedeutet, einen ErfahrungsStandpunkt (eine Erfahrungs-Perspektive) einzunehmen. Wir haben jetzt eine klarere Vorstellung davon, was mit dieser These gemeint ist. Wir können sie paraphrasieren als: Das Subjekt einer Erfahrung zu sein bedeutet, jemand zu sein, für den seine Umgebung irgendwie ist, dem sich seine Umgebung irgendwie präsentiert. Vor dem Hintergrund des verbesserten Verständnisses, das sich in dieser Paraphrase ausdrückt, ist die These, so hoffe ich, intuitiv überzeugend. Mehr werden wir in Bezug auf eine phänomenologische These wie diese in jedem Fall nicht erwarten können. Für den (minimalen) Begriff eines Subjektes der Erfahrung, über den wir damit verfügen, gilt schließlich etwas Ähnliches wie für den Begriff eines phänomenalen Gegenstandes. Es könnte sich, in Cranes Terminologie ausgedrückt, um einen schematischen oder einen substanziellen Begriff handeln. Im ersten Fall wäre die Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein (d. i. die Eigenschaft eine ErfahrungsVgl. z. B. Biro (1991) und (1993), Francescotti (1993) oder Lycan (1996), Kap. 3. Damit legen wir uns allerdings zugleich auf ein Kriterium dafür fest, was eine physikalische Erklärung erklären muss und wann sie damit erfolgreich ist. Es ist ausgeschlossen, dass wir aufgrund der (vermeintlichen) Erklärung, die wir finden, feststellen, dass Erfahrungs-Perspektiven etwas anderes sind, als wir gedacht hatten. Jede Erklärung, die ein anderes Phänomen erklärt, als das, was unter unseren Begriff der Erfahrungs-Perspektive fällt, ist nicht die Erklärung, die wir suchen (vgl. dazu Jackson (1998), S. 30 f.). Siehe auch Kapitel 1.
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Die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Erfahrung
Perspektive einzunehmen), eine kontingente Eigenschaft – eine Eigenschaft also, die gewöhnliche physische Gegenstände wie etwa Gehirne oder Organismen bei bestimmten Gelegenheiten aufweisen, die sie aber auch wieder verlieren können, ohne dadurch aufzuhören zu existieren. Im zweiten Fall würde es sich um eine wesentliche Eigenschaft handeln – eine Eigenschaft, die eine Entität nicht verlieren kann, ohne aufzuhören zu existieren. Subjekte von Erfahrungen würden dann eine eigene ontologische Kategorie bilden. Wie in Bezug auf den Begriff eines phänomenalen Gegenstandes, möchte ich mich auch hier auf keine der beiden Optionen festlegen.
6.3 Die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Erfahrung In den beiden vorangehenden Abschnitten haben wir zwei der für uns entscheidenden Grundbegriffe geklärt. Wir haben geklärt, was es bedeutet, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, und wir haben geklärt, was es bedeutet, ein phänomenaler Gegenstand zu sein. Stellen wir beide Ergebnisse noch einmal (in kurzer Form) gegenüber: Das Subjekt einer Erfahrung zu sein bedeutet, einen Erfahrungs-Standpunkt einzunehmen, das heißt, jemand zu sein, für den die Welt irgendwie ist, dem sich die Welt irgendwie präsentiert. Ein phänomenaler Gegenstand zu sein bedeutet, etwas zu sein, das sich jemandem präsentiert. Spätestens mit dieser Gegenüberstellung wird erkennbar, dass sich beide Begriffe in einer besonderen Weise zueinander verhalten: sie drücken zueinander komplementäre Eigenschaften aus. Das Subjekt einer Erfahrung zu sein bedeutet, jemand zu sein, für den die Welt irgendwie ist, dem sich die Welt irgendwie präsentiert. Um jemand zu sein, für den dies gilt, muss es jedoch etwas geben, das sich einem präsentiert. Kurz: es muss etwas geben, das ein phänomenaler Gegenstand ist. 86 Und umgekehrt gilt: Ein phänomenaler Gegenstand Diese und einige noch folgende Äußerungen legen den Verdacht nahe, wir würden eine (vermeintlich) unnötige ontologische Verpflichtung eingehen, indem wir daraus, dass jemandem etwas erscheint, darauf schließen, dass ein konkreter Gegenstand existiert, der demjenigen erscheint. In Abschnitt 6.3.1 werde ich diesen Einwand ausführlich diskutieren.
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zu sein bedeutet, etwas zu sein, das sich jemandem präsentiert. Es ist jedoch nicht möglich, dass sich jemandem etwas präsentiert, ohne dass es jemanden gibt, dem sich etwas präsentiert. Kurz: es ist nicht möglich, ohne dass etwas ein Subjekt einer Erfahrung ist. Wichtig ist, dass diese Abhängigkeit zwischen Instanziierungen beider Eigenschaften besteht. Damit die Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, instanziiert sein kann, reicht es selbstverständlich nicht aus, dass irgendwo an irgendetwas die Eigenschaft instanziiert ist, das Subjekt eines Zustandes des Erscheinens zu sein. Jede Instanziierung der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, ist von einer bestimmten Instanziierung der Eigenschaft, das Subjekt eines Zustandes des Erscheinens zu sein, abhängig. Anders ausgedrückt: Etwas ist für jemanden immer nur insofern ein phänomenaler Gegenstand als derjenige der Träger einer bestimmten Instanz der Eigenschaft, das Subjekt eines Zustandes des Erscheinens zu sein, ist. Und umgekehrt gilt etwas sehr Ähnliches. Damit die Eigenschaft das Subjekt einer Erfahrung zu sein instanziiert sein kann, reicht es ebenfalls nicht aus, dass irgendwo an irgendetwas die Eigenschaft instanziiert ist, ein phänomenaler Gegenstand zu sein. Anders als im Fall der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, scheint eine Instanziierung der Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, jedoch nicht von genau einer Instanziierung ihrer komplementären Eigenschaft (d. i. der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein) abhängig zu sein, sondern von einer Summe von Instanziierungen dieser Eigenschaft. Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Gemäß der Art wie wir gewöhnliche visuelle Wahrnehmungen normalerweise beschreiben, handelt es sich um Zustände, in denen sich dem jeweiligen Subjekt verschiedene Gegenstände präsentieren, in dem also verschiedene Gegenstände die Eigenschaft aufweisen, ein phänomenaler Gegenstand zu sein. Und solange es keinen triftigen Grund gibt, diese Beschreibungsweise aufzugeben, sollten wir an ihr festhalten. 87 Wir halten also fest: Jemand ist ein Subjekt einer Erfahrung immer nur insofern sich ihm bestimmte phänomenale Gegenstände
Ein solcher Grund könnte sein, dass sich eine bestimmte Version des indirekten Realismus als wahr herausstellt. Gemäß dieser Version ist das, was sich einem Subjekt in einer Wahrnehmung unmittelbar präsentiert, ein einheitliches Wahrnehmungsfeld. Sollte diese Beschreibung adäquat sein, läge es nahe zu sagen: Es gibt jeweils nur einen phänomenalen Gegenstand, nämlich eben jenes einheitliche Wahrnehmungsfeld.
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Die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Erfahrung
präsentieren (genauer: insofern sich ihm Gegenstände präsentieren, indem sie Träger bestimmter Instanziierungen der Eigenschaft sind, ein phänomenaler Gegenstand zu sein). Und das bedeutet: Jede Instanziierung der Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, bildet gemeinsam mit mindestens einer Instanziierung der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, eine zusammenhängende Struktur. Diese Beobachtung versetzt uns nun in die Lage, das zentrale Ergebnis dieses Kapitels zu formulieren. Dafür wollen wir zunächst eine geeignete Terminologie festlegen: • Die genannten Strukturen, die jede Instanziierung der Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, gemeinsam mit mindestens einer Instanziierung der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, bildet, sollen im Folgenden Subjekt-Gegenstands-Strukturen heißen. • Die Instanziierung der Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung an einem bestimmten Gegenstand zu sein, soll im Folgenden das Spielen der Subjekt-Rolle durch diesen Gegenstand heißen. • Die Instanziierung der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand an einem bestimmten Gegenstand zu sein, soll im Folgenden das Spielen der Gegenstands-Rolle durch diesen Gegenstand heißen. Unser Ergebnis lautet dann schlicht: Zustände des Erscheinens (d. i. Erfahrungen, Zustände der Bekanntschaft und Zustände des Vorstellens) sind wesentlich Subjekt-Gegenstands-Strukturen. Nun hatten wir weiter oben gesagt, dass sich das Wesen von Zuständen des Erscheinens in der Transparenzthese ausdrückt. Das wirft die Frage auf, wie sich dieses Ergebnis zur Transparenzthese verhält. Die Antwort ist folgende: Das Ergebnis entspricht (Trans.-pos.), dem positiven Teil der Transparenzthese. Mit anderen Worten: Als Gegenstand zu erscheinen bedeutet nichts anderes, als die GegenstandsRolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Und jemand zu sein, dem etwas als Gegenstand erscheint, bedeutet nichts anderes, als die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Das Ergebnis ist zudem bereits die Antwort auf die Frage nach dem Wesen von Zuständen des Erscheinens. Mit anderen Worten: Sich in einem Zustand des Erscheinens zu befinden bedeutet nichts 135 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
anderes, als die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Das scheint zunächst der Behauptung zu widersprechen, das Wesen von Zuständen des Erscheinens drücke sich in der Transparenzthese aus. Schließlich scheint die Transparenzthese in ihrem negativen Teil, (Trans.-neg.), doch über unser Ergebnis hinauszugehen. Dieser Eindruck täuscht jedoch. In Wahrheit ist (Trans.-neg.) bereits in unserem Ergebnis und damit in (Trans.-pos.) enthalten. Wie sich zeigen wird, liegt es bereits im Wesen einer Subjekt-GegenstandsStruktur, dass es unmöglich ist, sich als Subjekt zu erscheinen. Damit ist (Trans.-neg.) jedoch keineswegs überflüssig. Denn dass (Trans.neg.) bereits in (Trans.-pos.) enthalten ist, ist eben nicht offensichtlich. Es kommt darauf an, (Trans.-pos.) richtig zu verstehen. Und (Trans.-neg.) spielt dabei die Rolle einer Art Erläuterung. (Trans.neg.) erläutert (Trans.-pos.), indem sie eine entscheidende Implikation von (Trans.-pos.) hervorhebt. Dieser Zusammenhang wird in den Abschnitten 6.5 und 6.6 deutlich werden. Zunächst wollen wir jedoch, wie angekündigt, 88 auf den Einwand eingehen, wir würden mit dem erzielten Ergebnis ungerechtfertigte ontologische Verpflichtungen eingehen.
6.3.1 Phänomenale Gegenstände und ontologische Verpflichtungen Im letzten Abschnitt habe ich unter anderem Behauptungen wie die folgenden aufgestellt: Es ist nicht möglich, eine Erfahrungs-Perspektive einzunehmen, ohne dass es etwas gibt, das sich einem präsentiert (ohne dass es etwas gibt, das ein phänomenaler Gegenstand ist). Oder: Jede Instanziierung der Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, bildet gemeinsam mit mindestens einer Instanziierung der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, eine zusammenhängende Struktur. Behauptungen wie diese provozieren einen altbekannten Einwand: Mit der so verstandenen Rede von phänomenalen Gegenständen ginge man schwerwiegende und darüber hinaus unnötige ontologische Verpflichtungen ein. Diesen Einwand wollen wir im Folgenden diskutieren. Zunächst einmal wollen wir klären, wie schwerwiegend die ontologischen Verpflichtungen tatsächlich sind, die wir mit den genann88
Siehe Fn. 93 in diesem Kapitel.
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Die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Erfahrung
ten Äußerungen eingehen. Dabei können wir von der folgenden Voraussetzung ausgehen: Wenn sich aus den beiden Äußerungen nennenswerte ontologische Verpflichtungen ergeben, dann vor dem Hintergrund der folgenden Annahme: Es ist möglich, dass sich jemand in einem Zustand des Erscheinens befindet, ohne dass ein physischer, öffentlicher Gegenstand existiert, für den gilt, dass er sich demjenigen präsentiert. Kurz: Es ist möglich, dass jemand einer Halluzination unterliegt. Diese Annahme wollen wir im Folgenden als unstrittig betrachten. Da eine Erfahrungs-Perspektive einzunehmen bzw. das Subjekt einer Erfahrung zu sein hinreichend dafür ist, sich in einem Zustand des Erscheinens zu befinden, implizieren die beiden fraglichen Äußerungen also zunächst einmal, dass für jeden Zustand des Erscheinens gilt, dass es etwas gibt, das sich dem Subjekt des Zustandes präsentiert. Da dies im Falle einer Halluzination jedoch, per definitionem, kein gewöhnlicher physischer Gegenstand sein kann, folgt daraus weiter, dass es sich um eine andere Art von Gegenstand handeln muss. Bekanntlich gilt die Verpflichtung auf die Existenz subjektiver, mentaler Einzeldinge, sog. Sinnesdaten, als besonders schwerwiegend. Sollte sich also herausstellen, dass die genannten anderen Arten von Gegenständen nichts anderes als subjektive, mentale Einzeldinge sein können, müssten wir dem Vertreter des Einwandes darin Recht geben, dass wir mit unseren Äußerungen eine nicht harmlose ontologische Verpflichtung eingegangen sind. Ob diese Verpflichtung auch unnötig wäre, müsste allerdings auch in diesem Fall erst noch geklärt werden. Zunächst einmal ist jedoch keineswegs klar, ob uns die genannten Äußerungen tatsächlich auf die Existenz subjektiver, mentaler Einzeldinge verpflichten. Die beiden Äußerungen lauteten: »Es ist nicht möglich, eine Erfahrungs-Perspektive einzunehmen, ohne dass es etwas gibt, das sich einem präsentiert (ohne dass es etwas gibt, das ein phänomenaler Gegenstand ist)« und »Jede Instanziierung der Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, bildet gemeinsam mit mindestens einer Instanziierung der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, eine zusammenhängende Struktur«. Beide Behauptungen enthalten lediglich zwei Einschränkungen hinsichtlich der Art der fraglichen Gegenstände. Die erste Einschränkung liegt im Begriff eines phänomenalen Gegenstandes. Phänomenale Gegenstände sind Gegenstände, die sich Subjekten in Zuständen des Erscheinens präsentieren. Die fraglichen Gegenstände müssen also von einer Art sein, die es zulässt, dass sie in der Relation des Sich137 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Präsentierens zu einem Subjekt stehen. In diesem Zusammenhang ist Folgendes wichtig: Die Rede davon, dass es in jedem Zustand des Erscheinens einen phänomenalen Gegenstand geben muss, ist so zu verstehen, dass sie keine Einschränkung mit sich bringt, die stärker ist als die soeben genannte. Da einige Autoren explizit die Ansicht vertreten, dass dem Subjekt einer Halluzination nicht-existierende Gegenstände präsent sind, ist die genannte Rede also in einem Sinn zu verstehen, der damit vereinbar ist, dass die fraglichen Gegenstände nicht existieren. 89 Die zweite Einschränkung ergibt sich aus der Rede von einer Instanziierung der Eigenschaft, ein phänomenaler Gegenstand zu sein. Eine Eigenschaft kann nur an einem konkreten Gegenstand instanziiert sein. Die fraglichen Gegenstände müssen also konkrete Gegenstände sein. Unter Berücksichtigung dieser beider Einschränkungen können wir ein Prinzip formulieren, das zur Stützung unserer beiden Behauptungen hinreichend ist. Es soll das schwache phänomenale Prinzip heißen: 90 Das schwache phänomenale Prinzip: Wann immer jemand sich in einem Zustand des Erscheinens befindet, muss es einen konkreten Gegenstand ›geben‹, der sich demjenigen präsentiert. Durch die Festlegung auf das schwache phänomenale Prinzip verpflichten wir uns jedoch nicht auf die Existenz subjektiver, mentaler Einzeldinge. Denn es gibt zumindest einen Vorschlag zur ontologischen Kategorie der Gegenstände von Halluzinationen, der diesem Prinzip gerecht wird, ohne die Annahme der Existenz subjektiver, mentaler Einzeldinge zu enthalten. Wir finden ihn zum Beispiel bei A. D. Smith:
Unter der Voraussetzung einer Theorie, die nicht-existierende Gegenstände zulässt, ist es durchaus naheliegend, dem Ausdruck »geben« eine entsprechende Bedeutung zuzugestehen. So könnte man auch ein berühmtes Zitat von Alexius Meinong, dem bedeutendsten Vertreter einer solchen Theorie, auslegen: »[…] es gibt Gegenstände, von denen gilt, daß es dergleichen Gegenstände nicht gibt [Hervorhebung; D. F.].« (Meinong (1904b), S. 13). Dabei sollte allerdings nicht verschwiegen werden, dass Meinong diese Ausdrucksweise ausdrücklich als paradox bezeichnet (ebenda, S. 13), was wiederum dagegen sprechen würde, dass er den beiden Vorkommnissen von »gibt« in dem Zitat verschiedene Bedeutungen zugesteht. Das muss uns aber nicht davon abhalten, den Ausdruck in der geschilderten Weise zu verwenden. 90 Die Bezeichnung »phänomenales Prinzip« stammt von Howard Robinson. Die These, die er selbst so bezeichnet, entspricht in etwa der ergänzten Version des starken phänomenalen Prinzips (siehe unten). 89
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Die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Erfahrung
»Hallucinations, equally with veridical perception, presents us not with sensations, or sense-impressions, or sense-data, but with normal objects […]. […] the only difference between a veridically perceived object and a hallucinated object is that the latter does not exist, or is unreal. When Macbeth hallucinated a dagger, he was not aware of visual sensations. What he was aware of was, I shall […] suggest, a dagger located at some point in physical space before him, though one that was not existent, or un-real.« 91
Gemäß diesem Vorschlag sind die Gegenstände von Halluzinationen also physikalische Gegenstände, die jedoch nicht existieren. Wir wollen diesen Vorschlag an dieser Stelle nicht eingehend diskutieren und uns damit begnügen, festzuhalten, dass es zumindest einen ernstzunehmenden Vorschlag gibt, der mit unseren beiden Äußerungen kompatibel zu sein scheint und uns nicht auf die Existenz subjektiver, mentaler Einzeldinge festlegt. Eine Festlegung der letzten Art ergäbe sich nur aus der Festlegung auf ein stärkeres Prinzip als es das schwache phänomenale Prinzip ist. Wir wollen es das starke phänomenale Prinzip nennen: Das starke phänomenale Prinzip: Wann immer jemand sich in einem Zustand des Erscheinens befindet, muss ein konkreter Gegenstand existieren, der sich demjenigen präsentiert. Die Verpflichtung auf die Existenz subjektiver, mentaler Einzeldinge ergibt sich aus diesem Prinzip, da sie, unter der Voraussetzung eben dieses Prinzips, die einzigen Kandidaten für konkrete und existierende Gegenstände wären, die sich dem Subjekt einer Halluzination präsentieren könnten. Dass wir lediglich auf ein schwächeres Prinzip als das starke phänomenale Prinzip festgelegt sind, scheint zunächst eine gute Nachricht zu sein. Denn heute wird das starke phänomenale Prinzip von den meisten Autoren als mehr oder weniger offenkundig falsch angesehen. 92 Im weiteren Verlauf der Arbeit werden wir allerdings feststellen, dass es durchaus gewichtige Gründe gibt, das starke phänomenale Prinzip dem schwachen vorzuziehen. Wir sollten daher an dieser Stelle nicht darauf verzichten, uns auch mit dem starken phänomenalen Prinzip auseinanderzusetzen. Im Folgenden wollen wir vor allem einen genaueren Blick auf einige der Überlegungen werfen, A. D. Smith (2002), S. 234. Vgl. u. a. Dretske (1999), Harman (1990), Kutschera (2003), Millikan (1991), Putnam (1999), Searle (1983) oder Tye (2000).
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auf denen die mehrheitliche Ablehnung dieses Prinzips zu beruhen scheint. Vor dem Hintergrund, dass so etwas wie das starke phänomenale Prinzip bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts hinein von sehr vielen Philosophen als offensichtlich wahr angesehen wurde, 93 ist die große Selbstverständlichkeit, mit der dieses Prinzip heute abgelehnt wird, ein Stück weit verdächtig. 94 Und tatsächlich enthalten die fraglichen Überlegungen eine Reihe von Fehlern und Missverständnissen. Einige der gravierendsten Missverständnisse betreffen die Begründung des starken phänomenalen Prinzips. Gemäß einer Auffassung, die man häufig antrifft, ist die Überzeugung, es gelte so etwas wie das starke phänomenale Prinzip, das Ergebnis eines einfachen Fehlers; des Fehlers die Intensionalität von Erscheinens-Sätzen zu übersehen. 95 Worin die Intensionalität von Erscheinens-Sätzen besteht, haben wir weiter oben bereits erläutert. Wenn es um das starke phänomenale Prinzip geht, ist ein bestimmter Aspekt von Intensionalität entscheidend. Dieser Aspekt liegt, gemäß unserer Bestimmung, vor, wenn Folgendes gilt: Ein Erscheinens-Satz der Standardform: (α-Ersch.) »g erscheint s als F« ist mit der Wahrheit des folgenden Satzes vereinbar: (III) »g existiert nicht« Etwas vereinfacht lautet der Vorwurf: Der einzige Grund, aus dem Vertreter des starken phänomenalen Prinzips dieses Prinzip für wahr halten, ist die Tatsache, dass sie die Vereinbarkeit von (α-Ersch.) mit (III) übersehen. Nur aus diesem Grund, so der Vorwurf, schließen sie aus der Wahrheit von Sätzen der Form (α-Ersch.) fälschlicherweise darauf, dass tatsächlich etwas existiert, das dem darin bezeichneten Subjekt erscheint. Diese Kritik enthält jedoch ihrerseits zwei Fehler. Der erste Fehler liegt in der impliziten Annahme, man müsse den genannten Aspekt der Intensionalität von Erscheinens-Sätzen leugnen, um das starke phänomenale Prinzip vertreten zu können. So, wie wir dieses Prinzip oben formuliert haben, ist es mit dem genannten Aspekt der Intensionalität von Erscheinens-Sätzen problemlos vereinbar. In dieser Formulierung heißt es: … muss ein konkreter Gegenstand exis93 94 95
Vgl. u. a. Broad (1965), Price (1932) oder Russell (1912). Vgl. dazu die ausgewogene und informative Darstellung in Martin (2000). Vgl. z. B. Anscombe (1968), Barnes (1944/45) oder Kutschera (2003).
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tieren, für den gilt, dass er demjenigen erscheint oder sich ihm präsentiert. Das Prinzip wäre also auch erfüllt, wenn aus (α-Ersch.) lediglich folgen würde, dass etwas existiert, das sich s präsentiert. Das, was sich s präsentiert, muss jedoch nicht g sein, das heißt, es muss nicht das sein, was s, gemäß (α-Ersch.), erscheint. Die Wahrheit von (α-Ersch.) ist also auch unter der Voraussetzung des starken phänomenalen Prinzips mit (III) vereinbar. Es besteht dementsprechend kein Konflikt zwischen dem starken phänomenalen Prinzip und der Intensionalität von Erscheinens-Sätzen. 96 Der zweite Fehler ist grundsätzlicher Natur. In der Kritik wird vorausgesetzt, dass Erscheinens-Sätze den genannten Aspekt der Intensionalität aufweisen. Dass dies der Fall ist, ist aber keineswegs selbstverständlich. Und der Fehler besteht hier nicht einfach in dem Vernachlässigen einer Begründungs-Pflicht. Der Fehler besteht vielmehr in der Verkennung der logischen Prioritäten. Das wird erkennbar, sobald man sich einen grundsätzlichen Zusammenhang klargemacht hat. Wenn Berichte über mentale Zustände Intensionalität aufweisen, tun sie das nur deswegen, weil die Zustände, über die sie berichten, bestimmte Merkmale aufweisen. Wenn mentale Zustände diese Merkmale nicht aufweisen, weisen Berichte über sie auch keine Intensionalität auf. Die Intensionalität von Berichten über mentale Zustände ist also logisch abhängig von der Natur der Zustände, von denen die Berichte handeln. 97 Der Punkt, den die Kritiker des starken phänomenalen Prinzips oft übersehen, ist, dass Vertreter dieses Prinzips es durch Überlegungen zur Natur von Zuständen des Erscheinens begründen. Das heißt: Sie übersehen nicht zunächst die Intensionalität von Erscheinens-Sätzen und halten deswegen das starke phänomenale Prinzip für wahr. Sie halten vielmehr zunächst das starke phänomenale Prinzip für wahr und schließen daraus gegebenenfalls, dass Erscheinens-Sätze nicht intensional sind. 98 Und, unabhängig davon, ob das starke phänomenale Prinzip tatsächlich wahr ist oder nicht, ist das die richtige logische Reihenfolge. 99 Jede Kritik, die
Diese Art von Fehler finden wir z. B. bei Winston Barnes (vgl. Barnes (1944/45), S. 103 f.). 97 Vgl. dazu Crane (2001a), S. 21 sowie Searle (1983) S. 23. 98 Wie wir oben festgestellt haben, gibt es allerdings keinen zwingenden Grund diesen Schluss zu ziehen. 99 Auf diesen Punkt hat u. a. Howard Robinson wiederholt hingewiesen (vgl. Robinson (1974) sowie (1994), Kap. 2). 96
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von der (vermeintlichen) Intensionalität von Erscheinens-Sätzen ausgeht, muss daher ins Leere gehen. 100 Weitere Fehler sind in direkten Kritiken am starken phänomenalen Prinzip enthalten. Überraschend oft wird darin zum Beispiel der folgende Punkt übersehen: Im Antezedens des starken phänomenalen Prinzips ist davon die Rede, dass sich jemand in einem Zustand des Erscheinens befindet. Ob das Prinzip wahr ist, hängt also davon ab, ob es für Zustände des Erscheinens notwendig ist, dass irgendeine Art von konkreter Gegenstand existiert, der dem Subjekt des Zustandes erscheint oder sich ihm präsentiert. Hinweise darauf, dass etwas Analoges für andere mentale Zustände nicht gilt, sprechen daher nicht gegen das starke phänomenale Prinzip. Die Wahrheit des starken phänomenalen Prinzips ist aber damit vereinbar, dass es nicht der Fall ist, dass, wann immer jemand an etwas denkt (sich etwas wünscht, an etwas glaubt …), irgendeine Art von konkreter Gegen-
100 Ein sehr schönes Beispiel für eine in dieser Weise ins Leere gehende Kritik finden wir bei Franz v. Kutschera. Kutscheras Kritik richtet sich gegen das sog. Illusionsargument zugunsten der Sinnesdatentheorie. Er bietet zunächst eine Rekonstruktion an, die mit folgenden Prämissen beginnt (vgl. Kutschera (2003), S. 47): (a) Es erscheint mir, als ob da ein Objekt der Art A mit der Eigenschaft F ist. (b) Also gibt es ein Objekt der Art A, von dem es mir erscheint, als ob es die Eigenschaft F hat. Der Schluss von (a) auf (b), der im Illusionsargument vollzogen wird, beruht u. a. auf dem starken phänomenalen Prinzip (oder einem sehr ähnlichen Prinzip). Kutschera kritisiert das Argument dann mit den folgenden Worten: »In dieser Rekonstruktion wird der grundlegende Fehler ganz deutlich. Er liegt bereits im Übergang von (a) zu (b). Der Ausdruck ›erscheinen, als ob …‹ regiert einen intensionalen Kontext, für den die Exportation von Namen, Existenz- und Allbehauptungen nicht generell erlaubt ist. Man kann z. B. aus ›Es erscheint mir, als ob auf dem Tisch zwei Weinflaschen stehen und die rechte von ihnen leer ist‹ nicht auf ›Von der rechten der beiden Weinflaschen erscheint es mir, als ob sie leer ist‹ schließen, weil aus dem letzten Satz, nicht aber aus dem ersteren, folgt, daß es tatsächlich zwei Weinflaschen gibt. Erst dieser Fehler führt dann von Aussagen über physische Dinge zu Aussagen über physisch nicht reale Dinge, die als mentale Objekte zu deuten natürlich nahe liegt.« (Kutschera (2003), S. 47) Inwiefern Kutschera hier falsch liegt, sollte deutlich geworden sein. Er setzt es als selbstverständlich voraus, dass Erscheinens-Sätze intensional sind. Und vor dem Hintergrund dieser Überzeugung scheint er sich die Behauptung des Sinnesdatentheoretikers, in einem solchen Fall gäbe es so etwas wie zwei weinflaschenartige Sinnesdaten, nur dadurch erklären zu können, dass diese Selbstverständlichkeit übersehen wurde. Die Behauptung des Sinnesdatentheoretikers hat jedoch ganz andere Gründe. Und diese Gründe, sollten sie gut sein, würden ihrerseits die von Kutschera vorausgesetzte These der Intensionalität von Erscheinens-Sätzen untergraben – nicht umgekehrt.
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stand existieren muss, für den gilt, dass derjenige an ihn denkt (sich ihn wünscht, an ihn glaubt usw.). 101 Ein weiterer Fehler findet sich in einer häufig geäußerten Kritik, die allerdings nur die folgende ergänzte Form des starken phänomenalen Prinzips betrifft: Das ergänzte starke phänomenale Prinzip: Wann immer jemand sich in einem Zustand des Erscheinens von etwas als F befindet, muss ein konkreter Gegenstand existieren, der sich demjenigen präsentiert und F ist. 102 Eine Kritik, die den fraglichen Fehler enthält, bringt zum Beispiel George Pitcher gegen die Sinnesdatentheorie vor: »Snakes are sometimes said to feel slimy, although usually they are not actually so; must we conclude that something else really is slimy? And what would that be – the person’s sense-datum? But what can be made of the notion of a slimy sense-datum? My dictionary tells me that to be slimy is to be ›of the consistency of slime; covered or smeared with or full of slime; 101 Ein besonders eklatantes Beispiel des geschilderten Fehlers findet sich bei Gilbert Harman. Harman attackiert Argumente, die auf dem starken phänomenalen Prinzip (oder einem ähnlichen Prinzip beruhen) durch ein Analogie-Argument. Er schreibt: »In order to see that such arguments are fallacious, consider the corresponding argument applied to searchers: ›Ponce de Leon was searching for the Fountain of Youth. But there is no such thing. So he must have been searching for something mental.‹ This is just a mistake. From the fact that there is no Fountain of Youth, it does not follow that Ponce de Leon was searching for something mental.« (Harman (1990), S. 35 f.) Es ist in der Tat offensichtlich, dass der Schluss, den Harman hier schildert, ein Fehlschluss ist. Kaum weniger offensichtlich ist jedoch, dass dieses Ergebnis nicht gegen das starke phänomenale Prinzip spricht. Denn in dem starken phänomenalen Prinzip geht es um das Erscheinen von etwas und nicht um das Suchen von etwas. Und es liegt auf der Hand, dass es Gründe für die Annahme geben könnte, dass immer ein konkreter Gegenstand existieren muss, der erscheint, die nicht dafür sprechen, dass immer ein konkreter Gegenstand existieren muss, der gesucht wird. 102 Wie ich oben bereits angekündigt habe, entspricht diese Version in etwa Howard Robinsons klassischer Formulierung des phänomenalen Prinzips: »If there sensibly appears to a subject to be something which possesses a particular sensible quality then there is something of which the subject is aware which does possess that sensible quality.« (Robinson (1994), S. 32). In dieser Version wird das Prinzip in der Literatur für gewöhnlich diskutiert. Ich konzentriere mich in diesem Kapitel überwiegend auf die vereinfachte Version des Prinzips, da wir den in dem ergänzten Prinzip enthaltenen Begriff eines Erscheinens als etwas noch nicht behandelt haben (siehe dazu Kap. 6.4). Der Fehler, um den es an dieser Stelle geht, lässt sich jedoch auch unabhängig von einer ausführlichen Behandlung dieses Begriffes nachvollziehen.
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slippery, hard to hold.‹ Certainly, the sense-datum theorist has a degree of freedom in specifying the nature of sense-data […]. But I cannot think he would want, not be able, to conceive of them in such a way that any of them could possibly be said to be ›covered or smeared with or full of slime.‹« 103
Pitcher ist zweifellos Recht zu geben, dass die Annahme eines schleimigen Sinnesdatums nicht akzeptabel ist. Pitcher irrt jedoch in der Annahme, ein Sinnesdatentheoretiker sei auf eine solche Annahme festgelegt. Pitchers Irrtum beruht auf seinem Glauben, ein Prinzip wie das ergänzte starke phänomenale Prinzip zwinge den Sinnesdatentheoretiker angesichts des von ihm geschilderten Falles zu der Annahme eines schleimigen Sinnesdatums. Da die Schlange ihm schleimig erscheint (sich schleimig anfühlt), so Pitchers Überlegung, muss aus diesem Prinzip folgen, dass ein konkreter Gegenstand existieren muss, der sich ihm präsentiert und schleimig ist. Und da die Schlange in Wahrheit nicht schleimig ist, müsse es sich um ein schleimiges Sinnesdatum handeln. Diese Überlegung beruht jedoch auf einer fehlerhaften Interpretation des Prinzips. Die Konsequenz des Prinzips folgt nur dann aus seinem Antezedens, wenn F eine bestimmte Art von Eigenschaft ist. Die entsprechenden Eigenschaften werden wir in Abschnitt 6.5 als sensorische Eigenschaften kennenlernen. Das Standardbeispiel für sensorische Eigenschaften sind Farben. Daraus, dass jemandem etwas als rot erscheint, folgt, unter der Voraussetzung des ergänzten starken phänomenalen Prinzips, tatsächlich, dass sich demjenigen ein rotes Sinnesdatum präsentiert. Schleimig zu sein ist jedoch keine sensorische Eigenschaft. 104 Und dementsprechend ist der Vertreter des Prinzips auch nicht auf die Annahme schleimiger Sinnesdaten verpflichtet. 105 Diese Liste an Fehlern und Missverständnissen sollte ausreichen, um deutlich zu machen, dass zumindest die heute vorherrschende Auffassung, das starke phänomenale Prinzip sei offenkundig falsch, Pitcher (1971), S. 32 f. Eine schwierige Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, wie genau sich sensorische Eigenschaften von anderen Eigenschaften unterscheiden lassen. Ich werde unten den Versuch unternehmen, diese Frage befriedigend zu beantworten (siehe Abschnitt 6.4.1). 105 Robinson etwa wird diesem Punkt gerecht, indem er in der Formulierung seines phänomenalen Prinzips explizit auf sensorische Eigenschaften Bezug nimmt. Zur Erinnerung: »If there sensibly appears to a subject to be something which possesses a particular sensible quality then there is something of which the subject is aware which does possess that sensible quality.« (Robinson (1994), S. 32). 103 104
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Die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Erfahrung
voreilig ist. Daraus, dass viele Argumente gegen das starke phänomenale Prinzip Fehler und Missverständnisse enthalten, können wir natürlich nicht auf die Wahrheit dieses Prinzips schließen. Im Folgenden wollen wir uns daher mit Gründen befassen, die für dieses Prinzip sprechen. Genauer: wir wollen uns mit Gründen befassen, die für eines der beiden phänomenalen Prinzipien, das starke oder das schwache, sprechen. Am Ende werden wir noch kurz darauf eingehen, warum das starke phänomenale Prinzip möglicherweise vorzuziehen ist. (Der Einfachheit halber werde ich bis dahin meist von dem phänomenalen Prinzip sprechen, wenn eines der beiden phänomenalen Prinzipien gemeint ist.) In der Regel verweisen Vertreter des phänomenalen Prinzips einfach auf eine starke Intuition zugunsten dieses Prinzips. Diesem Vorgehen wollen wir uns zunächst anschließen. H. H. Price hat der genannten Intuition in der folgenden, inzwischen klassischen Passage Ausdruck verliehen: 106 »When I see a tomato there is much that I can doubt. I can doubt whether there is a tomato that I am seeing, and not a cleverly painted piece of wax. I can doubt whether there is any material thing there at all. Perhaps what I took for a tomato was really reflection; perhaps I am ever the victim of some hallucination. One thing however I cannot doubt: that there exists a red patch of a round and somewhat bulgy shape, standing out from a background of other colour-patches, and having a certain visual depth, and that this whole field of colour is directly present to my consciousness. What the red patch is, whether it is physical or psychological or neither, are questions that we may doubt about. But that something is red and round then and there I cannot doubt.« 107
Zunächst einmal ist es wichtig, diese Intuition richtig zu deuten: Price spricht unter anderem davon, dass er nicht daran zweifeln könne, dass da eine rote Fläche existiere. So wie Price sie beschreibt, stützt die Intuition also einzig und allein das starke phänomenale Prinzip. Das ist etwas unglücklich. Die Annahme, die Gegenstände, die sich einem präsentieren, seien konkrete, existierende Gegenstände, mag zwar ein Aspekt der fraglichen Intuition sein. Der Kern dieser Intuition ist jedoch (zumindest ein Stück weit) neutral hinsichtlich der Natur dieser Gegenstände. Der Kern der Intuition ist, dass es irgendwelche 106 Zu ähnlichen Passagen vgl. z. B. Robinson (1974), S. 306 oder A. D. Smith (2002), S. 195. 107 Price (1932), S. 3.
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Gegenstände geben muss, die sich dem Subjekt eines Zustandes des Erscheinens präsentieren, mit anderen Worten: dass es irgendetwas geben muss, das die Gegenstands-Rolle in einem Zustand des Erscheinens spielt. Dass es sich dabei um nicht-existierende Gegenstände handeln könnte, ist erst einmal nicht ausgeschlossen. 108 Auf ihren Kern reduziert, spricht die Intuition also zunächst einmal nur dafür, dass eines der beiden phänomenalen Prinzipien wahr ist – nicht dafür, dass es das starke sein muss. Versuchen wir diese Intuition noch etwas besser zu verstehen: Das phänomenale Prinzip ist wahr, wenn die Konsequenz aus dem Antezedens mit Notwendigkeit folgt. Das Antezedens lautet: Wann immer jemand sich in einem Zustand des Erscheinens befindet,… Das bedeutet: Der Grund für die Wahrheit dieser Prinzipien muss in der Natur von Zuständen des Erscheinens liegen. An dieser Stelle können wir natürlich nicht auf unsere Antwort aus dem letzten Abschnitt verweisen, dass Zustände des Erscheinens wesentlich eine SubjektGegenstands-Struktur aufweisen. Das hieße vorauszusetzen, was erst gezeigt werden soll. Für einen anderen Aspekt gilt das jedoch nicht. Es wird auch, unabhängig von der Frage nach der Wahrheit des phänomenalen Prinzips, anerkannt, dass es zur Natur von Zuständen des Erscheinens gehört, dass sie phänomenale Qualitäten aufweisen, das heißt, dass es für ein Subjekt irgendwie ist, sich in diesen Zuständen zu befinden. Dieser Aspekt, so scheint mir, erlaubt es uns, die Intuition zugunsten des phänomenalen Prinzips noch etwas besser zu verstehen. Die Intuition ist, dass die Falschheit des phänomenalen Prinzips nicht damit vereinbar ist, dass es für das Subjekt eines Zustandes des Erscheinens irgendwie ist, sich in diesem Zustand zu befinden. Mit anderen Worten: Das phänomenale Prinzip ist wahr, weil die Tatsache, dass es für das Subjekt eines Zustandes des Erscheinens irgendwie ist, sich in diesem Zustand zu befinden, nicht damit vereinbar ist, dass es nicht irgendeine Art von Gegenstand ›gibt‹, der sich ihm präsentiert. Warum aber sind wir uns so sicher, dass diese Vereinbarkeit nicht besteht? Die Antwort haben wir schon einige Male angedeutet und werden sie später noch deutlicher herausarbeiten: Dass es irgendeine Art von Gegenstand ›gibt‹, der sich einem in seinem Zustand präsentiert (d. i. dass der Zustand eine Subjekt-Gegenstands-Struktur
108
Vgl. dazu Pautz (2007), S. 504 f.
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aufweist), ist eine Bedingung dafür, dass es für einen irgendwie ist, sich in diesem Zustand zu befinden. Mehr noch: Dass es für ein Subjekt irgendwie ist, sich in einem Zustand des Erscheinens zu befinden, bedeutet nichts anderes, als dass sich dem Subjekt ein Gegenstand präsentiert (d. i. dass dieser Zustand eine Subjekt-GegenstandsStruktur aufweist). Wir können uns einfach nicht vorstellen, dass es für uns irgendwie sein könnte, uns in einem Zustand des Erscheinens zu befinden, ohne dass sich uns ein Gegenstand präsentiert. 109 Darüber hinaus lassen sich zusätzliche Überlegungen anführen, die die genannte Intuition stützen. 110 Wir wollen drei Überlegungen dieser Art kurz betrachten:
109 Sollte das richtig sein, gäbe uns das zugleich ein gutes Argument gegen eine zunehmend einflussreiche Spielart des sog. Disjunktivismus an die Hand. Vertreter dieser Spielart des Disjunktivismus sind der Ansicht, dass allein wirklichkeitsgetreue Wahrnehmungen (und Illusionen), nicht aber Halluzinationen eine, wie wir es ausdrücken würden, Subjekt-Gegenstands-Struktur aufweisen und dass es ungerechtfertigt ist, von der Subjekt-Gegenstands-Struktur der ersteren auf eine entsprechende Struktur bei letzteren zu schließen. Die Intuition, dass wirklichkeitsgetreue Wahrnehmungen und Halluzinationen Zustände derselben Art sind, versuchen sie mit einer Konzeption wegzuerklären, die Susanna Siegel die epistemische Konzeption von Halluzinationen nennt (vgl. Siegel (2008)). Gemäß der epistemischen Konzeption von Halluzinationen beruht die genannte Intuition lediglich auf der Tatsache, dass bestimmte wirklichkeitsgetreue Wahrnehmungen und bestimmte Halluzinationen voneinander ununterscheidbar sind. Es ist jedoch ein Fehler, so die Überlegung, von dieser Ununterscheidbarkeit auf eine zugrunde liegende Gleichartigkeit zu schließen. In Wahrheit wiesen Halluzinationen und wirklichkeitsgetreue Wahrnehmungen keine gemeinsamen mentalen Merkmale auf und dementsprechend seien auch ihre phänomenalen Qualitäten verschieden (vgl. z. B. Fish (2008) sowie Martin (2004) und (2006)). Eine häufig vorgebrachte Kritik an dieser Auffassung ist, dass die Annahme, man könne sich über die phänomenalen Qualitäten seiner mentalen Zustände in dieser Weise irren, unplausibel sei (vgl. z. B. Farkas (2008), Kap. 6). Sollte es aber richtig sein, dass die Tatsache, dass es für ein Subjekt irgendwie ist, sich in einem Zustand des Erscheinens zu befinden, gleichbedeutend ist mit der Tatsache, dass sich dem Subjekt ein Gegenstand präsentiert (d. i. dass dieser Zustand eine Subjekt-GegenstandsStruktur aufweist), wäre der Vertreter dieser Spielart des Disjunktivismus auf eine noch viel unplausiblere Annahme festgelegt. Wenn Halluzinationen keine SubjektGegenstands-Struktur aufwiesen, hätten sie danach auch keine phänomenale Qualität. Da sie aber von Zuständen mit phänomenaler Qualität ununterscheidbar sein sollen, müsste der Disjunktivist dann einräumen, dass ein Subjekt sich darin irren kann, ob ein mentaler Zustand, in dem es sich befindet, überhaupt eine phänomenale Qualität aufweist. Das scheint mir eine inakzeptable Konsequenz zu sein. 110 Derartige Überlegungen sind vor allem für Autoren interessant, die zwar bekennen, die genannte Intuition selber zu haben, aber bestreiten, dass sie der Wahrheit entspricht (vgl. z. B. Pautz (2007)).
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Erstens: Angenommen, ich würde einer Halluzination unterliegen, die von meiner derzeitigen wirklichkeitsgetreuen Wahrnehmung ununterscheidbar wäre. Dann wäre ich, genauso wie ich es jetzt bin, in der Lage, meine Aufmerksamkeit auf verschiedene Inhalte meines Wahrnehmungsfeldes zu richten. (Schließlich hätte auch Macbeth, wenn Shakespeares Geschichte wahr wäre, seine Aufmerksamkeit sicherlich auf den von ihm halluzinierten Dolch gelenkt.) Das Lenken der Aufmerksamkeit auf etwas setzt jedoch voraus, dass das, worauf man die Aufmerksamkeit lenkt, sich einem präsentiert. Der entsprechende Inhalt meines Wahrnehmungsfeldes müsste also etwas sein, was sich mir präsentiert. Wer diese Schlussfolgerung nicht akzeptieren möchte, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er bestreitet, dass das Subjekt einer Halluzination in der Lage ist, seine Aufmerksamkeit auf etwas zu richten, oder er bestreitet, dass es dafür nötig ist, dass sich ihm etwas präsentiert. Die zweite Möglichkeit ist kaum akzeptabel. Aber auch die erste erscheint mir wenig attraktiv. 111 Zweitens: Wir hatten in Kapitel 3 die Kategorie der Wiedererkennungsbegriffe eingeführt. Wiedererkennungsbegriffe sind Begriffe, unter die Dinge fallen, weil sie auf eine bestimmte Art aussehen. Für gewöhnliche menschliche Subjekte, wie wir es sind, gibt es nur einen Weg, auf dem wir solche Begriffe einführen können: anhand von Situationen, in denen etwas für uns auf die entsprechende Art aussieht (d. i. erscheint). 112 Und das bedeutet: Wir können sie nur anhand von Situationen einführen, in denen sich uns etwas präsentiert, denn auf keine andere Weise kann etwas irgendwie für uns aussehen. In Kapitel 3 hatten wir von Loar das Beispiel eines Wiedererkennungsbegriffes von Sukkulenten übernommen. Nehmen wir nun an, ich unterliege einer Sukkulenten-Halluzination. Es scheint, dass ich in einer solchen Situation ebenso gut in der Lage wäre, mir den fraglichen Wiedererkennungsbegriff von Sukkulenten anzueignen wie in einer wirklichkeitsgetreuen Wahrnehmung. 113 Sollte das gerade Gesagte richtig sein, hieße das aber, dass sich mir in dieser Vgl. aber Pautz (2007), S. 533, Fn. 4. Die Rede davon, dass es nur einen Weg gibt, soll hier nicht logische oder begriffliche Unmöglichkeit ausdrücken. Es scheint nicht logisch oder begrifflich ausgeschlossen zu sein, dass jemandem ein Wiedererkennungsbegriff angeboren ist, oder dass jemand durch göttliche Eingebung in den Besitz eines solchen Begriffes gelangt. Diese logischen Möglichkeiten können im Folgenden jedoch unberücksichtigt bleiben. 113 Ob es sich dabei um einen reinen Wiedererkennungsbegriff oder um einen Wiedererkennungsbegriff einer natürlichen Art handelt, ist an dieser Stelle unerheblich. 111 112
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Situation etwas präsentieren müsste. Denn anders scheint nicht erklärt werden zu können, woher mir in einem solchen Fall die Art bekannt wäre, wie Sukkulenten aussehen. 114 Erneut gibt es zwei Möglichkeiten, die Konsequenz zu vermeiden. Man könnte bestreiten, dass sich mir etwas präsentieren müsste, damit ich den fraglichen Begriff einführen könnte, oder man könnte bestreiten, dass ich in der geschilderten Situation in der Lage wäre, den fraglichen Begriff einzuführen. Wiederum erscheinen beide Optionen wenig attraktiv. Drittens: Angenommen das Folgende ist der Fall: Der Wahrnehmungsapparat eines kompetenten Sprechers des Deutschen wird so manipuliert, dass der Sprecher drei Tage lang einer vollständigen Halluzination unterliegt. Diese Halluzination ist für ihn nicht von den Wahrnehmungen dreier normal verlaufender Tage zu unterscheiden. Allerdings teilen ihm die Wissenschaftler, die die Manipulation durchführen, zuvor mit, dass er die folgenden drei Tage halluzinieren wird, und er glaubt ihnen. Wir können uns vorstellen, dass der Sprecher im Verlauf der drei Tage wiederholt Gedanken hat, die sich durch Sätze wie »Das ist keine wirkliche Pistole« oder »Schade, dass das nicht wirklich meine Freundin ist« ausdrücken lassen. Es scheint, dass wir annehmen müssen, dass der Sprecher mit den Demonstrativpronomen trotz seiner Halluzination jeweils erfolgreich auf etwas referiert. Denn als kompetentem Sprecher müssen wir ihm das Wissen zugestehen, unter welchen Bedingungen demonstrative Bezugnahmen erfolgreich sein können – und unter welchen nicht. Das heißt, wir müssen ihm zugestehen, dass er weiß, ob demonstrative Bezugnahmen im Fall einer Halluzination möglich sind oder nicht. Und wollen wir ihm nicht unterstellen, er versuche Bezugnahmen durchzuführen, von denen er wisse, dass sie nicht erfolgreich sein können, müssen wir annehmen, dass demonstrative Bezugnahmen auch im Fall von Halluzination möglich sind. Das wiederum scheint aber die Annahme unausweichlich zu machen, dass sich dem Sprecher in der Halluzination etwas präsentiert. Denn gerade in einer Halluzination scheint dies die einzige Möglichkeit zu sein, wie etwas der Gegenstand einer demonstrativen Bezugnahme sein kann. 115 Auch diese Überlegung lässt sich an verschiedenen Punkten angreifen: Man kann 114 Ob das, was sich mir präsentiert, auch selbst unter den Wiedererkennungsbegriff fallen würde, ist dabei nicht entscheidend. 115 Zu ähnlichen Überlegungen vgl. Castañeda (1989c), S. 122 ff. sowie Johnston (2004), S. 127 f.
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bestreiten, dass ein kompetenter Sprecher wissen muss, unter welchen Bedingungen demonstrative Bezugnahmen erfolgreich sein können – und unter welchen nicht. Man kann bestreiten, dass keine demonstrativen Bezugnahmen auf der Grundlage einer Halluzination möglich sind, ohne dass sich dem Subjekt der Halluzination etwas präsentiert. Und man kann schließlich bestreiten, dass jemand unter den Bedingungen einer vollständigen Halluzination überhaupt etwas durchführen kann, was sich als Versuch einer demonstrativen Bezugnahme beschreiben lässt. Aber auch für diese Optionen spricht zunächst einmal nur wenig. Keine dieser drei Überlegungen enthält, so wie sie dastehen, ein völlig zwingendes Argument für die Wahrheit eines der beiden phänomenalen Prinzipien. Wir haben jeweils Möglichkeiten angedeutet, wie jemand sie angreifen könnte – und möglicherweise gibt es noch weitere. Angesichts der geringen Attraktivität dieser Möglichkeiten können wir den drei Überlegungen dennoch ein gewisses Gewicht beimessen. Zusammen mit der oben geschilderten Intuition verfügen wir damit über durchaus gute, wenn auch vielleicht nicht vollkommen zwingende, Gründe, an mindestens einem der beiden phänomenalen Prinzipien festzuhalten. Abschließend wollen wir noch kurz auf die Frage eingehen, warum das starke phänomenale Prinzip dem schwachen phänomenalen Prinzip eventuell vorzuziehen sein könnte. Die Antwort ist einfach: Es ist fraglich, ob Gegenstände, die nicht existieren, die GegenstandsRolle in einem Zustand des Erscheinens spielen können. Diese Rolle zu spielen bedeutet, in der Relation des Sich-Präsentierens zu dem jeweiligen Subjekt zu stehen. Und es ist fraglich, ob nicht-existierende Gegenstände hierfür in Frage kommen. Schließlich ist die Relation des Sich-Präsentierens diejenige Relation, in der wir, gemäß eines naiven oder direkten Realismus, zu Tischen, Stühlen und ähnlichen Gegenständen stehen. Es liegt also der Verdacht nahe, dass gerade das, was nicht-existierende Gegenstände ontologisch einigermaßen harmlos macht, 116 das ist, was verhindert, dass sie die Rolle spielen können, 116 Wie harmlos die Verpflichtung auf nicht-existierende Gegenstände in ontologischer Hinsicht ist, ist eine schwierige Frage. Auf den ersten Blick scheint sie sogar äußerst problematisch zu sein. Und genau so ist sie von vielen Autoren gesehen worden (vgl. u. a. Donnellan (1974) oder Russell (1919)). A. D. Smith beispielsweise erhebt gegen diese Auffassung jedoch den folgenden Einwand: »When one thinks about it, however, the suggestion that a position that recognizes non-existent objects infringes a rule not to multiply entities beyond necessity is bizarrely off target. No
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Die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Erfahrung
die ihnen im schwachen phänomenalen Prinzip zugeschrieben wird. Im Verlauf der Arbeit wird sich dieser Verdacht erhärten.
one is suggesting that there are entities – that is, existents – that do not exist.« (A. D. Smith (2002), S. 240) Smiths Einwand ist zunächst einmal gerechtfertigt. Die Verpflichtung, die man mit der Verpflichtung auf nicht-existierende Gegenstände eingeht, scheint eben gerade keine ontologische Verpflichtung zu sein. Allerdings ist unklar, warum die Verpflichtung auf Gegenstände, die sich außerhalb des Bereichs der Ontologie befinden, weniger problematisch sein sollte, als die Verpflichtung auf Gegenstände, die den Bereich der Ontologie erweitern.
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Exkurs 2: Subjekte, Erfahrungen und Subjekte von Erfahrungen
Wir haben etwas dazu gesagt, was Erfahrungen sind und was Subjekte von Erfahrungen sind. Eine Frage, auf die wir noch nicht eingegangen sind, ist: Wie verhält sich die Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, zu der Eigenschaft, überhaupt ein Subjekt zu sein? Ist das Subjekt einer Erfahrung zu sein eine notwendige oder eine kontingente Eigenschaft von Subjekten? Darauf wollen wir in diesem Exkurs eingehen. Für gewöhnlich wird zumindest implizit Letzteres angenommen. Es wird angenommen, dass es Subjekte unabhängig davon gibt, dass sie sich in Zuständen des Erscheinens befinden. Es gibt jedoch auch Autoren, die explizit eine andere Auffassung vertreten. So zum Beispiel Galen Strawson und Lambert Wiesing: »Most philosophers use the term ›subject of experience‹ […] in such a way that a subject of experience can be said to exist in the absence of any experience […] they can no longer hear the extreme naturalness of the other use, according to which there is no subject of experience if there is no experience […].« 117 »Ich bin nicht erst und nehme dann noch wahr, sondern mein Sein ist das Sein als Subjekt meiner Wahrnehmung.« 118
Mir scheint, dass die Ansicht von Strawson und Wiesing in dieser Sache grundsätzlich korrekt ist. Bei Wiesing ist lediglich der Begriff der Wahrnehmung zu eng. Er muss durch den Begriff des Zustandes des Erscheinens ersetzt werden. Die entsprechende Auffassung lautet dann: Es kann kein Subjekt geben, das sich nicht bereits in einem Zustand des Erscheinens befindet. Erst die Eigenschaft, das Subjekt eines Zustandes des Erscheinens zu sein, macht ein Subjekt überhaupt erst zu einem Subjekt. 117 118
G. Strawson (1999), S. 514. Wiesing (2009), S. 120.
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Exkurs 2: Subjekte, Erfahrungen und Subjekte von Erfahrungen
Um diese Auffassung plausibel zu machen, ist es hilfreich, sich zunächst eine etwas andere These anzuschauen. Ersetzt man »Zustand des Erscheinens« durch »phänomenalen Zustand«, erhält man: Es kann kein Subjekt geben, das sich nicht bereits in einem phänomenalen Zustand befindet. Erst die Eigenschaft, das Subjekt eines phänomenalen Zustandes zu sein, macht ein Subjekt überhaupt erst zu einem Subjekt. Diese These dürfte auf weitgehende Zustimmung stoßen. Wir verstehen nicht, wie etwas ein Subjekt sein kann (d. i. wie etwas jemand sein kann), ohne sich in irgendeiner Art von phänomenalem Zustand zu befinden. Dass es jemanden gibt, scheint letztlich genau das zu bedeuten: dass da jemand ist, für den etwas irgendwie ist. 119 Greifen wir als nächstes ein wenig vor: Ich werde weiter unten dafür argumentieren, dass phänomenale Zustände und Zustände des Erscheinens zusammenfallen. Das heißt, ich werde dafür argumentieren, dass das, was einen Zustand zu einem Zustand des Erscheinens macht, exakt dasselbe ist wie das, was ihn zu einem phänomenalen 119 Diese These spiegelt sich sehr deutlich in den Arbeiten Martine Nida-Rümelins zur diachronen und trans-weltlichen Identität von Subjekten wieder (vgl. u. a. NidaRümelin (2006a), (2008), (2010) und (2012)). Nida-Rümelin argumentiert dafür, dass die diachrone und trans-weltliche Identität von Subjekten auf grundsätzlich andere Weise konstituiert wird, als die anderer Gegenstände (Systeme, Organismen …). Und diesen Unterschied macht sie vollständig daran fest, dass Subjekte phänomenales Bewusstsein aufweisen. Die Hauptthese ihres Buches Der Blick von Innen erläutert sie beispielsweise wie folgt: »Eine realistische Auffassung transtemporaler Identität ist bei bewusstseinsfähigen Wesen, und nur bei diesen, angemessen. Bei ihnen ist die Frage, ob das frühere Wesen A mit dem späteren Wesen B identisch ist, mit der Frage verknüpft, was A in seiner Zukunft erleben wird und was B in seiner Vergangenheit erlebt hat. Dieser Zusammenhang ist es, der zum einen eine realistische Auffassung transtemporaler Identität bewusstseinsfähiger Wesen erzwingt (die Frage transtemporaler Identität ist im Falle bewusstseinsfähiger Wesen eine Faktenfrage, sie kann nie ohne das Risiko eines Irrtums nach Belieben entschieden werden) und der zum anderen eine reduktionistische Analyse transtemporaler Identität bei bewusstseinsfähigen Wesen ausschließt (d. h. das, was mit Behauptungen transtemporaler Identität bezüglich bewusstseinsfähiger Wesen gemeint ist, kann nicht über transtemporale empirische Beziehungen erläutert werden).« (Nida-Rümelin (2006a), S. 31) Wir werden uns mit Fragen, die die diachrone Identität von Subjekten betreffen, nicht befassen können. Die Bedeutung die, wenn Nida-Rümelin Recht hat, der Bewusstseinsfähigkeit eines Wesens in dieser Frage zukommt, können wir jedoch als Indiz für die Richtigkeit unserer Auffassung nehmen, dass es eben die Eigenschaft, das Subjekt eines phänomenalen Zustandes zu sein, ist, die ein Subjekt erst zu einem Subjekt macht.
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Exkurs 2: Subjekte, Erfahrungen und Subjekte von Erfahrungen
Zustand macht. Sollte das richtig sein, würde mit beiden Thesen dasselbe gesagt. Und dementsprechend sollte, wer von der zweiten These überzeugt ist, auch die erste für wahr halten. Zusammen mit dem im letzten Abschnitt Gesagten ergibt sich aus dieser These ein möglicherweise überraschendes Ergebnis: Subjekte spielen nicht nur kontingenterweise manchmal die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur – sie tun dies notwendigerweise. Das bedeutet: Die Eigenschaft, ein Subjekt zu sein, ist selbst eine relationale oder, wie ich manchmal auch sagen werde, eine strukturelle Eigenschaft. Dieses Ergebnis zwingt uns dazu, eine verbreitete Vorstellung über die Natur und die Entstehung der Wahrnehmung aufzugeben. Lambert Wiesing bezeichnet diese Vorstellung als »Paradigma des Zugangs«. Nachdem er zwei »Mythen« (den Mythos des Gegebenen und den Mythos des Mittelbaren) unterschieden hat, um die wir uns hier nicht weiter kümmern müssen, schreibt er: »Dieser gemeinsame Hintergrund zeigt sich in der gemeinsamen Metaphorik. Gemeint ist die Annahme einer Kluft zwischen Mensch und Welt. In beiden Mythen steht die Welt als das Andere dem Menschen gegenüber. Die Gegenüberstellung hier ich – dort Wirklichkeit impliziert zwar nicht, aber sie suggeriert doch eine bemerkenswerte Nichtwirklichkeit oder Weltjenseitigkeit des Ich. Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass der Mythos des Mittelbaren und der Mythos des Gegebenen letztlich den Menschen in derselben Situation sehen: Der Mensch bedarf eines Zugangs zur Welt – der Streit betrifft letztlich nur die Frage, wie dieser Zugang beschaffen ist […].« 120
Wiesing wendet sich hier gegen die folgende Vorstellung: Es gibt eine mögliche oder tatsächliche Situation, in der ›fertige‹ Subjekte der Welt genüberstehen, ohne dass diese ihnen erschiene. Sie existieren in oder neben der Welt, haben aber keinen direkten Zugang zu ihr. Dieser Zugang zur Welt ist das Erscheinen der Welt. Diesen Zugang müssen sich die Subjekte aber erst verschaffen (oder er muss sich erst öffnen). Wenn, wovon wir ausgehen wollen, unsere These, dass es für Subjekte wesentlich ist, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen, korrekt ist, muss diese Vorstellung aufgegeben werden. Was immer der ›Zugang‹ sein mag, den ein Subjekt in einem Zustand des Erscheinens zur Welt hat – er existiert dadurch, dass es die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur spielt. Und genau das ist es, was es erst zu einem Subjekt macht. Ein 120
Wiesing (2009), S. 62.
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Exkurs 2: Subjekte, Erfahrungen und Subjekte von Erfahrungen
Subjekt ohne diesen ›Zugang‹ kann es demensprechend nicht geben. Dieses Ergebnis stellt vor allem für solche Theorien ein Problem dar, die in der Wahrnehmung das Ergebnis einer aktiven Interpretationsoder Konstruktions-Leistung sehen. Denn derartige Leistungen setzen klarerweise die Existenz eines fertigen Subjektes voraus. Die These wirft aber natürlich auch einige Fragen auf. Eine davon ist: Wie ist das Verhältnis zwischen Zuständen des Erscheinens und anderen mentalen Zuständen wie Überzeugungen, Wünschen, Gefühlen usw. und welche Rolle kommt diesen anderen mentalen Zuständen hinsichtlich der Subjektivität eines Subjektes zu? Möchte man weder behaupten, dass Überzeugungen, Wünsche, Gefühle usw. Zustände des Erscheinens sind, noch dass sie keine Zustände von Subjekten sind, scheint die These, dass Zustände des Erscheinens für Subjekte wesentlich sind, nicht haltbar zu sein. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Daraus, dass Subjekte sich (insofern sie Subjekte sind) in mentalen Zuständen befinden können, die keine Zustände des Erscheinens sind, folgt nicht, dass sich Subjekte in diesen Zuständen befinden können, ohne sich in Zuständen des Erscheinens zu befinden. Das Letzte kann eine Bedingung für das Erste sein. 121 Dieser Lösungsansatz lässt sich gut in eine allgemeine Antwort auf die erste eingangs des Exkurses gestellte Frage integrieren: Das Verhältnis zwischen Zuständen des Erscheinens und anderen mentalen Zuständen ist so, dass letztere höherstufige Leistungen sind, die auf ersteren beruhen. Eine zweite Frage ist, wie mit der Tatsache umzugehen ist, dass wir uns nicht durchgängig in Zuständen des Erscheinens befinden. Während einer Ohnmacht oder im Schlaf beispielsweise ist dies nicht der Fall. Sind wir in diesen Phasen keine Subjekte? Und haben wir in diesen Phasen keine höherstufigen mentalen Zustände wie Überzeugungen? Es gibt zwei Möglichkeiten, auf diese Fragen zu antworten, 121 Voraussetzung dafür ist natürlich eine entsprechende Konzeption der fraglichen mentalen Zustände. Gemäß einer einflussreichen, auf Gilbert Ryle zurückgehenden, Auffassung beispielsweise, sind zumindest solche mentalen Zustände, die keine phänomenale Qualität aufweisen, nichts anderes als Verhaltensdispositionen (vgl. Ryle (1949)). Sollte das richtig sein, könnte das Haben phänomenaler Zustände sicher keine Bedingung für das Haben dieser Zustände sein. Etwas Ähnliches dürfte für herkömmliche funktionalistische Auffassungen gelten (vgl. Armstrong (1968), Lewis (1972), Putnam (1960) oder Fodor (1968)). Es gibt allerdings auch hinreichend viele gute Argumente, die diese Auffassungen ohnehin zweifelhaft erscheinen lassen (vgl. z. B. Block (1978), Searle (1980) und (1992) oder G. Strawson (1994)). Darauf können wir hier jedoch nicht näher eingehen.
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
ohne die These aufzugeben, dass es für Subjekte wesentlich ist, sich in Zuständen des Erscheinens zu befinden. Die erste ist, in den sauren Apfel zu beißen und zu akzeptieren, dass ein Subjekt tatsächlich aufhört zu existieren, wenn es das Bewusstsein verliert. 122 Wir können die Radikalität dieser Lösung zwar ein wenig abmildern, indem wir annehmen, dass die jeweilige Person sehr wohl weiterexistieren kann. Dann erlangt gegebenenfalls dieselbe Person das Bewusstsein wieder, aber eben als ein neues Subjekt. Auch dann ist diese Lösung jedoch aus verschiedenen Gründen nicht sehr attraktiv. 123 Eine zweite Lösung finden wir bei Barry Dainton. Er bietet folgende Definition eines Selbst an: »[…] a self is a thing whose nature it is to be capable of being conscious; a self has the capacity for consciousness at every moment at which it exists, and it possesses this capacity essentially. A self can lose consciousness provided it retains the potential to be consciousness.« 124
Wenn wir in dieser Definition – angenommen sie ist ins Deutsche übersetzt – »Selbst« durch »Subjekt« ersetzen, gibt sie uns eine Möglichkeit an die Hand, an einer leicht modifizierten Version der These festzuhalten, dass es für Subjekte wesentlich ist, sich in Zuständen des Erscheinens zu befinden. In dieser Richtung, so scheint mir, könnte eine befriedigende Lösung des Problems zu finden sein. Zu beiden Fragen müsste noch weit mehr gesagt werden. Die angestellten Überlegungen sollten aber ausreichen, um optimistisch zu sein, dass sich die entsprechenden Probleme lösen lassen.
6.4 Erscheinen als … Wir verfügen nun über ein gutes Verständnis davon, was es bedeutet, dass jemandem etwas erscheint. Es bedeutet, dass derjenige die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur spielt. Eine Frage, die – von einigen Bemerkungen in Kapitel 4 abgesehen – bislang noch offen geblieben ist, ist die Frage, was es bedeutet, dass jemandem etwas als etwas erscheint. Da auch dieser Aspekt in der TransparenzEine Lösung dieser Art vertritt Galen Strawson (vgl. Strawson (1999) und (2009)). Einer davon ist die Tatsache, dass sie der von Nida-Rümelin betonten Intuition hinsichtlich der transtemporalen Identität bewusstseinsfähiger Wesen widerspricht (siehe oben). 124 Dainton (2005), S. 16. 122 123
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Erscheinen als …
these eine Rolle spielt, bedarf ein vollständiges Verständnis dieser These einer Antwort auf diese Frage. Eine solche Antwort werde ich in diesem Abschnitt versuchen zu geben. Wir haben bereits festgestellt, dass Als-Formulierungen in Erscheinens-Sätzen normalerweise die Aspektgestalt eines Zustandes des Erscheinens (d. i. den Aspekt, unter dem in diesem Zustand etwas erscheint) ausdrücken. 125 Weiterhin haben wir festgestellt, dass dies nicht für beide in der Transparenzthese vorkommenden Als-Formulierungen gilt, sondern lediglich für die im negativen Teil vorkommende. Es wird daher dieser Teil der Transparenzthese sein, den die Ergebnisse dieses Abschnittes in erster Linie betreffen werden. Zur Erinnerung:
125 Häufig begegnet man auch der Annahme, durch die Als-Formulierung in Erscheinens-Sätzen wie »g erscheint s als F« werde ausgedrückt, dass das Subjekt den Begriff der Fheit (in einer für Wahrnehmungen spezifischen Weise) auf g anwende. Auf dieser Grundlage wird dann häufig die These, dass jede Wahrnehmung eine Wahrnehmung-als sei, gleichgesetzt mit der These, dass jede Wahrnehmung einen begrifflichen Gehalt habe (vgl. z. B. Willaschek (2003), S. 269 ff.). Unter der Voraussetzung der Wahrheit der genannten Annahme mag diese Gleichsetzung gerechtfertigt sein. Diese Annahme selber erscheint mir jedoch nicht gerechtfertigt zu sein. Betrachten wir dazu die folgende Bemerkung von Marcus Willaschek: »[…] Um z. B. farbige Flächen wahrzunehmen, die das gesamte Gesichtsfeld ausfüllen, muß man sie nicht als farbige Flächen (oder als irgendetwas anderes) wahrnehmen; vielleicht braucht man zu dieser Wahrnehmung überhaupt keine Begriffe.« (Willaschek (2003), S. 270) Willaschek setzt hier die Frage, ob man die Fläche als farbige Flächen wahrnimmt, mit der Frage gleich, ob man für diese Wahrnehmung über den Begriff einer farbigen Fläche verfügen muss. Mir scheint jedoch, dass es einen legitimen Sinn der Wendung »als farbige Fläche erscheinen« gibt, der gegenüber der zweiten Frage vollkommen neutral ist. Gemäß diesem Sinn beschreiben Als-Formulierungen wie diese, einfach den Inhalt des Wahrnehmungsfeldes. Man nehme z. B. an, eine Wahrnehmung, wie die von Willaschek geschilderte, komme zustande, indem sich eine Person so nah vor einen sehr großen (einfarbigen) Schrank stellt, dass dieser Schrank ihr gesamtes Gesichtsfeld einnimmt. Dann können wir sagen, dass die Person den Schrank als farbige Fläche wahrnimmt und drücken damit lediglich aus, dass sich der Person in ihrem Wahrnehmungsfeld eine farbige Fläche präsentiert. In demselben Sinn sagen wir, sobald sich die Person weiter von dem Schrank entfernt, vielleicht, dass er ihr als farbiges Rechteck erscheint o. ä. und beschreiben damit wiederum nur den Inhalt ihres Wahrnehmungsfeldes. In diesem Sinn ist jede Wahrnehmung eine Wahrnehmungals. Dieser Sinn scheint jedoch nichts mit der Anwendung von Begriffen zu tun zu haben. Allein daraus, dass jede Wahrnehmung in diesem Sinn eine Wahrnehmung-als ist, wird kaum jemand schließen wollen, dass Wahrnehmungen einen begrifflichen Gehalt haben. Siehe dazu auch Kapitel 12.1.
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
(Trans.-neg.)
Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm nicht als Subjekt seiner Erfahrung.
Dieser Teil der Transparenzthese wirft zunächst eine, im vorliegenden Zusammenhang wichtige, interpretatorische Frage auf. In Kapitel 2 haben wir im Anschluss an Chisholm und Jackson drei Lesarten von Erscheinens-Sätzen der Standard-Form (α-Ersch.)
»g erscheint s als F«
unterschieden. Zwei davon waren die komparative und die epistemische Lesart: In der komparativen Lesart bedeutet (α-Ersch.) so viel wie: (α-Ersch.)komp »g erscheint s so, wie s Dinge, die F sind, unter Standardbedingungen erscheinen« Und in der epistemischen Lesart bedeutet (α-Ersch.) so viel wie: (α-Ersch.)ep
»g erscheint s so, dass s geneigt ist zu glauben, dass g F ist«
In beiden Lesarten, so hatten wir gesagt, wird der jeweilige Zustand des Erscheinens lediglich anhand kontingenter Eigenschaften beschrieben – Eigenschaften also, die derselbe Zustand nicht in allen möglichen Situationen aufweist. Von diesen beiden Lesarten haben wir eine dritte, die phänomenale Lesart, unterschieden, in der anhand wesentlicher Eigenschaften auf den jeweiligen Zustand des Erscheinens Bezug genommen wird – Eigenschaften also, die derselbe Zustand in allen möglichen Situationen aufweist. Da es uns um das Wesen von Zuständen des Erscheinens geht, haben wir uns in diesem Kapitel ausschließlich mit dem befasst, was Erscheinens-Ausdrücke im phänomenalen Sinn ausdrücken. In Bezug auf (Trans.-neg.) taucht die Frage nach der richtigen Lesart jedoch wieder auf. Genauer: Sie taucht in Bezug auf das »erscheint« im Konsequenz wieder auf. 126 Ist es komparativ, epistemisch oder phänomenal zu lesen? Führen wir uns die ersten beiden Möglichkeiten kurz vor Augen: In der komparativen Lesart bedeutet (Trans.-neg.) so viel wie:
126 Das »erscheint« im Antezedens ist in jedem Fall im phänomenalen Sinn zu verstehen.
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Erscheinen als …
(Trans.-neg.)komp Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm nicht so, wie ihm Subjekte von Erfahrungen unter Standardbedingungen erscheinen. Und in der epistemischen Lesart bedeutet (Trans.-neg.) so viel wie: (Trans.-neg.)ep
Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm nicht so, dass es geneigt ist zu glauben, es handle sich um ein Subjekt einer Erfahrung.
Sobald beide Lesarten in dieser Weise explizit gemacht worden sind, fällt die Antwort auf unsere Frage nicht mehr schwer: Wenn die Transparenzthese eine Chance haben soll, wahr zu sein, darf (Trans.-neg.) weder im Sinne von (Trans.-neg.)komp noch im Sinne von (Trans.neg.)ep verstanden werden. Denn beide Lesarten erweisen sich schon in ganz alltäglichen Situationen als falsch. Wenn wir beispielsweise einen anderen Menschen im Alltag vor uns sehen, gilt normalerweise: (i) Er erscheint uns so, wie uns Subjekte von Erfahrungen unter Standardbedingungen erscheinen und (ii) Er erscheint uns so, dass wir geneigt sind zu glauben, es handle sich um ein Subjekt einer Erfahrung. Aus (i) folgt die Falschheit von (Trans.-neg.)komp und aus (ii) die Falschheit von (Trans.-neg.)ep. Wir müssen (Trans.-neg.) also im phänomenalen Sinn lesen.
6.4.1 Sensorische Eigenschaften und der phänomenale Sinn von »erscheinen« Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses können wir auch das Anliegen dieses Abschnittes präziser formulieren: Wir wollen herausfinden, was es bedeutet, dass etwas im phänomenalen (im Unterschied zum komparativen und epistemischen) Sinn als etwas erscheint. Eine erste wichtige Beobachtung besteht darin, dass nicht alle ErscheinensSätze überhaupt eine phänomenale Lesart zulassen. Betrachten wir dazu die folgenden beiden Sätze: (1) »Mir erscheint die Mauer als rot.« und (2) »Mir erscheint die Mauer als mittelalterliches Bauwerk.«
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Von diesen beiden Sätzen, so scheint es, kommt nur Satz (1) für eine phänomenale Lesart in Frage. Denn nur Satz (1) beschreibt meine Erfahrung anhand einer wesentlichen Eigenschaft. Dass meine Erfahrung von der Wand ein Erscheinen als rot ist, gehört zu den Dingen, die sie zu der Erfahrung machen, die sie ist. Dass sie ein Erscheinen als mittelalterliches Bauwerk ist, wie in Satz (2) gesagt wird, gehört dagegen nicht zu diesen Dingen. Eine Art, sich den Unterschied klar zu machen, ist folgende: Man kann sich vorstellen, dass zum Beispiel ein Experte für mittelalterliche Architektur und ein Laie auf diesem Gebiet dieselbe (visuelle) Erfahrung haben, aber nur die Erfahrung des Architekten ein Erscheinen als mittelalterliches Bauwerk ist (im Sinn von Satz (2)). 127 Man kann sich dagegen nicht vorstellen, dass zwei Personen dieselbe (visuelle) Erfahrung haben, aber nur eine davon ein Erscheinen als rot ist. Ob eine phänomenale Lesart eines Satzes in Frage kommt, hängt also offenbar davon ab, von welcher Eigenschaft in dem Satz gesagt wird, dass sie dem jeweiligen Subjekt erscheint. Und das bedeutet: Nur für bestimmte Eigenschaften gilt, dass ihr Erscheinen in einem Zustand des Erscheinens ein wesentliches Merkmal dieses Zustandes sein kann. Wir wollen diese Eigenschaften sensorische Eigenschaften nennen. Es gilt also: Ausschließlich sensorische Eigenschaften können uns im phänomenalen Sinn erscheinen. Andere Eigenschaften erscheinen uns lediglich in einem davon abgeleiteten Sinn, der durch die komparative und/oder epistemische Lesart von Erscheinens-Sätzen ausgedrückt wird. Dass dieser Sinn abgeleitet ist, bedeutet, dass ihm der phänomenale Sinn zugrunde liegt. Machen wir uns das anhand der komparativen Lesart von Satz (2) klar: (2K) »Die Mauer erscheint mir so, wie mir mittelalterliche Bauwerke unter Standardbedingungen erscheinen« Der Satz sagt aus, dass mir die Mauer auf diejenige Art erscheint, auf die mir unter Standardbedingungen Gegenstände erscheinen, die die Eigenschaft aufweisen, ein mittelalterliches Bauwerk zu sein. Diese Art (auf die mir die Mauer erscheint) ist aber durch sensorische Eigenschaften der Mauer, wie z. B. Farbe oder Form (dazu später mehr), bestimmt, d. h. es handelt sich um eine phänomenale Art des Erscheinens. Und die sensorischen Eigenschaften, die diese Art des Erschei127 Die naheliegende Lesart von Satz (2) dürfte in diesem Fall die epistemische sein: (2E) »Die Mauer erscheint mir so, dass ich geneigt bin, sie für ein mittelalterliches Bauwerk zu halten.«
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Erscheinen als …
nens bestimmen, sind selbstverständlich ganz verschieden von der Eigenschaft ein mittelalterliches Gebäude zu sein. Damit diese Art zu erscheinen ein Erscheinen als mittelalterliches Gebäude (im abgeleiteten Sinn) ist, müssen Bedingungen erfüllt sein, die deutlich über diesen Zustand des Erscheinens selbst hinausgehen. Gemäß der komparativen Lesart ist das die Bedingung, dass mittelalterliche Gebäude unter Standardbedingungen für die Person, um deren Zustand es geht, auf eben diese Art (d. i. als Träger der sensorischen Eigenschaften, die die Art des Zustandes bestimmen) erscheinen. Bislang haben wir die Unterscheidung von sensorischen und nicht-sensorischen Eigenschaften lediglich anhand zweier klarer Beispiele erläutert. Selbstverständlich wäre es jedoch wünschenswert, darüber hinaus ein allgemeingültiges Unterscheidungskriterium zur Verfügung zu haben. Wie von verschiedenen Autoren bemerkt worden ist, stehen Versuche, ein solches Kriterium zu formulieren, allerdings vor einem hartnäckigen Problem. 128 Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten stellt es sich wie folgt dar: Wir haben sensorische Eigenschaften charakterisiert als Eigenschaften, für die gilt, dass ihr Erscheinen ein wesentliches Merkmal des Zustandes des Erscheinens ist, in dem sie erscheinen. Ein wesentliches Merkmal eines Zustandes des Erscheinens ist ein Merkmal, dass dieser nicht verlieren kann, ohne aufzuhören der Zustand zu sein, der er ist. Aber wann hört ein Zustand auf, der Zustand zu sein, der er ist? Die Antwort scheint zu sein: wenn sich die sensorischen Eigenschaften ändern, die in ihm erscheinen. Und diese Antwort bringt uns wieder zur Ausgangsfrage zurück: Welche Eigenschaften sind die sensorischen Eigenschaften? Wir drehen uns also im Kreis. Es scheint, als müssten wir nicht nur den Begriff eines Zustandes des Erscheinens durch den einer sensorischen Eigenschaft definieren, sondern als wäre auch das Umgekehrte der Fall. 129
Vgl. beispielsweise Dretske (1969), S. 65. Es ist wichtig zu betonen, dass dies keinesfalls die Schlussfolgerung rechtfertigen würde, dass es so etwas wie sensorische Eigenschaften oder Zustände des Erscheinens im phänomenalen Sinn nicht gibt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es keine nicht-leeren Begriffs-Paare (-Triple …) geben sollte, für die gilt, dass sich jeder der beiden Begriffe nur mit Hilfe des jeweils anderen definieren lässt. Die Begriffe Wahrheit und Bedeutung beispielsweise könnten ein solches Paar bilden. Wäre das der Fall, sollte uns das nicht zu der Schlussfolgerung verleiten, es gäbe weder Wahrheit noch Bedeutung. 128 129
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Gibt es eine Möglichkeit aus diesem Zirkel auszubrechen? Der Zirkel entsteht zwischen (a) einem Identitätskriterium für Zustände des Erscheinens und (b) einem Abgrenzungskriterium für sensorische Eigenschaften. Um den Zirkel zu durchbrechen, ist es also nötig, eines von beiden unabhängig von dem jeweils anderen zu formulieren. Wenn einer der beiden Versuche unternommen wird, dann meist der, (a) unabhängig von (b) zu formulieren. Zwei Ansätze bieten sich dafür an. Den ersten finden wir bei William Alston angelegt. 130 Bezugnehmend auf Chisholms Diskussion des phänomenalen Sinnes von »erscheinen« schreibt er: »Chisholm shies away from giving a more positive characterization of the […] sense, but I think it is fairly clear that what he has in mind is that ›X looks red to S‹ in this sense reports what we might call the qualitative distinctiveness of this appearance, the intrinsic character of this presentation of X to S. Hence I will term this kind of look-concept a phenomenal one [Hervorhebung letzte Zeile D. F.].« 131
Wir wollen davon ausgehen, dass Alston mit der qualitativen Besonderheit hqualitative distinctivenessi und dem intrinsischen Charakter hintrinsic characteri das meint, was für gewöhnlich als phänomenale Qualität oder phänomenaler Charakter bezeichnet wird. Sollte das richtig sein, enthielte die Passage den Vorschlag, die phänomenale Qualität eines Zustandes des Erscheinens als dessen Identitätskriterium anzuerkennen. Auf der Grundlage dieses Vorschlages ließe sich dann das folgende Abgrenzungskriterium für sensorische Eigenschaften formulieren: Sensorische Eigenschaften sind solche Eigenschaften, deren Erscheinen durch die phänomenale Qualität des Zustandes bestimmt wird, in dem sie erscheinen. Der Vorschlag erscheint zunächst attraktiv. Bei näherem Hinsehen stellt sich jedoch ein Problem ein. Betrachten wir dazu nochmal unseren Beispielsatz (2). (2) »Mir erscheint die Mauer als mittelalterliches Bauwerk.« Wir haben gesagt, dass ein Experte für mittelalterliche Architektur und ein Laie auf diesem Gebiet dieselbe visuelle Erfahrung haben könnten, aber nur der Experte sie mit Hilfe von Satz (2) wahrheitsgemäß beschreiben kann. Nun könnte aber jemand einwenden, dass die Art, wie es für den Experten ist, die fragliche Erfahrung zu haben (d. i. die phänomenale Qualität dieser Erfahrung) sehr wohl mit130 131
Vgl. auch Maund (2003), S. 125. Alston (2002), S. 74.
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Erscheinen als …
bestimmt, dass sie ein Erscheinen als mittelalterliches Bauwerk ist. Schließlich wird er in irgendeiner Weise bewusst registrieren, dass es sich (wohl) um ein mittelalterliches Bauwerk handelt. Und es gibt zunächst einmal keinen Grund, die phänomenale Qualität, die mit diesem bewussten Registrieren verbunden ist (es womöglich ausmacht), nicht als phänomenale Qualität der Erfahrung anzuerkennen. Gemäß der Auffassung, die wir Alston zugeschrieben haben, hieße das aber, dass die Erfahrung des Laien und des Experten nicht dieselben sein könnten und, schlimmer noch, dass ein mittelalterliches Bauwerk zu sein eine sensorische Eigenschaft wäre. Vor allem der zuletzt genannte Aspekt ist inakzeptabel. Zwar könnte man natürlich versuchen, Alstons Kriterium zu verfeinern, indem man nur bestimmte phänomenale Qualitäten als wesentlich für Zustände des Erscheinens anerkennt. Es dürfte sich jedoch kaum ein Weg finden, diesen Bereich zu bestimmen, der nicht wiederum auf sensorische Qualitäten Bezug nimmt. Werfen wir also einen Blick auf den zweiten Ansatz: Er ist implizit in der folgenden Passage von A. D. Smith enthalten: »[…] whenever something is veridically perceived to be F, we can always ask whether it is so perceived in virtue of our veridically perceiving features of that object that do not entail that the object is F. Sometimes the answer to this is Yes and sometimes No, and this marks an important division within the objects of perception. The central point here is that for some, but only some, values of F, something can perceptually appear exactly like something that is F when it is not, even though we are perceiving the thing veridically.« 132
Eigenschaften, für die die Antwort auf Smiths Frage ›Nein‹ lautet, sollen sensorische Eigenschaften sein. 133 Smith legt hier ein Abgrenzungskriterium für sensorische Eigenschaften vor, das auf einem Identitätskriterium für Zustände des Erscheinens beruht. Das Identitätskriterium ist ein wenig versteckt. Smith setzt voraus, dass es für jeden Zustand des Erscheinens bestimmte Erfüllungsbedingungen gibt, das heißt Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit er wirklichkeitsgetreu ist. Diese Erfüllungsbedingungen, so das implizite Identitätskriterium, machen den jeweiligen Zustand des Erscheinens zu dem, der er ist. Das Abgrenzungskriterium für sensorische Eigenschaften, das sich aus diesem Vorschlag ergäbe, wäre: Sensorische 132 133
A. D. Smith (2002), S. 49. Smith selber nennt sie »sensible properties« (ebenda, S. 50).
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Eigenschaften sind solche Eigenschaften, deren Erscheinen durch die Erfüllungsbedingungen des Zustandes bestimmt wird, in dem sie erscheinen. Leider steht dieser Vorschlag vor ähnlichen Problemen wie der, den wir Alston zugeschrieben haben. Warum, so könnte man fragen, sollten wir akzeptieren, dass eine Erfahrung, die sich mit Hilfe von Satz (2) wahrheitsgemäß beschreiben lässt, auch dann wirklichkeitsgetreu sein kann, wenn die Mauer tatsächlich kein mittelalterliches Bauwerk ist? Sollten wir hierfür keinen Grund finden, wäre die Konsequenz erneut, dass der Experte für mittelalterliche Architektur und der Laie nicht dieselbe (visuelle) Erfahrung hätten und, eventuell, dass ein mittelalterliches Bauwerk zu sein eine sensorische Eigenschaft wäre. Und das wäre wiederum unannehmbar. Auf der Suche nach einem entsprechenden Grund stoßen wir jedoch erneut auf den Begriff der sensorischen Eigenschaften. Was die Erfüllungsbedingungen sind, die einen Zustand des Erscheinens ausmachen, scheint durch die sensorischen Eigenschaften bestimmt zu sein, die in diesem Zustand erscheinen. Offenbar lässt sich der Zirkel auf dem ersten Weg nicht durchbrechen. Es gelingt nicht, ein unabhängiges Identitätskriterium für Zustände des Erscheinens anzugeben. Es empfiehlt sich daher, den umgekehrten Weg auszuprobieren. Und auf diesem Weg, so glaube ich, lässt sich eine gute Lösung erreichen. Sie ergibt sich, wenn wir das Problem mit den in den vorausgegangenen Abschnitten erzielten Ergebnissen in Verbindung bringen. Kurz zusammengefasst, waren diese Ergebnisse: Ein Zustand des Erscheinens ist eine Subjekt-Gegenstands-Struktur. Und eine solche Subjekt-Gegenstands-Struktur besteht jeweils in einer Relation des Sich-Präsentierens zwischen mindestens einem (substantiell oder schematisch zu verstehenden) phänomenalen Gegenstand und einem Subjekt. Machen wir uns vor diesem Hintergrund zunächst Folgendes klar: Unabhängig davon, in welchem Sinn »erscheinen« verstanden wird, gilt: Ein Gegenstand kann einem Subjekt nicht als ein reines eigenschaftsloses Substrat erscheinen. Um einem Subjekt überhaupt erscheinen zu können, muss er ihm als Träger von Eigenschaften erscheinen. Oder, in einer für unsere Zwecke etwas besser geeigneten Weise ausgedrückt: Ein Gegenstand kann einem Subjekt nicht erscheinen, ohne dass dem Subjekt an ihm auch einige seiner Eigenschaften erscheinen. Offenkundig besteht also irgendeine Art von Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Erscheinen eines Gegenstan164 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Erscheinen als …
des und dem Erscheinen bestimmter Eigenschaften dieses Gegenstandes. Dieses Verhältnis, so möchte ich behaupten, liefert uns die Grundlage einer nicht-zirkulären Definition sensorischer Eigenschaften. Denn es sind nur bestimmte Eigenschaften, zu deren Erscheinen das Erscheinen von Gegenständen in dem fraglichen AbhängigkeitsVerhältnis steht. Und die Menge dieser Eigenschaften lässt sich sinnvollerweise als sensorische Eigenschaften klassifizieren. Zunächst gilt es zu klären, welcher Art das Abhängigkeits-Verhältnis zwischen dem Erscheinen eines Gegenstandes und dem Erscheinen der fraglichen Eigenschaften dieses Gegenstandes ist. Mein Vorschlag ist, es als Konstitutionsverhältnis zu beschreiben. Die Relation der Konstitution ist die Relation, die wir durch Formulierungen mit »indem«, »dadurch, dass« usw. ausdrücken können. Aus dem Alltag sind uns zahlreiche Beispiele von Konstitutions-Verhältnissen bekannt. Mein Auto ist rot, indem (dadurch, dass) seine Karosserie rot ist. Die Karosserie meines Autos ist rot, indem (dadurch, dass) sie feuerrot ist usw. Zwei Merkmale der Relation der Konstitution sind erwähnenswert. Erstens, wenn eine Tatsache T besteht, indem (dadurch, dass) eine Tatsache T* oder einer Menge von Tatsachen T1…n besteht, dann ist das Bestehen von T* / (T1…n) hinreichend, aber nicht notwendig für das Bestehen von T. (Dass die Karosserie meines Autos feuerrot ist, ist hinreichend dafür, dass sie rot ist. Es ist aber nicht notwendig. Die Karosserie könnte auch rot sein, indem sie karmesinrot (weinrot …) ist.) Zweitens, die Konstitution ist eine asymmetrische Relation. Das heißt: Wenn eine Tatsache T besteht, indem (dadurch, dass) eine Tatsache T* oder eine Menge von Tatsachen T1… n besteht, dann ist es nicht der Fall, dass T* / (T1…n) besteht, indem (dadurch, dass) T besteht. (Es ist nicht der Fall, dass die Karosserie meines Autos rot ist, indem (dadurch, dass) mein Auto rot ist. Und es ist nicht der Fall, dass die Karosserie meines Autos feuerrot ist, indem (dadurch, dass) sie rot ist.) Das Konstitutionsverhältnis, für das wir uns interessieren, besteht zwischen dem Erscheinen bestimmter Eigenschaften von Gegenständen und dem Erscheinen dieser Gegenstände. Betrachten wir dazu erneut unser Mauer-Beispiel. Nehmen wir an, die Mauer erscheint einem Subjekt in einer Wahrnehmung als rot und als ein mittelalterliches Bauwerk. In einem solchen Fall gilt, so möchte ich behaupten: Die Mauer erscheint dem Subjekt, indem (dadurch, dass) ihm die Röte der Mauer erscheint (und eventuell etwas Weiteres der Fall ist). Wir haben die oben genannten Merkmale einer Konstituti165 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
onsrelation vorliegen. Erstens, dass dem Subjekt die Röte der Mauer erscheint, ist hinreichend, aber nicht notwendig dafür, dass ihm die Mauer erscheint. Dass es hinreichend ist, dürfte unmittelbar einleuchten. Dass es nicht notwendig ist, zeigt die Möglichkeit, dass dem Subjekt, etwa im Falle einer Illusion, die Mauer auch als grün oder blau erscheinen könnte. Zweitens, es ist nicht der Fall, dass dem Sprecher die Röte der Mauer erscheint, indem (dadurch, dass) ihm die Mauer erscheint. Betrachten wir im Vergleich dazu den zweiten Aspekt der fraglichen Wahrnehmung – das Erscheinen der Eigenschaft der Mauer, ein mittelalterliches Bauwerk zu sein: Klarerweise können wir nicht sagen, die Mauer erscheine dem Subjekt, indem (dadurch, dass) ihm deren Eigenschaft, ein mittelalterliches Bauwerk zu sein, erscheint. Vielmehr haben wir hier ein umgekehrtes Verhältnis vorliegen. Die Eigenschaft der Mauer, ein mittelalterliches Bauwerk zu sein, erscheint dem Subjekt, indem ihm die Mauer erscheint (und etwas Weiteres der Fall ist). Diesen Unterschied, der zum Beispiel zwischen dem Erscheinen der Röte der Mauer und dem Erscheinen ihrer Eigenschaft, ein mittelalterliches Bauwerk zu sein, besteht, können wir nun als Grundlage einer nicht-zirkulären Definition sensorischer Eigenschaften nutzen. Mein Vorschlag für eine solche Definition lautet: Eine Eigenschaft F ist genau dann eine sensorische Eigenschaft für ein Subjekt S zu einem Zeitpunkt t, wenn gilt: (i) F erscheint S zu t und (ii) dieses Erscheinen von F (für S zu t) konstituiert das Erscheinen eines Gegenstandes für S zu t. Ein für unsere Zwecke besonders wichtiges Merkmal der Definition ist, dass sie keine Bezugnahme auf die phänomenale Art des Erscheinens enthält. Es ist lediglich davon die Rede, dass die fragliche Eigenschaft erscheint. Damit erfüllt die Definition unsere Forderung, den Begriff der sensorischen Eigenschaften ohne Bezug auf den der phänomenalen Art des Erscheinens zu bestimmen. Darüber hinaus sind zwei weitere Aspekte dieser Definition bemerkenswert. Erstens: Gemäß dieser Definition ist eine Eigenschaft nicht an sich, sondern immer nur relativ zu einem bestimmten Subjekt zu einem bestimmten Zeitpunkt eine sensorische Eigenschaft. Zweitens: Gemäß dieser Definition ist eine Eigenschaft nur dann eine sensorische Eigenschaft, wenn sie auch tatsächlich einem Subjekt zu einem Zeitpunkt auf die 166 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Erscheinen als …
richtige Weise erscheint. Es reicht nicht aus, dass sie diesem Subjekt zu diesem Zeitpunkt auf die richtige Weise erscheinen könnte. Beide Aspekte der Definition erklären sich aus dem Ziel ein nicht-zirkuläres Identitätskriterium für Zustände des Erscheinens zu formulieren. Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen wir den Begriff einer sensorischen Eigenschaft so definieren, dass einerseits die Menge der sensorischen Eigenschaften für jede Situation unabhängig von der Identität irgendwelcher Zustände des Erscheinens bestimmt ist, und dass andererseits für jeden Zustand des Erscheinens, gilt: Eben diese Menge der sensorischen Eigenschaften bestimmt die Identität dieses Zustandes des Erscheinens. Um diese Bedingung zu erfüllen, muss die Definition die genannten Merkmale aufweisen. Wie genau sieht nun aber das fragliche nicht-zirkuläre Identitätskriterium für Zustände des Erscheinens aus? Erinnern wir uns zunächst an einen oben angesprochenen Punkt: Ein Gegenstand kann einem Subjekt nicht als ein reines eigenschaftsloses Substrat erscheinen, das heißt, er kann einem Subjekt nicht anders erscheinen, als indem ihm (dem Subjekt) einige seiner Eigenschaften erscheinen. Da gemäß unserer Definition allein für sensorische Eigenschaften gilt, dass ihr Erscheinen (genauer: das Erscheinen ihrer Instanzen) in einem solchen Konstitutions-Verhältnis zum Erscheinen von Gegenständen stehen kann, folgt daraus, dass notwendigerweise jedes Erscheinen eines Gegenstandes durch das Erscheinen sensorischer Eigenschaften (an ihm) konstituiert ist. Auf dieser Grundlage können wir nun das gesuchte nicht-zirkuläre Identitätskriterium formulieren: Ein Zustand des Erscheinens Z1 von S1 und ein Zustand des Erscheinens Z2 von S2 sind genau dann Zustände derselben Art, wenn Folgendes gilt: (i) Die sensorischen Eigenschaften für S1 im Zeitraum von Z1 entsprechen den sensorischen Eigenschaften für S2 im Zeitraum von Z2 und (ii) die sensorischen Eigenschaften für S1 im Zeitraum von Z1 sind auf dieselbe Weise über das Wahrnehmungsfeld von S1 im Zeitraum von Z1 verteilt, wie die sensorischen Eigenschaften für S2 über das Wahrnehmungsfeld von S2 im Zeitraum von Z2. 134 134 Da in dem Kriterium auf die Zeiträume von Zuständen des Erscheinens Bezug genommen wird, eignet sich das Kriterium nicht als informatives Kriterium der diachronen Identität von Zuständen des Erscheinens.
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Zu Beginn dieses Abschnittes haben wir unser Anliegen wie folgt formuliert: Wir wollen herausfinden, was es bedeutet, dass etwas phänomenal als etwas erscheint. Jetzt sind wir in der Lage, die Antwort auf diese Frage zu geben: Phänomenal als etwas erscheinen bedeutet, als Träger einer sensorischen Eigenschaft zu erscheinen. Was bedeutet dieses Ergebnis nun für (Trans.-neg.) – den negativen Teil der Transparenzthese? Wir hatten bereits festgestellt, dass wir (Trans.-neg.) im phänomenalen Sinn lesen müssen, wenn die Chance bestehen soll, dass sie wahr ist. Nun können wir weiterhin feststellen: Wenn (Trans.-neg.) im phänomenalen Sinn gelesen wird, bedeutet sie so viel wie: Das Subjekt einer Erfahrung zu sein kann für kein Subjekt zu keinem Zeitpunkt eine sensorische Eigenschaft sein. Dass (Trans.-neg.) in dieser Lesart in der Tat deutlich bessere Chancen hat, wahr zu sein, als in der komparativen und epistemischen Lesart, liegt auf der Hand. Manch einem mag die Idee, dieser These zu widersprechen, sogar absurd erscheinen. Ein solches Urteil wäre jedoch voreilig. Um sich das klar zu machen, betrachte man zum Beispiel die folgende, sinngemäß häufig anzutreffende Argumentation: Es wird ein Szenario vorgestellt, in dem sich ein Subjekt, meist mit Hilfe eines Spiegels, selbst wahrnimmt (d. i. sich selbst erscheint). Dann wird (meist rhetorisch) die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dieser Selbst-Wahrnehmung um einen Zustand des Selbstbewusstseins handle. Und die Frage wird mit dem Hinweis verneint, dass sich das Subjekt eben nicht als Subjekt erscheine. Wie wir bereits anhand ähnlicher Beispiele festgestellt haben, wäre dieser Hinweis jedoch nicht korrekt, wenn »erscheinen« darin im komparativen oder epistemischen Sinn gelesen würde. Offenbar ist ein Vertreter dieser Argumentation aber darauf festgelegt, »erscheinen« hier im phänomenalen Sinn zu verstehen. Sollte er es zudem, was nicht selten vorkommt, für möglich halten, dass ein Subjekt sich (in einem wirklichen Zustand des Selbstbewusstseins) als Subjekt erscheinen kann, und sollte das oben erzielte Ergebnis korrekt sein, wovon wir ausgehen, wäre er überdies auf die Annahme festgelegt, ein Subjekt zu sein sei eine sensorische Eigenschaft. Diese Annahme ist also keinesfalls so abwegig, wie sie zunächst klingen mag. 135 Damit haben wir die Erläuterung der Bedeutung der Bestand135 Ein Teil dieses Eindruckes dürfte sich ohnehin der Tatsache verdanken, dass man bei dem Ausdruck »sensorische Eigenschaften« zunächst an Eigenschaften denkt, die mit der sinnlichen Wahrnehmung verbunden sind, wie Farben oder Töne. Die oben
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Warum es unmöglich ist als Subjekt zu erscheinen
teile der Transparenzthese abgeschlossen. Auf dieser Grundlage werden wir uns nun der Frage nach der Wahrheit der Transparenzthese zuwenden.
6.5 Warum es unmöglich ist als Subjekt zu erscheinen Zu Beginn unserer Auseinandersetzung mit der Transparenzthese hatten wir folgende Überlegung angestellt: Um entscheiden zu können, ob es möglich ist, sich als Subjekt seiner Erfahrung zu erscheinen, müssen wir genau verstehen, was die Bedeutung der einzelnen Ausdrücke ist, aus denen der Ausdruck »sich als Subjekt (s)einer Erfahrung erscheinen« zusammengesetzt ist. Diese Voraussetzung haben wir jetzt geschaffen. Wir haben geklärt, was es bedeutet, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, was es bedeutet, jemandem zu erscheinen, und schließlich was es bedeutet, jemandem als etwas zu erscheinen. Zur Erinnerung: Das Subjekt einer Erfahrung zu sein bedeutet, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Und das wiederum bedeutet, jemand zu sein, für den etwas ein phänomenaler Gegenstand ist, dem sich ein phänomenaler Gegenstand präsentiert. Jemandem zu erscheinen bedeutet, die Gegenstands-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Und das wiederum bedeutet, etwas zu sein, das sich dem Subjekt dieser Struktur präsentiert – kurz: ein phänomenaler Gegenstand zu sein. Jemandem als etwas zu erscheinen bedeutet, sich dem Subjekt als Träger einer sensorischen Eigenschaft zu präsentieren. Auf dieser Grundlage können wir nun damit beginnen, die Frage nach der Wahrheit von (Trans.-neg.) zu diskutieren – die Frage, ob es tatsächlich unmöglich ist, sich als Subjekt seiner Erfahrung zu erscheinen. Aus strategischen Gründen werden wir uns jedoch zunächst mit einer ähnlichen, aber leicht verschiedenen Frage befassen. Wir werden uns mit der Frage befassen, ob es möglich ist, dass jemand jemand gegebene Definition lässt es aber zu, dass es sensorische Eigenschaften gibt, die diesen Eigenschaften sehr unähnlich sind.
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
anderem als Subjekt einer Erfahrung erscheint. Die These, dass jemand jemand anderem als Subjekt einer Erfahrung erscheint, unterscheidet sich in zwei Hinsichten von der, die in (Trans.-neg.) verneint wird. Erstens: Sie enthält die Annahme, dass das Subjekt, dem etwas erscheint, und das Subjekt, das jemandem erscheint, voneinander verschieden sind. Zweitens: In ihr ist nicht enthalten, dass das Subjekt sich als sich selbst erscheint beziehungsweise dass dem Subjekt seine Erfahrung als seine eigene Erfahrung erscheint. Es ist lediglich enthalten, dass ihm etwas als Subjekt erscheinen muss. Dieser zweite Aspekt enthält zugleich den strategischen Grund, aus dem ich mit der Diskussion dieser These beginne. Häufig wird implizit oder explizit angenommen, dass das Hauptproblem mit der Annahme, man könne sich selbst als Subjekt seiner Erfahrung erscheinen, nicht darin bestünde, dass man sich dann als Subjekt einer Erfahrung erscheinen müsste, sondern darin, dass man sich dann als man selbst erscheinen müsste. Diese Annahme ist, so werde ich versuchen zu zeigen, falsch. Das entscheidende Problem ist, dass es unmöglich ist, dass jemandem etwas als Subjekt einer Erfahrung erscheint. Die Unmöglichkeit, sich als sich selbst zu erscheinen, ist (lediglich) eine Folge dieser Tatsache. 136 Indem wir zunächst eine These diskutieren, die das erste, nicht aber das zweite enthält, wird das entscheidende Problem klarer in den Blick geraten. Nehmen wir als Grundlage der Diskussion also den folgenden Satz (wobei »P« und »Q« für zwei beliebige Personen stehen): (3) »P erscheint Q als Subjekt einer Erfahrung.« Gemäß unserer in den vorherigen Abschnitten gewonnenen Explikationen bedeutet (3) so viel wie:
136 Das wirft die Frage auf, warum wir die Transparenzthese nicht allgemeiner formuliert haben. Warum lautet (Trans.-neg.) nicht »Wenn einem Subjekt etwas erscheint, ist es unmöglich, dass einem Subjekt dieses Subjekt als Subjekt einer Erfahrung erscheint«? Die Antwort verweist wiederum auf eine strategische Überlegung: Auch diese allgemeinere These ist, meiner Ansicht nach, wahr. Wir müssen jedoch unterscheiden zwischen der Konstellation, die uns besonders interessiert und dem Grund, warum sie unmöglich ist. Die Konstellation, die uns besonders interessiert, ist die, in der sich ein Subjekt als es selbst erscheint, denn das ist die Konstellation in der etwas vorliegen würde, was wir Selbstbewusstsein nennen würden. Was diese Konstellation für uns interessant macht (das Erscheinen des Subjektes als es selbst), ist jedoch nicht dasselbe wie das, was sie unmöglich macht (das Erscheinen als Subjekt). Ich habe mich für die spezifischere Formulierung von (Trans.-neg.) entschieden, um von Beginn an die Aufmerksamkeit auf die eigentlich interessante Konstellation zu lenken.
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Warum es unmöglich ist als Subjekt zu erscheinen
(3)* »Q präsentiert sich an P die (sensorische) Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein.« Was wiederum so viel bedeutet wie: (3)** »Q präsentiert sich an P die (sensorische) Eigenschaft, jemand zu sein, der die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur spielt (d. i. jemand zu sein, für den etwas ein phänomenaler Gegenstand ist).« Sobald die Bedeutung von Satz (3) in dieser Weise explizit gemacht worden ist, dürfte sich bereits die Intuition einstellen, dass etwas Derartiges unmöglich ist. Wir sollten uns mit dieser Intuition jedoch nicht zufrieden geben und versuchen, genau zu verstehen, worin diese Unmöglichkeit eigentlich besteht. Zunächst einmal müssen wir festhalten, dass die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen, eine relationale Eigenschaft ist. Es bedeutet: in der (fundamentalen) Relation des Einem-Präsentiert-Werdens zu einem phänomenalen Gegenstand zu stehen. Diese Tatsache allein schließt noch nicht aus, dass es möglich ist, dass P Q als Subjekt einer Erfahrung erscheint. Schließlich gibt es verschiedene relationale Eigenschaften, die uns im phänomenalen Sinn erscheinen können. Links von, rechts von, drüber, drunter, größer als, kleiner als usw. sind Beispiele. Sie schließt allerdings aus, dass das Erscheinen von etwas als Subjekt allzu große Ähnlichkeit mit dem Erscheinen von etwas als blau oder rund hat. 137 Ein wichtiger Unterschied liegt in der folgenden Bedingung: Damit sich einem Subjekt eine relationale Eigenschaft präsentieren kann, müssen sich ihm beide (alle) Relata dieser Eigenschaft präsentieren. Damit sich mir zum Beispiel die Eigenschaft meiner Kaffee-Tasse, kleiner zu sein als meine Kaffee-Kanne, präsentieren kann, muss sich mir, neben meiner Kaffee-Tasse, auch meine Kaffee-Kanne präsentieren. Nun stellt die Erfüllung dieser Bedingung für den Fall der Relation einer Subjekt-Gegenstands-Struktur bereits ein nicht unerhebliches Problem dar. Dieses Problem ergibt sich jedoch eventuell nicht unter jeder Voraussetzung und ist zudem nicht prinzipieller Natur. Das entscheidende Problem ist ein anderes. Es ergibt sich aus einer Besonderheit, die die relationale Eigenschaft, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen, gegenüber anderen 137 Angesichts der Tatsache, dass Metaphern wie die eines mentalen Anstrichs hmental painti (vgl. Block (1996) und (2003)) in der Philosophie des Geistes nicht unüblich sind, ist dieser Punkt zumindest erwähnenswert. Siehe auch Kapitel 8.
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
relationalen Eigenschaften aufweist: Jemand kann in dieser Relation (der Relation des Einem-Präsentiert-Werdens) nur zu etwas stehen, insofern es ein phänomenaler Gegenstand für ihn ist. Wie aber sollte sich jemandem eine derartige Eigenschaft wiederum präsentieren können? Jede Relation, die sich einem präsentiert, präsentiert sich einem notwendigerweise als Relation zwischen phänomenalen Gegenständen. Damit P Q als Subjekt einer Erfahrung erscheinen kann, muss P ein phänomenaler Gegenstand für Q sein, das heißt Ps Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, muss sich Q an einem Gegenstand präsentieren, der ein phänomenaler Gegenstand für Q ist. Angesichts der soeben genannten Besonderheit der Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, hieße das jedoch, dass sich Q an P, das heißt an einem phänomenaler Gegenstand für Q, eine Relation präsentieren müsste, in der P zu etwas steht, insofern – und nur insofern – es ein phänomenaler Gegenstand für P ist. Mit anderen Worten: Q müsste sich an einem phänomenalen Gegenstand (d. i. P) die (relationale) Eigenschaft präsentieren, dass etwas ein phänomenaler Gegenstand für diesen phänomenalen Gegenstand (d. i. P) ist. Etwas Derartiges ist jedoch nicht möglich. Die einzige Art, wie sich Q ein phänomenaler Gegenstand präsentieren kann, ist, indem er ein phänomenaler Gegenstand für Q ist. Insofern etwas ein phänomenaler Gegenstand für Q ist, ist es jedoch gerade kein phänomenaler Gegenstand für P. 138 Wir können also festhalten, dass es unmöglich ist, dass jemand jemand anderem als Subjekt einer Erfahrung erscheint. Und das Problem, das wir festgestellt haben, legt die Vermutung nahe, dass es in jeder Konstellation auftritt, in der jemand jemandem als Subjekt einer Erfahrung erscheint – sei derjenige er selbst oder jemand anderes. Denn das fragliche Problem ergibt sich aus der Besonderheit der Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein. Diese Eigenschaft scheint von einer Art zu sein, die ihr phänomenales Erscheinen 138 Später werde ich versuchen zu zeigen, dass die Tatsache, dass Erfahrungen phänomenale Qualitäten aufweisen, d. h. dass es für ein Subjekt irgendwie ist, eine Erfahrung zu haben, nichts anderes ist, als die Tatsache, dass sich einem Subjekt in einer Erfahrung Gegenstände präsentieren, die (dadurch) phänomenale Gegenstände für dieses Subjekt sind. Vor dem Hintergrund dieser Voraussetzung lässt sich das Problem auf eine sehr prägnante Weise formulieren: Damit P Q als Subjekt einer Erfahrung erscheinen könnte, müsste es für Q so sein, als wäre es für P irgendwie. Das ist jedoch nicht möglich. Die einzige Möglichkeit, wie es für jemanden so sein kann, als wäre es für P irgendwie, ist, indem derjenige P ist.
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Warum es unmöglich ist als Subjekt zu erscheinen
grundsätzlich ausschließt. Diese Vermutung wollen wir im Folgenden überprüfen, indem wir weitere Konstellationen untersuchen, in denen jemand jemandem vermeintlich als Subjekt einer Erfahrung erscheint. Wir können zwei interessante Konstellationen unterscheiden, die sich durch die folgenden Sätze ausdrücken lassen (wobei »Q« erneut für eine Person steht): (4) »Q erscheint Q in einer Erfahrung als Subjekt einer zweiten Erfahrung.« (5) »Q erscheint Q in einer Erfahrung als Subjekt eben dieser Erfahrung.« Wir wollen uns zunächst mit Satz (4) befassen. Der Zustand des Erscheinens, in dem sich Q als Subjekt einer Erfahrung erscheint, soll ein anderer Zustand sein als der, als dessen Subjekt sie sich erscheint. Um Satz (4) richtig zu verstehen, müssen wir uns zunächst klarmachen, inwiefern es sich um verschiedene Zustände des Erscheinens handelt. Das Identitätskriterium, das wir oben mit Hilfe des Begriffes der sensorischen Eigenschaften entwickelt haben, hilft uns hier nicht weiter. Denn es war ein Identitätskriterium für Typen von Zuständen des Erscheinens. In (4) geht es jedoch um die Verschiedenheit zweier Token von Zuständen des Erscheinens. Die in (4) beschriebene Konstellation wird häufig so beschrieben, dass eine Erfahrung (ein Zustand des Erscheinens) Gegenstand einer Erfahrung (eines Zustandes des Erscheinens) höherer oder zweiter Ordnung ist. 139 Im Rahmen der in den letzten Abschnitten entwickelten Auffassung muss dies als das Vorliegen zweier Subjekt-Gegenstands-Strukturen interpretiert werden, wobei das Subjekt der einen die Rolle eines phänomenalen Gegenstandes in der anderen spielt. (4) bedeutet dann so viel wie: (4)* »In einer Subjekt-Gegenstands-Struktur präsentiert sich Q an sich selbst die Eigenschaft, die Subjekt-Rolle in einer zweiten Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen (d. i. jemand zu sein, für den etwas ein phänomenaler Gegenstand in einer zweiten Subjekt-Gegenstands-Struktur ist).«
139 In (2) ist allerdings eine Voraussetzung enthalten, die in diesen Beschreibungen für gewöhnlich nicht enthalten ist: Dass ein Erscheinen einer Erfahrung (als solcher) notwendigerweise auch ein Erscheinen des Subjektes dieser Erfahrung (als solchem) ist. Die im Folgenden auftretenden Probleme hängen u. a. mit dieser Voraussetzung zusammen. In Kapitel 7. werde ich sie verteidigen.
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
(Um eine handliche Terminologie zur Verfügung zu haben, wollen wir im Folgenden von Subjekt-Gegenstands-Struktur erster und zweiter Ordnung, Subjekt-Rollen erster und zweiter Ordnung sowie Gegenstands-Rollen beziehungsweise phänomenalen Gegenständen erster und zweiter Ordnung sprechen.) Der Unterschied zwischen dem, was Satz (4) und (4)* ausdrücken, und dem, was Satz (3) – (3)** ausdrücken ist, dass hier eine Person die Subjekt-Rolle in zwei Subjekt-Gegenstands-Strukturen spielen soll. Zunächst einmal ist die Frage berechtigt, ob etwas Derartiges überhaupt möglich ist. Man bedenke, dass das, was ich Subjekt-Gegenstands-Struktur genannt habe, die grundlegende Struktur bewusster Zustände ist. Das legt folgende Überlegung nahe: Die synchrone Einheit eines Bewusstseins besteht darin, dass verschiedene phänomenale Gegenstände phänomenale Gegenstände für ein Subjekt, das heißt für eine Instanziierung der Subjekt-Rolle, sind. Versteht man den Begriff einer Person so, dass sie unter anderem das Subjekt eines einheitlichen Bewusstseins ist, 140 folgt aus dieser Überlegung, dass eine Person nicht die Subjekt-Rolle in zwei (oder mehr) Subjekt-Gegenstands-Strukturen spielen kann. Ein zweites Problem ergibt sich aus der Annahme, eine Person spiele sowohl die Subjekt-Rolle zweiter Ordnung als auch die Subjekt-Rolle erster Ordnung, zusammen mit der von vielen Autoren akzeptierten These, dass die Gegenstands-Rolle in einer visuellen Erfahrung von einem öffentlichen physischen Gegenstand gespielt wird. Da es, wie wir festgestellt haben, eine Bedingung des Sich-Präsentierens einer relationalen Eigenschaft ist, dass sich dem Subjekt beide (alle) Relata dieser Eigenschaft präsentieren, würde aus der Wahrheit dieser These folgen, dass das Sich-Präsentieren einer visuellen Erfahrung unter anderem in dem Sich-Präsentieren des öffentlichen, physischen Gegenstandes bestünde, von dem die Erfahrung handelt. Das ist jedoch eine unannehmbare Konsequenz. 141 140 Dass der Begriff der Person in dieser Weise verstanden wird, ist allerdings keine Selbstverständlichkeit (vgl. dazu etwa Parfit (1971)). 141 Hier liegt auch einer der Gründe, warum das Modell einer inneren Wahrnehmung für Externalisten unattraktiv ist. Wenn es externe Gegenstände (Bedingungen …) sind, die einen intrinsischen Zustand des Gehirns (Geistes …) zu einer Erfahrung machen, ist nicht zu verstehen, wie man eine Erfahrung als Erfahrung wahrnehmen könnte, indem man den intrinsischen Zustand wahrnimmt, der sie realisiert. Fred Dretske verdeutlicht diesen Punkt mit Hilfe einer geeigneten Analogie: »That is the same mistake as inferring that because words (meaningful symbols) are in books, the
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Warum es unmöglich ist als Subjekt zu erscheinen
Der wichtigste Punkt in Bezug auf die in Satz (4) und (4)* beschriebene Konstellation ist jedoch, dass durch den Unterschied zu der in Satz (3) – (3)** beschriebenen Konstellation der Grund für die Unmöglichkeit der letzteren nicht verschwindet. Das Problem war, dass sich Q an P – das heißt an einem phänomenalen Gegenstand für Q – eine Relation präsentieren müsste, in der P zu etwas steht, insofern – und nur insofern – es ein phänomenaler Gegenstand für P ist. Dieses Problem ergibt sich jedoch nicht aus der Tatsache, dass P und Q verschiedene Personen sind. Es ergibt sich aus der Tatsache, dass sie die Subjekt-Rolle in verschiedenen Subjekt-Gegenstands-Strukturen spielen. Dementsprechend lässt sich das Problem auch für die in (4) und (4)* beschriebene Konstellation formulieren: Q ist ein phänomenaler Gegenstand für sich, insofern sie sowohl die Subjekt-Rolle als auch die Gegenstands-Rolle zweiter Ordnung spielt. Und insofern sie ein phänomenaler Gegenstand für sich ist (d. i. die Gegenstands-Rolle zweiter Ordnung spielt), kann sich ihr, an ihr, nicht die Eigenschaft präsentieren, jemand zu sein, für den etwas ein phänomenaler Gegenstand ist (d. i. die Subjekt-Rolle erster Ordnung zu spielen). Wir können also festhalten, dass sich für die in (4) und (4)* beschriebene Konstellation nicht nur dasselbe Problem stellt wie für die in (3) – (3)** beschriebene Konstellation. Wir sind darüber hinaus auf zusätzliche Gründe gestoßen, ihre Möglichkeit zu bezweifeln. Wenden wir uns also der in Satz (5) beschriebenen Konstellation zu. In dieser Konstellation ist der Zustand des Erscheinens, in dem Q sich als Subjekt einer Erfahrung erscheint, kein Zustand höherer Ordnung; er ist vielmehr mit dieser Erfahrung identisch. (5) bedeutet also so viel wie: (5)* »In einer Subjekt-Gegenstands-Struktur präsentiert sich Q an sich selbst die Eigenschaft, die Subjekt-Rolle in eben dieser Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen (d. i. jemand zu sein, für den etwas ein phänomenaler Gegenstand in eben dieser Subjekt-Gegenstands-Struktur ist).« meanings are also there. An internal scanner is as useful in mental affairs as would be a high-resolution camera in deciphering the meaning of a coded text. Experiencing […] meaningful symbols is not the way to represent their meaning (or the fact that they have meaning). Why, then, should experiencing meaningful brain states […] be a way of representing them as mental or as meaningful?« (Dretske (1995), S. 109. Vgl. auch Kemmerling (1999), Rowlands (2001), Kap. 4 oder Shoemaker (1996), Kap. 10/11). Allerdings sehen keineswegs alle Vertreter des Externalismus hier ein Problem (vgl. insbesondere Lycan (1996)).
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6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
Zunächst einmal gilt auch in diesem Fall: Dass sich Q die Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, präsentiert, bedeutet, dass sich ihr eine Instanziierung dieser Eigenschaft an einem Gegenstand präsentiert, der ein phänomenaler Gegenstand für sie (d. i. für Q) ist. Bei der durch (5) und (5)* beschriebenen Konstellation darf sich Q jedoch nicht eine beliebige Instanziierung dieser Eigenschaft präsentieren. Es muss diejenige Instanziierung sein, die sie erst zum Subjekt der Subjekt-Gegenstands-Struktur macht, in der sie (die Instanziierung dieser Eigenschaft) sich ihr präsentiert. Oder, etwas anders ausgedrückt: Q muss sich in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur diejenige Instanziierung der Subjekt-Rolle präsentieren, die sie zum Subjekt eben dieser Subjekt-Gegenstands-Struktur macht. Dass eine Instanziierung der Subjekt-Rolle Q zum Subjekt einer Subjekt-GegenstandsStruktur macht, ist jedoch damit unvereinbar, dass sie (diese Instanziierung) sich Q an einem phänomenalen Gegenstand in derselben Subjekt-Gegenstands-Struktur präsentiert. Unter der Voraussetzung, dass keine Subjekt-Gegenstands-Struktur höherer Ordnung vorliegt, wäre Letzteres jedoch eine notwendige Bedingung dafür, dass sich Q die Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, präsentieren könnte. Die durch (5) und (5)* beschriebene Konstellation ist also ebenso unmöglich wie die davor diskutierten. 142 Damit können wir das folgende Ergebnis dieser Diskussion festhalten: Jede Konstellation, in der jemandem etwas als Subjekt einer Erfahrung erscheint, ist eine unmögliche Konstellation. Offenbar ist die Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, keine Eigenschaft, die einem erscheinen kann. Es ist eine Eigenschaft, die man nur haben kann. Sollte dieses Ergebnis korrekt sein, wäre der negative Teil der Transparenzthese (Trans.-neg.) also wahr. Die abstrakten Überlegungen, die wir in diesem Kapitel angestellt haben, bestätigen also bereits die Transparenzthese. Später werden wir dieses Ergebnis anhand des konkreten Beispiels der visuellen Wahrnehmung überprüfen und gegen Einwände verteidigen. Und mit dieser Unmöglichkeit wird nicht einmal die Überwindung der Probleme der zuvor behandelten Konstellationen erkauft. Das anfangs dieses Abschnittes herausgestellte Problem war (kurz gesagt), dass die Eigenschaft das Subjekt einer Erfahrung zu sein keine Eigenschaft ist, die sich einem Subjekt präsentieren kann. Nichts an der durch (5) und (5)* beschriebenen Konstellation bringt dieses Problem aber zum Verschwinden. Wir haben also erneut den Fall, dass das in der ersten Konstellation auftretende Problem ungelöst bleibt, während sich weitere Probleme dazugesellen. 142
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Warum es unmöglich ist als Subjekt zu erscheinen
Zum Abschluss dieses Abschnittes sollten wir uns aber noch mit dem Begriff befassen, den wir in diesem Abschnitt weitgehend ignoriert haben: dem Begriff des Erscheinens als man selbst. Das Ignorieren dieses Begriffes mag auf den ersten Blick als ein großes Versäumnis erscheinen. Schließlich scheint er zentral für dasjenige Verständnis von Selbstbewusstsein zu sein, gegen das (Trans.-neg.) sich wendet. Gemäß diesem Verständnis ist Selbstbewusstsein ein Erscheinen seiner selbst. Wenn ein Erscheinen seiner selbst aber als Selbstbewusstsein in Frage kommen soll, muss es ein Erscheinen seiner selbst als man selbst sein. Nur so scheint sich, im Rahmen dieser Konzeption, die Tatsache erklären zu lassen, dass es für ein Subjekt unmöglich ist, sich darüber im Zweifel zu befinden, ob ein bestimmter mentaler Zustand der eigene mentale Zustand ist. Diese Überlegung beruht jedoch auf einem oder mehreren Missverständnissen. In Wahrheit, so wird sich zeigen, kommt dem Begriff des Erscheinens als man selbst nicht diese zentrale Bedeutung zu. Beginnen wir mit der Frage, was es überhaupt bedeuten könnte, dass ein Subjekt sich als sich selbst erscheint. Da »erscheinen« hier wiederum im phänomenalen Sinn gelesen werden muss, bedeutet es so viel wie: Einem Subjekt präsentiert sich (an einem phänomenalen Gegenstand für dieses Subjekt) die Eigenschaft, mit sich selbst (dem Subjekt) identisch zu sein. Damit ist sich die Frage nach der Möglichkeit eines Erscheinens als man selbst aber bereits annähernd beantwortet. Die Eigenschaft, mit sich selbst identisch zu sein, ist offenkundig keine Eigenschaft, die sich dem Subjekt einer Erfahrung an einem phänomenalen Gegenstand präsentieren kann. Nicht zuletzt aufgrund der zentralen Rolle, die der Begriff des Erscheinens als man selbst in Debatten um das Selbstbewusstsein häufig gespielt hat und noch spielt, möchte ich abschließend noch auf zwei Missverständnisse aufmerksam machen, die mit diesem Begriff verbunden sind. Das erste Missverständnis ist, dass ein Erscheinen als Subjekt, wenn etwas Derartiges denn möglich wäre, notwendigerweise ein Erscheinen als man selbst sein müsste. Tatsächlich gibt es für diese Annahme keinen zwingenden Grund. Das Subjekt einer Erfahrung zu sein ist eine Eigenschaft, die einer Vielzahl von ›Gegenständen‹ zukommt. Warum also sollte daraus, dass sich mir diese Eigenschaft an einem phänomenalen Gegenstand präsentiert, folgen, dass ich mit diesem phänomenalen Gegenstand identisch bin? Das Missverständnis lässt sich allerdings erklären: Es wird implizit angenommen, dass ein Erscheinen als Subjekt (unter anderem) immer 177 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
ein Erscheinen als Subjekt eben dieses Erscheinens sein müsse. Und eben diese Vorstellung (sich als Subjekt des Zustandes zu erscheinen, indem man sich als Subjekt erscheint) scheint gerade das zu enthalten, was man von einem Erscheinen als man selbst erwarten würde. Die Eigenschaft, die sich einem präsentiert, wäre die Eigenschaft, derjenige zu sein, dem sie sich präsentiert – kurz: die Eigenschaft, man selbst zu sein. Leider besteht, wie wir bereits festgestellt haben, genau darin die Inkonsistenz dieser Vorstellung. Das zweite Missverständnis ist etwas komplexer. Es betrifft das Verständnis der oben skizzierten Konzeption von Selbstbewusstsein als ein Erscheinen seiner selbst. In kritischen Diskussionen dieser Konzeption stößt man häufig auf das folgende Problemverständnis: Diese Konzeption biete eine gute Erklärung unseres Wissens über unsere mentalen Zustände. Die Erklärung sei, dass wir uns eben als Subjekte von Erfahrungen oder anderen mentalen Zuständen erschienen. Das Problem der Konzeption liege dagegen darin, dass sie nicht unsere Gewissheit erklären könne, dass die mentalen Zustände, die uns dabei erscheinen, unsere mentalen Zustände seien, und dass wir selbst die Subjekte seien, als die wir uns erschienen. Kurz: Sie könne nicht erklären, dass wir uns als wir selbst erschienen. 143 Aus dem oben Gesagten ergibt sich aber, dass dieses Problemverständnis grundsätzlich verfehlt ist. Etwas pointiert könnte man sagen: Es wird das als unproblematisch angesehen, was in Wahrheit unmöglich ist, während das als problematisch angesehen wird, was in Wahrheit selbstverständlich ist. Unmöglich ist, wie wir festgestellt haben, dass wir uns überhaupt als Subjekt irgendeiner Erfahrung erscheinen. Selbstverständlich ist, dass wir über eine cartesianische Gewissheit darüber verfügen, dass wir selbst das Subjekt unserer Erfahrungen und mentalen Zustände sind. Richtig ist allerdings, dass die einzige im Rahmen der genannten Vorstellung denkbare Erklärung dieser
143 Diese Perspektive deutet sich z. B. in der folgenden Passage von Dieter Henrich an: »Die Reflexionstheorie nimmt an, daß das Ich durch eine Rückbeziehung auf sich Kenntnis von sich erlangt. Nun genügt es aber nicht, daß irgendein Subjekt von irgendeinem Objekt ein ausdrückliches Bewußtsein erwirbt, um das Bewußtsein Ich = Ich zu erklären. Dieses Subjekt muss auch wissen, daß sein Objekt mit ihm selbst identisch ist. […] Wie aber kann das Selbstbewußtsein wissen, daß es sich selbst ergriffen hat […]. Offensichtlich kann es dies nur, wenn es zuvor schon von sich weiß. Denn nur aus solchem Wissen ist es ihm möglich zu sagen: Was ich erfasse, das bin ich selbst.« (Henrich (1967), S. 14).
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Zusammenfassung Kapitel 6
Gewissheit nicht zur Verfügung steht. Sie kann nicht dadurch erklärt werden, dass wir uns als wir selbst erscheinen.
6.6 Zusammenfassung Kapitel 6 In Kapitel 6 haben wir zwei Ziele verfolgt: Wir haben versucht, die Transparenzthese genau zu verstehen, und wir haben versucht festzustellen, ob sie wahr ist. Ersteres hat die Abschnitte 6.1 bis 6.4 in Anspruch genommen. Letzteres den Abschnitt 6.5. Um das erste Ziel zu erreichen, haben wir uns zunächst mit den Bedeutungen der einzelnen Bestandteile der Transparenzthese befasst. Wir haben untersucht, was es bedeutet, ein Gegenstand (in dem hier relevanten Sinn) zu sein (Abschnitt 6.1), was es bedeutet, das Subjekt einer Erfahrung zu sein (Abschnitt 6.2), und was es bedeutet, als etwas zu erscheinen (Abschnitt 6.4). Zudem haben wir herausgearbeitet, wie die Eigenschaften, ein Gegenstand (in dem hier relevanten Sinn) zu sein und das Subjekt einer Erfahrung zu sein, miteinander zusammenhängen (Abschnitt 6.3). Auf der Grundlage der entsprechenden Ergebnisse haben wir dann für die Wahrheit der Transparenzthese argumentiert. Die entscheidenden Ergebnisse der Abschnitte 6.1 bis 6.4 können wir, wie es bereits zu Beginn des Abschnittes 6.5 geschehen ist, wie folgt zusammenfassen: Das Subjekt einer Erfahrung zu sein bedeutet, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Und das wiederum bedeutet, jemand zu sein, für den etwas ein phänomenaler Gegenstand ist, dem sich ein phänomenaler Gegenstand präsentiert. Der Gegenstand einer Erfahrung zu sein/jemandem zu erscheinen bedeutet, die Gegenstands-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Und das wiederum bedeutet, etwas zu sein, das sich dem Subjekt dieser Struktur präsentiert – kurz: ein phänomenaler Gegenstand zu sein. Jemandem als etwas zu erscheinen bedeutet, sich jemandem als Träger einer bestimmten sensorischen Eigenschaft zu präsentieren. Den wichtigen Begriff einer sensorischen Eigenschaft haben wir in dem Unterabschnitt 6.5.1 eingeführt. Wir haben dort den Vorschlag 179 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
6 · Erscheinen als Gegenstand und Erscheinen als Subjekt
entwickelt, dass sensorische Eigenschaften Eigenschaften sind, deren Erscheinen das Erscheinen von Gegenständen konstituiert. Durch diesen Vorschlag waren wir in der Lage, den Begriff einer sensorischen Eigenschaft und den Begriff des phänomenalen Erscheinens auf nicht-zirkuläre Weise zu bestimmen. In einem weiteren Unterabschnitt (Unterabschnitt 6.3.1) haben wir den wichtigen Einwand diskutiert, dass wir durch den Begriff eines phänomenalen Gegenstandes eine unnötige ontologische Verpflichtung eingingen. Wir haben festgestellt, dass dieser Einwand in seiner gängigen Form weder überzeugend ist, noch unsere Position trifft. In Abschnitt 6.5 haben wir auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse die Frage diskutiert, ob es möglich ist, dass sich jemand als Subjekt seiner Erfahrung erscheint. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dem nicht so ist, da es prinzipiell nicht möglich ist, dass jemandem etwas als Subjekt einer Erfahrung erscheint. Die Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, so hatten wir festgestellt, ist keine Eigenschaft, die jemandem erscheinen kann. Man kann sie nur haben. Die Überlegungen dieses Kapitels waren durchgehend sehr abstrakt gehalten. In den folgenden Abschnitten wird es darum gehen, sie anhand konkreter Beispiele zu bestätigen und zu ergänzen. Das heißt, es wird darum gehen zu zeigen, was die Transparenzthese für konkrete Zustände des Erscheinens bedeutet, und sie anhand solcher Zustände zu bestätigen. Dafür werden wir überwiegend das Beispiel der visuellen Wahrnehmung verwenden. Zunächst (in Kapitel 7) werden wir jedoch versuchen, das Verhältnis der Transparenzthese zu einer anderen wichtigen These zu klären, mit der man sie möglicherweise verwechseln könnte: der sogenannten Flüchtigkeits-These.
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7 Die Transparenz des Erscheinens und die Flüchtigkeit des Ichs
Zum Abschluss unserer allgemeinen Diskussion der Transparenzthese wollen wir uns mit einer anderen prominenten These befassen: der These von der Flüchtigkeit des Ichs (im Folgenden kurz: Flüchtigkeits-These). 144 Dies scheint mir aus zwei Gründen notwendig zu sein. Der erste Grund ist, dass eine gewisse Gefahr besteht, beide Thesen für sehr viel ähnlicher zu halten als sie in Wahrheit sind, oder sie gar zu verwechseln. 145 Der zweite und wichtigere Grund ist, dass die Flüchtigkeits-These dem einen oder anderen attraktiver erscheinen könnte als die Transparenzthese. Richtig verstanden ist die Transparenzthese eine durchaus starke These, die einigen gängigen Auffassungen widerspricht. Die Flüchtigkeits-These ist im Vergleich dazu eine schwächere These. Und auf den ersten Blick könnte es so aussehen, als würde sie den im letzten Abschnitt vorgebrachten Überlegungen dennoch nicht weniger gerecht werden als die Transparenzthese. Wäre das richtig, ließe sich darin ein Grund sehen, die Flüchtigkeits-These der Transparenzthese vorzuziehen. Ich werde dagegen versuchen zu zeigen, dass dieser vermeintliche Vorzug der Flüchtigkeits-These in Wahrheit lediglich eine Folge ihrer Inkonsistenz ist. Die These, die ich als die Flüchtigkeits-These bezeichne, hat ihren historischen Ursprung bei David Hume. In einem sehr berühmten Zitat heißt es: »For my part, when I enter most intimately into what I call myself, I always stumble on some particular perception or other, of heat or cold, light or shade, love or hatred, pain or pleasure. I never can catch myself at any time without a perception, and never can observe anything but the perception.« 146
144 Ich übernehme diese Bezeichnung von Quassim Cassam (vgl. Cassam (1995), S. 312). Ob sie auch auf Cassam zurückgeht, ist mir nicht bekannt. 145 Diese Gefahr ist, wie wir sehen werden, die Folge einer Besonderheit der Transparenzthese. Für die meisten Transparenz-Behauptungen besteht die Gefahr nicht. 146 Hume (2007), Buch 1, Teil 4, Abschnitt 6.
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7 · Die Transparenz des Erscheinens und die Flüchtigkeit des Ichs
Vorausgesetzt, dass das Beobachten (»observe«), von dem Hume spricht, eine Form des Erscheinens ist, scheint Hume Folgendes zu behaupten: Wenn ich (David Hume) versuche, meine Aufmerksamkeit auf meinen eigenen Geist zu lenken, erscheinen mir (i) einzelne Wahrnehmungen (»perceptions«) 147, aber (ii) kein Subjekt (Selbst, Ich …). Zum Zwecke unserer Untersuchung wollen wir Hume hier so verstehen, dass er eine (zweiteilige) allgemeine These aufstellen möchte. Diese These soll im Folgenden die Flüchtigkeits-These heißen. Übertragen in die von uns bevorzugte Ausdrucksweise, lässt sie sich wie folgt formulieren: (Flucht.-pos.) Es ist (zwar) möglich (und auch regelmäßig der Fall), dass einem Subjekt seine Erfahrungen erscheinen. (Flucht.-neg.) Es ist (jedoch) nicht möglich, dass ein Subjekt sich selbst als Subjekt erscheint. Wie jede These, in der der Ausdruck »erscheinen« vorkommt, lässt auch diese These verschiedene Lesarten zu. Für unsere Zwecke ist erneut nur die phänomenale Lesart von Interesse. Denn nur in dieser Lesart stellt die Flüchtigkeits-These gegebenenfalls eine interessante Alternative zur Transparenzthese dar. 148 147 Bei Hume hat der Ausdruck »Wahrnehmung« (»perception«) einen viel weiteren Sinn, als im gewöhnlichen Sprachgebrauch. Hume versteht unter »Wahrnehmungen« so viel wie »bewusste mentale Episoden.« Dementsprechend bezeichnet er beispielsweise auch Empfindungen von Liebe und Hass als Wahrnehmungen. 148 Ein weiterer Grund, die Flüchtigkeits-These im Sinne der phänomenalen Lesart zu verstehen, ist folgender: Wenn das »erscheint« in (Flucht.-neg.) im komparativen oder epistemischen Sinn gelesen wird, ist (Flucht.-neg.) offenkundig falsch. Auf den Grund hierfür haben wir bereits hingewiesen: Wenn sich eine Person z. B. im Spiegel anschaut, dann gilt etwas wie: (i) Sie erscheint sich so, wie ihr Subjekte von Erfahrungen unter Standardbedingungen erscheinen und (ii) sie erscheint sich so, dass sie geneigt ist zu glauben, bei der Person im Spiegel handle es sich um ein Subjekt einer Erfahrung. Eine komparative Lesart von (Flucht.-neg.) wäre aber mit (i) unvereinbar und eine epistemische mit (ii). Wenn die Flüchtigkeits-These also nicht offenkundig falsch sein soll, muss sie im phänomenalen Sinn gelesen werden. (Fairerweise muss angemerkt werden, dass Hume selbst zumindest (i) eventuell bestritten hätte. Er hätte sich wohl auf den Standpunkt gestellt, dass einem in der äußeren Wahrnehmung niemals ein
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Wie ich oben bereits angedeutet habe, könnte die FlüchtigkeitsThese zunächst durchaus attraktiv erscheinen. Während ihr negativer Teil [(Flucht.-neg.)] ziemlich gut den in den vorhergehenden Abschnitten angestellten phänomenologischen Überlegungen gerecht wird, 149 entspricht ihr positiver Teil [(Flucht.-pos.)] einer Annahme, die auf den ersten Blick geradezu zwingend erscheinen kann – der Annahme, dass Selbstbewusstsein irgendeine Art des Erscheinens seiner eigenen mentalen Zustände sein müsse. Warum also sollten wir uns, statt der Transparenzthese, nicht die Flüchtigkeits-These zu eigen machen? Bevor wir dieser Frage nachgehen, wollen wir einen genaueren Blick auf das Verhältnis der Flüchtigkeits-These und der Transparenzthese werfen. Auf den ersten Blick scheint nicht nur kein Widerspruch zwischen beiden Thesen zu bestehen, die große Ähnlichkeit von (Flucht.-neg.) mit (Trans.-neg.) erweckt zudem den Eindruck, beide Thesen besagten etwas sehr Ähnliches. Dieser Eindruck ist jedoch verfehlt. Das wird erkennbar, sobald man sich andere Transparenz-Behauptungen vergegenwärtigt, als deren Verwandte wir die Transparenzthese eingeführt hatten. Erinnern wir uns zum Beispiel an die klassische Formulierung von Harman: »When Eloise sees a tree before her, the colours she experiences are all experienced as features of the tree and its surroundings. Nor does she experience any features of anything as intrinsic features of her experiences. And that is true of you too […] Look at a tree and try to turn your attention to intrinsic features of your visual experience. I predict that you will find that the only features there to turn your attention to will be features of the tree […].« 150
Interpretiert als allgemeine These, widerspricht Harmans Transparenz-Behauptung eindeutig der Flüchtigkeits-These. Denn Harman verneint gerade, dass das der Fall ist (möglich ist), wovon in (Flucht.-pos.) behauptet wird, dass es der Fall ist (möglich ist). Er verneint, dass dem Subjekt einer Erfahrung diese Erfahrung irgendwie erscheint. Die Transparenzthese ist insofern mit Harmans These verSubjekt, sondern stets nur der Körper eines Subjektes erscheinen könne. Unser Interesse gilt jedoch der Sache selbst und nicht der Frage, was Humes Auffassung dazu gewesen sein könnte.) 149 Das sind in etwa die Überlegungen, die auch Humes Auffassung zugrunde liegen dürften (vgl. dazu z. B. Howell (2010)). 150 G. Harman (1990), S. 667.
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wandt, als sie auf denselben phänomenologischen Überlegungen beruht. 151 Das legt nahe, dass sich auch die Transparenzthese, entgegen dem ersten Anschein, signifikant von der Flüchtigkeits-These unterscheidet. Und genauso verhält es sich. Der Unterschied ist allerdings nicht allein am Wortlaut der Transparenzthese erkennbar. Er ergibt sich erst vor dem Hintergrund einer versteckten Voraussetzung. Bereits bei der Einführung der Transparenzthese haben wir vorausgesetzt, dass Folgendes gilt: Es ist nicht möglich, dass jemandem eine Eigenschaft eines Gegenstandes phänomenal erscheint, ohne dass ihm der Gegenstand phänomenal erscheint, um dessen Eigenschaft es sich handelt. 152 Diese Voraussetzung soll das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens heißen. Gerade aufgrund dieses Prinzips haben wir die Transparenzthese als eine These über das Nicht-Erscheinen von Subjekten von Erfahrungen formuliert – und nicht, wie es für gewöhnlich geschieht, als eine These über das Nicht-Erscheinen von Erfahrungen. Und nur, weil wir die Transparenzthese in dieser Weise formuliert haben, widerspricht sie der Flüchtigkeits-These nicht in offensichtlicher Weise – wie es beispielsweise Harmans Transparenz-Behauptung tut. Das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens ist aber zugleich die Voraussetzung, aus der sich die Unvereinbarkeit der Transparenzthese mit der Flüchtigkeits-These ergibt. Das entsprechende Argument ist einfach:
Siehe Kapitel 5. Ein interpretatorischer Hinweis: Die Formulierung »jemandem erscheint (phänomenal) die Eigenschaft eines Gegenstandes« ist zweideutig. Sie kann so viel bedeuten wie: »jemandem erscheint die Eigenschaft, die de facto die Eigenschaft eines bestimmten Gegenstandes ist«, oder sie kann so viel bedeuten wie: »jemandem erscheint die Instanziierung einer Eigenschaft an einem bestimmten Gegenstand«. Würde die Formulierung im Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens im ersten Sinn gelesen werden, wäre das Prinzip offenkundig falsch. Es ist selbstverständlich möglich, dass jemandem die Eigenschaft, die de facto die Eigenschaft eines bestimmten Gegenstandes ist, erscheint, ohne dass ihm dieser Gegenstand erscheint. Wenn mir beispielsweise die Farbe eines Musters meiner Tapete erscheint, erscheint mir (in diesem Sinn) die Farbe meiner Tapete, ohne dass mir meine Tapete erscheint. Das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens muss also im zweiten Sinn gelesen werden. 151 152
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(P1) Es ist nicht möglich, dass jemandem eine Eigenschaft eines Gegenstandes phänomenal erscheint, ohne dass ihm der Gegenstand phänomenal erscheint, um dessen Eigenschaft es sich handelt (Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens). (P2) Erfahrungen sind Eigenschaften von Subjekten. (K1) Es ist nicht möglich, dass jemandem eine Erfahrung phänomenal erscheint, ohne dass ihm das Subjekt phänomenal erscheint, dessen Erfahrung sie ist. Aus (K1) folgt weiter: (K2) (Trans.-neg.) (Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm nicht als Subjekt seiner Erfahrung.) ist mit (Flucht.-pos.) (Es ist möglich, dass einem Subjekt seine Erfahrungen erscheinen.) unvereinbar. Sollte (K2) richtig sein, wäre die Transparenzthese also mit der Flüchtigkeits-These unvereinbar. Damit aber nicht genug. Aus (K1) folgt zudem: (K3) (Flucht.-pos.) (Es ist möglich, dass einem Subjekt seine Erfahrungen erscheinen.) ist mit (Flucht.-neg.) (Es ist nicht möglich, dass ein Subjekt sich selbst als Subjekt erscheint.) unvereinbar. Sollte (K1) wahr sein, wäre die Flüchtigkeits-These also nicht nur mit der Transparenzthese unvereinbar. Sie wäre überdies mit sich selbst unvereinbar. 153 Bemerkenswert ist dabei, dass es dann gerade die Kombination von Merkmalen wäre, die die Flüchtigkeits-These auf den ersten Blick attraktiv erscheinen lässt, die sie inkonsistent werden lässt. Die Flüchtigkeits-These erscheint attraktiv, so haben wir festgestellt, weil sie der phänomenologischen Tatsache gerecht wird, dass wir uns nicht als Subjekte erscheinen [(Flucht.-neg.)], ohne der 153 Roderick Chisholms einflussreiche Argumentation gegen Humes These, aus der wir die Flüchtigkeits-These abgeleitet haben, ist diesem Argument sehr ähnlich. Chisholm kommentiert die oben zitierte Passage von Hume wie folgt: »[…] if appearances […] are ›parasites upon‹ or ›modifications of‹ the one who is appeared to, then what one apprehends when one apprehends heat or cold, light or shade, love or hatred, is simply oneself.« (Chisholm (1976), S. 52) Das Antezedens dieses Konditionalsatzes entspricht in etwa (P2) und die Prämisse, auf der der Schluss von dem Antezedens auf das Konsequenz beruht, ist unverkennbar etwas wie das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens (zu ähnlichen Überlegungen vgl. ebenfalls Chisholm (1969) sowie Shoemaker (1996), Kap. 1).
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scheinbar zwingenden Annahme zu widersprechen, dass Selbstbewusstsein irgendeine Art des Erscheinens seiner eigenen mentalen Zustände sein müsse [(Flucht.-pos.)]. Sollte (K1) aber wahr sein, hieße das, dass sich gerade diese beiden Dinge nicht unter einen Hut bringen ließen. Da der Schluss von (P1) und (P2) auf (K1) gültig ist, hängt die Antwort auf die Frage, ob die Flüchtigkeits-These eine attraktive Alternative zur Transparenzthese darstellt, also von der Wahrheit von (P1) und (P2) ab. (P2) sehe ich mit Nida-Rümelin und anderen als begriffliche Wahrheit an. 154 155 Demnach hängt alles von (P1), dem Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens, ab. Dieses Prinzip wollen wir im Folgenden diskutieren. Richtig verstanden, ist es bereits auf den ersten Blick recht plausibel. Dennoch lassen sich Einwände finden. Der erste dieser Einwände macht sich eine bekannte Idee Humes zu eigen. 156 Hume vertritt die Auffassung, Gegenstände seien nichts als Bündel von Eigenschaften, denen kein zusätzliches Substrat zugrunde liege. 157 Wir können diese Auffassung die Bündel-Theorie von Gegenständen nennen. Versteht man nun die Behauptung, jemandem erscheine ein Gegenstand, als die Behauptung, jemandem erscheine ein einem Bündel von Eigenschaften zugrundeliegendes Substrat, wäre das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens in der Tat falsch. Denn da es nach Humes Bündel-Theorie von Gegenständen ein solches Substrat nicht gibt, kann es auch niemandem erscheinen – auch niemandem, dem mindestens eine der Eigenschaften aus dem Bündel erscheint, das Vgl. Nida-Rümelin (2008) und (2012). Daraus folgt unter anderem, dass eine, häufig im Zusammenhang mit Humes ursprünglicher Formulierung erwähnte, Verteidigungsstrategie zugunsten der Flüchtigkeitsthese ins Leere geht. Sydney Shoemaker beispielsweise weist darauf hin, dass Hume mit Wahrnehmungen mentale Einzeldinge wie Sinnesdaten gemeint haben könnte (vgl. Shoemaker (1996), S. 7). Sobald man diesen Sprachgebrauch übernimmt und »Erfahrungen« so versteht, dass auch Sinnesdaten darunter fallen würden, wenn es sie gäbe, würde das Argument in der Tat nicht mehr funktionieren. (P2) wäre falsch. Denn Sinnesdaten sind keine Instanziierungen mentaler Eigenschaften an Subjekten. Sie sind vielmehr phänomenale Gegenstände, die in der Relation des Sich-Präsentierens zu Subjekten stehen. Das obige Argument bleibt von dieser Strategie jedoch unberührt. Denn der Begriff der Erfahrung, der in dem Argument enthalten ist, entspricht eben nicht dem Sprachgebrauch, den diese Strategie Hume unterstellt. Gemäß diesem Begriff sind Sinnesdaten keine Erfahrungen, sondern Gegenstände von Erfahrungen und (P2) ist eine begriffliche Wahrheit. 156 Vgl. Howell (2010), S. 466. 157 Vgl. Hume, (2007), Buch 1, Teil 1, Abschnitt 6. 154 155
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den fraglichen Gegenstand ausmacht. Dazu passt, dass Hume auch in Bezug auf Subjekte eine Bündel-Theorie vertritt – die sogenannte Bündel-Theorie des Selbst. 158 Die Bündel-Theorie des Selbst besagt, analog zur Bündel-Theorie von Gegenständen, dass jedes Subjekt nichts als ein Bündel mentaler Eigenschaften (Erfahrungen …) sei, dem kein zusätzliches Substrat zugrunde liege. Analog zu der soeben vorgestellten Kritik an dem Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens lässt sich auf der Grundlage dieser Theorie eine Argumentation zugunsten des negativen Teils der Flüchtigkeits-These [(Flucht.-neg.)] entwickeln. Versteht man die Behauptung, jemandem erscheine ein Subjekt, als die Behauptung, jemandem erscheine ein einem Bündel von mentalen Eigenschaften zugrundeliegendes Substrat, folgt aus der Bündel-Theorie des Selbst, dass es unmöglich ist, dass jemandem ein Subjekt erscheint. (Flucht.neg.) wäre also wahr. Diese Kritik an dem Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens sowie die auf ihr aufbauende Verteidigung von (Flucht.-neg.) können, aus leicht zu erkennenden Gründen nicht überzeugen. Erstens: Weder die Bündel-Theorie von Gegenständen, noch die Bündel-Theorie des Selbst sind für sich genommen sonderlich plausibel. Zweitens: Es ist offenkundig, dass das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens nicht als die These zu lesen ist, es sei unmöglich, dass jemandem eine Eigenschaft eines Gegenstandes phänomenal erscheine, ohne dass ihm ein dieser Eigenschaft zugrunde liegendes Substrat phänomenal erscheine. Die Tatsache, dass mir mein Schreibtisch nur erscheint, indem mir seine Farbe, seine Form usw. erscheint, ist keine Widerlegung dieses Prinzips. Drittens: Wenn die Flüchtigkeits-These eine einigermaßen interessante These sein soll, muss (Flucht.-neg.) eine stärkere These sein als die, die mit der oben geschilderten Argumentation verteidigt werden kann. Denn gemäß dieser Argumentation ist die Unmöglichkeit des Erscheinens eines Subjektes einfach ein Sonderfall der grundsätzlichen Unmöglichkeit des Erscheinens eines Gegenstandes. Wenn die Flüchtigkeits-These aber eine interessante These sein soll, sollte sie etwas über das Erscheinen von Subjekten aussagen, was nicht für das Erscheinen aller Gegenstände gilt. Wie Robert Howell treffend bemerkt:
158
Vgl. ebenda, Buch 1, Teil 4, Abschnitt 6.
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»[…] if the self is particularly elusive, it had better be more so than the table upon which I am writing.« 159
Der erste Einwand gegen das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens kann also nicht überzeugen. Es gibt jedoch weitere: Verschiedene Autoren bieten Beispiele an, die die Falschheit des Prinzips in einer angemessenen, nicht trivialisierenden Lesart zu zeigen scheinen. Dieser Strategie folgt unter anderem Robert Howell im Rahmen seiner ausführlichen Verteidigung der Flüchtigkeits-These. 160 Werfen wir also einen Blick auf die von ihm angeführten Beispiele. Zunächst heißt es: »One can […] perceive the sun’s rising without perceiving the sun. At the moments before the sun itself peeks over the horizon, one can still perceive the sun’s rising by noticing the cast of its rays or by perceiving the brightening of the eastern sky.« 161
Mit dem Beispiel möchte Howell einen Fall schildern, in dem der folgende Satz wahr ist: (1) »Einem Subjekt erscheint die Eigenschaft der Sonne aufzugehen, ohne dass ihm die Sonne erscheint.« Wie die meisten Erscheinens-Sätze ist (1) jedoch mehrdeutig. Und ob Howells Beispiel ein Gegenbeispiel gegen das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens ist, hängt davon ab, ob der Sinn, in dem (1) wahr ist, zugleich ein Sinn ist, in dem (1) dem Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens widerspricht. Der Sinn, in dem (1) wahr ist, lässt sich wie folgt ausdrücken: (1)* »Einem Subjekt erscheint etwas, was nicht die Sonne ist, so, dass dieses Erscheinen eine Evidenz dafür ist, dass die Sonne aufgeht.« Der Sinn von »erscheinen«, gemäß dem (1) (in etwa) (1)* entspricht, haben wir unter der Bezeichnung epistemischer Sinn kennengelernt. Im epistemischen Sinn verwenden wir »erscheinen« immer dann, wenn wir sagen wollen, dass etwas so erscheint, dass dieses Erscheinen eine Evidenz dafür liefert, dass etwas der Fall ist. Dieser Sinn lässt
159 Howell (2010), S. 466. In ganz ähnlicher Weise äußert sich auch Shoemaker (vgl. Shoemaker (1996), S, 208). 160 Vgl. Howell (2010). 161 Ebenda, S. 472.
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es zu, dass der Gegenstand, der uns erscheint, nicht der ist, von dem die Proposition handelt, für deren Wahrheit dieses Erscheinen eine Evidenz liefert. In dem Beispiel erscheinen dem Subjekt (nur) der Himmel und die Sonnenstrahlen. Die Proposition, für die dieses Erscheinen eine Evidenz liefert, ist aber die Proposition, dass die Sonne aufgeht – eine Proposition also, die von der Sonne handelt und nicht von dem Himmel oder den Sonnenstrahlen. Das Problem ist, dass die Wahrheit von (1)* nicht dem Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens widerspricht. Das Prinzip besagt, dass es unmöglich ist, dass jemandem eine Eigenschaft eines Gegenstandes phänomenal erscheint, ohne dass ihm der Gegenstand phänomenal erscheint, um dessen Eigenschaft es sich handelt. Und zu den Wahrheitsbedingungen von (1)* zählt zwar, dass dem Subjekt die Sonne nicht phänomenal erscheint, jedoch nicht, dass ihm die Eigenschaft der Sonne aufzugehen phänomenal erscheint. Wir können also festhalten, dass der Sinn, in dem (1) wahr ist, nicht der Sinn ist, in dem (1) dem Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens widerspricht. Howells erstes Beispiel ist dementsprechend kein Gegenbeispiel. Howell belässt es jedoch nicht bei diesem Beispiel und bietet noch ein zweites an: »One can perceive the cat’s meow without perceiving the cat, and it is unfortunately often the case that one can perceive a smell without perceiving that which is giving off the smell. (Often, finding the cat solves both of these problems.)« 162
Auch dieses Beispiel zeigt jedoch nicht, was es zeigen soll. Zunächst einmal gilt, dass das Beispiel nur unter der Voraussetzung eine Chance hat, dass Gerüche und Geräusche Eigenschaften von Gegenständen sind. Das ist keineswegs selbstverständlich. Für den Moment wollen wir diese Voraussetzung aber akzeptieren. Gerade unter dieser Voraussetzung ist jedoch kein Grund erkennbar, warum das Hören des Miauens oder das Riechen des Geruchs einer Katze keine Fälle des phänomenalen Erscheinens einer Katze sein sollten. Hören und Riechen sind Zustände des phänomenalen Erscheinens. Und unter der Voraussetzung, dass man Gegenstände überhaupt hören oder riechen kann, scheinen das Hören des Miauens oder das Riechen des Geruchs
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Ebenda, S. 472.
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einer Katze ebenso gute Beispiele hierfür zu sein, wie jedes andere auch. Wie sonst, so könnte man fragen, sollte ein solcher Fall aussehen? Hört man die Katze, wenn sie schnarcht, wenn sie hinfällt … ? Und wenn ja, was würde diesen Unterschied ausmachen? Es dürfte klar sein, dass es auf diese Fragen keine guten Antworten geben wird. Die Voraussetzung, man könne Gegenstände hören oder riechen zu bestreiten, ist für den Gegner des Prinzips der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens ebenfalls kein Ausweg. Denn der – soweit ich sehe einzige – Grund, warum die genannte Voraussetzung zweifelhaft ist, ist gerade, dass es zweifelhaft ist, ob Geräusche und Gerüche Eigenschaften von Gegenständen sind. Möglicherweise ist es besser, sie als Sinneseindrücke oder (physische) Ereignisse aufzufassen – wobei man Ereignissen einen unabhängigen ontologischen Status zuspricht. Wenn Geräusche und Gerüche aber keine Eigenschaften von Gegenständen wären, wäre das Hören des Miauens (das Riechen des Geruchs) einer Katze ohne das Erscheinen der Katze auch kein Beispiel mehr für das Erscheinen einer Eigenschaft eines Gegenstandes ohne ein Erscheinen dieses Gegenstandes. Es bestünde also kein Widerspruch zum Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens. Wir können festhalten, dass es sich auch bei Howells zweitem Beispiel nicht um ein Gegenbeispiel gegen dieses Prinzip handelt. 163 Weitere Typen von Beispielen, die ernsthaft als Gegenbeispiele gegen das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens in Frage kommen, sind mir nicht bekannt. 164 Wir können das 163 Ein naheliegender Verdacht ist, dass hinter dem Beispiel die unausgesprochene Vorstellung steht, dass man einen Gegenstand nur dann ›wirklich‹ wahrnimmt, wenn man ihn visuell wahrnimmt. Solange man Hören und Riechen jedoch als Arten von Wahrnehmungen anerkennt, ist diese Vorstellung nicht haltbar. 164 Nicht ernsthaft in Frage kommen z. B. Beispiele die auf einer bestimmten Auffassung von Halluzinationen beruhen. Gemäß dieser Auffassung sind Halluzinationen Zustände des Erscheinens, in denen einem Subjekt nicht-instanziierte Eigenschaften erscheinen (vgl. z. B. Dretske (1999), Forrest (2005), Johnston (2004) oder Tye (2000)). Sollte diese Auffassung richtig sein, würde dem Subjekt einer Halluzination eine Eigenschaft erscheinen, ohne dass ihm ein Gegenstand erschiene. Das mag zunächst nach einem Problem für das Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens aussehen. Bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch schnell heraus, dass dieser Eindruck täuscht. Wir haben oben festgestellt, dass das Prinzip wie folgt zu lesen ist: Es ist nicht möglich, dass jemandem die Instanziierung einer Eigenschaft an einem Gegenstand phänomenal erscheint, ohne dass ihm dieser Gegenstand phänomenal erscheint. Was bei Halluzinationen gemäß der geschilderten Auffassung der Fall wäre, wäre aber gerade, dass einem nicht-instanziierte Eigenschaften erscheinen.
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7 · Die Transparenz des Erscheinens und die Flüchtigkeit des Ichs
Prinzip also als bestätigt ansehen und an unserem Argument für (K1) – (K3) festhalten. Damit ist auch die Flüchtigkeits-These als nicht haltbar erwiesen und wir können uns im folgenden Kapitel wieder der Transparenzthese zuwenden.
Es besteht also kein Widerspruch zum Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens. Aber selbst wenn Halluzinationen Gegenbeispiele gegen das Prinzip wären, würde das einem Verteidiger der Flüchtigkeits-These nicht viel helfen. Denn sollte es wahr sein, dass einem Subjekt seine Erfahrungen erscheinen, ohne dass es sich selbst (als Subjekt dieser Erfahrungen) erscheint (d. i. sollte die FlüchtigkeitsThese wahr sein), dann sicher nicht deswegen, weil Subjekte systematisch einer ›introspektiven Halluzination‹ unterlägen.
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8 Die Transparenz der visuellen Wahrnehmung
Die Transparenzthese ist, wie wir wiederholt festgestellt haben, eine These, in der sich das Wesen von Zuständen des Erscheinens ausdrücken soll. Als solche hat sie den Anspruch, für alle möglichen Zustände des Erscheinens Gültigkeit zu besitzen. Eine Folge dieses relativ hohen Grades an Allgemeinheit ist ein gewisser Mangel an Anschaulichkeit. Je allgemeiner eine These ist, desto stärker muss man von einem anschaulich gegebenen Einzelfall abstrahieren, um zu der entsprechenden These zu gelangen. Sowohl für das Verständnis als auch zur Bestätigung solcher allgemeiner Thesen ist deren Zurückführung auf anschaulich gegebene Einzelfälle jedoch oft hilfreich, wenn nicht unverzichtbar. Mit der Transparenzthese verhält es sich in dieser Hinsicht nicht anders. Wir verstehen ihre Bedeutung besser und akzeptieren ihre Wahrheit leichter, wenn wir sie auf anschaulich gegebene Einzelfälle zurückführen. In diesem Kapitel werden wir versuchen eben dies zu tun. Dabei werden wir eine Art von Fällen betrachten, in Bezug auf die wir über besonders klare Intuitionen verfügen: Fälle der visuellen Wahrnehmung. Wir werden untersuchen, ob die Transparenzthese durch die visuelle Wahrnehmung bestätigt wird (v. a. Abschnitt 8.1) und wie genau sich ihre Wahrheit in der visuellen Wahrnehmung zeigt (Abschnitt 8.2). Den letztgenannten Aspekt werden wir in eine umfassendere Untersuchung der Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung einbetten, auf deren Ergebnisse wir uns im weiteren Verlauf der Arbeit stützen werden. 165
165 Da es im Folgenden fast ausschließlich um visuelle Wahrnehmungen geht, ist »erscheinen«, wenn nicht anders angezeigt, stets im Sinne von »visuell erscheinen« zu verstehen.
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… und das Bild vom phänomenalen Anstrich
8.1 Die Transparenz der visuellen Wahrnehmung und das Bild vom phänomenalen Anstrich Wir wollen damit beginnen, einen Blick auf ein Beispiel einer inadäquaten Beschreibung der Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung zu werfen. In dem Aufsatz The Content and Epistemology of Phenomenal Belief bietet David Chalmers die folgende erstpersönliche Beschreibung einer Wahrnehmung eines roten Apfels an: 166 »I look at a red apple, and visually experience its colour. This experience instantiates a phenomenal quality R, which we might call phenomenal redness. It is natural to say that I am having a red experience, even though of course experiences are not red in the same sense in which apples are red. Phenomenal redness (a property of experiences, or subjects of experiences) is a different property from external redness (a property of external objects), but both are respectable properties in their own right. I attend to my visual experience, and think I am having an experience of such-and-such quality, referring to the quality of phenomenal redness.« 167
Machen wir uns zunächst im Einzelnen klar, was Chalmers hier behauptet. Chalmers unterscheidet zwischen zwei Arten von Röte: der äußeren Röte (»external redness«) und der phänomenalen Röte (»phenomenal redness«). Die erste soll eine Eigenschaft des Apfels sein, den er wahrnimmt, während die zweite eine Eigenschaft der Erfahrung (der Wahrnehmung) dieses Apfels sein soll. Weiterhin spricht Chalmers davon, dass er die äußere Röte des Apfels visuell erfährt (»visually experience«) und auf die phänomenale Röte seiner Erfahrung seine Aufmerksamkeit richtet (»attend to«). Unter der Voraussetzung, dass ein Subjekt seine Aufmerksamkeit nur auf etwas richten kann, das ihm auch erscheint, folgt aus beiden Behauptungen, dass ihm (Chalmers) beide Eigenschaften erscheinen. Darüber hinaus betont Chalmers, dass beide Eigenschaften von grundsätzlich verschiedener Art sind (»experiences are not red in the same sense in which apples are red«). Die Tatsache, dass er die phänomenale EigenFairerweise sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es in dem Aufsatz nicht um die Phänomenologie der Wahrnehmung geht, sondern um phänomenale Begriffe und die Urteile, in denen sie enthalten sind. Die zitierte Beschreibung hat lediglich einführenden Charakter. Entsprechend sollte ihr nicht zu viel Gewicht beigemessen werden, wenn es um Chalmers definitive Auffassung hinsichtlich der Phänomenologie der Wahrnehmung geht. Und andere Arbeiten von Chalmers zeigen, dass diese Zurückhaltung in der Tat angebracht ist (vgl. z. B. Chalmers (2006b)). 167 Chalmers (2003), S. 223. 166
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8 · Die Transparenz der visuellen Wahrnehmung
schaft der Erfahrung der Röte des Apfels ebenfalls als eine Art der Röte bezeichnet, macht aber auch deutlich, dass er von einer engen Korrelation beider Eigenschaften ausgeht. 168 Diese Auslegung der zitierten Passage könnte zunächst einmal ein Missverständnis und einen Einwand provozieren. Das Missverständnis besteht darin, Chalmers Beschreibung in dieser Lesart mit der zu verwechseln, die ein Vertreter einer Sinnesdatentheorie oder einer anderen Form von indirektem Realismus geben würde. Gemäß Chalmers Beschreibung erscheinen ihm zwei Eigenschaften (zwei Instanzen von Röte) sozusagen nebeneinander. Etwas Derartiges würde ein Vertreter des indirekten Realismus nicht behaupten. Er würde die Situation vielmehr so beschreiben, dass ihm eine Eigenschaft indirekt erscheint, indem ihm die andere direkt erscheint. Der Einwand ist, dass unsere Auslegung insofern voreilig sei, als in Chalmers Beschreibung nicht enthalten sei, dass ihm die phänomenale Eigenschaft, ebenso wie die äußere Eigenschaft, erscheine. Die Beschreibung lasse auch die Möglichkeit zu, dass er zu der phänomenalen Eigenschaft in irgendeiner engeren epistemischen Relation als der des Erscheinens stünde. Dieser Einwand wird vor allem vor dem Hintergrund verständlich, dass visuelle Wahrnehmungen das paradigmatische Beispiel für Zustände des Erscheinens im hier zugrunde liegenden Sinn sind. Es erscheint auf den ersten Blick plausibel, dass man Chalmers Beschreibung zustimmen könnte, ohne annehmen zu müssen, der kognitive Zugang zu unseren phänomenalen Qualitäten hätte große Ähnlichkeit mit einer visuellen Wahrnehmung. In Kapitel 9 werde ich versuchen zu zeigen, dass zumindest die gängigen Auffassungen, die hinter einer solchen alternativen Lesart stehen könnten, nicht haltbar sind. An dieser Stelle müssen wir dieses Ergebnis jedoch noch nicht vorwegnehmen. Wir können unter Vorbehalt akzeptieren, dass Chalmers Beschreibung alternative Lesarten zulässt, und festlegen, dass wir uns nur mit der oben vorgestellten befassen werden. Verallgemeinert man Chalmers Beschreibung (in dieser Lesart), so ergibt sich eine Auffassung, die ich, in Anlehnung an eine vor 168 Der Grund für die Annahme, es müsse eine Korrelation zwischen beiden Eigenschaften vorliegen, liegt auf der Hand: Es scheint u. a. die phänomenale Qualität einer Erfahrung zu sein, die sie zu der Erfahrung einer bestimmten Farbe macht. Es ist allerdings fraglich, ob phänomenale Qualitäten diese Rolle im Rahmen der Auffassung, die wir Chalmers zuschreiben werden, überhaupt spielen können. Später wird sich zeigen, dass dies nicht der Fall ist.
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… und das Bild vom phänomenalen Anstrich
allem von Ned Block gerne verwendete Metapher, die Auffassung vom phänomenalen Anstrich 169 nennen möchte. Obwohl diese Auffassung zumindest implizit durchaus weit verbreitet ist, wird sie sich bei näherem Hinsehen als hoffnungslos inadäquat erweisen. In ihr sind verschiedene, miteinander zusammenhängende Vorstellungen enthalten: Erstens: Die Vorstellung, dass das Bewusstsein phänomenaler Eigenschaften eine Art des Erscheinens dieser Eigenschaften (und der Gegenstände, an denen sie instanziiert sind) ist. Mit »Erscheinen« ist dabei das gemeint, was in der Transparenzthese damit gemeint ist und was wir in den vorangehenden Abschnitten versucht haben zu erläutern. Ein Zustand, in dem sich das, was erscheint, dem Subjekt des Zustandes präsentiert. Da das Paradigma von Zuständen des Erscheinens Wahrnehmungen sind, soll dieser Aspekt die Wahrnehmungsvorstellung heißen. 170 Zweitens: Die Vorstellung, dass das Subjekt einer Wahrnehmung sich selbst auf prinzipiell dieselbe Art als Träger phänomenaler Eigenschaften erscheint, wie ihm zum Beispiel ein Apfel in der Wahrnehmung als rot erscheint. Mit anderen Worten: dass phänomenale Eigenschaften an Subjekten instanziierte sensorische Eigenschaften sind. Diese Vorstellung soll die Gegenstandsvorstellung des Subjektes heißen. 171 169 Block spricht in Bezug auf phänomenale Eigenschaften von mentalem Anstrich hmental painti und mentalem Öl hmental oili beziehungsweise mentalem Latex hmental latexi (vgl. Block (1996) sowie (2003). In (2003) ersetzt Block, ohne erkennbare Bedeutungsverschiebung, »mental latex« durch »mental oil«). 170 Die Bezeichnung »Wahrnehmungsvorstellung« soll hier nicht in tendenziöser Weise die Falschheit der Auffassung vom phänomenalen Anstrich vorwegnehmen. Wir können (und sollten) zugestehen, dass sich das Erscheinen des Subjektes in dieser Vorstellung erheblich von einer gewöhnlichen visuellen Wahrnehmung unterscheidet. Ich habe die Bezeichnung gewählt, um einen Aspekt zu betonen, der für Zustände des Erscheinens wesentlich ist und der in der visuellen Wahrnehmung besonders augenfällig ist: Das Erscheinen eines Subjektes in der Wahrnehmungsvorstellung weist eine Subjekt-Gegenstands-Struktur auf. Damit unterscheidet sich diese Vorstellung in einer entscheidenden Hinsicht von Auffassungen, die ein sog. präreflexives Selbstbewusstsein annehmen (vgl. Zahavi (2005)). Diese Auffassungen werden uns später noch beschäftigen (siehe Abschnitt 10.1.2). 171 Es ist wichtig, diese Vorstellung nicht mit einer verwandten Vorstellung zu verwechseln, der wir später noch begegnen werden und die ich Gegenstandsvorstellung der Erfahrung nennen werde. Die Gegenstandsvorstellung der Erfahrung ist die Vorstellung, dass Erfahrungen von ihrem Subjekt verschiedene Einzeldinge sind, die sich irgendwie innerhalb des Geistes befinden und die dem Subjekt der Wahrnehmung auf
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8 · Die Transparenz der visuellen Wahrnehmung
Drittens: Die dritte Vorstellung ergibt sich aus den ersten beiden zusammen mit der Annahme, dass phänomenale und äußere Eigenschaften miteinander korreliert sind. Es folgt, dass jedem Subjekt, das eine äußere Eigenschaft wahrnimmt, zusätzlich noch eine mit dieser Eigenschaft korrelierte phänomenale Eigenschaft seiner Wahrnehmung erscheint. Diese Vorstellung soll schlicht Verdoppelungsvorstellung heißen. Sobald diese Auffassung in dieser Weise explizit gemacht worden ist, mag sie dem einen oder anderen bereits ziemlich abwegig erscheinen. Es wäre jedoch ein Fehler, zu glauben, es handle sich um einen reinen Strohmann. Brian Loar beispielsweise beschreibt ziemlich genau dieselbe Auffassung als Standardauffassung über Qualia hstandard view of qualiai: »I take the standard view to be this: normal visual experiences of the surface property of being red, which may be a primary or secondary quality, have a distinct intrinsic and introspectable property that we may call ›red*‹. This property is the subjective feel of those visual experiences, what it is like to have them. Red* is a paradigm visual quale; and according to most proponents of qualia we can discern it by reflecting on our experience and thereby be aware of it as a purely qualitative property of experience and not a property of the ordinary objects of experience.« 172
In der Tat sind Auffassungen wie die Auffassung vom phänomenalen Anstrich oder die von Loar beschriebene Standardauffassung über Qualia keineswegs selten – auch wenn, oder gerade weil sie nur selten klar formuliert werden. 173 Wie aber verhält es sich mit der Wahrheit derartiger Auffassungen und insbesondere der Wahrheit der Verdoppelungsvorstellung? Diese Frage zu beantworten ist, so scheint mir, nicht schwer. Es ist sicher nicht voreilig zu behaupten, dass Chalmers Beschreibung der tatsächlichen Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung nicht gerecht wird. Den entscheidenden Punkt macht beispielsweise Eddy M. Zemach im Rahmen einer an John Searle (dem er eine der Auffassung vom phänomenalen Anstrich sehr ähnliche Auffassung unterstellt) gerichteten Kritik sehr schön deutlich. Dort heißt es: prinzipiell dieselbe Art als Träger phänomenaler Eigenschaften erscheinen, wie ihm z. B. ein Apfel in der Wahrnehmung als rot erscheint. 172 Loar (2003), S. 77 f. Loar selbst macht sich diese Auffassung nicht zu Eigen. 173 Vgl. z. B. Block (1995), (1996), (2003) oder (2007b), Chalmers (1996), Jackson (1982) und (1986) oder Kim (1998).
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… und das Bild vom phänomenalen Anstrich
»Searle holds that perceptual experiences have phenomenal properties that determine their satisfaction conditions. These properties, he says […], are not the well known properties of being red, or square, etc., for those properties are of materials [sic!] objects that experiences are of, and not properties of the experiences themselves. But Searle never says what the phenomenal properties of experiences are. Note that the said properties are such that we are made aware of them by sensory means, i. e., by looking or listening. […] What can those properties be, if not the good old properties red, square, etc.?« 174
Die Frage, die Zemach am Ende stellt, ist natürlich rhetorischer Natur. Sie weist darauf hin, dass es, neben den ›guten alten‹ äußeren Eigenschaften, einfach keine Eigenschaften gibt, die uns in der Wahrnehmung erscheinen. Die Verdoppelungsvorstellung (die sich aus den anderen beiden Vorstellungen der Auffassung vom phänomenalen Anstrich ergibt), ist schlicht falsch. Wenn ich einen roten Apfel wahrnehme (und nichts anderes Rotes wahrnehme), erscheinen mir nicht zwei miteinander korrelierte Instanzen von Röte. Mir erscheint nicht neben der Röte des Apfels noch die (vermeintliche) phänomenale Röte meiner Wahrnehmung des Apfels. Vielmehr erscheint mir genau eine (Instanz von) Röte – und das ist die Röte des Apfels. Das, so möchte ich behaupten, ist eine unbestreitbare phänomenologische Tatsache. Was bedeutet dieses Ergebnis nun aber für die Frage nach der Wahrheit der Transparenzthese? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst einmal über das genaue logische Verhältnis der Auffassung vom phänomenalen Anstrich zur Transparenzthese klar werden. Dass sich beide nicht gut vertragen, ist bereits auf den ersten Blick erkennbar. Sie stehen allerdings nicht in direktem Widerspruch zueinander. So, wie sie oben dasteht, lässt die Auffassung vom phänomenalen Anstrich die Möglichkeit zu, dass das Erscheinen als Träger phänomenaler Eigenschaften kein Erscheinen als Subjekt ist. In diesem Fall läge kein direkter Widerspruch zur Transparenzthese vor. Natürlich wäre dies für einen Vertreter der Auffassung vom phänomenalen Anstrich keine attraktive Möglichkeit. Denn die Vorstellung des Erscheinens phänomenaler Qualitäten dürfte nur schwer von der Idee eines Erscheinens als Subjekt einer Erfahrung trennbar sein. Dieser Frage müssen wir jedoch nicht weiter nachgehen. Da, wie wir feststellen werden, die Auffassung vom phänomenalen Anstrich 174
Zemach (1991), S. 173.
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8 · Die Transparenz der visuellen Wahrnehmung
falsch ist, ist für uns nicht in erster Linie interessant, was aus der Wahrheit dieser Auffassung folgt, sondern was aus ihrer Falschheit folgt. Und hier stoßen wir auf einen wichtigen Zusammenhang. Der Zusammenhang besteht zwischen der Transparenzthese und der Falschheit der Verdoppelungsvorstellung. Aus der Falschheit der Verdoppelungsvorstellung folgt, zusammen mit zwei unproblematischen Hintergrundannahmen, die Wahrheit der Transparenzthese. Die Hintergrundannahmen sind: (a) Wenn die Verdoppelungsvorstellung falsch ist, dann erscheinen uns nicht etwa nur phänomenale Eigenschaften, sondern nur äußere Eigenschaften. (b) Wenn jemandem etwas als Träger einer äußeren Eigenschaft erscheint, erscheint es ihm als Gegenstand und nicht als Subjekt. Der Gegner der Transparenzthese ist, möchte er nicht mit (a) oder (b) in Konflikt geraten, auf die Verdoppelungsvorstellung festgelegt. Es ist nicht möglich, dass einem Subjekt, neben einem äußeren Gegenstand zugleich es selbst (als Subjekt seiner Erfahrung) erscheint, ohne dass ihm auch, neben äußeren Eigenschaften, entsprechende Eigenschaften seiner selbst (phänomenale Eigenschaften) erscheinen. Wir können also festhalten: Wenn die Auffassung vom phänomenalen Anstrich falsch ist (genauer: wenn die Verdoppelungsvorstellung falsch ist), ist die Transparenzthese wahr. Und da sich die Auffassung vom phänomenalen Anstrich bereits als falsch herausgestellt hat, können wir die Transparenzthese als bestätigt ansehen. Abschließend noch eine Bemerkung zur Einordnung dieses Ergebnisses: Die Falschheit der Auffassung vom phänomenalen Anstrich und der Verdoppelungsvorstellung sollte lediglich als ein zusätzlicher Grund zugunsten der Transparenzthese angesehen werden. Den eigentlichen, tieferen Grund haben wir bereits kennengelernt: Die Eigenschaft, das Subjekt einer Erfahrung zu sein, ist einfach keine Eigenschaft, als deren Träger jemand erscheinen kann. Das bedeutet: Selbst wenn die Verdoppelungsvorstellung korrekt wäre, d. h. selbst wenn uns neben jeder äußeren Eigenschaft, die wir wahrnähmen, eine mit dieser korrelierte (phänomenale) Eigenschaft unserer selbst erschiene, wäre die Transparenzthese wahr. In diesem Fall würden wir uns selbst, neben den äußeren Gegenständen, als Gegenstände erscheinen. Was den zusätzlichen Grund für unsere Zwecke wertvoll macht ist, dass er viel anschaulicher und leichter einsehbar ist als die recht abstrakten Überlegungen in Kapitel 6. 198 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Die präsentationale Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung
8.2 Die präsentationale Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung Im vorherigen Abschnitt haben wir aus der Falschheit einer bestimmten Vorstellung (der Verdoppelungsvorstellung), zusammen mit zwei unproblematischen Hintergrundannahmen, auf die Wahrheit der Transparenzthese geschlossen. Damit wollen wir uns jedoch nicht begnügen. In unserer Beschäftigung mit der visuellen Wahrnehmung geht es uns auch darum, die Transparenzthese und die Natur des Erscheinens noch besser zu verstehen. Und im Sinne dieses Zieles interessiert es uns, in welchen positiven Merkmalen der visuellen Wahrnehmung sich die Wahrheit der Transparenzthese und die Natur des Erscheinens ausdrücken. Das werden wir in diesem Abschnitt versuchen herauszuarbeiten. Wir werden zunächst eine, wie ich hoffe, adäquate Beschreibung der Phänomenologie der Wahrnehmung vorlegen, und diese anschließend als Ausdruck der Wahrheit der Transparenzthese deuten. Beginnen wir ohne Umschweife: Die folgende Beschreibung aus der Erste-Person-Perspektive scheint mir die für unsere Zwecke wesentlichen Aspekte zu enthalten: Vor mir spannt sich (zu einem bestimmten Zeitpunkt) ein dreidimensionales, einheitliches und umfassendes Wahrnehmungsfeld auf. Das Wahrnehmungsfeld ist mit Inhalten verschiedener Art angefüllt. Die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes sind mir auf unmittelbare Weise präsent. Darüber hinaus ist mir nichts auf unmittelbare Weise präsent. Das, so möchte ich behaupten, ist eine gute Beschreibung dessen, was der Fall sein muss, wenn mir etwas in der visuellen Wahrnehmung auf irgendeine Art erscheint. Die vorgelegte Beschreibung lässt allerdings noch einigen Raum für Missverständnisse. Daher ist zunächst ein ausführlicher Kommentar nötig: (1) Verschiedene Ausdrücke wie »Wahrnehmungsfeld« und »Inhalt des Wahrnehmungsfeldes« werfen die bereits bekannte Frage auf, ob mit ihrer Verwendung nicht vielleicht unnötige und unerwünschte ontologische Verpflichtungen verbunden sind. Das können wir verneinen. Die Beschreibung ist eine, wie wir annehmen wollen, korrekte Beschreibung der Phänomenologie der Wahrnehmung, das heißt, sie ist eine Beschreibung der Art, wie es aus der Erste-Person-Per199 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
8 · Die Transparenz der visuellen Wahrnehmung
spektive ist, eine Wahrnehmung zu haben. Und die Ausdrücke »Wahrnehmungsfeld« und »Inhalt des Wahrnehmungsfeldes« stehen für nichts anderes als für Aspekte dieser Phänomenologie der Wahrnehmung. Dementsprechend gilt: Die ontologischen Verpflichtungen, die mit der Rede von Wahrnehmungsfeldern und Inhalten von Wahrnehmungsfeldern verbunden sind, sind genau die, die sich aus diesen Aspekten der Phänomenologie der Wahrnehmung ergeben. Welche das sind, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Ein Wahrnehmungsfeld könnte ein Ausschnitt des physikalischen Raumes sein, eine eigene Art von Raum oder die Erscheinung eines Raumes. Ein Inhalt eines Wahrnehmungsfeldes könnte ein konkreter physischer Gegenstand, ein konkreter nicht-physischer Gegenstand (wie etwa ein Sinnesdatum), ein abstrakter Gegenstand (wie etwa eine nicht-instanziierte Eigenschaft) oder gar ein nicht-existierender konkreter Gegenstand sein. Wir werden diese Frage in dieser Arbeit nicht endgültig beantworten können. Wichtig ist jedoch, zwei Dinge zu beachten. Erstens: Die ontologischen Verpflichtungen, die mit der Rede von Wahrnehmungsfeldern und Inhalten von Wahrnehmungsfeldern verbunden sind, mögen sehr gering sein. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese ontologischen Verpflichtungen bestehen. 175 Zweitens: Wir können eine Behauptung wie die Behauptung, jemandem präsentiere sich ein Wahrnehmungsfeld mit bestimmten Inhalten, verstehen und wissen, dass sie wahr ist, ohne über eine klare Vorstellung davon zu verfügen, welche ontologischen Verpflichtungen wir damit eingehen. 176 Das ist eine Besonderheit phänomenologischer Tatsachen. (2) In der Beschreibung heißt es, dass das Wahrnehmungsfeld mit Inhalten verschiedener Art angefüllt sei. Inhalte eines Wahrnehmungsfeldes sind demnach etwas, was sich, in einem nicht-metaphorischen Sinn, innerhalb eines Wahrnehmungsfeldes befindet. Dieser Sinn ist aus der Alltagssprache bekannt. Wir sagen zum Beispiel: Auf diesen Punkt möchte z. B. Broad aufmerksam machen, wenn er schreibt: »[…] you do not get rid of anything by labelling it ›appearance‹.« (Broad (1965), S. 92.) 176 Diesen Punkt übersieht beispielsweise Austen Clark in seiner Kritik an der, wie er es ausdrückt, ›unbekümmerten‹ h›insouciant‹i (vgl. Clark (1996), S. 477) Rede von Wahrnehmungsfeldern. Clark scheint der Ansicht zu sein, dass mit jeder Verwendung des Ausdrucks »Wahrnehmungsfeld« notwendigerweise die Festlegung auf eine bestimmte Ontologie verbunden sein muss. Das ist jedoch nicht der Fall. 175
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Die präsentationale Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung
»Schon bald befand sich der Zug innerhalb (außerhalb) meines Wahrnehmungsfeldes.« Dieser Sinn hat Ähnlichkeit mit dem Sinn von »Inhalt«, wie wir ihn in »Inhalt eines Eimers« finden. Diese Ähnlichkeit ist jedoch begrenzt. Ein Eimer kann beispielsweise leer sein, das heißt, er existiert unabhängig von seinen jeweiligen Inhalten. Ob das für ein Wahrnehmungsfeld ebenfalls gilt, ist äußerst fraglich. 177 Wahrscheinlicher ist, dass ein Wahrnehmungsfeld durch seine Inhalte erst konstituiert wird. 178 In philosophischen Ausdrücken wie »Inhalt einer Überzeugung« wiederum steht »Inhalt« für etwas Abstraktes – einen Gedanken oder eine Proposition. Aus dem soeben Gesagten folgt: Die Inhalte eines Wahrnehmungsfeldes können nur dann abstrakte Entitäten sein, wenn letztere sich in diesem Sinn innerhalb eines Wahrnehmungsfeldes befinden können. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob das der Fall ist. (3) Der Ausdruck »auf unmittelbare Weise präsent« enthält, so wie er hier verstanden werden soll, ein redundantes Element, das lediglich der Betonung dient. Das heißt: Die Behauptung, dass einem etwas auf vermittelte Weise präsent ist, ist sinnlos. Die Möglichkeit, die ausgeschlossen werden soll, ist also nicht, dass die Inhalte auf vermittelte Weise präsent sind, sondern dass sie repräsentiert werden. Während eine Präsentation eine zweistellige Relation zwischen einem Subjekt und etwas Präsentiertem ist, ist eine Repräsentation eine dreistellige Relation zwischen einem Subjekt, etwas Repräsentiertem und etwas Repräsentierendem. 179 177 Dafür müssten zwei Bedingungen erfüllt sein: (a) Ein Wahrnehmungsfeld müsste nichts anderes als ein Ausschnitt des physikalischen Raumes sein und (b) der physikalische Raum bzw. ein Ausschnitt des physikalischen Raumes müsste leer sein können, wie etwa ein Eimer leer sein kann. (b) dürfte auf die newtonsche Konzeption eines absoluten Raumes hinauslaufen, die heute nur noch selten vertreten wird. Und auch (a) ist eine Annahme, die im weiteren Verlauf der Arbeit zunehmend fragwürdig erscheinen wird. 178 Hier könnte eventuell jemand einwenden, dass ein Wahrnehmungsfeld z. B. in vollkommener Dunkelheit doch irgendwie leer sei. Das scheint mir jedoch die falsche Art zu sein, solche Situationen zu beschreiben. Treffender ist es zu sagen, der Inhalt eines solchen Wahrnehmungsfeldes sei vollständig homogen (vgl. u. a. Castañeda (1977), S. 287). 179 An dieser Stelle ist es wichtig, nicht zu übersehen, dass die Tatsache, dass die Inhalte nicht repräsentiert sind, nicht bedeutet, dass die Inhalte keine Sinnesdaten o. ä. sein können. Sinnesdaten sollen die Rolle des Repräsentierenden, nicht die des Repräsentierten spielen. Und es spricht nichts dagegen, dass uns etwas Repräsentie-
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(4) Weiterhin soll das Wahrnehmungsfeld einheitlich und umfassend sein. Zunächst zum zweiten Aspekt: Dass das Wahrnehmungsfeld umfassend ist, bedeutet, dass es alles, was einem visuell erscheint, umfasst. Mit anderen Worten: Visuell zu erscheinen bedeutet, ein Inhalt des Wahrnehmungsfeldes zu sein. Oder, noch anders ausgedrückt: Das Wahrnehmungsfeld ist kein Feld, das man wahrnimmt. Man sieht nicht seine Grenze, wie man etwa die Grenze eines Schachfeldes oder eines Fußballfeldes sieht. Das Wahrnehmungsfeld umfasst schlicht alles, was einem in der Wahrnehmung präsent ist und nichts darüber hinaus. Dass das Wahrnehmungsfeld einheitlich ist, bedeutet, dass es nicht teilbar ist. Es ist sinnlos, von zwei getrennten Hälften eines Wahrnehmungsfeldes zu sprechen, wie man von zwei getrennten Hälften eines Kuchens sprechen kann. Was man für eine Teilung halten könnte, ist entweder die Verkleinerung eines Wahrnehmungsfeldes oder das Entstehen eines zweiten Wahrnehmungsfeldes. 180 (5) Schließlich verdient die Rede von Wahrnehmungsfeldern eine zusätzliche Betonung. Sie drückt ein Wesensmerkmal visueller Wahrnehmungen aus, auf das beispielsweise Hector-Neri Castañeda nachdrücklich hingewiesen hat: »To perceive is not so much to perceive this or that, but to perceive a perceptual field, in which there is, often, this or that. Visual fields, much more than the tomatoes, the pens, and the cubes in them, are the primary objects of visual consciousness.« 181
Eine visuelle Wahrnehmung ist nie die Wahrnehmung eines vollständig isolierten einzelnen Gegenstandes. Es ist wesentlich für visurendes seinerseits präsentiert wird. Vielmehr scheint genau dies der Fall sein zu müssen. 180 Grundsätzlich interessanter als die Einheit des Wahrnehmungsfeldes ist aber die Einheit des Bewusstseins, auf die sie verweist. Das Bewusstsein bildet in einem noch grundlegenderen Sinn eine Einheit. Während es vermutlich möglich ist, dass einem Subjekt zwei oder mehr Wahrnehmungsfelder präsent sind, gilt nichts Vergleichbares für ›Bewusstsein‹. Einem Subjekt können nicht zwei getrennte Ströme bewusster Inhalte gegenwärtig sein. Entweder es handelt sich um verschiedene Inhalte eines umfassenden Bewusstseinsstromes, oder es handelt sich um die Bewusstseinsströme zweier Subjekte. Die Einheit des Bewusstseins korrespondiert also direkt der Einheit des Subjektes. (Zu ausführlichen Arbeiten über die Einheit des Bewusstseins vgl. Bayne (2010) oder Brook (2000)). 181 Castañeda (1977), S. 287.
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Die präsentationale Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung
elle Wahrnehmungen, dass sich dem Subjekt ein Wahrnehmungsfeld präsentiert. Ein einzelner Gegenstand kann nur dadurch – und nur insofern – Gegenstand einer Wahrnehmung sein, als er einer der Inhalte dieses Wahrnehmungsfeldes ist. 182 Wenden wir uns damit wiederum der Transparenzthese zu. Wie verhält sich die Transparenzthese zu dieser Beschreibung der Phänomenologie der Wahrnehmung? Wir stellen fest, dass die Transparenzthese auch durch diese positive Beschreibung der Phänomenologie der Wahrnehmung bestätigt wird. Betrachten wir zunächst den positiven Teil: (Trans.-pos.)
Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm als Gegenstand seiner Erfahrung beziehungsweise ist ein phänomenaler Gegenstand.
Gemäß unserer Beschreibung der Phänomenologie der Wahrnehmung ist alles, was in der visuellen Wahrnehmung erscheint, die Menge der Inhalte des Wahrnehmungsfeldes. Und die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes sind gerade durch das gekennzeichnet, was phänomenale Gegenstände ausmacht: sie präsentieren sich dem Subjekt der Wahrnehmung. 183 Bezugnehmend auf dieses zentrale Merk182 Einige Missverständnisse in der Philosophie der Wahrnehmung dürften ihren Grund u. a. darin haben, dass dieser Aspekt übersehen wird. So besteht beispielsweise eine erstaunliche Uneinigkeit darüber, ob z. B. ein geneigtes Geldstück elliptisch aussieht oder rund (vgl. u. a. Noe (2002), Overgaard (2010), Schwitzgebel (2006) oder Tye (2000)). Diese Uneinigkeit ist erstaunlich, weil doch, so möchte man annehmen, beide Seiten (wahrscheinlich sogar aus der eigenen Erfahrung) wissen müssten, wie ein geneigtes Geldstück aussieht. Beachtet man die Tatsache, dass einem in der Wahrnehmung Wahrnehmungsfelder und nicht isolierte Gegenstände präsent sind, lässt sich der Disput leicht auflösen. Dass ein geneigtes Geldstück elliptisch aussieht, ist insofern falsch, als die Inhalte eines entsprechenden Wahrnehmungsfeldes unter Standardbedingungen andere sind, als wenn das Geldstück tatsächlich elliptisch wäre. Es ist jedoch insofern richtig, als die Eigenschaft der Elliptizität in irgendeiner näher zu bestimmenden Weise ein Inhalt des Wahrnehmungsfeldes ist. (Dass dem so ist, sieht man sofort, wenn man die Behauptung, das Geldstück sehe elliptisch aus, mit der Behauptung vergleicht, es sehe viereckig aus. Auch Gegner der ersten Behauptung werden einräumen, dass es etwas gibt, was für sie spricht, das nicht für die zweite spricht.) Beide Behauptungen widersprechen sich in keiner Weise. Und etwas Entsprechendes gilt für ähnliche Streitfragen, wie z. B.: Sieht eine weiße Wand unter rotem Licht rot aus oder weiß? 183 Das Beispiel der visuellen Wahrnehmung ist in dieser Hinsicht natürlich glücklich
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mal, werde ich im Folgenden – einen glücklich gewählten Ausdruck von David Chalmers und Adam Pautz übernehmend – von der präsentationalen Phänomenologie der Wahrnehmung sprechen. 184 Wie sieht es mit dem negativen Teil der Transparenzthese aus? Zur Erinnerung: (Trans.-neg.)
Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm nicht als Subjekt seiner Erfahrung.
Erscheint uns in der visuellen Wahrnehmung irgendetwas als Subjekt? Das ist nicht der Fall. Alles, was uns in der visuellen Wahrnehmung erscheint, sind die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes. Und es gibt nichts in einem Wahrnehmungsfeld, wovon wir sagen könnten, es erschiene uns als Subjekt beziehungsweise als Eigenschaft eines Subjektes. 185 Die hoffnungsvollsten Kandidaten sind sicher der eigene Körper beziehungsweise Teile des eigenen Körpers. Es sollte aber klar sein, dass uns unser Körper, wenn wir ihn wahrnehmen, nicht in dem geforderten Sinn als Subjekt dieser Wahrnehmung erscheint. 186 Ein weiterer Gewinn, den wir aus der präsentationalen Phänomenologie der Wahrnehmung ziehen können, ist eine elegante und
gewählt. Die räumliche Distanz der Gegenstände der Wahrnehmung macht es besonders augenfällig, dass es sich um Gegenstände in diesem Sinn handelt – und nicht etwa, wie es Adverbialisten annehmen, um Modifikationen des Subjektes, o. ä. 184 Vgl. Chalmers (2006), S. 65 und Pautz (2007); S. 495. 185 Das gilt selbstverständlich nur in dem strengen Sinn, den wir oben definiert haben. In einem schwächeren Sinn erscheinen uns andere Personen normalerweise natürlich als Subjekte. 186 Wollte man das Subjekt des Wahrnehmungsfeldes (als solches) in Relation zum Wahrnehmungsfeld lokalisieren, könnte man etwas sagen wie: Es ist die Grenze oder der Ausgangspunkt des Wahrnehmungsfeldes. Die erste Formulierung verwendet bekanntlich Wittgenstein im Tractatus:»Das Subjekt gehört nicht zur Welt, sondern ist eine Grenze der Welt« (Wittgenstein (1984), S. 68). Die zweite Formulierung finden wir z. B. bei Castañeda: »The self is the geometrical origin of the world, that is the center of the universe as an experienced whole.« (Castañeda (1979), S. 1) Sowohl Wittgenstein als auch Castañeda reden hier allerdings nicht von dem Verhältnis des Subjektes (Selbst) zu einem Wahrnehmungsfeld, sondern von dessen Verhältnis zur Welt (zum Universum). (Beide drücken damit idealistisch bzw. solipsistisch gefärbte Ideen aus.) Die Formulierungen lassen sich jedoch mindestens ebenso gut zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen Subjekt (Selbst) und Wahrnehmungsfeld verwenden. Tatsächlich liegt die Vermutung nahe, dass die Anregung für Wittgensteins und Castañedas Beschreibung ursprünglich aus dem Kontext der visuellen Wahrnehmung stammt.
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Die präsentationale Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung
handliche Explikation des visuellen Erscheinens als etwas im phänomenalen Sinn. Jemandem erscheint etwas als etwas Bestimmtes, wenn das Wahrnehmungsfeld, das sich vor ihm aufspannt, mit Inhalten einer bestimmten Art angefüllt ist. Jemandem erscheint etwas als F, wenn das Wahrnehmungsfeld, das sich vor ihm aufspannt, unter anderem einen F-artigen Inhalt enthält. (Mit der Rede von F-artigen Inhalten soll die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass die Eigenschaften der Inhalte des Wahrnehmungsfeldes Eigenschaften anderer Art sind als die ihnen korrespondierenden Eigenschaften der äußeren Gegenstände.) 187 Diese Explikation können wir nun mit den in Abschnitt 6.4 erzielten Ergebnissen verbinden. Dort hatten wir festgestellt, dass etwas phänomenal nur als Träger sensorischer Eigenschaften erscheinen kann und dass sensorische Eigenschaften Eigenschaften sind, deren Erscheinen das Erscheinen von Gegenständen konstituiert. Sollte das richtig sein, ist zu erwarten, dass es ganz bestimmte Eigenschaften gibt, deren Erscheinen (deren Sich-Präsentieren) das Erscheinen (das Sich-Präsentieren) der Inhalte unserer Wahrnehmungsfelder konstituiert. Und genau das ist der Fall. Im Fall der visuellen Wahrnehmung sind, wie wir bereits vorweggenommen haben, Farben das klarste Beispiel für diese Art von Eigenschaften. Ein Gegenstand ist ein Inhalt eines Wahrnehmungsfeldes immer nur, insofern er farbig ist. Ob wir neben Farben noch andere sensorische Eigenschaften annehmen müssen und welche das gegebenenfalls wären, ist eine schwer zu entscheidende Frage, die ich an dieser Stelle beiseitelassen möchte. Zum Abschluss dieses Kapitels gilt es noch auf ein Desiderat hinzuweisen, das wir nicht werden einlösen können. Nachdem wir die Transparenzthese in Kapitel 6 auf einer vollkommen allgemeinen Ebene erläutert und verteidigt haben, haben wir in diesem Kapitel 187 Eine entsprechende Auffassung hat z. B. Christopher Peacocke eine Zeitlang vertreten. Peacocke unterschied zwischen Röte hredi und Röte’ hred’i. Erstere sollte eine Eigenschaft physischer Gegenstände sein, während letztere eine Eigenschaft von Wahrnehmungsfeldern sein sollte (vgl. Peacocke (1983) und (1984)). Peacockes Auffassung ist eine Version des indirekten Realismus. Als solche ist sie nicht mit der Auffassung vom phänomenalen Anstrich zu verwechseln.
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dasselbe in Bezug auf ein konkretes Beispiel unternommen: Die visuelle Wahrnehmung. Die visuelle Wahrnehmung hat sich zu diesem Zweck in besonderer Weise angeboten, da sie, wie wir wiederholt betont haben, das paradigmatische Beispiel eines Zustandes des Erscheinens ist. Vorbehaltlich der Ergebnisse des nächsten Kapitels, können wir damit die Transparenzthese als gut verstanden und solide belegt ansehen. Eine Frage bleibt jedoch offen: Welche mentalen Zustände, neben visuellen Wahrnehmungen, gehören eigentlich zu den Zuständen des Erscheinens? Sehr wahrscheinlich gilt dies für andere Arten der Wahrnehmung. Was aber ist mit den sog. Empfindungen – Schmerzen, Orgasmen, Kitzeln usw.? Fallen sie auch unter den Begriff von Zuständen des Erscheinens, oder handelt es sich um eine andere Art phänomenaler Zustände? Um den Umfang der Arbeit nicht über Gebühr anwachsen zu lassen, muss ich auf eine ausführliche Beantwortung dieser Frage leider verzichten. 188 Gerade angesichts dessen ist es jedoch wichtig, die Frage richtig zu verstehen. Die Frage, so wie ich sie oben gestellt habe und wie ich sie hier verstehe, beruht auf der Voraussetzung, dass wir den Begriff des Erscheinens bereits gut verstanden haben. Und den Kern dieses Begriffes macht eben die Transparenzthese aus. Daher ist es ausgeschlossen, dass wir auf einen Zustand des Erscheinens stoßen, auf den die Transparenzthese nicht zutrifft. Ein solcher Zustand wäre, aus eben diesem Grund, kein Zustand des Erscheinens. Sollte sich also, entgegen meiner Vermutung, herausstellen, dass Schmerzen und andere Empfindungen nicht transparent im Sinne der Transparenzthese sind, spräche das nicht gegen die Annahme, in der Transparenzthese drücke sich das Wesen des Erscheinens aus. Es spräche lediglich gegen die Annahme, Schmerzen und andere Empfindungen seien Zustände des Erscheinens.
8.3 Zusammenfassung Kapitel 8 Nachdem wir die Transparenzthese in Kapitel 6 auf einem relativ abstrakten Niveau eingeführt und verteidigt haben, haben wir in Kapitel 8 versucht, sowohl die Bedeutung als auch die Wahrheit der Transparenzthese anschaulicher zu machen. Dafür haben wir uns des Beispiels der visuellen Wahrnehmung bedient. 188
In Kapitel 13 werde ich sie jedoch noch einmal kurz aufgreifen.
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Zusammenfassung Kapitel 8
In Abschnitt 8.1 sind wir der Frage nachgegangen, ob die Transparenzthese durch die visuelle Wahrnehmung bestätigt wird. Wir haben zunächst eine verbreitete Auffassung über die phänomenalen Qualitäten visueller Wahrnehmungen vorgestellt: die Auffassung vom phänomenalen Anstrich. Dann haben wir aufgezeigt, dass diese Auffassung mit der Phänomenologie der Wahrnehmung unvereinbar ist und dass aus der Falschheit dieser Auffassung, zusammen mit unproblematischen Zusatzannahmen, die Wahrheit der Transparenzthese folgt. In Abschnitt 8.2 haben wir untersucht, wie genau sich die Wahrheit der Transparenzthese in der visuellen Wahrnehmung äußert. Diese Untersuchung haben wir in eine umfassende Darstellung der Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung eingebettet. Als Kern der Phänomenologie der visuellen Wahrnehmung haben wir ausgemacht, dass sich dem Subjekt ein jeweils auf eine bestimmte Weise mit Inhalten gefülltes Wahrnehmungsfeld präsentiert und dass sich ihm darüber hinaus nichts anderes präsentiert. Das haben wir die präsentationale Phänomenologie der Wahrnehmung genannt. In der präsentationalen Phänomenologie der Wahrnehmung spiegelt sich deutlich die Wahrheit der Transparenzthese wider. Die Inhalte der Wahrnehmungsfelder sind phänomenale Gegenstände und keiner dieser phänomenalen Gegenstände erscheint dem Subjekt als ein Subjekt. Ein weiteres hilfreiches Ergebnis war, dass uns die Beschreibung der präsentationalen Phänomenologie der Wahrnehmung eine Explikation des visuellen Erscheinens als etwas (im phänomenalen Sinn) an die Hand gegeben hat. Jemandem erscheint etwas als F, wenn das Wahrnehmungsfeld, das sich vor ihm aufspannt, unter anderem einen F-artigen Inhalt enthält, wobei F eine sensorische Eigenschaft sein muss.
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9 Kritik an der Transparenzthese
In den Kapiteln 6 und 8 haben wir verschiedene Überlegungen zugunsten der Transparenzthese vorgebracht. Bevor wir die Transparenzthese aber als endgültig bestätigt ansehen, sollten wir ihre durchaus zahlreichen Kritiker zu Wort kommen lassen. Das wird in diesem und den folgenden Kapiteln geschehen. Kritiken an der Transparenzthese lassen sich in zwei Kategorien einteilen: (a) Kritiken, die die Wahrheit der Transparenzthese in Frage stellen (im Folgenden einfach: Einwände gegen die Transparenzthese) und (b) Kritiken, die die Relevanz der Transparenzthese in Frage stellen. Kritiken der zweiten Kategorie, die die Relevanz der Transparenzthese in Frage stellen, bestreiten nicht die Wahrheit der Transparenzthese. Sie beruhen vielmehr auf der Voraussetzung ihrer Wahrheit. In ihnen wird versucht zu zeigen, dass die Transparenzthese keine interessante These ist, weil die Thesen oder Auffassungen, die durch sie ausgeschlossen werden, nicht stark genug sind. Mit Kritiken dieser Art werde ich mich im Abschnitt 9.2 befassen. Im Abschnitt 9.1 soll es zunächst um Einwände gegen die Transparenzthese gehen.
9.1 Einwände gegen die Transparenzthese Die Einwände gegen die Transparenzthese lassen sich erneut in zwei Kategorien unterteilen: (i) Einwände anhand von Problemfällen und (ii) Einwände aufgrund allgemeiner Überlegungen. Um Erstere wird es in Abschnitt 9.1.1 gehen, um Letztere in Abschnitt 9.1.2. Ich werde versuchen zu zeigen, dass die Einwände bei-
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Einwände gegen die Transparenzthese
der Kategorien (d. i. alle Kritiken der Kategorie (a)) durchgehend erfolglos sind. 189
9.1.1 Problemfälle Ein erheblicher Teil der Debatte um Transparenz-Behauptungen 190 der einen oder anderen Art besteht in Diskussionen von Problemfällen, von denen Kritiker behaupten, sie zeigten die Falschheit der jeweiligen Transparenz-Behauptung. Diese Problemfälle lassen sich in exotische und alltägliche Problemfälle einteilen. 191 Beschränkt man sich auf die visuelle Wahrnehmung, erhält man als exotische Problemfälle beispielsweise Nachbilder, verschwommene Wahrnehmungen, Doppel-Sicht und einige mehr. Zu den alltäglichen Problemfällen zählen klassische Beispiele wie das (vermeintliche) Erscheinen einer runden Münze als elliptisch, wenn sie aus einem bestimmten Winkel wahrgenommen wird, oder das (vermeintliche) Erscheinen zweier verschieden großer Bäume als gleich groß, wenn der größere Baum weiter entfernt ist usw. Auf all diese Fälle gibt es Antworten von Vertretern der einen oder anderen Transparenz-Behauptung. 192 Wir können diese Art der Kritik relativ leicht zurückweisen, ohne uns mit den zahlreichen subtilen Argumenten befassen zu müssen, die in dieser Diskussion ausgetauscht worden sind. Um den Grund hierfür verständlich zu machen, müssen wir eine Unterscheidung zwischen zwei Arten von Transparenz-Behauptungen treffen. Die einen sollen ambitionierte Transparenz-Behauptungen heißen, die anderen nicht-ambitionierte Transparenz-Behauptungen. Ambi189 Viele der dabei behandelten Kritiken schreibe ich bestimmten Autoren zu. In Bezug auf diese Zuschreibungen ist zu beachten, dass sie teilweise auf Interpretationen meinerseits beruhen, von denen nicht immer klar ist, ob der jeweilige Autor oder die jeweilige Autorin ihnen zustimmen würde. Für unsere Zwecke ist das jedoch unerheblich. Es geht uns allein um die Frage, ob bestimmte mögliche Kritiken an der Transparenzthese stichhaltig sind und nicht darum, ob sie einem Autor zu Recht zugeschrieben werden können. 190 Zur Erinnerung: Unter Transparenz-Behauptungen verstehen wir Thesen, die, ebenso wie die Transparenzthese, das Phänomen der Transparenz der Erfahrung (d. i. die Transparenz-Idee) einzufangen versuchen, sich von dieser aber in der einen oder anderen Hinsicht unterscheiden (siehe Kapitel 5). 191 Vgl. Kind (2008). 192 Vgl. insbesondere Tye (2000), Kap. 4 und (2003b), aber auch Bain (2003) oder Harman (1990).
209 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
9 · Kritik an der Transparenzthese
tionierte Transparenz-Behauptungen sind Transparenz-Behauptungen, aus denen direkt oder beinahe direkt die Wahrheit eines direkten Realismus folgt. Den direkten Realismus wollen wir dabei als die Position verstehen, dass die Gegenstände, die sich uns in Zuständen des Erscheinens präsentieren, ausschließlich öffentliche, physische Gegenstände sind. Dementsprechend enthalten ambitionierte Transparenz-Behauptungen Thesen wie die folgenden: (Trans.-pos.-amb.)* Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann ist es ein öffentlicher Gegenstand. (Trans.-pos.-amb.)** Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm als öffentlicher Gegenstand. Vergleichen wir diese Thesen mit (Trans.-pos.), dem positiven Teil der Transparenzthese, stellen wir fest, dass letztere keine ambitionierte Transparenz-Behauptung ist. Um die Transparenzthese zu verteidigen, reicht es aus zu zeigen, dass alles, was uns in der Erfahrung erscheint, ein phänomenaler Gegenstand ist. Das ist sowohl damit vereinbar, dass es sich nicht um einen öffentlichen Gegenstand handelt, als auch damit, dass es nicht als öffentlicher Gegenstand erscheint – was immer das bedeuten mag. Vor diesem Hintergrund ist nun leicht erkennbar, warum ein Vertreter der Transparenzthese von den in der Debatte diskutierten Problemfällen nichts zu befürchten hat. Diese Fälle taugen ausschließlich als Grundlage für Argumente gegen ambitionierte Transparenz-Behauptungen. Die Transparenzthese bleibt davon jedoch unberührt. Machen wir uns das am Beispiel eines häufig diskutierten Problemfalles klar, der sogenannten verschwommenen Wahrnehmung. Wir können uns folgenden Fall vorstellen: Eine Person, nennen wir sie Paul, benötigt eine Lesebrille. Eines Morgens liest Paul die Zeitung. Zunächst trägt er seine Brille. Nach einer Zeit nimmt er sie jedoch ab. Dabei, so wollen wir annehmen, bleiben die äußeren Gegenstände und Eigenschaften, die er tatsächlich wahrnimmt, exakt dieselben, das heißt, er bewegt seine Augen nicht, die Zeitung verrutscht nicht, es fliegt keine Fliege durch sein Gesichtsfeld usw. Es ist klar, dass sich Pauls Wahrnehmung nach dem Absetzen der Brille dennoch von seiner Wahrnehmung vor dem Absetzen der Brille unterscheidet. Und es ist ebenfalls klar, dass wir diesen Unterschied mit Hilfe des Ausdrucks »verschwommen« beschreiben können. Unklar ist dagegen, was genau in der Wahrnehmung nach dem Absetzen der 210 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Einwände gegen die Transparenzthese
Brille verschwommen ist. Das ist die Frage, um die sich die Diskussion dieses Falles in der Literatur dreht. So heißt es beispielsweise bei Amy Kind: »How should this difference be best described? Does it seem that the words themselves are blurry, that is, that blurriness is on the newspaper page itself? Or does it seem that the experience itself is blurry?« 193
Vertreter des direkten Realismus beziehungsweise einer ambitionierten Transparenz-Behauptung suchen nach Möglichkeiten, die erste Frage bejahen zu können, während Kritiker darauf bestehen, dass die zweite Frage zu bejahen ist. 194 Die Frage, die wir beantworten müssen, wenn es um die Transparenzthese geht, ist dagegen viel weniger anspruchsvoll. Wir müssen lediglich die Frage beantworten, ob die Verschwommenheit eine Eigenschaft von phänomenalen Gegenständen ist, das heißt, ob sie eine Eigenschaft ist, die sich uns an etwas präsentiert. Und diese Frage können wir leicht beantworten. Dazu ist es nicht einmal nötig, die richtige Antwort auf die von Kind gestellten Fragen zu kennen. Die Verschwommenheit ist ohne Zweifel in irgendeiner Weise in Pauls Wahrnehmungsfeld instanziiert. Mit anderen Worten: Pauls Wahrnehmung nach dem Absetzen der Brille unterscheidet sich von seiner Wahrnehmung vor dem Absetzen der Brille dadurch, dass sein Wahrnehmungsfeld auf andere Weise mit Inhalten gefüllt ist als zuvor – auf eine Weise, die wir mit Hilfe des Ausdrucks »verschwommen« beschreiben können. Die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes sind aber nichts anderes als eben die phänomenalen Gegenstände, die sich Paul präsentieren. Die Verschwommenheit ist also eine Eigenschaft phänomenaler Gegenstände. Und das gilt unabhängig davon, ob phänomenale Gegenstände öffentliche Gegenstände sind oder nicht. Wir können also festhalten, dass ein Vertreter der Transparenzthese von dem Fall der verschwommenen Wahrnehmung nichts zu befürchten hat. Wie sieht es mit anderen Fällen aus? Wie nicht schwer zu erkennen ist, lassen sich die anderen in der Literatur diskutierten Problemfälle auf dieselbe Weise behandeln. Für jeden von ihnen gilt: Das (vermeintlich) problematische Merkmal ist ein Aspekt der Art, wie ein Wahrnehmungsfeld mit Inhalten gefüllt ist. Und solche Aspekte stel193 194
Kind (2008), S. 289. Vgl. Block (1996), Boghossian und Velleman (1989) oder Kind (2008).
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len für die Transparenzthese prinzipiell keine Bedrohung dar. Unser allgemeines Ergebnis lautet also: Die konkreten Fälle, die als Gegenbeispiele gegen die eine oder andere Version einer ambitionierten Transparenz-Behauptung vorgebracht werden, sind als Gegenbeispiele gegen die Transparenzthese grundsätzlich ungeeignet. 195 Abschließend möchte ich noch kurz auf ein wie mir scheint häufig übersehenes Problem der Argumentation gegen ambitionierte Transparenz-Behauptungen mit Hilfe von Problemfällen hinweisen. Nehmen wir für den Moment an, eine solche Argumentation sei gegen eine ambitionierte Transparenz-Behauptung erfolgreich. Nehmen wir also an, dass beispielsweise in Fällen verschwommener Wahrnehmung die Eigenschaft der Verschwommenheit nicht an dem objektiven Gegenstand der Wahrnehmung erscheine. Das Problem ergibt sich, wenn man fragt, welche positive These die Gegner der ambitionierten Transparenz-Behauptung mit solchen Argumenten zu stützen versuchen. Hier kann es natürlich große Unterschiede geben, aber für die meisten gilt: Sie versuchen eine Auffassung wie die des phänomenalen Anstrichs zu stützen, die wir oben Chalmers zugeschrieben haben. Diese Auffassung ist aber unter anderem durch die Verdoppelungsvorstellung gekennzeichnet. Danach erscheint mir in einer Wahrnehmung eine äußere Eigenschaft (zum Beispiel Röte), und indem mir diese Eigenschaft erscheint, erscheint mir eine damit korrelierte phänomenale Eigenschaft (phänomenale Röte). Diese Beschreibung würde im Einzelfall modifiziert werden müssen. Einige würden zum Beispiel nicht davon sprechen wollen, dass uns phänomenale Qualitäten erscheinen. Andere würden die Priorität verändern und sagen: Mir erscheint eine äußere Eigenschaft (zum Beispiel Röte), indem mir eine damit korrelierte Eigenschaft (phänomenale Röte) erscheint. Gemeinsam ist allen Auffassungen dieser Gruppe aber die Annahme, dass mit jeder äußeren Eigenschaft, die einem Subjekt erscheint, eine phänomenale Eigenschaft korreliert ist, zu der es ebenfalls unmittelbaren kognitiven Zugang hat. Um diese Auffassung zu In einem anderen Zusammenhang werden diese Fälle allerdings wieder interessant werden. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden wir uns mit der Frage nach dem ontologischen Status von phänomenalen Gegenständen auseinandersetzen. Die heutige Standardantwort auf diese Frage ist: Es handelt sich um objektive, physische Gegenstände. Sollte sich aber herausstellen, dass einige der an phänomenalen Gegenständen instanziierten Eigenschaften nicht an den in Frage kommenden objektiven, physischen Gegenständen instanziiert sind (sein können), wäre diese Antwort so eventuell nicht haltbar. 195
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Einwände gegen die Transparenzthese
stützen, sind die genannten Problemfälle aber ganz und gar ungeeignet. Wenn einer dieser Problemfälle gegen eine ambitionierte Transparenzthese spricht, dann tut er das gerade deswegen, weil mit der fraglichen Eigenschaft (zum Beispiel Verschwommenheit) keine äußere Eigenschaft, das heißt keine Eigenschaft eines öffentlichen Gegenstandes korreliert ist. Allgemeine Auffassungen wie die des phänomenalen Anstriches müssten sich vor allem an ›normalen‹ Eigenschaften wie Farben oder Formen bewähren; Eigenschaften also, die sich (relativ) leicht öffentlichen Gegenständen zuordnen lassen. Gerade für diese Eigenschaften scheint es aber hoffnungslos zu sein, ein phänomenales Korrelat zu finden.
9.1.2 Allgemeine Einwände Oben hatten wir zwischen zwei Arten von Kritiken unterschieden, die die Wahrheit der Transparenzthese in Frage stellen: (i) Einwänden anhand von Problemfällen (ii) Einwänden aufgrund allgemeiner Überlegungen In Abschnitt 9.1 haben wir uns mit Kritiken der ersten Art befasst. Im Folgenden wird es um Kritiken der zweiten Art gehen. 9.1.2.1 Die Transparenzthese als Symptom des Wahrnehmungsmodells des phänomenalen Bewusstseins? Nida-Rümelins Kritik an der Transparenzthese Eine besonders gut ausgearbeitete Argumentation gegen die Auffassung von der Transparenz der Erfahrung finden wir bei Martine Nida-Rümelin. 196 Wir werden sie im Folgenden als Argumentation gegen die Transparenzthese auffassen und untersuchen, ob sie als solche stichhaltig ist. 197 So verstanden besteht Nida-Rümelins Argument aus zwei Schritten. Im ersten Schritt versucht sie zu zeigen, dass sich die Transparenzthese nicht aus der Phänomenologie der Vgl. vor allem Nida-Rümelin (2007b) und (2008). Ob Nida-Rümelin selber ihr Argument in dieser Weise verstanden wissen möchte, ist nicht vollkommen klar. Einiges spricht dafür, dass sie sich hinsichtlich der Transparenzthese einer der im nächsten Abschnitt zu besprechenden Kritiken anschließen würde, d. h. dass sie die Transparenzthese für wahr aber uninteressant halten würde. Das soll uns jedoch nicht davon abhalten, ihre Argumente im oben angegebenen Sinn zu lesen und zu diskutieren. 196 197
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Wahrnehmung allein ergibt. Im zweiten Schritt versucht sie zu zeigen, dass die Transparenzthese falsch ist. Sollten die Überlegungen, die ich in diesem Kapitel anstelle, richtig sein, wird sich herausstellen, dass die Argumentation bereits im ersten Schritt scheitert. Dementsprechend werde ich auf die Diskussion des zweiten Schrittes verzichten und mich ausschließlich mit dem ersten befassen. In dem genannten ersten Schritt versucht Nida-Rümelin zu zeigen, dass die Falschheit der Transparenzthese mit der Phänomenologie der Wahrnehmung vereinbar ist. Zu diesem Zweck bietet sie eine ad-hominem-Überlegung an. Sie versucht plausibel zu machen, dass Vertreter der Transparenzthese nur deswegen von der Phänomenologie der Wahrnehmung auf die Transparenzthese schließen, weil sie implizit einer falschen Vorstellung davon anhängen, worin ein Erscheinen der eigenen Erfahrungen bestehen müsste (d. i. was der Fall sein müsste, wenn die Transparenzthese falsch wäre). Sobald aber die Falschheit dieser Vorstellung erkannt ist, so Nida-Rümelins Annahme fällt auch der Grund weg, die Falschheit der Transparenzthese mit der Phänomenologie der Wahrnehmung für unvereinbar zu halten. Nida-Rümelin bezeichnet die fragliche Vorstellung als das Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins hperceptual model of phenomenal awarenessi. 198 Sie bietet folgende Beschreibung an: »[…] experiences are individual objects floating around in some inner space. […] to be aware of the character of one’s own experience is something like this: the experience is present to the mind similar to an object of visual perception and the experience appears to have certain qualitative properties (similar to the way in which a perceived object appears to have colors in visual perception). According to the perceptual model of phenomenological reflection, the person who concentrates upon the phenomenal character of her own experience engages in an activity that may be described like this: she concentrates her attention upon the experience that appears to be there within some inner space and she concentrates her attention upon its apparent qualitative properties, upon its quasi-color or ›mental paint‹.« 199
Das Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins hat unverkennbar große Ähnlichkeit mit der Auffassung vom phänomenalen Anstrich, die wir weiter oben Chalmers zugeschrieben haben. Es wird hilfreich sein, es ebenfalls in einzelne Vorstellungen zu unter198 199
Vgl. Nida-Rümelin (2007b). Nida-Rümelin (2007b), S. 446.
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teilen. Wie in der Auffassung vom phänomenalen Anstrich, sind in dem Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins drei Vorstellungen enthalten. Zwei davon sind beiden Modellen gemeinsam: die Wahrnehmungsvorstellung und die Verdoppelungsvorstellung. Zur Erinnerung: Die Wahrnehmungsvorstellung: Die Vorstellung, dass das Bewusstsein phänomenaler Eigenschaften eine Art des Erscheinens dieser Eigenschaften (und der Gegenstände/Zustände, an denen sie instanziiert sind) ist. Die Verdoppelungsvorstellung: Die Vorstellung, dass jedem Subjekt, das eine äußere Eigenschaft wahrnimmt, zusätzlich noch eine mit dieser Eigenschaft korrelierte phänomenale Eigenschaft seiner Wahrnehmung erscheint. Ein Unterschied besteht lediglich in der jeweils dritten Vorstellung. Statt der Gegenstandsvorstellung des Subjektes (der Vorstellung, dass sich das Subjekt einer Wahrnehmung auf prinzipiell dieselbe Art als Träger phänomenaler Eigenschaften erscheint, wie ihm zum Beispiel ein Apfel in der Wahrnehmung als rot erscheint) enthält das Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins eine Vorstellung, die wir Gegenstandsvorstellung der Erfahrung nennen können: Die Gegenstandsvorstellung der Erfahrung: Die Vorstellung, dass Erfahrungen von ihrem Subjekt verschiedene Einzeldinge sind, die sich irgendwie innerhalb des Geistes befinden und die dem Subjekt der Wahrnehmung auf prinzipiell dieselbe Art als Träger phänomenaler Eigenschaften erscheinen, wie ihm zum Beispiel ein Apfel in der Wahrnehmung als rot erscheint. Es ist unverkennbar, dass das Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins und die Auffassung vom phänomenalen Anstrich einen gemeinsamen Kern aufweisen und dass es in erster Linie die Verdoppelungsvorstellung ist, die diesen Kern ausmacht. Es besteht zudem kein Zweifel, dass das Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins ebenso wenig mit der Phänomenologie der Wahrnehmung verträglich ist wie die Auffassung vom phänomenalen Anstrich. Nida-Rümelin ist also Recht zu geben, wenn sie in Bezug auf die oben zitierte Passage bemerkt:
215 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
9 · Kritik an der Transparenzthese
»Now this description of what is going on in phenomenal awareness and phenomenological reflection is quite obviously absurd.« 200
Wie sieht es aber mit ihrer Hoffnung aus, dass damit auch der Grund wegfällt, die Falschheit der Transparenzthese mit der Phänomenologie der Wahrnehmung für unvereinbar zu halten? Diese Hoffnung beruht, so scheint mir, auf einer Fehleinschätzung der Evidenz, die uns die Phänomenologie der Wahrnehmung bietet. Worin diese Evidenz nach Nida-Rümelins Einschätzung besteht, wird in der folgenden Passage deutlich: »To be aware of one’s experiences is to be aware of a change that one undergoes; it is to be aware of one’s own changing experiential properties. […] When Anton focuses attention upon his blue experience (as we say quite misleadingly) then he focuses attention to his being in a particular state. He is not focusing attention on some individual thing or quasi-thing inside of his brain or body or inside some other space or quasi-space. There is in general no spatial direction involved when a person focuses attention upon her own experiences […].« 201
Was die Phänomenologie der Wahrnehmung also ausschließt, so könnte man Nida-Rümelins Auffassung zusammenfassen, ist, dass uns phänomenale Qualitäten erscheinen, indem wir in einem wörtlichen Sinn nach innen oder zumindest von dem Gegenstand der Wahrnehmung weg ›blicken‹. Zu dieser Einschätzung passt ihre, auch in dieser Passage angedeutete, Kritik an dem Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins. An einer Stelle heißt es: »According to the picture we should accept – a picture that is freed from the mistakes associated with the perceptual model of phenomenal awareness and of phenomenological reflection – we should try to avoid – as far as possible – talking of phenomenal properties of experiences. […] we should translate the question ›Do experiences have intrinsic phenomenal features?‹ into another, less misleading question: ›Do experiencing subjects instantiate intrinsic phenomenal features?‹ And we should reformulate the question ›Are subjects aware of intrinsic phenomenal characters of their own experiences?‹ in this way: ›Are subjects aware of being in certain intrinsic phenomenal states (of having certain intrinsic phenomenal properties)?‹ [Hervorhebungen z. T. D. F.].« 202
200 201 202
Ebenda, S. 446. Ebenda, S. 446. Ebenda, S. 447.
216 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Einwände gegen die Transparenzthese
Was sich in der Reformulierung der angeführten Fragen ausdrückt, ist aber allein die Aufgabe der Gegenstandsvorstellung der Erfahrung. Nida-Rümelins Ansicht scheint also zu sein, dass es allein diese Vorstellung sei, die viele Autoren zu der Annahme bewege, das Erscheinen phänomenaler Qualitäten müsse in irgendeiner Art von ›Nach-Innen-Blicken‹ bestehen. Auf dieser Ansicht bauen ihre weiteren Überlegungen auf: Da die Phänomenologie der Wahrnehmung zeige, dass ein solches ›Nach-Innen-Blicken‹ nicht stattfinde, schlössen diese Autoren aus der Phänomenologie der Wahrnehmung auf die Transparenzthese. Für jemanden, der sich von der Gegenstandsvorstellung der Erfahrung frei mache, gäbe es jedoch keinen Grund mehr für die Annahme, das Erscheinen phänomenaler Qualitäten müsse in irgendeiner Art von ›Nach-Innen-Blicken‹ bestehen. Und damit verschwände auch die entscheidende Prämisse des Schlusses von der Phänomenologie der Wahrnehmung auf die Transparenzthese. An Nida-Rümelins Überlegung sind verschiedene Dinge auszusetzen. Zunächst einmal lässt sich bestreiten, dass die Annahme, das Erscheinen phänomenaler Qualitäten müsse in einem ›Nach-Innen-Blicken‹ bestehen, allein von der Gegenstandsvorstellung der Erfahrung abhängt. Warum sollte aus der Gegenstandsvorstellung des Subjektes nicht dasselbe oder etwas Ähnliches folgen? Schließlich befindet sich das Subjekt ebenfalls nicht dort, wo sich die jeweils wahrgenommene Eigenschaft befindet. 203 Selbst wenn Nida-Rümelins Einschätzung der phänomenologischen Evidenz richtig sein sollte, wäre die Gefangenschaft im Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins also keineswegs die einzige Erklärung für den verbreiteten Glauben an die Transparenzthese. Der zweite und wichtigere Punkt ist jedoch, dass Nida-Rümelins Interpretation der phänomenologischen Evidenz verfehlt ist. Die Phänomenologie der Wahrnehmung schließt sehr viel mehr aus als irgendeine Art eines ›Nach-Innen-Blickens‹. Wir haben im Verlauf dieses Kapitels zwei Aspekte der Phänomenologie der Wahrnehmung kennengelernt, die für die Frage nach der Wahrheit der Transparenzthese von Interesse sind. Der erste und für unser eigentliches Anlie203 Dieser Punkt ist von einiger Bedeutung, da Nida-Rümelins eigene Auffassung die Gegenstandsvorstellung des Subjektes zu enthalten scheint. Es besteht also eine gewisse Gefahr, dass Nida-Rümelin selber mit ihrem Verständnis der phänomenologischen Evidenz in Konflikt gerät. Dazu später mehr.
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gen entscheidende Aspekt ist, dass zu erscheinen bedeutet, ein phänomenaler Gegenstand zu sein, und dass sich an einem phänomenalen Gegenstand nicht die Eigenschaft präsentieren kann, das Subjekt einer Erfahrung zu sein. 204 Der zweite, weniger interessante, aber leichter zu fassende Aspekt ist der, auf den wir im Rahmen unserer Diskussion der Auffassung des phänomenalen Anstrichs gestoßen sind. Als entscheidenden Grund dafür, dass diese Auffassung phänomenologisch inadäquat ist, haben wir dort die Verdoppelungsvorstellung ausgemacht. Einem Subjekt, so haben wir festgestellt, erscheinen in einer Wahrnehmung immer nur die Eigenschaften, von denen die Wahrnehmung handelt – die Eigenschaften also, die im Wahrnehmungsfeld instanziiert sind und die Chalmers als äußere Eigenschaften bezeichnet. Es ist nicht der Fall, dass ihm zusätzlich dazu noch mit diesen Eigenschaften korrelierte Eigenschaften erscheinen, die als phänomenale Eigenschaften in Frage kämen. Konzentrieren wir uns der Einfachheit halber auf den zweiten Aspekt, die Falschheit der Verdoppelungsvorstellung. Vergleichen wir diesen Aspekt mit Nida-Rümelins Interpretation der phänomenologischen Evidenz: Nach Nida-Rümelins Auffassung zeigt die Phänomenologie der Wahrnehmung lediglich, dass kein ›Nach-InnenBlicken‹ stattfindet. Tatsächlich zeigt die Phänomenologie der Wahrnehmung, indem sie die Verdoppelungsvorstellung ausschließt, aber noch mehr. Sie zeigt, dass einem Subjekt nicht zwei miteinander korrelierte Eigenschaften – eine äußere und eine phänomenale – erscheinen. Sie wäre also auch mit einer Auffassung unvereinbar, wonach dem Subjekt einer Wahrnehmung neben den äußeren Eigenschaften phänomenale Eigenschaften erschienen, ohne dass es dafür nach innen blicken müsste. Nun könnte man den Verweis auf diese Möglichkeit auf den ersten Blick für eine Spitzfindigkeit halten, aus der nicht auf ein ernsthaftes Missverständnis auf der Seite Nida-Rümelins geschlossen werden sollte. Dass das eine Fehleinschätzung wäre, lässt sich anhand einer der oben bereits zitierten Passage verdeutlichen. Zur Erinnerung:
204 Dieser Aspekt, so haben wir festgestellt, schließt nicht vollständig aus, dass jemandem phänomenale Eigenschaften seiner Wahrnehmung erscheinen. Er schließt allerdings aus, dass sie ihm als Eigenschaften eines Subjektes und/oder seiner selbst erscheinen. Und die Möglichkeit, dass uns phänomenale Eigenschaften auf andere Weise erscheinen könnten, können wir vernachlässigen.
218 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Einwände gegen die Transparenzthese
»To be aware of one’s experiences is to be aware of a change that one undergoes; it is to be aware of one’s own changing experiential properties. […] When Anton focuses attention upon his blue experience (as we say quite misleadingly) then he focuses attention to his being in a particular state. He is not focusing attention on some individual thing or quasi-thing inside of his brain or body or inside some other space or quasi-space. There is in general no spatial direction involved when a person focuses attention upon her own experiences […].« 205
Was Nida-Rümelin hier behauptet ist, dass ein Subjekt seine Aufmerksamkeit auf erfahrungshafte (»experiential«) Eigenschaften (d. i. phänomenale Eigenschaften) lenken kann, ohne dass es dafür nach innen oder in eine andere Richtung ›blicken‹ müsse. Unter bestimmten naheliegenden Voraussetzungen entspricht diese Behauptung aber gerade der oben genannten Möglichkeit – der Möglichkeit, dass dem Subjekt einer Wahrnehmung, neben den äußeren Eigenschaften, phänomenale Eigenschaften erschienen (d. i. die Verdoppelungsvorstellung erfüllt sei), ohne dass es dafür nach innen blicken müsste. Sollten die angesprochenen naheliegenden Voraussetzungen also erfüllt sein, müssten wir festhalten, dass Nida-Rümelins Annahme, die Phänomenologie der Wahrnehmung sei mit der Falschheit der Transparenzthese vereinbar, auf einem folgenreichen Missverständnis beruht – dem Missverständnis, dass lediglich ein ›Nach-Innen-Blicken‹ ausgeschlossen sei, nicht aber so etwas wie die Verdoppelungsvorstellung. Was sind die genannten naheliegenden Voraussetzungen, von denen dieses Ergebnis abhängt? Hier wären zwei zu nennen: (i) Dass ein Subjekt seine Aufmerksamkeit auf phänomenale Eigenschaften lenken kann, setzt voraus, dass ihm diese Eigenschaften erscheinen. (ii) Neben den phänomenalen Eigenschaften erscheinen dem Subjekt auch äußere Eigenschaften. Beide Voraussetzungen sind zwar naheliegend, jedoch keineswegs selbstverständlich. Die erste könnte von Vertretern der Auffassung bestritten werden, dass unser kognitiver Zugang zu den eigenen Erfahrungen (noch) direkter und intimer sei, als es ein Erscheinen ist. Wir werden Auffassungen dieser Art weiter unten unter dem Stichwort Präreflexives Selbstbewusstsein diskutieren. Die zweite Voraussetzung wird (in einem bestimmten Sinn) von Vertretern der Sinnes205
Siehe oben.
219 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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datentheorie bestritten. Gemäß dieser Theorie erscheinen uns äußere Eigenschaften lediglich indirekt, indem uns Eigenschaften von Sinnesdaten erscheinen. Für Nida-Rümelin bedeutet das, dass sie den vorgebrachten Einwänden entgehen könnte, indem sie eine dieser beiden Auffassungen akzeptiert. Ob sie dazu bereit wäre, ist eine Frage, die wir hier nicht beantworten können. 9.1.2.2 Phänomenales Bewusstsein als peripheres Selbstbewusstsein? Nida-Rümelins Fehleinschätzung der phänomenologischen Evidenz, auf der die Transparenzthese beruht, ist nicht die einzige dieser Art. Bei Ned Block beispielsweise finden wir im Rahmen einer Kritik an Gilbert Harman die folgende Passage: »Harman relies on the diaphanousness [transparency; D. F.] of perception […], which may be defined as the claim that the effect of concentrating on experience is simply to attend to and be aware of what the experience is of. As a point about awareness in one familiar circumstance – for example, looking at a red tomato – this is certainly right. The more one concentrates on the experience, the more one attends to the redness of the tomato itself. But attention and awareness are distinct, and as a point about awareness the diaphanousness claim is both straightforwardly wrong and misleading. One can be aware of what one is not attending to. For example, one might be involved in intense conversation while a jackhammer outside causes one to raise one’s voice without ever noticing or attending to the noise until someone comments on it – at which time one realizes that one was aware of it all along.« 206
Auch diese Passage von Block enthält einen indirekten Hinweis darauf, worin seiner Ansicht nach die Evidenz besteht, die uns die Phänomenologie der Wahrnehmung bietet. Wie bei Nida-Rümelin besteht dieser Hinweis in der (andeutungsweisen) Beschreibung einer Auffassung, die durch die Phänomenologie der Wahrnehmung tatsächlich ausgeschlossen ist. Bei Block ist es die Auffassung, wir könnten unter gewöhnlichen Umständen unsere Aufmerksamkeit in derselben Weise auf phänomenale Eigenschaften richten, wie wir sie auf äußere Eigenschaften wie etwa die Röte einer Tomate richten können. Das, so können wir Blocks Argument weiter rekonstruieren, spräche jedoch nicht dagegen, dass uns phänomenale Eigenschaften in einer
206
Block (2003), S. 171; Vgl. auch Block (1996), S. 27.
220 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Sollte es uns auf die Transparenzthese ankommen?
peripheren Weise erscheinen – etwa so, wie dem Sprecher in Blocks Beispiel der Lärm des Presslufthammers (auditiv) erscheint. Mit dem letzten Punkt hat Block zweifellos Recht. Etwas kann uns erscheinen, ohne dass es im Fokus unserer Aufmerksamkeit steht. Und es gibt zunächst einmal auch keinen zwingenden Grund auszuschließen, dass dies für bestimmte Eigenschaften (etwa: phänomenale Eigenschaften) regelmäßig oder sogar notwendigerweise der Fall sein könnte. 207 Dennoch scheint mir Blocks Interpretation der Evidenz, die uns die Phänomenologie der Wahrnehmung bietet, eindeutig verfehlt zu sein. Wiederum können wir uns auf den zweiten oben genannten Aspekt, den Ausschluss der Verdoppelungsvorstellung, konzentrieren: In der Verdoppelungsvorstellung ist nicht davon die Rede, dass die phänomenale Eigenschaft, die dem Subjekt zusätzlich zu jeder äußeren Eigenschaft erscheint, im Fokus der Aufmerksamkeit des Subjektes steht oder auch nur stehen kann. Die Verdoppelungsvorstellung ist bereits erfüllt, wenn dem Subjekt überhaupt eine solche zusätzliche Eigenschaft erscheint. Dabei kann es sich auch um ein peripheres Erscheinen handeln. Block ist der Ansicht, dass wenn Letzteres der Fall wäre, die Verdoppelungsvorstellung mit der Phänomenologie der Wahrnehmung vereinbar wäre. Ich hoffe, hinreichend plausibel gemacht zu haben, dass diese Ansicht falsch ist. Die Verdoppelungsvorstellung ist in jedem Fall mit der Phänomenologie der Wahrnehmung unvereinbar. 208
9.2 Sollte es uns auf die Transparenzthese ankommen? Die Überlegungen der vorangegangenen Abschnitte zeigen, dass Einwände gegen die Wahrheit der Transparenzthese chancenlos sind, da sich die Wahrheit der Transparenzthese unmittelbar aus der Phänomenologie der Wahrnehmung ergibt. Es gibt jedoch noch eine andere Art von Einwänden, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. In diesen Einwänden wird nicht bestritten, sondern sogar vorausgesetzt, dass die Transparenzthese wahr ist und dass sie sich (auf relativ un-
207 Ersteres scheint Blocks Auffassung zu sein (vgl. Block (2003), S. 171 f.). Explizit finden wir sie auch in sog. selbst-repräsentationalistischen Theorien des Bewusstseins (vgl. z. B. Krigel (2009b), S. 359 f.). 208 Zu einer ähnlich gelagerten Kritik an der Idee eines peripheren Selbstbewusstseins vgl. Drummond (2006), S. 209.
221 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
9 · Kritik an der Transparenzthese
problematische Weise) aus der Phänomenologie der Wahrnehmung ergibt. Was in diesen Einwänden bestritten wird, ist vielmehr die Relevanz der Transparenzthese. Wie ist das zu verstehen? Nun, fragen wir uns zunächst, was die Transparenz der Erfahrung – gegeben die Erfahrung wäre transparent – zu einem interessanten und philosophisch beachtenswerten Phänomen machen würde. Eine richtige Antwort ist die folgende: Die Transparenz der Erfahrung wäre ein solches Phänomen, wenn sie ein bestimmtes Modell unseres grundlegenden Selbstbewusstseins kategorisch ausschließen würde; ein Modell gemäß dem eben dieses grundlegende Selbstbewusstsein irgendeiner Art von beobachtungsartiger Reflexion auf das Subjekt und/oder seine Erfahrungen entspricht. Im Folgenden wollen wir von diesem Modell als Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins reden. An diesem Maßstab können wir die Relevanz der Transparenzthese bemessen. Sollte sich herausstellen, dass sie zwar wahr ist, nicht aber das Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins ausschließen würde, spräche das für ihre Irrelevanz. Mit anderen Worten, es spräche dafür, dass die Art von kognitivem Zugang zu den eigenen Erfahrungen, die in der Transparenzthese ausgeschlossen wird, von vornherein kein guter Kandidat für die grundlegende Form des Selbstbewusstseins im Rahmen des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins gewesen ist. Der Verdacht, dass sich diese Kritik als berechtigt herausstellen könnte, ist auf den ersten Blick keineswegs abwegig. Man bedenke, dass die Transparenzthese lediglich ausschließt, dass einem Subjekt seine Erfahrungen erscheinen. Erinnern wir uns aber zum Beispiel daran, dass wir visuelle Wahrnehmungen als paradigmatische Beispiele für Zustände des Erscheinens angeführt haben, oder daran, dass wir die Vorstellung, gegen die sich die Transparenzthese (unter anderem) wendet, die Wahrnehmungsvorstellung genannt haben. All das legt den Verdacht nahe, dass unsere Vorstellung davon, was der beste Kandidat für einen kognitiven Zugang eines Subjektes zu seinen Erfahrungen im Rahmen des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins sein könnte, sehr am Modell der visuellen Wahrnehmung orientiert ist. Viele Autoren würden eine solche Vorstellung aber als naiv ansehen. In jedem Fall scheint sie auf den ersten Blick einigen Spielraum für andere, vielleicht hoffnungsvollere Ideen zu lassen, worin ein kognitiver Zugang eines Subjektes zu seinen Erfahrungen im Rahmen des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins beste222 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Sollte es uns auf die Transparenzthese ankommen?
hen könnte. Sollte eine solche Idee zutreffend sein, müsste sich die Transparenzthese den Vorwurf der Irrelevanz gefallen lassen. 209 In den folgenden Abschnitten werde ich versuchen zu zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Dafür werde ich die beiden, soweit ich sehe, hoffnungsvollsten Vorschläge solcher alternativer kognitiver Zugänge zu den eigenen Erfahrungen diskutieren, die die folgende Bedingung erfüllen: Die Annahme, dass sie im Rahmen des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins die Rolle des grundlegenden Selbstbewusstseins spielen, ist mit der Transparenzthese vereinbar. Sie sollen nicht-phänomenales Selbstbewusstsein und präreflexives Selbstbewusstsein heißen. Den ersteren Vorschlag diskutiere ich in Abschnitt 9.2.1, den zweiten in Abschnitt 9.2.2. Ich werde zu dem Ergebnis gelangen, dass keiner von beiden haltbar ist.
9.2.1 Das Modell des nicht-phänomenalen Selbstbewusstseins Was ich hier als nicht-phänomenales Selbstbewusstsein bezeichne, ist eine Konzeption, die sich in Theorien findet, die wir als materialistische Versionen von Meta-Wahrnehmungs-Theorien bezeichnen können. Meta-Wahrnehmungs-Theorien sind zunächst einmal eine Unterklasse von meta-repräsentationalen Theorien. Meta-repräsen209 Dabei ist zu beachten, dass unser Interesse an der Transparenzthese etwas anders gelagert ist, als das der meisten Teilnehmer an der Debatte. Während es uns speziell um die Natur des Erscheinens geht, haben die meisten anderen Autoren ein allgemeineres Interesse. Ihnen geht es ganz allgemein um die Natur des Selbstbewusstseins, des Selbstwissens oder der Erfahrung. Aus diesen unterschiedlichen Fragestellungen ergeben sich verschiedene Maßstäbe für die Relevanz oder Irrelevanz einer These. So würde unsere Transparenzthese für die Frage nach der Natur des Erscheinens eventuell auch dann noch Relevanz besitzen, wenn sich herausstellen sollte, dass sie das Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins nicht ausschließen kann, d. h. wenn einer der oben skizzierten Einwände erfolgreich wäre. Diese Tatsache befreit uns allerdings nicht von vornherein von der Notwendigkeit, uns mit diesen Einwänden zu befassen. Denn die Frage nach der Natur des Erscheinens bleibt von der Frage nach der Wahrheit oder Falschheit des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins keineswegs vollkommen unberührt. Erfahrungen sind Zustände des Erscheinens. Und viele Vertreter des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins fassen das Selbstbewusstsein in seiner grundlegenden Form als wesentlichen Aspekt von Erfahrungen auf (vgl. u. a. Frank (2002) und (2007), Janzen (2005) und (2006), Kriegel (2003a/b) und (2009a/b) oder Zahavi (1999), (2004) und (2005)). Sollten diese Autoren Recht haben, hätte das einen entsprechenden Einfluss auf die richtige Antwort auf die von uns gestellte Frage nach der Natur des Erscheinens.
223 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
9 · Kritik an der Transparenzthese
tationale Theorien sind Theorien, die folgende These enthalten: Selbstbewusstsein ist ein auf die eigenen mentalen Zustände gerichteter repräsentationaler Zustand höherer Ordnung. Entsprechende Theorien werden in zwei Spielarten vertreten: als Meta-Wahrnehmungs-Theorien und als Meta-Überzeugungs-Theorien. Beide unterscheiden sich in ihrem Verständnis des fraglichen repräsentationalen Zustandes höherer Ordnung. 210 Während in Meta-WahrnehmungsTheorien angenommen wird, er sei in wichtigen Hinsichten der äußeren sinnlichen Wahrnehmung analog, wird in Meta-Überzeugungs-Theorien angenommen, es handle sich um eine Überzeugung. Die Bestimmung der Meta-Wahrnehmungs-Theorie lässt es offen, welche Eigenschaften Selbstbewusstsein genau mit der äußeren sinnlichen Wahrnehmung gemeinsam hat. Zusammen sollten diese Eigenschaften aber in jedem Fall hinreichend sein, um den fraglichen Zustand von einer Überzeugung höherer Ordnung zu unterscheiden. Andernfalls ließe sich die Theorie nicht von einer Meta-Überzeugungs-Theorie unterscheiden. 211 Materialistisch ist eine Meta-Wahrnehmungs-Theorie, wenn sie Zustände des Selbstbewusstseins in materialistisch akzeptabler Weise auffasst. Dies geschieht für gewöhnlich, indem sie als eine Art von internen Gehirn-Scannern verstanden werden. 212 Vertreter materialistischer Meta-Wahrnehmungs-Theorien betonen für gewöhnlich zwei Gemeinsamkeiten und einen Unterschied zwischen (so verstandenen) Zuständen des Selbstbewusstseins und der äußeren Wahrnehmung. Die erste Gemeinsamkeit ist, dass beide Arten von Zuständen repräsentationale Zustände sind. 213 Dadurch wird unter anderem ausgeschlossen, dass Zustände des Selbstbewusstseins Zustände der Bekanntschaft oder
Eine andere Unterscheidung ist die, die man die Unterscheidung zwischen fichteanischen- und nicht-fichteanischen meta-repräsentationalen Theorien nennen könnte. Erstere versuchen phänomenales Bewusstsein auf Selbstbewusstsein zu reduzieren, indem sie annehmen, dass mentale Zustände dadurch phänomenal bewusst sind, dass sie Gegenstände von Selbstbewusstsein sind. Letztere nehmen an, dass es sich bei phänomenalem Bewusstsein und Selbstbewusstsein um verschiedene Arten von Bewusstsein handelt. Gegenüber dieser Unterscheidung können wir uns zunächst neutral verhalten. 211 Dieser Punkt wird im Folgenden noch eine wichtige Rolle spielen. 212 Vgl. Armstrong (1968), S. 324. 213 Da es sich um materialistische Meta-Wahrnehmungstheorien handelt, wird diese Eigenschaft als das Spielen einer bestimmten Art von kausaler Rolle verstanden. 210
224 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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des Vorstellens sind. 214 Mit anderen Worten: Zustände des Selbstbewusstseins sollen ebenso von ihren Gegenständen unabhängig existieren wie Zustände äußerer Wahrnehmungen. Die zweite Gemeinsamkeit ist, dass beide Arten von Zuständen nicht-begrifflich sind, das heißt, dass ein Subjekt sich in ihnen befinden kann, ohne über bestimmte, durch ihre Gehalte bestimmte, Begriffe zu verfügen. 215 Der Unterschied, der betont wird, ist, dass Zustände des Selbstbewusstseins, anders als Zustände äußerer Wahrnehmungen, selbst keine phänomenalen Qualitäten aufweisen. So heißt es etwa bei William Lycan: »The inner-sense theorist does not contend […] that internal monitoring is like external perception in every single respect. And in particular, we should not expect internal monitoring to share the property of involving some presented sensory quality at its own level of operation.« 216
Zustände höherer Ordnung, die diese Gemeinsamkeiten und diesen Unterschied zu äußeren Wahrnehmungen aufweisen, sind Zustände nicht-phänomenalen Selbstbewusstseins. Ist die materialistische Version der Meta-Wahrnehmungs-Theorie haltbar? Kann es Zustände der fraglichen Art überhaupt geben und kommen sie als Zustände des Selbstbewusstseins in Frage? Eine negative Antwort auf die zweite Frage erscheint jedem unausweichlich, der die folgenden Intuitionen teilt: Erstens, Zustände des Selbstbewusstseins müssen, wie alle mentalen Zustände, Zustände sein, in denen sich Subjekte befinden. Und damit ist nicht gemeint, dass sich ein Gegenstand in ihnen befindet, der de facto ein Subjekt ist. Gemeint ist, dass sich ein solcher Gegenstand in ihnen befindet, insofern er ein Subjekt ist. Mit anderen Worten: Ein Zustand des Selbstbewusstseins muss zu den Zuständen gehören, die die Subjektivität (d. i. das Subjekt-Sein) des Subjektes, das sich in ihnen befindet, konstituieren. Zweitens, dass sich ein Subjekt (insofern es ein Subjekt ist)
Siehe Kapitel 4. Viele Autoren würden bestreiten, dass es sich hierbei um eine Gemeinsamkeit mit der visuellen Wahrnehmung handeln kann, da, ihrer Ansicht nach, die visuelle Wahrnehmung sehr wohl begrifflich ist. In Kapitel 12 werde ich gegen die Ansicht dieser Autoren argumentieren. An dieser Stelle reicht es jedoch aus, darauf zu verweisen, dass Vertreter materialistischer Meta-Wahrnehmungs-Theorien auch visuelle Wahrnehmungen typischerweise für begrifflich halten und wir ihre Position nicht an diesem Punkt angreifen wollen. 216 Lycan (1996), S. 28. 214 215
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in einem mentalen Zustand befindet, bedeutet: Es ist für das Subjekt irgendwie, sich in diesem Zustand zu befinden. 217 Sollte das richtig sein, wäre die Annahme von Zuständen nichtphänomenalen Selbstbewusstseins schlicht selbst-widersprüchlich. Denn dass es für ein Subjekt irgendwie ist, sich in einem Zustand zu befinden, bedeutet eben, dass dieser Zustand phänomenal bewusst ist. Offenkundig werden diese Intuitionen aber nicht von jedem geteilt. Lycan, um nur ein Beispiel zu nennen, teilt, wie wir gesehen haben, die zweite Intuition nicht. Er sieht keine Probleme in der Annahme eines Zustandes des Selbstbewusstseins, der keine phänomenale Qualität aufweist. 218 Und es ist ebenfalls fraglich, ob er der ersten Intuition in der obigen Form zustimmen würde. Vieles spricht dafür, dass er die Unterscheidung zwischen ›ein Gegenstand, der de facto ein Subjekt ist, befindet sich in einem Zustand‹ und ›ein Gegenstand befindet sich in einem Zustand, insofern er ein Subjekt ist‹ ablehnen würde. Gibt es angesichts dieser Situation Möglichkeiten, die Intuitionen zu stützen? Einige Widerstände gegen die zweite Intuition lassen sich sicher überwinden oder abschwächen, indem man gängige Missverständnisse bezüglich des Begriffes des phänomenalen Bewusstseins ausräumt. Eines dieser Missverständnisse beruht darauf, dass viele, geprägt durch die Standardbeispiele in der einschlägigen Literatur, bei phänomenalem Bewusstsein an intensive Eindrücke wie Schmerzen oder Farb-Eindrücke denken. Versteht man phänomenales Bewusstsein aber einfach im Sinne von Nagels klassischer Beschreibung als eine Art, wie es für ein Subjekt ist, sich in einem Zustand zu befinden, gibt es keinen Grund für die Annahme, es müsse sich notwendigerweise um derart intensive und klar bestimmbare Eindrücke handeln. Gemäß einem zweiten möglichen Missverständnis ist phänomenales Bewusstsein das Erscheinen irgendeiner Art von phänomenalem Anstrich. 219 Wäre das richtig, wäre die Annahme, alle Zustände, in denen sich ein Subjekt (als solches) befinde, seien phänomenal beVgl. hierzu insbesondere Nida-Rümelin (2006a), (2008), (2010) sowie (2012). Dasselbe gilt aus etwas anderen Gründen für Armstrong. Armstrong vertritt eine Theorie der Wahrnehmung, die Wahrnehmungen auf Überzeugungszustände zu reduzieren versucht. Danach ist eine Wahrnehmung nichts anderes als das Ereignis der Hervorbringung einer Überzeugung (siehe auch Abschnitt 2.2). In einer solchen Theorie ist für phänomenale Qualitäten von Wahrnehmungen grundsätzlich kein Platz. 219 Siehe oben. 217 218
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wusst, in der Tat absurd. Wir haben jedoch bereits ausführlich dargelegt, dass die Vorstellung eines phänomenalen Anstrichs grundlegend verfehlt ist. Damit dürften aber bei weitem nicht alle Widerstände gegen die beiden Intuitionen überwunden sein. Eine Strategie, die sich in solchen Fällen anbietet, ist, Verbindungen zu verwandten Begriffen und Intuitionen aufzuzeigen, die eventuell weniger umstritten und/oder theoretisch weniger belastet sind. Das folgende Argument lässt sich als ein solcher Versuch verstehen: (P1) Meta-Wahrnehmungs-Theorien müssen sich von MetaÜberzeugungs-Theorien unterscheiden. (P2) Damit sich Meta-Wahrnehmungs-Theorien von MetaÜberzeugungs-Theorien unterscheiden, müssen MetaWahrnehmungen phänomenale Zustände sein. (K1) Meta-Wahrnehmungen müssen phänomenale Zustände sein. (K2) Die materialistische Version der Meta-WahrnehmungsTheorie ist falsch. Der neuralgische Punkt in diesem Argument ist natürlich (P2). Was aber spricht für (P2)? Erinnern wir uns zunächst an die Kernthesen der materialistischen Meta-Wahrnehmungs-Theorie: Zustände des Selbstbewusstseins sind Zustände interner Gehirn-Scanner, die mentale Zustände erster Ordnung scannen. 220 Dieses Scannen ist eine Form des (nicht-begrifflichen) Repräsentierens. Es handelt sich also um meta-repräsentationale Zustände. Wir wollen im Folgenden nicht bestreiten, dass es Gehirnzustände gibt, auf die diese oder eine hinreichend ähnliche Beschreibung zutrifft. 221 Ein Zustand eines internen Gehirn-Scanners zu sein, der einen mentalen Zustand erster Ordnung repräsentiert, ist aber offenkundig noch nicht hinreichend, um die Rolle eines Zustandes des Selbstbewusstseins spielen zu können, die ihm in materialistischen Meta-Wahrnehmungs-Theorien Vgl. Armstrong (1968), S. 324. Das bedeutet nicht, dass es keine Ansätze gäbe, daran zu zweifeln. Jemand könnte beispielsweise bezweifeln, dass die fraglichen Scanner allein dadurch, dass sie zuverlässig bestimmte Zustände scannten, bereits repräsentationale Zustände seien. Genuin repräsentationale Zustände, so könnte ein Einwand lauten, könnten allein mentale Zustände sein. Und das zuverlässige Scannen bestimmter Zustände sei eben nicht hinreichend um ein mentaler Zustand zu sein (vgl. z. B. Searle (1992), S. 52 oder (1998), S. 121 f.). 220 221
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zugeschrieben wird. Eine Eigenschaft, die in jedem Fall hinzukommen muss, ist, dass der fragliche interne Gehirn-Scanner Selbstwissen hervorbringt. Darüber, ob diese Eigenschaft auch hinreichend für den Status eines Zustandes von Selbstbewusstsein ist, ließe sich streiten. Unstrittig ist allerdings, dass auch sie nicht hinreichend ist, um materialistische Meta-Wahrnehmungs-Theorien von Meta-Überzeugungs-Theorien zu unterscheiden. Betrachten wir, wie David Rosenthal, einer der einflussreichsten Vertreter einer Meta-Überzeugungs-Theorie, seine Theorie beschreibt: »On the present account, conscious mental states are mental states that cause the occurrence of higher-order thoughts that one is in those mental states [Hervorhebung D. F.].« 222
Diese Beschreibung ist mit der Existenz interner Scanner vereinbar, die mentale Zustände erster Ordnung repräsentieren und Selbstwissen hervorbringen. Ein entsprechendes Szenario könnte so aussehen: Die Meta-Überzeugungen hhigher-order thoughtsi sind Zustände des Selbstwissens und die Verursachung dieser Meta-Überzeugungen, von der Rosenthal spricht, geschieht durch den Prozess des Scannens der mentalen Zustände erster Ordnung durch interne Scanner. 223 Wir müssen also festhalten, dass selbst die Tatsache, dass es sich bei den internen Scannern um nicht-begriffliche meta-repräsentationale Zustände handelt, die zuverlässig Selbstwissen hervorbringen, nicht hinreichend wäre, um ihnen den Status von Zuständen des Selbstbewusstseins im Sinne einer Meta-Wahrnehmungs-Theorie zu sichern. Was aber könnte noch nötig sein? Der Antwort können wir uns über eine auf Daniel Dennett zurückgehende Unterscheidung nähern: der Unterscheidung zwischen Zuständen auf personaler und Zuständen auf sub-personaler Ebene. 224 Sie scheint uns, zumindest intuitiv, die richtige Antwort zu liefern: Damit einem Zustand eines der fraglichen internen Scanner der Status eines Zustandes des
222 Rosenthal (1986), S. 338. Später modifiziert Rosenthal diese Beschreibung etwas (vgl. Rosenthal (2005), S. 29). 223 Wie überzeugend eine solche Theorie wäre, muss uns an dieser Stelle nicht interessieren. 224 Zum Ursprung dieser Unterscheidung vgl. Dennett (1969). Da sich Dennetts Bezeichnung durchgesetzt hat, übernehme ich sie, obwohl sie mir nicht ideal zu sein scheint. Denn, wie mir scheint, führt eine plausible Auslegung der beteiligten Begriffe zu dem Ergebnis, dass Subjekte, die keine Personen sind, Zustände auf der personalen Ebene haben können. Das ist ein etwas unschönes Ergebnis.
228 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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Selbstbewusstseins im Sinne einer Meta-Wahrnehmungs-Theorie zukommen kann, muss er, neben den anderen genannten Eigenschaften, auch die Eigenschaft aufweisen, ein Zustand auf der personalen Ebene zu sein. Davon, was das bedeutet, haben wir ein recht gutes intuitives Verständnis. Das zeigt sich an der Sicherheit, mit der wir die meisten Beispiele zuordnen. Nehmen wir einerseits irgendeinen Zustand meines Stammhirns, der für die Steuerung meines Blutdruckes verantwortlich oder mitverantwortlich ist, und andererseits meine aktuelle konzentrierte Wahrnehmung des Bildschirmes meines Computers. Ohne zu zögern, siedeln wir den ersten Zustand auf der sub-personalen Ebene an, während wir den zweiten Zustand auf der personalen Ebene ansiedeln. Dessen ungeachtet kann die Grenze zwischen Zuständen auf personaler und Zuständen auf sub-personaler Ebene natürlich auf recht verschiedene Weise gezogen werden. Und nicht jede Art, diese Grenze zu ziehen, gibt uns die gesuchte Bedingung an die Hand, die meta-repräsentationale Zustände erfüllen müssen, um Zustände des Selbstbewusstseins im Sinne einer MetaWahrnehmungs-Theorie sein zu können. Für die Art, wie Dennett die Unterscheidung ursprünglich versteht, gilt das beispielsweise nicht. Dennett führt die Unterscheidung als Unterscheidung zwischen Ebenen der Erklärung von Verhalten ein. Die Idee ist, grob gesagt, dass eine Verhaltens-Erklärung auf der personalen Ebene rationalen Gesetzen gehorcht, während eine Verhaltens-Erklärung auf der sub-personalen Ebene kausalen Gesetzen gehorcht. 225 Für Dennett ergibt sich daraus jedoch auch eine Unterscheidung zwischen Zuständen. Zustände auf personaler Ebene sind die Zustände, die in Verhaltens-Erklärungen auf der personalen Ebene eine Rolle spielen. Zustände auf sub-personaler Ebene sind die Zustände, für die dies nicht gilt. 226 Diese Art, die Unterscheidung zu treffen, gibt uns nicht die gesuchte Bedingung an die Hand. Denn hinsichtlich seiner Rolle in rationalen Verhaltens-Erklärungen wird sich ein interner Scanner, der in der oben geschilderten Weise in eine Meta-ÜberzeugungsTheorie integrierbar ist, nicht von einem internen Scanner unterscheiden, dem der Status eines Zustandes des Selbstbewusstseins im Sinne einer Meta-Wahrnehmungs-Theorie zukommt. Der Grund hierfür ist aufschlussreich. Das Problem mit Dennetts auf verschiedenen Arten von Verhaltens-Erklärungen basierender Unterschei225 226
Vgl. Dennett (1969), S. 93. Vgl. auch Dennett (1971) und (1987).
229 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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dung ist, dass sie eine Unterscheidung aus der Dritte-Person-Perspektive ist. Aus dieser Perspektive ist der gesuchte Unterschied – der Unterschied zwischen einem internen Scanner im Rahmen einer Meta-Überzeugungs-Theorie und einem internen Scanner im Rahmen einer Meta-Wahrnehmungs-Theorie – prinzipiell nicht fassbar. Der gesuchte Unterschied wird also ein Unterschied sein müssen, der aus der Erste-Person-Perspektive fassbar ist. Mit anderen Worten: Es wird sich um einen Unterschied handeln müssen, der auch für das jeweilige Subjekt einen Unterschied macht. Wenn der gesuchte Unterschied also durch die Unterscheidung zwischen Zuständen auf personaler und Zuständen auf sub-personaler Ebene eingefangen werden soll, muss diese Unterscheidung auf andere Weise getroffen werden, als Dennett es tut. Und in der Tat gibt es eine Art, diese Unterscheidung zu treffen, die nicht nur unserem intuitiven Vorverständnis besser gerecht wird, sondern auch die angesprochene erstpersönliche Dimension der Unterscheidung erfasst. Wir finden sie beispielsweise bei Uriah Kriegel: »A personal-level representation is generally of something to someone – to a person, that is to say. As I have my experience my visual experience of the laptop before me, I am in an internal state that represents the laptop to me.« 227
Die, wie er es an anderer Stelle ausdrückt, »subtile phänomenologische Beobachtung« 228, auf die sich Kriegel hier stützt, ist uns bereits bekannt. Wir sind auf sie im Zuge eines Vergleiches zwischen Subjekten, wie wir es sind, und anderen repräsentationalen Systemen wie etwa Tachometern gestoßen. Ein Tachometer, so hatten wir gesagt, ist nicht jemand, dem sich die Geschwindigkeit des Wagens irgendwie präsentiert. Ich dagegen bin jemand, dem sich zum Beispiel der Baum, den ich wahrnehme, irgendwie präsentiert. Wir hatten das im Sinne einer Besonderheit der Relation des Sich-Präsentierens gedeutet. Diese Deutung ist jedoch nicht selbstverständlich. 229 Und wir wolKriegel (2012), S. 96. Kriegel (2003a), S. 288. 229 Kriegel selbst zieht aus seiner phänomenologischen Beobachtung z. B. ganz andere Schlüsse: »[…] personal-level representation must instantiate the three-place relation x represents y to z. If so, a personal-level representation, such as my visual experience of the laptop, instantiates two two-place representation relations. My experience bears the representation-of relation to the laptop and the representation-to relation to me.« (Kriegel (2012), S. 99) Kriegel deutet den Begriff eines Zustandes auf der personalen Ebene also so, wie viele den Begriff des Bewusstseins deuten: als 227 228
230 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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len sie an dieser Stelle nicht voraussetzen. Was wir festhalten können ist, dass das, was Kriegels »subtile phänomenologische Beobachtung« einfängt, ein Sinn von Bewusstsein ist, genauer, ein Sinn von Bewusstsein als Eigenschaft eines Zustandes (im Folgenden ZustandsBewusstsein). Die Unterscheidung zwischen Zuständen auf personaler und Zuständen auf sub-personaler Ebene fiele also mit einer Unterscheidung zwischen bewussten und unbewussten Zuständen zusammen. 230 Das provoziert zunächst einmal einen naheliegenden Einwand: Gibt es nicht viele Beispiele mentaler Zustände, die unbewusst sind, aber dennoch auf der personalen Ebene angesiedelt werden müssen? Das scheint nicht nur für die Zustände zu gelten, die wir im Alltag als unbewusst oder unterbewusst beschreiben. Es scheint vielmehr für den Großteil unserer Überzeugungen zu gelten: Meine Überzeugung beispielsweise, dass die Erde keine Scheibe ist oder dass ich niemals Millionär sein werde, sind mir nie oder fast nie in dem von Kriegel beschriebenen Sinn bewusst. Auf diesen Einwand lässt sich zunächst einmal erwidern, dass es natürlich keineswegs zwingend ist, dass die fraglichen Zustände auf der personalen Ebene anzusiedeln sind. Nicht nur, dass dies ohnehin von der genauen Bestimmung der Unterscheidung zwischen personaler und sub-personaler Ebene abhängt, auch unsere Intuitionen sind hier nicht eindeutig. Warum zum Beispiel sollte man meine Überzeugung, dass die Erde keine Scheibe ist, nicht als eine auf der sub-personalen Ebene angesiedelte Disposition beschreiben, die sich unter Ergebnis einer Meta-Repräsentation. (Das ist etwas ungenau. Kriegel vertritt eine sog. selbst-repräsentationalistische Theorie, in der die Rolle des Selbstbewusstseins nicht einem höherstufigen Zustand zugeschrieben wird, sondern dem Zustand erster Ordnung selbst, der sich selbst repräsentiert (vgl. z. B. Kriegel (2009a)). An dieser Stelle können wir über diesen Unterschied jedoch hinwegsehen.) Wie bereits deutlich geworden ist, halte ich Kriegels Deutung für falsch. Die phänomenologische Beobachtung spricht nicht für eine drei-stellige Repräsentations-Relation, sondern für die Besonderheit der zwei-stelligen Präsentations-Relation. Dazu später mehr. 230 Das entspricht sehr gut unserem Vorverständnis dieser Unterscheidung. Erinnern wir uns: Wir hatten es anhand des Vergleiches zwischen irgendeinem Zustand meines Stammhirns, der für die Steuerung meines Blutdruckes verantwortlich ist und meiner aktuellen konzentrierten Wahrnehmung des Bildschirmes meines Computers verdeutlicht. Die genannte Antwort ist genau die, die durch dieses und ähnliche Beispiele nahegelegt wird: Es scheint, dass wir den ersten Zustand deswegen auf der sub-personalen Ebene ansiedeln, weil er nicht bewusst ist, während wir den zweiten deswegen auf der personalen Ebene ansiedeln, weil er bewusst ist.
231 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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bestimmten Bedingungen in einem Zustand auf personaler Ebene, das heißt einer bewussten Überzeugung, manifestiert? 231 Eine zweite und stärkere Erwiderung ist jedoch die Folgende: In der vorliegenden Diskussion geht es primär um die Frage, was es für wahrnehmungsartige Zustände bedeutet, Zustände auf der personalen Ebene zu sein. Vermeintliche Beispiele für unbewusste Zustände auf der personalen Ebene sind jedoch durchgängig Beispiele propositionaler Einstellungen. Was aber ein unbewusster wahrnehmungs-artiger Zustand sein könnte, der sich auf der personalen Ebene befindet, ist völlig unklar. Mindestens für solche Zustände gilt offenbar: Auf der personalen Ebene angesiedelt zu sein, bedeutet nichts anderes, als bewusst zu sein. Was bedeutet das nun für die Prämisse (P2), um die es uns geht? Zur Erinnerung: (P2) Damit sich Meta-Wahrnehmungs-Theorien von MetaÜberzeugungs-Theorien unterscheiden, müssen MetaWahrnehmungen phänomenale Zustände sein. Wir haben festgestellt, dass Meta-Wahrnehmungen, wenn sich Meta-Wahrnehmungs-Theorien von Meta-Überzeugungs-Theorien unterscheiden sollen, Zustände auf der personalen Ebene sein müssen. Weiterhin haben wir festgestellt, dass auf der personalen Ebene angesiedelt zu sein nichts anderes bedeutet als bewusst zu sein. Sollte die Tatsache, dass ein Zustand bewusst ist, nun implizieren, dass dieser Zustand phänomenal bewusst ist, wäre (P2) also bestätigt. Ein Vertreter der materialistischen Meta-WahrnehmungsTheorie könnte allerdings versuchen, diese Implikation zu bestreiten. Er könnte zunächst darauf bestehen, dass es zwei Arten von Zustands-Bewusstsein gäbe, von denen phänomenales Bewusstsein nur eine sei, während der Gegenstand einer bestimmten Art von MetaRepräsentation zu sein (im Folgenden: gegenständliches ZustandsBewusstsein) die andere sei. Dann könnte er behaupten, dass die zweite Art von Bewusstsein die erste nicht impliziere. Die erste Behauptung finden wir beispielsweise bei Lycan. Bezugnehmend auf Armstrongs bekanntes Beispiel eines »abwesenden« Truck-Fahrers 232 schreibt er: »[…] the driver ›comes to‹ and suddenly realizes that he has driven for miles without any awareness of what he was doing. Yet he must have per231 232
Vgl. ebenda, S. 90. Vgl. Armstrong (1997), S. 723 f.
232 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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ceived the bends in the road, the road signs, the stop lights, and so on. Suppose that he did in fact stop at red light. Presumably, the light looked red rather than green to him; that is the only reason he would have stopped. So, in the strict sense of the term, he was presented with a red quale; a subregion of his visual field had redness as its phenomenal or qualitative character. But the driver was not aware of any such thing; it was an un- or subconscious perceiving, entirely unintrospected.« 233
Lycan nimmt also an, dass phänomenales Bewusstsein eine Eigenschaft von Wahrnehmungen erster Ordnung sei, die diese unabhängig davon aufweisen, ob sie gegenständliches Zustands-Bewusstsein aufweisen (d. i. unabhängig davon, ob sie Gegenstände von Meta-Repräsentation sind). Der Versuch, auf dieser Unterscheidung die oben skizzierte Verteidigung der materialistischen Meta-Wahrnehmungs-Theorie aufzubauen, ist jedoch mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Eine offenkundige Schwäche dieser Verteidigung ist, dass sie sich bereits im Rahmen der zu verteidigenden Theorie bewegt, das heißt, sie bietet keine Argumente für diese Theorie an, sondern zeigt im Erfolgsfall lediglich, dass die Theorie nicht inkonsistent ist. Das ist für eine Verteidigung zwar ein legitimes Ziel, aber auch ein bescheidenes Ziel. Denn die Konsistenz einer Theorie ist selbstverständlich damit vereinbar, dass es gute Gründe gibt, sie abzulehnen. Weiterhin scheint sich die Unterscheidung zwischen phänomenalem Bewusstsein und gegenständlichem Zustands-Bewusstsein nicht sehr gut mit der zweiten Behauptung der Verteidigung zu vertragen, dass Letzteres Ersteres nicht voraussetze. Nicht zuletzt das Armstrong/Lycan-Beispiel legt nahe, dass es gerade die phänomenale Qualität der Wahrnehmung des Truck-Fahrers ist, die sie einer wahrnehmungsartigen Meta-Repräsentation zugänglich mache. Wäre das zudem verallgemeinerbar, wäre phänomenales Bewusstsein sehr wohl eine Bedingung für gegenständliches Zustands-Bewusstsein. In diesem Fall würde aus der Tatsache, dass ein Zustand des Selbstbewusstseins bewusst ist, weiterhin folgen, dass er phänomenal bewusst ist – und (P2) unseres Argumentes gegen die materialistische Meta-Wahrnehmungs-Theorie hätte weiterhin Bestand. Aber obwohl mir im Rahmen der Idee einer Meta-Wahrnehmungs-Theorie vieles für die Annahme zu sprechen scheint, phänomenales Bewusstsein sei eine notwendige Bedingung für gegenständ233
Lycan (1996), S. 76.
233 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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liches Zustands-Bewusstsein, ist sie möglicherweise nicht unbestreitbar. Nehmen wir also für den Moment an, sie sei falsch. In diesem Fall wäre der Vertreter der Meta-Wahrnehmungs-Theorie nicht mehr gezwungen (P2) zu akzeptieren, sodass unser Argument wirkungslos wäre. Allerdings wäre er eben dadurch mit anderen, nicht weniger schwerwiegenden Problemen konfrontiert. Wir müssen im Auge behalten, dass es um das Zustands-Bewusstsein meta-repräsentationaler Zustände geht. Durch die oben skizzierte Verteidigung gegen unser Argument ist der Vertreter der materialistischen Meta-Wahrnehmungs-Theorie auf die Behauptung festgelegt, die meta-repräsentationalen Zustände, die in seiner Theorie die Zustände des Selbstbewusstseins sein sollen, wiesen gegenständliches ZustandsBewusstsein auf. Das erste Problem, das sich stellt, ist altbekannt: Durch diese Behauptung wäre der Vertreter der materialistischen Meta-Wahrnehmungs-Theorie auf die Annahme eines systematischen Auftretens eines weiteren meta-repräsentationalen Zustandes, eines Zustandes dritter Ordnung verpflichtet. Und während die Annahme vereinzelter Vorkommnisse solcher Zustände dritter Ordnung eventuell noch akzeptabel ist, erscheint diese Annahme doch sehr unplausibel. Hinzu kommt, dass sich für diese Zustände dritter Ordnung erneut die Frage stellen würde, ob sie bewusste Zustände (d. i. Zustände auf personaler Ebene) sein müssen oder nicht. Wenn ja, droht ein infiniter regress. 234 Wenn nicht, sollte der Vertreter der materialistischen Meta-Wahrnehmungs-Theorie, möchte er sich nicht dem Vorwurf einer ad-hoc-Annahme aussetzen, eine Erklärung dafür anbieten, warum die meta-repräsentationalen Zustände zweiter Ordnung bewusst sein sollten, wo doch auch die Möglichkeit nicht-bewusster meta-repräsentationaler Zustände besteht. Und eine solche Erklärung dürfte schwer zu finden sein. Ein weiteres Problem betrifft das Verhältnis der beiden Arten des Bewusstseins zueinander. Wir können von folgender Voraussetzung ausgehen: Wenn es gegenständliches Zustands-Bewusstsein gibt, dann repräsentiert der dafür verantwortliche meta-repräsentationale Zustand den Zustand erster Ordnung als den mentalen Zustand, der er ist. Handelt es sich bei dem Zustand erster Ordnung um einen phänomenal bewussten Zustand, repräsentiert der jeweilige 234 Der Einwand des infiniten regresses ist in jüngerer Zeit insbesondere von Dan Zahavi gegen verschiedene Versionen meta-repräsentationalistischer Theorien vorgebracht worden (vgl. z. B. Zahavi (1999), (2005) oder (2006)).
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meta-repräsentationale Zustand ihn also als phänomenal bewussten Zustand. Diese Voraussetzung kann aber nur erfüllt sein, wenn auch das phänomenale Bewusstsein eine bestimmte Bedingung erfüllt: Es muss so sein, dass es in einem wahrnehmungs-artigen meta-repräsentationalen Zustand ›wahrnehmbar‹ ist. Diese Bedingung wäre erfüllt, wenn phänomenales Bewusstsein eine Art phänomenaler Anstrich wäre. Diese Auffassung von phänomenalem Bewusstsein ist aber nicht nur, wie wir bereits festgestellt haben, nicht haltbar, sie ist auch nicht die Auffassung von Lycan und anderer Vertreter metarepräsentationalistischer Theorien. Für die Mehrzahl dieser Theoretiker sind phänomenale Qualitäten (i) repräsentationale und (ii) nichtintrinsische Eigenschaften von Erfahrungen. 235 Es ist jedoch nicht zu erkennen, wie derartige Eigenschaften in einer meta-repräsentationalen Wahrnehmung wahrnehmbar sein könnten. Ein offenkundiges Problem ergibt sich aus (ii): Wenn es externe Bedingungen sind, die einen Gehirnzustand zu einem repräsentationalen Zustand mit einem bestimmten Gehalt machen, ist nicht zu verstehen, wie man diesen Zustand als Zustand mit diesem Gehalt wahrnehmen könnte, indem man ihn scannt. Dretske verdeutlicht den Punkt mit Hilfe einer geeigneten Analogie: »That is the same mistake as inferring that because words (meaningful symbols) are in books, the meanings are also there. An internal scanner is as useful in mental affairs as would be a high-resolution camera in deciphering the meaning of a coded text. Experiencing […] meaningful symbols is not the way to represent their meaning (or the fact that they have meaning). Why, then, should experiencing meaningful brain states […] be a way of representing them as mental or as meaningful?« 236
Da die Bedeutung eines Wortes keine intrinsische Eigenschaft dieses Wortes ist, hilft es auch nichts, sich das Wort genau anzuschauen, wenn man seine Bedeutung herausfinden möchte. Und genauso gilt: Wenn der repräsentationale Gehalt/die phänomenale Qualität eines Gehirnzustandes keine intrinsische Eigenschaft dieses Zustandes ist, Eines der zentralen Anliegen der Mehrzahl dieser Theoretiker ist es, wie Lycan es ausdrückt, die Hegemonie der Repräsentation hhegemony of Representationi zu etablieren (vgl. Lycan (1996), S. 11). Mit anderen Worten: Sie wollen alle mentalen Tatsachen auf Tatsachen über Repräsentationen zurückführen. Im Rahmen dieses Projektes haben phänomenale Qualitäten im Sinne eines phänomenalen Anstriches keinen Platz. 236 Dretske (1995), S. 109. Vgl. auch Kemmerling (1999), Rowlands (2001), Kap. 4 oder Shoemaker (1996), Kap. 10/11. 235
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hilft es nichts, sich diesen Zustand genau anzuschauen, wenn man seine(n) repräsentationalen Gehalt/phänomenale Qualität herausfinden möchte. Darüber hinaus gibt es noch einen tieferen Grund, warum die Auffassung, phänomenale Qualitäten seien in einem wahrnehmungsartigen meta-repräsentationalen Zustand wahrnehmbar, falsch sein muss, solange phänomenale Qualitäten als repräsentationale Eigenschaften aufgefasst werden. Aus diesem Grund ist sie auch dann verfehlt, wenn man beispielsweise (ii) aufgibt und phänomenale Qualitäten als intrinsische repräsentationale Eigenschaften auffasst. Wir haben an früherer Stelle bereits auf ihn hingewiesen: Der Gehalt eines Zustandes des Erscheinens erscheint einem nur, wenn und nur insofern man sich in eben diesem Zustand des Erscheinens befindet, das heißt, insofern man darin die Subjekt-Rolle spielt. Die genannte Auffassung fordert jedoch, dass einem der Gehalt eines Zustandes des Erscheinens erscheint, insofern man sich in einem Zustand höherer Ordnung befindet. Und das ist nicht möglich. Die Konsequenz, die all diese das Verhältnis zwischen gegenständlichem und phänomenalem Bewusstsein betreffenden Probleme nahelegen, ist, die erstgenannte Kategorie ganz aufzugeben. Wenn es eine Art von Zustands-Bewusstsein geben sollte, die darauf beruht, dass der Zustand der Gegenstand einer Meta-Repräsentation ist, dann ist die fragliche Meta-Repräsentation eine überzeugungsartige Meta-repräsentation. Und daneben gibt es einzig und allein phänomenales Bewusstsein. Sollte das richtig sein, wäre dem Vertreter der materialistischen Meta-Wahrnehmungstheorie die Möglichkeit, (P2) mit Hilfe der Unterscheidung zwischen gegenständlichem und phänomenalem Bewusstsein abzulehnen, verbaut. Unser Argument ginge also durch. Wer diese Konsequenz aber vermeiden und an der genannten Unterscheidung festhalten möchte, sieht sich den geschilderten Problemen ausgesetzt. Und mir ist keine Lösung dieser Probleme bekannt. Wir müssen die materialistische Meta-Wahrnehmungs-Theorie, und mit ihr die Idee eines nicht-phänomenalen Selbstbewusstseins, also als gescheitert ansehen.
9.2.2 Präreflexives Selbstbewusstsein Gemäß der zweiten Spielart des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins, die wir untersuchen wollen, ist jemandes grundlegen236 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Sollte es uns auf die Transparenzthese ankommen?
des Selbstbewusstsein ein präreflexives Bewusstsein seiner selbst als Subjekt seiner Erfahrung. Diese Idee ist in jüngerer Zeit vor allem von Dan Zahavi ausgearbeitet und verteidigt worden. 237 Zahavi führt sie in Anlehnung an Überlegungen Jean-Paul Sartres wie folgt ein: »[…] the self-consciousness in question is of a nonreflective and nonpositional kind, that is, it does not have a reflective structure, and it does not posit that which it is aware of as an object. […]. Thus, Sartre also spoke of pre-reflective self-awareness as an immediate and noncognitive ›relation‹ of the self to itself.« 238
In der von uns bevorzugten Redeweise ausgedrückt, scheint die Idee folgende zu sein: Präreflexives Selbstbewusstsein ist ein Bewusstsein seiner selbst und seiner Erfahrungen, das keine Subjekt-Gegenstands-Struktur aufweist. Im präreflexiven Selbstbewusstsein präsentiert man sich also nicht sich selbst als ein Gegenstand. Es soll sich vielmehr um ein (noch) intimeres, direkteres Verhältnis handeln – ein Verhältnis, das so intim und direkt ist, dass es keine Trennung zwischen Subjekt- und Gegenstands-Rolle mehr zulässt. Uriah Kriegel spricht in diesem Zusammenhang treffend von einem »altogether unstructured feature, a simple intrinsic glow«. 239 240 Ist das eine korrekte Beschreibung unseres fundamentalen Selbstbewusstseins? Kann es so etwas wie ein präreflexives Selbstbewusstsein in diesem Sinn tatsächlich geben? Eine notwendige Bedingung hierfür ist zunächst einmal die Verträglichkeit der Annahme eines solchen präreflexiven Selbstbewusstseins mit der (richtig verstandenen) Phänomenologie der Wahrnehmung. Dem Buchstaben nach scheint der Vorschlag diese Bedingung zunächst einmal erfüllen zu können. Erinnern wir uns an die beiden in diesem Zusammenhang entscheidenden Ergebnisse unserer phänomenologischen Überlegungen: Das erste, bedeutendere Ergebnis war, dass etwas, insofern es die 237 Vgl. u. a. Zahavi (1999), (2004) und (2005) (Von Zahavi habe ich zudem die Bezeichnung »präreflexives Selbstbewusstsein« übernommen). Zu ähnlichen Auffassungen vgl. auch Drummond (2006), Frank (2002) und (2007) oder Janzen (2005) und (2006). 238 Zahavi (2005), S. 21. 239 Kriegel (2009b), S. 362. Vgl. auch Kriegel (2009a), S. 101 ff. 240 Die Konzeption eines präreflexiven Selbstbewusstseins findet sich explizit überwiegend bei Autoren, die in der phänomenologischen Tradition stehen. Implizit scheinen viele Autoren, die in der sog. analytischen Philosophie des Geistes zuhause sind, jedoch etwas sehr Ähnliches anzunehmen (vgl. u. a. Block (1996) und (2003), Chalmers (1996) oder Nida-Rümelin (2007b) und (2008)).
237 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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Gegenstands-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur spielt, nicht die Subjekt-Rolle in dieser oder einer anderen Subjekt-Gegenstands-Struktur spielen kann – oder kurz: dass etwas nicht als Subjekt erscheinen kann. Das zweite Ergebnis war, dass die Verdoppelungsvorstellung falsch ist – die Vorstellung also, dass sich einem Subjekt in einer Erfahrung zusätzlich zu jeder Eigenschaft, von der die Erfahrung handelt, noch eine mit dieser korrelierte (phänomenale) Eigenschaft präsentiert. Für beide Ergebnisse scheint zu gelten: Das was sie ausschließen scheint sich erst aus der Annahme einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu ergeben. Für das erste Ergebnis ist das offensichtlich. Aber auch für das zweite scheint es zu gelten. Schließlich ist darin davon die Rede, dass sich dem Subjekt eine zusätzliche Eigenschaft präsentiert. Und das scheint eine Subjekt-GegenstandsStruktur vorauszusetzen. Wir wollen daher zum Zwecke der Argumentation vorläufig akzeptieren, dass das Modell eines präreflexiven Selbstbewusstseins der Phänomenologie der Wahrnehmung gerecht werden kann. Bis hierher spricht also einiges für die Wahrheit dieses Vorschlags. Versuchen wir aber die Konzeption eines präreflexiven Selbstbewusstseins noch etwas besser zu verstehen. Bis hierher verfügen wir lediglich über eine negative Charakterisierung. In der oben zitierten Passage hebt Zahavi lediglich hervor, dass es keine SubjektGegenstands-Struktur aufweisen soll (dass es kein Bewusstsein von sein soll). Diese Charakterisierung erlaubt uns natürlich noch kein fundiertes Urteil. Zum Glück können wir jedoch mehr sagen. Aus Zahavis Darstellung der Konzeption des präreflexiven Selbstbewusstseins geht hervor, dass es mindestens die folgenden beiden Eigenschaften aufweisen soll. Erstens: Im präreflexiven Selbstbewusstsein hat ein Subjekt irgendeine Art von kognitivem Zugang zu seinen Erfahrungen. Das geht daraus hervor, dass es als die Grundlage reflexiven Selbstbewusstseins und Selbstwissens beschrieben wird. 241 Welcher Art dieser kognitive Zugang genau sein soll, ist schwer zu So z. B. von Zahavi, wo es heißt: »[…] it is because I am prereflectively conscious of my experience that I am usually able to respond immediately, that is, without inference or observation, if somebody asks me what I have been doing, or thinking, or seeing, or feeling immediately prior to the question.« (Zahavi (2005), S. 21). Ein zweiter Grund, weshalb wir davon ausgehen können, dass das präreflexive Selbstbewusstsein diese Eigenschaft aufweisen muss, ist, dass der Vorschlag nur in diesem Fall der Transparenz-Idee widersprechen würde. Und das bedeutet, dass er nur in diesem Fall für uns interessant ist.
241
238 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Sollte es uns auf die Transparenzthese ankommen?
sagen. Klar ist aber, dass er nicht-inferentiell und nicht-begrifflich sein muss. 242 Zweitens: Präreflexives Selbstbewusstsein soll eine notwendige Bedingung phänomenalen Bewusstseins sein. Dahinter steckt folgende Überlegung: Ein mentaler Zustand sei genau dann phänomenal bewusst, wenn es irgendwie für das Subjekt sei, sich in diesem Zustand zu befinden. Und es sei nur dann irgendwie für ein Subjekt, sich in einem mentalen Zustand zu befinden, wenn es irgendeine Art von Bewusstsein ›von‹ diesem Zustand habe. 243 Und die Rolle dieses Bewusstseins soll eben das präreflexive Selbstbewusstsein spielen. 244 Diese positive Charakterisierung versetzt uns nun in die Lage, ein fundiertes Urteil über den Vorschlag eines präreflexiven Selbstbewusstseins zu fällen. Betrachten wir zunächst die erste Eigenschaft, die Eigenschaft, dass ein Subjekt im präreflexiven Selbstbewusstsein irgendeine Art von nicht-begrifflichem, nicht-inferentiellem kognitivem Zugang zu seinen Erfahrungen hat. Es ist, so möchte ich behaupten, eine notwendige Bedingung für das Vorliegen eines solchen kognitiven Zugangs, dass der jeweilige Gegenstand – hier: die Erfahrung – sich dem Subjekt irgendwie präsentiert, dass er ein Gegenstand für das Subjekt ist. Dass sich etwas einem Subjekt präsentiert, bedeutet jedoch bereits, dass eine Subjekt-Gegenstands-Struktur vorliegt. In einer bildlich aufgeladenen Ausdrucksweise können wir uns den Zusammenhang wie folgt klarmachen: Die Relation des Sich-Präsentierens ist einerseits zwar eine sehr enge Relation. Sie setzt andererseits jedoch auch das Bestehen einer gewissen ›Distanz‹ voraus. Wenn die ›Nähe‹ des Gegenstandes zum Subjekt zu groß wird, das heißt, wenn, wie Zahavi es ausdrückt, keine Dualität von Subjekt
242 Allgemein gilt: Damit die Rede von einem kognitiven Zugang im präreflexiven Selbstbewusstsein nicht schon in sich widersprüchlich ist, muss der Ausdruck »kognitiver Zugang« darin in einem äußerst schwachen Sinn gelesen werden. Zahavi beispielsweise beschreibt den Zugang, im Anschluss an Sartre, ausdrücklich als nichtkognitiv hnoncognitivei (Zahavi (2005), S. 21; vgl. Sartre (1952), S. 21). Unstrittig ist jedoch, dass hier irgendeine Art von Zugang bestehen muss. Und mir ist keine besser geeignete Beschreibung bekannt. 243 Diesen Gedanken finden wir erneut bei Zahavi sehr deutlich ausgesprochen: »[…] insofar as there is something it is like for the subject to have the experience, the subject must in some way have access to and be acquainted with the experience« (Zahavi (2005), S. 15). Zu Überlegungen dieser Art vgl. auch Janzen (2006), Kriegel (2009a) sowie Levine (2001). 244 Vgl. Janzen (2006), S. 61 ff. und Zahavi (2005), S. 15 f.
239 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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(-Rolle) und Gegenstand(s-Rolle) mehr besteht, 245 dann fällt auch diese Relation in sich zusammen. Wir müssen also festhalten, dass das Vorliegen einer Subjekt-Gegenstands-Struktur eine notwendige Bedingung für das Vorliegen eines nicht-begrifflichen, nicht-inferentiellen kognitiven Zugangs zu seinen Erfahrungen ist. Daraus folgt, dass die Konzeption eines präreflexiven Selbstbewusstseins in sich widersprüchlich ist. Damit haben wir das eigentliche Ziel des Abschnittes bereits erreicht. Wir sollten aber noch auf die zweite oben genannte Eigenschaft eingehen, die Eigenschaft, dass präreflexives Selbstbewusstsein eine notwendige Bedingung phänomenalen Bewusstseins sein soll. Dieser Annahme liegen, so scheint mir, zwei interessante und häufig zu findende Fehler zugrunde. Den ersten Fehler möchte ich an dieser Stelle nur andeuten, da ich auf ihn später noch näher eingehen werde. 246 Er betrifft die Überlegung, die hinter dieser Annahme steht. Wir haben diese Überlegung oben so skizziert: Ein mentaler Zustand sei genau dann phänomenal bewusst, wenn es irgendwie für das Subjekt sei, sich in diesem Zustand zu befinden. Und es sei nur dann irgendwie für ein Subjekt, sich in einem mentalen Zustand zu befinden, wenn es irgendeine Art von Bewusstsein ›von‹ diesem Zustand habe. Diese Überlegung scheint mir auf einer Fehlinterpretation von Ausdrücken wie »Es ist für ein Subjekt irgendwie, diese oder jene Erfahrung zu haben« zu beruhen. Diese Ausdrücke werden im Sinn von »Diese oder jene Erfahrung ist irgendwie für das Subjekt« gelesen. Sie werden also so verstanden, als drückten sie aus, dass die Erfahrung ein Gegenstand für das Subjekt sei. Die Ausdrücke lassen jedoch eine andere Lesart zu, die den Tatsachen, so möchte ich behaupten, besser gerecht wird. Gemäß dieser Lesart bedeuten sie so viel wie »Indem ein Subjekt eine Erfahrung hat, ist es irgendwie für dieses Subjekt«. Gemäß dieser Lesart ist das, was für das Subjekt ist, das heißt, was ein Gegenstand für das Subjekt ist, nicht etwa die Erfahrung selbst, sondern das, wovon diese Erfahrung handelt. Was aber wäre, wenn die erste Lesart korrekt wäre, wenn also gelten würde: Dass es für ein Subjekt irgendwie ist, eine Erfahrung zu haben, bedeutet, dass diese Erfahrung irgendwie für das Subjekt ist? Dann stoßen wir auf den zweiten Fehler: Die Erfahrung kann – in diesem Sinn – nur dann irgendwie für das Subjekt sein, wenn sie sich 245 246
Vgl. Zahavi (2004), S. 70. Siehe Kapitel 10.
240 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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dem Subjekt präsentiert. Und das wiederum ist nur dann der Fall, wenn eine Subjekt-Gegenstands-Struktur vorliegt. Auch die Eigenschaft, eine notwendige Bedingung phänomenalen Bewusstseins zu sein, ist also mit dem Fehlen einer Subjekt-Gegenstands-Struktur unvereinbar. Was diesen zweiten Fehler besonders interessant macht ist, dass er nicht nur die Rolle der Erfahrung, das heißt hier: die GegenstandsRolle, betrifft. Er betrifft genauso das Subjekt beziehungsweise die Subjekt-Rolle. Wir haben weiter oben festgestellt, dass die SubjektRolle und die Gegenstands-Rolle sich komplementär zueinander verhalten. Wenn nichts die Gegenstands-Rolle spielt, dann kann auch nichts die Subjekt-Rolle spielen. Mit anderen Worten: Dass die Relation des Sich-Präsentierens nicht instanziiert ist, bedeutet nicht nur, dass da nichts ist, das sich jemandem präsentiert, es bedeutet ebenso sehr, dass da niemand ist, dem sich etwas präsentiert. Im gegenwärtigen Zusammenhang folgt daraus: Wenn die Erfahrung im präreflexiven Selbstbewusstsein nicht (im gerade geschilderten Sinn) irgendwie für das Subjekt ist (d. i. wenn sie nicht die GegenstandsRolle im präreflexiven Selbstbewusstsein spielt), dann kann auch nichts die Subjekt-Rolle im präreflexiven Selbstbewusstsein spielen. Wir hätten es also mit einem Zustand zu tun, in dem sich ein Subjekt als Subjekt überhaupt nicht befinden könnte, ein Zustand, der es nicht zulässt, dass etwas in ihm die Subjekt-Rolle spielt. Für eine Konzeption von Selbstbewusstsein ist das jedoch keine akzeptable Konsequenz. Auch die zweite der beiden, dem präreflexiven Selbstbewusstsein zugeschriebenen positiven Eigenschaften ist also nicht mit dem Fehlen einer Subjekt-Gegenstands-Struktur vereinbar. Die Konzeption eines präreflexiven Selbstbewusstseins erweist sich also als inkonsistent. 247
247 Dabei können wir durchaus einräumen, dass die Motivation für diese Konzeption in einer richtigen Erkenntnis besteht. Sie besteht in erster Linie in der Erkenntnis, dass es ein Fehler ist, Selbstbewusstsein nach dem Modell einer inneren Wahrnehmung aufzufassen. Die Konsequenz, die Vertreter der Konzeption eines präreflexiven Selbstbewusstseins aus dieser Erkenntnis ziehen, ist jedoch nicht stark genug. Die Konzeption eines präreflexiven Selbstbewusstseins ist ein Versuch, die innere Wahrnehmung durch einen Zustand zu ersetzen, der dieselbe Rolle spielen kann, wie diese, aber keine der Eigenschaften aufweist, die sie in dieser Rolle untragbar machen. Es ist nicht erstaunlich, dass ein solcher Versuch zu Inkonsistenzen führt. Der richtige Weg scheint mir zu sein, sich grundsätzlich von der Struktur des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins zu lösen. Dazu später mehr.
241 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
9 · Kritik an der Transparenzthese
Damit muss auch der zweite hoffnungsvolle Vorschlag für eine mit der Transparenzthese vereinbare Spielart des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins als gescheitert angesehen werden. Der negative Teil der Transparenzthese [(Trans.-neg.)] hat sich also als sehr viel stärker herausgestellt, als es auf den ersten Blick den Anschein gehabt haben mochte. Es gibt, entgegen dem ersten Anschein, keine direktere Art des kognitiven Zugangs zu den eigenen Erfahrungen als das Erscheinen. (Trans.-neg.) schließt also keineswegs nur eine womöglich ohnehin nicht sehr plausible Spielart des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins aus. (Trans.-neg.) schließt vielmehr alle konsistenten Spielarten dieses Modells des Selbstbewusstseins aus.
9.3 Zusammenfassung Kapitel 9 In Kapitel 9 haben wir uns mit verschiedenen Kritiken an der Transparenzthese auseinandergesetzt. Wir haben zwischen zwei Arten von Kritiken unterschieden: Einwänden gegen die Transparenzthese, d. h. Kritiken, die die Wahrheit der Transparenzthese in Frage stellen und Kritiken, die ihre Relevanz in Frage stellen. Mit Kritiken der ersten Art haben wir uns in Abschnitt 9.1 befasst. Dort haben wir innerhalb dieser Kategorie wiederum zwischen zwei Typen von Einwänden unterschieden: solchen, die auf Problemfällen beruhen, und solchen, die auf allgemeinen Überlegungen beruhen. In Abschnitt 9.1.1 haben wir uns mit den erstgenannten beschäftigt. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die in der Literatur diskutierten Problemfälle keine Bedrohung für die Transparenzthese darstellen. Eine Bedrohung stellen sie ausschließlich für ambitionierte Transparenz-Behauptungen dar. In Abschnitt 9.1.2 haben wir uns mit zwei Kritiken, von NidaRümelin (Abschnitt 9.1.2.1) und Block (Abschnitt 9.1.2.2) auseinandergesetzt, die auf allgemeinen Überlegungen beruhen. Insbesondere die Kritik von Nida-Rümelin haben wir ausführlich besprochen. Nida-Rümelins Ansicht war, dass sich die Transparenzthese keineswegs aus der Phänomenologie der Wahrnehmung ergäbe und dass die verbreitete Überzeugung, dass dem so sei, auf eine falsche Vorstellung davon zurückzuführen sei, was die Alternative zur Wahrheit der Transparenzthese wäre. Nida-Rümelin hat diese Vorstellung das 242 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Zusammenfassung Kapitel 9
Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins genannt. Wir sind allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass der Grund für die Überzeugung, die Transparenzthese ergäbe sich aus der Phänomenologie der Wahrnehmung, keineswegs auf die Gefangenschaft in dem Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins zurückzuführen sei, sondern darauf, dass sich die Transparenzthese in der Tat aus der Phänomenologie der Wahrnehmung ergibt. Nida-Rümelin ihrerseits unterschätzt die Evidenz, die uns die Phänomenologie der Wahrnehmung liefert. Ned Block vertritt die Ansicht, dass die Phänomenologie der Wahrnehmung mit der Falschheit der Transparenzthese vereinbar sei, weil ein peripheres Erscheinen der eigenen Erfahrung möglich sei. Auch diese Ansicht haben wir zurückgewiesen. In Abschnitt 9.2 haben wir uns mit der zweiten oben genannten Art von Kritik auseinandergesetzt, der Kritik, die nicht die Wahrheit, sondern die Relevanz der Transparenzthese bestreitet. Die Transparenzthese wäre irrelevant, wenn ihre Wahrheit mit dem Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins vereinbar wäre, der Idee also, dass das grundlegende Selbstbewusstsein nach dem Modell einer irgendwie beobachtungsartigen Reflexion auf das Subjekt und/oder seine Erfahrungen aufgefasst werden kann. Wir haben zwei Spielarten dieses Modells diskutiert, die mit der Transparenzthese vereinbar sind. Gemäß der ersten ist das grundlegende Selbstbewusstsein ein nichtphänomenales Erscheinen, gemäß der zweiten ist das grundlegende Selbstbewusstsein ein präreflexives Selbstbewusstsein. Die erste haben wir in Abschnitt 9.2.1 diskutiert. Dort haben wir die materialistische Meta-Wahrnehmungs-Theorie als die fragliche Spielart des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins ausgemacht. Wir haben festgestellt, dass Vertreter dieser Theorie vor einem Dilemma stehen. Da sich Meta-Wahrnehmungs-Theorien von Meta-Überzeugungs-Theorien nur dann unterscheiden können, wenn das grundlegende Selbstbewusstsein in ihnen als ein phänomenaler Zustand aufgefasst wird, gilt: Entweder materialistische MetaWahrnehmungs-Theorien unterscheiden sich nicht von Meta-Überzeugungs-Theorien, oder ihre Vertreter müssen die Annahme aufgeben, das grundlegende Selbstbewusstsein sei ein nicht-phänomenales Erscheinen. Wählen sie das erste Horn, widerspricht die materialistische Meta-Wahrnehmungs-Theorie zwar nicht mehr der Transparenz der Erfahrung, ist aber auch keine Spielart des Introspektionsmodells des Selbstbewusstseins mehr. Wählen sie das zweite 243 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
9 · Kritik an der Transparenzthese
Horn, ist die materialistische Meta-Wahrnehmungs-Theorie nicht mehr mit der Transparenzthese vereinbar. In beiden Fällen wäre der Einwand gegen die Relevanz der Transparenzthese erfolglos. In Abschnitt 9.2.2 haben wir die Auffassung diskutiert, das grundlegende Selbstbewusstsein sei ein präreflexives Selbstbewusstsein. Unter einem präreflexiven Selbstbewusstsein verstehen die Vertreter dieser Auffassung ein Selbstbewusstsein, das keine SubjektGegenstands-Struktur aufweist. Wir haben zwei Bedingungen herausgearbeitet, auf die ein Vertreter der genannten Auffassung festgelegt ist: Erstens: Im präreflexiven Selbstbewusstsein hat ein Subjekt irgendeine Art von nicht-inferentiellem und nicht-begrifflichem kognitivem Zugang zu seinen Erfahrungen. Zweitens: Präreflexives Selbstbewusstsein ist eine notwendige Bedingung phänomenalen Bewusstseins. Wir sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erfüllung beider Bedingungen das Vorliegen einer Subjekt-Gegenstands-Struktur voraussetzt. Die Idee eines präreflexiven Selbstbewusstseins hat sich damit als inkonsistent erwiesen und stellt ebenfalls keine Bedrohung für die Relevanz der Transparenzthese dar.
244 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Teil III Erscheinen, phänomenales Bewusstsein und Intentionalität
Es ist gängige Praxis in der Philosophie des Geistes, Wahrnehmungen durch zwei Begriffe zu charakterisieren: den des phänomenalen Bewusstseins beziehungsweise der phänomenalen Qualität und den der Intentionalität. Dabei herrscht die Ansicht vor, es handle sich um Begriffe verschiedener Merkmale. Wir haben Wahrnehmungen dagegen bis hierher durch nur einen Begriff charakterisiert: den Begriff des phänomenalen Erscheinens. Aus dieser Situation ergeben sich die Aufgaben für diesen Teil der Arbeit. In den ersten beiden Kapiteln dieses Teils werden wir das Verhältnis des Begriffes des phänomenalen Erscheinens zu den Begriffen des phänomenalen Bewusstseins (Kapitel 10) und der Intentionalität (Kapitel 11) klären. Das Ergebnis wird sein, dass für alle Zustände des Erscheinens beide Begriffe in dem Begriff des phänomenalen Erscheinens konvergieren. Das heißt, für alle Zustände des Erscheinens gilt: Die Tatsache, dass sie Intentionalität aufweisen und die Tatsache, dass sie phänomenal bewusst sind, fallen mit der Tatsache zusammen, dass in ihnen jemandem etwas im phänomenalen Sinne erscheint. Anschließend werden wir eine wichtige Konsequenz dieser Ergebnisse herausarbeiten. Zustände des Erscheinens unterscheiden sich von Überzeugungen nicht, wie manchmal angenommen wird, indem sie neben der Intentionalität noch ein weiteres Merkmal, eine phänomenale Qualität, aufweisen. Sie unterscheiden sich von letzteren vielmehr dadurch, dass sie eine andere Art von Intentionalität aufweisen (Kapitel 12).
245 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
10 Erscheinen und phänomenales Bewusstsein
In diesem Kapitel soll es um das Verhältnis von phänomenalem Erscheinen und phänomenalem Bewusstsein gehen. Dass ein enger Zusammenhang zwischen beidem besteht, ist offensichtlich, und geht zudem aus den bisherigen Kapiteln klar hervor. Im Folgenden wollen wir versuchen, die Natur dieses Zusammenhangs so gut wie möglich zu verstehen. Die erste Bedingung hierfür ist ein klares Verständnis der beteiligten Begriffe. Für den Begriff des phänomenalen Erscheinens haben wir uns dieses Verständnis in den vorangehenden Kapiteln erarbeitet. Wenden wir uns also kurz dem Begriff des phänomenalen Bewusstseins beziehungsweise der phänomenalen Qualität zu. Unter phänomenalen Qualitäten soll hier verstanden werden, was immer es ist, das unter Nagels klassische Beschreibung von Bewusstsein fällt. Nagel schreibt: »[…] fundamentally an organism has conscious mental states if and only if there is something that it is like to be that organism – something it is like for that organism [Hervorhebung D. F.].« 1
Alternativ zu Nagels Formulierung begegnet man häufig auch der folgenden Ausdrucksweise: »When we perceive, think, and act, […] there is something it feels like to be a cognitive agent. This internal aspect is conscious experience [Hervorhebungen D. F.].« 2
Aus Gründen, die später klar werden, halte ich Nagels Ausdruck für geeigneter, das Phänomen einzufangen. Ich werde mich daher an ihm orientieren. Daran, dass es phänomenale Qualitäten in diesem Sinne gibt, kann es keine sinnvollen Zweifel geben. Selbstverständlich ist es für uns irgendwie, uns in bestimmten mentalen Zuständen zu befin-
1 2
Nagel (1974), S. 436. Chalmers (1996), S. 4.
246 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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den. 3 Dementsprechend lässt sich leicht zeigen, dass die wenigen Autoren, die die Existenz phänomenaler Qualitäten explizit in Zweifel gezogen haben, von einem in der einen oder anderen Art abweichenden Begriff ausgehen. Betrachten wir kurz zwei Beispiele: Daniel Dennett geht in seinem bekannten Aufsatz Quining Qualia von einer Definition von Qualia (d. i. phänomenaler Qualitäten) aus, wonach Qualia Entitäten sind, die unaussprechlich, intrinsisch, privat und dem Bewusstsein unmittelbar oder direkt zugänglich sind. 4 Ausgehend von dieser Definition argumentiert Dennett dann dafür, dass es Qualia nicht gibt. Es mag sein, dass Philosophen Qualia auf diese Weise aufgefasst haben. Eine solche Auffassung ergibt sich jedoch keinesfalls unmittelbar aus Nagels Formulierung. Sie dürfte vielmehr stets das Ergebnis einer fortgeschrittenen philosophischen Theoriebildung gewesen sein. Das heißt: Der Grund für diese Auffassung dürfte die Überzeugung gewesen sein, dass Entitäten mit diesen Eigenschaften nötig seien, um die Tatsache zu erklären, dass es irgendwie ist, sich in bestimmten mentalen Zuständen zu befinden. Sollten Dennetts Argumente gegen die Existenz derartiger Entitäten also erfolgreich sein, spräche das allein gegen die Richtigkeit dieser Erklärung, nicht aber dagegen, dass es für uns irgendwie ist, in bestimmten mentalen Zuständen zu sein (d. i. nicht gegen die Existenz phänomenaler Qualitäten im hier zugrunde gelegten Sinn). Eine ganz andere Strategie als Dennett verfolgt Peter Hacker. Hacker stellt in Frage, ob wir Formulierungen wie: »es ist für jemanden irgendwie, sich in diesem oder jenem mentalen Zustand zu befinden« überhaupt einen klaren Sinn geben können. Er schreibt z. B.: »(2) [›There is something it is like for A to V.‹ ; D. F.], however, is a miscegenous crossing of the form of a judgement of similarity with the form of a request for an affective attitudinal characterization of an experience. For when A answers the question ›What was it like for you to V?‹ by saying ›It was wonderful (awe-inspiring, exciting, fascinating)‹ one cannot go on to say: ›For A to V is like …‹, and then specify the qualitative character or subjective hedonic tone of A’s Ving, for that would (a) be ungrammatical gibberish and (b) duly tidied up, would not specify that for A to V was like something but rather that it was something (namely, wonderful, etc.).« 5
3 4 5
Vgl. Crane (2001a), S. 76. Vgl. Dennett (1988). Hacker (2002), S. 156 f.
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10 · Erscheinen und phänomenales Bewusstsein
Hacker kritisiert, dass die fraglichen Formulierungen erstens eine unzulässige Mischform aus zwei anderen Arten von Urteilen sind und zweitens, in diesen anderen Arten von Urteilen nicht das ausgesagt wird, was Nagel und andere im Kopf haben, wenn sie diese Formulierung verwenden. Daraus geht hervor, dass Hacker nur dann bereit ist, Nagels Formulierung einen Sinn zuzugestehen, wenn es sich um einen Sinn handelt, der Formulierungen dieser Art auch in der Alltagssprache zukommt. Dieser Maßstab ist jedoch zu streng. Nagels Formulierung ist der Versuch, ein Phänomen einzufangen, mit dem wir alle bekannt sind, für das wir jedoch eventuell keinen Ausdruck in der Alltagssprache haben. Das birgt ohne Zweifel die Gefahr von Missverständnissen. Es wäre jedoch falsch, daraus die Konsequenz zu ziehen, dass wir über das fragliche Phänomen überhaupt nicht reden könnten oder ihm gar die Existenz abzusprechen. Davon abgesehen gilt: Sollte sich herausstellen, dass phänomenale Arten des Erscheinens und phänomenale Qualitäten tatsächlich ein und dasselbe sind, gäbe es sehr wohl eine auch in der Alltagssprache verankerte Art, über phänomenale Qualitäten zu reden – nämlich mit Hilfe phänomenaler Erscheinens-Begriffe. Kehren wir damit zurück zu unserer Ausgangsfrage nach dem Verhältnis phänomenaler Qualitäten und phänomenaler Arten des Erscheinens. Die Art, wie einem Subjekt etwas in einer visuellen Wahrnehmung erscheint, so hatten wir gesagt, entspricht der Art, auf die das Wahrnehmungsfeld, das sich dem Subjekt präsentiert, mit Inhalten gefüllt ist. Wie verhält sich nun die Art, wie es für ein Subjekt ist, eine visuelle Wahrnehmung zu haben (d. i. der phänomenalen Qualität der Wahrnehmung) zu der Art, wie dieses Wahrnehmungsfeld mit Inhalten gefüllt ist? Vor dem Hintergrund eines adäquaten Verständnisses der beteiligten Begriffe kann die Antwort nur lauten: Sie fallen zusammen. Offenbar entspricht jedem Unterschied im Inhalt des Wahrnehmungsfeldes ein Unterschied in der Art, wie es für das Subjekt ist, diese Wahrnehmung zu haben – und umgekehrt. Dieser Intuition haben auch andere Autoren Ausdruck verliehen. So heißt es etwa bei Michael Tye: »As you view the scene before your eyes and how things look to you, necessarily, if any of the qualities of which you are directly aware change, then the phenomenal character of your experience changes. Consider for example, the facing surface of a ripe tomato in a bowl before you. In attending to the color of the tomato, you are directly aware of a certain quality, Q, as covering that surface. You experience each just noticeable part of the surface
248 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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as having Q. Again, whether Q is itself a color or some other quality, awareness of which mediates your awareness of color, is left open here. But change Q – for example by changing the color of the tomato or by donning color-inverted lenses – and what it is like for you in viewing the tomato necessarily changes.« 6
Aus Tyes Schilderung wird klar, dass die Qualität Q, die uns, wie Tye sich ausdrückt, direkt gegenwärtig hdirectly awarei ist, ein Inhalt des Wahrnehmungsfeldes ist. (»In attending to the color of the tomato, you are directly aware of a certain quality, Q, as covering that surface.«) In Bezug auf das Beispiel dieser Qualität verdeutlicht er die Abhängigkeit der phänomenalen Qualität der Wahrnehmung von den Inhalten des Wahrnehmungsfeldes (»[…] change Q […] and what it is like for you in viewing the tomato necessarily changes«). Aus dem Kontext wird zudem klar, dass für Tye eine entsprechende Abhängigkeit auch in die andere Richtung besteht. 7 Ein weiterer Philosoph, der der genannten Intuition auf treffende Weise Ausdruck verleiht, ist Frank Jackson. Jacksons Schilderung geht zudem über das Beispiel der visuellen Wahrnehmung hinaus. »[…] the qualitative character of experience is the character of the putative object of experience. The redness of sensings of red is the putative redness of what is seen; when vision is blurred, what is seen appears to be blurred; the location quality of a sound is the putative location of the sound; the experience of movement is the experience of something putatively moving; and so on. Hume observes that the self’s experiences always get in the way of experiencing the self. Equally, the putative properties of what is experienced always get in the way of accessing the qualities of experience [Hervorhebung D. F.].« 8
In Bezug auf die konkreten Beispiele, die Jackson vorbringt, betont er – ebenso wie Tye – die Abhängigkeit der phänomenalen Qualität der Wahrnehmung von den Inhalten des Wahrnehmungsfeldes (»The redness of sensings of red is the putative redness of what is seen«). Im ersten Satz stellt er darüber hinaus jedoch eine explizite Identitätsbehauptung auf (»[…] the qualitative character of experience is the character of the putative object of experience«). Als Ergebnis können wir uns Jacksons Identitätsbehauptung anschließen. In unserer Terminologie ausgedrückt: Die phänomenale 6 7 8
Tye (2000), S. 48. Vgl. ebenda, S. 48 f. Jackson (2003), S. 257.
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Qualität einer visuellen Wahrnehmung ist durch die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes dieser Wahrnehmung vollständig bestimmt und umgekehrt. (Oder: Die phänomenale Qualität einer visuellen Wahrnehmung entspricht der Art, wie das Wahrnehmungsfeld dieser Wahrnehmung mit Inhalten angefüllt ist.) Betrachten wir vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses abschließend noch einmal die Redewendungen, mit denen Nagel und Chalmers den Begriff der phänomenalen Qualität auszudrücken versuchen. In etwas überarbeiteter Form lauten sie: (a) »Es ist für mich irgendwie, im Zustand M zu sein (ein F zu sein).« (b) »Es fühlt sich für mich irgendwie an, im Zustand M zu sein (ein F zu sein).« Selbst- oder Fremdzuschreibungen dieser Art werden häufig so verstanden, dass die Teil-Ausdrücke: »Es ist für mich irgendwie« oder »Es fühlt sich für mich irgendwie an« auf das Bestehen einer bestimmten Art von besonders enger epistemischer Relation hinweisen, in der das Subjekt zu sich selbst beziehungsweise zu seinem eigenen mentalen Zustand steht. 9 Diese Idee finden wir etwa bei David Chalmers oder Dan Zahavi – um nur zwei Beispiele zu nennen: »To have an experience is automatically to stand in some sort of intimate epistemic relation to the experience – a relation that we might call ›acquaintance‹ [Hervorhebung D. F.]. 10 »[…] insofar as there is something it is like for the subject to have the experience, the subject must in some way have access to and be acquainted with the experience.« 11
Insbesondere die Formulierung (b) verführt dazu, indem sie zu dem Missverständnis einlädt, man fühle seinen mentalen Zustand, wie man etwa eine raue Oberfläche oder eine scharfe Kante fühlt. 10 Chalmers (1996), S. 196 f. Das scheint sich auf den ersten Blick nicht gut mit der Auffassung des phänomenalen Anstrichs zu vertragen, die wir Chalmers oben zugeschrieben haben. Denn gemäß der letztgenannten Auffassung sind die phänomenalen Qualitäten die Gegenstände der Bekanntschaft – nicht die Bekanntschaft selbst. Die Lösung wird erkennbar, sobald man einen Blick auf den unmittelbar folgenden Satz wirft: »There is not even a conceptual possibility that a subject could have a red experience like this one without having any epistemic contact with it: to have the experience is to be related to it in this way.« Kurz: Die Bekanntschaft und der Gegenstand der Bekanntschaft sind, nach Chalmers, nicht zwei unterschiedliche Dinge. Eine ähnliche Auffassung vertritt auch Zahavi. 11 Zahavi (2005), S. 14. 9
250 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
10 · Erscheinen und phänomenales Bewusstsein
Dieses Verständnis phänomenaler Qualitäten ist auch der Grund für die häufig auftretende Annahme, die Transparenz der Erfahrung widerspreche der Existenz phänomenaler Qualitäten. Wenn das geschilderte Verständnis adäquat wäre, bestünde dieser Widerspruch in der Tat. Aus den in den letzten Kapiteln angestellten Überlegungen geht jedoch hervor, dass dieses Verständnis nicht richtig sein kann. Denn bei der Relation der Bekanntschaft, von der Chalmers und Zahavi sprechen, kann es sich nur um eine Art eines inneren Erscheinens handeln, von dem wir gezeigt haben, dass es dergleichen nicht geben kann. Meiner Ansicht nach liegt diesem verfehlten Verständnis phänomenaler Qualitäten ein verfehltes Verständnis von Ausdrücken der Form (a) und (b) zugrunde. Machen wir uns das am Beispiel des Ausdrucks (a) klar. Autoren wie Chalmers und Zahavi verstehen einen Ausdruck wie (a) »Es ist für mich irgendwie, im Zustand M zu sein (ein F zu sein).« offenbar im Sinne von etwas wie: (a)* »Mein Sein im Zustand M (mein F-sein) ist für mich irgendwie.« Daraus entsteht beinahe automatisch das verfehlte Verständnis phänomenaler Qualitäten. Ausdruck (a) lässt sich jedoch auch in einem anderen Sinn verstehen – nämlich im Sinn von etwas wie: (a)** »Indem ich im Zustand M bin (ein F bin), ist es für mich irgendwie.« Diese Lesart bildet die Grundlage eines anderen, adäquateren Verständnisses phänomenalen Bewusstseins. In dieser Lesart weist der Ausdruck: »es ist für jemanden irgendwie« lediglich darauf hin, dass da jemand ist, der die fragliche Erfahrung hat, das heißt, dass da jemand ist, dem sich in dieser Erfahrung etwas präsentiert. Dafür ist es unnötig, dass er selbst oder diese Erfahrung sich ihm ebenfalls nochmal präsentieren. Fred Dretske hat dieses Verständnis phänomenalen Bewusstseins äußerst treffend formuliert: »Experiences […] are conscious, not because you are conscious of them, but because, so to speak, you are conscious with them.« 12
Die genannte alternative Lesart und das durch sie inspirierte Verständnis phänomenalen Bewusstseins passen hervorragend zu unse12
Dretske (1993), S. 281.
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10 · Erscheinen und phänomenales Bewusstsein
rem Ergebnis, dass die phänomenale Qualität einer visuellen Wahrnehmung der Art entspricht, wie das Wahrnehmungsfeld dieser Wahrnehmung mit Inhalten angefüllt ist. Denn dass da jemand ist, dem sich in der Erfahrung etwas präsentiert (d. i. dass es für jemanden irgendwie ist), bedeutet nichts anderes, als dass sich jemandem ein Wahrnehmungsfeld präsentiert. Und dementsprechend gilt: Dass da jemand ist, dem sich in der Erfahrung etwas auf eine bestimmte Art präsentiert (d. i. dass es für jemanden auf eine bestimmte Art ist), bedeutet nichts anderes, als dass sich jemandem ein Wahrnehmungsfeld mit bestimmten Inhalten präsentiert.
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11 Erscheinen und Intentionalität
Wie wir eingangs des Kapitels festgestellt haben, wird Wahrnehmungen, neben ihrer phänomenalen Qualität, üblicherweise noch ein zweites charakteristisches Merkmal zugeschrieben: Intentionalität. In diesem Kapitel wollen wir uns mit dem Verhältnis zwischen diesem Merkmal und dem phänomenalen Erscheinen auseinandersetzen. So, wie wir uns zu Beginn des letzten Kapitels aber zunächst über den Begriff der phänomenalen Qualität klar werden mussten, müssen wir uns nun zunächst über den Begriff der Intentionalität klar werden. Das wird im folgenden Abschnitt geschehen. In den darauf folgenden Abschnitten werden wir dann versuchen, auf der Grundlage dieser begrifflichen Klärung die genannte Frage nach dem Verhältnis zwischen dem phänomenalen Erscheinen und der Intentionalität der Wahrnehmung zu beantworten.
11.1 Der Begriff der Intentionalität Wie jeder Ausdruck, kann der Ausdruck »Intentionalität« sehr verschiedene Begriffe ausdrücken. Und in der Philosophie des Geistes ist genau das der Fall. Verschiedene Autoren meinen verschiedene Dinge, wenn sie von Intentionalität sprechen. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange Klarheit darüber besteht, was jeweils gemeint ist. Machen wir also klar, wie wir den Ausdruck verstehen wollen. Zunächst einige Bemerkungen zur Art des Begriffes, um den es uns geht. Er weist zwei Merkmale auf, die uns bereits vom Begriff des phänomenalen Erscheinens her bekannt sind: Er ist ein erstpersönlicher Begriff und er ist ein tatsächlichkeitsunabhängiger Begriff. Das erste Merkmal hebt zum Beispiel Tim Crane in der folgenden Bemerkung hervor:
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11 · Erscheinen und Intentionalität
»These ideas [die Ideen eines intentionalen Gehaltes und eines intentionalen Gegenstandes; D. F.] are phenomenological ideas, ideas we use in trying to articulate to ourselves the fundamental nature of what our experience and thought is like [Hervorhebung D. F.].« 13
Der Begriff der Intentionalität, um den es uns geht, drückt ein Merkmal mentaler Zustände aus, das uns von unserem eigenen Fall her aus der Erste-Person-Perspektive bekannt ist. Mit anderen Worten: Intentionalität im Sinne dieses Begriffes ist etwas, um dessen Wesen wir aus der Erste-Person-Perspektive wissen. Daraus lassen sich bereits einige Schlussfolgerungen ziehen. Erstens: Daniel Dennett vertritt beispielsweise eine Auffassung, wonach Intentionalität etwas sei, was sich ausschließlich in der Dritte-Person-Perspektive zeige. Dennett meint, die (implizite) Annahme, es gäbe intentionale Zustände, sei lediglich ein heuristisches Hilfsmittel, auf das wir bei der Erklärung des Verhaltens von Menschen und Tieren angewiesen seien, weil uns die Kenntnisse für eine physikalische Erklärung fehlten. 14 Für Intentionalität in dem Sinne, um den es uns geht, kann diese Auffassung nicht richtig sein. Zweitens: Wenn es um Intentionalität in unserem Sinne geht, ist ein Eliminativismus, wie ihn etwa Patricia und Paul Churchland vertreten, 15 eine abwegige Position. Wenn der Begriff der Intentionalität ein Begriff einer Eigenschaft unserer mentalen Zustände ist, die uns aus der Erste-Person-Perspektive bekannt ist, ist es ausgeschlossen, dass wir uns systematisch darin irren, dass wir uns in mentalen Zuständen befinden, die unter diesen Begriff fallen. Genau das müsste jedoch der Fall sein, wenn ein Eliminativismus in Bezug auf Intentionalität wahr wäre. Aus einem sehr ähnlichen Grund ist auch ausgeschlossen, was Jerry Fodor in einem berühmten Zitat andeutet: »If aboutness [Intentionalität; D. F.] is real, it must be really something else.« 16
Ebenso wenig, wie wir uns in der Erste-Person-Perspektive systematisch darin irren, dass wir uns in mentalen Zuständen befinden, die unter den Begriff der Intentionalität fallen, irren wir uns systematisch darüber, was es bedeutet, unter diesen Begriff zu fallen. Crane (2001b), S. 344. Vgl. Dennett (1971), (1978) sowie (1987) 15 Vgl. P. M. Churchland (1981) und (1989), P. S. Churchland (1986), P. M. und P. S. Churchland (1998). 16 Fodor (1987), S. 97. 13 14
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Der Begriff der Intentionalität
Drittens: Die Intentionalität mentaler Zustände ist nicht auf die Intensionalität der Zuschreibungen dieser Zustände reduzierbar. 17 Dass dies nicht der Fall ist, erkennt man bereits daran, dass verschiedene Arten von Aussagen das Merkmal der Intensionalität aufweisen, in denen nicht von intentionalen Zuständen die Rede ist. Modalaussagen sind ein prominentes Beispiel hierfür. 18 Zudem erscheint es offensichtlich, dass die Intensionalität der Zuschreibungen intentionaler Zustände eine Folge der Intentionalität dieser Zustände ist. 19 20 Damit zum zweiten oben genannten Merkmal: Der Begriff der Intentionalität ist ein tatsächlichkeitsunabhängiger Begriff. Die Intentionalität mentaler Zustände ist keine Eigenschaft, auf die wir uns anhand irgendeiner kontingenten Oberflächeneigenschaft beziehen müssten. Der Begriff der Intentionalität ist so, dass keine empirischen Erkenntnisse notwendig sind, um zu wissen, wie etwas sein muss, um unter ihn zu fallen. Intentionalität ist vielmehr genau die Eigenschaft, die sie zu sein scheint. Einen Hinweis darauf, was es bedeuten könnte, dass Intentionalität etwas anderes ist, als sie zu sein scheint, finden wir zum Beispiel bei William Lycan: »I am entirely willing to give up fairly large chunks of our commonsensical or platitudinous theory of belief or of desire […] and decide we were just plain wrong about a lot of things, without drawing the inference that we were no longer talking about belief and desire. […] As in Putnam’s examEtwas vereinfacht dargestellt läuft die entsprechende Auffassung darauf hinaus, dass Intentionalität kein wirkliches Phänomen in der Welt ist, sondern lediglich, wie Crane es ausdrückt, der Schatten einer grammatischen Eigenheit bestimmter Sätze (vgl. Crane (2001b), S. 344). Eine solche Auffassung hat den Vorteil, dass sich die heikle Frage nach dem ontologischen Status intentionaler Gegenstände zurückweisen lässt. Intentionale Gegenstände sind danach lediglich grammatische Objekte einer bestimmten Art. Und nach dem ontologischen Status grammatischer Objekte zu fragen ist schlicht sinnlos. (Elizabeth Anscombe scheint eine solche Auffassung zu vertreten (vgl. Anscombe (1968), aber auch Barz (2004)). Zu einer, wie mir scheint, überzeugenden Kritik an Anscombes Argumenten vgl. Robinson (1974). Zu einer allgemeinen Argumentation gegen derartige Auffassungen vgl. u. a. Searle (1983), Kap. 1.) Intentionalität ist aber eine wirkliche Eigenschaft unserer mentalen Zustände. Und als solche wirft sie auch entsprechende ontologische Fragen auf. Und, wie später noch deutlicher werden wird, stellen sich diese Fragen in Bezug auf Wahrnehmungen mit besonderer Dringlichkeit. 18 Vgl. Crane (2001a), S. 12. 19 Vgl. ebenda, S. 21 sowie Searle (1983), S. 23. 20 Die Falschheit der Auffassung, dass Intentionalität auf Intensionalität reduzierbar sei, spricht nicht dagegen, dass die Untersuchung der letzteren ein wichtiger Bestandteil der Untersuchung der ersteren sein kann (vgl. dazu Dennett (1969), Kap. II). 17
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11 · Erscheinen und Intentionalität
ples of ›water‹, ›tiger‹, and so on, I think the ordinary word ›belief‹ (qua theoretical term of folk psychology) points dimly towards a natural kind that we have not fully grasped and that only mature psychology will reveal. I expect that ›belief‹ will turn out to refer to some kind of informationbearing inner state of a sentient being […] but the kind of state it refers to may have only a few of the properties usually attributed to beliefs by common sense.« 21
Lycan spricht hier von Zuständen des Glaubens und Wünschens. Es liegt jedoch nahe, dass er eine entsprechende Ansicht auch in Bezug auf die Kategorie intentionaler Zustände im Allgemeinen vertreten würde. Hinsichtlich unseres Begriffes von Intentionalität ist eine solche Ansicht unhaltbar. Ein Zustand, der nicht die Eigenschaften aufweist, die wir aufgrund unseres Verfügens über diesen Begriff für wesentlich für Intentionalität halten, ist auch kein intentionaler Zustand. Kommen wir damit zum eigentlichen Gehalt unseres Begriffes. So, wie wir im letzten Abschnitt in Bezug auf den Begriff der phänomenalen Qualität auf die klassische Formulierung von Thomas Nagel zurückgreifen konnten, können wir auch hier auf ein berühmtes Zitat zurückgreifen. Franz v. Brentano schreibt in seiner Psychologie vom empirischen Standpunkt: »Jedes psychische Phänomen ist durch das charakterisiert, was die Scholastiker des Mittelalters die intentionale […] Inexistenz eines Gegenstandes genannt haben, und was wir, obwohl mit nicht ganz unzweideutigen Ausdrücken, die Beziehung auf einen Inhalt, die Richtung auf ein Objekt […], oder die immanente Gegenständlichkeit nennen würden. In der Vorstellung ist etwas vorgestellt, in dem Urteile etwas anerkannt oder verworfen, in der Liebe geliebt, in dem Hasse gehaßt, in dem Begehren begehrt usw. [Hervorhebungen D. F.].« 22
Diese Passage lässt Spielraum für verschiedene Auslegungen. Für unsere Zwecke ist sie jedoch klar genug. Es ist sinnvoll, sich an Brentanos Erläuterung anhand von Beispielen zu orientieren. Die Intentionalität einer bestimmten Vorstellung besteht darin, dass in ihr etwas vorgestellt wird. Die Intentionalität eines bestimmten Urteils besteht darin, dass in ihm etwas anerkannt wird. Die Intentionalität eines Begehrens besteht darin, dass darin etwas begehrt wird usw. Einen glücklich gewählten Ausdruck Castañedas verwendend, können wir 21 22
Lycan (1988), S. 31 f. Brentano (1874), S. 124 f.
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Der Begriff der Intentionalität
sagen: Ein mentaler Zustand weist Intentionalität auf, wenn wir ihm einen Akkusativ zuschreiben können, 23 das heißt, wenn es eine Antwort auf die Frage gibt: »Wen oder was liebt (hasst, stellt sich vor, erkennt an, erfasst …) die betreffende Person?« Was aber haben diese Beispiele gemeinsam? Brentano spricht unter anderem von der »Beziehung auf einen Inhalt«, der »Richtung auf ein Objekt« und der »immanenten Gegenständlichkeit« eines Zustandes. Mit ähnlichen Ausdrücken wird das Phänomen auch heute noch erläutert. So heißt es beispielsweise bei John Searle: »As a preliminary formulation we might say: intentionality is that property of many mental states and events by which they are directed at or about or of objects and states of affairs in the world.« 24
Und Tim Crane schreibt: »[…] in a state of mind, such as a thought, experience, or desire, something is presented, there is something which the state of mind is directed at. […] We can express this by saying that states of mind have objects. This is the heart of the idea of intentionality: for a state of mind to have intentionality, it must have, or be ›directed‹ on, an object.« 25
Diese Formulierungen scheinen mir das Phänomen der Intentionalität durchaus gut zu treffen. Wir können also festhalten, dass Intentionalität die Gerichtetheit mentaler Zustände auf etwas ist. Was genau ist damit aber gemeint? Viele Dinge und Zustände, denen wir keine Intentionalität (im hier zur Debatte stehenden Sinn) zuschreiben können, sind in irgendeinem Sinn auf etwas gerichtet. Wegweiser sind auf Orte gerichtet. Sätze oder (einige) Bilder sind (in einem anderen Sinn) auf Gegenstände (Eigenschaften, Tatsachen) gerichtet. Und die Zustände eines Tachometers sind (in einem wieder etwas anderen Sinn) auf die Geschwindigkeiten des Autos gerichtet, in das das Tachometer eingebaut ist. 26 Einen Hinweis auf den entscheidenden Unterschied zwischen der Gerichtetheit dieser Dinge und Zustände und der Gerichtetheit intentionaler Zustände finden wir bei Uwe Meixner: »[…] an intentional subject being directed in a certain way at an intentional object, displays both directed-at-ness and given-to-ness. This is so because 23 24 25 26
Vgl. u. a. Castañeda (1987). Searle (1983), S. 1. Crane (2001a), S. 7. Siehe auch die Diskussion dieses Beispiels in Abschnitt 6.2.
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11 · Erscheinen und Intentionalität
directed-at-ness entails given-to-ness: if an intentional subject is directed in a manner F […] at an intentional object, then, necessarily, this object is given in the manner F to that subject. And conversely: if an intentional object is given in the manner F […] to an intentional subject, then, necessarily, this subject is directed in the manner F at that object. ›X is F-given to Y‹ and ›Y is F-directed at X‹ are, in the context of describing relationships of […] intentionality, just two necessarily equivalent converse ways of speaking.« 27
Intentionale Zustände sind Zustände, in denen sich Subjekte befinden. Die Gerichtetheit auf einen Gegenstand muss also für jemanden bestehen. Das drückt Meixner durch den Ausdruck »Gegeben-Sein« aus. Indem ein intentionaler Zustand auf einen Gegenstand gerichtet ist, ist dieser Gegenstand zugleich dem Subjekt dieses Zustandes gegeben. Nichts dergleichen gilt jedoch für Wegweiser, Sätze, Bilder oder Zustände von Tachometern. Wir können die Gerichtetheit, die die Intentionalität mentaler Zustände ausmacht, also näher bestimmen als diejenige Art von Gerichtetheit auf einen Gegenstand, die mit dem Gegeben-Sein dieses Gegenstandes einhergeht. 28 Versuchen wir aber noch etwas besser zu verstehen, was es bedeutet, dass einem Subjekt etwas in diesem Sinn gegeben ist. Dabei wollen wir uns wiederum auf Wahrnehmungen beschränken. 29 Zu einer Antwort gelangen wir erneut, indem wir die Erste-Person-Perspektive einnehmen. Wir fragen also: Was bedeutet es, dass mir in meiner Wahrnehmung etwas (ein Gegenstand oder eine Eigenschaft) gegeben ist? Die Antwort ist: Es bedeutet, dass sich dieser Gegenstand oder diese Eigenschaft irgendwie in meinem Wahrnehmungsfeld manifestieren. Der Punkt wird noch deutlicher, wenn wir ein anschauMeixner (2004), S. 32 f. Damit haben wir eine Struktur vorliegen, die uns bereits bekannt ist. Die Eigenschaft der Gerichtetheit auf einen Gegenstand und die Eigenschaft des einem Subjekt Gegeben-Seins sind zueinander komplementäre Eigenschaften. Das heißt, obwohl sie verschieden sind, kann die eine nicht ohne die andere instanziiert sein: Immer wenn etwas, in diesem Sinne, auf einen Gegenstand gerichtet ist, ist notwendigerweise auch etwas einem Subjekt gegeben. Bekannt ist uns diese Struktur von der Subjekt/Gegenstands-Struktur her, von der wir festgestellt haben, dass sie für phänomenale Zustände kennzeichnend ist. Die Eigenschaft, die Subjekt-Rolle zu spielen und die Eigenschaft die Gegenstands-Rolle zu spielen, verhalten sich ebenfalls komplementär zueinander. Wie wir bereits angedeutet haben, ist das kein Zufall. Dazu kommen wir aber erst später. 29 Dabei gilt es im Hinterkopf zu behalten, dass Wahrnehmungen unser paradigmatisches Beispiel für Zustände des Erscheinens sind. Es ist daher zu erwarten, dass die erzielten Ergebnisse auf alle Arten des Erscheinens übertragbar sind. 27 28
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Der Begriff der Intentionalität
liches Beispiel nehmen. Man stelle sich die Frage: Was bedeutet es, dass meine Wahrnehmung eine Wahrnehmung von etwas Rotem ist? Die Antwort wird lauten müssen: Es bedeutet, dass sich die Röte des jeweiligen intentionalen Gegenstandes irgendwie in meinem Wahrnehmungsfeld manifestiert. Das ist der einzige Weg, wie etwas der intentionale Gegenstand meiner Wahrnehmung sein kann. Einen anderen gibt es nicht. 30 Diese Behauptung lässt sich durch eine Überlegung stützen, die wir in ähnlicher Form bereits im Rahmen unserer Diskussion phänomenaler Begriffe angestellt haben. Dort hatten wir die folgende Rationalitätsbedingung formuliert: Ein rationaler Sprecher verfügt genau dann über einen Begriff, wenn er in der Lage ist, diesen Begriff in rationalen Überlegungen zu verwenden, d. h. wenn ihm bestimmte logische Relationen bekannt sind, in denen dieser Begriff zu anderen Begriffen steht, über die der Sprecher ebenfalls verfügt. Dort hatten wir weiterhin festgestellt, dass diese Bedingung nur dann erfüllt sein kann, wenn der fragliche Begriff einen Gehalt hat, der für den jeweiligen Sprecher logisch transparent ist, der dem Sprecher also auf eine Weise bekannt ist, dass er seine logischen Relationen zu den entsprechenden Gehalten anderer Begriffe kennt. Diesen Gehalt (d. i. der Gehalt, der für einen Sprecher logisch transparent sein muss, damit der Sprecher über den Begriff verfügt) haben wir kognitiven Gehalt genannt. Und haben dementsprechend festgestellt, dass ein rationaler Sprecher genau dann über einen Begriff verfügt, wenn dieser Begriff Teil einer Menge von Begriffen ist, deren kognitive Gehalte für ihn logisch transparent sind. Was es genau bedeutet, dass sich ein intentionaler Gehalt in dem Wahrnehmungsfeld unserer Wahrnehmung manifestiert, wird letztlich von der Theorie der Wahrnehmung abhängen, von der man ausgeht. Bildhaft und etwas vereinfachend können wir sagen: Wenn Wahrnehmungen Zustände des Vorstellens sind, müssen die wahrgenommenen Gegenstände nicht nur selbst im Wahrnehmungsfeld anwesend sein. Sie müssen zudem auch vollständig, d. h. in all ihren Aspekten, anwesend sein. Wenn Wahrnehmungen Zustände der Bekanntschaft sind, müssen die wahrgenommenen Gegenstände ebenfalls selbst im Wahrnehmungsfeld anwesend sein. Sie müssen allerdings nur teilweise, d. h. in einigen ihrer Aspekte, anwesend sein. Wenn Wahrnehmungen schließlich Zustände des Erfahrens sind, müssen die wahrgenommenen Gegenstände überhaupt nicht selbst im Wahrnehmungsfeld anwesend sein. Es reicht aus, dass sie einen Stellvertreter ›entsenden‹. 30
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11 · Erscheinen und Intentionalität
Etwas Ähnliches gilt auch im Fall von Wahrnehmungen und ihren Gehalten. Wahrnehmungen spielen eine Rolle sowohl in rationalen Erklärungen von Handlungen als auch in rationalen Rechtfertigungen von Überzeugungen. Und der für diese Rolle entscheidende Aspekt von Wahrnehmungen ist ihr intentionaler Gehalt. Wir können das folgende Prinzip aufstellen, das Wahrnehmungs-RationalitätsPrinzip heißen soll: Das Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzip: Der Gehalt einer Wahrnehmung ist das, was bestimmt, ob die Handlungen, die das Subjekt aufgrund dieser Wahrnehmung ausführt, und die Überzeugungen, die es aufgrund dieser Wahrnehmung bildet (bei gegebenen bestimmten Hintergrundüberzeugungen, Wünschen usw.), rational sind. Betrachten wir ein einfaches (und vereinfachtes) Beispiel: Eine Person, die unter anderem den Wunsch hat, keinen Verkehrsunfall zu verursachen, und die Überzeugung hat, dass dies gelingt, indem sie sich an die geltenden Verkehrsregeln hält, fährt in ihrem Wagen durch die Stadt. Für diese Person ist es dann rational, ihren Wagen anzuhalten, wenn sie eine Wahrnehmung von einer vor ihr stehenden roten Ampel hat (d. i. eine Wahrnehmung, deren intentionaler Gehalt es ist, dass vor ihr eine rote Ampel steht) und keinen Grund hat, daran zu zweifeln, dass diese Wahrnehmung wirklichkeitsgetreu ist. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die Wahrnehmung tatsächlich wirklichkeitsgetreu ist oder nicht. 31 Damit der Gehalt einer Wahrnehmung diese Rolle in rationalen Erklärungen von Handlungen und rationalen Rechtfertigungen von Überzeugungen spielen kann, damit er aber bestimmen kann, ob eine Handlung oder das Bilden einer Überzeugung rational ist, muss eine bestimmte Bedingung erfüllt sein. So wie der Verwender eines Begriffes den kognitiven Gehalt dieses Begriffes auf eine bestimmte Weise kennen muss, damit letzterer bestimmen kann, welche Überzeugungen der Sprecher rationaler Weise haben kann oder haben Die Frage, ob die Handlung rational ist, ist von der Frage zu unterscheiden, ob die Person Gründe für diese Handlung hat. Angenommen die Wahrnehmung der Person sei illusionär und die Ampel sei in Wahrheit grün, statt rot (der Einfachheit halber ignorieren wir die verschiedene Position des grünen und roten Lichtes). Dann gäbe es einen Sinn, in dem die Person einen Grund hätte, anzuhalten (vgl. u. a. Henning (2012) oder Parfit (2011), Kap. 5). Dennoch wäre es, normale Hintergrund-Überzeugungen vorausgesetzt, nicht rational, anzuhalten.
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Der Begriff der Intentionalität
sollte, so muss das Subjekt einer Wahrnehmung den Gehalt dieser Wahrnehmung auf eine bestimmte Weise kennen, damit letzterer die geschilderte Rolle in rationalen Erklärungen spielen kann. Machen wir uns das wiederum mit Hilfe unseres einfachen Beispiels klar: Angenommen, jemand vertritt die folgende übertrieben simple Theorie intentionaler Wahrnehmungs-Gehalte: Der Gehalt einer Wahrnehmung ist immer genau das (die Gegenstände und Eigenschaften), was sich tatsächlich in dem physischen Raum befindet, der durch das Wahrnehmungsfeld des Subjektes der Wahrnehmung repräsentiert wird. Und angenommen die Person in unserem Beispiel hat eine Wahrnehmung, die wir (vor dem Hintergrund der gängigen Theorie intentionaler Gehalte) als Illusion einer roten Ampel beschreiben würden, hält aber nicht an. Sollte die geschilderte einfache Theorie korrekt sein, dürften wir der Person nach dem Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzip nicht den Vorwurf der Irrationalität machen. Denn ihr Verhalten wäre durch den Gehalt ihrer Wahrnehmung gerechtfertigt. Wir könnten ihr Verhalten, und das ist entscheidend, aber auch nicht als rational bewerten. Denn sie konnte eben nicht wissen, dass ihr Verhalten durch den Gehalt ihrer Wahrnehmung gerechtfertigt ist, da sie den Gehalt ihrer Wahrnehmung in dem dafür relevanten Sinn eben nicht kannte. Dass das Subjekt einer Wahrnehmung den Gehalt dieser Wahrnehmung auf diese bestimmte Art kennt, ist also offenbar eine Bedingung dafür, dass dieser Gehalt die geschilderte Rolle in rationalen Erklärungen spielen kann. Und da diese Bedingung im Rahmen der geschilderten Theorie nicht erfüllt ist, ist diese Theorie nicht haltbar. 32 Auf welche Art muss ein Subjekt aber die Gehalte ihrer Wahrnehmungen kennen, damit diese Bedingung erfüllt ist? Die Antwort ähnelt wiederum der Antwort, die wir auf die analoge Frage in Bezug auf das Wissen um die kognitiven Gehalte von Begriffen gegeben haben. Offenbar müssen dem Subjekt einer Wahrnehmung diejenigen Relationen zwischen dem Gehalt der Wahrnehmung und den Handlungen sowie Überzeugungen bekannt sein, die durch die Wahrnehmung (zusammen mit den jeweiligen Hintergrundüberzeugungen) gerechtfertigt werden. Inwieweit es sich dabei um logische Relationen handelt, können wir an dieser Stelle offen lassen. Im Sinne der Einheit unserer Terminologie wollen wir aber davon sprechen, dass Das gilt zumindest solange, wie man, wie in unserem Beispiel, die Möglichkeit von Illusionen einräumt.
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11 · Erscheinen und Intentionalität
die Gehalte für das Subjekt in diesem Fall logisch transparent sind. Damit können wir ein zweites Prinzip formulieren, das TransparenzPrinzip: Das Transparenz-Prinzip: Damit ein Wahrnehmungs-Gehalt die im Wahrnehmungs-Rationalitätsprinzip geschilderte Rolle in rationalen Rechtfertigungen und Verhaltens-Erklärungen spielen kann, muss er für das Subjekt der Wahrnehmung logisch transparent sein. Was bedeutet das nun hinsichtlich unserer oben aufgestellten Behauptung, die einzig mögliche Art, wie etwas der intentionale Gegenstand beziehungsweise Gehalt einer Wahrnehmung sein könne, ist, sich irgendwie im Wahrnehmungsfeld des Subjektes dieser Wahrnehmung zu manifestieren? Nun, Letzteres (dass sich der Gehalt im Wahrnehmungsfeld des Subjektes der Wahrnehmung manifestiert) scheint die einzige Möglichkeit zu sein, wie die Transparenz-Bedingung erfüllt sein kann. Denn was sonst als die Inhalte seines Wahrnehmungsfeldes könnte ein Subjekt auf die geforderte Weise kennen? Damit, so scheint mir, verfügen wir über ein gutes Verständnis des für uns interessanten Begriffes der Intentionalität. Es ist allerdings wichtig, diesen Begriff von Intentionalität von einem anspruchsvolleren Begriff zu unterscheiden, mit dem er leicht verwechselt werden kann. Für gewöhnlich wird es als wesentlich für die Intentionalität mentaler Zustände angesehen, dass sie zwei Merkmale aufweisen, die wir, Searle folgend, als Aspektgestalt und Erfüllungsbedingungen bezeichnet haben. Das Merkmal der Aspektgestalt hatten wir wie folgt charakterisiert: Ein mentaler Zustand einer bestimmten Art weist genau dann eine Aspektgestalt auf, wenn (i) der Gegenstand, auf den dieser Zustand gerichtet ist, dem Subjekt dieses Zustandes (insofern es das Subjekt dieses Zustandes ist) nur unter bestimmten Aspekten zugänglich ist, obwohl er (ii) weitere Aspekte aufweist, unter denen er einem Subjekt eines Zustandes dieser Art zugänglich sein könnte. Als Beispiel hatten wir den folgenden Satz betrachtet: (1) »Paul erfährt die Wand als rot.« Die Wahrheit von (1) ist damit vereinbar, dass die Wand zum Beispiel stabil oder hoch ist, Paul sie jedoch nicht als stabil oder als hoch erfährt. Das bedeutet: Paul erfährt die Wand nur unter einem bestimmten Aspekt (ihrer Röte), nicht aber unter anderen Aspekten (zum Bei262 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Der Begriff der Intentionalität
spiel ihrer Stabilität und ihrer Höhe), obwohl es sich dabei um Aspekte handelt, unter denen jemand die Wand erfahren könnte. 33 Das macht die Aspektgestalt seines Zustandes des Erfahrens aus. Zum Merkmal der Erfüllungsbedingungen hatten wir geschrieben: Dass ein intentionaler Zustand Erfüllungsbedingungen aufweist, bedeutet, dass es bestimmte Bedingungen gibt, für die gilt: Wenn sie erfüllt sind, ist auch der Zustand erfüllt, und wenn sie nicht erfüllt sind, ist der Zustand nicht erfüllt. Dass ein Zustand erfüllt ist, kann Verschiedenes bedeuten. Zustände des Erfahrens sind erfüllt, wenn das, was in ihnen erfahren wird, (i) existiert und (ii) den Aspekt aufweist, unter dem es erfahren wird. Betrachten wir dazu wiederum Satz (1): Damit die Erfahrung, über die der Satz berichtet, erfüllt ist, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Erstens: Es muss eine Wand existieren, die Paul erfährt (d. i. es darf keine Halluzination vorliegen). Zweitens: Diese Wand muss rot sein (d. i. es darf keine Illusion vorliegen). Das sind die Erfüllungsbedingungen dieser Erfahrung. Die Instanziierung eines Zustandes mit bestimmten Erfüllungsbedingungen ist nicht von der Erfüllung dieser Erfüllungsbedingungen abhängig. Pauls Zustand des Erfahrens der Wand als rot ist zwar nur dann erfüllt, wenn eine Wand existiert, die Paul erfährt, und wenn diese Wand rot ist. Satz (1), in dem über Pauls Zustand des Erfahrens berichtet wird, kann jedoch auch dann wahr sein, wenn keine Wand existiert, die Paul erfährt, oder wenn diese Wand nicht rot ist. Meist, wenn von Intentionalität die Rede ist, ist ein Begriff gemeint, in den diese beiden Merkmale eingehen. Intentionale Zustände können danach nur solche Zustände sein, die eine Aspektgestalt und Erfüllungsbedingungen aufweisen. Gegen diesen Begriff von Intentionalität ist nichts einzuwenden. Es ist jedoch nicht der, den ich oben charakterisiert habe. Es ist keine begriffliche Notwendigkeit, dass ein mentaler Zustand, der eine intentionale Gerichtetheit auf einen Gegenstand aufweist, auch eine Aspektgestalt und Erfüllungsbedingungen aufweist. Um zu erkennen, warum das so ist, müssen wir uns lediglich daran erinnern, dass der Begriff der Intentionalität, um den es uns geht, ein erstpersönlicher Begriff ist. Intentionalität im Sinne dieses Begriffes ist etwas, das uns aus der Erste-Person-Perspektive bekannt Zur Erinnerung: Letzteres gilt nicht für alle Aspekte, die die Wand eventuell aufweist. Angenommen es handelt sich z. B. um ein mittelalterliches Bauwerk. Das wäre kein Aspekt, unter dem jemand die Wand erfahren könnte (siehe Abschnitt 6.4).
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11 · Erscheinen und Intentionalität
ist. Für die Merkmale der Aspektgestalt und der Erfüllungsbedingungen gilt eben dies jedoch nicht. Ob meine Wahrnehmung eine Aspektgestalt und Erfüllungsbedingungen aufweist, weiß ich nicht aus der Erste-Person-Perspektive. Die Annahme, dass das der Fall ist, beruht auf theoretischen Hintergrundannahmen. Um den Punkt klarer zu machen, wollen wir kurz auf diese Hintergrundannahmen eingehen. Dabei können wir uns an den verschiedenen Modi des Erscheinens orientieren, die ich weiter oben eingeführt habe: Vorstellen, Bekanntschaft und Erfahren. Wir erhalten dann als erste theoretische Hintergrundannahme: Hintergrundannahme 1: Wahrnehmungen sind Zustände des Vorstellens. Zustände des Vorstellens sind, so hatten wir gesagt, Zustände des Erscheinens, für deren Gegenstände gilt: Sie sind in ihrer Existenz und ihrer Beschaffenheit von ihrem Vorgestellt-Werden abhängig. Mit anderen Worten: Es sind ontologisch dünne Entitäten, für die Berkeleys Prinzip esse est percipi gilt. Zustände des Vorstellens sind, wie alle anderen Zustände des Erscheinens, intentionale Zustände. Dem Subjekt eines Zustandes des Vorstellens präsentiert sich ein Wahrnehmungsfeld. Und das ist hinreichend dafür, dass dieser Zustand die Art von Gerichtetheit aufweist, die uns aus der Erste-Person-Perspektive, von unseren eigenen Wahrnehmungen her bekannt ist. Sollten Wahrnehmungen aber Zustände des Vorstellens sein, das heißt, sollten die intentionalen Gegenstände von Wahrnehmungen Entitäten der geschilderten Art sein, 34 würden Wahrnehmungen weder Aspektgestalten noch Erfüllungsbedingungen aufweisen. Eine Bedingung dafür, dass eine Wahrnehmung eine Aspektgestalt aufweist, ist, dass ihr Gegenstand, neben dem Aspekt, unter dem er erscheint, weitere Aspekte aufweist, unter denen er erscheinen könnte. Und eine Bedingung für das Vorliegen von Erfüllungsbedingungen ist, dass der Gegenstand der Wahrnehmung in seiner Beschaffenheit oder in seiner Existenz und seiner Beschaffenheit von dem Zustand der Wahrnehmung unabhängig ist. Beide Bedingungen sind nicht erStrenggenommen folgt aus der Hintergrundannahme 1 (Wahrnehmungen sind Zustände des Vorstellens) nicht, dass derartige Entitäten auch die intentionalen Gegenstände der Wahrnehmung sind. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die intentionalen Gegenstände der Wahrnehmung Konstruktionen aus solchen Entitäten wären. So lassen sich viele der Auffassungen interpretieren, die unter der Bezeichnung Phänomenalismus bekannt geworden sind.
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Der Begriff der Intentionalität
füllt, wenn die intentionalen Gegenstände von Wahrnehmungen ontologisch dünne Entitäten sind, für die das Prinzip esse est percipi gilt. Betrachten wir die zweite Hintergrundannahme: Hintergrundannahme 2: Wahrnehmungen sind Zustände der Bekanntschaft. Anders als Gegenstände von Zuständen des Vorstellens, sind die Gegenstände von Zuständen der Bekanntschaft nicht in ihrer Existenz und Beschaffenheit von ihrem Erscheinen abhängig. Es handelt sich um gewöhnliche Gegenstände, die unabhängig davon existieren, dass jemand mit ihnen bekannt ist, und deren Eigenschaften unabhängig davon sind, ob jemand mit ihnen bekannt ist. Es besteht jedoch eine Abhängigkeit in die andere Richtung: Zustände der Bekanntschaft sind von der Existenz und der Beschaffenheit ihrer Gegenstände abhängig. Das heißt, es ist weder möglich, mit einem Gegenstand bekannt zu sein, der nicht existiert, noch ist es möglich, mit einem Gegenstand unter einem Aspekt bekannt zu sein, den dieser in Wahrheit gar nicht aufweist. Wiederum gilt: Zustände der Bekanntschaft sind, wie alle anderen Zustände des Erscheinens, intentionale Zustände. Dem Subjekt eines Zustandes der Bekanntschaft präsentiert sich ein Wahrnehmungsfeld. Und damit weist dieser Zustand die Art von Gerichtetheit auf, die uns aus der Erste-Person-Perspektive, von unseren eigenen Wahrnehmungen her bekannt ist. Sollten Wahrnehmungen Zustände der Bekanntschaft sein, wiesen sie, anders als Zustände des Vorstellens, Aspektgestalten auf. Die Bedingung, dass ihre Gegenstände, neben den Aspekten, unter denen sie erschienen, weitere Aspekte aufweisen müssten, unter denen sie erscheinen könnten, wäre erfüllt. Anders als Zustände des Erfahrens würden sie jedoch keine Erfüllungsbedingungen aufweisen. Denn die Bedingung für das Vorliegen von Erfüllungsbedingungen ist, dass der Zustand der Wahrnehmung von der Beschaffenheit und der Existenz seiner Gegenständlichkeit unabhängig ist. Und diese Bedingung wäre nicht erfüllt. Die Annahme, dass Wahrnehmungen sowohl Aspektgestalten als auch Erfüllungsbedingungen aufweisen, ist nur vor dem Hintergrund der dritten Hintergrundannahme gerechtfertigt: Hintergrundannahme 3: Wahrnehmungen sind Zustände des Erfahrens. Für Zustände des Erfahrens gilt: Sie sind entweder von der Beschaffenheit oder von der Existenz und der Beschaffenheit ihrer Gegen265 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
11 · Erscheinen und Intentionalität
stände unabhängig. Und das ist genau die Voraussetzung, die erfüllt sein muss, damit ein Zustand Erfüllungsbedingungen aufweisen kann. Wir erkennen also, dass in die Standard-Konzeption der Intentionalität von Wahrnehmungen, wonach diese Intentionalität darin besteht, dass Wahrnehmungen Erfüllungsbedingungen aufweisen, bereits eine theoretische Hintergrundannahme eingeht: die Annahme, Wahrnehmungen seien Zustände des Erfahrens.
11.2 Separatismus und Inseparatismus Kommen wir damit zu unserer eigentlichen Fragestellung: Wie verhält sich das phänomenale Erscheinen in einer Wahrnehmung zur Intentionalität dieser Wahrnehmung? In diesem Abschnitt wird es zunächst darum gehen, diese Frage richtig zu verstehen und präzise zu formulieren. Die zentrale Voraussetzung hierfür haben wir geschaffen, indem wir die Begriffe des phänomenalen Erscheinens und der Intentionalität geklärt haben. Daraus ergeben sich weitere wichtige Punkte. Der erste folgt aus dem Ergebnis des Kapitels 10. Zur Erinnerung: Dort haben wir Folgendes festgestellt: Die Tatsache, dass Wahrnehmungen phänomenale Qualitäten aufweisen, fällt mit der Tatsache zusammen, dass sie Zustände des phänomenalen Erscheinens sind. Und die phänomenale Qualität einer Wahrnehmung ist nichts anderes als die Art des phänomenalen Erscheinens in dieser Wahrnehmung. Wobei Letzteres wiederum nichts anderes bedeutet, als dass die phänomenale Qualität einer visuellen Wahrnehmung vollständig durch die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes bestimmt wird – und umgekehrt. Sollte das richtig sein, wovon wir ausgehen wollen, entspricht unsere Frage nach dem Verhältnis des phänomenalen Erscheinens in einer Wahrnehmung zur Intentionalität dieser Wahrnehmung der Frage nach dem Verhältnis der phänomenalen Qualität einer Wahrnehmung zu ihrer Intentionalität. In dieser Formulierung wird die Frage in der Philosophie des Geistes viel diskutiert. Das erlaubt es uns wiederum, unsere Untersuchung in den Zusammenhang einer gut etablierten Debatte zu stellen, in der wir auch einen geeigneten begrifflichen Rahmen vorfinden. Graham, Horgan und Tienson unterscheiden zwei grundlegende
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Separatismus und Inseparatismus
Positionen: den Separatismus hseparatismi und den Inseparatismus hinseparatismi: »Separatism […] is the thesis that phenomenology and intentionality are mutually independent of one another. Either sort of property can occur without the other. The opposite view is inseparatism, the thesis that phenomenology and intentionality are inseparable. […] In some sense: No phenomenology without intentionality and no intentionality without phenomenology.« 35
An dieser Unterscheidung werden wir uns im Folgenden orientieren. Das heißt, wir werden die Frage nach dem Verhältnis des phänomenalen Erscheinens in einer Wahrnehmung zur Intentionalität dieser Wahrnehmung als die Frage nach der Wahrheit einer Form des Inseparatismus stellen. 36 Allerdings kann Grahams, Horgans und Tiensons Formulierung dabei lediglich der vorläufigen Orientierung dienen. Um ein Spektrum eindeutig bestimmter Positionen zu erhalten, muss zwischen einer Vielzahl von Formen des Inseparatismus unterschieden werden. Einen dieser Unterschiede können wir als den zwischen bestimmtem und allgemeinem Inseparatismus bezeichnen. Er beruht auf der Unterscheidung zwischen bestimmten und allgemeinen Begriffen, die wir in Kapitel 3 kennengelernt haben. Dort haben wir zwischen den allgemeinen Begriffen des phänomenalen Erscheinens und des phänomenalen Bewusstseins einerseits sowie den Mengen bestimmter Begriffe, den phänomenalen Erscheinens-Begriffen und den phänomenalen Begriffen, andererseits unterschieden. Eine entsprechende Unterscheidung lässt sich selbstverständlich auch hinsichtlich des Begriffes der Intentionalität treffen. Wir haben auf der einen Seite den allgemeinen Begriff der Intentionalität und auf der anderen Seite die bestimmten Begriffe einzelner intentionaler Zustände. Wie die zuletzt genannten Begriffe bestimmt werden, haben wir allerdings noch nicht gesagt. Wir haben noch nicht gesagt, was einen intentionalen Zustand von anderen intentionalen Zuständen unterscheidet. Um zunächst einmal einen Ausdruck zur Verfügung zu haben, wollen wir bis auf Weiteres von intentionalen Gehalten sprechen und dabei offenlassen, was sich genau dahinter verbirgt. Dann gilt: Der bestimmte Inseparatismus ist eine These über das Verhältnis zwischen Arten phänomenaGraham, Horgan und Tienson (2009), S. 514. Da jede Form einer der beiden Auffassungen die Negation einer Form der jeweils anderen ist, reicht es aus, über eine der beiden Positionen zu reden.
35 36
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11 · Erscheinen und Intentionalität
len Erscheinens und intentionalen Gehalten, während der allgemeine Inseparatismus eine These über das Verhältnis zwischen phänomenalem Erscheinen und Intentionalität ist. Die Formulierung von Graham, Horgan und Tienson ist, dem Wortlaut nach, eine Formulierung des allgemeinen Inseparatismus. Beide Thesen werden als verschiedene Antworten auf die Frage formuliert, ob phänomenales Bewusstsein ohne Intentionalität möglich ist, und umgekehrt. Der Unterschied zum bestimmten (In)Separatismus zeigt sich darin, dass eine negative Antwort auf diese Frage (d. i. der allgemeine Inseparatismus) grundsätzlich mit der Falschheit des bestimmten Inseparatismus vereinbar ist. Daraus, dass phänomenales Bewusstsein nicht ohne Intentionalität möglich ist und umgekehrt, folgt nicht, dass eine bestimmte phänomenale Qualität nicht ohne einen bestimmten intentionalen Gehalt auftreten kann, und umgekehrt. Wir können uns im Folgenden aber auf die Diskussion verschiedener Formen des bestimmten Inseparatismus konzentrieren. Der Hauptgrund hierfür liegt in der Beschränkung auf visuelle Wahrnehmungen, die wir uns auferlegt haben. Betrachtet man ausschließlich visuelle Wahrnehmungen, ist der allgemeine Separatismus keine ernstzunehmende Position. Es ist unstrittig, dass Wahrnehmungen notwendigerweise sowohl Intentionalität (im oben erläuterten Sinn) aufweisen als auch phänomenal bewusst sind (Zustände des phänomenalen Erscheinens sind). Die Beschränkung auf visuelle Wahrnehmungen wollen wir im Folgenden durch einen entsprechenden Index kennzeichnen. Wir schreiben: Inseparatismusvis. Die Auffassung, die uns beschäftigen wird, ist also der bestimmte Inseparatismusvis, die Auffassung also, dass Arten phänomenalen Erscheinens in der Wahrnehmung und intentionale Gehalte der Wahrnehmung voneinander abhängig sind. Auch die These des bestimmten Inseparatismusvis muss aber noch weiter ausdifferenziert werden. Eine präzise Art, die verschiedenen bestimmten Inseparatismus-Thesen zu formulieren, ist, sie als Supervenienz-Thesen zu formulieren. 37 Supervenienz ist eine Abhängigkeits-Relation zwischen Eigenschaften beziehungsweise Eigenschafts-Mengen. Wenn eine Eigenschafts-Menge A und eine Eigenschafts-Menge B gegeben sind, gilt: B-Eigenschaften superSeparatismus-Thesen lassen sich entsprechend als Negationen von SupervenienzThesen formulieren.
37
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Separatismus und Inseparatismus
venieren genau dann auf A-Eigenschaften, wenn für eine festgelegte Menge möglicher Entitäten gilt: Keine zwei Entitäten aus dieser Menge unterscheiden sich in ihren A-Eigenschaften, ohne sich in ihren B-Eigenschaften zu unterscheiden. Wenn es um Spielarten des bestimmten Inseparatismusvis geht, sind die Eigenschafts-Mengen die Menge der (möglichen) phänomenalen Qualitäten sowie die Menge der (möglichen) intentionalen Gehalte. Ein erster Aspekt, in dem sich Supervenienz-Thesen über diese beiden Eigenschafts-Mengen unterscheiden, ist in der Richtung der Supervenienz. Wir erhalten: Bestimmter Inseparatismusvis Gehalt-auf-Phänomenalität: Es ist unmöglich, dass sich zwei visuelle Wahrnehmungen in ihrem intentionalen Gehalt unterscheiden, ohne sich in ihrer phänomenalen Qualität zu unterscheiden. Bestimmter Inseparatismusvis Phänomenalität-auf-Gehalt: Es ist unmöglich, dass sich zwei visuelle Wahrnehmungen in ihrer phänomenalen Qualität unterscheiden, ohne sich in ihrem intentionalen Gehalt zu unterscheiden. Bestimmter Inseparatismusvis simpliciter: Es ist unmöglich, dass sich zwei visuelle Wahrnehmungen in ihrem intentionalen Gehalt unterscheiden, ohne sich in ihrer phänomenalen Qualität zu unterscheiden, und umgekehrt. Ein anderer Aspekt, in dem sich verschiedene Supervenienz-Thesen unterscheiden, ist die Kategorie der Entitäten, von denen darin die Rede ist. Für unsere Zwecke ist der Unterschied zwischen sogenannter intra-personaler und inter-personaler Supervenienz-These von Bedeutung. 38 Die drei vorhergehenden Thesen sind als inter-personale Supervenienz-Thesen formuliert. Davon müssen entsprechende intra-personale Supervenienz-Thesen unterschieden werden. Nehmen wir den bestimmten Inseparatismusvis simpliciter als Beispiel:
Für gewöhnlich wird zwischen lokaler und globaler Supervenienz unterschieden. Während lokale Supervenienz-Thesen besagen, dass sich keine zwei möglichen Einzeldinge in der Supervenienz-Basis unterscheiden, ohne sich in den supervenierenden Eigenschaften zu unterscheiden, besagen globale Supervenienz-Thesen, dass sich keine zwei möglichen Welten in der Supervenienz-Basis unterscheiden, ohne sich in den supervenierenden Eigenschaften zu unterscheiden.
38
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11 · Erscheinen und Intentionalität
Bestimmter intra-personaler Inseparatismusvis simpliciter: Es ist unmöglich, dass sich zwei visuelle Wahrnehmungen eines Subjektes in ihrem intentionalen Gehalt unterscheiden, ohne sich in ihrer phänomenalen Qualität zu unterscheiden, und umgekehrt. In entsprechender Weise lassen sich auch die übrigen bestimmten Inseparatismusvis-Thesen als intra-personale Supervenienz-Thesen formulieren. Damit haben wir nun ein recht umfangreiches Spektrum an bestimmten Inseparatismusvis-Thesen herausgearbeitet. Bevor wir uns aber der Frage nach der Wahrheit dieser Thesen zuwenden können, gilt es, noch ein Problem zu lösen. Wir verfügen noch über keinen klaren Begriff davon, was der intentionale Gehalt einer Wahrnehmung eigentlich ist. Zweifellos hängt es jedoch von diesem Begriff ab, welche dieser bestimmten Inseparatismusvis-Thesen wahr sind und welche falsch. An dieser Stelle wollen wir uns zunächst einen groben Überblick über verschiedene Konzeptionen von Gehalten von Wahrnehmungen verschaffen und betrachten, was aus ihnen für die Wahrheit oder Falschheit verschiedener bestimmter Inseparatismusvis-Thesen folgt. Wir können zwei Dimensionen der Unterscheidung zwischen Konzeptionen intentionaler Gehalte unterscheiden. Die erste ist die der Unterscheidung zwischen singulären und allgemeinen Gehalten. Gemäß der Konzeption singulärer Gehalte geht der jeweilige intentionale Gegenstand einer Wahrnehmung in den Gehalt mit ein. Das heißt, zwei Wahrnehmungen, die auf numerisch verschiedene Gegenstände gerichtet sind, können nicht denselben singulären Gehalt haben. Gemäß der Konzeption allgemeiner Gehalte gehen lediglich Eigenschaften intentionaler Gegenstände in den Gehalt einer Wahrnehmung ein. Es können also zwei Wahrnehmungen, die auf numerisch verschiedene Gegenstände gerichtet sind, denselben allgemeinen Gehalt haben. Die zweite Dimension der Unterscheidung zwischen Konzeptionen intentionaler Gehalte ergibt sich aus den im letzten Abschnitt vorgestellten Hintergrundannahmen. Zur Erinnerung: Hintergrundannahme 1: Wahrnehmungen sind Zustände des Vorstellens. Hintergrundannahme 2: Wahrnehmungen sind Zustände der Bekanntschaft. 270 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Separatismus und Inseparatismus
Hintergrundannahme 3: Wahrnehmungen sind Zustände des Erfahrens. Jeder dieser Hintergrundannahmen entsprechen andere Konzeptionen allgemeiner und singulärer Gehalte von Wahrnehmungen. Wir wollen uns im Folgenden auf die Hintergrundannahmen 2 und 3 konzentrieren. Die Gründe hierfür werden in Kürze deutlich. In beiden Fällen gilt zunächst einmal: Der allgemeine Gehalt entspricht der Aspektgestalt der Wahrnehmung und der singuläre Gehalt entspricht einem Paar aus der Aspektgestalt der Wahrnehmung und dem intentionalen Gegenstand, der unter dem jeweiligen Aspekt erscheint. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden Konzeptionen: Sollte die Hintergrundannahme 3 wahr sein (d. i. sollten Wahrnehmungen Zustände des Erfahrens sein), wäre der Gehalt einer Wahrnehmung von dem, was darin wahrgenommen würde (dem jeweiligen Ausschnitt der Welt), unabhängig. Wenn Wahrnehmungen Halluzinationen zulassen, gilt das für allgemeine und singuläre Gehalte. Wenn sie lediglich Illusionen zulassen, gilt das lediglich für allgemeine Gehalte. Sollte dagegen Hintergrundannahme 2 wahr sein (d. i. sollten Wahrnehmungen Zustände der Bekanntschaft sein), würde eine solche Unabhängigkeit nicht bestehen. Was ergibt sich aus diesen Unterscheidungen nun für die Wahrheit oder Falschheit verschiedener Versionen des bestimmten Inseparatismusvis? Zwei Punkte lassen sich relativ leicht feststellen: Erstens: Wenn die intentionalen Gehalte von Wahrnehmungen singuläre Gehalte sind, ist der bestimmte Inseparatismusvis simpliciter sowie der bestimmte Inseparatismusvis Phänomenalität-auf-Gehalt falsch. Denn beide enthalten die Annahme, dass die phänomenale Qualität einer Wahrnehmung auf deren intentionalen Gehalt superveniert, das heißt, sie enthalten die Annahme, dass es keinen Unterschied im intentionalen Gehalt geben kann ohne einen Unterschied in der phänomenalen Qualität. Genau diese Möglichkeit bestünde jedoch, wenn die intentionalen Gehalte singulär wären. Wahrnehmungen mit derselben phänomenalen Qualität können von verschiedenen Gegenständen handeln (d. i. verschiedene singuläre Gehalte aufweisen). Und das gilt auch dann, wenn ihre Aspektgestalt mit ihrer phänomenalen Qualität zusammenfällt. Das ergibt sich aus der trivialen Tatsache, dass einzelne Gegenstände, wie sie in singulären Gehalten enthalten sind, grundsätzlich nicht in SupervenienzRelationen stehen können. Aus diesem Grund ist die Frage, ob phänomenale Qualitäten auf intentionalen Gehalten supervenieren von 271 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
11 · Erscheinen und Intentionalität
vornherein witzlos, solange angenommen wird, dass die darin erwähnten intentionalen Gehalte zum Teil singulär sind. Um eine interessante bestimmte inseparatistische These zu erhalten, muss die Frage anders gestellt werden. Die Frage muss lauten, wie sich die Aspektgestalt der Wahrnehmung zu deren phänomenaler Qualität verhält. Als Antworten auf diese Frage lassen sich interessante bestimmte Inseparatismusvis-Thesen formulieren. Stellvertretend zum Beispiel: Bestimmter intra-personaler Inseparatismusvis Aspektgestaltauf-Phänomenalität: Es ist unmöglich, dass sich zwei visuelle Wahrnehmungen eines Subjektes in ihrer Aspektgestalt unterscheiden, ohne sich in ihrer phänomenalen Qualität zu unterscheiden. Zweitens: Angenommen intentionale Gehalte seien allgemeine Gehalte. Dann gilt: Wenn Wahrnehmungen Zustände der Bekanntschaft sind, dann ist der Inseparatismus in seiner stärksten Form, das heißt als bestimmter inter-personaler Inseparatismusvis simpliciter korrekt. Warum das so ist, wird deutlich, wenn wir uns erneut an das Ergebnis von Kapitel 10 erinnern. Dort hatten wir festgestellt, dass (unter der Voraussetzung eines nicht theoretisch überformten Begriffes phänomenaler Qualitäten) gilt: Die phänomenale Qualität einer Wahrnehmung fällt mit der Art, auf die das Wahrnehmungsfeld mit Inhalten gefüllt ist, zusammen. Sollten Wahrnehmungen nun aber Zustände der Bekanntschaft sein, wären die Inhalte des Wahrnehmungsfeldes schlicht mit den wahrgenommenen Gegenständen und Eigenschaften identisch. Und das hieße: Die Art, wie diese wahrgenommenen Gegenstände wären (d. i. die Aspekte, die sie aufwiesen) wäre die Art, wie das Wahrnehmungsfeld mit Inhalten gefüllt wäre. Die Aspektgestalt einer Wahrnehmung ergäbe sich also unmittelbar aus den Aspekten, die diese Gegenstände tatsächlich aufwiesen. Und in diesem Fall wäre es unstrittig, dass eine Supervenienz in beide Richtungen bestünde. Wir sehen also: Vor dem Hintergrund einer adäquaten Konzeption phänomenaler Qualitäten ergibt sich die Möglichkeit des bestimmten Separatismusvis überhaupt erst aus der Annahme der Unabhängigkeit intentionaler Gehalte von den wahrgenommenen Gegenständen und Eigenschaften. Genau diese Unabhängigkeit ergibt sich aus der Hintergrundannahme 3. Dass Wahrnehmungen Zustände des Erfahrens sind, bedeutet, dass ihre Gehalte bestimmten 272 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Die inseparatistische Intuition
Erfüllungsbedingungen entsprechen. Und für Erfüllungsbedingungen ist es charakteristisch, dass sie mentalen Zuständen, unabhängig von ihrem Erfüllt-Sein, zukommen. Für Zustände des Erfahrens stellen sich damit zwei Fragen, die sich für Zustände der Bekanntschaft nicht stellen. Erstens: Was macht einen bestimmten Zustand des Erfahrens eigentlich zu einem Zustand mit einer bestimmten Aspektgestalt (d. i. zu einem Zustand, der durch die Instanziierung eines bestimmten Aspektes erfüllt wird)? Und zweitens: Wie verhalten sich die phänomenale Qualität und die Aspektgestalt von Zuständen des Erfahrens zueinander? Die zweite Frage ist im gegenwärtigen Zusammenhang die wichtigere. Sie stellt sich, weil das Element – die Instanziierung des Aspektes an dem konkreten, existierenden intentionalen Gegenstand –, mit dem sich bei Zuständen der Bekanntschaft sowohl die phänomenale Qualität als auch die Aspektgestalt ganz selbstverständlich identifizieren ließen, hierfür nicht mehr in Frage kommt. Der Verlust dieses vereinigenden Elementes eröffnet erst die Möglichkeit, dass es sich um verschiedene Dinge handeln könnte. Und erst diese Möglichkeit bietet einen Ansatzpunkt für separatistische Überlegungen. Zusammenfassend können wir festhalten: Verschiedene Formen des bestimmten Inseparatismusvis sind nur dann interessante Thesen (d. i. Thesen, die weder trivialerweise falsch, noch trivialerweise wahr sind), wenn Folgendes gilt: (a) Intentionale Gehalte sind allgemeine Gehalte (es sei denn, es handelt sich um Thesen über das Verhältnis zwischen Aspektgestalten und phänomenalen Qualitäten) und (b) Wahrnehmungen sind Zustände des Erfahrens (d. i. Zustände, die Erfüllungsbedingungen aufweisen). Wenn wir also im Folgenden die Frage diskutieren, ob der bestimmte Inseparatismusvis in der einen oder anderen Form wahr ist, tun wir das vor dem Hintergrund dieser beider Voraussetzungen. Damit verpflichten wir uns jedoch ausdrücklich nicht auf die Wahrheit beider Voraussetzungen.
11.3 Die inseparatistische Intuition Wie also steht es unter den genannten Voraussetzungen um die Wahrheit der verschiedenen Formen des bestimmten Inseparatis-
273 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
11 · Erscheinen und Intentionalität
musvis? 39 In der Philosophie des Geistes durfte eine mehr oder weniger starke Form des Separatismus lange Zeit als die Standard-Auffassung gelten. Ich werde mich dagegen der inzwischen recht großen Anzahl von Autoren anschließen, die die eine oder andere Form des Inseparatismus vertreten. In diesem Abschnitt werde ich zunächst auf der Grundlage der begrifflichen und phänomenologischen Überlegungen, die wir bis hierhin angestellt haben, eine starke Intuition zugunsten einer bestimmten Art von Inseparatismus herausarbeiten. Sie soll die inseparatistische Intuition heißen. In den folgenden Abschnitten werde ich dann die wichtigsten Einwände gegen diese Form des Inseparatismus diskutieren. Die oben erwähnte Tatsache, dass in der Philosophie des Geistes eine Form des Separatismus lange Zeit so etwas wie die StandardAuffassung war, ist ein Stück weit erstaunlich. Denn der Separatismus erscheint auf den ersten (unvoreingenommenen) Blick, auch unter den im letzten Abschnitt herausgearbeiteten Voraussetzungen [(a) und (b)], recht unplausibel. Diesen Eindruck bringt beispielsweise Colin McGinn treffend zum Ausdruck, wenn er schreibt: »Books and articles appear apace offering to tell us exactly what mental aboutness consists in, while heads continue to be shaken over the nature of consciousness. Indeed, standard approaches to content tend simply to ignore the problem of consciousness […]. This is curious because of the apparently intimate connexion between consciousness and content: intentionality is a property precisely of conscious states (at least originally). Moreover, the content of an experience (say) and its subjective features are, on the face of it, inseparable from each other. How than can we pretend that the two problems can be pursued quite independently?« 40
Die Ergebnisse des letzten Kapitels erlauben es uns, die Intuition, dass die Phänomenalität und die Intentionalität eines Zustandes eng miteinander zusammenhängen, noch klarer zu formulieren, als McGinn es hier tut. Erinnern wir uns noch einmal daran, dass wir dort festgestellt haben, dass (unter der Voraussetzung eines nicht theoretisch überformten Begriffes phänomenaler Qualitäten) gilt: Die phänomenale Qualität einer Wahrnehmung fällt mit der Art, auf die das Wahrnehmungsfeld mit Inhalten gefüllt ist, zusammen. Das erlaubt uns Da es im Folgenden ausschließlich um Formen des bestimmten Inseparatismusvis geht, werde ich von nun an sowohl auf den Zusatz »bestimmter«, als auch auf den Index »vis« verzichten. 40 McGinn (1991), S. 24. 39
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Die inseparatistische Intuition
eine für unsere Zwecke hilfreiche Umformulierung inseparatistischer Thesen. Nehmen wir die stärkste Form des Inseparatismus, den Inseparatismus simpliciter: Es ist unmöglich, dass sich zwei visuelle Wahrnehmungen in ihrem intentionalen Gehalt unterscheiden, ohne sich in ihrer phänomenalen Qualität zu unterscheiden, und umgekehrt. Durch Ersetzung erhalten wir: Inseparatismus simpliciter*: Es ist unmöglich, dass sich zwei visuelle Wahrnehmungen in ihrem intentionalen Gehalt unterscheiden, ohne sich in der Art, auf die das Wahrnehmungsfeld mit Inhalten gefüllt ist, zu unterscheiden, und umgekehrt. Sobald die These des Inseparatismus simpliciter in dieser Weise formuliert ist, stellt sich, so möchte ich behaupten, die starke Intuition ein, dass sie wahr sein muss. Diese Intuition soll die inseparatistische Intuition heißen. Wir wollen versuchen, sie noch etwas klarer herauszuarbeiten: Der Inseparatismus simpliciter behauptet, dass zwischen der phänomenalen Qualität und dem intentionalen Gehalt der Wahrnehmung eine gegenseitige Supervenienzbeziehung besteht. Betrachten wir zunächst die Supervenienz der phänomenalen Qualität auf dem intentionalen Gehalt. Dazu vergegenwärtige man sich einfach eine beliebige Wahrnehmungssituation und stelle sich dann vor, dass sich irgendein Inhalt des Wahrnehmungsfeldes, das sich einem präsentiert (d. i. die phänomenale Qualität der Wahrnehmung), verändert. Es scheint außer Frage zu stehen, dass sich damit auch der intentionale Gehalt der Wahrnehmung ändert. 41 Und für die Supervenienz in die andere Richtung (d. i. die Supervenienz des intentionalen Gehaltes auf der phänomenalen Qualität) scheint Ähnliches zu gelten. Man vergegenwärtige sich erneut eine beliebige Wahrnehmungssituation und stelle sich vor, dass sich der intentionale Gehalt der Wahrnehmung ändere. Das scheint nicht möglich zu
Das ist die stillschweigende Voraussetzung, von der Intentionalisten wie Jackson oder Tye ausgehen, wenn sie daraus, dass die phänomenale Qualität einer Wahrnehmung mit den Inhalten des Wahrnehmungsfeldes zusammenfällt, auf die Identität der phänomenalen Qualität mit einer Art von intentionalem Gehalt schließen (siehe Kapitel 10).
41
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11 · Erscheinen und Intentionalität
sein, ohne dass sich auch der Inhalt des Wahrnehmungsfeldes auf eine ganz bestimmte Weise ändert. Es scheint also in der Tat eine Supervenienz in beide Richtungen zu bestehen. Es lohnt sich, diesen zweiten Teil der inseparatistischen Intuition (der die Supervenienz des intentionalen Gehaltes auf der phänomenalen Qualität betrifft) etwas genauer zu betrachten, denn, wie mir scheint, wird er nicht immer hinreichend gut verstanden. Erinnern wir uns dazu an unsere Erläuterung des Begriffes des in der Wahrnehmung Gegeben-Seins. Wir hatten Folgendes gesagt: Dass mir in meiner Wahrnehmung etwas (ein Gegenstand oder eine Eigenschaft) gegeben ist, bedeutet, dass sich dieser Gegenstand oder diese Eigenschaft irgendwie in meinem Wahrnehmungsfeld manifestieren. Wenn meine Wahrnehmung beispielsweise eine Wahrnehmung von etwas Rotem ist, bedeutet das, dass sich die Röte des jeweiligen intentionalen Gegenstandes irgendwie in meinem Wahrnehmungsfeld manifestiert. Wie genau sich der intentionale Gehalt meiner Wahrnehmung in meinem Wahrnehmungsfeld manifestiert, hängt zwar von der jeweiligen Theorie der Wahrnehmung ab. In jedem Fall gilt jedoch – und das ist an dieser Stelle entscheidend: Dass sich der intentionale Gehalt meiner Wahrnehmung in meinem Wahrnehmungsfeld manifestiert, bedeutet (unter anderem), dass Unterschieden im intentionalen Gehalt meiner Wahrnehmung Unterschiede in meinem Wahrnehmungsfeld entsprechen. Und genau das besagt der zweite Teil der inseparatistischen Intuition. Abschließend ist es noch wichtig, sich klar zu machen, für welche Form des Inseparatismus die inseparatistische Intuition spricht. Denn sie spricht keineswegs für die stärkste mögliche Form des Inseparatismus. Die stärkste Form des Inseparatismus wäre der interpersonale Inseparatismus simpliciter. Die inseparatistische Intuition spricht zwar für einen Inseparatismus simpliciter, das heißt, sie spricht für eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen phänomenaler Qualität und intentionalem Gehalt. Sie spricht jedoch nicht für einen inter-personalen Inseparatismus. Sie spricht lediglich für einen intrapersonalen Inseparatismus. Der Grund ist, dass sie allein auf unserem erstpersönlichen Zugang zu den jeweils eigenen Wahrnehmungen beruht. Es scheint unmöglich zu sein, dass sich der Inhalt des eigenen Wahrnehmungsfeldes verändert, ohne dass sich der intentionale Gehalt der Wahrnehmung ändert. Und es scheint unmöglich zu sein, dass sich der intentionale Gehalt der eigenen Wahrnehmung ändert, ohne dass sich der Inhalt des Wahrnehmungsfeldes ändert. Dass sich 276 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Das Problem des invertierten Spektrums
dagegen die eigene Wahrnehmung und die einer anderen Person in ihrer phänomenalen Qualität unterscheiden könnten, ohne sich in ihrem intentionalen Gehalt zu unterscheiden (oder umgekehrt), scheint dagegen keineswegs unmöglich zu sein. Aus diesem Grund soll es im Folgenden ausschließlich um Versionen des intra-personalen Inseparatismus gehen. 42 Die inseparatistische Intuition verschiebt die Beweislast zunächst einmal deutlich ins Lager der Separatisten. Damit sollten wir uns jedoch nicht zufrieden geben. Denn Separatisten nehmen für sich in Anspruch, diese Beweislast schultern zu können. Und in der Tat scheinen sie über durchaus starke Argumente zu verfügen. Die stärksten Argumente gegen den Inseparatismus sind solche, die auf sogenannten Inversions-Szenarien beruhen. Wir wollen sie daher Inversions-Argumente nennen. Mit ihnen werden wir uns in den folgenden Abschnitten auseinandersetzen. Dabei werden wir im nächsten Abschnitt zunächst auf die Struktur von Inversions-Szenarien eingehen und die argumentativen Möglichkeiten beleuchten, die sich daraus ergeben. Vor diesem Hintergrund werden wir in den beiden folgenden Abschnitten dann zwei repräsentative Inversions-Argumente von Ned Block betrachten und zurückweisen.
11.4 Das Problem des invertierten Spektrums Beginnen wir wiederum mit einigen Begriffen und Unterscheidungen. In Inversions-Szenarien, so wie sie hier verstanden werden sollen, geht es immer um mindestens eine der beiden folgenden Eigenschaften von Farb-Wahrnehmungen: (a) Mit bestimmten Farben assoziierte phänomenale Qualitäten. Wir können sie umschreiben als die Art, wie es für uns (d. i. unter den für uns normalen Umständen) ist, eine Wahrnehmung einer bestimmten Farbe zu haben. Sie sollen im Folgenden Farb-Qualitäten (Rot-Qualitäten, GrünQualitäten usw.) heißen. (b) Die Aspektgestalten, die die Wahrnehmung einer bestimmten Farbe zu der Wahrnehmung eben dieser Farbe macht.
Für Argumente zugunsten des inter-personalen Inseparatismus vgl. u. a. Speaks (2011).
42
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11 · Erscheinen und Intentionalität
Sie sollen im Folgenden Farb-Gehalte (Rot-Gehalte, GrünGehalte usw.) heißen. Inversions-Szenarien beruhen auf der Tatsache, dass sich Farben – und damit die einzelnen Bestimmungen der beiden genannten Eigenschaften – gemäß ihrer Ähnlichkeit zueinander in einem (annähernd) symmetrischen Kreis anordnen lassen. Eine Inversion findet statt, wenn dieser Kreis um 180 Grad gedreht wird. Inversions-Szenarien haben die folgende Form: Die Farb-Qualitäten oder die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen einer bestimmten Menge von Subjekten sind für eine bestimmte Zeit invertiert, während jeweils bestimmte andere interessante Eigenschaften dieser Subjekte unverändert bleiben. 43 Inversions-Szenarien, in denen die Farb-Qualitäten invertiert sind, sollen Qualitäts-Inversionen oder Qualitäts-Inversions-Szenarien heißen, und Inversions-Szenarien, in denen die Farb-Gehalte invertiert sind, sollen Gehalts-Inversionen oder Gehalts-Inversions-Szenarien heißen. Ob ein Inversions-Szenario für die Frage nach der Wahrheit des Inseparatismus interessant ist, hängt davon ab, was die Eigenschaften sind, die unverändert bleiben. Die interessanten Szenarien sind solche, in denen entweder die Farb-Qualitäten invertiert sind, während die Farb-Gehalte unverändert bleiben, oder die Farb-Gehalte invertiert sind, während die Farb-Qualitäten unverändert bleiben. Kurz: in denen die Farb-Qualitäten und die Farb-Gehalte relativ zueinander invertieren. Sie sollen einfach interessante Inversions-Szenarien heißen. Wir können vier Typen von interessanten InversionsSzenarien unterscheiden: Inter-personale Qualitäts-Inversion: 44 Für zwei Subjekte s1 und s2 gilt: (i) s1 und s2 sind intentionale Duplikate voneinander, das heißt, die intentionalen Gehalte ihrer mentalen Zustände sind hinsichtlich der Aspektgestalt exakt gleich, und (ii) das phänomenale Farbspektrum von s1 ist gegenüber dem von s2 invertiert. Intra-personale Qualitäts-Inversion: Für ein Subjekt s und zwei Zeitpunkte t1 und t2 im Verlauf der Existenz von s gilt: (i) Die intentionalen Gehalte der mentalen Zustände von s sind zu t1 und t2 hinsichtlich der 43 44
Vgl. ebenda, S. 339. Vgl. Shoemaker (1982).
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Das Problem des invertierten Spektrums
Aspektgestalt exakt gleich und (ii) das phänomenale Farbspektrum von s zu t1 ist gegenüber dem von s zu t2 invertiert. Inter-personale Gehalts-Inversionen: Für zwei Subjekte s1 und s2 gilt: (i) s1 und s2 sind qualitative Duplikate voneinander, das heißt, die phänomenalen Qualitäten ihrer mentalen Zustände sind exakt gleich, und (ii) die Farb-Gehalte von s1 sind gegenüber denen von s2 invertiert. Intra-personale Gehalts-Inversionen: Für ein Subjekt s und zwei Zeitpunkte t1 und t2 im Verlauf der Existenz von s gilt: (i) Die phänomenalen Qualitäten der mentalen Zustände von s sind zu t1 und t2 exakt gleich und (ii) die Farb-Gehalte von s zu t1 sind gegenüber denen von s zu t2 invertiert. In den Szenarien der inter-personalen Inversion geht es also um die Wahrnehmungen zweier Personen, in denen der intra-personalen Inversion um die Wahrnehmungen einer Person. 45 Alle vier Arten von Szenarien lassen sich als Herausforderungen an jeweils verschiedene Formen des Inseparatismus verstehen. Sollte es sich bei inter-personalen Qualitäts-Inversions-Szenarien um mögliche Szenarien handeln, wäre damit gezeigt, dass die phänomenale Qualität der Wahrnehmungen (mindestens) zweier Subjekte von deren intentionalem Gehalt unabhängig ist. Das wäre mit dem inter-personalen Inseparatismusvis Gehalt-Phänomenalität unvereinbar. Entsprechendes gilt für die übrigen Szenarien: Die Möglichkeit von intra-personalen Qualitäts-Inversionen ist mit dem intra-personalen Inseparatismusvis Gehalt-Phänomenalität unvereinbar. Die Möglichkeit von inter-personalen Gehalts-Inversionen ist mit dem inter-personalen Inseparatismusvis Phänomenalität-Gehalt unvereinbar. Und die Möglichkeit von intra-personalen Gehalts-Inversionen schließlich ist mit dem intra-personalen Inseparatismusvis Phänomenalität-Gehalt unvereinbar.
Wie beispielsweise Shoemaker deutlich macht, ist die Möglichkeit der ersten mit der Unmöglichkeit der zweiten vereinbar, nicht jedoch umgekehrt (vgl. ebenda).
45
279 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
11 · Erscheinen und Intentionalität
Inversions-Szenarien eignen sich dementsprechend dazu, verschiedene Formen des Inseparatismus anzugreifen. Wenn man zeigen kann, dass ein Inversions-Szenario möglich ist, das mit einer bestimmten Form des Inseparatismus unvereinbar ist, verfügt man über ein starkes Argument gegen diese Form des Inseparatismus. In den folgenden beiden Abschnitten werden wir zwei einflussreiche Versuche solcher Argumente von Ned Block diskutieren. Zuvor wollen wir aber die Voraussetzungen für diese Diskussion schaffen. Wir wollen dafür zwei Bedingungen formulieren, die ein Inversions-Szenario erfüllen muss, um ein mögliches Szenario zu sein. Oft wird übersehen, dass Inversions-Szenarien nicht nur in Argumenten gegen, sondern auch in Argumenten für den Inseparatismus verwendbar sind. 46 Denn es gilt nicht nur, dass Inseparatisten auf die Unmöglichkeit interessanter Inversions-Szenarien festgelegt sind. Es gilt auch, dass Separatisten auf die Möglichkeit interessanter Inversions-Szenarien festgelegt sind. Wie sich gleich zeigen wird, lässt sich in Bezug auf bestimmte interessante Inversions-Szenarien (beziehungsweise interessante Inversions-Szenarien eines bestimmten Typs) jedoch feststellen, dass sie nicht möglich sind. Daraus ergibt sich eine Bedingung, die den Separatisten zumindest prima facie vor Schwierigkeiten stellt. Er muss zeigen, dass die Unmöglichkeit dieser Szenarien nicht gegen den Separatismus spricht. Unsere erste Bedingung soll von dieser Art sein. Praktischerweise müssen wir nicht lange suchen, um Szenarien zu finden, die den intra-personalen Separatismus in Schwierigkeiten bringen. 47 Wir wollen zunächst zwei Arten von Szenarien unterscheiden: Intra-personale Szenarien der plötzlichen Qualitäts-Inversion und Intra-personale Szenarien der plötzlichen Gehalts-Inversion. Ein Beispiel für ein Szenario der ersten Art ist das folgende: Ein Subjekt schaut für den Zeitraum von einer Minute auf eine rote Wand, die sein Wahrnehmungsfeld komplett einnimmt und ihre Farbe nicht verändert. Nach 30 Sekunden invertiert das phänomenale Farbspektrum des Subjektes plötzlich. Statt einer phänomenalen Rot-Qualität weist seine Wahrnehmung jetzt eine phänomenale Grün-Qualität auf. Der intentionale Gehalt der Wahrnehmung des Subjektes bleibt jedoch unverändert. 46 47
Zu Ausnahmen vgl. Speaks (2011) sowie Byrne (2001). Zum Folgenden vgl. vor allem Speaks (2011), aber auch Byrne (2001).
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Das Problem des invertierten Spektrums
Die Wahrnehmung des Subjektes hat durchgehend einen RotGehalt. Ein Beispiel für ein Szenario der zweiten Art ist das folgende: Ein Subjekt schaut für den Zeitraum von einer Minute auf eine rote Wand, die sein Wahrnehmungsfeld komplett einnimmt und ihre Farbe nicht verändert. Nach 30 Sekunden invertiert der Farb-Gehalt des Subjektes plötzlich. Statt eines Rot-Gehaltes weist seine Wahrnehmung jetzt einen Grün-Gehalt auf. Die phänomenale Qualität der Wahrnehmung des Subjektes bleibt jedoch unverändert. Die Wahrnehmung des Subjektes weist durchgehend eine phänomenale Rot-Qualität auf. Ich möchte behaupten, dass es sich bei keinem der beiden Szenarien um ein mögliches Szenario handelt. Die Wahrheit dieser Behauptung sollte spätestens dann offensichtlich werden, wenn man sich noch einmal vergegenwärtigt, was es bedeutet, dass das phänomenale Farbspektrum einer Person plötzlich invertiert. Es bedeutet, dass sich die Art, auf die das Wahrnehmungsfeld mit Inhalten angefüllt ist, hinsichtlich der Farb-Inhalte ›von einer Sekunde auf die andere‹ radikal ändert. Rot-Qualitäten wie in unseren Beispielen werden durch Grün-Qualitäten ersetzt, Gelb-Qualitäten durch Blau-Qualitäten usw. Die Behauptung der Möglichkeit des ersten Szenarios liefe darauf hinaus, dass so etwas möglich wäre, ohne dass sich der intentionale Gehalt der Wahrnehmung veränderte. Und die Behauptung der Möglichkeit des zweiten Szenarios liefe darauf hinaus, dass der intentionale Gehalt der Wahrnehmung ›von einer Sekunde auf die andere‹ invertieren könne, ohne dass etwas Derartiges geschehe. Ich gehe hier und im Folgenden davon aus, dass Einigkeit in Bezug auf die Falschheit beider Behauptungen besteht. 48 An dieser Stelle ist es wichtig, sich darüber klar zu werden, auf welcher Basis wir das Urteil fällen, dass beide Szenarien unmöglich sind. Wir fällen dieses Urteil keineswegs aufgrund kontroverser theoretischer Voraussetzungen. Wir fällen dieses Urteil beispielsweise nicht, weil wir voraussetzen, dass Subjekte einen privilegierten Zugang zu allen Aspekten des intentionalen Gehaltes ihrer Wahrnehmungen haben. Ebenso wenig fällen wir dieses Urteil weil wir irgendeine Art von Internalismus in Bezug auf den intentionalen Gehalt der Wahrnehmung voraussetzen. Wir fällen das Urteil auf der Grundlage unserer phänomenologischen, vor-theoretischen Konzeption von Intentionalität. Diese Konzeption steht für ein Merkmal, das uns aus der ErstePerson-Perspektive, unabhängig von den genannten Theorien, bekannt ist. Und dieses Merkmal zu erfassen, reicht aus, um die Beschreibungen der Szenarien zu verstehen
48
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11 · Erscheinen und Intentionalität
Das erlaubt es uns, unsere erste Bedingung zu formulieren. Sie soll die Allmählichkeits-Bedingung heißen: Die Allmählichkeits-Bedingung: Interessante intra-personale Szenarien der plötzlichen Qualitäts-Inversion und interessante intra-personale Szenarien der plötzlichen Gehalts-Inversion sind unmöglich. Was bedeutet diese Bedingung für den Separatisten? Um ihr gerecht zu werden, muss er zeigen, dass aus der Unmöglichkeit dieser intrapersonalen Inversions-Szenarien nicht die Unmöglichkeit aller intrapersonalen Inversions-Szenarien folgt. Das erscheint zunächst nicht hoffnungslos. Man bedenke jedoch, dass es in diesem Fall nicht die Inversion an sich sein darf, die für die Unmöglichkeit der beiden Szenarien verantwortlich ist. Bei einem genaueren Blick auf die beiden Szenarien scheint aber genau das der Fall zu sein. Versuchen wir uns klar zu machen, was uns von der Unmöglichkeit der Szenarien überzeugt hat: Die Inversion des phänomenalen Farbspektrums einer Person bedeutet, dass sich die Art, auf die das Wahrnehmungsfeld mit Inhalten angefüllt ist, hinsichtlich der Farb-Inhalte radikal ändert. Rot-Qualitäten werden durch Grün-Qualitäten ersetzt, Gelb-Qualitäten durch Blau-Qualitäten usw. Es scheint jedoch unmöglich zu sein, dass das geschieht, ohne dass sich der intentionale Gehalt der Wahrnehmung ebenso radikal verändert. Und es scheint ebenfalls unmöglich zu sein, dass das nicht geschieht, wenn der intentionale Gehalt der Wahrnehmung invertiert. Es scheint also jeweils die Inversion des einen Aspektes zu sein, die das Gleichbleiben des anderen Aspektes unmöglich macht. Mit anderen Worten: Es scheint jeweils die Inversion selbst – und nicht etwa ein anderes Element in dem Szenario – zu sein, die das Szenario unmöglich macht. Gehen wir aber zunächst zur zweiten Bedingung über. Diese Bedingung stützt sich nicht auf einzelne Szenarien, sondern ist allgemeiner Natur. Sie beruht auf einem Prinzip und einer Bedingung, die wir oben formuliert haben: Das Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzip: Der Gehalt einer Wahrnehmung ist das, was bestimmt, ob die Handlungen, die das Subjekt aufgrund dieser Wahrnehmung ausführt, und die und zu erkennen, dass sie inkonsistent sind. Die Unmöglichkeit beider Szenarien ist also nicht die Schlussfolgerung aus einer Theorie. Sie ist vielmehr eine Vorgabe für jede Theorie.
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Das Problem des invertierten Spektrums
Überzeugungen, die es aufgrund dieser Wahrnehmung bildet, (bei gegebenen bestimmten Überzeugungen, Wünschen usw.) rational sind. Die Transparenz-Bedingung: Damit ein Wahrnehmungs-Gehalt die im Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzip geschilderte Rolle in rationalen Rechtfertigungen- und Verhaltens-Erklärungen spielen kann, muss er für das Subjekt der Wahrnehmung transparent sein. Unsere zweite Bedingung ist schlicht, dass das Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzip und die Transparenz-Bedingung nicht verletzt werden dürfen. Sie soll die Wahrnehmungs-Rationalitäts-Bedingung heißen.
11.4.1 Blocks erstes Inversions-Szenario In seinem einflussreichen Aufsatz Inverted Earth entwickelt Block zwei Szenarien, von denen er behauptet, sie seien, in unserer Terminologie ausgedrückt, interessante intra-personale Inversions-Szenarien. 49 Das erste ist ein intra-personales Qualitäts-Inversions-Szenario, während das zweite ein intra-personales Gehalts-InversionsSzenario ist. Wir wollen zunächst das erste betrachten. Hier ist Blocks Beschreibung: »First, we have a functionally normal person. Second, inverting lenses are placed in his eyes and he says grass looks red and blood looks green. Third, after a period of confused use of color terms, he finally adapts to the point where he uses color language normally. That is, he naturally and immediately describes blood as ›red‹ and grass as ›green‹. At the third stage he is functionally normal except in one important respect: he recalls the period before the insertion of the lenses as a period in which ›grass looked to me the way blood now looks‹. Fourth, he has amnesia about the period before the lenses were inserted and is functionally totally normal – just as in the first period [Hervorhebungen D. F.].« 50
Wenn dieses Szenario den ihm zugedachten Zweck erfüllen soll, muss es zwei Bedingungen erfüllen. Es muss ein mögliches Szenario sein Vgl. Block (1990). Vgl. ebenda, S. 61. Das Szenario entspricht im Wesentlichen demjenigen, das Shoemaker bereits 1982 vorgelegt hat (vgl. Shoemaker (1982)). Ich habe mich für Blocks Beschreibung entschieden, weil ich in der folgenden Diskussion in erster Linie auf Blocks Überlegungen und Auffassungen eingehen werde.
49 50
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11 · Erscheinen und Intentionalität
und es muss ein interessantes Inversions-Szenario sein. Ich gehe im Folgenden davon aus, dass das Szenario, so wie Block es beschreibt, die erste Bedingung erfüllt. Wir können uns also auf die Frage konzentrieren, ob es sich auch um ein interessantes Inversions-Szenario handelt. Das ist der Fall, wenn zwei Dinge gelten. Erstens: Die Qualitäts-Inversion bleibt nach dem Einsetzen der Linsen in allen Phasen bestehen. Mit anderen Worten: In allen Phasen nach dem Einsetzen der Linsen ruft Gras (unter sonst normalen Bedingungen) Wahrnehmungen mit Rot-Qualität hervor, während Blut Wahrnehmungen mit Grün-Qualität hervorruft. Zweitens: Die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen der Person sind zu irgendeinem Zeitpunkt nach der zweiten Phase wieder dieselben wie in der ersten Phase. Mit anderen Worten: in irgendeiner Phase nach dem Einsetzen der Linsen ruft (unter sonst normalen Bedingungen) Gras wieder Wahrnehmungen mit Grün-Gehalten hervor und Blut ruft wieder Wahrnehmungen mit Rot-Gehalten hervor, sodass Wahrnehmungen mit Rot-Qualität wirklichkeitsgetreu sind, wenn sie durch Gras hervorgerufen werden und Wahrnehmungen mit Grün-Qualität wirklichkeitsgetreu sind, wenn sie durch Blut hervorrufen werden. Block ist erwartungsgemäß der Ansicht, dass beides der Fall ist. Ob er damit richtig liegt, werden wir im Folgenden herauszufinden versuchen. Zum Zwecke der Argumentation möchte ich Block zunächst einmal in der Annahme folgen, dass die erste der soeben genannten Bedingung erfüllt ist. Wir wollen also im Folgenden voraussetzen, dass die Qualitäts-Inversion nach dem Einsetzen der Linsen in allen Phasen des Szenarios bestehen bleibt. 51 Damit können wir die Leitfrage für die folgende Diskussion wie folgt formulieren: Gibt es eine konsistente und überzeugende Interpretation des Szenarios, die weder die Allmählichkeits-Bedingung, noch die Wahrnehmungs-Rationalitäts-Bedingung verletzt und für die gilt: die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen der Person sind zu irgendeinem Zeitpunkt nach der zweiten Phase wieder dieselben wie in der ersten Phase? Werfen wir zunächst einen Blick auf die zweite Phase, die Phase, in der der Person die invertierenden Linsen eingesetzt werden. Für diese Phase muss eine Interpretation zwischen zwei Möglichkeiten
Das ist keineswegs selbstverständlich. Zu Einwänden gegen diese Annahme vgl. Lycan (1996), Kap. 6 sowie Tye (2000), Kap. 6. Zu einer kritischen Diskussion beider Einwände vgl. Bartlett (2008).
51
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Das Problem des invertierten Spektrums
wählen: Entweder invertiert der Wahrnehmungs-Gehalt mit der Wahrnehmungs-Qualität oder die Wahrnehmungs-Qualität invertiert relativ zum Wahrnehmungs-Gehalt. Mit anderen Worten: Entweder ruft (unter sonst normalen Bedingungen) Gras plötzlich Wahrnehmungen mit Rot-Gehalten hervor und Blut Wahrnehmungen mit Grün-Gehalten oder Gras ruft trotz der invertierenden Linsen weiterhin Wahrnehmungen mit Grün-Gehalten hervor und Blut weiterhin Wahrnehmungen mit Rot-Gehalten. Wir sind in der Lage, die zweite Möglichkeit auszuschließen. Denn wenn die Wahrnehmungs-Qualität durch das Einsetzen der Linsen relativ zum Wahrnehmungs-Gehalt invertierte, würde es sich um eine plötzliche interessante Qualitäts-Inversion handeln. Und damit wäre die Allmählichkeits-Bedingung verletzt. Block ist also auf eine Interpretation seines Szenarios verpflichtet, nach der der Wahrnehmungs-Gehalt in der zweiten Phase zunächst mit der Wahrnehmungs-Qualität invertiert. Das hat Folgen für die Interpretation der dritten und vierten Phase. Wenn es sich bei Blocks Szenario um ein interessantes Inversions-Szenario handeln soll, muss der Wahrnehmungs-Gehalt im Verlauf der dritten und/oder vierten Phase erneut invertieren – diesmal aber relativ zur Wahrnehmungs-Qualität. Mit anderen Worten: In einer dieser Phasen muss sich ein Zustand einstellen, in dem Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten (zum Beispiel Gras-Wahrnehmungen) (unter sonst normalen Bedingungen) Grün-Gehalte aufweisen und Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten (zum Beispiel BlutWahrnehmungen) (unter sonst normalen Bedingungen) Rot-Gehalte aufweisen. Wir wollen diesen Prozess die Wieder-Anpassung des Wahrnehmungs-Gehaltes an die Umgebung nennen. Damit können wir die Bedingung für die Interessantheit des Szenarios weiter präzisieren: Wenn es sich bei dem Szenario um ein interessantes Inversions-Szenario handeln soll, muss in der dritten und/oder vierten Phase eine Wieder-Anpassung des Wahrnehmungs-Gehaltes an die Umgebung stattfinden. Unter diesen Voraussetzungen wollen wir nun Blocks Interpretation des Szenarios untersuchen. Zunächst einmal gilt es, sich klar zu machen, dass jede Interpretation des Szenarios auf einer bestimmten Theorie intentionaler Gehalte beruht und dass es von dieser Theorie abhängt, ob es sich um ein interessantes Inversions-Szenario handelt oder nicht. Die fragliche Theorie soll die Hintergrund-Theorie oder Hintergrund-Auffassung heißen. Block bekennt sich explizit zu einer 285 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
11 · Erscheinen und Intentionalität
funktionalistischen Hintergrund-Theorie intentionaler Gehalte von Wahrnehmungen: »According to me the intentional content of experience is functional. An experience has the intentional content of looking red if it functions in the right way – if it is caused by red things in the right circumstances, and used in thought about red things and action with respect to red things rightly. The functional roles I am talking about are what I call ›long-arm‹ roles, roles that include real things in the world as the inputs and outputs. […] It is essential to the functional role that characterizes the intentional content of looking red that it be caused (appropriately) by red things and cause appropriate thought about and action on red things.« 52
Für unsere Zwecke ist es sinnvoll, zwischen zwei Teilen oder Abschnitten der kausalen Rolle einer Wahrnehmung zu unterscheiden. Der afferente Abschnitt besteht in der kausalen Hervorbringung der Wahrnehmung durch bestimmte Eigenschaften und Gegenstände. Der efferente Abschnitt besteht in der kausalen Hervorbringung bestimmter Überzeugungen und Handlungen durch die Wahrnehmung. Block folgt der klassischen funktionalistischen Auffassung, wonach der Gehalt einer Wahrnehmung durch beide Abschnitte ihrer kausalen Rolle bestimmt wird. Diese Auffassung hat die bemerkenswerte Konsequenz, dass (unter anderem) die Überzeugungen, die von Wahrnehmungen hervorgerufen werden, konstitutiv für den intentionalen Gehalt dieser Wahrnehmungen sind. Gemäß einer alternativen Auffassung, die dieses Merkmal nicht aufweist, aber ebenfalls noch der Grund-Idee des Funktionalismus (d. i. die Idee, die Gehalte mentaler Zustände durch ihre kausalen Rollen zu bestimmen) verpflichtet ist, werden die Gehalte von Wahrnehmungen allein durch den afferenten Abschnitt ihrer funktionalen Rolle bestimmt. Auf diese alternative Auffassung werden wir in Kürze zurückkommen. Zunächst wollen wir uns mit der Interpretation befassen, die sich aus Blocks klassisch-funktionalistischer Auffassung ergibt. Da Block in der Beschreibung seines Szenarios ausschließlich Aspekte nennt, die den efferenten Abschnitt der kausalen Rolle der Wahrnehmungen betreffen, wollen wir uns zunächst auf die Aspekte seiner Interpretation konzentrieren, die sich aus der Rolle dieser Abschnitte im Rahmen seiner funktionalistischen Hintergrund-Theorie ergeben. 53 Eine erste heikle Frage, die Block im Rahmen seiner Interpreta52 53
Block (1990), S. 58. Damit soll Block nicht die Auffassung unterstellt werden, die Gehalte von Wahr-
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Das Problem des invertierten Spektrums
tion beantworten muss, ist, warum die Wahrnehmungs-Gehalte der Person in der zweiten Phase zunächst mit den Wahrnehmungs-Qualitäten invertieren. Die Frage ist heikel, weil er als Separatist nicht – oder zumindest nicht ohne Weiteres – die naheliegende Antwort geben kann, dass erstere von letzteren abhängen. Block kann im Rahmen seiner funktionalistischen Hintergrund-Theorie allerdings eine alternative Erklärung anbieten: Die Wahrnehmungs-Gehalte invertieren unter anderem deswegen mit den Wahrnehmungs-Qualitäten, weil sich der efferente Teil der kausalen Rolle der Wahrnehmungen ändert. Gras-Wahrnehmungen zum Beispiel, die in der ersten Phase noch Grün-Überzeugungen hervorgerufen haben, rufen nun RotÜberzeugungen hervor. 54 Wir wollen uns mit dieser Erklärung zunächst zufrieden geben und uns der dritten und vierten Phase zuwenden: In einer dieser Phasen muss die Wieder-Anpassung des Wahrnehmungs-Gehaltes an die Umgebung stattfinden. Werfen wir vor diesem Hintergrund noch einmal einen Blick auf Blocks Beschreibung dieser Phasen: »Third, after a period of confused use of color terms, he finally adapts to the point where he uses color language normally. That is, he naturally and immediately describes blood as ›red‹ and grass as ›green‹. At the third stage he is functionally normal except in one important respect: he recalls the period before the insertion of the lenses as a period in which ›grass looked to me the way blood now looks‹. Fourth, he has amnesia about the period before the lenses were inserted and is functionally totally normal – just as in the first period [Hervorhebungen D. F.].«
Nach Blocks Ansicht soll die Wieder-Anpassung des WahrnehmungsGehaltes an die Umgebung offenbar mit der Änderung des Sprachgebrauches der Person einhergehen. Die Person ändert ihren Sprachgebrauch im Verlauf der dritten und vierten Phase in zwei Hinsichten. Erstens: Sie ändert ihn in Bezug auf die Umgebung, das heißt, sie nehmungen würden allein durch den efferenten Abschnitt ihrer kausalen Rolle bestimmt. 54 Das ist eine etwas vereinfachte Darstellung. Zum einen erwähnt Block in seiner Beschreibung lediglich Aussagen über Wahrnehmungen, nicht aber über die wahrgenommenen Eigenschaften und Gegenstände (»Second, inverting lenses are placed in his eyes and he says grass looks red and blood looks green.«). Zum anderen lassen einige funktionalistische Ansätze auch die Möglichkeit zu, dass es sich lediglich um unterdrückte oder gar nur potentielle Überzeugungen handelt (vgl. Armstrong (1969), S. 221 ff.). Da wir Block aber nicht in diesem Punkt angreifen wollen, können wir es bei der vereinfachten Erklärung belassen.
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11 · Erscheinen und Intentionalität
beginnt irgendwann, Gras wieder mit dem Ausdruck »grün« und Blut wieder mit dem Ausdruck »rot« zu beschreiben. Dieser Prozess ist am Ende der dritten Phase abgeschlossen. Zweitens: Sie ändert ihn in Bezug auf ihre eigenen gegenwärtigen und vergangenen Wahrnehmungen, das heißt, sie beschreibt Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten mit Hilfe des Ausdrucks »rot« (»Dieses Blut sieht rot aus« o. ä.) und Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten mit Hilfe des Ausdrucks »grün« (»Dieses Gras sieht grün aus« o. ä.). Solange sie sich noch des Unterschiedes der Qualität ihrer gegenwärtigen und ihrer früheren Wahrnehmungen bewusst ist, wird sie gegenwärtige und vergangene Wahrnehmungen nicht mit Hilfe derselben Farb-Ausdrücke beschreiben. Daher kann dieser Aspekt der Änderung ihres Sprachgebrauches erst mit ihrem Gedächtnisverslust in der vierten Phase abgeschlossen sein. Wie genau hängen, nach Block, aber die Wieder-Anpassung des Wahrnehmungs-Gehaltes an die Umgebung mit dieser Änderung des Sprachgebrauches zusammen? Blocks Beschreibung der geschilderten Änderung des Sprachgebrauches lässt zunächst einmal zwei Deutungen zu. Entweder die Person ändert im Verlauf dieses Prozesses ihre Überzeugungen über ihre Umgebung und ihre eigenen Wahrnehmungen oder sie ändert lediglich die Sätze, mit denen sie diese Überzeugungen ausdrückt. Ersteres wollen wir eine Wieder-Anpassung der Überzeugungen an die Umgebung nennen, Letzteres eine Wieder-Anpassung des Sprachgebrauchs an die Umgebung. Für Block kommt allein die erste Deutung in Frage. Denn dass die Person andere Sätze verwendet, um ihre Überzeugungen über ihre Umgebung und ihre Wahrnehmungen auszudrücken, kommt nicht als Erklärung für die Wieder-Anpassung ihrer Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung in Frage. Wenn es eine mit der Wieder-Anpassung des Sprachgebrauches an die Umgebung zusammenhängende Erklärung für diese Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung gibt, dann kann es nur eine Erklärung durch die Wieder-Anpassung der Überzeugungen an die Umgebung sein. Eine solche Erklärung würde, zumindest auf den ersten Blick, gut mit Blocks funktionalistischer Hintergrund-Auffassung zusammenpassen. Wie wir gesehen haben, sind im Rahmen dieser Auffassung (neben anderem) die Überzeugungen, die von Wahrnehmungen hervorgerufen werden, konstitutiv für den intentionalen Gehalt dieser Wahrnehmungen. Wäre das richtig, erschiene die Idee, die Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte der Person an 288 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Das Problem des invertierten Spektrums
die Umgebung durch die Wieder-Anpassung ihrer Überzeugungen an die Umgebung zu erklären in der Tat nicht abwegig. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten werden erkennbar, wenn man sich klarmacht, dass in Blocks Beschreibung seines Szenarios nichts enthalten ist, was die zweite der oben vorgestellten Deutungen ausschließt, das heißt, in der Beschreibung ist nichts enthalten, was es notwendig macht, dass mit der Wieder-Anpassung des Sprachgebrauchs an die Umgebung der Person eine Wieder-Anpassung der Überzeugungen an die Umgebung einhergeht. Betrachten wir das Problem zunächst hinsichtlich der Überzeugungen über die Umgebung: Es besteht einfach keine Notwendigkeit, dass die Person Gras irgendwann wieder für grün und Blut für rot hält. Wir können uns zum Beispiel eine phantasiebegabte Person vorstellen, die Blocks Aufsatz gelesen hat und glaubt, sie sei ohne ihr Wissen (und ohne das Einsetzen von invertierenden Linsen!) auf eine invertierte Erde transportiert worden. Sie würde dann Blut weiterhin für grün und Gras weiterhin für rot halten. Sollte aber die Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung tatsächlich von der Wieder-Anpassung der Überzeugungen an die Umgebung abhängen, hieße das, dass bei einer solchen Person keine Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung stattfände. Nun ist es zwar leicht, Blocks Szenario um Elemente zu ergänzen, die es notwendig oder sehr wahrscheinlich machen, dass die Person ihre Überzeugungen und nicht nur ihren Sprachgebrauch ändert. Die Person könnte zum Beispiel ihre anfängliche Überzeugung, dass Gras rot sei, aufgeben, weil alle Menschen in ihrer Umgebung Gras weiterhin als grün beschreiben. Oder sie könnte Untersuchungen anstellen und herausfinden, dass nicht etwa Gras plötzlich rot geworden ist, sondern ihr invertierende Linsen eingesetzt worden sind usw. Die Annahme, die Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung hänge von derartigen Faktoren ab, erscheint jedoch abwegig. Und hinsichtlich der Überzeugungen über die eigenen Wahrnehmungen treten analoge Probleme auf. Es besteht keine Notwendigkeit, dass die Person irgendwann wieder zu der Überzeugung gelangt, dass ihre Wahrnehmungen von Gras (das heißt Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten) einen Grün-Gehalt aufweisen. Und dazu müssen wir nicht einmal annehmen, dass sie glaubt, auf eine invertierte Erde transportiert worden zu sein o. ä. Es ist für sie vollkommen rational, zu glauben, ihre Wahrnehmungen von Gras (das 289 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
11 · Erscheinen und Intentionalität
heißt Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten) wiesen einen Rot-Gehalt auf und wären nicht wirklichkeitsgetreu. Schlimmer noch: Solange sich die Person noch an die Zeit vor dem Einsetzen der Linsen erinnert, ist sogar nur diese Haltung rational. Denn solange wird sie, wie Block selbst andeutet, die Gehalte ihrer Wahrnehmungen von Gras vor und nach dem Einsetzen der Linsen für verschieden halten. Und es hieße, die Transparenz-Bedingung zu verletzen, ihr in dieser Hinsicht einen systematischen Irrtum zu unterstellen. 55 Das hat die fatale Folge, dass der Gedächtnisverlust in der vierten Phase eine notwendige Bedingung für den Teil der Wieder-Anpassung der Überzeugungen der Person an die Umgebung ist, der die Überzeugungen über ihre Wahrnehmungs-Gehalte betrifft. Die Folge ist fatal, weil dadurch die Wahrnehmungs-Gehalte der Person von einem zufälligen Ereignis wie dem Gedächtnisverlust der Person abhängig gemacht werden. Und das ist kein akzeptables Ergebnis. An dieser Stelle könnte Block möglicherweise einwenden, dass diese Erklärung bei näherem Hinsehen nicht seiner funktionalistischen Auffassung entspreche. Gemäß dieser Auffassung seien es die Überzeugungen, die unmittelbar und spontan durch Wahrnehmungen hervorgerufen würden, die die Gehalte dieser Wahrnehmungen konstituierten. Genau das treffe auf Überzeugungen, die auf die oben geschilderte Weise zustande kämen, aber nicht zu. Dieser Einwand würde Blocks eigene Situation jedoch eher verschlechtern als verbessern. Denn wenn überhaupt eine Wieder-Anpassung der Überzeugungen der Person an die Umgebung stattfände, dann würden diese geänderten Überzeugungen, zumindest zu Beginn des Prozesses, nicht unmittelbar und spontan durch die Wahrnehmungen der Person hervorgerufen werden. Im Gegenteil: Ihre Wahrnehmung ›sagt‹ der Person zunächst weiterhin, dass Gras rot ist. Wenn sie also ihre Überzeugung über Gras wieder ändert, dann tut sie dies trotz, nicht wegen, ihrer Wahrnehmung von Gras. Wir müssen also festhalten, dass der durch Blocks klassischfunktionalistische Hintergrund-Auffassung nahegelegte Ansatz, die Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung mit Hilfe der Wieder-Anpassung der Überzeugungen an die Umgebung zu erklären, als gescheitert angesehen werden muss. An dieser Stelle müssen wir uns aber daran erinnern, dass wir Blocks Szenario im Kontext eines Argumentes gegen den Inseparatis55
Dieser Aspekt des Problems wird im Folgenden noch klarer werden.
290 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Das Problem des invertierten Spektrums
mus betrachten. Und um dieses Argument so stark wie möglich zu machen, müssen wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Grund dafür, dass sich das Szenario bisher nicht konsistent als interessantes Szenario interpretieren ließ, in Blocks Hintergrund-Theorie zu suchen ist. Möglicherweise gibt es alternative Hintergrund-Theorien, in deren Rahmen eine solche Interpretation möglich ist. Und in der Tat lässt sich eine Theorie finden, in deren Rahmen sich zumindest die oben angesprochenen Schwierigkeiten vermeiden lassen. Den Ansatz, auf dem sie beruht, haben wir bereits kennengelernt. Er besteht darin, die Gehalte von Wahrnehmungen allein durch die afferenten Abschnitte ihrer kausalen Rollen zu bestimmen. Um eine Interpretation zu erzielen, in der das Szenario die Interessantheitsbedingung erfüllt, müssen wir den Ansatz noch etwas präzisieren. Wir erhalten etwas wie: Die Gehalte der Wahrnehmungen einer Person werden durch die Eigenschaften bestimmt, durch die sie über einen längeren Zeitraum regelmäßig hervorgerufen werden. 56 Im Folgenden werde ich von dieser Auffassung als afferentem Funktionalismus sprechen. Mit der Theorie des afferenten Funktionalismus im Hintergrund erhalten wir eine Interpretation des Szenarios, in der es sich in der Tat um ein interessantes Szenario handelt. Kurz nach dem Einsetzen der invertierenden Linsen gilt (noch), dass Wahrnehmungen mit GrünQualitäten über einen längeren Zeitraum regelmäßig durch grüne Gegenstände hervorgerufen worden sind, während Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten über einen längeren Zeitraum regelmäßig durch rote Gegenstände hervorgerufen worden sind. Und das bedeutet im Rahmen des afferenten Funktionalismus: Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten haben zunächst weiterhin Grün-Gehalte, während Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten zunächst weiterhin Rot-Gehalte haben. Nach einiger Zeit ändert sich die Situation jedoch. Dann gilt, dass Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten über einen längeren Zeitraum regelmäßig durch rote Gegenstände hervorgerufen worden sind, während Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten über einen längeren Zeitraum regelmäßig durch grüne Gegenstände hervorgerufen worden sind. Und das bedeutet im Rahmen des afferenten Funktionalismus: Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten haben Rot-Gehalte und Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten haben Grün-Gehalte. Es
56
Zu Ansätzen dieser Art vgl. z. B. Dretske (1995) oder Tye (1995) und (2000).
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hat also ein Prozess der Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung stattgefunden. Leider kann auch diese Interpretation des Szenarios nicht alle notwendigen Bedingungen erfüllen. Betrachten wir dazu die folgende mögliche Situation: Angenommen, die Person entwickelt (aus welchen Gründen auch immer) direkt nach dem Einsetzen der invertierenden Linsen die Überzeugung, dass ihr invertierende Linsen eingesetzt worden sind. Bestimmte weitere Hintergrund-Überzeugungen und Wünsche vorausgesetzt (sie kennt die Verkehrsregeln, sie will keinen Unfall verursachen usw.), ist es für die Person dann im gesamten Verlauf der dritten Phase rational, an einer Ampel zu halten, wenn ihre Wahrnehmung dieser Ampel eine Grün-Qualität aufweist. Sollte aber der oben geschilderte Prozess der Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung im Verlauf der dritten Phase (d. i. vor dem Gedächtnisverlust) stattfinden, ließe sich diese Tatsache nicht mit Hilfe des Gehaltes ihrer Wahrnehmung erklären. Denn der Gehalt ihrer Wahrnehmung wäre zu Beginn ihres Aufenthaltes ein Grün-Gehalt, während er später ein Rot-Gehalt wäre. Das stellt jedoch eine Verletzung des Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzips dar. Zur Erinnerung: Das Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzip: Der Gehalt einer Wahrnehmung ist das, was bestimmt, ob die Handlungen, die das Subjekt aufgrund dieser Wahrnehmung ausführt, und die Überzeugungen, die es aufgrund dieser Wahrnehmung bildet (bei gegebenen bestimmten Überzeugungen, Wünschen usw.), rational sind. Dazu passt eine weitere Tatsache: Da die Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung von der Person vollkommen unbemerkt stattfinden würde, hätte sie im gesamten Verlauf der dritten Phase die Überzeugung, dass ihre gegenwärtigen Gras-Wahrnehmungen andere Gehalte aufweisen als ihre Gras-Wahrnehmungen in der ersten Phase (d. i. vor dem Einsetzen der Linsen). Sollte die Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung aber in der dritten Phase (d. i. vor dem Gedächtnisverlust) abgeschlossen sein, hieße das, dass sich die Person entweder hinsichtlich ihrer gegenwärtigen oder hinsichtlich ihrer früheren Wahrnehmungs-Gehalte systematisch im Irrtum befände. Das stellt jedoch eine Verletzung der Transparenz-Bedingung dar. Zur Erinnerung:
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Das Problem des invertierten Spektrums
Die Transparenz-Bedingung: Damit ein Wahrnehmungs-Gehalt die im Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzip geschilderte Rolle in rationalen Rechtfertigungen und Verhaltens-Erklärungen spielen kann, muss er für das Subjekt der Wahrnehmung transparent sein. Kurz: Die Wahrnehmungs-Rationalitäts-Bedingung wird verletzt. An dieser Stelle besteht der einzige Ausweg für den Separatisten darin zu behaupten, dass die Wieder-Anpassung der WahrnehmungsGehalte an die Umgebung erst in der vierten Phase (d. i. nach dem Gedächtnisverlust) abgeschlossen sei. Auch mit diesem Zug verbessert er seine Situation jedoch nicht. Zunächst einmal verträgt sich diese Behauptung nicht mit der Hintergrund-Theorie des afferenten Funktionalismus. Aber auch, wenn wir diesen Punkt beiseitelassen, ergeben sich unüberwindliche Schwierigkeiten. Angenommen, man erweitert das Szenario um eine fünfte Phase: Fünftens, die Person erlangt ihr Gedächtnis wieder. Sie erinnert sich wieder daran, dass Grass einmal so ausgesehen hat, wie jetzt Blut aussieht usw. In dieser Phase ist alles wieder so wie in der dritten Phase. Da Block aus den soeben dargelegten Gründen verpflichtet ist, die Berichte der Person über ihre Wahrnehmungs-Gehalte im Großen und Ganzen zu akzeptieren, muss er auch annehmen, dass die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen der Person in der fünften Phase von denen in der ersten Phase verschieden sind. Da genau das aber, per Voraussetzung, in der vierten Phase, nach der Amnesie, nicht mehr der Fall sein soll, muss Block, um einen Widerspruch zu vermeiden, die fünfte Phase als eine Phase der erneuten Veränderung der Wahrnehmungs-Gehalte der Person deuten. Das hat jedoch fatale Folgen. Zunächst einmal ist die Erklärung einer Veränderung der Wahrnehmungs-Gehalte einer Person durch die Wiedergewinnung des Gedächtnisses nicht weniger abwegig als die Erklärung durch einen Gedächtnisverlust. Davon abgesehen würde nicht nur erneut die Wahrnehmungs-RationalitätsBedingung verletzt. Da die erneute Veränderung relativ plötzlich (abhängig von dem Verlauf der Wiedergewinnung des Gedächtnisses) und bei vollem Bewusstsein der Person stattfinden würde, hätten wir es zudem mit einer plötzlichen Gehalts-Inversion zu tun. 57 Auch die 57
Dasselbe gilt übrigens für die durch den Gedächtnisverlust hervorgerufene Verän-
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11 · Erscheinen und Intentionalität
Behauptung, die Wieder-Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung sei erst in der vierten Phase abgeschlossen, stellt sich für den Separatisten also letztlich als Sackgasse heraus. Unsere Leitfrage für die vorangegangene Diskussion war: Gibt es eine konsistente und überzeugende Interpretation des Szenarios, die weder die Allmählichkeits-Bedingung, noch die WahrnehmungsRationalitäts-Bedingung verletzt und für die gilt: die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen der Person sind zu irgendeinem Zeitpunkt nach der zweiten Phase wieder dieselben wie in der ersten Phase? Diese Frage können wir jetzt negativ beantworten.
11.4.2 Blocks invertierte Erde Blocks zweites Szenario, dem der Aufsatz seinen Namen verdankt, ist ein intra-personales Gehalts-Inversions-Szenario. Es soll im Folgenden das Szenario der invertierten Erde heißen. Hier ist Blocks Beschreibung: »A team of mad scientists knock you out. While you are cold out, they insert color-inverting lenses in your eyes, and change your body pigments so you don’t have a nasty shock when you wake up and look at your feet. They transport you to Inverted Earth, where you are substituted for a counterpart who has occupied a niche on Inverted Earth that corresponds exactly (except of colors of things) with your niche at home. You wake up, and since the inverting lenses cancel out the inverted colors, you notice no difference at all.« 58
In struktureller Hinsicht ähnelt das Szenario der invertierten Erde Blocks erstem Szenario. Es ist sinnvoll, auch in ihm verschiedene Phasen zu unterscheiden. In der ersten Phase ist alles normal. Die Person lebt auf der Erde und hat normale Farb-Wahrnehmungen. In der zweiten Phase werden der Person unter Betäubung die invertierenden Linsen eingesetzt und sie wird weiterhin unter Betäubung auf die invertierte Erde transportiert. Dort erwacht sie, ohne etwas zu bemerken. In der dritten Phase lebt die Person für einen längeren derung in der vierten Phase. Der Unterschied ist, dass diese Veränderung durch eben diesen Gedächtnisverlust unbemerkt bliebe. Es gibt allerdings keinen Grund anzunehmen, dass eine plötzliche Gehalts-Inversion dadurch möglich wird, dass sie von dem jeweiligen Subjekt unbemerkt bleibt. 58 Block (1990), S. 63.
294 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Das Problem des invertierten Spektrums
Zeitraum auf der invertierten Erde (diese Phase ist in Blocks Beschreibung nicht enthalten). Auch für dieses Szenario gilt: Wenn es den ihm zugedachten Zweck erfüllen soll, muss es zwei Bedingungen erfüllen. Es muss ein mögliches Szenario sein und es muss ein interessantes InversionsSzenario sein. Erneut gehe ich davon aus, dass das Szenario, so wie Block es beschreibt, die erste Bedingung erfüllt. Die entscheidende Frage ist also auch diesmal, ob es sich auch um ein interessantes Inversions-Szenario handelt. Das ist der Fall, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Erstens: Die Qualitäts-Inversion bleibt nach dem Einsetzen der Linsen in allen Phasen bestehen. Mit anderen Worten: In allen Phasen nach dem Einsetzen der Linsen rufen grüne Gegenstände (unter sonst normalen Bedingungen) Wahrnehmungen mit RotQualitäten hervor, während rote Gegenstände Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten hervorrufen. (Dabei gilt es zu bedenken, dass sich die Person während dieser Phasen auf der invertierten Erde befindet, wo Gras rot und Blut grün ist.) Zweitens: Die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen der Person sind am Ende der dritten Phase wieder dieselben wie in der ersten Phase. Mit anderen Worten: Am Ende der dritten Phase rufen (unter sonst normalen Bedingungen) grüne Gegenstände wieder Wahrnehmungen mit Grün-Gehalten hervor, während rote Gegenstände wieder Wahrnehmungen mit Rot-Gehalten hervorrufen, sodass Wahrnehmungen mit Rot-Qualität wirklichkeitsgetreu sind, wenn sie durch grüne Gegenstände hervorgerufen werden, und Wahrnehmungen mit Grün-Qualität wirklichkeitsgetreu sind, wenn sie durch rote Gegenstände hervorgerufen werden. (Auch dabei gilt es zu bedenken, dass auf der invertierten Erde Gras rot und Blut grün ist.) Auch hier ist Block erwartungsgemäß der Ansicht, dass beides der Fall ist. Und auch hier möchte ich ihm in der Annahme folgen, dass die erste Bedingung erfüllt ist, das heißt, dass die Qualitäts-Inversion nach dem Einsetzen der Linsen in allen Phasen des Szenarios bestehen bleibt. 59 Die Frage, die es zu beantworten gilt, lautet also Vgl. erneut die Einwände gegen diese Annahme in Lycan (1996), Kap. 6 sowie Tye (2000), Kap. 6 sowie die Diskussion in Bartlett (2008). Aus naheliegenden Gründen ist es hier besonders wichtig, das folgende Missverständnis zu vermeiden: Die QualitätsInversion besteht darin, dass (u. a.) rote Gegenstände Wahrnehmungen mit GrünQualitäten hervorrufen – nicht etwa darin, dass Gegenstände, die auf der Erde rot sind (Blut, Feuerwehrwagen … usw.), Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten hervorrufen.
59
295 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
11 · Erscheinen und Intentionalität
erneut: Gibt es eine konsistente und überzeugende Interpretation des Szenarios, die weder die Allmählichkeits-Bedingung, noch die Wahrnehmungs-Rationalitäts-Bedingung verletzt und für die gilt, dass die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen der Person zu irgendeinem Zeitpunkt nach der zweiten Phase wieder dieselben sind wie in der ersten Phase? Beginnen wir wiederum mit der zweiten Phase. Es gilt im Wesentlichen dasselbe was für die zweite Phase in Blocks erstem Szenario gegolten hat. Wenn die Wahrnehmungs-Gehalte der Person in dieser Phase nicht mit den Wahrnehmungs-Qualitäten invertieren würden, hätten wir es mit einer interessanten plötzlichen Qualitäts-Inversion zu tun. Da dies aber eine Verletzung der Allmählichkeits-Bedingung darstellen würde, müssen die Wahrnehmungs-Gehalte der Person in der zweiten Phase mit den Wahrnehmungs-Qualitäten invertieren. Das heißt, unmittelbar nach dem Einsetzen der Linsen müssen Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten Rot-Gehalte und Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten Grün-Gehalte haben. Es ist leicht, diese Tatsache zu übersehen, da das Szenario Faktoren enthält, durch die sie verschleiert wird. Hierbei spielen zwei Faktoren zusammen: Der erste ist die Betäubung, unter der der Person die Linsen eingesetzt werden und ihr Transport auf die invertierte Erde stattfindet. Der zweite ist die invertierte Erde selbst, genauer: die Tatsache, dass dort diejenigen Gegenstände, die auf der Erde grün sind (zum Beispiel Gras), rot sind, während diejenigen Gegenstände, die auf der Erde rot sind (zum Beispiel Blut), grün sind. Beide Faktoren zusammen sorgen dafür, dass die Qualitäts-Inversion von der Person vollkommen unbemerkt bleibt. Diese Tatsache könnte jemanden zu der Annahme verleiten, die Wahrnehmungen der Person müssten auch nach ihrem Transport auf die invertierte Erde wirklichkeitsgetreu sein. Es ist jedoch ein Fehler, daraus, dass die Qualitäts-Inversion von der Person unbemerkt bleibt, darauf zu schließen, dass die Wahrnehmungen der Person wirklichkeitsgetreu sind. Es spricht nichts gegen die Möglichkeit, dass die Wahrnehmungen der Person systematisch illusionär sind, ohne dass sie etwas davon bemerkt – zumal die invertierte Natur der invertierten Erde eine befriedigende Erklärung hierfür bietet. Block selbst können wir diesen Fehler allerdings auch diesmal nicht vorwerfen. Er weist explizit darauf hin, dass die Gehalte der Wahrnehmung der Person zu Beginn ihres Aufenthaltes auf der invertierten Erde nicht gegenüber den Qualitäten dieser Wahrnehmungen invertiert sind. Seine Begründung hierfür bewegt sich erneut im 296 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Das Problem des invertierten Spektrums
Rahmen seiner klassisch-funktionalistischen Hintergrund-Auffassung. 60 Da wir die Schwierigkeiten dieses Ansatzes jedoch bereits kennen, wollen wir uns diesmal direkt mit der Interpretation auseinandersetzen, die auf der Hintergrund-Theorie des afferenten Funktionalismus beruht. Auch das Szenario der invertierten Erde kann in dieser Interpretation zunächst einige der geforderten Bedingungen erfüllen. Kurz nach dem Einsetzen der invertierenden Linsen und dem Transport auf die invertierte Erde gilt (noch), dass Wahrnehmungen mit GrünQualitäten über einen längeren Zeitraum regelmäßig durch grüne Gegenstände hervorgerufen worden sind, während Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten über einen längeren Zeitraum regelmäßig durch rote Gegenstände hervorgerufen worden sind. Und dementsprechend haben Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten zunächst weiterhin Grün-Gehalte, während Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten zunächst weiterhin Rot-Gehalte haben. Die Allmählichkeits-Bedingung ist also erfüllt. Am Ende der dritten Phase müssen die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen der Person jedoch relativ zu ihren Qualitäten invertieren, mit anderen Worten: am Ende der dritten Phase müssen (unter sonst normalen Bedingungen) grüne Gegenstände wieder Wahrnehmungen mit Grün-Gehalten hervorrufen, während rote Gegenstände wieder Wahrnehmungen mit Rot-Gehalten hervorrufen müssen. Auch diese Forderung kann im Rahmen des afferenten Funktionalismus erfüllt werden. Sobald die Person lange genug auf der invertierten Erde gelebt hat, gilt: Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten sind über einen längeren Zeitraum regelmäßig durch rote Gegenstände hervorgerufen worden, während Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten über einen längeren Zeitraum regelmäßig durch grüne Gegenstände hervorgerufen worden sind. Dementsprechend haben Wahrnehmungen mit Grün-Qualitäten Rot-Gehalte, während Wahrnehmungen mit Rot-Qualitäten Grün-Gehalte haben. Wir wollen diesen Prozess erneut die Anpassung der WahrnehmungsGehalte an die Umgebung nennen.
»The causal rooting of your color words is virtually entirely at home; your use of ›blue‹ is grounded in references to blue things and to the uses of ›blue‹ by other people to refer to blue things. For this reason, I would say that on your first day on Inverted Earth, your intentional contents remain the same as they were – that is different from the natives.« (Block (1990), S. 63 f.).
60
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11 · Erscheinen und Intentionalität
Erhalten wir durch diese Erklärung aber auch eine Interpretation des Szenarios, die alle notwendigen Bedingungen erfüllt? Auch diesmal ist das nicht der Fall. Und die Probleme sind im Wesentlichen dieselben wie beim ersten Szenario. Betrachten wir ein ähnliches Beispiel wie oben: Wir würden sagen, dass für den gesamten Aufenthalt auf der invertierten Erde gilt: Bestimmte Hintergrund-Überzeugungen und Wünsche vorausgesetzt (sie kennt die Verkehrsregeln, sie hat keinen Grund, ihre Wahrnehmung für illusionär zu halten, sie will keinen Unfall verursachen usw.), ist es für die Person rational, an einer Ampel zu halten, wenn ihre Wahrnehmung dieser Ampel eine Rot-Qualität aufweist. Sollte aber der oben geschilderte Prozess der Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte stattfinden, ließe sich diese Tatsache nicht mit Hilfe des Gehaltes ihrer Wahrnehmung erklären. Denn der Gehalt ihrer Wahrnehmung wäre zu Beginn ihres Aufenthaltes ein Rot-Gehalt, während er später ein Grün-Gehalt wäre. Das stellt jedoch eine Verletzung des Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzips dar. Und erneut wird diese Verletzung des Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzips durch eine Verletzung der Transparenz-Bedingung begleitet. Denn auch hier gilt: Die Anpassung der Wahrnehmungs-Gehalte an die Umgebung in der dritten Phase würde von der Person vollkommen unbemerkt stattfinden. Und da sie aus diesem Grund die Gehalte ihrer früheren Wahrnehmungen (d. i. ihrer Wahrnehmungen kurz nach der Ankunft auf der invertierten Erde) mit Grün-Qualität und die Gehalte ihrer späteren Wahrnehmungen mit Grün-Qualität für dieselben halten würde, befände sie sich entweder hinsichtlich ihrer gegenwärtigen oder hinsichtlich ihrer früheren Wahrnehmungs-Gehalte systematisch im Irrtum. Somit müssen wir auch in Bezug auf Blocks Szenarios der invertierten Erde eine negative Antwort auf unsere Leitfrage geben. Es ist nicht der Fall, dass es eine konsistente und überzeugende Interpretation des Szenarios gibt, die weder die Allmählichkeits-Bedingung, noch die Wahrnehmungs-Rationalitäts-Bedingung verletzt und für die gilt, dass die Farb-Gehalte der Wahrnehmungen der Person zu irgendeinem Zeitpunkt nach der zweiten Phase wieder dieselben sind wie in der ersten Phase. Nachdem wir damit separatistische Interpretationen beider Szenarien als unhaltbar zurückgewiesen haben, steht noch die Frage im Raum, wie denn eine konsistente und überzeugende Interpretation
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Das Problem des invertierten Spektrums
beider Szenarien aussehen könnte. Die Antwort ist in beiden Fällen nicht schwer. Zunächst zu Blocks erstem Szenario: Wie wir bereits festgestellt haben, ändert sich mit dem Einsetzen der Linsen der Wahrnehmungs-Gehalt zunächst zusammen mit der Wahrnehmungs-Qualität. Gras-Wahrnehmungen haben einen Rot-Gehalt und Blut-Wahrnehmungen einen Grün-Gehalt. Es gibt jedoch keinen Grund für die Annahme, es finde anschließend ein Prozess der Wieder-Anpassung an die Umgebung statt. Es ist widerspruchslos denkbar, dass die Wahrnehmungen der Person für den Rest ihres Lebens illusionär hinsichtlich ihrer Farb-Gehalte sind. Dass die Person dessen ungeachtet gut zurechtkommt (d. i. dass sie sich verständigen und erfolgreich handeln kann), ist kein Einwand. Dafür ist es hinreichend, dass sie Farb-Kontraste korrekt wahrnimmt. Und das ist auch nach einer Spektrums-Inversion der Fall. Wie sieht es mit Blocks Szenarios der invertierten Erde aus: Die Antwort ist im Wesentlichen dieselbe: Mit dem Einsetzen der Linsen ändert sich der Wahrnehmungs-Gehalt mit der WahrnehmungsQualität. Gras-Wahrnehmungen haben einen Rot-Gehalt und BlutWahrnehmungen einen Grün-Gehalt. Ein Prozess der Wieder-Anpassung an die Umgebung findet jedoch nicht statt. Die Wahrnehmungen der Person bleiben für den Rest ihres Lebens illusionär hinsichtlich ihrer Farb-Gehalte. Dass sie nicht nur gut zurechtkommt, sondern davon überhaupt nichts bemerkt, erklärt sich durch die Besonderheit der invertierten Erde. Denn dort sind illusionäre GrasWahrnehmungen so wie wirklichkeitsgetreue Gras-Wahrnehmungen auf der Erde. Diese Antworten vertragen sich natürlich nicht mit Blocks funktionalistischer Hintergrund-Theorie. Ich hoffe jedoch deutlich gemacht zu haben, dass diese Tatsache nicht etwa gegen diese Antworten oder gar gegen den Inseparatismus spricht, sondern allein gegen Blocks funktionalistische Hintergrund-Theorie. 61 Abschließend sei noch darauf hingewiesen, was nicht gezeigt wurde. Es wurde nicht gezeigt, dass interessante inter-personale Qualitäts- oder Gehalts-Inversionen unmöglich sind. Tatsächlich scheint mir gegen diese Möglichkeit nichts zu sprechen. Was in der Allmählichkeits-Bedingung und der Wahrnehmungs-Rationalitäts-Bedingung deutlich wird ist, dass Wahrnehmungs-Gehalte für das jeweili61
Zu einer ähnlichen Überlegung vgl. Speaks (2011), S. 348.
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11 · Erscheinen und Intentionalität
ge Subjekt der Wahrnehmung eine Rolle spielen müssen, die sie nur spielen können, indem sie sich im Wahrnehmungsfeld des Subjektes manifestieren. Und das ist mit einem intra-personalen Separatismus unvereinbar. Es spricht jedoch nichts dagegen, dass WahrnehmungsGehalte sich in den Wahrnehmungsfeldern verschiedener Subjekte auf verschiedene Weise manifestieren.
11.5 Zusammenfassung Kapitel 11 Nachdem wir in Kapitel 10 festgestellt hatten, dass die phänomenale Qualität einer Wahrnehmung nichts anderes ist als die Art des phänomenalen Erscheinens von etwas in dieser Wahrnehmung, haben wir uns in Kapitel 11 mit dem Verhältnis des phänomenalen Erscheinens zur Intentionalität von Wahrnehmungen befasst. In Abschnitt 11.1 haben wir die Grundlage für diese Untersuchung gelegt, indem wir den Begriff der Intentionalität eingeführt haben, um den es uns geht. Es handelt sich, wie bei dem Begriff des phänomenalen Erscheinens, um einen erstpersönlichen, tatsächlichkeitsunabhängigen Begriff. Wir haben ihn durch die miteinander zusammenhängenden Begriffe der Gerichtetheit und des Gegeben-Seins charakterisiert. Intentionale Zustände sind Zustände, die auf einen Gegenstand gerichtet sind und für die gilt: Indem sich ein Subjekt in ihnen befindet, ist ihm der Gegenstand gegeben, auf den der Zustand gerichtet ist. Wir haben überdies festgestellt, dass sich dieser Begriff von dem gängigen Begriff der Intentionalität unterscheidet, wonach es für intentionale Zustände wesentlich ist, Erfüllungsbedingungen aufzuweisen. Dieser zweite Begriff ist anspruchsvoller. In ihn geht die zusätzliche theoretische Annahme ein, dass der Modus der fraglichen Zustände des Erscheinens der des Erfahrens ist. Auf dieser Grundlage haben wir uns dann der Frage nach dem Verhältnis des phänomenalen Erscheinens zur Intentionalität von Wahrnehmungen zugewandt. In Abschnitt 11.2 haben wir zunächst die beiden möglichen Positionen in dieser Frage skizziert: den Separatismus und den Inseparatismus. Ersterer besagt, dass phänomenales Erscheinen und die Intentionalität von Wahrnehmungen voneinander unabhängig sind. Letzterer verneint dies. Wir haben eine Reihe verschiedener Spielarten beider Auffassungen unterschieden. In Abschnitt 11.3 haben wir versucht, die Intuition herauszuarbeiten, dass eine bestimmte Form des Inseparatismus wahr ist. 300 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Zusammenfassung Kapitel 11
Wir haben sie die inseparatistische Intuition genannt. Es ist die Intuition, dass es unmöglich ist, dass sich zwei visuelle Wahrnehmungen in ihrem intentionalen Gehalt unterscheiden, ohne sich in der Art, auf die das Wahrnehmungsfeld mit Inhalten gefüllt ist, zu unterscheiden, und umgekehrt (d. i. dass der Inseparatismus simpliciter* wahr ist). In Abschnitt 11.4 haben wir uns dann mit der wohl wichtigsten Herausforderung für den Inseparatismus auseinandergesetzt – der Möglichkeit invertierter Spektren. Das phänomenale Farbspektrum einer Person kann relativ zu bestimmten Eigenschaften invertieren, die als intentionale Eigenschaften in Frage kommen. Sollte sich herausstellen, dass die fraglichen Eigenschaften tatsächlich intentionale Eigenschaften sind, wäre der Inseparatismus widerlegt. Nachdem wir zwei Adäquatheitsbedingungen (die Allmählichkeits-Bedingung und die Wahrnehmungs-Rationalitäts-Bedingung) für jedes InversionsSzenario herausgearbeitet haben, haben wir uns in Abschnitt 11.4.1 und 11.4.2 mit zwei bekannten Inversions-Argumenten von Ned Block auseinandergesetzt. Beide haben wir unter der Leitfrage untersucht, ob sie sich als Szenarien deuten lassen, in denen das phänomenale Farbspektrum einer Person relativ zu den intentionalen Eigenschaften ihrer Farbwahrnehmung invertiert, ohne dass die Allmählichkeits-Bedingung oder die Wahrnehmungs-Rationalitäts-Bedingung verletzt werden. In beiden Fällen sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist, und dass der Inseparatismus von den bekannten Inversions-Szenarien daher nichts zu befürchten hat.
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Exkurs 3: Der Separatismus in der jüngeren Philosophie des Geistes
Wir haben weiter oben darauf hingewiesen, dass in der Philosophie des Geistes eine mehr oder weniger starke Form des Separatismus lange Zeit so etwas wie die Standardauffassung darstellte. Um nur zwei repräsentative Beispiele zu nennen: David Chalmers einflussreicher Unterscheidung zwischen einem schwierigen und einem einfachen Leib-Seele-Problem liegt unverkennbar ein Separatismus zugrunde. Er schreibt zum Beispiel: »[…] it is fair to say that the mind-body problem for psychological properties [unter anderem die Eigenschaft der Intentionalität; D. F.] is for all intents and purposes dissolved. […] The phenomenal aspects of mind are a different matter. Here the mind-body problem is as baffling as it ever was [Hervorhebung D. F.].« 62
Und bei David Rosenthal heißt es: »There are two broad categories of mental property. Mental states such as thoughts and desires, often called propositional attitudes, have content and can be described by ›that‹ clauses. For example, one can have a thought, or desire, that it will rain. These states are said to have intentional properties, or intentionality. Sensations, such as pains and sense impressions, lack intentional content, and have instead qualitative properties of various sorts.« 63
In den vorangegangen Absätzen ist jedoch klar geworden, dass eine moderate Form des Inseparatismus zumindest im Fall der visuellen Wahrnehmung ziemlich offenkundig wahr ist. Daraus ergibt sich eine durchaus irritierende Situation. Warum, so könnte man fragen, haben so viele bedeutende Autoren die Wahrheit des Inseparatismus
62 63
Chalmers (1996), S. 24 f. Rosenthal (1994), S. 349.
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Exkurs 3: Der Separatismus in der jüngeren Philosophie des Geistes
nicht gesehen, wenn sie doch so offensichtlich sein soll? Mir scheint, dass sich diese Frage zufriedenstellend beantworten lässt. 64 Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, was als die grundlegende Frage in der modernen Philosophie des Geistes angesehen wird. Es ist die Frage danach, ob – und wenn ja wie – geistige Eigenschaften auf physische Eigenschaften reduzierbar sind. Dabei besteht ein breiter Konsens darüber, dass der Funktionalismus in irgendeiner seiner vielfältigen Spielarten die beste Antwort auf diese Frage ist, die uns zur Verfügung steht. 65 Dieser Konsens verdankt sich in erster Linie der Tatsache, dass der Funktionalismus eine sehr attraktive physikalische Erklärung der Intentionalität mentaler Zustände zu liefern scheint. Die Erklärung lautet, stark vereinfacht: Der intentionale Gegenstand eines mentalen Zustandes wird durch die kausale Rolle dieses Zustandes bestimmt. Leider wird dieses attraktive Bild durch die Tatsache getrübt, dass es Aspekte des Geistes gibt, die sich hartnäckig der Reduktion auf physische Eigenschaften zu entziehen scheinen. Das sind die Eigenschaften, für die Nagel die Umschreibung »wie es für jemanden ist …« geprägt hat und die als phänomenale Qualitäten oder Qualia bezeichnet werden. Philosophen wie David Chalmers, Ned Block oder Jaegwon Kim, die sich davon überzeugt hatten, dass diese Eigenschaften tatsächlich nicht reduzierbar sind, standen vor der Frage, um welche Art von Eigenschaften es sich handeln könnte. Und da sie sich diese Frage vor dem Hintergrund der großen Attraktivität des Funktionalismus stellten, drängte sich eine Überlegung geradezu auf, die sich in dem folgenden Argumentschema darstellen lässt: (P1) Funktionale Eigenschaften mentaler Zustände sind physische Eigenschaften und dementsprechend auf physische Eigenschaften reduzierbar. (P2) Intentionalität ist eine funktionale Eigenschaft oder, vorsichtiger ausgedrückt, die Intentionalität mentaler Zustände lässt sich im Rahmen des Funktionalismus gut erklären.
Vgl. zum Folgenden auch Crane (2001a), Kap. 3. Als Spielarten des Funktionalismus wollen wir hier alle Auffassungen verstehen, die die These enthalten, dass mentale Zustände durch ihre kausalen Rollen oder ›Abschnitte‹ ihrer kausalen Rollen definiert sind. Zu einem Überblick und einer ausführlichen Diskussion verschiedener Formen des Funktionalismus vgl. Braddon-Mitchell und Jackson (1996).
64 65
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Exkurs 3: Der Separatismus in der jüngeren Philosophie des Geistes
(P3) Phänomenale Qualitäten sind nicht auf physische Eigenschaften reduzierbar. (K1) Phänomenale Qualitäten sind intrinsische Eigenschaften, das heißt nicht funktionale Eigenschaften. (K2) Phänomenale Qualitäten und Intentionalität sind voneinander unabhängig. Auf der Grundlage von Annahmen, die in etwa (P1) und (P3) entsprechen, hat sich ein theoretisch überformter Begriff phänomenaler Qualitäten gebildet, wonach phänomenale Qualitäten genau die Qualitäten sind, die in einer funktionalistischen Theorie nicht vorkommen [(K1)]. 66 Und vor dem Hintergrund einer funktionalistischen Theorie der Intentionalität [(P2)] folgt aus diesem Begriff die Unabhängigkeit von Intentionalität und Phänomenalität (d. i. der Separatismus) [(K2)]. 67 68 Aus der Wahrheit des Inseparatismus folgt jedoch, dass mindestens eine der drei Prämissen des Argumentes aufgegeben werden muss. Wir wollen uns an dieser Stelle jedoch nicht darauf festlegen, welche das sein sollte.
Dass diese Auffassung theoretisch überformt ist, bedeutet, dass sie sich nicht unmittelbar aus Nagels Beschreibung »Wie es für jemanden ist …« ergibt. Dass dem nicht so ist, haben wir im letzten Abschnitt festgestellt. 67 Das vielleicht klarste Beispiel einer Argumentation, die nach diesem Muster verläuft, ist Chalmers überaus einflussreiche Arbeit The Conscious Mind (Chalmers (1996), vgl. aber auch Block (1990)). 68 Diese Überlegung dürfte keineswegs die einzige Überlegung sein, die in vielen Fällen hinter der Annahme des Separatismus steht. Eine zweite Überlegung deutet Rosenthal in der oben zitierten Passage an. Er weist auf eine enge Verbindung zwischen der Propositionalität bzw. Begrifflichkeit eines mentalen Zustandes (seiner Beschreibbarkeit durch einen Dass-Satz) und seiner Intentionalität hin. Viele Autoren nehmen an, dass mentale Zustände nur Kraft ihrer Propositionalität Intentionalität aufweisen können. Vor dem Hintergrund der nicht unplausiblen Voraussetzung, dass die Propositionalität eines mentalen Zustandes von dessen Phänomenalität unabhängig ist, folgt daraus ebenfalls eine Form des Separatismus. 66
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12 Gedankenintentionalität und Wahrnehmungsintentionalität
In Kapitel 10 hatten wir festgestellt, dass die phänomenale Qualität einer Wahrnehmung mit der Art zusammenfällt, auf die das Wahrnehmungsfeld des Subjektes dieser Wahrnehmung mit Inhalten gefüllt ist. In Kapitel 11 haben wir dann festgestellt, dass zudem der (allgemeine) intentionale Gehalt einer Wahrnehmung mit der Art zusammenfällt, auf die das Wahrnehmungsfeld des Subjektes dieser Wahrnehmung mit Inhalten gefüllt ist (d. i. mit der phänomenalen Qualität der Wahrnehmung). Das wirft zwangsläufig die Frage nach der Natur der Intentionalität der Wahrnehmung und ihrem Verhältnis zur Intentionalität anderer mentaler Zustände auf. Denn die Intentionalität propositionaler Einstellungen besteht offenbar unabhängig von so etwas wie einem Wahrnehmungsfeld oder phänomenalen Qualitäten von der Art, wie sie unsere Wahrnehmungen aufweisen. Mit diesen Fragen werden wir uns in diesem Kapitel befassen. Wir werden zunächst zentrale Aspekte der Intentionalität propositionaler Einstellungen benennen und diskutieren, ob sie sich auch bei Wahrnehmungen finden (Abschnitt 12.1). Nachdem wir festgestellt haben werden, dass dies nicht durchgängig der Fall ist, werden wir eine alternative Konzeption der Intentionalität von Wahrnehmungen entwickeln, wonach sich die Intentionalität von Wahrnehmungen grundsätzlich von der Intentionalität propositionaler Einstellungen unterscheidet (Abschnitt 12.2).
12.1 Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität Die in der Philosophie des Geistes vorherrschende Konzeption von Intentionalität lässt sich durch die folgenden drei Annahmen charakterisieren:
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12 · Gedankenintentionalität und Wahrnehmungsintentionalität
Repräsentationalitäts-Annahme: Ein Zustand ist genau dann ein intentionaler Zustand, wenn er Erfüllungsbedingungen aufweist, das heißt, wenn er erfüllt oder nicht erfüllt sein kann. 69 Propositionalitäts-Annahme: Erfüllungsbedingungen kann ein Zustand nur aufweisen, indem er einen propositionalen Gehalt aufweist. Begriffs-Besitz-Annahme: Um sich in einem Zustand befinden zu können, der eine Proposition als Gehalt aufweist, muss ein Subjekt über die Begriffe verfügen, die in der entsprechenden Proposition enthalten sind. Diese Konzeption ist unverkennbar auf Gedanken und andere propositionale Einstellungen zugeschnitten. Denn Gedanken und andere propositionale Einstellungen erfüllen die entsprechenden Bedingungen eindeutig: (i) Sie weisen Erfüllungsbedingungen auf (Repräsentationalitäts-Bedingung). (ii) Sie weisen propositionale Gehalte auf (PropositionalitätsBedingung) und: (iii) Sie sind so, dass Subjekte sie nur haben können, wenn sie (die Subjekte) über die in diesen Propositionen enthaltenen Begriffe verfügen (Begriffs-Besitz-Bedingung). Dementsprechend soll diese Konzeption Konzeption der Gedankenintentionalität heißen. Die meisten Vertreter dieser Konzeption verstehen sie allerdings keineswegs ausschließlich als eine Konzeption der Intentionalität propositionaler Einstellungen. Sie verbinden mit ihr vielmehr den Anspruch einer allgemeinen Konzeption der Intentionalität mentaler Zustände. 70 Es ist jedoch fraglich, ob die Konzeption diesem Anspruch gerecht werden kann. Dabei ist vorausgesetzt, dass es sich nicht um etwas von der Art handelt, was John Searle als abgeleitete Intentionalität hderived intentionalityi und Als-ob-Intentionalität has-if-intentionalityi bezeichnet hat (vgl. Searle (1992), S. 78 ff.). 70 Dieser Allgemeinheitsanspruch wird am nachdrücklichsten hinsichtlich der Propositionalitäts-Bedingung erhoben. Der Grund ist, dass viele Autoren der Ansicht sind, Wahrnehmungen könnten in keiner Rechtfertigungs-Relation zu Überzeugungen stehen, wenn Wahrnehmungen nicht, ebenso wie Überzeugungen, propositionale Gehalte aufwiesen (vgl. u. a. Brewer (2005), McDowell (1994), Sellars (1956)). Unstrittig ist, dass sich das Bestehen der fraglichen Rechtfertigungs-Relation auf diese Weise am elegantesten erklären ließe. Daran, dass dies die einzige mögliche Erklärung ist, gibt es jedoch Zweifel (vgl. u. a. (Chalmers (2003), Heck (2000), Millar (1991) oder Peacocke (2001)). Indem ich im Verlauf dieses Kapitels die Annahme, Wahrnehmun69
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Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität
Nehmen wir an, Wahrnehmungen seien intentionale Zustände. Dann gilt: Die Konzeption der Gedankenintentionalität ist nur dann eine korrekte, allgemeine Konzeption der Intentionalität, wenn auch Wahrnehmungen, ebenso wie propositionale Einstellungen, die Bedingungen (i) – (iii) erfüllen. Dass dem so ist, ist bereits auf den ersten Blick alles andere als selbstverständlich. Wir müssen zudem eine weitere Voraussetzung berücksichtigen, für die wir in den letzten Abschnitten argumentiert haben: den Inseparatismus. Unsere Frage muss also lauten: Erfüllen Wahrnehmungen die Bedingungen (i) – (iii) unter der Voraussetzung des Inseparatismus? Beginnen wir mit der Repräsentationalitäts-Bedingung: Für die Diskussion dieser Bedingung ist es zunächst einmal wichtig, sich den Begriff der Erfüllungsbedingungen in Erinnerung zu rufen. Unser Kriterium war: Ein Zustand des Erscheinens weist Erfüllungsbedingungen auf, wenn die Standardform seiner Zuschreibung (α-Ersch.) »g erscheint s als F« damit vereinbar ist, dass mindestens einer der folgenden Sätze ebenfalls wahr ist: (I) »g ist nicht F« und (II) »g existiert nicht« Zustände des Erscheinens, für die dies gilt, haben wir Zustände des Erfahrens genannt. Dass Wahrnehmungen Erfüllungsbedingungen aufweisen, bedeutet also zunächst einmal nicht mehr, als dass Wahrnehmungen Zustände des Erfahrens sind. Damit ist zum Beispiel noch nichts darüber gesagt, ob der Gehalt einer Wahrnehmung propositional ist. 71 Da die Bedingung also relativ schwach ist, wollen wir uns nicht allzu lange mit ihr aufhalten und uns darauf beschränken, zwei Punkte hervorzuheben. Erstens: Die Frage, ob Wahrnehmungen Erfüllungsbedingungen haben, lässt sich nicht aus der Erste-PersonPerspektive beantworten. Ob das, was sich uns in einer Wahrnehmung präsentiert, ein Gehalt ist, der erfüllt sein kann, aber nicht erfüllt sein muss, oder ob es der Gegenstand selbst ist, von dem die Wahrnehmung handelt, lässt sich aus der Erste-Person-Perspektive gen hätten propositionale Gehalte, verwerfe, verpflichte ich mich ebenfalls auf die Möglichkeit einer alternativen Erklärung. Dieser Verpflichtung werde ich in dieser Arbeit jedoch nicht nachkommen können. 71 Mit der Erfüllung dieser Bedingung sind beispielsweise auch Sinnesdatentheorien vereinbar, die allgemein als explizite Gegenpositionen zur Propositionalitäts-Annahme verstanden werden.
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12 · Gedankenintentionalität und Wahrnehmungsintentionalität
nicht entscheiden. Zweitens: Die Erfüllung der Bedingung (i) widerspricht nicht dem Inseparatismus. Es spricht nichts gegen die Annahme, Erfüllungsbedingungen von Wahrnehmungen könnten auf phänomenalen Qualitäten supervenieren. Aus argumentations-taktischen Gründen wollen wir hier die Reihenfolge unserer Aufzählung verlassen und uns zunächst der Begriffs-Besitz-Bedingung zuwenden. 72 Wenn wir die Diskussion dieser Bedingung vorziehen, müssen wir sie zunächst leicht modifizieren. Oben hatten wir sie so formuliert: Wahrnehmungen müssen so sein, dass Subjekte sie nur haben können, wenn sie (die Subjekte) über die Begriffe verfügen, die in den Propositionen enthalten sind, die ihre Gehalte sind. In dieser Formulierung beruht sie auf der Voraussetzung, dass die Propositionalitäts-Bedingung erfüllt ist – einer Voraussetzung, die wir an dieser Stelle vermeiden sollten. Wir wollen daher vorläufig die Begriffs-Besitz-Bedingung durch die Begriffs-Besitz-Bedingung* ersetzen: Wahrnehmungen müssen so sein, dass Subjekte sie nur haben können, wenn sie (die Subjekte) über bestimmte, durch die Gehalte der Wahrnehmung bestimmte Begriffe verfügen. Diese Bedingung können wir diskutieren, ohne uns in der Frage festzulegen, ob die fraglichen Gehalte Propositionen sind und auf welche Weise sie bestimmte Begriffe bestimmen. Bevor wir der Frage nachgehen, ob Wahrnehmungen die Begriffs-Besitz-Bedingung* erfüllen, ist es sinnvoll, etwas zum Verhältnis zwischen der Begriffs-Besitz-Bedingung* und der Propositionalitäts-Bedingung zu sagen. Mindestens auf den ersten Blick könnte jemand beide Bedingungen für äquivalent halten. Die folgende Überlegung drängt sich auf: Sollte es nötig sein, über irgendwelche Begriffe zu verfügen, um Wahrnehmungen zu haben (d. i. sollte die Begriffs-Besitz-Bedingung* erfüllt sein), scheint die einzige Erklärung dafür zu sein, dass Wahrnehmungen Propositionen als Gehalte haben (d. i., dass die Propositionalitäts-Bedingung erfüllt ist). Und sollten Wahrnehmungen Propositionen als Gehalte haben (d. i. sollte die Propositionalitäts-Bedingung erfüllt sein), scheint es eine notwendige Folge zu sein, dass Subjekte über die in diesen Propositionen ent-
Der Grund ist folgender: Die Antwort auf die Frage, ob Wahrnehmungen die Begriffs-Besitz-Bedingung erfüllen, liefert uns eine wichtige Prämisse für die Diskussion der Frage, ob Wahrnehmungen die Propositionalitäts-Bedingung erfüllen. Die erste Frage lässt sich ihrerseits aber entscheiden, ohne die zweite beantwortet zu haben.
72
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Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität
haltenen Begriffe verfügen müssen, um die entsprechenden Wahrnehmungen haben zu können (d. i., dass die Begriffs-Besitz-Bedingung(*) erfüllt ist). Hier dürfen wir jedoch nicht voreilig sein. Insbesondere die zweite Implikation (von der Propositionalitäts-Bedingung auf die Begriffs-Besitz-Bedingung(*)) wird von vielen Autoren bestritten. 73 Jeff Speaks beispielsweise schreibt: »Nothing seems to block the possibility that the same kinds of contents might be the objects of both perception and belief, but that in order for an agent to have a perceptual experience with content p, the agent need not satisfy the conditions for grasping or possessing p.«74
Dass die Möglichkeit, von der Speaks hier spricht, tatsächlich besteht, ist nicht selbstverständlich. Wir müssen Speaks und anderen jedoch zugestehen, dass die Implikation von der Propositionalitäts-Bedingung auf die Begriffs-Besitz-Bedingung(*) ebenfalls nicht selbstverständlich ist. Ob sie besteht, hängt in erster Linie davon ab, wie die Propositionalitäts-Bedingung zu verstehen ist (das heißt insbesondere, wie die Rede von Propositionen als Gehalten zu verstehen ist). Dementsprechend werden wir diese Frage erst im Rahmen der Diskussion der Propositionalitäts-Bedingung wieder aufnehmen. Solange werden wir ihr gegenüber neutral bleiben. Damit also zu der Frage, ob die Begriffs-Besitz-Bedingung* erfüllt ist. Sind Wahrnehmungen so, dass Subjekte sie nur haben können, wenn sie (die Subjekte) über bestimmte, durch ihre Gehalte bestimmte Begriffe verfügen? Zur Beantwortung dieser Frage können wir auf das Ergebnis des letzten Abschnittes zurückgreifen. Wir hatten dort festgestellt, dass die Art, auf die das Wahrnehmungsfeld der Wahrnehmung einer Person mit Inhalten gefüllt ist, eindeutig und vollständig deren intentionalen Gehalt bestimmt. Diese These haben wir bestimmten intra-personalen Inseparatismusvis simpliciter (im Folgenden kurz: intra-personaler Inseparatismus) genannt. Der intra-personale Inseparatismus lässt sich als Prämisse in einem einfachen Argument gegen die Begriffs-Besitz-Bedingung* verwenden. Wir wollen es wiederum zunächst schematisch darstellen: (P1) Eine bestimmte menschliche Wahrnehmung zu haben, bedeutet, mit einem Wahrnehmungsfeld konfrontiert zu sein, das auf bestimmte Art mit Inhalten gefüllt ist. 73 74
Neben Speaks (2005), vgl. z. B. Byrne (2005) sowie Crowther (2006). Speaks (2005), S. 361. Vgl. auch Byrne (2005).
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(P2) Die Art, auf die das Wahrnehmungsfeld der Wahrnehmung einer Person mit Inhalten gefüllt ist, bestimmt eindeutig und vollständig deren intentionalen Gehalt (intra-personaler Inseparatismus). (P3) Um mit einem Wahrnehmungsfeld konfrontiert zu sein, das auf eine bestimmte Art mit Inhalten gefüllt ist, muss man nicht über Begriffe dieser Inhalte verfügen. (K) Man kann Wahrnehmungen mit bestimmten intentionalen Gehalten haben, ohne über die diesen Gehalten entsprechenden Begriffe zu verfügen. Die neue und im vorliegenden Zusammenhang entscheidende Prämisse dieses Argumentes ist (P3). Zunächst aber noch ein Wort zu (P1): Entscheidend für die Bedeutung von (P1) ist, was eigentlich das Wahrnehmungsfeld und die Inhalte, von denen darin die Rede ist, ausmacht. Darauf hatten wir in Abschnitt 8.2 eine Antwort gegeben: Der Inhalt eines Wahrnehmungsfeldes ist vollständig durch die Verteilung sensorischer Eigenschaften in diesem Wahrnehmungsfeld bestimmt. (P1) besagt also, dass sich eine menschliche Wahrnehmung – auf der personalen Ebene – in den sensorischen Eigenschaften erschöpft, die sich dem Subjekt in dieser Wahrnehmung präsentieren. Wichtig ist dabei, dass diese Antwort nicht auf einer Stipulation beruht. Wir haben nicht einfach festgelegt, dass als Inhalte von Wahrnehmungsfeldern ausschließlich sensorische Eigenschaften zu betrachten sind. Die Antwort war vielmehr das Ergebnis einer phänomenologischen Überlegung über die Natur von Wahrnehmungsfeldern. Vollziehen wir diese Überlegung anhand unseres früheren Beispiels noch einmal nach. In Abschnitt 6.4.1 hatten wir folgende Sätze betrachtet: (1) »Mir erscheint die Mauer als rot.« und (2) »Mir erscheint die Mauer als mittelalterliches Bauwerk.« In den Sätzen schreibt sich der Sprecher Wahrnehmungen der Eigenschaften Röte und ein mittelalterliches Bauwerk zu sein zu. Röte ist eine sensorische Eigenschaft, ein mittelalterliches Bauwerk zu sein dagegen nicht. Nehmen wir an, ich sei der Sprecher beider Sätze. Wir können uns vorstellen, dass ich (bei guten Lichtverhältnissen) vor einer Wand stehe, die beide Eigenschaften aufweist, und dass ich als Experte für mittelalterliche Architektur sogleich erkenne, dass die Mauer ein mittelalterliches Bauwerk ist. In diesem Fall könnten sowohl Satz (1) als auch Satz (2) wahre Beschreibungen meiner Wahr310 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität
nehmung sein. Dennoch wäre allein die Eigenschaft der Röte ein echter Inhalt meines Wahrnehmungsfeldes. Würde meine Wahrnehmung hinsichtlich der Farbe der Wand plötzlich fehlerhaft werden oder würde die Wand selbst plötzlich ihre Farbe wechseln, würde sich etwas in meinem Wahrnehmungsfeld verändern. Würde ich dagegen plötzlich meine Fähigkeit verlieren, mittelalterliche Bauwerke zu erkennen, oder würde die Wand vor mir plötzlich die Eigenschaft, ein mittelalterliches Bauwerk zu sein, verlieren, würde sich in meinem Wahrnehmungsfeld nicht das Geringste ändern. Das sollte zeigen, dass die Behauptung, der Inhalt eines Wahrnehmungsfeldes sei vollständig durch die Verteilung sensorischer Eigenschaften in diesem Wahrnehmungsfeld bestimmt, einer phänomenologischen Tatsache entspricht und nicht auf einer stipulativen Festlegung beruht. 75 (P2) haben wir im letzten Abschnitt bereits ausführlich erläutert und verteidigt. Wenden wir uns also (P3) zu. Vor dem Hintergrund des soeben Gesagten drängt sich der Eindruck auf, dass (P3) wahr ist. In jedem Fall geht daraus klar hervor, dass Überlegungen wie die folgende von Marcus Willaschek angestellte, die zunächst für die Begriffs-Besitz-Bedingung* zu sprechen scheinen, nicht gegen (P3) sprechen. »Meistens […] verhält es sich so, daß sie [erwachsene Menschen] dann, wenn sie einen Kühlschrank sehen, zugleich sehen, daß vor ihnen ein Kühlschrank steht […]. Letzteres ist offensichtlich nicht möglich, ohne über den Begriff Kühlschrank zu verfügen […].« 76
Was Willaschek schreibt, ist ohne Zweifel korrekt. Aus der Tatsache, dass ich über den Begriff eines Kühlschrankes verfügen muss, um einen Kühlschrank als Kühlschrank wahrnehmen zu können (oder wahrnehmen zu können, dass da ein Kühlschrank ist), folgt jedoch nicht, dass ich über den Begriff eines Kühlschrankes verfügen muss, um eine Wahrnehmung der Art haben zu können, wie ich sie habe, wenn ich einen Kühlschrank als Kühlschrank wahrnehme. Denn die
Das bedeutet nicht, dass (P1) überhaupt kein stipulatives Element enthält. Wahrnehmungen mit Wahrnehmungsfeldern zu identifizieren, erscheint nicht zwingend. Möglicherweise ließe sich auch ein Begriff der Wahrnehmung bestimmen, der es ausschlösse, dass Satz (2) auf eine Wahrnehmung zu einem Zeitpunkt zuträfe und zu einem anderen nicht, ohne dass sich die Wahrnehmung veränderte. Das scheint mir jedoch nicht der gängige Begriff einer Wahrnehmung zu sein. In jedem Fall ist es nicht der Begriff der Wahrnehmung, von dem wir ausgehen. 76 Willaschek (2003), S. 270. 75
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Art dieser Wahrnehmung ist allein durch die Inhalte meines Wahrnehmungsfeldes bestimmt. Und da die Eigenschaft, ein Kühlschrank zu sein, keine sensorische Eigenschaft ist, können diese Inhalte dieselben sein, unabhängig davon, ob ich den Kühlschrank als Kühlschrank wahrnehme oder nicht. Derartige Überlegungen sprechen also nicht gegen (P3). Was ein Gegner von (P3) zeigen müsste, ist, dass es nicht möglich ist, etwas als Träger einer sensorischen Eigenschaft wahrzunehmen, ohne über einen Begriff dieser Eigenschaft zu verfügen. Er müsste also zum Beispiel zeigen, dass es nicht möglich ist, etwas als rot wahrzunehmen (d. i. mit einem Wahrnehmungsfeld mit einem roten Inhalt konfrontiert zu sein), ohne über einen Begriff von Röte zu verfügen. Die Aussichten dafür scheinen jedoch ausgesprochen schlecht zu sein. Da es sich aber um einen wichtigen Punkt handelt, wollen wir zwei Überlegungen zu seiner Stützung anführen. Die erste beruft sich auf unsere Intuition über die Wahrnehmungen und kognitiven Leistungen von Tieren. 77 Wir haben die Intuition, dass die folgenden Annahmen wahr sind: (T1) Einige Tiere sind in der Lage, etwas als Träger einer sensorischen Eigenschaft wahrzunehmen. (Sollte also für einige Tiere zum Beispiel die Eigenschaft der Röte eine sensorische Eigenschaft sein, wären diese Tiere in der Lage, etwas als rot wahrzunehmen. Mit anderen Worten: Ihnen könnte sich ein Wahrnehmungsfeld mit einem roten Inhalt präsentieren.) (T2) Einige der Tiere, auf die (T1) zutrifft, verfügen in keinem interessanten Sinn über Begriffe. Aus der Wahrheit von (T1) und (T2) würde zunächst einmal nur folgen, dass es für einige Tiere möglich ist, mit einem Wahrnehmungsfeld konfrontiert zu sein, das auf eine bestimmte Art mit Inhalten gefüllt ist, ohne über Begriffe dieser Inhalte zu verfügen. Die Wahrheit von (P3), um die es uns geht, folgt erst zusammen mit einer zusätzlichen Prämisse: (T-M) Wenn es für einige Tiere möglich ist, mit einem Wahrnehmungsfeld konfrontiert zu sein, das auf eine bestimmte Art mit Inhalten gefüllt ist, ohne über Begriffe dieser Inhalte zu
Wenn ich hier und im Folgenden von Tieren spreche, meine ich Tiere, die keine Menschen sind.
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Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität
verfügen, dann ist es für alle wahrnehmungsfähigen Wesen möglich. 78 (T-M) ist möglicherweise keine Selbstverständlichkeit, 79 aber sicher äußerst plausibel. Das unterstreicht zum Beispiel A. D. Smith: »If any mere animal is ever a sensing perceiver […] the intentionality of their perceptual experience cannot be dependent upon the exercise of concepts, since […] they lack them. So concepts are not required for the intentionality for conscious perception as such. Now, can it seriously be supposed that the intentionality, the mere world-directedness, of perception in us higher animals has a wholly different basis? That in our case alone it is concepts that ground and explain our ability to hear and see things in the world?« 80
Mir scheint, dass Smith mit seiner rhetorischen Frage im Recht ist: Das sollte in der Tat nicht ernsthaft angenommen werden. Der hoffnungsvollste Weg, diese Überlegung anzugreifen, dürfte stattdessen sein, (T2) zu bestreiten. 81 Der Wahrheitswert von (T2) hängt davon ab, was es bedeutet, in einem interessanten Sinn über Begriffe zu verfügen. Diese Diskussion können wir an dieser Stelle allerdings nicht führen. 82 Kommen wir zu unserer zweiten Überlegung. Sie ist in vorbildlicher Klarheit von J. L. Bermudez formuliert worden: »The case for the claim that perception has nonconceptual content is best seen, I think, as a claim about the direction of explanation between the possession of color concepts and the associated capacity of perceptual discriminations. It is obvious that these are connected. The question is how. And the principal motivation for the nonconceptual theorist is simply that the color concepts that we possess are a function of the perceptual discriminations that we are capable of making. It is not the case that the perceptual discriminations we are capable of making are a function of the color concepts that we possess.« 83
Dabei nehmen wir an, dass in (P3) über alle wahrnehmungsfähigen Wesen quantifiziert wird. 79 Marcus Willaschek beispielsweise scheint (T-M) oder eine verwandte These zu bestreiten (vgl. ebenda, S. 268). 80 A. D. Smith (2002), S. 107. 81 Vgl. Speaks (2005). 82 Zu einem einflussreichen und sehr gut ausgearbeiteten Vorschlag vgl. Peacocke (1992). 83 Bermudez (2007), S. 61. 78
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Bermudez macht hier darauf aufmerksam, dass die Richtung der Erklärung von unserer Wahrnehmung von Farben zu unserer Aneignung von Begriffen dieser Farben verläuft. Wir eignen uns Farb-Begriffe an, weil wir die entsprechenden Farben wahrnehmen (d. i. weil sich uns die entsprechenden Farben in unserem Wahrnehmungsfeld präsentieren) und nicht umgekehrt. Daraus folgt aber, dass unsere Fähigkeit, Farben wahrzunehmen (etwas als farbig wahrzunehmen) nicht davon abhängen kann, dass wir über die entsprechenden FarbBegriffe verfügen. 84 Vor dem Hintergrund des tatsächlichen Verlaufes der Debatte um nicht-begriffliche Gehalte von Wahrnehmungen ist es eventuell nötig, dieses Argument von einem anderen Argument mit demselben Ziel zu unterscheiden, dessen Diskussion wohl den größten Teil der genannten Debatte eingenommen hat. Wir wollen es das Feinkörnigkeits-Argument nennen. Es besagt, dass unsere Wahrnehmung zu feinkörnig sei, als dass wir sie mit den uns zur Verfügung stehenden Begriffen erfassen könnten. Wir mögen, so die Überlegung, zum Beispiel über einen Begriff von Röte verfügen, aber sicher nicht über Begriffe für all die verschiedenen Rot-Töne, die wir im Verlauf unseres Lebens wahrnehmen. 85 Dieses Argument verlangt etwas viel Stärkeres, als (P3). (P3) ist eine modale Behauptung: Um mit einem Wahrnehmungsfeld konfrontiert sein zu können, das auf bestimmte Art mit Inhalten gefüllt ist, muss man nicht über Begriffe dieser Inhalte verfügen. Das Feinkörnigkeits-Argument dagegen beruht auf einer Behauptung darüber, über welche Begriffe wir tatsächlich verfügen. 86 Sollte diese Behauptung richtig sein, spräche das zwar ebenZu ähnlichen Überlegungen vgl. Heck (2000) und Peacocke (1992). Zu Versionen dieses Einwandes vgl. u. a. Evans (1982), Heck (2000), Kelly (2001), Martin (1992) oder Peacocke (1992). 86 Dementsprechend höher ist die Chance, eine adäquate Antwort auf diesen Einwand zu finden. Die hoffnungsvollste Strategie hierfür geht auf John McDowell zurück. McDowell verweist darauf, dass wir in der Lage seien, beispielsweise für jeden Farbton einen Wiedererkennungsbegriff (unsere Terminologie) einzuführen (McDowell (1994), S. 56 ff.), so dass wir sehr wohl über die geforderten Begriffe verfügen oder verfügen könnten. Ob das eine überzeugende Antwort auf den Feinkörnigkeits-Einwand ist, sei dahingestellt. Unstrittig ist jedoch, dass (P3) von dieser Antwort vollkommen unberührt bleibt. Das zeigt sich daran, dass die Tatsache, dass wir z. B. bestimmte Farben wahrnehmen (d. i. dass sie Inhalte unserer Wahrnehmungsfelder sind), eine Bedingung dafür ist, dass wir in der Lage sind, Wiedererkennungsbegriffe für sie einzuführen – und nicht umgekehrt (vgl. auch Bermudez (2007), S. 61 sowie Heck (2000), S. 492). 84 85
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Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität
falls gegen die Begriffs-Besitz-Bedingung*. Die Falschheit dieser Bedingung ist jedoch bereits in der schwächeren modalen Behauptung (P3) enthalten. 87 Da (K) aus (P1) bis (P3) folgt, können wir (K) damit als bestätigt ansehen. Wahrnehmungen erfüllen also nicht die Begriffs-Besitz-Bedingung*. Wenden wir uns also der Propositionalitäts-Bedingung zu: Haben Wahrnehmungen propositionale Gehalte? Bevor wir diese Frage begründet beantworten können, ist einiges an Klärungsarbeit zu leisten. Die erste Frage, die sich aufdrängt, ist: Was sind propositionale Gehalte? Um die Diskussion übersichtlich zu halten, wollen wir zunächst von der naheliegendsten Antwort ausgehen: Propositionale Gehalte sind Propositionen. Die Propositionalitäts-Annahme wäre dann gleichbedeutend mit der Annahme, die Gehalte von Wahrnehmungen seien Propositionen. Über Propositionen können wir einige unstrittige Dinge sagen: Erstens: Propositionen sind die Gehalte propositionaler Einstellungen wie Überzeugungen oder Wünsche. Die Propositionalitäts-Annahme enthält also die Annahme, dass Wahrnehmungen Gehalte derselben Art haben wie propositionale Einstellungen. Zweitens: Propositionen bestehen aus abstrakten Elementen oder enthalten solche. Darüber, was von beidem der Fall ist und von welcher Art diese Elemente sind, geben verschiedene Konzeptionen von Proposition verschiedene Auskünfte. Wir können drei solcher Konzeptionen unterscheiden: Fregeanische Propositionen bestehen vollständig aus abstrakten Gegenständen. Diese abstrakten Gegenstände sind (allgemeine oder singuläre) Begriffe. Russellsche Propositionen bestehen nicht immer vollständig aus abstrakten Gegenständen. Singuläre russellsche Propositionen enthalten, neben allgemeinen Begriffen oder Eigenschaften, konkrete Einzelgegenstände als echte Bestandteile. 88 Allgemeine 87 Dazu wiederum Bermudez: »The case for nonconceptual content does not rest upon considerations to do with the fineness of grain of perception. It ultimately rests upon a modal claim to the effect that our capacities for perceptual discrimination are not constrained by our conceptual capacities.« (Bermudez (2007), S. 62). 88 Frege hat diese Konzeption von Propositionen zurückgewiesen. Eine Proposition könne kein Aggregat aus abstrakten und konkreten Gegenständen sein (vgl. Frege (1983), S. 243). Obwohl mir diese, heute meist ignorierte, Kritik, einen wichtigen Punkt zu treffen scheint, können wir sie hier unberücksichtigt lassen. Dass Propositionen abstrakte Gegenstände enthalten, ist für unsere Argumentation hinreichend.
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russellsche Propositionen bestehen vollständig aus abstrakten Gegenständen. Mindestens einer dieser abstrakten Gegenstände ist jedoch jeweils kein Begriff, sondern eine Eigenschaft. Unstrukturierte Propositionen sind Mengen möglicher Welten. In vielen Fällen, zum Beispiel bei Gehalten von Wahrnehmungen oder Bedeutungen indexikalischer Aussagen, handelt es sich um Mengen möglicher zentrierter Welten. 89 In jedem Fall sind Mengen möglicher Welten aber abstrakte Gegenstände. Ob mögliche Welten selbst ebenfalls abstrakte Gegenstände sind, können wir dabei offenlassen. 90 Unabhängig davon, welche Konzeption wir zugrunde legen, können wir aber festhalten: Die Propositionalitäts-Annahme enthält die Annahme, dass die Gehalte von Wahrnehmungen aus abstrakten Elementen bestehen oder solche enthalten. Was genau soll es aber bedeuten, dass die Gehalte von Wahrnehmungen Propositionen sind? Eine Reihe von Interpretationen ist möglich. Für uns sind vor allem diejenigen interessant, in denen Wahrnehmungen nach dem Vorbild propositionaler Einstellungen verstanden werden. Auf sie wollen wir uns zunächst konzentrieren. Dabei ist es sinnvoll, mit dem Modell propositionaler Einstellungen zu beginnen, nach dessen Vorbild Wahrnehmungen in diesen Interpretationen aufgefasst werden. Einen glücklich gewählten Ausdruck Wolfgang Künnes übernehmend, möchte ich es das Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen nennen. 91 Das Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen geht auf Frege zurück. 92 Freges Auffassung war sinngemäß folgende: In einer propositionalen Einstellung erfasst ein Subjekt eine Proposition. Und indem es diese Proposition erfasst, bezieht es sich auf die Welt. Dabei ist das Erfassen der Proposition eine nicht weiter analysierbare, direkte Relation, das heißt insbesondere: Sie enthält nicht selbst wiederum das Erfassen einer Proposition. 93 Vgl. z. B. Chalmers (1996), S. 60. Der Begriff einer zentrierten möglichen Welt geht auf Quine zurück (vgl. Quine (1969)). 90 Mit David Lewis hat bekanntlich zumindest ein bedeutender Philosoph dies bestritten (vgl. Lewis (1986)). 91 Vgl. Künne (2010), S. 515. 92 Vgl. Frege (1918/19), S. 74. 93 An dem Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen wird häufig die Tatsache 89
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Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität
Überträgt man das Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen auf Wahrnehmungen, ergeben sich zwei verschiedene Auffassungen. Aus Gründen, die gleich klar werden, sollen sie das Akt-Proposition +Objekt-Modell der Wahrnehmung und das Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung heißen. Bei der Formulierung beider Modelle ist es sinnvoll, von vornherein eine zentrale und inzwischen gut bekannte phänomenologische Tatsache zu berücksichtigen: In jeder Wahrnehmung präsentiert sich dem Subjekt der Wahrnehmung ein Wahrnehmungsfeld. Wir erhalten dann: Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung: Die Wahrnehmungsfelder, die sich uns in der Wahrnehmung präsentieren, sind das, was wir wahrnehmen. Das Präsentieren der Wahrnehmungsfelder ist also nichts anderes als das Wahrnehmen selbst. 94 Die Rolle des Analogons zum Erfassen von Propositionen im Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen spielt dementsprechend eine von diesem Präsentieren verschiedene Relation. Sie soll Relation R heißen. Es gilt: Wahrnehmungsfelder präsentieren sich den Subjekten der Wahrnehmung, indem diese in R zu bestimmten Propositionen stehen. Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung: Die Wahrnehmungsfelder, die sich Subjekten in der Wahrnehmung präsentieren, sind Propositionen. Das Präsentieren der Wahrnehmungsfelder ist also das Analogon zum Erfassen von Propositionen im Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen. kritisiert, dass Propositionen darin ein Gegenstands-Status eingeräumt wird (vgl. etwa Searle (1997), S. 115 oder (2010), S. 209). Viele Autoren bevorzugen daher ein Modell, dass man als Akt-Gehalts-Modell propositionaler Einstellungen bezeichnen könnte (vgl. wiederum Künne (2010), S. 517). In diesem Modell sind Propositionen die Gehalte propositionaler Einstellungen. Und indem propositionale Einstellungen Propositionen als Gehalte haben, beziehen sie sich auf die Welt. Dass Propositionen die Gehalte propositionaler Einstellungen sind, bedeutet im Rahmen dieses Modells einfach, dass die propositionalen Einstellungen genau dann erfüllt sind, wenn die fragliche Proposition wahr ist. In diesem Modell sind Propositionen also keine Gegenstände in oder für die jeweiligen propositionalen Einstellungen. So wichtig der Unterschied zwischen dem Akt-Objekt-Modell und dem Akt-Gehalts-Modell in anderen Zusammenhängen auch sein mag – für das Folgende spielt er lediglich eine untergeordnete Rolle. Im Sinne der Übersichtlichkeit der folgenden Diskussion werde ich mich daher allein am Akt-Objekt-Modell orientieren. 94 Das bedeutet natürlich, dass Wahrnehmungsfeldern ein entsprechender ontologischer Status zugeschrieben werden muss.
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Aus diesen Modellen ergeben sich entsprechende Interpretationen der Propositionalitäts-Annahme. Wir werden jedoch feststellen, dass sich für jedes dieser Modelle auch Probleme ergeben, die die jeweilige Interpretation der Propositionalitäts-Annahme unhaltbar machen. Einige dieser Probleme betreffen nur eines der Modelle, andere betreffen beide. Werfen wir zunächst einen Blick auf die speziellen Probleme. Beginnen wir mit denen, die sich für das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung ergeben: Problem 1: Das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung ist mit der Möglichkeit von Halluzinationen unvereinbar. Vertreter dieses Modells sind auf folgende Erklärung von Halluzinationen festgelegt: In einer Halluzination steht ein Subjekt in der Relation R zu einer Proposition, ohne etwas wahrzunehmen. Oder anders ausgedrückt: In einer Halluzination steht ein Subjekt in der Relation R zu einer Proposition, die sich auf nichts bezieht. Im Rahmen des Akt-Proposition+Objekt-Modells der Wahrnehmung folgt aus dieser Erklärung, dass sich dem Subjekt einer Halluzination kein Wahrnehmungsfeld präsentiert. Das widerspricht jedoch der Phänomenologie der Wahrnehmung. 95 Problem 2: Das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung hat nicht die Ressourcen, grundsätzlichen Unterschieden zwischen Wahrnehmungen und propositionalen Einstellungen gerecht zu werden. Die beiden wichtigsten Unterschiede dürften die folgenden sein: (a) In einer Wahrnehmung präsentiert sich dem Subjekt ein Wahrnehmungsfeld. Gemäß dem Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung sind diese Wahrnehmungsfelder das, was ein Subjekt in einer Wahrnehmung wahrnimmt. Für propositionale Einstellungen gilt dagegen nicht, dass sich dem Subjekt das, wovon die jeweilige propositionale Einstellung handelt, in irgendeiner vergleichbaren Weise präsentiert.
Auf dieses Problem macht beispielsweise Eddy M. Zemach aufmerksam, wenn er in einer Kritik an John Searle (etwas spitz) bemerkt: »Thus, although while hallucinating one sees nothing, one gets to know what reality must be like in order for the hallucinatory experience to be veridical. But now I wonder how does one get to know that, if one is not seeing anything at all. Surely, to hallucinate is not to become all of a sudden aware of a sentence that describes (say, in English) satisfaction conditions for that hallucination?« (Zemach (1991), S. 173)
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(b) Im Fall der Wahrnehmung manifestiert sich die Aspektgestalt des intentionalen Zustandes (d. i. der Wahrnehmung) im Wahrnehmungsfeld selbst. Im Rahmen des AktProposition+Objekt-Modells der Wahrnehmung kann das nur bedeuten, dass sie sich in dem manifestieren, was wir wahrnehmen. Nichts Vergleichbares gilt jedoch im Fall propositionaler Einstellungen. Die Aspektgestalten unserer propositionalen Einstellungen manifestieren sich nicht an dem, wovon unsere propositionalen Einstellungen normalerweise handeln (d. i. gewöhnlichen Gegenständen). 96 Wir beziehen uns in propositionalen Einstellungen nur unter bestimmten Aspekten auf diese Gegenstände. Betrachten wir nun die Ressourcen, die das Akt-Proposition+ObjektModell der Wahrnehmung zur Verfügung hat, um diesen Unterschieden gerecht zu werden. Der einzige grundsätzliche Unterschied zwischen Wahrnehmungen und propositionalen Einstellungen, den das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung zulässt, ist ein Unterschied in der Relation, in denen Subjekte von Wahrnehmungen und propositionalen Einstellungen jeweils zu den Propositionen stehen, die deren Gehalte sind. Und einige Autoren scheinen den Unterschied zwischen Wahrnehmungen und propositionalen Einstellungen genau hier (d. i. in der Art der Relation zu der jeweiligen Proposition) lokalisieren zu wollen. Ein Beispiel ist Adam Pautz: »Some intentional states (believing contents, desiring contents) do not have a presentational phenomenology. Other intentional states do have a presentational phenomenology: states in which one stands in the special ›sensory‹ relation to contents (propositions or complex properties) which I have dubbed ›sensorily entertaining‹. […] The state of having an experience as of the vivid presence of a red thing at a certain place just is the state of standing in this special relation to a detailed content according to which there is a red thing at a certain place.« 97
Was Pautz hier als präsentationale Phänomenologie der Wahrnehmung bezeichnet, ist natürlich nichts anderes als die Tatsache, dass sich Subjekten in der Wahrnehmung Wahrnehmungsfelder präsenDas gilt zumindest, wenn man die gängigen Auffassungen zugrunde legt. Es gibt auch Auffassungen propositionaler Einstellungen, wonach deren Gegenstände selber, ähnlich wie Wahrnehmungsfelder beziehungsweise Inhalte von Wahrnehmungsfeldern, Aspektgestalten aufweisen. Ein Beispiel hierfür ist H.-N. Castañedas Theorie der Gestaltungen hguise theoryi (vgl. Castañeda (1974) und (1975)). 97 Pautz (2007), S. 519. 96
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tieren. Darin drückt sich, auch nach Pautz, der grundsätzliche Unterschied zu propositionalen Einstellungen aus. Aus dem Gesagten ergibt sich dann folgende Bestimmung dieses Unterschiedes: In Wahrnehmungen erfassen Subjekte Propositionen sensorisch, während sie sie in propositionalen Einstellungen auf andere Weise erfassen. Dieser Vorschlag erscheint mir jedoch schlicht hoffnungslos. Unabhängig davon, dass es nur schwer zu verstehen ist, was es bedeuten könnte, dass man eine Proposition ›sensorisch erfasst‹, scheint dadurch keiner der beiden von mir hervorgehobenen Unterschiede erklärt werden zu können. Im Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung entspricht das Wahrnehmungsfeld nicht der Proposition, sondern dem, was ein Subjekt wahrnimmt, indem es die Proposition erfasst. Entsprechend stellen sich Fragen hinsichtlich der Unterschiede (a) und (b): Zu (a): Wie könnte die Besonderheit der Art, wie ein Subjekt eine Proposition erfasst, erklären, dass sich ihm das, worauf er sich dadurch bezieht (d. i. das Wahrnehmungsfeld), in der für Wahrnehmungen charakteristischen Weise präsentiert? Zu (b): Wie könnte die Besonderheit der Art, wie ein Subjekt eine Proposition erfasst, erklären, dass das, worauf er sich dadurch bezieht (d. i. das Wahrnehmungsfeld), die für Wahrnehmungsfelder charakteristische Aspektgestalt aufweist? Ich kann nicht erkennen, wie eine befriedigende Antwort auf eine dieser Fragen aussehen könnte. 98 Beide Probleme zusammen verweisen auf eine wichtige DisIn diesem Zusammenhang ist es interessant, zu sehen, wie Pautz nach der oben zitierten Passage fortfährt: »The state of having an experience as of the vivid presence of a red thing at a certain place just is the state of standing in this special relation to a detailed content according to which there is a red thing at a certain place. To ask for an explanation of why this intentional state has a presentational phenomenology is to ask for an explanation of this identity; and in general identities do not need to be explained.« (Pautz (2007), S. 519). Damit tut Pautz das Problem jedoch zu leicht ab. Wer, wie Pautz es ausdrückt, nach einer Erklärung für die präsentationale Phänomenologie der Wahrnehmung fragt, fragt selbstverständlich nicht nach einer Erklärung für eine Identität. Er hinterfragt vielmehr die entsprechende Identitätsbehauptung. Er fragt, wie ein Zustand, der eine präsentationale Phänomenologie aufweist, mit dem Stehen in irgendeiner direkten Relation zu einer Proposition identisch sein kann. Und diese Frage stellt sich natürlich umso dringender vor dem Hintergrund, dass diese Relation der Relation sehr ähnlich sein soll, in der wir in propositionalen Einstellungen zu Propositionen stehen und propositionale Einstellungen eben keine präsentationale Phänomenologie aufweisen.
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Wahrnehmungen und Gedankenintentionalität
analogie zwischen propositionalen Einstellungen und Wahrnehmungen. Im Fall propositionaler Einstellungen scheint es keinen Grund zu geben, das Akt-Objekt-Modell einem Modell wie dem Akt-GehaltsModell vorzuziehen. 99 Denn es scheint keinen Grund zu geben, der Proposition, die den Gehalt einer propositionalen Einstellung ausmacht, einen Gegenstands-Status einzuräumen. Es erscheint ausreichend, wenn die Gegenstände, auf die sich propositionale Einstellungen beziehen, diesen Status haben. Mit der Tatsache, dass die passenden Gegenstände manchmal nicht existieren, so scheint es, haben höchstens Logiker ein Problem. Aus den geschilderten Problemen geht jedoch hervor, dass diese Überlegungen nicht auf Wahrnehmungen übertragbar sind. Der Grund ist die eingangs erwähnte phänomenologische Tatsache, dass es zum Wesen einer Wahrnehmung gehört, dass sich dem Subjekt der Wahrnehmung ein Wahrnehmungsfeld präsentiert. Aus diesem Grund müssen Wahrnehmungen in irgendeiner Form dem Akt-Objekt-Modell entsprechen. Wenn Wahrnehmungen nun aber, wie in der Konzeption der Gedankenintentionalität vorgesehen, zudem wesentlich Zustände mit intentionalen Gehalten sind und diese Gehalte Propositionen sein sollen, dann scheint es nicht nur unausweichlich zu sein, diesen Propositionen einen Gegenstands-Status einzuräumen (wie es auch im Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung geschieht). Es scheint ebenso unausweichlich zu sein, sie als das aufzufassen, was sich dem Subjekt präsentiert. Kurz: Das zunächst abwegig erscheinende Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung scheint plötzlich die einzige Option zu sein. Das Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung steht jedoch vor Problemen, die nicht geringer sind als die des Akt-Proposition+Objekt-Modells der Wahrnehmung. Eher ist das Gegenteil der Fall. Betrachten wir zunächst wiederum ein Problem, was sich speziell für dieses Modell stellt: Problem 3: Propositionen sind entweder abstrakte Gegenstände oder enthalten abstrakte Gegenstände. Und da Propositionen gemäß dem Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung diejenigen Entitäten sind, die sich einem Subjekt in der Wahrnehmung präsentieren, ist es eine Voraussetzung der Korrektheit dieses Modells, dass abstrakte Gegenstände überhaupt zu den Dingen gehören, die sich Subjekten präsentieren können. Dass diese Voraussetzung erfüllt ist, 99
Siehe Fn. 93 in diesem Kapitel.
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kann man jedoch mit durchaus guten Gründen bezweifeln. So werden abstrakten Gegenständen für gewöhnlich mindestens folgende Eigenschaften zugeschrieben: Nicht-Wahrnehmbarkeit, Einmaligkeit, Nicht-Räumlichkeit, Nicht-Zeitlichkeit, Unveränderlichkeit sowie Nicht-Wirklichkeit. 100 Und einige, wenn nicht alle, dieser Eigenschaften scheinen abstrakte Gegenstände als Gegenstände von Zuständen des Erscheinens unmöglich zu machen. Auch die Gegenstände von halluzinatorischen Wahrnehmungszuständen existieren zum Beispiel sicherlich in der Zeit – sehr wahrscheinlich aber auch im Raum. Auch scheinen die Gegenstände von verschiedenen halluzinatorischen Wahrnehmungszuständen numerisch verschieden zu sein. Und schließlich wäre es überraschend, wenn das, was abstrakte Gegenstände nicht-wahrnehmbar macht, nicht auch verhinderte, dass sie sich Subjekten von Wahrnehmungen präsentierten. 101 102 Kommen wir damit zu den Problemen, die sich sowohl für das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung als auch für das Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung stellen: Problem 4: Auf das erste dieser Probleme weist Tim Crane hin. Es beruht auf einer Annahme, die wir, David Chalmers folgend, Gehalts-Pluralismus nennen wollen. 103 Der Gehalts-Pluralismus besagt, dass mehr als eine Art von Propositionen mit gleichem Recht Gehalte von Wahrnehmungen genannt werden können. Die Plausibilität dieVgl. z. B. Künne (1983), S. 63. Angesichts dieses eigentlich klaren Befundes ist es ein wenig überraschend, wie groß die Zahl der Vertreter der entsprechenden Auffassung (oder sehr ähnlicher Auffassungen) ist (vgl. etwa Dretske (1995), Forrest (2005), Johnston (2004) oder Tye (2000)) und wie wenig Kritik sie erfährt. Gänzlich unwidersprochen ist sie jedoch nicht geblieben. Zu einer Kritik, die der von mir skizzierten ähnelt vgl. Pautz (2007). Zu einer etwas anders gelagerten Kritik vgl. Kriegel (2011). 102 Eine naheliegende Reaktion auf diese Argumentation ist der Hinweis, dass aus denselben Gründen Freges Konzeption propositionaler Einstellungen abgelehnt werden müsste. Wenn sich uns Propositionen nicht präsentieren können, warum sollten wir sie dann erfassen können? Die Frage ist ohne Zweifel berechtigt und es ist nicht klar, ob sie sich zufriedenstellend beantworten lässt. Sollte das nicht der Fall sein, wäre das jedoch ein Grund, Freges Auffassung abzulehnen, nicht aber ein Grund, das AktProposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung zu akzeptieren. Denn das Argument gegen diese Auffassung beruht nicht allein auf der allgemeinen Annahme, dass abstrakte Gegenstände wie Propositionen nicht in der Relation des Sich-Präsentierens zu uns stehen können. Es beruht ebenso sehr auf der Annahme, dass das, was in dieser Relation zu uns steht (die Wahrnehmungsfelder), keine abstrakten Gegenstände sind bzw. kein abstrakten Gegenstände enthält. 103 Vgl. Chalmers (2006b), S. 78. 100 101
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ser Annahme lässt sich gut anhand eines einfachen Gedankenexperimentes darstellen. Man stelle sich folgenden Fall vor: Paul hat zunächst unter normalen Bedingungen eine Wahrnehmung eines roten Balles. Dann wird sein Wahrnehmungsapparat (ohne sein Wissen) kurzfristig so manipuliert, dass er eine von seinem bisherigen Wahrnehmungs-Zustand ununterscheidbare Halluzination hat. Währenddessen wird der rote Ball durch einen exakt gleich aussehenden zweiten roten Ball ersetzt. Anschließend wird die Manipulation seines Wahrnehmungsapparates wieder aufgehoben und er hat eine normale Wahrnehmung des zweiten Balles, die er nicht von der des ersten Balles unterscheiden kann. Auf die Frage, ob Pauls Wahrnehmungen vor und nach dem Eingriff denselben Gehalt haben, gibt es zwei mögliche Antworten: (a) Nein, sie haben nicht denselben Gehalt. Denn die eine ist eine Wahrnehmung des ersten Balles, während die zweite eine Wahrnehmung des zweiten Balles ist. (b) Ja, sie haben denselben Gehalt. Denn sie repräsentieren die Welt auf genau dieselbe Art. Wer Antwort (a) gibt, fasst die Gehalte von Wahrnehmungen als singulär auf, während ein Vertreter von Antwort (b) sie als allgemein auffasst. 104 Es scheint jedoch keine Möglichkeit zu geben, sich auf nicht dogmatische Weise zwischen beiden Antworten zu entscheiden. Und in dieser Situation scheint es das Beste zu sein, eine pluralistische Haltung einzunehmen und beide Arten von Propositionen als Gehalte von Wahrnehmungen anzuerkennen. 105 Eine solche pluralistische Haltung hinsichtlich der Gehalte von Wahrnehmungen ist mit den beiden genannten Modellen jedoch nicht vereinbar. Das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung enthält die These, dass sich dem Subjekt ein bestimmtes Wahrnehmungsfeld präsentiert, indem es in einer bestimmten Relation zu einer bestimmten Proposition steht. Sollte das richtig sein, scheint es jedoch jeweils eine eindeutige Antwort auf die Frage geben zu müssen, zu welcher Proposition es in der fraglichen Relation steht. Noch deutlicher stellt sich das Problem im Rahmen des Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung. Wenn das, was sich dem Subjekt einer Wahrnehmung präsentiert, eine Proposition ist, muss es jeweils eine eindeutige Antwort auf die Frage geben, welche Proposi104 105
Zu dieser Unterscheidung siehe auch Abschnitt 11.2. Vgl. ebenda.
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tion sich dem Subjekt präsentiert. Der Gehalts-Pluralismus lässt aber eben eine solche eindeutige Antwort nicht zu. 106 Problem 5: Das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung und das Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung scheinen sich schlecht mit der Falschheit der Begriffs-Besitz-Annahme zu vertragen. In beiden Modellen gilt: Dass das Subjekt der Wahrnehmung in einer bestimmten Relation zu einer Proposition steht, soll konstitutiv dafür sein, dass es sich auf die Welt bezieht und unter welchen Aspekten dies geschieht. Wie aber sollte dieser Zusammenhang bestehen können, ohne dass das Subjekt der Wahrnehmung über die in der Proposition enthaltenen Begriffe verfügt? Im Fall propositionaler Einstellungen besteht diese Möglichkeit offenbar nicht. Eine Überzeugung zu haben, bedeutet nichts anderes, als bestimmte Begriffe anzuwenden. Im Rahmen von Freges Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen ausgedrückt: Das Erfassen einer Proposition in einer Überzeugung ist nichts anderes als die Anwendung der in dieser Proposition enthaltenen Begriffe in einer bestimmten Reihenfolge. Warum sollte die genannte Möglichkeit dann aber im Fall von Wahrnehmungen bestehen? Im Rahmen der herkömmlichen Modelle findet sich keine Erklärung dafür. 107 Damit wollen wir die Diskussion des Akt-Proposition+ObjektModells der Wahrnehmung und des Akt-Proposition=Objekt-Modells der Wahrnehmung abschließen. Auch wenn sich möglicherweise für das eine oder andere der aufgeführten Probleme eine Lösung finden lassen sollte, sollte aus der Diskussion klar hervorgehen, dass keines der Modelle adäquat ist. Dementsprechend ist keine Version der Propositionalitäts-Annahme, die sich aus ihnen ergibt, haltbar. Erinnern wir uns an dieser Stelle aber noch einmal an den Anfang unserer Diskussion der Propositionalitäts-Annahme. Wir waren dort von der Voraussetzung ausgegangen, dass propositionale Gehalte nichts anderes als eben Propositionen sind. Diese Voraussetzung ist jedoch nicht selbstverständlich. Es gibt einen Ansatz, wonach propositionale Gehalte sehr wohl etwas anderes als Propositionen sind. Und aus diesem Ansatz ergibt sich eine entsprechend andere Lesart der Propositionalitäts-Annahme – eine Lesart, in der sie möglicherweise doch haltbar ist. Werfen wir also einen kurzen Blick auf den genannten Ansatz. 106 107
Vgl. Crane (2013). Zu einer klaren Darstellung dieses Problems vgl. Bermudez (2007), S. 67.
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Seinen klassischen Ausdruck findet er im zweiten Teil von Immanuel Kants berühmten Satz »Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.« 108 Eine jüngere Beschreibung der Idee finden wir zum Beispiel bei Marcus Willaschek: »[…] Wahrnehmungen (jedenfalls die erwachsener Menschen) sind […] begrifflich artikulierte phänomenale Erfahrungen. Weder der phänomenale noch der begriffliche Aspekt macht für sich genommen einen isolierbaren ›Inhalt‹ der Wahrnehmung aus.« 109
Ungeachtet der großen Beliebtheit, der sich diese Idee erfreut, ist sie nicht leicht zu verstehen. Was kann es bedeuten, dass phänomenale Erfahrungen – genauer: die Gehalte phänomenaler Erfahrungen – begrifflich artikuliert sind? Ich kann auf diese sehr schwierige Frage hier nur unzureichend eingehen. Mir scheint, dass sich zwei Lesarten dieser Behauptung unterscheiden lassen. In der ersten Lesart besagt sie einfach (in unserer Terminologie ausgedrückt), dass das Wahrnehmungsfeld und seine Inhalte strukturiert sind. Die wichtigsten Strukturmerkmale sind natürlich die kantischen Anschauungsformen Raum und Zeit. Es lassen sich aber noch weitere nennen, so zum Beispiel die Einheit des Wahrnehmungsfeldes oder die Einheit der in ihm enthaltenen Gegenstände usw. In dieser Lesart scheint mir die Behauptung richtig zu sein. Wahrnehmungsfelder und ihre Inhalte sind auf diese Art strukturiert. Mehr noch: Sie sind notwendigerweise auf diese Art strukturiert. Sollte die Propositionalitäts-Annahme nicht mehr besagen, als dass unsere Wahrnehmungsfelder in dieser Weise strukturiert sind, gäbe es daher keine Bedenken gegen sie. Allerdings würde es sich dabei um eine durchaus ungewöhnliche Lesart der Propositionalitäts-Annahme handeln. Denn es erscheint seltsam, von der geschilderten Strukturierung des Wahrnehmungsfeldes als propositionalen Gehalt oder propositionaler Struktur zu sprechen. Hinsichtlich dieser Lesart der These, die Gehalte phänomenaler Erfahrungen seien begrifflich artikuliert, gilt es zudem ein Ergebnis zu beachten, das wir an früherer Stelle erzielt hatten. Wir hatten gesagt: Es kann kein Subjekt geben, das sich nicht bereits in einem Zustand des Erscheinens befindet. Erst die Eigenschaft, das Subjekt eines Zustandes des Erscheinens zu sein, macht ein Subjekt zu einem Subjekt. Sollte diese 108 109
Kant (1956) A51/B75. Willaschek (2003), S. 278.
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Feststellung korrekt sein (wovon wir ausgehen wollen), folgt daraus, dass die geschilderte Strukturierung des Wahrnehmungsfeldes keine Leistung eines ›fertigen‹ Subjektes sein kann. Und das bedeutet weiterhin, dass die Strukturierung des Wahrnehmungsfeldes nicht das Ergebnis irgendeiner Art von Anwendung von Begriffen seitens des Subjektes sein kann. Insbesondere dieser letzte Aspekt markiert einen entscheidenden Unterschied zu der zweiten Lesart der These, die Gehalte phänomenaler Erfahrungen seien begrifflich artikuliert. Das ist die Lesart, die Willaschek offenbar im Sinn hat. Seiner Ansicht nach ist die begriffliche Strukturiertheit (Artikuliertheit) des Gehaltes einer Wahrnehmung sehr wohl das Ergebnis der Anwendung von Begriffen durch das Subjekt. Bei diesen Anwendungen handle es sich jedoch um Anwendungen einer bestimmten Art: um phänomenale Begriffs-Verwendungen. Phänomenale Begriffs-Verwendungen unterscheiden sich, nach Willaschek, von Begriffs-Verwendungen in propositionalen Einstellungen in zwei Hinsichten. Erstens: Die Begriffe, die in einer phänomenalen Begriffs-Verwendung verwendet werden sind Begriffe dessen, was Willaschek phänomenale Eigenschaften nennt. Darunter versteht er Eigenschaften des Aussehens und des Erscheinens. 110 Zweitens: Phänomenale Begriffs-Verwendungen sind »passiv« und »unserer unmittelbaren rationalen Kontrolle entzogen.« 111 Bei diesen Erläuterungen belässt es Willaschek, wodurch einige Fragen offen bleiben. 112 Für die Zwecke unserer Untersuchung ist jedoch ein Aspekt entscheidend, über den kein Zweifel besteht: Auch für phänomenale Begriffs-Verwendungen soll gelten: Sie sind nicht möglich, ohne dass das Subjekt über den darin verwendeten Begriff verfügt. 113 Aus dieser Tatsache folgt, dass die Propositionalitäts-AnVgl. ebenda, S. 276. Vgl. ebenda, S. 277 f. 112 Beispielsweise bleibt die eigentliche Natur des Wahrnehmungsgehaltes letztlich im Dunkeln. Was kann es bedeuten, dass (phänomenale) Eigenschaften begrifflich artikuliert sind, wenn es nicht einfach bedeutet, dass phänomenale Begriffe auf sie angewandt werden? Ein verwandtes Problem ist folgendes: Es scheint, dass einerseits die phänomenalen Eigenschaften dem Subjekt bereits präsent sein müssen, damit es einen phänomenalen Begriff auf sie anwenden kann. Andererseits scheint es sich jedoch so verhalten zu sollen, dass sie dem Subjekt erst dadurch präsent werden, dass es einen phänomenalen Begriff auf sie anwendet. Wie ist das möglich? 113 So führt Willaschek beispielsweise die Konzeption einer phänomenalen Begriffsverwendung mithilfe des folgenden Beispiels ein: »Jemand, der die perzeptuelle Erfahrung macht, daß er einen geraden Stab vor sich hat, muß offenbar ebenso über 110 111
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nahme in einer Lesart, die auf dieser Auffassung beruht, die Wahrheit der Begriffs-Besitz-Annahme voraussetzt. Da wir aber die Begriffs-Besitz-Annahme bereits zurückgewiesen haben, müssen wir auch diese Lesart der Propositionalitäts-Annahme zurückweisen. Damit können wir unsere Diskussion der Propositionalitäts-Annahme vorläufig abschließen. Wir können festhalten, dass sie in keiner der diskutierten (anspruchsvollen) 114 Lesarten auf Wahrnehmungen zutrifft. Entsprechend fällt das Ergebnis unserer Diskussion der Konzeption der Gedankenintentionalität aus: Die Konzeption der Gedankenintentionalität kann dem Anspruch, eine allgemeine Konzeption der Intentionalität zu sein, nicht gerecht werden. Wahrnehmungen erfüllen mindestens zwei der dafür notwendigen Bedingungen (die Propositionalitäts-Bedingung und die Begriffs-Besitz-Bedingung) nicht.
12.2 Wahrnehmungsintentionalität Dieses Ergebnis wirft die Frage nach einer adäquaten Konzeption der Intentionalität von Wahrnehmungen auf. Im Folgenden möchte ich eine solche Konzeption zumindest skizzenhaft entwickeln. Dafür empfiehlt es sich, noch einmal bei der Propositionalitäts-Annahme anzusetzen. Neben den oben diskutierten anspruchsvollen Lesarten dieser These gibt es eine schwächere Lesart, in der sie sehr wohl wahr ist. Die Propositionalitäts-Annahme in dieser alternativen Interpretation soll die moderate Propositionalitäts-Annahme heißen. Sie lässt sich am besten als Annahme über Wahrnehmungszuschreibungen formulieren: Die moderate Propositionalitäts-Annahme: Für jede Wahrnehmung w sowie ihr Subjekt s gilt: Es gibt mindestens eine Proposition p, sodass die folgende Zuschreibung wahr ist: »s nimmt (in w) wahr, dass p«. Indem die moderate Propositionalitäts-Annahme zunächst einmal offen lässt, was die darin genannten Zuschreibungen wahr macht, verpflichtet sie uns, anders als die bis hierher diskutierten Versionen der den Begriff gerade verfügen, wie jemand, der glaubt, daß der Stab gerade ist.« (Ebenda, S. 276). 114 Dazu in Kürze mehr.
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Propositionalitäts-Annahme, nicht auf eine bestimmte Theorie der Wahrnehmung und der Intentionalität von Wahrnehmungen. Sie enthält insbesondere keine Angabe darüber, was genau die Rolle ist, die die fraglichen Propositionen in einer Wahrnehmung spielen. Damit sind wir frei, einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten, der einerseits mit der moderaten Propositionalitäts-Annahme vereinbar ist, andererseits aber die oben angeführten Probleme vermeidet. Was ein solcher Vorschlag in erster Linie leisten muss, ist klar. Er muss die Rolle einer Proposition in einer Wahrnehmung auf eine Weise bestimmen, die damit vereinbar ist, dass sich dem Subjekt dieser Wahrnehmung notwendigerweise ein Wahrnehmungsfeld präsentiert. Den, wie ich glaube, richtigen Ansatz hierfür finden wir bei Tim Crane. Die entsprechende Passage sei hier daher in voller Länge zitiert: »The distinction between a concrete, particular act with what I am calling its ›real‹ content, and the abstract, ›general‹ content which can be assigned to the act, should be fundamental to the theory of intentionality. The propositional content which can be assigned to an act is ›abstract‹ not just in the sense that it is an object which has no spatiotemporal location, but in the sense that it ›abstracts‹ from some of the concrete reality of the experiential episode. If the propositional content of the act is something that can be shared between different subjects, or something that can be shared in different acts of the same subject, then it is something which abstracts from the particularity of the subject’s own condition. The real content, however, is unrepeatable because essentially linked to the state and time of the act’s occurrence, and specific to its bearer. In this sense of content, no-one other than me can have mental episodes with the content of my mental episodes. Someone could have a very similar experience, of similar things, or even an experience which seemed exactly the same. But that would be to generalize across different concrete experiences, and describe the sense in which they are the same. Describing is relating the experience to a propositional content. But this description is an attempt to capture some aspect of how the representation represents the world. It – the description – is not the representation itself.« 115
Die Passage enthält zwei wichtige Behauptungen. Erstens: Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Gehalten mentaler Zustände. Gehalte der einen Art, die Crane real hreali nennt, sind konkrete Bestandteile der konkreten Instanziierungen dieser Zustände. Gehalte der anderen Art, die Crane allgemein hgenerali nennt, sind 115
Crane (2013), S. 240.
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dagegen abstrakt und entsprechen der einen oder anderen Art von Proposition. Zweitens: Das Verhältnis zwischen allgemeinen und realen Gehalten ist eines der abstrahierenden Beschreibung. Beide Behauptungen scheinen mir ganz oder teilweise richtig zu sein. Lediglich in einer Hinsicht möchte ich Crane widersprechen. Cranes erste Behauptung enthält die Annahme, die Unterscheidung zwischen realem und allgemeinem Gehalt sei auf alle intentionalen Zustände in gleicher Weise anwendbar. Das scheint mir nicht richtig zu sein. In der anschließend beschriebenen Weise scheint sie mir vielmehr nur auf Wahrnehmungen und andere Zustände des Erscheinens anwendbar zu sein. Zudem möchte ich von Cranes Terminologie abweichen und statt von realen und allgemeinen Gehalten von konkreten und abstrakten Gehalten sprechen. 116 Im Folgenden möchte ich versuchen, Cranes Ansatz etwas weiter auszubuchstabieren. Was der konkrete Gehalt einer Wahrnehmung ist, liegt auf der Hand: Es ist das Wahrnehmungsfeld, das sich dem Subjekt in dieser Wahrnehmung präsentiert. Es ist ein konkreter Bestandteil der Wahrnehmung und als solcher numerisch von den Wahrnehmungsfeldern anderer Wahrnehmungen verschieden. Der abstrakte Gehalt einer Wahrnehmung soll demgegenüber propositional sein. Das heißt, er soll in einer oder mehreren Propositionen bestehen und dementsprechend abstrakt sein oder abstrakte Bestandteile enthalten. Wie genau verhält sich dann aber der abstrakte Gehalt einer Wahrnehmung zu ihrem konkreten Gehalt? Mit anderen Worten: Was macht eine Proposition zum abstrakten Gehalt einer Wahrnehmung mit einem bestimmten konkreten Gehalt? Die Antwort ist: Wahrnehmungsfelder können, wie alle anderen konkreten Entitäten auch, auf verschiedene Weisen in Typen eingeteilt werden. Und abstrakte Gehalte sind einfach mögliche Arten, Wahrnehmungsfelder anhand ihrer Erfüllungsbedingungen in Typen einzuteilen. Machen wir uns im Einzelnen klar, was das bedeutet: Erstens: Die naheliegende Art, ein Wahrnehmungsfeld zu typisieren, ist, nach der Art wie es mit Inhalten gefüllt ist. Wie wir festgestellt haben, entspricht dies einer Typisierung gemäß der phänomenalen Qualität. Wir können den entsprechenden abstrakten Gehalt daher phänomenalen Gehalt nennen. Der phänomenale Ge116 Der einzige Grund hierfür ist die Tatsache, dass der Ausdruck »allgemeiner Gehalt« einem anderen Zweck vorbehalten bleiben soll (siehe Kapitel 11).
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halt gehört zur Kategorie der allgemeinen Gehalte (siehe oben). Als dem phänomenalen Gehalt entsprechende Erfüllungsbedingungen schlagen zum Beispiel David Chalmers und Sydney Schoemaker vor, dass die Gegenstände, die man darin wahrnimmt, genau so sind, wie sie sich im Wahrnehmungsfeld präsentieren. 117 Es gibt jedoch verschiedene wichtige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen konkreten Wahrnehmungsgehalten, die sich durch diese Typisierung nicht einfangen lassen. Zweitens: Wir haben zwar gezeigt, dass die Gehalte der Wahrnehmungen einer Person auf den phänomenalen Qualitäten dieser Wahrnehmungen supervenieren. Es erscheint jedoch denkbar, dass dies bei den Wahrnehmungen verschiedener Personen nicht der Fall ist. So scheinen beispielsweise inter-personale Qualitäts- oder Gehalts-Inversionen (siehe oben) durchaus möglich zu sein. Das deutet darauf hin, dass es eine Art von allgemeinem abstrakten Gehalt von Wahrnehmungen gibt, der nicht allein durch die Art festgelegt ist, wie die jeweiligen Wahrnehmungsfelder mit Inhalten gefüllt sind. Wir wollen ihn allgemeinen russellschen Gehalt nennen. Welche Typisierung von Wahrnehmungsfeldern dem allgemeinen russellschen Gehalt einer Wahrnehmung genau entspricht, ist eine offene Frage. Um die Darstellung nicht zu verkomplizieren, wollen wir uns hier auf eine Idee festlegen. Gemäß dieser Idee ist der allgemeine russellsche Gehalt dadurch festgelegt, mit welchen physikalischen Eigenschaften bestimmte phänomenale Qualitäten der Wahrnehmungen eines Subjektes co-variieren. 118 Gemäß dieser Typisierung fallen Wahrnehmungsfelder unter einen Typ, deren qualitative Inhalte in Wahrnehmungen ihres jeweiligen Subjektes mit dem Vorkommnis derselben Eigenschaften co-variieren. Sollte also beispielsweise ein Subjekt s ein gegenüber unserem invertiertes Farbspektrum aufweisen, fielen gemäß dieser Typisierung Wahrnehmungsfelder, die sich uns präsentieren, wenn wir etwas Grünes sehen, unter denselben Typ wie solche, die sich s präsentieren, wenn s etwas Rotes sieht. Drittens: Eine weitere relevante Hinsicht, in der sich Wahrnehmungen mit derselben phänomenalen Qualität unterscheiden kön-
117 Vgl. Chalmers (2006b) sowie Shoemaker (1994). Ob das allerdings die einzige Möglichkeit ist, die Erfüllungsbedingungen phänomenaler Gehalte aufzufassen, ist fraglich. Dieser Frage wollen wir hier aber nicht nachgehen. 118 Vgl. z. B. Tye (1995a) und (2000). Zu alternativen Auffassungen vgl. u. a. Dretske (1995), Lycan (1987) und (1996), Papineau (1987) und (1998) oder Thau (2002).
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nen, ist, dass sie Wahrnehmungen numerisch verschiedener Gegenstände sein können. Wir hatten weiter oben in einem sehr ähnlichen Zusammenhang bereits das folgende Beispiel vorgebracht: Paul hat zunächst unter normalen Bedingungen eine Wahrnehmung eines roten Balles. Dann wird sein Wahrnehmungsapparat (ohne sein Wissen) kurzfristig so manipuliert, dass er eine von seinem bisherigen Wahrnehmungs-Zustand ununterscheidbare Halluzination hat. Währenddessen wird der rote Ball durch einen exakt gleich aussehenden zweiten roten Ball ersetzt. Anschließend wird die Manipulation seines Wahrnehmungsapparates wieder aufgehoben, sodass er eine normale Wahrnehmung des zweiten Balles hat, die von der des ersten Balles ununterscheidbar ist. Gemäß einer Typisierung nach der phänomenalen Qualität oder nach allgemeinen russellschen Gehalten fallen beide Wahrnehmungen unter denselben Typ. Gemäß der Typisierung, um die es hier geht, ist das jedoch nicht der Fall. Und der Grund ist, dass nicht in beiden Wahrnehmungen dieselben Gegenstände erscheinen. Wir wollen die entsprechenden Gehalte singuläre russellsche Gehalte nennen. Sie gehören – das dürfte kaum überraschen – zur Kategorie der singulären Gehalte. Viertens: Wahrnehmungsfelder können selbstverständlich auch nach einzelnen Inhalten oder Arten von Inhalten typisiert werden. So lassen sich beispielsweise alle Wahrnehmungsfelder zu einem Typ zusammenfassen, die einen Inhalt enthalten, der etwas Rotes repräsentiert, oder es lassen sich alle Wahrnehmungsfelder zu einem Typ zusammenfassen, die einen Inhalt enthalten, der einen bestimmten Rot-Ton repräsentiert usw. Jeder dieser Art von abstrakten Gehalten entspricht eine Art von Proposition. 119 Dabei sind die ersten drei Arten abstrakter Gehalte am besten als unstrukturierte Propositionen darstellbar. Zur Erinnerung: Unstrukturierte Propositionen sind Mengen möglicher Welten. Da es 119 Die Liste möglicher Typisierungen ist keineswegs vollständig. Möglicherweise gibt es weitere ›reine‹ Typisierungen. So unterscheidet Chalmers beispielsweise von dem phänomenalen Gehalt und dem allgemeinen russellschen Gehalt noch eine dritte Art von allgemeinem Gehalt: den fregeanischen Gehalt (vgl. Chalmers (2006b), S. 58 ff.). In jedem Fall sind aber Mischformen möglich. So lassen sich z. B. von singulären russellschen Gehalten singuläre phänomenale Gehalte und, sollte Chalmers Unterscheidung übernommen werden, singuläre fregeanische Gehalte unterscheiden. Wir müssen hier jedoch nicht auf alle Optionen eingehen. Die Natur des Verhältnisses zwischen abstrakten und konkreten Gehalten von Wahrnehmungen, um das es uns hier geht, sollte hinreichend deutlich geworden sein.
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sich hier um Gehalte von Wahrnehmungen handelt, sind diese Welten zudem zentriert. 120 Wir erhalten: 121 Phänomenale Gehalte entsprechen, wenn wir Chalmers und Shoemaker folgen, Mengen zentrierter möglicher Welten, für die in etwa Folgendes gilt: Ein bestimmter Ausschnitt des physikalischen Raumes in der unmittelbaren Umgebung des Zentrums der jeweiligen Welt (d. i. in etwa das Blickfeld des wahrnehmenden Subjektes) ist auf eine Weise mit Gegenständen gefüllt, die damit vereinbar ist, dass die sichtbaren Eigenschaften dieser Gegenstände genau so sind, wie sie sich dem Subjekt im Wahrnehmungsfeld präsentieren. Allgemeine russellsche Gehalte entsprechen Mengen zentrierter möglicher Welten, für die in etwa Folgendes gilt: Ein bestimmter Ausschnitt des physikalischen Raumes in der unmittelbaren Umgebung des Zentrums ist auf eine Weise mit Gegenständen gefüllt, die damit vereinbar ist, dass die sichtbaren Eigenschaften dieser Gegenstände genau die physikalischen Eigenschaften sind, mit denen die phänomenalen Qualitäten der Wahrnehmungen des Subjektes co-variieren. Singuläre russellsche Gehalte entsprechen Mengen zentrierter möglicher Welten, für die in etwa Folgendes gilt: Ein bestimmter Ausschnitt des physikalischen Raumes in der unmittelbaren Umgebung des Zentrums ist auf eine Weise mit Gegenständen gefüllt, die damit vereinbar ist, dass die sichtbaren Eigenschaften dieser Gegenstände genau die physikalischen Eigenschaften sind, mit denen die phänomenalen Qualitäten der Wahrnehmungen des Subjektes co-variieren, und diese Gegenstände sind dieselben Gegenstände, die das Subjekt tatsächlich wahrnimmt. Ob diesen unstrukturierten Propositionen strukturierte Propositionen entsprechen, ist umstritten. Einige Autoren verneinen, dass es auch nur prinzipiell möglich sei, die Gehalte von Wahrnehmungen durch sprachlich strukturierte Entitäten vollständig darzustellen. 122 Unabhängig davon, ob das richtig ist, ist es offenkundig, dass die Gehalte von Wahrnehmungen zu reichhaltig sind, als dass eine solche Darstellung durchführbar wäre. Daher bietet sich für die Darstellung Siehe Kapitel 12.1. Diese Art unstrukturierter Propositionen entspricht ziemlich genau Peacockes Konzeption des Szenario-Gehaltes hscenario contenti (vgl. Peacocke (1992)). 122 Vgl. z. B. Heck (2007) oder Kelly (2001). 120 121
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vollständiger Wahrnehmungsgehalte die Konzeption unstrukturierter Propositionen in jedem Fall an. Anders verhält es sich mit der vierten Art von Gehalt. Die Typisierung nach einzelnen Inhalten oder Arten von Inhalten können wir durch Sätze ausdrücken. Für sie bietet sich daher die Konzeption strukturierter Propositionen an. Den Gehalt beispielsweise, der einem Typ von Wahrnehmungsfeldern entspricht, in denen ein bestimmter Gegenstand rot ist, können wir durch einen Satz der Form »a ist rot« ausdrücken (wobei »a« irgendein rigider Designator für den fraglichen Gegenstand ist). Und den Gehalt, der einem Typ von Wahrnehmungsfeldern entspricht, in denen irgendetwas rot ist, können wir durch den Satz »etwas ist rot« ausdrücken usw. Entsprechend lassen sich Wahrnehmungen mit diesem Gehalt durch entsprechende Sätze zuschreiben (»s nimmt wahr, dass a rot ist«, »s nimmt wahr, dass etwas rot ist« usw.). Die Konzeption, wonach die propositionalen Gehalte von Wahrnehmungen lediglich Typisierungen von Wahrnehmungsfeldern sind, soll psychologische Konzeption heißen. Das Wesentliche an dieser Konzeption lässt sich besonders gut durch einen Vergleich mit dem Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung hervorheben. Zur Erinnerung: Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung: Die Wahrnehmungsfelder, die sich Subjekten in der Wahrnehmung präsentieren, sind das, was wir wahrnehmen. Das Präsentieren der Wahrnehmungsfelder ist also nichts anderes als das Wahrnehmen selbst. 123 Die Rolle des Analogons zum Erfassen von Propositionen im Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen spielt dementsprechend eine von diesem Präsentieren verschiedene Relation. Sie soll Relation R heißen. Es gilt: Wahrnehmungsfelder präsentieren sich den Subjekten der Wahrnehmung, indem diese in R zu bestimmten Propositionen stehen. Sollte die psychologische Konzeption richtig sein, würde dieses Modell den tatsächlichen Sachverhalt auf den Kopf stellen. Gemäß diesem Modell präsentiert sich uns in der Wahrnehmung ein Wahrnehmungsfeld, weil wir in einer bestimmten Relation zu einer Proposition stehen. Gemäß der psychologischen Konzeption ist es jedoch umge123 Das bedeutet natürlich wiederum, dass Wahrnehmungsfeldern ein entsprechender ontologischer Status zugeschrieben werden muss.
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kehrt: Wir stehen in bestimmten Relationen zu bestimmten Propositionen, weil sich uns in der Wahrnehmung ein bestimmtes Wahrnehmungsfeld präsentiert. Dieses Sich-Präsentieren eines Wahrnehmungsfeldes macht die eigentliche Wahrnehmung aus. Die verschiedenen Propositionen, die als abstrakte Gehalte einer Wahrnehmung gelten können, sind lediglich verschiedene Typisierungen dieses Wahrnehmungsfeldes. Wie Crane richtig (das heißt, richtig für Wahrnehmungen) bemerkt: »[…] it is not part of the fundamental psychological reality of the act that it is a relation to a proposition.« 124
Sollte die psychologische Konzeption richtig sein, hieße das zudem, dass die Intentionalität von Wahrnehmungen von ganz anderer Art wäre als die Intentionalität propositionaler Einstellungen. Propositionale Einstellungen weisen, entgegen Cranes Auffassung, keinen konkreten Gehalt auf. Für sie scheint etwas wie das fregeanische AktObjekt-Modell durchaus adäquat zu sein. Wenn ich beispielsweise eine Überzeugung in Bezug auf Angela Merkel habe, scheint es so zu sein, dass ich mich auf Angela Merkel beziehe, indem ich eine Proposition erfasse. Angela Merkel ist nicht unabhängig von meinem Erfassen einer Proposition ein Gegenstand meiner Überzeugung. Mit der psychologischen Konzeption verfügen wir nun über eine Alternative zu den herkömmlichen Modellen, die mit der moderaten Propositionalitäts-Annahme vereinbar ist. Zur Erinnerung: Die moderate Propositionalitäts-Annahme: Für jede Wahrnehmung w und ihr Subjekt s gilt: Es gibt mindestens eine Proposition p, sodass die folgende Zuschreibung wahr ist: »s nimmt (in w) wahr, dass p«. Voraussetzung für die Vereinbarkeit der psychologischen Konzeption mit dieser Annahme ist, dass die in der Zuschreibung ausgedrückten Propositionen abstrakte Gehalte der Wahrnehmungen sind. Und gegen diese Voraussetzung ist, wie wir festgestellt haben, nichts einzuwenden. Ist es aber auch tatsächlich gerechtfertigt, die psychologische Konzeption den genannten herkömmlichen Modellen vorzuziehen? Das wäre sicherlich dann der Fall, wenn sie hinsichtlich der fünf oben aufgeführten Probleme signifikant besser abschneiden würde als die 124
Crane (2013), S. 242.
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Wahrnehmungsintentionalität
herkömmlichen Modelle. Gehen wir die Probleme also noch einmal in Hinblick auf diese Fragestellung durch. Problem 1 war, dass im Rahmen des Akt-Proposition+ObjektModells der Wahrnehmung die Möglichkeit von Halluzinationen nicht auf eine mit der Phänomenologie der Wahrnehmung vereinbare Weise erklärbar ist. Die psychologische Konzeption bietet Möglichkeiten für eine solche Erklärung. Allerdings muss eingeräumt werden, dass diese Möglichkeiten nicht frei von Schwierigkeiten sind. Denn jede dieser Erklärungen muss die These enthalten, dass die Inhalte der Wahrnehmungsfelder, die sich dem Subjekt einer Halluzination präsentieren, konkrete, nicht-physische Entitäten sind. In der einschlägigen Literatur finden wir zwei Vorschläge, die diese Bedingung erfüllen. Erstens: Es handelt sich um Sinnesdaten (konkrete, existierende, subjektive Gegenstände). 125 Zweitens: Es handelt sich um sogenannte meinongianische Gegenstände (konkrete, nicht-existierende, objektive Gegenstände). 126 Beide Vorschläge werden für gewöhnlich als wenig attraktiv angesehen. Diese Art der Lösung des ersten Problems im Rahmen der psychologischen Konzeption wird also möglicherweise nicht jeden überzeugen. 127 Vgl. u. a. Jackson (1977), Perkins (1983) oder Robinson (1994). Vgl. A. D. Smith (2002) oder Knight (2013). 127 Hier könnte jemand einwenden, dass es noch eine weitere Möglichkeit gebe. Man könne die Existenz des Problems selber bestreiten, d. h. man könnte bestreiten, dass eine Theorie der Wahrnehmung überhaupt verpflichtet ist, der Möglichkeit von Halluzinationen gerecht zu werden. Hinter dieser Strategie steht eine Auffassung, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut: der sog. Disjunktivismus (vgl. u. a. Dancy (1995), Hinton (1967) und (1973), Langsam (1997), Martin (2002) und (2004), McDowell (1982), Putnam (1999), Snowdon (1980/1) und (1990), Willascheck (2003) sowie die Arbeiten in Haddock und Macpherson (2008)). Die an dieser Stelle entscheidende Grundidee des Disjunktivismus ist, dass Wahrnehmungen und Halluzinationen nicht derselben fundamentalen Art von mentalem Zustand angehören (vgl. z. B. Martin (2002), S. 404). Sollte das richtig sein, wäre eine Theorie der Wahrnehmung in der Tat nicht verpflichtet, der Möglichkeit von Halluzinationen gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund einer phänomenologischen Konzeption der Wahrnehmung, wie der, die unserer Diskussion zugrunde liegt, ist der Disjunktivismus in dieser Spielart jedoch keine ernsthafte Option (was nicht bedeutet, dass diese Konzeption nicht mit moderateren Spielarten des Disjunktivismus vereinbar wäre (siehe Abschnitt 6.1)). Denn nach dieser Konzeption sind Wahrnehmungen wesentlich Zustände, in denen sich dem jeweiligen Subjekt Wahrnehmungsfelder präsentieren. Und unter diese Art von Zuständen fallen eben auch Halluzinationen. Zudem gilt: Auch die Wahl einer Konzeption der Wahrnehmung, wonach Halluzinationen und Wahrnehmungen nicht mehr Zustände derselben Art wären, würde das Problem lediglich verschieben. Denn 125 126
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12 · Gedankenintentionalität und Wahrnehmungsintentionalität
Problem 2 war, dass das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung nicht die Ressourcen enthält, um den grundsätzlichen Unterschieden zwischen Wahrnehmungen und propositionalen Einstellungen gerecht zu werden. Als die beiden wichtigsten Unterschiede hatten wir genannt: (a) In einer Wahrnehmung präsentiert sich dem Subjekt ein Wahrnehmungsfeld. (b) Das Wahrnehmungsfeld selbst weist eine Aspektgestalt auf. Die psychologische Konzeption bietet entsprechende Ressourcen. In Bezug auf Unterschied (a) ist das offenkundig. Der Kern dieser Konzeption besteht in der Annahme, dass sich dem Subjekt einer Wahrnehmung ein Wahrnehmungsfeld präsentiert. Aber auch in Bezug auf Unterschied (b) treten keine grundsätzlichen Probleme auf. Sollten die Inhalte von Wahrnehmungsfeldern Sinnesdaten oder meinongianische Gegenstände sein, ließe sich der Unterschied dadurch erklären, dass diese Gegenstände dünne Entitäten sind, Entitäten also, denen eine bestimmte Aspektgestalt wesentlich ist. Sollte es sich um physikalische Gegenstände handeln, ließe sich der Unterschied, zumindest prima facie, mit Verweis auf die jeweilige Perspektive des Subjektes erklären. Problem 3 war, dass Propositionen entweder abstrakte Gegenstände sind oder abstrakte Gegenstände enthalten und daher nicht die Art von Entitäten sind, die sich, wie es das Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung fordert, einem Subjekt in der Wahrnehmung präsentieren könnten. Für die psychologische Konzeption stellt sich dieses Problem nicht. Denn in ihr wird die Annahme, dass sich einem Subjekt in der Wahrnehmung eine Proposition präsentiert, ausdrücklich verneint. Problem 4 ergab sich aus der hohen Plausibilität des GehaltsPluralismus – der These, dass mehr als eine Art von Propositionen mit gleichem Recht Gehalte von Wahrnehmungen genannt werden dadurch würde sich nichts an der phänomenologischen Tatsache ändern, dass sich dem Subjekt einer Halluzination ein Wahrnehmungsfeld präsentiert. Und dieser Tatsache müsste eine entsprechende Theorie weiterhin gerecht werden. Dem Disjunktivisten steht zwar der Weg offen, diese Tatsache zu bestreiten und sich auf den Standpunkt zu stellen, das Subjekt einer Halluzination glaube eben nur (fälschlicherweise), dass sich ihm ein Wahrnehmungsfeld präsentiere. Das scheint mir jedoch ein hoffnungsloser Standpunkt zu sein. In diesem Bereich ist ein solcher Irrtum nicht möglich (zu einer anders gelagerten, überzeugenden Kritik an dieser Spielart des Disjunktivismus vgl. Siegel (2008)).
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Zusammenfassung Kapitel 12
können. Im Rahmen der drei an propositionalen Einstellungen orientierten Modelle scheint es jeweils eine eindeutige Antwort auf die Frage geben zu müssen, welche Proposition der Gehalt einer Wahrnehmung ist. Die psychologische Konzeption dagegen wird dem Gehalts-Pluralismus in eleganter Weise gerecht. Der Gehalts-Pluralismus ergibt sich einfach aus der Tatsache, dass Wahrnehmungsfelder auf verschiedene Art typisiert werden können. Problem 5 war die Unverträglichkeit des Akt-Proposition+Objekt-Modells der Wahrnehmung und des Akt-Proposition=ObjektModells der Wahrnehmung mit der Falschheit der Begriffs-BesitzAnnahme. Im Rahmen dieser Modelle kann nicht erklärt werden, wie das Subjekt der Wahrnehmung in einer bestimmten Relation zu einer Proposition stehen kann, die konstitutiv für die Art sein soll, wie es in dieser Wahrnehmung die Welt repräsentiert, ohne über die in dieser Proposition enthaltenen Begriffe zu verfügen. Für die psychologische Konzeption stellt sich auch dieses Problem nicht. Eine Wahrnehmung besteht in dem Sich-Präsentieren eines Wahrnehmungsfeldes. Dafür ist, wie wir festgestellt haben, der Besitz von Begriffen auf Seiten des Subjektes nicht nötig. Und daraus, dass Wahrnehmungsfelder auf verschiedene Arten typisiert werden können, die verschiedenen Propositionen entsprechen, lässt sich eine solche Notwendigkeit ebenso wenig ableiten. Wir können also festhalten, dass die psychologische Konzeption gut mit den Problemen zurechtkommt, an denen das Akt-Proposition +Objekt-Modell der Wahrnehmung und das Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung gescheitert sind. Daher ist sie den letzteren vorzuziehen.
12.3 Zusammenfassung Kapitel 12 Das Ergebnis des Kapitels 10, dass der (allgemeine) intentionale Gehalt einer Wahrnehmung mit der Art zusammenfällt, auf die das Wahrnehmungsfeld des Subjektes dieser Wahrnehmung mit Inhalten gefüllt ist (d. i. mit der phänomenalen Qualität der Wahrnehmung), wirft die Frage auf, wie sich die Intentionalität der Wahrnehmung zum Beispiel zur Intentionalität sogenannter propositionaler Einstellungen verhält, in denen sich dem jeweiligen Subjekt kein Wahrnehmungsfeld präsentiert. Mit dieser Frage haben wir uns in Kapitel 12 337 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
12 · Gedankenintentionalität und Wahrnehmungsintentionalität
befasst. In Abschnitt 12.1 haben wir zunächst eine Konzeption der Intentionalität mentaler Zustände skizziert, die wir die Konzeption der Gedankenintentionalität genannt haben. Gemäß dieser Konzeption weist ein mentaler Zustand nur dann Intentionalität auf, wenn er die folgenden Bedingungen erfüllt: (i) Er weist Erfüllungsbedingungen auf (Repräsentationalitäts-Bedingung). (ii) Er weist propositionale Gehalte auf (Propositionalitäts-Bedingung). (iii) Er ist so, dass Subjekte sich nur in ihm befinden können, wenn sie (die Subjekte) über die in diesen Propositionen enthaltenen Begriffe verfügen (Begriffs-Besitz-Bedingung). Die Konzeption der Gedankenintentionalität ist unverkennbar an propositionalen Einstellungen orientiert. Viele Autoren halten sie jedoch auch für die Intentionalität der Wahrnehmung für angemessen. Im weiteren Verlauf des Abschnittes haben wir untersucht, ob diese Ansicht korrekt ist. Das heißt, wir haben für jede der drei Bedingungen untersucht, ob sie von Wahrnehmungen erfüllt wird. Während wir dies für die Repräsentationalitäts-Bedingung zugestanden haben, haben wir in Bezug auf die anderen beiden Bedingungen festgestellt, dass dies nicht der Fall ist. Zunächst haben wir die Begriffs-Besitz-Bedingung diskutiert. Die Behauptung, Wahrnehmungen erfüllten diese Bedingung, haben wir mit folgendem Argument abgelehnt: Der intentionale Gehalt einer Wahrnehmung ist vollständig durch das Wahrnehmungsfeld bestimmt, das sich dem Subjekt der Wahrnehmung präsentiert (Inseparatismus). Ein Subjekt muss jedoch nicht über Begriffe verfügen, damit sich ihm ein Wahrnehmungsfeld präsentieren kann. Folglich erfüllen Wahrnehmungen nicht die Begriffs-Besitz-Bedingung. Die Diskussion der Propositionalitäts-Bedingung gestaltete sich etwas aufwendiger. Wir haben zwei Modelle davon unterschieden, was es bedeuten könnte, dass Propositionen die Gehalte von Wahrnehmungen sind. Gemäß dem Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung stehen die Subjekte von Wahrnehmungen in einer Relation R zu einer Proposition, und indem sie in dieser Relation zu dieser Proposition stehen, präsentieren sich ihnen die jeweiligen Wahrnehmungsfelder. Gemäß dem Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung sind die Wahrnehmungsfelder, die sich Subjekten in der Wahrnehmung präsentieren, selber Propositionen. Wir haben 338 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Zusammenfassung Kapitel 12
insgesamt fünf Probleme aufgeworfen, die sich für jeweils eines oder beide dieser Modelle stellen. Das Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung scheint mit der Möglichkeit von Halluzinationen unvereinbar zu sein und scheint grundsätzlichen Unterschieden zwischen Wahrnehmungen und propositionalen Einstellungen nicht gerecht werden zu können. Und gegen das Akt-Proposition=ObjektModell der Wahrnehmung spricht unter anderem, dass eine Proposition nicht die Art von Entität ist, die zu einem Subjekt in der Relation des Sich-Präsentierens stehen kann. Diese und andere Probleme haben zu dem Ergebnis geführt, dass auch die Propositionalitäts-Bedingung von Wahrnehmungen als nicht erfüllt angesehen werden muss. In Abschnitt 12.2 haben wir in Anlehnung an Crane eine alternative Konzeption der Intentionalität der Wahrnehmung skizziert, die sowohl damit vereinbar ist, dass Wahrnehmungen die BegriffsBesitz-Bedingung und die Propositionalitäts-Bedingung nicht erfüllen, als auch die Probleme des Akt-Proposition+Objekt-Modells der Wahrnehmung und des Akt-Proposition=Objekt-Modells der Wahrnehmung vermeidet. Diese Konzeption haben wir die psychologische Konzeption genannt. Darin haben wir zwischen einem konkreten und einem abstrakten Gehalt unterschieden. Während der konkrete Gehalt einer Wahrnehmung einfach das Wahrnehmungsfeld ist, das sich dem Subjekt der Wahrnehmung präsentiert, sind abstrakte Gehalte mögliche Typisierungen des Wahrnehmungsfeldes. Diese Konzeption ist damit vereinbar, dass Wahrnehmungen die Begriffs-Besitz-Bedingung und die Propositionalitäts-Bedingung nicht erfüllen. Und, wie wir abschließend feststellen konnten, vermeidet sie zudem die Probleme des Akt-Proposition+Objekt-Modells der Wahrnehmung und des Akt-Proposition=Objekt-Modells der Wahrnehmung.
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13 Fragen und Perspektiven
Erinnern wir uns daran, wie die Zielsetzung dieser Arbeit in der Einleitung umrissen wurde. Ich habe dort im Anschluss an Frank Jackson betont, dass sich zentrale metaphysische Fragen wie die Frage nach der Reduzierbarkeit von etwas nur auf der Grundlage eines guten Verständnisses dessen, was reduziert werden soll, überhaupt sinnvoll stellen lassen. Ob etwas auf etwas anderes reduzierbar ist, lässt sich nur beurteilen, wenn man weiß, was es ist, dessen Reduzierbarkeit in Frage steht. Und diese Frage (die Wesens-Frage) für das phänomenale Bewusstsein beziehungsweise das phänomenale Erscheinen von etwas zu beantworten, sollte das primäre Ziel der Arbeit sein. Dieses Ziel haben wir erreicht, indem wir eine These ausführlich erläutert und verteidigt haben, die wir die Transparenzthese genannt haben. Notwendigerweise gilt: Wenn einem Subjekt etwas erscheint, dann erscheint es ihm als Gegenstand und nicht als Subjekt seiner Erfahrung. In dieser These drückt sich die spezifische Subjekt-Gegenstands-Struktur aus, die das Wesen des Erscheinens von etwas ausmacht. Drei Aspekte dieser Struktur verdienen über die Fragestellung der Arbeit hinaus besondere Beachtung. Erstens: Die Eigenschaft, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Und die Eigenschaft, die Gegenstands-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen, verhalten sich komplementär zueinander. Die Eigenschaft, die Subjekt-Rolle zu spielen, kann also nicht instanziiert sein, ohne dass die Eigenschaft, die Gegenstands-Rolle zu spielen, ebenfalls (mindestens einmal) instanziiert ist – und umgekehrt. Beide Instanzen bilden eine Subjekt-Gegenstands-Struktur. Oder, ohne den von uns eingeführten Fachjargon ausgedrückt, nichts kann das Subjekt einer Erfahrung sein, ohne dass etwas der Gegenstand dieser Erfahrung ist – und umgekehrt. Zweitens: Insofern etwas die Gegenstands-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur spielt, weist es bestimmte Eigenschaften auf. Wir sprechen davon, dass der jeweilige intentionale Gegenstand als Träger dieser Eigenschaften er340 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
13 · Fragen und Perspektiven
scheint. In jedem Kontext (Subjekt, Zeitpunkt) gilt jedoch, dass es für viele Eigenschaften nicht möglich ist, dass intentionale Gegenstände als Träger dieser Eigenschaften erscheinen. Für mindestens eine wichtige Eigenschaft gilt dies zudem in jedem Kontext: für die Eigenschaft, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Es ist unmöglich, dass etwas (jemand) als Subjekt einer Erfahrung erscheint – unabhängig davon, ob er selbst das Subjekt dieser Erfahrung ist, oder nicht. Das ist, was durch (Trans.-neg.), den negativen Teil der Transparenzthese, ausgedrückt wird. Drittens: Die Art, wie es für ein Subjekt ist, eine Wahrnehmung zu haben, erschöpft sich vollständig in den (phänomenalen) Gegenständen dieser Wahrnehmung. Keine Eigenschaft des Subjektes (als solchem) spielt hierbei eine Rolle. Dieses Ergebnis wirft verschiedene philosophisch interessante Fragen auf, die sich auf verschiedene Themenbereiche beziehen. Einige dieser Fragen haben wir im Verlauf unserer Untersuchung bereits ganz oder teilweise beantwortet. Alle weiteren müssen im Rahmen dieser Arbeit unbeantwortet bleiben. Zum Abschluss möchte ich aber zumindest einen kurzen Blick auf die wichtigsten von ihnen werfen und gegebenenfalls Hinweise geben, in welche Richtung die richtige Antwort zu suchen ein könnte. Wir wollen uns dabei an einer diesem Zweck angepassten Einteilung in Themenbereiche orientieren. Theorien der Wahrnehmung und des Erscheinens Für die Frage nach der richtigen Theorie der Wahrnehmung gilt dasselbe, was für Fragen nach der Reduzierbarkeit von etwas gilt: Sie lässt sich nur sinnvoll stellen, wenn man weiß, wovon diese Theorie eine Theorie sein soll. Nur wenn man weiß, wann etwas eine Wahrnehmung ist, ist man in der Lage zu beurteilen, ob eine Theorie eine adäquate Theorie der Wahrnehmung ist. Den wichtigsten Teil der Antwort auf diese Frage haben wir gegeben: Wahrnehmungen sind Zustände des Erscheinens, das heißt Subjekt-Gegenstands-Strukturen. Und keine Theorie der Wahrnehmung, die dieser Tatsache nicht gerecht wird, kann für sich in Anspruch nehmen, eine adäquate Theorie der Wahrnehmung zu sein. Eine wichtige Frage, die dieses Ergebnis aufwirft, lautet also: Welche Theorien der Wahrnehmung sind damit vereinbar, dass es sich bei Wahrnehmungen (unter anderem) um Subjekt-Gegenstands-Strukturen handelt? In Bezug auf einige der klassischen Wahrnehmungstheorien lässt sich diese Frage leicht beantworten. Das sind die Theorien, in 341 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
13 · Fragen und Perspektiven
denen die genannte Struktur grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das deutlichste Beispiel einer solchen Theorie ist der sogenannte Adverbialismus. Verstanden als eine metaphysische Theorie besagt er, dass Wahrnehmungen intrinsische Eigenschaften oder Modifikationen von Subjekten seien und als solche keine Subjekt-GegenstandsStruktur aufwiesen. 128 Sollte das in dieser Arbeit erzielte Ergebnis, dass Wahrnehmungen wesentlich Subjekt-Gegenstands-Strukturen sind, korrekt sein (wovon ich ausgehe), wäre der Adverbialismus als Theorie der Wahrnehmung von vornherein ausgeschlossen. Denn in diesem Fall wäre die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Wahrnehmung nicht lediglich eine unter mehreren theoretischen Optionen. Sie wäre vielmehr eine Adäquatheitsbedingung für jede Theorie der Wahrnehmung. Auf der anderen Seite gibt es mit der Sinnesdatentheorie eine Theorie der Wahrnehmung, die mit der Subjekt-Gegenstands-Struktur der Wahrnehmung ebenso klar vereinbar ist, wie der Adverbialismus nicht mit ihr vereinbar ist. Gemäß der Sinnesdatentheorie ist die Gegenstands-Rolle in jeder Wahrnehmung durch subjektive, konkrete, mentale Gegenstände (die Sinnesdaten) besetzt. Mit der Verpflichtung auf Entitäten wie eben diese Sinnesdaten zahlt der Sinnesdatentheoretiker für die Erfüllung der oben genannten Adäquatheitsbedin128 Eine gute Beschreibung der Idee des Adverbialismus gibt Roderick Chisholm: »[…] so called appearances […] are ›affections‹ or ›modifications‹ of the person who is said to experience them. And this is simply to say that those sentences in which we seem to predicate properties of appearances can be paraphrased into other sentences in which we predicate properties only of the self or person who is said to sense those appearances. If this is correct, then appearances would be paradigm cases of what the scholastics called ›entia entis‹ or ›entia per accidens.‹ These things are not entities in their own right; they are ›accidents‹ of other things. And what they are accidents of are persons or selves« (Chisholm (1969), S. 17). Die Paraphrase, von der Chisholm spricht, ist die bekannte adverbiale Analyse, der der Adverbialismus seinen Namen verdankt. Durch sie soll der Eindruck weg-erklärt werden, in Sätzen wie »Ich erfahre etwas als rot« würde über eine Relation zwischen einem Subjekt und einem (vermeintlich roten) Gegenstand berichtet. Gemäß dieser Analyse ist der Satz in Wahrheit zu lesen als: »Ich erfahre auf rot-artige Weise« o. ä. In dieser Lesart enthält der Satz keine Bezugnahme auf einen Gegenstand mehr. (Die Idee dieser Analyse geht auf Ducasse zurück (vgl. Ducasse (1942)). Zu gut ausgearbeiteten Versionen dieser Analyse vgl. Tye (1984) sowie Sellars (1975). Zu Kritik an der Adäquatheit derartiger Analysen vgl. u. a. Casullo (1987) sowie Jackson (1975), (1976) und (1977)). Es sollte jedoch beachtet werden, dass der Erfolg der adverbialistischen Analyse keine Voraussetzung für die Wahrheit der metaphysischen Theorie des Adverbialismus ist (vgl. dazu Pendlebury (1998), S. 102).
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13 · Fragen und Perspektiven
gung allerdings auch einen hohen Preis. Ein großer Teil der jüngeren Philosophie der Wahrnehmung kann als Versuch verstanden werden, zwischen der Skylla des Adverbialismus (d. i. der Leugnung der Subjekt-Gegenstands-Struktur der Wahrnehmung) und der Charybdis der Sinnesdatentheorie (d. i. der Verpflichtung auf unliebsame mentale Gegenstände) hindurchzusegeln. Im Verlauf der Arbeit ist allerdings bereits angeklungen, dass der Erfolg dieses Unternehmens sehr viel ungewisser ist, als für gewöhnlich angenommen wird. Jede Theorie, die dies leisten soll, muss zwei Bedingungen erfüllen: (a) Sie muss sicherstellen, dass es in jedem Zustand des Erscheinens etwas gibt, was die Gegenstands-Rolle spielt. (b) Sie muss sicherstellen, dass in jedem Zustand des Erscheinens das, was die Gegenstands-Rolle spielen soll, etwas ist, was diese Rolle auch tatsächlich spielen kann. Für beinahe jede der verbliebenen geläufigen Theorien der Wahrnehmung gilt, dass (a) oder (b) zumindest prima facie ein Problem darstellen. Geht man über Details hinweg, lassen sich diese Theorien in zwei Typen einteilen, die wir als Intentionalismus und naiven Realismus bezeichnen können. Beide respektieren die Subjekt-Gegenstands-Struktur der Wahrnehmung. Sie unterscheiden sich jedoch darin, was in ihnen als notwendig für das Vorliegen dieser Struktur angesehen wird. Vertreter des naiven Realismus sind der Ansicht, die spezifische Subjekt-Gegenstands-Struktur der Wahrnehmung könne nur vorliegen, wenn ein konkreter, physischer Gegenstand existiere, von dem die Wahrnehmung handle. Mit anderen Worten: Sie nehmen an, dieser Gegenstand sei selbst ein konstitutiver Bestandteil der Wahrnehmung. 129 Vertreter des Intentionalismus dagegen sind der Ansicht, es sei hinreichend, wenn die jeweilige Wahrnehmung einen intentionalen Gegenstand habe, wobei intentionale Gegenstände weder konkret sein müssen, noch existieren müssen. Welche der Bedingungen (a) und (b) für welchen dieser beiden Typen von Theorien ein Problem darstellt, liegt auf der Hand. Bedingung (a) stellt ein Problem für den naiven Realismus dar. Dieses Problem ist altbekannt: Halluzinationen scheinen Zustände des Erschei129 So heißt es beispielsweise bei Brewer: »The basic idea is that the core subjective character of perceptual experience is given simply by citing the physical object which is the mind-independent direct object.« (Brewer (2007), S. 91.) Vgl. auch Alston (1999), Brewer (2006) und (2011), Martin (2004) und (2006) sowie Travis (2004).
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13 · Fragen und Perspektiven
nens (d. i. Zustände mit einer Subjekt-Gegenstands-Struktur) zu sein, für die nicht gilt, dass ein konkreter, physischer Gegenstand existiert, von dem sie handeln. Der naive Realist hat nur zwei Möglichkeiten, auf dieses Problem zu reagieren: Er leugnet, dass die Möglichkeit von Halluzinationen besteht, oder er bestreitet, dass Halluzinationen Zustände des Erscheinens (d. i. Zustände mit einer SubjektGegenstands-Struktur) sind. Ein Autor, der vorbehaltlos die erste Möglichkeit akzeptiert, ist mir nicht bekannt. 130 Die zweite Möglichkeit dagegen wird von einer Reihe von Autoren gewählt. 131 Es handelt sich um eine starke Form des sogenannten Disjunktivismus, der Auffassung also, wonach wirklichkeitsgetreue Wahrnehmungen und Halluzinationen keine Zustände derselben fundamentalen Art sind. Diese Form des Disjunktivismus hat jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Eine davon haben wir bereits in Kapitel 6 angesprochen: Die Subjekt-Gegenstands-Struktur scheint eine notwendige Bedingung dafür zu sein, dass ein Zustand eine wahrnehmungsartige phänomenale Qualität aufweist (d. i. dass es für ein Subjekt so ist, wie es für jemanden ist, eine Wahrnehmung zu haben). Da es aber für das Subjekt einer Halluzination so ist, als habe es eine Wahrnehmung (das bestreitet auch der Disjunktivist nicht), scheint es ausgeschlossen zu sein, dass Halluzinationen keine Subjekt-Gegenstands-Struktur aufweisen. 132 Bedingung (b) dagegen stellt ein Problem für den Intentionalismus dar. Auf dieses Problem sind wir im Verlauf der Arbeit ebenfalls bereits gestoßen: Es ist äußerst fraglich, ob die Gegenstände, die gemäß verschiedener Versionen des Intentionalismus in Fällen von Halluzinationen die Gegenstands-Rolle in dem jeweiligen Zustand des Erscheinens spielen sollen, auch tatsächlich in der Lage sind, diese Rolle zu spielen. Die vorgeschlagenen Gegenstände sind entweder nicht konkret oder sie existieren nicht. Und es ist nur schwer zu akzeptieren, dass Gegenstände, die eine dieser Eigenschaften aufweisen, in der Relation des Sich-Präsentierens zu uns stehen und die Inhalte unserer Wahrnehmungsfelder sein könnten. Wir müssen also feststellen, dass sich aus der Subjekt-Gegen-
130 Bei John Austin finden sich allerdings Andeutungen, die in diese Richtung weisen (vgl. Austin (1962)). 131 Vgl. u. a. die Literatur in Fn. 127 in Kapitel 12. 132 Zu anderen Kritiken an dieser Form des Disjunktivismus vgl. Farkas (2008), Lowe (2008) oder Siegel (2004) und (2008).
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13 · Fragen und Perspektiven
stands-Struktur der Wahrnehmung auch für den naiven Realismus und den Intentionalismus einige nicht unerhebliche Schwierigkeiten ergeben. Sollten diese Schwierigkeiten sich nicht lösen lassen, wird man akzeptieren müssen, dass sich aus der Subjekt-GegenstandsStruktur der Wahrnehmung sehr wohl eine schwerwiegende ontologische Verpflichtung ergibt. Und man wird eventuell gezwungen sein, auf eine Spielart der Sinnesdatentheorie zurückzugreifen. Die Rolle der Wahrnehmung und des Erscheinens in der Rechtfertigung von Wissen Wahrnehmungen beziehungsweise Zustände des Erscheinens spielen in Rechtfertigungen von zwei Arten von Urteilen eine prominente Rolle: in Rechtfertigungen von Selbstzuschreibungen eben dieser Zustände selbst (d. i. in Urteilen, die Selbstwissen ausdrücken) und in Rechtfertigungen von Wahrnehmungsurteilen über die Außenwelt. Unser Ergebnis, dass Wahrnehmungen wesentlich eine Subjekt-Gegenstands-Struktur aufweisen, hat Folgen für beide Arten der Rechtfertigung. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Folgen für die Rechtfertigung von Selbstwissen. Wir haben (in Kapitel 9) festgestellt, dass die Subjekt-Gegenstands-Struktur von Wahrnehmungen mit dem sog. Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins unvereinbar ist, dem Modell also gemäß dem das grundlegende Selbstbewusstsein in irgendeiner Art von beobachtungsartiger Reflexion auf das Subjekt und/oder seine Erfahrungen besteht. Die Unhaltbarkeit dieses Modells schließt zugleich ein traditionsreiches und noch heute beliebtes Modell der Rechtfertigung von Selbstwissen aus, das auf ihm beruht. Gemäß diesem Modell wird das Selbstwissen von den eigenen Wahrnehmungen durch die beobachtungsartigen Zustände gerechtfertigt, die, gemäß dem Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins, unser grundlegendes Selbstbewusstsein dieser Wahrnehmungen ausmachen. Das wirft die Frage auf, ob die Unvereinbarkeit mit diesem Modell der Rechtfertigung von Selbstwissen ein Problem für unsere Auffassung von Wahrnehmungen und Zuständen des Erscheinens darstellt. Das ist nicht der Fall. Denn, wie verschiedene Autoren gezeigt haben, ist das genannte Modell der Rechtfertigung ohnehin nicht haltbar. Wären die Selbstzuschreibungen unserer Wahrnehmungen auf die darin geschilderte Weise durch beobachtungsartige, auf unsere Wahrnehmungen gerichtete Zustände gerechtfertigt, 345 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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müsste das Personalpronomen der ersten Person Singular einer Art nach innen gerichtetem Demonstrativpronomen entsprechen. Wäre das jedoch der Fall, wären bestimmte Eigenheiten des Selbstwissens nicht mehr erklärbar; so zum Beispiel das, was Shoemaker Immunität gegen Fehler durch Fehlidentifikation genannt hat. 133 Darüber hinaus gilt, dass es attraktive Alternativen zu dem genannten Modell der Rechtfertigung von Selbstwissen gibt. Diese Alternativen beruhen auf der folgenden Überlegung: Damit jemand, der, sagen wir, etwas Rotes (als etwas Rotes) wahrnimmt, aufgrund dieser Wahrnehmung in dem Urteil »Dies ist etwas Rotes« gerechtfertigt ist, bedarf es keiner beobachtungsartigen Introspektion der fraglichen Wahrnehmung. Es reicht aus, dass sich ihm in der Wahrnehmung etwas Rotes präsentiert und dass keine guten Gründe gegen die Wirklichkeitstreue der Wahrnehmung sprechen. Mit anderen Worten: Die Rechtfertigung des genannten Urteils ist mit der Transparenz der Wahrnehmung vereinbar. Wenn der Sprecher aber aufgrund seiner Wahrnehmung in dem genannten Urteil gerechtfertigt ist, ist er ipso facto auch in einer Selbstzuschreibung dieser Wahrnehmung gerechtfertigt, das heißt, er ist gerechtfertigt, ein Urteil wie »Mir erscheint etwas als rot« zu fällen. Die Rechtfertigung dieses letzteren Urteils bedarf keiner weiteren Informationen oder Gründe. Im Gegenteil, sie bleibt bestehen, wenn bestimmte Gründe für das erste Urteil wegfallen – wenn zum Beispiel berechtigte Zweifel an der Wirklichkeitstreue der Wahrnehmung auftreten. Folglich muss auch die Rechtfertigung von Selbstzuschreibungen von Zuständen des Erscheinens mit der Transparenz dieser Zustände vereinbar sein. Darüber hinaus deutet die Überlegung an, wie diese Rechtfertigung verläuft. Offenbar verläuft sie nicht grundsätzlich anders als die von demonstrativen Urteilen wie »Dies ist etwas Rotes«. Insbesondere ist die Rolle des Zustandes des Erscheinens, auf dessen Grundlage beide Urteile gefällt werden, offenbar genau dieselbe. Es ist lediglich, dass im Fall des demonstrativen Urteils, Gründe für die ontologische Verpflichtung hinzukommen müssen, die man damit eingeht. 134 Sollte sich diese Idee in konsistenter Weise ausarbeiten lassen, spräche die Unvereinbarkeit der in dieser Arbeit entwickelten Auffassung von Zuständen des Erscheinens mit einer auf dem Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins beruhenden Auffassung der 133 134
Vgl. Shoemaker (1968) und (1996), Kap. 1. Zu entsprechenden Überlegungen vgl. Sellars (1956) und Thomasson (2005).
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13 · Fragen und Perspektiven
Rechtfertigung von Selbstwissen nicht gegen die erstgenannte Auffassung. Betrachten wir nun kurz die Folgen für die Rechtfertigungen von Wissen über die Außenwelt: Zwei Aspekte der Subjekt-Gegenstands-Struktur der Wahrnehmung spielen hier eine wichtige Rolle. Der erste ist die Nicht-Begrifflichkeit des Gehaltes der Wahrnehmung, der sich aus der SubjektGegenstands-Struktur derselben ergibt. Wir haben in Kapitel 12 festgestellt, dass zumindest die Gehalte von Wahrnehmungen, die diese Wahrnehmungen zu den Wahrnehmungen machen, die sie sind, weder Propositionen sind, noch irgendwelche anderen begrifflich strukturierten Entitäten – wenn es so etwas geben sollte. Sollte das richtig sein, stellt sich eine Frage, auf die wir ebenfalls bereits hingewiesen haben: 135 Wie kann eine Wahrnehmung in einer Rechtfertigungs-Relation zu einer Überzeugung stehen, wenn die Wahrnehmung nicht, ebenso wie die Überzeugung, einen propositionalen Gehalt aufweist? Sollte es auf diese Frage keine befriedigende Antwort geben, würde das wiederum die in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse in Frage stellen. Wir wären entweder gezwungen, die These aufzugeben, Wahrnehmungen wiesen wesentlich eine Subjekt-Gegenstands-Struktur auf, oder wir wären gezwungen, die daraus gezogene Schlussfolgerung aufzugeben, Wahrnehmungen hätten keine propositionalen Gehalte. Viele Autoren sind in der Tat der Meinung, es gäbe auf die genannte Frage keine befriedigende Antwort. Hinter dieser Meinung steht in den meisten Fällen die Annahme, die Rechtfertigungs-Relation zwischen einer Wahrnehmung und einer Überzeugung müsse eine inferentielle Relation sein. Diese Annahme spricht in der Tat dagegen, dass eine Wahrnehmung in einer Rechtfertigungs-Relation zu einer Überzeugung stehen kann, ohne einen propositionalen Gehalt aufzuweisen. Denn inferentielle Relationen können nur zwischen Propositionen (oder anderen Arten begrifflich strukturierter Gehalte) bestehen. 136 Die Herausforderung für uns und andere Vertreter der Auffassung, Wahrnehmungen wiesen nicht-begriffliche Gehalte auf, liegt also darin, eine überzeugende Konzeption der Rechtfertigungs-Relation zwischen Wahrnehmungen und Überzeugungen vorzulegen, gemäß der diese Relation nicht oder nicht ausschließlich eine inferentielle Relation ist. Wir können diese Herausforderung im Rahmen dieser Arbeit nicht annehmen. Die Chancen, 135 136
Siehe Fn. 70 in Kapitel 12. Vgl. v. a. Sellars (1956), Kap. 8.
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13 · Fragen und Perspektiven
sie zu bewältigen, scheinen mir jedoch nicht übermäßig schlecht zu stehen. 137 Der zweite der oben genannten Aspekte der Subjekt-Gegenstands-Struktur der Wahrnehmung hat erneut mit der Frage zu tun, welche Art von Gegenständen die Gegenstands-Rolle in dieser Struktur einnehmen. Bei zwei der oben genannten (mit der Subjekt-Gegenstands-Struktur der Wahrnehmung vereinbaren) Vorschläge ist es nicht oder nicht offensichtlich der Fall, dass der Gegenstand, der in einer wirklichkeitsgetreuen Wahrnehmung die Gegenstands-Rolle spielt, auch der Gegenstand ist, von dem diese Wahrnehmung handelt. Gemeint sind die Sinnesdatentheorie und der Intentionalismus. Im Rahmen der Sinnesdatentheorie ist dies eindeutig nicht der Fall. Die phänomenalen Gegenstände sind Sinnesdaten und die Gegenstände, von denen die Wahrnehmung handelt, sind physische Gegenstände. Im Fall des Intentionalismus ist es oft schwer zu entscheiden, ob es der Fall ist oder nicht. 138 Wir wollen uns daher darauf beschränken, das Problem anhand der Sinnesdatentheorie zu schildern. Angenommen die Sinnesdatentheorie ist korrekt und es präsentieren sich uns in unseren Wahrnehmungen ausschließlich Sinnesdaten, nicht aber die physischen Gegenstände, von denen unsere Wahrnehmungen eigentlich handeln. Dann scheint die Annahme unausweichlich zu sein, dass wir auf der Grundlage unserer Wahrnehmung nur dann zu gerechtfertigten Überzeugungen über die Außenwelt gelangen, wenn wir gerechtfertigt sind, von den Sinnesdaten, die sich uns präsentieren (genauer: von der Tatsache, dass sie sich uns präsentieren), auf die Gegenstände der Außenwelt zu schließen. 139 Diese Konsequenz ist jedoch aus zwei bekannten Gründen problematisch. Erstens: Es scheint einfach nicht der Fall zu sein, dass wir derartige Schlüsse ausführen, um aufgrund unserer Wahrnehmung zu Wissen über die Außenwelt zu gelangen. Zweitens: Es ist äußerst fraglich, ob gültige Schlüsse dieser Art überhaupt möglich sind. 140 Sollte uns das Ergebnis, dass Wahrnehmungen wesentlich Subjekt-GegenstandsZu hoffnungsvollen Ansätzen in diese Richtung vgl. die Literatur in Fn. 70 in Kapitel 12. 138 Intentionalisten betonen zumeist, dass dies der Fall ist. Es gibt jedoch durchaus Anlass, an dieser Behauptung zu zweifeln (vgl. dazu insbesondere die Argumente in Kriegel (2011)). 139 Ein klassisches Beispiel für eine entsprechende Überlegung finden wir bei Bertrand Russell (vgl. Russell (1912), Kap. 5 und 6). 140 Vgl. dazu u. a. Schantz (1990), Kap. 1. 137
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Strukturen aufweisen, also auf die Konsequenz festlegen, dass unser Wissen über die Außenwelt auf derartigen Schlüssen beruht, wäre auch das ein ernstes Problem für unsere Position. Auch hier gibt es jedoch Anlass für Optimismus, dass sich das Problem lösen oder auflösen lässt. Zunächst einmal ist es bis hierher noch keineswegs klar, ob uns die Ergebnisse der Arbeit wirklich auf so etwas wie eine Sinnesdatentheorie festlegen. Selbst wenn dem jedoch so sein sollte, ist es noch nicht ausgemacht, dass wir darüber hinaus auf die geschilderte Konsequenz festgelegt sind, dass unser Wissen über die Außenwelt auf Schlüssen von Sinnesdaten auf physische Gegenstände beruhen muss. Es gibt attraktive Versionen der Sinnesdatentheorie, die gute Chancen haben, diese Konsequenz zu vermeiden. Barry Maund beispielsweise charakterisiert seine Auffassung wie folgt: »The normal perceiver is not held to be aware first of the sensory state [das Sinnesdatum; D. F.], as opposed to a physical object, and then make an inference to a claim about a physical object. The perceiver is aware of the sensory sign [das Sinnesdatum; D. F.] but takes it to be the physical object. She uses the sign to grasp the object, taking the sign to be identical to that which is being grasped.« 141
Die Chancen, diesen Vorschlag in einer Weise auszuarbeiten, der die genannte problematische Konsequenz vermeidet, scheinen mir durchaus gut zu stehen. Auch das muss jedoch an anderer Stelle geschehen. 142 Phänomenales Erscheinen im Rahmen eines umfassenden Bildes des Geistes In diesem lose formulierten Themenbereich wirft unser Ergebnis, dass Zustände des Erscheinens wesentlich Subjekt-GegenstandsStrukturen sind, eine Reihe verschiedener Fragen auf. Eine davon ist, welche Zustände von diesem Ergebnis überhaupt betroffen sind, das heißt, welche mentalen Zustände eigentlich Zustände des Erscheinens sind. Für die Mehrheit der mentalen Zustände gibt es auf diese Frage eine klare Antwort. Propositionale Einstellungen (Überzeugungen, Wünsche …) und Gefühle (Liebe, Hass, Weltschmerz …) sind keine Zustände des Erscheinens. Alle Zustände, die für gewöhnlich unter den Begriff der Wahrnehmung gefasst werden, sind dagegen Zustände des Erscheinens. Dazu zählen Wahrnehmungen durch 141 142
Maund (2003), S. 81. Vgl. aber ebenda.
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die fünf Sinne (Hören, Riechen …), aber auch die sogenannten Körperwahrnehmungen (Wahrnehmungen der relativen Position der Beine …). Der interessanteste Streitfall dürften die Zustände sein, die in der Philosophie meist als Empfindungen bezeichnet werden, wie Schmerzen, Orgasmen, Kitzeln … usw. Gemäß einer Auffassung, die lange Zeit die Mehrheitsauffassung war und noch immer weit verbreitet ist, unterscheiden sich Schmerzen und andere Empfindungen grundsätzlich von Wahrnehmungen. Erstere, so die Annahme, weisen, im Gegensatz zu letzteren, keine intentionale Struktur, sondern lediglich eine phänomenale Qualität auf. 143 Sollte das richtig sein, hieße das nicht nur, dass Schmerzen keine Zustände des Erscheinens wären – denn Zustände des Erscheinens haben eine intentionale Struktur –, sondern auch, dass ihre phänomenale Qualität eine Eigenschaft von grundsätzlich anderer Art wäre, als die phänomenale Qualität von Wahrnehmungen und anderen Zuständen des Erscheinens. Denn in Bezug auf Letztere haben wir festgestellt, dass sie mit der Intentionalität von Zuständen des Erscheinens zusammenfällt, was für Erstere nicht gelten kann, da, gemäß der genannten Auffassung, Schmerzen keine Intentionalität aufweisen. 144 Im Hinblick auf die Einheitlichkeit unseres Bildes des Geistes, wäre das kein erfreuliches Ergebnis. Mir scheint jedoch, dass vieles gegen diese Auffassung spricht und dass Schmerzen und andere Empfindungen sehr wohl Zustände des Erscheinens sind. Für diese durchaus kontroverse These kann ich an dieser Stelle nicht in der gebotenen Ausführlichkeit argumentieren. Eine kurze Überlegung zu ihren Gunsten möchte ich aber doch anführen: Wenn ich mir den Zeh stoße und infolgedessen einen Schmerz im Zeh spüre, dann präsentiert sich mir etwas: mir präsentiert sich eine bestimmte unangenehme Qualität. 145 Und sie präsentiert sich zudem an einem bestimmten Gegenstand: sie präsentiert sich an meinem Zeh und damit an meinem KörVgl. z. B. Block (1990) und (1996), Chalmers (1996) oder Searle (1983). Den gängigen Vorschlag dazu, von welcher Art die phänomenale Qualität von Schmerzen dann sind, haben wir in Kapitel 8 und 9 in etwas anderen Zusammenhängen unter Stichworten wie Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins oder Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins bereits kennengelernt. Danach sind die phänomenalen Qualitäten von Schmerzen intrinsische Eigenschaften bestimmter mentaler Zustände, den Schmerzen, von denen wir ein unmittelbares Bewusstsein haben. Meist wird zudem davon ausgegangen, dass wir dieses unmittelbare Bewusstsein mit Notwendigkeit haben. Die Erklärungen hierfür variieren. 145 Damit soll nicht gesagt sein, dass es für diese Qualität wesentlich ist, unangenehm zu sein. 143 144
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per. Diese einfache phänomenologische Betrachtung zeigt, dass Schmerzempfindungen eine bestimmte Art von räumlichem Gehalt aufweisen: Die unangenehme Qualität, die sich dem Subjekt präsentiert, erscheint ihm als an einer bestimmten Stelle des Körpers lokalisiert. Entscheidend ist dabei ein Punkt, den beispielsweise Bill Brewer hervorhebt: »[…] bodily awareness is intrinsically spatial. Apparent location is an essential component of the epistemological given in bodily sensation.« 146 Oder: »Spatiality cannot be stripped away from bodily sensation without significant lost.« 147
Es ist also nicht der Fall, wie es einige traditionelle Auffassungen wollen, dass Schmerzempfindungen an sich keinen räumlichen Gehalt aufweisen und dass ihnen die Lokalisierung im Körper lediglich zugeschrieben wird oder dass sie lediglich an eine Stelle des Körpers projiziert werden. Vielmehr sind Schmerzempfindungen wesentlich Zustände mit einem räumlichen Gehalt. 148 Diese einfache Tatsache spricht sehr dafür, dass auch Schmerzempfindungen die für Zustände des Erscheinens charakteristische Subjekt-Gegenstands-Struktur aufweisen (wobei die Gegenstands-Rolle von dem Körper des jeweiligen Subjektes gespielt zu werden scheint). Eine im vorliegenden Zusammenhang interessantere Frage als die, welche Zustände eigentlich Zustände des Erscheinens sind, ist die Frage, wie die Eigenschaft, die diese Zustände zu Zuständen des Erscheinens macht, sich zu anderen mentalen Eigenschaften verhält. Gemäß dem Ergebnis dieser Arbeit handelt es sich bei der fraglichen Eigenschaft um die Eigenschaft, eine Subjekt-Gegenstands-Struktur aufzuweisen. Wie also verhält sich diese Eigenschaft zu anderen mentalen Eigenschaften? Erneut haben wir einen wichtigen Teil der Antwort bereits gegeben: Diese Eigenschaft ist identisch mit den beiden mentalen Eigenschaften, die für gewöhnlich als wesentlich für Wahrnehmungen angesehen werden: deren Intentionalität und deren Phänomenalität. Aus diesem Ergebnis ergeben sich verschiedene interessante Konsequenzen und Entwicklungslinien. Brewer (1995), S. 299. Ebenda, S. 304. 148 Wen diese Behauptung nicht überzeugt, dem möchte ich mit einem praktischen Vorschlag antworten: Man versuche sich eine Schmerzempfindung ohne räumlichen Gehalt vorzustellen, einen Schmerz also, der nicht irgendwo im Raum lokalisiert ist. Das, so möchte ich behaupten, wird einem nicht gelingen. 146 147
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Bemerkenswert ist zum Beispiel die Tatsache, dass die Konzeption einer Subjekt-Gegenstands-Struktur offenbar eine gewisse vereinheitlichende Kraft aufweist. Und es spricht vieles dafür, dass diese vereinheitlichende Kraft über die Aspekte der Intentionalität und Phänomenalität hinaus weitere zentrale Aspekte des Geistes erfasst. Einer dieser Aspekte, den wir ebenfalls wiederholt angesprochen haben, ist der des (fundamentalen) Selbstbewusstseins. Das (fundamentale) Selbstbewusstsein zum Beispiel eines Zustandes des Erscheinens wird für gewöhnlich entweder als zusätzlicher Zustand höherer Ordnung (neben eben diesem Zustand des Erscheinens) oder als zusätzlicher Aspekt dieses Zustandes des Erscheinens (neben dessen Intentionalität und Phänomenalität) angesehen. Die Konzeption einer Subjekt-Gegenstands-Struktur, so wie sie sich in dieser Arbeit herauskristallisiert hat, legt dagegen ein Verständnis von Selbstbewusstsein nahe, wonach es sich weder um einen zusätzlichen Zustand, noch um einen zusätzlichen Aspekt handelt. Der Zustand des Selbstbewusstseins fällt danach vielmehr mit dem Zustand des Erscheinens zusammen. Was diesen Zustand – zusätzlich dazu, dass er ein Zustand des Erscheinens ist – zu einem Zustand des Selbstbewusstseins macht, ist einzig und allein die Tatsache, dass er Selbstwissen rechtfertigt. 149 Und möglicherweise bietet die Konzeption einer Subjekt-Gegenstands-Struktur noch weitere Möglichkeiten der Vereinheitlichung und Vereinfachung. In jedem Fall ist diese Fähigkeit der Vereinheitlichung und Vereinfachung (bei gleichbleibender Erklärungskraft) ein weiteres starkes Argument zugunsten dieser Konzeption. Eine andere Konsequenz aus dem Zusammenfallen der Intentionalität und der Phänomenalität von Zuständen des Erscheinens mit der Subjekt-Gegenstands-Struktur dieser Zustände ist, dass die Intentionalität oder Phänomenalität mentaler Zustände, die keine Subjekt-Gegenstands-Struktur (in dem in dieser Arbeit erläuterten Sinn) aufweisen, andere Eigenschaften sein müssen als die Intentionalität oder Phänomenalität von Zuständen des Erscheinens. Diese Konsequenz ist natürlich nur unter der Voraussetzung interessant, dass es Zustände gibt, die Intentionalität oder Phänomenalität aufweisen, ohne eine Subjekt-Gegenstands-Struktur (in dem in dieser Arbeit erläuterten Sinn) aufzuweisen. Hinsichtlich der Eigenschaft der Intentionalität ist es sicher hoffnungslos, dies zu bestreiten. Hinsicht149
Siehe oben.
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lich der Eigenschaft der Phänomenalität ist die Sachlage nicht ganz so eindeutig. Auch hier wird man jedoch am Ende einräumen müssen, dass es zum Beispiel so etwas wie die phänomenale Qualität von Überzeugungen oder Wünschen gibt. 150 Das wirft die Frage auf, um was für Eigenschaften es sich bei diesen anderen Arten von Intentionalität und Phänomenalität handelt und wie sie sich von der Intentionalität und Phänomenalität von Zuständen des Erscheinens unterscheidet. Auch das ist eine schwierige Frage, die weit über die Zielsetzung dieser Arbeit hinausreicht. Im Zusammenhang unserer Diskussion der Intentionalität der Wahrnehmung haben wir Andeutungen in die Richtung einer Antwort gemacht, durch die eine gewisse Einheit zwischen beiden Arten von Intentionalität und Phänomenalität gewährleistet wäre. Danach bestünde der Unterschied zwischen der Intentionalität und Phänomenalität von Zuständen des Erscheinens und der Intentionalität und Phänomenalität anderer mentaler Zustände in erster Linie in der Art der Gegenstände, die sich dem Subjekt präsentieren beziehungsweise, die es erfasst. Im ersten Fall wären es konkrete Entitäten (physische Gegenstände, Sinnesdaten, konkrete intentionale Gegenstände) und im zweiten Fall wären es abstrakte Entitäten (Propositionen, Begriffe). Das würde gut dazu passen, dass die phänomenalen Qualitäten von zum Beispiel Überzeugungen ungleich ›dünner‹ sind als die von zum Beispiel Wahrnehmungen. Ob sich eine solche Konzeption am Ende aber verteidigen lässt, ist eine Frage, die hier vollkommen offen bleiben muss. 151 Das Lokalisierungs-Problem in Bezug auf phänomenale Zustände des Erscheinens Kommen wir schließlich zu dem Problem zurück, das uns in der Einleitung als Aufhänger gedient hat: Das sogenannte schwierige LeibSeele-Problem. Dieses Problem hatten wir in der Einleitung als das Lokalisierungs-Problem in Bezug auf phänomenale Eigenschaften eingeführt. Jede Lösung eines Lokalisierungs-Problems in Bezug auf eine bestimmte Eigenschaft oder eine bestimmte Art von Eigenschaft muss, so hatten wir dort betont, auf einer Analyse des Begriffes dieser Eigenschaft beziehungsweise dieser Art von Eigenschaft beruhen. Für 150 Vgl. z. B. Pitt (2004), Siewert (1998), Kap. 8, Strawson (2004) sowie die Arbeiten in Bayne und Montague (2011). 151 Besondere Schwierigkeiten werden hier, genauso wie in anderen Zusammenhängen, Zustände machen, die zur Kategorie der Gefühle gehören.
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den Begriff des phänomenalen Erscheinens haben wir diese Analyse bereitgestellt, indem wir die Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes des phänomenalen Erscheinens beantwortet haben. Die Antwort, die wir gegeben und verteidigt haben, lautet: Sich in einem Zustand des phänomenalen Erscheinens zu befinden, bedeutet, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. Diese Antwort erlaubt es uns verschiedene ausgesprochene und unausgesprochene Voraussetzungen zu kritisieren, auf denen die Behandlung des LeibSeele-Problems durch viele Autoren beruht. Die erste und grundlegendste dieser Voraussetzungen betrifft das Verständnis phänomenalen Bewusstseins. Aufgrund der notorischen Schwierigkeit, phänomenales Bewusstsein zu beschreiben oder gar zu definieren, finden sich wenige klare Formulierungen dieser Voraussetzung. Aus den Umschreibungen, Bildern und Metaphern, auf die man in den Texten vieler einschlägiger Autoren stößt, ergibt sich jedoch ein Bild, das drei Aspekte aufweist: 152 Erstens: Phänomenale Eigenschaften sind Eigenschaften mentaler Zustände. Und ein Subjekt verfügt über phänomenales Bewusstsein, indem es sich in mentalen Zuständen befindet, die phänomenale Eigenschaften aufweisen. Zweitens: Phänomenale Eigenschaften sind intrinsische, rein qualitative Eigenschaften mentaler Zustände. Sie verleihen einem mentalen Zustand keine irgendwie geartete Struktur. Drittens: Subjekte haben eine spezielle Art (innerlich, unmittelbar …) von Erfahrung von den phänomenalen Eigenschaften ihrer mentalen Zustände. Sollte unsere Antwort auf die Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes des phänomenalen Erscheinens richtig sein, wäre dieses Bild in allen seinen Aspekten verfehlt. Erstens: Das phänomenale Bewusstsein eines Subjektes ist nicht aus den phänomenalen Eigenschaften seiner mentalen Zustände zusammengesetzt. Vielmehr sind Subjekte auch die primären Träger phänomenaler Eigenschaften. Es ist zwar legitim, von den phänomenalen Eigenschaften mentaler Zustände zu sprechen. Dabei handelt es sich jedoch um eine abgeleitete Redeweise. Mit anderen Worten: Ein Subjekt verfügt nicht über phänomenales Bewusstsein, indem es sich in mentalen Zuständen befindet, die phänomenale Eigenschaften aufweisen, sondern seine mentalen Zustände weisen phänomenale Eigenschaften auf, indem sie Zustände eines Subjektes sind, das über phänomenales Bewusstsein verfügt. Zwei152 Besonders aufschlussreich ist in dieser Hinsicht Ned Blocks Metapher vom phänomenalen Anstrich. Siehe Abschnitt 8.1.
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tens: Es ist nicht der Fall, dass phänomenale Eigenschaften einem mentalen Zustand beziehungsweise einem Subjekt keine irgendwie geartete Struktur verleihen. Vielmehr gilt: Eine phänomenale Eigenschaft aufzuweisen, bedeutet gerade, Teil einer ganz bestimmten Struktur zu sein. Es bedeutet, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen. 153 Drittens: Subjekte haben keine irgendwie geartete Erfahrung von den phänomenalen Eigenschaften ihrer mentalen Zustände. Denn bei der Eigenschaft, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen, handelt es sich um eine Eigenschaft, die prinzipiell nicht erfahrbar ist. 154 Aus der Falschheit des geschilderten Bildes des phänomenalen Bewusstseins folgt die Falschheit zweier weiterer Voraussetzungen der Behandlung des Leib-Seele-Problems. Erstens: Viele Autoren unterscheiden zwischen zwei Arten von Leib-Seele-Problemen: dem Leib-Seele-Problem in Bezug auf phänomenales Bewusstsein und dem Leib-Seele-Problem in Bezug auf Intentionalität. 155 Sollte das in dieser Arbeit erzielte Ergebnis richtig sein, ist diese Unterscheidung jedoch nicht haltbar. Denn vor dem Hintergrund der Identität von phänomenalem Erscheinen und phänomenalem Bewusstsein ergibt sich aus der Subjekt-Gegenstands-Struktur des phänomenalen Erscheinens, dass phänomenales Bewusstsein einer bestimmten Art von Intentionalität entspricht. Das Leib-Seele-Problem in Bezug auf phänomenales Bewusstsein und das Leib-Seele-Problem in Bezug auf diese Art von Intentionalität lassen sich daher nicht voneinander trennen. Das bedeutet allerdings nicht, dass überhaupt nicht zwi153 Die Antwort auf die Frage, ob phänomenale Eigenschaften, gemäß unserer Auffassung, intrinsische Eigenschaften sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. In erster Linie hängt es davon ab, was der ontologische Status der Gegenstände einer Subjekt-Gegenstands-Struktur ist. Handelt es sich um objektive, d. h. in ihrer Existenz und Beschaffenheit von ihrem Erscheinen unabhängige Gegenstände, sind phänomenale Eigenschaften eindeutig keine intrinsischen Eigenschaften. Handelt es sich aber um subjektive Gegenstände wie Sinnesdaten, liefe es letztlich auf eine terminologische Entscheidung hinaus, ob wir phänomenale Eigenschaften als intrinsisch oder relational bezeichnen wollen. Sie wären insofern intrinsisch, als ein Subjekt, das sie aufwiese, sie unabhängig von der Existenz und Beschaffenheit anderer objektiver Gegenstände aufwiese. Sie wären aber insofern relational, als sie eben in einer bestimmten Art von Relation bestünden – eben einer Relation zwischen einem Subjekt und einem Gegenstand. In der Frage, ob phänomenale Eigenschaften intrinsisch oder nicht intrinsisch sind, müssen wir uns daher nicht endgültig festlegen. 154 Siehe Kapitel 6. 155 Als repräsentativ kann hier David Chalmers gelten (vgl. Chalmers (1996), Kap. 1).
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schen verschiedenen Leib-Seele-Problemen unterschieden werden sollte. Eine solche Unterscheidung ist dann sinnvoll, wenn es grundsätzlich verschiedene Arten mentaler Eigenschaften bzw. Zustände gibt. Und das ist durchaus der Fall. Wie wir festgestellt haben, verläuft diese Unterscheidung allerdings quer zu der zwischen phänomenalem Bewusstsein und Intentionalität. Sie verläuft vielmehr zwischen verschiedenen Arten von phänomenalem Bewusstsein beziehungsweise Intentionalität: nämlich den Arten von phänomenalem Bewusstsein beziehungsweise Intentionalität, die Zustände des Erscheinens aufweisen und den Arten von phänomenalem Bewusstsein beziehungsweise Intentionalität, die propositionale Einstellungen aufweisen. Wenn wir zwischen verschiedenen Leib-Seele-Problemen unterscheiden wollen, müssen wir also zwischen einem LeibSeele-Problem in Bezug auf Zustände des Erscheinens und einem Leib-Seele-Problem in Bezug auf propositionale Einstellungen unterscheiden. Zweitens: Eine weitere, noch interessantere, Voraussetzung betrifft die Frage, was die besondere Schwierigkeit des Leib-Seele-Problems in Bezug auf phänomenales Bewusstsein ausmacht. Die Frage also, warum sich gerade phänomenales Bewusstsein einer Reduktion auf physikalische Eigenschaften besonders hartnäckig widersetzt. Die meisten Antworten auf diese Frage bewegen sich im Rahmen des oben geschilderten Verständnisses phänomenalen Bewusstseins. Sie verweisen meist entweder auf eine Besonderheit phänomenaler Eigenschaften, die deren Reduktion erschwert oder unmöglich macht oder auf eine Besonderheit unserer Erfahrung dieser Eigenschaften. Sollte unsere Antwort auf die Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes des phänomenalen Erscheinens aber richtig sein, wären diese Antworten genauso verfehlt wie das Bild, in dessen Rahmen sie sich bewegen. Einer der oben genannten Fehler in diesem Bild des phänomenalen Bewusstseins gibt uns aber zugleich einen Hinweis darauf, worin in Wahrheit die besondere Schwierigkeit des Leib-Seele-Problems in Bezug auf das phänomenale Bewusstsein bestehen könnte. Wir hatten gesagt, dass über phänomenales Bewusstsein zu verfügen, bedeutet, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen, und dass die Eigenschaft, die Subjekt-Rolle in einer Subjekt-Gegenstands-Struktur zu spielen, eine Eigenschaft ist, die prinzipiell nicht erfahrbar ist. Und es spricht vieles dafür, dass in diesem Merkmal die Besonderheit phänomenalen Bewusstseins besteht, aufgrund derer es sich einer Reduktion auf physikalische Eigenschaften 356 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
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zu widersetzen scheint. Ein zeitgenössischer Autor, bei dem wir eine entsprechende Antwort finden, ist Mark Rowlands. Er schreibt: »[…] the phenomenal features of conscious experience – the features that constitute what it is like to undergo such experience – are absolutely transcendental features of consciousness. They are transcendental features of consciousness as act that can never be converted into mere empirical features. What it is like to undergo a conscious experience is a transcendental feature of that experience and can never, even in principle, be an empirical feature of conscious experience. What it is like is absoutely transcendental.« 156
In dem von uns verwendeten begrifflichen Rahmen ist eine Eigenschaft transzendental, wenn es unmöglich ist, dass sich eine Instanziierung dieser Eigenschaft einem Subjekt präsentiert oder ihm erscheint. Warum dieses Merkmal phänomenaler Eigenschaften das Leib-Seele-Problem in Bezug auf phänomenales Bewusstsein zu einem besonders schwierigen Problem macht, liegt auf der Hand: Physikalische Eigenschaften dürften keine transzentdentalen Eigenschaften sein. Und es erscheint ausgeschlossen, dass sich transzendentale Eigenschaften auf nicht-transzendentale Eigenschaften reduzieren lassen. 157 Wir können also festhalten: Sollte unsere Antwort auf die Wesens-Frage hinsichtlich des Begriffes des phänomenalen Erscheinens richtig sein, müssten einige zentrale Voraussetzungen, auf denen weite Teile der Debatte des sogenannten schwierigen Leib-Seele-Problems in der analytischen Philosophie des Geistes beruhen, aufgegeben werden. Und auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse müsste eine entsprechende Neu-Strukturierung dieser Debatte stattfinden.
156 157
Rowlands (2003), S. 208. Vgl. auch Rowlands (2001), (2002) und (2008). Vgl. Rowlands (2003), S. 211.
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Personenregister
Alston, William 28, 29, 40, 97, 98, 102, 162–164, 343 Anscombe G. E. M. 122, 140, 255 Armstrong, David M. 18, 34–39, 155, 224, 226, 227, 232, 233, 287 Austin, John L. 28, 344 Balog, Katalin 63, 64, 67, 76 Berkeley, George 205 Bermudez, Jose Luis 313–315, 324 Block, Ned 18, 21, 56–62, 64, 66, 76, 88, 112, 155, 171, 195, 196, 211, 220, 221, 237, 242, 243, 277, 288, 283–291, 293–299, 301, 303, 304, 350, 354 Boghossian, Paul A. 48, 211 Brentano, Franz Clemens 99, 112, 122, 256, 257 Brewer, Bill 306, 343, 351 Broad, Charles D. 140, 200 Burge, Tyler 54 Byrne, Alex 280, 309 Carnap, Rudolf 52 Castañeda, Hector-Neri 107, 149, 201, 202, 204, 256, 257, 319 Chalmers, David J. 12, 13, 17, 18, 21, 51–54, 64, 66, 76, 88, 193, 194, 196, 204, 212, 214, 218, 246, 250, 251, 302–304, 306, 316, 322, 330–332, 350, 355 Chisholm, Roderick M. 32, 28, 31, 158, 162, 185, 342 Crane, Tim 99, 101, 111, 120, 122, 126–129, 131, 132, 141, 247, 253–
255, 257, 303, 322, 324, 328, 334, 339 Dainton, Barry 156 Davidson, Donald 13 Dennett, Daniel 13, 14, 20, 29, 130, 228–230, 247, 254, 255 Dretske, Fred 49, 114, 128–130, 139, 161, 174, 175, 190, 235, 251, 291, 322, 330 Ducasse, C. J. 342 Evans, Gareth 314 Farkas, Katalin 126–129, 131, 147, 344 Fodor, Jerry 71, 155, 254 Forrest, Peter 140, 322 Frank, Manfred 223, 237 Frege, Gottlob 315, 316, 322, 324 Graham, George 66, 97, 266–268 Grice, Paul 17 Hacker, Peter M. S. 29, 247, 248 Harman, Gilbert 23, 107, 110, 112, 139, 143, 183, 184, 209, 220 Heck, Richard 306, 314, 332 Henrich, Dieter 176 Hill, Christopher 64, 76, 111 Horgan, Terence E. 66, 88, 97, 266– 268 Howell, Robert J. 183, 186–190 Hume, David 181–183, 185–187, 249
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Personenregister Jackson, Frank 11, 14, 17, 28, 29, 31, 39, 42, 51, 52, 54, 105, 109, 124, 132, 158, 196, 249, 275, 303, 335, 340, 342, Janzen, Greg 112, 223, 237, 239, Johnston, Mark 149, 190, 322 Kant, Immanuel 325 Kaplan, David 63, 74, 75 Kim, Jaegwon 196, 303 Kind, Amy 109–112, 209, 211 Kriegel, Uriah 108, 112–114, 223, 330, 331, 337, 339, 322, 348 Kripke, Saul 56, 62, 70, 74, 89 Künne, Wolfgang 316, 317, 322 Kutschera, Franz v. 139, 140, 142 Lanz, Peter 28, 34, 39 Levin, Janet 72, 76 Levine, Joseph 12, 13, 66, 88, 239 Lewis, David 155, 316 Loar, Brian 64, 76, 77, 79, 81, 148, 196 Lycan, William G. 99, 132, 175, 225, 226, 232, 233, 235, 255, 256, 284, 295, 330 Martin, Michael G. F. 110, 113, 114, 140, 147, 314, 335, 343 Maund, Barry 28, 32, 33, 105, 162, 349 McDowell, John 37, 97, 306, 314, 335 McGinn, Colin 122, 274 Meinong, Alexius 138 Meixner, Uwe 157, 158 Moore, George E. 107, 112 Nagel, Thomas 13, 125–127, 129, 132, 226, 246–248, 250, 256, 303, 304 Nida-Rümelin, Martine 48, 51, 54, 76, 95, 153, 156, 186, 213–220, 226, 237, 242, 243
Parfit, Derek 174, 260 Pautz, Adam 146–148, 204, 219, 220, 222 Peacocke, Christopher 47, 205, 306, 313, 314, 332 Perry, John 58, 76 Pitcher, George 29, 34, 36, 143, 144 Place, Ullin, T. 83 Price, H. H. 140, 145 Putnam, Hilary 16, 45, 155, 255, 335 Quine, Willard v.O. 43, 316 Robinson, Howard 105, 138, 141, 143–145, 255, 335 Rowlands, Mark 110–115, 175, 235, 357 Rosenthal, David M. 228, 302 Russell, Bertrand 52, 104, 140, 150, 348 Ryle, Gilbert 28, 34, 155 Sartre, Jean-Paul 237, 239 Searle, John R 66, 100, 101, 122, 130, 139, 141, 155, 196, 197, 227, 255, 257, 262, 306, 317, 318, 350 Sellars, Wilfrid 37, 306, 342, 346, 347 Shoemaker, Sydney 175, 185, 186, 188, 135, 278, 279, 283, 330, 332, 346 Siegel, Susanna 147, 336, 344 Smart, John J. C. 83 Smith, A.D. 109, 112, 122, 138, 139, 145, 150, 151, 163, 319, 335 Speaks, Jeff 277, 280, 299, 309, 313 Strawson, Galen 152, 155, 156, 353 Tienson, John L 66, 88, 97, 266–268 Tye, Michael 23, 76, 112, 113, 139, 190, 203, 209, 248, 249, 275, 284, 291, 294, 322, 330, 342
O’Dea, John 84–86
Valberg, J. J. 118
Papineau, David 64, 67, 76, 79, 80, 330
White, Stephen L. 48, 88, 105 Wiesing, Lambert 152, 154
378 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Personenregister Willaschek, Marcus 37, 97, 157, 311, 313, 325, 326, 335 Williamson, Timothy 43 Wittgenstein, Ludwig 91, 204
Zahavi, Dan 111, 112, 195, 223, 234, 237–240, 250, 251 Zemach, Eddy M 80, 196, 197, 318
379 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Sachregister
Abstrakte Gegenstände 66, 72, 104, 120, 200, 201, 315, 316, 321, 322, 336, 353 Adverbialismus 204, 342, 343 Aspektgestalt 100, 101, 103, 104, 117, 157, 262–265, 271–273, 277, 279, 319, 320, 336 Aufmerksamkeit 63, 112, 115, 119, 148, 182, 193, 219–221 Begriffsanalyse 15–19, 42–45, 67, 68, 91 Begriffs-Besitz-Annahme/Bedingung 306, 308, 309, 315, 324, 327, 337–339 Bekanntschaft (als Modus des Erscheinens) 52, 99, 103, 104, 224, 250, 251, 259, 264, 265, 270, 272, 273 Bewusstsein passim –, phänomenales 42, 65, 90, 220, 224, 226, 232–235, 240, 245, 268, 354– 357 – Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins 214–217, 243, 350 Charakter 72, 74, 75, 85, 86 Demonstrative Ausdrücke/Begriffe 57, 63, 64, 72–76, 79–81, 84–88, 92, 98, 149, 150, 346 Disjunktivismus 120, 147, 335, 336, 344
Epistemischer Sinn von »erscheinen« 22, 29, 30, 32–34, 36, 37, 40, 41, 104, 158–160, 182, 188 Erfahren (als Modus des Erscheinens) 99–102, 259, 263–265, 271– 273, 300, 307 Erfahrung passim – Gegenstandsvorstellung der Erfahrung 195, 215, 217 Erfahrungs-Standpunkt / ErfahrungsPerspektive 126–128, 131, 132 Erfüllungsbedingungen 101–104, 163, 164, 263–266, 273, 300, 306– 308, 329, 330, 338 Erscheinen / Erscheinen als passim –, als Gegenstand 23, 117, 118, 124, 125, 135, 198, 340 –, als Subjekt 23, 24, 109, 110, 116– 118, 136, 158, 168–178, 180, 182, 185, 191, 197, 198,204, 237, 238, 340, 341 – Modi des Erscheinens 99, 100, 102, 103, 121, 264, 300 Erscheinens-Begriffe 40, 41, 45, 65– 69, 71, 248, 267 esse est percipi 105, 121, 164, 165 Flüchtigkeit des Ichs/ Flüchtigkeitsthese 180–188, 191 Funktionalismus/funktionale Eigenschaften 20–22, 155, 286–288, 290, 291, 293, 297, 299, 303, 304 Gegenstands-Rolle 135, 146, 169, 174, 175, 179, 237, 238, 241, 258, 340–344, 348, 351
381 https://doi.org/10.5771/9783495808191 .
Sachregister Gehalt passim –, abstrakter 329–331, 334, 339 –, allgemeiner 270–273, 329, 330 –, begrifflicher 157, 325, 347 –, kognitiver 50, 51, 53–56, 58, 59, 68, 69, 70–75, 77–79, 82, 83, 86, 87, 90, 92, 259–261 –, konkreter 329–331, 339 –, nicht-begrifflicher 97, 227, 228, 239, 240, 244, 314, 347 –, singulärer 270–272, 331, 332 –, wahrheitskonditionaler 46–48, 50, 53–55, 58, 68–70, 73–75, 78, 79, 82–85, 92 Halluzination 27, 30, 101–104, 119, 120, 137–139, 147–150, 190, 191, 263, 271, 318, 322, 323, 331, 335, 336, 339, 343, 344 Identität des Subjektes / der Person 16, 153, 156 Illusion 27, 34, 101–104, 119, 142, 147, 166, 260, 261, 263, 271, 296– 299 Indexikalische Ausdrücke/Begriffe 85, 86, 316 Inseparatismus / Separatismus 25, 266–280, 290, 299–302, 304, 307– 309, 338 –, allgemeiner 268 –, bestimmter, s. Inseparatismus / Separatismus –, inter-personaler 269, 272, 276, 277 –, intra-personaler s. Inseparatismus / Separatismus Intentionale Gegenstände 105, 119, 121- 125, 255, 259, 262, 264, 265, 270, 271, 273, 303, 340, 341, 343, 353 Intentionalismus 221, 231, 234, 235, 275, 343–345, 348 Intentionalität 25, 42, 71, 94–96, 99, 101, 122, 123, 245, 253–258, 262, 263, 266–268, 274, 281, 300, 302– 307, 313, 321, 327, 328, 334, 337– 339, 350–353, 355, 356
– Gedankenintentionalität 305–307, 327, 338 – Wahrnehmungsintentionalität 305, 327 Intensionalität 100, 101, 140–142, 255 Intension 46–48, 51, 74, 75 Invertiertes Farb-Spektrum / Inversion 85, 249, 277–285, 287, 289, 291, 292, 299, 301, 330 Kognitive Signifikanz 47, 56–58 Komparativer Sinn von »erscheinen« 22, 28–33, 40, 41, 158–160, 168, 182 Leib-Seele-Problem 11–15, 20, 67, 302, 353–357 Mentale Dateien 58–62 Meta-repräsentationale Zustände/ Theorien 223, 224, 227–229, 231, 233–236 Mögliche Welten 18, 46, 48, 51, 52, 57, 74, 75, 78, 269, 316, 331, 332 Nicht-existierende Gegenstände 138, 146, 150, 151, 200, 335 Ontologisch dünne Gegenstände 105, 121, 264, 265, 336 Personale/subpersonale Ebene 119, 228–232, 234, 310 Phänomenale Begriffe 44, 45, 63–67, 69, 71–73, 81–92, 193, 326 Phänomenale Eigenschaften 12–14, 63, 64, 66, 67, 70, 82, 83, 86–88, 193, 195, 196, 198, 212, 215, 218– 221 Phänomenale Gegenstände 119–121, 123, 134–138, 169–176, 179, 186, 203, 207, 210 Phänomenaler (mentaler) Anstrich 171, 193, 195–198, 205, 207, 212– 215, 218, 226, 227, 235, 250, 354
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Sachregister Phänomenaler Sinn von »erscheinen« 22, 28–30, 32–34, 158, 160, 182 Phänomenales Bewusstsein, s. Bewusstsein Phänomenales Prinzip 138–146, 150, 151 Phänomenologie der Erfahrung/ Wahrnehmung 108, 123, 192, 193, 196, 199, 200, 203, 204, 207, 213, 214, 216–222, 237, 238, 242, 243, 319, 320, 335 Präsentation/Präsentieren 119, 120, 122–125, 127, 129–139, 141–150, 157, 164, 169, 171–179, 186, 195, 200–203, 205, 207, 210, 211, 218, 230, 238, 239, 241, 248, 251, 252, 264, 265, 275, 307, 310, 312, 314, 317, 318, 320–324, 329, 330, 332–339, 344, 346, 348, 350, 353, 357 Präsentationale Phänomenologie 199, 204, 207, 319, 320 Prinzip der Gegenständlichkeit des phänomenalen Erscheinens 184– 191 Propositionale Einstellungen 24, 25, 96–98, 232, 305–307, 315–322, 324, 333, 334, 337–339, 349, 356 – Akt-Objekt-Modell propositionaler Einstellungen 316, 317, 321, 324, 333 Propositionalitäts-Annahme/Bedingung 306–309, 315, 316, 318, 324– 328, 334, 338, 339 –, moderate 327, 328, 334 Propositionen 46–50, 66, 72, 74, 96– 98, 104, 189, 201, 306, 308, 309, 315–324, 328, 329, 331–339, 347, 353 –, fregeanische 315, 334 –, russellsche 315, 316 –, unstrukturierte 316, 331–333 Qualia, s. Phänomenale Eigenschaften
Rationalitätsbedingung 48, 50, 59, 61 Repräsentationalismus, s. Intentionalismus Repräsentationalitäts-Annahme/ Bedingung 306, 307, 338 Rigide Designatoren 74, 75, 333 Selbstbewusstsein 16, 24, 25, 112, 168, 170, 177, 178, 183, 195, 219– 229, 231, 234, 236–244, 345, 346, 350, 352 – Introspektion 114, 115, 222, 223, 236, 241–243, 345, 346, 350 – Introspektionsmodell des Selbstbewusstseins 222, 223, 236, 241– 243, 345, 346, 350 –, nicht-phänomenales 223, 225, 226, 243 –, peripheres 220, 221 –, präreflexives 195, 219, 223, 236– 241, 243, 244 Sensorische Eigenschaften 30, 144, 159–169, 171, 173, 179, 180, 195, 205, 207, 310–312 Sinnesdaten 104, 120, 121, 124, 137, 142–144, 186, 194, 200, 201, 307, 335, 336, 342, 343, 345, 348, 349, 355 Subjekte passim – Gegenstandsvorstellung des Subjektes 195, 215, 217 – Subjekt-Gegenstands-Struktur 19, 23, 133, 135, 136, 146, 147, 154, 156, 164, 169, 171, 173–176, 179, 195, 237–241, 244, 340–345, 347– 349, 351, 352, 354–356 Subjekt-Rolle 135, 136, 154, 169, 171, 173–176, 179, 236, 238, 241, 258, 340, 341, 356 Supervenienz 71, 268–272, 275, 276, 308, 330 Tatsächlichkeitsabhängigkeit / Tatsächlichkeitsabhängige Begriffe 16, 17, 53–55, 70, 75, 78, 81, 84, 88, 92
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Sachregister Tatsächlichkeitsunabhängigkeit / Tatsächlichkeitsunabhängige Begriffe 44–46, 50, 53, 54, 66–69, 71, 72, 78, 88–92, 253, 255, 300 Transparenz/Transparenzthese passim Verdoppelungsvorstellung 196–199, 212, 215, 218, 219, 221, 238 Verfügen über Begriffe 18, 19, 23, 33, 37, 43, 45–54, 56–62, 64, 67–72, 74, 83, 87, 256, 259, 306, 308–314, 324, 326, 327, 337, 338 Vorstellen (als Modus des Erscheinens) 100, 103–105, 117, 121, 135, 225, 259, 264, 265, 270 Wahrnehmung, visuelle passim – Akt-Proposition+Objekt-Modell der Wahrnehmung 317–324, 333, 335–339 – Akt-Proposition=Objekt-Modell der Wahrnehmung 317, 321–324, 336–339
– Wahrnehmungsfeld 98, 119–121, 123, 124, 134, 148, 157, 167, 199– 205, 207, 211, 248–250, 252, 258, 259, 261, 262, 264, 266, 272, 275, 276, 280–282, 300, 301, 305, 309– 312, 314, 317–320, 322, 325, 326, 328–339, 344 Wahrnehmungsmodell des phänomenalen Bewusstseins, s. Bewusstsein Wahrnehmungs-Rationalitäts-Prinzip 260, 261, 282, 283, 292, 293 Wahrnehmungsvorstellung 195, 215, 222 Wesens-Frage 42, 44, 45, 68, 91, 92, 340, 354, 356 Wiedererkennungsbegriffe 73, 76– 84, 87–90, 92, 148, 199, 314 –, erst-persönliche 89, 91, 92, 99, 253, 263, 300 –, natürlicher Arten 73, 76–79, 82– 84, 92 –, reine 76–79, 81, 83, 84, 89, 90, 92, 148
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